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Full text of "Zeitschrift Für Die Gesamte Experimentelle Medizin. 27.1922"

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OF THE 



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ZEITSCHRIFT FÜR DIE GESAMTE 

EXPERIMENTELLE 

MEDIZIN 

ZUGLEICH FORTSETZUNG DER 

ZEITSCHRIFT FÜR EXPERIMENTELLE 
PATHOLOGIE UND THERAPIE 

HERAUSGEGEBEN VON 

E. ABDERHALDEN-HALLE, A. BIEDL-PRAG, TH. BRUGSCH-BERLIN, 

E. ENDERLEN- HEIDELBERG, H. E. HERING -KÖLN, W. HIS- BERLIN, 

F. KRAUS -BERLIN, 0 . LUD ARSCH - BERLIN, C. v. NOORDEN -FRANK¬ 
FURT A.M., R. PALTAUF -WIEN, E. PAYR- LEIPZIG, C. PIRQUET -WIEN, 
J. POHL -BRESLAU, F. SAUERBRUCH -MÜNCHEN, A. SCHITTENHELM- 
KEEL, W. STRAUB - FREIBURG, W. TRENDELENBURG - TÜBINGEN, 

P. UHLENHUTH-MARBURG 

REDIGIERT VON 

F. KRAUS C. PIRQUET A. SCHITTENHELM 
W. TRENDELENBURG 

27. BAND 

MIT 111 TEXTABBILDUNGEN 



BERLIN 

VERLAG VON JULIUS SPRINGER 
1922 


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Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig 


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Inhaltsverzeichnis. 

Seite 


LÖhr, Hanns« Die Beeinflussung- der Blutkörperehensenkungsgesohwindigkeit 

durch Reizstoffe .. 1 

Schittenhelm, A. und K. Harpuder. Der Einfluß parenteral verabreichter 
freier und gebundener Purinkörper auf die Purinkörperausscheidung im 

Urin beim Menschen.14 

Schittenhelm, A. und K. Harpuder. Resorption und bakterielle Zersetzung 

der Purinsubstanzen im Darmkanal von Mensch und Tier ...... 29 

Schittenhelm, A. und K. Harpuder. Über das Schicksal gehäuft injizierter 

Harnsäure beim Menschen.34 

Schittenhelm, A. und K. Harpuder. Gibt es beim Menschen eine Harn- 

säurezerstörungV Bemerkungen zur Theorie der Gicht..43 

Schittenhelm, A. und K. Harpuder. Harnsäureumsatz und Harnsäureaus- 

fuhr bei Akromegalie.50 


Harpuder, K. und R. Mond. Die Brauchbarkeit der koloriinetrischen 

Methoden zur Bestimmung vom Ilamsäuregehalt des Blutes ..... 54 

Wöhlisch, Edgar. Die physikalischen Grundlagen einer rationellen Methodik 
zur Bestimmung der Gerinnungszeit des Venenblutes. (Untersuchungen 


über Blutgerinnung. IV.) (Mit 2 Textabbildungen.).61 

Wöhlisch, Edgar und Konrad Pieritz. Untersuchungen zur Methodik der 
vergleichenden Thrombinbestimmung im Serum. (Wöhlisch. Unter¬ 
suchungen über Blutgerinnung. V.).82 

Bürger, Max und Max Grauhan. Über postoperativen Eiweißzerfall. I. 

(Mit 17 Kurven.).97 

Schellong, Fritz. Untersuchungen über die Ableitung der Aktionsströme 

des Herzens vom Thorax. (Mit 4 Textabbildungen.) .115 


Bayer, Gustav. Über den Calciumgehalt des Blutes bei der Guanidin¬ 
vergiftung. Ein Beitrag zur Tetaniefrage. (Mit 3 Textabbildungen.) . 119 
Krawkow, N. P. Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgef&ße iso¬ 
lierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 

(Mit 4 Textabbildungen und 36 Kurven.).127 

Langer, Hans. Die Grundlagen der biologischen Desinfektionsleistung von 

Acridiniiimfarbstoffen, insbesondere von Flavicid. (Mit 4 Textabbildungen.) 174 
Bauer, Julius und Berta Aschner. Über Austauschvorgänge zwischen Blut 
und Geweben. H. Mitteilung. Der Einfluß von Adrenalin, Hypophysen- 


und anderen Blutdrüsenextrakten und Gefäßmitteln.191 

Boruttau, H. und K. Grassheim. Untersuchungen über die Pharmakologie 

des Strontiums.213 

Peiser, Bruno. Störungen der Adrenalinbildung in den Nebennieren unter 

äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung.234 

Moraczewski, W. Diagnostische Bedeutung der Wasserprobe bei Nieren¬ 
kranken. (Mit 30 Textabbildungen.).265 

Jastrowiz, H. Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie 276 
s Starlinger, Wilhelm. Über die physikalisch-chemische Beeinflussung des 
*1 Blutes durch Tuberkulin, gemessen an der Suspensionsstabilität der 

Erythrocyten und dem Flockungsvermögen des Plasmas.305 

Miki, Y. Experimentelle und klinische Untersuchungen über die Dauer des 

K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). (Mit 11 Textabbildungen.) . . 323 
fy Autorenverzeichnis ..389 


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tJNI VERSITY-0PMNNESOTA 



(Aus der Medizinischen Universitätsklinik Kiel [Direktor: Prof. Dr. Schitten- 

helm].) 

Die Beeinflussung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit 

durch Reizstoffe. 

Von 

Dr. Hanns löhr, 

Assistent der Klinik. 

(Eingegangen am 14. November 1921.) 

Über die Agglutination und Senkungsgeschwindigkeit der roten 
Blutkörperchen bei Schwangeren und Krankheiten liegt seit der Wieder¬ 
entdeckung durch Fahraeus bisher schon eine recht ansehnliche 
Zahl von experimentellen und klinischen Arbeiten vor, ohne daß sich 
die Autoren über die auslösende Ursache dieses Phänomens einig ge¬ 
worden wären. Die Höbersche Schule, Fahraeus und Linzenmeier, 
berücksichtigten in ihren ersten Berichten nur eine elektrophysi¬ 
kalische Deutung, daß nämlich in rasch senkenden Blut die Blut¬ 
körperchen im Verhältnis zum normalen Blut an ihrer elektrisch nega¬ 
tiven Ladung eingebüßt haben, wobei sich elektropositive Teilchen 
des Plasmas durch Adsorption an die Blutkörperchenoberfläche an- 
legen. Diese Ansicht modifizierte Linzenmeier, später gestützt auf 
umfangreiche Experimente, in der Richtung, daß neben der Entladung 
auch eine gewisse Sensibilisierung der Blutkörperchen einträte, 
so daß noch andere senkungsbeschleunigende Faktoren ohne eine 
Ladungsänderung leichter an ihnen angreifen könnten; für eine andere 
Gruppe von Substanzen, die er im Experimente zusetzte, bestand 
jedoch keine Sensibilisierung, keine Ladungsänderung, aber dennoch 
Senkung. Infolgedessen konnte die rein elektrophysikalische Erklärung 
nicht mehr als die alleinige aufrecht erhalten werden. Plaut sucht 
nun die Änderung der Senkungsgeschwindigkeit durch Erscheinungen 
der Autoagglutination der Erythrocyten zu erklären, Bennighof 
fand ebenfalls bei den rasch senkenden Fällen unter dem Mikroskop 
starke Geldrollenbildung, während die normalen, roten Blutkörperchen 
sich gleichmäßig unter dem Deckglas aus breiteten. Aber auch diese 
Tatsache gibt keine einheitliche Erklärungsmöglichkeit. W. Star- 
linger konnte zeigen, daß die Autoagglutination der Erythrocyten 
von dem Gehalt des Plasmas an Fibrinogen, der gröbstdispersen 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVJ7. ] 


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H. Lühr: Die Beeinflussunt» 


Fraktion der Bluteiweißkörper, abhängt, indem dieses durch Förde¬ 
rung der Agglutination die Senkung beschleunigt, während andrer¬ 
seits eine Anreicherung von Eiweißspaltprodukten infolge von eiwei߬ 
spaltenden Vorgängen durch Hemmung der Agglutination eine Ver¬ 
langsamung der Senkung zur Folge hat. In Anlehnung an die Herz- 
feld - Klingersche Theorie, daß eine Agglutination erst dann ein- 
treten kann, wenn die Wasserbenetzbarkeit der suspendierten Teilchen, 
die durch Adsorption von wasserlöslichen Eiweißabbauprodukten und 
Lipoiden ermöglicht wird, eine Störung erleidet, glaubt Starling, 
daß ein hoher Gehalt des Plasmas an Fibrinogen von diesen wasser¬ 
löslichen Substanzen soviel adsorbiert, daß eine Verarmung der Ober¬ 
fläche der roten Blutkörperchen mit folgender Beschleunigung der 
Senkungsgeschwindigkeit auftritt. Zwar fand schon Fahraeus einen 
Parallelismus zwischen Senkungsgeschwindigkeit und der Größe der 
Globulinfraktion des Blutserums, während Linzenmeier im Sinne 
von Sachs in einer Änderung des Dispersitätsgrades des Fibrinogens 
die Ursache der Senkung erblickt. Da nach den Untersuchungen von 
Höher und Linzenmeier durch den Gerinnungsvorgang die Sen¬ 
kungsbeschleunigung verschwindet, so lassen sie die Frage offen, ob 
das Fibrinogen selbst oder ein mit der Fibrinbildung aus dem Plasma 
entfernter Stoff die Ursache der Beschleunigung ist. Starlinger legt 
jedoch neben der Dispersitätsänderung mit aller Entschiedenheit 
Nachdruck auf die Bedeutung der Quantität des Fibrinogens, da er 
in seinen Versuchen ein ausgesprochenes Parallellaufen der Fibrinogen¬ 
menge und der Intensität der Flockungsreaktion bemerkte. Demgegen¬ 
über verlegt die Sachssche Schule die Entscheidung in die physi¬ 
kalische Struktur der Säfte. Im Anschluß an Herzfeld und 
Klinger sieht Sache Unterschiede zwischen den einzelnen Eiw r eiß- 
fraktionen des Blutes im wesentlichen in physikalisch-chemischen 
Merkmalen, dem Dispersitätsgrade ihrer Teilchen. Es besteht von der 
labilsten Fibrinogenstufe über das Globulin ein allmählicher Übergang 
bis zu dem stabileren Albumin, wobei das Fibrinogen die am leichtesten 
alterierbare Komponente darstellt. Die Verschiedenheit der Blut¬ 
körperchensenkung beruht nach Sachs zum größten Teil auf einer 
verschiedenen Plasmastabilität. Diese Verhältnisse überträgt der 
Autor nun tiuch auf die Proteinkörper- oder besser Reizkörper¬ 
therapie. Primär wird hierbei eine Änderung der Säftestruktur be¬ 
wirkt, wobei für Erfolg oder Mißerfolg die Kolloidstabilität der Säfte 
eine wichtige Rolle spielt. 

In Verfolgung dieser Ideen schien es von Bedeutung, zu erfahren, 
welchen Einfluß die Injektion von Heizkörpern auf die Senkungs- 
geschwindigkeit der roten Blutkörperchen ausübte. Die ersten Ver¬ 
suche in dieser Richtung hat mein Bruder Wilhelm Löhr in einer 


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der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit durch Reizstoffe. 


3 


experimentellen und klinischen Arbeit unternommen und eine deut¬ 
liche Beschleunigung der Sedimentierung der Erythrocyten nach 
intramuskulärer und intravenöser Injektion von Serum Caseosan, 
Tuberkulin und Kollargol festgestellt. Weniger deutlich war der Ein- 
fluß nach Verabfolgung von hyper- und hypotonischen Kochsalz¬ 
lösungen. In einem Falle von schwerstem anaphylaktischen Schock 
nach intravenöser Gabe von Tetanusserum wurde die Blutkörperchen¬ 
senkung praktisch aufgehoben, im Anschluß daran trat aber eine ganz 
erhebliche Senkungsbeschleunigung auf, die allmählich nach 6 Tagen 
wieder zur Norm zurückkehrte. 

An diese einzelnen Experimente anknüpfend unternahm ich es 
nun, systematisch den Einfluß von Heizkörpern aller Art auf die 
Blutkörperchensenkung zu erproben. Es interessierte vor allen Dingen 
auch die Fragestellung nach dem rein zeitlichen Ablauf der Re¬ 
aktion, wie ich dieses kürzlich für die Typhusagglutination sowohl im 
Blute als auch in der Muttermilch beantworten konnte. Es fand sich 
nämlich damals, daß bei intramuskulärer Injektion schon nach kurzer 
Zeit, in der Regel 2—4 Stunden, ein erheblicher Anstieg des Agglutinintiters 
auftrat, bei intravenöser Verabfolgung in noch kürzerer Zeit. Gewisser¬ 
maßen die Bestätigung dieser Befunde sehe ich jetzt in den Forschungs¬ 
ergebnissen von A. Frisch und W. Starlinger, die nach spezifischer 
und unspezifischer Eiweißzufuhr (Tuberkulin, Milch und Pferdeserum) 
schon nach kurzer Zeit, 2—4 Stunden, eine beträchtliche Vermehrung 
des Fibrinogens im Blutplasma feststellen konnten, worauf der Fibri¬ 
nogenspiegel noch in den folgenden Tagen stets erhöht blieb. Auf 
ähnliche Befunde hatten schon Modrakowski und Orator kurz 
hingewiesen. Allerdings machen die ersten Autoren die Einschränkung, 
daß eine Gesetzmäßigkeit nicht immer besteht. Moll, van den Vel¬ 
den, Loewy und Togawa Tokuyi fanden mit verschiedenster Me¬ 
thodik ähnliche Ergebnisse, wobei allerdings in dem rein zeitlichen 
Ablauf geringe Differenzen zu bemerken sind. Togawa Tokuyi 
stellte sofort schon nach der Injektion von Serum usw. Vermehrung 
des Fibrinogens fest. Ich lasse hier die Frage offen, ob die Nicht¬ 
beeinflussung oder die sogar von Frisch und Starlinger zuweilen 
beobachtete Senkung des Fibrinogengehaltes mit einer Überempfind¬ 
lichkeit des einzelnen Individuums gegenüber der Intensität der Reize 
zusammenhängt. Klinische und auch experimentelle Erfahrungen 
haben gezeigt, daß wir bei der Reiztherapie in der Dosierung noch 
völlig im Dunkeln tappen. Was bei dem einen Individuum ein starker 
Anreiz bedeutet, kann bei einem anderen überhaupt keine oder gar 
lähmende Wirkung ausüben. Die Reaktion ist eben von zwei Kompo¬ 
nenten abhängig, einerseits dem wirksamen Reizstoff, andrerseits von 
dem Zustand der Körpersäfte selbst, wobei die Kolloidstabilität der 

1 * 


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4 


M. Löhr: Die Beeinflussung 


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Säfte von Bedeutung ist. Beide Faktoren werden die erforderliche 
physikalische Struktur besitzen müssen (Sachs). 

Auch die jüngsten Veröffentlichungen E. Gabbes über regelmäßige 
Schwankung der Lipoidmenge des Blutes nach Injektion von 
Reizstoffen der verschiedensten Art, die schon nach I—l 1 ^ Stunden 
auftraten, belegen meine oben erwähnten Versuche. Nach seiner An¬ 
sicht üben die Lipoide auf den physikalischen Zustand der Eiwei߬ 
kolloide des Serums einen erheblichen Einfluß aus. Bei der Blut¬ 
gerinnung sollen ja auch Fettsäuren und Lipoide (Stüber und Heim) 
und auch Phosphat ide (Zack) eine Rolle spielen. Andrerseits glaubt 
Gabbe auch im Anschluß an Brinkmann und van Dam an eine 
isolierende Schutzwirkung des Cholesterins für die Blutkörper gegen 
die elektrischen Einflüsse der Eiweißkörper. Die Bedeutung der 
Lipoide bei der Blutkörperchensenkung legte auch auf Veranlassung 
von Rona P. György fest. Immerhin sind diese Fragen noch unge¬ 
klärt. W. Löhr konnte keine Veränderung des Cholesteringehaltes 
feststellen, Untersuchungen, die ander Schittenhel mschen Klinik 
ausgeführt wurden. Es besteht auch Meinungsverschiedenheit über 
Reagensglasversuche mit Zusatz von Cholesterin und Lecithin (Lin- 
zenmeier, Kürsten). 

Da nun die bakterielle Agglutination und die Hämagglutination 
sehr nahe verwandte Zustände darstellen, lag der Gedanke nahe, die 
dort angewandte Methodik auch auf die Sedimentierung der roten 
Blutkörperchen auszudehnen. 

Hinsichtlich der Methodik sei kurz erwähnt, daß ich die von Linzenmeier 
angegebenen Röhrchen von 6,5 cm Höhe und 5 mm lichter Weite mit einem Inhalt 
von genau 1 ccm verwandte und mit den fixen Senkungsstrecken von 6,12 und 18 mm 
arbeitete. W. Löhr hat diesen 3 Marken noch eine vierte bei 24 mm für die sehr 
rasch senkenden Fälle hinzugefügt. Für unsere Versuche erwies sich aber die 
Beobachtung bis zur Marke 18 mm am zweckmäßigsten. Nur in einzelnen Fällen, 
z. B. den Blutkrankheiten, mußten wir der schnellen Senkung wegen uns auch 
der Marke 24 mm bedienen. 

Um von vornherein keine Irrtumsmöglichkeit zu begehen, war es 
notwendig, sich zunächst über die etwaigen Tagesschwankungen in der 
Schnelligkeit des Reaktionsablaufs zu unterrichten. Die mittlere Sen¬ 
kungsgeschwindigkeit bei Normalen ist ja durch die bisherigen Unter¬ 
sucher bekannt. W. Löhr stellte auch schon Schwankungen im Laufe 
des Tages fest, die aber im Gegensatz zu Büschers Ansicht nicht von 
der Nahrungsaufnahme oder gar von einer bestimmten Nahrungsart, 
z. B. Fett, abhängen. Ganz neuerdings berichtet ferner Bennighof, 
der allerdings mit festen Senkungszeiten, nicht mit fixen Senkungs¬ 
strecken arbeitete, über Tagesschwankungen von nur einigen Milli - 
metern. Einem Gesunden wurde also stündlich Blut zur Senkung 
entnommen, was aus folgender Zusammenstellung ersichtlich ist. 



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der Blutkörperehensenkung8ge8chwindigkc*it durch Reizstoffe. 5 


Tabelle I. 


Name 

Datum 

Blut¬ 

entnahme 

Sedimentierung 
bie 18 mm in Hin. 

Br. j 

28. vn. 

10* 20' 

384 

1 

i 

11h 30' 

394 

i 

i 

12» 30' 

379 

i 


lh 30' 

399 



2 h 30' 

393 

i 


3 h 30' 

378 



4h 30' 

391 

i 


5h 30' 

388 



6 h 30' 

387 

i 


7 h 30' 

384 


1 

8 h 30' 

390 


Wie ersichtlich, sind die Schwankungen nicht erheblicher Natur, wer¬ 
den auch nicht durch die Einnahme der Mahlzeiten verändert. W. Löhr s 
festgesteIHe Schwankungen von ungefähr 200 Min. beziehen sich auf 
die Strecke von 24 mm. Gerade die Sedimentierung von 18—24 mm 
dauert u. U. Stunden. Bei einer mittleren Senkungsgeschwindigkeit 
von 1200 Min. bis 24 mm entsprechen die größeren Schwankungen 
denen von mir bei 18 mm gefundenen. 

Nach Feststellung dieser Tatsache wurde sodann der Einfluß von 
intramuskulär injizierten Eiweißkörpern auf die Senkungsgeschwindig¬ 
keit untersucht. 

Ich ging so vor, daß ich zunächst bei den Versuchspersonen ihre augenblick¬ 
liche Senkungsgeschwindigkeit feste teilte. Unmittelbar nach der ersten Blut¬ 
entnahme erhielt der Patient den Reizstoff verabfolgt, bei intravenöser Injektion 
wurde sofort in die von der Entnahme noch in der Vene liegende Nadel gespritzt. 
Zui Verwendung kamen in der Hauptsache Milch, Caseosan, Pferdeserum oder ein 
Eiweißpräparat Nr. 304 bei intramuskulärer Applikation, intravenös spritzte ich 
Caseosan, Pferdeserum, Autoserum, ferner kolloidale Silberpräparate. Sodann 
wurde anfangs den Patienten stündlich Blut zur Sedimentierung entnommen, 
späterhin aber nach allgemeingültiger Feststellung des Beschleunigungsbeginns 
konnte man sich mit einer geringeren Anzahl von Blutproben begnügen. 

Betrachten wir zunächst die Ergebnisse nach intramuskulärer 
Verabreichung; in der folgenden Tabelle konnten wir aus wirtschaft¬ 
lichen Gründen nur einen Teil der Experimente veröffentlichen. Auch 
ist nur der erste Fall genau mit jeder Blutentnahme berichtet, in den 
folgenden begnügte ich mich mit der Fixierung der typisch wichtigen 
Zeitpunkte, also Eintritt der Beschleunigung und höchste Beschleuni¬ 
gungszeiten. Diese genügen jedoch, um die deutliche Beeinflussung 
der Senkungsgeschwindigkeit darzutun. In allen Fällen sehen wir 
nach 1—2 Stunden eine erhebliche Beschleunigung der 
Sedimentierung. Bei einigen Fällen trat die Beschleunigung aller¬ 
dings erst nach 3—4 Stunden auf. Möglicherweise hängt dieses mit 


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6 


II. Lühr: Die Beeinflussung 


Tabelle II. 





Zeit der 

Senkung«- 

Name 

Datum 

Blut- 

ge8chwindigkeit ! Intramuskuläre Injektion von 




entnähme 

bis 18mm in Min.j 

1. B. 

2. 

viii. 

8^ 

406 

i 




1 5 ccm MUch 8 h 2' 




9h 

378 




10h 

tu 




11h 

241 




12h 

230 ! 




l h 

225 ! 




2h 

220 




4 h 

215 




«h 

225 




8 11 

319 

1 

3. 

VIII. 

8» 

230 

i 

4. 

VIII. 

8 h 

245 


6 . 

VIII. 

8h 

300 

! 

2. J. Beg. 

5. 

vni. 

7 h 05' 

385 





o ccm Milch 7 h 9' 




10h 15' 

199 




4 

1 


6. 

VIII. 

7h 

195 




+ 

1 




8h i 

175 

3. H. S. 

2. 

VIII. 

10 h 35' 

243 





1 ccm Caseosan 10 h 87' 




ll h 40' 

135 

Ij 



12h 40' 

139 

i 


i 

1 1 

2h 45' 

130 




UBW. 

usw. 


9. 

VIII. 

1 9h 40' 

225 

i i 

4. A.W. 

1. 

VIII. 

1 10h 10' 

: 129 





i 1 ccm Caseosan 10 h 12' 

: 



12h 15' 

TT ! 

1 1 

: 



3h 15' 

1» 

55 

|j 



U8W. 

USW. 

5. K. 0. |j 

25. 

VIII. 

j ’ llh 

401 i 

! 



1 

! 1 ccm Eiweißpräparat Nr. 804 ll h W 

ii 



12h 10' 

325 




lh 

22» | 

i 




1 




usw. 

USW. 


schlechteren Resorptionsverhältnissen zusammen, die durch nicht 
gleichmäßige Anlage des Reizdepots, z. B. inter- oder subfascial, be¬ 
dingt sein könnte. Aber auch in diesen Fällen sowie in den anderen 


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der Biutkörperchensenkungsgeschwindigkeit durch Reizstoffe. 


7 


sehen wir eine teilweise sehr starke Beschleunigung, die im Laufe der 
nächsten Stunden noch zunehmen kann, um später in den nächsten 
Tagen wieder abzuklingen. Es liegt also hier ein weitgehender 
Parallelismus mit der Typhusagglutininsteigerung durch 
unspezifische Reize vor, der zeitliche Reaktionsablauf ist 
hier derselbe wie dort. Es ließ sich fernerhin dreimal 1 ) ein An- 
dauem der Beschleunigung in den nächsten 8 Tagen beobachten, Be¬ 
funde, die sich mit den Untersuchungen W. Löhr’s decken. Nach 
Starlinger bleibt ja auch der Fibrinogenspiegel mehrere Tage erhöht. 

Sodann interessierte die Frage, ob nach intravenöser Verab¬ 
folgung des Reizmittels der zeitliche Beginn der Senkungsbeschleunigung 
noch rascher eintritt als bei intramuskulärer Injektion: Der Typhus¬ 
agglutinintiter ließ sich fast immer bei endovenöser Einspritzung im 
Vergleich zu der intramuskulären in kürzerer Zeit in die Höhe treiben. 
Hinsichtlich der Höhe des Titerausschlages und des weiteren Verlaufs 
war allerdings kein merkenswerter Unterschied zu beobachten. Wir 
verwandten Caseosan, Sanarthrit und mit Vorsicht nach vorausgegange¬ 
ner intramuskulärer Probeinjektion auch Pferdeserum. Zwischenfälle 


Tabelle III. 


! ' 'i 

Zeit der 

Senkungs- 

— 

Name Datum 

Blut- 

Geschwindigkeit 

Intravenöse Injektion von 

1 1 

entnähme 

bis 18 mm in Min. 


l. Gr. Ij 8 . IX. 1 

1P 15' 

285 

0,2 ccm Caseosan ll h 15' 


12 h 15' 

1 

6 h 15' 

90 



85 


9. IX. 

9^ 

110 

i 

! 

2. Sch. ! 10. IX. 

8 h 

540 

0,2 ccm Caseosan 8 h 


‘9h 

208 



11 h* 

200 



USW. 

USW. 


3. E. 5. IX. 

8h 

410 

0,2 ccm Caseosan 8 h 


8h 50' ! 

380 ' 



9h 15' 

: 1 

270 



12^ 

250 


6. IX 

9h 

280 


*) Um allzuhäufiges Punktieren zu vermeiden, verzichtete ich nach mehr- 

maliger Feststellung bei den übrigen Patienten, ; 

auch in den folgenden Tagen 

regelmäßig Blut zu entnehmen. 



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8 


H. Lohr : Die Beeinflussung 


irgendwelcher Art wurden nicht beobachtet. Die zeitliche Verfolgung 
eines anaphylaktischen Schocks war uns leider versagt, wie ihn W. Löhr 
beschreibt. Die dort bemerkte völlige Aufhebung der Blut¬ 
körperchensenkung ist nach W. Löhr durch Globulinfällung des 
Fibrinogens, und durch Globulinverarmung des Blutplasmas infolge 
abnormer GefäBdurchlässigkeit zu erklären. Die Frage, wann nun 
nach völligem Aufgehobensein der Sedimentierung die ersten Zeichen 
beginnender Senkung und dann die darauffolgende Beschleunigung 
eintritt, wäre von Wichtigkeit gewesen. Diese Beobachtung W. Löhr’s 
läßt vielleicht eine Möglichkeit offen, eine vorsichtig anaphylakti- 
sierende Proteinkörpertherapie, die sich stets an der oberen Reiz¬ 
schwelle (Zimmer) haltend anscheinend den besten therapeutischen 
Erfolg zeigt, durch eine Verfolgung der Senkungsgeschwindigkeit zu 
kontrollieren, ob im Blutplasma sich anaphylaktoide Zustände ent¬ 
wickeln. In unseren Fällen sehen wir gleichfalls eine erhebliche 
Senkungsbeschleunigung, die immer schon in der ersten Stunde 
auf tritt. 

Die kolloiden Silberpräparate Dispargen und Kollargol ver¬ 
halten sich nicht wesentlich anders als die eigentlichen Eiweißpräparate, 
wenn auch nicht mit solcher Sicherheit und Schnelligkeit, was zum 
guten Teil auf dem beigegebenen Schutzeiweißkolloid beruht. Immer¬ 
hin kann auch das reine Silber wie alle anderen nichtorganischen Ver¬ 
bindungen [HetoJ (Müller), Arsenpräparate (Agazzi), Salvarsan 
(Friedberger und Masuda), Kochsalzlösung (Klemperer und 
Rosenthal, W. Löhr) usw.] durch Abbau arteigenen Eiweißes, also 
sekundär, eine Dispersitätsänderung im Organismus hervorrufen. In 
folgender Zusammenstellung sieht man, daß der Beginn der Senkungs¬ 
beschleunigung einige Zeit später eintritt als bei der Eiweißinkjetion. 


Tabelle IV. 

jj ! Zeit 

Name || Datum i der Blut- 
| entnähme 

Sedimentierung 
bis 18 mm in Min. 

Intravenöse Injektion von 

Fr. W. 11. VIII. ' 9" 

420 

5 ccm Dispargen 9 1 ' 

10" 50' 

380 


▼ 

12" 

405 


! 2 h 

210 


: i 

6 h 

200 



Weiterhin injizierten wir analog unseren früheren Versuchen Organ- 
präparate und zwar Adrenalin und Pilocarpin. Hier sei noch¬ 
mals kurz an die von Borchardt angegebene Steigerung des Aggluti- 


Difitized 


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der Blutkörperchensenkungsgeschwiudigkeit durch Reizstoffe.. 


9 


ninspiegels ‘durch Organpräparate erinnert, Befunde, die ich, wenn auch 
mit Einschränkung, bestätigen konnte. Nach meiner Vorstellung 
geschieht diese Leistungssteigerung nicht mittels des vegetativen 
Nervensystems, sondern auch nur sekundär durch Abspaltung von 
Abbauprodukten arteigenen Eiweißes. Neuerdings haben nun F. Ro¬ 
senthal und P. Holzer zu beweisen versucht, daß der Agglutinin¬ 
spiegel durch sympathische Impulse gefördert werde. Aus der parente¬ 
ralen Invasion der Proteinkörper entstehe eine „Erschütterung“ des 
autonomen Nervensystems in der Richtung einer sympathischen Um¬ 
stimmung des Organismus, wobei auch der Agglutinintiter der Herr¬ 
schaft des autonomen Nervensystems unterliege. Parasympathische 
Reize beeinflußten den Agglutininspiegel in hemmendem Sinne, wäh¬ 
rend sympathische Reize antagonistisch in fördernder Richtung auf 
ihn wirkten, also Steigerung durch Adrenalin, Abfall nach Pilocarpin. 
Hierzu sei zunächst bemerkt, daß am Menschen sich von mir 
keineswegs die Angaben und Versuche von Rosenthal und 
Holzer bestätigen ließen. Ich sah gewiß nach Adrenalin, 
wie früher berichtet, eine Steigerung des Titers, aber in 
gleicher Weise auch nach stärkster Injektion von Pilo¬ 
carpin und dieses änderte sich niemals im Laufe der folgenden Tage. 
Versuche an Katzen nach Ausschaltung des sympathischen Systems 
durch Nicotin und Ergotoxin in dieser Richtung sind noch nicht 
abgeschlossen. Bisher gehen die Tiere nach dieser Vorbehandlung bald 
zugrunde. Ich werde an anderer Stelle auf diese Fragen noch eingehen. 
Ein Abfallen des Titers nach Pilocarpin sah ich niemals nur mehr 
oder weniger deutliche Steigerungen. Der Vorgang der Antikörper¬ 
bildung ist eben ein omnicellulärer, eine „topische Analyse“ läßt 
daher sehr im Stich. Wenn auch Salomon und Madsen nach Pilo¬ 
carpin eine Steigerung des Diphtheritisantitoxingehaltes bei im¬ 
munisierten Ziegen fanden, so spricht dieses nur für meine Auffassung 
von der sekundären leistungssteigemden Wirkung des Pilocarpins 
durch Abbau arteigenen Eiweißes. Es ist doch wirklich nicht an¬ 
gängig, für andere Immunkörpergruppen, die sich alle biologisch und 
physicochemisch nur wenig unterscheiden, auch grundsätzlich andere 
Reaktionsmechanismen anzunehmen. Die omnicelluläre Bildung 
von Antikörpern, und auch gerade von Agglutininen ist über¬ 
dies nach Carreis grundlegender Entdeckung über die künstliche 
Kultur lebenden Gewebes bereits in den Jahren 1913 und 1914 
von mehreren Autoren (Reiter, Przygode, Levatidi und Mutter¬ 
milch) endgültig bewiesen worden. Hierbei konnte doch von einer 
Beeinflussung durch das sympathische Nervensystem wirklich keine 
Rede sein. Büscher berichtet nun ebenfalls kurz über die Wirkung 
von Adrenalin und Pilocarpin auch auf die Senkungsgeschwindigkeit 


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10 


JT. Ijöhr: Die Beeinflussung 


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der Blutkörperchen. Sowohl W. Löhr als auch ich konnten uns nie¬ 
mals von einer Hemmung nach Pilocarpin überzeugen, auch Linzen- 
meier teilt unsere Ansicht. Im Gegenteil, wie sich aus folgender Tabelle 
ergibt, sah ich auch nach Pilocarpin eine Beschleunigung nach 
spätestens 6 Stunden auftreten. Auch aus diesen Gründen allein müßte 
ich die Ansicht von Rosenthal und Holzer ablehnen, denn die Vor¬ 
gänge bei der Hämagglutination unterscheiden sich nicht wesentlich 
von der Bakterienagglutination. 


Tabelle V. 


Name 

! Datum | 

Zeit der 
Blutent¬ 
nahme 

Sedimentierung 
bis 18mm in Min. 

H. S. 

9. VIII. 

9 h 40' 

1 275 


i 

! 10 h 40' 

290 



ll h 40' 

287 



; i* 

110 



: i 




?h 

95 

Hinr. 

iTviiT 

9 h 40' 

580 



10 h 40' 

565 



; 




l h 30' 

570 

i 


I 




3 h 

21» 







6h 

200 


Intravenöse Injektion von 


1 ccm Adrenalin 9 h 45' 

1 ccm Adrenalin 12 h 


1 ccm Pilocarpin 9 h 45' 
1 ccm Pilocarpin l h 80' 


Endlich sei noch über den Einfluß von Bluttransfusionen bei 
Blutkrankheiten auf die Senkungsgeschwindigkeit berichtet. Be¬ 
kanntlich senken alle perniziösen Anämien und andere deletäre Blut¬ 
krankheiten sehr rasch. Hier handelte es sich einmal um eine hoch¬ 
gradige Perniciosa (Fall St.) mit einer Verringerung der Erythro- 
cyten auf 1200 000 und 25 Hämoglobingehalt. Patient wurde hier 
nach dem Bürgerschen Vorgang mit Verwandtenbluttransfusionen 
behandelt. Kurz vor und sofort nach der endovenösen Eingießung 
von 1 / 2 Liter defribinierten Blutes wurde die Senkungsgeschwindigkeit 
bestimmt. Aus der Tabelle ist ersichtlich, daß durch die neu zuge¬ 
führten Blutkörperchen eine leicht vermehrte Stabilisierung auftrat, 
die starke Beschleunigung wurde deutlich gehemmt. Ich 
halte es für besonders wichtig, daß in diesem Falle die Urobilinaus¬ 
scheidung im Harne eine sehr geringe war, auch nahm der Wert des 
Bilirubins im Blute nicht zu, also alles Zeichen, daß im Organismus 
kein erheblicher Zerfall der zugeführten roten Blutkörperchen eintrat, 



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der Blutkürperehensenkungsgesclixvindigkeit durch Reizstoffe. 


11 


was sich übrigens auch durch eine erhebliche klinische Besserung 
dokumentierte. Aus begreiflichen Gründen konnte man bei dem 
hoch anämischen Patienten nicht täglich oder gar stündlich Blut 
entnehmen. 

Keinerlei Beeinflussung der Senkungsgeschwindigkeit konnten wir 
bei einem anderen Falle, einer schweren myeloischen Leukämie, der 
nach Milzbestrahlung einen rapiden Sturz der gesamten Blutzellen 
durchmachte, nach einer Bluttransfusion feststellen (Fall B.). Im Urin 
fand sich nach der Transfusion des übrigens nicht stammverwandten 
Blutes sehr starke Urobilinreaktion, Bilirubin wurde leider im Serum 
nicht bestimmt. Auch ließ sich kein Anstieg der roten Blutkörper 
und des Hämoglobins feststellen. Durch den starken Blutzersetzungs¬ 
prozeß ließe sich also die Nichtbeeinflussung der Senkungsgeschwindig¬ 
keit wohl erklären. Eine Gesetzmäßigkeit zwischen Blutkörperchen¬ 
zahl und Sedimentierung besteht nicht unmittelbar. Nach starken 
Blutverlusten oder auch gesetzten großen Aderlässen sah W. Löhr 
niemals eine Beschleunigung auftreten; Hirschfeld hat für seine 
gegenteilige Meinung (anämische Prozesse bei Malaria) den Beweis 
nicht erbracht, v. öttingen stellte im Gegensatz zu Abderhaldens 
Ansicht im Experiment bei verringerter Blutkörperchenmenge eine 
Abnahme der Senkungsgeschwindigkeit fest. 


Tabelle VI. 


I 

Name j 

1 Datum 

Zeit der | 
Blut¬ 
entnahme 

Sedimentierung 
bis 24 mm 
in Min. 

Transfusion defibriniorten 
Blutes 

Sta. 

22. VIII. 

10*25' 

i 95 | 

11* 30'—12* 80' Transfusion 


! 

12 h 25' 

! 110 i 


I 

1 

1*25' 

115 ; 


j 

| 

2* 25' 

140 i 


Bo. | 

17. vm. 

10 h 

65 


1 

6*25' 

50 

6* 80'—7*80' Transfusion 


1 


6* 35' 

55 > 


11 18. VIII. 

7*35' 

52 


9* 

55 



119. VIII. | 

9* 

50 



Endlich muß ich noch betonen, daß es in ganz einzelnen Fällen 
nicht gelingt, durch die üblichen Dosen eine Steigerung der Senkungs¬ 
geschwindigkeit zu erreichen, einerlei auf welche Art das Reizmittel 
appliziert wurde. W. Starlinger fand ja ebenfalls bei einigen Ver¬ 
suchen keine Fibrinogenvermehrung. Es ist hier sehr schwer zu ent¬ 
scheiden, ob Überempfindlichkeit gegen die Reizdosis vorliegt im 


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12 


H. Löhr: Die Beeinflussung 


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Sinne einer Hemmung, oder ob sich die Kolloidstabilität der Körper¬ 
säfte aus anderen Gründen (Störung der Resorption) nicht beeinflussen 
läßt. Ich betone aber, daß ein Nichtreagieren immer eine Ausnahme 
bedeutet (unter 30 untersuchten Fällen 2). Im allgemeinen ist über 
die Dosis und die Wertigkeit der verschiedenen Eiweißkörper bei 
gleichartiger Anwendung kein sicherer Vergleich anzustellen. 

Zusam menfass u ng. 

Durch Reizkörper aller Art läßt sich die Senkungsgeschwindigkeit 
der Blutkörperchen ganz erheblich beschleunigen. 

Bei intramuskulärer Verabfolgung tritt die Beschleunigung frühe¬ 
stens nach 2 Stunden auf, bei intravenöser bereits nach einer Stunde. 
Die intravenöse Injektion ist anderen Verabreichungsarten nur hin¬ 
sichtlich der Schnelligkeit ihrer Wirkung überlegen. 

Die Beschleunigung wurde 8 Tage beobachtet. 

Nicht eiweißartige Stoffe unterscheiden sich von den Eiweißkörpem 
nur durch zeitlich spätere Wirkung, da sie erst sekundär infolge 
parenteralen Abbaus arteigenen Eiweißes reizfähige Spaltprodukte 
bilden müssen. 

Durch Organpräparate, Adrenalin und auch Pilocarpin läßt sich 
bei parenteraler Gabe ebenfalls die Senkungsgeschwindigkeit beschleu¬ 
nigen. Der Vorgang der Reizbildung geschieht auf dieselbe Art wie bei 
Nichteiweißkörpem. Eine nervöse Beeinflussung (autonomes Nerven¬ 
system) ist grundsätzlich abzulehnen. 

Es besteht ein weitgehender Parallelismus in der Beschleunigung 
der Senkungsgeschwindigkeit und der Steigerungsfähigkeit von Typhus- 
agglutininen nach Verabfolgung von Heizkörpern. 


Literaturverzeichnis. 

Abderhalden, Fermentforschung 4, 230. — Agazzi, Zeitschr. f. Immun- 
forsch. 1909, S. 720. — Bennighof, Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 41. — 
Borohardt, Münch, med. Wochenschr. 1915, Nr. 45. — Borchardt, Therap. 
Halbmonatsh. 1921, Nr. 19. — Bürger, Therap. Halbmonatsh. 1921, Nr. 13, 14, 
15. — Büscher, Berl. klin. Wochenschr. 1921. — Carell, Joum. of exp. med. 13 , 
14, 15. — Carell, Presse med. 1913, Nr. 77. — Fahraeus, Hygiea 1918. Biochem. 
Zeitschr. 89, H. 5 u. 6 . — Friedberger und Masudo, Therap. Halbmonatsh. 
1911, H. 5. — Gabbe, Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 43. — György, 
Biochem. Zeitschr. 115. 1921. — Herzfeld und Klinger, Biochem. Zeitschr. 83; 
1912; 81; 1918. — Hirschfeld, Korrespondenzbl. f. Schweiz. Ärzte 1919, Nr- 31. — 
Höher, Arch. f. d. ges. Physiol. 101 u. 108. 1904. — Höher, Dtsch. med. Wochen¬ 
schr. 1920, Nr. 16; Biochem. Zeitschr. 109. — Klemperer und Rosenthal, 
Zeitschr. f. klin. Med. 86, H. 1. — Kürsten, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 185. — 
Levaditi und Muttermilch, Soc. Biol. 16. 1916. — Linzenmeier, Pflügers 
Arch. f. d. ges. Physiol. 181, 186. — Linzenmeier, Zentralbl. f. Gynäkol. 1921, 



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der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit durch Reizstoffe. 


13 


Nr. 10 und 1920. — Linzenmeier, Zentralbl. f. Gyn&kol. 113, H. 3. — Löhr, 
Wilhelm, Zentralbl f. Chirurg. Nr. 36. — Löhr, Wilhelm, Mitt. a. d. Grenzgeb. 
1921. — Löhr, Hanns, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 24, H. 1/4; 24, H. 5/0r. — 
Löhr, Hanns, Med. Klin. 1921, Nr. 21. — Modrakowski und Orator, Wien, 
klin. Wochenschr. 1917, Nr. 36. — Moll, Wien. klin. Wochenschr. 1913, Nr. 44. — 
Plaut, Münch, med. Wochenschr. 1920, Nr. 10. — Przygode, BerL klin. Wochen¬ 
schr. 1913. — Sachs, H., Kolloid-Zeitschr. 24. 1919. — Sachs, H., Therap. 
Monatsh. 1920, S. 379. — Sachs, H., und v. Oettingen, Münch, med. Wochen¬ 
schr. 1921, Nr. 12; Biochem. Zeitschr. 118. — Starlinger, W., Biochem. Zeitschr. 
114, 121. 1921. — Starlinger, W. und A. Frisch, Zeitschr. f. d. ges. experim. 
Med. 24, H. 1—4. — Togawa Tokuyi, Biochem. Zeitschr. 119. 1920. — van den 
Velden, Dtsch. Aroh. f. klin. Med. 114. 


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Der Einfluß parenteral verabreichter freier und gebundener 
Purinkörper auf die Purinkörperausscheidung im Urin beim 

Menschen. 

Von 

A. Schiiten heim und K. Harpuder. 

(Aiis der Medizinischen Klinik in Kiel [Direktor: Prof. Dr. A. S c hi 11 e n he 1 m].) 

(Eingegangen am 10. Januar 1922.) 

Der NucleinstoffWechsel des Menschen und der Tiere hat durch 
zahlreiche Arbeiten eine weitgehende Klärung gefunden, ohne daß je¬ 
doch besonders für den Menschen alle Fragen restlos gelöst sind. Daß 
die Nucleinsäure durch Organfermente stufenweise abgebaut wird 
und die schließlich freiwerdenden Purinbasen in Harnsäure übergeführt 
werden, wurde durch die Untersuchungen von Schittenhelm, Jones, 
Levene und Tannhauser einwandfrei bewiesen. Für das Tier ist 
es durch Wiechowski sichergestellt, daß die Harnsäure durch das 
von Schittenhelm zuerst isolierte urikolytische Ferment zu Allantoin 
oxydiert wird. Für den Menschen konnte ein entsprechendes Ferment 
bisher nicht sicher nachgewiesen werden 1 ).* 

Zahlreiche Stoffwechselversuche am Menschen und am Tier er¬ 
gänzten die Ferment versuche. Es besteht aber in ihnen ein wichtiger 
Unterschied. Während im Tierversuch der Purinbasenanteil der ver¬ 
fütterten und intravenös verabreichten Nucleinsäuren und Purinbasen 
so gut wie quantitativ als Allantoin wiedererscheint, nicht selten sogar 
in überschießender Menge [Schittenhelm 2 ), und seine Mitarbeiter 
Ewald 3 ), Frank 4 ), Seisser 5 ) u. a.], findet sich bei Verfütterung der 

*) Literatur über diese Fragen siehe bei Schittenhelm: „Der Nucleinstoff- 
wechsel“ in Oppenheimers Handbuch der Biochemie, IV. Band, 1. Hälfte, 1908, 
Brugsch und Schittenhelm: „Der Nucleinstoffwechsel und seine Störungen“ 
Jena 1910, Abderhalden: Lehrbuch der physiologischen Chemie. Berlin- 
Wien 1920, Tannhauser: „Über den chemischen Aufbau des Nukleinsäuremole¬ 
küls und seine Veränderungen im Stoffwechsel des Menschen“ München 1917 und 
Severin, Zur Chemie, Physiologie und Pathologie des Nucleinstoffwechsels. Bres¬ 
lau 1916. 

2 ) Schittenhelm, Zeitschr. f. physiol. Chem. $2, 80. 1909. 

3 ) Ewald, Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. 12, 348. 1912. 

4 ) Schittenhelm und Frank, Zeitschr. f. physiol. Chem. €3, 269. 1909. 

5 ) Schittenhelm und Seisser, Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. T. 1909. 



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A. Schittenhelm u. K. liarpudcr: Eiiifluii freier u. gebundener Purinkörper usw. 15 


Nucleinsäure am Menschen nur ein Teil der Purinbasen als Harnsäure 
im Urin. Quantitative Stoffwechseluntersuchungen von Frank und 
Schittenhelm, in denen nach Nucleinsäureverfütterung neben Harn¬ 
säure und Purinbasen auch der Harnstoff und die Phosphorsäure 
bestimmt wurden, schienen zu beweisen, daß die Harnsäure im mensch¬ 
lichen Organismus so wenig ein Stoffwechselendprodukt ist wie im tie¬ 
rischen und daß sie weiter abgebaut wird. Es fand sich nämlich der 
Stickstoff der in der Nucleinsäure verfütterten und im Organismus 
umgesetzten Purinbasen zum größten Teil in der Harnstoff-, zum 
kleineren in der Hamsäurefraktion (5,1—41,12%), ein minimaler An¬ 
teil in der Purinbasenfraktion wieder. Versuche von Brugsch und 
Schittenhelm bestätigen diese Resultate. 

Die Ansicht Schittenhelms, daß die Harnsäure nicht als Stoff¬ 
wechselendprodukt anzusehen ist, wurde von den verschiedensten 
Seiten bestritten [Wiechowski 1 ), Umber 2 * ), neuerdings Tannhauser 8 ) 
und Gudzent 4 5 ) sowie Severin]. Als Beweise werden die negativen 
Fermentversuche angeführt, vor allem aber die Beobachtung, daß 
nach intravenöser Injektion von Harnsäure und intramuskulärer In¬ 
jektion von Nucleosiden die Harnsäure resp. die Purinbasen in einer 
Anzahl von Versuchen so gut wie quantitativ als Harnsäure im Urin 
wiedergefunden wurde. Der Einwund des negativen Ausfalls der 
Fermentversuche muß unbedingt zugegeben werden, wenn auch von 
Schittenhelm bereits früher Möglichkeiten diskutiert wurden, w r elehe 
das Versagen des Fermentnachweises anders erklären könnten. 

Was die Beweiskraft der intravenösen Hamsäureinjektionen anbe¬ 
langt, so wurde diese bereits von Schittenhelm auf Grund der unter 
seiner Leitung ausgeführten Versuche von Ewald bestritten, welcher 
fand, daß das meist zur Lösung benutzte Piperazin erhebliche Stoff¬ 
wechselstörungen bei alleiniger Injektion setzt und daß ferner als 
Begleiterscheinung der Hamsäureinjektionen eine beträchtliche Leuko- 
cytose auftritt, welche ihrerseits wieder zu einer erhöhten Harnsäure¬ 
ausscheidung Veranlassung geben könnte. Griesbach 6 ) hat neuer¬ 
dings im Bornsteinschen Laboratorium eine größere Zahl von Ver¬ 
suchen angestellt, welche zeigen, daß nach intravenöser Injektion von 
Harnsäure nach kurzer Z<eit (15 Min.) nur noch ein geringer Brachteil 
der injizierten Menge im Blute sich findet, während der Rest bereits 
nach kurzdauernder Zirkulation durch den Körper absorbiert oder ver- 


1 ) Wiechowski, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. €0, 185. 1909. 

*) Umber und Retzlaff, Verhandl. d. 27. Kongr. d. inn. Med. Wiesbaden 
1910. 

8 ) Tannhauser, Therap. Halbmonatsschr. 1921, H. 23, S. 717. 

4 ) Gudzent, Berl. klin. Wochenschr* 1921, Nr. 48, S. 1401. 

5 ) Griesbach, Biochem. Zeitschr. 101 , 172. 1920. 


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16 A. Schittenheliu u. K. Harpuder: I )er Einfluß parent verabreichter freier und 

brannt sein müsse. Die absorbierte Menge ist in 6 von 7 Fällen nicht 
annähernd quantitativ wieder zum Vorschein gekommen und er stellt 
daher in Übereinstimmung mit anderen Fällen der Literatur fest, daß 
die Methodik der intravenösen Hamsäureinjektionen nicht dafür 
benutzt werden kann, das Fehlen einer Urikolyse beim Menschen zu 
beweisen. In einem Falle wurde mehr Harnsäure ausgeschieden, als 
injiziert wurde, und es mußte daher eine Hamsäureneubildung unter 
dem Reize der Injektion angenommen werden. Bürger 1 ) stellte in 
der Kieler Klinik vergleichende Untersuchungen über die Ausscheidung 
intravenös injizierter Harnsäure, die in Piperazin gelöst ist, mit solcher, 
die mit Natronlauge in übersättigte Lösung (kolloidal gelöst) gebracht 
ist, am Menschen an. Dabei ergab sich, daß die kolloidal gelöste Harn¬ 
säure in wesentlich geringerem Prozentsätze im Urin wiedererscheint 
(mittlere Ausscheidung 27%), als die in Piperazin gelöste (im Mittel 
52,2%). Blutanalysen beweisen in Übereinstimmung mit Bass*) und 
Griesbach, daß sowohl die mit Piperazin wie die mit Natronlauge 
zur Lösung gebrachte Harnsäure sehr bald nach der intravenösen In¬ 
jektion aus dem Blut verschwindet. Von zwölf nierengesunden, nicht 
gichtkranken Menschen haben nur vier von der injizierten Harnsäure 
über 80% wieder eliminiert. Vom gesunden, nicht gichtkranken Men¬ 
schen werden im Mittel nur 50% wieder ausgeschieden. 

Wir haben über die Wirkung intravenöser Hamsäureinjektionen 
beim nicht gichtkranken Menschen selbst Untersuchungen angestellt, 
von denen wir einige wiedergeben. Die Personen wurden einige Zeit 
vor dem Versuch und während des Versuchs auf purinfreier Kost ge¬ 
halten, der Urin in 24ständigen Perioden gesammelt und die Harn¬ 
säure nach Hopkins - Folin - Shaffer bestimmt. 


Versuch 1. Nielson, 68 Jahre. Aorteninsuffizienz. 


Tag |i 

1 

Menge 

Spez. 

Gew. 

" 

N in g 

U in g 


:u. vm/i. ix. f 

2900 

1010 

15,43 

0,153 


1./2. IX. i 

2200 

1010 

14,17 

0,050 


2-/3. IX. Ii 

2000 

1010 

10,08 

0,053 


3./4. IX. 

2500 

1012 

13,50 

0,263 ' 

Am 3. IX. 0,5 g Harnsäure 
in NaOH gelöst. 

4./5. IX. !' 

1500 

1010 

12,09 

0,301 


5./6. IX. 

1450 

1008 

7,47 

0,054 


6./7. IX. 

2450 

1010 

14,68 

0,065 j 


7./8. IX. 

2000 

: 1014 

13,60 | 

0,060 j 



Ausgeschieden als U: 18,8%. 


*) Bürger, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 81, 392. 1920. 

2 ) Bass, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 16, 40. 1914 und Zentralbl. f. 
inn. Med. 34, 977. 1913. 


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gebundener Purinkörper auf d. Purinkörperausscheidg. iin Urin beim Menschen. 17 


Versuch 2. Seemann, 69 Jahre. Chron. Polyarthritis. 


Tag 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N in g 

U in g 


23./24. IX. 

1750 

1010 

9,45 

0,381 


24./2Ö. IX. 

2220 

1010 

12,06 

0,416 


2Ö./26. IX. 

1930 

1010 

10,37 

0,402 


2Ö./27. IX. 

2000 

1010 

9,74 

0,300 


27-/28. IX. 

1910 

1011 

10,10 

0,501 

Am 27. IX. 0,5 g Harnsäure 
in NaOH gelöst. 

28./29. IX. 

2210 

1009 

8,9 

| 0,340 


29./30. IX. 

1 1750 ; 

1 1011 

10,05 

0,394 


30./I. IX. 

1 2110 
" 2500 

1009 

9,69 

0,396 , 


1./2. X. 

1005 

9,50 

0,310 



Ansgeschieden als U: 18,2%. 


Versuch 3. Wesel, 61 Jahre. Arthritis chron. 


Ta« 1 

1920 

Menge 

Spes. 

Gew. 

N in g 

Ü in g 


15./16. X. 

1450 

1012 

9,86 

0,551 ! 

16./17. X. 

1750 

1012 

13,18 

0,774 1 

17./18. X. 

1750 

1010 

9,99 

0,463 ! 

18-/19. X. 

1450 

1016 

12,17 

0,805 

Am 18. X. 0,5 g Harnsäure 





in NaOH gelöst. 

19./20. X. 

j 1350 

| 1015 

1 9,34 

0,618 


20./21. X. 

1000 

1023 

! 10,90 

0,743 


21./22. X. 

1210 

1019 

; n,76 

0,699 


22./23. X. 

1 1600 

1014 

j 10,80 

0,696 


23-/24. X. 

1250 

1 1019 

| 9,69 

0,619 



Ausgeschieden als U: 46,2%. 


Versuch 4. Petersen, 54 Jahre. Arthritis chron. 


Ta« j 

1921 i 

Menge 

Spez. 1 
Gew. ] 

N in g 

U in g 


11. '12. IV. 

1 850 

1006 

1 3,62 

| 0,281 


12./13. IV. 

1 1100 

1012 

! 4,56 

0,289 


13./14. TV. 

i 960 

1010 

3,90 

! 0,274 

' 

14./15. IV. 

; 800 

1012 

3,70 

, 0,252 


15-/16. IV. 

1600 ! 

1008 

! 6,55 

0,528 

1 Am 15. IV. 0,5 g Harnsäure 

il 


i 7 


in NaOH gelöst. 

16./17. IV. 

, 1000 , 

1010 

i 4,84 

0,405 


17./18. IV. 

! iooo 

1012 

5,04 

! 0,330 


18./19. IV. 

900 

1010 

5,39 

0,358 

1 

i 


Ausgeschieden als l T : 11,4%. 
Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 


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18 A. Schittenhelm u. K. Harpuder: Der Einfluß parent verabreichter freier und 


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Die Versuche zeigen in Übereinstimmung mit Bürger, Griesbach 
u. a., daß nach intravenöser Hamsäureinjektion die Menge der im 
Urin wiedererscheinenden Harnsäure bei verschiedenen 
Individuen sehr schwankt. In unseren Fällen bewegen sich die 
Werte zwischen 18,2 und 78,8%. Der Versuch 4 ergibt sogar über¬ 
schießende Werte, wenn man die Zahlen der Nachperiode in die Zahlen 
der Hauptperiode mit einrechnet. Auch bei weiteren Versuchen hat 
sich uns die Ungleichheit der Ausscheidung immer wieder gezeigt. 
Ganz besonders merkwürdig verhielt sich eine Patientin, die an Akro¬ 
megalie leidet, bei der von vornherein der relativ hohe endogene 
Harnsäurewert, welcher sich zwischen 0,4 und 0,6 g bewegt, auf¬ 
fällt, eine Beobachtung, auf die bereits Falta und Novaczynski 1 ) 
hingewiesen haben. Wir werden auf diesen Fall an anderer Stelle 
ausführlicher zurückkommen; hier sei nur soviel erwähnt, daß die 
intravenösen Hamsäureinjektionen einmal sofort ein tiefes Absinken 
der Hamsäureausscheidung zur Folge hatten, während in einem zweiten 
Injektionsversuch zunächst die Harnsäure im Urin hoch ansteigt, um 
nach einigen Tagen ganz abnorm niedrige Werte zu geben, die nur 
einige Zentigramm Harnsäure als Tagesausscheidung ergaben. 

Unsere Versuche sind also so verlaufen, wie wir es nach unseren 
Erfahrungen über den NucleinstoffWechsel beim Tier und beim Menschen 
und nach den widersprechenden Resultaten anderer Autoren speziell 
bei intravenöser Hamsäureapplikation nicht anders erwartet haben. 
Wir möchten hier anführen, daß wir verschiedene Male eine Atophan- 
periode in einigen Tagen Abstand folgen ließen, welche, einerlei ob viel 
oder wenig Harnsäure ausgeschieden worden war, im einen Fall ein 
positives Resultat ergab, im anderen Falle resultatlos verlief. Jeden¬ 
falls führen unsere Untersuchungen zu der notwendigen Folgerung, 
die auch Griesbach und.Bürger bereits zogen, daß nämlich die 
Methode der intravenösen Harnsäureinjektion kein ex¬ 
aktes Beweismaterial gegen die Annahme einer Urikolyse 
beim Menschen erbringt, zumal auch der Atophanversuch 
keineswegs regelmäßig zu der notwendigen Hamsäureausschwemmung 
führt. 

Es war eigentlich naheliegend, dieselben Versuche wie mit Harn¬ 
säure auch mit Purinbasen anzustellen. Sie sind wohl wesentlich 
deswegen unterblieben, weil die intravenöse Verabreichung der Purin¬ 
basen für gefährlich angesehen wurde. Levinthal 2 ) hat in der Fr. 
Müll ersehen Klinik einen Selbstversuch gemacht, bei dem er in 
Piperazin gelöstes Xanthin (ungereinigtes Präparat) sich selbst in die 

Falta und Novaczynski, Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 38, 
S. 1782. 

-) Levinthal, Zeitschr. f. physiol. Chem. 7T, 259. 1912. 



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gebundener Purinkörper auf d. Purinkörper&usscheidg. im Urin beim Menschen. 19 


Armvene injizierte. Er konnte aus den im Urin erhaltenen Werten 
an Harnsäure und Purinbasen 89% als wiedergewonnen berechnen. 
Auf eine etwaige Leukocytose ist nicht geachtet. Zwei Tage nach 
der Injektion bekam er einen Schmerzanfall im rechten Knie und 
eine Thrombose der Injektionsvene in ziemlich großer Ausdehnung. 
Dieser Zwischenfall wirkte endgültig abschreckend. 

Auf Schittenhelms Veranlassung hat Ewald am Hunde einige 
Versuche über intravenöse Applikation von in Piperazin gelöstem 
Guanin und Xanthin angestellt, welche zeigten, daß, wenn man die 
Injektionsflüssigkeit in stärkerer Verdünnung gibt und langsam in¬ 
jiziert, keinerlei störende Erscheinungen auftreten und daß ferner das 
injizierte Xanthin und Guanin eine intensive Steigerung der Allantoin- 
ausscheidung zur Folge hatte, welche um 25 resp. 27% die berechnete 
Menge überstieg. Auch Schittenhelm 1 ) hat mit Formaldehyd¬ 
verbindungen der Purinbasen am Tier ähnliche Versuche angestellt, 
ohne unangenehme Nebenwirkungen zu beobachten. Minkowski 2 ) 
glaubte bei Verfütterung von Adenin giftige Wirkungen auf den Or¬ 
ganismus des Hundes beobachtet zu haben, jedoch konnte Schitten¬ 
helm 3 ) bei gleichartigen Versuchen, d. h. Verfütterung von Adenin 
an Kaninchen und am Hunde, keine Störungen hervorrufen. 

Auf Grund dieser eigenen Erfahrungen glaubten wir die intravenöse 
Verabreichung von Purinkörpern in derselben Lösung, wie die Harn¬ 
säure gegeben wurde, ruhig riskieren zu dürfen und haben auch dabei 
in der Tat keinerlei schädigende Wirkungen beobachtet. 

Je 0,300 g der Basen wurden in ca. 20 ccm redestilliertem Wasser 
aufgeschwemmt und siedendheiß mit Normal/10 Natronlauge bis zur 
Lösung versetzt, wozu ca. 15—25 ccm nötig sind. Beim Guanin erwies 
sich die Lösung mit Natronlauge schwierig, dagegen gelang sie leicht 
mit 20 ccm Normal/10 Salzsäure in der Siedehitze. Die Lösungen 
wurden an der Luft auf 40 ° abgekühlt und dann aus der Rekordspritze 
in die Cubitalvene langsam injiziert. Außer geringen Temperatur¬ 
erhöhungen am Injektionstage, die 38,2° nie überschritten und in 
vielen Fällen überhaupt fehlten, wurden weder objektive noch sub¬ 
jektive Nebenerscheinungen beobachtet. 

Die Bestimmung der Harnsäure und Purinbasen erfolgte stets in 
Doppelanalysen nach Krüger - Schmid. 

Wir haben noch mehr derartige Versuche angestellt, die alle in 
derselben Weise verliefen. Sie zeigen im Grunde dasselbe Bild wie die 
intravenösen Hamsäureinjektionsversuche. Die Purinkörper wer¬ 
den in Harnsäure übergeführt und eine mehr oder weniger 

*) Schittenhelm, Münch, med. Wochenschr. 1912, Nr. 44. 

f ) Minkowski, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 41, 375. 

3 ) Schittenhelm, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 41. 432. 

2 * 


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20 A. Schittenhelm u. K. Harpuder: I )er Einfluß parent. verabreichter freier und 


Versuch 5. Roget, 50 Jahre. Ulcus ventric. 


Tag 

1921. 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N in g 

U in g 

Bas. X 

IUg 


30. XL/1. XII. 

1775 

1013 

8,07 

0,339 

4,98 


1./2. XIL 

1675 

1011 

8,98 

0,369 

7,05 


2./3. XII. 

2100 

1007 

8,64 

0,374 

5,14 


3./4. XII. 

* 1975 

1010 

8,79 

0,324 

5,60 


4./5. XII. 

1600 

1010 

7,93 

0,442 

12,84 

Am 4. XII. ll h a.m. 0,3 
Hypoxanth. intraven. 

5./6. XII. 

1 1750 ! 

1010 

9,11 

0,370 

7,70 

(0,3 Hypoxanthin = 0,376 U.) 

6./7. XII. 

1750 

1010 

7,94 

0,335 

1 5,60 


7-/8. XII. 

2600 

1007 

9,24 

0,326 

i 9,10 


8./9. XIL 

1650 

1010 

10,78 

0,408 

10,98 



Ausgeschieden; als U: £ 8 , 7 %; als Basen: 9 , 15 %. 


Versuch 6. Kompenhans, 21 Jahre. Ulcus ventric. 


' Tag 

1921. 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N in g 

U in g 

Bas. X 
mg 


18./19. VII. 

750 

1023 

11,42 

0,239 

10,5 


19./20. VII. 

650 

1025 

11,53 

0,248 

12,3 


20./21. VII. 

II 795 

1022 

10,53 

0,228 

7.00 


21./22. VII. 

i| 2030 

1012 


0,279 

8,52 


22./23. VII. 

!| 1975 | 

1011 

13,49 

0,409 

17,40 

Am 22. VII. ll h a. m. 0,3 
Hypoxanth. intraven. 

23./’24. VH. 

1000 

1018 

9,94 

0,295 

7,52 

(0,3 H vpoxanthin =0,376 U.) 

24-/25. VII. 

1500 1 

1018 

13,31 

0,326 

20,70 


25./2Ö. VII. 

1250 

1018 

12,18 

0,274 

21,43 


26./27. VII. 

1300 ( 

1018 

10,50 

0,317 

, 10,92 


27./28. VII. 

, 1300 | 

1018 

11,78 

0,301 

1 — 


28-/29. VII. 

1925 

1011 

11,05 

0,303 1 

1 12,13 



Ausgeschieden; als U: 54 , 8 %. als Basen : 5 , 9 %. 


Versuch 7. Niß, 68 Jahre. Magen-Ca. 


Tag 

1920. 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N in g 

U in g 

Bas. X 
mg 


20./21. XI. 

1250 

1006 

7,70 

0,256 

11,03 


21./22. XI. 

1100 

1009 

5,70 

0,302 

11,42 


22. /23. XI. 

23. /24. XI. 

1200 

1010 

5,17 

0,301 

12,10 


1500 

1014 

6,47 

0,392 

10,29 


24./25. XI. 

1 2050 I 

1 1004 

6,15 

0,424 

19,23 

Am 24. XI. 9» a. m. 

0,3 Xanthin intraven. 

25.,/26. XT. 

1000 

1011 

i 5,57 

0,335 

13,83 

(0,3 Xanthin = 0,333 Ü.) 

26-/27. XT. 

875 

1014 

4,76 

0,367 

14,78 


27./28. XI. 

1635 

1009 

6,51 

0,272 | 

| 15,20 



Ausgeschieden; als U: 40.1%, al6 Basen: 10,6%. 


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gebundener Purinkörper auf <1. Purinkörperausscheidg. im Urin beim Menschen. 21 


Versuch 8. Dahl, 22 Jahre. Lues. 


Tag |i Menge 

1921. | 

Spez. 

Gew. 

N ing 

U in g 

Bas. N 
mg 


16./17.1. 1 

1200 

1008 

5,07 

0,267 

6,72 


17./18.1. 

1800 

1010 

7,61 

0,369 

8,57 


18./19.1. 

1900 

1008 

7,24 

0,353 

5,85 


19./20. I. 

1700 

1010 

9,23 

0,307 

5,24 


1 

20./21.1. 

2050 

1 1 

1005 

1 j 

i 

6,03 

0,444 

16,93 

Am 20.1.9 h a. m. 

0,3 Xanthin intraven. 

21./22.1. | 

2400 

1 1007 

7,30 

0,462 

11,59 

(0,3 Xanthin = 0,333 U) 

22./23.1. ! 

2100 

1010 

7,25 

0,363 

7,02 


23-/24.1. i 1 

2400 

1011 

t — 

0,298 | 

8,64 



Ausgeschieden als U: 77 , 5 %, als Basen: 15 , 3 %. 


Versuch 9. Bruhn, 50 Jahre. Chron. Arthrit. 



- _ - 

- 

— — 

— 

— — 


Tag 

1930. 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N in g 

ü in g 

Bas. N 
mg 


1./2. XI. 1 

1150 

1020 

7,60 

0,364 

9,66 


2./3. XI. 1 

925 

1020 

11,59 

0,321 

7,28 


3./4. XI. | 

920 

1020 

7,55 

0,445 

11,27 


! 

4./6. XI. 

1 

1180 

1020 

11,00 

0,517 

21,45 

Am 4. XI. 9 h a. m. 

0,3 Guanin intraven. 

5./6. XI. 

1525 

1015 

10,34 

0,526 

9,07 

(0,3 Guanin = 0,335 U) 

6./7. XI. 

1600 

1012 

6,98 

0,392 

13,33 


7./8. XI. 

710 

1020 

6,04 

0,334 

9,77 



Ausgeschieden als U: 85 , 3 %, als Basen: 11 , 0 %. 


Versuch 10. Wesel, 51 Jahre. Arthrit. chron. 


Tag 

1921 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N g 

iT ■ 

Um; 

Bas. N 
mg 


1./2. XI. 

950 

1012 

8,57 

0,507 

13,79 


2./3. XI. 

910 

1024 

8,50 

0,440 

8,92 


3./4. XI. 1 

1535 

1015 

11,44 

0,515 

8,17 


4./5. XL j 

1365 

1017 

10,59 

0,606 

17,20 

Am 4. XI. 9 h a. m. 0,3 
Guanin intraven. 

5-/6. XL j 

1140 

1022 

9,80 

0,467 

| 10,81 

(0,3 Guanin = 0,335 U) 

6-/7. XL • 

1000 

1020 

9,02 

0,573 | 

8,00 


7./8. XI. 

1450 

1014 

8,64 

0,529 | 

9,54 



Ausgeschieden als U: 08,1%, als Basen; 7,4%. 


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22 A. Schittcnhelm u. K. Harpudor: Der Einfluß parent. verabreichter freier und 


Versuch 11. Lau, 24 Jahre. Ulcus ventr. 


Tag 

1921 

|J Menge 

Spez. 

Gew. 

N In g 

Ving 

Bas. N 
mg 


2./3. X. 

1040 

1015 

7,91 

0,304 

8,01 


3./4. X. 

j 935 

1016 

8,68 

0,308 | 

7,85 


4./Ö. X. 

1 1190 

1015 

6,43 

0,275 

8,30 


5./6. X. 

|! 880 

1014 

9,16 

0,371 

10,82 


6./7. X. 

720 

1022 

7,48 

0,571 

27,10 

Am 6.X. ll h a. ra. 

0,3 Adenin intravcn. 

7./8. X. 

590 

1018 

7,12 

0,152 

4,54 

(0,3 Adenin =0,376 U) 

8./9. X. 

580 

1022 

7,79 

0,158 

3,56 


9./10. X 

530 

1025 

7,52 

0,324 

8,05 


Ausgeschieden als U: 


als Basen: 18,35%. 


Versuch 12. Peters, 

34 Jahre. Ulcus ventr. 

Tau 

1921 

i Menge 

,;jf_ 

Spez. 

Gew. 

N in g 

U in g 

Bas. N 
mg 


19./20. X. 

1 1720 

1014 

10,59 

0,385 

16,40 


20./21. X. 

1 1090 

1018 

9,49 

0,419 

18,81 


21./22. X. 

1 650 

1021 

9,17 

0,363 

20,04 


22./23. X. 

800 

1024 

13,66 

0,522 

20,56 

Am 22. X. ll h a. m. 

0,3 Adenin intraven. 

23./24. X. 

960 

1022 

11,93 

0,549 

37,63 

(0,3 Adenin = 0,376 ü) 

24./25. X. 

1635 

1015 

8,62 

0,450 

24,55 


25. /26. X. 

600 

1020 

10,58 

0,350 

17,22 



Ausgeschieden als U: 51,3%, als Basen: £0,3%. 


große, in jedem Versuch wechselnde Menge der neugebil¬ 
deten Harnsäure wird ausgeschieden. Ein kleinerer Anteil 
findet sich in der Purinbasenfraktion. Am höchsten ist dieser Anteil 
beim Adenin, was durchaus verständlich ist, wenn man bedenkt, daß 
in diesem Falle die Umsetzung bis zur Harnsäure die meisten Etappen 
durchschreiten muß. Folgende Tabelle gibt nochmals einen Überblick 
über die Resultate: 



Harnsäure ! 

Basen 

Gesamt-Purin 

| % 

Hypoxanthin (Versuch 5). 

. . 28,7 

9,15 

I 37,85 

Hypoxanthin (Versuch 6). 

. . 54,8 

5,9 

; 60,7 

Xanthin (Versuch 7). 

. . 40,1 

10,6 

50,7 

Xanthin (Versuch 8). 

. • || 77,5 

15,3 

92,8 

Guanin (Versuch 9). 

. . 86,3 

11,0 

97,3 

Guanin (Versuch 10). 

28,1 

7,4 

35,5 

Adenin (Versuch 11). 

. . 67,0 

18,35 

, 85,35 

Adenin (Versuch 12). 

51.3 

20,3 

7L6 


Gck igle 


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gebundener Purinkörper auf d. Purinkörperausscheidg. im Urin beim Menschen. 2 ?> 

Wenn auch in einem kleineren Teil der Versuche die intravenös 
verabreichten Purinkörper rechnungsmäßig nahezu quantitativ in Form 
von Harnsäure und Purinbasen im Urin ausgeschieden wurden, so be¬ 
steht doch in den anderen ein Defizit, das in zwei Versuchen mehr 
als 60% der injizierten Purinbasen ausmacht. In drei anderen Ver¬ 
suchen beträgt das Defizit ungefähr 40, 50 und 30%. Freilich ist im 
Stoffwechselversuch, der beim Menschen keine so genaue Einstellung 
erlaubt wie beim Tier — weshalb die Werte an sich schon etwas schwan¬ 
kend sind — die Berechnung keine so exakte, wie es wünschenswert 
wäre. Dennoch geht äus den Versuchen mit Sicherheit hervor, daß 
Menschen, welche klinisch keine Störungen ihres Purinstoffwechsels 
erkennen lassen, ebenso wie bei den Hamsäureversuchen auch auf die 
intravenöse Verabreichung von Purinkörpern sehr verschieden reagieren. 
Der sichere Schluß, daß eine Harnsäurezerstörung beim 
Menschen nicht zustandekommt, kann auch aus ihnen- 
nicht gezogen werden. 

Die Auffindung der Nucleoside Adenosin und Guanosin in der 
Nucleinsäure durch Levene und seine Mitarbeiter hat Veranlassung 
gegeben, daß auch diese Substanzen auf ihre Umsetzung im Stoff¬ 
wechsel untersucht wurden. Tannhauser und Bommes 1 ) haben 
gesunden Menschen je lg Guanosin und Adenosin subcutan injiziert 
und festgestellt, daß innerhalb 24 bis höchstens 48 Stunden nach der 
Injektion 75—82% des injizierten Nucleosids als Harnsäure ausge¬ 
schieden wurden. Der leicht Gichtkranke braucht wesentlich länger, 
4 mal 24 Stunden, um dann etwa dieselbe Menge wie der Gesunde 
auszuscheiden. Der schwer Gichtkranke zeigt überhaupt keine Ver¬ 
mehrung der Harnsäure. Drei von den vier Gichtkranken bekamen 
übrigens nach der Injektion einen Gichtanfall. 

Die Versuche von Tannhauser und Bommes haben Rother 2 ) 
zu einer Nachprüfung veranlaßt. Er injizierte Guanosin in vier Ver¬ 
suchen und einmal Adenosin intramuskulär. Bei Adenosin wurde Er¬ 
brechen und störende Wirkung auf den Kreislauf beobachtet. Die 
Hamsäureausscheidung im Urin ist am Tage der Injektion des Guano- 
sins und an den folgenden 1—2 Tagen in allen Fällen erhöht. Aus 
seinen vier Versuchen ergibt sich ein Wiedererscheinen von 17,8, 53, 
53,9 und 78,8% des eillverleibten Purinkörpers als Harnsäure im Harn. 
Der höchste Wert von 78,8% wurde in einem Versuch gefunden, bei 
dem die Injektion eine außerordentlich starke entzündliche, biit hohem 
Fieber einhergehende lokale Reaktion ausgelöst hat, so daß Rother 
mit Recht einwendet, daß dieser hohe Wert nicht mit Sicherheit als 
rein exogen bedingt angesehen werden kann. Ähnliche Bedenken hat 

*) Tannhauser'und Bommes, Zeitschr. f. physiol. Chem. 91 , 336. 1914. 

2 ) Rother, Zeitsehr. f. physiol. Chem. 110 , 245. 1920. 


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24 A. Schittenhelm u. K. Harputler: Der Kinäuß parent. verabreichter freier und 


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er für die Verwertung eines zweiten Versuches, der gleichfalls eine, 
wenn auch nicht so starke, lokale Reaktion gab. Rother zieht den 
Schluß, daß seine Versuche für einen quantitativen, sich innerhalb 
weniger Tage vollziehenden Umsatz nicht sprechen. Die Versuche 
Rothers haben Tannhauser und Schaber 1 ) veranlaßt, eine erneute 
Versuchsreihe durchzuführen. Bei vier Versuchspersonen wurden nach 
subcutanen Adenosininjektionen 119,9, 117,3 und 88,8%, nach einer 
Guanosininjektion 100,7% als Harnsäure im Urin ncah 2—3 Nach¬ 
tagen wiedergefunden. Bei einer fünften Versuchsperson ergaben zwei 
Injektionen von 1 g Adenosin nur 47,3% und 61,3% und eine an¬ 
schließende Guanosininjektion nur 36,12% als Harnsäure. Eine In¬ 
jektion von 1 g hamsaurem Natrium erbrachte nur 62% der injizierten 
Harnsäure im Urin wieder. Da die Versuchsperson an Asthma bron¬ 
chiale mit starker Eosinophilie litt und der Vater eine primäre Gicht 
hatte, so sehen Tannhauser und Schaber diese Versuchsperson als 
anormal in ihrem Purinstoffwechsel an. Sie sehen also in dem Resultat 
ihrer Versuche eine Bestätigung der Versuche von Tannhauser und 
Bommes, wonach die parenterale Zufuhr von Vorstufen der Harn¬ 
säure zu einer annähernd den Vorstufen (Nucleosiden) gleichwertigen 
Mehrausscheidung von Harnsäure in 2—3 Tagen nach der Injektion 
führt und danach eine intermediäre Urikolyse sehr unwahrscheinlich 
sei. Es mag erwähnt sein, daß auch Gudzent Guanosin intravenös 
injizierte und ca. 90% der dem Guanosin entsprechenden Hamsäure- 
menge im Urin wiedergefunden haben will. Die Gudzentschen Unter¬ 
suchungen sind aber im allgemeinen für eine exakte Beurteilung des 
Purinstoffwechsels nicht maßgebend, weil er in der Regel mit colori- 
metrischer Methodik arbeitet, welche in keiner Weise der Krüger- 
Schmidtschen oder Ludwig - Salkowskischen Bestimmungs¬ 
methode gleichzustellen ist. Dies gilt sowohl für die Urinuntersuchungen, 
wie ganz besonders für die Blutanalysen, bei denen er die von Maasse 
und Zondeck vereinfachte Folinsche Methode gebraucht, deren 
Werte durchaus unübersichtlich sind. Wir können uns in unseren 
Anschauungen auf vergleichende Untersuchungen von Harpuder und 
Mond berufen, die an der Kieler Klinik angestellt wurden. Die Versuche 
Severins, der Nucleoside beim Menschen verfütterte und danach eine 
Mehrausscheicjjing von UCT^-60% Harnsäure erzielte, können nur mit den 
gleichartigen Fütterungsversuchen mit Nucleinsäure verglichen werden. 

Bei den widersprechenden Resultaten ergab sich für uns die Not¬ 
wendigkeit, eigene Erfahrungen über die Verwertung parenteral verab¬ 
reichter Nucleoside zu gewinnen. Auch wir verwandten Adenosin 
und Guanosin. Die von uns verwandten Präparate wurden uns in 
liebenswürdigster Weise von Prof. Levene zur Verfügung gestellt. 
l ) Tannhauser und Schaber, Zeitschr. f. physiol. Chem. IIS, 171. 1921. 



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gebundener Purinkörper auf d. Purinkürperausscheidg. im Urin beim Menschen. 25 


dem wir an dieser Stelle für ihre Überlassung bestens danken. Das 
Guatiosin bekamen wir als solches, das Adenosin als Pikrat, aus dem 
wir in üblicher Weise das freie Adenosin uns herstellten, welches wir 
dann durch Analyse und Schmelzpunktsbestimmung identifizierten. 
Versuchsanordnung und Methoden waren dieselben wie bei den an¬ 
deren Versuchen. 

Wir injizierten Adenosin und Guanosin sowohl intramuskulär 
wie intravenös unter gleichzeitiger Beobachtung der Reaktions¬ 
erscheinungen, vor allem auch des Einflusses der Injektion auf die 
Leukocytenzahl. Die Lösung der Präparate erfolgte nach den von 
Tannhauser und Bommes gegebenen Vorschriften. 


Versuch 13. Emma Kluß, 17 Jahre. Ulcus ventr. 


Tag 

1021 


N in g 

U in g 

Bas. N 
mg 


10./11. XI. 

700 

1019 

11,38 

HEB 

4,9 


11./12. XI. 

700 

1025 

11,80 


5,18 


12./13. XI. 

700 

1019 

9,51 

ESul 

11,27 


13./14. XI. 

1100 

1016 

13,02 

0,445 

4,62 


14./15. XI. j 

1830 

1008 

10,23 

0,464 

12,81 

Am 14. XI. ll h a. m . 
0,5g Guanosin intrav. 

16./16. XI. | 

1750 

1009 

1 9,51 

0,443 

7,96 

( = 0,265 g ü) 

10./17. XI. | 

1000 i 

1017 

9,58 

0,422 

5,57 


17./I8. XI. i 

j 1300 | 

1009 

j 10,20 

0,506 

8,06 


I8./1Ö. XI. 1 

1700 1 

1009 

9,33 

0,344 

8,58 



Ausgeschieden als U: 30,C%, als Basen: 6,2%. 


Leukocyten: Vor der Injektion 5900 

l h nach „ „ 8000 

7* „ „ „ 6000 


Versuch 14. Holdorf, 19 Jahre. Ulcus ventr. 


Tag 

1021 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N in g 

_ 

üingi B “- N 

mg 


19. /20. X. 

20. /21. X 
.. 21./22. X. 

970 

550 

600 

1013 

1021 

1018 

8,64 

10,16 

0,277 | 5,14 

0,275 ! 8,09 
0,317 6,30 


22./23. X. 

23-/24. X. 

ES 

1019 

1011 

11,70 
! 9,14 

0,476 j 6,92^ 
0,361 1 8,75 

Am 22. X. 11ha. m. 0,5 
•Adenosin intravenös. 
(=0^S8g ü) 

24./2Ö. X. 
25-/26. X. 

700 

1100 

1019 

1012 

10,95 | 0,351 4,9 

— ! 0,216 4,56 



Ausgeschieden als U: 83,2%, als'Basen: 


Leukocyten: 


Vor der Injektion 
l h nach „ 

7 ^ „ „ 

24 ^ „ • 


6200 
5000 
8 800 
6 800 


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2(i A. Schittenhelm u. K. Harpuder: Der Einfluß parent. verabreichter freier und 


Versuch 15. Witthöft, 60 Jahre. Pemiciöse Anämie. 


Ta« 

1921 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N in g 

U in g 

Bas. N 
mg 


18-/19- IX. 

1800 

1010 

8,75 

0,837 

17,64 


19./20. IX. 

1100 

1011 

8,49 

0,795 

9,24 


20./21. IX. 

1880 

1010 

8,69 

0,846 

14,49 


21./22. IX. 

, 2000 | 

1010 

10,22 

1,137 

17,60 

Am 21. IX. 10 h a. m. 

22./23. IX. 

1700 

1010 

I 

14,03 

0,894 

17,01 

I 0,7 g Guanosin intramusk. 

( = 0,370 gU.) 

23./24. IX. i 

i 2200 

1010 

13,24 

| 6,993 

11,55 


24./25. IX. 

1450 

1012 

12,83 

' 0,855 

10,33 

Fieber zwischen 39° bis 40° 

25./26. IX. 1 

850 

1016 j 

| 10,42 

| 0,867 

10,0 

vom 21.—24. inkl. 


Stark überschießende Ausscheidung. 


Leukocyten: Vor der Injektion 4000 

l h nach „ ,, 4200 

7 h „ „ 3800 

24 h „ „ „ 7500 

48^ „ „ „ 3700 


Versuch 16. Kurzfeld, 36 Jahre. Ulcus ventr. 


Tag 

1921 

Menge 

Spez. 

Gew. 

N ing 

U in g 

Bas. N 
mg 


17./18. IX. 

860 

1023 

11,29 

0,426 

8,08 


18./19. IX. 

1415 

1019 

13,48 

0,573 

18,13 


19./20. IX. 

2085 

1012 

11,96 

0,579 

11,71 


20./21. IX. 

1155 

1013 

! 8,76 

0,585 

11,85 

Am 20. IX. 10 h a. m. 

21./22. IX. 

850 

1019 

i 9,84 

0,390 

11,90 

| 0,7 g Adenosin intramusk. 

( = 0,403 g U.) 

22./23.IX.I 

990 

1020 

11,80 

0,€78 

17,50 


23./24. IX. 

: 890 

; 1024 

11,99 

0,513 

10,28 

Schmerzhafte Infiltration der 

24./24. IX. 

1 1025 

1 1018 

9,36 

0,420 

! 14,50 

Injektionsstelle. 


Berechnung nicht möglich. 


Leukocyten: 


Vor der Injektion 
l h nach „ 

7h „ „ 

24h .. 

48h „ „ „ . 

72h., 


8900 
11300 
15100 
14 700 
12550 
7 800 


Was die intravenösen Versuche anbelangt, so läßt der Adeno¬ 
sinversuch eine sichere und erhebliche Steigerung der Harnsäure - 
ausscheidung erkennen, welche bis zum dritten Versuchstage andauert. 
Berechnet man nur die zwei ersten Tage nach der Injektion, so ergeben 
sich 89,2% als Harnsäure; rechnet man den dritten mit ein, so erhält 
man eine beinahe quantitative Ausscheidung. Die Basen zeigen keine Ver¬ 
mehrung. Der Guanosinversuch ergibt keine so klaren Verhältnisse. 



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gebundener Purinkörper auf d. Purinkörperausscheidg. im Urin beim Mensehen. 27 


Der Anstieg der Harnsäure ist Hur ganz gering und die Harnsäure - 
ausscheidung erhebt sich erst am 4. Tage etwas beträchtlicher, wobei 
jedoch völlig unklar ist, ob dieser Wert noch eine Folge der Guanosin¬ 
injektion darstellt. Wenn man in großer Zahl derartige Versuche am 
Menschen macht, dann weiß man, daß solche Schwankungen immer 
wieder Vorkommen, ohne daß Purinkörper zugeführt werden. Die Be¬ 
deutung der erhöhten Zahl erscheint um so geringer, als der Wert des 
Vortages in den normalen Werten der Vorperiode liegt und der Wert 
des Nachtages (18./19.) unter dem Mittelwert. Berechnet man nur 
den Tag der Injektion und den darauffolgenden Tag, so bekommt man 
eine Ausscheidung von 30,6% als Harnsäure und von 6,2% als Basen, 
also insgesamt 36,8%. Wir möchten meinen, daß auch diese Werte 
ähnlich wie in den Rotherschen Versuchen zeigen, daß ebenso wie 
bei den Harnsäure- und Purinkörperinjektionen auch bei den Nucleo- 
sidinjektionen individuelle Verschiedenheiten bestehen. Be¬ 
merkenswert ist endlich, daß die intravenösen Injektionen keine Re¬ 
aktion auslösten und daß auch die Leukocytenzahl sich so gut wie 
nicht verändert. 

Ein ganz anderes Bild ergaben die intramuskulären Injek¬ 
tionen. Der Guanosinversuch ist bei einer perniziösen Anämie 
angestellt, welche von vornherein hohe endogene Werte hatte. Die 
Injektion löste eine erhebliche Steigerung der Hamsäureausfuhr aus, 
welche, wenn sie gegen die zugeführte Purinmenge in Rechnung ge¬ 
stellt wird, eine stark überschießende Ausscheidung ergibt. Es muß 
jedoch hervorgehoben werden, daß die Injektion zu einer erheblichen 
lokalen und vor allem allgemeinen Reaktion führte. Es 
bestand vom 21. bis 24. VIII. inkl. Fieber zwischen 39 und 40° und 
die sonst tiefe Leukocytenzahl erhebt sich nach 24 Stunden um das 
Doppelte. Der Ade nosinvers uch, der an einem Patienten mit 
Ulcus ventriculi durchgeführt wurde, verursachte eine schmerzhafte 
Infiltration der Injektionsstelle und gleichzeitig das Auftreten 
einer sich über mehr wie 2 Tage hinziehenden erheblichen Leukocytose. 
Die Harnsäure werte sind sehr unregelmäßige. Während am Tage der 
Injektion eine geringe Steigerung festgestellt werden kann, sinkt die 
Hamsäureausscheidung am 2. Tag weit unter die Werte des Vortages 
um am 3. Tag wieder stärker über das Niveau sämtlicher vorher¬ 
gehenden Werte anzusteigen. Die Berechnung kann beliebig durch¬ 
geführt werden; wie man sie aber auch durchführt, es wird sich keine 
wesentliche Steigerung errechnen lassen. Und die intensive Re¬ 
aktion mit begleitender Leukocyte trübt noch viel mehr den ganzen 
Versuch. 

Die beiden Versuche mit intramuskulärer Injektion scheinen uns — 
was ja bereits Rother betonte - den Beweis zu liefern, daß diese 


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28 A.Schittenhelin u.K.Harpuder: Der Einfluß parenteral verabreichter usw. 


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Versuchsanordnung für eine Entscheidung der wichtigen 
Fragen nicht herangezogen werden kann, weil sie durch die 
im Gewebe und im Gesamtorganismus ablaufenden Reaktionserschei¬ 
nungen unübersehbare Verhältnisse schaffen. 

Alles in allem ergeben unsere Versuche mit intravenöser Injektion 
von Harnsäure, Purinbasen und Nucleosiden, daß sie beim Menschen 
anders auslaufen wie die gleichartigen Versuche beim 
Tier. Es sei daran erinnert, daß die Versuche von Schittenhelm 
und Seisser und Ewald ergaben, daß injizierte Harnsäure, injizierte 
Purinbasen und injizierte Nucleinsäure zu einer Allantoinausscheidung 
führen, welche so gut wie quantitativ oder überschießend die berechnete 
Menge darstellt. Aus der Reihe heraus fallen Versuche von Tannhauser 
und Bommes an Kaninchen, die nach Nucleosidinjektionen eine Ver¬ 
mehrung der Allantoinausscheidung innerhalb 24 Stunden fanden, 
welche, ca. 40% der injizierten Substanz nur auf Allantoin berechnet, 
entspricht. Das Kaninchen ist allerdings kein ideales Tier für Stoff¬ 
wechselversuche und wir möchten daher diesen Resultaten keine größere 
Bedeutung beilegen. Beim Menschen sollen Harnsäure- und Nucleo¬ 
sidinjektionen nach Tannhauser u. a. regelmäßig quantitativ die 
darin enthaltene Purinmenge als Harnsäure im Urin erscheinen lassen. 
Es muß zugegeben werden, daß ein Teil der Versuche, die wir ange¬ 
stellt haben, ebenso wie ein Teil der Versuche anderer Autoren, in dem¬ 
selben Sinne sprechen. Andererseits aber ist in einer mindestens ebenso¬ 
großen Anzahl von Versuchen die Ausscheidung oft recht erheblich 
unter der zu erwartenden Menge. 

Es bleibt ein Defizit, genau so wie wir es bei Stoff¬ 
wechselversuchen sehen, in denen Nucleinsäure oder 
Nucleine am Menschen verfüttert werden. 



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Resorption und bakterielle Zersetzung der Purinsubstanzen 
im Darmkanal von Mensch und Tier. 

Von 

A. Schittenheim und K. Harpuder. 

(Aus der Medizinischen Klinik in Kiel [Direktor: Prof. Dr. A. Schittenhelm].) 

(Eingegangen am 10. Januar 1922.) 

Die von allen Seiten bestätigte Beobachtung, daß bei Verfütterung 
von Nucleinsäure am Menschen von den darin enthaltenen Purinkörpern 
nur ein Teil als Harnsäure und Purinbasen im Harn wiedergefunden 
wird, hat Schittenhelm damit erklärt, daß der andere Teil inter¬ 
mediär in Harnsäure umgesetzt und diese weiter abgebaut werde. 
Versuche von Schittenhelm und Frank 1 ) ergaben tatsächlich, daß 
die Harnstofffraktion eine entsprechende Erhöhung zeigte. Tann¬ 
hauser 2 ) hat dagegen die Ansicht auf gestellt, der sich neuerdings 
Gudzent 3 ) anschließt, daß der im Urin nicht erscheinende Rest im 
Darm gar nicht resorbiert worden sei, im Dickdarm der Fäulnis an¬ 
heimfalle und so der intermediären Umsetzung in Harnsäure entgehe. 

Daß die Purinbasen unter dem Einfluß der Fäulnis und überhaupt 
der Bakterien aus Nucleinsäure abgespalten ,die Aminopurine in Oxy- 
purine unter Desamidierung umgesetzt und schließlich unter Auf¬ 
spaltung des Purinringes weiter abgebaut Werden, wurde schon von 
Baginsky 4 ) und Schindler 6 ) festgestellt und dann durch die Ar¬ 
beiten von Schittenhelm 6 ) in Gemeinschaft mit Schröter endgültig 
bewiesen. Es entsteht dabei Ammoniak. Die Annahme, daß auch 
freier Stickstoff entstehe, konnte allerdings nicht aufrechterhalten wer¬ 
den. Schittenhelm 7 ) hat ganz besonders auf das Verschwinden der 
Purinbasen in den Faeces unter dem Einfluß der Fäulnis hingewiesen. 
Siven 8 ) sowie Tannhauser und Dorfmüller 0 ) und neuerdings 
auch Rother 10 ) bestätigten diese Befunde und der letztere konnte 
zeigen, daß die Purinzerstörung in den Faeces relativ schnell vor sich 

2 ) Schittenhelm und Frank, Zeitschr. f. physiol. Chem. £3, 269. 1909. 

*) Tannhauser, Therap. Halbmonatsh. 1921, H. 23, S. 717. 

8 ) Gudzent, Berl. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 48, S. 1401. 

4 ) Baginsky, Zeitschr. f. physiol. Chem. 8, 395. 1884. 

b ) Schindler, Zeitschr f. physiol. Chem. 13, 441. 1889. 

6 ) Schittenhelm und Schröter, Zeitschr. f. physiol. Chem. 39—41, Mitt. 1 
bis 4. 1903. 

7 ) Schittenhelm, Zeitschr. f. physiol. Chem. 39, 199. 1903. 

8 ) Siven, Pflügers Arch. d. ges. Physiol. 57, 582, 1914. 

9 ) Tannhauser und Dorf müller, Zeitschr. f. physiol. Chem. 100,121. 1917. 

10 ) Rother, Zeitschr. f. physiol. Chem. 114, 149. 1921. 


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30 


A. Schittenhelm und K. Harpuder: Resorption und bakterielle 


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geht, so daß nach 40—48 Stunden nur noch etwa die Hälfte der an¬ 
fangs vorhandenen Purine nachweisbar war. 

Schittenhelm 1 ) hat sich sehr eingehend mit den Purinkörpern 
der Faeces und mit den Beziehungen zwischen dem Puringehalt der 
Nahrung und dem des Kotes bei gesunden und pathologischen Zu¬ 
ständen beschäftigt. Er fand, daß der Purinstickstoff des Kotes in 
direkter Beziehung zu seiner Trockensubstanz steht, daß ferner nuclein- 
reiche Nahrung (Thymus) eine in engen Grenzen sich haltende Steige¬ 
rung der Kotpurine hervorrufen kann, ohne daß dies jedoch in allen 
Fällen stattzufinden braucht, daß ferner Diarrhöen eine Steigerung 
der Kotpurine in nicht unerheblichem Maße hervorrufen, daß endlich 
bei Obstipation die Kotpurine absinken, wobei auf die bakterielle 
Umsetzung von Purinbasen hingewiesen wurde. Es ist also auch von 
Schittenhelm von jeher damit gerechnet worden, daß ein geringer 
Teil der verfütterten Purinstoffe der Fäulnis anheimfällt. Dieser Teil 
war aber nach seiner Ansicht nur unbedeutend, weil er annahm, daß, 
ebenso wie beim Eiweiß, die Aufspaltung der Nucleinsäure im nor¬ 
malen Darmkanal unter dem Einfluß der Fermente zu resorptions¬ 
fähigen Abbaustufen gebracht und diese ebenso ausgiebig resorbiert 
Werden, wie es mit den Eiweißabbaustufen der Fall ist. Seine Versuche 
sprachen unbedingt nach dieser Richtung. 

Der Umstand, daß neuerdings die Fäulnis der Purinbasen in den 
Vordergrund der Erörterungen gerückt wurde und daß sie als die Ur¬ 
sache dafür angesehen wird, daß von verfütterter Nucleinsäure resp. 
deren Purinbasen beim Menschen evtl, nur ein kleiner Teil als Harn¬ 
säure und Purinbasen im Ham wiedererscheint, macht für den Men¬ 
schen weitere Versuche nötig. Wir haben solche Versuche angestellt. 

An im Purinstoffwechselversuch befindlichen Personen (purinfreie 
Ernährung) wurde nach gründlicher Entleerung des Darmkanals durch 
Abführmittel 10 g Hefenucleinsäure Boehringer, dessen Basengehalt 
durch eine Analyse ermittelt wurde, zusammen mit 100 g Barium¬ 
sulfat bzw. in 10 g Wismutcarbonat in einem Teller Grießbrei verfüttert. 
Der Durchtritt dieser Mahlzeit durch den Darm wurde am Röntgen¬ 
schirm verfolgt und festgestellt, wann sie den Dickdarm anfüllt. Nach 
7 und 8 1 / 2 resp. nach 6 und 8 Stunden wurde je ein hoher Seifen¬ 
einlauf verabreicht und damit eine möglichste Entleerung des Dick- 
darms vorgenommen. Der so erhaltene Darminhalt wurde sofort ana¬ 
lysiert. ln beiden Fällen blieb ein kleiner Rest zurück, der am näch¬ 
sten Tag entleert und analysiert wurde. 

Die Bestimmung der Harnsäure und Purinbasen des Harns erfolgte 
in Doppelanalysen nach Krüger - Schmid, die der Purinbasen im 
Stuhl nach Krüger - Schittenhelm. 

*) Schittenhelm, Dtsch. Archiv f. klin. Med. 81. 423. 1904. 


Gck igle 


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Zersetzung der Purinsubstauzeii im Darmkanal von Mensch und Tier. 31 

Versuch 1. Walter Witt, 16 Jahre, abgeheilte Nephritis. 

Am 6. abends Brastpulver. Am 7. morgens 0,4 g Aloe. Um 12 h mitt. 10 g 
Hefenucleins mit 1 Teller Grießbrei und 100 g Bariumsulfat. Um p. m. 1 mg 
Atropin subcutan. Um 7 h und S 1 / 2 h je ein hoher Seifeneinlauf. Entleerung des 
starkgefüllten Trans vers. Das mäßig gefüllte Ascend. entleert sich nicht (Röntgen - 
Kontr.). 

Stuhl am zweiten Nachtag bariumfrei. 


I 



Urin 





Stuhl 




Tag 

1 Spez. j 
.leng j Gewichtj 

1 

N in g 

i 

U in g 

| Purin¬ 
basen N 
! mg 

Trocken- j 
menge j 
g ! 

X in % 

l 

| N in g 

Purin¬ 

basen 

% 

Purin¬ 
basen 
X in g 


3.4. VII. 1 

1960 ; 

1006 

9,03 

0,467 

18,5 

40,5 

5,46 

2,21 

0,322 

! 0,130 


4./5.VII. 1 
-. 6. VII. 1 

1570 | 

1008 

8,75 

0,447 

20,4 

8,7 | 

5,05 

0,44 

0,357 

0,031 


1620 

1010 

8,62 

0,468 

| 18,7 

31,5 

5,01 

1,58 

0,220 

0,068 


6./7.VII. 

1485 ! 

1010 

1 8,94 ! 

0,451 

14,7 

80,0 

4,27 

3,42 

0,195 

0,156 

Am 6. abends Brust¬ 

j 

i 

. 

1 



1 


i 


i 

pulver. Darauf 8 
Stuhlentleerungen 

T./8. VII. ; 

1650 J 

1011 1 

0,75 

0,848 

46,7 

97 

1,20 

1,16 

0,167 

i 0,162 

Bariumstuhl 1. 

S./9.VII. , 

1445 

1009 

7,82 

0,670 

50,6 

40,0 | 

1,07 

0,428 

0,149 

0,060 

Bariumstuhl 2. 

a/io. vii. 

1350 

1007 

8,38 

7,82 

0,466 

0,434 

19,4 

33 

| 

3,80 

1,25 

0,214 

0,071 

Bariumstuhl 2 ca. 

I0./11. VII. || 

1430 

1008 

— 






16 h länger im 

11.12. VTI. il 

1 

1750 

1007 

7,50 

1 0,486 

19,9 

Dickdarm als Bariumstuhl 1. Abnahme des Basengehalts 
um 0,018% in dieser Zeit. 


Basen N der Nucleins. 8,64%. 10 g Nucleins. = ca. 2,592 gjj. 

Ausgeschieden als U im Urin: 0,602 = 23,2%: als U -}- Purinbasen 
im Urin 30,3%. 

Ausgeschieden im Stuhl: 0,006 g Basen N = 11 , 1 %. 

Versuch 2. August Henning, abgeheiltes Ulcus ventriculi. 

Am 21. VI. ll h yormitt. 10 g Hefenucleins, mit 1 Teller Grießbrei und 10 g 
Wismutcarbonat. 2 + 0,02 Extr. Belladonnae, 0,4 Aloe, 0,2 Rheum. Um 5 h und 7 h 
hoher Seifeneinlauf. Entleerung des Transversum, Coecum bleibt gefüllt (Röntgen¬ 
kontrolle). 


f 


' 

Urin 



. 


Stuhl 




Batuni ; 

i 

Menge 

Spez. 

Gewicht 

N in g 

U in g 

Purin-N 

mg 

Trocken¬ 

gewicht 

K 

1 

i N in % 

i 

N in g 

Purln-N 
N in % 

i 

Purin-N 

mg 


I7./18. VI. 

1665 

1010 

10,05 

0,269 

4,5 

36,5 

_ 

_ 

0,1206 

41,6 


18./19. VI. 

1565 

i ioio 

10,55 

0,273 

4,0 

43 

2,102 

0,904 

0,1108 1 

47,6 


19. /20. VI. 

20. /21. VI. 

1760 

1845 

1010 

1010 

10,93 
11,00 1 

0,207 
0,264 ! 

7,39 

1 4,3 

77,5 

2,850 

2,109 

i 

0,1212 

93,9 


21./22. VI. 

j 2285 

1009 

11,64 

0,590 

8,0 

28 

: 3,098 

0,867 

0,1580 

46,1 

Wismutstuhi 1. 

22./23. VI. 1 

1676 1 

l 1011 

11,84 

0,332 

4,5 

32,5 

j 2,982 

1 0,963 

0,1243 

41,6 

Wismutstuhl 2. 

23 /24. VI. 1 

1675 1 

1010 

11,53 

0,198 

5,2 

15,5 

i 2,604 

; 0,304 

0,1469 

22,8 


24.Z25. VI. 

1250 

1012 

H,55 

0,139 

6,3 







25. 26. VI. 

1685 1 

1012 

11,65 

0,287 

5,3 








10 g Nucleins. = ca. 2,592 g U. 

Ausgeschieden im Harn als tJ 0,410 = 10,1%. 
Ausgeschieden im Stuhl: 5,3 mg Bas N - 0,51%. 


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32 


A. Schittenhelrn und K. Htirpuder: Resorption und bakterielle 


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Die beiden Versuche sind völlig eindeutig verlaufen. Nach Ver- 
fütterung von 10 g Hefenucleinsäure sind im ersten Versuch 22 , 2 , im 
zweiten 16 , 1 % des Purinbasengehaltes der Nucleinsäure als Harnsäure 
und Purinbasen im Urin wiedererschienen. Im ersten Versuche zeigt 
der Purinbasengehalt des Bariumstuhls eine geringe Ver¬ 
mehrung, die sich aber in niederen Grenzen hält, so daß'sie das Re¬ 
sultat des Versuches nicht wesentlich ändert. Im zweiten Versuche 
ist bei Berücksichtigung der Mengenverhältnisse des Stuhls keine 
sichere Vermehrung nachzuweisen. Es kann also gar keinem Zweifel 
unterliegen, daß die verfütterte Nucleinsäure im Dünndarm 
bis auf kleine Reste abgebaut und resorbiert wurde. Es 
wird wohl kaum behauptet werden, daß im Dünndarm in den 7—8 
Stunden des Durchtritts eine Zerstörung der Purinbasen durch Fäulnis 
erfolgt wäre. Es verhalten sich also die Nucleine genau so 
wie die Eiweißkörper, indem sie zum allergrößten Teil im 
Dünndarm aufgeschlossen und aufgenommen werden. Die 
Ingesta kommen nur mit einem geringen Teil unresorbierter Nährstoffe 
in den Dickdarm, wo sie dann der weiteren Resorption und der Fäul¬ 
nis unterliegen. 

Der Einwand, daß der größere Teil der Purinbasen in den oral 
aufgenommenen Nucleinen durch die Fäulnis zerstört werde, stand 
von vornherein auf schwachen Füßen; man müßte sonst dasselbe für 
die anderen wichtigen Nahrungsstoffe auch annehmen. Dagegen spra¬ 
chen vor allem die Stoffwechselversuche, welche an den verschieden¬ 
sten Tierarten durchgeführt wurden. Sie haben ergeben, daß die Purin¬ 
basen der verfütterten Nucleinsäure nahezu quantitativ als Allantoin 
wiedererscheinen. Es lag darin schon ein strikter Beweis dafür, daß 
die Aufspaltung und Resorption der Nucleine und der darin enthal¬ 
tenen Purinbasen in weitestem Umfang im Darme vor sich geht. 

Um auch am Tiere nochmals neues Beweismaterial herbeizu¬ 
bringen, wurde von uns ein Versuch an einem Hunde durchgeführt, 
welcher eine gewöhnliche Magenfistel und eine Fistel am untersten 
Heum unter völliger Durchtrennung des Darms erhielt, so daß der 
ganze Inhalt des unteren Heums auf gefangen werden konnte. Es war 
von vornherein geplant, das Tier im Stoff Wechsel versuch zu halten, 
was jedoch nicht möglich war. Wir können daher den gefundenen 
Allantoin werten des Urins keine ausschlaggebende Bedeutung beilegen, 
zumal es nicht gelang, den Urin des Tieres auch weiterhin zu sammeln. 
Ein zweiter, ebenso angestellter Versuch konnte ebensowenig durch¬ 
geführt werden. 

Die Bestimmung des Allantoins erfolgte nach Wiechowski (Neu¬ 
bauer-Huppert Bd. II, 1913), die der Purinbavsen in den Faeces 
nach Krüger - Schittenhelrn. Das Fistelsekret lief durch eine 


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Zersetzung der Purinsubstanzen im Darmkanal von .Mensch unil Tier. 33 

Gummisonde in einen darangebundenen Dyalisiersehlauch, in dem eine 
gewogene Menge Fluomatrium zur Verhütung von Fäulnis verteilt war. 
Die Entleerung der Pergamenthülsen geschah 6 8 und 24 Stunden 


nach der Fütterung. 

Versuch 3. Tierversuch. Q Hund, 7 kg schwer, Futter; 30 g Fett, 20 g 
Zucker, 20 g Kartoffelmehl, 60 g Mehl. 

Allantoin-Ndes Har ns vor der Operation durchschnittlich p. d. 123,5 m 
Gesamt-N des Harns vor der Operation durchschnittlich p. d. ... 1,68 g 

Am 4. IX. Anlegung einer Fistel am untersten Ileum unter völliger Durchtren¬ 
nung des Darms und einer gewöhnlichen Magenfistel. 

Am 5. IX. frißt der Hund wieder spontan. 

Allantoin-Ndes Harns nach der Operation(5./6. IX.).148,1mg 

Gesamt-N des Harns nach der Operation. 4,87 g 


Fistelabsonderung am 5./6. IX.: 9 g Trockensubstanz -- 9,8 mg Purin-N. 

Am 6. IX. neben der gewöhnlichen Nahrung 10 g thymonucleinsaures Natrium 
per os. Die Fistel wird am Nachmittag undicht. 

Erneute Vemähung der Fistel. Danach frißt der Hund nicht mehr. Erhält am 
8. IX. vormittags 10g thymonucleinsaures Natrium in warmer Milch 


durch die Magenfiste]. 

Allantoin-N des Harns am 8./9. IX. 340,2 mg 

Gesamt-N des Harns am 8./9. IX. 5,52 g 


Fistelabsonderungam 8-/9. IX: 3,5gTrockensubstanz — 40,6 mg Purin-N. 

Mehrausscheidung an Purin-N durch die Fistel nach Verfütterung der 10 g 
Thymonucleinsäure (6,59% Purin-N enthaltend) 30,8 mg 4,68% der ver¬ 
fütterten Basen. 

Der Versuch ergibt, daß nur 4 , 68 % der mit der Thymo-Nucleinsäure 
verfütterten Purinbasen durch die Fistel wieder entleert wurde. Es 
ist also auch in diesem Tierversuch ganz analog den Menschenversuchen 
die Nucleinsäure zum allergrößten Teil im Dünndarm re¬ 
sorbiert worden. Es steht dieses Ergebnis durchaus im Einklang 
mit den in den früheren Stoff Wechsel versuchen erhobenen Beobach¬ 
tungen. 

Alles in allem geht aus den angeführten Versuchen hervor, daß 
die verfütterten Nucleine nach ihrer Aufspaltung im 
Darmkanal schnell der Resorption unterliegen und daß 
nur ein geringer Anteil bis in den Dickdarm gelangt. Die 
Annahme, daß bei der Erklärung des Defizits die Fäulnis der Purin¬ 
basen eine ausschlaggebende Rolle spiele, muß von uns abgelehnt 
werden, wenn wir auch nicht bestreiten, daß ein kleiner für die Be¬ 
wertung der Versuche aber kaum in Betracht kommender Rest in den 
Dickdarm gelangen kann. 


z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 


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Über das Schicksal gehäuft injizierter Harnsäure 
beim Menschen. 

Voll 

A. Schittcnhelm und K. Harpuder. 

(Aus der Medi/.inisrhon Klinik in Kiel [Direktor: Prof. Dr. A. S c h i t t e n h c 1 m ].) 

(Eingegangen am 10. Januar 1922.) 

Durch unsere in den voranstehenden zwei Mitteilungen angeführten 
Versuche ist in Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen erneut 
der Beweis geführt worden, daß sowohl bei der Verfütterung von Nuclein- 
siiure wie bei der intravenösen Verabreichung von Harnsäure, Purin¬ 
basen und Nucleosiden stets nur ein bald größerer, bald kleinerer Teil 
der Purinsubstanzen in Form von Harnsäure oder Purinbasen im Urin 
wiedererscheint. Der Einwand, daß bei Verfütterung von Nucleinen 
die Fäulnis im Darm eine Eiklärung für die unvollkommene Ausschei¬ 
dung abgäbe, ist durch die Versuche in der II. Mitteilung abgelehnt 
worden. Es bleibt also die Frage, ob eine Rete n tion vo n Harnsäure 
anzunehmen ist. 

Es könnte sich um eine Zurückhaltung der Harnsäure im 
Blut handeln. In der Tat steigt der Harnsäuregehalt des Blutes nach 
Veifütterung von Nucleinsäure ebenso wie nach intravenöser Verab¬ 
reichung von Purinsubstanzen ziemlich schnell an, um aber sehr rasch 
wieder auf das frühere Niveau abzusinken. Zahlreiche Blutanalysen, 
wie sie von Tannhauser, Bürger, Griesbach, Bass u. a. 1 ) aus¬ 
geführt wurden, ergaben immer dasselbe Resultat, und auch wir haben 
uns in einigen Versuchen von der Richtigkeit dieser Anschauung über¬ 
zeugt. Damit kann eine Anschoppung von Harnsäure im Blut aus¬ 
geschlossen werden. 

Über das Vorkommen von Purinbasen im normalen Blut ist 
von Bass 2 ), Ehrmann") sowie von Schiller und Wiener 4 ) berichtet 

L ) Lit. s. I. Mitt. 

2 ) Bass, R., Kongr. f. innere Med. 1913: Münch, nied. Wochenschr. 60. 1913. 

: *) Ehrmann und Wolff, Münch, med. Wochenschr. 61, 1913. 

4 ) Schiller u. Wiener, Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 3, 407 u. 411.1914. 


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A. Schittenhelm u. K. Harpuder: Üb. d. Schicks, gehäuft injiz. Harnsäure usw. 35 


worden. Während sich Ehr mann nur auf die freien Purinbasen be¬ 
schränkte, haben Bass und Schiller und Wiener die freien und die 
gebundenen Purinbasen bestimmt. Die letzteren konnten zeigten, 
daß die Harnsäure nur etwa */ 4 bis 1 / 2 der im menschlichen Blut vorhan¬ 
denen freien Purinkörper ausmacht. Neben der Harnsäure scheinen 
auch die freien Purinbasen bei der Gicht im Blute eine Vermehrung 
zu erfahren; außer den freien Purinbasen sind auch gebundene Purin¬ 
körper vorhanden, die Hauptmenge in den geformten Bestandteilen 
des Blutes, weniger als die Hälfte im Serum. Es müßte also auf das 
Vorkommen von freien und gebundenen Purinkörpern bei weiteren 
Versuchen geachtet werden. Thannhauser und Czoniczer 1 ) be¬ 
stimmten später gleichfalls die freien und gebundenen Purinkörper im 
Blut. Sie finden beim gesunden Menschen ca. 2—3 mg gebundenen 
Purinstickstoff (Nucleotidstickstoff) in 100 ccm Serum, eine Menge, 
welche ca. 2 mal größer als der freie Purinstickstoff ist. Der letztere 
beträgt 1—1,5 mg und ist nach Thannhauser und Czoniczer etwa 
gleich hoch wie der Harnsäuregehalt, und daher wahrscheinlich fast 
vollständig durch diesen bedingt. 

Die Eifahrungen von Schiller und Wiener bei Nephritikern spre¬ 
chen nicht dafür, daß eine dauernde Anreicherung des Blutes in bemer¬ 
kenswerter Weise zustande kommt, so daß etwa hierin eine Erklä¬ 
rung für das Defizit gesucht werden könnte. 

Es bleibt nur die Möglichkeit übrig, daß die Harnsäure und die 
Purinbasen in den Organen zurückgehalten werden. Gud¬ 
zent 2 ) spricht von einer Uratohistechie, womit er einen veränderten 
Gewebszustand der Gichtkranken meint, bei dem es zu einer Haftung 
— einem Festhalten — aufgenommener Harnsäure kommt. Unter¬ 
suchungen von Schittenhelm und Wiener 3 ), bei denen die Organe 
nicht gichtischer Menschen und eines Gichtkranken auf Harnsäure und 
und Puiinbasen untersucht wurden, sprechen keineswegs für eine Re¬ 
tention von Harnsäure in größerem Umfang. Gudzent scheinen diese 
Versuche nicht bekannt zu sein. Immerhin ist es zweifellos notwendig, 
daß nach dieser Richtung erneut umfangreiche Untersuchungen ein- 
setzen. Es muß eine Klärung geschaffen werden darüber, wo eigentlich 
das Purinkörperdefizit herkommt. 

Eine Entscheidung dieser Frage kann nur im Versuch am Men¬ 
schen durchgeführt werden. Das Tier ist völlig ungeeignet, weil die 
Harnsäure bei ihm nur eine Durchgangsstufe bedeutet und das leicht 

*) Thannhauser und Czoniczer, Zeitschr. f. physiol.Chem. 110, 307. 1920. 

2 ) Gudzent, Wille und Keeser, Zeitschr. f. klin. Med. 90, 147. 1920; und 
Verh. d. 33. Kongresses f. inn. Med. 1921, S. 350. 

3 ) Schittenhelm und Wiener, Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 3, 397. 
1914. 

3* 


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36 


A. Schittenhelm und K. Harpuder: 


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lösliche Allantoin das Stoffwechselendprodukt ist. Der Vogel ist 
gleichfalls durchaus unbrauchbar, weil in dessen Organismus die 
vornehmliche Quelle der Harnsäure im Gegensatz zu Mensch 
und Säugetier das Eiweiß darstellt. Da man aber am lebenden 
Menschen immer nur mit indirekten Schlußfolgerungen arbeiten 
kann, so war der einzige Weg, der ja schon von Schittenhelm in 
vielen früheren Versuchen und dann vor allem von Schittenhelm 
und Wiener beschritten worden war, die Analysen menschlicher 
Organe. 

Gudzent hat mit Keeser Untersuchungen an menschlichen Or¬ 
ganen angestellt, bei denen er den Reststickstoff dem Hamsäurestickstoff 
gegenüberstellt und die an sich schon bekannte Tatsache betont, daß 
keine direkten Beziehungen bestehen. Auch Gudzent und Keeser 
gingen davon aus, daß bei intravenöser Verabreichung von Mononatrium¬ 
urat außer der Gicht eine Reihe von Krankheiten eine Zurückhaltung 
von Harnsäure zeigt, welche nicht im Urin zum Vorschein kommt, 
aber auch nicht zu einer dauernden Anreicherung des Blutes führt, 
und wollen mit ihren Organanalysen beweisen, daß eine Uratohistechie 
vorliege. Daß in den Organen häufig Harnsäure nachgewiesen werden 
kann, haben Schittenhelm u. a. längst erwiesen. Es sind vor allem 
zellreiche Organe, wie Leber und Milz, in denen naturgemäß auch ein 
sehr lebhafter Purinstoffwechsel vor sich geht, welche die Harnsäure 
beherbergen. Die Leber vor allem ist eines der wichtigsten, harnsäure- 
bildenden Organe im menschlichen Körper, so daß die Anwesenheit von 
Harnsäure in ihr auch nach dem Tode ohne weiteres verständlich ist. 
Wenn Gudzent in allen Organen, welche er untersucht, sogar im Fett¬ 
gewebe, Harnsäure auffinden kann, so erscheint es uns besonders wichtig, 
zu prüfen, ob die angewandte Methode genügende Gewähr für die Rich¬ 
tigkeit seiner Analysen gibt. In den uns einzig zugängigen Arbeiten 
(Kongreßbericht 1921 und Ztschr. f. klin. Medizin Bd. 90, S. 147ff., 1920), 
welche diese Fragen berühren, finden wir über die Methode keine ge¬ 
nauen Angaben. Wir vermuten aber, daß er, wie in allen seinen übrigen 
Arbeiten mit colorimetrischer Methode gearbeitet hat, deren Exaktheit 
wir bestreiten müssen. Trotzdem erkennen wir gern an, daß in den 
Organen des normalen Menschen kleine und wechselnde Mengen von 
Harnsäure vorhanden sind, möchten aber meinen, daß diese, wenn sie 
überhaupt vorliegen, relativ gering und mit dem Ablauf des Purinstoff¬ 
wechsels an sich völlig zu erklären sind. 

Wir haben uns bei unseren Analysen der alten Methoden bedient, 
welche freilich auch nicht völlig einwandfrei sind, da sie allerkleinste 
Mengen zuweilen nicht genügend erfassen. 

Die Organanalysen geschahen nach der Methode von Krüger und 
Schittenhelm. 



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Über das Schicksal gehäuft injizierter Harnsäure beim Menschen. 


37 


Organanalysen. 

Leber, einfache, wässerige Extrakte. 


Bezeichnung 

| Analysierte 
| Menge 

Gefundene U 

i__ __ > 

Zeit 

nach dem Tode 

62jähr. Q 

133 

Murexid ’ 

9^ 

Magen-Ca 


wägbar 0 


8jähr. ö* 

540 ; 

Murexid -f 


Peritonitis 


wägbar 0 1 


35j ähr. o* 

236 

Murexid 0 

97* h 

multiple Sklerose 


wägbar 0 


72jähr. Q 

444 

Murexid -f- | 

■>7, h 

Apoplexie 


wägb.: 12,5 mg 


32jähr. cf 1 

431 

Murexid -f- 5 

in/« 1 * 

Peritonitis 


wägb.: 2,8 mg | 


26jähr. cf 

665 ; 

Murexid ? 

137.," 

Lung.-Gangrän 

i 

1 wägbar 0 ! 


62jähr. 9 

375 

Murexid 0 


Appendicitis 


wägbar 0 


?jähr. o* 

355 

Murexid 0 


Lungentbc. 

i 

wägbar 0 



In Hydrolysaten der Leber nach Entfernung des einfachen Extraktes, in Milz 
und Nieren U immer 0 (je 3 Analysen). 

Die Tabelle zeigt, daß in 8 daraufhin untersuchten Fällen die Leber 
nach dem Tode nur 4 mal sicheren Harnsäuregehalt ergibt (nur in 
2 Fällen wägbare Mengen), während in den anderen 4 Fällen keine Harn¬ 
säure gefunden wurde. Es geht daraus sicher hervor, daß der Harn- 
säuregehalt der Organe post mortem bei den einzelnen Men¬ 
schen verschieden ausfällt. Immer handelt es sich aber nur um 
geringe Harnsäuremengen, die nicht für den Beweis einer Retention 
der Harnsäure verwertet werden können. Die Befunde stehen übrigens 
im Einklang mit denen, welche bereits früher durch Schittenhelm 
und Schittenhelm und Wiener erhoben wurden. 

Viel wichtiger als die einfache Analyse toter und überlebender Or¬ 
gane schien uns die Analyse der Organe von Menschen, welche 
kurz vor dem Tode große Mengen von Harnsäure in sich auf¬ 
genommen hatten. Nachdem in so großer Zahl intravenöse Ham- 
säureinjektionen beim Menschen von den verschiedensten Untersuchem 
angestellt worden sind, ohne daß je eine schädigende Wirkung beobach¬ 
tet wmrde, gingen wir daran, einigen Schwerkranketi, deren Ableben in 
kurzem zu erwarten war, Harnsäure zu injizieren, und zwar so, daß wir 
täglich 1 —3 g Harnsäure in natronalkalischer Lösung, wie es oben be¬ 
schrieben wurde, injizierten, und gleichzeitig den Harnsäuregehalt des 
Urins fortlaufend analysierten. Analysen und Injektionen wurden 
bis zum letzten Tage des Lebens fortgesetzt. Auf diese Weise haben wir 


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38 


A. Schittenhelm und K. flarpuder: 


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bei 2 Carcinomkranken im einen Fall 16 g, im andern Fall 36 g 
Harnsäure fortlaufend injiziert. Bei einem Fall von arteriosklero¬ 
tischer Schrumpfniere mit hohem Reststickstoff des Blutes wurden 
4 g Harnsäure injiziert. Möglichst bald nach dem Tode wurde die Aut¬ 
opsie vorgenommen und die Organe kamen sofort zur Verarbeitung. 

Die Bestimmung der Harnsäure in den Organen erfolgte nach 
Krüger - Schittenhelm, im Blut nach Folin u. Denis mit der Ab¬ 
änderung, daß wir die Enteiweißung mit l,6proz. Uranylacetat und die 
colorimetrische Ablesung in einem von uns geeichten Authenrietschen 
Colorimeter Vornahmen. Die Berechnung nicht direkt wägbarer Organe 
erfolgte nach den Vierodtschen Tabellen. 

Die folgenden Tabellen geben die Versuche wieder. 


Versuch 1. Sch., 69 Jahre. Gewicht 66 kg. 

Anatomische Diagnose: Magencarcinom mit sehr ausgedehnten Lebermeta 


1. U-Stoffwechsel. 


Tag 

1920 

Menge 

Spez. 

Gewicht 

N 

in g 

V 

in g 

U-Injektion 
in g 

6./7. IX. 

350 

1017 

3,08 

0,709 

_ 

7./8. IX. 

• 250 

1017 

3,58 

0,483 

1 

8./9. IX. 

136? 

1017 

0,82? 

0 ,102? 

3 

9./10. IX. 

360 

1009 

2,27 

0,419 

3 

10./11. IX. 

100 ? 

1009 

0,50? 

0,134 

3 

1L./12. IX. 

170? 

1010 

0,75? 

0,266? 

3 

12./13. IX. 

646 

1008 

2,67 

1,239 

3 

13./14. IX. 

600 

1012 

2,46 

0,868 

3 

14./16. IX. 

800 

1009 

4,19 

0,656 

3 

16./16. IX. 



verloren 


3 

16./17. IX 

260? 

| 1009 

1,35? 

0,380? 

1 3 

I7./18. DL 

226? 

1012 

1,87 

0,377 

] 3 

18./IÖ. IX. 

430 

! 1011 

2,49 

0,896 

2 

19./20. IX. 



verloren 


3 


2. U-Gehalt der Organe (verarbeitet 4—6 h post mortem). 


Organ 


Leber. 

Milz. 

Nieren. 

Lungen. 

Gehirn. 

Muskel. 

Herz. 

Haut. 

Pankreas. 

Knochen und Knorpel 
Blut. 


Gesamt¬ 

gewicht 

Analysierte 
Menge in g 

4000g 

344 

240 g 

240 

355 g 

302 

420 g 

249 

850 g 

275 

ca. 20 kg 

190 

200 g 

132 

ca. 7 kg 

114 

46g 

30 

ca. 10 kg 

| 270 

ca. 5 1 1 

80 ccm 


Gefundene 
Ü in g 

Gesamt-U 
in g 

0,269 

3,23 

0,203 

0,203 

0,486 

9,571 

0,048 

0,081 

0,0036 

0,380 

0,011 

0,016 

0,012 

0,731 | 

0,098 

3,93 j 

0,0117% 

| 0,585 | 


Zahlreiche 

makroskopische 

Niereninfarkte 


Harnsäurezufuhr 36 g: Organharnsäure 9,43 g. 


Gck igle 


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Über das Schicksal gehäuft injizierter Harnsäure heim Menschen. 39 
Versuch 2. Th., 68 Jahre. Gewicht ca. 40 kg. 

Anatomische Diagnose: Prostatacarcinom mit Knochenmetastasen und sehr 
spärlichen Lebermetastasen. 

1. Harnsäurestoffwechsel. 


Tag 

| Menge 

Spez. 

Gewicht 

| N in g 

U in g | 

U-Injek- 
tion in g 

26./27. XI. 

| 500 

1017 

5,64 

0,169 

_ 

27./28. XI. 1 

700 

1016 

3,20 

0,236 

1 

28./2Ö. XI. 1 

1180 

1008 

5,82 

0,750 

1 

29./30. XI. 1 

960 

1007 

4,84 

0,216 

2 

3o.xi./i.xn. 1 

1 600? 

1007 

3,20? 

0,166? 

1 

1./2. XII. ! 

j 870 

1009 

4,68 

0,359 

3 

2./3. xn. 

, 750? 

1005 

2,69? 

0,165? 

2 

3./4. XII. 

300? 

1 1004 

1,10? 

i 0,089? 

3 

4./ß. XII. ; 


verloren 


— 

5./6. XII. 1 

1720 j 

■ 1010 i 

3,43 

0,406 

i 3 


2. Harnsäuregehalt der Organe (verarbeitet 6 h post mortem). 


Organ 

Gesamt¬ 

gewicht 

Analysierte 
Menge in g 

Gefundene 
U in g 

O esamt-U 
in g 


Leber. 

1890 g 

405 

0,327 

1,55 


Milz. 

175 

133 

Spur 

Spur 


Nieren. 

320 „ 

225 

0,308 

0,39 

/Mikroskopische 
l Niereninfarkte 

Hirn. 

1890 „ 

242 

— 

— 

Haut. 

99 

121 


— 


Muskel. 

1 " 

264 

_ 

i 

— 


Herz.' 

1 245 „ 

153 

Spur 

Spur 


Lunge.I 

1060 „ 

278 

— 

— 


Knochen und Knorpel j 

ca. 7 kg 

i ! 

371 

(Teile des 
Kniegelenks; 
1 Rippen¬ 
knochen, 
-knorpel) 

0,006 

: 

0,114 


Blut . 

| ca. 5 1 | 

70 ccm 

o.ooi i%i 

0,078 



Harnsäurczufuhr 16 g: Organharnsäure 2,13 g. 


Versuch 3. Ernst St., Arbeiter, 48 Jahre alt. 

Anatomische Diagnose: Arteriosklerotische Schrumpfniere (Urämie) (RN im 
Blut 0,216%). 


Datum 

jj Harnmenge | 

Spez. 

Gewicht 

N in g 

u in % 

U in g 


29./30. IV. 

J 1175 

1006 

5,32 

nicht bestimmbar 


30. IV./l. V* 

1230 j 

11 850 1 

1007 

5,99 

0,00123 

.0,016 


1./2. V. 

1010 

4,83 

0,0035 

0,030 


3./4. V. 

: | — | 

; 

! -• 

— 


totale Anurie 

4./5. V. 

1 295 

1006 

1,67 

0,004 

0,012 

2 g U injiziert. 

5./6. V. 

640 i 

1008 

3,91 

0,008 

0,048 

2 g U injiziert. 

6. 7. V. 

■ 600 

1005 

— 

0.0025 

0,015 



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Original fro-m 

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40 


\. Srhittcnhelm und K. Ilarpuder: 


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Har Lisa uregeh 

alt der Orga 

ne (verarbeitet 3 -5 h post exituni). 

Organ 

tl Gesamt- 
gewicht 
;| in g 

Verarbeitete 
Menge 
in g 

Gefundene V 
in g 

Gesamt-f 
in g 

Leber. 

1500 

520 

0,0952 

0,S75 

Milz. 

100 

90 

- 

- 

Nieren .... 

200 | 

180 

0,0468 

0,052 

Knochen . . . 


130 


-- 

Blut. 

ca. 5 1 

100 

0,014 

0,7110 


Die Resultate der Versuche sind sehr bemerkenswert. 

Von den injizierten 36 g Harnsäure wurden im 1. Versuch nur an weni¬ 
gen Tagen erheblichere Mengen mit dem Urin ausgeschieden. Was hier 
zum Vorschein kam, dürfte keinesfalls 4—5 g überschreiten, selbst wenn 
man berücksichtigt, daß an einzelnen Tagen beträchtliche Mengen 
des Urins in Verlust gingen. Es wurden also wenigstens 31 g Harnsäure 
nicht wieder ausgeschieden. Die Analyse der Organe ergab in 
ungefährer Berechnung auf den gesamten Menschen etwa 9,5 g Harn¬ 
säure. Es wurden mithin ca. 15g Harnsäure wiedergefunden, 
21g Harnsäure waren verschwunden. 

Im 2. Versuch, bei dem 16 g Harnsäure verabreicht waren, wurden 
gleichfalls mit dem Urin nur geringe Mengen ausgeschieden, 
die in diesem Falle unter Berücksichtigung möglicher Verluste beim 
Aufsammeln des Harns bei Schwerkranken höchstens auf 3 g zu schätzen 
sind. Die Analyse der Organe ließ nur in einem Teil derselben die Anwesen¬ 
heit von Harnsäure erweisen. Obenan stehen auch hier, wie im 1. Ver¬ 
such, Leber, Knochen und Knorpel, sowie Nieren. Die Gesamtmenge der 
wiedergefundenen Harnsäure berechnet sich etw r a auf 2,1 g. Es waren 
also von 16g Harnsäure etwa 5g wiedergefunden. Die rest¬ 
lichen 11g waren verschwunden. 

Im 3. Versuch der arteriosklerotischen Schrumpfniere mit dem 
hohen Reststickstoff des Blutes werden nur 4 g Harnsäure intravenös 
gegeben. Im Urin wurde so gut wie nichts wiedergefunden. Die 
Analyse der Organe ergab einen hohen Gehalt des Blutes und wieder¬ 
um eine relativ reichliche Menge in der Leber. Die Analyse der 
Organe wurde in diesem Versuche nicht in der Vollständigkeit durch¬ 
geführt wie in den ersten 2 Versuchen, weil in den nichtuntersuchten 
Organen bei den vorhergehenden starken Hamsäureaufladungen keine 
oder nur Spuren von Harnsäure gefunden worden waren. Berück¬ 
sichtigt man, daß eine Schrumpfniere im Endstadium an sich schon 
Harnsäure zurückhalten muß, so wird man kaum fehlgehen in der 
Annahme, daß auch in diesem Falle nur ein geringer Teil der 



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Über das Schicksal gehäuft injizierter Harnsäure beim Menschen. 41 

Harnsäure wiedergefunden wurde, der größere Teil aber 
verschwunden war. 

Die Versuche geben einige recht wichtige Besonderheiten. Aus allen 
geht die bekannte Tatsache hervor, daß die Leber im Mittelpunkt 
des Harnsäurestoffwechsels steht. Offenbar wird die inji¬ 
zierte Harnsäure in großem Maße in die Leber gebracht, 
so daß sie sich dort anhäuft. Während wir bei genau ebenso durch¬ 
geführten Analysen von Lebern anderer Leichen, bei denen in ihrer 
letzten Lebenszeit keine Hamsäureanschoppung durchgeführt wurde, 
nur geringe Mengen von Harnsäure oder überhaupt keine nachweisen 
konnten, fanden sich in den 3 Versuchen 3,23 g Harnsäure bei 36 g 
Zufuhr, 1,55 g bei 16 g Zufuhr und 0,275 g bei 4 g Zufuhr. Sehr auf¬ 
fallend ist ferner im 1. Versuch die relativ bedeutende Menge von Harn¬ 
säure, welche für Knochen und Knorpel und für die Haut 
berechnet wurde. Es scheint so, als ob hier diese Organe ein be¬ 
sonderes Hamsäuredepot dargestellt hätten. Dabei hatte der Kranke 
keinerlei gichtige Erscheinungen. Im 2. Versuch findet sich in Knochen 
und Knorpel gleichfalls Harnsäure, nicht aber in der Haut, während 
im 3. Versuch die Knochen keine Harnsäure enthielten. Daß die 
Nieren nach den massigen Harnsäureinjektionen des 1. und 2. Versuchs 
relativ große Harnsäure mengen enthielten, ist nicht verwunderlich, 
zumal diese Anreicherung schon am Organdurchschnitt durch die 
vorhandenen typischen Hamsäureinfarkte sich kenntlich machte. 
Im 3. Versuch enthielten die Nieren gleichfalls Harnsäure, wenn 
auch in geringeren Mengen. Sehr auffallend ist endlich die Ana¬ 
lyse des Blutes, welche zeigt, daß bei der Schrumpfniere, obwohl in 
diesem Fall die geringste Menge Harnsäure (nur 4 g) eingespritzt wurde, 
die größte Menge von Harnsäure im Blute sich fand; sie betrug 0,7 g. 
Das Blut des Falles, der 36 g Harnsäure im Leben erhalten hatte, führte 
nur 0,585 g Harnsäure, und das der letzten Versuchsperson, der 16 g 
Harnsäure injiziert waren, nur 0,078 g Harnsäure. Es war also im 
letzteren Fall überhaupt keine Vermehrung nachzuweisen, im vorletzten 
dagegen eine Vermehrung auf etwa das 3 —4fache der Norm. Die beiden 
Versuche zeigen, daß im allgemeinen die injizierte Harnsäure aus dem 
Blute wieder verschwindet, wie wir es ja auch aus den bereits ange¬ 
führten Versuchen am Lebenden wissen. Nur der Nierenkranke hat 
Mühe, sein Blut von der Harnsäure zu befreien. Es ist sicherlich an¬ 
zunehmen, daß hier die Aufnahmefähigkeit des Gewebes für Harn¬ 
säure vermindert ist, resp. eine Störung in dem Austausch zwischen 
Blut und Gewebe die Ursache für das Anschoppen der Harnsäure 
im Blut darstellt. 

Als besonders wichtiges Resultat haben also diese Versuche ergeben, 
daß bei Harnsäureüberschwemmung des Körpers nur ein 


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42 A. Schittenhelm u. K. Harpuder: Üb. d. Schic ks, gehäuft injiz. Harnsäure usw. 

kleinerer Bruchteil der injizierten Mengen in Urin und Or¬ 
ganen wiedergefunden werden kann, ein größerer aber ver¬ 
schwindet. Des weiteren zeigen sie, daß die Harnsäure bei Nierenge¬ 
sunden, Nichtgichtkranken sich nicht oder nur wenig im Blute vermehrt, 
während beim Nierenkranken das Blut weit erheblicher angereichert wird. 
Ein Teil der injizierten Harnsäure wandert in die Organe ab, unter denen 
die Leber regelmäßig stark bevorzugt wird, und unter denen nach ihr 
Knorpel und Knochen, sowie vielleicht die Haut, besondere Depots dar¬ 
stellen. Die übrigen Organe kommen erst in zweiter Linie. Die Niere 
als Ausscheidungsorgan ist natürlich gleichfalls harnsäurereich. 


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Gck igle 


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Gibt es beim Menschen eine Harnsäurezerstörung? 
Bemerkungen zur Theorie der Gicht. 

Von 

A. Schittenhelm und K. Harpudcr. 

(Aus der Medizinischen Klinik in Kiel [Direktor: Prof. Dr. A. Sc h i 11e n h e l in].) 

(Eingegangen am 10. Januar 1922.) 

Durch unsere in den vorstehenden Mitteilungen angeführten ex¬ 
perimentellen Untersuchungen ist festgestellt, daß der Fäulnis der 
Purinbasen im Darm keine besondere Rolle zukommt, daß vielmehr 
die Nucleine nach ihrem Abbau zu resorptionsfähigen Substanzen 
ebenso wie das Nahrungseiweiß zum allergrößten Teil bei ihrem Durch¬ 
gang durch den Dünndarm resorbiert werden. 

Über die Verdauung im Magen-Darmkanal ist zuerst von Levene 
und Medigreceanu 1 ) gearbeitet worden, welche das Verhalten der 
Nucleinsäure gegen reine Magen-, Pankreas- und Darmsäfte des Hundes 
prüften. Ihre Untersuchungen zeigten, daß sowohl die Hefe- als auch 
die Thymonucleinsäure speziell durch den Darmsaft chemisch ver¬ 
ändert werden, wobei jedoch unter den angegebenen Bedingungen 
die Spaltung nicht über das Nucleosidstadium hinausging. Versuche von 
London, Schittenhelm und Wiener 2 ) bewiesen, daß die Verdauung 
der Nucleinsäure vornehmlich unter der Einwirkung des Darmsaftes 
vor sich geht, wobei Nucleotide und Nucleoside entstehen, aber keine 
freien Purinbasen auftreten. In der II. Mitteilung konnte Guanosin 
gewonnen werden, welches durch eine genaue Analyse identifiziert 
wurde. Der Einwand Tannhausers 3 ), daß nur mit fraktionierter Aus¬ 
füllung durch Bleiessig und Kjeldahlisieren gearbeitet worden sei, be¬ 
steht also nicht zu Recht. Tannhauser hat zum Teil in Gemeinschaft 
mit Dorfmüller 4 ) gleichfalls Versuche mit Darmsaft angestellt und 
nimmt ah, daß die Nucleinsäuren in Form von Nucleotiden zur Resorp¬ 
tion kommen. 

Der Nachweis weitgehender Resorption löslicher Abbauprodukto 
der Nucleinsäure im Dünndarm ist von größter Wichtigkeit für die Frage. 

*) Levene und Medigreceanu, Journ. of chem. 9, 375. 1911. 

2 ) Schittenhelm, London und Wiener, Zeitschr. f. physiol. Chem. 70, 
7t und 7T7,1. bis III. Mitteilung. 1910—1912. 

3 ) Tannhauser, Habilitationsschrift München 1917, S. 24. 

4 ) Tannhauser und Dorf müller, Zeitschr. f. physiol. Chem. 100,121. 1917. 


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44 


A. SehittenJielm und K. Harpuder: 


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ob der Beobachtung Wert beigelegt werden muß, daß nach Verfütterung 
von Nucleinsäure beim Menschen nur ein gewisser Teil der darin enthal¬ 
tenen Purinkörper als Harnsäure oder Purinbasen im Harn wiederer¬ 
scheint, während oft der größere Teil der Purinkörper als solcher nicht 
mehr aufgefunden wird. Wir müssen jetzt annehmen, daß die 
verfütterte Nucleinsäure tatsächlich in den intermediären 
Stoffwechsel hineinkommt. Sie gelangt durch den Pfortader¬ 
kreislauf in die Leber, das wichtigste Organ für den Purinstoffwechsel. 
Bei intravenöser Verabreichung von Nucleosiden, freien Purinbasen 
und Harnsäure besteht bei den einzelnen Menschen ein beträchtlicher 
Unterschied, der schon bei den Versuchen mit Verfütterung der Nuclein¬ 
säure konstatiert worden ist. Die einen scheiden von den injizierten 
Substanzen mehr, die anderen weniger als Harnsäure aus. Im allgemei¬ 
nen ist aber die Menge der ausgeschiedenen Harnsäure im Verhältnis 
größer als bei den Fütterungsversuchen mit Nucleinsäure. Es braucht 
das nicht aufzufallen, da die intravenöse Injektion nicht den physiolo¬ 
gischen Gang des Purinstoffwechsels nachahmt, sondern durch die 
teilweise Umgehung der Leber einerseits und durch pathologische Ein¬ 
flüsse der Injektion an sich abnorme Verhältnisse schafft. Berück¬ 
sichtigt man diese Punkte, so sprechen die beiden Versuchsanordnungen 
nach derselben Richtung, nämlich nach der, daß ein Teil der peroral 
und parenteral verabreichten Purinsubstanzen im Urin 
nicht wieder nachgewiesen werden kann. 

Durch unsere oben mitgeteilten Versuche mit massigen Harn¬ 
säureinjektionen und weitgehender Analyse der Organe ist festge¬ 
stellt, daß in diesen nur ein kleiner Teil der in ji zierten Harnsäure 
wiedergefunden werden kann, der sich in der Hauptsache in be¬ 
stimmten Organen findet, unter denen wiederum die Leber ganz 
besonders hervorragt. Vielleicht ist darin ein Hinweis zu erblicken, 
daß für eine weitere Umsetzung der Harnsäure die Leber das wichtigste 
Organ darstellt. 

Der strikte Beweis einer Harnsäurezerstörung im menschlichen 
Organismus ist natürlich erst erbracht, w r enn etwaige Abbauprodukte 
der Harnsäure sicher auf gefunden und analysiert sind. Der indirekte 
Beweis, der durch diese Versuche erbracht zu sein scheint, ist solange 
ein unvollständiger, ehe nicht der direkte gelingt. 

Es fragt sich nur, ob der Umstand, daß der Nachweis einer Uric^o- 
oxydase in menschlichen Organen bisher nicht gelungen ist, gegen die An¬ 
nahme einer Harnsäurezerstörung angeführt werden kann. Es kann 
keinem Zweifel unterliegen, daß dem nicht so ist. Tann¬ 
hauser führt auf S. 21 seiner Habilitationsschrift an, daß Jones 1 ’ *) in 

*) Jones und Winternitz, Zeitschr. f. physiol. Chem. 66, 108. 1909. 

2 ) Jones und Müller, ebenda 61, 395. 1909. 



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Gibt es beim Menschen eine Harn8äurezerstörun<r Y 


45 


keinem menschlichen Organ ein Adenin desamidierendes Ferment fest¬ 
stellen konnte. Nehmen wir an, Jones hätte mit seiner Feststellung 
recht, was allerdings von Schitte nhel m *) bestritten wird, dann müßten 
die Verhältnisse für das Adenin genau ebenso liegen wie sie von Tann¬ 
hauser für die Harnsäure angenommen werden. Wir müßten dann 
das Adenin quantitativ im Urin wiederfinden. Es beweisen aber die 
Injektionsversuche mit Adenin und Adenosin sowie die Fütterungs¬ 
versuche von Nucleinsäure, daß das Adenin vom Menschen in aus¬ 
giebigem Maße in Harnsäure übergeführt wird. Trotzdem also 
die Adenase nur mangelhaft in den Organen festgestellt 
werden kann, geht die Umsetzung des Adenins prompt 
vor sich. Genau dasselbe läßt sich für den Stoffwechsel des Schweines 
anführen. Nach Jones 2 ) fehlt die G uanase in den Organen des Schwei¬ 
nes. Schittenhelm ist allerdings anderer Ansicht. Es ist aber zweifel¬ 
los der Nachweis der Guanase in den Organen des Schweines nicht mit 
der Sicherheit zu erbringen wie bei anderen Tierarten. Sie fehlt, resp. 
ist nur in geringer Menge in den wichtigsten Organen, der Leber und der 
Milz, auffindbar. Trotzdem vermag das Schwein bei Verfütte- 
rung von Nucleinsäure das Guanin quantitativ umzusetzen 
und im normalen Schweineurin findet sich kein Guanin. 
Wir sehen also, daß die Umsetzung von gewissen Purinbasen 
in Harnsäure im Stoffwechselversuch glatt vor sich gehen 
kann, während der Versuch mit dem überlebenden Organ 
Zweifel über die Möglichkeit der Umsetzung bestehen läßt. 

Warum soll es mit der Harnsäure beim Menschen nicht ebenso sein ? 
Jedenfalls ist es nicht erlaubt, aus dem bisher noch fehlenden Nachweis 
einer Uricooxydase in menschlichen Organen einen Beweis dafür zu 
konstruieren, daß die Harnsäure im menschlichen Stoffwechsel nicht 
angegriffen werden kann, sondern ein Endprodukt ist. Auch Tannhau¬ 
ser 3 ) bezeichnet es als befremdlich, daß der menschliche Organismus, 
der im wachsenden Zustand und wahrscheinlich auch im späteren 
Lebensalter die Fähigkeit besitzt, Aminopurine synthetisch aufzubauen, 
nicht imstande sein sollte, das Trioxypurin, die Harnsäure, abzubauen. 
Er gibt zu, daß die Feststellung, ob eine physiologische Uricolyse in 
dem intermediären Stoffwechsel anzunehmen ist, der Angelpunkt jed¬ 
weder Fragestellung ist, die sich mit der Physiologie und Pathologie 
des NucleinstoffWechsels beschäftigt. 

Unsere experimentellen Feststellungen entkräften die 
wichtigsten Einwendungen, welche gegen eine intermediäre 
Uricolyse gemacht wurden. Sie bringen neues Material bei, welches 

l ) Schittenhelm, Zeitschr. f. physiol. Chem. 63, 248. 1909. 

*) W. Jones und Austrian, Zeitschr. f. physiol. Chem. 48, 110. 1906. 

3 ) Tannhauser, Therap. Halbmonatsh. 1921, H. 23, S. 718. 


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46 


A. Schittenhelm und K. Harpuder: 


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für deren Bestehen zu sprechen scheint. Es muß also das Vorhanden¬ 
sein einer Uricolyse nach wir vor bei den Betrachtungen der physiolo¬ 
gischen und pathologischen Vorgänge des NucleinstoffWechsels berück¬ 
sichtigt werden. Wenn von seiten Schittenhelms seit Jahren nicht 
mehr in die Diskussion über die Gicht eingegriffen wurde, so lag es 
neben der Abhaltung durch die vierjährige Feldtätigkeit daran, daß 
nichts Neues über die Frage der Uiicolvse beigebracht worden war. 

Heute liegen zwei neue Theorien über die Gicht vor. Tannhauser 
meint, daß die von Brugsch und Schittenhelm angenommene 
Fermentstörung des Purinstoffwechsels bei der Gicht abzulehnen sei. 
Er stützt sich dabei auf die oben diskutierten Einwände, deren Hin¬ 
fälligkeit erwiesen sein dürfte. Es soll damit heute nicht nochmals 
eine Betonung der Theorie von Brugsch und Schittenhelm in den 
Mittelpunkt der Erörterungen gestellt werden. Es sind neue Tatsachen 
bekannt geworden, welche vielleicht nach anderer Richtung klärend 
wirken. 

Tannhauser hebt die bekannte Feststellung der hohen Harn¬ 
säurekonzentrationen im Blut und verhältnismäßig niederen Konzentra¬ 
tionen der Harnsäure im Uiin hervor und ist der Ansicht, daß diese Er¬ 
kenntnis notwendig dazu führt, demjenigen Organ eine ätiologische 
Bedeutung für die Gicht beizumessen, das diesen von der Norm abwei¬ 
chenden Konzentrationsunterschied nicht auszugleichen vermag. Er 
deutet daher die Pathogenese der Gicht in erster Linie als eine renale 
Insuffizienz für die Harnsäureausscheidung, wobei die Frage 
offen bleibt, ob die primäre Störung in der Nierenzelle selbst oder in 
den der Nierenzelle übergeordneten nervösen Organen zu suchen ist. 

Daß der Niere eine wichtige Rolle für die Hamsäureausscheidung 
zukommt, ist sicher. Auch Brugsch und Schittenhelm haben 
eine Nierengicht angenommen, wie sie schon von Ebstein auf¬ 
gestellt war. Die Bleigicht gehört wohl gleichfalls in diese Kategorie. 
Es fragt sich nur, ob ganz generell eine Nierenstörung speziell der Harn¬ 
säure gegenüber angenommen werden kann, auch dann, wenn bei dem 
betreffenden Kranken jahrzehntelang mit unseren üblichen funktio¬ 
neilen Methoden nichts von irgendeiner Nierenerkrankung nachzuweisen 
ist. Wir erinnern nur an die Fälle, welche in jugendlichem Alter bereits 
Gichtattacken haben, die sich mit mehr oder weniger langen Intervallen 
jahrzehntelang bei intakter Niere wiederholen können. Die Hyper- 
bilirubinämie, die Hypercholesterinämie und andere Anhäufungen von 
Stoffwechselprodukten im Blut setzen keineswegs eine Erkrankung der 
Niere voraus. Überall werden intermediäre Vorgänge als Erklärung 
angenommen oder mindestens physikalisch-chemische Veränderungen, sei 
es im Blut, sei es in den Geweben. Darum wird von Tannhauser auch 
bei der Gicht mit seiner Theorie nicht das letzte Wort gesprochen sein. 



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Gibt es beim Menschen eine Harnsäurezerstörung V 


47 


Gudzent 1 ) lehnt sowohl die Theorie von Brugsch und Schitten- 
helm wie die von Tannhauser ab. Er faßt die Gicht als Ausdruck 
einer spezifischen Gewebserkrankung auf, die zum Festhalten von 
Mononatriumurat im Gewebe, zur Uratohistechie führt. Ob hierbei 
die Gewebszellen als solche oder die Capillaren Träger der Erkrankung 
sind, bedarf nach seiner Ansicht weiterer Prüfung. Tannhauser hat 
bereits die Schwäche dieser Theorie hervorgehoben, indem er bestreitet, 
daß es Kranke mit einwandfreier Gicht gäbe, welche keine Hyperurikämie 
haben. Die endogene Hyperurikämie beim Gichtkranken ist zuerst 
von Brugsch und Schittenhelm und gleichzeitig und unabhängig 
von ihnen von Bloch festgestellt worden. Wir betonen diese Tatsache, 
weil Gudzent in seinen Veröffentlichungen es so hinzustellen versucht, 
als ob die Untersuchungen von Brugsch und Schittenhelm nur eine 
Bestätigung Bloch scher Befunde gewesen wäre. Wir stellen uns auf den 
Tannhauser sehen Standpunkt. Die Methodik der quantitativen 
Hamsäurebestimmung im Blut ist an sich schon eine mangelhafte, 
weil sie mit großen methodischen und rechnerischen Fehlern behaftet 
ist. Die schlechteste Methode ist zweifellos die von Gudzent benutzte 
und daher sind die von ihm angeführten Werte keineswegs als exakter 
Beweis anzusehen. Die weitere Beweisführung von Gudzent für seine 
Theorie rechnet mit der Ablehnung der Uricolyse. Die Stützen dieser 
Ablehnung sind durch unsere Untersuchungen sehr schwankend ge¬ 
worden und können nicht mehr genügen. 

Gudzent nimmt eine Abwanderung der Harnsäure in die 
Gewebe an, die zweifellos besteht. Die ins Blut injizierte Harnsäure 
verschwindet nach allen vorliegenden Versuchen sehr rasch aus dem Blut. 
Auch unsere mit massigen Harnsäureinjektionen lange Zeit durch¬ 
geführten Versuche beweisen diese Tatsache wiederum. Sie ist nichts 
Neues. Dagegen bringen unsere Untersuchungen Beweise dafür, daß 
gewisse Organe bevorzugt sind. Dazu gehört in erster Linie die 
Leber,* welche die Harnsäure aufzusammein scheint. In Berücksichti¬ 
gung der großen, nicht mehr zum Vorschein kommenden Hamsäure- 
menge ist man versucht, hierin einen zweckmäßigen Vorgang zu sehen, 
indem vielleicht die Leber das Organ für den weiteren Abbau der Harn¬ 
säure darstellt. Von den anderen Organen sind es die Knochen und 
Knorpel und die Haut, welche Harnsäure aufzustapeln scheinen. 

Es ist interessant, daß es gerade die Organe sind, welche bei der 
Gicht eine besondere Rolle spielen. Trotz des stark erhöhten 
Gehalts an Harnsäure kam es bei den Kranken aber nicht 
zum Gichtanfall. Es mag sein, daß der Zustand der Kranken eine 
Reaktion, wie sie im Gichtanfall zustande kommt, nicht 
zuließ. Andererseits kann aber auch ebensogut angenommen werden 

1 ) Gudzent, Berl. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 48. 


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48 A. Schittenhelm und K. llarpuder: 

und das scheint uns das Wahrscheinlichere — daß die pathologischen 
Bedingungen für die Auslösung eines Gichtanfalls fehlten. Bei Leuk¬ 
ämien und anderen chronischen Hyperurikämien bestehen ähnliche Ver¬ 
hältnisse. Beim Nierenkranken kommt es zu einer starken Hyperurik¬ 
ämie, ohne daß regelmäßig gichtische Ablagerungen die Folge sind. 
Fs genügt nicht der Nachweis, daß vermehrte Harnsäure im Gewebe 
sich findet, sie muß vielmehr darin in einer besonderen Form sein, 
so daß sie ausfällt und die ausgefallene Harnsäure muß so deponiert 
werden, daß sie Erscheinungen macht. 

Nimmt man mit Gudzent beim Gichtkranken eine Uratohistechie 
ganz allgemein als die Ursache an und stützt man diese Annahme damit, 
daß Harnsäure aus dem Blut nachweisbar abwandert und nicht aus¬ 
geschieden wird, so müßte, wenn man von einer Uricolyse absieht, 
ein Gichtkranker im Laufe der Zeit sehr große Mengen von Harnsäure 
in seinen Geweben aufstapeln. Dafür ist keinerlei Bew eis vorhanden. 
Wohl findet man kleine Tophi an den Ohren, auch zuweilen größere 
Tophi an den Extremitäten in mannigfacher Anordnung; würde man 
aber die darin enthaltene Harnsäure gewichtsanalytisch bestimmen, 
so käme nur eine relativ geringe Quantität heraus. Dasselbe gilt für 
die Hamsäurebeläge der Gelenke. Die typischen Gichtgelenke zeigen 
einen zarten, dünnen Belag, der, wenn er quantitativ analysiert wird, 
nur eine kleine Menge Harnsäure ergibt. Die Analysen von Gichtiker- 
organen, wie sie allerdings in ziemlich roher Form von Schittenhelm 
und Wiener 1 ) durchgeführt wurden, konnten keine Anreicherung 
mit Harnsäure in bemerkenswerterem Umfang erweisen. 

Auf Anregung von Brugsch hat Rosenberg 2 ) den Puringehalt 
der Leber des Hundes unter verschiedenen Bedingungen, speziell auch 
bei der Verabreichung von Atophan und Adrenalin untersucht und 
gezeigt, daß diese Pharmaca den Gehalt an ausschwemmbaren Purinen 
verringern und also die Ausschwemmung vergrößern. In einer weiteren 
Mitteilung hat Michaelis 3 ) den Einfluß des Claude Bernardschen 
Zuckerstichs an Kaninchen auf die Harnsäure- und Allantoinausschei- 
dung geprüft und gefunden, daß es zu einer vorübergehenden, eminent 
hohen Allantoinausscheidung und einer Änderung in der Gesamt- 
stickstoffausscheidung kommt. Brugsch und seine Schüler haben da¬ 
her übergeordneten nervösen Zentren eine große Rolle zu¬ 
geschrieben. Dresel und Ullmann 4 ) zeigten, daß die vermehrte 
Ausscheidung von Allantoin beim Kaninchen nach Coffeinverabreichung 
nicht mehr beobachtet werden konnte, wenn der Splanchnicus beider- 

*) Schittenhelm und Wiener, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 1914, S. 297. 

*) Rosenberg, Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. 14, 245. 1913. 

:i ) Michaelis, ebenda S. 254. 

4 ) Dresel und Ullmann, Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. £4, 214. 1921. 



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Gibt es beim Menschen eine Harnsäurezerstörung V 


49 


seit8 kurz nach dem Durchtritt durch das Zwerchfell durchtrennt wurde. 
Das von Brugsch angenommene hypothetische Harnsäure¬ 
zentrum hat damit experimentelle Stützen gewonnen. 
Man muß zweifellos mit nervösen Beeinflussungen des Hamsäurestoff- 
wechsels rechnen. In welcher Weise diese auf die Organe wirken und 
ob sie bei der Gicht eine ätiologische Rolle spielen, bedarf entschieden 
noch weiterer Klärung. 

Für eine nervöse Beeinflussung des Purinstoffwechsels sprechen auch 
die Beobachtungen von Falta und Novaczynski 1 ), daß der endogene 
Hamsäurewert im Urin bei Akromegialie nach purinfreier Ernährung 
auffallend hoch ist und nahezu das Doppelte des Normalen oder noch 
höher sein kann. Die von uns in der ersten Mitteilung angeführten Be¬ 
obachtungen bei einer Akromegalie sprechen in demselben Sinne. Dabei 
war der endogene Hamsäurewert des Blutes in unserem Falle nicht 
erhöht. Er betrug 1,6 mg Harnsäure in 100 ccm Serum vor der Injektion, 
2 Tage nach der Injektion von 0,5 g Harnsäure war er etwas höher 
und stellte sich auf 2,86 mg Harnsäure in 100 ccm Serum bei gleichzei¬ 
tiger überschießender Harnsäureausscheidung. Es muß in diesem Fall 
ein vermehrter Purinumsatz Vorgelegen haben, denn Atophan- 
verabreichung bewirkte nur eine geringe Mehrausscheidung an Harnsäure. 
Wir kommen auf diese Fragen in einer späteren Mitteilung noch zurück. 

Wir verzichten darauf, heute weiter auf die Theorie der Gicht ein¬ 
zugehen. Wir halten es für notwendig, daß wichtige Fragen erst intensiven- 
geklärt werden. 

Falta und Novaczynski, Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 38, S. 1781. 


Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 


4 


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Harnsäureumsatz und Harnsäureausfuhr bei Akromegalie. 

Von 

A. Schittenhelm und K. Harpuder. 

(Aus der Medizinischen Klinik Kiel.) 

(Eingegangen am 5. Februar 1922.) 

V on Falta und Novaczynski 1 ) wurde die Hamsäureausscheidung 
bei Erkrankungen der Hypophyse untersucht. Sie stellten ein gegen¬ 
sätzliches Verhalten des endogenen Harnsäurefaktors zwischen den 
Fällen mit Funktionssteigerung der Hypophyse und denen mit Funk¬ 
tionsverminderung fest. Während bei der Dystrophia adiposo-genitalis 
der endogene Wert in normalen Grenzen oder eher etwas zu tief liegt, 
ist die Steigerung der endogenen Hamsäureausscheidung bei Akromegalie 
eine geradezu enorme. Falta und Novaczynski weisen darauf hin, daß 
so hohe Werte bisher fast nur in Krankheiten gefunden wurden, bei 
denen massenhaft lymphatisches Gewebe zugrunde geht ; ein Vorgang, 
für den bei der Akromegalie keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Auf 
Zufuhr von nucleinsaurem Natrium tritt eine prompte Steigerung der 
Harnsäureausscheidung ein, während sie bei der Dystrophia adiposo- 
genitalis unter denselben Bedingungen nur wenig gesteigert zu sein 
scheint. Sie finden also eine bedeutende Beeinflussung des Purin¬ 
umsatzes im Körper bei Hypophysenerkrankungen. 

Wir haben gleichfalls den Harnsäurestoffwechsel bei Akromegalien 
untersucht. Die Kranken wurden einige Tage vor Beginn der Ver¬ 
suche auf möglichst konstante fleischfreie und purinarme Kost einge¬ 
stellt. Die Bestimmungen geschahen nach den in den vorstehenden 
Arbeiten angegebenen Methoden. 

Aus den Versuchen geht hervor, daß bei beiden Akromegalien der 
endogene Hamsäurewert im Urin ungefähr gleich hoch ist und sich 
im Mittel zwischen 0,5 und 0,6 g bewegt. Nimmt man 0,3—0,4 g als 
den normalen endogenen Hamsäurewert», so ergibt sich also eine 
Erhöhung mäßigen Grades. 

J ) FaUa und Novaczynski , Berl. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 38, S. 1781. 


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A. Schitteuhelm u. K. Harpuder: Harnsäureumsatz und Harnsäureausfuhr usw. 51 


Versuch 1 . T., 37 Jahre. Akromegalie und cirrhotische Lungentuberkulose. 


Tag 

1921 

Menge 

| Spez. 

| Gewicht 

N in g 

U in g 


3. VIII./1. IX. 

I 1300 

1013 

7,79 

0,502 


1./2. IX. 

1800 

1019 

15,73 

0,324 

• 

2./3. IX. 

1 900 

1125 

7,63 

0,503 


3-/4. IX. 

| 1000 

1021 

8,34 

0,656 

Am 3. IX. 3 a tgl. 1 g Atoph. 

4./5. IX. 

900 

1022 

8,85 

0,675 

Am 4. IX. 3 x tgl. 1 gAtoph. 

5./6. IX. 

1250 

1012 

8,44 

0,495 


6./7. IX. 

1500 

1013 

8,57 

0,378 


7./8. IX. 

800 

1025 

8,80 

0,600 


8./9. IX. 

900 

1022 

9,02 

0,599 


9./10. IX. 

1100 

1016 

7,61 

0,536 


10-/11- IX. 

1400 

1012 

9,21 

0,536 


11./12. IX. 

940 

1019 

9,10 

0,036 

Am 11. IX. Hamsäureinjek- 






tion (0,5 g Ü in 20 ccm 
Aqu. redest, u. 30 ccm 
7j 0 n-NaOH) intravenös. 

12./13. IX. 

650 

1027 

7,41 

0,020 


13./14. IX. 

800 

1023 

8,65 

0,054 


14./15. IX. 

900 

1016 

8,12 

0,540 


15./16. IX. 

750 

1022 

9,09 

0,712 


16./17. IX. 

850 

1020 

7,97 

0,542 


17./18. IX. 

1150 

1017 

8,95 

0,638 


18./19. IX. 

1350 

1017 

8,85 

0,557 


19./20. IX. 

1150 

1011 

5,83 

0,416 


20./21. IX. 1 

1150 

1016 | 

8,37 

0,629 | 


21./22. IX. j 

1400 

1013 | 

! 9,76 

0,608 

Am 21. IX. 3 X tgl. lg Atoph. 

22./23. IX. 1 

: 1850 

1007 , 

5,70 

0,361 

Am 22. IX. 3 x tgl. 1 g Atoph. 

23./24. IX. ' 

1150 

1017 

8,76 

0,457 


24./2Ö. IX. I 

700 

1029 1 

1 6,62 

0,591 


25./2Ö. IX. 

1700 

1014 1 

1 8,47 

0,204 


2Ö./27. IX. ! 

; 2350 

1011 

! 15,65 

0,397 , 


27./2S. IX. i 

1500 

1014 

8,94 

0,878 

Am 27. IX. 1,6 mg U in 100 


! i 

1 

I 

i 

Serum. Injektion von 0,5 V 
| intravenös. 

I 

2S./29. IX. 

2400 

i 1008 

10,27 

0,756 

Am 29. IX. 3,86 mg U in 





100 Serum. 

29./30. IX. 

1050 

1017 

! 9,82 

0,811 


.30.1X./1. X. 

| 600 

1025 

7,60 

0,027 


1./2. X. 

1 450 

1027 

6,44 

0,000 


2./3. X. 

1 250 

1028 

3,68 

0,020 


3./4. X. 

| 400 

1030 

5,68 

0,035 


4./5. X. 

1 400 

1030 

5,96 

0,102 


5./6. X. 

I 450 

1028 i 

i 6,82 

0,574 


6./7. X. 

; 6oo 

1016 

5,56 

0,455 

Am 6. X. 3 X tgl. 1 gAtoph. 

7-/8. X. 

1050 

1018 

5,44 

0,304 

Am 7. X. 3 y tgl. 1 gAtoph. 

8./9. X. 

i 700 

1014 

4,53 

| 0,368? 


9./10. X. 

1150 

1014 

6,44 

1 0,595 


10./11. X. 

1 1450 

1012 

7,67 

j 0,576 


U./12. X. 

1350 

1011 ' 

5,93 

0.577 i 



4* 


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52 


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A. Schittenhelin und K. I larpuder: 


Versuch 1 (Fortsetzung). 


Tag 

1021 


jj Menge 

i, 


Spez. 

Gew. 


m g 


U in g 


12-/13- X. 
13./I4. X. 


1200 | 1013 
1350 j 1011 


6,52 | 0,432 

6,43 ] 0,544 Ain 13. X. 0,3 g G^uanin intra- 
i , venös (in 25 ccm 1 / 5 n-HCl 

j | u. 20 ccm Vion-NsOH. 


14./15. X 

! iooo j 

1017 j 

7,14 j 

•,653 

15./16. X. 

550 

1012 

6.45 

0,506 

16./17. X. 

1400 ; 

1012 

8,34 I 

0,551 

17-/18. X. 

1 1500 | 

1012 

7,56 

0,506 

18./19. X. 

1500 

1012 

7,19 

0,551 

19./20. X. 

2100 

1007 

6,53 

0,583 

20./21. X. 

1200 1 

1012 j 

6,76 

0,594 

21./22. X. 

1450 

1013 1 

7,51 

0,555 

22./23. X. 

| 1600 

1009 | 

i 6,62 

0,552 

23./24. X. 

800 

1020 1 

1 6,29 

0,588 

Versuch 2. G., £8 Jahre. 

Akromegalie und chronische Arthritis. 

Tag 

1h2*2 

1! 

jj Menge 

Spez. 

Gew. 

i N in g 

!_;_, 

Ü In g 


4./5. I. 

1 1645 

1014 

1 13,08 

i 0,555 

5./6. I. 

1210 1 

1015 

! 10,77 

0,526 ( 

6-/7. I. 

1665 

101Ö 

10,21 

' 0,533 

7-/8. I. 

1500 ! 

1016 

11,55 

0,698 : 

8./9. I. 

1250 

1015 

10,57 

0,577 

9./10. I. 

1515 

1013 

11,20 

0,561 

10./11. I. 

1550 

1 1012 

11,46 

0,413 

11./12. I. 

1575 

1011 

10,81 

, 0,455 

12-/13. I. 

! 1110 

1016 

11,34 

! 0,708 

Am 12. I. 0,5 g Harnsäure 

, 




intravenös wie in Vers. 1. 

13-/14. I. 

1550 

1010 

12,28 

0,488 

14-/15. 1. 

1 950 

1023 

11,33 

i 0,527 


In beiden Versuchen ist der endogene Wert der Blutharnsäure normal 
und hält sich zwischen 1,6 und 2,9 mg Harnsäure in 100 ccm Serum. 

Die intravenöse Verabreichung von 0,5 g Harnsäure hat im zweiten 
Versuch eine akute eintägige Erhöhung der Hamsäureausfuhr veranlaßt, 
welche ungefähr 33,6% der injizierten Hamsäuremenge beträgt. Es 
ist also nur ein Teil der verabreichten Harnsäure im Urin wieder 
erschienen. 

Im ersten Versuch wurde zweimal bei längerem Intervall und da¬ 
zwischengeschobener Atophandarreichung je 0,5 g Harnsäure intra¬ 
venös injiziert. Die Wirkung der beiden Injektionen war eine ganz 
verschiedene. Bei der ersten Harnsäureinjektion am 11. IX. 1921 
kommt es zunächst zu einer Hamsäuresperre; die Urin werte sinken 
von 0,55 im Mittel herab auf 0,036 und 0,020 . Erst am 4. Tage erhebt 



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UNIVERSITY 0F MINNESOTA 



Harn säure Umsatz und Harnsäureausfuhr bei Akromegalie. 


53 


sich die Harnsäureausscheidung wieder auf den Normalwert, um am 
5. Tage diesen vorübergehend und wenig zu überschreiten und dann 
wieder auf das normale Niveau abzusinken. Eine einfache Hamsäure- 
retention lag offenbar nicht vor, da Atophan nicht imstande war, 
größere Mengen herauszuholen. 

Bei der zweiten Hamsäureinjektion am 27. IX. 1921 erhebt sich 
die Harnsäureausscheidung sehr beträchtlich und hält sich 3 Tage 
lang auf außerordentlich hohen Werten. Darauf folgt eine längere Periode 
excessiv niederer Werte. Auch hier scheint es sich aber nicht um eine 
einfache Hamsäureretention gehandelt zu haben, da Atophandarreichung 
am 6. und 7. X. keine erhöhte Ausfuhr von Harnsäure veranlaßt^. 
Die zweite Hamsäureinjektion hat vielmehr sichtlich eine vorüber¬ 
gehend vermehrte Bildung von Harnsäure veranlaßt, so daß nachher 
eine Einschränkung des Purinstoff Wechsels vollzogen wurde. 

Eine intravenöse Verabreichung von 0,3 g Guanin führte zu einer 
leichten Steigerung der Hamsäureausfuhr am 2. Tage, ohne daß jedoch 
die gesamte injizierte Purinkörpermenge als Harnsäure zum Vor¬ 
schein gekommen wäre. Die gefundene Menge entsprach etwa 40% 
des injizierten Purinkörpers. Es sind also auch diese Versuche ein Be¬ 
weis dafür, daß große individuelle Schwankungen bei intravenöser 
Verabreichung von Harnsäure und Purinbasen bestehen und daß ferner 
durch diese — wie die Hamsäureinjektionen im ersten Versuch be¬ 
weisen — eigenartige intermediäre Vorgänge ausgelöst werden, die 
allem Anschein nach nicht rein physikalischer Natur sind, sondern 
den Purinstoff Wechsel selbst vorübergehend abändem. 


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Gck igle 


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Die Brauchbarkeit der kolorimetrischen Methoden zur Bestim¬ 
mung vom Harnsäuregehalt des Blutes. 

Von 

K. Harpuder und R. Mond. 

(Aus der Medizinischen Klinik in Kiel [Direktor: Prof. Dr. A. Se h i 11 e n h e 1 in ].) 

(Eingegangen am 16. Januar 1922.) 

Seit Folin und Denis eine quantitative, colorimetrische Bestim¬ 
mung der Harnsäure im Blut angegeben haben, arbeiten die meisten 
Untersucher nach dieser Methode oder nach Modifikationen derselben. 
Da die Resultate zum Teil zu weitgehenden Schlüssen auf den Ablauf 
des Purinstoffwechsels unter normalen und pathologischen Verhält¬ 
nissen benutzt wurden, erschien es uns nützlich, die augenblicklich ge¬ 
bräuchlichsten, colorimetrischen Harnsäurebestimmungsmethoden auf 
ihre Genauigkeit zu prüfen. 

Nach den ursprünglichen Angaben von Folin und Denis 1 ) werden 
15—20 ccm Blut, das mit Kaliumoxydat versetzt war, mit Wasser ver¬ 
dünnt, mit Essigsäure in der Hitze koaguliert und das Koagulum 
nochmals mit Wasser ausgekocht. Die gesammelten Filtrate werden 
bei essigsaurer Reaktion auf 3 ccm eingeengt und mit 0,1 proz. Lithium¬ 
carbonat in ein kleines Zentrifugenglas gespült. Man fällt die Harnsäure 
mit ammoniakalischer Silbermagnesiamischung, schleudert aus und 
zersetzt mit Schwefelwasserstoff, der durch Kochen und Durchblasen 
von Luft wieder sorgfältig entfernt wird. Das entstandene Schwefel- 
metall wird ausgeschleudert, die oben stehende klare Flüssigkeit ab¬ 
gegossen, mit Soda alkalisch gemacht und mit Phosphorwolframsäure¬ 
lösung gemischt. Die Phosphorwolframsäure färbt sich mit Harnsäure 
in alkalischer Lösung blau; die Ablesung erfolgt gegen eine mit Phos¬ 
phorwolframsäure und Soda versetzte Standardhamsäurelösung. Nach 
den Angaben von Folin und Maoall um 2 ) ist die Farbreaktion der 
Harnsäure mit Phosphorwolframsäure nicht streng spezifisch, sondern 
wird auch hervorgerufen durch Schwefelwasserstoff, Phenole (Thyrosin, 
Gerbsäure, Thymol, Orcein, Resorcin, Phloroglucin) und einige Eiwei߬ 
körper. 

*) Folin und Denis, Journ. of. biol. chem. 13. -1912. 

2 ) Folin und Macall um, Journ. of biol. ohom. II. 1912. 


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Original fro-m 

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K. Harpuder u. R.Mond : Methoden zur Bestimmung vom Harnsäuregehalt usw. f>5 

Die Abänderungen, die für die Methode von Folin und Denis 
seither angegeben wurden, gehen teils darauf hinaus, die Enteiweißung 
des Blutes gegenüber der Hitzefällung mit Essigsäure zu vervollkomm« 
nen, teils den Silberniederschlag und seine Zersetzung zu vermeiden. 

Eine Reihe von Autoren versuchten andere Fällungsmittel: Uranyl- 
acetat (Neubauer, Bass, Ozeacki), Trichloressigsäure (Grigaut). 
Höst 1 ) kombiniert die Essigsäurefüllung mit Formaldehyd, nachdem 
Schittenhelm (1912) darauf hingewiesen hatte, daß Formaldehyd 
die Harnsäure durch Bildung von Formaldehyddihamsäure in Lösung 
erhält und andererseits den Eiweißniederschlag vervollkommnet. 
Steinitz arbeitet mit wiederholter Koagulation durch Essigsäure in 
der Siedehitze unter Beifügung von Talkum. 

Der Ersatz des Silbermagnesianiederschlages wurde von Cohen- 
Tervaert 2 ) durch Fällung der Harnsäure mit Chlorammon versucht; 
seine Resultate sind aber nicht sehr befriedigend, da er von zugesetzter 
Harnsäure im Pferdeblut 80—100%, im Rinderblut nur 45—50% 
wiederfindet. 

Endlich glaubte man (Maasse und Zondek, Bass - Neubauer, 
Grigaut 8 ) von einer Fällung der Harnsäure im Filtrat des Eiweiß- 
koagulums überhaupt absehen und in ihm direkt die Harnsäure colori- 
metrisch bestimmen zu können. 

Wir haben uns beschränkt, nur wenige der sehr vielfachen Modifi¬ 
kationen des ursprünglichen Folin - Denisschen Verfahrens zu unter¬ 
suchen, die uns etwas Neues zu bieten schienen. 

Die erste von uns nachgeprüfte Methode ist die von Steinitz 4 ) 
angegebene. 

Zur Untersuchung werden etwa 10 ccm mit Kaliumoxalat aufgefangenen 
Blutes oder Serum verwandt, die genaue Menge durch Wägung festgestellt. Blut 
wird am besten durch die doppelte Menge destillierten Wassers hämolysiert. Die 
Enteiweißung erfolgt durch Einträgen in 50 ccm kochenden, destillierten Wassers 
und Zutropfen von 2 fach normal Essigsäure bis zu schwach lackmussaurer Reaktion 
(etwa 5 Tropfen) unter andauerndem Umrühren. Einmaliges Auf kochen, Stehen- 
lassen, Abgießen der überstehenden Flüssigkeit durch ein Faltenfilter. Das fein¬ 
koagulierte Eiweiß wird nochmals mit 50 ccm kochendem Wassers übergossen, 
einige Minuten stehen gelassen, dann auf das Faltenfilter gebracht und reichlich 
nachgewaschen. Das Filtrat ist farblos oder leicht gelblich und etwas opalescierend. 
Es wird nun in einem Jenenser-Becherglas nach Zufügen einer Spur Talkum er¬ 
hitzt, bei eben beginnendem Sieden etwa ein gestrichener Kinderlöffel Talkum 
zugefügt und unter Umrühren einmal kräftig aufgekocht. Nun wird wiederum 
filtriert und sehr reichlich mit heißem Wasser nachgewaschen, die erste Portion, 
die durch mitgehendes Talkum noch getrübt ist, noch einmal zurückgegossen. 

*) Höst, Zeitschr. f. physikal. Chem. 45, 88. 1917. 

2 ) Cohen-Tevaert,Arch. nöerl. physiol. t, 337.1919, zit. nach Zentrbl. f. Phvs. 

3 ) Grigaut, Cpt. rend. des s6anc. de la soc. de biol. 83. 28. 1921. 

4 ) Steinitz, Zeitschr. f. physikal. Chem. 48, 108. 1914. 


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Original fro-m 

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f)(> K. Harpuder und R. Mond : Die Brauchbarkeit der kolorimetrischen 

Dieses Filtrat ist stets wasserklar und ergibt auch nach Eindampfen auf wenige 
Kubikzentimeter negative Biuretreaktion. Dieses gute Resultat erzielt man, auch 
wenn die erste Enteiweißung infolge von Gerinnselbildung oder aus anderer Ursache 
schlecht gelungen war. Ist das erste Filtrat sehr trübe oder stark gefärbt, so nehme 
man mehr Talkum. Einengung: In einer etwa 200 ccm fassenden, annähernd 
halbkugeligen Porzellanschale wird nach Zusatz von 3 ccm 50proz. Essigsäure 
über offener Flamme auf 1—2 ccm eingedampft. Randbildung in der Schale ist 
durch Umrühren mit einem Glasstabe und Verkleinerung der Flamme gegen 
Schluß des Eindampfens zu vermeiden, dagegen darf die Flüssigkeit kräftig sieden. 
Die eingedampfte Flüssigkeit wird in ein Zentrifugenröhrchen gebracht und mit 
insgesamt 15 Tropfen einer 0,4proz. Lithiumcarbonat lösung in mehreren Portionen 
nachgewaschen. Isolierung der Harnsäure: Zur Flüssigkeit in dem Zentrifugen¬ 
röhrchen fügt man 5 Tropfen 3proz. Silberlaktatlösung, 2 Tropfen Magnesia¬ 
mischung und konzentriertes Ammoniak tropfenweise, bis sich das ausfallende 
Silberchlorid ganz oder fast ganz wieder löst (8—15 Tropfen). Stehenlassen bis 
zum anderen Tage, kräftiges Zentrifugieren, Abgießen, Nachwaschen des Sediments 
mit destilliertem Wasser. Zum Sediment 5 Tropfen frisch gesättigten Schwefel¬ 
wasserstoffwassers, 1 Tropfen konzentrierter Salzsäure und 1 ccm destillierten 
Wassers. Nun kommt das Röhrchen für 10—15 Minuten in ein kräftig siedendes 
Wasserbad. Beim Herausnehmen darf das noch heiße Röhrchen nicht den gering¬ 
sten Geruch nach Schwefelwasserstoff zeigen. Ist die überstehende Flüssigkeit, 
was selten vorkommt, bräunlich gefärbt, so fügt man, während sie noch heiß ist, 
5—10 Tropfen einer frischen lOproz. Natriumacetatlösung zu. Nun wird von dem 
ausgefallenen Schwefclmetall abzentrifugiert, in ein Kölbchen abgegossen, das 
Sediment sorgfältig nachgewaschen, und die gesamte abgegossene Flüssigkeit, 
die etwa 6 ccm betragen soll, zur Färbung verwandt. 

Die Technik der Colorimetrie ist in der Arbeit von Steinitz genau 
beschrieben. 

Nach diesen Angaben führten wir in je 10 ccm desselben Blutes 
zwei Bestimmungen ohne und zwei mit Zusatz von Harnsäure zum 
Blut aus 1 ). Es ergaben: 


1. 

10 

ccm 

Blut 





3,6 mg % 2,7 mg % 


10 

ccm 

>> 

+ 

0,5 

mg 

Harnsäure 5,2 mg % 3,8 mg % 

2. 

10 

ccm 

>> 





1,7 mg % 1,2 mg % 


10 

ccm 

99 

+ 

0,5 

mg 

99 

5,1 mg % 4,9 mg % 

3. 

10 

ccm 

99 





1,8 mg % 1,8 mg % 


10 

ccm 


+ 

0,5 

mg 

99 

4,5 mg % 5,0 mg % 

4. 

10 

ccm 

99 





1,3 mg % 1,3 mg % 


10 

ccm 

J> 

+ 

0,5 

mg 

99 

3,5 mg % 3,4 mg % 

5. 

10 

ccm 

>9 





5,5 mg % 4,0 mg % 


10 

ccm 


+ 

0,5 

mg 

99 

7,0 mg % 8,1 mg % 

6. 

10 

ccm 






4,5 mg % 2,8 mg % 


10 

ccm 

*9 

+ 

0,5 

mg 

99 

8,2 mg % 3,5 mg % 


Die Werte für die wiedergefundene Harnsäure schwanken zwischen 
22% und 82% und betragen im Mittel 50%. Die Fehler sind also 
recht erheblich und durchaus nicht konstant. 


*) Zu diesem Zweck wurde eine wässrige Lösung von harnsaurem -Kalium 
stets frisch bereitet, der 50 mg. Harnsäure in 100 ccm entsprach. 



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Methoden zur Bestimmung vom Harnsäuregehalt des Blutes. 57 

Eine wesentliche Vereinfachung des Fol in - Denis sehen Verfah¬ 
rens versuchten Maasse und Zondek 1 ). 

„Man entnimmt dem Pat., am besten nüchtern, 6—7 ccm Blut durch Punktion 
aus der Vena cubitalis und fängt dasselbe in einem mit etwas Fuomatrium be¬ 
schickten Erlenmeyerkölbchen auf. Darauf überführt man 5 ccm, die mittelst 
Pipette genau abgemessen werden, in 25 ccm n/100 Essigsäure und läßt unter 
Umrühren bis zur vollständigen Koagulation tüchtig aufkochen. Hiernach wird 
heiß in ein kleines Porzellanschälchen filtriert. Das Filtrat ist meistens völlig klar 
und fast wasserhell, jedoch schadet auch ein leicht gelblicher Farbenton nichts. 
Der Filterrückstand und Schale werden sodann mit ca. 60—70 ccm kochendem 
Wassers, dem zur Vermeidung kolloidaler Lösungen ca. 1 / 2 g Natriumacetat hinzu¬ 
gefügt ist, ordentlich nachgewaschen. Man erhält auf diese Weise ca. 100 ccm 
Filtrat. Dieses wird mit 2,5 com 5proz. Essigsäure angesäuert und auf dem Wasser¬ 
bad bis auf 5 ccm eingeengt. Dabei fällt im allgemeinen aus der Lösung nichts 
aus. Sollte sich aber trotzdem ein Niederschlag gebildet haben, so tut das nichts. 
Nach Neutralisation durch tropfenweises Zuset zen gesättigter Natriumcarbonat- 
lösung wird der Inhalt der Schale quantitativ in ein Meßkölbchen von 25 ccm 
überführt, und die Schale mit kaltem Wasser nachgewaschen. Nun werden 2,5 ccm 
gesättigter Natriumcarbonatlösung und 1 ccm Phosphorwolframsäurereagens hin¬ 
zugetan und die Gesamtflüssigkeit auf 25 ccm mit destilliertem Wasser aufgefüllt. 
Dann muß die Flüssigkeit noch etwa 10 Minuten stehen, weil die aufgetretene 
durch Harnsäure bedingte Blaufärbung nachdunkelt und erst nach einiger Zeit 
ihre größte Intensität erlangt hat.“ 

Wir führen einige von uns mit dieser Methode erhaltene Versuehs- 
resultate an: 


1. 

5 

ccm 

Blut 




3,2 

mg 

% 

4,0 

mg 

o/ 

/o 


5 

ccm 


T 

0,27 

mg 

Harnsäure 8,0 

mg 

o/ 

/O 

7,7 

mg 

0/ 

/o 

2. 

5 

ccm 





4,0 

mg 

% 

5,2 

mg 

o/ 

/o 


5 

ccm 


-f 

0,27 

mg 

8,6 

mg 

% 

6,8 

mg 

% 

3. 

5 

ccm 





3,2 

mg 

0/ 
/o 

4,0 

mg 

o/ 

/o 


5 

ccm 

»> 

+ 

0,65 

mg 

„ 8,0 

mg 

% 

10,3 

mg 

% 

4. 

5 

ccm 

*♦ 




3,7 

mg 

% 

4,5 

mg 

o/ 

/(> 


5 

ccm 

,, 

+ 

0,4 

mg 

8,7 

mg 

o/ 

/o 

6,8 

mg 

O/ 

/<) 

5. 

5 

ccm 





5,7 

mg 

o/ 

/o 

5,5 

mg 

o/ 

/o 


5 

ccm 


+ 

0,4 

mg 

8,7 

mg 

o/ 

/o 

10,5 

mg 

0 / 
/o 


Die wiedergefundenen Harnsäuremengen schwanken 
zwischen 29% und 80% und betragen im Mittel nur 44,2%. 

Endlich prüften wir die Methode nach Neubauer und Bass 4 ): 

„3 ccm Serum werden mit genau dem doppelten Volumen 1 proz. Uranacetat¬ 
lösung in einem präzis geaichten Meßzylinder enteiweißt und nach gründlichem 
Durchschütteln durch ein trockenes Filter filtriert. Vom Filtrat werden 3 ccm 
mit einer Ostwald-Pipette abgemessen, hierzu 0,2 ccm Phosphorwolframsäure¬ 
lösung und ebenfalls mit einer Ostwald-Pipette 3 ccm gesättigte Natriumcarbonat¬ 
lösung gegeben. Gleichzeitig wird eine blaue Vergleichslösung hergestellt, indem 
man von einer Standardlösung von Harnsäure, die 1 mg in 1 ccm enthält, ent¬ 
sprechend den Vorschriften Folins 1 bezw. 2 ccm abmißt und in gleicher Weise *) •*) 

*) Maasse und Zondek, Münch, med. Wochenschr. 1915, S. 1110. 

•*) Zit. nach Bass und Herzberg, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 119. 1916. 


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58 K. Harpuder und R. Mond: Die Brauchharkeit der kolorimetrischen 

in einem 100 ccm Meßkolben mit den entsprechenden Mengen Phosphor wolfram¬ 
saure und 30 ccm Natriumcarbonatlösung zur Reaktion bringt. Der Vergleich 
geschieht mit völlig ausreichender Genauigkeit in einem Authenriethschen Kolori¬ 
meter.“ 

Folgendes sind einige unserer mit dieser Methode erhaltenen Re¬ 
sultate : 

1. 3 ccm Serum 4,0 mg % 3,4 mg % 

3 ccm - 0,12 mg Harnsäure 5,0 mg % 6,4 mg % 

2. 3 ccm „ 4,7 rag % 4,3 mg % 

3 ccm — 0,12 mg „ 6,8 mg % 6,0 mg % 

3. 3 ccm 3,3 mg % 3,0 mg % 3,0 mg % 

3 ccm „ + 0,12 mg H. 4,9 mg % 5,4 mg % 4,1 mg % 

Die wiedergefundene Harnsäure schwankt zwischen 25% 
und 50%, im Mittel beträgt sie 41%. 

Die von uns gewonnenen Resultate waren recht wenig erfreulich, 
da die Fehler bei der Bestimmung der Harnsäure nach allen drei Metho¬ 
den sehr erheblich und völlig unregelmäßig w r aren. 

Für die Erklärung der zutage getretenen Mängel scheinen uns fol¬ 
gende Faktoren in Betracht zu kommen. 

1. Das Eiweißkoagulum kann Harnsäure adsorbieren oder evtl, 
auch in chemischer Bindung enthalten [Schittenhelm 1 ), Richter- 
Quittner 2 ). 

2. Die Enteiweißung ist eine ungenügende und die in Lösung ver¬ 
bleibenden Eiweißkörper oder Eiweißabkömmlinge hemmen die Aus¬ 
fällung der Harnsäure. 

3. Die zur Anstellung der Phosphorwolframsäurereaktion verwendete, 
aus dem Blut gewonnene Flüssigkeit enthält Stoffe, welche selbst eine 
Blaufärbung mit Phosphorwolframsäure in alkalischer Lösung geben. 

4. Die Methode arbeitet mit derartig kleinen Blutmengen, daß 
geringe, bei der colorimetrischen Ablesung vielleicht nicht vermeidbare 
Differenzen mit der Umrechnung auf 100 ccm Blut schon erhebliche 
Fehler bedingen. 

Bei der nach Steinitz angegebenen Methode vermeidet der Silber¬ 
magnesianiederschlag den unter 3 genannten Fehler. Die verwendete, 
Blutmenge ist noch so groß, daß auch der rechnerische Fehler bei sorg¬ 
fältiger, colorimetrischer Ablesung sich auf ein erträgliches Maß beschränkt. 
Dagegen ist die Enteiweißung trotz des zweimaligen Koagulierens 
mit Essigsäure und unter Anwendung von Talkum keine vollständige, 
da wir mehrfach in den Filtraten mit Gerbsäure oder Phosphorwolfram¬ 
säure eine Trübung erhielten, also Eiweißabkömmlinge der Niederschla¬ 
gung entgangen sein mußten. Da die Silbermagnesiafällung der Harn¬ 
säure gegen Peptone sehr empfindlich ist und es sich hier um einige 

! ) Schittenhelm, Münch, med. Wochenschr. 1913, N. 44. 

2 ) Richter-Quittner Biochem. Zeitsehr. 95, 191. 1919. 


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Methoden zur Bestimmung vom llarnsäuregehalt des Blutes. 


59 


Zehntelmilligramm handelt, muß diese Fehlerquelle sehr ernstlich in 
Betracht gezogen werden. 

Um festzustellen, wo die fehlende Harnsäure bleibt, fügten wir so¬ 
wohl zum Blut als zum enteiweißten Filtrat Harnsäure hinzu. Als 
Beispiel werden folgende Versuchsergebnisse angeführt: 

1. 10 ccm Blut 1,7 mg % 1,4 mg % 

10 „ „ + 0,5 mg Harnsaure 4,5 mg % 4,0 mg % 

enteiweißtes Filtrat von 10 ccm Blut -f 0,5 mg Harnsäure 5,3 mg % 5,4 mg % 

2. 10 ccm Blut 1,7 rag % 1,8 mg % 

10 ,, „ + 0,5 mg Harnsäure 4,0 mg % 3,8 mg % 

enteiweißtes Filtrat von 10 ccm Blut + 0,5 mg Harnsäure 4,9 mg % 5,0 mg % 

Von der dem Filtrat zugesetzten Harnsäure wurden 70% wiederge¬ 
funden, von der dem Blut zugefügten nur 48,5%. 

Beschickten wir dagegen je 100 ccm Normosallösung mit 0,5 mg 
Harnsäure und behandelten es weiter wie ein Blutfiltrat, so fanden wir 

Normosallösung + 0,5 mg Harnsäure 
0,52 mg, 0,50 mg, 0,45 mg. 

Aus diesen Versuchen ist ersichtlich: 

Aus Normosallösung ist die Harnsäure colorimetrisch 
annähernd quantitativ wiederzugewinnen. Bei der Ent¬ 
eiweißung muß Harnsäure vom Koagulum retiniert werden 
und endlich müssen im Blutfiltrat Stoffe sein, die die quanti¬ 
tative Fällung der Harnsäure verhindern. 

Daß bei det Koagulation von Eiweiß Harnsäure mitgerissen wird, 
hat Richter - Quittner 1 ) gezeigt. Er fügte zu Ovalbuminlösungen 
Harnsäure, koagulierte, und konnte im Filtrat und Koagulum nach dem 
Verfahren von Ludwig - Salkowski Harnsäure nachweisen. Um uns 
über das Verhalten der Eigenhamsäure des menschlichen Blutes noch 
weiter Aufschluß zu verschaffen, machten wir folgenden Versuch: 

Das gut ausgewaschene Eiweißkoagulum von 50 ccm Blut wurde, 
nachdem wir uns in einem Leerversuch überzeugt hatten, daß Ham- 
säureaufschwemmungen durch gleiche Behandlung nicht verändert 
werden, unter Rückflußkühler 16 Stunden mit 25proz. Schwefelsäurt» 
hydrolysiert. Das Hydrolysat neutralisierten wir mit Natronlauge, 
machten es mit Essigsäure schwach sauer, filtrierten und wuschen aus. 
Im Filtrat wurde die Kupferoxydulfällung gemacht, filtriert und sehr 
sorgfältig aminosäurefrei gewaschen. Filter mit Filterrückstand zer¬ 
setzten wir mit Natriumsulfid, filtrierten vom Schwefelmetall und dem 
durch Ansäuerung mit Essigsäure geballten Schwefel ab und wuschen 
aus. Das Filtrat wurde auf dem Wasserbad auf 5 ccm eingeengt, in 
ein Kölbchen quantitativ überführt und durch Zusatz von 2 ccm Phos- 

] ) Richte r-Q uitt ner, 1. e. 


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(JO K. Karpudcr u. B.Moml: Methoden zur Bestimmung vom irarnsiiuregekalt usw. 


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phorwolframsäurelösung und 10 ccm gesättigter Sodalösung die Harn¬ 
säure colorimetrisch bestimmt. Wir erhielten 2,5 mg Harnsäure. 

Die Versuche wurden wiederholt und zwei weitere Beispiele zeigen, 
daß der Prozentsatz der bei der Enteiweißung mitgerissenen Harnsäure 
recht erheblich ist: 


1. 20 ccm Blut 

aus dem Eiweißkoagulum dieses Blutes erhalten 

2. 20 ccm Blut 

aus dem Eiweißkoagulum dieses Blutes erhalten 


4,5 mg % 5,5 mg % 
1,3 mg % 1,2 mg % 
1,3 mg % 3,0 mg % 
4,0 mg % 1,0 mg % 


Damit ist der Beweis erbracht, daß durch die Enteiweißung 
(‘in nicht unbeträchtlicher und vollkommen unregelmäßiger 
Fehler bei der Bestimmung der Blutharnsäure verursacht 
wird. 

Dieser Fehler ist natürlich in gleicher Weise bei der Modifikation 
nach Maasse und Zondek vorhanden. Hiezu kommt, daß dabei die 
Silbermagnesiafällung wegbleibt und damit die Sicherheit fehlt, die Farb¬ 
reaktion in einer Flüssigkeit anzustellen, die neben der Harnsäure 
keine anderen sich blau färbenden Stoffe enthält. Es gelingt auch manch¬ 
mal nicht, nach den gegebenen Vorschriften das Filtrat der Eiwei߬ 
fällung vor Anstellung der Colorimetrie völlig wasserklar zu erhalten, 
was die Ablesung ungünstig beeinflußt. Weiter versäumen es die Autoren, 
die Abdampfschale, in der sie das Filtrat einengen, mit Lithium- oder 
Natriumcarbonat nachzuwaschen. Ob das Nachspülen mit kaltem 
Wasser in allen Fällen genügt, um beim Eindampfen ausgefallene Harn¬ 
säure quantitativ zu überführen, erscheint uns fraglich. Endlich ist 
noch zu erwähnen, daß der rechnerische Fehler doppelt so groß ist 
wie bei Steinitz und 3—4 mal so groß wie bei der ursprünglichen Me¬ 
thode von Fol in und Denis. 

Gleiche Erwägungen wie die eben angestellten, gelten für die von 
Bass und Neubauer angegebene colorimetrische Hamsäurebestim- 
mung. Sie hat zwar den Vorteil höchster Einfachheit, doch ist hier neben 
allem anderen der rechnerische Fehler außerordentlich groß, da der 
Hamsäuregehalt von nur 1 ccm Serum colorimetrisch bestimmt wird. 

Nach all dem glauben wir für die Bewertung der Resultate, die man 
bei der colorimetrischen Hamsäurebestimmung im Blut nach den von 
uns nachgeprüften Methoden erhält, große Vorsicht empfehlen zu müssen. 
Sie scheinen uns nicht mehr als eine zahlenmäßige Schätzung 
des Harnsäuregehaltes zu erlauben, sodaß man sich besser darauf 
beschränken würde, je nach dem Ergebnis von hohem, mittlerem oder 
niedrigem Harnsäuregehalt zu sprechen, als Unterschiede von 1 —2 mg% 
oder weniger zu irgendwelchen Schlüssen diagnostischer oder theoreti¬ 
scher Art zu benutzen. 



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Die physikalischen Grundlagen einer rationellen Methodik zur 
Bestimmung der Gerinnungszeit des Venenblutes. 

(Untersuchungen über Blutgerinnung. IV.)*) 

0 Von 

Edgar Wöhliscli. 

(Aus der Medizinischen Universitätsklinik zu Kiel [Direktor: Prof. Dr. A. Schit te n- 

helm].) 

Mit 2 T e x t a b b i 1 d u n g e n. 

(Eingegangen am 16. Januar 1922.) 

Jeder, der sich einmal mit Blutgerinnungsuntersuchungen, ins¬ 
besondere mit der Bestimmung der zeitlichen Gerinnungsdaten ein¬ 
gehender beschäftigt hat, wird die Erfahrung gemacht haben, daß die 
„Tücke des Objekts“ bei derartigen Versuchen sehr häufig eine äußerst 
störende Rolle spielt. Selbst dem Geübten wird es immer wieder einmal 
begegnen, daß er in einem Versuch gänzlich unerwartete und unerklär¬ 
liche Ausschläge erhält, obwohl scheinbar sämtliche Versuchsbedin¬ 
gungen die gleichen sind wie sonst. 

Die ungewöhnlich große Diffizilität der Gerinnungsuntersuchungen 
hat die Erfindung einer ungewöhnlich großen Zahl von Methoden zur 
Folge gehabt: ,,Ihre Zahl ist Legion“ sagt Morawitz 1 ), der beste deut¬ 
sche Kenner unseres Gebietes. 

Aus dem zeitlichen Ablauf des Gerinnungsvorganges heben sich 
zwei Zeitpunkte besonders hervor: es sind dies der Moment des Beginnes 
der Gerinnung und der ihrer Beendigung. Beide Zeitpunkte können 
zur Charakterisierung der zeitlichen Verhältnisse beim Gerinnungsvor¬ 
gang Verwendung finden. Man kann hiernach die Methoden einteilen 
in solche zur Bestimmung der Zeit bis zum Gerinnungsbeginn, der sog. 
„Reaktionszeit“**), und solche zur Ermittelung der eigentlichen „Ge¬ 
rinnungszeit“, wenn man, wie es zweckmäßig ist, diesen Ausdruck für 
die Zeitspanne von der Entnahme des Blutes bis zur Vollendung der 
Gerinnung reserviert. 

Während der Augenblick des Beginnes der Gerinnung eindeutig 
ist, bedarf es für jede Methode einer besonderen Definition, welcher 

*) Mittig. I. Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 8. Mittig. II. Münch, med. 
Wochenschr. 1921, Nr. 3Q. Mittig. III. Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 43. 

**■) Der Ausdruck stammt von Fon io. 


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02 E. Wöhliseh: Die physikalischen Grundlagen einer 

Zeitpunkt als Ende der Gerinnung angesehen werden soll, da das wirk¬ 
liche Ende der Gerinnung, d. h. der Moment, von dem ab gar kein Fibrin 
mehr gebildet wird, mit Sicherheit wohl überhaupt nicht bestimmt wer¬ 
den kann.. 

Die soeben vorgenommene Einteilung der Methoden in solche zur Be¬ 
stimmung der Reaktionszeit (RZ) und der Gerinnungszeit (GZ) ist von 
praktischer Wichtigkeit, da von dem Prinzip der Methode die 
Art und Zahl der in Betracht kommenden Fehlerquellen 
abhängig ist. 

Mir scheint, daß eine Analyse der Fehlerquellen in ihrer Bedingtheit 
durch das Prinzip der Methode bisher noch nicht vorliegt. Ich glaube 
auch nicht zu viel zu sagen mit der Behauptung, daß viele Autoren, 
die sich mit der Ermittlung zeitlicher Gerinnungsdaten befassen, ohne 
(»ine bewußte Kenntnis der Eigenarten und damit der Fehlerquellen 
der von ihnen verwendeten Methode arbeiten. 

Wir besitzen eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Metho¬ 
den zur Untersuchung des GerinnungsVorganges aus der Feder von 
Morawitz 1 ). Aber auch in dieser im übrigen ausgezeichneten Dar¬ 
stellung ermangelt das Kapitel, das sich mit den ,,Methoden zur Bestim¬ 
mung der Gerinnungszeit“ befaßt, einer konsequenten logischen Durch¬ 
führung, wie im folgenden gezeigt werden wird.*) 

Es sind nur einige wenige Methoden, die sich in der Praxis bewähit 
zu haben scheinen und denen man schon aus theoretischen Erwägunge n 
geneigt sein dürfte, einiges Vertrauen zu schenken. 

Die Methoden zur Bestimmung der Reaktionszeit werden vertreten 
durch die bekannte Methode von Bürker 2 ). Bei dieser genügt zur 
Untersuchung ein Tropfen Blut (Kapillarblut), der in einer auf möglichst 
konstanter Temperatur gehaltenen Kammer auf bewahrt wird und durch 
den man jede halbe Minute einmal mit einem feinen Glasstäbchen durch¬ 
fährt bis an diesem ein Fibrinfädchen hängen bleibt. 

Die Bürkersche Methode, deren ich mich selbst in zahlreichen Ver¬ 
suchen bedient habe, ist zweifellos sehr brauchbar, ganz besonders 
für orientierende klinische Untersuchungen. Ihre Hauptvorzüge sipd 
die Kurzfristigkeit eines Versuches und die große Sicherheit der Aus¬ 
führung, wenn man die Methode einmal richtig gelernt hat. Ferner 
der Umstand, daß die Versucbstemperatur beliebig gewählt und mit 
einer für die meisten Zwecke hinreichenden Genauigkeit konstant 
gehalten werden kann. Es ist von Bedeutung, daß infolge der exakten 
Definition aller Versuchsbedingungen, wie sie Bürker bei seiner Methode 
durchgeführt hat, die gewonnenen RZ-Werte den Charakter absoluter 

*) Anm. bei der Korrektur: An meinen diesbezüglichen Ausführungen habe 
ich auch nach Kenntnisnahme der neuesten Auflage (1921) des „Handbuches 
der biologischen Arbeitsmethoden“ von Abderhalden nichts zu ändern. 


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rationellen Methodik zur Bestimmung der Gerinnungszeit- des Venenblutes. 63 

Daten haben, die einen Vergleich der Zahlen verschiedener Untersucher 
zulassen. 

Bei der Wichtigkeit dieses Umstandes für das eigentliche Thema 
dieser Arbeit muß ich mich hierüber etwas ausführlicher verbreiten. 

Man kann wohl sagen, daß einenaturwissenschaftliche Untersuchungs¬ 
methode ihren Zweck vollkommen erst dann erfüllt, wenn sie soweit aus¬ 
gebaut ist, daß verschiedene Untersucher mit der Methode dieselben 
Resultate erhalten. In den Naturwissenschaften gewähren überhaupt 
erst derartige Daten dem Theoretiker, der sich zu seinen Untersuchungen 
auf die Beobachtungen vieler experimenteller Forscher stützt, die Mög¬ 
lichkeit des Arbeiten». In der Medizin, wo es darauf ankommt, zu wissen, 
was „normal“ und was „pathologisch“ ist, haben natürlich absolute 
Daten eine ganz besondere Bedeutung. 

Welche äußeren Umstände sind es denn nun, von denen die Reak¬ 
tionszeit eines Blutes abhängig ist? Wir wollen als konkretes Beispiel 
zur Erläuterung dieser Verhältnisse die Bürkersche Methode heran¬ 
ziehen. 

An erster Stelle müssen w r ir den Einfluß der Versuchstemperatur 
nennen, der außerordentlich groß ist. So beträgt z. B. (nach der von 
Bür k er auf gestellten Kurve der Reaktionszeit in ihrer Abhängigkeit 
von der Temperatur) die RZ eines Blutes bei 10° ca. 50 Minuten, bei 
15° dagegen nur 15 Minuten und bei 20° 8,5 Minuten. Das zu unter¬ 
suchende Blut kommt nun bei Bürker auf einen hohlgeschliffenen mit 
einem Tropfen Wasser in der Mitte des Hohlschliffs versehenen Objekt¬ 
träger, der auf dem Metalldeckel eines Wasserbades ruht und so auf der 
gewünschten Temperatur gehalten wird. Dagegen hat man es bei 
Bürker nicht in der Hand, die Temperatur der Luft, in welcher der Ver¬ 
such stattfindet und die doch auch die endgültige Temperatur des 
Hutwassertropfens mitbedingt, zu regulieren. Praktisch soll diese 
Fehlerquelle nach den Angaben des Erfinders der Methode nicht viel 
ausmachen, immerhin liegt eine ideale Lösung der Temperaturfrage nicht 
vor. 

Ferner hängt die RZ des Blutes davon ab, wie oft in der Zeiteinheit 
man das Glasstäbchen durch den Blutwassertropfen zieht. Es wird 
daher das Durchführen des Glasstäbchens in allen Versuchen in gleichen 
zeitlichen Abständen und in gleicher Weise vorgenommen. 

Die RZ hängt nicht ab von der Menge des angewendeten 
Blutes, worauf schon Bürker hingewiesen hat, und auch nicht 
von der Form der Glasoberfläche, wie mir eigene Versuche in 
Bestätigung entsprechender Überlegungen zeigten. Nachdem, was wir 
über das Wesen des Gerinnungsvorganges wissen, ist die Unabhängigkeit 
der RZ von der Blutmenge und von der Form der benetzten Glasober¬ 
fläche eigentlich selbstverständlich: denn die Produktion des Thrombins 


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64 


K. Wöhlisch: Die physikalischen (irundlagen einer 


geht an der Glaswand vor sich und hier muß demgemäß auch die Aus¬ 
fällung des Fibrins beginnen. Es ist nicht einzusehen, in welcher Weise 
sich ein Einfluß der verschiedenen Größe der Blutmenge auf den Vor¬ 
gang an der Wand geltend machen sollte. Ebensowenig läßt sich erwar¬ 
ten, daß dieser Vorgang, der sieh in gleicher Weise an jedem kleinsten 
Teilchen der Wand abspielt, durch die Form der Gefäßwand, d. h. 
durch die gegenseitige relative Lage der kleinsten Teilchen beeinflußt 
werden sollte. 

Wir haben also bei der Bürkerschen Methode zur Bestim¬ 
mung der RZ, und das gleiche dürfte für alle derartigen 
Methoden gelten, eine Abhängigkeit der RZ desselben Blutes 
lediglich von zwei Faktoren: von der Versuchstemperatur 
und von mechanischen Manipulationen, die mit dem Blute 
vorgenommen werden. 

Ich muß an dieser Stelle auf meine weiter oben gemachte Bemerkung 
über die Morawitzsche Darstellung der Methoden zur Bestimmung der 
Gerinnungszeit zurückkommen. 

Das Kapitel „Methoden zur Bestimmung der Gerinnungszeit“ 
beginnt mit einem Abschnitt A „Allgemeines und Fehlerquellen“. 
Hier definiert Morawitz die Gerinnungszeit als „den Zeitraum, den 
Blut außerhalb der Gefäße bis zum Festwerden braucht“. In dem 
folgenden Abschnitt B, der die „Methoden zur Bestimmung der Gerin¬ 
nungszeit“ einzeln bespricht, ist dann auch die Bür kersche Methode 
auf geführt, die schon nach der Definition der „Gerinnungszeit“ gar- 
nicht hierher gehört. Infolgedessen trifft auch das im Abschnitt A 
über die Fehlerquellen Gesagte auf die Bür kersche Methode und die 
anderen am gleichen Orte besprochenen Methoden zur Bestimmung 
der RZ nicht zu. Morawitz sagt nämlich auf S. 231 loc. cit. 1 ): 

„Folgende Momente beeinflussen die Gerinnungszeit: 

1. Berührung mit benetzbaren Fremdkörpern kürzt die Gerinnungs¬ 
zeit um so mehr ab, je größer die Berührungsfläche ist. Eine größere 
Blutmenge wird daher in einem Glasgefäße längere Zeit zur Gerinnung 
brauchen als eine kleinere, bei der die mit den Glaswänden in Berührung 
tretende Oberfläche verhältnismäßig groß ist. . . Zu Gerinnungs¬ 
bestimmungen müssen daher stets gleichgroße Blutmengen Verwendung 
finden, außerdem Glasgefäße von gleicher Größe . . .“ 

Wie wir sehen ist diese Darstellung der Fehlerquellen, bei der die 
Methoden zur Ermittelung des Gerinnungsbeginns und des Gerinnungs¬ 
endes in einen Topf geworfen werden, durchaus geeignet bei einem nicht 
außergewöhnlich kritischen Leser Mißverständnisse zu erwecken und 
unter Umständen sogar eine an sich recht gute Methode zu diskredi¬ 
tieren : man könnte z. B. ohne weiteres auf den Gedanken kommen, 
daß die Bür kersche Methode nichts taugen kann, da sie ja auf eine 



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rationellen Methodik zur Bestimmung der Gerinnungszeit des Venenblutes. 65 

genaue Abmessung der zu untersuchenden Blutmenge (mit Recht) 
verzichtet. 

Morawitz erwähnt dann weiter den Temperatureinfluß, der allge¬ 
mein für sämtliche Methoden gilt. Ferner die ausgedehntere Berührung 
mit Blutgerinnseln und Geweben, weshalb er empfiehlt Blut zur Bestim¬ 
mung der Gerinnungszeit am besten durch Venenpunktion zu entnehmen. 
Endlich nennt er den wechselnden Gasgehalt des Blutes: Der Kohlen¬ 
säuregehalt des Blutes soll die Gerinnung verlangsamen. Nach meinen 
Erfahrungen trifft das Gegenteil zu. Der Satz: „Wie groß die prak¬ 
tische Bedeutung der vermehrten C0 2 -Spannung ist, scheint noch nicht 
näher untersucht zu sein 44 , besteht anscheinend auch heute noch zu 
Recht. Über eigene Untersuchungen dieser Frage, die noch im Gange 
sind, soll später einmal berichtet werden. 

Morawitz, erwähnt dagegen unter den Fehlerquellen merkwürdiger¬ 
weise nicht den Einfluß mechanischer Manipulationen, die man mit dem 
Blute während der Gerinnung vomimmt, obwohl gerade diese Fehler¬ 
quelle ausnahmslos bei sämtlichen Methoden in Betracht kommt. 
Eine Untersuchung dieses Gegenstandes findet sich in der vorliegenden 
Arbeit. 

. Die Forderung von Morawitz, zur Bestimmung der Gerinnungszeit 
am besten Blut aus einer Vene zu entnehmen, führt uns zur Bespre¬ 
chung der Methode, mit der sich in der Hauptsache diese Arbeit beschäf¬ 
tigt. Es ist dies die heute wohl meist gebräuchliche Methode zur Be¬ 
stimmung der eigentlichen Gerinnungszeit (im Gegensatz zur Reaktions¬ 
zeit); ihr Prinzip stammt von Morawitz und Bierich 3 ) [siehe auch 1 )]. 
Die Autoren arbeiten mit größeren Blutmengen — 5 ccm — und brin¬ 
gen diese in sorgfältig gereinigte Wiegegläschen. Diese werden von 
Zeit zu Zeit geneigt und dann der Zeitpunkt bestimmt, in welcher die 
Oberfläche des Blutes der Neigung nicht mehr folgt. (Gleichzeitig 
kann man auch nach Morawitz den Gerinnungsbeginn an dem Auf¬ 
treten eines leichten roten Belages auf der Glaswand erkennen.) Die Autoren 
haben „annähernde Temperaturkonstanz 44 dadurch zu erreichen gesucht, 
daß sie die Wiegegläschen in eine feuchte Kammer stellten, die z. T. 
mit Wasser von der gewünschten Temperatur gefüllt war. Zur Beob¬ 
achtung der Blutoberfläche ist jedoch ein jedesmaliges Abnehmen 
des Deckels der Kammer notwendig; eine befriedigende Lösung der 
Temperaturfrage liegt also auch hier keineswegs vor. 

Morawitz macht darauf aufmerksam, daß möglichst gleichmäßiges 
Vorgehen beim Herausnehmen und Neigen der Gläschen anzustreben 
ist. Der Deckel soll nicht öfter als alle 2 Minuten gelüftet werden. 
Nähere Angaben über die Wirkung der Bewegung der Gläser auf die 
Gerinnung findet man jedoch nicht, auch führt Morawitz die Ausmaße 
der von ihm benutzten Gläser nicht an. Er sagt nur, daß er meist bei 20° 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 5 


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66 


E. Wühlisdi: Die physikalischen Grundlagen einer 


gearbeitet habe, macht dann aber trotzdem eine Angabe der erhaltenen 
Gerinnungszeit. Es soll nämlich die Gerinnungszeit ,,unter diesen 
Bedingungen“ (?) 15—20 Minuten betragen. Eine Differenz von 20% 
könne noch in den Bereich der Fehler fallen. 

Eine Modifikation der Morawitz sehen Methode wandte Fon io 4 ) 
an. Er benutzte statt der Wiegegläschen Uhrschälchen, die er in eine 
feuchte Kammer stellte und arbeitete mit wesentlich kleineren Blut- 
mengen. Die Bestimmung des Gerinnungsendes geschah jedoch nach 
demselben Prinzip. Auf Einhaltung konstanter Temperatur hat Fonio 
nicht geachtet, er arbeitete vielmehr bei Zimmertemperatur. In der 
Fonio sehen Modifikation hat die Morawitzsche Methode in neuerer 
Zeit vielfach Anwendung gefunden. Alle Autoren haben jedoch ebenso 
wie Fonio auf Temperaturkonstanz verzichtet, so daß schon aus diesem 
Grunde Vergleiche der von den verschiedenen Beobachtern erzielten 
Daten nicht erlaubt sind. Wohl die meisten Autoren haben dies als einen 
erheblichen Mangel der sonst als brauchbar anerkannten Methode emp¬ 
funden, einige sprechen sich auch in diesem Sinne aus; trotzdem ist 
von keiner Seite der Versuch unternommen worden, die von der Mora¬ 
witz sehen Methode gelieferten Daten auf eine Norm zu bringen. 

Man muß sich nun die Frage vorlegen, ob nicht eine einfache Methode, 
wie die Bürkersche, allen Anforderungen, die auf dem Gebiete der 
Blutgerinnungsuntersuchungen an zeitmess?nd? Methoden gestellt werden 
können, genügt und ob überhaupt das Bedürfnis nach einer mit größeren 
Blutmengen arbeitenden Methode besteht. Hier ist zunächst zu sagen, daß 
die B ü r k e r sehe Methode wohl für orientierende Untersuchungen am Kran¬ 
kenbett in den meisten Fällen ausreichen wird, daß sie jedoch anscheinend 
in manchen Fällen von selbst schweren Störungen des Gerinnungsablaufs 
keine sehr eindrucksvollen Maßzahlen für den Grad der Störung liefert. 
Ich denke hier an einen schweren Fall von echter Hämophilie, den ich 
vor kurzem untersuchte. Ich erhielt bei diesem eine Reaktionszeit 
von 11,5 Minuten bei 25° gegenüber einem Normalwert von ca. 6—7 Mi¬ 
nuten, also eine relativ geringe Verzögerung. Eine Untersuchung von 
20 Tropfen Venen blut bei 37 ° nach der im folgenden beschriebenen Methode 
ergab, daß selbst nach 3% Stunden noch keine vollständige Gerinnung 
eingetreten war, während die gleiche Menge Normalblut unter den glei¬ 
chen Bedigungen in ca. 15 Minuten zu einem festen Koagulum erstarrt 
ist. Hierdurch war der Fall als eine äußerst schwere Hämophilie charak¬ 
terisiert und man verstand, weshalb der Patient aus einer kleinen 
Schnittwunde ca. 14 Tage lang geblutet hatte. 

Noch wichtiger als für derartige immerhin einfache Bestimmungen 
ist jedoch die Bedeutung der Methode für kompliziertere Gerinnungsver¬ 
suche, also beispielsweise für solche, bei denen man die gerinnungs¬ 
beeinflussende Wirkung von Blutkörperchensuspensioncn — wie Sahli 5 ) 


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rationellen Methodik zur Bestimmung der Gcrinnungszeit des Venenblutes. 67 


und Verf. 6 ) dies in Untersuchungen über das Wesen der Hämo¬ 
philie getan haben — feststellen will. Auch lassen sich nach der Methode 
sehr bequem Gerinnungsversuche z. B. mit recalciniertem Oxalatplasma 
usw. anstellen. 

Für derartige Zwecke ist die Methode meines Erachtens unentbehrlich, 
da sie wegen der relativ großen angewendeten Blutmenge eine sehr genaue 
Abmessung der zu untersuchenden zuzusetzenden Substanz erlaubt, ja 
überhaupt erst ein quantitatives Arbeiten gestattet. Die bei der 
Methode gegenüber der Bürkersehen erhaltenen erheblich größeren 
zeitlichen Gerinnungsdaten sind für derartige Versuche ein großer Vor¬ 
teil, da so die abgelesenen Unterschiede deutlicher werden. Nur für 
gewisse Zwecke, vor allem zur Feststellung der gerinnungsbeschleuni¬ 
genden Kraft eines Serums wird die Methode besser ersetzt durch eine 
vom Verf. stammende neue Methode zur Bestimmung der „Reaktions¬ 
zeit im hämolysierten Blut“ 7 ). 

Mein Bestreben ging nun dahin, die Methode so weit 
zu entwickeln, daß es möglich ist, sämtliche in einem Ver¬ 
such gegebenen Bedingungen in meßbaren Daten fest¬ 
zulegen, so daß man bei späteren Versuchen der gleichen 
Art genau die gleichen Bedingungen wiederherstellen 
und damit einen einwandfreien Vergleich zeitlich beliebig 
lange auseinander liegender Versuche anstellen kann. 
Aber darüber hinaus wollte ich soweit kommen, daß auch die von einem 
Autor erhaltenen zeitlichen Gerinnungsdaten infolge exakter Reprodu¬ 
zierbarkeit der Versuchsbedingungen der Nachprüfung durch andere 
Untersucher zugänglich würden. Über das bisher Erreichte zu berichten 
ist der Zweck der folgenden Zeilen. 

Die Fragestellung, die mich interessierte, war die folgende: Wie 
groß ist der Einfluß der verschiedenen bei der Ermittelung der GZ in 
Betracht kommenden Fehlerquellen und wie kann man diese Einflüsse 
eliminieren ? 

Als Kriterium dafür, daß die Ausschaltung eines als 
Fehlerquelle in Betracht kommenden Einflusses gelungen 
war, mußte der Umstand angesehen werden, daß Parallel¬ 
versuche an einer Gerinnungsflüssigkeit mit konstanten 
Eigenschaften den gleichen Wert der GZ lieferten, wenn für 
numerische Gleichheit des betreffenden Einflusses in jedem 
der Versuche bewußt Sorge getragen war. Hierbei machte ich 
sehr bald die Erfahrung, daß man unter einer „Gerinnungsflüssigkeit 
von konstanten Eigenschaften“ keinesfalls das durch verschiedene 
Punktionen gewonnene Blut desselben Individuums verstehen darf: 
eine so weitgehende Gleichmäßigkeit der Gerinnungsfähigkeit, wie 
sie für die folgenden Untersuchungen nötig war, ist auf diese Weise nicht 

5* 


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68 


E. Wülilisdi: Die physikalischen Grundlagen einer 


zu erzielen. Verwendbar ist vielmehr stets nur Blut, das von der gleichen 
Punktion stammt. Auch ein solches Blut gewährleistet eine ausreichende 
Konstanz seiner Gerinnungseigenschaften nur bei Einhaltung bestimmter 
Bedingungen, die wir im folgenden kennenlemen werden (Abschnitt 2). 

1. Die Abmessung der Blutmenge. 

Eine genaue Abmessung der zur Untersuchung verwendeten Blut¬ 
menge ist absolutes Erfordernis. Denn die Gerinnungszeit einer größeren 
Blutmenge muß in demselben Gefäß und unter Gleichheit der übrigen 
Bedingungen — wie schon Morawitz erwähnt — größer sein, weil 
eine größere Flüssigkeitsmenge aus geometrischen Gründen zwar mit 
einer absolut größeren aber relativ kleineren Wandfläche in Berührung sein 
wird wie eine kleinere Flüssigkeitsmenge. Da aber das Thrombin an der 
benetzten Wandfläche gebildet wird, so entfällt auf die größere Blutmenge 
eine relativ kleinere in der Zeiteinheit gebildete Thrombinmenge. Für 
eine Bestimmung der GZ in schalenförmigen Gefäßen, wie in der hier 
besproehnen Methode gibt es aber noch einen zweiten Grund für die 
Abhängigkeit der GZ von der Menge des verwendeten Blutes: Dies ist 
der größere Abstand der Mitte des Flüssigkeitsspiegels von der Glas¬ 
wand bei einer größeren, also im Glase höher stehenden Flüssig¬ 
keitsmenge gegenüber einer kleineren. Denn die Gerinnung schreitet 
in schalenförmigen Gefäßen konzentrisch von der Wand aus fort, 
die Mitte des Flüssigkeitsspiegels aber ist der auf diese Weise zu¬ 
letzt von der Gerinnung ergriffene Teil der Blutmenge. Er muß bei 
größerem Abstande von der Wand später zur Gerinnung kommen als 
bei kleinerem. 

Eine gleichmäßige Abmessung der Blutmenge ist nun auf verschie¬ 
dene Weise möglich. Man kann z. B. das Blut aus einer Spritze in die 
Gläser tropfen, indem man sich nach der Graduierung richtet. Dies ist 
jedoch nur vorteilhaft bei Verwendung kleiner, hinreichend genau gra¬ 
duierter Spritzen. Die Verwendung derartiger Spritzen empfiehlt sich 
aber aus verschiedenen Gründen nicht: einmal, weil man eben oft zu 
mehreren Parallelversuchen mehr Blut braucht als eine derartige Spritze 
faßt. Dann aber scheint nach meinen Erfahrungen das Blut in der¬ 
artigen Spritzen bereits sehr frühzeitig zu gerinnen; man muß dann unter 
Druck ausspritzen, was zu erheblichen Fehlem führen kann, wie wir im 
folgenden noch sehen w r erden (Abschnitt 2). 

Das Zweckmäßigste ist es daher, die in das Glas gespritzte Tropfen¬ 
zahl zu zählen. Die absolute Blutmenge kennt man, wenn man vor den 
Versuchen für die zum Einspritzen verwendete Nadel ermittelt, wieviel 
Tropfen Blut auf 1 ccm entfallen. 

Bei dieser Art des Abmessens der Blutmenge ist nun sogleich eine sehr 
wichtige Fehlerquelle zu beachten. Es ist dies die bei verschiedener 


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rationellen Methodik zur Bestimmung der Gerinnungszeit des Venenblutes. 69 


Haltung der Nadel ganz verschiedene Größe der abfallenden 
Tropfen. 

Bei vertikal nach unten gerichteter Nadel hängt der Tropfen direkt 
an der feinen Spitze und um ihn loszureißen genügt daher ein sehr gerin¬ 
ges Tropfengewicht. Das andere Extrem haben wir bei horizontaler 
Nadelstellung. Die Größe des Einflusses dieser Fehlerquelle ist ersicht¬ 
lich aus der folgenden Tabelle, wo die auf 1 ccm entfallende Anzahl 
Tropfen bei verschiedener Nadelstellung bestimmt ist 


Tabelle I. 


Stellung der Nadel | 

j Tropfenzahl 

1 in 1 ccm 

Horizontal. . . . 

1 31 

Um 45° geneigt . 

| 49 

Vertikal. 

64 


Beachtet man diese Fehlerquelle, indem man beim Eintropfen des 
Blutes stets auf genau gleiche Haltung der Nadel achtet, so kann man 
die Blutmenge mit einer völlig ausreichenden Genauigkeit abmessen. 

2. Die Konstanz der Gerinnungszeit. 

Ich sagte schon, daß sich zu Parallelversuchen für unseie Fragen 
nur das von derselben Punktion stammende Blut eigret. Tiopft man 
mm in verschiedene Gläser nach einander Blut aus derselben Spritze, 
so sind die Bedingungen für die verscliiedenen Blutproben insofern 
nicht ganz identisch, als das.später ausgespritzte Blut länger in der 
allseitig geschlossenen Spritze verweilt hat als die fiüher entnommenen 
Blutmengen. Es hat dadurch z. B. länger unter einer höheren C0 2 - 
Spannung gestanden, es gibt unter Umständen seine Wärme weniger 
schnell ab, als in den Gerinnungsgefäßen, und es hat länger mit der 
mattgeschliffenen Wand der Spritze bzw. dem Metallkolben in Berüh¬ 
rung gestanden — alles Einflüsse, die sich bei einem so empfindlichen 
Vorgang, wie es die Gerinnung des Blutes ist, möglicherweise bemerkbar 
machen könnten. Es wurde deshalb eine Anzahl von Versuchen aus¬ 
geführt, die darin bestanden, daß das Blut in die verschiedenen zu 
Parallelversuchen dienenden Gläser in Abständen von etwa je einer 
Minute eingespritzt und die Gerinnungszeit, bezogen auf den Augen¬ 
blick der Füllung des ersten Glases, bestimmt wurde. Das Ergebnis. 

Tabelle II. 


Füllung der Gläser 

I Bemerkungen 

GZ 

sofort 

Spritze geht leicht 

66 

1 Minute später 

Spritze geht leicht 

63 

2 Minuten später 

Spritze geht leicht 

65 

3 1 / 2 Minuten später 

Spritze geht sehr schwer 

43 

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70 E. Wöhliscli: Die physikalischen (i rund lagen einer 

das durch die Tab. II, die einen besondeis typischen Versuch wiedergibt, 
illustriert wird, war kurz das folgende: Solange das Ausspritzen des 
Blutes aus der Spritze ganz ohne Widerstand vor sich geht, ist keine 
Gefahr vorhanden, daß durch das längere Verweilen in der Spritze 
eine Störung bei Parallel versuchen eintritt. Läßt sich das Blut jedoch 
schwer ausspritzen, da in der Spritze beieits die Gerinnung einsetzt, 
so erhält man bei de auf diese Weise gewonnenen Blutportion unter 
Umständen einen wesentlich kleineren GZ-Wert. 

Das Ergebnis erklärt sich wohl dadurch, daß infolge der bereits 
in der Spritze beginnenden Gerinnung mit dem ausgetropften Blut 
etwas Fibrin in die Gläschen gelangt und dort den Gerinnungsvorgang 
beschleunigt. Daß Fibrinzusatz die Gerinnung eines Blutes beschleunigt, 
ist ja eine bekannte Tatsache der Gerinnungsphysiologie. Diese Er¬ 
klärung wird auch durch die Beobachtung sehr wahrscheinlich gemacht, 
daß öfter in dem Blute, dessen Einfüllung in die Gläser Schwierigkeiten 
machte, einzelne inselförmige Stellen zu sehen waren, die schneller er¬ 
starrten, als die übrige Oberfläche. Es handelt sich hier wohl um Ge- 
rinnungszentra, die aus den in der Spritze gebildeten Fibrinflöckchen 
bestehen. 

3. Die Form des Gerinnungsgefäßes. 

Wie schon erwähnt, benutzte Morawitz zur Bestimmung der GZ 
Wiegegläschen, Fonio und im Anschluß an diesen auch Stephan 9 ) 
nahmen Uhrgläser. Um Störungen durch verschiedenartiges Aus¬ 
fallen der Gläser zu vermeiden, titrierte Stephan seine Gläser vor der 
eigentlichen Benutzung im Gerinnungsversuche aus und benutzte nur 
solche Gläschen, in denen gleiche Blutmengen in derselben Zeit ge¬ 
rannen. 

Mein Bestreben ging dahin, Gerinnungsgefäße ausfindig zu machen, 
die eine mathematisch exakt definierbare Oberfläche aufw r eisen. Als 
sehr geeignet für meine Zwecke erwiesen sich Brillengläser. Ihre Ober¬ 
fläche ist ein Teil einer Kugelfläche von bekannter Krümmung. Die 
Krümmung wird in der Brillenoptik gemessen in Dioptrien und ich 
behalte dieses Maß im folgenden bei. Hat man bikonkave Gläser, 
so weisen beide Oberflächen gleiche Krümmung auf. Die Dioptrienzahl 
der einzelnen Krümmung ist in diesem Fall gleich der halben brechenden 
Kraft des Glases, die ebenfalls in Dioptrien gemessen wird. Ein bi¬ 
konkaves Glas von —20,0 Dioptrien, wie ich es hauptsächlich verwende, 
hat also zwei konkave Oberflächen von je —10,0 Dioptrien Krümmung. 
Bei periskopischen Gläsern ist das natürlich anders: ein konvex-kon¬ 
kaves Punktalglas von Zeiß von —13,0 Dioptrien brechender Kraft 
hat z. B. eine konvexe Fläche von +2,0 Dioptrien und eine konkave 
von —15,0 Dioptrien. In diesem Fall muß man die einzelnen Flächen 
durch Auf setzen eines Sphärometers ausmessen. 



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rationellen Methodik zur Bestimmung der Gerinnungszeit des Venenblutes. 71 


Ein Uhrglas ist nun, wie ich durch Messungen mit dem Sphärometer 
feststellte, nichts weniger als ein geometrisch einfach definierbares 
Gebilde: Es nimmt im allgemeinen die Krümmung eines Uhrglases von 
der Mitte nach den Rändern hin zu, und verschiedene Uhrgläser unter¬ 
scheiden sich unter Umständen sehr erheblich voneinander, wenn man 
die Krümmung an anologen Stellen, am besten möglichst genau in der 
Mitte mißt: man findet an dieser Stelle bei verschiedenen Uhrgläsem 
Krümmungen, die etwa zwischen —4,0 und —10,0 Dioptrien schwanken. 

Es ist nun bei Anwendung von Gläsern mit kugelförmiger Oberfläche 
ein ganz bestimmter Einfluß des Krümmungsgrades auf die GZ-Werte 
vorauszusehen. Aus geometrischen Gründen steht nämlich die gleiche 
Flüssigkeitsmenge, gleichmäßige Ausbreitung vorausgesetzt, in flache¬ 
ren Gläsern mit einer größeren Oberfläche in Berührung als in stärker 
gekrümmten. Dies läßt sich auch ohne lange Rechnung leicht einsehen, 
wenn man sich den Grenzfall vorstellt, nähnlich die Ausbreitung der 
Flüssigkeit auf einem Glase ohne jede Krümmung, auf einer planen 
Glasplatte. Eine vollkommen benetzende Flüssigkeit wird sich hier 
so lange auszubreiten suchen, bis alle Flüssigkeitsteilchen der Glaswand 
direkt anliegen; die Berührungsfläche zwischen Flüssigkeit und Wand 
ist dann maximal, es gibt keine ,,im Innern“ der Flüssigkeit liegenden 
Teilchen mehr. Je geringer also die Krümmung, desto größer bei glei¬ 
cher Flüssigkeitsmenge die thrombinbildende Berührungsfläche zwischen 
Glas und Blut, — desto kürzer die Gerinnungszeit. 

Es gibt jedoch noch einen zweiten Grund für die Abhängigkeit 
der GZ von der Krümmung, und zwar muß dieser seine Wirkung im 
gleichen Sinne äußern wie der oben besprochene. Es wird nämlich in 
einem flacheren Glase die Mitte des Flüssigkeitsspiegels gleicher Blut¬ 
mengen einen kleineren Abstand von der Glaswand haben als in einem 
stärker gekrümmten Glase, und auch aus diesem Grunde früher zur 
Gerinnung kommen. Wir haben hier also denselben Einfluß, wie wir 
ihn soeben im Abschnitt 1 dieser Arbeit kennengelemt haben. 

Aus unsem Betrachtungen folgt weiter: bei maximaler Ausbreitung 
der Biutmenge auf der Glasfläche — oder, was dasselbe ist, bei mini¬ 
maler Dicke der Blutschicht — muß im Augenblicke des Gerinnungs¬ 
beginnes sogleich die ganze Fibrinmenge niedergeschlagen werden, 
da ja alle Blutteilchen der thrombinbildenden Wand anliegen. Die 
Begrif f e der Re a k tio nsz eit undd er Gerinnungszeit verschmel¬ 
zen hier also miteinander: die Gerinnungszeit einer beliebig 
großen Blutmenge muß bei maximaler Ausbreitung gleich 
sein der Reaktionszeit desselben Blutes bei der selben Tempe¬ 
ratur. Je stärker die Krümmung des Glases, je kleiner 
die vom Blut benetzte Fläche, desto weiter liegen Gerin¬ 
nungszeit und Reaktionszeit auseinander. 


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72 


E. Wöhlisch: Die physikalischen Grundlagen einer 


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Nun sahen wir, daß die Reaktionszeit eines Blutes von einer geringeren 
Anzahl Komponenten abhängig ist als die Gerinnungszeit, nämlich nur 
von Temperatur und Bewegung, nicht dagegen von angewendeter Blut¬ 
menge und nicht von der Form des Gerinnungsgefäßes. Hieraus und 
aus dem soeben abgeleiteten Satz vom allmählichen Zusammenfließen 
der Reaktionszeit und der Gerinnungszeit mit abnehmender Krüm¬ 
mung folgt sofort, daß die Einflüsse, die sich nur in der Gerinnungszeit 
im Gegensatz zur Reaktionszeit geltend machen*), dies um so deut¬ 
licher tun müssen, je stärker die Krümmung des Gerinnungsglases ist, 
da ja mit steigender Krümmung die GZ sich immer mehr von der 
RZ und deren Eigenheiten entfernt. 

Nach diesen etwas komplizierten Erörterungen wenden wir uns den 
Versuchen zu, die den soeben deduzierten Einfluß der Krümmung des 
Gefäßes belegen sollen. Die Tab. III zeigt an 5 beliebig herausgegriffe¬ 
nen Versuchen, daß unter sonst gleichen Bedingungen die GZ-Werte 
tatsächlich einen erheblichen Anstieg mit zunehmender Krümmung des 
Gerinnungsglases erkennen lassen. 


Tabelle III. 


Krümmung 



GZ-Werte 



in Dioptrien 

Vers. I 

Vers. II 

Vers. HI | 

Vers. IV 

Vers. V 

-2,5 1 

1 

35 

36 

40 

27 

22 

-5,0 

37 1 

45 

45 ! 

45 

28 

— 10,0 

42 | 

61 i 

50 

48 

34 

— 15,0 

! 46 

67 | 

55 ! 

58 

41 


Es erhebt sich nun die weitere Frage, ob es für die praktische Brauch¬ 
barkeit der Methode völlig gleichgültig ist, welche Axt von Gläsern man 
zu seinen Versuchen benutzt, schärfer gekrümmte oder flachere. Dies 
ist nicht der Fall; es läßt sich vielmehr sehr deutlich zeigen, daß die 
Übereinstimmung zweier Parallelbestimmungen um so genauer aus¬ 
fällt, je tiefer die verwendeten Gläser sind. In flachen Gläsern erhält 
man sehr stark schwankende Werte und zwar aus folgenden Gründen: 
In einem tiefen Brillenglase breitet sich eine Flüssigkeitsmenge nach 
allen Seiten gleichmäßig aus, so daß ihre Oberfläche die Form eines 
Kreises annimmt. Je flacher das Glas, desto unregelmäßiger wird die von 
der Flüssigkeit angenommene Form. Diese Erscheinung macht sich 
ganz besonders bei einer so viscösen Flüssigkeit, wie das Blut sie vorstellt, 
geltend. Nur in Gläsern von einiger Tiefe erreichen wir also in Parallel¬ 
versuchen Gleichheit der von der Blutmenge angenommenen Form 
und daher auch Übereinstimmung der GZ-Werte. 

*) Nämlich Blutmenge und Form des Gefäßes. 



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rationellen Methodik zur Bestimmung der Grerinnungszeit des Venenblutes. 73 


Abb. 1 soll das eben Gesagte verdeutlichen; sie gibt in 2 / 3 der natür¬ 
lichen Größe die Formen wieder, die je 1 ccm Blut in einem Versuche auf 
Brillengläsern verschiedenen Krümmungsgrades annahm: wir sehen im 
— 2,5-Glas eine völlig unregelmäßige, kaum noch an den Kreis erinnernde 





Figur, im — 5,0-Glas wird die Annäherung an die Kreisform schon wesent¬ 
lich besser erreicht und im — 10,0-Glas endlich haben wir wirklich 
eine kreisförmige Oberfläche vor uns. 

Die Tab. IV endlich gibt die Ergebnisse einiger Parallelbestimmungen 
der Gerinnungszeit in Gläsern verschiedener Krümmung wieder. 

Tabelle IV. 


Krümmung 

GZ-Werte 

in Dioptrien 

j Vers. I ! 

Vera. 

-2,5 j 

j 27 

26 


i 37 

35 

— 10,0 

48 

44 


51 

45 

— 15,0 

58 

50 


! 59,5 

50 


Wir finden also sehr große Differenzen der beiden Parallelbestim¬ 
mungen in den flachen — 2,5-Gläsem, ausgezeichnete Übereinstimmung 
dagegen in den scharf gekrümmten Gläsern von —10,0 und — 15,0 
Dioptrien. 

In einer großen Zahl von Bestimmungen überzeugte ich mich, daß 
die Krümm ung von —10,0 Dioptrien für alle Zwecke genügt. Diese 
Gläser haben vor den mit —15,0 Dioptrien Krümmung auch den 
Vorteil größerer Billigkeit, denn es sind gewöhnliche bikonkave Gläser, 
die Krümmung von —15,0 Dioptrien ist dagegen meines Wissens nur 
in den recht teuren Zeißsehen Punktalgläsem von —13,0 Dioptrien 
brechender Kraft erhältlich. 

Es sei hier noch bemerkt, daß Brillengläser von — 10,0 Dioptrien Krüm¬ 
mung den gewöhnlichen Uhrgläsem nicht nur wegen der exakteren Ober¬ 
fläche, sondern auch wegen ihrer meist größeren Tiefe vorzuziehen sind, 
denn die im Handel befindlichen Uhrgläser weisen in der Mitte eine mit 
dem Sphärometer gemessene Krümmung auf, die gewöhnlich kleiner 


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74 


K. Wühliseli: Die physikalischen Grundlagen einer 


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als —10.0 Dioptrien ist. Krümmungen von —5,0 bis —6,0, wie sie 
sich bei den Uhrgläsem anscheinend am häufigsten finden, reichen 
zur Erzielung guter Übereinstimmung bei Parallel versuchen noch nicht 
ganz aus. 

Die folgende Betrachtung aber wird uns die Notwendigkeit der Wahl 
von Gerinnungsgläsem geeigneter Krümmung ganz besonders deutlich 
vor Augen führen. Werfen wir noch einen Blick auf Tab. III. 

Wir wollen einmal die in den vier verschiedenen Horizontalreihen 
stehenden GZ-Werte ihrer Größe nach in absteigender Reihenfolge 
anordnen. Wir erhalten dann in der Horizontalreihe —15,0 diese 
Reihenfolge: Vers . n 

„ IV 
„ III 


und in der Reihe —15,0 die folgende: 

Vers. II 
„ III 
„ IV 


Daß in diesen beiden Reihen die Versuche III und IV ihren Platz 
gewechselt haben, erklärt sich daraus, daß die Unterschiede der GZ- 
Werte der Versuche III und IV bereits innerhalb der Fehlergrenzen der 
Methode liegen, denn es handelt sich um Differenzen von 2—3 Minuten, 
das sind ungefähr 4—5% der absoluten Werte. Die GZ-Werte von 
Versuch III und IV sind also praktisch gleich und die richtige 
Reihenfolge der Gerinnungszeiten, wie man sie immer 
finden sol lte, • w äre also die folgende: 

Vers. II 

Vers. III = Vers. IV 
Vers. I 
Vers. V 


Vergleichen wir mit diesem Ergebnis nunmehr das mit den Gläsern 
schwächerer Krümmung erhaltene. Die Horizontalreihe —5,0 liefert 
die falsche Reihenfolge: 

Vers. II = Vers. III = Vers. IV 
Vers. I 
Vers. V 


die Horizontalreihe —2,5 endlich das noch schlechtere Resultat: 


Vers. IH 

Vers. I = Vers. II 
Vers. IV 
Vers. V 



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rationellen Methodik zur Bestimmung 1 der Gerinnungszeit des Venenblutes. 75 

Schlagender als durch den so erbrachten Nachweis, daß man mit 
Gläsern zu schwacher KrümmungunterUmständenzu völlig 
falschen Ergebnissen kom men kann, läßt sich die Wichtigkeit der 
Wahl rationeller Gerinnungsgefäße wohl nicht zeigen. 

Es ist nach dem Gesagten selbstverständlich, daß eine Verwendung 
von Uhrgläsern, die man durch einen Probegerinnungsversuch aus¬ 
titriert, wie dies Stephan tut, nicht annähernd dieselbe Sicherheit für 
wirkliche Übereinstimmung der Gläser gewährt, wie meine Methode. 
Denn bei den starken Schwankungen, welche die Gerinnungszeit in 
flacheren Gläsern aufweist, können einmal praktisch gleiche GZ-Werte in 
erheblich verschiedenen Gläsern zustande kommen (siehe Tab. III, 
Vers. I. —2,5 GZ = 35; —5,0 GZ = 37), während vielleicht ein anderer 
Versuch zu gänzlich verschiedenen Werten führt. 

4. Der Einfluß der Bewegung des Blutes. 

Über den Einfluß der mit dem Blute während des Gerinnungsvor¬ 
ganges vorgenommenen Bewegungen orientiert die folgende Tabelle. 
Benutzt wurden wie gewöhnlich Brillengläser von — 10,0 Dioptrien. 

Tabelle V. 


Versuch 

Neigung der Gläser 

uz 

1 

a) jede Minute mehrmals 

28 


b) jede V Minute 2 mal 

58 

2 

a) jede Minute 2 mal 

28 


b) jede III Minute 2 mal 

37 

3 

a) jede Minute mehrmals 

b) erst gegen Ende der 

20 


Gerinnung einigemale 

47 

4 

a) jede Minute 2 mal 

37 


b) jede V Minute 2 mal , 

57 


Der Einfluß der Bewegung auf die Gerinnungszeit ist also ganz über¬ 
raschend groß. Die hieraus resultierende Fehlerquelle ist jedoch leicht 
unschädlich zu machen dadurch, daß man das Neigen der Gläschen 
nach, der Uhr in regelmäßigen Abständen vomimmt — ich tue es jede 
Minute einmal — und nach Möglichkeit darauf achtet, daß die Bewegung 
auch gleich weite Exkursionen macht und mit annähernd derselben 
Geschwindigkeit ausgeführt wird. Bei Beobachtung dieser Vorsichts¬ 
maßregeln erhält man sehr gute Übereinstimmung der Parallel versuche. 
Will man also nachprüfbare Werte der Gerinnungszeit angeben, so hat 
man die Art und Weise, in welcher man die Bewegungen zur Kontrolle 
des GerinnungsVorganges ausführte, genau zu beschreiben. 

Die Ursache der Gerinnungsbeschleunigung durch die Bewegung.hat 
man wahrscheinlich in einer besseren Durchmischung der Blutflüssigkeit 
mit dem an der Wand gebildeten Thrombin zu suchen. 


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76 E. Wöhliseh : Die physikalischen Grundlagen einer 

6. Der Temperatureinfluß. 

Die Ausschaltung des Temperatureinflusses gelang durch die Kon¬ 
struktion des nebenstehend im Längsschnitt abgebildeten Gerinnungs¬ 
thermostaten*). 

Der Apparat besteht aus einem auf 4 Füßen ruhenden Blechkasten 
mit doppelten Seitenwänden und doppeltem Boden. Der Außen¬ 
mantel M des Apparates dient zur Aufnahme des Heizwassers, dessen 
Temperatur durch ein von oben hineinragendes Thermometer Th x kon¬ 
trolliert werden kann. Durch eine 
unter den Thermostaten gestellte 
kleine Gasflamme kann die Wasser¬ 
temperatur reguliert werden. 

Das herausnehmbare Dach D des 
Apparates ist zur Vermeidung von 
Wärmeverlusten ebenfalls doppel¬ 
wandig und mit einer Öffnung in 
Form eines kurzen Rohrstutzens ver¬ 
sehen. Der Apparat hat 2 Doppel¬ 
fenster, das eine F x an der Vorder¬ 
wand zur Beobachtung des Innen- 
raumes, das zweite F 2 dem ersten 
genau gegenüberliegend an der Hin¬ 
terwand zur Beleuchtung des Innen- 
raumes durch Tageslicht oder eine 
künstliche Lichtquelle. Die Fenster 
sind als Doppelfenster ausgebildet 
zwecks besserer Wärmeisolierung. 
Während das hintere Fenster fest 
eingekittet ist, liegt das vordere 
Fenster in einer doppelwandigen 
Blechtür T, die den Zugang zum 
Innern des Apparates vermittelt. So- 
Abb. 2. wohl die Tür wie das Dach des 

Apparates erlauben mittels einer 
Gummiabdichtung einen luftdichten Verschluß. Das feste Anpressen 
der Tür und des Daches wird durch einige drehbare Riegel besorgt. 

Dicht über dem Boden des Apparates ist in horizontaler Lage eine 
schmale zylindrisch geformte Glühbirne B angebracht, die als Wärme¬ 
quelle für das Innere dient, um dieses durch kurzes Einschalten des Stro¬ 
mes schnell auf die gewünschte Temperatur bringen zu können; wegen 
der schlechten Wärmeleitfähigkeit der Luft dauert es sonst nämlich 

*) Eine kurze Beschreibung des Prinzips dieses Apparates gab ich bereits in 
einer früheren Arbeit 8 ). 



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rationellen Methodik zur Bestimmung der Gerinnungszeit des Venenblutes. 77 

ziemlich lange, bis das Innere der Kammer die Temperatur des Heiz¬ 
wassers angenommen hat. 

Dicht unterhalb der Mitte der Türe führt unter luftdichtem Abschluß 
quer durch den Apparat von vom nach hinten eine horizontale Metall¬ 
achse A, deren vorderes Ende als Griff ausgebildet ist, vermittels 
dessen man die Achse in ihren Lagern drehen kann. Die Achse 
trägt im Innern des Apparates abnehmbar auf montiert eine Blech - 
scheibe mit hochgebogenen Seitenrändem. Diese Scheibe dient als 
Unterlage für eine Petrischale und diese wieder zur Aufnahme der 
Brillengläser Br für den Gerinnungsversuch. In Höhe der Petri¬ 
schale wird die rechte Seitenwand durchsetzt von einem kurzen 
Rohr. Durch dieses hindurch erfolgt mittels einer längeren Kanüle 
das Einspritzen des Blutes in die Gläser. Das Rohr ist für gewöhnlich 
durch einen Gummistopfen verschlossen. 

Durch Drehen der Achse kann man ein seitliches Neigen der Gläser 
zum Zwecke der Kontrolle des Gerinnungsvorganges bewerkstelligen. 
Die Fenster liegen mit ihrem unteren Rande gerade in Höhe der Petri¬ 
schale, so daß man sehr flach über die Blutoberfläche hin gegen die 
Lichtquelle visieren kann, was die vorteilhafteste Art der Beobachtung 
erlaubt. 

Durch die mit durchbohrtem Korken versehene Öffnung des Deckels 
führt man ein langes möglichst empfindliches Thermometer Th 2 ein. 
Da Wärme Verluste während des Einspritzens des Blutes durch die kleine 
seitliche Öffnung nicht eintreten, so kann man sagen, daß die Forderung 
der Temperaturkonstanz bei diesem Apparat in vollkommener Weise 
erfüllt ist. 

Um Verdunsten des Blutes während der Gerinnung zu verhindern, 
hat man Sorge zu tragen, daß die Luft im Apparat wasserdampf gesättigt 
ist. Ich erreiche dies, indem ich das als Unterlage für die Brillengläser 
in der Petrischale dienende Stück Zellstoff mit Wasser durchtränke. 

6. Die Ausführung eines Gerinnungsversuehes. 

Man stellt zwei sorgfältig mit destilliertem Wasser, Alkohol und 
Äther gereinigte Brillengläser von — 10,0 Dioptrien innerer Krümmung 
und ca. 4 cm Durchmesser in Richtung der Achse hintereinander in 
die mit einer Schicht wassergetränktem Zellstoff ausgekleidete Petri¬ 
schale, verschließt die Tür und bringt das Wasser im Mantel und die 
Luft im Beobachtungsraum auf die gewünschte Temperatur. Man wartet 
einige Zeit, damit die Gläser ebenfalls die richtige Temperatur an¬ 
nehmen können. Dann Venenpunktion mit sauberer und trockener 
10 ccm-Spritze und Einspritzen der gleichen Anzahl Tropfen Blut 
durch die seitliche Öffnung in jedes der beiden Gläser. Ich verwende 
gewöhnlich Blutmengen von 0,75 oder 1,0 ccm. 


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78 K. Wölilisrh : Die physikalischen Grundlagen einer 

Beim Eintropfen hat man auf genau gleiche Haltung der Nadel zu 
achten. Besonders praktisch wäre vielleicht die Verwendung einer 
vom rechtwinklig abgebogenen Kanüle ohne Spitze. Aus einer solchen 
Kanüle könnte man bei horizontaler Haltung der Spritze das Blut in 
vertikaler Richtung in die Gläser tropfen lassen. 

Man achtet darauf, daß die Tropfen auf die tiefste Stelle der Gläser 
fallen, da nur so eine gleichmäßige Ausbreitung des Blutes zu genauer 
Kreisform gewährleistet ist. Dann Verschließen des Eintropfrohres 
durch Stopfen. 

Notieren der Zeit. Kontrolle der Temperatur. 

Jede Minute einmal sanftes Neigen der Schälchen nach beiden Seiten, 
wobei darauf zu achten ist, daß das Blut nicht durch Überfließen 
seine ursprüngliche kreisförmige Berührungsfläche mit 
dem Glase vergrößert, da sonst schnellere Gerinnung erfolgt. 

Der Zeitpunkt, in welchem bei Neigung der Schälchen nicht die ge¬ 
ringste Bewegung der Oberfläche des Blutes mehr wahrzunehmen ist, 
wird als Ende der Gerinnung vermerkt. 

Die Übereinstimmung der beiden Kontrollen ist bei genauer Beobach¬ 
tung aller besprochenen Vorsichtsmaßregeln ausgezeichnet. Die Un¬ 
sicherheit in der Bestimmung des Gerinnungsendes, das ja nicht einen 
scharf charakterisierten Augenblick vorstellt wie der Gerinnungsbeginn, 
ist nach meinen Erfahrungen nur klein. Derselbe Beobachter erhält 
zweifellos Resultate, die ausgezeichnet miteinander vergleichbar sind. 
Aber auch die Gerinnungszeiten, die von verschiedenen Beobachtern 
unabhängig voneinander an demselben Blut bestimmt werden, scheinen 
nur wenig voneinander zu differieren, so daß von hier der Aufstellung 
von Normen für die Gerinnungszeit nichts im Wege stehen dürfte. 

7. Die Fehlergrenzen der Methode. 

Wir haben zum Schluß noch die Fehlergrenzen der besprochenen 
Methode zur Bestimmung der Gerinnungszeit zu erörtern. Hierzu noch 
einige prinzipielle Bemerkungen: 

Wir haben voneinander zu unterscheiden zwei verschiedene Arten 
von Fehlerquellen: 

A) diejenigen, welche zu Schwankungen in der Bestimmung der 
Gerinnungszeit einer Gerinnungsflüssigkeit von konstanten Eigen¬ 
schaften führen. Nur mit diesen Einflüssen hat sich unsere Arbeit 
eingehend beschäftigt und gezeigt, wie man die Störungen elimi¬ 
nieren kann. 

B) die in der Methode zur Blutentnahme liegenden Fehlerquellen. 
Diese müssen also allen Methoden zur Bestimmung der Gerinnungszeit 
oder der Reaktionszeit des Venenblutes gemeinsam sein. Durch diese 
Fehlerquellen wird bewirkt, daß man das Blut nicht in dem Zustande 


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rationeilen Methodik zur Bestimmung der Gerinnimgszeit des Venenhlutes. 


79 


in die Spritze und damit auch in die Gerinnungsgefäße bekommt, wie 
es für gewöhnlich in den Gefäßen kreist. 

Ein Eingehen auf diese zweite Art der Fehlerquellen, die sich störend 
bemerkbar machen können, wenn man etwa die Beeinflussung der Gerin¬ 
nungsfähigkeit des Venenblutes durch therapeutische Maßnahmen stu¬ 
dieren will, lag außerhalb des Rahmens dieser Arbeit, die sich nur mit 
den physi kalisehe n Grundlagen der Methodik befassen sollte, während 
bei der Klasse B der Störungen hauptsächlich chemische oder physi- 
kalisch-chemische Einflüsse in Frage kommen dürften. Hier ist zu 
denken an Unterschiede der C0 2 -Spannung oder andersartige Beein¬ 
flussungen der Zusammensetzung des Blutes infolge verschiedenartiger 
Maßnahmen bei der Venenpunktion. 

Der Gesamtfehler bei einer Bestimmung der Gerinnungsfähigkeit 
des Venenblutes setzt sich also zusammen aus den einzelnen Fehlern 
der Sorte A und B. Wir sind in der Lage, ihre relative Beteiligung am 
Gesamtfehler abzuschätzen. 

Beobachtet man die in dieser Arbeit besprochenen Vorsichtsma߬ 
regeln zur Eliminierung der störenden Einflüsse der Klasse A, so wird 
man an einem Blut von sicher konstanten Eigenschaften nur sehr ge¬ 
ringe Schwankungen der GZ-Werte erhalten, die maximal 6% betragen 
dürften. In der Regel wird sogar die Übereinstimmung weit besser 
sein. Untersuchen wir aber das Blut eines Menschen, indem wir in mög¬ 
lichst kurzem zeitlichen Abstande zwei möglichst gleichartige Venen¬ 
punktionen ausführen und an beiden Blutproben die Gerinnungszeit 
bestimmen, so werden wir häufig GZ-Werte finden, die weit weniger 
gut miteinander übereinstimmen. Da man nicht gut annehmen kann, 
daß das Blut in so kurzer Zeit aus inneren Ursachen eine erheblichere 
Änderung seiner Eigenschaften erfährt, so muß man den Grund für 
die mangelhafte Übereinstimmung in unbeabsichtigten Verschieden¬ 
heiten in der Ausführung der Blutentnahme erblicken. 

Der Anteil dieser Fehlerquelle ist wie gesagt größer als der unter 
A besprochene, jetzt praktisch eliminierte. 

Die gesamte Fehlergrenze der Methode schätze ich in Überein¬ 
stimmung mit Morawitz auf ca. 20%. 

Systematische Untersuchungen über die durch die Ausführung 
der Blutentnahme bedingten Fehlerquellen und ihre Vermeidung 
sind noch im Gange. Es ist zu hoffen, 'daß es durch eine beson¬ 
dere Methode der Venenpunktion gelingen wird, auch diese Fehler¬ 
quelle ebenso unschädlich zu machen wie die in dieser Arbeit be¬ 
sprochenen. 

Von der Lösung dieser Aufgabe hängt also nunmehr die Erreichung 
unseres Zieles ab: die Aufstellung möglichst engbegrenzter Normen 
für die Gerinnungszeit des Venenblutes. 


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80 


E. VVühlisch: Die physikalischen Grundlagen einer 


Nicht dagegen ist dieses Ziel auf dem aus Unkenntnis des relativen 
Anteils der verschiedenen Fehlerquellen bisher üblichen Wege zu er¬ 
reichen, der in der Ersinnung immer neuer, mehr oder minder kompli¬ 
zierter Methoden zur Bestimmung der Gerinnungszeit bestand. 

Zusammenfassung. 

Bei den Methoden zur Ermittelung zeitlicher Gerinnungsdaten 
sind dem Prinzip nach zu unterscheiden 

1. die Methoden zur Bestimmung der „Reaktionszeit“, d. i. der 
Zeit von der Blutentnahme bis zum Beginn der Gerinnung und 

2. die Methoden zur Bestimmung der eigentlichen „Gerinnungszeit“ 
(GZ), d. h. der Zeit von der Blutentnahme bis zum Festwerden des Blutes. 

Die Unterscheidung hat praktische Wichtigkeit, da von dem Prinzip 
der verwendeten Methode die Zahl und Art der in Betracht kommenden 
Fehlerquellen abhängt. 

Hat man eine Gerinnungsflüssigkeit mit konstanten Eigenschaften, 
so ist die ermittelte Reaktionszeit abhängig von folgenden äußeren 
Bedingungen: 

a) von der Versuchstemperatur, 

b) von den mechanischen Manipulationen, die mit dem Blut während 
des Gerinnungsvorganges vorgenommen werden; die Reaktionszeiten 
sind dagegen unabhängig von der verwendeten Blutmenge und von 
der Form des zur Untersuchung benutzten Glasgefäßes. 

Bei den Methoden zur Bestimmung der Gerinnungszeit sind dagegen 
diese beiden Faktoren mit von ausschlaggebender Bedeutung. 

Es werden an einer Methode zur Bestimmung der Gerinnungszeit, 
deren Prinzip von Morawitz und Bierich stammt, Untersuchungen 
angestellt über den zahlenmäßigen Einfluß der verschiedenen Fehler¬ 
quellen. Die Untersuchungen haben im wesentlichen folgende Er¬ 
gebnisse : 

1. Es wird eine Fehlerquelle bei der Abmessung der zu untersuchen- 
% den Blutmenge aufgedeckt, die darin besteht, daß die Tropfengröße eine 

starke Abhängigkeit von der Haltung der Spritze beim Austropfen 
des Blutes aufweist. 

2. Es wird gezeigt, daß nur die Blutportionen einer Punktion zu 
Gerinnungsuntersuchungen verwendet werden dürfen, die sich ohne 
Anwendung von stärkerem Druck aus der Spritze in die Gläser bringen 
lassen. Setzt die Gerinnung bereits in der Spritze ein, was man an dem 
größeren Widerstande beim Ausspritzen erkennt, so erhält man unter 
Umständen viel zu kurze Gerinnungszeiten infolge der Beschleunigung 
des Gerinnungsvorganges durch in der Spritze vorgebildetes Fibrin. 

3. Es wird der Einfluß der Form des Gerinnungsgefäßes auf die Größe 
der Gerinnungszeit untersucht. Benutzt werden hierbei Brillengläser 


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rationellen Methodik zur Bestimmung der Gerinnungszeit des Venenblutes. 81 


verschiedenen Krümmungsgrades. Unter sonst gleichen Bedingungen 
ist die Gerinnungszeit um so größer, je stärker die Krümmung des ver¬ 
wendeten Glases ist. Bei vollkommener Ausbreitung der Gerinnungs¬ 
flüssigkeit auf einer planen Glasfläche müssen die Begriffe „Reaktionszeit 
und „Gerinnungszeit“ zusammenfallen. Es werden die theoretischen 
Gründe für dieses Verhalten erörtert. 

Es wird dann gezeigt, daß die Übereinstimmung von Parallelversuchen 
um so besser ist, je tiefer die benutzten Gläser sind. Als gut geeignet 
für Gerinnungsuntersuchungen werden bikonkave Brillengläser von 
— 20,0 Dioptrien brechender Kraft = —10,0 Dioptrien Oberflächen¬ 
krümmung empfohlen. Es wird nachgewiesen, daß die Verwendung 
zu flacher Gläser zu völlig falschen Ergebnissen bei der Bestimmung 
der Gerinnungszeiten führen kann. 

4. Es wird gezeigt, daß häufigeres Bewegen der Gerinnungsgläser 
den Vorgang der Gerinnung außerordentlich staTk beschleunigt. 

5. Eis wird die Konstruktion eines Gerinnungsthermostaten be¬ 
schrieben, der gestattet, die Beobachtung des Gerinnungsvorganges 
bei beliebig einstellbarer konstanter Temperatur vorzunehmen. 

Bei Einhaltung aller besprochenen Vorsichtsmaßregeln ist die Über¬ 
einstimmung von Parallelversuchen an einer Gerinnungsflüssigkeit mit 
konstanten Eigenschaften sehr befriedigend. Nach Ausschaltung der 
in der Arbeit untersuchten Fehlerquellen liegen die Hauptschwierigkeiten 
bei Gerinnungsuntersuchungen in der Methode der Blutentnahme aus 
der Vene. Diese Fehlerquelle bedarf zu ihrer Beseitigung noch weiterer 
eingehender‘Untersuchungen, über deren Ergebnisse später berichtet 
werden wird. 


Literaturverzeichnis. 

*) Morawitz, Die Blutgerinnung, in Abderhaldens Handbuch der biochemi¬ 
schen Arbeitsmethoden 5, 1. — 2 ) Btirker, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1#£, 
36; 118, 452. — ? ) Morawitz und Bierich, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 
56,115. 1906. — 4 ) Fonio, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chirurg. fcT. — 6 ) Sahli, 
Dtsch. Arch. f. klin. Med. 1910, S. 99. — *) Wöhlisch, Münch, med. Wochenschr. 
1921, Nr. 43. — 7 ) Wöhlisch und Pieritz, dieses Heft. — 8 ) Wöhlisch, Münch, 
med. Wochenschr. 1921, Nr. 31. — ü )Stephan, Münch, med. Wochenschr. 1920, 
Nr. 11. 


Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 


6 


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Untersuchungen zur Methodik der vergleichenden Thrombin- 
bestimmung im Serum. 

(Wöhlisch, Untersuchungen über Blutgerinnung, V.)*) 

Von 

Edgar Wöhlisch und Konrad Pieritz. 

v (Aus der Medizinischen Klinik zu Kiel. [Direktor: Prof. Dr. A. Schiiten hei m].) 

(Eingegangen am 16. Januar 1922.) 

Der Vorgang der Gerinnung des Blutes zeigt in seinem zeitlichen 
Verlauf eine komplizierte, noch keineswegs voll aufgeklärte Abhängig¬ 
keit von einer ganzen Anzahl verschiedener Faktoren. 

Hier wären unter anderen zu nennen die Konzentration des Fibrino¬ 
gens im Plasma sowie der durch das jeweilige physikalisch-chemische 
Milieu bedingte Dispersitätsgrad dieses Eiweißkörpers. Des weiteren 
hat man zu denken an die Anwesenheit von gerinnungshemmenden 
oder fördernden Stoffen, die in anderer Weise als durch Änderung des 
Dispersitätsgrades die Geschwindigkeit der Gerinnung beeinflussen 
können. 

Endlich ist von ausschlaggebender Bedeutung die im Blute gebildete 
mehr oder minder große Menge des Thrombins, also jener gerinnungs- 
auslösenden Substanz, die nach den älteren Gerinnungstheorien von 
A. Schmidt und C. Morawitz als ein Ferment aufgefaßt wird, durch 
das die Umwandlung des gelösten Fibrinogens in das unlösliche Fibrin 
bewirkt wird, während neuere Theorien der Gerinnung (z. B. die von 
A. Nolf oder von Herzfeld und Klinger) dem Thrombin den Ferment¬ 
charakter absprechen wollen. 

Aufgabe der wissenschaftlichen Analyse ist es, nach Möglichkeit 
den jeweiligen Angriffspunkt eines gerinnungsbeeinflussenden Agens 
aufzudecken. 

Uns interessiert hier insbesondere die Summe jener Agenzien, die 
sich im Serum des Blutes nach Ablauf des Gerinnungsvorganges nach wei¬ 
sen lassen, wobei der Wichtigkeit nach an erster Stelle der wechselnde 
Thrombingehalt des Serums stehen dürfte. Es ist hier zu bemerken, 

*) Mitteilung I. Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 8. Mitteilung II. Münch, 
ined. Wochenschr. 1921, Nr. 30. Mitteilung III. Münch, med. Wochenschr. 1921. 
Nr. 43. Mitteilung IV. Dieses Heft, vorstehende Arbeit. 



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E. Wöhlisch u. K. Pieritz: Methodik der vergleich. Thrombinhestimmung usw. 82 


daß die quantitative Ermittelung der im Serum vorhandenen Thrombin¬ 
menge keineswegs der Bestimmung der gesamten während der Gerin¬ 
nung gebildeten Thrombinmenge gleichkommt. Denn einmal wird, 
wie besonders Stromberg, ein Schüler von Morawitz, nachgewiesen 
hat, ein großer Teil des gebildeten Thrombins von dem Fibrin wahrschein¬ 
lich durch einen Adsorptionsvorgang gebunden. Außerdem geht aber 
auch das im Serum vorhandene Thrombin im Laufe der Zeit in einen 
inaktiven Zustand (Metathrombin nach Morawitz) über. Trotz 
alledem ist eine vergleichende Bestimmung des Thrombingehaltes des 
Serums von großer Bedeutung, wie im folgenden noch an einigen Beispie¬ 
len erläutert werden wird. 

Zur möglichst genauen quantitativen Bestimmung des Thrombins 
liegt eine Methode von Wohlgemuth 1 ) vor, die darauf beruht, daß 
das Thrombin durch Magnesiumsulfat unter Geltung stöchiometrischer 
Beziehungen paralysiert werden soll. Bei der Wohlgemuthschen Me¬ 
thode wird demgemäß eine Reihe von Reagensgläsem mit absteigenden 
Quantitäten Serum beschickt, die Volumdifferenzen mit den entspre¬ 
chenden Mengen 1 proz. kalkfreier Kochsalzlösung ausgeglichen und 
jedem Glas 2 ccm eines nach A. Schmidt bereiteten Magnesiumsulfat¬ 
plasmas zugesetzt. Indem man nach 24 ständigem Verweilen der Gläser 
im Eisschrank kontrolliert, welche Serummenge eben noch gerinnungs- 
auslösend wirkt, kann man den Grenzwert der koagulierenden Kraft 
des Serums bestimmen und hat damit ein relatives Maß für seinen 
Throm bingehal t. 

Über eine neue, besonders einfache und schnell zum Resultat füh¬ 
rende Methode berichtete R. Stephan 2 ). Er ermittelte die von einer 
bestimmten Menge des zu untersuchenden Serums durch Zusatz zu 
einem frischen Kontrollblute in diesem hervorgerufene Beschleunigung 
der Gerinnung. Man bestimmt zu diesem Zweck einmal die Gerinnungs¬ 
zeit (GZ) von 1 ccm des Blutes ohne Serumzusatz, indem man den 
Zeitpunkt ermittelt, in dem das in einem Uhrschälchen befindliche Blut 
bei einer Neigung des Schälchens keine Bewegung seiner Oberfläche 
mehr erkennen läßt. In gleicher Weise bestimmt man die GZ von 1 ccm 
desselben Blutes, dem 0,05 ccm des zu untersuchenden Serums zu¬ 
gesetzt sind. 

Den Quotienten aus den GZ-Werten des Kontrollblutes ohne Serum 
und mit Serumzusatz bezeichnet Stephan als ,,Gerinnungsbeschleu¬ 
nigungsfaktor“. Über diese Größe äußert sich Stephan folgender¬ 
maßen: ,,Der GBF des Normalserums hat sich in sehr zahlreichen Ver¬ 
suchen als Konstante erwiesen, die zwischen 1,4 und 1,8 schwankt, 
vorausgesetzt, daß Normalblut zum Gerinnungsversuch verwendet wird.“ 

Es muß hier sogleich bemerkt werden, daß die Stephansche Methode 
streng genommen nicht lediglich den Thrombingehalt des Serums ermit- 

6 * 


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84 


ft. Wöhlisch und K. Picritz: 


telt, sondern vielmehr die Summe der im Serum enthaltenen gerinnungs¬ 
aktiven Einflüsse. Denn „gerinnungsbeschleunigend' 4 können die verschie¬ 
densten Substanzen wirken, die mit dem Thrombin nicht das geringste zu 
tun haben; nur solchen Agenzien dagegen, die fähig sind, den Gerinnung¬ 
vorgang wirklich ,,auszulösen“ können wir vorläufig definitionsgemäß 
den Thrombincharakter zuerkennen. Dabei bleibt vorerst dahingestellt, 
ob das Thrombin überhaupt eine einheitliche, chemisch charakterisier¬ 
bare Substanz darstellt. 

Da es indessen alle Wahrscheinlichkeit für sich hat, daß der bei wei¬ 
tem größte Anteil an der gerinnungsbeschleunigenden Wirkung eines 
Serums auf das Thrombin entfällt, so soll auch in dieser Arbeit, die sich 
mit Methoden zum Nachweis einer Gerinnungsbeschleunigung befaßt, 
der Einfachheit halber vom wechselnden Thrombingehalt gesprochen 
werden, statt, wie es richtiger wäre, von der „Summe der gerinnungs¬ 
beschleunigenden Einflüsse“. 

Die eben besprochene Methode hat bisher folgende Anwendung ge¬ 
funden: Stephan stellte fest, daß durch eine Röntgenbestrahlung der 
Milz der GBF-Wert eines Serums ansteigt, während gleichzeitig die 
Gerinnungszeit eines Blutes abnimmt. Während aber nach einigen 
— etwa 3 — Stunden die GZ ihr Minimum erreicht, um bald wieder zum 
Normalw r ert zurückzukehren, steigt der GBF weiter an und soll sein 
Maximum erst wesentlich später erlangen. Derselben Methode bedienen 
sich weiter Nonnenbruch und Szyska bei ihren Untersuchungen 
über Gerinnungsbeschleunigung durch Milzdiathermie 3 ) sowie durch 
Injektion von Euphyllin und anderen Aminen 4 ). Sie verwendeten die 
Stephansche Methode neben der von Wohlgemuth und konnten 
ein Parallelgehen der mit den beiden Methoden erzielten Ergebnisse 
feststellen. Ein Beweis für die Richtigkeit der eben geäußerten Ansicht, 
daß der Hauptanteil der Gerinnungsbeschleunigung dem Thrombin 
zu verdanken ist. 

Mit der GBF-Methode arbeitete ferner der eine von uns (Wöhlisch) 
in Untersuchungen über Blutgerinnung bei Splenektomierten 6 ). Es 
konnte gezeigt w r erden, daß tatsächlich nach Exstirpation der Milz 
eine Röntgenbestrahlung der Milzgegend keinen Effekt auf GZ und 
GBF ausübt. Ferner zeigte Wöhlisch, daß GZ und GBF bei Hämo¬ 
philen 6 ) durch Röntgenbestrahlung im selben Sinne beeinflußt werden 
wie beim Normalen und endlich 7 ), daß der GBF-Wert des Hämophilen 
durchaus von derselben Größenordnung ist wie der des Normalen, 
trotz der enormen Verlangsamung der hämophilen Blutgerinnung. 

In einer kürzlich erschienen Arbeit berichtet Stephan 8 ), daß solche 
Einwirkungen auf den Organismus, die eine Erhöhung der gerinnungs¬ 
beschleunigenden Kraft des Serums bewirken, auch zu einer Steigerung 
der proteolytischen Fähigkeit des Serums führen. Stephan bringt beide 


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Untersuchungen zur Methodik der vergleich. Thrombinbestiininung im Serum. 85 


Erscheinungen in ursächlichen Zusammenhang, indem er annimmt, 
daß der höhere Trypsingehalt des Serums zu einer vermehrten Bildung 
von niederen Eiweißabbauprodukten und ihren Ca-Verbindungen 
— d. h. von Thrombin nach Herzfeld und Klinger — führe. 

Wir sehen aus den vorstehenden kurzen Andeutungen, daß eine 
Thrombinbestimmung im Serum ein großes theoretisches Interesse 
besitzt. 

Hatte die vorstehende Arbeit das Ziel, die Methodik zur Bestimmung 
der Gerinnungszeit eines Blutes auf eine möglichst exakte Basis zu stel¬ 
len, so soll diese Arbeit einen kritischen und experimentellen Beitrag 
liefern zur Methodik der Thrombinbestimmung im Serum. Dabei 
befaßt sich der erste Teil unserer Arbeit mit der Frage, ob tatsächlich 
die von Stephan eingeführte, als Gerinnungsbeschleunigimgsfaktor 
bezeichnete Größe die Eigenschaften einer Konstante. aufweist. 
Im zweiten Teil der Arbeit berichten wir über eine neue Methode zur 
Bestimmung der gerinnungsbeschleunigenden Kraft eines Serums, 
die sich durch besondere Einfachheit und Exaktheit auszeichnet. 

Teil I. 

Stellt der Gerinnungsbesehleunigungsfaktor eine Konstante vor? 

Der Gedanke, daß der Quotient aus den GZ-Werten eines Blutes mit 
und ohne Serumzusatz sich als eine Konstante erweisen soll, erscheint 
bei oberflächlicher Überlegung recht einleuchtend. Denn es ist ja 
denkbar, daß die Änderung der beiden Gerinnungszeiten, die an sich 
eine starke Variabilität mit den äußeren Bedingungen auf weisen, 
stets in proportionalem Verhältnis erfolgte, so daß ihr Quotient den 
gleichen Wert bei behält. 

Ob dies zutrifft, soll durch die folgenden Untersuchungen entschieden 
werden. Im Anschluß an die Untersuchungen der vorherstehenden Arbeit 
über die Abhängigkeit der Gerinnungszeit eines Blutes von der Tempe¬ 
ratur, der Krümmung der Oberfläche des Schälchens, mit der das Blut 
w ährend der Gerinnung in Berührung steht, sowie von der mechanischen 
Bewegung des Blutes prüften wir, ob sich diese Einflüsse durch 
Bildung des Quotienten gerade kompensieren, so daß eine Konstante 
resultiert. 

Ferner wurde noch untersucht, wie groß die Schwankung des GBF- 
Wertes eines Serums ist, wenn man sich zur Ermittelung dieses Wertes 
verschiedener Kontrollblute bedient. 

1. Besteht ein Einfluß der mechanischen Bewegung des 
Blutes während des Gerinnungsvorganges auf die Größe 
des GBF-Wertes? 

Wir sagten eben, daß sich der Gedanke von der Konstanz des GBF- 
Wertes bei oberflächlicher Überlegung als einleuchtend erweist. 


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86 


E. Wühlisch mul K. Pieritz: 


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Überlegt man sich die Sachlage jedoch genauer, so kommen sofort Be¬ 
denken, die wir an dieser Stelle eingehender besprechen wollen: 

Die Gerinnungszeit eines Blutes wird durch Bewegung (Rühren, 
Schaukeln) stark abgekürzt. Dies beruht sicherlich zum großen Teil, 
wenn nicht sogar ausschließlich, darauf, daß durch die Bewegung dem 
an der Glaswand entstehenden Thrombin die Vermischung mit der 
Blutflüssigkeit erleichtert wird. Physikalisch gesprochen: Die Ver¬ 
mischung erfolgt bei Bewegung des Blutes zum größten Teil durch 
,,Konvektion“, während sie in der Ruhe nur durch den langsamen 
Vorgang der Diffusion besorgt wird. 

Neben dieser Art der Beschleunigung der Gerinnung durch Bewegung 
ist noch eine zweite Möglichkeit hierfür denkbar ; es kann nämlich durch 
die Bewegung direkt die Ausflockung des Fibrinogens erleichtert wer¬ 
den. Ob dies der Fall ist, bzw. ob diese Frage überhaupt untersucht 
ist, darüber ist uns nichts bekannt. Es soll dieser Punkt ebenso wie 
andere Fragen aus der physikalischen Chemie der Gerinnung einer spe¬ 
ziellen Untersuchung unterzogen werden. Da es sich bei der Bestimmung 
der GZ eines Blutes stets nur um ein sehr sanftes Neigen der Glas¬ 
schälchen handelt, so dürfte diese zweite mögliche Art der Beschleuni¬ 
gung des GerinnungsVorganges kaum eine wesentliche Rolle spielen. 
Denn die Hauptbewegung ist hierbei eine Bewegung des Blutes relativ 
zur Glasoberfläche, also gerade eine Bewegung der thrombinbildenden 
Blutschicht, während das Innere des Blutes um so mehr in Ruhe bleibt, 
je weiter der Abstand von der Glaswand ist. 

Was folgt aus diesen Betrachtungen für unsere Frage nach der 
Konstanz des GBF? 

In dem Gläschen, welches das Kontrollblut ohne Serumzusatz 
enthält, muß der Einfluß der Bewegung des Schälchens sich in der üb¬ 
lichen Weise geltend machen. In dem Gläschen mit Serumzusatz 
jedoch erfolgt die Gerinnung zum größten Teil durch das von vorn¬ 
herein mit der Blutflüssigkeit gut vermischte zugesetzte Thrombin. 
Da nun diese Phase der Gerinnung, die Einwirkung des Thrombins 
auf das Fibrinogen nach dem oben Gesagten von der Bewegung unbe¬ 
einflußt bleiben dürfte, so kann sich in dem Gläschen mit Serumzusatz 
nur eine geringe oder gar keine Beschleunigung der Gerinnung durch 
stärkeres Schaukeln der Gläser bemerkbar machen. (Selbstverständliche 
Voraussetzung ist stets, daß das Glas ohne und mit Serum gleich oft 
und in gleicher Weise bewegt wird.) 

Wir werden also vermuten, daß der Quotient aus den Ge¬ 
rinnungszeiten der Kontrolle ohne Serum und mit Serum 
durch häufigere Bewegung der Gläser zum Zwecke der Be¬ 
stimmung des Gerinnungsendes kleinere Werte annehmen 
\v i r d. 



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Untersuchungen zur Methodik der vergleich. Thromhinhestimniumr im Serum. 87 

Die Richtigkeit dieser Überlegungen wurde durch die Versuche voll¬ 
bestätigt, deren zwei in der Tab. I zusammengestellt sind. 

Tabelle I. 


Versuch ' Bewegung der Glflser 

Gerinnungssystem 

uz 1 

GBF 

1 , Jede Minute 5 mal 

Blut A allein 

36 

2,0 

1 ! 

Blut A + Ser. 

18 

Jede III Minute 1 mal j 

Blut A allein ! 

55 

3.1 

J 

i i 

Blut A + Ser. 

18 

« 

2 i 1 Jede Minute 5 mal 

Blut B allein 

25 

2,3 


Blut B + Ser. 

11 

Jede IV Minute 2 mal 

Blut B allein 

45 

3,8 

i 

Blut B 4- Ser. | 

12 

2. Ist der GBF abhängig 

von der Form 

des zum 

Gerin- 

nungsversuch verwendeten 

Gefäßes? 



In der vorherstehenden Arbeit 

wurde gezeigt, daß die Gerinnungszeit 


eines Blutes in erheblichem Maße von der Form des Gefäßes, in welchem 


der Gerinnungsversuch vorgenommen wird, abhängt, und zwar derart, 
daß die gleiche Blutmenge unter sonst gleichen Bedingungen in einem 
flacheren Gefäße schneller gerinnt als in einem tieferen. Es hat daher 
keinen Sinn, absolute Angaben über Gerinnungszeiten zu machen, 
wenn man nicht dabei mit angibt, wie stark die Krümmung der Ober¬ 
fläche des Gerinnungsgefäßes ist. Es lag nahe, zu untersuchen, ob man 
mit demselben Serum und demselben Kontrollblute in Gläsern verschie¬ 
dener Krümmung gleiche oder verschiedene GBF-Werte erhält. Tab. II 

Tabelle II. 


Versuch 

11 t | 

Kr. 

! GZi 

UZu ] 

GBF 

1 

21,5* 

—15 

98 

53 1 

1,8 



— 10 

86 

42 1 

2,0 



— 2,5 

53 

• 27 

1,9 

2 

. 20,0 

—15 

48 

12 

4,0 



— 2,5 

42 

11 

3,8 

3 

18.0° 

— 10 

71 

17 

4,2 



- 2,5 

57 

13 

4,4 

4 

16,0 

— 15 

169 

20 , 

8,5 



—10 

141 

14 

10,1 



2,5 

85 

8 

10,6 

5 

18.0 

— 15 

64 

1 10 

6,4 



— 10 

60 

1 9 

6,7 



- 2,5 

40 

1 7 

5,7 

6 

18,5 15 

— 15 

89 

i 22 

4,0 



— 10 

51 

1 14 

3,6 



— 2,5 

46 

12 1 

3,8 

7 

17,0° 

-15 

102 

10,0 

6,8 



— 10 

79 

12,5 

6,7 



— 2,5 

47 

8 

5,9 


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Original fro-m 

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88 


K. Wöhlisch und K. Pieritz: 


enthält die Ergebnisse der Versuche. Unter Kr. ist die Krümmung der 
inneren Oberfläche des verwendeten Brillenglases, gemessen in Dioptrien, 
verzeichnet. GZ X ist die Gerinnungszeit des Kontrollblutes ohne Serum, 
GZjj die des Kontrollblutes mit Serumzusatz. 

Ergebnis: Eine eindeutige Abhängigkeit des GBF-Wertes von der 
Krümmung des Glasfläche ist nicht nachzuweisen. Die in einigen 
Versuchen nicht unerheblichen Schwankungen des GBF zeigen keiner¬ 
lei Regelmäßigkeit, sie fallen der Ungenauigkeit der Methode zur Last. 

3. Besteht eine Abhängigkeit des GBF von der Versuchs¬ 
temperatur? 

Aus theoretischen Gründen ist ein Einfluß der Temperatur zu er¬ 
warten, da nur die eine der beiden Phasen der Gerinnung, die Bildung des 
Thrombins, einen erheblichen Temperaturkoeffizienten besitzt, während 
die Einwirkung des fertigen Thrombins auf das Fibrinogen von der 
Temperatur nur sehr wenig abhängig ist. Die Verhältnisse liegen hier 
also ähnlich wie bei der Frage nach dem Einfluß der Bewegung auf den 
GBF. 

Unsere Versuche hatten kein ganz eindeutiges Resultat, weshalb wir 
auf eine Wiedergabe derselben verzichten. Einige zeigten tatsächlich 
die Temperaturabhängigkeit in dem erwarteten Sinne, während sich 
in anderen Versuchen kein Einfluß der Temperatur nachweisen ließ. 

Die fehlende Eindeutigkeit der Versuche schreiben wir dem Umstande 
zu, daß die noch zu besprechende Ungenauigkeit der Bestimmung 
des Gerinnungsendes bei Zusatz von Serum sich in diesem Falle, wo 
Parallelbestimmungen des GBF bei Zimmertemperatur und bei 37 c 
ausgeführt wanden*), ganz besonders störend bemerkbar machte. 

Aus Gründen der Theorie und nach dem Ausfall einiger 
von unsern Versuchen möchten wir jedenfalls dafür halten, 
daß nur GBF-Werte gleicher Temperatur vergleichbare 
Daten vorstellen. 

4. Die Schwankungen des GBF eines Serums bei Ver¬ 
wendung verschiedener Kontrollblute. 

Nach Stephan soll der GBF bei Verwendung von Normalblut 
nur innerhalb ziemlich enger Grenzen (1,4—1,8) schwanken. Es inter¬ 
essierte uns die Frage nach der Größe der Schwankung bei wahlloser 
Verwendung von Kontrollbluten, wie sie uns in dem Patienten material 
der Klinik zur Verfügung stehen. Da mit Sicherheit normale Menschen 
selbst in einer größeren Klinik durchaus nicht immer zur Verfügung 
stehen, wenn man ihrer als Spender eines Kontrollblutes bedarf, so hatte 
unsere Frage praktisches Interesse. Ausgeschlossen wurden bei unsern 
L T ntersuchungen nur solche Patienten, bei denen von vornherein ein 

*) Letztere in dem in der vorherstehenden Arbeit beschriebenen Cerinnunps- 
thermostaten. 


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Untersuchungen zur Methodik der vergleich. Thrombinbestimniung im Serum. 89 

pathologisches Gerinnungssystem zu erwarten war, wie z. B. Hämophile 
oder Ikterische. 

Da uns die Absolutwerte des GBF nicht interessierten, so wurde auf 
das Alter der verschiedenen verwendeten Sera nicht besonders geachtet. 

Eigentlich pathologische Gerinnungszeiten wurden in dieser Versuchs¬ 
reihe, in der 20 verschiedene Kontrollblute (Tab. III, Versuch 1 — 10, 
Blut a und b) und 10 verschiedene Sera untersucht wurden, nicht beob¬ 
achtet, auffallend waren nur einige besonders kleine GZ-Werte (Versuch 
7a und 9 b), so daß wir nicht anstehen möchten, den meisten der Unter¬ 
suchten ein normales Gerinnungssystem zuzusprechen. Da die Ein¬ 
haltung einer konstanten Temperatur in der ganzen Versuchs¬ 
reihe kein Interesse hatte, so wurden die Versuche bei Zimmer¬ 
temperatur angestellt. 

Tabelle III. 


Versuch || 

GZ! 


GBF 

Versuch 

GZj 

GZn 

GBF 

la T 

93 

8,6 

10,9 

6a 

80 

47 

1,7 

b 

77 

9 

8,6 

b 

63 

32 

2,0 

2 a 

80 

17 

4,7 

7 a i 

22 

10 

2,2 

b 

63 

22 

2,9 

b 

52 

15 

3,5 

3a 

84 

42 

2,0 

8a 

117 

20 

5,9 

b 

76 

19 

4,0 

b 

118 | 

14 i 

8,4 

4a 

79 j 

16 

6,3 

9a 

106 

47 

2,3 

b 

53 j 

17 

3,1 

b 

39 1 

11 i 

3,5 

5a 

83 

! 26 

3,2 

10 a 

67 

9 ! 

7,4 

b 

65 

1 17 

1 1 

3,8 

b 

77 ] 

14 

| 

5,5 


Die Schwankungen des GBF-Wertes im selben Versuche sind also 
unter Umständen recht erheblich (siehe besonders die Versuche 2, 3 
und 4). Eine eindeutige Beziehung des GBF zur GZ desKon- 
trollblutes ist nicht zu erkennen, denn in einigen Versuchen 
liefert die Kontrolle mit der kürzeren Gerinnungszeit den kleineren 
GBF-Wert (Versuch 1, 2, 4 und 7), während sich in anderen Versuchen 
gerade das entgegengesetzte Verhalten findet. 

Unsere ICrfahrungen mit der Stephanschen Methode können wir 
etwa folgendermaßen zusammenfassen: Die Methode ist zur schnellen 
Orientierung über den Gehalt eines Serums an gerinnungsbeschleuni¬ 
genden Stoffen sehr wohl geeignet. Sie liefert jedoch nur bei einiger 
Übung zuverlässige Resultate. Es fiel uns nämlich stets auf, 
daß sich der Endpunkt der Gerinnung bei Zusatz von Serum 
bei weitem nicht mit derselbenGenauigkeit feststellen läßt 
wie bei einem Blute ohne Serumzusatz. Selbst der Geübte wird 
häufig im Zweifel sein, welchen Zeitpunkt er sich als Gerinnungsende 
notieren soll. Das liegt daran, daß der Gerinnungsvorgang nicht so 
gleichmäßig vor sich geht wie im Blut ohne Zusatz, sondern anfangs. 


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90 


E. Wühlisrh und K. Pieritz: 


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wo der Thrombingehalt des zu gesetzten Serums am größten ist, mit größe- 
i er Geschwindigkeit abläuft als später, wo schon ein Teil des zugesetzten 
Thrombins verbraucht ist. Es kommt dann schüeßlich oft ein Moment, 
von dem ab die Gerinnung keine Fortschritte mehr zu machen scheint, 
obwohl die Blutmasse noch nicht völlig erstarrt ist. Der Geübte wird 
trotzdem selten im Zweifel sein, welchem von zwei Seris, die er unter 
Benutzung desselben Kontrollblutes untersucht, er die stärkere Gerin¬ 
nungsaktivität zuschreiben soll. Denn er kann den Ablauf der Gerinnung 
‘beobachten und daraufhin meist schon vor völliger Beendigung derselben 
angeben, welches Blut schneller gerinnt. Seine Zahlenangaben endlich 
werden untereinander vergleichbar sein, da er wirklich einander ent¬ 
sprechende Stadien der Gerinnung als Endpunkt ansehen wird. 

Infolge* der Unsicherheit in der Bestimmung des Gerinnungsendpunk¬ 
tes haftet der Methode aber eine gewisse Willkür an, und es können 
zwei verschiedene Beobachter, was die absolute Dauer des Gerinnungs¬ 
vorganges anbelangt, zu erheblich verschiedenen Resultaten kommen. 
Da sich diese Unsicherheit nur bei der Bestimmung der GZ des Blutes mit 
Serumzusatz findet, nicht dagegen beim unvermischten Blut, so 
folgt, daß verschiedene Beobachter zu ganz verschiedenen absoluten 
GBF-Werten kommen können. Die GBF-Werte haben daher unseres 
Erachtens als Absolutwerte, als ,,Konstante“, wie sie Stephan ver¬ 
standen wissen will, keine Bedeutung, selbst wenn man, was Stephan 
nicht getan hat, bemüht ist, auf möglichste Gleichheit in den äußeren 
Versuchsbedingungen — Bewegung der Gläser, Temperatur — zu 
achten. So sind mit Ausnahme eines unsere sämtlichen GBF-Werte der 
Tab. III höher als der von Stephan aufgestellte Normalwert. 

Eine weitere Unannehmlichkeit ist die, daß bei Serumzusatz der 
sich bildende Blutkuchen oft eine geringere Neigung zum Haften an 
der Glasfläche besitzt als beim unveränderten Blut, so daß durch vor¬ 
zeitige Ablösung des Gerinnsels der Versuch vor Erzielung eines Er¬ 
gebnisses unterbrochen wird. Es ist deshalb ratsam, beim Neigen der 
Schälchen ganz besondere Vorsicht walten zu lassen. 

Teil II. 

Eine neue Methode zur Messung der Gerinnungsbeschleunigung durch 
ein Serum (nach Wöblisch). 

Die besprochenen Mängel der Stephanschen Methode zur Messung 
der gerinnungsbeschleunigenden Kraft eines Serums erweckten den 
Wunsch nach einer Methode, die an Schnelligkeit und Einfachheit der 
Ausführung der Stephanschen nicht nachsteht, sie jedoch darin über¬ 
trifft, daß sie eine mit weniger Fehlerquellen behaftete, exaktere und 
vom subjektiven Ermessen weniger abhängige Bestimmung der zeit- 



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Untersuchungen zur Methodik der vergleich. Thrombinbostininiung im Serum. 91 


liehen Gerinnungsdaten zuläßt. Diese Bedingungen scheint die im fol¬ 
genden beschriebene neue Methode zu erfüllen. 

Ihr Prinzip besteht darin, daß die Gerinnungsbeschleunigung eines 
Serums nicht durch Ermittelung der Gerinnungszeiten eines Kontroll- 
blutes, sondern der Reaktionszeiten erfolgt, d. h. durch Bestim¬ 
mung der Zeit, die von der Entnahme des Blutes bis zum Beginn des 
Gerinnungsvorganges verläuft. Die Ermittelung der Reaktionszeit 
geschieht nach einem neuen, für unsere Zwecke besonders geeigneten 
Verfahren. Es wird nämlich das zu untersuchende Blut durch destillier¬ 
tes Wasser hämolysiert und dadurch durchsichtig gemacht. In der 
so erhaltenen fast völlig klaren roten Flüssigkeit, die man in einem 
Reagensglase gegen eine helle Lichtquelle beobachtet, markiert sich 
der Moment des Gerinnungsbeginnes mit erstaunlicher Schärfe durch das 
plötzliche Auftreten einer flockigen Trübung. 

Die Methode unterscheidet sich von allen bisherigen Methoden 
zur Ermittelung der zeitlichen Gerinnungsdaten dadurch, daß bei ihr 
die Zellen des Blutes zerstört w r erden und dabei wahrscheinlich ihre ge- 
rinnungsfordernden Substanzen an die Blutflüssigkeit abgeben. Will 
man daher die neue Methode lediglich zu Untersuchungen über die 
Gerinnungsfähigkeit verschiedener Blutsorten verwenden, so ist es 
von vornherein fraglich, ob die auf diese Weise erhaltenen Werte 
stets mit den z. B. nach Bürker erhaltenen Reaktionszeiten oder den 
im Brillenglase ermittelten Gerinnungszeiten parallel gehen werden. 
Denn es ist der Fall denkbar, daß etwa eine bestimmte Blutsorte aus 
dem Grunde langsamer gerinnt als eine andere, weil die in ihren Blutzel¬ 
len zwar in normaler Menge vorhandenen gerinnungsfördemden Sub¬ 
stanzen aus irgendeinem Grunde besonders langsam an die Blutflüssig¬ 
keit abgegeben werden. Bei einem Vergleich der beiden Blutsorten auf ihre 
Gerinnungsfähigkeit nach erfolgter Hämolyse könnte der Unterschied 
möglicherweise fortfallen, da dann bei beiden Bluten die gerinnungs¬ 
fördemden Stoffe momentan in Freiheit gesetzt werden. Es bedarf daher 
noch besonderer Untersuchung, ob die mit der neuen Methode erhaltenen 
Gerinnungsdaten stets ein den mit den älteren Methoden gewonnenen 
Daten paralleles Verhalten aufweisen. Über die Ergebnisse dieser Unter¬ 
suchungen, die noch im Gange sind, soll später einmal berichtet werden. 

Uns interessiert hier aber vorläufig nur, wieweit sich die neue Methode 
zur Bestimmung der gerinnungsfördemden Kraft eines Serums eignet 
und für diesen Zweck ist die eben erörterte noch unentschiedene 
Frage natürlich ohne Belang, da ja hier stets ein und dasselbe Kontroll- 
blut für einen Versuch gebraucht wird. 

Bevor wir auf die Lmtersuchungen über die Methode eingehen, lassem 
wir eine genaue Beschreibung der Ausführung eines Versuches zur Be¬ 
stimmung der ,,Reaktionszeit im häinolysierten Blut“ (RZH) folgen. 


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92 


K. Wöhlisch und K. Pieritz: 


Ausführung eines Versuches: Die Methode erfordert keine be¬ 
sondere Apparatur. Man bedarf nur eines kleinen Kochtopfes als Wasser¬ 
bad, eines kleinen in das Wasserbad passenden metallenen Reagens¬ 
glasständers, einiger Reagensgläser, einiger Glasstäbe, eines Dreifußes 
für das Wasserbad, ferner eines Thermometers, eines Bunsen- oder andern 
kleinen Brenners und einer möglichst hellen Lampe. 

Aus einigen Glasstäben von ca. 15 cm Länge und 4 mm Dicke stellt 
man sich Rührer her, indem man das glühend gemachte Ende des Stabes 
durch Aufdrücken auf eine Unterlage stempelartig auseinanderpreßt, 
so daß der Durchmesser des Stempels etwa 8 mm beträgt. 

Die für die Versuche benutzten Reagensgläser sollen möglichst 
von gleicher Weite sein, was man am einfachsten daraus erkennt, daß 
abgemessene gleich große Flüssigkeitsmengen in allen Gläsern gleich 
hoch stehen. So ist Gewähr gegeben, daß das Blut in allen Gläsern 
mit einer gleich großen Glasfläche in Berührung steht. 

Die Gläser werden mit gleichen Mengen destillierten Wassers gefüllt, 
dem man im Falle der Untersuchung eines Serums eine möglichst genau 
abgemessene Menge davon zusetzt, und kommen dann in das im Wasser - 
bade befindliche kleine Reagensglasgestell. Das auf dem Dreifuß 
stehende Bad ist mit Wasser der gewünschten Temperatur gefüllt, 
und zwar bis etwas oberhalb des Flüssigkeitsspiegels, den nachher die 
Blutlösung in den Reagensgläsem einnimmt. Man läßt die Gläser einige 
Zeit im Wasserbade, damit das Wasser in ihnen die Temperatur der 
Außenflüssigkeit annimmt. Durch einen kleinen Brenner kann man für 
Temperaturkonstanz im Wasserbade sorgen. 

Dann entnimmt man durch Punktion aus der Armvene Blut und gibt 
in jedes der Gläser durch Abzählen der Tropfenzahl die gleiche Menge 
Blut, wobei auf stets gleiche Haltung der Nadel beim Eintropfen zu 
achten ist, da sonst die Tropfengröße verschieden ausfällt. (Über die 
Größe dieses Fehlers siehe die vorherstehende Arbeit.) 

Nach dem Einspritzen des Blutes nimmt man je zwei Gläser zusam¬ 
men aus dem Wasserbad, hält sie zur Beobachtung gegen die Licht¬ 
quelle und vermischt durch mehrmaliges Auf- und Abbewegen des 
Glasrührers das zu Boden gesunkene Blut gut mit dem Wasser bis eine 
vollständig gleichmäßige rote Lösung entstanden ist. Man stellt die 
Gläser ins Wasserbad zurück und notiert sich den Zeitpunkt des Ver¬ 
suchsbeginns. 

Jede Minute beobachtet man nun das Blut vor der Lichtquelle 
unter zweimaligem langsamen Auf und Ab des Rührers. Es ist ab¬ 
solut notwendig, daß die Rührbewegungen in allen Glä¬ 
sern gleich oft und in genau gleicher Weise vorgenom¬ 
men werden, da durch das Rühren der Eintritt der Ge¬ 
rinnung beschleunigt wird. Es liegt hier derselbe Effekt vor, 


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Untersuchungen zur Methodik der vergleich. Thrombinbestimmung im Serum. 93 

wie er bei der Methode zur Bestimmung der GZ durch das Schaukeln 
der Brillengläser bewirkt wird: eine Unterstützung der Diffusion des 
an der Glaswand gebildeten Thrombins in das Innere der Flüssigkeit. 

Der Beginn der Gerinnung verrätsichdurchdasplötzliche 
Auftreten einer feinen Trübung, die sich schnell vergröbert, 
besonders wenn man etwas umrührt, so daß man oft schon 
nach wenigen Sekunden deutliche Flöckchen in der Flüs¬ 
sigkeit herumschwimmen sieht. Man ist deshalb bei dieser 
Methode niemals im Zweifel, welchen Zeitpunkt man als 
Eintritt der Gerinnung zu vermerken hat. 

Wichtig für die Beobachtung ist eine genügende Helligkeit der Licht¬ 
quelle und die Herstellung einer gut durchsichtigen Blutlösung durch 
geeignete Wahl der Verdünnung mit Wasser, beides leicht zu erfüllende 
Forderungen. 

Die mit der neuen Methode gewonnenen RZH-Werte sind natürlich 
wegen der starken Verdünnung des Blutes viel größer, als etwa die bei 
gleicher Temperatur bestimmten Reaktionszeiten des unverdünnten 
Blutes. Da sich trotzdem der Gerinnungseintritt ganz ebenso scharf 
bestimmen läßt, wie im unverdünnten Blut, so kommt die Verlängerung 
der Reaktionszeit durch die Verdünnung der Genauigkeit der Methode 
zustatten. 

Man hat es bei der RZH-Methode sehr bequem in der Hand, die 
Größenordnung der Reaktionszeiten in einer dem jeweilig verfolgten 
Zweck am besten entsprechenden Weise einzustellen, und zwar durch 
Änderung des Verdünnungsgrades und der Temperatur. 

Die für die Bestimmung des Thrombingehaltes zugesetzte Serum - 
menge kann beliebig groß gewählt und deshalb beliebig genau ab¬ 
gemessen werden. 

Das Kriterium für die Brauchbarkeit einer Methode zur Ermittelung 
zeitlicher Gerinnungsdaten muß man (siehe die vorstehende Arbeit) 
darin erblicken, daß die betreffende Methode in zwei an demselben 
Blut — d. h. Blut von derselben Punktion, nicht nur von demselben 
Spender — unter identischen Bedingungen vorgenommenen Kontroll- 
bestimmungen stets nahezu gleiche Daten liefert.. Die folgende Versuchs¬ 
reihe bringt eine Anzahl von Parallelbestimmungen, um den Genauig¬ 
keitsgrad der Methode vor Augen zu führen. In der Rubrik RZH 
stehen in je einer Horizontalspalte die Reaktionszeiten der beiden an 
demselben Blute ausgeführten Kontrollbestimmungen. Es sind dies 
Versuche ohne Zusatz von Serum. 

Die Tabelle ist nicht etwa eine Zusammenstellung besonders gut ge¬ 
lungener Versuche, sondern sie enthält einige aus einer großen Zahl 
von Versuchen wahllos herausgegriffene. Wie man sieht, ist die Über¬ 
einstimmung der Parallel versuche ganz ausgezeichnet. 


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94 


K. Wölilisrh und K. iMoritz: 


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Tabelle IV. 



Blut- 

Wasser- 




Blut- 

i Wasser- 



Versii ch 

menge | 

menge 

t 

RZH 

Versuch 

menge 

| menge 

t 

RZH 


Tropfen : 

ccm 




Tropfen 

ccm 



1 

30 

7,0 

30 3 

33,5 

5 

30 

7,0 

30° 

20,0 





32,5 





20,75 

2 

30 

7,0 

30° j 

22,0 

6 

30 

' 7,0 

32° 

16,0 





23,0 





16,0 

3 

30 

7,0 

30° 

19,0 

7 

30 

7,0 

32° 

17.0 





18,0 




i 

17,0 

4 

30 

7.0 

30° 

14,0 










14,5 







Es ist zu erwarten, daß sich dieses Verhalten bei Zusatz von Serum 
nicht ändert ; dies wird durch die Zahlen der folgenden Versuchsreihe 
bestätigt. 




Tabell 

e V. 



Versuch 

Blutmenge 

W asser- 
menge 

Serum¬ 

menge 

t 

RZH 


Tropfen 

ccm 

ccm 


1 

1 

20 

7,0 

0,1 

32° 

15,0 






16,5 

2 

20 

7,0 

0.15 

32 

11,5 




1 


11,5 

3 

20 

7,0 

0,15 

30° 

j 16,0 


; j 




1 18,0 

4 

20 

7,0 

: 0,2 

30° 

18,0 






17,0 

5 

15 

4,0 

0,2 ! 

20° 

26,0 






26,0 


ii 


Differenzen von zwei Minuten, wie im Versuch Nr. 3, sind eine Sel¬ 
tenheit, die Übereinstimmung ist also auch bei Serumzusatz eine ganz 
ausgezeichnete. Besonders wichtig ist der Umstand, daß sich 
der Eintritt der Gerinnung bei Zusatz vonS er umgenaue ben- 
so scharf ermitteln läßt, wie bei einem Versuch ohne Serum¬ 
zusatz. Dies ist der Hauptvorzug der neuen Methode gegenüber der 
von Stephan. Während es sich bei der Stephanschen Methode 
bei einem Versuch mit Zusatz von Serum häufig mehr um ein Schätzen 
der GZ als um eine scharfe Bestimmung handelt, und man beim Vergleich 
der Kontrollen mit verschiedenen Seris oft nicht mehr sagen kann, als 
daß die eine etwas schneller zu gerinnen scheint als die andere, ohne 
daß man jedoch die Differenz in Minuten genau angeben könnte, fällt 
diese Unsicherheit bei der neuen Methode vollständig weg. 

Wir möchten nicht unterlassen, an dieser Stelle gleich auf einen 
wichtigen Faktor hinzuweisen, der auf die Größenordnung der erziel¬ 
ten RZH-Werte von starkem Einfluß ist: es ist dies der mehr oder minder 



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Untersuchungen zur Methodik der vergleich. Throinhinhestiiiimung im Serum. 95 


große Kohlensäuregehalt des zur Hämolyse benutzten Wassers. Wir 
fanden, daß die Gerinnung um so schneller vor sich geht, je C0 2 -haltiger 
das Wasser ist. Dies müßte berücksichtigt werden, falls man mit der 
Methode etwa absolute RZH-Werte bestimmen wollte. Man dürfte dann 
nur Wasser benützen, das durch Auskochen völlig entgast worden ist. 
Da es für unsere Zwecke nur auf die Gewinnung relativer Werte an¬ 
kommt, so braucht man sich um den C0 2 -Gehalt des Wassers nicht 
zu kümmern. 

Es interessierte nunmehr die Frage nach der quantitativen Beziehung 
zwischen der einem Blute zugesetzten Thrombin- (Serum-) Menge und 
der hierdurch erzielten Gerinnungsbeschleunigung. Ist ein Rückschluß 
aus der Beschleunigung auf die Thrombinmenge zulässig, ist sie dieser 
direkt proportional oder hegen die Beziehungen, wie zu erwarten, 
komplizierter ? 

Wir versuchten dieser Frage mit beiden Methoden, der von Stephan 
und der neuen, nachzugehen. 

In Brillengläsern wurde je 1 ccm Kon trollblut mit steigenden 
Mengen (0,05; 0,1; 0,15 ccm) versetzt und die Volumdifferenzen mit 
physiologischer Kochsalzlösung ausgeglichen. Bei diesen Versuchen 
trat in den Gläsern mit größerer Serummenge eine schnelle Gerinnung 
ein, ohne daß es zu einem Haftenbleiben des Gerinnsels an der Glas¬ 
wand kam, wodurch ein Bestimmung der GZ unmöglich wurde. 

Dagegen lieferte die neue Methode recht gut verwertbare Daten, 
deren einige wir in der folgenden Tabelle wiedergeben. Die angewandte 
Blutmenge betrug in allen Versuchen 20 Tropfen, die Wassermenge 7 ccm. 

Tabelle VI. 


Serum- 1 

Versuch menge | t 
ccm | 

KZH 

GBF 

i 

if 

Versuch 

Serum¬ 

menge 

ccm 

t 

KZH 

■ GBF 

1 jj 0,00 30° 

30 

_ 

,i 

3 

! 0,00 

30° | 

62 

_ 

! 0,05 

23 

1,30 


0,15 


24 

1 2,58 

0,10 

17 

1,76 

ü 

0,30 

I 

15 

4,13 

0,15 

13 

2,30 


0,45 

| 

10 

6,20 

2 0,00 30° 

23 

— 

4 

0,00 

30° 

63 

— 

0,05 

16 

! 1,44 


0,15 


37 

1,70 

0,10 

13 i 

i 1,77 

ii 

0,30 


25 

2,52 

0,15 

n 

j 2,09 

1 

0,45 

i 

14 

4,50 


Wir sehen, daß in sämtlichen Versuchen die Gerinnungsbeschleuni¬ 
gung, als deren Maß die GBF-Werte aufgeführt sind, nicht der Serum¬ 
menge proportional, sondern langsamer als diese ansteigt. Einem dop¬ 
pelten GBF-Wert entspricht also nicht die doppelte Throm¬ 
binmenge, sondern eine unterUmständen erheblich größere. 

Zum Schluß wollen wir noch an zwei Beispielen zeigen, daß die mit 
unserer Methode erzielten Gerinnungsdaten mit den nach Stephan 


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9(J E. Wöhlisch u. K. Pieritz: Methodik der vergleich. Thrombinbestiiumung usw. 

bestimmten parallel gehen, wie dies nicht anders zu erwarten ist. Wir 
bestimmten die GZ- bzw. RZH-Werte desselben Kontrollblutes unter 
Zusatz verschiedener Sera. Für die Stephansche Methode wurden wie 
gewöhnlich 1 ccm Blut und 0,05 Serum verwendet, für die Bestimmung 
nach Wöhlisch diesmal0,2 ccm Serum, 15Tr. Blut und 3,5 ccm Wasser. 


Tabelle VII. 


Versuchsanordnung j| 

GZ 

RZH 

Versuchsanordnung 


uz 

i RZH 

Kontrolle I -f Serum A ! 

23 

21 

Kontrolle II -j- Serum 

D 

18 

23 

-r Serum B 

23 

20 

4- Serum 

E 

15 

17 

+ Berum C 

21 

18 

+ Serum 

F 

8 

12 


Die Reihenfolge ist in beiden Versuchen die gleiche; nach unsem 
bisherigen Erfahrungen mit den beiden Methoden kann jedoch kein 
Zweifel bestehen, daß die RZH-Werte als die wesentlich verläßlicheren 
anzusehen sind. 

Zusam menfass ung. 

1. Unsere Untersuchungen ergaben, daß dem von Stephan ein¬ 
geführten als „Gerinnungsbeschleunigungsfaktor“ (GBF) bezeichneten 
Ausdruck die Bedeutung einer Konstanten nicht zukommt. Denn 
der GBF ist sicherlich abhängig von der Häufigkeit der Bewegung 
der Gerinnungsgefäße, wahrscheinlich außerdem von der Temperatur: 
Auch mit verschiedenen Kontrollbluten erhält man meist verschiedene 
GBF-Werte. Besonders störend aber ist der Umstand, daß die Bestim¬ 
mung des Gerinnungsendes eines Blutes bei Zusatz von Serum vom sub¬ 
jektiven Ermessen des Beobachters stark abhängig ist, damit auch der 
GBF-Wert. 

Nur die GBF-Werte desselben Autors können daher miteinander 
verglichen werden und auch diese nur, wenn sie unter strenger Einhal¬ 
tung identischer Bedingungen gewonnen wurden, was Kontrollblut usw. 
an belangt . 

2. Es wurde eine neue Methode (Wöhlisch) zur Bestimmung der 

gerinnungsbeschleunigenden Kraft eines Serums beschrieben, bei der 
sich die erforderlichen Gerinnungsdaten mit großer Exaktheit und in 
sehr einfacher Weise ermitteln lassen. Es wird hierbei ein neues Prinzip, 
das der Bestimmung der „Reaktionszeit im hämolysierten Blut“, be¬ 
nutzt. _ 

Literaturverzeichnis. 

J ) Wohlgemuth, Biochem. Zeitschr. X7, 79. 1910. — 2 ) Stephan, Münch, 
nied. Wochenschr. 1920, Nr. 11. — 3 ) Nonnenbruch u. Szyszka, Münch, med. 
Wochenschr. 1920, Nr. 37. — 4 ) Nonnenbruch u. Szyszka, Arch. f. klin. Med. 
134 , 1920, Nr. 3/4. — 5 ) Wöhlisch, Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 8. — 
rt ) Wöhlisch, Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 30. — 7 ) Wöhlisch, Münch, 
med. Wochenschr. 1921, Nr. 43. — 8 ) Stephan, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1921. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




Über postoperativen Eiweißzerfall. I. 

Von 

Max Bürger und Max Grauhan. 

(Aus der Medizinischen Klinik [Direktor Prof. Schittenhelm] und der Chirur¬ 
gischen Klinik [Direktor Geheimrat Anschütz] der Universität Kiel.) 

. Mit 17 Kurven im Text. 

(Eingegangen am 3. Januar 1922.) 

Jede Gewebsdurchtrennung führt notwendigerweise zum Zerfall 
eines mehr oder minder großen Zellmaterials. Diese Degeneration ist 
rach Marchand 1 ) einmal die unmittelbare Folge des die Kontinuitäts¬ 
trennung bewirkenden Traumas, das die getroffenen Gewebsbestand- 
teile zerstört und zum andern eine sekundäre Nekrose verursacht 
durch die unvermeidliche Durchschneidung zahlreicher Gefäße. Je 
höher organisiert das Gewebe ist, desto empfindlicher ist es gegen beide 
Schädigungen, so wird beim Bindegewebe die Degeneration geringer 
sein als bei den quergestreiften Muskeln und den parenchymatösen 
Organen. Der fermentative Abbau des nekrotisch gewordenen Zell¬ 
materials und seine Resorption ist nach von Gaza 2 ) die Vorbedingung 
zur Wiedervereinigung der durchtrennten Gewebe, Bei den operativ 
gesetzten Wunden werden durch die Ligaturen und die Nähte weitere 
Zellkomplexe aus der Ernährung ausgeschaltet und dem Abbau über¬ 
antwortet. Man denke nur an die zahlreichen Netzligaturen bei einer 
Magenresektion und an die Muskelnähte bei einer Bassinischen 
Operation. 

Die Bedeutung dieser Gewebsdegeneration ist eine doppelte. Ein¬ 
mal disponiert sie zur örtlichen Infektion, der Destruktionsinfektion 
Brunners 3 ); zum andern können aber die Produkte dieses Gewebs¬ 
zerfalls, je nach dem Grade des Abbaus und der Resorptionsgröße 
toxische Allgemeinstörungen zur Folge haben. Sauerbruch hat diesem 
letzterwähnten Moment eine erhebliche Bedeutung für die im Anschluß 
an schwere Gewebsverletzungen auftretenden Krankheitserscheinungen 
beigemessen. 

*) Marchand, Der Prozeß der Wundheilung. Stuttgart 1901. 

*) von Gaza, Der Stoffwechsel im Wundgewebe. Bruns Beitr. z. klin. Chirurg. 
11 », 1918. 

3 ) Brunner, Handbuch der Wundbehandlung. Neue dtsch. Chirurg. Nr. 29. 

Z. f. d. K. oxp. Mod. XXVII. 7 


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98 


M. Bürger und M. Grnulian : 


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Die Franzosen fassen einen Teil der Fälle von Wundshok auf 
als eine Folge der Resorption von Eiweißzerfallsprodukten in der Wunde. 
Die akute Gangrän nach Ligatur oder embolischen Verschluß eines 
größeren Blutgefäßes sei als weiteres Beispiel einer Zerfallstoxikose 
erwähnt. 

Klinisch und experimentell unter dem Gesichtspunkt einer Eiwei߬ 
zerfallstoxikose am besten studiert ist die Verbrennung. Mit besonderem 
Nachdruck hat Wilms 1 ) betont, daß die Erscheinungen bei der Ver¬ 
brennung als Folge des toxischen Eiweißzerfalls des verblühten Ge¬ 
webes zu deuten seien, was er aus dem auftretenden Fieber und der 
Albuminurie erschloß. In einer sehr eingehenden experimentellen 
Studie hat Pfeiffer 2 ) die toxischen Folgeerscheinungen der Verbren¬ 
nung studiert. 

Unser Ziel war zunächst einmal zu untersuchen, wie sich nach 
operativ gesetzten Wunden eine Resorption von Eiweißzerfallspiodukten 
nachweisen ließe, um eine gesicherte Basis für dieBeurteilung zu 
gewinnen, ob dieser Resorption unter gewissen Voraussetzungen eine 
größere Bedeutung im Wundverlauf zukomme. 

Methodik. 

Der chemische Nachweis eines eingetretenen Eiweißzerfalls kann sich 
stützen einmal auf Störungen des Stickstoffwechsels im Sinne einer 
negativen N-Bilanz — worüber wir in einer zweiten Mitteilung be¬ 
richten werden —; andererseits auf qualitative und quantitative Ände¬ 
rungen der Blutzusammenseztung. die am ehesten in der Richtung 
einer Vermehrung des Reststickstoffs zu erwarten wären. Bei intaktem 
Ausscheidungsapparat werden hier meßbare Ausschläge in der Regel 
fehlen. Positive Befunde sind bei akuten Infektionskrankheiten von 
Wagner 3 ), bei akuter gelber Leberatrophie von Feigl 4 ) mitgeteilt 
worden. Aber schon das letztere Beispiel zeigt, daß erst eine sehr weit¬ 
gehende und rasch einsetzende Gewebsautolyse meßbare Ausschläge auf¬ 
weist. 

Unter den von Pfeiffer zum Nachweise eines Eiweißzerfalls ge¬ 
wählten Methoden gab die Bestimmung des sog. „antitryptischen 
Titers“ die sinnfälligsten Ausschläge. Wir hofften auch einen weniger 
ausgedehnten Gewebsuntergang, als er bei Verbrennungen eintritt. 
mit dieser Methode im Blut nachweisen zu können. 

Die verdauende Wirkung von Trypsin auf ein Eiweißgemisch oder 
besser auf eine Caseinlösung bekannter Zusammensetzung w r ird durch 

*) Wilms, Mitteilg. a. d. Grenzgeb. 1901. 

*) Hermann Pfeiffer, Das Problem des Verbrühungstodes. Wien 19111. 

:t ) Wagner, Wiener Arch. f. inn. Med. I, Nr. 3, 575. 

4 ) Feigl und Luce, Bioohem. Zeitschr. 79 . 162. 97. 



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Über postoperativen Eiweißzerfall. I. 


99 


Serumzusatz in ganz gesetzmäßiger Weise gehemmt. Darin sind sich 
alle Autoren, die sich mit dem Gegenstand beschäftigt haben, einig. 
Die Deutung, die man dieser Tatsache gegeben hat, ist allerdings eine 
Wechselnde. Während die eine Gruppe der Untersucher dafür eintritt, 
daß es sich um ein echtes Antiferment handele, dem physiologischer¬ 
weise die Aufgabe zufalle, das bei der Verdauung resorbierte Trypsin 
unschädlich zu machen [Abderhalden 1 )], treten andere dafür ein, 
daß es sich um eine unspezifische Hemmung der Trypsinwirkung 
durch Eiweiß resp. Eiweißzerfallsprodukte handele. Für diese letztere 
Auffassung lassen sich folgende gesicherte Tatsachen anführen: Das 
von Trypsin nahezu unangreifbare Serumalbumin geht mit demselben 
wie andere Eiweißkörper eine Verbindung ein, entzieht so leichter spalt¬ 
baren Eiweißkörpern das Trypsin, wirkt also dadurch „antitryptisch“ 
[Hedin 2 )]. Bayliss 3 ) fand zudem, daß die trptische Caseinverdauung 
durch Peptone, Albumosen und Aminosäuren gehemmt wird. Diese 
Erfahrungen mahnen zu großer Vorsicht bezüglich der Auffassung 
der antitryptischen Substanzen als typische Antifermente. Auch die 
Erfahrungen von Bergmann und Bamberg 4 ), die fanden, daß der 
antitryptische Serumtiter bereits 24 Stunden nach Injektion von 
Trypsin bei Hunden seinen Höhepunkt erreicht hat, sprechen gegen die 
Antigen natur der fraglichen Substanzen, da nach allen serologischen 
Erfahrungen die Bildung spezifischer Antikörper einen längeren Zeit¬ 
raum als einen Tag erfordert. Das fragliche Antitrypsin läßt sich ebenso¬ 
wenig durch Inaktivierungstemperaturen mit Sicherheit unwirksam 
machen [Rosenthal 5 ), Kämmerer 6 ), Bergmann 7 ), eigene Unter¬ 
suchungen]. Für die hier tu behandelnden Fragen hat die Entschei¬ 
dung des diskutierten Problems nur nebensächliche Bedeutung. Wenn 
es sichergestellt ist, daß tryptische Produkte des Eiweißabbaus resp. 
Gewebszerfalls die proteolytische Wirkung des Trypsins zu hemmen 
imstande sind, müssen bei allen Zuständen, welche mit einer Zer¬ 
störung von Zellmaterial und Resorption der Zelltrümmer in das Blut 
einhergehen, Änderungen des antitryptischen Serumtiters erwartet 
werden. 

Steigerungen des antitryptischen Titers sind in reichem Maße bei 
den verschiedensten Krankheitszuständen gefunden und diesen Feststel¬ 
lungen anfänglich recht weitgehende diagnostische Bedeutung beigelegt 
worden. So wurde vor allem für die Krebsdiagnose die Steigerung des 

x ) Abderhalden, Lehrb. d. physiolog. Chemie, 2. Aufl. 1909, S. 635. 

2 ) Hedin, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 5t, 412. 1907. 

3 ) Zit. nach Rosenthal (Folia serologica) 6, 285. 1910. 

4 ) Bergmann u. Bamberg, Berl. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 30. 

6 ) Rosenthal 1. c. 

Ä ) Kämmerer, zit. nach Wuelli, Grenzgebiete t9. 

7 ) Bergmann u. Bamberg, Berl. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 30. 



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100 


M. Bürger und M. Grauhan: 


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antitryptischen Titers als diagnostisches Hilfsmittel verwandt [Br i eger- 
Trebing 1 ), Bergmann und Meyer 2 ), Weil 3 )]. 

Unter physiologischen Bedingungen fand sich in der Schwanger¬ 
schaft eine Steigerung des Titers. Die höchsten Werte wurden bei 
eitrigen, vor allem septischen Prozessen gefunden. Spezifisch 
ist die Steigerung des antitryptischen Titers für keinen Krankheits¬ 
prozeß, sondern ist als ein allgemeines Symptom gesteigerten 
Eiweißzerfalls im Organismus aufzufassen und kann nur in diesem 
beschränkten Sinn diagnostisch Verwendung finden. Um einen Ver¬ 
gleich mit den Ergebnissen anderer Autoren zu ermöglichen, führen wir 
die Art und Weise unseres Vorgehens bei der Bestimmung des anti¬ 
tryptischen Titers im Serum hier kurz an. 

Das Blut wurde im allgemeinen morgens gegen 11 Uhr mehrere Stunden nach 
dem Frühstück durch Venenpunktion gewonnen. Das aus dem Blutkuchen nach 
24 Stunden im Eisschrank ausgepreßte Serum wurde entweder direkt oder, wenn 
nötig, nach Abzentrifugieren der zelligen Bestandteile in einer Verdünnung von 
0,5 auf 9,5 physiologische Kochsalzlösung verwandt. Die Casein- und Trypsin¬ 
lösungen wurden unter den von Pfeiffer und Jarisch 4 ) angegebenen Kautelen 
vor jeder Untersuchungsreihe frisch hergestellt. Caseinlösung: 

1 g Casein n. Hammarsten (Merk), 

85,0 physiologische Kochsalzlösung, 

15,0 NaOH 

10 * 

Nach dem Erwärmen auf dem Wasserbade bei ca. 40° C resultierte eine fast klare, 
schwach opalisierende Lösung nach etwa 10—15 Minuten. Die alkalische Lösung 

HCl 

wurde durch tropfen weises Zusetzen von - - gegen Lakmus neutralisiert und dann 

durch Zusatz von 0,85% NaCl-Lösung auf 500 ccm aufgefüllt (Lösung I). 

Zur Herstellung der Trypsinlösung verwandten wir dasTrypsinum siccum Grüb¬ 
ler. Das Trypsin wurde im Exsiccator über Schwefelsäure getrocknet und aufbewahrt. 

Ca. 1 g Trypsinum siccum Grübler in 20 ccm 0,85% NaCl nach Zusatz von 
0,1 Normalsoda gelöst und dann auf 100 ccm aufgefüllt. Die leicht getrübte Lösung 
war von sehr starker proteolytischer Kraft (Lösung II). 

Bei der Herstellung des verdauenden Systems verwandten wir die Original- 
Caseinlösung I. Es erwies sich als zweckmäßig, die Lösung II ää mit physiolo¬ 
gischer Kochsalzlösung zu verdünnen. 

Das System wurde in folgender Weise in den für die WaR. gebrauchten Gläsern 


angesetzt. 

Casein (Lösung I) 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

NaCl 0,85% 

0 

0,2 

0,4 

0,6 

0,8 

1,0 

1,2 

1,4 

1,5 

NaCl 0,85% 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

Trypsinlösung II ää mit 0,85% 
NaCl-Lösung verdünnt 

1,6 

1,4 

1.2 

1,0 

0,8 

0,6 

0,4 

0,2 

0,1 


J ) Brieger und Trebing, Berl. klin. Wochenschr. 1908. 

2 ) Bergmann und Meyer, Berl. klin. Wochenschr. 1908, Nr. 37. 

3 ) Weil, Mitteil. a. d. Grenzgeb. £9. 1917; hier genaues Literaturverzeichnis. 

4 ) Zur Kenntnis der Eiweißzerfallstoxikosen, von H. Pfeif ferund A. Jarisch, 
Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 16 . 1913. 



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Über postoperativen Ei\veÜberfall. T. 


101 


Dieses tryptische System kam auf genau 30 Minuten in einen Brutschrank 
von 37°. Dann wurde genau 0,1 ccm folgender Lösung zur Ausfällung des unver¬ 
dauten Caseins zugesetzt: 

5 ccm acid. acet. glaciale, 

45 ccm Alkohol 95%, 

50 ccm Wasser (Lösung III). 

Es ist von Wichtigkeit, sich vorher zu überzeugen, daß bei Zusatz dieser Lösung 
zum Casein eine optimale Fällung eintritt, da Säureüberschuß das Casein löst. 

Bei Anwendung dieses Systems unter Benutzung stets des gleichen 
Trypsinpräparates erhielten wir mit großer Regelmäßigkeit unter den 
angegebenen Bedingungen eine restlose Verdauung des Caseins in den 
ersten 7 Röhrchen, also noch mit 0,4 ccm unserer Trypsinverdünnung. 
Vor Anstellung eines größeren Reihenversuches wurden stets zwei 
oder drei derartige Systeme geprüft; diese Vorsicht ist nötig, da selbst 
bei Verwendung des gleichen Präparats Unterschiede durch Abschwächung 
der tryptischen Kraft infolge langer Lagerung möglich sind. Der eigent¬ 
liche Versuch wird so angestellt, daß statt der im System zugesetzten 
physiologischen NaCl-Lösung (0,5 ccm) 0,5 ccm einer Serumverdünnung 
von 0,5 auf 9,5 NaCl-Lösung verwendet werden. Ausnahmslos tritt 
unter dieser Bedingung eine Verminderung des tryptischen Vermögens 
der Standardlösung ein, dadurch gekennzeichnet, daß nach halbstündiger 
Verdauungszeit sich bei Zusatz der Fällungslösung in weiteren Röhr¬ 
chen der fallenden Trypsinreihe (z. B. noch bei 0,6 Trypsinlösung, 
Röhrchen 5 unseres Systems) unverdautes Casein nach weisen läßt. 

Um einen Vergleich der Befunde zu ermöglichen, wird der „antitryp¬ 
tische Titer“ berechnet, z. B. 

Komplette Verdauung im Normalsystem (ohne Serumzusatz) bei 0,4 Trypsinlösung 
komplette Verdauung nach Serumzusatz bei 0,8 Trypsinlösung. 

A.T. = Antitryptischer Titer = (0,8—0,4) x 100 — 40. 

Um uns zu überzeugen, wie weitgehend Eiweißabbauprodukte die 
tryptische Verdauung hemmen, wurde in einigen Reihen statt Serum 
dem System Glykokoll oder Pepton (Witte) zugesetzt. Die komplett 
verdauende Menge war wie in früheren Versuchen bei 0,4 Trypsinlösung. 

Es wurde folgende Anordnung getroffen: 


Trypsinlösung: 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

Casein : 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2,0 

2.0 

Pepton 0,3%: 

1,7 

1,5 

1,3 

1,1 

0,9 

0,7 

0,5 

0,2 

0,1 

0 

NaCl 0,95%: 

0 

0,2 

0,4 

0,6 

0,8 

1,0 

1,2 

1,5 

1,6 

1,7 

nach V 2 Std. bei 37° gefällt: 

i 

+ 

+ 

+ 

0? 

0? 

0 

0 

0 

0 


Der Ausfall des Versuchs zeigt, daß der Zusatz von 0,003 g Pepton 
eine Hemmung der Trypsinverdauung unter den angegebenen Bedingungen 
zur Folge hatte. 

Für Glykokoll lag die hemmende Dosis bei 0,0049 g. 


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102 


M. Bürger uml M. (Irauhan: 


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Wurde der gleiche Versuch angestellt bei Gegenwart von Serum 
und einer Trypsinmenge, deren proteolytische Wirkung durch das Serum 
nicht aufgehoben wurde, so genügten von Glykokoll wie von Pepton 
begreiflicherweise weit geringere Mengen zur Hemmung der Trypsin¬ 
verdauung. Z. B. komplett verdauende Trypsinmenge 0,8 bei Gegenwart 
von 0,5 Serum 5%. 

Verwendete Trypsinmenge 1,0. 

Hemmung bei Gegenwart von 0,0018 Pepton oder Glykokoll. 

Da es sich bei den praktischen Verhältnissen um ein Gemisch viel¬ 
leicht weit wirksamerer Abbauprodukte handelt, genügen Mengen von 
weniger als 1 mg, um im Reihenversuch deutlich antitrypcische Wir¬ 
kung erkermen zu lassen. Selbstverständlich sind in diesem Beispiel 
nur Annäherungswerte gegeben; nicht jedes Peptonpräparat 
wird sich ebenso verhalten. 

Eigene Untersuchungen. 

Ergebnisse bei Nichtoperierten. 

I. Resultate bei Patienten ohne Eiweißzerfall (Patienten mit Leisten¬ 
hernien, Krampfadern, orthopädische Kranke usw.). 


Anzahl der unter- 

Antitryptischer Serumtiter 

suchten F&lle 

00 40 20 

26 

4 1 17 | 5 

Mittelwert 

39,2 


Die Übersicht zeigt, daß unter genauer Einhaltung der Versuchsbe¬ 
dingungen der A. T. nur in engen Grenzen schwankt und im 
Mittel 39,2 beträgt. 



ii. 

Prostatahypertrophie: 

10 Fäll 

e. 

Nr. 

Alter 

| Klin. Bern. 

Restham 

Itest-N ' 
% Her. 

A 

Antitry iri¬ 
scher Titer 

1. 

1 63 

J. 

1 1 Liter 

0,053 j 

0,59° 

80 

2. 

; 68 

J. 

! l l / 2 Liter ! 

0,051 

0,57° 

60 

3. 

II 54 

J. 

1 Liter 

0,050 

0,58 ü 

30 

4. 

68 

J. 

1 Liter 

0,045 

0,59° 

50 

5. 

72 

J. 

Blasenfistel 

0,038 

0,58° 

40 

(5. 

70 

J. 

Blasenfistel 

0,046 1 

0,56° 

60 

7. 

60 

J. 

600 ebem R. H. 

0,056 

0,66° , 

50 

8. 

68 

J. 

Blasenfistel 

0,045 

0,59° 

20 

9. 

73 

J. 

200 cbem R. H. 

0,078 ; 

0,59° 

50 

10. 

74 

J. 

750 ebem R. H. 

0,043 , 

0,56° 

60 


Mittel 55 


Gck igle 


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Über postapcnitivrn Kiwrißzerfall. I. 


103 


In dieser Gruppe zeigen sich die Schwankungen erheblich größer; 
die Ausschläge sind mit einer Ausnahme im Sinne einer Erhöhung 
des A. T., welcher im Mittel 55,0 gegen 39,2 unserer Normalfälle be¬ 
trägt. Eindeutige Beziehungen zum Rest-N. bzw. zur Gefrierpunkts - 
depression lassen sich aus diesem kleinen Material nicht ableiten. 

III. Leichtentzündliche, afebrile Prozesse: 22 Fälle (ulcus ventriculi 
und Perigastritis, chron. Osteomyelitis, Furunkulose, Epididymitis). 


Anzahl 

] 

Antitryptigcher Titer 

normal 


A. T. 

der FäUe 

•; 80 

60 

40 

20 

Mittelwert 

22 davon: 

4 

14 

4 

o ! 

55 


Auch in dieser Gruppe liegen die Abweichungen durchweg im Sinne 
einer Erhöhung. 


IV. Maligne Tumoren: 17 Fälle. 





Anzahl 
der Fälle 


Antitryptischer Titer 
normal 

80 60 40 


20 


A. T. 

Mittelwert 


ausgedehnte Tumoren j 10 davon: 2 2 2 0 1 68 

kleinere Tumoren j 7 davon: | 0 2 3 2 0 59,6 

In Übereinstimmung mit den früheren Autoren sind in dieser Gruppe 
Erhöhungen des Titers die Regel. Mit zunehmender Ausdehnung 
der Neubildung werden im allgemeinen höhere Werte gefunden. 
Eine Abweichung nach unten fand sich in 1 Fall von stenosierendem 
Oesophagus-Carcinom, bei welchem eine Gastrotomie ausgeführt worden 
war. Der Patient befand sich in schwer kachektischem Zustand mit 
ausgedehntem Haut- und Höhlenhydrops. Die nächstliegende Erklä¬ 
rung der Verminderung des A. T.-Vermögens ist die Verwässerung 
des Blutes infolge der Inanition. 


V. Eitrige Prozesse mit Temperatursteigerung (akute Lymphangi- 
tiden, Mastitiden, eitrige Appendicitis, Peritonitis, akute Osteomyelitis): 
16 Fälle. 


Anzahl 
der Fälle 

16 davon: 


Antitryptigcher Titer 
120 100 80 60 
5 


normal 

40 


A.T. 

Mittelwerte 


86,8 


Die höchsten überhaupt gefundenen Werte gehören dieser Gruppe 
der septischen eitrigen Prozesse an. Das Mittel für die 16 unter¬ 
suchten Fälle liegt bei 86,8. 

Diese Übersicht zeigt, daß mit zunehmender Ausdehnung der Ge¬ 
webseinschmelzungsprozesse der antitryptische Titer ansteigt, und lehrt, 


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Gck igle 


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104 M. Bürger und M. Graulian: 

daß für die Differentialdiagnose der Bestimmung des A. T. nur ein 
relativer Wert beizumessen ist. Unsere Erfahrungen stehen* mit 
denen der Literatur in guter Übereinstimmung. 

Uns lag zunächst daran, eine Basis zu schaffen, von der aus wir die 
Frage beantworten können, ob die Methode überhaupt als Indikator 
für den parenteralen Eiweißabbau verwertbar ist. Diese Frage 


mittl. A.T. 



Kurve 1. Übersicht über das Gesamtmaterial, geordnet nach den Mittelwerten Inden einzelnen 

Krankheitsgruppen. 

glauben wir bejahen zu sollen: Insbesondere soll betont werden, daß 
nicht etwa die Entzündung als solche die Erhöhung des Titers 
bedingt, sondern daß auch sicher aseptisch verlaufende Prozesse 
zu einer Produktion von Stoffen führen, die die tryptische Verdauung 
hemmen. Außer den in der Literatur niedergelegten Erfahrungen 
über Erhöhung des A. T. in der Gravidität, bei der experimentellen 
Phosphorvergiftung, bei der Anaphylaxie verfügen wir über eine Gruppe 
von geschlossenen, sicher nicht infizierten TumoTen, die eine deut¬ 
liche Erhöhung des A.T. aufweisen, z. B.: 

Diagnose: antitryptiacher Titer: 


F&sciensarkom am Oberschenkel 

80 

Mamma-Carcinom 

80 

branchiogenes Carcinom 

70 


Einfluß operativer Maßnahmen auf den antitrpytischen 

Titer. 

Das uns interessierende Problem ist folgendes :Sinddiedurch jede 
Operation gesetzten Gewebsschädigungen und ihre Folge 
derartige, daß sie sich in einer Änderung des A.T. nachwei- 
sen lassen, und ferner, stehen diese Änderungen in bestimm¬ 
ter Beziehung zur Größe und evtl, zum Erfolg des Eingriffs? 

Wir stellten zunächst fest, daß in Fällen, welche primär keine 
Erhöhung des A.T. zeigten, auch vollständig aseptisch ver¬ 
laufende Operationen (z. B. Bassini, Osteotomie aus orthopädi¬ 
scher Indikation, Nervendurchschneidung, Albeesehe Operation usw.) 
mit einer Steigerung des A.T. einhergehen. 



Original from 

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ri)cr post operativen Eiweißzerfall. I. 


105 


Die Kurve der mittleren Erhöhung des A. T. in .antitrypti- 
schen Einheiten zeigt eine maximale Erhöhung um 44 Einheiten 



vor Tage —► nach olor Operation 

Kurve 2. Kurve der mittleren Erhöhung des antitryptlschen Vermögens im Serum über dm Aus¬ 
gangswert in A. T.-Einheiten bei aseptisch verlaufenden Radikaloperaiumen von Leistenhernien. 

2 Tage nach der Operation als nahezu eine Verdoppelung des Aus¬ 
gangswerts. Die Werte erreichen etwa am 12. Tage nach der Operation 
wieder den Ruhe wert. 

Als Beispiele geben wir die Kurven von 3 typischen Fällen (Kurven 
3, 4, 5). 



Kurve 8. W. H. Rechtsseitige Leistenhernie. Bassinische Operation. Nach 18 Tagen mit p. p. 

verheilten Wunden entlassen. 



Kurve 4. I. I).,45J. Rechtsseitige Leistenhernie. Bassinische Operation in Lokalanästhesie. Nach 
14 Tagen mit p. p. verheilter Wunde entlassen. - 



Kurve 5. H. B., 19 J. Leistenhoden. Bassini, Synorchidie. Am 15. Tage mit p. p. verheilter 

Wunde entlassen. 


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Original fro-m 

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M. Biircr« , r und M. (Iraiilian: 


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KHi 

Sämtliche hier ei örterte Fälle wurden in Lokalanästhesie operiert, 
keiner zeigt eine Storung der Wundheilung; alle wurden am 14. Tage 
p. op. geheilt entlassen. 

Die Temperaturkurven zeigen eine leichte Steigerung der Körper¬ 
wärme bis 38°C. Ein strenger Parallelismus zwischen A. T. und 
Temperaturverlauf besteht zwar nicht mehr; der allgemeine Verlauf zwi¬ 
schen beiden Kurven ist aber gleichsinnig (Rectalmessungen morgens 
und abends). 

Als weitere Paradigmata völlig aseptischer Operationen werden 
angeführt: 1. doppelseitige intrapelvine Durchschneidung des Nervus 
obturatorius bei Littlescher Paraparese mit ungestörtem Heilungs¬ 
verlauf (Kurve 6). 


;* :p _v. 3t txz 



Kurvt* 6. M. ls.I. Littlesclie Paraparcse. Intrapelvine Durchschneidung des X. obturatorius 
bds. 31 ). X. mit p. p. vciheilter W unde entlassen. 5 Tage nach der Operation. 

In diesem Fall liegt der Höhepunkt der Kurve am 4. Tag p. op.; 
auch hier eine Steigerung des Ausgangswerts um 100%. 

Kurve 7 zeigt einen Fall von Al b ee - He nie scher Operation bei 
Spondylitis tub. Der Ausgangspunkt liegt wenig über der Norm, die 
Steigerung beträgt 30 antitryptisehe Einheiten. 



Kurve 7. P. B., 22 J. Tuberkulöse Spondylitis. Kompressionsfraktur d. 10. BrAV. Operation nach 

Henle-Alhee (os inortuuin). 

Kurve 8, doppelseitige Osteotomie bei Genu valgum (ein zweiter 
ganz ähnlicher Fall nicht abgebildet). In beiden Fällen bleibt der anti- 
tryptische Titer auffallend lange hoch, was vielleicht mit verzögerten 
Resorptionsverhältnissen an der Knochenwunde in Be¬ 
ziehung steht. Die Werte sind im Fall Kurve 8 noch am 10. Tage 
p. op. fast aufs doppelte erhöht ; im andern Fall wird erst am 7. Tage 
das Maximum erreicht. 



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Über postoperativcMi Kiweißzerfall. I. 


107 


Besonderes Interesse mußten für unsere Frage Operationen an 
der Schilddrüse haben, welche nach allgemeiner chirurgischer Erfah¬ 
rung auch dann regelmäßig zu erheblichem Fieber führen, wenn der Hei¬ 
lungsverlauf ungestört ist. Es ist naheliegend, hier eine gesteigerte Resorp- 



Kurve 8. H. B., 18 J. X-Beine, supraeondyläre Osteotomie bds. 


tion von Schilddrüsenstoffen, welche auf die Wärmeregulation einwirken, 
anzunehmen. Bei Basedowscher Erkrankung ist zudem der A. T. 
von allen Seiten stets erhöht gefunden worden, was mit dem gesteigerten 
Eiweißstoffwechsel dieser Kranken zu erklären ist. 



Kurve 9. E. H„ 21 J. Struma colloides taustgroü. Resektion. 15 Tage nach der Operation ge¬ 
heilt entlassen. 



Kurve 10. U. L., 29 J. Struma colloides Resektion. 7 Tage nach der Operation mit p. p. ver¬ 
heilter Wunde entlassen. 

Kurve 9 und 10 zeigen den Verlauf nach Resektion einer Kolloid - 
struma; beide lassen die erwähnte Temperatursteigerung erkennen; 
beide zeigen, obwohl thyreotoxische Symptome fehlen, eine Erhöhung 
des A. T. schon vor dem Eingriff. Die Operation bedingt im Fall Kurve 9 
eine Steigerung um 20 von 60 A. T. Ausgangswert, im Fall 10 eine solche 
um 40, von 60 auf 120 A. T. Einheiten. 



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108 


M. Bürger und M. Gnmhan: 


Kin weiterer Fall zeigt nur geringe Steigerung um 20 A. T. Einheiten 
hei normalem Ausgangswert von 40 A. T. Einheiten. 

Ein am Tage nach der Verletzung operierter Fall von Patellarfraktur 
mit ausgedehntem Hämarthros zeigte ein Ansteigen des Titers von 40 
am Tage der Verletzung auf 80 am 3. und Absinken auf 60 am 10. Tage 



Kurvt* 11. 11. 11., 44 J. Bruch der Kniescheibe, groües Haemarthros. Patcllarmilit. 

nach der Operation; auch hier war der Wundverlauf vollkommen asep¬ 
tisch. Trotzdem genügte das Trauma zu einer langdauernden Vermehrung 
der antitryptischen Stoffe im Serum, der ein langanhaltendes aseptisches 
Fieber entsprach (Kurve 11). 

Ulcus ventriculi, 5 Fälle (3 Resektionen, 2 Gastroenterostomien). 
Kurve der mittleren Erhöhung über den Ausgangspunkt (Kurve 12). 



Kurve 12. Kurve der mittleren Erhöhung über den Ausgangswert bei Magenoperationen wegen 
Ulcus ventriculi. 5 Fälle (3 Resektionen, 2 Oastroenterostomien). 


Der Mittelwert dieser Fälle vor der Operation liegt mit 48 deutlich 
über der Norm, was auf die bei jedem Ulcus festzustellenden Entzün¬ 
dungsvorgänge zu beziehen ist (Kurve 12a). 

Die Kurve der mittleren Erhöhung zeigt einen stärkeren Anstieg 
als die nach Hernienoperationen. Die Werte bleiben länger hoch, 
sind am 7. Tage p. op. noch um 37 A. T. über dem Ausgangsw^ert, 
während nach Hernienoperationen um diese Zeit der Ruhewert nahezu 
wieder erreicht ist. Die Verhältnisse sind nach unseren Vorstellungen, 
mit dem größeren Eingriff, welcher ausgedehnte Wundnekrosen (Netz¬ 
ligaturen) schafft, einfach zu deuten. Bei ungestörtem Heilungsverlauf 


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Über postoperativen Eiweißzerfall. I. 


109 


sind etwa 11 Tage nach der Operation die Ausgangswerte wieder 
erreicht. 

Als typisches Beispiel geben wir Kurve 12 a. 



Kurve Pia. H. Z., 48 ,T. Ulcus ventriculi (pars niedia) Billroth I. 14 Tage nach der Operation 
mit p. p. verheilter Wunde entlassen. 


Operationen am Harntraetus. 

Bei den folgenden Operationen lagen insofern besondere Verhält¬ 
nisse vor, als die untersuchten Prostatektomien und die Pyelotomie zu 
vorübergehender Harnfistelbildung und Infektionen des ehgeren Ope¬ 
rationsbereichs führten. 

Als Typus geben wir Fall R., Kurve 13, wieder. 

Die Operation führt zu einem Anstieg des Titers von 50 auf 100. Noch 
acht Tage nach der Operation ist der antitryptische Titer hoch bei 90; 



Kurve 18. H. R., (>0J. Prostatahypertrophie, Prostatectomie. 4 Wochen nach der Operation 

geheilt entlassen. 

trotz guten Heilungsverlaufs, der dadurch gekennzeichnet ist, daß Pat. 
nach vier Wochen mit vollkommen verheilter Blasenwunde entlassen 
wurde. 

Auch bei den übrigen Fällen bleibt der Titer im Gegensatz zu dem 
geschilderten Verhalten der Bruchoperierten und Magenresizierten lange 
nach der Operation hoch. 

Prostatektomie II. 

Titer vor der Operation: 40 

Titer 2 Tage nach der Operation: 60 
Titer 9 Tage nach der Operation: 80 

Prostatektomie III. 

Titer vor der Operation: 60 

Titer 3 Tage nach der Operation: 110 
Titer 10 Tage nach der Operation: 60 


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HO M. Bürger und M. Grauhan: 

Pyelotomie wegen Nierenstein bei Pyelitis. 

Titer vor der Operation: 30 

Titer 1 Tag nach der Operation: (30 

Titer 4 Tage nach der Operation: 80 

Postoperativer Verlauf der A. T.-Kurve bei hohen Ausgangswerten 
(septische Operationen, Carcinome). 

Die höchsten Ausgangswerte des A. T. fanden sich, wie eingangs er¬ 
wähnt, bei septischen Prozessen. Es war für uns von besonderem Inter¬ 
esse, ob sich in diesen Fällen analog der Fieberkurve ein günstiger 
Verlauf im Abfallen der A.T.-Kurve und umgekehrt äußern würde. 
Nach den hier vertretenen Anschauungen mußte sich, wenn den Zerfalls¬ 
produkten durch Eröffnung von Abscessen und Freilegung von Ent¬ 
zündungsherden eine Entleerung nach außen ermöglicht und damit 
ihre Resorption verhindert wurde, ein Absinken der A. T.-Kurve 



resultieren. Gleichzeitig auch darum, weil weiterer Gewebseinschmel¬ 
zung durch den Eingriff vorgebeugt wurde. Diese Erwartungen haben 
sich im allgemeinen erfüllt: Als Beispiel beginnen wir mit der Wiedergabe 
eines Falles von abgekapseltem appendicitischem Absceß, der entleert 
und drainiert wurde, ohne das die Appendix selbst entfernt wurde 
(Kurve 14). 

Hoher Ausgangswert von 120, geringer Anstieg auf 140 nach der 
Operation mit Entleerung des Eiters nach außen, prompter Abfall 
auf 80, ohne aber normale Werte zu erreichen während der Dauer der 
Beobachtung. 

Den postoperativen Abfall der A. T.-Kurve bei völliger Beseitigung 
des Entzündungsherdes zeigt ein Fall von akuter gangränescierender 
Appendicitis (Kurve 15). 

Erhöhter Titer von 70 bei der Operation, gleichmäßiges Absinken 
mit der Temperatur kurve auf 30 am 10. Tage nach der Operation. 

Perigastrischer Absceß infolge Ulcus ventriculi perforans. 



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Tber postoperativen Eiweißzerfall. 1. 


111 


Titer am Tage der Operation 100, 2 Tage nach der Operation 90, 
6 Tage nach der Operation 50. 

Ein etwas anderes Verhalten zeigt eine akute Gangrän der Gallen¬ 
blase. Der Ausgangswert vor der Operation betrug bei dem schwer 
kranken Mann 30 A. T., Temperatur 37,8. 



Kurve 16. J. A., 86 J. Akute gangränöse Appendicitis, Operation am 8. Krankheitstag. Appen¬ 
dektomie, Draii\age. Günstiger Verlauf. 

Nach Cholecystostomie und Entleerung des Empyems der Gallen¬ 
blase stieg der Titer zunächst hoch an auf 100, um dann entsprechend dem 
günstigen Verlauf auf 50 A. T. abzufallen. 

Der trotz der Gangrän auffallend niedrige Ausgangswert ist wohl 
auf die in der Gallenblase ungünstigen Resorptionsverhältnisse zurück¬ 
zuführen. 

A.T.-Kurve bei ungünstigem Heilungsverlauf. 

Wird durch den operativen Eingriff der entzündliche Prozeß und 
damit eine weitere Einschmelzung von Körpergewebe nicht gehemmt, 
so bleibt der Abfall der A. T.-Kurve aus, oder es kommt zu jenem 
weiteren Anstieg. Kurve 16: 



Kurve 16. P. W. f 53 J. Appendidtis perforata, Peritonitis. Appendektomie, Drainage, Spülung, f. 

Kurve 16: Perforierter Appendix mit Unterbauchperitonitis, nach 
Appendektomie und Spülung der Bauchhöhle vorübergehendes Ab¬ 
sinken von 100 auf 80 und Wiederanstieg bei Fortschreiten der Peri¬ 
tonitis auf 100 bis zu dem am 7. Tage p. op. erfolgenden Tod. 

Ähnlicher Verlauf bei einer Hüftresektion wegen Osteomyelitis des 
Schenkelhalses mit eitriger Coxitis. Trotz der Operation weiteres 



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112 M. Bürger und M. Grauhan: 

Ansteigen des Titers von 120 auf 140 mit geringem Absinken vor 
dem Tode. 

Titer 3 Tage nach der Operation: 120 
Titer 5 Tage naeh der Operation: 140 
Titer 9 Tage naeh der Oj>eration: 1(K> 

13 Tage nach der Operation: Exitus. 

Carcinomoperationen. 

Die hier aufzuführenden Fälle verteilten sich nicht ganz gleich¬ 
mäßig: 

1. Gastroenterostomie bei inoperablem Magencarcinom. 63 Jahre 
alter Mann. 

Titer 1 Tag vor der Operation: 60 

Titer 1 Tag nach der Operation: 60 

Titer 3 Tage nach der Operation: 100 
Tod 6 Tage nach der Operation. 

Der Wert vor der Operation ist gegen die Norm auffallend wenig 
erhöht. (Kurve 17). 



Kurve 17. H. 11., M .T. StenoBieremles Carcinoma j»ylori. Jiillroth T. günwtlRor Verlauf der Re¬ 
sektion. 

Kurve 17: 54jähriger Mann. Großes stenosierendes Carcinoma 
pylori, das aus funktionellen Gründen reseziert wurde unter Zurück¬ 
lassung von nicht entfernbaren Metastasen im Netz und an der 
kleinen Curvatur. Der schon vor der Operation hohe Titer von 80 
steigt p. op. nur unwesentlich an (auf 90) und hält sich noch weitere 
5 Tage in gleicher Höhe. 

Der letzte Fall betrifft ein Mamma-Carcinom bei einer 60jährigen 
Frau mit ausgedehnten Metastasen in den Lymphdrüsen. Der hohe 
Ausgangswert von 80 bleibt durch die Operation unbeeinflußt. 

Titer 1 Tag vor der Operation: 80 

Titer 2 Tage nach der Operation: 80 
Titer 5 Tage nach der Operation: 80 

Diskussion der Befunde. 

Unsere Untersuchungen bestätigen zunächst die Erfahrungen 
früherer Autoren, daß die verschiedensten, mit Gewebsschädigung 
einhergehenden Prozesse zu einer Einschwemmung von Stoffen 



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Über postoperativen Eiweißzerfall. I. 


113 


in die Blutbalm Anlaß geben, welche die tryptische Verdauung 
in vitro mehr oder weniger weitgehend hemmen. Die Art der zu¬ 
grundeliegenden Zerfallsprozesse ist dabei weitgehend irre¬ 
levant. Kolloide Strumen liefern ebenso antitryptisch wirksames 
Material wie geschädigte Muskulatur oder bösartige Neubildungen. In 
Reagensglasversuchen konnten wir derartige Wirkungen kopieren 
durch Pepton und Glykokoll; aus diesen Beobachtungen leiten wir die 
Berechtigung zu der Annahme ab, daß es sich bei der Erscheinung der 
Trypsinverdauungshemmung nicht um das Wirksam werden eines 
echten Antiferments, sondern um Hemmungswirkungen von Ab¬ 
bauprodukten handelt. Im Verfolg dieser Vorstellungen wurde die Wir¬ 
kung verschiedenster operativer Eingriffe bezüglich des Auftretens 
antitryptisch wirksamer Stoffe untersucht mit dem Resultat, daß 
praktisch jederEingrif fei ne Vermehrung der antitry ptischen 
Serumstoffe bedingt. Im allgemeinen gingen die Ausschläge der 
Größe des Eingriffs parallel, wie besonders aus den Befunden bei aseptisch 
verlaufenden Operationen hervorgeht. Besonders hohe Ausschläge wur¬ 
den bei Strumaoperationen gesehen, was mit den Befunden von 
C. Meyer 1 ) gut übereinstimmt, der den gleichen Effekt durch Injektion 
von Schilddrüsensubstanzen erzielte. 

Unter der Vielheit antitryptisch wirksamer Substanzen befinden sich 
sicher auch pyrogene Stoffe. Daher geht sooft die Kurve des A. T. 
mit dem Temperaturverlauf parallel. Ausnahmen kommen jedoch vor; 
z. B. wurde bei einer Darmresektion wegen Ileus gefunden: 


A.T. 


Temperatur 

80 

37,8 

1 Tag vor der Operation 

120 

37,6 

3 Tage nach der Operation 

80 

37,4 

7 Tage nach der Operation. 


Dabei war Allgemeinbefinden und Wundverlauf normal; also keine 
Kollapstemperatur. Auch die bei Carcinom gefundenen Erhöhungen 
des Titers gehen ohne Fieber einher (Kurve 17). 

Ist die als Folge des operativen Eingriffs einsetzende Gewebsein¬ 
schmelzung nur geringen Umfangs, so kehrt der Titer rasch zur Norm 
zurück; das zeigen übereinstimmend normal verlaufende Bauchoperatio¬ 
nen. Bei größeren Eingriffen (Magenresektionen) kreisen die Gewebs¬ 
zerfallsprodukte längere Zeit im Blute. 

Bei primär hohen antitryptischen Werten infolge eitriger Einschmel¬ 
zungsprozesse konnten wir nach unseren Kurven zwei Verlaufstypen 
unterscheiden: Prompte Entleerung abgekapselter Eiterherde 
bedingt nach vorübergehendem Anstieg raschen Abfall! Führt 
die Operation nicht zum gewünschten Erfolg oder treten Sekundärinfek- 

x ) Meyer, BerL klin. Wochenschr. 1909, Nr. 23. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 8 


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114 M. Bürger und M. Grauhan: Über postoperativen Eiweißzerfall. 1. 

tionen ein, so äußert sich das in weiterem Ansteigen resp. Hoch¬ 
bleiben der antitryptischen Werte. Es kommt in solchen Fällen immer 
neues Einschmelzungsmaterial in die Blutbahn. Diese Art der Betrach¬ 
tung kann für die Beurteilung von Carcinomoperationen von Bedeutung 
werden. Abfall des vorher erhöhten Titers und dauerndes 
Einhalten von Normalwerten wird in der Richtung einer 
geglückten Radikaloperation zu verwerten sein; während 
umgekehrt ein Hochbleiben resp. Ansteigen der Werte für das 
Zurückbleiben von Metastas spricht. 

Wie wir in einer weiteren Mitteilung zeigen werden, führen auch asep¬ 
tische Eingriffe infolge der Gewebseinschmelzung zu Stickstoff Verlusten. 

Die biologische Bedeutung solcher Einschmelzungsprozesse wird bei 
Operationen kleinen Umfangs nur von geringer Bedeutung sein. Daß 
sie auch hier schon nachweisbar sind, konnten wir dartun. Kommt es 
aber zur Ausbildung großer Wundflächen oder Zerstörung großer Gewebs- 
massen (Granatverletzungen, Oberschenkelexartikulationen), dann wird 
eine toxische Komponente dieser Eiweißabbauprodukte den Heilungs¬ 
prozeß richtunggebend beeinflussen. Was als Wundschock lange 
bekannt ist, wird nunmehr teilweise unter dem Gesichtspunkt der 
proteinogenen Kachexie (Schittenhelm und Weichardt) zu be¬ 
trachten sein. Die Richtlinien für die Therapie ergeben sioh bei einer 
solchen Auffassung von selbst. Es muß stets das Ziel der weiteren Wund¬ 
versorgung bleiben, die toxischen Gewebszerfallsprodukte zu entfernen 
und damit einer drohenden „Wundkachexie“ vorzubeugen. 


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(Aua der Medizinischen Klinik Kiel [Direktor: Prof. Dr. A. Schittenhelm].) 

Untersuchungen über die Ableitung der Aktionsströme des 

Herzens vom Thorax. 

Von 

Dr. Fritz Schellong, 

Assistent der Klinik. 

Mit 4 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 21. Januar 1922.) 

Lewis 1 ) und seine Mitarbeiter veröffentlichten eine Reihe von 
Arbeiten über das Vorhofsflattem- und -flimmern. In der einen dieser 
Arbeiten werden von Drury und Iliescu 2 ) elektrokardiographische 
Untersuchungen des klinischen Flimmems mitgeteilt. Die Verfasser 
bedienen sich dabei einer lokalen Ableitung vom Thorax und erhalten 
dadurch Elektrokardiogramme, die die Aktion des flimmernden und 
flatternden Vorhofes in besonders deutlichen Wellen und Oszillationen 
wiedergeben. Bei den üblichen Ableitungen von den Extremitäten wird 
die Kurve durch extrakardiale Vorgänge leicht entstellt. Schon ein 
leichtes Zittern der Arme und Beine, das sich bei etwas aufgeregten 
Patienten nicht vermeiden läßt, bringt in die Saite eine stete Unruhe, 
die feinere Unterscheidungen, namentlich im Bereich der Vorhofszacken, 
nicht zuläßt. Die Verfasser benutzen ihre Art der Ableitung nur zu be¬ 
sonderen Untersuchungen des Flatterns und Flimmerns. Ich habe die Ab¬ 
leitungen nachgeprüft und sie bei einer Reihe normaler und herzpatho¬ 
logischer Fälle angewandt, indem ich gleichzeitig Abi. 2 schrieb und 
auch weitere Vergleiche mit Abi. 1 und Abi. 3 anstellte. Es haben sich 
dabei einige Vorteile ergeben, die die Methode einer Mitteilung wert er¬ 
scheinen lassen, zumal sie noch nicht allgemein bekannt sein dürfte. 

Methode: Die Ableitung geschieht durch zwei runde Kupfer¬ 
plättchen von 4—5 cm Durchmesser, die am Thorax mit einer steifen 
Paste aus Mehl, Salz und Wasser befestigt werden, und an denen Klemm¬ 
schrauben für die Drähte angebracht sind, die zum Galvanometer führen. 
Als die günstigsten Stellen der Ableitung haben sich für Drury und 
Iliescu ergeben: 

1. Die eine Kupferplatte wird auf den Ansatz der zweiten rech¬ 
ten Rippe aufgesetzt, die andere auf den 7. rechten Rippenknorpel. 

J ) Lewis, Observation» upon flutter and fibrillation. Heart, Bd. 7 —8, 1920 
bis J921. Ref. Kongr. Zentralbl. 14 — 18 , 1921. 

2 ) Drury und Iliescu, Part. VIII, Heart Bd. VIII, Nr. 2 u. 3, 1921. Ref. 
Kongr. Zentralbl. 18 , 538. 1921. 

8 * 


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116 


F. Schellong: Untersuchungen 


2. Die eine Platte auf die Mitte des Sternums, die andere auf den 
Rücken, 6 cm rechts von der Wirbelsäule in Höhe des Schulter blattwinkeis. 

Es erscheint zweckmäßig, die Haut vorher mit Äther gut zu reinigen 
und mit Kochsalzlösung anzufeuchten. 

Untersuchungen: Von diesen beiden Ableitungen erwies sich mir 
die erste (Brustabteilung) als die günstigere. Da sie außerdem auch be¬ 
quemer anzuw r enden ist (Rückenlage des Patienten), habe ich sie bevor¬ 
zugt und die zweite Art (Brust-Rücken) nur aushilfsweise herangezogen, 
ohne mit ihr je bessere Resultate zu erhalten. 

Bei denVersuchen ergab sich, daß die durch die beschriebenen Ablei¬ 
tungen gewonnenen Kurven meist frei von extrakardialen Verzitterungen 



Abb. I. Oben: Brustabl.; unten: Abi. II. In der Brustableitung deutlice P-Zacke. Abi. 2 verzittert. 

Normales P nicht erkennbar. 

sind und die Vorhof sschw r ankungen deshalb meist klarer hervortreten 
lassen. Daß diese in Fällen von Flattern und Flimmern gut zum Ausdruck 
kommen, zeigen Drury und IIiesc u an ihren Kurven. Aber auch für 
die Darstellung des normalen Vorhofs ist Saitenruhe von Bedeutung, 
wenn es sich z. B. um die Berechnung einer etwa verlängerten Über¬ 
leitungszeit (P-R) handelt. Bei einem Patienten (Akromegalie und 
Paralysis agitans, chronische Arthritis) w r ar das Zittern der Extremi¬ 
täten so stark, daß Abi. 1, 2 und 3 eine normale Vorhofserhebung nicht 
erkennen ließen; erst die Brustableitung zeigte ein deutliches normales P 
und damit ein überhaupt normales Elektrokardiogramm (Abb. 1). 

Immerhin folgten sich die R-Zackcn auf dem Elektrokardiogramm 
dieses Falles in regelmäßigen Abständen, und aus diesem Grunde hätte 
man vielleicht schon von vornherein ein Vorhofsflimmem ausschließen 
können. 

Ein anderer Kranker dagegen hatte bei einer schwer dekompen- 
sierten Aorteninsuffizienz lange Zeit hindurch regelmäßigen Puls und 
zeigte dann plötzlich eigenartige Frequenzunterschiede: Nach einer 
kurzen tachykardischen Periode (Frequenz 120—130) w r urde die Aktion 
langsamer bis zur kurzdauernden Bradykardie (Frequenz 50—60), 
um dann wieder allmählich beschleunigt zu werden. Diese wellenförmi- 


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Abb. 4. Oben: Brustabl.; unten Abi. II. Ekg eines Falles mit Vorhofsflattem. 









































118 F. Schellong: Ableitung der Aktionsströme des Herzens vom Thorax. 

gen Rhythmusänderungen folgten sieh ganz regelmäßig in gleichen Ab¬ 
ständen. Von der voll ausgebildeten Tachykardie zählte ich bis zur vollen 
Bradykardie im Durchschnitt 25 Sekunden, von da bis zur wiederher¬ 
gestellten Tachykardie ebensoviel. Gleichzeitig bestand C h e y n e - 
Stokessches Atmen derart, daß die Atmungsexkursionen während 
der langsamen Herztätigkeit am größten waren. 

Das Elektrokardiogramm in Abi. 2 zeigte (abgesehen von der aty¬ 
pischen R-Zacke) während der schnellen Frequenz eine nur kleine 
Vorhofserhebung, die sich von den Verzitterungen aber noch sicher 
unterscheiden ließ. Während der bradykardischen Phase dagegen 
schien in Abi. 2 Vorhofsflimmem zu bestehen. Die sofort vorgenommene 
Brustableitung zeigte dann aber ein deutliches (zweizipfeliges) P an den 
Stellen, an denen in Abi. 2 überhaupt kein Vorhof sichtbar war (Abb. 2 
und 3). Damit war es klar, daß die Frequenzänderung vom Sinus ausging. 

Demgegenüber stehen einige Fälle mit normalem Elektrokardio¬ 
gramm, in denen die Gliederableitungen, besonders Abi. 2 die besten 
P-Zacken zeigten und die Brustableitung und auch die Brust-Rücken¬ 
ableitung in dieser Hinsicht versagten. In einem normalen Falle gab 
die Brustableitung keinen sichtbaren Vorhof. 

Ebenso muß betont werden, daß diese Ableitungen auch in Fällen 
von Flattern und Flimmern nicht immer die souveräne Art der Dar¬ 
stellung sind. Sie leisten bisweilen nicht mehr — aber auch nicht weniger 
— als die üblichen Gliederableitungen, zumal da für die Diagnosestellung 
die vorhandene totale Irregularität bei fehlender Extrasystolie ja kaum 
Zweifel entstehen läßt. Meist aber ist der flatternde Vorhof recht deut¬ 
lich sichtbar, und die Brustableitung ist daher zumindest ad demonstra- 
tionem etwa für Studenten zu empfehlen. Abb. 4 zeigt so einen Fall, 
bei dem auch in Abi. 1 und 3 kein klares Flattern zu erhalten war. 

Hinzugefügt sei, daß der von Frey und Schittenhelm 1 ) veröffent¬ 
lichte Fall von Ventrikelautomatie mit stillstehenden Vorhöfen mit der 
beschriebenen Ableitung nachuntersucht worden ist. Auch dabei waren 
Aktionsströme des Vorhofes nicht erkennbar. Die Saite blieb ruhig 
bis zur jedesmaligen R-Zacke. 

Die Vorzüge der hier besprochenen Methode mit direkter Ableitung 
vom Thorax sind also: Saitenruhe infolge des Wegfallens extra¬ 
kardialer Einflüsse und dadurch Deutlichwerden der P- 
Schwankung, die auch gerade bei den von Drury und Iliescu 
gewählten Ableitungstellen meist größer als bei den Gliederableitungen ist. 
Besonders die Brustableitung wird in manchen Fällen Klarheit schaffen. 
Über die Aktionsströme der Kammern scheint sie keinen neuen Auf¬ 
schluß zu geben. Sie ist aber nicht in allen Fällen der üblichen Art der 
Gliederableitung, insbesondere nicht Ableitung 2, überlegen. 

1 ) Frey und Schittenhelm, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 12, H. 6. 1921. 


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über den Calciumgehalt des Blutes bei der Guanidin Vergiftung. 

Ein Beitrag znr Tetaniefrage. 

Von 

Gustav Bayer. 

(Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie der Universität 

Innsbruck.) 

Mit 3 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 11. November 1921.) 

Unter eingehender Kritik der zahlreichen bisher aufgestellten 
Hypothesen über die Pathogenese der parathyreogenen Tetanie ge¬ 
langten kürzlich NoelPaton 1 ) und seine Mitarbeiter zu dem Schlüsse, 
daß diese durch die Anhäufung von Guanidin in der Zirkulation her¬ 
vorgerufen sei, welches infolge des Ausfalles eines normalerweise von 
den Epithelkörperchen ausgehenden Stoffwechselregulation in ab¬ 
normer Menge im Organismus kreist. Nicht unerwähnt soll bleiben, 
daß Fühner bereits in seiner ersten Guanidinarbeit 2 ) auf den mög¬ 
lichen Zusammenhang von Tetanie und Guanidin Wirkung hinge¬ 
wiesen hat. 

In der Tat zeigt die Vergiftung mit diesen Stoffen in vielen Be¬ 
ziehungen eine weitgehende Übereinstimmung mit den Symptomen 
der parathyreopriven Tetanie: nach geringen Dosen wird durch das 
Guanidin zunächst nur die elektrische Erregbarkeit der motorischen 
Nerven gesteigert, nach größeren Giftdosen treten tonische und klo¬ 
nische Krämpfe der Muskulatur vom selben Typus wie bei der post¬ 
operativen und bei der idiopathischen Tetanie auf; daneben beobachtet 
man auch Störungen, die ihren Ausgang vom Zentralnervensystem 
nehmen und welche offenbar die gleichen Gebiete wie bei der Tetanie 
betreffen, wie sich aus der gleichen Beeinflussung durch Narkose, Durch - 
trennung nervöser Bahnen usw. ergibt. Ferner fand Bur ns 1 ) als weitere 
Stütze für Noel Patons Ansicht über das Wesen der Tetanie, daß die 
Stoffwechseländerungen, die beim Hunde durch die Entfernung der 
Epithelkörperchen ausgelöst werden, mit den beim fastenden Hunde 
durch Vergiftung mit Methylguanidin hervorgerufenen Störungen des 

*) Noel Paton, Findlay, Burns, Sharpe, Wishart, Quaterly joum. 
of physiol. 1#. 1917. 

2 ) H. Fühner, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 58. 1907. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 9 


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120 


G. Bayer: 


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Stickstoffwechsels identisch sind. Und Watanabe 1 ) fand, daß die In¬ 
jektion von Guanidinchlorhydrat beim Kaninchen ebenso wie die Ent¬ 
fernung der Epithelkörperchen zur Hypoglykämie führe. Anderseits 
hatte bereits F. W. Koch 2 ) diese Substanz und verschiedene Derivate 
derselben (Methylguanidin, Dimethylguanidin, Guanidinbutylamin- 
oder -propylamin) im Harne parathyreopriver Hunde nachgewiesen, 
ebenso fanden Bur ns und Sharpe 3 ) Guanidin und Methylguanidin 
bei Hunden nach Entfernung der Epithelkörperchen in vermehrter 
Menge im Harn und Blut, bei tetaniekranken Kindern im Harn und 
Sharpe 4 ) in bedeutend vermehrter Menge im Stuhl tetaniekranker 
Kinder. 

So kann es nicht wundernehmen, daß Noel Patons nach so vielen 
Richtungen vorzüglich fundierte Hypothese heute die Tetaniefrage 
beherrscht. Ganz ohne Einspruch ist allerdings diese Hypothese doch 
nicht geblieben. Aus einer jüngst erschienenen Arbeit Klingers 6 ) 
läßt sich die auch durch unsere eigenen Erfahrungen bestätigte Tat¬ 
sache entnehmen, daß das allgemeine Symptomenbild der Guanidin-, 
Methylguanidin- und Dimethylguanidin Vergiftung bei der Ratte offen¬ 
bar sehr verschieden ist, von dem durch Ausschaltung der Epithel¬ 
körperchen bei diesen Tieren erzeugbaren Krankheitsbild, wie es Erd- 
heim und auch Iselin beschrieben haben. Und bei der Katze zeigt 
sich zwar nach Klinger eine sehr weitgehende Ähnlichkeit der 
Symptome der Vergiftung mit den genannten Stoffen einerseits und der 
parathyreopriven Tetanie anderseits 8 ), ein auffallender und für die Be¬ 
urteilung der ganzen Frage vielleicht gewichtiger Unterschied ist da¬ 
gegen in der ungleichen Wirksamkeit der Calciumsalze gelegen: bei 
der parathyreopriven Tetanie erhielt Klinger durch CaCl 2 und durch 
andere lösliche Kalksalze immer eine prompte Besserung der Symptome, 
häufig völlige, wenn auch nur vorübergehende Wiederherstellung der 
Gesundheit (wie dies auch nach den zahlreichen Angaben verschiedener 
Autoren bei anderen Versuchstieren gelingt"), während bei der 

*) C. K. Watanabe, Joum. of biol. ehern. 33; 1918; nach dem Referat im 
Chem. Zentralbl. 1, 49. 1919. 

2 ) F. W. Koch, Joum. of biol. chem. 13 u. 13. 1912 u. 1913. 

3 ) Burns und Sharpe, Quaterly joum. of physiol. 10 . 1917. 

4 ) Sharpe, Biochem. Joum. 14. 1920. 

5 ) Klinger, Arch. f. experim. Pathol. und Pharmakol. 00. 1921. 

6 ) Bei den eigenen Versuchen hatte ich doch den Eindruck, daß die Spastizitat 
nach der Guanidinvergiftung nicht jene hohen Grade erreicht, welche die para- 
thyreoprive Katze zeigt. Der von Klinger beobachtete Unterschied hinsicht¬ 
lich des Appetites, der bei der postoperativen Tetanie völlig fehlt, bei der Guanidin¬ 
vergiftung ungestört vorhanden ist, zeigte sich auch in auffallender Weise in den 
eigenen Versuchen. Hier mag aber vielleicht der Wundschmerz zur Erklärung 
herangezogen werden. Klinger, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chirurg. 33. 

7 ) Biedl, Innere Sekretion. III. Auflage. 1916. S. 167. 



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Über den Caloiiungehalt des Blutes bei der GuanidinvergiftmiLr. 121 

Guanidin Vergiftung die gleichen und auch größere Kalkdosen ganz 
versagten. Auch Noel Paton und Findlay fanden bei guanidin¬ 
vergifteten Katzen nach Calciumdarreichung zwar eine Herabsetzung 
der elektrischen Erregbarkeit, im übrigen aber wird von zwei Tieren 
bemerkt, daß die allgemeinen Symptome bei Katze 70 sogar noch ausge¬ 
sprochener in Erscheinung treten, während Katze 66 1 Stunde 20 Min. 
nach der intravenösen Injektion von Calciumlaktat seemed more 
comfortable and the want of balance was less marked, but „water 
shaking“ as before. Und ebenso fand auch Watanabe 1 ), daß 
die durch Epithelkörperchenentfemung hervorgerufenen Tetaniesym¬ 
ptome, sowie die sie begleitende Hypoglykämie, durch Calciumlaktat 
zeitweilig behoben werden können, nicht aber die gleichen Erschei¬ 
nungen nach Guanidinvergiftung. Dieser Unterschied zwischen Guani¬ 
dinvergiftung und Tetanie legte uns die Frage nahe, ob die für die 
idiopathische und postoperative Tetanie nachge\yiesenen Beziehungen 
zum Kalkstoffwechsel bzw. zum Calciumgehalt des Organismus auch 
für die Guanidin Vergiftung Geltung besäßen. In der bisherigen Lite¬ 
ratur liegt meines Wissens nur eine Angabe vor, welche zur Beant¬ 
wortung unserer Fragestellung in Beziehung gebracht werden könnte : 
nämlich die von Heyde 2 ) mitgeteilte, von Löwit 3 ) bestätigte Beob¬ 
achtung, daß die Gerinnbarkeit des Blutes guanidinvergifteter Tiere 
herabgesetzt sei. Eine bindende Antwort auf die Frage nach dem Ca- 
Gehalt des Blutes guanidinvergifteter Tiere läßt sich jedoch natürlich 
aus Heydes Beobachtungen nicht ableiten, da der Vorgang der Blut¬ 
gerinnung ja doch ein sehr komplexer und noch von vielen anderen 
Faktoren außer dem Ca-Gehalt abhängig ist. 

Während die Versuche einer Aufstellung einer Kalkbilanz, sowie 
die Kalkbestimmungen im Gehirne und in anderen Organen bei der 
Tetanie keine gleichmäßigen Resultate geliefert haben, weisen alle 
Untersuchungen über den Ca-Gehalt des Blutes bei dieser Krankheit 
nach einer Richtung. Zuerst hatte Neurath 4 ) den Kalkgehalt des 
Plasmas mit Hilfe der Wrightsehen Methode zu bestimmen gesucht 
und fand sowohl bei tetaniekranken Kindern als auch bei einem para- 
thyreopriven Hund eine Verminderung desselben. Auch Stheeman 6 ) 
fand mit derselben Methode bei Kindern mit positiven Facialisphäno- 
men einen geringeren Calciumgehalt des Plasmas als bei normalen 
Kindern. Mac Callum und Voegtlins 6 ) Analysen ergaben, daß der 

*) Watanabe, Joum. biol. ehern. 34. 1918. Ref. Chera. Zentralbl. 1, 115 
bis 116. 1919. 

2 ) Heyde, Zeitschr. f. Physiol. Ä5, 441. Experim. Med. 1. 1913. 

3 ) Loewit, M., Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 13, 14. 1913. 

4 ) Neurath, Zeitsehr. f. Kinderheilk. 1. 1911. 

5 ) Stheeman, bei Trendelenburg 1. c. 

6 ) Mac Callum und Voegtlin, Joum. of experim. med. II; 1909 und 18; 1913. 

9* 


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122 Bayer: 

Kalkgehalfc des Blutes normaler Hunde zwei- bis dreimal so groß 
ist als der durch Parathyrektomie tetanisch gemachter Hunde und 
Kramer und Howland 1 ) stellten bei tetaniekranken Kindern eine 
sehr bedeutende Abnahme des Serumcalciums fest. Neuerdings fand 
P. Trendelenburg 2 ), der eine feine biologische Methode zur schät¬ 
zungsweisen Bestimmung des Ca-Ionengehaltes im Serum unter Be¬ 
nützung des Froschherzens als Indicator ausarbeitete, daß das Serum 
von Katzen nach Parathyrektomie eine Ca-Verminderung von un¬ 
gefähr 35—45% gegenüber dem normalen Calciumgehalte aufweise. 

Diese Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen aller Unter- 
sucher lassen es als höchstwahrscheinlich ansehen, daß bei der ex¬ 
perimentellen wie bei der klinischen Tetanie eine Verminderung des 
Calciumgehaltes des Blutes bestehe. Diese Tatsache für die Klärung 
der Frage nach der Bedeutung des Guanidins für die Tetanie nutzbar 
zu machen, stellte ich mir die Frage, ob auch bei der Guanidinver¬ 
giftung eine Verminderung des Serumcalciums nachweisbar wäre. 

Als Versuchstiere dienten Kaninchen, Meerschweinchen und Katzen, 
und zwar wurden entweder zu jedem vergifteten Tier normale Kontroll¬ 
iere, womöglich gleichen Wurfes, j edenf alls aber gleichgroße Tiere gleichen 
Geschlechtes, die vorher unter den gleichen Fütterungsverhältnissen ge¬ 
halten worden waren, verwendet, oder es wurde dem zur Vergiftung be¬ 
stimmten Tiere unmittelbar vor der Verabreichung der Substanz Blut be- 
hufs Bestimmungdesnormalen Ca-Gehalts entnommen. Die Blutentnahme 
erfolgte bei allen Tieren aus der Carotis mittels Kanüle, bei Kaninchen und 
Meerschweinchen ohne Narkose, bei Katzen, bei denen behufs Auf bindung 
auf das Operationsbrett Betäubung nicht zu vermeiden war, in Äther¬ 
narkose. Die Sera wurden 24—36 Stunden nach der Blutentnahme am 
Froschherzen nach der von P. Trendelenburg 3 ) angegebenen Me¬ 
thode geprüft. Ein Ca-Verminderung vortäuschender und dadurch 
störender Einfluß des injizierten, resorbierten und evtl, im Blute 
kreisenden Guanidins auf das Froschherz war nicht zu befürchten, 
wie bereits Trendelenburg festgestellt hatte und wie auch aus den 
Versuchen von Bums und Watson 4 ) sowie von Rosenow 6 ) hervor¬ 
geht, welche durch die erst überhaupt herzwirksamen J / 4 proz. Guanidin¬ 
lösungen, Konzentrationen die für unsere Tierversuche überhaupt 
nicht in Betracht kamen, Vergrößerung der Amplitude des Herz¬ 
schlages erzielten. 

J ) Kramer and Howland, Joum. of biol. ehern. 43. 1920: Tisdall, 
Kramer and Howland. Proc. of the soc. for experim. biol. a. med. 18. 1921. 

2 ) P. Trendelenburg, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 89. 1921. 

3 ) Trendelenburg, 1. c. S. 190. 

4 ) Bums und Watson, Joum. of physiol. 53, 306. 1920. 

5 ) Rosenow, Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 1 £. 1920. 



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Über den Calciumgehalt des Blutes bei der GuanidinVergiftung. 


123 


Zur Vergiftung wurde teils Guanidinchlorhydrat der Firma Kahl¬ 
baum, teils Methylguanidin von Hofmann - La Roche, Basel, ver¬ 
wendet, welches letzteres Präparat mir von der erzeugenden Firma in 
dankenswerter Weise überlassen worden war. Die Applikation erfolgte 
mittels subcutaner oder intramuskulärer Injektion. Das Guanidin 
bzw. Methylguanidin wurde bei allen Versuchen in verteilten Gaben 
verabreicht, in der Art, daß bald akuterer, bald protrahierter ver¬ 
laufenden Vergiftungen erzielt wurden. Die Entnahme des Blutes vom 
vergifteten Tiere erfolgte teils auf der Höhe der Vergiftung, teils in 
einem Zeitpunkte, in dem ein längeres Zuwarten mit Rücksicht auf den 
schweren Zustand des Tieres nicht ratsam war, bei den verschiedenen 
Versuchen zwischen der 3. und 31. Stunde nach dem Beginn der Gift¬ 
darreichung. 

Die bei den Katzenversuchen nebenbei vorgenommene chemische 
Calciumbestimmung im Serum wurde nach Veraschung in der von 
St ölte 1 ) vorgeschlagenen Weise nach der Methode von Kramer und 
Howland 2 ) ausgeführt. 

Zur Beurteilung der Versuchsergebnisse mußte zunächst die Emp¬ 
findlichkeit der verwendeten Froschherzen (meistens wurden Esculen- 
ten benützt) gegen Ca-Mangel festgestellt werden. Es geschah dies 
wie in Trendelenburgs Versuchen in der Weise, daß jedes zu 
prüfende Froschherz sukzessive mit Frosch-Ringerlösung verschiedenen 
Calciumgehaltes gespeist wurde und die jeder dieser Füllungen ent¬ 
sprechende Kontraktionshöhe graphisch registriert wurde. Natürlich 
wurde streng darauf geachtet, daß der hydrostatische Druck in der 
Fühner - Kanüle bei den verschiedenen Füllungen einer Versuchsreihe 
genau der gleiche war. Das hierbei erzielte Ergebnis ist in der Tab. I 
verzeichnet und dem der Trendelenburgschen Auswertungsversuche 3 ) 
gegenübergestellt. 

Tabelle I. 


Abnahme der Kontraktionshöhe des Froschherzen bei Verminderung de> 
Ca-Gehaltes der zur Speisung verwendeten ltingerlösung. 


Bei einer Verminde¬ 
rung des Kalkgehal¬ 
tes der Ringerlösung 


beträgt die Abnahme der Kontraktionshöhe im Mittel 


in den eigenen 
Versuchen 


in Trendelenb ur g s. 
Versuchen 


um 30 % 7 % 

um 50 % 20 % 

um 70 % ,| 36 % 

*) Stolte, Biochem. Zeitsckr. 33. 1911. 

2 ) Kramer and Howland, 1. c. 

8 ) Die entsprechenden Werte sind die Mittelwerte aus den Größen, welche 
sich aus den beiden von Trendelenburg, 1. e. >S. 183, wiedergegebenen Kurven 
ablesen lassen. 


21 % 
42 % 
TS % 


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124 


G. Bayer: 


Es ergab sich mithin, daß die zu den eigenen Versuchen zur Ver¬ 
fügung stehenden Froschherzen eine sehr beträchtlich geringere Emp¬ 
findlichkeit gegen Ca-Mangel aufwiesen als jene, die Trendelenburg 
zu seinen Untersuchungen verwendet hatte. Ob hiefür regionäre oder 
jahreszeitliche Verhältnisse in Betracht kommen (Trendelenburgs 
Versuche wurden, soweit aus seinen mitgeteilten Versuchsprotokollen 
ersichtlich, im Dezember bis Juli, unsere in der Zeit vom Juli bis 
Ende Oktober ausgeführt) bleibt unentschieden. In unseren Ver¬ 
suchen war häufig bei einer Verminderung des Ca-Gehaltes um 20% 
noch überhaupt keine Abnahme der Kontraktionshöhe bemerkbar. 

Bei den nach diesen Vorversuchen zur Erledigung der vorhin um- 
rissenen Fragestellung vorgenommenen Versuchen, in welchen das 



AB A 

Abb. 1. Kaninclicn versuc li. 
bh *20 vormittag Erste Blutentnahme. 

:ju „ 0,‘25 v Guanidinchlorid subcutan 

11»‘ 00 „ 0,40 g 

‘2»> 16 nachmittag 0,20 g ,, „ 

Um 5 h 15 wird das Tier, das seit (> Stunden schwer tetanieähnliche Vergiftungscrscheinuugen 

zeigt, durch Entbluten getötet. 

A Kontraktionen des Froschherzeus bei Durchspülung desselben mit dem Serum eines nor¬ 
malen Kaninchens. 

B = Kontraktionen des Froschherzens bei Durchspülung desselben mit dem Serum desselben 
Kaninchens auf der Höhe der Guanidinvergiftung. 

Froschherz abwechselnd mit Normalserum und mit Vergiftungsserum 1 ) 
gefüllt wurde, ergab sich, daß in den meisten Fällen das Froschherz 
bei Speisung mit dem Serum des guanidinvergifteten Tieres geringere 
Hubhöhe zeigte als bei Speisung mit dem Serum desselben Tieres vor 
der Guanidinvergiftung, bzw. bei Speisung mit dem Serum eines nor¬ 
malen Kontrolltieres (vgl. Abb. 1, 2 und 3). Die Verminderung der 
Amplitude betrug bis zu 17%, was nach unseren Auswertungsversuchen 
einen Ca-Mangel von etwa 45% entspräche. In anderen Versuchen war 
allerdings die Verminderung der Amplitude geringer, manchmal kaum 
angedeutet oder fehlte ganz. Da aber, wie die Aus Wertungsversuche 
gelehrt hatten, selbst ein recht beträchtliches Ca-Defizit von 20% im 
Durchschnitte nur sehr geringe, häufig an minder empfindlichen Herzen 

*) Alle Sera wurden durch Verdünnen mit destilliertem Wasser im Verhältnis 
10 + 3 auf Froschisotonie gebracht. 


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Über den Calci umgehalt des Blutes bei der Guanidin Vergiftung. 125 


gar keine Veränderung der Kontraktionshöhe ergibt, mag auch in diesen 
scheinbar negativen oder fast negativen Versuchen ein immerhin 
namhafter Ca-Mangel des Vergiftungsserums bestanden haben. 

Da für die Kontraktionsgröße des Froschherzens nicht die absolute 
Ca-Menge, sondern das Verhältnis Ca:K im Serum maßgebend ist, 



a n a 

Abb. 2. Meerschweinclienversuch. 

2h 80 nachmittag 0,1 g Guanidinchlorid subcutan 
8h 45 „ 0,1 g 

6h 00 ,, 0,15 g 

Um 5h 25 wird da» Tier, das seit der zweiten Injektion typische Vergiltungserscheinungen zeigte, 
entblutet. Dazu als Kontrolle das Serum eines normalen Meerschweinchens. 

A = Durchspülung mit dem Serum eines normalen Meerschweinchens. 

B = Durchspülung mit dem Serum eines guanidinvergifteten Meerschweinchens. 

zeigt sich die relative Ca-Verminderung des Serums im Froschherz¬ 
versuche auch dann, wenn statt des nativen Serums Verdünnungen 
desselben mit destilliertem Wasser zur Speisung des Froschherzens 



A 


H 



B A B 

Abb. 8. Katzenversuch. 

11h 16 vormittag Erste Blutentnahme. 

11h 80 „ 0,8 g Guanidinchlorid subcutan (= 0,188 g pro kg Körpergewicht) 

8h 00 nachmittag 0,5 g „ 

6*' 20 unter schweren Tetanieerscheinungen, die alsbald nach der ersten Injektion begonnen 

hatten, durch Entbluten getötet. 

Obere Kurve: Unverdünnte Sera. 

Untere Kurve: Mit destilliertem Wasser 10lach verdünnte Sera. 

A = Durchspülung mit dem Serum einer normalen Katze. 

B = Durchspülung mit dem Serum derselben Katze auf der Höhe der Guanidinvergiftung. 

verwendet werden. Ja es zeigte sich sogar, daß die Speisung mit lOfach 
verdünntem Serum den Unterschied in der Kontraktionshöhe zwischen 
Normalserum und Vergiftungsserum mitunter viel deutlicher er¬ 
kennen lasse als die Speisung mit konzentriertem Serum. Einen der¬ 
artigen Versuch zeigt Abb. 3. 


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126 C. Bayer: Chor den (’aleiunigeliiilt des Blutes bei der (iuanidinvergiftmig. 


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Es ergab sich mithin aus den mitgeteilten Versuchen, 
daß die Guanidinvergiftung bereits nach einigen Stunden 
bei Kaninchen, Katzen und Meerschweinchen zu einer 
Verarmung des Serums an Ca-Ionen führen kann. Diese 
Ca-Verarmung scheint im allgemeinen geringer zu sein 
als die nach Entfernung der Epithelkörperchen ent¬ 
stehende 1 ), kann aber in einzelnen Fällen bis zur gleichen 
Größenordnung aufsteigen. 

Über die Art und Weise, wie die Ca-Ionenverminderung bei der 
Guanidinvergiftung zustande kommt, kann vorläufig Sicheres nicht 
ausgesagt werden. Zwei Möglichkeiten sind hier ins Auge zu fassen: 
Entweder das Guanidin wirkt bei seinen Durchgang durch das Blut 
kalkbindend oder verschiebend auf das Gleichgewicht zwischen freien 
und gebundenen Kalk, oder es wirkt das Guanidin über ein den Kalk¬ 
stoffwechsel regulierendes Organ. 

Die erstaufgezeigte Möglichkeit wurde in der Weise geprüft, daß 
die bekanntlich von der Anwesenheit von freien Kalk abhängige Um¬ 
wandlung des Fibrinprofermentes in das Fibrinferment als Indicator 
verwendet wurde. Dabei ergab sich, daß im System Fibrinogen -f Sero- 
zym + Histozym + CaCl 2 durch vor dem Calciumchlorid zugesetzten 
Guanidin eine Beeinflussung des Gerinnungsvorganges nicht statt¬ 
findet; das Guanidin wirkt demnach nicht unmittelbar auf den Ca- 
Ionenbestand ein. 

Wahrscheinlicher ist, daß die Ca-Ionenverarmung bei der Guanidin¬ 
vergiftung auf dem Wege über die Epithelkörperchen zustande kommt 
in der Weise, daß die Nebenschilddrüsen durch den übermäßigen Zu¬ 
fluß von Guanidin, das sie in der Richtung gegen das Kreatinin zu 
verarbeiten haben, in bezug auf diese eine Teilfunktion dermaßen über¬ 
bürdet sind, daß sie der andern ihnen übertragenen Aufgabe, der 
Calciumregulierung, nicht entsprechen können. 

*) Diese wird von Trendelen bürg auf 35—45% geschätzt. 



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Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße isolierter 
(normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 

Von 

Prof. N. P. Krawkow. 

(Aus dem Pharm. Laboratorium an der Milit.-Mediz. Akademie in St. Petersburg.) 

Mit 4 Textabbildungen und 36 Kurven. 

(Eingegangen am 1 . Dezember 1921.) 

Die Untersuchungsmethodik. Die wichtigsten Untersuchungs¬ 
methoden, die gegenwärtig allgemein beim Studium der Gefäßtätigkeit 
an isolierten Organen Anwendung finden, können keinesfalls als völlig 
befriedigend angesehen werden. Die Methode von Läwen-Tren- 
delenburg *) 2 ) besteht bekanntlich darin, daß die Ringer - Locke¬ 
sche Flüssigkeit durch die hinteren Extremitäten des Frosches durch- 
geleitet wird. Dabei wird eine Kanüle in die Aorta descendens ober¬ 
halb der Stelle, wo sie sich in die Art. iliacae teilt, eingeführt, die 
zweite Kanüle führt man in die Vena abdominalis, die entlang der 
Hinterfläche der vorderen Bauchwand verläuft, ein. Die übrigen 
Venen, die ebenfalls Blut von den hinteren Extremitäten ableiten, 
werden unterbunden. Auf diese Weise fließt die Ringer - Lockesche 
Flüssigkeit, die unter einem konstanten Druck durch die Aortenkanüle 
einläuft, nur durch die Kanüle in der Vena abdominalis ab. Die Menge 
der abfließenden Flüssigkeit erlaubt uns über den Zustand des Gefäß- 
lumens zu urteilen. 

Soweit die Läwen-Trendelenburgsche Methode. Wenn sie für 
kurzwährende Untersuchungen auch sehr wertvolle Dienste geleistet 
hat, so erwies sie sich als völlig ungeeignet bei Untersuchungen von 
längerer Dauer. Es tritt hier nämlich regelmäßig eine ödematöse 
Schwellung der Extremitäten des Frosches hinzu, wodurch die Be¬ 
ständigkeit im Abfließen der Flüssigkeit ungünstig beeinflußt wird. 
Die Ursache des eintretenden Ödems ist die Behinderung des natür¬ 
lichen Abflusses der Durchleitungsflüssigkeit durch die Nieren- und 
Bauchvenen, welche beim Frosch hauptsächlich das Blut von den 
hinteren Extremitäten ableiten. Von diesen beiden ist die Nierenvene 
die größere, weil sie die Vena ischiadica (eine große Vene, die das venöse 
Blut von der hinteren, seitlichen Fläche des Oberschenkels sammelt) 


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128 N. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 

aufnimmt. [Wiedersheim 8 )]. Da bei der Isolierung der Extremitäten 
nach Läwen-Trendelenburg die Nierenvenen unterbunden werden, 
so hat die durch die Aortenkanüle infundierte Ringer sehe Flüssigkeit 
einen für ihren Abfluß bedeutend engeren Weg, als in der Norm und 
dadurch werden auch Bedingungen zur Entstehung eines Ödems ge¬ 
schaffen. Um diesem Übelstande zu steuern, modifiziert Pisse ms ky 4 ) 
die Trendelenburgsche Methode folgendermaßen: Er schneidet 
die hinteren Extremitäten samt dem Beckengürtel vom Körper des 
Frosches ab, führt eine Kanüle in die Aorta descendens ein und läßt 
durch diese Kanüle die Nährflüssigkeit einlaufen. Der Abfluß erfolgt 
durch sämtliche durchschnittene Venen (ohne Kanülen). Um die 
Quantität der abfließenden Flüssigkeit besser ablesen zu können, wird 
an das isolierte Organ eine geneigte fünfeckige Glasplatte so angesetzt, 
daß die Flüssigkeit im Strahle an der Platte bis zu ihrem spitzen Winkel 
fließt und von dort niederfällt. Nach der Quantität der abfließenden 
Flüssigkeit kann man den jeweiligen Zustand der Gefäßlumina be¬ 
urteilen. Die Experimente haben erwiesen, daß diese Modifikation 
ganz abgesehen von ihrer einfacheren Technik, den Vorteil hat, daß 
hier ein langanhaltender und konstanter Abfluß erzielt werden kann 
und außerdem die störende Schwellung der Extremitäten längere Zeit 
femgehalten wird. Aber dessenungeachtet können auch mit dieser 
Methode keine präzisen Resultate erzielt werden. Störend wirkt in 
diesem ,,Froschgefäßpräparat“ der Umstand, daß das Muskelgewebe 
bei der Durchleitung der Gifte durch die Gefäße derart von den Giften 
imbibiert wird, daß es nur unter Aufwand von Zeit und Mühe gelingt, 
die Gifte mit der normalen Ring er sehen Flüssigkeit zu entfernen. 
Noch komplizierter wird die Sache, wenn man Gifte, die immittelbar 
auf das Muskelgewebe wirken, appliziert, oder wenn sich die Muskeln 
kontrahieren; dann kann der Abfluß der Flüssigkeit derart beeinflußt 
werden, daß von einem klaren Urteil über die Gift Wirkung auf die 
Gefäßwände keine Rede mehr sein kann. Außerdem kann man nicht 
die Ergebnisse der an Gefäßen der Kaltblüter vorgenommenen Unter¬ 
suchungen voll und ganz auf die Gefäße der Warmblüter übertragen; 
so ruft das Histamin z. B. bei den Warmblütern eine starke Ver¬ 
engerung der peripheren Gefäße hervor, während es auf die Gefäße 
der Froschfüße keinen Einfluß ausübt [Handowsky und Pick 5 ) 
Beresin 6 )]. Ferner kann das Studium der Temperaturwirkungen auf 
das „Froschgefäßpräparat“ auch nur in verhältnismäßig engen Grenzen, 
d. h. unterhalb der Warmblütertemperatur, vollzogen werden. 

Die zweite, allgemein anerkannte Untersuchungsmethode an iso¬ 
lierten Gefäßen wurde von Frey und Meyer 7 ) ausgebildet. Man 
exzidiert zu diesem Zweck ein ringförmiges Stück aus einem verhältnis¬ 
mäßig großen Gefäße, z. B. aus der Carotis, Subclavia, Pulmonalis, 


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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 129 


Coronaria usw., die einem kurz vor dem Experimente getöteten Tiere 
entnommen worden sind. Der Ring wird quer durchschnitten, in einen 
Streifen verwandelt und dessen eines Ende immobilisiert, während das 
andere vermittels eines Häkchens und Fadens mit einem auf zeichnen¬ 
den und behufs Dehnung des Streifens belasteten Hebel verbunden wird. 
Der Arterienstreifen befindet sich in der Ringerschen Flüssigkeit, 
deren Temperatur auf die erwünschte Höhe gebracht werden kann. 
Die Kontraktion des Streifens entspricht der Verengerung des Gefäß- 
lumens und äußert sich durch Hebung des Hebels, die Erschlaffung 
des Streifens hingegen bedeutet eine Erweiterung des Gefäßes und 
hat eine Senkung des Hebels zur Folge. Der wesentliche Nachteil 
dieser Methode besteht darin, daß hier nur Gefäße verhältnismäßig 
großen Kalibers zur Anwendung kommen, während feinere Veräste¬ 
lungen der Blutbahn unberücksichtigt bleiben, obwohl die Reaktions¬ 
fähigkeit der Gefäße in verschiedenen Abschnitten der Blutbahn eine 
verschiedene sein mag. So zeigt z. B. Cow 8 ), wie die Wirkung des 
Adrenalins eine allmähliche Abnahme erfährt, je nachdem wir von 
Streifen aus den großen Ästen der Pulmonalis, wo eine starke 
verengernde Wirkung des Adrenalins deutlich ausgesprochen zutage 
tritt, zu den kleineren Lungenarterien und schließlich zu den intra¬ 
pulmonalen Gefäßen übergehen; in den letzten läßt sich keine Wirkung 
des Adrenalins mehr wahmehmen. Zu den Mängeln dieser Methode 
gehört auch der Umstand, daß beim Exzidieren der Streifen die nor¬ 
malen Verhältnisse im Tonus der longitudinalen und circulären Ele¬ 
mente des elastischen und muskulösen Gewebes der Gefäßwände eine 
starke Läsion erfahren; das tritt besonders deutlich an denjenigen 
Gefäßen hervor, wo außer der circulären noch eine longitudinale 
Muskulatur vorhanden ist, wie z. B. den Coronarien, Carotiden usw. 
Ferner muß darauf hingewiesen werden, daß bei der Frey sehen 
Methode die Tätigkeit der Arterienstücke nur durch eine Durchtränkung 
der Gefäßwände mit der Ringer - Lockeschen Flüssigkeit unter¬ 
halten wird, nicht aber durch Durchströmung der Vasa vasorum, 
d. h. der natürlichen (physiologischen) Bahnen. Bei längere Zeit sich 
hinziehenden Experimenten kommt außerdem noch der ungünstige 
Umstand hinzu, daß in der den Arterienstreifen umgebenden Ringer¬ 
schen Flüssigkeit eine Anhäufung der Stoffwechselprodukte des tätigen 
Arterienstreifens stattfindet. Aus diesem Grunde wird zwecks Ver¬ 
dünnung und Entgiftung des Mittels das Volumen der Flüssigkeit 
beträchtlich gesteigert, z. B. von 20,0 auf 250,0 [Günther 9 )] 
gebracht, wodurch wiederum die Prozedur des nachträglichen Ab- 
spülens mit nachfolgender Applikation einer neuen Portion der Ringer¬ 
schen Flüssigkeit (mit einem anderen Gift oder von einer anderen 
Konzentration) bedeutend erschwert wird. 


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130 Krawkow: (’Imt die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 

Im Vergleich zu den vorstehend besprochenen Methoden der Unter¬ 
suchung der Blutgefäße scheint die von mir vorgeschlagene und von 
Pissemsky 10 ) 11 ) ausgearbeitete Methode der Isolierung des 
Kaninchenohres größere Vorteile zu bieten. Sowohl von 
anatomischen als auch biologischen Gesichtspunkten ist das genannte 
Organ im höchsten Grade zu Untersuchungszwecken geeignet. Das 
Kaninchenohr besteht aus einem von beiden Seiten mit Haut über¬ 
zogenen Knorpel und ist größtenteils muskelfrei. Bloß an seiner Basis 
befindet sich eine geringfügige Schicht von schwach entwickelten 
Muskelfasern, die bei der Isolierung abgeschnitten werden. Die das 
Ohr versorgende Art. auricularis posterior, ein Ast der Carotis, verläuft 
an der äußeren Fläche der Ohrmuschel, sich zwischen der Haut und 
dem Knorpel verästelnd. Das Venennetz fängt im oberen Teil des Ohres 
an, bildet drei Äste, die an der Ohrbasis zusammenfließend die Vena 
auricularis ergeben. Hier an der Basis wird das Ohr abgeschnitten, in die 
Arterie wird eine Kanüle eingeführt, in die man unter einem konstanten 
Druck die Ringer - Lockesche Flüssigkeit einlaufen läßt. Der Ab¬ 
fluß erfolgt durch die durchschnittenen Venen, die Flüssigkeit fließt 
durch anliegende Filtrierpapierstreifen auf ein dreieckiges Glasplätt¬ 
chen und wird quantitativ nach der Tropfenzahl resp. dem Volumen 
bestimmt. Die Beobachtungen zeigten, daß das Einführen einer 
Kanüle in die Vene nicht nur überflüssig, sondern eine unnütze 
Komplikation der Technik bedeutet und häufig den Eintritt eines 
Ödems im Ohr beschleunigt, weil es sehr schwierig ist, eine 
dem Kaliber der durchschnittenen Ohrvene entsprechende Kanüle zu 
finden. Gewöhnlich tritt bei der Durchleitung der Flüssigkeit schon 
in den ersten Minuten ein heftiger Spasmus der Gefäße des isolierten 
Ohres ein, so daß die Durchleitungsflüssigkeit kaum abfließt; aber 
allmählich läßt der Spasmus nach und es stellt sich ein von bestimmter 
konstanter Höhe, mehrere Stunden anhaltender Abfluß ein. Abgesehen 
davon, daß bei dieser Methode die Nährflüssigkeit auf den natürlichen 
Bahnen (auch durch die Vasa vasorum) in den Gefäßen zirkuliert, haben 
wir hier auch ein zum Studium der Temperaturwirkungen außerordent¬ 
lich geeignetes Objekt. Das Ohr des lebenden Tieres stellt ein den ver¬ 
schiedensten Temperaturschwankungen hochgradig angepaßtes Organ 
dar und daher läßt es sich auch sowohl bei niedriger als hoher Tempe¬ 
ratur als dankbares Untersuchungsobjekt verwenden. Zu den wesent¬ 
lichen Vorteilen des „isolierten Kaninchenohres* ‘ gehört auch die 
außerordentlich zähe Lebensfähigkeit seiner Gefäße. Die Kaninchen¬ 
ohren (auch dann, wenn sie ohne besondere Vorsichtsmaßregeln auf¬ 
gehoben werden), desgleichen die Ohren auf der Jagd erlegter Hasen 
und aus Fleischläden bezogene Kalbsohren verlieren gegenüber ver¬ 
schiedenen Gefäßmitteln und anderen Agenzien ihre höchst empfind- 


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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. DM 


liehe Reaktionsfähigkeit mehrere Tage hindurch nicht; werden diese 
Organe in der Kälte aufbewahrt, so bleiben ihre Gefäße wochenlang 
reaktionsfähig. Wie wir aus dem weiteren ersehen werden, können die 
Ohrgefäße unter bestimmten Konservierungsbedingungen ihre Lebens¬ 
tätigkeit eine unbegrenzt lange Zeit bewahren. Außerdem stellt es 
sich heraus, daß die Gefäße des isolierten Ohres auf die Einwirkung 
verschiedener chemischer, mechanischer und thermischer Agenzien auf 
die Haut lebhaft reagieren können. Die soeben erörterten Eigen¬ 
schaften dieses Präparats erlaubten mir somit, manche Frage sowohl 
speziell pharmakologischer als auch allgemein biologischer Natur zu 
lösen resp. ihre Lösung in Angriff zu nehmen. An diesem Präparat 
gelang es mir, die Wirkung der Gifte in verschiedenen Stadien ihres 
Verweilens in den Geweben (Phase des Ein¬ 
dringens in die Gewebe, Sättigungsphase und 
Phase des Austritts aus den Geweben) zu 
beobachten 12 ). Außerdem konnte ich die Er¬ 
scheinungen der Gewöhnung, der Immunität, 
der Anaphylaxie, der entzündlichen Reaktion 
der Gefäße und schließlich die erstaunliche 
Empfindlichkeit des lebenden Protoplasmas 
Giften und anderen Agenzien gegenüber 
wahmehmen. 

Ein zweites nicht minder zumStu- 
dium der peripheren Gefäße geeig¬ 
netes und für die Lösung verschiedener 
allgemein biologischer und klinischer Fragen 
hochinteressantes Untersuchungsobjekt 
ist der menschliche Finger. Die prin¬ 
zipiellen Erwägungen, von welchen wir uns bei Anwendung dieses 
Organs leiten ließen und die Methode der Isolierung — sind genau 
dieselben, wie wir sie bei der Besprechung der Kaninchenohrpräparate 
schon einmal erörtert haben. 

Die Finger enthalten, genau wie das Ohr, kein Muskelgewebe. 
Der Finger oder die Zehen werden im Gelenk von der Hand resp. vom Fuß 
abgetrennt, in die beiden volaren Art. digit. propr. werden Kanülen 
eingeführt und mittels einer Y-förmigen Glasröhre mit einem gemein¬ 
samen Gummischlauch verbunden. Ähnlich, wie das Ohr, wird auch der 
Finger an einer fünfeckigen Glasplatte fixiert. Die Ringer - Locke¬ 
sche Flüssigkeit fließt unter einem bestimmten konstanten Druck 
und bei Körpertemperatur in die Art. digit. propr., fließt dann durch 
die durchschnittenen Venen ab, wird von Filtrierpapierstreifen am 
spitzen Winkel der Glasplatte angesogen und fällt tropfenweise nieder. 
Über die Quantität der abfließenden Flüssigkeit urteilt man ent- 



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132 N. 1\ Krawkow: Über <lie funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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weder nach der Zahl der niederfallenden Tropfen oder nach dem 
Volumen (Abb. 1). Ursprünglich glaubten wir ein genaueres Urteil 
über die aus den durchschnittenen Venen abfließende Flüssigkeit da¬ 
durch zu gewinnen, daß wir Kanülen wohl in die volaren als auch 
dorsalen Venen einführten, aber Anitschkow, der sich mit der Aus¬ 
arbeitung dieser Methode beschäftigte, gelang es nachzuweisen, daß 
auch ohne diese Vorsichtsmaßregel die Beständigkeit im Abfließen der 
Flüssigkeit auf der gehörigen Höhe bleibt und die Präzision der Be¬ 
obachtung keineswegs leidet. Die zu untersuchenden Finger nahmen 
wir hauptsächlich von gesunden, bei Eisenbahn- und Autounfällen 
umgekommenen Individuen oder aus Anlaß von Verwundungen oder 
Tumoren amputierten Extremitäten. Wir bedienten uns ebenfalls 
Finger, die von Menschen stammten, die an verschiedenen Infektions¬ 
krankheiten zugrunde gingen. Die Experimente sind größtenteils gleich 
am ersten Tage schon in den nächsten auf den Tod resp. die Ope¬ 
ration folgenden Stunden ausgeführt worden. Im Verlaufe der Arbeit 
stellte es sich heraus, daß die Fingergefäße, genau wie die Ohren¬ 
gefäße bei der Durchleitung der Ringer - Lockeschen Flüssigkeit, 
ihre Lebenstätigkeit lange Zeit erhalten können, namentlich wenn sie 
bei niedriger Temperatur aufbewahrt werden. Unter besonderen 
Konservierungsbedingungen, worauf wir später noch zurückkommen 
werden, können die Gefäße ihre Reaktionsfähigkeit eine unbegrenzt 
lange Zeit erhalten. Die Lebenstätigkeit der isolierten Finger offenbart 
sich nicht nur seitens des Gefäßsystems, sondern auch seitens der 
übrigen Gewebe. So sehen wir, wie bei sorgfältiger Aufbewahrung 
der Untersuchungsobjekte (bei Zimmertemperatur) die Fingernägel 
wachsen, wie die Temperatur der Haut um l 1 ^—2°C die Tempe¬ 
ratur des umgebenden Mittels übersteigt, wie empfindlich sich die 
Haut verschiedenen Reizen gegenüber verhält und wie sie schlie߬ 
lich, unter gewissen Bedingungen, Schweiß absondert. In einigen 
Fällen gelang es uns, die Schweißabsonderung an den Fingern 48 Stun¬ 
den und noch später nach der Amputation zu beobachten, indem 
wir durch die Gefäße Ringer-Lockesche Flüssigkeit durchleiteten 
und gleichzeitig eine Pilocarpinlösung subcutan injizierten. Hier¬ 
bei erweiterten sich die Gefäße erheblich, die Beugefläche der Finger 
wurde feucht und bedeckte sich mit Schweißtropfen, die trotz wieder¬ 
holten Abtrocknens immer wieder auf traten. Dieses Bild der Schwei߬ 
absonderung erinnert sehr an das bekannte Phänomen, das wir an den 
Katzenpfoten bei Reizung des Ischiadicus oder Pilocarpininjektion 
hervorrufen können. Die soeben erwähnten Tatsachen erlaubten mir 
die Fragen der Lebens- und Reaktionsfähigkeit der Gefäße normaler 
und pathologischer Gewebe, wie z. B. bei Arteriosklerose, Entzündung, 
Infektionskrankheiten mit Hilfe dieser isolierten Finger einem ver-i 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 133 

gleichenden Studium zu unterwerfen. Die nachstehend dargelegten 
Untersuchungen der peripheren Gefäße sind von mir am Kaninchen¬ 
ohr und Menschenfinger ausgeführt worden. 

Die Coronargefäße der isolierten Kaninchen- und Men¬ 
schenherzen wurden nach der schon vor einigen Jahren 
von mir vorgeschlagenen Methode untersucht 13 ). Nach dieser 
Methode wird die Tätigkeit der Gefäße am unbeweglichen Herzen 
beobachtet, wodurch der unerwünschte Einfluß der Herzkontraktionen 
auf den Zustand des Gefäßlumens beseitigt wird. Zu diesem Zweck 
wurde die Herztätigkeit mittels einer durch die Gefäße durchgeleiteten 
Strophantinlösung zum Stillstand gebracht. Das Strophantin lähmt 
nämlich den neuro-muskulären Apparat des Herzens und das Herz 
bleibt dann auch nach längerer Durchspülung der Coronargefäße mit 
Ringer-Locke scher Flüssigkeit und sogar nach Adrenalinzusatz 
unbeweglich. Die Gefäße des imbeweglichen Herzens behalten aber 
dessenungeachtet ihre Lebenstätigkeit und reagieren nach wie vor 
in höchst empfindlicher Weise auf Gifte und auf das Peri- und Myokard 
gerichtete Reize. In denjenigen Fällen, wo das isolierte und in den 
Apparat gebrachte Herz trotz der Durchleitung von Ringer - Locke¬ 
scher Flüssigkeit mit Adrenalinzusatz nicht mehr wieder in Tätigkeit 
gesetzt werden kann, ist die Anwendung des Strophantins selbst¬ 
verständlich überflüssig und das Herz bleibt auch ohnehin während 
der ganzen Beobachtungsdauer unbeweglich. Aber auch in diesen Fällen 
zeigten die Coronargefäße eine nicht immer gleich ausgeprägte Lebens¬ 
fähigkeit: diese war in größerem oder geringerem Maße ausge¬ 
sprochen, je nach dem Grad und der Art der zu Lebzeiten stattgehabten 
Affektion des Herzens. Nur bei ganz deutlich ausgesprochener 
Sklerose reagieren die Coronargefäße schwach oder gar nicht auf 
Gifte und Reize. Bei Untersuchung von Kinderherzen wurde dieselbe 
Methodik wie bei den Kaninchenherzen angewendet, dagegen mußte 
ich sie etwas modifizieren, als ich Herzen erwachsener Menschen 
untersuchte. Denn hier wies die Langendorffsche Methodik einige 
Mängel auf, die vermieden werden mußten. ISrstens benutzte man 
nach Langendorff eine zu starke Kanüle zur Einführung in die 
Aorta oberhalb der Klappen; zweitens nahm man zu wenig Rücksicht 
auf die Möglichkeit, daß die Klappen erwachsener Individuen infolge 
pathologischer Veränderungen durchlässig werden können. Um diesen 
die Präzision der Beobachtung imgünstig beeinflussenden Momenten 
aus dem Wege zu gehen, wurden in unseren Experimenten die Kanülen 
unmittelbar in die rechte und linke Coronararterie eingeführt, wie es 
auch Cesaris - Demel 14 ) tut. Die Kanülen können in die Mün¬ 
dungen der Coronargefäße oberhalb der Aortenklappen oder von 
außen durch Einschnittsöffnungen in den Arterien eingeführt werden. 


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134 N. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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In Anbetracht des Umstandes, daß durch die Coronargefäße eine er¬ 
hebliche Menge der Nährflüssigkeit durchgeleitet wird, bestimmt man 
die Quantität der sich ergießenden Flüssigkeit nicht nach der Tropfen¬ 
zahl, sondern nach dem Volumen, zu welchem Zweck das isolierte 
Herz in einen Trichter gebracht und die hinabfließende Flüssigkeit 
in einem Meßzylinder gesammelt wird (Abb. 2). Bei lang andauernden 
ununterbrochenen Experimenten an Herzen erwachsener Menschen 
halten wir es aus Sparsamkeitsrücksichten (hinsichtlich des Unter¬ 
suchungsmaterials) für angebracht, uns nur auf die Versuche an einer 
einzigen (rechten oder Unken) Kranzarterie zu beschränken; daher 
führten wir die Kanüle nur in ein Gefäß ein. In den Fällen, wo der 
Durchleitung der Flüssigkeit durch eine Kranzarterie, eine Durch¬ 
spülung beider Arterien nicht vorangegangen war, 
gelang es uns nur, die Tätigkeit einer Herzhälfte 
der rechten resp. der Unken wahrzunehmen. 
Augenscheinlich ist in diesem FaUe das Durch - 
dringen der Flüssigkeit aus einer Herzhälfte in die 
andere, trotz der zahlreichen Anastomosen zwi¬ 
schen beiden Kranzarterien wegen entstandener 
Blutgerinnsel erschwert resp. voUständig aufge¬ 
hoben. Erfolgte aber die Durchleitung der Ringer - 
Lockeschen Flüssigkeit durch eine Kranzarterie, 
nach einer vorangegangenen Durchspülung beider 
Arterien, so war es möghch, die Tätigkeit beider 
Herzhälften zu beobachten. Vorläufig ist es mir 
noch nicht gelungen, die Lebensfähigkeit der Kranz¬ 
arterien so lange Zeit zu erhalten, wie diejenige 
der Finger und Ohrengefäße. Sind aber nur einige 
Tage nach dem Tode der Tiere oder Menschen 
verstrichen und wurden ihre Herzen in der Kälte aufbewahrt, so 
konnte man auch an ihnen die noch vorhandene Lebensfähigkeit 
der Gefäße wahmehmen. Dabei muß doch hervorgehoben werden, 
daß die Anregung der Lebenstätigkeit der Kranzarterien nicht so sehr 
von dem zwischen dem Tode und der Herausnahme des Organs ver¬ 
strichenem Zeitraum, wie vom Grad der Veränderungen des Organs 
intra vitam, abhängt. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Wieder¬ 
herstellung der Herztätigkeit bei der Durchleitung Ringer- 
Lockescher Flüssigkeit durch Herzen von jungen Tieren und Kin¬ 
dern leichter und in vollerem Maße vonstatten geht, als das bei Herzen 
erwachsener und alter Menschen der Fall ist. 

Da ich in meiner Arbeit mir zur speziellen Aufgabe die Erforschung 
der Coronargefäße, nicht aber die Frage der Wiederherstellung der 
Herztätigkeit oder das Problem der sog. Revireszenz des Herzens 




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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 135 


setzte, der schon so manche Arbeit gewidmet ist (Locke, Kuliabko, 
Hering, Cesaris - Demel usw.), so beobachtete ich die hierher¬ 
gehörigen Erscheinungen nur nebenbei, bei Gelegenheit anderer Ver¬ 
suche. Für meine Zwecke mußte ich, im Gregenteil, in meinen Ex¬ 
perimenten das Herz mittels Strophanthin sistieren. Die volle Wieder¬ 
herstellung der Tätigkeit verschiedener Abschnitte des menschlichen 
resp. tierischen Herzens hängt zweifelsohne ab von dem Grad der Er¬ 
haltung seiner physiologischen Eigenschaften in ihm: der Automatie, 
Leitungsfähigkeit, Erregbarkeit und Kontraktionsfähigkeit. Die Kon¬ 
traktionen beginnen an der Mündung der Hohlvenen (die Keith- 
Flackesehen Elemente) und setzen sich dann sukzessive auf die 
Herzohren, Vorhöfe und schließlich Ventrikel fort. An pathologisch 
veränderten Herzen beschränken sich die Kontraktionen nur auf ein¬ 
zelne Abschnitte: so kann man in größerem oder minderem Maße die 
Erscheinung des Herzblocks wahmehmen. Die größten Schwierig¬ 
keiten bietet die Wiederherstellung der Tätigkeit des linken Ventrikels; 
an Herzen von erwachsenen Individuen gelang es uns sie nur in Aus¬ 
nahmefällen und nicht im vollen Umfange zu beobachten. Dagegen konn¬ 
ten wir Kontraktionen der Herzohren, namentlich an den Hohlvenen¬ 
mündungen, wenn auch in geringem Maße, beinahe in allen Fällen 
auch an schwer nach Diphtherie, Scharlach und anderen Infektions¬ 
krankheiten degenerierten Herzen beobachten. Das Abklingen der 
Tätigkeit verschiedener Abschnitte des isolierten Herzens, nachdem 
es eine bestimmte Zeit gearbeitet hat oder mit einer Strophanthin¬ 
lösung durchgeströmt wurde, vollzieht sich gewöhnlich in umgekehrter 
Folge. Erst tritt der Stillstand der Ventrikel, namentlich des linken, 
ein, dann stehen nach und nach die Vorhöfe, Herzohren still 
und schließlich erlöschen die Kontraktionen an den Hohlvenenmün¬ 
dungen. Was die Kranzarterientätigkeit betrifft, so bleibt sie, wie 
oben erwähnt, auch bei vollständiger Untätigkeit des neuro-muskulären 
Apparats des Herzens erhalten. 

Nachdem ich nun meine Methode der Untersuchung peripherer 
und Coronargefäße dargelegt habe, gehe ich zur Erörterung der von 
mir in den letzten Jahren erzielten Resultate über, die ich mit Rück¬ 
sicht auf die Kriegs- und Revolutionsverhältnisse bisher nicht ver¬ 
öffentlichen konnte. 

Die peripheren Gefäße normaler und pathologischer Gewebe. 

Um die Frage, wie die Gefäße entzündeter Gewebe auf verschiedene 
Gifte im Vergleich zu normalen Geweben reagieren, zu lösen, wurde 
an einem Kaninchenohr Entzündung hervorgerufen, indem man in 
die Außenfläche der Ohrmuschel Crotonöl einrieb oder das ganze Ohr 
für 3 Min. in Wasser von 54°C tauchte (nach Samuel). Zuweilen 

Z. f. d. exp. Med. XXVn. 10 


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136 N. I\ Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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trat die entzündliche Reaktion schon nach einer Stunde ein, in anderen 
Fällen erst nach 3—4 Stunden. Sowie der entzündliche Effekt einen 
bedeutenden Grad erreicht hat, wird das Ohr abgeschnitten und in 
den Apparat nach oben bereits geschilderter Methode gebracht. Ein 
anderes Kaninchenohr wird ebenfalls isoliert und dient zum Vergleich 
mit dem entzündeten Ohr. Die Untersuchungen sind von Eskin 15 ) 
mit Adrenalin, Histamin, Cocain und Coffein sowohl bei Zimmer- als 
auch Körpertemperatur ausgeführt worden. Außer den gefäßver- 
engemden Stoffen gelangten neben nach unserem Verfahren 16 ) ge¬ 
wonnenen bakteriellen Endotoxinen (Bacillus coli, typhi, Cholerae) 
auch Blutsera und entzündliche Exsudate (wie Ödemflüssigkeit aus 
dem entzündeten Kaninchenohr, Hydrocelenflüssigkeit) zur Unter¬ 
suchung. Es stellte sich heraus, daß die Gefäße des entzündeten 
Ohres anders auf Gifte als die Gefäße normaler Gewebe 
reagieren. Die Gefäße des entzündeten Ohres verengen sich unter 
der Wirkung der genannten Stoffe in bedeutend geringerem Maße, 
die Verengerung währt kürzere Zeit und kann zuweilen ganz fehlen. Das 
Adrenalin ruft oft nach kurzdauernder Verengerung sogar eine Er¬ 
weiterung der Gefäße hervor. Es ist bemerkenswert, daß die ent¬ 
zündlichen Exsudate, die so intensiv die Gefäße des normalen Ohres 
verengern, keinen merklichen Einfluß auf die Gefäße des entzündeten 
Ohres ausüben. Auch Cocain verengert die Gefäße bei der Entzündung 
in bedeutend schwächerer Weise; nicht selten bleibt nach Cocain 
der Effekt vollständig aus. Das Coffein, das in Verdünnungen von 
1:5000—10 000 an normalen Ohren nach einer schnell vorüber¬ 
gehenden Gefäßverengerung eine Erweiterung der Gefäße herbeiführt, 
offenbart diese letzte Eigenschaft am entzündeten Ohr in viel stär¬ 
kerem Maße. Auf Grund dieser Angaben schließen wir, daß die Ge¬ 
fäße des entzündeten Gewebes schwach auf die gefäßverengemde 
Wirkung der Gifte, dagegen bedeutend stärker auf die dilatierende 
Wirkung derselben reagieren. In dieser Beziehung zeigen die Gefäße 
der entzündeten Gewebe Ähnlichkeit mit den normalen Gefäßen 
innerer Organe, wie z. B. des Herzens, der Fischkiemen, Lunge usw\ 
Außerdem ergaben unsere Versuche, daß auch die selbständige 
rhythmische Tätigkeit der Gefäße bei der Entzündung 
eine erhebliche Veränderung erfährt. Diesen sog. Rhythmismus 
der Gefäße beobachteten wir an verschiedenen isolierten Organen, 
wie Herz, Gehirn, Fischkiemen usw., jedoch am genauesten unter¬ 
suchten wir dieses Phänomen am Kaninchenohr und Menschenfinger. 
Zahlreiche Arbeiten sind von früheren Forschem dem Studium des 
Gefäßrhythmismus gewidmet. Manche führten ihre Versuche an den 
Gefäßen des Mesenteriums und der Füße des Frosches, an der Retina, 
den Flügeln der Fledermaus usw. aus [Schiff 17 ), Vul pian, G unniny, 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 137 


Roever, Saviotti, Riegel, Pick, Huizinga 18 ), Mosso 19 ) u. a.J; 
andere untersuchten den Rhythmismus an exzidierten Arterien¬ 
streifen nach dem Frey - Meyer sehen Verfahren [Müller 20 ), de 
Bonis und Susanna 21 ), Meyer 22 ), Foll 23 ), Günther 24 ), Apitz 26 )]. 
Ohne näher auf diese Arbeiten einzugehen, verweise ich auf die schon 
einmal von mir erwähnten Mängel der letzteren Methode und auf die 
daraus folgende Ungenauigkeit und Unbeständigkeit der erzielten 
Resultate. Im allgemeinen muß man sagen, daß es nicht gelungen ist, 
in normaler Ring er scher Flüssigkeit selbständige Kontraktionen der 
Arterienstreifen zu beobachten; stets bedurfte es des Zusatzes von 
defibriniertem Blut, Serum oder verschiedenen Giften, wie Adrenalin, 
Histamin, Pituitrin, Yohimbin, Veratrin, Digitalin usw\ Daher lassen 
sich auf Grund dieser Experimente schwerlich irgendwelche Schlüsse 
über den wahren Rhythmismus der Gefäße unter normalenVerhältnissen 
ziehen. 

In den letzten Jahren sind in unserem Laboratorium zahlreiche 
Arbeiten zur Erforschung der Wirkung verschiedener pharmakolo¬ 
gischer und physikalischer Agentien auf die Gefäße verschiedener 
soilierter Organe ausgeführt worden. Bei dieser Gelegenheit mußten 
wir auch das Problem der selbständigen Kontraktionsfähigkeit der 
Gefäßwände berühren. Die in unserem Laboratorium ausgearbeite¬ 
ten präzisen Untersuchungsmethoden erlaubten mir mehrere Stunden, 
sogar einige Tage hindurch den Stand der Gefäßlumina zu beobachten 
und nach der Menge der während einer Zeiteinheit ausfließenden 
Ringer - Lockeschen Flüssigkeit über den Grad der Schwankungen 
des Gefäßlumens zu urteilen. In der ersten Zeit, als unsere Unter¬ 
suchungen hauptsächlich auf die Frage, wie diverse Gifte auf die Ge¬ 
fäße wirken, gerichtet waren, beachteten wir kaum die Ungleich¬ 
mäßigkeit im Abfließen der Flüssigkeit aus den Gefäßen der frisch 
isolierten Organe und hielten diese Ungleichmäßigkeit für eine akzi¬ 
dentelle Erscheinung, die in größerem oder geringerem Maße vom allzu 
schnellen Übergang der Gefäße von normalen physiologischen Er¬ 
nährungsverhältnissen (Blut) in ein anderes Medium (in die R.-L.- 
Flüssigkeit) bedingt wären. Ohne also diesem Phänomen genügend 
Beachtung zu schenken, warteten wir stets ab, bis die Schwankungen im 
Abfließen der Flüssigkeit vorüber waren, d. h. bis über kurz oder lang die 
Gefäße des Organs sich, wie wir uns ausdrückten,,,eingearbeitet“ hatten 
und ein gleichmäßiger Abfluß eingetreten war. Es ist ja selbstverständ¬ 
lich, daß bei einem derartig gleichmäßigen Abfließen die Wirkung eines 
bestimmten Agens auf die Gefäße mit größerer Deutlichkeit und 
Exaktheit zum Vorschein kommt, als das beim ungleichmäßigen Ab¬ 
fließen der Fall ist. Dadurch läßt es sich auch erklären, weshalb wir 
die genannten, scheinbar akzidentellen Erscheinungen des ungleich- 

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138 N. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 

mäßigen Abfließens der Flüssigkeit absichtlich außer acht ließen. 
Besonders deutlich fiel uns die erhebliche Ungleichmäßigkeit beim 
Abfließen der Flüssigkeit aus den Gefäßen der isolierten Fisch¬ 
kiemen auf. Gewöhnlich gelingt es hier schwer, ein so gleichmäßiges 
Abfließen wie an peripheren Gefäßen zu erreichen und die Schwan¬ 
kungen halten während einer mehrstündigen Beobachtungsdauer an. 
Das ungleichmäßige Abfließen läßt sich sowohl beim normalen Tonus 
derj Kiemengefäße als auch bei Erweiterung resp. Verengerung der¬ 
selben unter Einwirkung verschiedener Gifte beobachten. Setzen wir 
nun voraus, daß der Druck in den Kiemengefäßen konstant, die physi¬ 
kalischen Eigenschaften der Durchleitungsflüssigkeit unverändert 
bleiben, das Organ unbeweglich und die Gefäßwände unversehrt sind, 
so sind die periodischen Schwankungen im Abfließen der Flüssigkeit 
aus den Kiemengefäßen mit aller Bestimmtheit auf die selbständigen 

periodischen Kontraktionen der Gefäße 
zurückzuführen. Da die Gefäße, wie 
wir nach der abfließenden Flüssigkeit 
urteilen dürfen, sich weder gleich- noch 
regelmäßig hinsichtlich Intensität und 
Dauer kontrahieren, so wäre es viel 
richtiger, diese Kontraktionen nicht 
rhythmisch, sondern periodisch zu 
nennen. Ich bringe hier zur Illustration 
j eine Kurve, die die Schwankungen der 
^ aus den Kiemengefäßen abfließenden 
Flüssigkeit nach den alle Minuten auf¬ 
gezeichneten Tropfenzahlen, darstellt (Kurve 1). Ähnliche Erschei¬ 
nungen eines sich periodisch verändernden Tonus, wenn 
auch nicht derart konstant und hochgradig, wie es bei den 
Kiemengefäßen der Fall ist, beobachtete ich oft an den 
Coronargefäßen eines mit Strophanthin sistierten Herzens. 
Die erwähnten Beobachtungen, die ich an den Kiemen- und Coronar¬ 
gefäßen gemacht habe, veranlaßten mich, das Verhalten der peripheren 
Gefäße in dieser Beziehung zu untersuchen. Zu diesem Zweck begann 
ich die Menge der abfließenden Flüssigkeit schon gleich zu Beginn 
der Versuche, sowie das Ohr in den Apparat gebracht wurde, zu registrie¬ 
ren, ohne erst abzuwarten, bis das Ohr sich „einarbeite“. Meine 
Beobachtungen setzte ich oft mehrere Stunden hindurch fort, damit 
die evtl. Schwankungen der abfließenden Flüssigkeit mir nicht ent¬ 
gehen solten. Die Menge der abfließenden Flüssigkeit wurde gewöhn¬ 
lich alle halbe Minute nach der Zahl der niederfallenden Tropfen be¬ 
stimmt, mit Rücksicht aber darauf, daß gewisse Schwankungen des 
Gefäßtonus schon innerhalb kürzerer Zeit stattfinden können, ist das 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 139 


Ablesen der Tropfen bei manchen Experimenten schon alle 1 / 4 Minute 
vorgenommen worden. Außerdem wurde bei manchen Versuchen die 
Zahl der niederfallenden Tropfen auf einer langsam rotierenden Trom¬ 
mel mittels eines elektrischen Zählers graphisch registriert. 

Bei langdauemden ununterbrochenen Beobachtungen konnte man 
sich überzeugen, daß schon vom Anbeginn des Versuches, sowie das 
isolierte Ohr in den Apparat gebracht wurde, die Menge der abfließen¬ 
den Flüssigkeit anfängt, in größerem oder geringerem Maße zu schwan¬ 
ken. Diese Schwankungen halten stundenlang an und werden hin 
und wieder von Perioden gleichmäßigen Abfließens unterbrochen. 
Wird die Flüssigkeit durch die Gefäße eines soeben isolierten Ohres 
durchgeleitet, so tritt zunächst ein heftiger Spasmus ein, wodurch das 
Abfließen bis zum Minimum herabgesetzt wird; bei der weiteren Durch¬ 
leitung erweitern sich allmählich die Gefäße und nach 20—30 Min., 
oft auch später, erreichen die Gefäße einen bestimmten mittleren Tonus, 
der nun während der ganzen Beobachtungsdauer unverändert bleibt. 



Aber schon in dieser Periode der anfänglichen Erschlaffung des Gefä߬ 
tonus wird eine Ungleichmäßigkeit im Abfließen wahrgenommen. 
An manchen Ohren sind diese Schwankungen derart schwach aus¬ 
geprägt, daß man glauben könnte, sie hängen nicht von der Ver¬ 
änderung des Gefäßtonus, sondern von verschiedenen Ungenauigkeiten 
der Untersuchungsmethode ab, wie z. B. davon, daß eine bestimmte 
Menge der abfließenden Flüssigkeit an der Oberfläche des abgeschnit¬ 
tenen Ohres haften bleibe oder daß die Tropfengröße verschieden sei 
usw. Neben diesen kaum wahrnehmbaren Schwankungen im 
Abfluß der Flüssigkeit treten während der ganzen Beobachtungs¬ 
dauer auch ganz erhebliche Schwankungen auf, die keinen Zweifel 
mehr über ihren Zusammenhang mit dem Gefäßtonus auftauchen 
lassen. An manchen Ohren pflegen diese Schwankungen schon ganz 
im Anfänge derart scharf ausgeprägt zu sein und ununterbrochen 
so lange anzudauem, daß man sie mit Sicherheit als Folgen einer 
periodischen Schwankung des Gefäßtonus anprechen kann. Die hier 
abgebildete Kurve stellt das Abfließen der Flüssigkeit aus dem Ohr 
dar (Kurve 2). 


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140 N. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 

Aus dieser Kune ist zu ersehen, daß die Wellen der Gefäßkontrak¬ 
tionen sehr unregelmäßig sowohl hinsichtlich ihrer Intensität als auch 
Dauer auftreten. Mit aller Klarheit zeigen die Versuche, 
daß die Gefäße sich ganz selbständig unabhängig vom 
zentralen Nervensystem bald verengern, bald erweitern. 
Diese Kontraktionen sind sehr unbeständig und ungleichmäßig in 
bezug auf Intensität und Dauer und daher müssen sie nicht als rhyth¬ 
mische, sondern periodische Kontraktionen angesehen werden, die in 
keinerlei Beziehung zu den Herzkontraktionen stehen und mit ihnen 
nicht zusammenfallen. Die unregelmäßigen periodischen Schwankungen 
der aus den Gefäßen sich ergießenden Flüssigkeit können entweder 
dadurch erklärt werden, daß sich die Erweiterung resp. Verengerung 
der Gefäße in jeder Zeiteinheit mit ungleicher Intensität vollzieht, oder 
dadurch, daß nicht alle Gefäße auf ihrer ganzen Ausdehnung zugleich 
mit gleicher Intensität und in gleicher Richtung ihren Gefäßtonus 
verändern, d. h. während sich manche verengern, die anderen un¬ 
verändert bleiben oder sich sogar erweitern. Wenn alle Gefäße des 
isolierten Organs ihr Lumen gleichzeitig in der einen oder anderen Rich¬ 
tung verändern, d. h. sich zu gleicher Zeit verengern oder erweitern 
würden, wie das infolge Einwirkung bestimmter Gifte der Fall ist, 
so hätte sich die Menge der abfließenden Flüssigkeit entsprechend 
jedem Verengerungs- oder Erweiterungsfalle in auffälliger, deutlich 
ausgesprochener Weise ändern müssen, w r as bei den selbständigen 
Kontraktionen nicht beobachtet wird. Für die Annahme des zweiten 
Postulats dagegen, daß die Schwankungen des Gefäßtonus sich nicht 
gleichzeitig und gleichmäßig auf der ganzen Audehnung des Gefä߬ 
gebietes vollziehen, sprechen auch die Arbeiten früherer Forscher, 
namentlich Riegels und Huizingas 2 ®), die die Gefäße der Schwimm¬ 
membran des Frosches, die aa. saphena und auricularis untersuchten. 
Diese Autoren stellten fest, sofern man über Verengerung und Er¬ 
weiterung der Gefäße bei Betrachtung derselben mittels Mikroskop, 
Lupe und unbewaffnetem Auge urteilen kann, daß sich die Kon¬ 
traktionen höchst ungleichmäßig vollziehen und sogar mit den Kon¬ 
traktionen benachbarter Arterienäste nicht susammenfallen; so ver¬ 
engern sich manche sehr stark, während die anderen sich zur selben 
Zeit erweitern. Sogar an ein und demselben Gefäßstamme kann man 
beobachten, wie die Verengerungs- und Erweiterungsabschnitte ab¬ 
wechselnd hintereinander folgen, es finden gleichsam peristaltische 
Kontraktionen statt. Diesen periodischen unregelmäßigen Kontrak¬ 
tionen muß man also die oben geschilderte Eigentümlichkeit im Ab- 
fließen der Flüssigkeit zusehreiben. 

Um die selbständigen Gefäßkontraktionen genauer zu erforschen, 
mußten wir unsere bisherige Methode etwas modifizieren. Wir hatten 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 141 

den Eindruck, daß diese Kontraktionen, die sich hauptsächlich in 
den kleinen Arterien vollziehen, beim Durchfließen der Flüssigkeit 
durch das Capillametz und die Venen eine Maskierung erfahren. Da¬ 
mit die Schwankungen des arteriellen Tonus wahrgenommen werden 
können, sind verhältnismäßig erhebliche Veränderungen dieses Tonus 
erforderlich, sind dieselben nun, was häufig der Fall ist, unerheblich, 
so bedingen sie so unbedeutende Schwankungen, daß sie dem Beob¬ 
achter entgehen. Um dieses Hindernis zu beseitigen, wurden beide 
Venen an der Ohrbasis unterbunden und die Ohrenspitze abgeschnitten; 
nun floß die durch die Art. auricularis durchgeleitete Flüssigkeit 
hauptsächlich, ohne erst das Capillar- und Venennetz zu passieren, 
aus den durchschnittenen Arterien ab. Unter solchen Bedingungen 
wurden tatsächlich selbständige Kontraktionen der Arte¬ 
rien in konstanterer, deutlicherer und zuweilen scharf 
ausgeprägter Weise wahrgenommen (Kurve 3) 



Die nach der soeben beschriebenen Methode von Soloweitschik 27 ) 
ausgeführten Untersuchungen führten zu den folgenden Haupt¬ 
schlüssen. Die Intensität und Art der Kontraktionen zeichnet sich 
durch ihren stark individuellen Charakter aus. In manchen Fällen 
waren die Arterienkontraktionen sehr schwach ausgeprägt, in anderen 
dagegen so intensiv, daß sie einen vollständigen Verschluß des Lumens 
zur Folge hatten. Die Dauer jeder Kontraktion gleicht 5—10 Min. 
Die Gefäße des isolierten Ohres können ihre Lebenstätigkeit lange Zeit 
erhalten und selbständige Kontraktionen konnten noch 10 Tage nach 
der Isolierung des Organs beobachtet werden, vorausgesetzt, daß man 
es bei niedriger Temperatur auf bewahrte. Selbständige Gefäßkontrak¬ 
tionen treten deutlicher bei Körper- als bei Zimmertemperatur hervor. 
Die Durchleitung von Sauerstoff durch die Flüssigkeit übt keinen 
merklichen Einfluß auf die Gefäßkontraktionen aus. In manchen 
Fällen verstärken sich die Kontraktionen, in anderen verringern sie 
sich oder bleiben unverändert, je nach dem Gifte. Am deutlichsten 
waren die selbständigen Gefäßkontraktionen in den Fällen ausge- 


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142 X. J\Krawkow : Übc»r die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße usw. 

sprochen, in welchen man Gifte in solchen Konzentrationen an wendete, 
die einen starken gefäßverengernden Effekt herbeizuführen pflegten. 
Zu diesen die selbständigen Gefäßkontraktionen ver¬ 
stärkenden Giften gehören: Adrenalin, Histamin, Ergo¬ 
toxin, Pituitrin, Nicotin, Strychnin, Blutserum, Extrakte 
aus den Nebennieren und Herzen des Kaninchens. Veratrin 
schwächt die Kontraktionen ab; Pilocarpin, Physostigmin, Coffein, 
Chinin, Chloroform, Campher, Baryumchlorid, Milchsäure haben in 
den untersuchten Konzentrationen keinen merklichen Einfluß auf die 

^drrrnjl 



Gefäße. Im allgemeinen erwies sich aus allen untersuchten Stoffen 
das Adrenalin als das mächtigste Agens, was die 
Regulierung und Verstärkung des Gefäßkontraktionen 
betrifft (Kurve 4). Das Histamin führt auch Schwankungen des 
Gefäßtonus herbei, da aber seine verengernde Wirkung von größerer 
Dauer und Beständigkeit ist, so heben sich diese Schwankungen kaum 
bemerkbar vom allgemeinen Verengerungsbilde ab (Kurve 5). Dank 
eben diesen Kontraktionen der Gefäßwände hört die Blutzirkulation 
in den Organen auch dann nicht vollständig auf, wenn wir Gifte an- 


fhstomtn 

1:2000000 



wenden, die die Gefäße bis zum völligen dauernden Spasmus zu ver¬ 
engern pflegen. Es ist von Interesse, daß die stets im Or¬ 
ganismus vorhandenen Stoffe am stärksten die selbstän¬ 
digen Gefäßkontraktionen, wie beispielsweise Adrenalin, 
proteinogene Amine (Histamin), die gefäßverengernden 
Substanzen des Serums,Pituitrin u. a. anregen. Daherkönnte 
man annehmen, daß diese Stoffe auch im lebenden Organismus 
eine wichtige Rolle als Erreger der selbständigen Kontraktionen der 
glatten Gefäßmuskulatur spielen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der 
Unterschied zwischen den Schwankungen des Gefäßtonus hinsichtlich 
ihrer Dauer und Intensität, der an verschiedenen Präparaten beobachtet 



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143 


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wird, vom ungleichen Vorrat und Ge¬ 
halt an den soeben genannten Stoffen 
abhängt. Je größer der Gehalt an diesen 
Stoffen im betreffenden Organ ist, um so 
stärker sind die Gefäßkontraktionen und 
um so länger dauern sie an. Sind die 
Kontraktionen schwach ausgedrückt oder 
fehlen sie überhaupt, so können sie 
durch Zusatz von den genannten Stoffen 
zur durchfließenden Flüssigkeit hervor¬ 
gerufen werden. Außer Adrenalin 
und ähnlichen Stoffen erwiesen 
sich auch die Herzmittel, wie 
Digitalin, Strophanthin usw., als 
starke Erreger der rhythmischen 
Tätigkeit der Gefäße. Gewöhnlich 
kann man diese Wirkung der Herzmittel 
in den Fällen in deutlich ausgesprochener 
Weise beobachten, wenn man nach 
Herbeiführung einer Gefäßverengerung 
mit den genannten Stoffen den Druck 
der durchfließenden Ringer - Locke¬ 
schen Flüssigkeit durch Hebung des 
Niveaus in der Bürette steigert, bei¬ 
spielsweise von 55 cm auf 73 cm bringt 
und auf dieser Höhe während der gan¬ 
zen Beobachtungsdauer beläßt (Kurve 6). 
Diese Erscheinung ist derjenigen voll¬ 
ständig analog, die man beim durch die 
genannten Stoffe bedingten systolischen 
Herzstillstand beobachten kann; es ge¬ 
nügt in letztem Falle, den Druck der 
durch das Herz durchgeleiteten Flüssig¬ 
keit zu erhöhen, um die Ventrikel sich 
wieder kontrahieren zu lassen. 

Die durch Adrenalin beispiels¬ 
weise hervorgerufenen rhythmi¬ 
schen Kontraktionen nehmen ab 
oder hören ganz auf unter Ein¬ 
wirkung (1:10 000—1000) vonAtro- 
pin. Das Atropin an und für sich, wie 
es die Versuche unseres Laboratoriums 
nachgewiesen haben, übt keine bemerk- 


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144 N. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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bare Wirkung auf die Gefäße aus, nachdem aber die Gefäße unter 
Einwirkung von verschiedenen Stoffen, wie Adrenalin, Cocain, Pilo¬ 
carpin, Strychnin usw. sich verengert haben, ist Atropin imstande, ihnen 
ihren ursprünglichen Tonus wieder zu verleihen. Da das Adrenalin, wie 
angenommen wird, auf das sympathische Nervensystem wirkt, so ist 
sein Antagonismus dem Atropin gegenüber in gegebenem Falle wahr¬ 
scheinlich darauf zurückzuführen, daß das Atropin unmittelbar die 
glatte Gefäßmuskulatur angreift und zur Erschlaffung bringt, sofern 
es in den genannten Konzentrationen angew r endet wird. 

Die an Gefäßen des Kaninchenohrs erzielten Resultate 
fanden in der letzten Zeit Bestätigung in den Unter¬ 
suchungen von Anitschkow', der die Gefäße isolierter 
Menschenfinger studierte. Es erwies sich, daß alle untersuchten 
Stoffe auf die Fingergefäße genau so wie auf die Gefäße des Kaninchen¬ 
ohrs wirken. Was nun die selbständigen Kontraktionen der Gefäße 
betrifft, so scheinen sie sich an den Menschenfingem in viel stärkerem 
Maße zu zeigen, als das bei den Kaninchenohrgefäßen der Fall ist. 
Das hängt möglicherweise von den zahlreicheren Gefäßanastomosen 
des Fingers im Vergleich zum Ohr ab. Ähnlich wie bei dem Kaninchenohr 
mußten wir auch hier zwecks Erreichung einer größeren Präzision bei 
der Untersuchung der selbständigen Gefäßkontraktionen die Finger¬ 
kuppe abschneiden, nachdem wir zuvor die Venen unterbunden hatten. 
Bei dieser Gelegenheit wäre es nicht uninteressant, darauf hinzuweisen, 
daß es den früheren Autoren, die das Arterienstreifenverfahren an¬ 
wendeten, nicht gelungen ist, die Lebenstätigkeit der Gefäße an mensch¬ 
lichen Organen zu beobachten. So reagieren nach Schlayer 28 ) die 
isolierten menschlichen Carotiden weder auf Serum noch auf große 
Adrenalindosen, ganz unabhängig davon, ob die Gefäße von Menschen 
stammen, die an toxischen oder nicht toxischen Erkrankungen starben. 
„Die Arterien des Menschen sind demnach unmittelbar nach dem 
spontan erfolgten Tode nicht mehr anspruchsfähig auf so starke kon- 
striktorische Reize wie Adrenalin/ 4 

Nachdem ich mm die Ergebnisse meiner Versuche an Gefäßen 
isolierter Organe dargelegt habe, möchte ich bei dieser Gelegenheit, 
wenn auch nur in allgemeinen Zügen, die Frage streifen, inwie¬ 
fern die erwähnten selbständigen Gefäßkontraktionen den 
aktiven Anteil der Gefäße an der Fortbewegung des Blutes 
im lebenden Organismus beweisen. Die Frage über die aktive 
Beteiligung der Gefäßmuskeln am Blutkreislauf, die von so hervor¬ 
ragendem Interesse sowohl für die Kliniker als auch Physiologen ist, 
harrt bisher noch ihrer Lösung. Oben erwähnten wir bereits, daß es 
den früheren Autoren, die die Schwimmembran des Frosches sogar 
nach Unterbindung der zuführenden Arterie oder die Zentralarterie 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 145 

der menschlichen Retina nach einer in ihr stattgehabten Embolie 
untersuchten, gelungen ist, selbständige rhythmische Kontraktionen 
der Gefäße wahrzunehmen. Diese Erscheinung gab Veranlassung, 
schon seit langer Zeit einen aktiven Anteil der Gefäßwände an der 
Fortbewegung des Blutes aus dem arteriellen System ins venöse 
gleichsam zur Herzunterstützung zu vermuten. Legros und Oni- 
mus 29 ) sahen sowohl an der Schwimmembran des Frosches nach vor* 
heriger Unterbindung der Aorta, als auch an der embolisierten zentralen 
Arterie der Retina, wie sich das Blut in den Gefäßen bald in normaler, 
bald entgegengesetzter Richtung bewegte. Ein derartiges Hin- und 
Herschwanken in der Richtung des Blutstromes, nachdem der normale 
Blutkreislauf zum Stillstand gebracht worden ist, diese sog. Oscil- 
lationen dienen ebenfalls zum Beweis für die peristaltische Tätigkeit 
der Gefäßwände. Dieser Umstand veranlaßt auch Legros und Oni- 
mus, spastische und peristaltische Kontraktionen der Gefäße zu unter¬ 
scheiden. Die eigentlichen Kontraktionen halten diese Autoren für einen 
Reflex von den sensiblen Fasern des Sympathicus auf seine motorischen 
Fasern. Bezold und Gscheidlen 30 ) kamen auf Grund ihrer Unter¬ 
suchung der Blutdruckschwankungen in den Arterien und Venen nach 
Ausschaltung der Herztätigkeit zum Schluß, daß sich die Kontrak¬ 
tionen der kleinsten Gefäße in einer bestimmten Ordnung vollziehen, 
indem sie von den größeren auf die kleinen Arterien und dann auf die 
Venen übergehen. Hamei 31 ), der den Flüssigkeitsstrom in den hin¬ 
teren Extremitäten des Frosches erst bei konstantem, dann rhyth¬ 
mischem Druck untersuchte, fand, daß beim rhythmischen Druck die 
Menge der durch die Gefäße durchfließenden Flüssigkeit viel größer 
ist, als das beim konstanten Druck der Fall ist, welcher Umstand sich 
nach Ansicht des Autors nur durch aktive pulsatorische Kontraktionen 
der Gefäße erklären läßt. Grützner 32 ) spricht auf Grund seiner Ex¬ 
perimente und indirekter Erwägungen allgemeiner Natur, wie z. B. 
daß die tonische Kontraktion der Arterien eine unzweckmäßige Über¬ 
bürdung derselben wäre, die Ansicht aus, daß das Blut in den klein¬ 
sten Gefäßen, dank der aktiven Tätigkeit derselben, vorwärtsgetrieben 
wird und daß daher ihnen sozusagen die Rolle eines akzessorischen 
Herzens zukommt. Für die Wahrscheinlichkeit dieser letzten Annahme 
spricht auch ein anderer Versuch von Grützner. So läßt er durch die 
excidierte Umbilicalarterie Flüssigkeit durchfließen und stellt fest, 
daß, w'enn die Flüssigkeit in normaler Richtung durchgelassen wird, 
die Menge der abfließenden Flüssigkeit größer, ist als bei Durch¬ 
leitung derselben in entgegengesetzter Richtung. Auch Hasebrock 33 ) 
schließt sich der Ansicht an, daß die Arterien sich aktiv an der Fort¬ 
bewegung des Blutes beteiligen und betrachtet diese aktive Tätigkeit 
als eine Reaktion der Gefäßmuskeln auf die pulsatorische Dehnung. 


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146 N. P. Krawkow: Über die funktionellcD Eigenschaften der Blutgefäße 

Wese Ansicht wiederum beruht auf den Arbeiten von Bayliss, der 
nachweisen konnte, daß die Gefäße auf die Steigerung des inneren 
Druckes mit einer Verengerung, auf die Erniedrigung mit einer Er¬ 
schlaffung antworten und daß sich dieser Vorgang ganz unabhängig 
vom Nervensystem vollzieht. Außer der peristaltischen Tätigkeit trägt, 
nach Hasebrock, zur Fortbewegung des Blutes auch die ansaugende 
Kraft der Gewebe bei, d. h. seitens der Capillargefäße. Für die aktive 
Rolle der Arterien in der Fortbewegung des Blutes sprechen auch die 
Beobachtungen von Hasebrock über Schwankungen des Seiten¬ 
drucks in den Arterien vor und nach der Einführung von Adrenalin. 
Außer dem soeben genannten experimentellen Tatsachenmaterial gibt 
es eine erhebliche Anzahl von klinischen Beobachtungen von Schwan¬ 
kungen des Blutdrucks unter normalen und pathologischen Verhält¬ 
nissen. Diese Beobachtungen veranlaßten viele Autoren, anzunehmen, 
daß die Arterien sich an der Fortbewegung des Blutes aktiv beteiligen 
und daß ihnen gewissermaßen die Rolle eines peripheren Herzens zu¬ 
fällt, welchem die Aufgabe, das zentrale Herz im Blutkreislauf zu 
unterstützen, obliegt. Aber keine einzige von den oben erwähnten 
sowohl experimentellen als auch klinischen Untersuchungen liefert 
einen direkten positiven Beweis für die aktive Beteiligung der Gefä߬ 
muskeln an der Fortbewegung des Blutes zwecks Entlastung des 
Herzens. Ohne mich auf die Übersicht der dieser Frage gewidmeten 
Arbeiten einzulassen, werde ich nur bemerken, daß wie die Methodik, 
so auch ihre Schlüsse derart wenig überzeugend sind, daß Hürthle 84 ), 
der diese Arbeiten einer eingehenden Kritik unterzogen hat und ihre 
Ergebnisse zusammenstellte, zum endgültigen Schluß gelangt, daß die 
Annahme des aktiven Einflusses der Gefäße auf die Bewegung des Blutes 
vorläufig noch immer in den Bereich der Hypothese gehört. Auch unsere 
Untersuchungen an den Gefäßen isolierter Organe geben keine Ver¬ 
anlassung, den Gefäßen eine aktive Rolle in der Fortbewegung des 
Blutes zuzuschreiben, in dem Sinne, wie sie v. Hamei, Grützner, 
Hasebrock, Janowski usw. aufgefaßt wird. Man kann die Auf¬ 
fassung der letzteren, die den Gefäßen die Bedeutung eines peripheren, 
die Arbeit des zentralen, unterstützenden Herzens beimessen wollen, 
schon aus dem Grunde nicht teilen, weil erstens die selbständigen 
Gefäßkontraktionen weder mit den Herzkontraktionen kongruieren, 
noch ihnen entsprechen. Und zweitens vollziehen sich die Gefä߬ 
kontraktionen ganz regellos nicht nur innerhalb eines Gefäßbezirkes, 
sondern sogar an verschiedenen Abschnitten ein und desselben Gefä߬ 
stammes. Diese sich langsam entwickelnden und lang anhaltenden 
Kontraktionen der Gefäßmuskeln entsprechen ihrer Art nach voll¬ 
ständig den Kontraktionen der glatten Muskulatur überhaupt, wie 
das sonst auch an anderen glattmuskulären Organen beobachtet werden 


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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 147 


kann. Diese Kontraktionen hängen keinesfalls von der allgemeinen 
Gefäßverengerung oder -Erweiterung ab, die durch dieses oder jenes die 
Nervenelemente der Gefäße angreifendes Gift hervorgerufen worden 
sind. Die selbständigen Kontraktionen der Gefäße sind nun, wie wir 
sehen, ihrer Art nach nicht rhythmisch im echten Sinne des Wortes, 
sondern periodisch und von der Herzaktion ganz unabhängig. Diese 
Gefäßkontraktionen sind infolge ihres imregelmäßigen und nicht gleich¬ 
zeitigen Auftretens nicht imstande, in so empfindlicher Weise auf die 
Herzaktion zurückzuwirken, wie das bei allgemeiner gleichzeitiger Ver¬ 
engerung resp. Erweiterung ganzer Gefäßgebiete infolge Einwirkung 
dieser oder jener Agenzien auf die vasomotorischen Nerven der Fall ist. 

Ohne den Gefäßen die genannte Bedeutung eines 
peripheren Herzens beizumessen, müssen wir nichtsdesto¬ 
weniger in dem selbständigen und von der Herzaktion 
ganz unabhängigen, höchst mannigfaltigen Spiel des Ge¬ 
fäßtonus ein hochwichtiges, die Fortbewegung des Blutes 
in den kleinen Gefäßen begünstigendes Moment sehen. 
Mit Rücksicht auf den Widerstand, den die kleinen Gefäße und Capillar- 
gefäße dem Blutstrom entgegensetzen und auf die immerwährende 
Veränderung des Gefäßlumens unter dem Einfluß der Vasomotoren, kann 
den Gefäßkontraktionen die Bedeutung gleichsam einer 
Massage zukommen, die den Blutkreislauf fördert und das Blut 
gleichmäßig unter das Gewebe verteilt. Von besonderer Bedeutung ist 
eine derartige Massage für Gefäßgebiete mit einem geringen Druck, 
wie z. B. im System der V. portae. Der Unterschied zwischen der 
durch Vasomotoren bedingten Gefäßkontraktion und der selbständigen 
Gefäßkontraktionen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Fortbewegung 
des Blutes liegt darin, daß während im ersten Falle eine bestimmte 
Veränderung des Lumens das ganze Gefäßgebiet zu gleicher Zeit um¬ 
faßt, bei den selbständigen Kontraktionen die Gefäßlumina in ver¬ 
schiedenen Abschnitten des Gefäßgebietes unregelmäßig, peristaltisch 
und dazu noch ganz unabhängig von den Veränderungen des Vaso- 
motoren-Tonus schwanken. Wird also eine erhebliche Verengerung 
der Gefäße durch irgendeine Einwirkung auf die vasomotorischen 
Nerven erzeugt, wie z. B. durch Adrenalin, Histamin usw., so wird 
die Fortbewegung des Blutes dadurch erleichtert, daß die Gefä߬ 
muskeln sich dabei selbständig zu kontratieren fortfahren. Bei 
Abnahme resp. vollständigem Erlöschen der rhythmischen Tätigkeit 
der Gefäße, wie wir das später im Falle der Entzündung sehen werden, 
muß demnach eine Störung im Blutkreislauf der Gewebe eintreten; 
bei Zunahme der rhythmischen Tätigkeit dagegen wird die Fort¬ 
bewegung des Blutes erleichtert. Das Vorhandensein im Blute 
von Adrenalin und ähnlichen, die rhythmische Tätigkeit 


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148 X. 1\ Krawkmv: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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der Gefäße anregenden Stoffe ist als sehr wichtiges Moment 
für die Regulierung des Blutkreislaufs anzusehen, eine 
unzureichende Ausarbeitung derselben kann schon eine 
Blutkreislaufstörung veranlassen. Da auch die Herz¬ 
mittel, wie Digitalin, Strophanthin u. a. sich als mächtige 
Stimuli und Regulatoren der Gefäßkontraktionen er¬ 
wiesen haben, so muß ihre pharmakologische und thera¬ 
peutische Bedeutung nicht nur hinsichtlich ihrer Grund¬ 
wirkung auf das Herz, sondern auch vom Standpunkt 
ihrer Wirkung auf die Gefäßtätigkeit gewürdigt werden. 

Da die rhythmische Tätigkeit zu den kardinalsten Eigenschaften 
der Gefäßwand gehört, so stellten wir uns die Aufgabe, die Frage zu 
lösen, ob sich diese Eigenschaft bei der Entzündung nicht verändert, 
zumal die Gefäße in der Ätiologie des entzündlichen Prozesses eine so 
hervorragende Rolle spielen. Die Frage der Veränderung und Störung 
des Blutkreislaufs in den entzündeten Geweben ist eng mit der Frage 



der sich dabei vollziehenden Veränderungen des Gefäßtonus verknüpft. 
Das isolierte Kaninchenohr erwies sich zur experimentellen Lösung 
dieser Frage besonders geeignet. An einem Ohr wurde durch Ein¬ 
reibung von Ol. crotonis eine Entzündung erzeugt und dasselbe darauf 
nach bereits beschriebener Weise isoliert. In den meisten Versuchen 
wurde, um genauer über die rhythmische Tätigkeit urteilen zu können, 
das venöse System ausgeschaltet, indem die Venen unterbunden und 
das periphere Ende der Ohrarterie wie in den Experimenten von Solo- 
weitschik durchgeschnitten. Von fünf Versuchen, die im großen 
und ganzen gleiche Resultate ergaben, bringe ich nachstehend Proto¬ 
kolle und Kurven von zwei Versuchen. 

Versuch 3. In das Ohr wird Ol. crotonis cingerieben. Nach 2 Stunden stel¬ 
len sich heftige Schmerzhaftigkeit und Hyperämie ein. Unerhebliche ödematöse 
Schwellung, namentlich an der Ohrbasis. Das Ohr wird abgeschnitten und in 
den Apparat um ll h 15' vormittags bei -f 36° C. gebracht. Die Tropfenzählung be¬ 
ginnt um Il h 50'. Um 7 h 23' abends wird das Experiment abgeschlossen. (Kurve 7.) 

Versuch 5. Am Vorabend um 9 h 40' wurde das Ohr mit Crotonöl bestrichen. 
»Starkes Ödem. Das Ohr wird abgeschnitten und in den Apparat um 10 h morgens 
gebracht. Die Tropfenzählung beginnt um ll h 17' morgens bei -f 35°. (Kurve 8.) 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 149 


Wenn wir die an isolierten | ( J ( ' 

entzündeten Ohren erreichten ! i [ j 

Resultate einer näheren Be- j r I < 

trachtung unterziehen und \ j j <\ 

sie mit den Resultaten der I / i j j 

an normalen Ohren ausge- | V. 

führtenVersuche vergleichen, i I \ 
so sehen wir, daß die selb- I I | <J 

ständigen rhythmischen Ge- 

fäßkontraktionen an entzün- 1 r 

deten Ohren entweder ganz i l 

fehlen oder sehr schwach aus- | s 

geprägt sind. Sogar Adrenalin, j t ] 

das in der Norm energische stun- I j | 

denlang anhaltende Kontraktionen I j t ~ 

der Gefäße herbeiführt, wirkt in i l k * 

j ! y « 

diesem Falle entweder sehr schwach I ] 3 

| 1 I i ! | , j — 

oder gar nicht: die Kontraktionen t l I j | > « 

werden träge, selten (eine Kon- ; | j j I \ * 

traktion in 20—40 Min., statt einer 1 j l j ! S Z 

in 5—10 Min.), unregelmäßig, und ( f I j ? 5 

hören binnen kurzem ganz auf. Es 1 I | I 1 j « 

wäre nicht überflüssig, darauf hin- i \ ; I | C Ä 

zuweisen, daß das Adrenalin am \ I * 

\ i i « 

entzündeten Ohr oft anfangs |-§ ; j j I | 

eine vorübergehendeErweite- J J w 

rung hervorruft,wasschonEskin ! ;s 

in seinen Versuchen feststellte. Auf i < 

diese Weise büßen die Gefäße bei 1 \ 

der Entzündung allmählich nicht nur < 

ihren allgemeinen Tonus, sondern f 

auch ihre fundamentale Fähigkeit, / 

sich rhythmisch zu kontrahieren, ein, ooooo^t—.—j 
was unserer Ansicht nach so wichtig f 

für den normalen Blutkreislauf ist. ; i j 

Man könnte daher glauben, daß ■; ) 

diese Beeinträchtigung des Kon- j 

traktionsvermögens der Gefäße eine r 'S 

wesentliche Rolle in der Entstehung t _^ i | : 

der Stase und des Ödems bei der ^ ^ ^ S ^ ^ 

Entzündung spielt. mozuajuoji 

In den oben erwähnten Versuchen bedienten wir uns der Kanin¬ 
chenohren, an denen intra vitam eine Entzündung schwächeren oder 


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150 N. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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stärkeren Grades hervorgerufen wurde. Unter solchen Bedingungen 
war es selbstverständlich unmöglich, allzu genau über den Grad und 
die verschiedenen Stadien des entzündlichen Prozesses zu urteilen, da 
wir das Ohr dann isolierten, als es sich schon im Stadium einer schwächeren 
oder stärkeren entzündlichen Reaktion befand, d. h. mit schon deut¬ 
lich ausgesprochener Hyperämie oder ödem, sofern das Aussehen 
des Ohres hierüber ein Urteil erlauben konnte. Unter solchen Um¬ 
ständen konnten wir den Zustand der Gefäße während der sich all¬ 
mählich entwickelnden Enzündung vom Augenblick der Reizung mit 
Crotonöl nicht genau verfolgen. Um diese Aufgabe erfolgreich zu lösen, 
beschloß ich zu versuchen, den entzündlichen Prozeß an 
einem bereits isolierten und sich im Apparat befindenden 
Ohr hervorzurufen. Ich hielt es für vollständig möglich, eine Ent¬ 
zündung wenigstens in den Grundzügen an einem bereits isolierten 
Organ hervorzurufen, da die Gewebe isolierter Organe, die mit der 
Ringer - Lockeschen Flüssigkeit ernährt werden, eine höchst emp¬ 
findliche Reaktionsfähigkeit verschiedenen physikalischen, chemischen 
und pharmakologischen Agenzien gegenüber gezeigen. Es war 
daher auch kein Grund anzunehmen, daß die Gewebe der isolierten 
Organe denjenigen Agenzien gegenüber, die auf Gewebe des lebenden 
Organismus entzündungserregend wirken, ganz indifferent bleiben 
würden. Der Versuch, einen entzündlichen Prozeß im Gewebe iso¬ 
lierter Organe zu erzeugen, erschien mir nicht nur vom allgemein 
biologischen Standpunkte, sondern auch vom speziell-pathologischen 
höchst verlockend und interessant, da er versprach, die Grundfragen 
bezüglich der Ätiologie der Entzündung, der Veränderungen des Blut¬ 
kreislaufes vom Augenblick der Reizapplikation, die Rolle der Gefäße 
und umgebender Gewebe bei der Entzündung, die Entstehung des 
Ödems und andere Fragen aufzuklären. Im Rahmen der vor mir 
stehenden Aufgabe verfolgte ich hauptsächlich den Zustand der Ge¬ 
fäße des isolierten und sich im Apparat befindenden Ohres erst in der 
Norm, d. h. vor der Applikation des Crotonöls, dann unmittelbar 
nach der Einreibung desselben und weiter während vieler Stunden. Die 
dabei erzielten Resultate bestätigten vollends unsere An¬ 
nahmen, da die Gefäße sich gleich nach der Einreibung 
in scharf ausgesprochener Weise erweitern: nach einigen 
Stunden schwoll das Ohr an, das Abfließen der Flüssigkeit 
nahm ab, bis es schließlich ganz aufhörte, mit anderen 
Worten, es traten dieselben Erscheinungen ein, die am ent¬ 
zündeten Ohr des lebenden Tieres zutage treten. 

Um das Ohr bequemer bestreichen zu können, wurde es zuvor 
rasiert. Das Bestreichen erfolgte mittels eines Pinselchens. Die Kon- 
trollversuche überzeugten uns, daß die mechanische Reizung mit dem 


Gck igle 


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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 151 

Pinselchen allein ohne Crotonöl keinen merklichen Einfluß auf das 
Lumen der Gefäße hat. 

Von 14 Versuchen, die im allgemeinen ähnliche Resultate ergaben, 
bringe ich nur die folgenden: 

Versuch 6. Das Ohr ist in den Apparat um 10 h 20' vormittags gebracht. 
Das Crotonöl ist um 12 h mittags eingerieben worden. Man probierte Adrenalin 
aus. Der Versuch ist mit Unterbrechungen während der Zählung um 5* 1 40' nach¬ 
mittags beendet. Das Ohr schwoll stark an. (Kurve 9.) 

Versuch 7. Das Ohr wurde in den Apparat um 10 h 15'morgens gebracht. 
Das Crotonöl wurde um ll h morgens eingerieben. Der Versuch ist mit Unter¬ 
brechungen in der Zählung um 4 h 50' nachmittags beendet worden. Es trat eine 
starke Schwellung des Ohres ein. (Kurve 10.) 

Versuch 13. Das Ohr, an dem am Vortage mit Crotonöl eine Entzündung 
erzeugt wurde, wird bis zum Augenblick des Versuches im kühlen Raume auf¬ 
bewahrt. Dann wird es wieder in den Apparat um 9 h 55' morgens gebracht. Ver¬ 
suchsschluß um 12 h mittags. Es trat Schwellung ein. (Kurve 11.) 

Aus diesen Versuchen ersehen wir, daß unmittelbar, nachdem 
Reiz mit Crotonöl eine erhebliche Verengerung der Ge¬ 
fäße eintritt, die allerdings rasch vorübergeht und von 
'einer charakteristischen starken und anhaltenden Er¬ 
weiterung abgelöst wird. Während dieses Entzündungs¬ 
stadiums hält der Rhythmus der Gefäße ati und wird zu¬ 
weilen sogar stärker, aber sehr unregelmäßig. In den 
folgenden Entzündungsstadien, wenn die Menge der ab- 
fließenden Flüssigkeit sich verringert hat und ödem ein¬ 
getreten ist, hört allmählich auch der Rhythmus auf. 
Nimmt man in diesem Stadium eine leichte Ohrenmassage mit dem 
Pinselchen vor, so nimmt die abfließende Flüssigkeitsmenge wieder 
zu, um gleich darauf sidh wieder zu verringern. Wenn die Gefäß - 
erweiterung am entzündetenOhr ihrenHöhepunkt erreicht 
hat, so übt das applizierte Adrenalin auch noch seine 
charakteristische verengernde Wirkung aus, steigert aber 
nicht auffällig den Rhythmus, wie an normalen Gefäßen 
(Versuch 6). In den vorgeschrittenen Stadien der Ent¬ 
zündung, wenn Stase und ödembereits eingetreten sind; 
wirkt das Adrenalin sehr schwach auf die Gefäße und kann 
sogar anfangs eine Erweiterung herbeiführen (Versuch 13). 

Wir sehen also, daß die Resultate, die wir bei der Un¬ 
tersuchung der nach der Isolierung „entzündeten“ Ohren 
erzielten, mit den Ergebnissen der Versuche, die wir an 
intra vitam entzündeten Ohren anstellten und oben be¬ 
reits darlegten, völlig übereinstimmen. Diese Experimente 
an isolierten Organen geben uns die Möglichkeit, den jeweiligen Zu¬ 
stand der Gefäße während des sich sukzessive entwickelnden entzünd¬ 
lichen Vorgangs vom Augenblick der Reizapplikation in allen Details 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 11 


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X. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße usw. 153 

zu verfolgen. Es fällt auch hier auf, wie die Gefäße bei der Entzündung 
ihre Reaktionsfähigkeit dem Adrenalin gegenüber und auch ihre 
ihythmische Tätigkeit nach einer evtl, flüchtigen Steigerung der- 
selben allmählich einbüßen. Da diese Veränderungen in der Gefä߬ 
tätigkeit vornehmlich auf die letzten Entzündungsstadien fallen, so 
müßte man vielleicht in dem genannten Umstande, d. h. 
im Nachlassen der rhythmischen Gefäßtätigkeit, die Ur¬ 
sachen des hierbei eintretenden Ödems u. derStase suchen. 
Zum Teil spricht für diese Annahme auch der Umstand, daß in diesem 
Entzündungsstadium, in welchem die rhythmischen Kontraktionen 
eine Abschwächung erfahren, ein erneutes lyenn auch vorübergehendes 
Abfließen der Flüssigkeit mittels künstlicher Massage mit dem Pinsel¬ 
chen wieder hervorgerufen werden kann. Es ist leicht möglich, 
daß auch in der Ätiologie der sog. idiopathischen Ödeme 
(weder kardialen, noch renalen Ursprungs), diese Abschwä¬ 
chung der rhythmischen Gefäßtätigkeit eine gewisse Rolle 
spielt. 

Ähnlich verändert sich der Gefäßtonus auch bei sub- 
cutaner Applikation von Crotonöl oder beim Zusetzen 
desselben zur durchfließenden Ringer - Lockeschen Flüssig¬ 
keit, d. h. bei seiner Einwirkung auf die Gefäße von innen. Zu diesem 
Zweck werden 1—2 Tropfen Crotonöl der Flüssigkeit hinzugefügt, 
die Flüssigkeit wird dann geschüttelt und vor der Durchleitung durch 
das Ohr filtriert. Außer dem Crotonöl sind als Reizagenzien folgende 
Stoffe ausprobiert worden: T-ra cantharid., Kal. cantharid., T-ra Jodi, 
konzentrierte Lösung oder Kristalle NaCl und schließlich Zwiebel 
und BrennesseL Die Gefäßreaktion wechselte je nach der 
Stärke des Reizagens oder der Dauer seiner Einwirkung. 
Am raschesten und stärksten verläuft die Reaktion bei Reizung der 
künstlich von Epidermis entblößten Stellen oder der Schnittfläche 
des isolierten Ohres. Bei kurzwährender Reizapplikation, z. B. durch 
Berührung mit Kal. cantharidat., Brennessel, Zwiebel usw., tritt die 
Gefäßreaktion rasch ein und geht genau so rasch vorüber. Bei Wieder¬ 
holung derselben Reizapplikationen tritt dasselbe ein, wenn oft auch 
in viel schwächerem Maße. Eine Summierung dieser Reize führt all¬ 
mählich zu einer langdauemden Erweiterung der Gefäße (Kurven 12 
und 13). 

Die soeben geschilderte Reaktion des isolierten Ohres 
muß demnach als ein lokaler Gefäßreflex angesehen 
werden. 

Bei diesen Versuchen muß man darauf achtgeben, daß der applizierte 
Stoff, namentlich öl und Spiritus, nicht in die aus dem Ohr fließende 
Flüssigkeit hineingerät, weil das allein schon wegen der sich hierbei 

11 * 


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154 N. P. Krawkow: Ühcr die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße usw. 

verändernden Oberflächenspannung die Zahl der niederfallenden 
Tropfen beeinflussen kann: die Tropfen werden kleiner und träufeln 
häufiger nieder. Daher ist es richtiger, die Quantität der aus den 
Gefäßen abfließenden Flüssigkeit nicht nach der Tropfenzahl, sondern 
nach dem Volumen zu bestimmen. 



Kurve 13. 

Nun gehe ich zu den Versuchen an isolierten Menschen¬ 
fingern über, die in unserem Laboratorium von Anitschkow aus¬ 
geführt wurden und noch gesondert in ausführlicher Weise veröffent¬ 
licht werden sollen. Die Untersuchung der Reaktionsfähig¬ 
keit der Gefäße der isolierten Finger Giften und Reizen 
gegenüber hat im allgemeinen mit den oben geschilderten 
Versuchen an anderen Organen übereinstimmende Resul¬ 
tate ergeben. 


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155 



Die Kurve 14 stellt die Tätigkeit 
der Fingergefäße an einer Hand dar, 
die einem 40jährigen Manne anläßlich 
Tuberkulose des Ellbogengelenks ab¬ 
genommen wurde. Der Finger wurde 
in der Kälte auf bewahrt und 20 Stun¬ 
den nach der Operation untersucht. 
An dieser Kurve» sehen wir die starke 
vasoconstrictorische Wirkung des Adre¬ 
nalins in Verdünnungen 1: 200000 so¬ 
wohl vor der Applikation des Reiz¬ 
stoffes (01. Terebinth), als auch einige 
Zeit danach (Anfangsstadium der Ent¬ 
zündung). Nach subcutaner Injektion 
von Ol. Therebinth. und darauf folgen¬ 
der Injektion von Ol. crotonis sahen 
wir zunächst eine starke Gefäßerweite¬ 
rung und erheblichen Rhythmismus 
auftreten. Im späteren Stadium der 
Entzündung, ungefähr nach 4 Stunden, 
tritt Stase ein und der Rhythmismus 
läßt allmählich nach. 

Es ist von Interesse, daß sich beim 
Vergleiche der Giftwirkungen 
auf die Gefäße normaler und 
pathologischer Organe sich ein 
wesen tlicherU nt er schied imVer- 
halten bei beiden herausstellte. 
So zeigten z. B. die Zehengefäße an 
einem nach einer längere Zeit bestan¬ 
denen Atrophie des N. ischiadicus am¬ 
putierten Fuße eine sehr schwache 
Reaktion auf Adrenalin, ja die Ge¬ 
fäße erweiterten sich mitunter. Die 
sklerosierten Gefäße dagegen erwiesen 
sich wider Erwarten ungemein emp¬ 
findlich dem Adrenalin und anderen 
gefäßverengernden Agenzien gegenüber, 
indem sie in den Zustand eines heftigen 
andauernden Spasmus verfielen. Auch 
die Fingergefäße verschiedener Leute, 
die an Infektionskrankheiten starben, 
scheinen hinsichtlich ihres Reaktions- 


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15(i N- P- Krawkow: t T l>er di«* funktionellen Eigenschaften der Blutgefäß* 


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Vermögens den genannten Agenzien gegenüber vom Verhalten normaler 
abzuweichen. Im übrigen sind die diesbezüglichen Arbeiten vorläufig 
noch nicht abgeschlossen. 


Uber die Lebensfähigkeit der Gewebe isolierter Ohren und Finger bei 
der Konservierung derselben. 

Die Gefäße der isolierten Ohren und Finger können, wie schon 
auseinandergesetzt wurde, in größerem oder minderem Maße ihre 
Reaktionsfähigkeit verschiedenen Agenzien gegenüber nicht nur tage¬ 
lang, sondern wochenlang erhalten, vorausgesetzt, daß sie in der 
Kälte aufbewahrt werden. Mit Hinblick auf diese zähe Widerstands¬ 
kraft der Gefäße isolierter Organe, versuchten wir auch andere, zuver¬ 
lässigere Konservierungsmethoden anzuwenden. f)iese Experimente 
konnten mit Rücksicht auf die höchst ungünstigen, durch die Wirr¬ 
nisse der Gegenwart bedingten Verhältnisse, nicht im erwünschten 

Umfange und unter Beobachtung der 
notwendigsten Vorsichtsmaßregeln an¬ 
gestellt und ausgeführt werden. Daher 
tragen sie vorläufig lediglich einen Orien¬ 
tierungscharakter. Dessenungeachtet ver¬ 
dienen die erzielten Resultate volle Be¬ 
achtung und flößen uns die feste Zu¬ 
versicht ein, daß die allernächste Zukunft 
unsere Versuche in der genannten Rich¬ 
tung mit einem noch größeren Erfolge 
krönen wird. 

Die isolierten Ohren und Finger, werden nachdem ihre Arterien 
durch Fadenligaturen angeschlungen worden sind (um später be¬ 
quemer Kanülen einführen zu können), in einen Exsiccator gebracht, 
wo sie über Wasser zu dem einige Tropfen Chloroform zugesetzt 
sind, liegen. Noch bequemer ist es, die isolierten Organe über Chlo¬ 
roformwasser mit der Schnittfläche nach unten gekehrt zu legen. 
Zu diesem Zweck wird das Ohr resp. der Finger nach vorhergehender 
Sterilisierung ihrer Schnittflächen über einer Flamme und Umwick¬ 
lung ihrer Basen mit Watte in den Hals eines Kolbens gesteckt, in 
welchem auf dem Boden sich etwas Chloroformwasser befindet. 
Demnach befindet sich das Ohr resp. der Finger mit Ausnahme eines 
kleinen im Kolben steckenden Teiles, außerhalb des Gefäßes. (Abb. 3). 
Um das Austrocknen des Präparates zu vermeiden, wird dasselbe in 
einer feuchten Kammer gehalten. Zu Konservierungszwecken kam 
auch die Methode des Paraffinbades (Schmelzpunkt 42—43°) zur 
Anwendung. Dabei wird das Ohr resp. der Finger mit der nach unten 
gekehrten, vorerst sterilisierten Schnittfläche in ein Glas mit ge- 




Abb. & 


Abb. 4. 


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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 157 


schmolzenem Paraffin getaucht; nachdem das Paraffin erstarrt, bleibt 
das Organ im Glas wie eine Blume im Blumentöpfe stecken. (Abb. 4). 

Nach einer kürzeren oder längeren Zeit wird das Organ, nachdem 
das Paraffin erst geschmolzen wird, aus dem Glas herausgenommen; 
dann werden in die Arterien Kanülen eingeführt und darauf das 
Organ gebrauchsfertig in den Apparat gebracht. Schließlich ver¬ 
suchten wir auch, die Präparate im Exsiccator über Schwefelsäure im 
Raum mit normalem Luftgehalt und noch besser im luftverdünnten 
Raum zu halten und eintrocknen zu lassen. Unter solchen Bedin¬ 
gungen mumifizierten sich die Ohren und Finger innerhalb 2—3 Wochen 
vollständig, wobei die Finger sich dunkel verfärbten, hart und so 
durchsichtig wurden, daß man die Konturen sämtlicher Phalangen 
deutlich sehen konnte. Dann wurden die mumifizierten Präparate 
zwecks Erweiterung für einige Tage Wasserdämpfen ausgesetzt (auch 
hier setzte man einige Tropfen Chloroform zu) und schließlich in warme 
Ringer - Lockesche Flüssigkeit gebracht; auch die Gefäße sind mit 
warmer R.-L Flüssigkeit durchgespült worden. In manchen Fällen 
war die Durchgängigkeit der Gefäße derart behindert, daß man die 
Ohrenspitze resp. Fingerkuppe abschneiden mußte, um die Tätigkeit 
des Arterienstammes untersuchen zu können. Bei dieser Erwei¬ 
chungsmethode erlangten die Finger ihr normales Aus¬ 
sehen unddieKonsistenzderLeichenfinger, denen keinerlei 
Verwesungserscheinungen anzumerken waren, in vollem 
Umfange wieder. Die in Paraffin oder in einer Wasser¬ 
dampfatmosphäre konservierten Finger hatten, wie oben 
erwähnt, stets eine Temperatur, die um 1 — l l / 2 ° die Tem¬ 
peratur der umgebenden Zimmertemperatur übertraf. An 
manchenFingern konnte einWachstum derNägel während 
derKonservierungsdauer festgestellt werden: innerhalb 1—2 
Monaten = l 1 /* mm. Da bei der Konservierung die Weichteile, die den 
Nagel umgeben, leicht eine Deformation erfahrenkönnen, so wäre es falsch, 
wollte man über das Wachstum der Nägel nach ihrem Aussehen ur¬ 
teilen ; daher wurde auch die Länge des Nagels jedesmal vom deutlich 
ausgeprägten Nagelbett gemessen und außerdem noch die Verschiebung 
des subungualen Schmutzsaumes aufwärts berücksichtigt. In einigen 
Fällen konnte man auch Schweißabsonderung nach sub- 
cutaner Pilocarpininjektion wahrnehmen. An arasierten 
Stellen der Ohren konnte man mitunter auch Haarwachstum beob¬ 
achten. 

Ich bringe hier einige Versuche. 

Versuch 1. Das frisch abgeschnittene Kaninchenohr wird mit der nach 
unten gekehrten Basis in Paraffin getaucht. Dann in feuchter Kammer auf be¬ 
wahrt. Nach 22 Tagen wird es in den Apparat gebracht. In den letzten Tagen zeigte 


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158 N. P. Krawkuw : über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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sich etwas Schimmel an der Oberfläche des Organs; er wird mittels eines Pinsel- 
chens entfernt. Drei Teilstriche einer Spritze mit einer 1000fach verdünnten Adre¬ 
nalinlösung werden in das Röhrchen, das die Bürette mit der Arterienkanüle ver¬ 
bindet, eingespritzt, außerdem probiert man noch eine Adrenalinlösung 1 : 1 000 000 
aus. Auf ad hoc exkoriierte Stellen wird Tra-Jodi und Ol. crotonis aufgetragen. 
(Kurve 15.) 

Versuch 2. Das Ohr wurde im Exsiccator über Schwefelsäure innerhalb 
4 Monaten und 22 Tagen getrocknet. Dann wurde es 7 Tage hindurch mit Wasser¬ 
dämpfen erweicht. 2,5 und 5 Teilstriche einer Spritze mit 1 : 1000 Adrenalinlösung 
werden in das Röhrchen eingespritzt. (Kurve 16.) 



Kurve 16. 



Versuch 3. Während der Dauer von 5 Monaten und 4 Tagen wurde das Ohr 
im Exsiccator über Schwefelsäure getrocknet. 7 Tage lang wurde es über Wasser 
aufgeweicht ; dann für eine Nacht in die R.-L Flüssigkeit gelegt Es trat vollstän¬ 
dige Erweichung ein. Wegen mangelhafter Durchgängigkeit der Gefäße wurde 
die Ohrenspitze abgeschnitten. Von einer 1 : 1000 Adrenalinlösung wurden sue- 
cessive 2,5. 5, 10 Teilstriche einer Spritze in das Röhrchen eingespritzt. (Kurve 17.) 

Versuch 4. Das Ohr wurde 3 Monate und 23 Tage im Exsiccator über 
Schwefelsäure getrocknet; die Erweichung erfolgte über Wasser, 10 Tage lang. 
Mit Rücksicht auf die behinderte Durchgängigkeit der Gefäße wird die Ohren- 
spitze abgeschnitten. Adrenalin wurde erst in gewöhnlicher Weise in einer 
1 : 500 000fachen Verdünnung angewendet, dann werden 1 / 10 und 1 ccm einer 
1 : 1000-Lösung in das Röhrchen eingespritzt. (Kurve 18.) 



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Tropferzahf 


isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 159 

Versuch 5. Der Finger ist einer Hand entnommen, die einem gesunden, bei 
einem Eisenbahnunfall verunglückten Manne amputiert wurde. Schon am näch¬ 
sten auf die Operation folgenden Tage wird der Finger über chloroformhaltiges 
Wasser gebracht. Dort bleibt er 33 Tage lang. Der Nagel, der ursprünglich 13 mm 
lang war, erreicht am Untersuchungstage die Länge von 14 7 Ä mm. Während der 
Aufbewahrung war die Temperatur des Fingers um 1V 2 —2° höher, als die Tem¬ 
peratur des umgebenden Mediums. Gegen Ende der Aufbewahrungsperiode 
schrumpfte die Haut des Fingers erheblich zusammen, jedoch waren keinerlei An¬ 
zeichen einer Verwesung wahrzunehmen. Nach der Durchströmung der Gefäße 
mit der R.-L. Flüssigkeit nahm der Finger wieder sein ursprüngliches Aussehen 
und die Konsistenz eines frisch amputierten Fingers an. Adrenalin wurde in Ver¬ 
dünnung 1 : 500 000 und 1 / 2 ccm, 1 ccm einer 1 : 1000-Lösung (zur Einspritzung 
ins Röhrchen) angewendet. 3 und 5 Teilstriche einer eine lproz. Lösung von 




Piloc. muriat. enthaltenden Spritze werden subcutan injiziert. Dabei wurde die 
Beugefläche des Fingers feucht und Schweißtropfen traten auf, namentlich näher 
der Fingerbasis zu. Auf eine mittels Abschabens der Epidermis mit der Lanzette 
herbeigeführte Exkoriation auf der Beugefläche der oberen Phalanx wird 01. 
crotonis aufgetragen. Die Temperatur der durchfließenden R.-L. Flüssigkeit ist 
38—39°. (Kurve 19.) 

Versuch 6. Der Finger von einer wegen Tuberkulose des Ellbogengelenks 
amputierten Hand wurde nach der Operation in der Kälte aufbewahrt und am 
dritten Tage mit der nach unten gekehrten Basis in Paraffin getaucht, in welchem 
Zustande er 23 Tage verblieb. Während dieser ganzen Zeit blieben das Aussehen 
und die Konsistenz eines frischen Leichenfingers erhalten. Die Temperatur des 
Fingers war um 1—2° höher als diejenige des umgebenden Mediums. Wegen 
fehlender Grenzlinie des Nagelbettes konnte die Länge des Nagels nicht gemessen 
werden. Adrenalinlösung in Verdünnung 1 : 500 000 durchgeleitet, dann 0,3 und 
0,4 ccm einer 1 :1000-Lösung in das Röhrchen eingespritzt. 0,4 ccm einer 1 proz. 


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1 00 N. P. Krawkow : Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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Pilocarpin. mur. -Lösung subcutan injiziert. Dabei nimmt man ein Feuchtwerden 
und Schweißtropfenabsonderung an der Beugefläche des Fingers (namentlich 

an der Basis) wahr. (Kurve 20.) 

| j || ! Versuch 7. Der Finger einer anläßlich eines 

Vorderarmsarkoms operierten jungen Frau wird 
über Schwefelsäure getrocknet und nach 34 
Tagen nach einer vorangegangenen Erweichung 
in den Apparat gebracht. Bei Durchleitung von 
R.-L. Flüssigkeit gewinnt der Finger sein ursprüng¬ 
liches Aussehen wieder. Keinerlei Verwesungser¬ 
scheinungen. 1 ccm einer 
1 : 1000 - Adrenalinlösung 
wird in das Röhrchen ein¬ 
gespritzt. Subcutan Kal. 
cantharid. (Kurve 21.) 

Versuch 8. Der Finger 
stammt vom Arm eines ge¬ 
sunden Mannes, der von 
einer Lokomotive über¬ 
fahren wurde. Am nächsten 
auf den Unfall folgenden 
Tag wurde der Finger in 
den Exsiccator über Schwe¬ 
felsäure gebracht. Die Luft 
wird aus dem Exsiccator 
ausgepumpt. Nach 13 Tagen 
wurde der Finger trocken, 
hart,zusammengeschrumpft, 
durchsichtig; gegen Licht 
sind alle Phalangen zu 
sehen. Dann wird er aus 
dem Exsiccator heraus¬ 
genommen, zunächst für 
5 Tage chloroformhaltigen 
Wasserdämpfen ausgesetzt 
zwecks Erweichung und 
daraufhin in warme R.-L. 
Flüssigkeit getan. Bei 
Durchleitung der Flüssig¬ 
keit durch die Arterien 
nahm er das ursprüngliche 
Konsistenz eines frischen 
Mit Rücksicht auf 


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Aussehen und die 
Leichenfingers wieder an. 

das spärliche Abfließen der Flüssigkeit aus den 
Gefäßen wird die Fingerkuppe etwas abgeschnit¬ 
ten. Appliziert wird Solutio Hypemephrin. 
„Höchst“ 1 : 1000 ins Röhrchen 0,2 und 0,4 ccm. 
(Kurve 22.) 

Versuch 9. Der Finger ist von einem Manne, dem wegen Tuberkulose 
des Ellbogengelenks der Unterarm abgenommen wurde. Der Finger ist etwas 
ödematös. Am Operationstage bereits wird der Finger in den Exsiccator gebracht. 


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Tropfenzahl 


isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 161 

aus welchem die Luft ausgepumpt wird. Nach 38 Tagen trocknete der Finger 
vollständig aus und wurde durchsichtig. Dann wurde er während 15 Tagen auf- 
geweicht und darauf (d. h. 53 Tage nach der Operation) mit der R.-L. Flüssigkeit 
behandelt. Er gewann sein ursprüngliches Leichenaussehen wieder. Adrenalin 
in Verdünnung 1 : 1000 wird in Mengen von 0,5 und 1,0 ins Röhrchen, das die 
Bürette mit der Arterienkanüle verbindet, eingespritzt. (Kurve 23.) 

Aus den soeben geschilderten Experimenten können 
wir ersehen, daß die Lebensfähigkeit der peripheren Ge¬ 
fäße sich beiden genanntenKonservierungsbedingungen in 




größerem oder geringerem Maße eine erstaunlich lange 
Zeit erhalten kann. Wenn es möglich ist, dieses Phänomen 
an ausgetrockneten Präparaten etwa 6 Monate nach der 
Isolierung zu beobachten, so muß man freilich annehmen, 
daß die Gefäße ihre Lebensfähigkeit eine unbestimmt lange 
Zeit erhalten können. Nicht nur die Gefäße, sondern auch 
andere Gewebe isolierter Organe erhalten eine ungemein 
lange Zeit ihre Lebensfähigkeit, allerdings nicht in un¬ 
beschränktem Maße, sondern je nachdem, wie groß der 
vorrätige Nährstoff in den Geweben war; so sehen wir das 
Wachstum der Nägel und Haare und sogar die Funktion 


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162 N. I*. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 

eines so komplizierten neurocellulären Apparates, wie der 
Schweißdrüsen. In dieser Beziehung sind die Gewebe der Warm¬ 
blüter den Geweben der niederen wirbellosen Tiere ähnlich, da die 
letzteren bekanntlich nach längerer Austrocknung unter entsprechenden 
günstigen Verhältnissen wieder auferstehen können. Dieses tritt höchst¬ 
wahrscheinlich nur dann ein, wenn es gelingt, möglichst rasch und 
voll die vitalen Eigenschaften des Protoplasmas zu fixieren, bevor 
noch Autolyse und bakterielle Verunreinigung eingetreten sind. Für 
diese Annahme scheinen unsere Experimente einen klaren Beweis zu 
liefern: werden die Organe einer raschen Austrocknung unterzogen, 
schon gleich von vornherein im luftverdünnten Raume, so werden 
am sichersten die erwünschten Resultate erzielt. Aus den oben ge¬ 
schilderten Versuchen ist auch zu ersehen, daß die Grundreaktionen 
der Gefäße konservierter Organe solchen Giften gegenüber, wie 
Adrenalin, Pilocarpin oder Hautreizen gegenüber sehr lange Zeit 
erhalten bleibt, jedoch nicht in dem Maße, wie es an normalen Ge¬ 
fäßen der Fall ist. Es sind zur Verengerung der Gefäße stärkere 
Adrenalinlösungen erforderlich, als sonst, während die schwachen 
entweder ganz ohne Wirkung bleiben, oder mitunter sogar eine Er¬ 
weiterung hervorrufen, wie wir es an pathologischen, beispielsweise 
entzündeten Organen sahen. Diese Veränderung im Verhalten der 
Gefäße Adrenalin gegenüber muß, unserer Meinung nach, schon ganz 
abgesehen von der vorläufig noch verhältnismäßig groben Konser¬ 
vierungstechnik, hauptsächlich auf den Umstand zurückgeführt wer¬ 
den, daß bei der Aufbewahrung in der feuchten Kammer und bei der 
Austrocknung, die Nervenstämme der isolierten Organe der De¬ 
generation und Lähmung verfallen, wobei das Adrenalin seinen Haupt¬ 
angriffspunkt verliert und somit auf Gefäße, die des sympathischen 
Systems beraubt sind, wirken muß. 

Die Coron&rgef&Be des normalen nnd pathologischen Herzens. 

Die Untersuchung der Coronargefäße nach unserer Methode, d. h. 
an einem mit Strophantin sistierten Herzen, kann man in folgenden 
Schlüssen zusammenfassen 30 ): 

1. Das Adrenalin bewirkt keine bemerkbare Verengerung der 
Kranzgefäße des Herzens und ruft in der Mehrzahl der Fälle sogar 
eine Erweiterung hervor. 

2. Coffein, Theobromin, Amylnitrit, Campher bewirken eine deut 
liehe Erweiterung der Gefäße. 

3. Histamin, Thyramin, Nicotin, Pilocarpin und Bariumchlorid 
verengern die Kranzgefäße des Herzens. 

4. Die vasoconstrictorische Wirkung der Gifte äußert sich an den 
Kranzarterien des Herzens im allgemeinen in weit schwächerer Weise, 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 163 

als an den peripheren Gefäßen, während die vasodilatorische Wirkung 
im Gegenteil weit stärker ist. 

5. Sofern man nach der Wirkung der Gifte urteilen darf, enthält 
das sympathische Nervensystem der Kranzgefäße hauptsächlich dila- 
tatorische Fasern, seine vasoconstrictorischen Fasern gehören zum 
autonomen System (N. vagus). 

Die von uns an gesunden isolierten Menschenherzen 
angestellten Untersuchungen führten uns im allge¬ 
meinen zu den gleichen Resultaten wie an den Kanin¬ 
chenherzen. Erst untersuchten wir ausschließlich Kinderherzen, 
dann gingen wir zu Herzen erwachsener Individuen über. 

Die Herzen von Kindern haben den Vorzug den Herzen 
erwachsener Menschen gegenüber, daß bei den ersten die 
durchfließende R.-L. Flüssigkeit viel rascher die Tätigkeit 
anregt und sie länger erhält, als das bei Herzen Erwach¬ 
sener der Fall ist. Daher mußte man bei Sistierung der zu unter¬ 
suchenden Kinderherzen viel häufiger zu Strophantin greifen, als das 
bei Herzen Erwachsener notwendig war. 

Die Herzen erwachsener Menschen waren oft auch ganz ohne 
Strophantinanwendung derart unbeweglich, indem sie nur ganz 
schwache Kontraktionen in der Hohlvenengegend, den Herzohren, dem 
einen oder anderen Arterium, geschweige denn den Ventrikeln aufwiesen, 
daß sogar eine nachträgliche Adrenalindurchleitung nicht imstande 
war, sie zur Tätigkeit anzuregen. Nebenbei bemerkt, erhält man bei 
Anwendung des Strophanthins an noch schlagenden isolierten Menschen¬ 
herzen ein genau so charakteristisches Bild seiner therapeutischen und 
toxischen Wirkung, wie bei Anwendung desselben am tierischen Herzen. 

Wir bringen nachstehend einige Experimente, die ich gemeinsam 
mit Anitschkow ausführte. 

Versuch 1. Das Herz einer 8 Monate alten Frühgeburt, die 25 Minuten nach 
der Geburt noch lebte, wird 7 h 20' nach dem Tode isoliert. Die Kanülen werden 
in die Aorta nach Langendorff eingeführt. Bei der Durchleitung der R.-L. Flüssig¬ 
keit begann das Herz sich zu kontrahieren. Darauf mit Strophantin zum Stülstand 
gebracht. Coffeinum pur. 1 : 1000. Adrenalin 1 : 500 000, Nicot. pur. 1 : 5000. 
(Kurve 24.) 

Versuch 2. Das Herz einer 8 Monate alten Frühgeburt lag nach seiner 
Isolierung eine Nacht lang in der Kälte, in einem mit R.-L. Flüssigkeit durch- 
tränkten Wattestück. Nach 27 h 40' wurde es in den Apparat gebracht. Die Kanüle 
ist nach Langendorff in die Aorta eingeführt. Bei Durchleitung der Flüssig¬ 
keit machten sich schwache Kontraktionen bemerkbar. Mit Strophantin sistiert. 
Coffein pur. 1 : 1000, Histamin 1 : 500 000. (Kurve 25.) 

Versuch 3. Das Herz eines rechtzeitig geborenen Kindes, das einige Stunden 
nach der Geburt starb, wurde mit Strophantin sistiert und dann in den Apparat 
gebracht — 26 Stunden nach dem Tode. Die Kanülen nach Langendorff. Cam¬ 
phora 1 : 2500, Barium chlor. 1 : 5000. (Kurve 26.) 


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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 165 

Versuch 4. Das Herz eines 4jährigen Kindes, das an einer Verbrennung zu¬ 
grunde ging, wurde 30 Stunden nach dem Tode in den Apparat gebracht. Adrenalin 
in Verdünnung 1 : 600 000. (Kurve 27.) 





Vers uch 5. Das Herz eines 6 monatigen noch atmenden Foetus. Erst wurden 
die Kanülen nach Langendorff eingeführt, nachdem sich aber eine Klappen¬ 
insuffizienz bemerkbar machte, wurde die Kanüle unmittelbar in die Art. coron. 
sin. eingesteckt. 7 h 30' nach dem Tode wird das Organ in den Apparat ge 


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166 N. I*. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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bracht. Das ganze Herz schlägt, die Zahl der Herzschläge in der Minute beträgt 
54. Dann wird es mit Strophantin sistiert. Coffein, pur. 1 : 10 000, Adrenalin 
1:500 000. (Kurve 28.) 

Versuch 6. Das Herz eines erwachsenen Menschen, der an Fleckfieber mit 
Dysenterie starb, weist eine hochgradige fettige Myodegeneration auf. 10 Stunden 
nach dem Tode wurde es in den Apparat gestellt. Eine Kanüle in der Art. cor. 
sinistra, die andere in der Art. cor. dext. Die Durchleitung erfolgte abwechselnd 
erst durch eine, dann durch die andere Art. Adrenalin 1 : 500 000, Coffeinum 
pur. 1 : 5000. (Kurve 29.) 

Versuch 7. Das Herz eines Erwachsenen, der an Miliartuberkulose starb. 
Es wird am Tage des Todes in den Apparat gebracht. Die Kanüle ist in die Art. 




coron. sin. über der Circumflexa eingeführt. Bei der Durchleitung der R.L.- 
Flüssigkeit sind kaum bemerkbare Kontraktionen an den Mündungen der Lungen¬ 
venen zu sehen. Bei Durchleitung einer 1 : 5000-Coffeinlösung werden diese Kon¬ 
traktionen deutlicher; auch am linken Herzohr sind Kontraktionen zu sehen. 
In den übrigen Abschnitten ist das Herz unbeweglich auch bei Durchleitung einer 
Adrenalinlösung 1 : 500 000. (Kurve 30.) 

Versuch 8. Das Herz eines 17 jährigen Jünglings, der an einer im Anschluß 
an Dysenterie entstandenen perforativen Peritonitis starb, weist eine erhebliche 
parenchymatöse Degeneration des Myokard (trübe Schwellung) auf. Die Kanüle 
liegt oberhalb der Aortenklappen. Die Quantität der abfließenden Flüssigkeit wird 
nach der Kubikzentimeterzahl jede Minute bestimmt. Bei Durchleitung des 
Adrenalins sind kaum wahrnehmbare Bewegungen an den Mündungen der Hohl- 
venen und an den Vorhöfen zu sehen. Adrenalin 1 : 1 000 000, Coffein 1 : 5000. 
(Kurve 31.) 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 167 


Aus den angegebenen Versuchen ist ersichtlich, daß 
die Kranzarterien des Menschenherzens auf Gifte ge¬ 
nau so reagieren, wie diejenigen 
der tierischen Herzen. Die gefä߬ 
verengernde Giftwirkung macht 
sich an den Kranzarterien des 
Menschen im allgemeinen weniger 
bemerkbar, als an peripheren Ge¬ 
fäßen des Menschen, die gefä߬ 
erweiternde dagegen ist bedeu¬ 
tend stärker ausgeprägt. Es gibt 
kein einziges gefäßverengerndes Mittel, das 
imstande wäre, einen völligen Verschluß 
der Coronararterien herbeizuführen, wie 
man das an den peripheren Gefäßen be¬ 
obachten kann. Besonders klar trat dieser 
Unterschied im Verhalten der Gefäße an 
den Versuchen zutage, die wir an isolierten 
Organen ein und derselben Leiche aus¬ 
führten und somit die Giftwirkungen auf 
die Coronargefäße und Fingergefäße ceteris 
paribus vergleichen konnten. Nun muß 
man aber bemerken, daß das Adrenalin, 
das auf die Coronargefäße des 
menschlichen Foetus und Kinder 
keinen merklichen Einfluß aus¬ 
zuüben pflegt, mitunter sie sogar 
erweitert, eine Verengerung der 
Kranzarterien erwachsener Men¬ 
schen hervorruft. Aber auch in 
diesem Falle ist die Wirkung des Adrenalins 
nicht dermaßen deutlich ausgesprochen, 
wie an den peripheren Gefäßen. Bar- 
bour 36 ), der die Coronargefäße des 
menschlichen Herzens nach der Frey- 
Meyer sehen Methode 2 l / t —7 Stunden 
nach dem Tode untersuchte, gelangte zum 
Schluß, daß das Adrenalin die Kranz¬ 
arterien verengert, während es die Coronar¬ 
gefäße der Tiere (wie Kälber, Schafe und 
Schweine) zu erweitern pflegt. Diese 

Untersuchungen führte Barbour an Herzen von Menschen aus, 
die an tuberkulöser Peritonitis (24 Jahre), Aneurysma und Aortitis 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 12 



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168 N. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschaften der Blutgefäße 


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luetica (60 Jahre), Ileus mit sich anschließender Peritonitis (34 Jahre), 
Oesophaguscareinom, fibrinöser Pericarditis (54 Jahre) und anderen 
Krankheiten zugrunde gingen. Wir sehen also, daß Barbour die 
verengernde Wirkung des Adrenalins an Coronargefäßen von Indi¬ 
viduen beobachtete, die schon in vorgerücktem Alter waren. Auf die 
Frage, weshalb die Gefäße der Tiere und Menschen verschieden auf 
Adrenalin reagieren, antwortet Barbour 37 ) auf Grund vergleichender 
histologischer und pharmakologischer Studien, daß diese Differenz 
jedenfalls nicht dem verschiedenen anatomischen Bau dieser Gefäße 
zuzuschreiben sei: obwohl der histologische Bau der Coronargefäße 
des Kalbes und des Menschen identisch ist, ist ihr Verhalten 
dem Adrenalin gegenüber entgegengesetzt. Daher nimmt Barbour 
an, daß die menschlichen Coronargefäße wahrscheinlich von sym¬ 
pathischen Vasoconstrietoren versorgt werden. 

Aus unseren Untersuchungen an den Kranzarterien 
geht hervor, daß das Verhalten der menschlichen Kranz¬ 
arterien dem Adrenalin gegenüber vom Alter des Indi¬ 
viduums abhängt und dementsprechend wechselt. Dieser 
Zusammenhang zwischen dem Alter des Menschen und dem Verhalten 
seiner Kranzarterien gegenüber Adrenalin gleicht gewissermaßen die 
Differenz aus, die im Verhalten der menschlichen und tierischen 
Coronargefäße diesem Gifte gegenüber festgestellt wurde. Es ist ja 
leicht möglich, daß, wenn wir auch bei Tieren verschiedenen Alters 
die Coronargefäße untersucht hätten, sich auch dann ein ungleiches 
Verhalten Adrenalin gegenüber seitens der Kranzarterien verschiedenen 
Alters gezeigt hätte, zumal ja für Untersuchungen an Herzen gewöhn¬ 
lich nur junge Tiere in Anwendung kommen. Die Annahme liegt 
sehr nahe, daß mit dem Wachstum und der Entwicklung des Organismus 
auch die Funktion des Sympathicussystems in den Kranzarterien 
eine Veränderung erfährt und dementsprechend auch das Verhalten 
der genannten Gefäße Adrenalin gegenüber wechselt. Wie aus den hier 
gebrachten Kurven hervorgeht, haben die Coronargefäße des mensch¬ 
lichen Herzens außer ihrer Reaktionsfähigkeit verschiedenen Giften 
gegenüber auch die Fähigkeit, sich selbständig rhythmisch zu kontra¬ 
hieren. 

Nun gehen wir zur Frage über, wie verschiedene Reizstoffe 
auf die Kranzarterien wirken bei Applikation derselben 
aufs Peri- resp. ins Myokard. Das Perikard wurde durch Berührung 
resp. Bestreichen mit einem reizenden Stoff mittels eines Pinselchens 
gereizt. Zum Aufstreichen wurden 01. Crotonis, T-ra Cantharid., 
T-ra Jodi, starke Lösung von Kal. Cantharid., zur Kontaktreizung — 
ein Kristall Natriumchlorid, ein Stückchen Zwiebel usw. benutzt. 
Zu Kontrollversuchen bediente man sich auch des in R.-L. Flüs- 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 169 

sigkeit angefeuchteten Pinselchens. Unmittelbar nach der Reiz¬ 
applikation konnte man einen reichlichen Abfluß der 
Flüssigkeit aus den Coronargefäßen beobachten, dessen 
Dauer von der Intensität und Dauer des zugefügten Reizes 
abhing; nach Applikation eines Kontaktreizes war der Abflußeffekt 
sehr flüchtig. Wiederholte Reize hatten meistenteils schwächere 
Effekte zur Folge, als die vorhergehenden. Die Summierung der Reize 
führte zu einer langanhaltenden Erweiterung der Gefäße. Die Ein¬ 
spritzung von Reizstoffen in das Myokard führte eine 
starke, langdauernde Erweiterung der Coronargefäße her¬ 
bei. In diesem durch Reizwirkung herbeigeführten ent¬ 
zündlichen Stadium hören die Coronargefäße, ähnlich wie 
die peripheren auf in charakteristischer Weise auf Adrena¬ 
lin zu reagieren. 

Da ich auf die entzünd- 140 
liehe Gefäßreaktion zu 
sprechen kam, so muß 30 

ich auch auf die Unter- 
Buchungen von Cesaris- S 

v 20 

Demel 38 ) hin weisen, der £ 
nachgewiesen hat, daß das £ 

Gewebe des isolierten Her- 10 
zens unter bestimmten Be¬ 
dingungen dieselben patho¬ 
logischen Veränderungen 0 
erfahren kann, wie das intra Kurve 02. 

vitam geschieht. So tritt 

z. B. bei Durchleitung von R.-L. Flüssigkeit mit darin enthaltenen Giften 
(Arsen, Fluorescin. Diphtherietoxin) durch das Kaninchenherz eine 
Verfettung ein, genau wie es bei Vergiftung der Tiere mit diesen Giften 
der Fall ist. Diese Tatsachen weisen darauf hin, daß die 
Gewebe auch isolierter Organe ihre kardinalsten vitalen 
Eigenschaften beibehalten und imstande sind, in emp- 
findli eher Weise auf diese sowohl physiologischen, als patho - 
logischen Wirkungsmomente zu reagieren. 

Von zahlreichen von mir ausgeführten Experimenten, die im all¬ 
gemeinen ähnliche Resultate ergaben, bringe ich die folgenden: 

Versuch 3. Das isolierte Herz eines Kaninchens wird mit Strophantin sistiert. 
Dem linken Vorhof appliziert man einen Kontaktreiz mit einem Pinselchen mit 
Kal. canthar. Zur Kontrolle wird dieselbe Stelle mit dem Pinselchen und reiner 
R.-L. Flüssigkeit berührt. (Kurve 32.) 

Versuch 4. Das Herz eines Kindes, das an Scharlach starb, wird in den Ap¬ 
parat 6 11 30' nach seinem Tode gebracht. Die Kanüle wird in die Art. coron. sinistra 
eingeführt. Bei der Durchleitung der R.-L.Flüssigkeit sind keine Kontraktionen 

12 * 




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170 N. P. Krawkow: über die funktionellen Eigenschafton der Blutgefäße 


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wahrzunehmen. Berührung mi t einem mit OL crotonis benetzten Pinselchen, 
darauf wird in das Myocard 1 ccm 01. crotonis eingespritzt. (Kurve 33.) 

Versuch 9. Das Herz eines 4 jährigen Kindes, das einer Verbrennung erlag, 
wird 18 Stunden nach dem Tode in den Apparat gebracht. Auf Adrenalin und 
Nikotin keine merkliche Reaktion der Gefäße. In das Myokard des linken Ven¬ 
trikels wurden hintereinander 1 und 2 Teilstriche einer Spritze T-ra cantharid. 
eingespritzt. (Kurve 34.) 




Kurve 84. 

Versuch 12. Das Herz eines 17jährigen Jünglings, der an einer mit perfo- 
rativer Peritonitis einhergehenden Dysenterie starb, wurde 5 Stunden nach dem 
Tode in den Apparat gebracht. Die Kanüle liegt in der Aorta oberhalb der Klappen. 
Bei der Durchleitung der R.-L. Flüssigkeit blieb es unbeweglich; nach Zusatz von 
Adrenalin zur Durchleitungsflüssigkeit sind kaum bemerkbare Kontraktionen 
an den Mündungen der Hohlvenen wahrzunehmen. Die Menge der abfließenden 
Flüssigkeit wird nach dem Volumen bestimmt. Die Wirkung des Adrenalins und 
Coffeins auf die Gefäße ist vor und nach der Reizung untersucht worden: diejenige 



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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 171 


des Adrenalins in einer Verdünnung 1 : 1 000 000, diejenige des Coffeins in Ver¬ 
dünnung 1 : 5000. Verschiedene Stellen des Perikard werden erst mit einem Stück* 
chen Zwiebel berührt, dann werden in die Wand des linken Ventrikels 3 Teil- 
striche einer Spritze mit 


U9tpuj<aqvu(^ 

T-ra Cantharid einge- i i 

spritzt. (Kurve 35.) \ 

ZurErgänzung I \ | 

bringe ich noch waoio - 1 --V 

einen Versuch, R j j 

der zugleich Kon- L) Vl 

trollversuch war 't DU *w\ } jxooj-ßu/y -I- -i\ | 

und dasVerhalten I) 1 

hochgradig ver- I \ 

änderterCoronar* |/ ~ Jj 

gefäße diversen 'jr 3 °uiaß \)"'p ' {j Jos 

Giften undReizen |l 

gegenüber illu- <; 

strieren kann. -ppwq bj-± -j--\ |l 

! )\ 0¥JO/- ÖUty~>--i I 

Versuch 17. Das \ \ \ ; I I 

Herz wurde einer 60 jäh- l ! i < I 

rigen alten Frau 1 Stunde M “ ^ g \ <\ 

nach ihrem Tode ent- I ' i ? ooosi jndu!agoj---\ ; „ 

nommen. Die Klappen j : > , j § } I I 

schließen nicht. Hoch- j . ) w I [ ^ w 

gradige Sklerose der Co- (J 2 papinpo^^\ I j 00 

ronargefäße. Die Kanüle PW M 2 j ! 1 

wird in die Art. coron. \j j i 

8inistra eingeführt. Die I ~ j ; 

Untersuchung fand J 

10 Stunden nach dem x I / 

Tode statt. Bei der 1 ^ ; ooooos ■/ \ 

Durchleitung der R.-L. ! < | 

Flüssigkeit auch mit PW*Z “ j j > 

Adrenalingehalt sind an j 

keinem Abschnitte des \ ; *! 

Herzens Kontraktionen f 1 ' 

wahrzunehmen.Adrena- j / 

lin wurde in Verdün- i , ^ *>poi-6uty-~\' 

nungen 1 : 1 000 000 J] < 

und 1 : 500 000 appli- /Dujjptf- -| / 

“ e f; Co t fei "ä 1 = 5000 ; \ \ i \ coooooz^ Pv y\ -fe 

Nikotin 1:6000. Gereizt 1 ! ? 

wird das Herz mit Ol. | 1 i ^ < *5 

crotonis, von welchem --- - __l3_I 

1 ccm in die Muskulatur ^ ^ J 3 LJJ f ^ 10 ^ 

des Unken Ventrikels " " f 

eingespritzt wird, und mit Ol. terebinth., von dem auch intramuskulär 0,5 
injiziert wird. Außerdem wird d£r ganze linke Ventrikel mit 01. crotonis 
bestrichen. Die Quantität der abfließenden Flüssigkeit wird nach der Zahl der 
Kubikzentimeter pro Minute bestimmt. (Kurve 36.) 


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172 N. P. Krawkow: Über die funktionellen Eigenschafton der Blutgefäße 

Indem wir nun die Resultate unserer Experimente einer sum¬ 
marischen Betrachtung unterziehen, gelangen wir zum Schluß, 
daß die Coronargefäße ähnlich wie die peripheren sehr 
standhaft und zähe in bezug auf ihre Lebensfähigkeit sind 
und ihre vitalen Eigenschaften ungemein lange Zeit nach 
dem Tode des Organismus erhalten können. Sogar nach 
vollständiger Lähmung des neuro-muskulären Apparates 
des Herzens, wenn alle Mittel das Herz auch nur teilweise 
wieder in Tätigkeit zu setzen versagt haben, fahren trotz¬ 
dem die Gefäße fort, auf Gifte und Reize zu reagieren. 
Der Grad und Charakter dieser Reaktion hängen von den patho¬ 
logischen Veränderungen der umgebenden Gewebe ab; so ist z. B. 
der Einfluß des entzündlichen Prozesses auf das Verhalten der Gefäße 
in unseren Experimenten nicht zu verkennen. Insbesondere gilt das für 
Adrenalin, das unter den genanntenUmständen statt der üblichenVerenge- 
rung an Gefäßen Erwachsener entweder keine Veränderung des Lumens 
der Coronargefäße oder sogar eine Erweiterung hervorrufen kann. 
In Fällen stark ausgesprochener Sklerose der Coronar¬ 
gefäße, sogar dann, wenn das Herz ohne Verzug nach dem 
Tode isoliert wird, hören dieGefäße auf, auf Gifte und das 
Epi- und Myokard angreifende Reize zu reagieren (siehe 
Kurve 36), 

Zum Schluß halte ich es nicht für überflüssig, darauf hinzuweisen, 
daß es uns gelungen ist, die Differenz in der Reaktion der Gefäße gegen 
Gifte unter pathologischen und normalen Verhältnissen nicht nur an 
Herzen und Ohren zu konstatieren, sondern auch, wie es die noch nicht 
veröffentlichten Untersuchungen von Sakussow ergeben haben, an 
isolierten Nieren. Die Nierengefäße der an Scharlach, Di¬ 
phtherie und anderenlnfektionskrankheiten verstorbenen 
Individuen können ihre charakteristische Reaktionsfähig¬ 
keit Adrenalin gegenüber verlieren, je nach dem Grad der 
stattgehabten Affektion der Organe. Die Nierengefäße der mit 
Arsen, Cantharidin, Sublimat vergifteten Kaninchen, d. h. bei der 
vaskulären oder tubulären Nephritisform, verlieren entweder teil¬ 
weise oder vollständig ihre Eigenschaft, sich unter dem Einflüsse von 
Adrenalin zu verengern, mitunter erweitern sie sich sogar danach. 
Wie an entzündeten Ohren und Herzen ruft das Coffein auch hier 
unter ähnlichen Verhältnissen eine Erweiterung hervor. 

Ich schließe nun meine Arbeit, indem ich der Befürchtung Ausdruck 
gebe, daß die speziell literarische Bearbeitung unseres Untersuchungs¬ 
materials möglicherweise nicht ohne Lücken sein wird. Zur Rechtferti¬ 
gung kann ich nur darauf hinweisen, daß wir Russen in den letzten Revo¬ 
lutionsjahren die ausländische Literatur vollständig entbehren mußten. 


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isolierter (normaler und pathologischer) Organe von Tieren und Menschen. 173 

» 

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Anat. 24 . 1913. 


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(Aus dem Kaiserin Auguste Victoria-Haus, Reichsanstalt zur Bekämpfung der 
Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit [Dir. Prof. Dr. Langstein].) 


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Die Grundlagen der biologischen Desinfektionsleistung von 
Acridiniumfarbstoffen, insbesondere von Flavicid. 

Von 

Dr. Hans Langer, 

Abteilungsvorsteher. 

Mit 4 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 29. Dezember 1921.) 

I. Grundwirkung. 

Die Bedeutung, welche die Acridiniumfarbstoffe seit kurzem als 
therapeutische Desinfizienzien gewonnen haben, ist, wie ein Blick auf 
die klinischen Ergebnisse lehrt, ständig im Steigen. Demgegenüber sind 
die experimentellen Untersuchungen vorläufig nicht zahlreich. Es 
stützen sich die Kenntnisse nach dieser Richtung zunächst auf die 
Ergebnisse einiger weniger englischer Arbeiten, die durch die Nach¬ 
prüfungen von Neufeld und Schiemann, Fürstenau, Leschke, 
im großen und ganzen ihre Bestätigung gefunden haben. Diese Arbeiten 
haben gezeigt, daß auch im Experiment eine bemerkenswerte Des¬ 
infektionswirkung nachweisbar ist. Über die Prüfung der absoluten 
Desinfektionsleistung hinaus beschränken sich die genannten Arbeiten 
auf die Feststellung einiger Besonderheiten dieser Desinfektionsleistung, 
ohne aber dem Wesen derselben näherzukommen zu suchen. Soweit 
sich die Untersuchungen auf Desinfektionsleistungen im Tierversuch 
beziehen, sind sie noch nicht über Anfänge hinausgekommen. 

Schließlich sind dann einzelne Arbeiten zu erwähnen, wie die von 
Feiler, die sich bemühen, auf Spezialgebieten (Wunddesinfektion) ex¬ 
perimentelle Grundlagen zu schaffen. Soeben hat dann Browning 
noch eine weitere experimentelle Untersuchung veröffentlicht, die sich 
etwas ausführlicher mit der GrimdWirkung befaßt. 

Während sich diese Versuche im wesentlichen mit dem Diamino- 
methylacridiniumchlorid (Trypaflavin bzw. seinen ausländischen Ersatz¬ 
produkten) befassen, habe ich mich in den letzten Jahren mit einer 
größeren Reihe von Acridiniumfarbstoffen beschäftigt, welche mir von 
der Akt.-Gesellsch. f. Anilinfabrikation in Berlin im Hinblick auf den 
variierenden Dispersitätsgrad der einzelnen Farbstoffe zur Verfügung 


Gck igle 


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H. Langer: Biologische Desinfektionsleistung von Acridiniumfarbstoffen usw. 175 


gestellt waren. Über einen Teil dieser Untersuchungen, die zur Auf¬ 
findung des 2—7-Dimethyl — 3-dimethylamino — 6-amino — 10-methyl- 
acridiniumchlorid (Flavicid) geführt hatten, habe ich bereits ver¬ 
schiedentlich berichtet. 

Die erwähnten Besonderheiten der Acridiniumwirkung, die von 
den meisten Autoren hervorgehoben werden, beruhen zunächst darin, 
daß die Desinfektionswirkung in Gegenwart von gelöstem Eiweiß, vor 
allem also von Blutserum, nicht herabgesetzt, sondern sogar gesteigert 
wird. Diese Tatsache ist höchst bemerkenswert und geeignet, die Bedeu¬ 
tung dieser Stoffe als therapeutisches Desinfektionsmittel zu verstärken. 

Ferner fällt bei den experimentellen Untersuchungen auf, wie dies 
Neufeld auch in seinem Berliner Vortrag schon hervorgehoben hat, 
daß die Feststellung der Grenzwerte der Desinfektionswirkung gewissen 
Schwankungen unterliegt. Auch Browning weist in seiner neuesten 
Mitteilung darauf hin. Die Folge davon ist eine Erschwerung der Me¬ 
thodik, indem vergleichende Untersuchungen immer nur, streng ge¬ 
nommen, innerhalb der gleichen Versuchsreihe möglich sind und die 
Festlegung von Standardwerten zu großen Versuchsreihen zwingt. 

Weiter ist zu bemerken, daß die Desinfektionsleistung nicht nur 
von der Konzentration des Desinfektionsmittels abhängig ist, sondern 
in starkem Umfange von der Bakterienmenge, so daß oberhalb einer 
bestimmten Konzentration dieser Bakterienmenge die Desinfektions¬ 
wirkung auffällig nachläßt. 

Schließlich kommen sowohl die englischen wie auch die deutschen 
Autoren zu dem Ergebnis, daß — ebenso wie dies bei bekannten 
chemotherapeutischen Mittel wie Salvarsan, der Fall ist, — auch beim 
Trypaflavin die Wirkung nur langsam eintritt. Der Abtötungseffekt 
nach kurzer Einwirkung ist gering und steht in einem starken Mißver¬ 
hältnis zu der starken entwicklungshemmenden Fähigkeit. Browning 
glaubt die Bedeutung dieses Nachteils dadurch einschränken zu können, 
daß er in der Entwicklungshemmung den für den therapeutischen Effekt 
maßgebenden Faktor sieht. — 

Ich habe in meinen früheren Mitteilungen bereits gezeigt, wie die 
Besonderheiten der Desinfektionswirkung der Acridiniumfarbstoffe aus 
kolloid-chemischen Gesichtspunkten zu erklären sind. Durch Ver¬ 
gleichung einer größeren Zahl von Derivaten der Acridiniumreihe ließ 
sich nämlich wahrscheinlich machen, daß die Steigerung der Wirkung 
in einer direkten Beziehung zum Lösungszustand steht in dem Sinne, 
daß, je mehr die Teilchengröße wächst, je mehr also die Dis¬ 
persität abnimmt, um so mehr sich die Desinfektions- 
wirkung stärkt. 

Es konnte ferner wahrscheinlich gemacht werden, daß die bemerkens¬ 
werte Verstärkung der Desinfektionswirkung durch Serum ebenfalls auf 


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176 


H. Langer: Die Grundlagen der biologischen 


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einer Dispersitätsänderung des Farbstoffes durch den Serumzusatz be¬ 
ruht. Es fehlte aber noch die Beibringung eines überzeugenden Nach¬ 
weises. Dieser ist durch folgenden Versuch zu geben: 

Die Abhängigkeit des Lösungszu¬ 
standes kolloidaler Lösungen von der 
Reaktion des Mediums ist bekannt. 
Säuerung verstärkt die Dispersität, 
bei Alkalizuatz nimmt sie ab. 

Mißt man die Dispersität nach dem 
Vorschlag von Traube durch Bestim¬ 
mung der Diffusion in Gelatinesäulen, 
so erhält man für eine Reihe von ver¬ 
schiedenen Acridiniumderivaten fol¬ 
gende Diffusionskurven: 

Versuch. Diffusion in 5% Gelatine, 
Messung in ram Farbstofflösung 1:1000 



Diiuethyiamiuoacridinium- 

Chlorid. 



a) in jjjHCl, 


b) neutral, c) in NaOH. 


Die verglichenen Derivate (die nur 
als Typen ausgewählt sind) unter¬ 
scheiden sich dadurch, daß A 4 
(C 15 H 15 N 2 C1) und Dimethylaminoacri- 
diniumchlorid eine nennenswert stär¬ 
kere Diffusion auf weisen als Flavicid, 
in allen Fällen setzt aber Alkaleseenz 
die Diffusion gleichmäßig herab; wäh¬ 
rend Säuerung sie verstärkt. Es ist 
dabei zu beachten, daß die Verän¬ 
derung der Diffusion durch Säure bei 
Flavicid einen stärkeren Grad erreicht 
als bei A 4. Im letzten Falle decken 
sich die Diffusionskurven für sauer und 
neutral fast vollständig. 

Es läßt sich nun zeigen, wie dem 
nachfolgenden Versuch zu entnehmen 
ist, daß auch die Dennfektionskraft 
in der Tat durch Zusatz von Säure und Alkali modifizierbar ist, indem 
Alkalizusatz die Desinfektionswirkung deutlich steigert, Säurezusatz 
sie herabsetzt. 

V ersuch. Einfluß der Azidität auf die Desinfektionskraft von Acridiniumfarbst offen. 
Feststellung der Entwicklungshemmung eines Staphylococcus aureus in Bouillon 

a) in neutraler Reaktion; b) bei Zusatz von 5 ccm y— Säure auf 100 Bouillon 

Alkali. 



Abb. 8. Flavicid. 


c) von ö ccm 


n 

1Ö 



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Desinfektionsleistung- von Acridiniumfarbstoffen, insbesondere von Flavicid. 177 


1 


A4 



Flavicid 


Verdünnungsgrad j 

neutral 

Säure 

Alkali 

neutral 

Säure | 

Alkali 

1 : 10 000 1 

0 

0 

0 

0 

o ! 

0 

1 : 50 000 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

1 : 150 000 1 

; + 

+ 

0 

0 

0 1 

0 

1 : 300 000 i 


+ 

0 

0 

' + i 

0 

1 : 600 000 | 

' + 

+ 

1 + 

0 

+ ■ 

0 

1 : 1000000 

! + 

i + 

1 + 

+ 

+ 

0 

1 : 2 000 000 j 

; + 

1 + 

! + 

+ 

+ 1 

— 


Für Flavicid liegt also die Grenzwirkung im vorliegenden Falle im 
neutralen Medium bei 1 : 600 000. Sie wird durch Säuerung auf 
1:100000 herabgesetzt, durch Alkali auf 1 : 1000000 gesteigert. Im 
gleichen Sinne wird die Wirkung von A 4 beeinflußt. Einen ähnlichen 
Versuch enthält auch die neueste Mitteilung von Browning. 

Dieser Versuch beweist also, daß die willkürliche Änderung der Dis¬ 
persität zu einer gesetzmäßigen Änderung der Desinfektionsleistung 
führt. Damit ist ein entscheidender Beweis für die Richtigkeit der An¬ 
nahme geliefert, daß bei den Homologen der Acridiniumderivate die 
Steigerung des Desinfektionsvermögens tatsächlich eine Funktion der 
Dispersitätsänderung ist. Die gleiche Beziehung hatte Traube für die 
Erklärung der unterschiedlichen Wirkung der höheren Chininderivate 
herausgezogen. 

Nun kann aber dieser Satz nur beschränkte Geltung haben, denn 
es lassen sich unschwer genügend Beispiele von Desinfektionsmitteln 
anführen, wo die DispersitätsVerminderung — etwa durch Serum¬ 
zusatz — sich im Sinne einer Schwächung an Wirkung darstellt. Es 
muß also eine Begrenzung gefunden werden, und diese ist durch die 
Abnahme des EindringungsVermögens gegeben. Es kann als sicher 
gelten, daß das Eindringungsvermögen in die Bakterien eine Voraus¬ 
setzung der Desinfektionsleistung ist, und daß die Abnahme dieser eben¬ 
falls von der Dispersität abhängigen Eigenschaft zu einer Begrenzung 
der Steigerungsmöglichkeit führt, so daß nach Überschreitung eines 
Optimums eine weitere Abnahme zur Wirkungsverminderung führen 
muß. 

Auf Grund dieser Überlegungen habe ich eine Theorie entwickelt, 
aus der die Desinfektionswirkung homologer Reihen aus den physi¬ 
kalischen Eigenschaften der Glieder erklärt werden konnte. Es führen 
die umgekehrten Beziehungen von Eindringungsvermögen und Spei¬ 
cherung (Teilchengröße) zur Annahme eines Optimums, das die größt¬ 
mögliche Eindringung bei gleichzeitig größtmöglicher Adsorptionsfähig¬ 
keit bezeichnet. 

In bezug auf die Feststellung dieses Optimums unterscheidet sich 
meine Vorstellung von den unabhängig davon gleichzeitig entwickelten 


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178 


H. Langer: Die Grundlagen der biologischen 


Desinfektionstheorie von Traube. Auf die Ähnlichkeit der Erklärung 
vitaler Färbungen, deren Grundprinzipien naturgemäß übereinstimmen 
müssen, sei nur kurz hingewiesen (Möllendorff). 

Für die hier entwickelte Vorstellung bietet der oben geschilderte 
Versuch noch eine weitere Stütze. Nimmt man an, daß das Flavicid 
dem erreichbaren Optimum sehr nahe steht, so ist zu erwarten, daß 
eine Steigerung seines Speicherungsvermögens, also eine Abnahme der 
Dispersität, die Desinfektionswirkung nicht mehr wesentlich steigern 
wird. Dies ist auch tatsächlich der Fall. Die Steigerung durch Serum¬ 
zusatz oder durch Alkalisierung erreicht keine beträchtliche Höhe. Hin¬ 
gegen war zu erwarten, daß diese Steigerungsmöglichkeit bei A4 und 
dem ihm in den physikalischen Eigenschaften nahestehenden Trypaflavin 
wesentlich größer ist, da diese Derivate weiter vom Optimum entfernt 
sind. Diese Erwartung wird auch tatsächlich durch den Versuch erfüllt. 

Bei A4 wird die Desinfektions- 


Optirrum 




KristaUoid- 
instand 


^ Optimum y (0^ Wirkung durch Alkalisierung ganz 

I erheblich gesteigert, und durchaus 

der Theorie entsprechend sehen 
wir die umgekehrten Verhältnisse 
/ bei der Säuerung. Hier wird die 

\ Wirkung des Flavicid stark ver- 

mindert, während bei A4 die 
Minderung nur einen geringen 

KristaUoid- Kolloid- Grad erreicht. 

zustand Abb. 4. instand Das Optimum der Desinfek¬ 

tionsleistung ist nicht feststehend, 
sondern es hängt von der Struktur des Bakterienleibes ab, welche 
Verteilung von Diffusion und Speicherungsfähigkeiten im Einzelfalle 
das Optimum darstellt. Damit ist die Tatsache der Elektivität der 
Wirkung bei diesen Mitteln verständlich. Anscheinend ist die Elektivi¬ 
tät der Desinfektionswirkung eine generelle Eigenschaft der kolloiden 
Desinfektionsmittel, während sie bei krystalloiden Mitteln nicht be¬ 
obachtet wird. Die Elektivität der Wirkung ist danach eine Eigen¬ 
schaft von Desinfektionsmitteln mit physikalischen Wirkungsprinzipien, 
während sie den chemisch wirkenden Mitteln fehlt. Sie zeigt sich 
vorwiegend darin, daß grampositive Bakterien wesentlich stärker be¬ 
einflußt werden als gramnegative. Zu dieser Gruppenelektivität kommt 
in vielen Fällen und auch bei den Acridiniumfarbstoffen eine Indi- 


vidualelektivität zum Ausdruck (vgl. hierzu S. 182). 

Die Veränderung, die Farbstofflösungen durch Zusatz von Serum 
oder von Salzen erleiden, führt nun aber durchaus nicht zu stabilen 
Verhältnissen; läßt man Serumfarbstoffmischungen oder Alkali-Farb¬ 
stoffmischungen längere Zeit stehen, so kommt es schließlich zum 


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Desinfektionsleistung von Acridiniumfarbstoffen, insbesondere von Flavicid. 179 


makroskopischen Ausfallen der Farbstoffteilchen, also zu einer völligen 
Entmischung und damit natürlich auch zu einer starken Modifizierung 
der Desinfektionswirkung. In dieser Labilität der Farbstofflösungen in 
Gegenwart von Zusätzen (verschiedener Alkalescenz an Nährböden) 
liegt der Grund dafür, daß bei der Bestimmung der Grenzwerte bei 
längerer Einwirkung die Schwankungen eintreten, auf die bereits Neu¬ 
feld und die englischen Autoren hingewiesen haben, ohne sie zu erklären. 

Diese Schwankungen treten um so mehr in die Erscheinung, als ein 
großer Teil der vorliegenden Versuche auf Feststellung der Entwick¬ 
lungshemmung eingestellt ist, bei der die Nährbodenzusätze allmählich 
den Lösungszustand der Farblösung immer mehr verändern. Infolge¬ 
dessen kann dieser Endwert der Reagensglas-Desinfektionsleistung nur 
in beschränktem Umfang als Maßstab zur Messung des tatsächlichen 
Desinfektionswertes verwertet werden. 

Aber auch abgesehen davon kann die viel benutzte Messung der 
Entwicklungshemmung, so bedeutungsvoll sie auch für systematische 
Untersuchungen sein mag, überhaupt kein Kriterium für die praktische 
Wirkung eines medizinischen Desinfektionsmittels abgeben, denn es 
dürfte ja doch nur ausnahmsweise eine Applikationsform zu finden sein, 
bei der eine dauernde Einwirkung auf die Bakterien zum Zwecke der 
Entwicklungshemmung erreicht wird. Bei der inneren Desinfektion 
wird die Wirkung durch Entwicklungshemmung noch weniger geklärt, 
denn die schnelle Ausscheidung der Mittel vermindert sehr schnell die 
Konzentration (vgl. hierzu S. 180 die Bemerkung über Salarsan). 

Das, was wir bei der praktischen Desinfektionsleistung erreichen 
müssen, ist die Abtötung von Bakterien. 

Es wird ja von manchen Seiten gegenwärtig die Bedeutung des 
Reagensglasversuches sehr eingeschränkt. Es kann auch gar nicht be¬ 
stritten werden, daß entscheidende Beweiskraft nur der biologische 
Versuch (als Tierversuch oder als klinisches Experiment) besitzt. Es 
kann aber auf der anderen Seite nicht übersehen werden, daß der Rea¬ 
gensglasversuch auch heute noch die Grundlage für die systematische 
Auswahl der zu untersuchenden Stoffe ist. Und wenn man den Versuch 
machen will, den der therapeutischen Leistung zugrundeliegenden 
Wirkungsprinzipien näherzukommen, so wird zunächst der Reagens¬ 
glasversuch wegen seiner übersehbaren Verhältnisse die sachliche Er¬ 
kenntnis fördern, während der Tierversuch nur allzuleicht zu speku¬ 
lativer Auslegung verführt. 

Die Unterschiede der Entwicklungshemmung und der Abtötung, 
also der reversiblen und der irreversiblen Schädigung, sind, wenn man 
von der Beeinflussung der Abtötung durch gewisse biologische Faktoren, 
wie Absterben im ungeeigneten Nährmilieu, absieht, abhängig vom 
Lösungszustand des Desinfektionsmittels; je größer das Diffusions- 


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180 


II. Langer: Die Grundlagen der biologischen 


vermögen ist, um so leichter wird natürlich der Farbstoff wieder ab¬ 
gegeben und um so schneller wird infolgedessen die Einwirkung unter¬ 
brochen, w r enn die Bakterien in ein zusatzloses Nährmilieu gebracht 
werden; um so größer ist also die Reversibilität der Wirkung; mit der 
Zunahme des Diffusionsvermögens vergrößert sich also der Unterschied 
in den Grenzwerten für Entwicklungshemmung und Abtötung. Um¬ 
gekehrt, je stärker das Desinfektionsmittel verankert ist infolge der 
Adsorption, um sö geringer ist die Reversibilität. Wie ich bereits in 
einer früheren Arbeit durch Versuche belegt habe, ist die Irreversibilität 
der Desinfektionsleistung beim Flavicid geringer als bei anderen Acri- 
diniumderivaten, und so rückt bei ihm die Grenze der Abtötung viel 
stärker an die der Entwicklungshemmung heran. 

Es geht also hervor, daß keine festen Beziehungen zwischen dem 
Grad der Abtötung und der Entwicklungshemmung bestehen, aus denen 
Rückschlüsse auf die entsprechenden Grenzwerte der Desinfektions¬ 
leistung erlaubt wären. Und so kann eine Klassifizierung von Mitteln 
nach dem Grade der Entwicklungshemmung für die Praxis nur mit 
Einschränkung benutzt werden. 

Aber auch die Abtötungskraft bei einer Einwirkung in langen Zeit¬ 
räumen von 24 Stunden gibt den erwünschten Einblick in den prak¬ 
tischen Wert des Mittels nicht, denn bei langdauernder Einwirkung wird 
die Desinfektionswirkung durch nebenbei einhergehende natürliche Ab¬ 
sterbevorgänge beeinflußt, und außerdem gilt auch hierbei der gleiche 
Einwand der Inkongruenz zu den praktischen Verhältnissen wie bei der 
Messung der Entwicklungshemmung. Will man den tatsächlichen prak¬ 
tischen Effekt einer Desinfektionsleistung messen, so muß man die 
Intensität der Wirkung erfassen. 

Diese Intensität wird durch Versuche dargetan, bei denen die 
Messung des zeitlichen Verlaufes der Abtötung vorgenommen wird. Es 
haben schon die Versuche von Neufeld und Schiemann, Burk¬ 
hardt und Dorn, Leschke gezeigt, daß die Desinfektionswirkung der 
niederen Acridiniumderivate bei kurzfristiger Einwirkung außerordent¬ 
lich gering ist. Nach Neufeld und Schiemann ist bei Staphylo¬ 
kokken selbst nach 30 Minuten langer Einwirkung von Trypaflavin 
1 : 1000 keine merkliche Abtötung erkennbar. Nach Burckhard imd 
Dorn töten selbst Lösungen von 1 : 100 bis 1 : 1000 innerhalb der 
ersten Stunde Staphylokokken noch nicht einmal mit Sicherheit ab. 
Die Intensität der Desinfektionswirkung ist also sehr gering. Sie ist ja 
auch bei anderen bekannten chemotherapeutisch verwendeten Mitteln 
sehr gering (z. B. Salvarsan; hierin hegt wohl auch der Grund, 
warum Salvarsan trotz seiner starken Wirkung in bezug auf die Ent- 
wickhmgshemmung keine Bedeutung als bakterielles Antisepticum ge¬ 
wonnen hat). 


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Desinfektionsleistung von Acridiniumfarbstoffen, insbesondere von Flavieid. 181 


Solche Versuche zur Messung der Intensität der Wirkung, bei denen 
also der Desinfektionswert etwa bei einer Einwirkung von 10 Minuten, 
30 Minuten, 60 Minuten und 24 Stunden gegenübergestellt wird, zeigen 
nun ganz deutlich, daß in der Acridiniumreihe entsprechend der ent¬ 
wickelten Theorie mit Verminderung der Dispersion die Desinfektions - 
leistung ganz erheblich wächst. Und zwar zeigen die kurzfristigen Ab¬ 
tötungsversuche diese Steigerung in sehr sinnfälligerer Weise. 


Abtötung bei verschieden langer zeitlicher Einwirkung. 
Abtötung von Staphylokokken im Wasser. 


FarbstoffverdUnnung 

Flavieid 

Diarni do m ethylacri- 
diniumchlorid 

A4 

10' 

30' 

00' 

24h 

10' 1 80' 1 60' 

24h | 

10' 

80' 

60' 

24h 

1 : 1000 

0 

0 

0 

0 

• - (4-) • - 

0 

+ 

+ 

0 


1 : 10 000 

(0) 

0 

0 

0 

(4-) 4- 

(0) 

+ 

+ 

(+) 


1 : 100 000 

(+) 

0 

0 

0 

+ + + 

+ 

+ 

+ 

+ 


1 : 1 000 000 

+ 

l(+) 


1 

1 

+ + ; + 

4- 

+ 

+ 

+ 


1 : 10000 000 

+ 

+ 

+ 

I + 

+ + . + 

4- 

+ 

+ 

+ 



0 = steril, 

(0) = vereinzelte Kolonien, 

— beträchtliche Keim Verminderung, 

(+) = geringe Einwirkung, 

+ = keine Einwirkung. 

Die Feststellung der Abtötung erfolgte im allgemeinen durch Über¬ 
impfung auf Löfflerplatten, weil darauf Wert gelegt wurde, auch Keim¬ 
verminderungen festzustellen. Die Bouillonmethode gibt darauf keine 
Antwort, sie ist wohl empfindlicher, aber sie verdeckt alle feineren 
Unterschiede und wird damit dem Bedürfnis der Praxis nicht gerecht, 
aus diesem Grunde ist meines Erachtens das Suchen nach optimalen 
Nachkulturmethoden nur von theoretischem Interesse; der menschliche 
Organismus ist sicher kein optimaler Nährboden. 

Nach der Versuchstabelle ist beim Flavieid bereits nach 10 Minuten 
noch in einer Verdünnung von 1 : 10 000 eine sehr erhebliche Wirkung, 
in der Verdünnung von 1 : 1000 völlige Abtötung festzustellen. Nach 
1 Stunde ist die völlige Abtötung sogar noch in der Verdünnung 1 zu 
100 000 zu erzielen und eine starke Verminderung der Keime bis 
1 : 1 000 000 nachweisbar. 

Flavieid erreicht also schon nach 1 Stunde annähernd 
seine Maximalwirkung. Demgegenüber ist in guter Überein¬ 
stimmung mit den bereits zitierten Autoren bei den stärker dispersen 
Homologen der Reihe noch nach 1 Stunde keine nennenswerte Wir¬ 
kung zu verzeichnen. Auch die folgende Versuchstabelle zeigt die be¬ 
sondere Stellung des Flavieids. 


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182 H. Langer: Die Grundlagen der biologischen 


Versuch. Abtötung von Staphylococcoe aureus in Wasser nach 10 und nach 
60 Minuten. Aussaat auf Blutserumplatten. 



Nach 

10 Min. 






Nach 60 Min. 


600000 ! 

125 UN) 

| 25000 

| 5000 

1000 


1:1000 

|l:5000j 

11:26000j 1:12>000| 1: «00000 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

Salvarsan 

+ 

+ 

1 + 1 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 


Optochin 

(0) 

+ 

+ 

i + 

+ 

+ 

+ 

+ 

0 

0 

Vuzin 

0 

0 


+ 

+ 

+ 1 

-b 

+ 

+ 

4- 

A4 

/ 

+ 

+ 

+ 

+ 

-L 

+ 

+ 

~r 

(+) 

Trypaflav. 

(0) 

+ 

+ 

+ 

+ 

-t- : 

+ 

+ 

0 

0 

Flavicid 

0 

0 

0 

0 

+ 


Die Tabelle zeigt, daß auch innerhalb der Chininreihe die Intensität 
der Wirkung mit wachsender Teilchengröße zunimmt, sie ist bei dem 
weniger disperen Vuzin größer als beim Optochin. Damit wird die 
überlegene Wirkung des Vuzin zur Gewebsdesinfektion verständlich. 

Ähnliches ergaben Versuche mit anderen Bakterien, unter denen be¬ 
sonders die starke Wirkung auf Diphtheriebacillen bemerkenswert ist 
und zu der auch klinisch bereits bewährten Anwendung zur Bekämpfung 
der Diphtheriebacillenträger Anlaß gegeben hat. Hervorgehoben sei 
nur noch die Wirkung auf Bact. coli. Im allgemeinen werden ja die 
gramnegativen Bakterien mit Ausnahme von Gonokokken und Meningo¬ 
kokken weniger beeinflußt. Immerhin tötet Flavicid Bact. coli in 
10 Minuten noch in einer Verdünnung von 1 : 10 000; in 30 Minuten 
sogar noch bei 1 : 100 000 und erreicht damit den Grenzwert seiner 
Wirkung, der dann auch nach 24 Stunden sich nicht ändert. 

Wesentlich schwächer erscheint aber die Wirkung auf Dysenteriebazillen. 
Hier zeigen die Derivate keinen Unterschied, die Grenzwirkung liegt für Pseudo¬ 
dysenteriebacillen durchschnittlich bei 1 : 1000, für echte Dysenteriebacillen bei 
einer etw 7 as stärkeren Verdünnung (bis 1 : 10 000). Es findet hier die Elektivitat 
der Wirkung ihren Ausdruck, die von den Beeinflussungen abhängig ist, der die 
Farbstoffe im Bakterienleib ausgesetzt sind. (Auch bei sporenbildenden Bakterien 
ist die Wirkung viel geringer.) 

Es ist bereits im Eingang der Arbeit hervorgehoben worden, daß 
eine Besonderheit der Acridiniumwirkung in einer gewissen Abhängig¬ 
keit der Desinfektionsleistung von der Bakterienmenge besteht. Die 
meisten vorliegenden Versuche tragen dem durch sehr geringe Bakterien¬ 
einsaaten Rechnung. Es ist nun aber für die praktische Desinfektions¬ 
leistung von Bedeutung, die Grenzen zu kennen, innerhalb derer die 
festgestellten Leistungen Geltung haben. 

Deswegen sei hier ein Abtötungsversuch mit Staphylokokken an¬ 
geführt, bei dem zu je 10 ccm der Farbstoffverdünnung 1 : 10 000 
steigende Mengen von Bakterien zugesetzt und die Desinfektionswirkung 
nach 10—30—60 Minuten festgestellt. 

Die Desinfektionsleistung ist nach diesem Versuch beim Flavicid 
innerhalb recht weiter Grenzen von der Bakterienmenge unabhängig. 



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Desinfektionsleistung von Acridiniumfarbstoffen, insbesondere von Flavicid. 183 


Zugesetzte 

Bakterienmenge 

Flavicid 

10' 80' ! 60' 

10 000 000 000 

+ 

1 + 

+ 

100 000 000 

vz 

0 | 

0 

1000 000 

0 1 

0 

0 

10 000 ( 

0 

0 

0 


Bei 10 000 — 100 000 000 Bakterien entscheidet über die Wirkung nur 
die Konzentration des Farbstoffes, erst bei außerordentlich starker 
Konzentration von 10 Milliarden (das sind bereits sehr trübe Emul¬ 
sionen) wird die Wirkung durch die Bakterienmenge beeinträchtigt. 

Die Prüfung im Reagensglase zeigt demnach, daß Flavicid eine 
Desinfektionsleistung aufweist, welche die Wirkung aller bisher in der 
Chemotherapie eingeführten Mittel übertrifft. 

Zu erweisen war nun mehr die Kongruenz der Wirkung im Tier¬ 
versuch zu der im Reagensglase. Zur Prüfung der in erster Linie 
interessierenden Wirkung auf Staphylokokkeninfektionen benutzte ich 
das Meerschweinchen. 

Spritzt man Meerschweinchen lebenden virulente Staphylokokken 
intracutan, so bildet sich in der Regel innerhalb 48 Stunden eine 
lokalisierte Schwellung, die sehr bald Fluktuation zeigt. Es hängt 
nun von der Virulenz der Staphylokokken ab, ob sich aus dieser 
Schwellung ein lokalisiertes Geschwür entwickelt, oder ob es zu einer 
phlegmonös fortschreitenden, ausgedehnten Einschmelzung großer Ge- 
webspartien kommt. Der Vorteil dieser Versuchsanordnung liegt darin, 
daß die gewählte Infektionsart der menschlichen Infektion ähnelt. 
Umspritzt man nun solche Infektionsherde bald nach der Anlegung 
mit Flavicid, so kann man die Entwicklung der Eiterung unterdrücken. 
Diese Wirkung ist noch bei Verdünnungen von 1:100 000 zu erreichen. 
Mit der gleichen Verdünnung kann man aber auch die bereits aus¬ 
gebildete Eiterung zur Rückbildung bringen, wenn man die Behand¬ 
lung erst beginnt, sobald eine nachweisbare Fluktuation das Bestehen 
einer Eiterung anzeigt. Das hier geschilderte Verfahren besitzt den 
Vorzug vor den Versuchsanordnungen an der Maus (Morgenroth), 
daß Vergleichsversuche am gleichen Tiere möglich sind und vor Ver¬ 
schleierungen durch individuelle Schwankungen sichern. 

So zeigt also der Tierversuch die Kongruenz zur Reagensglas¬ 
wirkung und kennzeichnet das Flavicid als einen höchst wirksamen bio¬ 
logischen Desinfektionsstoff aus der Gruppe der Acridiniumfarbstoffe. 

Die toxische Wirkung. 

Die Grundlage für die therapeutische Anwendung ist die Bestim¬ 
mung der Toxizität. Diese Grundlagen fehlen für die Acridiniumfarb¬ 
stoffe bisher völlig. Es muß überhaupt einigermaßen überraschen, mit 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 13 


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184 


H. Langer: Die Grundlagen der biologischen 


welcher Leichtigkeit gegenwärtig manche Mittel gerade auf dem Gebiet 
der Chemotherapie der Praxis ohne ausreichende toxikologische Be¬ 
gründung zugeführt werden. Sieht man von den älteren Feststellungen 
ab, die erhoben wurden, als Ehrlich experimentelle Untersuchungen 
mit Acridiniumfarbstoffen angestellt hat, so beschränken sie sich, ob¬ 
gleich bereits auch hier die verschiedensten Anwendungsformen in ver¬ 
hältnismäßig hohen Konzentrationen vorgeschlagen worden sind, darauf, 
daß erst in neuester Zeit von Lenz eine größere Untersuchung geliefert 
worden ist, wobei der Versuch gemacht wurde, eine pharmakologische 
Analyse der Acridiniumwirkung zu geben. Auch in der Arbeit von 
Lenz sind die eigentlichen Toxizitätsbestimmungen nicht ausführlich 
gehalten. Sie stützen sich auf einzelne Versuche, die nicht einmal zur 
Umgrenzung der hervorgehobenen Werte ausreichen. 

Die Versuche von Lenz zeigen zunächst, daß die Acridiniumfarb- 
stoffe zu den lähmenden Protoplasmagiften gehören. Im Vergiftungs¬ 
bilde entscheidet die Lähmung der Atemfunktion über den Ausgang, 
während die Kreislaufschädigungen erst bei größeren Dosen wirksam 
werden. Lenz hat dann weiter die toxische Wirkung (tödliche Dosis) 
bei verschiedenen Tierarten geprüft, sich aber darauf beschränkt, durch 
Stichproben Giftigkeitsdosen zu bestimmen. In den Ergebnissen werden 
danach Zahlen abgeleitet, die fälschlich als allgemeingültige Grenzwert¬ 
bestimmungen aufgefaßt werden könnten, tatsächlich aber in vielen 
Fällen weit über der Grenzdosis liegen. 

Er gibt z. B. auf Grund eines Versuches an einer Maus, die durch 
25 cg Trypaflavin getötet wurde, an, daß die tödliche Dosis bei 25 cg 
liegt, während tatsächlich der Wert erheblich niedriger liegt. Aus 
3 Meerschweinchenversuchen mit jedesmal 26 cg wird einfach die Dosis 
letalis von 20 —25 cg abgeleitet. 

Die einzige ausführliche und einigermaßen brauchbare Reihe betrifft 
die Wirkung intravenöser Injektionen bei Kaninchen. Er berichtet 
über 6 Versuche: Injektionen von 7,6—6,4—5,2—4,6—4,1 cg Trypa¬ 
flavin pro Kilogramm Körpergewicht wirken meist akut tödlich, 
3,18 wirken nicht akut tödlich (über den späteren Verlauf wird 
nichts mitgeteilt), 2 cg weder akut noch im weiteren Verlauf 
tödlich. 

Es ergibt sich aus diesen Versuchen, daß also jedenfalls 4 cg Dia- 
minomethylacridiniumchlorid Kaninchen bei intravenöser Injektion 
sicher tötete, während die Dosis tolerata bei 3 cg liegt. Ich kann nach 
meinen Versuchen diesen Grenzwert bestätigen, so daß also Diamino- 
methylacridiniumchlorid 4 cg als Dosis letalis für Kaninchen bei intra¬ 
venöser Anwendung bezeichnet werden kann. 3 cg führen zu keiner 
akuten Wirkung, wohl aber zu einem Gewichtsverlust von 130 g in 
8 Tagen (2400 -2270 g). 


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Desinfektionsleistung von Acridiniumfarbstoffen, insbesondere von Flavicid. 185 

Die Grundwirkung der Acridiniumfarbstoffe im Gewebe ist eine Irri¬ 
tation der Gewebe. Stärkere Konzentrationen sämtlicher Derivate 
wirken bei subcutaner Injektion schmerzhaft und reizend. Diese Reiz- 
Wirkung kann so vorherrschen, daß sie die günstige therapeutische Wir¬ 
kung paralysiert. So sind wohl die Versuche von Baumgarten zu 
deuten, in welchen Diaminomethylacridiniumchlorid in geringen Kon¬ 
zentrationen eine bessere Heilwirkung auf cholerainfizierte Versuchs¬ 
tiere darbot als in stärkeren Konzentrationen. Das gleiche habe ich bei 
Pneumokokkenversuchen mit Flavicid gesehen. 

Wichtiger für die prinzipielle Bewertung der Toxizität ist die Prüfung 
bei Einverleibung in die Blutbahn. 


Bestimmung der Toxizität des Flavicid für Kaninchen bei 
intravenöser Injektion. 


Kaninchen Nr. 

Gewicht 

Dosis pro kg 

Reaktion 

387 

1240 

1,00 cg 

lebt 

387 

1240 

1.61 

lebt 

385 

1550 

1,5 „ 

lebt 

140 

1650 

2 „ 

lebt 

385 (s. o.) 

! 1550 

2,5 „ 

lebt 

272 

1 

i 

1040 

i 

3 

zunächst gesund (nach 14 Tagen mit 
and. Tieren zus. an Enteritis tot) 

234 

1750 

3 

nach einigen Minuten tot. 

384 

1780 

4 

sofort tot. 


Die Dosis tolerata beträgt demnach beim Flavicid 2,5 cg pro Kilo¬ 
gramm Körpergewicht beim Kaninchen bei intravenöser Injektion. Sie 
unterscheidet sich also nicht wesentlich von der der niederen Homologen. 

Die Gegenüberstellung dieser Dosis tolerata des Flavicid von 2,5 cg 
(pro Kilogramm Körpergewicht) mit dem Abtötungseffekt (Flavicid 
tötet in 1 Stunde Staphylokokken noch in Verdünnungen bis zu 
1 :100 000 bis 1 :1 000 000 ab) zeigt, daß das Flavicid eine große 
Wirkungsbreite für die therapeutische Anwendung be¬ 
sitzt, die jedenfalls größer erscheint als die der be¬ 
kanntesten chemotherapeutisch verwendeten Mittel. 
Nimmt man die mittlere Blutmenge eines Erwachsenen mit 5 1 an, so 
würde eine Konzentration im Blut von 1:100 000 die absolute Menge 
von 0,05 g Flavicid erfordern, also eine Injektionsmenge von 0,7 mg (pro 
Kilogramm Körpergewicht). Eine mittlere Gebrauchsdosis von 1—2,5m g 
(pro Kilogramm Körpergewicht) ist also ebensoweit von der schädigenden 
Dosis wie von der Wirkungsgrenze entfernt. Diese Injektionsdosis hat 
bereite bei der Anwendung bei Säuglingen und Erwachsenen ihre Un¬ 
schädlichkeit erwiesen. Flavicid ist also ein außerordentlich starkes 
Desinfektionsmittel, das für die therapeutische Anwendung als geeig- 

13* 


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186 


H. Langer: Die Grundlagen der biologischen 


netster Repräsentant der Acridiniumreihe erscheint. Wenn die Wirkung 
intravenös beigebrachter Desinfektionsmittel überhaupt als Desinfek¬ 
tionsleistung zu deuten ist, so muß das Flavicid eine solche Wirkung 
am ehesten offenbaren. 

Vorläufig ist ja die Frage der innerlichen Desinfektion von Farb¬ 
stoffen noch als sehr ungeklärt zu betrachten; obgleich die experimentelle 
Bearbeitung noch in den Anfängen steckt, werden in der Klinik schon 
eine ganze Reihe von Farbstoffen — allerdings vielfach in der Kombination 
mit Metallen zu diesem Zwecke und scheinbar auch mit einzelnen Er¬ 
folgen angewendet 1 ). Man muß aber zugeben, daß wir im Experiment 
vorläufig noch über keine Methode verfügen, der eine entscheidende 
Bedeutung für die Bewertung eines Mittels als innerliches Desinfektions¬ 
mittel bei menschlichen Infektionen beigemessen werden kann. Ich habe 
bei Mäuse versuchen mit Hühnercholerabacillen Schutz Wirkungen ge¬ 
sehen; auch Neufeld hat über vereinzelte Schutzwirkungen bei Be¬ 
nutzung von Diaminomethylacridiniumchlorid berichtet, doch haben 
solche Versuche zunächst nur theoretische Bedeutung, und auch die 
bekannten sehr bemerkenswerten Pneumokokken versuche treffen nur 
Einzelfälle, bei denen Parallelen, etwa zum Bilde einer klinischen 
Sepsis, kaum gegeben sind. Wir müssen also auf diesem Gebiete 
vorläufig der Klinik das Wort lassen und uns begnügen, ihr Mittel 
an die Hand zu geben, die einen hohen Desinfektionswert bei 
niedriger Giftigkeit besitzen. Wenn aber als therapeutischer Faktor 
die Desinfektionswirkung in Betracht kommt, dann erscheinen ein¬ 
malige Injektionen in großen Abständen keinesfalls als die ge¬ 
eignetste Anwendungsform. Bekanntlich scheidet der Körper die 
Farbstoffe außerordentlich schnell aus, und deswegen muß der Ver¬ 
such unternommen werden, statt einzelner Injektionen in großen Ab¬ 
ständen häufig wiederholte Injektionen vorzunehmen, durch die ein 
gewisser Desinfektionsmittelspiegel im Blute erreicht wird. Solche Ver¬ 
suche werden bereits auf meine Anregung gegenwärtig durchgeführt. 
Sie konnten aber erst dann empfohlen werden, nachdem die Toxizitäts¬ 
bestimmung neben der Feststellung der Wirkung einmaliger Injektionen 
auch in bezug auf die Wirkung wiederholter Injektionen 
durchgeführt waren. 

Die Frage irgendwelcher möglichen chronischen Schädigungen bei 
länger dauernder Einwirkung solcher differenter Mittel muß unbedingt 
in den Vordergrund geschoben werden. Es besteht die Pflicht, eine 
Grundlage dafür zu schaffen, ob und wie die Organe unter der Ein¬ 
wirkung solcher Gifte geschädigt werden können. Solche Grundlagen 
bestehen nun, obgleich man doch schon recht reichlich Acridiniumfarb- 

D über experimentelle Grundlagen für eine Erklärung derartiger Kombi¬ 
nationswirkungen berichte ich an anderer Stelle in dies3r Zeitschrift. 


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Desinfektionsleistung von Acridiniumfarbstoffen, insbesondere von Flavicid. 187 

Stoffe innerlich an gewendet hat, überhaupt noch nicht. Und so stoßen 
Elinwände, wie sie von Jess mehrfach erhoben worden sind, nach der 
Richtung, daß Augenschädigungen durch Acridiniumderivate herbei- 
geführt werden können, auf keine tatsächlichen Vorgänge, durch die 
eine Stellungnahme ermöglicht wäre. Ich habe deswegen eine ganze 
Reihe von Versuchen unternommen, um die Toxizitätswirkung bei 
wiederholter Anwendung festzustellen. Kaninchen erhielten dabei täg¬ 
lich intravenöse Injektionen in einer Konzentration, die der thera¬ 
peutischen Dosis des Flavicids etwa entspricht. Diese Injektionen konn¬ 
ten lange Zeit durchgeführt werden und nur die Überzeugung, daß eine 
Folge von 30 Injektionen genügende Beweiskraft hat, führte zur Unter¬ 
brechung der Versuche. 


Kaninchen 140. Gewicht 1650 g, erhielt täglich (soweit durchführbar) 3 mg Fla¬ 
vicid (3 ccm einer Lösung 1 : 1000) intravenös. Leukocytenzählungen. 


Datum 

Injektionen 
(12 h ) 

Leukocyten 
(4 h) 

Datum 

Injektionen 
(12 h) 

Leukocyten 

(4h) 

20. VI. 

3 mg 

9 900 

10. VII. 

— mg 

— 

21. VI. 

3 „ 

10 000 

11. VII. 

3 „ 

17 000 

22. VI. 

3 „ 

13 200 

12. VII. 

3 „ 

16 200 

23. VI. 

3 „ (Gew. 
1760g) 

14 900 

13. VII. 

3 „ (Gew. 

1590g) 

— 

24. VI. 

3 „ 

14 900 

14. VII. 

3 „ 

16 700 

25. VI. 

3 „ 

14 900 

15. VII. 

3 „ 

14 300 

26. VI. 

j» 

— 

16. VII. 

3 „ 

15 000 

27. VI. 

3 „ 

12 500 

17. VII. 

»» 

— 

28. VI. 

3 „ 

16 300 

18. VII. 

3 „ 

14 700 

29. VI. 

3 „ 

20 000 

19. VII. 

3 „ 

— 

30. VI. 

3 „ 

24 000 

20. VII. 

— 

14 900 

1. VII. 

2. VII. 

3 „ 

3 „ 

21000 

21. VII. 

— „ (Gew. 
1550 g) 

10 200 

3. VII. 

3 „ 

— 

22. VII. 

— 

6 600 

4. VII. 

3 ,, 

25 200 

23. VII. 

— 

9 700 

5. VII. 

3 „ 

19 800 

24. VII. 


6 500 

6. VII. 

3 „ 

16 400 

25. VII. 

— 

6 400 

7. VII. , 

3 „ 

19 000 

26. VIT. 

— 

8600 

8. VII. 

9. VII. 

3 „ 

3 „ 

18 900 

17 500 

27. VII. 1 

| 

9 200 


Das Tier befand sich am 27. VII. in einem leidlichen Ernährungs¬ 
zustand. Durch die häufig wiederholten Injektionen waren die Ohr¬ 
venen völlig zerstört, so daß der Versuch abgebrochen werden mußte. 
Während des Versuches hat das Tier 200 g an Körpergewicht eingebüßt. 
Die Reizfähigkeit seines Leukocytenapparates hatte bis zuletzt ihre 
Empfindlichkeit behalten. Nach dem Aussetzen der Injektionen sank 
die Leukocytenzahl sofort auf normale Werte herab. Das Tier wurde 
am 27. getötet und die Organe histologisch untersucht. Dabei ergab 


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188 


II. Langer: Die Grundlagen der biologischen 


sich nun, daß bei diesem Tier, das also in einem Zeitraum von 6 Wochen 
in täglichen Injektionen 87 mg Flavicid erhalten hatte, jede patho¬ 
logische Veränderung der Organe vermißt wurde. Es kann danach 
behauptet werden, daß Flavicid innerhalb der therapeutischen Dosen, 
auch bei lang fortgesetzter Anwendung zu keinen Schädigungen führt. 
Der Versuch ist an 2 weiteren Versuchstieren mit dem gleichen Ergebnis 
wiederholt worden. 

Lenz hat in seiner Arbeit den Gedanken ausgesprochen, daß die 
Reizwirkung auf Leukocyten eine Beziehung zur Desinfektionstärke 
haben könne; er fand diese Annahme aber nicht bestätigt. Darauf 
hingerichtete Untersuchungen haben auch mir gezeigt, daß die ver¬ 
schiedenen Derivate, unabhängig von der Desinfektionsleistung, keine 
Unterschiede in bezug auf die Anregung der Leukocytose auf weisen. 
Es gelingt auch nicht bei einem und demselben Mittel durch Ver¬ 
größerung der Dosis etwa, diese Wirkung zu verstärken. Vielmehr sieht 
man häufig, daß ganz geringe Dosen die gleiche Wirkung haben, wie 
1000fach stärkere. Es ist aber wohl denkbar, daß die Anregung der 
Leukocytose einen die therapeutische Wirkung unterstützenden Faktor 
darstellt. Wiederholt man die Injektionen täglich, wie es bei meinen 
Kaninchenversuchen geschah, so erfährt die Leukocytenzahl eine 
etwa auf der gleichen Höhe bleibende Erhöhung, die aussetzt, sobald 
die Injektionen unterbleiben, und sofort wieder eintritt, sobald neue 
Injektionen erfolgen, so daß also geschlossen werden kann, daß auch 
die Bildungsstelle der Leukocyten durch die chronische Anwendung des 
Flavicids keineswegs geschädigt wird. 

Zusammenfassung. 

Die Glieder der Acridiniumfarbstoffreihe zeigen Unterschiede der 
bactericiden Wirkung, die mit der Dispersität ihrer Lösungen in Be¬ 
ziehung stehen: 

Dispersitätsverminderung führt zur Wirkungssteigerung, Dispersi¬ 
tätserhöhung führt zur Verminderung der Wirkung. 

Auch die Erhöhung der Desinfektionswirkung durch Serumzusatz 
ist auf DispersitätsVerminderung zurückzuführen. 

Ebenso wie Serum wirkt Alkalizusatz durch Dispersitätsvermin¬ 
derung wirkungsverstärkend, Säurezusatz im entgegengesetzten Sinne 
wir kungs vermindernd. 

Die Wirkungssteigerung durch Dispersitätsverminderung ist auf eine 
Verstärkung der Speicherung zu beziehen. 

Die Möglichkeiten einer Wirkungsverstärkung durch Dispersitäts¬ 
verminderung wird begrenzt durch die abnehmende Diffusionsfähigkeit, 
da ein gewisses Maß von Diffusionsfähigkeit Voraussetzung der Wir¬ 
kung ist. 


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Desinfektionsleistung von Acridiniurafarbstoffen, insbesondere von Flavicid. 189 

Größtmögliche Dispersitätsverminderung bei größtmöglicher Dif¬ 
fusionsfähigkeit bezeichnen theoretisch das Optimum der Wirkung eines 
Desinfektionsmittels innerhalb homologer Reihen. 

Die Entwicklungshemmung (als reversible Schädigung) steht nicht 
in einer festen Beziehung zur Abtötungskraft. Je stärker die Diffusion 
(je größer also die Dispersität), um so größer ist die Reversibilität, um 
so weiter liegen Entwicklungshemmung und Abtötung auseinander 
(niedere Homologe einer Reihe). Mit Verringerung der Diffusion rücken 
die Werte zusammen, die Reversibilität der Desinfektionswirkung nimmt 
ab (höhere Homologe einer Reihe), diese sind daher die stärkeren Ab¬ 
tötungsmittel. 

Am deutlichsten kommen diese Unterschiede innerhalb der Acri- 
diniumreihe bei der Prüfung der kurzfristigen Abtötungsleistung zum 
Ausdruck. Im Optimum der Wirkung steht danach das 2-7-Dimethyl- 
3-Dimethvlamino-6-Amino- 10-Methylacridiniumchlorid (Flavicid). Fla¬ 
vicid tötet schon nach kurzer Einwirkung in erheblichen Verdünnungen 
Bakterien ab (z. B. werden Staphylokokken innerhalb der ersten 
Stunde noch in Verdünnungen von 1 :100 000 bis zu 1:1000000 ab¬ 
getötet). 

Die Desinfektionswirkung ist insofern elektiv, als ebenso wie bei 
den meisten Farbstoffen auch beim Flavicid die Wirkung auf gram¬ 
negative Bakterien geringer ist als auf grampositive, sie läßt ferner bei 
gewissen Sporenbildnern erheblich nach, während ihre Stärke vor allem 
bei der Gruppe der Eitererreger und der Diphtheriebacillen hervor¬ 
tritt; sie übertrifft hierbei die der bisher bekannten chemotherapeu¬ 
tisch verwendeten Desinfektionsmittel, von denen nur Vucin ihm 
näher kommt. 

Die im Reagensglas nachweisbare überlegene Desinfektionswirkung 
des Flavicids wird durch den Tierversuch bestätigt. Noch in einer 
Verdünnung von I : 100 000 werden die durch intracutane Injektion 
lebender Staphylokokken erzeugten lokalisierten Eiterungen unter¬ 
drückt, bzw. die bereits bestehende Eiterung zur Ausheilung ge¬ 
bracht. 

Die Acridiniumfarbstoffe führen bei subcutaner Injektion zu Reiz¬ 
erscheinungen: Diese fallen bei der intravenösen Injektion fort. Die 
Dosis letalis des Flavicids beträgt beim Kaninchen bei intravenöser 
Injektion 3 cg pro Kilogramm Körpergewicht. Als therapeutisch ver¬ 
wendbare Dosis kann die Menge von 1—3 ( — 5) mg pro Kilogramm 
Körpergewicht angesetzt werden. Innerhalb dieser Grenze führt selbst 
die chronische Anwendung zu keinen Schädigungen der parenchymatösen 
Organe. Histologische Untersuchungen von Kaninchenorganen solcher 
Tiere, die wochenlang täglich 3 mg Flavicid intravenös erhalten hatten, 
ergab keine pathologischen Befunde. Damit ist die Anwendung in der 


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190 II- Langer: Biologische Desinfektionsleistung von Acridiniumfarbstoffen usw. 

menschlichen Therapie gerechtfertigt. Aus der Gegenüberstellung der 
Desinfektionsleistung und der Schädigungsgrenze ergibt sich für Flavicid 
eine erhebliche therapeutische Wirkungskraft. 


Literaturverzeichnis. 

Browning und Gutbranson, Brit. journ. of exp. pathol. 3 . Nr. 2. 
1921. — Bruchhard und Dorn, Bruns* Beitr. z. klin. Chirurgie 119 , 
Heft 3, S. 617. 1920. — Feiler, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 39 , Heft 1, 
S. 95, 1920. — Langer, Dtsch. med. Wochenschr. 192. —Langer, Kongr. 
f. inn. Medizin. 1920. — Langer, Zentralbl. f. Bakteriol. im Druck. — Langer, 
Zeitschr. f. exper. Medizin. — Lenz, Zeitschr. f. exper. Medizin 13 , Heft 3/4. 
— Möllendorff, Ergebn. d. Physiol. 18 . 1920. — Neufeld und Schie¬ 
mann, Dtsch. med. Wochenschr. 1920, S. 1013. Nr. 37. 


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§ 

(Aus der medizinischen Abteilung der Allgemeinen Poliklinik in Wien [Direktor: 

Professor Dr. J. Mannaberg].) 

Über Austauschvorgänge zwischen Blut und Geweben 1 ). 

II. Mitteilung. 

Der Einfluß von Adrenalin, Hypophysen- und anderen Blutdrüsen¬ 
extrakten und Gefäßmitteln. 

Von 

Priv.-Doz. Dr. Julius Bauer und Dr. Berta Aschner. 

(Eingegangen am 5 . Januar 1922.) 

1. Das Adrenalin. 

Seitdem von O. Hess und kurze Zeit später von W. Erb jun. im 
H. H. Meyer sehen Institut gefunden worden war, daß intravenös 
injiziertes Adrenalin im Tierversuch zu einer Eindickung des Blutes 
führt, ist eine nicht geringe Zahl von Untersuchungen über diesen 
Gegenstand publiziert worden, ohne daß bis heute ein klares Ergebnis 
und vor allem ein klares Bild der hierbei ursächlich beteiligten Vor¬ 
gänge vorliegen würde. 

Hess untersuchte vor allem die Blutkörperchenzahl, Erb den 
Trockenrückstand des Gesamtblutes, ersterer fand die Konzentrations¬ 
zunahme des Blutes nach Adrenalininjektion nur im venösen, letzterer 
auch im arteriellen Blut und beide sind darin einig, daß es die be¬ 
trächtliche Blutdrucksteigerung sein müsse, welche Blutflüssigkeit in 
vermehrter Menge in die Gewebe abfiltriert und so zur Eindickung 
des Blutes führt. Sinkt der Blutdruck wieder ab, so kehrt sich die 
Stromrichtung um, Gewebsflüssigkeit filtriert durch die Capillarwand 
in die Blutbahn, das Blut wird dünner. Die in den Versuchen zum 
Vorschein gekommene Diskrepanz zwischen den Schwankungen des 
Blutdrucks und jenen der Blutkonzentration erklärt Erb durch die 
Annahme einer unmittelbaren Beeinflussung, und zwar Herabsetzung 
der Permeabilität der Capillarendothelien. Daher bleibt oft die Kon¬ 
zentrationszunahme des Blutes noch bestehen, wenn die Blutdruck¬ 
steigerung schon einer Senkung gewichen ist. Die Annahme der Herab¬ 
setzung der Permeabilität der Capillarendothelien stützte sich auf 
die Versuche von A. Exner sowie Meitzer und Auer, welche eine 

*) 1. Mitteilung im Deutsch. Arch. f. klin. Mediz. 138, 270. 1922. 


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192 


J. Bauer und B. Aschner: 


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verlangsamte Resorption von in den Peritonealraum eingeführten Sub¬ 
stanzen unter dem Einfluß von Adrenalin beobachtet hatten. Von 
diesen Versuchen soll übrigens später noch die Rede sein. 

Die tatsächlichen Befunde Hess’ und Erbs wurden später von 
Asher und seinem Schüler Böhm vollkommen bestätigt, die Richtig¬ 
keit ihrer Deutung aber bestritten. Asher konnte nämlich zeigen, 
daß mechanisch gesteigerter Capillardruck keine Filtration verursacht, 
die Gefäßdilatatoren die Durchlässigkeit der Gefäße nicht beeinflussen, 
dagegen aber die spezifische Tätigkeit der durch die betreffenden 
Capillaren versorgten Organe eine leicht nachweisbare Konzentrations¬ 
änderung des Gesamtbluts wie des Serums herbeiführt. So reicht z. B. 
eine sehr kurz dauernde Tätigkeit der Speicheldrüsen von nur einer 
Minute hin, um das durch die Speicheldrüsen strömende Blut ebenso 
stark einzudicken, wie es Hess und Erb nach Adrenalininjektionen 
mit hohen Drucksteigerungen gefunden hatten. Arterielle Druck¬ 
steigerung durch Kompression der Bauchaorta (Asher), durch Reizung 
des N. splanchnicus oder durch Asphyxie (Böhm) führt zu keiner 
Zunahme der Blutkonzentration, aber auch das Adrenalin führt trotz 
hoher Blutdrucksteigerung nicht in allen Fällen zu einer Bluteindickung. 
Es kann folglich die so naheliegende Annahme eines Zusammenhanges 
der Bluteindickung mit der Blutdrucksteigerung nicht zutreffend sein. 

Aber auch die Annahme der Permeabilitätsverminderung der 
Capillarendothelien durch Adrenalin erfuhr eine gewisse Erschütterung 
durch die Feststellung Böhms, daß bei Katzen auch unter Adrenalin¬ 
wirkung nach einer Blutentziehung sehr rasch eine Blutverdünnung 
durch Einströmen von Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn eintritt. 
Jedenfalls ist also die Herabsetzung der Capillardurchlässigkeit durch 
Adrenalin, wofern sie überhaupt zu Recht besteht, nicht so weitgehend, 
um im Sinne von Erb die Verzögerung des Flüssigkeitsaustausches 
zwischen Blut und Gewebe zu erklären. 

Trotz der Feststellungen von Asher und Böhm wurde aber auch 
von späteren Untersuchem an der Bedeutung der arteriellen Druck¬ 
steigerung für die Bluteindickung durch Adrenalin festgehalten. So 
fanden Bertelli, Falta und Schweeger sowie Imchanitzky im 
Tierversuch Zunahme der Erythrocytenzahl und Steigerung des spezi¬ 
fischen Gewichtes des Blutes nach Adrenalininjektion und erklärten 
dies durch einen Übertritt von Plasma aus dem Blute in die Gewebe. 
Donath, der nach d-Suprarenininjektion bei einem Teil seiner Ver¬ 
suchstiere (Katzen) eine Zunahme des Trockenrückstandes im Blute 
konstatierte, rekurriert gleichfalls auf die Blutdrucksteigerung. Das¬ 
selbe tun Schenk und Billigheimer, die die Bluteindickung nach 
Adrenalin beim Menschen nach weisen konnten und Vasokonstriktion 
für sie, Vasodilatation für die Blutverdünnung verantwortlich machen. 



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Über Austausch Vorgänge zwischen Blut und Geweben. 


193 


Auf demselben Standpunkt steht de Crinis und ohne eigene Beweise 
neuestens Full. Man kann wohl auch nicht ein von Meyer und Gott¬ 
lieb angeführtes Moment zur Erklärung des Widerspruchs heran¬ 
ziehen. Diese betonen nämlich, daß ein Austritt von Plasma durch die 
Capillarwände unter dem Einfluß einer erhöhten arteriellen Gefä߬ 
spannung nur dann zu erwarten sei, wenn auch die periphersten 
Capillaren oder wenigstens ein Teil derselben an der Erhöhung der 
Spannung beteiligt ist, wie z. B. nach venöser Adrenalininjektion, 
nicht aber, wenn die Drucksteigerung bloß die kleinen und kleinsten 
Arterien, wie z. B. bei der Erstickung, vielleicht auch bei der Strychnin¬ 
wirkung betrifft, da die stromabwärts liegenden Capillaren dann 
wenig Blut und unter geringerem Druck zugeführt bekommen und 
daher kein Plasma abpressen. Diese an und für sich gewiß berechtigte 
Vorstellung kann keinesfalls erklären, warum auch bei Splanchnicus- 
reizung, wo doch in erster Linie der Capillardruck ansteigt, keine 
Bluteindickung zu beobachten ist (Böhm). Daß Blutkonzentration 
und Capillardruck durchaus nicht in dem vielfach angenommenen 
Kausalzusammenhang stehen, geht auch daraus hervor, daß große 
Dosen Histamin zu einer Dilatation des Capillargebietes und zugleich 
zu einem Übertritt von Blutflüssigkeit ins Gewebe, also zu einer Ein¬ 
dickung des Blutes führen (Dale, vgl. auch Hill). 

Die Permeabilitätsabnahme der Capillarendothelien nach Adrenalin 
wird auch von Bertelli, Falta und Schweeger, von Gradinescu, 
Donath und Billigheimer zur Erklärung herangezogen. Anhalts¬ 
punkte für diese Annahme ergeben sich zunächst aus den oben bereits 
erwähnten Versuchen von Exner und Meitzer - Auer. Die verlang¬ 
samte Resorption aus dem Peritonealraum, aber auch aus dem Gastro¬ 
intestinaltrakt unter Adrenalin Wirkung wurde später auch von Jona 
und von Clark, aus einem Pleuraerguß von Cobet und Ganter, aus 
dem Unterhautzellgewebe von Biedl bestätigt. Die verlangsamte 
Resorption unter Adrenalinwirkung erklärt sich wohl aus der kon- 
striktorischen Wirkung des Adrenalins auf die kleinsten Gefäße ein¬ 
schließlich der Lymphgefäße (vgl. Biedl), welche dadurch weniger 
leicht passierbar, also weniger permeabel werden, ohne daß der ge¬ 
steigerte Innendruck zu einer vermehrten Filtration ins Gewebe führt. 
So haben z. B. Athanasiu und Gradinescu gezeigt, daß die In¬ 
filtration und Schwellung der Froschmuskeln bei Durchspülung von 
der Aorta her ausbleibt, wenn der Lockeschen Lösung Adrenalin 
zugesetzt wird. Das Gleiche sah Donath bei Durchspülung isolierter 
Katzennieren mit körperwarmer Ringerlösung. Trotz des gesteigerten 
Innendruckes dringt also weniger Flüssigkeit durch die Capillarwände 
ins Gewebe. Die Capillarwände sind eben im kontrahierten Zustand 
der Capillaren weniger permeabel, doch ist das ein Faktor, der offen- 


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194 


J. Bauer und B. Aschner: 


bar mit einer Reihe anderer bei der Beeinflussung der Resorptions¬ 
geschwindigkeit konkurriert. M. S. Fleisher und L. Loeb konnten 
ja im Gegensatz zu den oben angeführten Autoren eine Verzögerung 
der Resorption von intraperitoneal injizierter Salzlösung und Wasser 
unter Adrenalinwirkung nicht feststellen, im Gegenteil, sie fanden 
eine Beschleunigung der Aufsaugung, namentlich wenn das Adrenalin 
mit ins Peritoneum injiziert wurde. Dabei kam trotz der beschleunigten 
Resorption der Flüssigkeit aus dem Bauchraum eine geringere Blut¬ 
verdünnung zustande als bei den Kontrollieren, die aufgesaugte 
Flüssigkeit verließ also die Blutbahn in gesteigertem Maße, die Re¬ 
sorptionsbeschleunigung erfolgte trotz der kontrahierten Capillaren. 
Vielleicht mag hier der von Camus beobachtete vermehrte Lymph- 
abfluß aus dem Ductus thoracicus nach intravenöser oder subcutaner 
Adrenalininjektion beteiligt sein. Übrigens ist auch dieser Effekt 
nicht konstant, denn Tomaszewski und Wilenko beobachteten 
das gerade Gegenteil, nach Adrenalin versiegte der Lymphstrom voll¬ 
ständig. Diese Widersprüche erklären sich wohl nach Biedl aus der 
Interferenz einer Reihe von Adrenalinwirkungen, welche insgesamt 
auf den Lymphstrom Einfluß üben und einander zum Teil entgegen¬ 
wirken, so die Konstriktion der Lymph- und Blutgefäße, Änderung der 
Darmbewegungen, vielleicht Beeinflussung der Lymphbildung selbst (vgl. 
Böhm und Gradinescu). Fleisher und Loeb sahen ja eine Vermeh¬ 
rung der Transsudation ins Peritoneum nach NaCl-Infusion, wenn sie der 
Infusionsflüssigkeit Adrenalin zusetzten. Einige andere, in diesen Mecha¬ 
nismus mit eingreifende Faktoren werden wir noch später kennenlemen. 

Ein zweites Argument zugunsten der Annahme einer Herabsetzung 
der Permeabilität der Capillarendothelien durch Adrenalin wird aus 
den Versuchen von Gradinescu und von Donath abgeleitet. Nach 
Exstirpation der Nebennieren erfolgt eine Eindickung des Blutes, 
beurteilt an der Zahl der Erythrocyten und Leukocyten (Gradinescu), 
sowie am Trockenrückstand (Donath). Diese Eindickung des Blutes 
wäre die Folge einer gesteigerten Permeabilität der Gefäßwände, 
welche mehr Plasmaflüssigkeit aus der Blutbahn in die Gewebe aus¬ 
treten läßt. Dabei ist ein sehr wichtiger Umstand bemerkenswert. 
Gradinescu konstatierte nämlich, daß sich die Bluteindickung bei 
den nebennierenlosen Tieren in der Weise vollzieht, daß bloß die Blut¬ 
körperchenzahl zunimmt, das Blutplasma aber in bezug auf Gefrier¬ 
punkt, Refraktometerwert, Viscosität und elektrische Leitfähigkeit 
unverändert bleibt. Das Plasma trete also als solches aus der Blut¬ 
bahn in die Gewebe, vor allem aber in die serösen Höhlen. Der Wasser¬ 
gehalt der Muskeln bleibt dabei unverändert. Übrigens liegen auch be¬ 
züglich dieser Befunde andere, vollkommen widersprechende Unter¬ 
suchungsergebnisse vor (vgl. Biedl, S. 489). 


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Über Austauschvorgänge zwischen Blut und Geweben. 


195 


Die arterielle Drucksteigerung dürfen wir also dem Gesagten zu¬ 
folge nicht zur Erklärung der Bluteindickung nach Adrenalin heran¬ 
ziehen und die herabgesetzte Permeabilität der Capillarwände infolge 
ihres vermehrten Kontraktionszustandes kann einerseits die Blut¬ 
eindickung selbst, andererseits aber auch die die Blutdrucksteigerung 
überdauernde Bluteindickung nicht erklären, da die Herabsetzung der 
Permeabilität nur so lange dauern kann, als der Kontraktionszustand 
der Capillaren, also die Drucksteigerung anhält. Eine andere Art 
von Permeabilitätsherabsetzung der Capillarwände durch Adrenalin 
als die infolge eines vermehrten Kontraktionszustandes ist nicht er¬ 
wiesen. Also müssen die beobachteten Änderungen der Blutkonzen¬ 
tration nach Adrenalin, wofern sie tatsächlich zur Recht bestehen, 
eine andere Erklärung finden. Böhm, dessen wichtige Arbeit von den 
meisten Nachuntersuchem übersehen oder mindestens nicht im Original 
gelesen (vgl. z. B. Pull) worden zu sein scheint, hält im Anschluß 
an Ashers Auffassung dafür, daß unter dem Einfluß des Adrenalins 
in Drüsen und anderen Organen eine Reihe zum Teil recht intensiver 
Stoffwechselvorgänge angeregt wird, welche an und für sich infolge 
osmotischer Diffusions Vorgänge, vielleicht auch infolge noch nicht 
klargelegter Prozesse einen Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und 
Geweben hervorrufen; dabei werden diese Vorgänge durch die initiale 
Capillarkontraktion stark behindert und machen sich erst nach Ab¬ 
klingen derselben im Sinne einer Eindickung des Blutes geltend. 

Billigheimer gibt eine Erklärung für die später, gelegentlich aber 
auch sogleich nach der Injektion von Adrenalin einsetzende Blut¬ 
verdünnung — diese wurde ja auch von Donath nach d-Suprarenin 
beobachtet — auf Grund einer persönlichen Mitteilung Ellingers. 
Durch das Adrenalin wird nämlich der Quellungsdruck der Eiweißkörper 
im Blut erhöht. Dadurch kommt es zu Wasseranziehung aus den Ge¬ 
weben und somit zu einer Blutverdünnung. In der Regel werde aller¬ 
dings dieser Adrenalineffekt durch die anfängliche Blutdrucksteigerung 
und, wie der Autor mit Unrecht meint, die damit einhergehende Aus- 
pressung von Blutflüssigkeit aus den Capillaren verdeckt. Donath 
erklärte die Blutverdünnung nach Adrenalin mit dem vermehrten Zu¬ 
strom von Ductuslymphe. 

Am dringendsten aber verlangt eine Überprüfung der Verhältnisse 
die Angabe von Adrienne Kägi aus der Nägelischen Poliklinik, 
welche auf Grund von Untersuchungen an neun Menschen die regel¬ 
mäßige Zunahme der Erythroeyten über die Fehlergrenzen hinaus in 
Abrede stellt und auf Grund refraktometrischer und viscosimetrischer 
Untersuchungen an vier Individuen eine Veränderung der Blut- und 
Serumkonzentration durch Adrenalin überhaupt leugnet. Auch F. 
O. H ess lehnt in allerjüngster Zeit auf Grund von sorgfältigen, im 


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196 


J. Bauer und B. Aschner: 


Tabelle I. 





Serum 


Nr. 

Fall u. Versuchszahl 

Zeit 

Refr. 

Eiweiß in 

o/' 

/o 

NaCl in 

0 / 

rp _ 

Bemerkungen 

r 

V. 37.) K. M. 9 

vorher 

56,3 

7,481 

0,6878 

1 mg Tonogen. Druckstg. v. 150KR 


50 J.Chron.Milz- 

nach 4C Y 

57,2 

7,675 


a. 180RRi. Laufe v. 10 7 , n.30 7 schon 


u. Leberschwllg. 

„ 60' 

55,5 

7,308 

0,6358 

130 RR. Tremor. Stark. Verkleinerg. 


Wahrscheinl. d. 





d. Milzschwellg. m. Leukozytenan- 


Pfortaderthrmb. 





stieg. Keine Glykosurie. 

2- 

V. 17.) V. G. 9 

vorher 

61,8 

8,665 

0,5596 

1 mg Tonogen. Erster Tag d. Men- 


24 J. Choleli- 

nach l h 

61,55 

8,612 

0,4737 

struation. Druck sinkt innerhalb v. 


thiasis 

» 2*/* h 

61,95 

8,697 

0,5592 

20 7 v.llöRRauf 105, ohne voran¬ 
gehenden Anstieg, nach l h 
wieder 115. Puls v. 64 auf 120(1 h .) 

3. 

V. 10.) Z. I. cf 

vorher 

59,0 

8,064 


0,8 mg Tonogen. Keinerlei Reakt. 


46 J. Incipicnte 
Lebercirrhose 

nach 2 h 

58,98 

8,042 



4. 

V. 13.) Sch. J. cf 

vorher 



0,6474 

1 mg Adrenaline Clin. Blutdruck- 


40J. Fast ausgeh. 
Glomerulonephr. 

nach 20' 



0,6473 

steigerg. v. 120 RR auf 148, Tremor. 

5. 

V. 39.) B. E. c? 

vorher 

63,6 

9,05 

0,5994 

1mg Tonogen. Druck 135, nach 5' 


38 J. Tabes in- 

nach 30' 

61,45 

8,59 

0,599 

140, nach 10' 127, nach 15' u. 20' 


cipiens 



125, nach 30' 135 RR. 

6. 

V. 64.) Ch. K. 9 

vorher 

54,7 

7,135 

0,4737 

0,7 mg Tonogen. Hochgradig abge- 


40 J. Gumma 

nach l h 

56,0 

7.416 

0,4605 

magert. Druck 103RRsteigtn.5'auf 

i 

ventriculi 





112, sinkt d. wieder a. d. Ausgangs¬ 
wert. Puls von 64 auf 108 in 10'. 

PT l 

H. K. cf- Myo- 

vorher 

54,0 

6,984 

0,6276 

1 mg Adrenaline Clin. Druck von 


carditis. Purpura 


Erythrozyten 3,620 000 

145 RR in 1(Y auf 155, dann auf Aus- 


haemor. (20. VI. 

nach 38' 

57,6 

7,7616 

0,5763 

gangswert gesunken. Puls von 60 


1919) 


Erythrozyten 4,360000 

auf 88 in 20'. 


„ 2 h 

52,4 

6,6384 

0,5750 





Erythrozyten 4,480000 


s. 

II. Ch. 9 63 J. 

1 

vorher 

55,72 

7,356 

0,5658 

0,7 mg Tonogen. Druck fällt ohne 


Atherosklerose. 


[Erythrozyten 4,330000 

vorangehenden Anstieg 


(18. VI. 1919) 

nach 45', 

58,08 

7,865 

0,566 

von 185 RR nach 10 7 a. 180, nach 40 / 



Erythrozyten 6,260000 

auf 160, nach 2 h auf 145 u. steigt d. 







allmählich z. Ausgangswert. Puls 
von 64 auf 104 im Laufe 1 h . 

y. 

R. M. cf 32 J. 

vorher 

57,7 

7,783 

0,4869 

1 mg Tonogen. Druck sinkt ohne 


Apicitis. Dys¬ 

nach l h 

59,73 

8,222 

0,4606 

vorhergehendenAnstiegv. 


pepsie. (19. VI. 





103 RR in IO 7 auf 95 und steigt dann 


1919) 





zum Ausgangswert. 

10. 

V.165.)D.A.B-9 

vorher 

59,6 

8,194 


1 mg Tonogen. Druck steigt von 


24 J. Gesund 

nach 12' 

61,5 

8,601 


110 RR in 5' auf 147, in 17' auf 130. 


17' 

60,2 

8,323 


Puls v. 78 in 5'126, in 17'88. Tremor, 
Blässe. Unmittelbar nach d. 2. Blut¬ 








entnahme (12' nach Tonogen) venöse 
Injektion von NaCl 8,0:20,0 durch 
dieselbe Nadel. 


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Über Austauschvorgänge zwischen Blut und Geweben. 197 


Tabelle I (Fortsetzung). 


Nr. Fall u. V enuchszahl 

Zeit 

| Serum j 

Bemerkungen 

Refr. 

Eiweiß in 

% 

XaCl in 

0/ 

,o 

11. PL J., 9 52 J. 

1 




1 mg Tonogen. Druck sinkt von 

1 Ca ventr. Hoch- 

vorher 


3,72 


100 RR ohne vorangehen- 

( l grad. univers. 


Erythrozyten 2,860 000 

den Anstieg in 20' auf 95 u. 

1 Hydr. (Autops.) 

nach 1 h 

i 

3,81 1 


bleibt durch 1 h unverändert. Puls 

1 a.) 11.VI.1919 


Erythrozyten 2,3800001 

steigt von 100 auf 110. 

P b.) 13. VI. 1919 

vorher 

36,3 | 

3,126 1 

0,4079 

1 mg Tonogen. Druck 100 RR, nach 



| Erythrozyten 

sp.Gew. 

15' 95, n. 40' 80, n. 1* 85 RR 

|l 


2,360000 

d.Blutes 

ohne vorangehenden An¬ 

1 




1041 

stieg. Puls steigt von 90 auf 

1 

nach 40' 

39,15 

3,753 

0,4679 

116 in 40'. 

li ; 


Erythrozyten 

sp. Gew. 


1, 


3,200000 

d.Blutes 

1 mg Suprarenin (Höchst). Druck 

|i 




1044 

90 RR,sinkt ohne vorangeh. 

c.) 28. VI. 1919 

vorher 

40,18 

3,979 

0,3713 

Anstieg in 10'auf 80, in 40'auf 


nach 50 7 

40,83 

4,121 

0,3053 

70 und steigt erst nach l 1 /* 11 

'1 





wieder allmählich zum Ausgangs¬ 

.! 





punkt. Puls von 96 auf 120 in 30'. 


In der im Laufe von S 1 /« h in 8Portionen aufgefangenen Ödemflüssigkeit 
aus den Unterschenkeln steigt der Refraktometerwert nach Suprarenin von 20,18 
auf 20,3. Die NaCl-Werte sinken von 0,7026% in 45' auf 0,6224% und steigen 
von da ab wieder bis 0,6816%. Das spez. Gew. schwankt zwischen 1013 und 100 
5, die Gesamtmenge beträgt 356 ccm. 

arteriellen, capillaren und venösen Blut gleichzeitig vorgenommenen 
Blutkörperchenzählungen am Menschen eine Konzentrationszunahme 
des Blutes durch Adrenalin ab. 

Unsere eigenen, an Venenblut durchgeführten Untersuchungen sind 
in der Tab. I zusammengefaßt. Das Adrenalin wurde immer subcutan 
injiziert. Die Venaepunktionen wurden, wie dies ja schon in der ersten 
Mitteilung betont worden ist, stets t>hne Stauung vorgenommen. Die 
Versuche wurden früh an den nüchternen Patienten angestellt. Aus 
der Tabelle ist folgendes zu entnehmen: 

1. Adrenalin verursacht häufig Änderungen der Eiwei߬ 
konzentration im Blutserum. In den Versuchen 6 — 10 und 11b 
kam es zur Eindickung, in Versuch 5 zur Verdünnung des Blutes, in 
Nr. 1—3 und 11a sowie 11c blieb der Refraktometerwert unverändert. 
Die Annahme von Kägi und Hess, das Adrenalin beeinflusse die Kon¬ 
zentration des Blutes nicht, ist somit nicht berechtigt. 

2. Die Art der Konzentrationsänderung, ob Eindickung 
oder Verdünnung des Serums, ist nicht, wie Schenk angibt, 
abhängig von der nach der Adrenalininjektion verflossenen 
Zeit, es kommt also nicht immer zuerst zur Bluteindickung, dann 
zur Blutverdünnung, sondern es kann nach 30 Minuten schon eine 


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198 


J. Bauer und B. Aschner: 


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Verdünnung bestehen (Nr. 5) und nach einer Stunde noch eine Ein¬ 
dickung vorhanden sein. Das entspricht auch den Befunden von Donath 
und Billigheimer, welche von vornherein entweder Eindickung oder 
Verdünnung des Blutes nach Adrenalin konstatierten. Die Blutver¬ 
dünnung erklärt Billigheimer als relativ seltenes Vorkommnis. Dem 
entsprechen auch unsere Ergebnisse. 

3. Den Änderungen der Serumkonzentration gehen die 
Schwankungen der Erythrocyten nicht immer parallel. 
Dies besagt aber nicht, wie wir schon in unserer ersten Mitteilung her¬ 
vorhoben, daß nur die Erythrocytenzählungen einen brauchbaren 
Maßstab für die Beurteilung der Austauschvorgänge zwischen Blut 
und Geweben abgeben können (Nonnenbruch). Die jüngsten Unter¬ 
suchungen von Hess erweisen vielmehr das gerade Gegenteil. 

4. Die Konzentrationsänderungen des Blutserums nach 
Adrenalin erfolgen unabhängig von den Schwankungen 
des arteriellen Blutdrucks. Vor allem kann eine Eindickung 
des Blutes auch dann stattfinden, wenn der Blutdruck in 
der Arteria brachialis nicht nur keinen Anstieg, sondern 
sogar einen primären Abfall erkennen läßt. Auf die Frage 
der auf Adrenalin erfolgenden primären Senkung des arteriellen Blut¬ 
drucks sei hier nicht weiter eingegangen. Der eine von uns hat auf 
dieses Vorkommnis früher schon aufmerksam gemacht und beabsich¬ 
tigt, bei anderer Gelegenheit eingehender darauf zurückzukommen. 
Uns interessiert hier lediglich die Feststellung, daß die Blutdruck¬ 
wirkung des Adrenalins, wie dies schon früher Böhm auf Grund anderer 
Tatsachen angenommen hatte, wohl nicht als ursächliches Moment für 
die Eindickung des Blutes in Betracht kommen kann. Der Einwand, 
daß das Ausbleiben einer Drucksteigerung in den Armarterien nach 
der Adrenalininjektion noch nicht eine Drucksteigerung im Splanchnicus- 
gebiete ausschließe, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich, da bei einer 
Kontraktion der vom Splanchnicus versorgten Abdominalgefäße unter 
dem Einfluß von Adrenalin zwar das Blut in die peripheren Gefäße 
abgedrängt und diese passiv erweitert werden (vgl. Biedl, Bauer, 
Rosenow), der systolische Druck in diesen aber dennoch ansteigt. 
Auch den anderen bekannten Adrenalinwirkungen geht die Konzen¬ 
trationsänderung des Blutserums nicht parallel. 

5. Der NaCl-Gehalt des Blutserums blieb in Nr. 4, 5, 6, 8, 9 un¬ 
verändert, sank in Nr. 1, 2, 7 und 11c deutlich ab und stieg in Nr. 11b 
nach Adrenalin an. Eine Beziehung dieser NaCl- Schwan¬ 
kungen imSerum zu den Schwankungen des Eiweißgehaltes 
läßt sich nicht feststellen, ebenso wenig eine Beziehung 
zu den arteriellen Blutdruckänderungen. Unsere Beob¬ 
achtungen bezüglich der Beeinflussung des NaCl-Spiegels im Blute 



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Über Aust&uschvorgänge zwischen Blut und Geweben. 


199 


durch Adrenalin stehen im Einklang mit den Ergebnissen der Kanin¬ 
chenversuche von Frey, Bulcke und Wels, die nach ihren Proto¬ 
kollen zweimal in fünf Versuchen einen beträchtlichen Abfall der 
NaCl-Werte (von 0,58% auf 0,49% und von 0,56% auf 0,49%) kon¬ 
statierten, während in drei Versuchen keine nennenswerte Veränderung 
eingetreten war. Wie die zitierten Autoren aus diesen ihren Proto¬ 
kollen einfach den Schluß ziehen können, daß das Adrenalin den NaCl- 
Spiegel des Blutes unbeeinflußt lasse, ist uns vollkommen unverständ¬ 
lich. Übrigens hat auch schon Boenhei m auf diese sonderbaren Wider¬ 
sprüche hingewiesen, der selbst bei zwei Individuen ein Absinken der 
NaCl-Werte im Blute nach einer Adrenalininjektion konstatieren konnte. 

6. Die in Versuch Nr. 11c gleichzeitig vorgenommene Untersuchung 
der in acht Portionen aufgefangenen Ödemflüssigkeit ergab bei gleich¬ 
bleibendem Refraktometerwert des Serums auch Konstanz des Re¬ 
fraktometerwertes der Ödemflüssigkeit. Dagegen nahm zugleich 
mit dem Absinken des Serum-NaCl auch das NaCl in der 
Ödemflüssigkeit erheblich ab, um nachher wieder anzusteigen. 

7. Der in Nr. 10 an der einen von uns vorgenommene Versuch bildet 
eine Analogie zu einem oben bereits erwähnten Versuch Böhms. Die¬ 
ser Forscher hatte beobachtet, daß eine Blutentziehung bei Katzen, 
auch wenn sie unter Adrenalinwirkung stehen, sehr rasch eine Ver¬ 
dünnung des Blutes herbeiführt, daß also die Herabsetzung der Ca- 
pillarpermeabilität durch das Adrenalin, wofern eine solche überhaupt 
stattfindet, nicht soweit geht, um einen durch bestimmte andere Be¬ 
dingungen diktierten Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und Ge¬ 
weben zu verhindern. Wir sahen ganz entsprechend, daß sich trotz 
Eindickungstendenz infolge der Adrenalininjektion fünf Minuten nach 
Injektion einer hypertonischen NaCl-Lösung eine deutliche Blut¬ 
verdünnung einstellte, daß also eine evtl, eingetretene Permea¬ 
bilitätsabnahme der Capillärwände keineswegs das Ein¬ 
strömen von Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn zu verhin¬ 
dern vermochte. Dasselbe geht übrigens auch aus einer anderwärts 
von uns mitgeteilten 1 ) Beobachtung an einem Fall von Diabetes 
insipidus hervor, in welchem während einer Durstperiode trotz weiter¬ 
gehender intensiver Diurese unter Adrenalinwirkung sogar über¬ 
schießend Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn einströmte. 

Überblicken wir das bisher Gesagte nochmals, um eine Erklärung 
für den recht wechselvollen Einfluß des Adrenalins auf die Blutkonzen¬ 
tration und den NaCl-Gehalt des Blutes zu gewinnen, so können wir 
unter Zurückstellung der durch Asher, Böhm und auch uns wider¬ 
legten Blutdruckfiltrationstheorie folgendes annehmen: Im Sinne einer 
Eindickung des Blutes ist das von Asher und Böhm hervorgehobene 

*) J. Bauer und B. Aschner, Wien. Arch. f. inn. Med. 1. 1920. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 14 


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200 


J. Bauer und B- Aschner: 


Moment wirksam, die Anregung von zum Teil recht intensiven Stoff¬ 
wechselvorgängen in Drüsen und anderen Organen durch das Adrenalin. 
Wir erinnern nur an die Hyperglykämie, an die Steigerung der Gerinn¬ 
barkeit des Blutes, an die Erhöhung des Eiweißumsatzes usw. (vgl. 
Biedl). Dadurch kommt es, wie Asher ausführt, zu Verlust von 
Wasser und Salzen auf dem Wege der Sekrete und ,,zur Bildung von 
Stoffwechselprodukten infolge von Prozessen, die erforderlich sind, 
um die Energie für die mannigfachen Leistungen, aus denen die Drüsen¬ 
tätigkeit besteht, zu liefern. Hierdurch entstehen Veränderungen in 
der Zusammensetzung der Gewebsflüssigkeit, woraus wiederum os¬ 
motische und Diffusionspotentiale erwachsen, die den Flüssigkeits¬ 
austritt aus den Capillaren zur Folge haben.“ Im Sinne einer Ein- 
dickung des Blutes wirkt ferner das von Tomaszewski und Wilenko 
beobachtete und wohl durch Konstriktion der Lymphgefäße bedingte 
Versiegen des Lymphstromes aus dem Ductus thoracicus sowie viel¬ 
leicht auch die unter dem Adrenalineinfluß erfolgende Hemmung der 
NaCl-Abgabe aus den Depotorganen, vor allem der Haut. Auf diese 
letztere Erscheinung werden wir sogleich zu sprechen kommen. Im 
Sinne einer Verdünnung des Blutes wirkt die von Camus festgestellte 
Steigerung der Lymphproduktion durch Adrenalin und Vermehrung 
des Zuflusses aus dem Ductus thoracicus — offenbar kommen, wie 
wir ja oben bereits im Anschluß an Biedl ausführten, je nach den Um¬ 
ständen sowohl Hemmung wie Steigerung dieses Zuflusses vor; ferner 
die Steigerung des Quellungsdrucks der Bluteiweißkörper durch 
Adrenalin (Ellinger - Billigheimer), wodurch Wasser aus den 
Geweben angezogen wird. 

Alle die angeführten Faktoren treten nun miteinander in Inter¬ 
ferenz und führen zu einem je nach der Individualität, der An- 
sprechbarkeit und Reaktionsfähigkeit der Organe auf Adrenalin ver¬ 
schiedenen Resultat, bald zur Bluteindickung, bald zu keiner Verän¬ 
derung der Blutkonzentration oder aber zur Verdünnung des Blutes. 
Ob es notwendig ist, angesichts der vorliegenden Ergebnisse auch noch 
einen unmittelbar hemmenden Einfluß des Adrenalins auf die Capillar- 
permeabilität anzunehmen, möchten wir bezweifeln, wenn auch natür¬ 
lich die Durchgängigkeit von Capillarwänden, die sich im krampfhaften 
Kontraktionszustand befinden, herabgesetzt sein dürfte. Letzteres be¬ 
weisen ja auch die Versuche Fröhlichs betr. die Hemmung entzündlicher 
Transsudationen (SenfÖlconjunctivitis) im d-Suprarenin-Zustand. Die Ein¬ 
dickung des Blutes bei nebennierenlosen Tieren, wie sie von Gradi nescu 
und von Donath gefunden wurde, ließe sich wohl auch anders als durch 
Annahme einer Permeabilitätssteigerung der Capillarwände erklären, hat 
doch Gradi nescu nach Exstirpation der Nebennieren eine beträcht¬ 
liche Verminderung der Lymphproduktion an Fisteltieren beobachtet. 


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Über Austausch Vorgänge zwischen Blut und Geweben. 


201 


Wie ist nun die in einer Reihe von Fällen beobachtete Senkung 
des NaCl-Spiegels im Blut durch Adrenalin zu erklären? Hier scheint 
uns der Versuch Nr. 11c eine klare Antwort zu geben. Eine andere 
Erklärung für die sehr bemerkenswerte Tatsache des gleich¬ 
zeitigen NaCl - Sturzes in Blut und Ödemflüssigkeit als die 
Annahme einer Hemmung der NaCl - Abgabe aus den Depots 
der Gewebe und speziell der Haut scheint uns schwer mög¬ 
lich. Damit stützen wir eine Anschauung Boenheims und befinden 
uns im Gegensatz zu Frey, Bulcke und Wels, welche ausschließlich 
eine Nierenwirkung des Adrenalins mit Hemmung der renalen NaCl- 
Ausseheidung annehmen. Boenheim konnte ja auch an Epileptikern, 
denen eine Nebenniere exstirpiert worden war, einen Anstieg des NaCl- 
Gehalts im Blute nachweisen. Der Wegfall einer Nebenniere förderte 
somit nach Boenheims Auffassung die Cl-Mobilisierxmg in den Depot- 
Organen. Warum aber die NaCl-Abnahme im Blut weder in den fünf 
Kaninchenversuchen von Frey, Bulcke und Wels noch in unseren 
zehn Versuchen am Menschen konstant erfolgte, warum sogar in einem 
unserer Versuche der NaCl-Wert im Blut anstieg, dürfte seinen Grund 
in dem Mitwirken anderer Faktoren haben, welche geeignet sein können, 
den NaCl-Spiegel des Blutes zu erhöhen, so in dem vermehrten Zufluß 
von Ductuslymphe und in den Flüssigkeitsverschiebungen durch die 
Capillarwände, die je nach der Besonderheit des Falles auch NaCl- 
Versehiebungen verschiedenen Ausmaßes und in verschiedener Rich¬ 
tung mit sich bringen. Dazu mag noch ein anderes Moment hinzu - 
kommen. Veil hat nämlich gezeigt, daß durch den sog. Salzstich im 
4. Ventrikel eine Hyperchlorurie und Hypochlorämie, diese letztere 
auch am entnierten Kaninchen zustandekommt, daß also auf nervösem 
Wege eine NaCl-Wanderung aus dem Blut in die Gewebe angeregt 
werden kann. Es ist jedenfalls naheliegend, daß hier die auch vom 
Adrenalin erregten Sympathicusfasem eine Rolle spielen. Auf welche 
Weise diese NaCl-Wanderung aus dem Blut in die Gewebe durch Nerven- 
reizung ausgelöst wird, ist uns ebensowenig bekannt wie verschiedene 
andere Folgeerscheinungen von Nervenreizungen. Es ist also immerhin 
denkbar, daß auch durch das Adrenalin eine „sekretorische“ Tätigkeit 
der Capillarendothelien angeregt wird. 

Es ist demnach bei der Mannigfaltigkeit der Angriffs¬ 
punkte und Wirkungen des Adrenalins im Organismus, 
bei der individuell differenten Bereitschaft, Reaktionsart 
und Reaktionsgröße der einzelnen Organe und Organteile 
eine einheitliche, stets gleichartige Wirkung des Adrenalins 
auf die Blutkonzentration und den NaCl - Gehalt des Blutes 
gar nicht zu erwarten. 


14* 


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202 


J. Bauer und B. Aschner: 


2. Der Hypophysenextrakt. 

Der Einfluß des Hypophysenhinterlappenextraktes auf die Aus¬ 
tauschvorgänge zwischen Blut und Geweben beansprucht ein beson¬ 
deres Interesse vom Standpunkte der Pathogenese des Diabetes in¬ 
sipidus. Hat doch Veil die sehr bestechende Annahme zu begründen 
versucht, daß die in Fällen von Diabetes insipidus so eklatante thera¬ 
peutische Wirksamkeit des Hypophysenextraktes auf eine unmittel¬ 
bare Beeinflussung der Gewebe durch dieses Hormon zu beziehen sei. 
Das Pituitrin befähige die in bezug auf ihre wasserbindende Funktion 
gestörten Gewebe, Wasser festzuhalten. Diese Gewebswirkung desPitui- 
trins sei das Primäre und die Hemmung der Diurese lediglich die Folge 
der gesteigerten Wasserbindung durch die Gewebe. 

Gegen die Veilsche Lehre wandte sich zunächst Oehme. Er fand 
nach intravenöser Injektion von Pituitrin bei drei Katzen in den ersten 
Minuten eine leichte und binnen 15 Minuten wieder vorübergehende 
Senkung des Serumeiweißes, bei zwei anderen Katzen und einem 
Menschen aber keine Änderung des Serumei weiß wertes. Die Blut¬ 
verdünnung, welche sich bei Katzen mit abgebundenen Nieren nach 
peroraler Wasserabgabe einstellt, trat in demselben Ausmaße auch 
unter dem Einfluß von Hypophysenextrakten ein. Der Einstrom von 
Wasser und NaCl ins Gewebe nach intravenöser Ringer-Infusion erfolgt 
bei Katzen unter Pituitrinwirkung ebenso wie ohne diese; vielleicht 
ist er etwas verlangsamt. Keinesfalls wäre das eine Wirkung, welche 
die Veilsche Annahme der extrarenalen Diuresehemmung durch 
Pituitrin infolge Erhöhung der Wasserbindungsfähigkeit der Gewebe 
stützen könnte. Der Flüssigkeitseinstrom aus den Geweben ins Blut 
nach Aderlaß erfolgt beim Kaninchen unter Pituitrinwirkung in gleicher 
Weise wie ohne Pituitrin. Von einer Erhöhung der Wasserbindungs¬ 
fähigkeit der Gewebe durch Pituitrin kann also keine Rede sein, wie 
denn überhaupt Oehme keinen Anhaltspunkt für eine primäre Be¬ 
einflussung des Wasser- und Salzaustausches zwischen Blut und Ge¬ 
weben oder für eine deutliche Permeabilitätsänderung der Körper - 
capillaren durch Hypophysenextrakte gewinnen konnte. 

Im gleichen Sinne haben wir uns auf Grund unserer ausführlich 
mitgeteilten Untersuchungen an einem Falle von Diabetes insipidus 
ausgesprochen. Wir sahen nämlich, daß sich bei der Kranken die 
Flüssigkeitsverschiebungen zwischen Blut und Gewebe unter Pituitrin¬ 
wirkung ganz ebenso abspielten wie ohne diese. Im Durstversuch unter 
Pituitrin wurde nahezu die gesamte, renal und extrarenal ausgeschiedene 
Flüssigkeitsmenge durch Nachströmen aus den Geweben ins Blut ge¬ 
deckt, ein venöser Infusionsversuch mit über einem halben Liter physio¬ 
logischer NaCl-Lösung verlief unter Pituitrinwirkung unter den gleichen 
Austauschvorgängen zwischen Blut und Geweben wie ohne Pituitrin 


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Über Austauschvorgänge zwischen Blut und Geweben. 


203 


und schließlich blieb die absolute Menge der extrarenal, durch Per¬ 
spiration ausgeschiedenen Wassermenge mit und ohne Pituitrin die 
gleiche. Damit war die Unhaltbarkeit der Veil sehen Theorie unwider¬ 
leglich dargetan. 

In einer größeren Untersuchungsreihe kamen dann Modrakowski 
und Halter zu folgenden Ergebnissen: Nach Pituitrininjektion kommt 
es beim Menschen zu einer Blutverdünnung im Capillarblut, die l 1 / 2 
bis 2 Stunden nach der Injektion am deutlichsten ist. Sie kommt auch 
in jenen Fällen zustande, in welchen keine Diuresehemmung, sondern 
eine Anregung der Diurese stattfindet, sie beruht also nicht einfach 
auf der gehemmten Wasserausscheidung durch die Nieren, sondern auf 
dem Einströmen von Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn. Zugleich kommt 
es zu einem Chloranstieg im Blut, nur bei künstlich durch NaCl-arme 
Kost chlorarm gemachten Individuen sinkt der NaCl-Wert des Serums 
ab, statt anzusteigen (vgl. auch Brieger und Rawack). Wir möchten 
gleich hier darauf hinweisen, daß auch Modrakowski und Halter 
Ausnahmsfälle registrieren (S. 344) und daß die aus ihrem Versuch 16, 
Tab. VI, von den Autoren abgeleitete Schlußfolgerung, in diesem Falle 
hätte das Pituitrin die Diurese nicht gehemmt, sondern angeregt, 
ganz und gar unberechtigt ist, da an diesem Tage schon die in den 
2 Stunden vor der Pituitrininjektion ausgeschiedene Hammenge mehr 
als doppelt so groß war wie am Kontrolltag; nach der Pituitrininjektion 
wurde diese Differenz gegenüber dem Kontrolltag geringer, es wäre 
also eher der entgegengesetzte Schluß berechtigt als der, welchen die 
Autoren aus ihrem Versuch ableiten. Es besteht somit eine Diskrepanz 
zwischen Protokollen und daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen. 
Wenn Boenheim in 3 Fällen eine Steigerung der Chlorwerte im Ge¬ 
samtblut und im Serum nach Injektion von Hypophysenextrakt beob¬ 
achten konnte und darin eine Bestätigung der Ergebnisse von Modra¬ 
kowski und Halter erblickt, so ist dies insofern nicht zutreffend, 
als er mit einem Vorderlappenextrakt gearbeitet hat. Eppinger fol¬ 
gert aus der gegenüber dem Kontrolltag herabgesetzten Elimination 
subcutan zugeführten Kochsalzes unter Pituglandolwirkung, es hemme 
das Pituglandol sicherlich die Cl-Wanderung in ähnlicher Weise, wie 
die Schilddrüse sie fördert. Wir halten aber auch diese Schlußfolgerung 
nicht für begründet, da es sich offenbar um die bloße Folge der Diurese¬ 
hemmung durch das Pituglandol und keineswegs um eine Hemmung 
der ,,Cl-Wanderung“ gehandelt hat. Dies geht aus den Protokollen 
der Tab. III (S. 78 und 79) klar hervor. 

In jüngster Zeit glauben E. Mever und R. Meyer - Bisch zum 
erstenmal einen stringenten Beweis für die extrarenale Gewebswirkung 
des Hypophysenextraktes erbracht zu haben. Sie fanden bei einem 
Hund mit einer Fistel des Ductus thoracicus, aus der die abströmende 


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204 


J. Bauer und B. Aschner: 


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Lymphe gesammelt wurde, ein Absinken der Lymphmenge nach Pitu- 
glandolinjektion, dabei wurde die Lymphe eiweiß- und NaCl-reicher, 
woraus die Autoren die Folgerung ableiten, das Pituglandol habe die 
wasserretinierende Kraft der Gewebe im Sinne von Veil erhöht. Eine 
durch Pepton hervorgerufene Verdünnung der Ductuslymphe werde 
durch Pituglandol nicht nur aufgehoben, sondern sogar in Eindickung 
verwandelt. 

Dazu wäre nun folgendes zu bemerken: Was zunächst das tat¬ 
sächliche Versuchsergebnis anlangt, so sind im ersten Versuch die 
Schwankungen der Lymphmenge und ihres Eiweiß- und NaCl-Ge- 
haltes nach der Pituglandolinjektion zu auffallend, als daß eine 
bloße Wasserretention in den Geweben sie erklären könnte. Der NaCl- 
Gehalt war z. B. nach 15 Min. schon unter dem Niveau der Vorperiode, 
um nachher wieder anzusteigen. Gleichzeitig entwickelte sich eine 
Eindickung des Blutes, während der Serum-NaCl-Wert unverändert 
blieb. Aus dem zweiten Versuch, bei dem zuerst Pepton, dann Pitu¬ 
glandol gespritzt wurde, entnehmen wir, daß 1. schon vor der Pepton¬ 
einspritzung die in je 5 Min. abströmende Lymphmenge recht erheb¬ 
liche Schwankungen zeigte und daß 2. unter dem Einfluß der Pepton¬ 
injektion die Lymphmenge abnahm und nach Pituglandol deutlich 
wieder anstieg — also das gegenteilige Ergebnis wie im ersten Versuch. 
Was aber die Deutung der beiden Versuchsergebnisse anlangt, so ist 
sie nichts weniger als zwingend, ja mit Rücksicht auf die oben er¬ 
wähnten Feststellungen anderer Autoren sogar unwahrscheinlich. 
Viel näher liegt es anzunehmen, daß es andere bekannte Wirkungen 
des Hypophysetiextraktes sind, welche eine Verminderung und Kon¬ 
zentrationszunahme der Ductuslymphe zur Folge haben. Das Pitu¬ 
glandol regt bekanntlich die Darmperistaltik an, wodurch jedenfalls 
ein gewisses Quantum der im Darmlumen befindlichen Flüssigkeit der 
Resorption entzogen wird. Aber auch unabhängig von der peristaltik¬ 
fördernden Wirkung des Hypophysenextraktes hemmt dieser die 
Wasserresorption aus dem Darm, wie Versuche von Rees an abge¬ 
bundenen Darmsehlingen erwiesen. Das Pituitrin hemmt ferner eine 
Reihe von Drüsensekretionen, so vor allem jene des Pankreas (Pember- 
ton und Swelt, Ott und Scott), was in gleicher Weise wie die ver¬ 
minderte Flüssigkeitsresorption aus dem Darm zu einer Herabsetzung 
der Lymphmenge und einer Eindickung derselben führen dürfte. Diese 
Annahme scheint uns ungezwungener als die schon durch andere Tat¬ 
sachen widerlegte Hypothese von der Förderung der Wasserretentions- 
kraft der Gewebe 1 ). 

l ) Auf die weiteren Ausführungen von E. Meyer und R. Meyer-Bisch 
uljer das Wesen der Insipidusstörung einzugehen, liegt für uns an dieser Stelle keine 
Veranlassung vor. Wir möchten nur bemerken, daß uns die Annahme einer „gleieh- 



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über Aiistauschvorgänge zwischen Blut und Geweben. 205 

Unsere eigenen, in Tab. II zusammengestellten Versuche ergaben 
folgendes: 

1. Der Eiweißgehalt des Blutes nimmt nur in einem von fünf Ver¬ 
suchen nennenswert ab (Nr. 5). Obwohl hier eine deutliche Hemmung 
der Diurese stattfand und im Versuch Nr. 4 bei Steigerung der Diurese 
eine Blutverdünnung nicht eintrat, möchten wir die Blutverdünnung 
im Versuche Nr. 5 doch nicht auf die Diuresehemmung allein zurück¬ 
führen, da die aus den Geweben ins Blut zugeströmte Flüssigkeits¬ 
menge offenbar größer ist als die durch die Pituitrininjektion retinierte 
Flüssigkeitsmenge. Offenbar spielen noch andere, individuell ver¬ 
schiedene Wirkungen des Pituitrins, vor allem solche auf die Tätigkeit 
noch anderer Drüsen als der Niere, vielleicht auch Einflüsse auf den 
Quellungsdruck der Gewebe- und Blutkolloide im Simie von Ellinger 
eine Rolle. Jedenfalls ist eine Blutverdünnung nach Hypophysen¬ 
extrakten, wie sie von Modrakowski und Halter angegeben wird, 
nichts weniger als konstant. Eine Bluteindickung konform dem Er¬ 
gebnisse von Meyer und Meyer-Bisch am Hund haben wir nicht 
beobachtet. Jedenfalls sprechen die Versuche gegen die Annahme von 
Veil sowie Meyer und Meyer-Bisch, daß das Pituitrin die Wasser¬ 
retention in den Geweben erhöht. 

2. Der NaCl-Gehalt des Serums ist nur in einem von acht Versuchen, 
bei Nr. 3, erheblich angestiegen, sonst blieb er unverändert, im Versuch 
Nr. 8 zeigte er sogar einen leichten Abfall. Die Ursache des Versuchs¬ 
ergebnisses in Nr. 3 können wir nicht aufklären, sowenig uns der ganz 
ungewöhnlich niedrige NaCl-Wert von nur 0,2372% vor dem Versuche 
verständlich ist. Eine Erörterung dieser Frage soll übrigens einer 
späteren Untersuchungsreihe Vorbehalten bleiben. Jedenfalls beweist 
dieser ganz außergewöhnlich liegende Fall nichts für eine evtl. Gesetz¬ 
mäßigkeit der NaCl-Verschiebungen zwischen Blut und Geweben 
unter dem Einfluß von Hypophysenextrakten, wie sie von Modra¬ 
kowski und Halter angegeben werden. 

Wir können somit aus den vorliegenden Tatsachen den 
Schluß ziehen, daß ein unmittelbarer, gesetzmäßiger Ein¬ 
fluß des Hypophysenhinterlappenextraktes auf die Aus¬ 
artigen Störung für den Austausch zwischen Gewebe und Blut wie zwischen Blut 
und Niere“ keineswegs begründet erscheint, denn daß beim Insipiduskranken nicht 
nur aus dem Blut in den Ham, sondern auch aus den Geweben ins Blut eine hypo¬ 
tonische Kochsalzlösung überströmt, ist wohl eine notwendige Konsequenz der 
enormen Wasserdiurese. Es wäre gar nicht denkbar, daß die zum Ersatz der renal 
ausgeschiedenen Wassermenge von den Geweben her nachströmende Flüssigkeit 
anders als hypotonisch wäre. Es besteht also unseres Erachtens gar kein Grund, 
darin eine „Störung“ der Austausch Vorgänge zwischen Blut und Geweben zu er¬ 
blicken, im Gegenteil, man muß die Präzision der normalen Regulationseinrichtun¬ 
gen, welche die primäre renale Störung kompensieren, bewundern. 


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206 


J. Bauer und B. Aschner: 


Tabelle II. 


~ 



| Serum 


Nr.' 

Fall u. Versuchszahl 

Zeit 

Refr. 

Eiweiß in 

O' 

0 

1 NaCl in 

<y 

0 

Bemerkungen 

1 . 

V. 71). Q. H. 9 

vorher 

61,3 

8,558 

0,6003 

1 ccm Pituitr. infund. (Parke-Davis) 


18 J. Leichte 

nach 8' 

60,2 

8,323 

0,6186 

venös. 


Apicitis. 

nach 30' 

60,3 

8,344 

0,5833 


2. 

V. 80.) A. B. 9 

vorher 

59,5 

8,172 

0,6469 

1 ccm Pituitr. infund. (Parke-Davis) 


23 J. Menorrh. 

nach 6' 

59,45 

8,161 

0,6666 

venös. Unmittelb. nach d. Injekt. 
Nausea, Uteruskontrakt, u. Darm¬ 
peristaltik. Sistieren der Blutung 

3. 

V. 72.) P. A. 9 

vorher 

49,8 

6,076 

0,2372 

0,8 ccm Pituitr. infund. (Parke-Davis) 


50 J. Carcin. 

nach 6' 

50,1 

6,142 

0,350 

venös. NaCl-Werte auf Grund v. 


ventr. m. Achy- 

nach 30' 

49,0 

5,902 

0,435 

Doppelbestimmungen. 


lie. Kachexie. 

nach 30 h 



0,378 


4. 

Hauk M. 9 21J. 

vorher 

59,25 

8,118 

0,5910 

1 ccm Pituitr. infund. (Parke-Davis) 


Icter. catarrh. 

nach 20' 

59,0 

8,064 

— 

subkut. Diurese während d. Yer- 


(28. IX. 1921) 

nach lV a h 

60 5 

8,387 

0,5910 

suchszeit gesteig. In D/a* 1 88 ccm 
Harn, in 3 h 160 ccm gegenüber 
34 ccm bezw. 115 ccm am Kontroll- 







tag (Tag später, gleiche Bedingun¬ 
gen, nüchtern). 

5. 

KustkaL.Q24 J. 

vorher 

58,7 

7,999 

0,5449 

1 ccm Pituitr. infund. (Parke-Davis) 


Neuro fibromat. 

nach 45' 

55,2 

7,243 

0,5475 

subkut. Diurese gehemmt. In 2 1 / i h 


Recklingh. Sar¬ 

nach l 1 /* 11 

55,8 

7,373 

0,5646 

Hammenge 62 ccm, sp. Gew. 1020, 


kom der Rippe. 

nach 2 l /* h 

56,6 

7,546 

0,5580 

NaCl 0,624% = 0,387 g gegenüber 


Kachexie. 

i 


i 

| 

1 


186 ccm, 1016 spez. Gew., 0,27% 
= 0,502 g NaCl am Kontrollrat 
(2 Tage später). 



6. 

V. 22a.) H.A.o* 

vorher 



0,5914 

2 ccm Pituitr. infund. (Parke-Davis) 


56 J. Cholelith. 
(5. V. 1919) 

nach 20' 


1 

0,6158 

subkut. 

7. 

V. 23a.) L. Th. 9 

1 vorher 



0,6250 

2 ccm Pituitr. infund. (Parke-Davis) 


28 J. Nephr. ac. 
haemor. (8. V. 
1919) 

nach 30' 



0,6224 

subkut. 

8. 

V. 15a.) Z.A.cf 

vorher 



0,6316 

2 ccm Pituitr. infund. (Parke-Davis) 


ödemkrankh. 
Hydrothor. bilat. 

nach 15' 


1 

0,6053 

i 

subkut. 


tauschvorgänge zwischen Blut und Geweben oder eine 
Änderung der Permeabilität und sekretorischen Tätigkeit 
der Capillarwände beim Menschen nicht nachzuweisen ist. 
Dagegen können die mannigfachen Wirkungen des Hypo- 
physenhinterlappenextraktes auf die Tätigkeit innerer 
Organe, vor allem die Wirkung auf die sekretorische Funk¬ 
tion der Nieren, des Pankreas, der Speicheldrüsen usw. 


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Über Austausch Vorgänge zwischen Blut und Geweben. 207 

mittelbar Veränderungen der Blutkonzentration und Blut¬ 
zusammensetzung zur Folge haben. Die interessanten Frosch¬ 
versuche von Pohle und vor allem von Brunn, welche die Annahme 
einer direkten extrarenalen Beeinflussung des Wasserhaushalts dieser 
Tiere durch das Hypophysensekxet nahelegen, lassen also keine Schlu߬ 
folgerung auf die entsprechenden Verhältnisse beim Menschen zu. 

Was den Einfluß von Hypophysenvorderlappenextrakten 
auf die Austauschvorgänge zwischen Blut und Geweben anlangt, so 
liegen darüber nur drei Versuche von Boenheim vor, der jedesmal 
nach der (subcutanen ?) Injektion von Hypophysenvorderlappen-Opton 
nach 1 / 4 — 1 / 2 Stunde einen NaCl-Anstieg im Blut und Serum feststellen 
konnte. Wir selbst haben nur in einem einzigen Versuch 2 ccm Hypo¬ 
physenvorderlappenextrakt (Freund und Redlich) intravenös verab¬ 
reicht und sahen weder nach 4 noch nach 30 Min. eine Veränderung 
des Serumeiweiß wertes. Den NaCl-Gehalt hatten wir nicht bestimmt. 
Der Blutdruck der 68jährigen Patientin war von 160 R.R. in 3 Min. 
auf 145 gesunken, um dann wieder anzusteigen. 

3. Andere Blutdrüsenextraktc. 

Was zunächst den Einfluß von Schilddrüsenextrakten auf 
den Austausch zwischen Blut und Geweben anlangt, so liegt darüber 
nebst den bekannten Untersuchungen Eppingers über das ödem 
die Angabe Boenheims vor, der nach (subcutatier ?) Injektion von 
Thyreoideaextrakten (Opton Merck und Präparat von Kalle) in der 
Mehrzahl der Fälle ein Ansteigen des Serum- und Blut-NaCl feststellen 
konnte. Aus seiner Tabelle geht hervor, daß dreimal unter sechs Ver¬ 
suchen ein Cl-Anstieg nicht erfolgte, einmal sogar der NaCl-Wert 
deutlich absank. Auch wir fanden, wie aus Tab. III zu ersehen ist, 
in drei Versuchen kein gleichartiges Verhalten. Der Eiweißwert des 
Serums stieg in Nr. 1 an, sank in Nr. 2 minimal ab und stieg in Nr. 3 
nach initialer leichter Abnahme an. Der NaCl-Wert des Serums nahm 
in Nr. 1 ab, blieb in Nr. 3 unverändert und sank in Nr. 2 nach vor¬ 
übergehendem Anstieg ab. Ein gesetzmäßiges Verhalten ist 
daraus also nicht zu entnehmen. 

Die intravenöse Injektion des Ovarialextraktes Glanduovin 
(Richter) hatte in beiden Fällen (Nr. 4 und 5) eine geringe Abnahme des 
Serumeiweißes zur Folge, während der NaCl-Gehalt unverändert blieb. 
Cor p us 1 ute u m- Extrakt führt zu einer schwachen Zunahme des Serum- 
NaCl ohne nennenswerte Änderung der Serumkonzentration — also keines¬ 
falls eine intensivere Beeinflussung der Austauschvorgänge zwischen Blut 
und Geweben. Boenheim hatte mit dem Merckschen Ovarial-Opton 
erhebliche Änderungen des NaCl-Spiegels im Blut hervorrufen können, 
in der Mehrzahl einen Anstieg, gelegentlich jedoch auch eine Senkung. 


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208 


J. Hauer und B. Aschner: 


Tabelle m. 



!' Fall und 

| Versuchszahl 


■ 

Serum 

— 



Nr. 

Zeit 

Refr. 

Eiweiß ! 
in % | 

NaCl 
in ° n 


Bemerkungen 

1. 

V. 46.) M. A. 9 38 J. 

vorher 

55,0 

7,2 

0,7008 

2 

ccm Thyreoideaextrakt (Richten 


Cliron. Rheumatis- 

nach 1 j h 

55,75 

7,362 

0,6813 


subkut. 


mus. 

nach 2 h 

58,15 

1 7,880 

0,6307 



o 

i Y. 48.) Sch. Ulcus 

vorher 

59.9 

8,250 

0,6488 

1 

ccm Thyreoideaextrakt (Richter) 


ventric. 

nach 2(Y 

59,4 

8,150 

0,6780 


intravenös. 



nach 7(Y 

58,8 

8,021 

0,5678 



3. 

V. 50.) K. M. 

vorher 

61.0 

8,494 

0,6254 

1 

ccm Thyreoideaextrakt (Richter) 


20 J. Urethritis ac. 

nach l h 

59,7 

8,215 

0,6228 


intravenös. 



nach 2 h 

62,4 

8,794 

0,6137 



4. 

V. 53.) S. I. 9 

vorher 

62,37 

8.787 

0,6358 

2 

ccm Glanduovin (Richter) venös. 


22 J. Hysterie. 

nach 27' 

60,80 

8,451 

0,6488 





nach l l 2 h 

61,40 

8,579 

0,6488 



;>. 

V. 58.) K. J. 9 

vorher 

61,0 

8,494 

0,5790 

1 

ccm Ganduovin (Richter) venös. 


33 J. Rekonvalesz. 
nach Pneumonie. 

nach 30' 

59,2 

8,107 

0.5789 



6. 

K. L. 9 24 J. Neu¬ 

vorher 

57,0 

7,632 

0.4984 

2,2 ccm Extr. corpor. lutei (Richter) 


rofibrom. Reck- 

nach 5' 

57,5 

7,740 

— 


venös. 


lingh. 

nach 30' 

58,0 

7,848 

0,5316 



7. 

V. 59.) B. J. o* 

vorher 

53,4 

6,854 

0,5290 

1 

ccm Extr.testiculi (Richter) venös. 


38 J. Ulcus ven¬ 

nach 30' 

54,6 

7,114 

0,5620 


Die zweite Blutprobe zeigt starke 


tric. 






Speckhaut. 

8. 

Z. 1. o* 19 J. Ic¬ 

vorher 

56,0 

7,416 


2,2 ccm Extr. testiculi (Richten 


terus catar. 

nach 3' 

55,2 

7,243 



venös. 

9. 

iV. 56.) Sch. A. (Y 1 

vorher 

52,2 

6,595 

0,5461 

1 

ccm Epiglandol (Roche) venös. 


I 56 J. Emphysema 

nach 3(7 

52,0 

6.552 j 

0,5526 


In der 2. und 3. Blutprobe starke 


pulm. 

nach 2 h 

52,3 

6.617 1 

0.5461 


Speckhaut. 


Nach intravenöser Injektion von Extractum testiculi (Richter) 
sahen wir in 2 Fällen keine nennenswerten Schwankungen der Blut¬ 
konzentration, in dem einen daraufhin untersuchten Falle Nr. 7 eine 
Zunahme des Serum-NaCl, dies in Übereinstimmung mit der Mehrzahl 
der Boenheimschen Resultate. Möglicherweise hängt mit der NaCl- 
mobilisierenden Wirkung der Hodenextrakte ihre von Re ach beob¬ 
achtete günstige Wirkung bei Ödemen zusammen. 

Der Zirbeldrüsenextrakt Epiglandol (Roche) hatte bei intra¬ 
venöser Applikation keinerlei Änderung des Serumeiweiß- oder Serum- 
NaCl-Wertes zur Folge (Nr. 9). 

4. Gefäßmittel. 

Es sollten noch einige Pharmaka untersucht werden, welche, ohne 
eine spezielle diuretische Wirkung zu besitzen, den Zustand der peri¬ 
pheren Gefäße beeinflussen, so das Papaverin, welches den spas- 


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Über Austausch Vorgänge zwischen Blut und Geweben. 


209 


tischen Kontraktionszustand der Gefäße aufhebt (Pal), das Chinin, 
welchem gleichfalls eine krampflösende Eigenschaft auf krankhaft 
kontrahierte Gefäße zukommt (Bamberger, Grünbaum, Latzei, 
eigene Erfahrungen), und das Colchicin, welches ein Capillargift 
darstellt (Löwe, Lipps) und uns bei der Behandlung des „Hoch¬ 
druckrheumatismus“ mitunter gute Dienste geleistet hat 1 ). Tab. IV 
gibt über unsere diesbezüglichen Untersuchungen Aufschluß. 

Nach intravenöser Injektion von Papaverin kommt in allen drei 
Versuchen (Nr. 1—3) eine gewisse Tendenz zur Blutverdün¬ 
nung zum Ausdruck, während der NaCl-Gehalt des Serums sich gar 
nicht ändert. Nach unserer bei der Besprechung des Adrenalins vor¬ 
gebrachten Auseinandersetzung steht die geringfügige, vorübergehende 
arterielle Drucksenkung im Anschluß an die Papaverineinspritzung 
kaum in kausalem Zusammenhang mit der Blut Verdünnung. Die 
gleiche Tendenz zur Blutverdünnung wie nach Papaverin sahen 
wir auch in den drei Versuchen mit intravenöser Chinininjektion 
(Nr. 4—6). Einmal ging der Verdünnung eine geringe Eindickung 
voraus (Nr. 5). Der NaCl-Gehalt blieb auch nach Chinin vollkommen 
unverändert. Eine arterielle Druckänderung im Sinne einer Druck¬ 
abnahme wurde nur im Falle Nr. 4 verzeichnet, sie kann also nicht 
als Ursache der Hydrämie angesprochen werden. Nach Colchicin 
sahen wir unter sechs Versuchen nur einmal eine ausgesprochene Blut¬ 
verdünnung eintreten (Nr. 12), einmal (Nr. 9) kam es zu einer sehr 
geringen und rasch vorübergehenden Konzentrationsabnahme des 
Serums, in Nr. 10 sahen wir nach einer halben Stunde eine leichte 
Eindickung des Serums, in den übrigen drei Versuchen blieb der Serum¬ 
eiweißgehalt unverändert. Auffallend ist es immerhin, daß gerade in 
Nr. 12, wo die ausgesprochene Blutverdünnung schon 11 Min. nach 
der subcutanen Colchicininjektion vorhanden war, auch eine wesent¬ 
liche Abnahme des arteriellen Drucks sofort nach der Injektion einsetzte, 
während in den übrigen Versuchen das Colchicin nur eine sehr geringe 
Drucksenkung zur Folge hatte. Der NaCl-Spiegel des Serums änderte 
sich zweimal unter fünf Versuchen, in Nr. 10, wo eine halbe Stunde 
nach der Injektion der NaCl-Gehalt des Serums gesunken ist und in 
Nr. 11, wo nach 20 Min. der NaCl-Wert anstieg. Bemerkenswert er¬ 
scheint noch, daß bei der Patientin mit Polycythaemia hypertonica 
(Gaisböck) das eine Mal 1 mg Colchicin keine Änderung des Serum¬ 
eiweißwertes zur Folge hatte (Nr. 11), während zwei Wochen später 
2 mg Colchicin eine ausgesprochene Blutverdünnung herbeiführten. 
Trotz dieser Blutverdünnung war ein Einfluß auf die Diurese nicht 
wahrzunehmen (vgl. unsere erste Mitteilung). 

Die meisten Fälle der Tab. IV betreffen aus den oben angeführten 

') Vgl. J. Bauer, Deutsch. Kongr. f. innere Mediz. Wiesbaden 1921. 


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210 


J. Bauer und B. Aschner: 


Tabelle IV. 



1 Fall und 

Versucliazahl 


Serum 


Nr. 

Zeit 

Eefr. 

Eiweiß 
in % 

NaCl 

in % 

Bemerkungen 

1. 

V.74.) B. I. <? 54 J. 

vorher 

59,3 

8,129 

0,5762 

0,08 Papaverin, sulfur. venös. Blut- 


Perm, arter. Hoch- 

nach 7' 

58,0 

7,848 

0,5762 

druck 195 mm RR, in 5' 187, in 


druck. 

nach 35' 

58,0 

7,848 

0,5564 

12' 189, in 40' 202 RR. 

2. 

V.75.)M.A.o*66J. 

vorher 

57,4 

7,718 

0,5762 

0,08 Papaverin, sulfur venös. Druck 


Perm, arter. Hoch- 

nach 7' 

56,5 

7,524 

0,5762 

198 RR, nach 12' 192, nach 24' 


! druck. Mitralinsuff. 

nach 33' 

55,4 

7,286 

0,5649 

182, nach 38' 186 RR. 

3. 

V. 83.)M. S. Q44J. 

vorher 

62,5 

8.815 

— 

0,08 Papaverin, sulfur. venös. Druck 


Perm, arter. Hoch¬ 
druck. 

nach V 

62,0 

8.708 


190, nach 10' 182 RR. 

4. 

V. 72a) K. A. Q 55 J. 

vorher 

58,3 

7,913 

0,5974 

0,8: 10,0 Chinin, muriat. venös. 


Perm, arter. Hoch- 

nach 5' 

57,5 

7,740 

0,5974 

Druck 192 RR, nach 2' 178, nach 


druck. 

nach 3 0' 

57,0 

7,632 

0,5974 

11' 177, nach 36' 180 RR. 

5. 

V.84.)M.M.Q58J. 

vorher 

60,0 

8,28 

0,6066 

0,6 : 20,0 Chinin, muriat. venös 


Perm, arter. Hoch- 

nach 5' 

60,8 

8,451 

0,6092 

Druck 200 RR bleibt unverändert. 


druck mit Polyzy¬ 
thämie (Gaisböck). 

nach 3(7 

58,6 

7,978 

0,6026 


6. 

V. 85.) I.A. 938 J. 

vorher 

56,1 

7,438 

0,6265 

0,5: 18,0 Chinin, muriat. venös. 


Hysterie. 

nach 5' 

55,4 

7,286 

0,6239 

Druck 112 RR bleibt unverändert. 

7.1 

Y.78.)Sp.P.955J. 

| vorher 

64,4 

9,222 

_ 

0,002 Colchicin. crist. (Merck) sub- 

1 

i 

Chron. Polyarthri¬ 
tis. 

nach 23' 

64,4 

9,222 

— 

kut. Druck 165 RR, in IO 7 155 RR. 

8. 

V.öDQ.n.QlÖJ . 1 

vorher 

55,8 

7,373 

i 0,6327 

0,002 Colchicin. crist. (Merck) sub- 


Apicitis. 

nach 12' 

55,6 

7,330 

0,6287 

kut. Druck 118 RR, in 5' und 2(Y 
112 RR. 

9., 

V. 82.) K. A. Q 55 J. 

vorher 

58,0 

7,848 

0,5762 

0,002 Colchicin. subkut. Druck 


Perm, arter. Hoch¬ 

nach 12' 

57,0 

7,632 

0,5695 

170 RR, nach 3' 170, nach 12' 


druck (= Nr. 4). 

nach 33' 

58,4 

7,934 

0,5894 

165, nach 30 7 160 RR. 

10.! 

Y. 77.) D. S. o* 57 J. 

vorher 

54,0 

6,984 

0,6892 

0,002 Colchicin. subkut. Druck 


Arteriosklerose. 

nach 20' 

53,9 

j 6,962 

0,6892 

150 RR, nach 15' 145, nach 30' 



nach 33' 

55,0 

7,20 

0,6186 

150 RR. 

n. 

Y. 69.)M.M.Q58 J. 

vorher 

58,45 

7,945 

0,5469 

0,001 Colchicin. subkut. Druck 

t 

Hyperton. Polyzy¬ 

nach 20' 

58,2 

7,891 

0,5938 

200 RR, nach 2(7 195, nach l- 1 

j 

thämie (= Nr. 5) 
18. VI. 1920. 

nach l h 

58,4 

7,934 

0,5938 

195 RR. 

12. 

V. 76.) Dieselbe. 3. 

vorher 

58,7 

7,999 

0,5904 

0,002 Colchicin. subkut. Druck 


YII. 1920. 

nach 11' 

56,7 

7,567 

0,5861 

215 RR, nach 3' 188, nach 15' 

! 

i 


nach 30' 

56,45 

7,513 

1 

0,5904 

180, nach 25' 178, nach 9* 170 RR. 
Keine Diuresesteigerung. Vom 
21. VI.—1. VH. im ganzen 0,03 
Colchicin per os erhalten. 


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Über Austauschvorgänge zwischen Blut und Geweben. 


211 


Gründen Kranke mit permanentem arteriellem Hochdruck. Ob es 
sich bei dem Verhalten der Serumkonzentration auf die angewendeten 
Mittel (Papaverin, Chinin, Colchicin) um eine Besonderheit gerade 
dieses krankhaften Zustandes handelt, vermögen wir nicht sicher zu 
entscheiden, halten es aber für unwahrscheinlich. Besteht doch gerade 
bei arteriellem Hochdruck eher eine herabgesetzte Tendenz zu einem 
Einstrom von Gewebsflüssigkeit in das Blut, wie wir in einer weiteren 
Mitteilung darzulegen beabsichtigen 1 ). 

Anhangsweise wollen wir noch erwähnen, daß wir in einem Falle 
von chronischer Glomerulonephritis, wo wir den Einfluß von 0,01 
Pilocarpin, hydrochloric. subcutan verfolgten, eine Konzentrations¬ 
zunahme des Serums von 7,006% innerhalb von 12 Min. auf 7,442%, 
nach 35 Min. auf 7,610% beobachten konnten. Der NaCl-Gehalt des 
Serums blieb unverändert. (0,5974—0,6115%) Nach 12 Min. begann 
der Kranke intensiv zu schwitzen. Auffallend war die sehr beschleu¬ 
nigte Gerinnung des Blutes nach der Pilocarpineinspritzung. Auch in 
einem zweiten Falle, wo wir allerdings nur den NaCl-Gehalt des Serums 
nach Pilocarpin bestimmten, blieb derselbe unverändert (0,6316%, 
nach 10 Min. 0,6211%). Über den Einfluß des Schwitzens auf die 
Austauschvorgänge zwischen Blut und Geweben stehen sich die An¬ 
gaben von Gross und Kestner sowie E. Cohn einerseits und von 
Bogendörfer andererseits gegenüber. Die zwei von uns angestellten 
Versuche mit Pilocarpin berechtigen natürlich nicht zu allgemeinen 
Schlußfolgerungen. 


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*) Vgl. J. Bauer, Kongr. f. inn. Med. 1921. 


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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 

Von 

Prof. Dr. H. Boruttau und Dr. K. Grassheim. 

(Aus dem Physiologisch-Chemischen Laboratorium des Stadt. Krankenhauses im 

Friedrichshain in Berlin.) 

(Eingegangen am 28 . Januar 1922.) 

Während über die pharmakologischen Eigenschaften des Calciums 
und Bariums sowie über das Magnesium zahlreiche Arbeiten existieren, 
welche die Wirkungsweise dieser Elemente und ihrer Salze sowohl in 
rein experimenteller Beziehung als auch in klinisch-therapeutischer 
Hinsicht ausführlich behandeln, sind die Angaben über das in die erst¬ 
genannte Gruppe gehörige und mit letzterem in manchem verwandte» 
Strontium äußerst spärlich. Was wir hierüber wissen, ergibt sich aus 
mehr oder weniger nebenher gemachten Angaben solcher Autoren, 
welche Strontiumverbindungen als Vergleichsobjekt bei ihren Ver¬ 
suchen über die Wirkungsweise ähnlicher oder verwandter Salze ange¬ 
wandt haben. 

Lediglich nach einer Richtung hin, und zwar über die Wirkungsweise 
des Strontiums auf das Knochensystem, ist in letzter Zeit experimentell 
gearbeitetworden, und es gebührt Lehnerdt 1 ) zweifellos das Verdienst, 
uns durch seine Untersuchungen wichtige Aufschlüsse über gewisse 
Beziehungen des Strontiums zu Stoffwechselvorgängen im Knochen ge¬ 
geben zu haben. Außer seinen Arbeiten aber gibt es keine, welche die 
Pharmakologie des Strontiums zum Ausgangspunkt weiterer 
Untersuchungen gemacht hätte. 

Es ist dies um so erstaunlicher, als schon lange, und zwar besonders 
in Frankreich und Amerika Strontiumsalze Aufnahme in Pharmakopoen 
gefunden haben und die Indikationen für den therapeutischen Gebrauch 
merkwürdig mannigfaltig sind. So sind Strontiumsalze gegen Rheuma, 
Gicht, Herzkrankheiten, Epilepsie, Chorea, Magen-Darmerkrankungen, 
Askariden, Pleuritis, Nephritis — ja selbst gegen Gallensteine in den 
verschiedensten Verbindungen verordnet und, wenn man den Angaben 
Glauben schenken will, mit Erfolg gegeben w r orden. 

x ) Lehnerdt, Jahrbuch f. Kinderheilk. 1910, 7; Zeitschr. f. d. ges. exp. 
Med. 1913, 1. 


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214 


JI. Boruttau und K. Grass! ici in : 


Alle diese Indikationen aber basieren nicht — wenigstens soweit 
dies aus der uns gegenwärtigen Literatur hervorgeht — auf irgendwelchen 
systematischen pharmakologischen und toxikologischen Untersuchungen, 
sondern es waren anscheinend nur empirische, klinische Beobachtungen 
maßgebend, auf Grund derer sich der Gebrauch des Strontiums von 
Generation zu Generation übertragen hat. 

Inwieweit die klinischen Indikationen zu therapeutischem Han¬ 
deln nun zu Recht bestanden haben oder bestehen, soll weiter unten 
als logische Folge unsere Untersuchungsergebnisse erörtert werden. 
Wenn wir uns jedoch die Frage vorlegen, warum bei den verschiedenen 
Verbindungen gerade das Strontium als Komponente gewählt wurde, so 
dürften wir in der Vermutung nicht fehl gehen, daß ein wesentliches Mo¬ 
ment hierfür die relative Ungiftigkeit des per os gegebenen Strontiums ist. 

Unser Interesse galt im wesentlichen der Frage, welchen Einfluß 
das Strontium auf das Nervensystem auszuüben vermag. 
Wir gingen dabei von eitler Beobachtung aus, welche jüngst durch 
Alwens und Grassheim 1 ) veröffentlicht wurde. Es fiel diesen nämlich 
auf, daß nach Verabreichung von Strontium lacticum die Knochen¬ 
schmerzen bei Patienten, welche an Osteopathie und ähnlichen Er¬ 
krankungen aus der Gruppe der Osteoporosen litten, sehr schnell zurück¬ 
gingen. Es wurde zunächst angenommen, daß diese Erscheinung durch 
rein mechanische Momente: Festigung des Knochens durch Bildung eines 
mit Kalksalzen imprägnierten neuen Knochengewebes zu Stande käme. 
Da es sich jedoch herausstellte, daß die Schmerzhaftigkeit und Schmerz¬ 
empfindlichkeit schon zu einer Zeit zurückging, in der nach allen Erfah¬ 
rungen eine Sklerosierung des Knochens noch nicht stattgefunden 
haben konnte, und da auch bei daraufhin angestellten Versuchen das 
Sr einen sedativen Einfluß auf neuralgische Beschwerden auszuüben 
vermochte, glaubten Alwens und Grassheim annehmen zu können, 
daß es sich bei der schmerzstillenden Wirkung um eine spezifische Eigen¬ 
schaft des Strontiums handele. Den Beweis für die Richtigkeit dieser 
Annahme erbrachte dann letzterer, indem er an Kaninchen nachweisen 
konnte, daß SrCl 2 -Lösungen von bestimmter Konzentration — subcutan 
injiziert — die Erregbarkeitsschwelle bei elektrischer Reizung der Haut 
herabzusetzen vermögen. 

Diese Tatsache regte uns dazu an, weiteren Wirkungen des Stron¬ 
tiums auf das peripherische und zentrale Nervensystem nachzugehen und 
somit einen Überblick über seine Stellung in der Gruppe der Erdalkalien 
und über sein Verhalten gegenüber verwandten Stoffen zu gewinnen. 
Eine derartige Feststellung erschien uns um so wesentlicher, als ganz 
verstreut sich in der physiologischen Literatur Angaben finden, welche 
eine Nachprüfung bisher nicht gefunden haben. 

x ) W. Alwens und K. Grassheim, Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 42. 


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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


215 


Es erscheint dies in gewissem Grade verständlich, denn wenigstens 
zu der Zeit, aus der diese Veröffentlichungen stammen, beschäftigte 
sich die reine Physiologie im wesentlichen mit der Erforschung solcher 
Elemente und Stoffe, welche als Bestandteile des menschlichen Orga¬ 
nismus in ihren Zustandsänderungen für die Funktionen des Körpers 
von Wichtigkeit erschienen. Zu diesen aber gehörte das Sr nicht, und 
hierin haben wir wohl auch den Hauptgrund zu suchen, warum bisher 
nicht, wie z. B. über das Calcium und Magnesium, ausführliche Arbeiten 
bestehen, welche sich mit dem Einfluß dieses Erdalkalis auf die verschie¬ 
denen Ge websarten im Körper beschäftigen. Es kommt noch eins hinzu: 
Die neue Epoche der biologischen Anwendungen der physikalischen 
Chemie, welche eine Wandlung der ganzen Auffassungsweise in betreff der 
verschiedenen Mineralstoffe mit sich brachte, setzte ein, als im Anfang 
der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts Grützner 1 ) und seine Schüler 
ihre grundlegenden Untersuchungen über die chemische Reizung von 
Nerven zum erstenmal systematisch mit äquimolekularen Lösungen 
anstellten und die Kenntnis von der Bedeutung der Ionen-Wirkung 
in der Physiologie und Pharmakologie sich Bahn brach, besonders 
dank den wichtigen Arbeiten, als deren Autoren an erster Stelle Franz 
Hofmeister 2 ), J. Loeb 3 ), Overton 4 ) undHoeber 5 ) genannt werden 
müssen. 

Die Untersuchungen der genannten Autoren sind deshalb auch heute 
noch für uns von unschätzbarem Wert, weil sie überhaupt erst eine Grup¬ 
pierung der einzelnen Elemente ermöglichten und wissenschaftlich er¬ 
klärten. Die Untersuchungen, die den relativen Einfluß der An- und 
Kationen in angewendeten Elektrolyten festlegten, wiesen nach, daß 
die elektrische Ladung und die Wanderungsgeschwindigkeit der betreffen¬ 
den Ionen als maßgebende Faktoren anzusprechen seien. So ließen sich 
die Elemente je nach der untersuchten Wirkung physikalisch-chemischer 
oder physiologischer Art zu bestimmten Reihen anordnen, wobei deut¬ 
liche Analogien in der Wirkung der einwertigen Kationen (Alkalimetall¬ 
ionen), der zweiwertigen Erdalkalionen und der dreiwertigen Leicht¬ 
metallionen hervortraten. Für die normalerweise zum Bestand des 
Zellinhalts und der Körperflüssigkeiten gehörenden Mineralstoffe hat 
es sich herausgestellt, daß das anatomische und funktionelle Verhalten 
von einem Gleichgewicht der zu den verschiedenen Gruppen gehörigen 

Ionen, insbesondere der Kationen abhängig ist. Eine Störung in diesem 
-- # 

*) Grützner, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 53, 83. 1892; 58, 69. 1894; 
Blumenthal, ebenda 63, 513. 1896. 

2 ) F. Hofmeister, Arch. f. exp. Pathol. 28, 210. 1891. 

3 ) J. Loeb, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 69, 1. 1898; ebenda 91, 248. 
1902. 

4 ) O verton, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 105 , 176. 1905. 

°) R. Hoeber, ebenda 120 , 492. 1907; 126 , 33L 1909. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. ] 5 


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216 


H. Boruttau und K. Grassheim: 


Gleichgewicht durch Überwiegen des einen oder anderen Ions führt zu 
ausgesprochenen physikalisch-chemischen und funktionellen Änderungen 
im Organismus. Es ist dabei wichtig zu wissen, daß bestimmte Anta¬ 
gonismen, nämlich zwischen Na und K, Na und Ca einserseits, dem K 
und Ca, Ca und Mg andererseits bestehen, welche besonders dann in 
Erscheinung treten, wenn es sich um stärkere Lösungen handelt, als der 
Konzentration der Körperflüssigkeit und des Zellinhalts entspricht. 

Im Zusammenhang mit dem Strontium denken wir hier hauptsächlich 
an die Beobachtungen über die narkotische resp. anästhesierende Wir¬ 
kung der Magnesiumsalze, welche besonders durch Meitzer und seine 
Mitarbeiter bekannt geworden sind, und die auch eine gewisse praktische 
Bedeutung in der Medizin gewonnen haben. 

Bei den Untersuchungen, die Meitzer 1 ) angestellt hat, handelt es 
sich einmal um die totale Anästhesie durch subcutane Injektionen, 
zweitens um die narkotisierende Wirkung der Magnesiumsalze auf die 
verschiedenen Nerven und schließlich um die Einflüsse, welche sich 
auf die Zentren der Medulla oblongata geltend machen, unter besonderer 
Berücksichtigung der toxischen Wirkung bei intravenöser Injektion. 

Um nun auf eine Vergleichung der Wirkungen des Strontiums und 
Magnesiums zunächst am peripherischen Nerven hinarbeiten zu können, 
mußte auf Meitzers und Auers 2 ) Beobachtungen in dieser Hinsicht 
eingegangen werden. Die Autoren kommen auf Grund ihrer Versuche 
zu dem Schluß, daß Lösungen von Magnesiumsalzen, selbst in starker 
Konzentration, sofern sie direkt mit dem lebenden Nerv in Berührung 
gebracht werden, anscheinend keine Erregung erzeugen, sondern daß 
im Gegenteil sowohl bei hyper- als auch bei iso- und hypotonischen Lö¬ 
sungen die Leitungsfähigkeit für physiologische und künstliche Reize 
unterbrochen sein resp. ein totaler Block eintreten kann, und zwar ist 
der Effekt um so größer, je stärker die Konzentration gewählt wird. 

Für die Deutung dieser Befunde ist vor allen Dingen die angewandte 
Methodik zu berücksichtigen. Meitzer und Auer haben ihre Versuche 
anKaninchen angestellt, und zwar so, daß sie peripherische Nervenstämme 
freilegten und auf diese mit Magnesium- resp. Kochsalzlösungen 
getränkte Wattebäusche einwirken ließen. Zu der Operation selbst 
erhielten die Tiere Äthemarkose und bekamen zum Teil außerdem 
vorher noch Morphium. Wir haben bei unseren Versuchen aus verschie¬ 
denen Gründen Abstand von dieser Art der Methodik genommen. 
Es schien hns bedenklich, den frei gelegten Nerv längere Zeit dem aus¬ 
trocknenden Einflüsse der Luft auszusetzen, durch welchen schon an 
und für sich bekannterweise ein verändertes Verhalten in bezug auf die 

*) Meitzer, Berl. klin. Wochenschr. 1906, Nr. 3; Dtsch. med. Wochenschr. 
1909, Nr. 45. 

2 ) Meitzer und Auer, Americ. joum. of physiol. l4, 366. 1906. 


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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


217 


Reaktionsfähigkeit resultiert, selbst wenn, was Meitzer und Auer 
durch diese Methode zu erreichen suchten, die Durchblutung der Um¬ 
gebung des Operationsfeldes nicht gestört wird. Weiterhin aber glaubten 
wir — und das gilt besonders für das Sr —, daß eine gewöhnliche Wa¬ 
schung des freigelegten Nerven mit Ringerlösung nicht mit völliger Sicher¬ 
heit die totale Aufhebung der vorangegangenen Versuchswirkung ge¬ 
währleistete. Hierdurch aber dürften weitere Versuche mit demselben 
Tier an Genauigkeit einbüßen. Besonders jedoch wollten wir der Wir¬ 
kung anderer Narkotica wie Äther und Morphium von vornherein ent¬ 
sagen, um jegliche anders zu deutenden Einflüsse ausschalten zu können. 

Es sind darum zunächst Versuche mit subcutanen Injektionen 
vorgenommen worden, die, wie wir oben bereits erwähnt, schon von einem 
von uns (Grassheim) veröffentlicht wrnrden, aber der Vollständigkeit 
wegen hier nochmals angeführt werden sollen. 

Die Versuche wurden folgendermaßen angestellt: 

1. Kaninchen, männlich, 380 g Gewicht. 

Das Tier wird beiderseits an den Nates glatt rasiert. Beiderseits 
wird mittels faradischen Stromes an den abrasierten Stellen die normale 
(faradische) Hautempfindlichkeit festgestellt. Erste deutliche Reaktion 
tritt mit einer Primärspannung von 4 Volt bei einem Rollenabstand 
(mit Eisenkern) von 120 mm ein. 

Zum Vergleich wurden nun links NaCl und rechts SrCl 2 -Lösungen, 
und zwar stets in gleicher molekularer Konzentration und Menge auf 
0,9% NaCl berechnet — subcutan injiziert und draufhin in gleichen 
Zeitabständen Reizungen vorgenommen. Es seien nur hier die Grenz¬ 
zahlen des jeweiligen Reaktionseintrittes an der Haut verzeichnet. 


Zeit nach 

| NaCl 

| SrCl f | . 

der Injektion 

1 isotonisch | 

2 Min. 

120 

155 j| Rollen- 

4 Min. 

135 

140 [ / abstand 

6 Min. 

125 

136 |" in mm 


Nach weiteren 3 Minuten war beiderseits die Wirkung abgeklungen, 
der normale Reaktionseintritt der Haut erfolgte nunmehr wieder bei 
einem Abstand von 120 mm. 

Es folgte die subcutane Injektion von 5 ccm 4 mal stärkerer Lösungen 
erst links NaCl, dann rechts SrCl 2 . 


Zeit nach 
der Injektion 

2 Min. ! 

4 Min. I 

6 Min. !| 


NaCl 

| SrCl, 

vierfach 

Isotonisch 

125 

1 135 

120 

130 

115 

j 100 


15* 


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218 H. Boruttau und K. Grassheim: 

3 Minuten nach vollständiger Resorption der Quaddeln war die 
NaCl-Wirkung wieder abgeklungen: Die Haut reagierte konstant bei 
Rollenabstand 120. Anders verhielt sich die SrCl-Seite. Hier kehrte die 
Reizbarkeit nicht zur Norm zurück, sondern blieb dauernd darunter. 
Die angegebenen Versuche sind also folgendermaßen zu deuten: 

Isotonische Lösungen von NaCl und SrCl 2 setzen die Erregbarkeit 
der Haut herauf, und zwar Sr stärker als Na. Bei einer viermal stärkeren 
Lösung wird durch SrCl 2 zunächst noch eine Überregbarkeit, bald aber 
eine langanhaltende Hypästhesie hervorgerufen, während das NaCl in 
gleicher Konzentration nur eine schwache schnell abklingende Wirkung 
zeigt. 

Dasselbe Tier wurde nach 24 Stunden wiederum gereizt. Auf der 
linken Seite trat wie zu Beginn des Versuchs die Reaktion bei 120 mm 
ein. während rechts das Strontium deutlich eine Herabsetzung zurück¬ 
gelassen hatte, der Rollenabstand für die Messung betrug nur 110 mm. 
Unter den gleichen Bedingungen wairden nun 5 ccm einer fünf- und 
zehnmal stärkeren Lösung injiziert. Es ergab sich*folgendes Bild: 


Zelt nach 

jsaCl 

| SrClj 

der Injektion ■' 

fünffach isotonisch 

2 Min. 

140 

120 

4 Min. 

135 

110 

6 Min. 

125 

90 

8 Min. 

120 

80 


Auf die Injektionen einer zehnmal stärkeren Lösung trat bei NaCl 
Ätzwirkung ein, bei SrCl 2 betrug der Rollenabstand nach 2 Minuten 
noch 65 mm, um dann in völlige Anästhesie überzugehen. Wir möchten 
jedoch davon absehen, diesen Befund zu verwerten, da wir bei einer 
derartigen Konzentration eine lokale Ätzung mit Sicherheit nicht aus¬ 
schließen zu können glauben, trotzdem das Tier die Injektion gut 
vertrug und später durch Präparation der Injektionsstellen und der 
Umgebung beiderseits festgestellt werden konnte, daß keinerlei örtliche 
Schädigungen eingetreten waren. 

2. Zur Kontrolle wurden nun die Versuche an einem zweiten Tier 
unter denselben Bedingungen ausgeführt. Es sei der Kürze wegen hier 
nur mitgeteilt, daß auch bei ihm die Resultate in demselben Verhältnis 
standen wie bei dem ersten Tier. 

Ein weiterer Weg zur genaueren Untersuchung der Erregbarkeit 
und Leistungsfähigkeit schien uns die Beobachtung und eventuelle 
Registrierung der Aktionsströme ausgeschnittener Kaltblüternerven, 
welche in Salzlösungen verschiedener molekularer Konzentrationen 
aufbewahrt wurden; Beobachtungen, wie sie heutzutage mit Hilfe 
des Saitengalvanometers mit weitgehender Treue möglich sind. Mit 



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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


219 


strontiumhaltigen Salzgemischlösungen verschiedener molekularer Kon¬ 
zentration unter Vergleichung mit entsprechenden Mg und Ca enthal¬ 
tenden Medien wurden Versuche im Rahmen ausgedehnterer pharma- 
kologisch-bioelektrischer Studien angestellt, über deren Ergebnisse 
der eine von uns (Boruttau) im Anschluß an bisherige vorläufige Mit¬ 
teilungen an andererStelle ausführliche Veröffentlichungen beginnen wird. 
Es soll deshalb über Technik und Ergebnisse hier nur so viel mitgeteilt 
werden, wie zur Kennzeichnung der Strontiumwirkung auf die Nerven¬ 
faser grundsätzlich wichtig ist. 

Es wurde ein Instrumentarium benutzt, dessen Meßgerät das von 
der Firma Huth hergestellte Saitengalvanometer Martensscher 
Anordnung bildet. Das Bild der Saite konnte in etwa tausendfacher 
Vergrößerung auf einem mit Millimeter-Einteilung versehenen Schirm 
beobachtet und die Ausschläge nach Bedarf photographisch registriert 
werden. Es wurde regelmäßig die Reizschwelle, erkennbar an der eben 
merklichen Saitenbewegung durch den einphasischen Aktionsstrom bei 
Reizung mit einzelnem Öffnungsinduktionsschlag (ohne Eisenkern) 
aufgesucht und der Rollenabstand in Millimetern notiert als Maß der 
Erregbarkeit des auf zwei Nickeldraht-Elektroden aufliegenden zen¬ 
tralen Endes vom Doppelischiadicus, während von dem peripherischen 
Ende desselben an der Längsoberfläche und am häufig erneuerten 
thermischen Querschnitt mit unpolarisierbaren Elektroden (Amalgam. 
Zn, ZnS0 4 , NaCl-Ton) abgeleitet wurden. 

Außer der Reizschwelle wurde die Leistungsfähigkeit fortlaufend 
kontrolliert in Gestalt des einmaligen bzw. oszillatorischen Saitenaus¬ 
schlags, welcher durch einzelne Schließungs- und Öffnungsinduktionsreize 
sowie durch tetanisierende Reize verschiedener Dauer (Neefscher 
Hammer mit etwa 35 Untersuchungen pro Sekunde, gewöhnliche An¬ 
ordnung ohne Nebenschließung) hervorgerufen wurde. 

Zum Zwecke ihrer Beobachtung auf dem Schirm wurde zunächst 
mit einer stark entspannten Saite gearbeitet, deren hohe Empfindlichkeit 
(Platin oder Aluminium von etwa 2 fi Dicke) und deren träges Reagieren 
dazu geeignet ist, die charakteristischen Erscheinungen des Ermüdungs¬ 
und ErholungsVorganges, deren Ausbildungsgrad einen Maßstab für 
den jeweiligen Zustand der Leistungsfähigkeit der Nervenfaser bildet, 
mit äußerster Genauigkeit von Augenblick zu Augenblick zu verfolgen. 
Es sind dies das allmähliche Auftreten, Größerwerden, später wdeder 
Abnehmen und Verschwinden der Heringschen positiven Nachschwan¬ 
kung nach einer Reizreihe und evtl, an ihrer Stelle oder auch ihr voraus¬ 
ausgehend der Rückstand der Äktionsnegativität der Längsschnitt¬ 
elektroden (negative Retention von S. Garten und K. Tigerstedt). 
Die negative Retention als träger Rückgang der Saite beim Einzelaktion¬ 
strom ist bei stark entspannter Saite eine dem Beobachter am Schirm 


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II. Boruttau und Iv. Grassheim: 


220 

ohne weiteres augenfällige Erscheinung. Die ganz leichte maximalemp¬ 
findliche Aluminiumsaite, mit Recht von Wertheim - Salomonson 
empfohlen, läßt mitunter die positive Nachschwankung selbst nach dem 
Einzelaktiotisstrom deutlich erkennen, was bisher am markhaltigen 
Nerven nie gelungen zu sein scheint und nur am marklosen Riechnerven 
des Hechtes von Garte n bereits mit dem Capillarelektrometer verzeichnet 
werden konnte. Fähigkeit zum Auftretenlassen der positiven Nach¬ 
schwankung nach einer nicht ganz kleinen Reizreihe und Dehnung des 
Einzelaktionsstroms als Zeichen beginnender Ermüdung sind, wie der 
eine von uns (Boruttau) an anderer Stelle ausführlicher auseinander¬ 
setzt, Kriterium eines Zustandes guter Leistungsfähigkeit der Nerven¬ 
faser. Die positive Nachschwankung ist ja schon von ihrem Entdecker 
Ewald Hering mit dem Restitutionsvorgang in Zusammenhang ge¬ 
bracht worden; sie tritt zurück: bei tiefer Temperatur und unter Ein¬ 
wirkung der Narkotica, zu denen auch das Kohlendioxyd gehört. 

Diese Agenzien dehnen im Beginn ihrer Einwirkung stark den Ver¬ 
lauf der EiTegungserscheinungen; später, wenn durch tiefe Narkose 
oder starke Ermüdung eine Herabsetzung der Leistungsfähigkeit in 
hohem Maße eingetreten ist, kommt es zum Verschwinden der negativen 
Retention, wobei durch dauernde Negativierung der Längsoberfläche 
eine Verminderung des Längs-Querschnittstroms ablesbar werden kann, 
soweit nicht Einflüsse sie kompensieren, die auf die Negativität des 
Querschnittes herabsetzend wirken. 

Der Aufenthalt der Froschnerven in Ringerscher Lösung, die mit 
vSrClg-Lösung in geeignetem Verhältnis gemischt ist, setzt nach kurzdau¬ 
ernder Steigerungsphase unweigerlich die Leistungsfähigkeit herab, 
in ähnlicher Weise, wie es auch bei Zusatz von CaCl 2 , BaCl 2 und MgCl 2 - 
Lösungen entsprechender molekularer Konzentration der Fall ist. In 
allen Fällen ist bei rechtzeitiger Abspülung und Wiederübertragung 
in reine Ringerlösung eine Wiederherstellung der anfänglichen Leistungs¬ 
fähigkeit ganz oder teilweise möglich. 

Wie sich in dieser Beziehung Sr, Calcium und Magnesium verhalten, 
soll in folgendem durch verkürzte Wiedergabe einiger Versuchsbeispiele 
erläutert werden. 


1. Versuch vom 19. VII. 1921. 3 frische Doppelischiadici von Rana temporaria in 
neutraler Ringerlösung. Beginn 11 Uhr. Aluminiumsaite, soweit entspannt, daß 
einmal 10" 7 Amp. gleich 120 mm Ablenkung. 


Doppelnerv 

I 

II 

III 

1. Längsquerschnittstrom (mm Abi.) . . . 

2. Reizschwelle für Einzelöffnungsschlag 

4-200 

+150 

+ 250 

(ohne Eisenkern) in mm RA. 

90 

80 

75 

3. Bei dreimaliger Tetanisation mit 60 mm 
RA je 15 Sek. lang. Negative Schwankung 

— 35 

— 18 

—50 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


221 


Doppelnerv I 

II 

III 

4. Nach Aufhören derselben. 

neg. Ret. 

neg. Ret. 

pos. Nach- 



schwankg. +2 

5. Tetanisation wie oben 2 Minuten lang. 




Negative Schwankung. 

— 40 

— 25 

— 60 

6. Nach Auf hören derselben. 

Pos. N. + 2 

+1>5 

+ 1 

7. Einzelschwankung, Charakter. 

deutl. gedehnt 

deut. ged. 

stark ged. 

8. Die Präparate werden gelegt. 

11h 25' in 

11*35' in 

11* 40' 


gleiche Teile 

gleiche Teile 

Ringer 


Ringer und 

Ringer und 

neutral 


isot. Stron- 

isoton. Cal- 



tiumchlorid 

ciumchlorid 


wieder untersucht um 

l h 35' 

1*25' 

1* 15' 

1. Längsquerschnittstrom. 

+ 200 

+ 200 

+ 250 

2. Reizschwelle Öffnungsschi, mm RA . . 

60 

50 

65 

3. Dreimal. Tetanis. wie oben, neg. Schw. 

— 17 

— 6 

—45 

4. Nach Aufhören. 

glatter Abf. 

pos. Nach- 

neg. Re- 



schwkg. +1 

tent. 

f>. Tetanisation 2 Min., neg. Schwankung . 

— 12 

—4 

— 75 

6. nach Auf hören. 

pos. N. + 2 

neg. Ret. 

starke 




neg. Ret. 

7. Einzelschwankung, Charakter. 

gedehnt 

nicht ged. 

mäß. ged. 

8. Die Präparate kommen. 

in Ringer u. 

in Ringer u. 

in Ringer 


Strontium - 

Calcium¬ 

zurück 


chlorid zur. 

chlorid zur. 



Nervenpräparate vom 19. VII. 1921, untersucht nach 48 Std. am 21. VII. 1921. 
Beginn 11 Uhr, physikal. Konstanten wie früher. 


Doppelnerv 

I 

II 

III 


aus stron- 

aus calc.- aus reinem 

tiumh. Ringer 

halt. R. 

Ringer 

1. Längsquerschnittstrom. 

20 

70 

30 

2. Reizschwelle Öffnungsschi, mm RA . . 

30 

unerregbar 

50 

3. Bei Tetanis. wie oben neg. Schw. . . . 

— Spur 


— 3 

4. Nach Aufhören. 


neg. 

Retent. 

Die Herabsetzung der Leistungsfähigkeit sowohl durch den erhöhten Ca-Ionen- 

gehalt als durch den äquivalenten Sr-Gehalt ist schnell 

deutlich. Die 

Wieder- 

herstellung8fähigkeit wurde hier nicht untersucht; sie kam deutlichst 

zur Be- 

obachtung in dem durch 3 Tage fortgesetzten Versuch 2. 



2. Versuch vom 25. VII. 1921. Drei ganz frisch präparierte Doppelischiadici. 

Physikal. Verh. Ssp. 60 mm, sonst wie oben. 

Beginn 11 Uhr. 


Doppelnerv 

I 

II 

III 

1. Längsquerschnittstrom mm Abi. . . . 

45 

160 

200 

2. Reizschwelle Öffnungsschi, mm RA . . 

95 

105 

120 

3. Bei Tetanis. 50 mm RA 3 mal 15 Sek. Neg. 
Schwankg. mm Abi. 

— 10 

— 15 

— 35 

4. Nach Auf hören pos. Nachschwa nkg. . . 

+ 2 

+ Spur 

+ 2 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 

















222 


II. Bonittau und K. Grassheim: 


Digitized by 


5. 

6 . 

7. 

8 . 


1 . 

2 . 

3. 

4. 

5. 

6 . 

7. 

8 . 

9. 


1 . 

2 . 

3. 

4. 

5. 


1 . 

2 . 

3. 

4. 

5. 

6 . 

7. 

8 . 

9. 


Doppelnerv 

I 

II 

III 

Tetanis. 2 Minuten Neg. Schwankg.. . 

— 11 

— 17 

— 37 

Nach Aufhören pos. Xachschwankg. . . 

+ 3 

+ Spur 

— 3 

Einzelschw. Charakter. 

etw. ged. 

nicht ged. 

wenig ged. 

Die Präparate kommen. 

ll h 39' 

desgl. 

llh 46 ' 


in gl. Teile 

in reinen 

in gl. Teile 


R. u. 4fach 

Ringer 

R. u. 4fach 


hy perton. 


hy perton. 


Magnesium- 


Strontium- 


chlor.-Lösg. 


chlor.-Lösg. 

Präparat 

I 

II 

III 

um 

1 l h 50' 

12h 08' 

llh so 7 

Längsquerschnittstrom nun Abi. ... 

+ 80 

+ 200 

+ 200 

Reizschwelle öffnsch. mm RA .... 

80 

105 

85 

Tetanisation 50 mm RA dreimal je 15Sek. 




neg. Schw. mm Abi. 

— 12 

— 35 

— 3 

Nach Aufhören. 

neg. Retent. 

PN +1 

+ Spur 

Tetanisation 2 Min. lang neg. Schw. . 

— 10 

—40 

_2 

Nach Aufhören pos. Nachschwankg. . . 

+ 5 

+ 19 

+ Spur 

Einzelschwankg. Charakter. 

nicht ged. 

gedehnt 

n. gedehnt 

Reiz sch. öffngssch. mm RA. 

80 

105 

80 

Die Präparate kommen. 

ll h 57' 

desgl. in 

12h 04' 


in magnes.- 

reim R. 

in Sr.-chlo- 


chloridhalt. 

zurück 

ridhalt. R. 


R. zurück 


zurück 

Weitere Untersuchung 

12^ 15' 


12h 20' 

Längsquerschnittstrom. 

+ 40 


+ 80 

Reizschwelle Öffnschi, mm RA .... 

40 

unerregbar! 

Tetanisation 30 mm RA 3 mal 15Sek. neg. 




Schw. 

— 1 



Nach Aufhören. 

neg. Ret. 



Einzelschwankg. Charakter. 

? 



Die Präparate kommen. 

in reine Ringerl. in reine R.-L. 

Erneute Untersuchung von l h 30' an. 




I 

II 

III 

Längsquerschnittstrom mm Abi. . . . 

+ 60 

+ 130 

+ 6n 

Reizschwelle öffnsch. mm RA .... 

95 

105 

110 

Tetanisation 50 mm RA 3 mal 15 Sek. 




Neg. Schwankg. mm Abi. 

— 15 

— 25 

— 12 

Nach Aufhören. 

+ 4 

+ 2 

-3 

Tetanisation 2 Min. lang. Neg. Schwkg. 

— 20 

— 27 

— 11 

Nach Aufhören. 

+ 10 

+ 4 

-4 

Einzelschwankg. Charakter. 

gedehnt 

gedehnt 

gedehnt 

Reizschwelle öffngschl. mm RA . . . 

95 

105 

110 

Präparate kommen. 

alle drei in 

reine Ringerlösung. 


Fortsetzung am 26. VII. 1921. 



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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


223 



Beginn der Untersuchung ll h 05'. 

I 

II 

III 

1 . 

Längsquerschnittstrom mm Abi. . . . 

+ 110 

+ 140 

+ 200 

2 . 

Reizschw. Öffnschi, mm RA. 

80 

80 

100 

3. 

Tetanis. 40 mm RA 3 mal 15 Sek. Negat. 
Schwkg. mm Abi. 

— 2 

— 25 

—15 

4. 

Nach Aufhören. 

neg. Rete nt. 

pos. N. +1 

+ 3 

5. 

Tetanisat. 2 Min. lg., neg. Schw. . . . 

— 3 

— 25 

— 15 

6 . 

Nach Aufhören. 

gl. Abf. 

+ 1 erst neg. Ret. 





dann pos. 




Schwkg. + 2 

7. 

Einzelschwankg. Charakter. 

etw. gedehnt 

etw. ged. 

wenig ged. 

8 . 

Präparate kommen. 

llh 12 ' in 

llh 22 'in gl. 

llh 34 ' 



magnesium- 

T.R.u.4fach 

in Sr.-hal- 



chloridhaltig. 

hyperton. 

tigen Rin- 



R. wie oben. 

Kochsalzlsg. 

ger 


Zweite Untersuchung: 

I 

II 

III 



um llh 35 ' 

um ll h 45' 

um llh 54 ' 

1 . 

Längsquerschnittstrom mm Abi. . . 

+ 150 

+ 200 

+ 150 

2 . 

Reizschwelle öffnschlag mm RA . . 

60 

110 

80 

3. 

Tetanisation 40 RA 3 mal 15 Sek. Neg. 
Schw. mm Abi. 

— Spur 

— 27 

_ 2 

4. 

Nach Aufhören. 

? 

pos. N. + 3 

+Spur 

5. 

Tetanisation 2 Min. lg., neg. Schw. . 

— Spur 

—22 

—2 

6 . 

Nach Aufhören. 

9 

pos. N. + 2 

+Spur 

7. 

Einzelschwkg, Charakter. 

nicht ged. 

gedehnt 

nicht ged. 

8 . 

Die Präparate kommen zurück . . . . 

llh 42' in 

llh 50 in 

llh 59' i n 


Mg.-halt. 

NaCl-hyper- 

Sr.-haltig. 



Ringer 

ton. R.-gem. 

Ringer. 


Dritte Untersuchung, 26. VII. 1921 

I 

II 

m 



aus MgCl 2 

aus NaCl 

aus SrCl a 



um l h 04 / 

12 h 50' 

lh06' 

1 . 

Längsquerschnittstrom mm Abi. . . . 

+ 50 

+ 160 

+ 50 

2 . 

Reizschwelle öffnschlag mm RA . . . 

unerregbar 

90 

unerregbar 

3. 

Tetanis 3 mal 15 Sek. 40 RA, neg. 
Schwkg. mm Abi. 


— 20 


4. 

Nach Aufhören pos. Nachsehw. 


+ 3 


5. 

Tetanis. 2 Minuten lang, neg. Schw. . 


—30 


6 . 

Nach Aufhören pos. Nachsehw. 


+ 10 


7. 

Einzelschwankung, Charakter. 

stark gedehnt 
mit pos. Nach- 





schw. +1 


8 . 

Präparate kommen alle drei in reine Ringerlösung 


lh 10 ' 


Letzte Untersuchung am 27. VII. 1921. Beginn 11 Uhr, alle Präparate aus 

reiner Ringerlösung. 

I 

II 

ui 

1 . 

Längsquerschnittstrom mm Abi. . . . 

+ 30 

+ 50 

0 

2 . 

Reizschwelle Öffnschi, mm RA .... 

80 

90 fast unerregbar 

3. 

Tetanis. 3 mal 15 Sek. 40 mm RA Neg. 
Schwankg. 

— 3 

— 30 


4. 

Nach Aufhören. 

gl. Abfall 

gl. Abfall 


5. 

Einzelschw. Charakter. 

nicht ged. 

nicht ged. 



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224 


H. Boruttau und K. Grassheim: 


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Aus diesem Versuch ist deutlich ersichtlich, daß durch sowohl Mg- als auch 
Sr-Ionengehalt des Mediums bis zu doppelter Hypertonie sehr bald eine deutliche 
Verminderung der Leistungsfähigkeit eint ritt, sowohl in bezug auf die Erregbarkeit, 
als in bezug auf die Resistenz gegen Ermüdung, Fähigkeit, den Aktionsverlauf zu 
dehnen usw. Diese Verminderung geht bei längerem Aufenthalt bis zur völligen 
Unerregbarkeit; bei rechtzeitigem Verbringen in normales Medium konnte völlige 
Wiederherstellung erzielt werden; bei der magnesiumhalt. Lösung konnte der 
Vorgang ein zweites Mal wiederholt werden; bei der Strontium halt, war in diesem 
Falle die Wiederherstellung nicht mehr geglückt. 

Daß die Hypertonie nicht das wirksame Moment ist, zeigte sich darin, daß 
gleich starker Zusatz von NaCl sogar die Leistungsfähigkeit erheblich steigerte. 

Nachdem unsere Versuche einwandfrei den hemmenden Einfluß 
des Strontiums auf das peripherische Nervensystem dargelegt hatten, 
blieb noch die Aufgabe, wo der Hauptangriffspunkt des Strontiums 
zu suchen ist und ob sonst noch andere Momente, etwa Beeinflussungen 
reflektorischer Art von seiten des zentralen Nervensystems, wesentlich 
mitsprächen. 

Eine besondere Bedeutung schien uns hierbei die Frage zu spielen, 
ob bei dem Strontium eine echte Curare- oder eine curareähnliche 
Wirkung auf die motorischen Nervenendigungen in Betracht käme. 
Letzteres schien uns von vornherein wahrscheinlich, da bei den übrigen 
zweiwertigen Erdalkalionen eine derartige Beeinflussung unverkennbar 
ist. Es darf wohl heute mit Sicherheit angenommen werden, daß diese Wir¬ 
kung — die wir von vornherein als eine Pseudocurarewirkung bezeich¬ 
nen möchten — bei den Erdalkalien auf einer Störung der übereinstim¬ 
menden Geschwindigkeit des Reagierens zwischen peripherem Nerv 
und Muskel beruht, wie das Boruttau bereits früher auseinander¬ 
gesetzt hat. Nicht so bei der echten Curarewirkung. Zwar hatte das 
Ehepaar Lapieque 1 ) die ,,Störung der Resonanz“ als das Wesender 
Wirkungsweise auch des Curare und der verwandten Stoffe angenommen, 
diese Deutung kann aber schon durch die Feststellung Gartens 2 ), 
daß ja das Curare auf den peripheren Nerven als solchen überhaupt 
keinen Einfluß hat, sowie durch die Untersuchungen Böhms 3 ) und 
Boruttaus 4 ) als widerlegt gelten. Anders steht es anscheinend mit dem 
Einfluß der verschiedenen Stoffe auf die peripheren Synapsen, für welche 
Wiechmann 5 ) die Wirkung als allgemeingültig angenommen hat. 
Während also in diesem eben genannten Punkte, nämlich der Wirkungs¬ 
weise auf die Synapsen des Curare und Magnesiums — für dieses hat 
Meitzer die echte Curarewirkung nachgewiesen — einerseits, der zwei¬ 
wertigen Erdalkalien andererseits auf eine Übereinstimmung zu rechnen 

1 ) Lapieque, Compt. rend. de la soc. debiol. 65, 733. 1909; 68, 1067. 1910. 

2 ) Garten, Arch. f. experim. Path. 68, 243. 1912. 

3 ) Böhm, Arch. f. experim. Path. 63, 177. 1910. 

4 ) Boruttau, Zentralbl. f. Physiol. 31 , 303. 1917. 

5 ) Wiechmann, Berichte f. d. ges. Physiol. t, 174. 1920. 



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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


225 


war, konnten wir erwarten, daß sich in anderen Momenten und so 
auch in bezug auf die periphere Anästhesierung wesentliche Unterschiede 
in betreff der Angriffspunkte ergeben würden. 

Hierauf schien uns schon die Stellung des Strontiums zwischen 
dem körpereigenen Calcium und dem so giftigen Barium bestimmte 
Wege zu weisen. 

Die Versuche wurden alle unter den gleichen Bedingungen an 
Fröschen angestellt. Die linke Arteria femoralis des Frosches wurde 
jeweils unterbunden und ihm hierauf bestimmte Mengen der Lö¬ 
sungen in die Lymphsäcke injiziert. Nach Resorption der Quaddeln 
wurden links und rechts an den beiden freigelegten und zentral unter¬ 
bundenen Nervi ischiadici indirekte und an den Musculi gastrocnemii 
direkte Reizungen vermittels Einzelschlägen und Tetanisierung vor¬ 
genommen und die Schwellenwerte beim ersten Eintritt einer Reaktion 
notiert. Wir arbeiteten dabei mit einer Primärspannung von 2 Volt 
(1 Akkumulator) und benutzten ständig den Eisenkern. 


Versuch I. 15. X. 1921. 10 Uhr 30 Min. vormittags. 
Injektion von 5 ccm einer vierfach isotonischen SrCl 2 -Lösung. 
10 Uhr 45 Min. Atmungsstillstand, Reflexe stark herabgesetzt. 


Tetanisierung 

Reizung 

links 

rechts 


indirekt 

340 

310—300 1 ^ , 


direkt 

160 

| Rollenabstand in mm 

1 Uhr 15 Min. Schenkel werden isoliert. 

Einzelschläge 

indirekt 

ö 310 

ö 270 


direkt 

ö 190 

ö 210 



S 160 

S 190 

Ö = Öffnungsinduktionsschlag, S = 

Schließungsindnkt ionsschlag. 

Versuch II. 17. 

X. 1921. 12 Uhr 45 Min. vormittags. 

Injektion von 5 

ccm einer doppelt isotonischen MgCl 2 -Lösung. Schnelle Re- 

spirationslähmung. 




Tetanisierung 

Reizung 

links 

rechts 


direkt 

250 

280 1 _ „ 


indirekt 

310 

140 I R°^ ena " 8 ^ an( i ln mrn 

Einzelschläge 

direkt 

ö 150 

ö 180 


indirekt 

ö 140 

unerregbar 

Versuch III. 18. X. 1921. 11 Uhr vormittags. Injektion von 2 ccm einer 

doppelt isotonischen SrCl 2 -Lösung. 



Tetanisierung 

Reizung 

links 

rechts 


direkt 

170 

180 


indirekt 

460 

420 

Einzelschläge 

indirekt 

ö 330 

Ö 340 


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Original fro-m 

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226 


II. Boruttau und K. Grassheiin: 


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Versuch IV. 21. X. 1921. 11 Uhr 20 Min. vormittags. Injektion von 5 ccm 
einer doppelt isotonisehen MgCl 2 -Lösung nach 30 Minuten: 


Einzelschläge 

Reizung 

links 

rechts 


indirekt 

ö 320 

Ö 160 



S 300 

S 130 1 


direkt 

Ö 170 

Ö 170 ( R°^ ena b s i ar| d in mm. 



S 140 

S 140 

Tetanisierung 

indirekt 

350 

160 


direkt 

180 

180 

Nach 2 Stunden: 




Einzelsehläge 

Reizung 

links 

rechts 


direkt 

ö 180 

Ö 140 



S 150 

S 100 


indirekt 

Ü 300 

Ö 0 



>S 220 

S 0 

Tetanisierung 

indirekt 

270 

0 


direkt 

140 

120 


Aus den eben wiedergegebenen Versuchen dürfte der Unterschied 
zwischen dem Strontium und dem Magnesium in bezug auf ihre Curare- 
wirkung deutlich hervorgehen. Überblicken wir nochmals kurz die Wir¬ 
kungsweise des Strontium auf das periphere Nervensystem, so ergibt 
sieh folgendes Bild: Sowohl auf die sensiblen als auch auf die 
motorischen Nervenstämme übt das Strontium eine hem¬ 
mende Wirkung aus. Die Herabsetzung der Erregbarkeit, die 
der Gruppe der Erdalkalien in ihrer Gesamtheit eigen ist, äußert sich 
bei elektrischer Prüfung am Kaltblüternerv in einer Ver¬ 
längerung des zeitlichen Ablaufs der Aktionsströme, und 
zwar steht das Strontium auch hier zwischen dem Calcium 
und dem Barium, indem es stärker als ersteres und schwächer als 
letzteres in genanntem Sinne seine Beeinflussung geltend macht 1 ). 
In der praktischen Auswirkung, nämlich der Leistungsfähig¬ 
keitsverminderung wozu auch eine Herabsetzung der Lei¬ 
tungsgeschwindigkeit gehört, ähnelt es so dem Magnesium, 
ebenso wie auch die Aufhebung ihrer Wirkung durch geeig¬ 
nete Behandlung mit physiologischen Salzgemischlösungen 
bei beiden erreicht werden kann. Allerdings ist zu bemerken, daß 
gerade den Nerven gegenüber die schädigende Wirkung des Strontiums 
im Vergleich zu äquimolekularen Lösungen von Magnesium intensiver 
zu sein scheint und das Strontium bei geeigneter Konzentration schon 
zu den irreversiblen Schädigungen, welche das Barium hervorrufen 
kann, überleitet. Über die Toxizität im speziellen wird noch weiter 
unten die Rede sein. 

*) Siehe auch die vorläufige Mitteilung des einen von uns (B.) im Zentral bl. f. 
Physiol. 31 , 1. 1916. 


Gck igle 


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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


227 


Wesentliche Unterschiede bestehen zwischen dem Stron¬ 
tium und Magnesium in den Angriffspunkten, an welchen 
beide Elemente ansetzen. Während das Magnesium eine 
durchaus curareartige Wirkung besitzt, kann man beim 
vStrontium nur von einer Pseudocurarewirkung sprechen, 
d. h., es hat keinen lähmenden Einfluß auf die motorischen 
Nervenendigungen, sondern wirkt nur hemmend auf die 
peripherischen Nervenfasern in ihrem Verlauf, wie wir durch 
geeignete Versuche an Kaltblütern fessteilen konnten. 

Noch mehr als am peripheren Nervensystem machen sich die grund¬ 
legenden Unterschiede zwischen Magnesium und Strontium in ihrer 
Beziehung zum zentralen Nervensystem bemerkbar. 

Meitzer konnte durch subcutane Einspritzung von geeigneten 
Dosen von Magnesiumsalzlösungen eine ziemlich langdauemde tiefe 
Narkose mit vollständiger Muskelerschlaffung erwirken, von der sich 
die Tiere wieder ganz erholten. Es zeigte sich also hiermit, daß das Magne¬ 
sium den echten Narkoticis sehr nahe steht. 

Das Material, an dem Meitzer und Auer ihre diesbezüglichen 
Versuche angestellt haben, ist reichlich und mannigfach. Sie hatten 
Kaninchen, Katzen, Hunde, Meerschweinchen, Hühner und Frösche 
zur Verfügung und kommen zu dem Schluß, daß die wirksame Dosis 
zwischen 1 und 2 g pro Kilo Körpergewicht liegt und daß im allgemeinen 
eine Anästhesie mit 1,5 g des Salzes pro Kilo Körpergewicht bei fast 
allen Tieren erreicht wird. Letztere Dosis hatten sie besonders für 
Kaninchen, mit denen auch wir experimentierten, als untere Grenze an¬ 
genommen, während sie vor Dosen über 1,75 g warnen, da dann die Ge¬ 
fahr der Atemlähmung sehr groß sei. 

Wir konnten bei unseren Versuchen beobachten, daß nicht nur bei 
den verschiedenen Tierarten, wie Meitzer und Auer beschreiben, 
Unterschiede bestehen, sondern daß auch innerhalb der Tierspezies 
selbst individuelle Schwankungen in betreff des Vertragens der einzelnen 
Dosen zweifellos vorhanden sind. So verloren wir ein Tier, das nur 
1,72 g pro Kilo Körpergewicht erhalten hatte, während ein zweites 
überhaupt erst durch 2,4 g Magnesiumchlorid pro Kilo Körpergewicht 
in Narkose gebracht werden konnte. Auch hier bedienten wir uns zum 
Vergleich äquimolekularer Lösungen und geben in folgendem die ange- 
stellten Versuche kurz wieder. 

Versuch I. 19. X. 1921. 12 Uhr 20 Min. Vormittage. 

Kaninchen I, 1130 g schwer, Kaninchen II, 1140 g schwer. Beide Kaninchen 
erhalten äquimolekulare Lösungen, die 1,6 g pro Kilo Körpergewicht entsprechen, 
und zwar: Kaninchen: I 7 ccm einer MgCl 2 - und Kaninchen II die gleiche Menge 
einer ebenso berechneten SrCl 2 -Lösung. Nach 50 Minuten war bei beiden Tieren 
noch keine Veränderung des Befindens eingetreten, Lidreaktion bei beiden noch 


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228 


H. Boruttau und K. Grassheiin: 


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vorhanden. Daraufhin wurden nochmals 0,8 g der betreffenden Salze in Lösung 
gegeben (wieder subcutan). Daraufhin ist Kaninchen I nach 30 Minuten in völliger 
Narkose mit Erloschensein aller Reflexe, woraus es erst nach 2 Stunden wieder 
erwacht. Kaninchen II macht einen matten und trägen Eindruck, alle Reflexe 
sind jedoch auslösbar; von einer Narkose ist nicht die Rede. 

20. X. 1921. Beide Kaninchen leben. I ist vollkommen frisch, II erscheint 
noch etwas matt. 

Versuch II. 20. X. 1921. ^11 Uhr vormittags. 

Kaninchen I, 850 g, Kaninchen II, 1525 g. 

11 Uhr 20 Min. Subcutane Injektionen von Lösungen, die 1,72 g der Salze 
pro kg Körpergewicht entsprachen. (Kaninchen I: MgCl 2 , Kaninchen II: SrC^.) 

5 Minuten nach der Injektion befindet sich Kaninchen I in tiefer Narkose. 
Bereits nach 10 Minuten tritt völliger Atemstillstand ein. Die Atmung bleibt 
trotz manueller Wiederbelebungsversuche und trotz Injektion von 5 ccm einer 
5proz. CaCl 2 -Lö8ung dauernd fort. 45 Minuten nach der ersten Injektion wird 
das Tier seziert, es stellt sich heraus, daß das Herz noch schlägt, das Tier ist also 
nur „scheintot“ gewesen. 

Auch diesmal konnten bei Kaninchen II keinerlei Andeutungen von Narkose 
gefunden werden. 

Zur Prüfung wurde nochmals einem Kaninchen von 1310 g Gewicht eine 
Magnesiumchloridlösung subcutan injiziert, deren Konzentration einem Gehalt 
des Salzes von 1,6 g pro kg Körpergewicht für das Tier entsprach. Nach 20 Minuten 
trat Grenznarkose ein, aus der das Tier nach weiteren 40 Minuten wieder frisch 
erwachte. $ w 

Es ergibt sich also, daß das Strontium auf das Zentral¬ 
nervensystem nicht im mindesten die stark narkotisierende 
Wirkung ausübt wie das Magnesium. Allerdings war im Gegen¬ 
satz zu diesem auch eine schädigende Wirkung auf das Atemzentrum 
beim Strontium nicht zu verzeichnen. Erwähnenswert erscheint uns 
aber doch, daß die Tiere, denen Strontium injiziert war, im ganzen 
träger wurden, und daß diese Trägheit, die wir wohl den peripherischen 
Einflüssen des Sr auf motorische und sensible Nerven zuschreiben 
müssen, bedeutend länger anhielt als bei den mit Mg behandelten Tieren, 
welche aus ihrer Narkose erwacht, sofort wieder frisch und völlig erholt 
waren. 

Wie gering in der Tat der Einfluß des Strontium auf das Großhirn 
ist, geht weiterhin aus dem folgenden Versuch hervor, bei welchem wir 
bei einem Kaninchen nach Freilegung des Großhirns die Rindenerregbar- 
keit vor und nach Injektionen von Strontiumlösungen prüften. Die elek¬ 
trische Reizung der einzelnen Felder erfolgte gleichmäßig mir einer pri¬ 
mären Spannung von 4 Volt (2 Akkumulatoren); bei der Ablesung des 
Rollenabstandes ist zu berücksichtigen, daß wir hier auch den Eisenkern 
anwandten. 

Versuch: 3. XL 1921. Kaninchen, männlich 3625 g. 

1 Uhr: Trepanation und Freilegung des linken Großhirns in Chloroform* 
Athemarkose. 



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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


229 


1 Uhr 20 Min.: erste Reizung des linken motorischen Rindenfeldes. Eintritt 
der Reaktion an der rechten Vorderextremität beim Rollenabstand von 120 mm. 
Linkes Rindenfeld — rechte Hinterextremität; Rollenabstand 115 mm. 

1 Uhr 25 Min.: subcutane Injektion von 15 ccm einer molekularen SrCl 2 - 
Lösung. 

1 Uhr 45 Min.: Reizung linkes Rindenfeld — rechte Vorderextremität; Rollen¬ 
abstand 120 mm; linkes Rindenfeld — rechte Hinterextremität, Rollenabstand 
100 mm. 

1 Uhr 50 Min.: tritt Zwangsstellung des Kopfes ein. Kopf- und Halswirbel¬ 
saule sind halb links gedreht. 

3 Uhr: Reizung linkes Rindenfeld — rechte Vorderextremität: 105 mm — 
Tier springt plötzlich auf, danach noch stärkere Zwangsstellung und Drehung des 
Kopfes. Reizung linkes Rindenfeld, rechte Hinterextremität; Rollenabstand 
105 mm. 

Wir dürfen also wohl aus alledem schließen, daß in therapeutischer 
Hinsicht das Strontium wohl eine Einwirkung auf das peripherische 
Nervensystem im oben genannten Sinne besitzt, daß aber die Versuche, 
die Epilepsie zu beeinflussen, wie das hauptsächlich in Frankreich 
geschehen ist, wenigstens mit den bisher angewandten Strontiumver¬ 
bindungen eine Berechtigung nicht besitzen. 

Zum Schluß der Betrachtungen über die Wirkung des Strontiums 
auf das Nervensystem seien noch die Versuche mitgeteilt, die wir an Kalt¬ 
blütern unter Ausschaltung des Großhirns hinsichtlich der Beeinflussung 
der unterhalb desselben gelegenen Reflexbahnen angestellt haben. 

Fröschen wurde zunächst das Großhirn mittels Trepanation frei¬ 
gelegt und exstirpiert. Nachdem sie sich erholt hatten — meist nach 
24 Stunden — wurde die normale Reflexzeit auf Reiz mittels Eintauchens 
beider Hinterfüße in zehnfach verdünnter Schwefelsäure festgestellt 
und darauf die Injektionen mit äquimolekularen Lösungen in die Lymph- 
säcke vorgenommen. In gleichen Abständen wurden dann die Reflex¬ 
zeiten erneut geprüft und notiert. Wo keine Gewichtsverhältnisse an¬ 
gegeben sind, handelt es sich um ungefähr gleich schwere Tiere. 

1. Versuch. 7. X. 1921. 

Frosch I.7 Sekunden j 

Frosch II.3 Sekunden > normale Reaktionszeit. 

Frosch m .... 4 Sekunden J 

Injektion von doppelt isotonischen Lösungen: 5 ccm. 


NaCl Frosch (I) 

SrCl 2 Frosch (II) 

CaCl 2 Frosch (HI) 

nach 

6 Sek. 

7 Sek. 

4 Sek. 

10 Min. 

12 Sek. 

8 Sek. 

3 Sek. 

20 Min. 

8 Sek. 

8 Sek. 

3 Sek. 

30 Min. 

11 Sek. 

9 Sek. 

8 Sek. 

60 Min. 

10 Sek. 

6 Sek. 

5 Sek. 

90 Min. 


Frosch III ist durch die Injektion ziemlich stark mitgenommen. Nach 24 Stun¬ 
den Reaktionszeit: Frosch I ?; Frosch II 4 Sek., Frosch in 6 Sek. Statt des 
NaCl-Frosches, der ungleich reagiert, wird ein anderer dekapitierter Frosch ge¬ 
nommen. Seine normale Reaktionszeit beträgt 2 Sek. 


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230 


11. Boruttau und K. Grassheim: 


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Ia. 8. X. 1921. Injektion von vierfach isotonischen Lösungen 
XaCl-Fr. SrCl 2 -Fr. 


1 Sek. 5 Sek. 

2 Sek. 9 Sek. 

4 Sek. 8 Sek. 

Bewegungen des CaCl 2 -Fr. träge. 


CaCl 2 -Fr. nach: 

2 Sek. 10 Min. 

2 Sek. 40 Min. 

3 Sek. 70 Min. 

Befinden der beiden Frösche gut. 


Versuch II/ 10. X. 1921. Strontium-Fr. tot. Neuer Frosch dafür mit Re¬ 
aktionszeit von 2 Sek. Außerdem wird ein weiterer Frosch für Injektionen mit 
MgCl 2 präpariert. Beide erhalten 5 ccm einer vierfach isotonischen SrCl 2 resp. 
\IgCl 2 - Lösung. 


SrCL-Fr. 

MgCL nach 

2 Sek. 

sofort tot 5 Min. 

4 Sek. 

10 Min. 

7 Sek. 

15 Min. 

8 Sek. 

20 Min. 

Nach 35 Min. ist auch der Strontium-Fr. tot. 


Ein neuer (sehr kleiner) Frosch wird für Injektion einer dreifach isotonischen 
Lösung genommen. Normale Reaktionszeit 2 Sek. Reaktionszeit nach der In¬ 
jektion: 


Nach 5 Min.1 Sek. 

10 Min.2 Sek. 

15 Min.5 Sek. 


Nach 2 Stunden ist der Frosch tot. 


Versuch III. 10. X. 1921. 

Frosch I NaCl 36,5 g schwer, 1 Sek. normale Reaktionszeit, 

Frosch II SrCl 2 50,5 g schwer, 2 Sek. normale Reaktionszeit, 

Frosch III CaClo 34 g schwer, 2 Sek. normale Reaktionszeit, 

Frosch IV MgCljj 26 g schwer, 4 Sek. normale Reaktionszeit, 

Frosch Ha SrCl 2 37 g schwer, 2 Sek. normale Reaktionszeit. 

Es erhalten Frosch I und II je 5 ccm, Frosch III und Ha je 3 ccm und Frosch 
[V 2 ccm einer doppelt molekularen Lösung des betreffenden Salzes injiziert. 

Frosch IV ist in schwerer Narkose. Reaktionszeit nach 2 Stunden: 

Frosch I II III IV Ha 

2 Sek. 13 Sek. 4 Sek. 17 Sek. 5 Sek. 

Frosch II ist 3 Stunden nach der Injektion tot. 

Ha. Am 13. X. 1921 wurden nochmals dem Frosch Ila 2 ccm einer doppelt 
molekularen Lösung injiziert. Reaktionszeit nach: 

10 Min.9 Sekunden, 

40 Min.13 Sekunden, 

70 Min.23 Sekunden, 

80 Min.24 Sekunden. 

Folgendes sei aus den eben wiedorgegebenen Versuchen hervor¬ 
gehoben. Ganz allgemein vermögen NaCl-Lösungen weder hemmende 
noch erregbarkeitssteigernde Wirkung auszuüben. Dies ergab sich 
bei allen Konzentrationen, die wir an wandten. Ebenso ist die Wirkung 
des Calciums nur gering. Anders verhalten sich Strontium und Magne¬ 
sium. Hier ist der hemmende Einfluß bereits von doppelt molekularen 


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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


231 


Lösungen deutlich. Allerdings nimmt damit auch die toxische Wirkung 
zu. Interessant ist hierbei der Vergleich, den wir bei Versuch II an¬ 
stellen konnten. Nach Einspritzung von 5 molekularen Lösungen 
verfiel der Magnesiumfrosch sofort in allgemeine Starre, fiel nach 
plötzlichem, kurzem Aufsprung auf den Rücken und blieb tot liegen, 
während der Strontiumfrosch noch 35 Min. lebte. Bei ihm sowie bei 
den übrigen Strontiumfröschen trat der Tod durch Herzstillstand ein, 
während beim Magnesium die Todesursache eine zentrale Lähmung ist, 
welche sich im Aufhören der Atembewegungen äußert. Besonders be¬ 
weisend ist hierfür auch der Versuch mit subcutanen Injektionen 
am Kaninchen, den wir oben beschrieben. Die tödliche Dosis ist beim 
Kaltblüter, und zwar bei subcutaner Injektion für das Strontium 
höher anzusetzen als für das Magnesium. Sie entspricht ungefähr einer 
Menge von 2,5 g des Chlorids pro Kilo Köi pergewicht. 

Etwas besser als über die Einflüsse des Strontiums auf das Nerven¬ 
system sind wir, wenigstens in großen Zügen, aus bereits vorliegenden 
Arbeiten über seine Wirkung auf das Herz und die Gefäße unter¬ 
richtet. Da der eine von uns (G.) an anderer Stelle ausführlich über 
«die Wirkung des Strontiums auf Herz und Gefäße berichten wird, 
soll hier nur eine kurze Darstellung folgen. 

Es geht aus den bisher veröffentlichten Arbeiten hervor, daß auch 
auf das Herz schwächere, d. h. molekulare Lösungen dieselbe Wirkung 
haben, wie sie der eine von uns (G.) bereits bei den peripherischen 
Nerven beobachten konnte: sie steigern nämlich [wie schon Rutke- 
witsch 1 ) in seiner Arbeit ausführt] die Reizbarkeit und Con- 
tractilität des Herzmuskels. Umgekehrt aber rufen stärkere Lösungen 
auch hier eine Herabsetzung der Reizbarkeit hervor. Diese Herabsetzung 
kann nun so weit gehen, daß — wie bereits oben gezeigt — völliger Herz¬ 
stillstand eintritt, und hierin zeigt sich wiederum der Übergang zu den 
irreversiblen Schädigungen, dem wir schon beim Nerven begegnet sind. 
Ob die Ursache dort dieselbe ist, möchten wir dahingestellt sein lassen, 
jedenfalls liegt sie aber beim Herzen in einer Zustandsänderung der 
Eiweiß- und Lipoidkolloide durch das Strontium, wie sie nach Bech- 
hold 2 ) in noch viel ausgeprägterem Maße bei den Schwermetallsalzen 
zu finden ist. 

Andererseits ist in gewissen Fällen die therapeutische Beeinflussung 
von Herzschädigungen bei geeigneter Konzentration ganz unverkennbar. 
Das geht besonders aus den Untersuchungen hervor, die der eine von 
uns (B.) über das Kammerflimmem des überlebenden Warmblüter¬ 
herzens und seine Beeinflussung angestellt hat 3 ). 

x ) Rutkewitsch, Pflügers Aroh. f. d. ges. Physiol. 129 , 457. 1909. 

2 ) Bechhold, Die Kolloide in der Medizin und Biologie, 2. Aufl., S. 413. 

3 ) Boruttau, Zeitschr. f. experim. Pathol. 29, H. 1. 1919. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII 16 


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232 H. ßoruttau und K. Grasshoim: 

Boruttau hatte nämlich gezeigt, daß das Nachflimmem, welches 
er durch Wechselströme bestimmter Breite der Frequenz und Intensität 
an überlebenden Katzen- und Hundeherzen erzeugte, durch Speisung 
des Herzens mit Strontium oder Bariumlösung verhütet, vermindeit 
oder aufgehoben werden kann. In diesem Punkte besteht also ein aus¬ 
gesprochener Gegensatz zu dem Calcium, was im engen Zusammenhang 
mit dem bereits bei der Besprechung der Aktionsströme angeführten 
Antagonismus zwischen letzterem und dem Kalium stehen dürfte. 
Die Grundlage dieser Verminderung der Neigung zum Flimmern dürfte 
darin zu suchen sein, daß das Strontium und mehr noch das Barium 
die Erregungsdauer der Myokardzelle sowohl bei künstlicher als auch 
bei automatischer Erregung wesentlich vergrößert, wie von R. Mines 1 ) 
und von Boruttau am Aktionsstrom und an der mechanisch registrier¬ 
ten Systole gezeigt wurde. Mit dieser Verlängerung der Erregungsdauer 
ist natürlich auch eine Verlängerung des Refraktärstadiums verbunden, 
und da nach den neueren Arbeiten von De Boer 2 ) und von Lewis 3 ) 
kein Zweifel möglich ist, daß Verkürzung der Refraktärperiode und 
Wirksamwerden im Kreise fortgeleiteter, zum Ausgangsort zurück¬ 
kehrender Erregung die Grundlage des Herzflimmems bildet, so ist die 
Flimmern verhütende Wirkung des Strontiums ohne weiteres verständ¬ 
lich. 

Weiterhin aber zeigt das Strontium gerade hierin auch eine verwandte 
Wirkung zu einem echten Cardiacum, nämlich dem Campher. Auch 
dieses ist imstande, die Neigung sämtlicher Herzabteilungen zum Flim¬ 
mern herabzusetzen, wie das in Bestätigung früherer Angaben von 
Seligmannu.a.Boruttau nachgewiesen hat. Es hat also der Gebrauc h 
des Strontiums als Herzmittel durchaus eine gewisse, auf pharmakolog¬ 
ische Eigenschaften beruhende Berechtigung, zumal auch noch andere 
Momente, die an die Wirkung der Digitalis erinnern, nämlich eine Ver¬ 
langsamung der Schlagfolge und Hebung der systolischen Arbeit mit¬ 
sprechen. 

Was den Blutdruck anbetrifft, so war nach dem, was wir über das 
Calcium und Barium wissen, auch beim Strontium eine Steigerung zu 
erwarten. Dieselbe trat nach intravenöser Injektion beim Kaninchen 
deutlich auf. Da die Kurve an anderer Stelle veröffentlicht werden soll, 
sei hier auf näheres Eingehen verzichtet. 

Im Gegensätze zu dem dauernden Abfall des Blutdruckes nach Mag¬ 
nesium ist also beim Strontium eine schnell eintretende Steigerung des 
Blutdruckes nach einer primären, rasch wieder ausgeglichenen Senkung 
zu beobachten. Auch hierin steht das Strontium zwischen dem Calcium 

1 ) Mines, »Journ. of Physiol. 46 , 188. 1913. 

2 ) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 118 , 1 . 1920; 181 , 193. 1921. 

3 ) British Medical Journal, Nr. 3146. 1921. (Zusamraenfassend.) 



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Untersuchungen über die Pharmakologie des Strontiums. 


233 


und dem Barium, aber es ist unverkennbar, daß seine Stellung viel näher 
dem Calcium als dem letztgenannten ist. Bekanntlich besitzt das 
Barium eine sehr intensive Wirkung auf Herz und Gefäßmuskulatur, 
die es — wenn nicht die starke Giftigkeit dagegen spräche — als Ersatz 
der Digitaliskörper und des Adrenins geeignet erscheinen ließe. 
Dabei ist die spezifische Affinität zum Herzmuskel, welche sich beson¬ 
ders in toxischer Hinsicht geltend macht, unverhältnismäßig größer 
als beim Calcium und beim Strontium. Bei einem unserer Versuche 
an Kaninchen, die wir mit intravenösen Einspritzungen äquimoleku¬ 
larer Lösungen dieser drei Salze in gleichen Mengen machten (es handelte 
sich um 1 / 10 molekularer Konzentrationen), war die blutdrucksteigemde 
Wirkung des Calciums eben merkbar, das Strontium zeigte schon deut¬ 
liche Erhöhung des Druckes, das Barium bewirkte nach wenigen Se¬ 
kunden, in welchen wie auch bei den beiden anderen eine initiale, 
aber hier endgültige Senkung zu beobachten war, völligen Herzstill¬ 
stand und Tod des Tieres. Inwieweit hier zentrale Wirkungen mitgespro¬ 
chen haben, soll nicht näher erörtert werden; jedenfalls ist aber sicher, 
daß in der Beeinflussung sowohl des Blutdrucks als auch des Herzschlags 
von den drei Salzen dem Strontium die praktisch günstigste Wirkung 
zukommt. 


n;* 


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(Aus dem Pathologischen Institut des Auguste*Viktoria-Krankenhauses Berlin- 
Schöneberg [Direktor: Prof. Dr. C. Hart].) 

Störungen der Adrenalinbildung in den Nebennieren unter 
äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 

Von 

Dr. Bruno Peiser. 

Assistenten des Instituts. 

(Eingegangen am 17. Januar 1922.) 

Die Meinungsverschiedenheit darüber, ob man unter Konstitution 
nur etwas Ererbtes oder auch Erworbenes zu verstehen habe, macht 
sich fast in jeder Abhandlung über das Konstitutionsproblem geltend. 
Wenn man den Gegensatz zwischen den beiden Ansichten, wie er bei¬ 
spielsweise eben wieder in den unmittelbar aufeinanderfolgenden Ab¬ 
handlungen Rö88les l ) und Toenniessens 2 ) zum Ausdruck kommt, sieht, 
so läßt sich schwer einsehen, wie es zu einer Einigung kommen könne. 
Die Erfahrung geht aber über diesen Streit der Meinungen hinweg, die 
Erforschung der Tatsachen schreitet vorwärts, zu denen zunächst 
einmal auch die streng wissenschaftliche Feststellung gehört, was im 
Einzelfalle als aus dem ererbten Ahnengut stammend, was als während 
des Lebens erst erworben zu gelten hat. Oft genug ist schon darauf hin¬ 
gewiesen w r orden, daß diese Unterscheidung in vieler Hinsicht äußerst 
schwierig, ja geradezu unmöglich ist. Da ihr aber eine grundsätzliche 
Bedeutung zukommt, ist ihre möglichst weitgehende Durchführung eine 
der wichtigsten Aufgaben der Konstitutionsforschung. 

Das gilt namentlich auch für das endokrine System, dessen Bedeu¬ 
tung für die individuelle Konstitution wir von Tag zu Tag höher ein¬ 
schätzen. Ergibt sich doch immer deutlicher der tiefgreifende Einfluß 
der innersekretorischen Organe auf Wachstum und Gestaltung, auf alle 
Lebens Vorgänge des Organismus, und werden wir damit doch immer 
mehr auf die besondere Bewertung des endokrinen Systems hingewiesen, 

1 ) Bossle, Rudolf Virchow und die Konstitutionspathologie. Münch, med. 
Wochenschr. 1921, S. 1274. 

2 ) Toenniessen, Vererbungsforschung und innere Medizin. Ergebn. d. inn. 
Med. u. Kinderheilk. 17 . 1919. — Konstitution und Körperzustand. Münch, med. 
Wochenschr. 1921, S. 1341. 


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B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung in den Nebennieren usw. 235 

insofern, wie Bauer 1 ) treffend bemerkt, seine Partialkonstitution, 
sowohl was den einzelnen Teil als auch die Konstellation aller Teile 
im großen System anbelangt, die Gesamtkonstitution des Organismus 
in ganz anderer Weise beeinflußt, als es die Partialkonstitution irgend¬ 
eines anderen Organes zu tun vermag. Mit der Forderung, für jedes 
Individuum die endokrine Konstellation, die ,,pluriglanduläre Formel“ 
(Stern) genau zu bestimmen, was freilich auf große Schwierigkeiten 
stoßen muß, wird dies deutlich zum Ausdruck gebracht. Nicht mit 
Unrecht bezeichnet Hart 2 ) das endokrine System als Träger der Kon¬ 
stitution des Individuums, der Rasse, der Art überhaupt, indem er 
darauf verweist, daß die Bedeutung des endokrinen Systems offenbar 
weit über das einzelne Individuum, über die Ontogenese hinausgeht, 
sondern auch in der Phylogenese, in den unmerklichen Wandlungen, 
die fortlaufend sich auch jetzt abspielen müssen, geltend mache. Gerade 
in letzterer Hinsicht verdient das endokrine System besondere Be¬ 
achtung, nachdem Tandler 3 ) die Vererbung erworbener Eigenschaften 
durch somatische Induktion auf dem Wege über endokrine Organe 
angenommen und Hart?) bemüht gewesen ist, diese allgemein gehaltene 
Annahme auszubauen und vor allem auf eine gesicherte Grundlage zu 
stellen. Es besteht heute eine weit verbreitete Neigung, pathologische 
Konstitutionstypen, wie den Status thymico-lymphaticus, Infantilismus, 
Eunuchoidismus und auch Stillers Asthenia universalis zu erklären 
aus einer besonderen, kranldiaften Einstellung des endokrinen Systems, 
und wie bei Bartels hypoplastischer Konstitution hat man wohl auch 
von „pathologischen Rassen“ gesprochen. Dagegen will ich nichts 
einwenden, denn aus Harts Versuchen läßt sich wohl mit Recht die 
Annahme ableiten, daß unter der Wirkung der endokrinen Drüsen die 
Bildung physiologischer Rassen wenigstens mit zustande gekommen ist, 
wie es z. B. der engliche Forscher Keith 5 ) ohne sichere Begründung und 
gewiß nicht ohne Übertreibung behauptet hat. Warum sollte das also 
nicht für die Bildung pathologischer Rassen gelten, mindestens ins Auge 
zu fassen sein ? Die wichtige Frage ist aber die: Handelt es sich in allen 
jenen Fällen pathologischer Konstitutionstypen um den sichtbaren 
anatomisch funktionellen Ausdruck einer abnormen Konstitution im 

*) Bauer , Die konstitutionelle Disposition zu inneren Krankheiten. Springer, 
Berlin 1921. 

*) Hart , Konstitution und endokrines System. Zeitsehr. f. angew. Anat. u. 
Konstitutionslehre €. 1920. 

s ) Tandler , Konstitution und Rassenhygiene. Zeitschr. f. ang. Anat. u. Kon¬ 
stitutionslehre I. 1913. 

4 ) Hart, Über die Vererbung erworbener Eigenschaften. Berl. klin. Wochen - 
sehr. 1920, Nr. 28. 

5 ) Keith , Arthur , On the differentiation of mankind into racial types. Laneet. 
1919, Nr. 5012. 


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B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 


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Sinne einer in den Erbanlagen begründeten, von den Voreltern über¬ 
kommenen individuellen Eigenart, oder aber ist mit der Möglichkeit 
irgendeiner Schädigung während des Individuallebens zu rechnen, sei 
sie auch noch so früh erfolgt und gehe sie selbst zurück über den Augen¬ 
blick der Kopulation der Keimzellen auf eine Schädigung dieser noch 
im elterlichen Organismus? Bedenkt man, daß, wie Hart 1 ) im Hin¬ 
blick auf die Ansicht Fischeis 2 ) z. B. bemerkt, der Wirkung endokriner 
Organe auf die Entwicklung der Frucht gegen die Einnistung des be¬ 
fruchteten Eies hin fast keine Grenze zu setzen ist, so wird klar, wie 
schwer jene Frage zu beantworten ist. Aber nicht einmal da, wo die 
Beobachtung und Forschung eher Erfolge verspricht, herrscht Klarheit 
und wir wissen eigentlich herzlich wenig über die Veränderungen der 
endokrinen Organe unter den Einflüssen des täglichen Lebens und ihrer 
Auswirkungen auf den Organismus. 

Wie wichtig wäre ein sicheres Urteil über den Wert der Vorstellung 
Benekes 3 ), daß der Status thymico-lymphaticus eine erworbene Stoff¬ 
wechselstörung sei, die sich einleitet mit einer Atrophie der Neben¬ 
nierenrinde. Wie wichtig wäre es zu wissen, ob Curschmanns „Blut¬ 
drüsenschwächlinge“ das von Haus aus sind oder erst infolge der mannig¬ 
fachsten Schädigungen während des Lebens. Erst bei einer klaren 
Beantwortung dieser Fragen kann man der weiteren nähertreten, 
ob etwa eine erworbene Schädigung des endokrinen Systems zur Bildung 
nicht nur eines rein individuellen abnormen Körperzustandes, sondern 
eines vererbbaren pathologischen Konstitutionstyps führt. 

Unter den endokrinen Organen nehmen die Nebennieren eine be¬ 
sondere Stellung ein, weil wir in dem Adrenalin das von ihnen oder 
vielmehr dem chromaffinen System gebildete Hormon kennen, wenn¬ 
gleich es heute von Gley 4 ) dieses Charakters zu entkleiden versucht wird. 
Halten wir aber vorerst daran fest, daß das Adrenalin das einzige uns in 
seiner chemischen Konstitution bekannte innere Sekret — wir bei¬ 
behalten diesen Ausdruck absichtlich gegenüber dem von Roux ein¬ 
geführten und namentlich von Abderhalden gebrauchten Wort „Inkret“, 
worunter die Pathologen schon seit langem etwas ganz anderes ver¬ 
stehen 5 ) — ist, so sind auch die Nebennieren das geeignetste Organ 

x ) Hart , Konstitution und Disposition. Lubarsch-Ostertag8 Ergn. d. allgem. 
Pathol. u. pathol. Anat. £0, Abt. 1. 1922. 

2 ) Fischei , Die Bedeutung der entwicklungsgeschichtlichen Forschung für die 
Embryologie und Pathologie des Menschen. Roux. Vortr. u. Aufs, über Entwick¬ 
lungsmechanik. 1912, H. 4. 

3 ) Beneke , Kriegspatholog. Tagung in Berlin. Zentral bl. f. allg. Pathol. u. 
pathol. Anat. £7, Beih. 3. 1916. 

4 ) Gley , Die Lehre von der inneren Sekretion. 1920. 

6 ) Beneke , Sekrete, Exkrete, „Tnkrete“. Zentralbl. f. allg. Pathol. u. pathol. 
Anat. 1921. 



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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 237 

zu Untersuchungen über die endokrine Organfunktion unter den ver¬ 
schiedensten Einflüssen. Dabei wird freilich stets zu berücksichtigen 
sein, daß das Nebennierenmark nur einen Teil des Adrenalins bildet 
und es uns unmöglich ist, in exakten Zahlen die Menge des Adrenalins 
anzugeben, die von den chromaffinen Elementen außerhalb der Neben¬ 
nieren namentlich etwa kompensatorisch gebildet wird. 

Ohne im übrigen hier näher auf die Pathologie des chromaffinen 
Systems einzugehen, sei nur kurz darauf verwiesen, daß sie in der 
Konstitutionslehre eine große Rolle spielt. Wir kennen die Wichtigkeit 
des Adrenalins für den Tonus des Herz-Gefäßapparates, wir denken 
daran, daß man auf seine ungenügende Bildung, vom Morbus Addisonii 
ganz abgesehen, nicht nur Fälle plötzlichen Todes [Wiesel 1 )] zurück¬ 
geführt hat infolge Hypoplasie des chromaffinen Gewebes, sondern auch 
sonst geneigt ist, unglückliche Zufälle während und nach der Operation 
mit ihr zu erklären. In der Lehre vom Status thymico-lymphaticus 
bzw. hypoplasticus und von den auf diesem Boden stehenden Krank¬ 
heiten, wie namentlich dem Morbus Basedowii, spielt die Hypoplasie 
der Nebennieren bzw. ihres Markes eine wichtige Rolle. Im wesentlichen 
stützt sich die Forschung auf morphologische Befunde, die nicht immer 
einer strengen Kritik standhalten. Man kann wohl sagen, daß es nicht 
nur unmöglich ist, die Menge des gesamten chromaffinen Gewebes genau 
zu bestimmen, sondern daß selbst seine Bestimmung im Nebennieren¬ 
mark nicht leicht ist [Aschoff 2 )]. Man hat wohl auch zu wenig die 
Nebenniere als Ganzes betrachtet. Wie Hart 2 ) ausgeführt hat, betrach¬ 
ten wir das Organ als eine funktionelle Einheit mindestens in bestimmter 
Hinsicht, wenn uns auch ein völlig klarer Einblick in die Zusammen¬ 
arbeit zwischen der Rinde mit ihren Lipoiden und der Marksubstanz 
mit den chromaffinen Zellen fehlt. Was man aber so gut wie gar nicht 
beachtet hat, das ist die Frage, ob denn nun die in Fällen von Status 
thymico-lymphaticus bzw. hypoplasticus oder sonst beobachtete 
Hypoplasie und Hypofunktion des chromaffinen Gewebes, soweit es 
in den Nebennieren liegt, eine ursprüngliche ist, oder ob es sich um 
eine sekundäre Veränderung vorher normalen Gewebes handelt, also 
um eine Atrophie unter irgendwelchen schädigenden Wirkungen. 

Die Beantwortung dieser Frage ist es, die ich mir zur Aufgabe 
gestellt habe, und ich glaube, daß es mir gelungen ist, zu ihrer Klärung 
etwas beizutragen. Die Anregung kam aus verschiedener Richtung. 

A ) Wiesel , Zur Pathologie des chromaffinen Systems. Virchows Arch. f. pathol. 
Anat. u. Physiol. 116 . 1904. 

2 ) Aschoff (und Cohn), Bemerkungen zu der Schur-Wiesel sehen Lehre von der 
Hypertrophie des Nebennierenmarkes bei chronischer Erkrankung der Nieren und 
des Gefäßapparates. II. Verhandl. d. dtsch. pathol. Ges. Kiel 1908. 

3 ) Hart , Die Insuffizienz des Adrenalsystems. Münch, med. Wochenschr. 
1914, Nr. 14. 


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B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 


Einmal waren es die Versuche und Anschauungen Harts über die Ver¬ 
änderung endokriner Organe und Funktionen unter äußeren Einflüssen, 
über die er im Anschluß an Gudematschs bekannte und inzwischen 
vielfach wiederholte Fütterungsversuche bei Kaulquappen berichtet 
hat. Zweitens in gleichem Sinne sprechende Beobachtungen beim 
Menschen während der Kriegsjahre, wobei wir bereits auf die Möglich¬ 
keit mangelhafter Adrenalinbildung in einzelnen Fällen hingewiesen 
wurden. Aber erst nach dem Kriege ergab sich eine ruhige Gelegenheit 
zu sorgfältiger Prüfung der entstandenen Frage. 

Was zunächst die erste Anregung anbelangt, so ist es bekanntlich 
Qvdematsch 1 ) in noch immer nicht voll beachteten und gewürdigten 
Versuchen gelungen, Kaulquappen durch Fütterung mit Thymus zu 
gesteigertem Wachstum unter Hemmung bzw. Verzögerung der Meta¬ 
morphose zu bringen, während umgekehrt die Fütterung mit Schild¬ 
drüse letztere beschleunigte, ja geradezu überstürzte unter Hemmung 
bzw. Aufhebung des Wachstums. So entstanden in einem Falle Riesen¬ 
kaulquappen, im anderen Zwergfröschchen. Romeis 2 ) hat dann gezeigt, 
daß Thymusfütterung auch die einfache Regeneration anregt, und 
Hart z ) hat den umgekehrten wohlgelungenen Versuch gemacht, durch 
Ausbrennen des Thymus bei jungen Axolotln das Wachstum zu hem¬ 
men. Aus allen diesen Versuchen ist deutlich hervorgegangen, daß der 
Thymus das Organ des Wachstums, der reinen Massenzunahme von 
Körperzellen ist, wie es Hart für den menschlichen Thymus immer 
angenommen und näher begründet hat. Schon hier ergeben sich Be¬ 
ziehungen zur Konstitutionspathologie. Es sei nur daran erinnert, 
daß Romeis kümmernde Tiere in Kaulquappenpopulationen durch 
Thymusfütterung schnell zu gesteigertem Wachstum bringen konnte, 
so daß sie teilweise schließlich sogar ihre normal entwickelten Geschwister 
an Größe übertrafen. Dagegen soll es dahingestellt bleiben, ob auch die 
neuesten Versuche Grotes 4 ) hier heranzuziehen sind, der nach Thymus¬ 
fütterung trächtiger Mäuse ein verzögertes Wachstum der mit normalem 
Gewicht geworfenen Jungen beobachtete und eine Beeinflussung der 

Gudematsch , Feeding experiments on tadpoles. I. und II. Arch. f. Ent- 
wicklungsmech. d. Organismen 1913, Nr. 35. — Americ. Joum. of Anat. 15 . 1914. 

*) Romeis, Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung innersekretori¬ 
scher Organe. II. Der Einfluß von Thyreoidea- und Thymusfütterung auf das 
Wachstum, die Entwicklung und die Regeneration von Anurenlarven. Arch. f. 
Entwickelungsmech. d. Organismen 40 u. 41 . 1914/15. — Experimentelle Studien 
zur Konstitutionslehre. I. Die Beeinflussung minder veranlagter trächtiger Tiere 
durch Thymusfütterung. Münch, med. Wochenschr. 1921, S. 420. 

8 ) Hart> Über die Beziehungen zwischen endokrinem System und Konstitution. 
Berl. klin. Wochenschr. 1917, Nr. 45. 

4 ) Qrote, Versuche über Keimesänderung durch Inkreteinfluß. Dtsch. med. 
Wochenschr. 1921, Nr. 48. 


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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 239 

Keimzellen der Eltemtiere anzunehmen scheint, was sich aber doch schon 
bei der intrauterinen Entwicklung geltend machen sollte. Ohne aber 
auf diese Versuche näher einzugehen, sei hier nur festgestellt, daß Wachs¬ 
tumsstörungen eng verbunden sind mit der Frage des Infantilismus 
und daß beispielsweise Brugsch 1 ) Ktimmertum und Infantilismus 
geradezu identifiziert, worin ich ihm freilich nicht völlig beistimmen 
kann. Vielmehr glaube ich, daß Störungen der endokrinen Sekretion 
eine wichtige ursprüngliche Bedeutung zukommen dürfte. Es sei auf 
Harts große Abhandlung verwiesen. 

Im Gegensatz zum Thymus zeigt sich in den Kaulquappenversuchen 
die Schilddrüse als Organ der Metamorphose. In großartiger Weise 
haben das die Versuche Babäks 2 ), Laufbergers 3 ) und Harts*) am Axolotl 
bestätigt. Namentlich ist es letzterem gelungen, den Axolotl des Aqua¬ 
riums in einen landlebenden, lungenatmenden Molch umzuwandeln 
vom Aussehen etwa eines Feuersalamanders. Weite Ausblicke haben 
sich damit der phylogenetischen Forschung in theoretischer Hinsicht 
eröffnet. Hart hat nicht gezögert, aus seinem Versuchsergebnis die 
Folgerung zu ziehen mit der Annahme, daß auch in der Phylogenese 
sich die Metamorphose, also ein gewaltiger Fortschritt der Artenbildung, 
vollzogen habe unter der Wirkung der Schilddrüsenfunktion, die man 
sich freilich irgendwie primär beeinflußt denken muß. Solche Einflüsse 
müssen von außen, aus der Umgebung, kommen, und wie sie fördernd 
wirken können, so auch hemmend wie beim Axolotl. Das geht schon 
aus den alten Versuchen M. v. Chauvins ö ) hervor, nur trat bei ihnen 
nicht die Bedeutung der Schilddrüse hervor. Die Neotonie des Axolotls 
ist eine vollständige, sie kommt aber häufig als eine partielle in der 
Natur vor, und es ist für unsere Auffassung höchst bemerkenswert, 
daß in erster Linie klimatische Einflüsse für sie verantwortlich zu machen 
sind. Zwischen Neotonie und Infantilismus lassen sich gleichfalls 
Vergleiche ziehen, wie Hart 3 ) in einem kleinen Aufsatz näher ausgeführt 
hat. 

Dessen Verdienst ist aber vor allem gezeigt zu haben, daß die endo¬ 
krinen Organe unter dem weitestgehenden Einfluß äußerer Wirkungen 
stehen und daß sich daraus ein sehr wichtiges biologisches Gesetz 

*) Brugsch, Allgemeine Prognostik oder die Lehre von der Beurteilung des 
gesunden und kranken Menschen. Urban u. Schwarzenberg. Berlin 1918. 

# ) Babäk , Einige Gedanken über die Beziehung der Metamorphose bei den 
Amphibien zur inneren Sekretion. Zentralbl. f. Physiol. £7. 1913. 

8 ) Laufberger , zit. nach Babäk. 

4 ) Hart , 1. c. 

6 ) v . Chauvin , Über die Verwandlung des mexikanischen Axolotl in Ambly- 
stoma. Zeitschr. f. wissensch. Zool. £5. 1875; £T. 1876. — Über die Verwandlungs¬ 
fähigkeit des mexikanischen Axolotl. Zeitschr. f. wissensch. Zool. 41 . 1885. 

6 ) Hart , Neptonie und Infantilismus. Berl. klin. Wochenschr. 1918, Nr. 26. 


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B. Pei9er: Störungen der Adrenalinbildung 


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ergibt. Indem ich nur kurz daran erinnere, daß schon in früherenVersuchen, 
wie namentlich solchen Hertwigs 1 ), gezeigt worden ist, daß die Tem¬ 
peratur Wachstum und Metamorphose der Kaulquappen in erheb¬ 
lichem Grade beeinflußt, verweise ich vor allem auf die aus dem hiesigen 
Institute hervorgegangenen Untersuchungen Adlers 2 ). Er konnte zeigen, 
daß äußere Faktoren, wie die Temperatur des Wassers oder sein Gehalt 
an bestimmten chemischen Substanzen, Wachstum und Entwicklung 
der Kaulquappen derart beeinflußt, daß bald Riesenkaulquappen, 
bald Zwergfröschchen entstehen und beliebig lange Zeit unter den 
Versuchsbedingungen leben. Was aber am wichtigsten bei diesen Be¬ 
obachtungen ist, ist die Feststellung, daß sich beträchtliche Verände¬ 
rungen an den innersekretorischen Organen, besonders an der Schild¬ 
drüse, finden, die man offenbar nicht einfach als koordinierte Erschei¬ 
nungen der äußeren Formbeeinflussung auffassen darf. Vielmehr kann 
es nicht zweifelhaft sein, daß in diesen Veränderungen eine wesentliche 
letzte Ursache der äußeren Gestaltungsvorgänge gelegen ist. 

Wesentlich erweitert worden sind diese Versuche neuerdings von 
Hart 3 ), der unter der Einwirkung abnormer Außentemperaturen bei 
grauen Hausmäusen schwere Veränderungen der Schilddrüse feststellen 
konnte, und zwar ergab sich, daß eine konstante, abnorm hohe Tem¬ 
peratur zu einer Degeneration der Schilddrüse führt, während konstante 
Kältewirkung die Tätigkeit der Schilddrüse, nach dem morphologischen 
Nachweis starker Kolloidbildung zu urteilen, steigert. Auf die weitere 
Feststellung Harts , daß bei Degeneration der Schilddrüse sich zugleich 
eine Störung der Spermiogenese bis zu vollständiger Degeneration der 
samenbildenden Zellen findet, sei nicht weiter eingegangen, aber die 
Bedeutung dieser Feststellung dürfte auf der Hand liegen, da sich hier 
zum ersten Male die Möglichkeit einer zunächst morphologischen Be¬ 
gründung der Annahme bietet, daß äußere Einwirkungen auf dem Um¬ 
wege über das endokrine System die Keimzellen zu beeinflussen vermögen. 

Für unsere Betrachtungen bleibt hier wichtig die Deutung, die 
Hart diesen Versuchen gegeben hat. Indem er als ein biologisches 
Gesetz aufstellte die Umwandlung der äußeren Bewirkung in eine 
innere, also eine Transformation der Kräfte, deren Bedeutung in der 
Verfeinerung und Spezialisierung der Bewirkung liegt. 

1 ) O . Hertivig, Über den Einfluß verschiedener Temperaturen auf die Ent¬ 
wicklung der Froscheier. Sitzg. d. Berl. Akad. 1896. — Über den Einfluß der Tem¬ 
peratur auf die Entwicklung von Rana fusca und Rana esculenta. Arch. f. mikro- 
skop. Anat. 51 . 1918. 

2 ) Adler, Keimdrüsen und Jod. Zentralbl f. Physiol. 2T. 1913. 

— Untersuchungen über die Entstehung der Amphibienneotonie. Pflügers Arch. 
f. d. ges. Physiol. 154 . 1916. 

3 ) Hart, Zum Wesen und Wirken der endokrinen Drüsen. Berl. klin. Wochen¬ 
sehr. 1921, Nr. 21. 



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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 241 


In schöner Übereinstimmung mit dieser Deutung stehen die Be¬ 
obachtungen und Versuche Adlers 1 ) an winterschlafenden Tieren. Er 
fand Veränderungen der Schilddrüse, besonders bei solchen Tieren, die 
während des Winterschlafes der Kälte besonders ausgesetzt waren. 
Es gelang ihm durch Injektion von Schilddrüsenextrakt bei winter¬ 
schlafenden Igeln, nach 2—3 Stunden die Tiere zum Erwachen zu 
bringen, wobei die Temperatur von 7—8° auf 35° anstieg. Ähnlich 
wirkten Extrakte aus dem Thymus und Adrenalin. Es besteht also 
anscheinend im Winterschlaf eine Insuffizienz der endokrinen Drüsen 
mit der Thyreoidea im Vordergründe. Letztere spielt dabei eine zwei¬ 
fache Rolle. Einmal geht von ihr eine abschwächende Wirkung auf das 
Wärmezentrum aus und zweitens sorgt sie durch je nach Bedarf weiter¬ 
gehende Atrophie dafür, daß der Stoffverbrauch des Tieres einer vita 
minima entspricht. 

Mit diesen Feststellungen ist natürlich noch keineswegs etwas aus¬ 
gesagt über das Verhalten der übrigen endokrinen Organe. In gleicher 
Weise wie die Schilddrüse könnte jedes von ihnen unmittelbar durch 
äußere Einflüsse in seinem morphologisch-funktionellen Verhalten 
bestimmt werden, andererseits aber könnten gewisse Veränderungen 
nur die Folge der Um- und Neugestaltung im endokrinen System sein, 
die ausgelöst wird durch die Veränderung zunächst nur eines einzelnen, 
vielleicht für äußere Einwirkungen besonders empfänglichen Organes 
wie der Schilddrüse. 

Bei der innigen Zusammenarbeit und der gegenseitigen Beeinflussung 
der endokrinen Organe untereinander ist es klar, daß die äußeren Ein¬ 
wirkungen das endokrine System irgendwie in seiner Gesamtheit treffen, 
wenn auch in einer großen Zahl der Fälle die veränderte Funktion nur 
eines oder einiger Organe in den Vordergrund tritt. Wir haben es hier 
mit denselben Zuständen zu tun, die wir bei den Erkrankungen der 
endokrinen Organe kennen, wie beim Morbus Basedowii und Addisonii, 
bei der Akromegalie und anderen, wo zwar die Funktionsstörung eines 
Organes das Krankheitsbild beherrscht, wir aber bei tieferer Betrachtung 
eine Schädigung des ganzen endokrinen Systems feststellen können. 

Die Ausblicke, die diese neuesten Untersuchungen und Ansichten 
bieten, sind weit und ein großes, dankbares Arbeitsfeld liegt der For¬ 
schung offen. 

Die bedeutende Rolle, die das endokrine System als Vermittler 
zwischen Außenwelt und Körperzelle zu spielen scheint, seine Fähigkeit, 
sich unter äußeren Einwirkungen so zu verändern, daß der Organismus 
den Lebensbedingungen gerecht wird, zeigt, wie wichtig in biologischer 
Hinsicht die Erforschung der Beziehungen des endokrinen Systems 

*) Adler , Schilddrüse und Wärmeregulation. Ärztl. Verein, Frankfurt a. M., 
28. IV. 1919. Ref. Münch, med. Wochenschr. 1919, Nr. 36. 


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B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 


zur Außenwelt sein muß. Für die Pathologie werden sich dabei wohl 
manche bedeutende Feststellungen ergeben. So hat Hart 1 ) beispiels¬ 
weise seiner Überzeugung dahin Ausdruck gegeben, daß der Streit 
um den sog. Genius epidemicus nur seine Lösung finden kann und wird 
bei Berücksichtigung des Gesetzes der Transformation der Kräfte durch 
das endokrine System. Das, was jetzt mit den Begriffen der Disposi¬ 
tion, unabgestimmten Immunität kurz abgetan wird, dürfte großenteils 
in Beziehung zum endokrinen System stehen. 

Nach diesen Betrachtungen über den Einfluß äußerer Kräfte auf 
das endokrine System und seine Bedeutung als Überträger dieser auf den 
Organismus wäre es von großem Interesse, zu erforschen, ob durch die 
veränderten Lebensbedingungen, die in der Hauptsache durch die 
Unterernährung in und nach dem Kriege den Körper betroffen haben, 
das endokrine System so geschwächt worden sein kann, daß wir uns 
die herabgesetzte Widerstandsfähigkeit des Organismus wenigstens 
zum großen Teil aus einer Schädigung des Blutdrüsensystems erklären 
können. 

Aus den letzten Jahren — damit komme ich auf die zweite Anregung 
zu meinen Untersuchungen zu sprechen — liegen einige Arbeiten vor, 
die auf eine Schädigung endokriner Organe als Folge der Kriegsemährung 
hinweisen. Hier wären die Angaben einiger Autoren zu nennen, die eine 
Zunahme der Lymphocytenwerte im Blut gefunden haben. KreM 2 ) 
erwähnt auf dem Warschauer Kongreß 1916 die Häufigkeit einer Lym- 
phoeytose bei Gesunden, ähnliche Angaben macht Moewes 3 ); Klierte - 
berger 4 ) spricht von einer Lymphocytoseumstellung des normalen 
Blutbildes, Bokehnann und Nassau 5 ) fanden bei Gesunden eine Zu¬ 
nahme der Lymphocyten zwischen 25,2 und 72,4%, sie denken dabei 
an einen Einfluß der veränderten Ernährung (mehr Kohlehydrate, 
weniger Fett und Eisen). Auch von Lämpe und Saupe $ ) wird neben 
nervösen Momenten die schlechte Ernährung, Überwiegen der Kohle¬ 
hydrate und Mangel an Fett und Eiweiß, als Ursache für die Vermehrung 
der Lymphocyten im Blut angesehen. Letztere Autoren fanden Lympho¬ 
cytenwerte von im Durchschnitt 36,4%. Wenn wir auch die Angaben 

x ) Hart , 1. c. 

% ) Krehl , Verh. d. dtsch. Kongr. f. inn. Med. Warschau, 1916, S. 194. 

3 ) Moewes, Über Lymphocytose des Blutes. Berl. klin. Wochenschr. 1917, 
Nr. 16. 

4 ) Klieneberger, Die Lymphocytoseumstellung des normalen Blutbildes. 
Münch, med. Wochenschr. 1917, Nr. 23. 

ß ) Bokehnann und Nassau, Blut Veränderung bei Gesunden. Berl. klin. Wochen¬ 
schr. 1918, Nr. 15. 

6 ) Lämpe und Saupe, Das Blutbild beim Gesunden während des Krieges. 
Münch, med. Wochenschr. 1919, Nr. 14. — Das gegenwärtige Blutbild beim Ge¬ 
sunden. Münch, med. Wochenschr. 1920, Nr. 51. 


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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 243 


obiger Autoren mit etwas Zurückhaltung aufnehmen müssen, da gerade 
bei Jugendlichen und aus voller Gesundheit heraus gestorbenen Indi¬ 
viduen höhere Lymphocytenwerte noch der Norm entsprechen können 
— Galambos und Mehrtens 1 ) fanden vor dem Kriege 37—67% als nor¬ 
mal — so kann man doch die Bedeutung der Kriegsverhältnisse auf das 
Blutbild nicht ganz ablehnen. 

Von Hart 2 ) ist die Abhängigkeit der Lymphocytenwerte im Blut 
vom endokrinen System des öfteren hervorgehoben worden. Das lympha¬ 
tische Blutbild des Kindes sieht er als Folge der für das Kindesalter 
charakteristischen Konstellation des endokrinen Systems an, dessen 
Besonderheit in der starken Entwicklung und demgemäß wohl auch 
kräftigen Funktion des Thymus und in dem Fehlen der Funktion der 
Geschlechtsdrüsen besteht. Der Einfluß des Thymus auf die Lympho- 
cyten zeigt sich im Tierexperiment, wo sich durch Einverleibung von 
Thymussubstanz künstlich eine Lymphocytose des Blutes erzeugen 
läßt [Klose, Lampe und Liesegang 2 ) ; Capelle und Bayer 4 ); Heimann 5 )]. 
Ein weiterer Beweis ist das Blutbild bei der einfachen Thymushyper¬ 
plasie sowohl wie beim Status thymico-lymphaticus; dieselbe Ursache 
hat auch das sog. Kochersche Blutbild beim Morbus Basedow. Ferner 
spricht auch dafür die Erfahrung, daß Exstirpation des zu großen 
Thymus zu einem Absinken der Lymphocytenzahl führt, wie es bei 
einfacher Thymushyperplasie von Klose , Lampi und Liesegang , beim 
Morbus Basedowii mit Status thymico-lymphaticus von Klose , Capelle 
und Bayer , bei Myasthenia pseudoparalytica von Schumacher und Roth 6 ) 
festgestellt worden ist. Umgekehrt scheinen die Keimdrüsen zu wirken. 
Bei Injektion von Ovarialsaft fand Heimann ein Fallen der Lympho¬ 
cytenwerte und bei Ovariektomie ein beträchtliches Steigen. Es be¬ 
steht demnach ein ausgesprochener Antagonismus zwischen Thymus 
und Keimdrüsen, indem das Sekret der ersteren die Bildung der Lympho- 
cyten anregt, das der letzteren sie hemmt. In dieser Hinsicht ist es 
besonders bemerkenswert, daß man bei jungen Soldaten eine Atrophie 
der Hoden und Schädigung der Spermatogenese während des Krieges 
festgestellt hat [Beneke, Schmorl , Rössle u. a. 7 )], durch die sehr wohl 

*) Galambos , Über das normale qualitative Blutbild. FoL hämatol. 1912. 13 . 

2 ) Hart, Die Lymphocytose des Blutes als Kennzeichen der Konstitution. 
Med. Klinik 1920, Nr. 10. 

8 ) Klose, Lampe und Liesegang , Die Basedowsche Krankheit. Bruns Beitr. 
z. klin. Chirurg. 17. 1912. 

4 ) Capelle und Bayer, Thymektomie bei Morbus Basedow. Bruns Beitr. z. 
klin. Chirurg. 1». 1911. 

fi ) Heimann , Thymus, Ovarien und Blutbild. Münch, med. Wochenschr. 1913, 
Nr. 60. 

6 ) Schumacher und Roth, Thymektomie bei einem Fall von Morbus Basedowii 
mit Myasthenie. Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chirurg. 1912, Nr. 25, H. 4. 

7 ) Beneke , Schmorl, Rössle, Kriegspatholog. Tagung. Berlin 1916. 


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B. Peiser: Störungen der Adrenalinblldung 


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das Blutbild beeinflußt worden sein könnte. Daß bei der innigen Zu¬ 
sammenarbeit der endokrinen Drüsen durch irgendwelche störende 
Einwirkungen von außen her eine zur Ly mph ocy tose führende Um¬ 
stellung des Blutdrüsensystems eintreten kann, ist nach diesen Tatsachen 
verständlich. Ganz allgemein könnte man daher die von den Autoren 
angegebene Blutlymphocytose im und nach dem Kriege als Folge einer 
Schädigung des endokrinen Systems, wie sie durch die Unterernährung 
und andere Einflüsse gegeben ist, ansehen. Eine solche Ansicht ziehen 
wir jedenfalls der Bergeis 1 ) vor, der eine innige Beziehung zwischen 
Fetten und Lipoiden einerseits und Lymphocyten andererseits annimmt, 
daß die Unterernährung durch Abbau des eigenen Körperfetts eine 
Verschiebung des Blutbildes zugunsten der lymphatischen Elemente 
herbeiführt. 

Von anderer Seite wurden Schädigungen bestimmter endokriner 
Organe durch die Kriegsemährung festgestellt. So berichtet Hinz 2 ) über 
Fälle, bei denen die Herabsetzung der Ernährung von unverkennbarem 
Einfluß auf die Funktion der Schilddrüse war. In zwei Fällen traten 
bei einem bereits bestehenden manifesten Hypothyreoidismus starke 
Ödeme infolge der Kriegsemährung auf, im dritten Falle bildete die 
mangelhafte Calorienzufuhr den Anstoß für den Ausbruch des Myx¬ 
ödems. Das nach den Arbeiten von Rumpel 2 ), Moose und Zondekt), 
Hülse 2 ), Jansen 2 ), Lewy 1 ) und Curschmann 2 ) so häufig beobachtete 
Kriegsödem, das in seinen Symptomen manche Ähnlichkeit mit dem 
Myxödem aufweist, wird von manchen Autoren als Folge einer durch 
die Kriegsemährung bewirkten Unterfunktion der Schilddrüse angesehen, 
jedoch steht wohl fest, daß das der Krankheitsbezeichnung zugrunde 
gelegte Symptom des Ödems auch nicht selten gefehlt hat. Dabei sei 
namentlich auch auf den hochgradigen Lipoidschwund der Neben¬ 
nierenrinde verwiesen. Curschmann fand eine unverkennbare Abhängig¬ 
keit der Stärke der Myxödemschwellung von den Phasen besonders 
schlechter Ernährung. Er fand unter den Myxödemkranken nur Städter, 
während er bei der gut genährten Landbevölkerung keinen Fall von 

x ) Bergei, Die Lymphocytose usw. Berl. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 34. 

2 ) Hinz , Kriegsemährung und Hypothyreoidismus. Med. Klinik 1920, Nr. 12. 

3 ) Rumpel , Zur Ätiologie der Ödemkrankheiten in russischen Gefangenl&gem. 
Münch, med. Wochenschr. 1915, Nr. 30. 

4 ) Moose und Zondek , Das Kriegsödem. Berl. klin. Wochenschr. 1917, Nr. 36. 

6 ) Hülse , Die Ödemkrankheit in den Gefangenenlagern. Münch, med. Wochen¬ 
schr. 1917, Nr. 28. 

6 ) Jansen , Über die Ödemkrankheit. Ärztl. Verein München vom 15. V. 1918. 
Münch, med. Wochenschr. 1919, Nr. 7. 

7 ) Lewy , Zur Ödemkrankheit in den Gefangenenlagern. Münch, med. Wochen¬ 
schr. 1919, Nr. 35. 

8 ) Curschmann , Hypothyreoidismus und Konstitution. Dtsch. Zeitschr. f. 
Nervenheilk. 68 / 69 . 1921. 



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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 245 


Myxödem gesehen hat. Die zahlreichen Autopsien Oberndorfers *) von 
Leichen mit Ödemkrankheit haben gezeigt, daß die Schilddrüse bei der 
allgemeinen Organatrophie am stärksten atrophiert, und zwar auf 
ein Drittel ihres Volumens, während die übrigen Organe noch etwa zwei 
Drittel ihres Normalgewichtes aufweisen. Auch sprechen die Erfolge, 
die man bei ödemkranken mit Schilddrüsendarreichung erzielt hat, 
für die Rolle, die die Unterfunktion der Schilddrüse bei dieser Krankheit 
spielt. Wir haben diese Funktionsherabminderung der Schilddrüse 
bereits oben bei den Feststellungen Adlers an winterschlafenden Tieren 
kennen gelernt. Was aber bei diesen Tieren ein physiologischer Vorgang, 
eine, wenn wir den Ausdruck ohne jeden Nebengedanken anwenden 
dürfen, zweckmäßige Reaktion des Organismus bzw. des seine Lebens¬ 
funktionen beherrschenden endokrinen Systems auf Änderungen des 
Milieus ist, bestimmt, das Individuum durch Herabsetzung des Stoff¬ 
wechsels und die Verminderung aller Lebenstätigkeiten über die un¬ 
günstige Zeit hinwegzubringen, das ist bei dem ganz anders eingestellten 
Menschen eine pathologische Erscheinung. Auch von Sehrt 2 ) sind erst 
in jüngster Zeit Schädigungen der Schilddrüsenfunktion durch die 
Blockade bzw. Hungerzeit auf Grund funktioneller Untersuchungen 
vor und nach dem Kriege, die sich besonders auf die Gerinnungszeit 
und die Lymphocytenwerte des Blutes beziehen, festgestellt worden. 
Sehrt weist auch darauf hin, daß nach Mitteilung der chemischen In¬ 
dustrie die deutsche Hammelschilddrüse chemisch erhebliche Ände¬ 
rungen aufweist. Der Jodgehalt der deutschen Hammelschilddrüse 
war in den vergangenen Jahren so gering, daß oft nur eine ganz minder¬ 
wertige Ausbeute möglich war. Auch mußte wegen der hochgradigen 
Veränderungen an der Tiemebenniere in den schlimmsten Jahren die 
natürliche Adrenalinproduktion an manchen Stellen überhaupt ein¬ 
gestellt werden. Diese Organschädigungen können nur auf die abnormen 
Futter Verhältnisse zurückgeführt werden. Ebenso lassen die Angaben 
von Lämpe und Saupe?) über Herabsetzung des Blutdrucks bei Gesunden, 
ebenso von Rostoski 4 ), der während des Krieges nicht selten bei gesunden 
ausgeruhten Soldaten einen Blutdruck von nur 90—100 mm Hg R. R. 
fand, auf Schädigungen auch der menschlichen Nebennieren schließen. 
So liegen denn auch aus der menschlichen Pathologie Anhaltspunkte 
dafür vor, daß die endokrinen Organe durch äußere Einflüsse weitgehend 
in ihrer Funktion beeinträchtigt werden können, und einzelne Beobach¬ 
tungen weisen dabei namentlich auch auf das chromaffine System hin. 

*) Oberndorfer , Ärztl. Verein München vom 15. V. 1919. Münch, med. Wochen- 
sehr. 1919, Nr. 7. 

*) Sehrt , Blockade und innere Sekretion. Münch, med. Wochenschr. 1921, Nr. 9 

3 ) Lämpe und Saupe , 1. c. 

4 ) Rostoski , Verh. f. Natur- u. Heilk., Dresden 15. II. 1919. 


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B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 


Meine Untersuchungen, über die ich bereits vor ihrem Abschluß 
kurz berichtet habe, gingen davon aus, ob wir bei diesem chromaffinen 
System bzw. bei den Nebennieren als seinem wesentlichsten Teil, dessen 
spezifisches physiologisches Sekret wir genau kennen, eine Herabsetzung 
der Funktion durch Nachweis einer verminderten Bildung seines Hor¬ 
mons feststellen können. Wie bereits gesagt, sind die Nebennieren für 
solche Untersuchungen besonders geeignet, da wir ihr Hormon, das 
Adrenalin, als einziges genau kennen und chemisch rein aus den bilden¬ 
den Elementen gewinnen und auch synthetisch hersteilen können. 
Bei den anderen innersekretorischen Drüsen ist die Isolierung eines 
chemisch einheitlichen Hormons bisher nicht sichergestellt. Für eine 
aus der Schilddrüse von KendaU 1 ) gewonnene und synthetisch dar¬ 
gestellte Verbindung, das Thyroxin, ist zwar die Hormonnatur wahr¬ 
scheinlich gemacht; auch glaubt Herrmann 2 ) aus Ovarienextrakten eine 
chemisch einheitliche Verbindung mit Hormon Wirkung isoliert zu haben, 
und ferner sind die Bestandteile der Hypophyse zwar durch FÜhner*) als 
krystallinische Substanzen näher begrenzt worden, die chemische 
Analyse und Strukturvermittlung ist aber überall entweder noch nicht 
gelungen, oder es fehlt noch die Nachprüfung der Angaben. Wir haben 
also bisher in dem Adrenalin das einzige Hormon, dessen Isolierung und 
Reindarstellung gelungen ist, dessen chemische Zusammensetzung 
wir genau kennen und dessen physiologische Wirkungen auf den Organis¬ 
mus seine Bedeutung rechtfertigen. Wenn in neuester Zeit von Ohy und 
Quinquaud 4 ) die physiologische Rolle des Adrenalins bestritten wird, 
besonders, weil sie in ihren Versuchen das Adrenalin in aktiven Mengen 
weder im Blut des rechten noch des linken Ventrikels haben nach weisen 
können und deshalb in dem Adrenalin nichts Anderes als ein Exkretions¬ 
produkt der Nebennieren sehen zu können glauben, so muß es weiteren 
Nachforschungen überlassen bleiben, diese Frage zu klären und fest¬ 
zustellen, ob wir unsere bisherige, allgemein anerkannte Ansicht über 
die Bedeutung des Adrenalins für den Organismus aufgeben müssen. 
Für die folgenden Versuche aber haben wir an der herrschenden Ansicht 
festgehalten, zumal wir der Meinung sind, daß wir auch aus der Stärke 
der Exkretion einen Schluß auf die Leistungsfähigkeit des Organs ziehen 
können. 

Den Nachweis des Adrenalins können wir einmal auf morphologi¬ 
schem Wege durch das Verhalten des chromaffinen Gewebes, zweitens 
durch seine biologischen Wirkungen oder schließlich durch chemische 

*) KendaU , Joum. of bioL chem. 1919, Nr. 39 u. 40. 

2 ) Herrmann , Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gynäkol. 41 . 1915. 

# ) Filhner , Über die isolierten wirksamen Substanzen der Hypophyse. Dtsch. 
med. Wochenschr. 1913, Nr. 11. 

4 ) Qley , 1. c. 


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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 247 


Reaktion führen. Der morphologische Nachweis, der in der Eigenschaft 
der Adrenalinzellen besteht, sich nach geeigneter Fixation mit Chrom¬ 
salzen braun oder gelbbraun zu imprägnieren, kann zwar als Maßstab 
ihres Adrenalinsgehaltes benützt werden, ist aber sehr unsicher, da, 
wie von Biedl 1 ) sowie von Schmorl und Ingier 2 ) gezeigt werden konnte, 
in vielen Fällen eine auffallende Inkongruenz zwischen der Intensität der 
Chromierbarkeit einerseits und der Höhe des chemisch bzw. biologisch 
nachgewiesenen Adrenalingehaltes andererseits besteht. Sicherer ist der 
Nachweis durch den physiologischen Versuch und die chemische 
Reaktion. 

Die Menge des in den Nebennieren enthaltenen Adrenalins zahlen¬ 
mäßig festzustellen, hat zuerst Baitdli 3 ) versucht. Zu diesem Zwecke 
verwendete er eine eigens ausgearbeitete colorimetrische Methode 
mit Eisenchlorid. Doch sind die Ergebnisse dieser Methode ebenso 
wie der von Abdous , Sovlie und Toujan*) angegebenen Jodreaktion 
keineswegs genügend sichere. Eine Modifikation der Jodmethode ist 
die von Fränkel und Allers 5 ) mit Kaliumbijodat und verdünnter Phos¬ 
phorsäure, deren besondere Empfindlichkeit (1 : 1 000 000) von anderer 
Seite bestätigt werden konnte. Die von Comessatti 6 ) angegebene Me¬ 
thode beruht auf der Eigenschaft des Adrenalins, sich bei Zusatz von 
Sublimatlösung rot zu färben. ComessaMi verwandte seine Methode 
auch zur quantitativen Bestimmung des in den Nebennieren enthaltenen 
Adrenalins. Nach seiner Ansicht beruht die Rotfärbung auf der Bil¬ 
dung von Oxyadrenalin und ist identisch mit der beim Stehen an der 
Luft nach längerer Zeit eintretenden Rötung von Adrenalinlösungen. 
Comesaatti konnte mit seiner Methode noch bei einer Verdünnung von 
1 : 2 000 000 eine positive Reaktion erzielen. Von Schmorl und Ingier 
ist diese Methode verfeinert und verbessert worden und, nach Piüfung 
mit anderen Methoden, haben sie die Überzeugung gewonnen, daß die 
Comessattische Methode in der von ihnen angewandten Modifikation 
und unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßregeln nicht hinter anderen 


x ) Biedl, Innere Sekretion. Urban u. Schwarzenberg. Berlin-Wien 1916. 
f ) Schmorl und Ingier , Über den Adrenalingehalt der Nebennieren. Dtsch. 
Arch. f. klin. Med. 104 . 1911. 

8 ) Battelli , Dosage colorim^trique de la substance active des capsules surr6- 
nales. Cpt. rend. des seances de la soc. de biol. 1902, S. 571. 

4 ) Abelous , Sonlie et Toujan, Dosage colorimätrique par le jode de Padränaline. 
Cpt. rend. des seances de la soc. de biol. 57. 1902. 

6 ) Fränkel und Allers , Über eine neue charakteristische Adrenalinreaktion. 
Biochem. Zeitschr. 18 . 1909. 

8 ) Comessatti , Methode zur Bestimmung des Adrenalins im Nebennieren¬ 
gewebe. Dtsch. med. Wochenschr. 1909, Nr. 13. — Systematische Dosierungen 
des Nebennierenadrenalins in der Pathologie. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 
«. 1910. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVIT. 17 


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248 


B. Peiser: Storungen der Adrenalinbiidung 


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zurücksteht. Dagegen glaubt Goldzieher x ) y daß die Comessattisehe 
Reaktion zwar bei frischem Leichenmaterial genaue Resultate gibt, 
jedoch bei gewöhnlichem Obduktionsmaterial nicht selten versagt. 
Goldzieher bediente sich daher bei seinen Untersuchungen eines anderen 
von Zanfrognini 2 ) angegebenen Verfahrens mittels übermangansaurem 
Kali und Milchsäure, das darauf beruht, daß bei Anwesenheit von Adre¬ 
nalin die braunen mangansauren Superoxyde in die farblosen niederen 
Oxyde übergehen, wobei sie der Lösung eine rote Farbe erteilen. Die 
Intensität dieser Farbe ist der Menge des in der Lösung enthaltenen 
Adrenalins proportional. Die Reaktion erfolgt noch deutlich in Adrenalin¬ 
lösungen von 1 : 1 000 000. 

Unter anderen wäre noch eine Methode von Cevidalli 3 ) zu nennen, 
bei der ebenfalls auf colorimetrischem Wege nach Zusatz von Ferri- 
cyankaliüm die Adrenalinmenge bestimmt werden kann. Mit Hilfe 
dieser Methode haben Cevidalli und Leoncini 4 ) Untersuchungen über den 
Adrenalingehalt der Nebennieren im Hinblick auf verschiedene Todes¬ 
ursachen beim Menschen angestellt und gefunden, daß die Adrenalin¬ 
bestimmung zur Entscheidung der medizinisch-gerichtlichen Frage, 
ob der Tod eines Menschen plötzlich oder nach längerer Krankheits¬ 
dauer und Agonie eingetreten sei, geeignet ist. Während im letzteren 
Falle die Reaktion nur schwach ist, fällt sie nach plötzlichem Tode 
sehr intensiv aus. Jedoch scheint nach anderen Untersuchungen 
der Reaktion in dieser Hinsicht nur ein untergeordneter Wert zu¬ 
zukommen. 

In letzter Zeit sind noch weitere neue Methoden zum chemischen 
Nachweis des Adrenalins angegeben worden, unter denen ich die von 
Folin b ) ursprünglich zur Bestimmung der Harnsäure verwendete Me¬ 
thode anführen möchte. Die Reaktion beruht darauf, daß das Fo/insche 
Phosphorwolframsäurereagenz mit verschiedenen Polyphenolen eine 
Blaufärbung gibt. Mit Adrenalin tritt diese Färbung noch bei einer 
Konzentration von 1 : 3 000 000 auf. Lucksch 6 ) hebt bei seinen Versuchen 
die Vorzüge dieser Methode hervor. 


*) Goldzieher, Die Nebennieren. Wiesbaden 1911. 

2 ) Zanfrognini , Eine neue kolorimetrische Methode zur Adrenalinbest im - 
mung. Dtsch. med. Wochenschr. 1909, Nr. 40. 

3 ) Cevidalli , Di alcune reazioni dell’adrenalina. Sperimentale 62. 1908. Arch. 
ital. de biol. 5t. 1909. 

4 ) Cevidalli und Leoncini , Lo Sperimentale 1909 u. 1910. Arch. ital. de biol. 
54. 1911. 

6 ) Folin , Cannon et Denis , A new colorimetric method for the determination 
of epinephrine. Journ. of biol. ehern. 13 , Nr. 14. 1913. 

Ä ) Lucksch , Über den Adrenalingehalt der Nebennieren des Menschen bei 
verschiedenen Todesursachen. Virchows Arch. f. pathol. Aiiat. u. Physiol. ££ 3 . 
1917. 



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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 249 


Ich habe selbst meine sämtlichen Untersuchungen an den Nebennieren 
unseres Sektionsmaterials nach der von Schmort und Ingier modifi¬ 
zierten Come88atti sehen Methode ausgeführt, und kann nach meiner 
Erfahrung, die ich an über 150 Adrenalinbestimmungen mit dieser 
Reaktion gewonnen habe, nur Schmort und Ingier beipflichten, die dieser 
Methode vor anderen den Vorzug geben. Abgesehen davon, daß ihre 
Ausführung einfach ist, habe ich bis auf wenige Ausnahmen nie Schwierig¬ 
keiten bei der Bestimmung gehabt, die von anderen Autoren beim Ver¬ 
gleich der Standardlösung mit der Nebennierenflüssigkeit angegeben 
werden. Die Methode beruht darauf, daß man. auf colorimetrischem 
Wege durch Vergleich der zu bestimmenden Nebennierenflüssig¬ 
keit mit einer bekannten Adrenalinlösung nach Anstellung der 
Reaktion mit Sublimatlösung und Zusatz von Wasserstoffsuper¬ 
oxyd, die eine Rotfärbung der Lösungen ergeben, durch einfache 
Berechnung den Adrenalingehalt in der zu bestimmenden Flüssigkeit 
erhält. 

Die Untersuchung gestaltet sich im einzelnen folgendermaßen: 

Die Nebennieren werden (im Durchschnitt 24—36 Stunden p. m.) 
möglichst vorsichtig unter Vermeidung von Druck und, ohne sie ein¬ 
zuschneiden und abzuspülen, mitsamt dem anhaftenden Fettgewebe 
aus der Leiche entfernt. Letzteres ist sehr wichtig, da nach dem Tode 
beträchtliche Mengen Adrenalin in die Umgebung diffundieren sollen 
und bei Vernachlässigung dieser Ausführung nicht zur Bestimmung 
kommen würden. Nun werden die Organe mit anhaftendem Fettgewebe 
durch Rasiermesserschnitte vorsichtig auf Fließpapier in dünne Scheiben 
zerlegt und darauf zusammen mit dem durchtränkten Fließpapier mit 
Quarzsand im Porzellanmörser fein zerrieben. Der Brei wird mit warmer 
2promill. wässriger (gewöhnl. Leitungswasser) Sublimatlösung versetzt, 
bei Erwachsenen mit 200 ccm, bei Kindern mit 100 ccm, dazu kommen 
bei Erwachsenen 10, bei Kindern 5 Tropfen Wasserstoffsuperoxyd; danach 
wird */ 2 Stunde im Schüttelapparat geschüttelt. Die Aufschwemmung 
wird durch Fließpapier filtriert, wobei sich eine je nach dem Adrenalin¬ 
gehalt mehr oder minder stark rot gefärbte Flüssigkeit ergibt. Geringe 
Erwärmung der Aufschwemmung vor dem Filtrieren hat sich mir be¬ 
währt, indem dadurch das Filtrieren bedeutend beschleunigt wurde, 
ohne daß dabei die Reaktion an Schärfe und Genauigkeit einbüßte. 
Ich hatte sogar im Gegenteil den Eindruck, als wenn dadurch die Rot¬ 
färbung bedeutend klarer und deutlicher hervorträte. Der Adrenalin¬ 
gehalt des Filtrats wird nun sofort auf colorimetrischem Wege bestimmt. 
Der Filterrückstand wird mit 50 ccm Sublimatlösung nochmals 1 / a Stunde 
und, falls das sich ergebende Filtrat noch rötlich gefärbt war, noch ein 
drittes Mal wieder unter Zusatz von 50 ccm Sublimatlösung geschüttelt. 
Wieder erfolgt sofortige Bestimmung der Adrenalinmenge im zweiten 

17* 


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*'5Ü 


B. Peiscr: Störungen der Adrenalinbildung 


bzw. dritten Extrakt mittels der colorimetrisehen Methode und schlie߬ 
lich Addition der gefundenen Werte. Eine viermalige Extraktion war 
nur in Ausnahmefällen bei sehr hohem Adrenalingehalt nötig. Als 
Vergleichslösung bediente ich mich der von den Höchster Farbwerken 
synthetisch hergestellten 1 promill. Suprareninlösung. Ich fand dieses 
Präparat für meine Versuche völlig gleichwertig der von ComessaUi 
für seine Methode angegebenen und auch von Schmort und Ingier ver¬ 
wendeten Adrenalinlösung ( Parke-Davns ), da ich auch mit diesem syn¬ 
thetisch hergestellten Präparat bei der maximalen Verdünnung von 
1 : 2 000 000 ebenfalls gerade noch eine positive Reaktion erzielen konnte 
Die Bestimmung des Adrenalins in Milligramm findet auf Grund der 
folgenden Berechnung statt: 0,1 ccm der käuflichen, auf 1 : 1000 ver¬ 
dünnten Suprareninlösung, enthaltend 0,0001 Adrenalin, wird unter 
Zusatz von 10 Tropfen Wasserstoffsuperoxyd mit 2 promill. wäßriger 
Sublimatlösung auf 200 ccm verdünnt; in 40—50 ccm dieser Lösung, 
die einer Verdünnung von 1 : 2 000 000 entspricht, ist, in einer Porzellan¬ 
schale betrachtet, noch eine schwache rote Farbe zu erkennen. Die 
zu untersuchende Extraktmenge wird nun so lange mit Wasser verdünnt, 
bis 40—50 ccm dieser Verdünnungsflüssigkeit, ebenfalls in einer weißen 
Porzellanschale betrachtet, mit der bekannten Lösung in der Färbung 
übereinstimmt, also auch gerade noch eine schwache rote Färbung 
zeigt. Das Produkt aus der Extraktmenge und dem Verdünnungsgrade 
dividiert durch 200 gibt den Adrenalingehalt in Dezimilligramm an. 
Durch Addition der für jeden Extrakt gefundenen Werte kann man für 
den betreffenden Fall die in den Nebennieren enthaltene Adrenalinmenge 
genau bestimmen. 

Zur Erläuterung lasse ich ein Beispiel folgen: 


1. Extrahierung: Extraktmenge 180 ccm, dessen maximale Ver¬ 


dünnung 1 : 42; deshalb beträgt die erhaltene Adrenalinmenge 


180 X 42 
200 


— 37,8 dmg = 3,78 mg. 


2. Extrahierung: Extraktmenge 42 ccm, dessen maximale Verdün 


tiung 1 : 24; die erhaltene Adrenalinmenge beträgt deshalb 


42 X 24 
200 ~ 


— 5,04 dmg = 0,5 mg. 

3. Extrahierung: Extraktmenge 38 ccm, die keine weitere Verdün- 

38 

nung gestatten; die Adrenalinmenge beträgt demnach — = 0,19 dmg 


— 0,02 mg. Gesamtadrenalingehalt = 4,3 mg. 


Die durch postmortale Veränderungen der Nebennieren etwa ge¬ 
gebene Fehlerquelle scheint nach früheren Erfahrungen keine bedeutende 


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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 251 


Rolle zu spielen. Von Cevidalli und Leoncini wird die erhebliche Wider¬ 
standsfähigkeit des Adrenalins postmortalen Prozessen gegenüber be¬ 
tont. Schmort und Ingier halten es nach angestellten Versuchen für 
sicher, daß innerhalb der ersten 36 Stunden p. m. kein allzugroßer 
Adrenalinverlust eintritt. Der postmortale Verlust ist nach ihrer An¬ 
sicht fast vollständig auszuschalten, wenn das umgebende Gewebe mit 
zur Untersuchung gewonnen wird. Damit verliert Qierkes 1 ) Feststellung, 
daß der Verlust an Adrenalin durch Diffusion in das umgebende Gewebe 
groß ist, an Bedeutung. Je höher der Adrenalingehalt der Nebennieren, 
desto größer ist die Diffusion, am stärksten in den ersten 24 Stunden 
p. m. Ebenso gelangt Adrenalin durch das Blut der Nebennierenvenen 
in das umgebende Gewebe. Auf der Diffusion in die Umgebung beruhen 
wohl auch die Angaben über die Inkongruenz zwischen chemisch nach- 
gewiesenem Adrenalingehalt und Intensität der Chromreaktion sowie 
über die Abnahme der Chromierbarkeit bzw. völliges Versagen der 
Chromreaktion nach dem Tode. Der chemische quantitative Nachweis 
des Adrenalins in den Nebennieren der Leiche, unter Beobachtung 
oben genannter Vorsichtsmaßnahmen, gibt uns also einen ziemlich 
genauen Anhalt über den Adrenalingehalt der Nebennieren im Augen¬ 
blick des Todes. 

Systematische Untersuchungen über den Adrenalingehalt der 
Nebennieren des Menschen sind in neuerer Zeit mehrfach ausgeführt 
worden. Battdli 2 ) fand in 7 Fällen eine durchschnittliche Adrenalin¬ 
menge von 3,91 mg, nach den Untersuchungen Goldziehers f 3 ) enthalten 
die Nebennieren des erwachsenen Menschen 4 mg Adrenalin. Dabei 
spielt das Lebensalter eine große Rolle. Bei Neugeborenen konnte 
Goldzieher den Adrenalingehalt der Nebennieren mit etwa 1 mg fest¬ 
setzen, mit zunehmendem Alter tritt eine allmähliche Erhöhung ein. 
Die höchsten Werte fand er in den 50. bis 70. Lebensjahren, später mit 
allgemeiner seniler Atrophie scheint auch der Adrenalingehalt regel¬ 
mäßig zu sinken. • 

Die wichtigsten Aufklärungen verdanken wir Schmort und Ingier 4 ), 
die nach der modifizierten Comessattischen Methode an einem umfang¬ 
reichen Material von 517 Fällen Adrenalinbestimmungen an den Neben¬ 
nieren vorgenommen haben. Sie fanden als Durchschnittswert für den 
Adrenalingehalt beider Nebennieren 4,22 mg. Bei Kindern bis 9 Jahren 
findet sich nach ihren Angaben ein solcher von 1,52 mg, im Alter von 
10—89 Jahren von 4,59 mg. Von der Geburt bis zum 8. Lebensjahre 

1 ) Oierke , Lubarsch-Ostertags Ergehn, d. allg. Pathol.u. pathol. Anat. 10 . 1906. 

2 ) Battelli , Quantitä d’adrenaline existant dans les caps, surren, de l’hommc. 
Cpt. rend. des seances de la soc. de biol. 1902, S. 1205. 

a ) Goldzieher , 1. c. 

4 ) Ingier und Schmort , 1. c. 


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252 


B. Peiser: Störungen dor Adrenalinbildung 


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fanden sie ein allmähliches Ansteigen des Adrenalingehaltes. Während 
er bei Neu- und Frühgeburten im Durchschnitt nur 0,1 mg beträgt, 
wächst er bis zum 8. Lebensjahre allmählich bis zu 3,96 mg heran. Bei 
nicht lebensfähigen Frühgeburten fanden sich meist nicht kolorimetrisch 
bestimmbare Mengen, bei Föten unter 20 cm Länge war ein Nachweis 
überhaupt nicht möglich. Vom 10. bis 89. Jahre hält sich der Adrenalin¬ 
gehalt mit geringen Schwankungen auf gleicher Höhe. Hinsichtlich 
des Geschlechts fanden sie keinen nennenswerten Unterschied; der 
Durchschnittswert ergab für fast alle Jahrzehnte ein geringes Über¬ 
wiegen des weiblichen Geschlechts (Durchschnittswert für Männer 
4,40 mg, für Frauen 4,71 mg). 

In neuerer Zeit sind von Lucksch 1 ) die Resultate bekanntgegeben 
worden, die er an einem Material von 350 Fällen mittels der Folinachen 
Methode gewonnen hat. Er fand im Alter von 10—90 Jahren einen 
Durchschnittswert von 4,29 mg, was etwa auch den Resultaten der 
eben genannten Autoren entspricht. Seine Untersuchungen ergaben 
ein geringes Ansteigen bis zum 50. Lebensjahr, um dann allmählich 
wieder abzusinken. Bei Kindern zwischen 1 und 10 Jahren fand er 
einen Durchschnittsgehalt von 1,4 mg, während Neu- bzw. Totgeburten 
und Rinder bis zu 1 Jahr einen Adrenalingehalt von durchschnittlich 
etwa 0,5 mg aufwiesen. 

Den eben angeführten Ergebnissen obiger Autoren, die teilweise 
an sehr großem Material Adrenalinbestimmungen an der Leiche vor¬ 
genommen haben, will ich nun meine Resultate gegenüberstellen, da 
wir nur durch Vergleich mit früher gewonnenen Werten uns ein 
Bild über die augenblickliche Funktionstüchtigkeit der Nebennieren 
machen können. Es ist ja wohl klar, daß die in den Nebennieren 
gefundenen Adrenalinwerte nur einen Teil der gesamten hier ge¬ 
bildeten Adrenalinmenge darstellen; doch liefern sie einen wichtigen 
Anhaltspunkt für die Beurteilung der Intensität der Nebennieren¬ 
funktion. » 

Meine Untersuchungen erstrecken sich auf die Zeit von Oktober 
1920 bis April 1921, also eine Zeit, wo die Lebensverhältnisse schon 
ein wenig besser geworden waren, aber natürlich noch weit hinter 
der Lebenshaltung vor dem Kirege zurückstanden. Dazu kommt 
noch, daß das Material fast ausschließlich der Großstadtbevölke¬ 
rung Berlins entstammt, die bezüglich der Ernährung und Lebens¬ 
führung sicherlich gegenüber der Kleinstadt und Landbevölkerung 
schlechter gestellt ist. Unser Sektionsmaterial erweist sich also als 
besonders geeignet für den Nachweis, ob die Unterernährung das 
endokrine System und somit den Ablauf sämtlicher Lebensvorgänge 
beeinflußt. 

l ) Lucksch , 1. c. 



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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 253 


Ich habe bei 158 zur Obduktion gekommenen Fällen die quanti¬ 
tative Bestimmung des Adrenalins in den Nebennieren mittels der von 
Schmorl und Ingier modifizierten Comessattischen Methode vorgenom¬ 
men und bin dabei zu Werten gekommen, die weit hinter denen obiger 
Autoren Zurückbleiben. In der folgenden Tabelle gebe ich meine Re¬ 
sultate gesondert nach Altersstufen und Geschlecht wieder, ohne Rück¬ 
sicht auf Art der Krankheit und Todesursache, um so den Durchschnitts¬ 
wert für den betr. Lebensabschnitt und den allgemeinen Durchschnitt 
zu bestimmen. 


Tabelle A . 


1 

-- 

Durchschnitt- 


Durchschnitt- 

- —— 

Durchschnitt- 

Alter 

Zahl 

licher Adrena- 


licher Adrena- 

o 

licher Adrena- 

liugehalt 

a 1 

lingehalt 


lingehalt 



mg 


mg 


mg 

0—90 

158 

2,67 

74 

2,77 

84 

2,59 

10—90 

133 

3,05 

58 

3,36 

75 

2,81 

0-10 

j 25 

0,65 (1,81) 

16 

0,63 

9 

0,68 

0-1 

10 

0,19 (04) 

6 

0,23 

4 

0,12 

1—2 

1 6 

0,24 (1,18) 

6 

0,27 

1 

0,08 

2—3 

1 3 

1,09 (1,66) 

1 

0,74 

2 

1,26 

5-6 

1 2 

1,92 (3,30) 

2 

1,92 

— 

— 

7—8 

! 2 

1,37 (3,96) 

2 

1,37 

— 

— 

9—10 

2 

1,52 

— 


2 

1,52 

11—20 | 

1 7 

2,52 

6 

2,58 

1 

2,20 

21—30 

29 

3,05 

10 

4,21 

19 

2,45 

31—40 

27 

3,41 

10 

3,49 

17 

3,36 

41—50 

14 

3,15 

10 

3,29 

4 

2,79 

51—60 

20 

3,04 

11 

3,27 

9 

2,75 

61- 70 

19 

3,00 

7 

3,49 

12 

2,72 

71—80 

14 

2,76 

3 

2,31 

11 

2,88 

81—90 

3 i 

2,21 

1 

2,56 

2 

2,03 


Es ergibt sich aus dieser Zusammenstellung ein Durchschnittswert 
von 2,67 mg Adrenalin für sämtliche Lebensabschnitte. Gegenüber dem 
von Schmorl und Ingier erhaltenen Wert von 4,22 mg bedeutet das eine 
Herabminderung um mehr als ein Drittel. Zu demselben Resultat kom¬ 
men wir, wenn wir die bei Erwachsenen bestimmten Adrenalinmengen 
einem Vergleich unterziehen. Der von mir gefundene Durchschnitts¬ 
wert von 3,05 mg bleibt ebenfalls um etwa ein Drittel hinter den Werten 
früherer Autoren zurück (Goldzieher 4,0 mg, Schmorl und Ingier 4,59 mg, 
Lucksch 4,29 mg). Die gefundenen Werte entsprechen nun wohl nicht 
dem Durchschnitt beim völlig gesunden Individuum, da das Sektions¬ 
material sich zum größten Teil aus Kranken zusammensetzt, die durch 
ihre schneller oder langsamer zum Tode führende Krankheit mehr oder 
weniger geschwächt waren. Es kam mir aber auch nicht darauf an, 
den Durchschnittswert bei Gesunden zu berechnen, sondern durch 


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254 


B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 


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Vergleich mit den Resultaten früherer Autoren, die sie selbstverständ¬ 
lich ebenfalls nur an ihrem Sektionsmaterial gewonnen haben, zu 
zeigen, daß der Adrenalingehalt der Nebennieren gegen früher stark 
herabgesetzt ist. 

Da ich mich bei Ausführung der chemischen Untersuchung streng 
an die Angaben von Schmort und Ingier gehalten habe, so kann dieser 
hochgradige Unterschied zwischen meinen und Schmorls Zahlen nicht 
der Methode zur Last gelegt werden. Wir müssen also nach einer anderen 
Ursache suchen, die früher nicht bestanden hat und jetzt ihren schäd¬ 
lichen Einfluß auf den Organismus ausgeübt und dabei besonders für 
die Nebenniere zu einer Herabsetzung ihrer Leistungsfähigkeit um etwa 
ein Drittel geführt hat. Daß diese Ursache einzig und allein in den 
schlechten Lebensbedingungen hegt, ist nach alledem, was vorher 
über die Bedeutung äußerer Einflüsse für das endokrine System ge¬ 
sagt wurde, und nach den Befunden der oben erwähnten Autoren nicht 
zu bezweifeln. Des Näheren kann man freilich darüber kaum mehr als 
Vermutungen aussprechen. 

Die hohe Bedeutung, die die Ernährung für die Funktion der endo¬ 
krinen Organe besitzt, könnte ihre Bekräftigung in den Ergebnissen 
neuerer Forschungen finden, wonach den Vitaminen ein besonderer 
Einfluß auf die innere Sekretion zugeschrieben wird. Folgende Angaben 
darüber entnehme ich dem Buche Weits 1 ). Funk betrachtet die Vita¬ 
mine als Betriebsstoffe für die innersekretorischen Organe. Insuffizienz 
an Vitaminen führt zur Hypofunktion dieser Organe. Die Ähnlichkeit 
bestimmter Avitaminosen mit Erkrankungen inkretorischer Drüsen 
ließ Forscher daran denken, ob nicht die Vitamine Vorstufen einzelner 
innerer Sekrete seien oder diese selbst, die in den Drüsen aufgespeichert 
würden. Die Ähnlichkeit der Pellagra mit der Addisonschen Krankheit 
legt die Vermutung nahe, daß die beobachteten nervösen Symptome, 
die als Störungen des sympathischen Nervensystems gedeutet werden 
können, durch die mangelhafte Bildung von Adrenalin bedingt seien. 
Nach pathologischen Befunden sollen auch die Nebennieren bei Pel¬ 
lagrakranken weniger wiegen als normale und sich am sympathischen 
Nervensystem ähnliche Veränderungen finden wie beim Morbus Addi- 
sonii. Dafür sprechen auch die jüngsten Berichte von Seaman über 
die Heilung von Polyneuritis bei Tauben durch Injektion von salz¬ 
sauren alkoholischen Extrakten aus Schilddrüse sowie die Beschrei¬ 
bungen von Funk und Douglas über degenerative Veränderungen der 
Blutdrüsen, vor allem des Thymus bei Beri-Beri. Die Vermutung, 
daß die Lebenswichtigkeit der Vitamine darin bestände, daß sie Vor¬ 
stufen bestimmter innerer Sekrete seien, findet eine Stütze darin, daß 

*) Weil. Die innere Sekretion. Springer. Berlin 1921. 



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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 255 


in vielen Nahrungsmitteln sich Amine finden, die in ihrem Aufbau 
dem Adrenalin nahestehen. 

Wie gesagt, sind das alles kaum mehr als Vermutungen; der feinere 
Mechanismus der Beeinflussung innersekretorischer Organe durch die 
Ernährung bleibt uns verschlossen. Halten wir uns indessen an das 
von uns festgestellte Tatsächliche, so hat sich ergeben, daß die Neben¬ 
nieren ebenso wie es bereits für die Schilddrüse festgestellt worden ist, 
auf die durch die Unterernährung verursachte Schädigung mit einer 
Hypofunktion ihres Adrenalsystems reagieren. Daß bei dem engen 
Zusammenhang aller endokrinen Drüsen eine Veränderung in der 
Funktion eines so wichtigen innersekretorischen Organs, wie es die 
Nebenniere ist, ihren Einfluß auch auf den gesamten endokrinen 
Apparat geltend machen muß, erscheint uns nicht zweifelhaft. Es 
wird also zu einer Neueinstellung des endokrinen Systems kommen, 
die bei dem bedeutenden Einfluß, den es als Vermittler zwischen 
Außenwelt und Körperzelle ausübt, für das Individuum von un¬ 
geahnter Bedeutung sein muß. Das körperliche und seelische 
Wohlbefinden, die Widerstandsfähigkeit äußeren Schädigungen gegen¬ 
über, kurzum die gesamte Körperverfassung muß durch diese er¬ 
worbene Minderwertigkeit des Blutdrüsensystems schwer beeinträch¬ 
tigt werden. 

In noch höherem Maße als bei Erwachsenen scheint sich der 
Einfluß der Ernährung auf das Adrenalsystem bei Kindern be¬ 
merkbar zu machen. Die Zahl der Untersuchungen bei Kindern 
ist allerdings zu gering, um daraus sichere Schlüsse ableiten zu 
können. Zum besseren Verständnis habe ich in Klammem die von 
Schmort und Ingier gefundenen Werte hinzugesetzt. Im übrigen 
kann ich nur die Angaben früherer Autoren bestätigen. Es findet 
ein allmähliches Ansteigen des Adrenalingehaltes beim Kinde statt, 
um sich beim Erwachsenen mit geringen Schwankungen auf gleicher 
Höhe zu halten und erst im Greisenalter wieder abzunehmen. Ein 
Anstieg bis zum 50. Lebensjahre, wie ihn Lucksch gefunden hat, 
kann ich nicht bestätigen. In fast allen Jahrzehnten konnte ich 
im Gegensatz zu Schmort und Ingier einen höheren Adrenalingehalt 
bei Männern als bei Frauen feststellen. Bei Männern im dritten 
Jahrzehnt kam ich bei meinen Untersuchungen sogar zu Werten, 
die kaum hinter den Durchschnittswerten der früheren Autoren zurück¬ 
stehen. 

Meine Resultate über den hemmenden Einfluß der Unterernährung 
auf die Funktion der Nebennieren des Menschen versuchte ich nun 
im Tierexperiment am Meerschweinchen nachzuprüfen. Es liegen 
bereits frühere Versuche an Tieren über das Verhalten der Nebennieren 
beim Hungern vor, die zu recht widersprechenden Ergebnissen geführt 


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256 


B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 


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haben. Nach Vermiet und Dimitrowsky 1 ) soll beim Kaninchen nach 
3—8 tägigem Hungern die Chromierbarkeit des Nebennierenmarkes 
stark abnehmen bzw. verschwinden. Die Richtigkeit dieses Befundes 
wird von Lucksch 2 ) auf Grund seiner Versuche bestritten, die ergaben, 
daß der Nebennierenextrakt von Kaninchen, die 13 Tage gehungert 
haben, normale Werte der blutdrucksteigemden Wirkung aufwies und 
die Markzellen normale Chromierung zeigten. Er kommt daher zu dem 
Schluß, daß das chromaffine Gewebe durch das Hungern keine wesent¬ 
liche Veränderung erleide. 

Ich bin mir wohl bewußt, daß eine Übertragung der Verhältnisse 
bezüglich der Ernährung vom Menschen auf das Meerschweinchen 
große Lücken aufweist. Die Anforderungen des menschlichen Organis¬ 
mus an die Ernährung sind ganz andere als beim Meerschweinchen, 
das für sein Fortkommen an die Qualität der Nahrung sehr geringe 
Ansprüche stellt. Beim Menschen dagegen ist wohl nicht in der Haupt¬ 
sache die quantitative Herabsetzung der Ernährung die ausschlag¬ 
gebende Ursache für die Beeinflussung des endokrinen Systems als 
vielmehr ihre qualitative Verschlechterung. Jacobsohn und SJdarz?) 
sehen in dem K-Reichtum und der Ca-Armut der Kriegskost die Haupt¬ 
schädlichkeit für den Organismus. Wir sind also nicht in der Lage, 
einfach durch Futtereinschränkung beim Meerschweinchen die augen¬ 
blicklichen Lebensverhältnisse beim Menschen nachzuahmen. Ich 
habe es trotzdem versucht, um auch für das Tier einen gewissen Ein¬ 
fluß der Unterernährung ganz allgemein auf das endokrine System 
bzw. die Funktion der Nebennieren festzustellen. Die erwähnten 
Untersuchungen der früheren Autoren geben sehr widersprechende 
Resultate, außerdem gründen sich ihre Ergebnisse nicht auf genaue 
quantitative Bestimmungen des Adrenalingehaltes, denn nur so kann 
man ein richtiges Urteil über den Funktionszustand der Nebenniere 
fällen. Ich habe den Adrenalingehalt in der gleichen Weise wie beim 
Menschen bestimmt, nur daß ich natürlich zur Lösung eine weit ge¬ 
ringere Sublimatmenge (20—30 ccm) und entsprechend weniger Wasser¬ 
stoffsuperoxyd verwendete. 

Nach den Untersuchungen Battellis 4 ) beträgt beim Meerschweinchen 
der Adrenalingehalt der Nebennieren auf 1000 kg Körpergewicht be- 


x ) Venulet und Dimitrowsky , Über das Verhalten des chromaffinen Gewebes 
beim Hungern. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. €3. 1910. 

2 ) Lucksch , Über das histologische und funktionelle Verhalten der Neben¬ 
nieren beim hungernden Kaninchen. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. €5. 
1911. 

3 ) Jacobsohn und Sklarz , Salvarsanschädigung als Störung des Ionengleich¬ 
gewichts. Med. Klinik 1921, Nr. 44. 

4 ) BatteUi , 1. c. 



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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung:- 257 

rechnet, 0,2290 g. Ich habe bei 24 normal ernährten Meerschweinchen 
mittels der modifizierten ComessaUischen Methode einen durchschnitt¬ 
lichen Adrenalingehalt von 0,1863 g auf 1000 kg Körpergewicht er¬ 
halten. Diese Zahlen stehen um ein Geringes hinter den Werten 
BaUeUis zurück, vielleicht auch als Folge der schlechteren Ernährung, 
unter der natürlich auch das gewöhnlich ernährte Meerschweinchen zu 
leiden hat. 

Bei den Versuchstieren habe ich mehrere Wochen lang die Futter¬ 
menge stark herabgesetzt, ohne die Kost ganz einseitig zu gestalten, 
und durch häufige Gewichtsbestimmungen den Körperzustand kon¬ 
trolliert. Die Adrenalinbestimmung wurde sofort nach der Tötung 
der Tiere vorgenommen. 

Das Ergebnis meiner Untersuchung zeigt die folgende Tabelle B: 


Tabelle B. 


Versuchs¬ 

tier 

j Anfangs¬ 
gewicht 
g 

Endgewicht 

g 

Gewichts- 

Abnahme 

g 

Dauer der 
Unterernährung 
Tage 

Adrenalingehalt auf 
1000 kg Körpergewicht 
berechnet 

g 

A 

530 

400 

130 

26 

0,1125 

B 

375 

325 

50 

45 

0,1477 

C 

290 

265 

25 

49 

0,2189 

D 

585 

515 

70 

49 

0,1165 


Wir können aus dieser Zusammenstellung bei drei Versuchstieren 
eine bedeutende Herabsetzung des Adrenalingehaltes gegenüber der 
Norm feststellen, während das vierte Versuchstier C einen hohen, 
sicher nicht verminderten Adrenalingehalt auf weist. Wir müssen dabei 
berücksichtigen, daß dieses Tier nur einen geringen Gewichtsverlust 
von 25 g, also nur etwa 1 / 12 seines Körpergewichts zeigt, während die 
anderen Versuchstiere, A etwa 1 / A , B etwa 1 / 7 , D etwa 1 / 8 an Körper¬ 
gewicht eingebüßt haben. Außerdem wäre noch zu erwähnen, daß 
Versuchstier C während des größten Teils der Hungerperiode an Ge¬ 
wicht zunahm, daß also scheinbar die Ernährungsherabsetzung nicht 
richtig durchgeführt war und erst in der letzten Woche durch ener¬ 
gische Hungerkur noch ein geringer Gewichtssturz eintrat. Die Ver¬ 
suche konnten aus äußeren Gründen nicht umfangreicher gestaltet 
werden, aber auch diese wenigen Fälle lassen ohne Zweifel im Tier¬ 
experiment einen gewissen Einfluß der Ernährung auf die Adrenalin¬ 
produktion erkennen. 

Somit geht aus meinen Untersuchungen, wie ich glaube, eindeutig 
hervor, daß unter dem ungünstigen Einfluß quantitativ und wohl 
mehr noch qualitativ ungenügender Ernährung eine schwere Be¬ 
einträchtigung der Adrenalinbildung in den Nebennieren stattfindet. 



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258 B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 

Damit ist ein weiterer Beweis dafür erbracht, daß die Funktion der 
innersekretorischen Organe in hohem Maße abhängt von äußeren 
Wirkungen, wie sie sich ganz allgemein aus dem Milieu und der Lebens¬ 
weise, aus den Lebensbedingungen ergeben. Das einzelne Individuum 
muß eingepaßt sein in die Umwelt, dazu ist Vorbedingung die bio¬ 
logische Beziehung des Organismus zu den Faktoren der Außenwelt, 
die ein ständiges, feinstes Reagieren des Körpers auf Änderungen der 
letzteren ermöglicht und gewährleistet. Was wir augenblicklich fest¬ 
stellen, das sind nur gröbere Wirkungen und entsprechende Ausschläge 
der fein eingestellten Nadel über die physiologischen Grenzen hinaus. 
In Wahrheit stellen wir uns vor, daß immerwährend die feinsten 
Schwankungen nicht nur in der Funktion des einzelnen endokrinen Or¬ 
gans, sondern auch in der Einstellung des ganzen Systems stattfinden, 
die sich einer genauen Feststellung entziehen. Wie es außer der mangel¬ 
haften Ernährung noch viele andere Faktoren geben wird, die ebenso 
und vielleicht noch gröber auf das Adrenalsystem wirken, das natür¬ 
lich durchaus nicht allein im endokrinen System beeinflußt zu werden 
braucht, so sind noch viele andere Faktoren anzunehmen, deren Wir¬ 
kung eine feine und allerfeinste ist. Es steht nichts der Auffassung 
entgegen, ja es kann sogar als ein allgemeines Gesetz angenommen 
werden, daß unter normalen und abnormen Verhältnissen alle endo¬ 
krinen Organe unter dem Einfluß der Außenwelt stehen. In der großen 
Schwierigkeit, diesen stets sicher zu erkennen und bei dem innigen In¬ 
einandergreifen der Funktionen im endokrinen System in jeder Hin¬ 
sicht genau zu bestimmen, hegt es begründet, daß wir auch in der 
Pathologie so schwer zu sagen vermögen, ob ein pathologischer 
Konstitutionstyp eine primäre oder sekundäre Erscheinung darstellt. 
Nach unserer Überzeugung muß man mit der Annahme des ersteren 
sehr vorsichtig sein, was nichts anderes besagt, als daß für alle die¬ 
jenigen, die in der Konstitution nur etwas Ererbtes, durch die Erb¬ 
faktoren der elterlichen Keimzellen Bedingtes erblicken, viele oder 
gar die meisten Fälle von Status thymico-lymphaticus, Infantilis¬ 
mus, Eunuchoidismus usw. nicht echte Konstitutionen darstellen, 
sondern nur die verschiedensten Reaktionen des Organismus auf 
mannigfache Schädigungen zu irgendeiner Zeit des Individuallebens 
zeigen. 

Nach der Auffassung Harts , die ich hier zum Ausdruck bringe und 
wie sie ja auch noch andere Autoren, freilich ohne nähere Begründung, 
ausgesprochen haben, spielt für die Erscheinung der einzelnen patho¬ 
logischen Konstitutionstypen das endokrine System die wesentliche 
Rolle. Je mehr man aber erkennt, daß seine überragende Bedeutung 
für die Ontogenese, für alle wichtigen Lebensvorgänge nicht etwa 
allein auf einer ererbten Konstellation der Einzelteile, auf einer von 



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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 259 

allem Anfang der Entwicklung an gegebenen, feststehenden Formel 
beruht, die gewissermaßen zwangsmäßig die Entwicklung des Indi¬ 
viduums bestimmt, sondern in mindestens ebenso hohem Maße auf der 
Mittlerstellung zwischen Außenwelt und Körperzelle, um so mehr 
muß man auch die sekundäre Entstehung der pathologischen Kon¬ 
stitutionstypen wie vieler einzelner als konstitutionell aufgefaßter 
besonderer Merkmale anerkennen. Daraus ergibt sich die Annahme, 
daß solche ständig neu entstehen. 

Aber nicht nur auf das einzelne Individuum selbst, sondern auch 
auf seine Nachkommen kann die Beeinflussung des endokrinen Systems 
nicht ohne Einfluß sein. Wir stellen uns vor, daß die Konstitution 
des Individuums, der Rasse und der Art im Laufe der Phylogenese 
unter dem wesentlichen Einfluß des ständig unter äußeren Bewirkungen 
stehenden endokrinen Systems entstanden ist und daß im Gegensatz 
zu der Ansicht Martins 1 ) der Mensch durchaus nicht artfest im streng¬ 
sten Sinne des Wortes ist, worauf ja neuestens auch Rössle 2 ) hin¬ 
gewiesen hat, vielmehr selbst und auch heute noch mitten drin 
in der Phylogenese steht, wenn wir erklärlicherweise auch nichts 
davon merken. Durch Vermittlung der endokrinen Drüsen können 
nach unserer Vorstellung äußere Einflüsse so auf die Keimzellen 
wirken, daß sie die Erbanlage des Keimplasmas verändern, daß also 
auf dem Wege der äußeren Beeinflussung des endokrinen Systems 
erworbene Eigenschaften in konstitutionelle, vererbbare übergeführt 
werden. 

Näher hierauf einzugehen, liegt nicht im Thema dieser Abhandlung. 
Es möge der Hinweis genügen, daß der von Tandler*) zuerst ausge¬ 
sprochene Gedanke durch die Untersuchungen und Betrachtungen 
Harte*) zunehmende Beachtung und Bedeutung gewinnt, besonders 
seit die Steinachsche Lehre von der Pubertätsdrüse verworfen und 
die innere Sekretion der Keimdrüsen in die Keimzelle selbst ver¬ 
legt wird. Nachdem schon Kraus 5 ) sich nicht völlig ablehnend aus¬ 
gesprochen hat, ist auch von Fick 5 ) neuerdings obige Anschauung 


x ) Martius , Pathogenese innerer Krankheiten. I—IV. Deutieke. Wien 1899 
bis 1908. — Konstitution und Vererbung in ihren Beziehungen zur Pathologie. 
Springer. Berlin 1914. 

*) Rössle, 1. c. 

8 ) Tandler , 1. c. 

4 ) Hart , Vererbung erworbener Eigenschaften. Berl. klin. Wochenschr. 1920, 
Nr. 28. 

6 ) Kraus , Die allgemeine und spezielle Pathologie der Person. Klinische 
Syzygiologie. Allg. Teil. Thieme. Leipzig 1919. 

•) Fick, Bemerkungen zur Vererbung erworbener Eigenschaften. Anat. Anz. 
53, Nr. 18/19. 1920. 


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2GÜ B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 

beifällig beurteilt worden. Natürlich fehlen zur endgültigen Be¬ 
gründung noch viele wichtige Stützen, aber aus Harts neuesten 
Mitteilungen geht hervor, daß die Forschung auch hier vorwärts zu 
kommen scheint. 

Aus unserer Vorstellung ergibt sich natürlich ohne weiteres, daß 
wir weit davon entfernt sind, alle pathologischen Konstitutionstypen 
auf eine erworbene Störung des endokrinen Systems zurückzuführen. 
Im Gegenteil : Ohne auf alle Einzelheiten näher einzugehen, aus denen 
sich der familiäre und erbliche Charakter der abnormen Konstitution 
in vielen Fällen ergibt, entspricht es durchaus unserer Auffassung 
von der Bedeutung des endokrinen Systems, ja geht aus ihr fast 
zwingend hervor, daß pathologische Konstitutionstypen oder Be¬ 
sonderheiten des endokrinen Systems auch auf Vererbung beruhen 
können und daher dem enger und strenger gefaßten Konstitutionsbegriff 
entsprechen. Fälle solcher Art sind namentlich unter dem Status 
hypoplasticus zu nennen, wir rechnen z. B. solche hierher wie den 
folgenden, in dem es sich um ein 22jähriges junges Mädchen handelt, 
bei dem wegen Basedowerscheinungen die Strumektomie in Lokal¬ 
anästhesie vorgenommen wurde und das 20 Stunden nach der Operation 
plötzlich starb. Bei der Sektion fand sich an der gutgenährten Leiche, 
die reichliches Fettpolster, mangelnde Behaarung der Schamgegend 
und Fehlen der Achselhaare aufwies, ein bedeutend vergrößerter 
Thymus von etwa Handtellergroße und einem Gewicht von 45 g. Die 
Zungenbalgdrüsen und der lymphatische Rachenring waren stark 
vergrößert, der Uterus war infantil, die Nebennieren zeigten sich auf¬ 
fallend klein bei einem Adrenalingehalt von nur 0,96 mg. Die Sektion 
ergab also bei einem Falle von Morbus Basedowii, in dem klinisch die 
Schilddrüse das Krankheitsbild völlig beherrschte, einen Status thymico- 
lymphaticus bzw. hypoplyasticus mit besonders mangelhafter Ent¬ 
wicklung des chromaffinen Systems der Nebennieren. In einem zweiten, 
ganz ähnlichen Falle von Morbus Basedowii betrug der Adrenalin¬ 
gehalt der Nebennieren sogar nur 0,78 mg. 

Die Ansicht Harts über die Bedeutung des Thymus für Entstehung 
und Verlauf des Morbus Basedowii ist bekannt, sie interessiert uns hier 
nur insofern, als der Thymus magnus auf die pathologische Einstellung 
des endokrinen Systems hin weist. Auch eine Hypoplasie des Neben¬ 
nierenmarkes bei Basedow ist in vielen Fällen nachgewiesen worden. 
Als erster hat Wiesel 1 ) auf die Hypoplasie des chromaffinen Systems 
aufmerksam gemacht und von verschiedenen Seiten ist dieser Befund 


*) Wiesel , Zur pathologischen Anatomie der Addisonschen Krankheit. Zeit- 
schr. f. Heilk. Z4. 1903. Über Befunde am chromaffinen System bei Hitzschlag. 
Virehows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 183 . 1906. 


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in den Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 261 


bestätigt worden [Hedinger 1 ), Hart 2 ), BarteP ), Goldzieher 4 ) u. a.]. 
Matti 5 ) glaubt die Hypoplasie des chromaffinen Systms sei wesent¬ 
lich verantwortlich zu machen für den Tod nach Strumektomie. Im 
Gegensatz dazu haben Schmorl und Ingier Ä ) beim Morbus Basedow 
mit Thymuspersistenz keine wesentliche Herabsetzung des Adrenalin- 
wertes der Nebennieren festgestellt und daraus den Schluß gezogen, 
daß der Tod der mit Thymus persistens behafteten Basedowkranken, 
die rasch nach Strumaoperation sterben, nicht auf ein Versagen der 
Adrenalinproduktion beruhen könne. 

Es ist aber in solchen Fällen, wie Hart 1 ) ausgeführt hat, möglich, 
daß trotz der hohen Adrenalinwerte eine Hypoplasie des chromaffinen 
Systems vorhanden gewesen ist und daß nur durch Zurückhaltung 
des Adrenalins in den Nebennieren eine gute Produktion vorgetäuscht 
worden ist. Vor allem aber ist immer wieder darauf mit größtem Nach¬ 
druck hinzuweisen, daß die Konstellation im endokrinen System beim 
Morbus Basedowii von Fall zu Fall eine ganz verschiedene sein kann und 
daß ebenso wie der Thymus magnus auch die Hypoplasie der Neben¬ 
nieren fehlen kann. Ein großer Teil der Meinungsverschiedenheiten 
über den Morbus Basedowii beruht auf der mangelhaften Analyse des 
Einzelfalles und auf einer sehr unangebrachten und falschen Schemati¬ 
sierung. 

Aus den Untersuchungen namhafter Autoren wie Hart 1 ), ChvosteJfl) 
und anderer wissen wir, daß der Morbus Basedowii keine sog. moüo- 
glanduläre Krankheitserscheinung ist, sondern sich auf dem Boden 
einer abnormen Konstitution und namentlich einer krankhaften Be¬ 
schaffenheit, wenn man so sagen will, einer Minderwertigkeit des ge¬ 
samten endokrinen Systems entwickelt. Sie bietet die Grundlage für 
die allerverschiedensten Krankheitsbilder, die aber doch immer wieder 

а ) Hedinger , Übef Beziehungen zwischen Status lymphaticus und Morbus 
Addisonii. Verh. d. pathol. Ges. 1907. Frankfurt. Zeitschr. f. Pathol. 1 . 1907. 

*) Hart , Thymusstudien, HL Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. PhysioL 
214 . 1913. — Die Insuffizienz des Adrenalsystems. Med. Klinik 1914, Nr. 14. 
— Der Status thymico - lymphaticus. Zeitschr. f. ärztl. Fortbildung 1920, 
Nr. 23/24. 

3 ) Bartel , Über die hypoplastische Konstitution und ihre Bedeutung. Wien, 
klin. Wochenschr. 1908, Nr. 22. — 2. Status thymico-lymphaticus u. Status hypo- 
plasticus. Leipzig u. Wien 1912. 

4 ) Goldzieher , 1. c. 

5 ) Matti . 1. Untersuchungen über die Wirkung experimenteller Ausschaltung 
der Thymusdrüse. Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chirurg. 24 . 1912. — 2. Über 
die Kombination von Morbus Basedowii mit Thymus hyperplasie. Dtsch. Zeit¬ 
schr. f. Chirurg. 116 . 1912. 

б ) Ingier und Schmorl , 1. c. 

7 ) Hart , 1. c. 

8 ) Chvostek , Morbus Basedowii und die Hyperthyreosen. Berlin 1917. 


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262 


B. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung 


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dem aufmerksamen Beobachter eben wegen der einheitlichen Grund¬ 
lage viel Gemeinsames zeigen, wenn auch die Funktionsstörung bald 
dieses, bald jene« Organes im Vordergründe steht. In dem einen Fall 
werden die Veränderungen der Schilddrüse das Krankheitsbild bestim¬ 
men, in einem anderen werden wir einen Zustand finden, den wir 
früher mit dem Begriff des Status thymicolymphaticus bezeichnet 
haben, oder es treten Symptome des Morbus Addisonii als Zeichen der 
Unterentwicklung der Nebennieren oder Veränderungen, die auf die 
Hypophyse oder die Geschlechtsdrüsen zu beziehen sind, auf. In jedem 
Falle haben wir es zu tun mit Erscheinungen, die letzten Endes hervor¬ 
gehen aus einer krankhaften Beschaffenheit des Gesamtorganismus, 
einem ,,Status hypoplasticus“, wie ihn Bariei nennt, oder „Status 
degenerativus“, wie Bauer ihn bezeichnet, deren Wesen nach unserer 
Überzeugung in erster Linie in der Insuffizienz und Störung des Gleich¬ 
gewichts der endokrinen Organe zu suchen ist. 

Es läßt sich nicht bezweifeln, daß es sich hier in vielen Fällen, 
um einen ursprünglichen, von Hause aus gegebenen Zustand handelt. 
Andererseits aber ist es unsere feste Überzeugung, daß die Gleich¬ 
gewichtsstörung des endokrinen Systems in anderen Fällen erst die 
Folge schädigender äußerer Wirkungen darstellt. 

Aus der Feststellung, daß das endokrine System in hohem Maße 
die wichtigsten Lebensvorgänge beeinflußt und als Vermittler zwischen 
Außenwelt und Organismus wirkt, können wir ohne weiteres ableiten, 
daß die Schädigung der Adrenalinbildung dem Körper die nötige 
Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einwirkungen nehmen muß. Da¬ 
mit sind namentlich die plötzlichen Todesfälle nach Operation, Muskel¬ 
anstrengungen, während der Geburt usw. zu erklären, bei denen ein 
Status thymicolymphaticus mit Insuffizienz des chromaffinen Systems 
oder Veränderungen an anderen endokrinen Drüsen gefunden wurden. 
Ob es die Schädigung des Herzens durch ThymusWirkung, ob die Ver¬ 
armung an Adrenalin oder die Insuffizienz irgendeines anderen endo¬ 
krinen Organes ist, dem die Schuld an dem plötzlichen Tod zuge¬ 
schrieben wird, spielt dabei keine Rolle. Das eine endokrine Organ 
steht dem anderen nicht an Bedeutung nach, wir müssen den endo¬ 
krinen Apparat in seiner Gesamtheit betrachten. Mehr und mehr 
kommen wir zu der Überzeugung, daß es in dem Streit der Meinungen 
um die Ursache des plötzlichen oder postoperativen Todes beim Morbus 
Basedowdi ein müßiges Bemühen ist, zu erforschen, ob der Thymus¬ 
hyperplasie oder der veränderten Schilddrüse oder der Insuffizienz 
des chromaffinen Systems die größte Bedeutung beizumessen ist. Was 
im besonderen die Insuffizienz des chromaffinen Systems anbelangt, 
so muß sie, von Haus aus vorhanden, das Individuum von allem An¬ 
fang an unter erschwerte Lebensbedingungen stellen und wird wohl 



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in <Jen Nebennieren unter äußeren Einflüssen und ihre biologische Bedeutung. 263 


stets früher oder später verhängnisvoll werden. Jedoch findet eine 
nähere Betrachtung, z. B. über das Verhalten des Herzgefäßapparates, 
sehr schwierig zu beurteilende funktionelle Verhältnisse und Be¬ 
ziehungen. Andererseits bedeutet die von mir gefundene erworbene 
Schädigung der Adrenalinbildung für das Individuum zweifellos eine 
Herabsetzung seiner allgemeinen Widerstandsfähigkeit, über die wir 
leider mangels genügender systematischer und einwandfreier Unter¬ 
suchungen und Beobachtungen Näheres nicht auszusagen vermögen. 
Über die Beziehungen der Adrenalinbildung zu den verschiedenen 
Krankheiten habe ich an anderer Stelle berichtet. 

Wenn ich zum Schluß meiner Ausführungen komme, so läßt sich 
folgendes zusammenfassend sagen: 

Die beherrschende Stellung und biologische Bedeutung, die das 
endokrine System im Organismus einnimmt, wird nicht allein dadurch 
gekennzeichnet, daß auf Grund der art- und rassegemäßen wie der 
durch individuelle Erbfaktoren vorausbestimmten Funktion der inner¬ 
sekretorischen Organe Wachstum und Entwicklung des Individuums 
abläuft, sondern namentlich auch durch den Umstand, daß das endo¬ 
krine System die Rolle eines Vermittlers zwischen Außenwelt und 
Körperzelle spielt. Auf der Umformung der äußeren Bewirkungen 
in innere endokrine beruht im wesentlichen die Einpassung des Indi¬ 
viduums in die Verhältnisse der Umwelt. 

Die schlechte Lebenshaltung der Kriegs- und Nachkriegszeit hat 
die Funktion der endokrinen Drüsen stark beeinträchtigt. Verschiedene 
Beobachtungen bestätigen dies für die Funktion der Schilddrüse. 

Durch Adrenalinbestimmungen an einem Leichenmaterial von 
158 Fällen konnte ich eine Herabsetzung der Adrenalinwerte um etwa 
ein Drittel unter den früher als Norm bestimmten Durchschnittswert 
der Friedenszeit feststellen und somit auch für die Nebennieren den 
strengen Beweis einer Funktionsschädigung als Folge der schlechten 
Emährungsverhältnisse erbringen. Experimentelle Versuche an Meer¬ 
schweinchen erbringen eine weitere Stütze dieser Annahme. 

Die durch die Unterernährung bedingte Schädigung der Neben¬ 
nierenfunktion muß ebenso wie die der Funktion anderer innersekretori¬ 
scher Organe die gesamte Körperverfassung schwer beeinträchtigen, die 
Schädigung der Schilddrüse gibt sieh deutlich in krankhaften Er¬ 
scheinungen zu erkennen, die des chromaffinen Systems dürfte in einer 
allgemeinen Herabsetzung der Widerstandskraft, der Energie und Aus¬ 
dauer wichtiger Lebensäußerungen sich geltend machen. 

Die Feststellung, daß die innersekretorischen Organe in weitest¬ 
gehendem Maße abhängig sind von äußeren Einflüssen, mahnt zur 
Vorsicht in der Beurteilung individueller Besonderheiten des endo¬ 
krinen Systems und zu ihnen in Beziehung gebrachter Erscheinungs- 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 18 


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264 K. Peiser: Störungen der Adrenalinbildung in den Nebennieren usw. 

und Funktionsformen des Gesamtorganismus. Die strenge Durch¬ 
führung eines scharfen Konstitutionsbegriffes hängt hiervon ab. 

Für die Praxis geben meine Beobachtungen den Hinweis, mehr 
denn je der Funktion des endokrinen Systems Rechnung zu tragen. 
Es ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß die Widerstandsfähigkeit 
dem Krankheitsvirus gegenüber stärker herabgesetzt ist als früher 
und daß der Kliniker jetzt in vermehrtem Maße den schweren Bildern 
der Kreislaufschwäche begegnet. Der tatsächlich erbrachte Beweis 
der Verarmung des Körpers an Adrenalin weist dem Kliniker den Weg, 
wie er den Ausfall ersetzen und somit vielleicht den Kranken retten 
kann. Daß das Adrenalin in der Therapie des Praktikers bei adyna- 
mischen, hypotonischen und Kollapszuständen, in neuester Zeit auch 
zu Wiederbelebungsversuchen bei akuter Herzlähmung und bei Narkose¬ 
herzstillstand durch intrakardiale Injektion eine nicht zu unter¬ 
schätzende Rolle spielt, zeigen viele Arbeiten der neueren Literatur. 


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Diagnostische Bedeutung der Wasserprobe bei Nierenkranken. 

Von 

W. Moraezewsbi. 

(Aus der II. Internen Abteilung des allgem. Krankenhauses in Lemberg 
[Vorstand: Prof. Dr. R. Rencki].) 

Mit 30 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 17. November 1921.) 

Die Wasserprobe bei Nierenkranken, wie sie von Volhard emp¬ 
fohlen wurde, bleibt wohl trotz mancher Modifikation die einfachste 
und doch ziemlich maßgebende Methode, um über die Nierentätigkeit 
ein Urteil zu gewinnen. 

Sie gibt natürlich ebensowenig Aufschluß über den weiteren Ver¬ 
lauf der Krankheit, wie die anderen komplizierten Methoden; man hat 
nämlich sowohl schlechte Wasserausscheidung bei gutartiger Er¬ 
krankung, wie eine gute Ausscheidung bei schlimmer Prognose beob¬ 
achtet. Man war auch bestrebt die Methode zu modifizieren, indem 
man die Minutenausscheidung verzeichnete, oder wie es G. Becker 1 ) 
tut, die Menge des ausgeschiedenen Wassers mit dem spezifischen 
Gewichte des Harnes zahlenmäßig kombinierte. 

Die Einfachheit und relative Unschädlichkeit der Probe war der 
Anlaß zu den hier folgenden Untersuchungen, über die ich in Kürze 
berichten will. — Zweierlei Fragen wurden hier gestellt: 1. Ob man 
durch die Wasserprobe oder ihre Wiederholung Aufschluß über die 
Prognose gewinnen könnte und 2. ob man durch die Wasserprobe 
den Wert der harntreibenden Mittel schätzen dürfte. 

Um über letzteres Aufschluß zu gewinnen, wurde den Kranken 
1 Liter Wasser zugleich mit 1 g Calcium chloratum oder 0,2 g Coffein, 
oder 5 g Harnstoff usw. gegeben und dabei die Minutenausscheidung 
verzeichnet. Als Nebenfrage war der Typus der Ausscheidung, sowohl 
der Diuretica wie der Nierenerkrankung behandelt worden. Sollte 
ein harntreibendes Mittel einen gewissen Typus der Ausscheidung 
haben, so mußte dieser bei verschiedenen Kranken sich wiederholen, 
wenn auch mehr oder weniger durch die krankhafte Ausscheidung 
entstellt. Sollte die Nierenausscheidung selbst bei verschiedenen Indi- 

*) Erwin Becker (Gießen), Münch, med. Wochenschr. 30 , 807. 1918. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 19 


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W. Moraczewski: 


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266 

viduen oder Krankheitsformen eine bestimmte Ausscheidungsweise 
zeigen, so würden wir diese bei wiederholten Versuchen zu Gesicht 
bekommen. 

Die wiederholte, mit verschiedenen Hamtreibungsmittel kombinierte 
Wasserprobe sollte endlich zeigen, ob die Nierenausscheidung zu ver¬ 
bessern sei und welches von den angewandten diuretischen Mitteln 
dazu am meisten geeignet erscheint. 

Es wurde dementsprechend den Kranken jeden zweiten oder dritten 
Tag 1 Liter Tee zuerst ohne jedem Zusatz, dann mit 1 g Chlorcalcium, 
oder 5 g Harnstoff oder 0,2 g Coffein, Kalium acetieum, Theobromin. 
Theophyllin, Digitalis, Urotropin usw. gereicht und es stellte sich heraus, 
daß mancher Kranke auf dieuretische Mittel gar nicht reagierte, die 
anderen antworteten mit einer mehr oder weniger gesteigerten Harn¬ 
ausscheidung. Bei diesen nim haben wir fast immer Heilung erreicht. 
Es ist mithin ein Mittel gegeben, sich in wenigen Tagen je nach dem 

Verhalten der Diurese über 
die Schwere der Erkran¬ 
kung zu orientieren. Dieser 
„Wasserstoß“, welchen ein 
Liter Tee bewirkt, darf wohl 
als ein geradezu therapeu¬ 
tischer Eingriff angesehen 
werden. SeineWiederholung 
verbietet sich nur bei ex¬ 
tremer Herzschwäche. 

Ein und halb Liter haben wir fast nie gegeben und glauben, daß 
diese Menge, für die meisten schwer zu verschlingen sei; sie ist auch 
nicht unbedingt notwendig zur Beantwortung der Fragen, welche 
liier gestellt waren. — Nach drei solchen Trinktagen ließ sich auch 
beurteilen, ob die Niere auf Harnstoff, Coffein oder Chlorcalcium am 
lebhaftesten reagierte. Diesem Mittel wurde dann bei der Therapie 
der Vorzug gegeben. Selbstverständlich waren die Versuche bei Ödem¬ 
freiheit unternommen und das Körpergewicht wurde kontrolliert. 
Auch dieses muß in Betracht genommen werden, daß nach wenigen 
Tagen eine gutartige Nephritis sich bessert auch ohne jeder Therapie, 
daß also der Harnstoff am 9. Tage gereicht, besser wirke als das Chlor- 
calcium, welches am 3. Tage gegeben wurde. Mit diesem Umstande 
wurde immer gerechnet, wenn man die Predilection der Niere für dieses 
oder jenes Mittel bestimmen wollte. Es war auch leicht zu zeigen, 
daß sowohl im Anfangsstadium, wie in der Zeit der Ausheüung für 
gewisse Nieren der Harnstoff kein so wirksames Diureticum war, wie 
die Kalksalze, oder daß das Coffein in jeden Stadium sich wirksamer er¬ 
wies als die Mineralsalze. — Weiter zeigte es sich ganz allgemein, daß 



I. 500 ocm H,0 2. 1000 H.O s. \:m H,() 



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Diagnostische Bedeutung der Wasserprobe bei Nierenkranken. 


267 


das Wasser, selbst wenn es nicht beschwerend wirkt, die maximale 
Ausscheidung zu verschieben imstande ist. 

Fällt z. B. die maximale Ausscheidung nach Harnstoff auf die 
erste halbe Stunde bei 500 g Tee, so wird sie bei 1500 g Tee auf die 
vierte halbe Stunde fallen. Onne Wasser gegeben gibt das dimetische 
Mittel die maximale Ausscheidung stets in der ersten halben Stunde. 
Die Fälle sind nach ihrer Schwere geordnet. Zuerst die Nieren- 
degeneration mit reichlichen Zylinder-, Nierenepithelien und Leuco- 
cyten, Amyloidniere und chronische Erkrankung, dann die reine 
Glomerulonephritis mit wenig Zylinder und vorwiegend roten Blut¬ 
zellen, dann die gemischte Form mit Zylinderepithelien, weißen und 
roten Blutzellen, dann die sklerotische Niere mit wenigen hyalinen 
Zylinder, endlich die leichten Fälle, die sog. Nephritiden ohne Alb., 


Pyelonephritis und ausgeheilten Nephritiden. 

Die Degeneration 
mit ihren um 1012 
schwankendem spezifi¬ 
schen Gewichte, reagiert 
weder auf diuretische 
Mittel noch auf den 
„Wasserstoß“. Die Kon¬ 
zentrationsfähigkeit 1000 H f O 1000 H,0 

übersteigt nicht 1016. NephritiBUD>t . Nep^tuLat. 
Eiweiß ist reichlich vor- 




1500 H,0 
Claß: 

Nephritis saoat. 


handen, das Sediment meist aus granulierten Zylindern und Nieren¬ 
epithelien bestehend. (Fall 1, 2, 7, 9). 

Diese Fälle zeichnen sich dadurch' aus, daß sie in der ersten 
halben Stunde den meisten Urin produzieren; diese Menge 
wird zuweilen (in dem Fall 1 und 2) durch diuretische Mittel gestei¬ 
gert, aber die nächsten Stunden bieten das Bild einer Anurie. Ein 
weiteres Charakteristikum ist für solche schweren Fälle, daß sie ohne 
Wasser zuweilen mehr Harn ausscheiden, als mit Wasser und 
harntreibenden Mitteln. Die Überlastung der Nieren scheint hier 
mehr zu schaden als das diuretische Mittel zu helfen imstande ist. 


(Fall 9 und 10). Unter diesen Fällen haben wir zwei zu verzeichnen, 
welche kein, oder nur Spuren von Eiweiß im Urin hatten und trotzdem 
Gesichtsödem, Blutdrucksteigerung und volles Versagen der Nieren¬ 
funktion zeigten. In dieser ganzen Reihe schwerer Fälle war bald 
das Coffein, bald der Harnstoff, bald das Chlorcalcium von sicht¬ 
barer, wenn auch geringer Wirkung; eine Bevorzugung der Mittel 
konnten wie nicht herausfinden; allerdings war die Anzahl der Fälle 
eine geringe und die Reaktion, wie oben betont, war auch kaum 
nennenswert. 


19 * 


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268 


W. Moraczewski: 


Die mittelschweren Fälle boten im großen und ganzen das gleiche 
Bild wie die schweren Degenerationen, auch hier ist im Anfang die 



Harnausscheidung am reichlichsten und fällt dann rapid. Unter diesen 
Fällen ist eine schwere Myocarditis verzeichnet, welche zu einer 


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Diagnostische Bedeutung der Wasserprobe bei Nierenkranken. 269 


Stauungsniere geführt hat. Trotz der mangelhaften Ausscheidung ist 
der Typus derselben etwas verschieden von den früheren; es liefert die 
zweite und dritte halbe Stunde den meisten Harn (Fall 13). 



0,2 g Coffein VII. Reihe. Wandy ka: Nephritis tbc. 

VI.Reihe.Procak: Nephritisparenchym. Alb. Spur. Sediment: Zylinder, Leuko- 
Alb. 5%,. Sediment: Leukocyten, Epithe- cyten (1 Abb.) 

lien, Zylinder (2 Abb.). 



0,2 g Coffein Theophyl. 0 lg CaCl, 5 g Urea Ohne H,u 

VIH. Reihe. Wondricek: Nephritis parenchymat Ödeme. Alb. 8 # /oo- Sediment: Nierenepithelien. 
Zylinder, granulierte Leukocyten (5 Abb.). 



1000 H,0 Ohne H,0 . 5 g Urea 1 gCaCl, 

IX. Reihe. Zawadzki: Nephritis sine album. Ödeme. Sediment: wenige 
granulierte Zylinder (4 Abb.). 



1000 H 2 0 2 g CaCl, 0,2 g Coffein 5 g Urea 

X. Reihe. Rubel: Nephritis mixta Alb. 2*/ 0i . Sediment: granulierte Zylinder, 
Epithel len, rote Blutzellen. 



1000 H a O 1 g CaCL 5 g Urea 0,5 g Urotrop. 0,2 g Coffein 

XI. Reihe. Lesar: Nephritis interstit. Alb. Spur. Sediment: Zylinder und Leukocyten. 



1000 H,0 Urea S. lg Kali acet. 0,2 g Coffein 2 g CaCl, 

XIL Reihe. Slawik: Insuff, musculi cordis. Alb. 0,1 # / M - Sediment: Zylinder. 


Ganz verschieden in bezug auf die Art der Harnausscheidung sind 
die sklerotischen Nieren, von welchen die Fälle 14, 15 und 16 ein Bild 
geben. Alle diese Fälle zeichnen sich durch verspätete Ausscheidung, 


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270 


W. Moraczewski: 


zuweilen wird in der ersten halben Stunde gar nichts ausgeschieden, 
erst in der zweiten Stunde liefert die Niere den meisten Ham, welcher 
jedoch die eingeführte Wassermenge nicht erreicht. 

Die zur Ausheilung gelangenden Fälle von Glomerulonephritis und 
Nephritis mixta boten im allgemeinen das Bild einer normalen Aus¬ 
scheidung. Wenn auch die erste nach der Einlieferung ins Krankenhaus 
gemachte Probe eine starke Herabsetzung der Harnausscheidung zeigt. 



2000 H,0 CaCl, 

Xm. Nierensklerose, Alb. Spar. 
Sed.: grau, and hyal. Zylinder 


1000 H.O 

XIV. Nierensklerose 


1000 H.O 1 g CaCl, 5 g Urea 

XV. Reihe. Lehazschin: Nierensklerose, Alb. IV 
Sediment; granulierte und hyal. Zylinder. 



1000 H.O 5 g Urea CaCl, 

XVI. Reihe. Urban: Nephritis parenchym., 8*/ M Alb., 
Sediment: granulierte Zylinder. 


1000 H t O 5 g Urea 2 g CaCl, 

XVTI. Reihe. Drezur; Rote und weiße Blutzellea. 



Ohne H.O 1000 H t O ß g Urea 1 g CaCl, 0,2 g Coffein 

XVIII. Reihe. Morista: Glomerulonephritis, Alb. 1,6 # /#*, Erythrocyten, Leukocyten, granulierte Zylinder. 

so führt doch Chlorcalcium, Urea und Coffein, zu einer sichtbaren 
Änderung. — Die Ausscheidung der zweiten und dritten halben Stunde 
übertrifft die frühere Ausscheidung um etliche cct und dieses darf 
wohl als ein Zeichen einer Regenerationsfähigkeit gelten. Bei Fall 22 
hatten wir Gelegenheit, etwas länger die Einwirkung der verschiedenen 
Mittel zu verfolgen und es trat hier deutlich zutage, wie anfangs die 
Ausscheidung den Typus der degenerativen Ausscheidung hatte, wie 
sich dann später der normale Ausscheidungstypus einstellte. Das Chlor- 


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272 


W. Moraezewski: 


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calcium und der Harnstoff, welche früher ihre Wirkung in der ersten 
halben Stunde zeitigten, rufen jetzt in der zweiten und dritten 
die maximale Ausscheidung hervor. Eine Bevorzugung der diuretischen 
Mittel war auch hier nicht ^u sehen, auch ist der Verlauf der Aus¬ 
scheidung so ziemlich gleich, ob man mit Kalium aceticum oder Chlor¬ 
calcium oder mit Theophyllin und Coffein arbeitet 1 ). Nur der Harn¬ 
stoff und das Urotropin gibt in der ersten halben Stunde den meisten 
Harn. Für das Urotropin finden wir das Obengesagte in den beiden 
von uns gemachten Versuchen bestätigt. Für den Harnstoff war diese 
Regel weniger deutlich 2 ). Während Urotropin in der ersten halben 
Stunde das Maximum hervorruft, sahen wir bei Harnstoff neben dem 




gleichen Verhalten auch eine verzögerte Wirkung, wie bei Coffein usw., 
wobei erst die zweite halbe Stunde, zuweilen erst die dritte den 
meisten Ham lieferte. 

Die leichten Fälle der Nephritis sine albumine (Fall 32 und 33), 
fielen uns durch ihre verzögerte, wenn auch reichliche Ausscheidung 
auf. Die beiden dickten den Ham regelrecht ein, bis 1032 spez. Gew., 
boten auch sonst nichts abnormes; keine Druckerhöhung von Bedeu¬ 
tung, keine uremischen Erscheinungen. Das ödem des Gesichtes und 
die spärlichen Zylinder im Sedimente wichen bald, nur das Verhalten 
der Harnausscheidung, welche in der vierten und fünften halben Stunde 
ihr Maximum erreichte, war hier auffallend. 

*) Die mineralischen Diuretica scheinen ein späteres Ausscheidungsmaximum 
zu haben. 

2 ) Bei Harnstoff ist der Einfluß des gleichzeitig getrunkenen Wassers deutlich 
indem je mehr Wasser, um so später die maximale Ausscheidung. 



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Diagnostische Bedeutung der Wasserprobe bei Nierenkranken. 273 

Was nun die zweite von uns gestellte Frage 
betrifft, so haben wir sie z. T. bereits bei Be¬ 
sprechung der klinischen Fälle in Nuce beantwortet. 

Um es nochmals zu wiederholen, unterscheiden 
wir zwei Typen der Ausscheidung. 1. Nach Harn¬ 
stoff und Urotropin mit der maximalen Ausschei¬ 
dung der ersten halben Stunde und 2. die Aus¬ 
scheidung nach der Puringruppe: Coffein, Theo¬ 
phyllin, Theobromin, welche durch ein Maximum 
isa der zweiten, dritten oder vierten halben Stunde 
charakterisiert ist. Das Chlorcalcium und Kalium 
aceticum scheinen ebenso zu wirken. 

feines, betr. den Ausscheidungsmodus, ist von 
besonderer Wichtigkeit. Gibt man den Kranken 
diuretische Mittel ohne Wasser, also bei Durst- 
diät, so scheidet es nach allen diuretischen Mit¬ 
teln sowohl der Coffeingruppe wie der Harnstoff- 
gruppe in der ersten halben Stunde das Maxi¬ 
mum des Harnes aus. Auch der Gesunde scheidet 
in der ersten halben Stunde bei Durst das Maximum 
aus und auch bei Gesunden ändern an diesem 
Ausscheidungstypus die diuretischen Mittel gar 
nichts. — Die Ausscheidung einer degenerierten 
Niere gleicht also in dieser Hinsicht einer Aus¬ 
scheidung bei Gesunden bei Wassermangel. 

Wie bereits oben mehrfach erwähnt wurde, übt 
die Menge des gereichten Wassers auf den Aus¬ 
scheidungsmodus eine entscheidende Wirkung aus, 
indem die maximale Harnmenge desto 
später eintritt, je mehr man Flüssigkeit 
gereicht hat. Nur bei Degeneration zeigt das 
Wasser diese Wirkung nicht. 

An diese klinische Beobachtung reihen sich 
Versuche an, welche bei Gesunden angestellt 
wurden. Zunächst wurde die Art der Ausscheidung 
notiert, welche man ohne Wasser zu trinken von 
früh 6—10 Uhr beobachtet. Es stellte sich ein¬ 
deutig heraus, daß auch bei schwankender Harn¬ 
ausscheidung die erste halbe Stunde die größte 
Hammenge liefert. Harntreibende Mittel beein¬ 
flussen die Hammenge unwesentlich, jedenfalls 
ist ihre Wirkung auf die erste halbe Stunde be¬ 
schränkt. Es sei nochmals hervorgehoben, daß 



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10. 100 H,0 11. 1 g CaCI, 12. 1500 H t O 18. 1 g Kali acet. U. 1000 H,0 15. 5 g Urea 10. 1000 H,0 17.0,25gTheoph. 18.0 t 26gTheoph. 

0,5 Theoph. Ohne H,0 2 g CaCh 1 g Kali acet* Ohne H,0 6 g Urea Ohne H,0 1000 H t O 































Diagnostische Bedeutung der Wasserprobe bei Nierenkranken. 


275 


dieser Ausscheidungstypus mit demjenigen zusammenfällt, welchen 
man bei degenerativen Formen beobachtet. Es ist also die Ausscheidung 
der erkrankten Niere mit einer solchen zu vergleichen, welche man 
bei Wasserverarmung des Organismus antrifft. Dieses würde für eine 
allgemeine Zirkulationsstörung bei jeder Nierenaffektion sprechen, 
für eine extra renale Wasseraufsaugung 1 ). 

Für eine gesunde Niere ist das getrunkene Wasser ein Beiz, wel¬ 
cher die Nierentätigkeit befördert. Auch ohne jegliche diuretische 
Mittel sehen wir bei Gesunden eine Mehrausscheidung von 400 cct. 
Rechnet man davon die Menge Ham, welche ohne Wassertrinken aus¬ 
geschieden wird, und die um 300 cet. schwankt, so ist trotzdem eine 
Mehrausscheidung bei 1500 und auch bei 500 zu sehen. 

Die Diuretica ändern an diesem bei Gesunden wenig. Wir finden 
zwar sowohl bei Coffein wie bei Theobromin, Digalen usw. ein Über¬ 
schuß der Ausscheidung, aber wenn man im Auge behält, daß auch 
ohne Diureticis eine Ausscheidung von 1900 nach 1500 Wasser oder 
600 nach 500 vorkommt, so muß man zugeben, daß bei Gesunden die 
Wirkung wenig ausgesprochen ist. — Damit will nicht gesagt werden, 
daß die diuretisehen Mittel ohne Wirkung sind, nur wollen wir dem 
Umstande besonders Rechnung tragen, daß sie ohne Wasser kaum 
wirken und daß mit der Menge des zugesetzten Wassers ihre Wirkung 
steigt. — Hier muß wieder die Einschränkung gemacht werden, daß 
dieses bis zur gewissen Grenze gilt, denn 1500 Wasser ist für manche 
Niere zu viel und nach 500 scheidet mancher relativ mehr Ham aus, als 
nach 1000 cct. Jedenfalls zeigen unsere Versuche, daß das Wasser 
allein zu derselben Reihe Diureticis gehört, wie das Coffein und daß 
die Wassermenge den Ausscheidungstypus bedingt. 

x ) Wie bereits gesagt wurde, hat diese Art der Ausscheidung mit den Ödemen 
nichts zu schaffen, da unsere Fälle bei Ödemfreiheit dasselbe zeigten. 


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Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 

Von 

H. Jastrowitz. 

(Aus der Med. Universität«-Poliklinik Halle-S. [Dir.: Prof. Dr. Straub].) 

(Eingegangen am 20. Januar 1922.) 

I. Einleitung. 

Gegenüber den zahlreichen morphologischen Studien, die wir über 
Blutbild und Organbefund bei Anämien besitzen, tritt die Chemie 
verhältnismäßig in den Hintergrund. Die älteren Untersucher befaßten 
sich meist mit dem Wasser- und Stickstoffgehalt des Blutes und registrier¬ 
ten Hypalbuminose und Hydrämie als Folge anämischer Krankheits¬ 
bilder verschiedensten Ursprungs. Erst in neuerer Zeit ist man auf eine 
weitere Gruppe organischer Bestandteile des Blutes aufmerksam ge¬ 
worden, die Lipoide, deren Bedeutung für diese Frage sich wesentlich 
auf experimentelle Grundlagen gründet (Kobragifthämoly^e, Antagonis¬ 
mus zwischen Cholesterin und Phosphatiden, östrin-, sowie Ölsäure¬ 
theorie für die Genese der Anämie perniciosa). Bereits 1914 hat Verf. 1 ) 
dieses Thema von dem allgemeinen Gesichtspunkt der Bedeutung der 
Fettbildung im Organismus bei Organ-Degenerationen angeschnitten. 
Es konnte festgestellt werden, daß im Blut der Gesamtcholesteringehalt 
bei Intoxikation mit anämisierenden Giften, wie Nitrobenzol und Toxin 
des Vibrio Nasyk und El Tor auf das zwei- bis dreifache des Normalen 
steigt und zwar sowohl in der natürlichen, wie in der Trockensubstanz. 
Daneben war auch der Gehalt an Phosphatiden erhöht. Ähnliche Ver¬ 
änderungen konnten auch an den inneren Organen festgestellt werden 
(Cholesterinanhäufung in den Nieren). Es mußte die Frage offen gelassen 
werden, ob bei Zerstörung der Blutkörperchen Lipoide freigemacht wür¬ 
den, die im Blute kreisen, ehe sie von den Organen aufgenommen wer¬ 
den, ob reparatorische Vorgänge hierbei eine Rolle spielen, ob endlich 
verminderter Abbau [Blockierung der Lipoide nach Sakai 2 )] vorliegt. 
Weiterhin kommt in Betracht, daß es nicht allein darauf ankommt, 

*) H. Jastrowitz, Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 15 , 116 u. 222. 

2 ) Sakai, Bioehem. Zeitschr. 62, 387. 


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II. Jastrowitz: Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experiinent. Anämie. 277 

wie hoch der Spiegel der einzelnen Lipoide im Gesamtblut ist, sondern, 
daß vor allem das Verhalten derselben in den Blutkörperchen und im 
Plasma von Bedeutung ist, ebenso wie das Verhältnis der einzelnen 
Lipoidkörper zueinander. Die damals im Rahmen der umfassend 
unternommenen Fragestellung orientierend vorgenommene Geamtblut- 
analyse konnte lediglich als eine Etappe für spätere Untersuchungen 
dienen. Es ist daher auf den rein orientierenden Wert der Gesamtblut¬ 
untersuchung und die Notwendigkeit der Trennung von Plasma und 
Körperchen einerseits, andererseits auf die mögliche Bedeutung der 
einzelnen Substanzen und ihres gegenseitigen Verhältnisses hingewiesen 
worden. Während der Kriegsjahre und immittelbar danach sind diese 
Anschauungen weiter ausgebaut worden [Bloor 1 ), Bloor undMc. Pher- 
son 2 ), Sundstroem und Bloor 3 ), Feigl 4 ), Horiuchi 5 )] Arbeiten, 
auf die noch zurückzukommen sein wird. 

Zunächst sei bemerkt, daß wir zwar seit den letzten Jahren eine 
große Menge von Einzeldaten über Lipoide bei Anämien besitzen, aber 
bisher nichts, was uns irgendwie Aufschlüsse geben könnte über die Art 
der Anämie. Erschwert wird die Beurteilung durch die Verschiedenheit 
der Methodik, deren sich die einzelnen Untersucher bedienten. Aus die¬ 
sen methodischen Schwierigkeiten folgte, daß die einzelnen Autoren 
sich mehr oder minder auf diesen oder jenen Bestandteil, Cholesterin 
Lecithin usw. beschränkten, während, wie schon kurz vorher betont 
wurde, gerade eine Gesamtübersicht über die einzelnen Lipoidsubstanzen 
(Phosphatide, Cholesterinester, Cholesterine, Fettsäuren, Seifen, Neu¬ 
tralfett) dasjenige Moment ist, auf das es ankommt. 

Es seien daher die älteren Untersuchungen, die bereits an anderer 
Stelle eingehend berücksichtigt wurden, übergangen und nur die neueren 
diskutiert. Klinisch hat Rosenthal 8 ) einen Fall von hämolytischem 
Ikterus untersucht. Es wurden direkte Makroanalysen des Plasmas 
und des gewaschenen Blutkörperchenbreies angestellt. Hinsichtlich 
der Phosphatide ist dieses Verfahren nicht ganz unbedenklich [Brinck- 
mann und van Dam 7 )]. Es fand sich eine Herabsetzung von Lecithin 
Gesamtcholesterin im Serum, auch eine erhebliche Herabsetzung des 
Lipoidphosphors in den roten Blutkörperchen ließ sich feststellen 
(0,0562°/ 00 , statt einem normalen Minimum von 0,1033°/^ und Maxi¬ 
mum von 0,213°/^) . Ferner haben mit der auch hier von mir angewandten 

*) Bloor, Journ. of biol. Chem. 45, 171. 

2 ) Bloor u. Mc. Pherson, Joum. of biol. Chem. 51 , 79. 

3 ) Bloor u. Sundstroem, Joum. of biol. Chem. 45, 152. 

4 ) Feigl, Biochem. Zeitschr. 115 , 63, woselbst die früheren Arbeiten von 
Feigl angeführt sind. 

6 ) Horiuchi, Journ. of biol. Chem. 44, 363. 

fl ) Rosenthal, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 15 », 129. 

7 ) Brinckmann und v. Dam, Biochem. Zeitschr. 195 , 35. 


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278 


H. Jastrowitz: 


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Bangschen Methode C. D. de Langen und H.Spuit 1 ) bei verschie¬ 
denen Krankheiten Blutanalysen vorgenommen. Sie fanden gegenüber 
einer normalen Gesamtlipoidmenge des Blutes von 1,5% bis 2% bei 
an Malaria, bzw. Tbc.-Erkrankten eine starke Vermehrung. 

Weitere grundlegende Versuche bezüglich Lipämie bei Anämie 
gehen auf Sakai (1. c.) zurück. Von ihm stammt die Idee der Blockie¬ 
rung des Fettes bei Anämischen infolge mangelnden Lipasegehaltes. 
Unter seinen Ergebnissen ist bemerkenswert, daß er zwischen einer Blu¬ 
tungsanämie und einer Vergiftungsanämie einen wesentlichen Unter¬ 
schied nicht feststellen konnte. Dies hegt z. T. daran, daß eine systema¬ 
tische Untersuchung von Blutkörperchen und Plasma nicht vorgenom¬ 
men wurde, dieselbe sich vielmehr, der Methode (Kumagawa -Shi- 
midzu) entsprechend, auf Fett und Gesamtcholesterin beschränken 
mußte und nicht auf Phosphatide ausgedehnt werden konnte. Prin¬ 
zipielle Fortschritte in dieser Richtung verdanken wir erst Bloor 
und seiner Schule, sowie Feigl. Soweit Bloors Arbeiten hier in 
Frage kommen, läßt sich folgendes sagen: nach Fettfütterung tritt 
eine Erhöhung des Blutfettes ein 2 ). Bezüglich der Hungerlipämie 
konnte Bloor ein konstantes Verhalten nicht konstatieren; diese ist 
in hohem Maße abhängig von dem allgemeinen Ernährungszustände. 
In dieses Gebiet gehören auch die Untersuchungen von E. S. Sund- 
stroem und W. R. Bloor 8 ), die den Gehalt des Blutes und des Plasmas 
bei anämischen Tieren untersuchten, die mehrere Stunden bei niederem 
Druck gehalten wurden. Es zeigte sich schon nach kurzer Einwirkung 
ein Wiederansteigen der Roten, begleitet von einem Absinken der Phos¬ 
phatide im Plasma, eine Erscheinung, welche als reparatorische Ab¬ 
wanderung des Phosphors in das Knochenmark gedeutet wird. Eine Ver¬ 
änderung der phosphorhaltigen Substanzen der roten Blutkörperchen 
selbst ließ sich nicht feststellen. 

Ähnliche Versuche bei durch Aderlaß anämisierten Kaninchen 4 ) 
zeigten eine Änderung des Lipoidgehaltes des Blutes erst dann, wenn 
die Erythrocyten nur noch die Hälfte der Norm ausmachen; gleichzeitig 
sinkt der Cholesteringehalt, während der Fettgehalt steigt. Das Lecithin 
sinkt im Plasma, behält aber in den Blutkörperchen seine normale Höhe 
bei. Eine wichtige Ergänzung stammt von Horiuchi (1. c.), der nach 
der Bloor sehen Methode an anämischen Kaninchen zeigen konnte, 
daß die Fettsäuren sehr erheblich anstiegen, am stärksten bei Fettfütte¬ 
rung. Auch die Blutkörperchen nehmen an Lecithin erheblich zu. 

*) de Langen und H. Spuit, Expt. Spa. rec. 41 , 44, zit. nach Zentralbl. f. 
Biochem. 14 , Nr. 13, S. 2020. 1920. 

2 ) Bloor, Journ. of biol. Chem. 19 , H. 1, S. 1. 

3 ) Sundstroem und Bloor, Journ. of biol. Chem. 45, H. 1, S. 152. 1920. 

4 ) Bloor, Journ. of biol. Chem. 31 , 79. 



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Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 


279 


Immer blieben jedoch die Fettsäuren im Vorsprung, nur ist zu bemerken, 
daß die Blutkörperchen an dem höheren Gehalt von Fettsäuren keinen 
Anteil hatten und daß das Cholesterin in den Blutkörperchen konstant 
blieb. Weiter ausgebaut wurden diese Untersuchungen von Feigl 
(1. c.). Von ihm wurde eine Reihe von Fällen klinischer Anämie (Blut¬ 
verlust, Hämoptoe nach Tbc. usw.) untersucht und auch experimentelle 
Versuche an Kaninchen und Meerschweinchen mit dem Ergebnis an¬ 
gestellt, daß im allgemeinen nach Blutungen eine Lipämie einsetzte, 
die nach dem Blutverlust ca. acht Tage andauert. Am meisten beteiligt 
sind die Fette. Die Gesamtfettsäuren sind bis auf das 10—löfache ge¬ 
steigert, während das Lecithin nur ca. das 4 —6fache der Norm ausmacht. 
Die Erythrocyten ließen Veränderungen nicht erkennen. Alle diese 
Arbeiten befassen sich hauptsächlich mit Anämien nach Aderlaß. 
Andere Formen sind nur wenig berücksichtigt worden. 

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß man mehr oder minder hohe 
Steigerungen der Lipoide, namentlich der Fette, bei Anämien registriert 
hat, daß die Roten gelegentlich Steigerungen der Phosphatide zeigen, 
daß dies aber kein konstantes Verhalten ist. Der Zweck dieser Unter¬ 
suchungen war daher, eine Klärung der Bedingungen herbeizuführen, 
unter denen diese Variationen zustande kommen. 

Es handelt sich darum, zunächst einmal Analysen von Blutkörper¬ 
chen und Plasma getrennt vorzunehmen, weiterhin darum, die einzelnen 
Lipoidsubstanzen mindestens nach Gruppen zu bestimmen. Nun ist 
bereits von mir sowohl, wie in den ins einzelne gehenden Arbeiten 
von Feigl ganz besonders auf die Schwierigkeiten hingewiesen worden, 
die der Gewinnung von Normalwerten und der Beurteilung der Befunde 
entgegenstehen. Ernährungszustand, Art und Individualität des Ver¬ 
suchstieres, Fettwanderung bei kachektischen und anämischen Zustän¬ 
den beeinträchtigen die Beurteilung der Resultate in mehr oder minder 
hohem Grade. Eine weitere Erschwerung der Sachlage liegt darin, daß 
stärkere Organveränderungen (Nephritis, Leberdegeneration) natur¬ 
gemäß in der chemischen Pathologie des Blutes sich fühlbar machen. 
Eine absolute Möglichkeit, diese sekundären Veränderungen, welche 
schwer von primär-bedingten zu trennen sind, zu vermeiden, wird nicht 
bestehen, denn bei so tief eingreifenden pathologischen Prozessen, 
wie es schwere Anämien, besonders chemisch-hämolytischer, bzw. 
bakteriell-toxischer Natur sind, wird es nie ohne Organschädigungen 
abgehen. Immerhin konnte erwartet werden, daß nach allem, was über 
die biologische Rolle bei hämolytischen Vorgängen bekannt ist, der 
Gehalt dieser Substanzen bei Erkrankung der E. oder überstürzter 
Neubildung derselben sich irgendwie verändern würde. Vielleicht wäre» 
auf diesem Wege auch eine Abtrennung der hämolytischen von der Blu¬ 
tungsanämie möglich. Hindernd mußte hier vor allem a priori der Um- 


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280 


H. Jastrowitz: 


stand in den Weg treten, daß die genannten Vorgänge (Neubildung, 
Zerstörung der E.) sich mehr oder minder zeitlich miteinander vergesell¬ 
schaften und dadurch sich in ihren chemischen Auswirkungen z. T. 
kompensieren. Sind solche Veränderungen aber trotzdem nachweisbar, 
so wird man sie als durch Anämie bedingt ansprechen dürfen. Das 
Gleiche gilt von den Abweichungen im Lipoidgehalt des Plasmas, die 
man, soweit nicht prägnante, dieselben erklärende Organveränderungen 
vorhanden sind, gleichfalls auf Rechnung der anämisierenden Faktoren 
wird stellen dürfen. 

Von diesen Erwägungen ausgehend, sind die weiter unten zu bespre¬ 
chenden Versuche in der Absicht unternommen worden, allgemein 
Unterschiede in der Lipoidzusammensetzung von Plasma und Ery- 
trocyten gegenüber der Norm aufzufinden, das Verhalten subakuter und 
chronischer Vergiftungsformen sowie das hämolytischer und Blutungs¬ 
anämien miteinander in dieser Hinsicht zu vergleichen, um hieraus 
vielleicht für die Pathologie auch im weiteren Sinne verwertbare Gesichts¬ 
punkte zu gewinnen. 

2. Versuchsanordnung und Methodik. 

Neben den schon erörterten Schwierigkeiten allgemeiner Natur, 
die sich den Untersuchungen entgegenstellen, fällt für die Bearbeitung 
des vorhegenden Themas die Wahl der Versuchsanordnung und Metho¬ 
dik ins Gewicht. Hinsichtlich der Versuchsanordnung kommt alles dar¬ 
auf an, die Experimente so einzurichten, daß der mit der Ernährung 
im Zusammenhang stehende Fetttransport exogenen Ursprungs eine 
möglichst geringe Rolle spielt, damit durch ihn nicht die endogenen 
Vorgänge überdeckt werden. An die Behandlung dieser Fragen an 
Menschen heranzugehen, erscheint aus mehreren Gründen noch verfrüht. 
Die große Fehlerbreite der zur Verfügung stehenden Methodik, die sich 
bei Menschen noch ungünstiger stellen würde (z. B. Volumenbestimmung 
der Roten), der exogene Fetttransport, der sich während langer Ver¬ 
suchsperioden infolge der notwendigerweise ungleichmäßigen Nahrung 
beim Menschen geltend machen wird, sind Umstände, die es nur schwer 
möglich machen, zu eindeutigen Resultaten zu gelangen, ganz abgesehen 
davon, daß dem einzelnen Untersucher kaum die notwendige Zahl 
klinischer Beobachtungen zur Verfügung stehen dürfte. Hierzu kommt 
noch, daß gerade anämische Krankheitsbilder ätiologisch vielfach nur 
schwer und ungenügend zu klären sind. Man ist daher auf das Experi¬ 
ment angewiesen. Als Versuchstiere eignen sich am besten Kaninchen, 
die geringe Neigung zur Lipämie haben, andererseits vielfach zu Ver¬ 
suchen über experimentelle Anämien verwandt wurden. Hinsichtlich 
des Auftretens einer Lipämie bei Kaninchen kann nach neueren Unter- 


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Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 281 


suchungen [Sakai, Bang 1 )] soviel als feststehend gelten, daß normaler¬ 
weise ein Anstieg der Lipoidsubstanzen durch Fettfütterung, bzw. 
auch durch Inanition, nicht zu erzielen ist; daß aber bei anämischen 
Tieren unter Fettnahrung eine solche wohl auftreten kann, vermutlich 
infolge Versagens der Esterase des Serums (Sakai). 

Nun ist natürlich klar, daß auch, wenn eine eigentliche Fettfütterung 
nicht stattfindet, geringe Lipoidmengen der Nahrung (Hafer, Kleie) 
im Blute blockiert werden können. Das Gleiche gilt für die Lipoide, 
die aus den sonstigen, schon vor dem Beginn des Versuchs vorhandenen 
Depots des Körpers stammen. Hierzu treten auch diejenigen Mengen 
Organlipoide, welche durch eine etwaige sekundäre Schädigung einzelner 
Organe in die Zirkulation gelangen. Endlich kommen hier die durch 
Zerfall der roten Blutkörperchen freiwerdenden, sowie die für den Wieder¬ 
aufbau der zerstörten Blutelemente benötigten Substanzmengen in 
Betracht. Alle diese Lipoide verschiedenster Provenienz sind im Plasma 
vorhanden. Wie die Verhältnisse in den E. liegen, ist oben schon erwähnt 
und auf die mögliche Kompensierung antagonistischer Faktoren hin¬ 
gewiesen. Daß auf ihren Lipoidgehalt die Ernährung einen Einfluß 
hat, scheint nach Bang 2 ) nicht unwahrscheinlich. 

Aus allen diesen Gründen, die Veränderungen des endogenen Lipoid¬ 
stoff Wechsels maskieren, wurde den Versuchstieren ein Futter ohne jeden 
Fettzusatz (Kohl, Mohrrüben, Kartoffelschalen) verabfolgt; nur, um 
dem Auftreten komplizierender Schädigungen vorzubeugen, wurde 
gelegentlich etwas Hafer und Kleie verabfolgt, so daß zwar keine absolut 
fettfreie, jedoch fettarme Fütterung für die zu anämisierenden Tiere 
durchgeführt wurde. Ebenso galt es, den Hungerzustand zu vermeiden. 
Ausschließliche Kohlenhydratfütterung hätte die Schwierigkeit nicht 
gebessert, weil hierdurch Fettbildner eingeführt werden; eine reine Eiwei߬ 
nahrung wäre kaum durchführbar gewesen und hätte einen groben, 
kaum längere Zeit ertragenen Eingriff in den normalen Stoffwechsel des 
Kaninchens bedeutet. Alle diese Kostformen hätten überdies die Tiere 
nicht innehalten können, ohne den verabfolgten Giften, bzw. Aderlässen, 
bereits zu einem Zeitpunkt zu erliegen, in dem die Anämie noch nicht 
den gewünschten Grad erreicht hatte. 

Das Untersuchungsmaterial (Blut) wurde ausnahmslos durch Punk¬ 
tion) dem Herzen entnommen, da es ja möglich ist, daß in der Verteilung 
der Lipoide gewisse Differenzen in den Abschnitten des peripheren 
Kreislaufgebietes sich geltend machen, ganz abgesehen davon, daß 
aus den für die Volumenbestimmung der Blutkörperchen zu erörternden 
Gründen das Blut des Herzens für die vorliegenden Zwecke gewählt 
werden mußte. 

*) Bang, Biochem. Zeitschr. 51 , 2224. 

*) Bang, L c. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVD. 20 


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Hinsichtlich des Vorgehens bei der Analyse wäre die Untersuchung 
der einzelnen Blutbestandteile an sich dem indirekten Verfahren vor¬ 
zuziehen, aber auch in diesem Falle ist, um die Gesamtbefunde kritisch 
bewerten zu können, die viel diskutierte Bestimmung des Blutkörper¬ 
chenvolumens erforderlich; allerdings würde dann die ganze Berechnung 
nicht auf dieser Bestimmung aufgebaut sein. In Betracht kommt wei¬ 
terhin, daß für die Analyse des Blutkörperchenbreies größere Mengen 
desselben erforderlich sind, die bei den gewählten Versuchstieren (Ka¬ 
ninchen) in einer für die notwendigen Makroanalysen hinreichenden 
Menge nicht zur Verfügung standen. Hierzu treten die Bedenken, 
die Brinckmann und van Dam 1 ) gegen das Waschen von Ery- 
throcyten, das hierbei nicht zu umgehen ist, angeführt haben, nämlich, 
daß auf diese Weise Lipoidstoffe aus den Blutkörperchen extrahiert 
werden. Dieser Faktor dürfte bei der Analyse geringer Mengen noch 
stärker ins Geweht fallen. Es kommt also viel auf die Exaktheit der 
Bestimmung des Blutkörperchenvolumens an. Alle Methoden, die darauf 
beruhen, das Blutkörperchenvolumen z. B. wie Bleibtreu 2 ) durch 
Errechnung aus dem Eiweißgehalt des unverdünnten Blutes und ver¬ 
schiedener Verdünnungen desselben zu bestimmen, sind fehlerhaft, 
weil durch das Waschen mit Kochsalzlösung N.-haltige Bestandteile 
aus den E. austreten, was Ege 3 ) neuerdings wiederum betont hat. Es 
wurde daher auf das direkte Verfahren von Hamburger (Häma¬ 
tokrit) zurückgegriffen, das gleichmäßig gute Resultate gab. Gelegent¬ 
liche Kontrollen nach Bleibtreu bestätigten die Erfahrungen von Ege. 
Verfahren, die darauf basieren, mit Hilfe von physikalischen Konstanten 
das Volumen zu bestimmen [Ullmer 4 ), Alder 5 )], begegnen, ganz ab¬ 
gesehen von ihrer Kompliziertheit, theoretischen Bedenken, da sich 
im Blute neben den roten Blutkörperchen noch andere corpusculäre 
Elemente finden, die die physikalischen Konstanten in nicht ganz klarer 
Weise zu beeinflussen geeignet sind. Das Blutkörperchenvolumen ist 
verschieden, je nachdem man in mehr oder minder gestautem Gebiet, 
oder im arteriellen, die Untersuchung vomimmt. Es kam somit als 
einwandfreieste Untersuchungsstelle das Ventrikelblut, d. h. die Herz¬ 
punktion in Betracht. 

Zur Aufhebung der Gerinnungsfähigkeit wurde teils von der Fa. 
Sachse-Leipzig hergestelltes, teils mir in dankenswerter Weise durch 
Herrn Prof. Verz är-Debreczen zur Verfügung gestelltes Hirudin be¬ 
nutzt, da das Defibrinieren sowohl, wie alle kalkfällenden Agentien mehr 

*) Brinckmann und v. Dam, Biochem. Zeitschr. 108, 35. 

“) Bleibtreu, Max und Leop., Arch. f. d. ges. Physiol. 5, 151. 

3 ) Ege, Biochem. Zeitschr. 100 , 274. 

4 ) Ullmer, Inaug.-Diss. Zürich 1909. 

*) Alder, Korrespbl. f. Schweizer Ärzte 1918, Nr. 42. 



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Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 283 

oder minder das wahre Volumen der Blutkörperchen beeinträchtigen und 
hinsichtlich der Adsorption vön Lipoiden nicht ohne weiteres zu kon¬ 
trollierende Wirkungen entfalten können. 

Bei der Wahl der chemischen Methodik kam es darauf an, eine solche 
zu finden, die es gestattete,, in kleinen Mengen zum mindesten Fett, 
Cholesterin und Phosphatide als Gruppen zu bestimmen. Es wurde das 
Bang sehe Verfahren 1 ) angewandt. Ausschlaggebend hierfür waren 
die geringen für die Analyse erforderlichen Substanzmengen, eine Voraus¬ 
setzung, ohne welche die Untersuchungsreihe undurchführbar gewesen 
wäre, ferner ihre Ausführbarkeit ohne kostspielige Apparate (Nephelo¬ 
meter, Kolorimeter), wie die Verfahren von Bloor 2 ) und Kleinmann 3 ) 
sie erfordern. Endlich kam der Umstand in Betracht, daß diese Methode 
in ihren Grundprinzipien: Abtrennung der Fettsäuren und Cholesterin 
von den Phosphatiden und Cholesterinestem durch fraktionierte Ex¬ 
traktion, oxydimetrische Bestimmung der am besten isolierbaren Grup¬ 
pen (freies, bzw. gebundenes Cholesterin, Alkohol-, Petrolätherextrakt) 
und Berechnung der übrigen Werte aus der Differenz, gut durchgear¬ 
beitet erscheint. Hierzu tritt die schon früher von mir (1. c.) erwähnte 
und von Bang für sein Verfahren ins Feld geführte Tatsache, daß der 
P.-Gehalt uns über die wahre Menge der sehr verschiedenen Mengen P. 
enthaltenden Phosphatide im Blute keinen Aufschluß zu geben vermag, 
sondern nur ein Äquivalent derselben darstellt. Zugegeben muß werden, 
daß kleine Mengen Phosphatide in die Petrolätherfraktion möglicher¬ 
weise übergehen können 4 ) und daß die einzelnen Phosphatide vielleicht 
ein nicht ganz gleiches Reduktionsvermögen gegenüber der Chromat¬ 
lösung besitzen. Letzterer Umstand fällt nach Bang praktisch nicht 
ins Gewicht. Die erstgenannte Möglichkeit wird bei den in Betracht 
kommenden Mengen keine erhebliche Rolle spielen. 

Im Gegensatz zu der theoretischen Begründnug bietet die praktische Durch¬ 
führung manche Schwierigkeit. Die Beschaffung eines qualitativ geeigneten 
Extraktionsmittels (Petroläther) war nicht leicht. Es wurden acht verschiedene 
Präparate ausgeprobt. Es wurden Leichtbenzin, Benzol des Handels, Gasoline 
und verschiedene sog. Petroläther hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit untersucht. 
Bei fraktionierter Destillation enthielten sie z. T. minimale für die vorliegenden 
Zwecke brauchbaren Anteile. Am brauchbarsten erschien nach mehrmaliger 
Redestillation ein von Kahlbaum geliefertes Präparat. Aber auch dieses mußte 
ständig nachgeprüft und von Zeit zu Zeit erneuten Destillationen unterworfen 
werden. Ein indirektes Verfahren, wie das Bangsche, kann nur unter Innehaltung 
aller äußeren Bedingungen in vollkommen gleichmäßiger Weise zu guten Resul¬ 
taten führen. Es muß besonders darauf hingewiesen werden, daß der sog. „Fehler“, 
d. h. die durch den Rückstand des Extraktionsmittels verbrauchte Chromatmenge, 

1 ) Bang, Mikromethoden, München, 1920, S. 38. 

2 ) Bloor, W. R., Joum. of biol. Chem. tZ 9 131. 

3 ) Klein mann, Biochem. Zeitschr. 99, 116. 

*) Lemeland, Compt. de la soc. de biol. 84, 446. 

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welche durch den blinden Versuch ermittelt wird, bei den zu bestimmenden ge¬ 
ringen Mengen nur innerhalb enger Grenzen ca. 0,02—0,06 ccm Chromatlösung 
schwanken darf; um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, ist es nötig, 
diesen Fehler für jede einzelne Versuchsreihe neu festzulegen. Es zeigt« sich näm¬ 
lich, daß namentlich, wenn der Petroläther seit der letzten Redestillation längere 
Zeit gestanden hat, in ganz unberechenbarer Weise der Petroläther hinsichtlich 
seines Verbrauches an Chromat plötzlich variierte. Selbstverständlich müssen 
auch alle anderen Reagentien (Natronlauge, Alkohol) geprüft werden; im wesent¬ 
lichen wird jedoch der „Fehler“ an dem Petroläther haften. Bei der Verdunstung 
desselben in den Probiergläschen ist Sorge zu tragen, daß keine Überhitzung 
des Petroläthers stattfindet, da sich sonst anscheinend Oxydationsprodukte bilden, 
die die Resultate beeinflussen. Ein Erhitzen über 60° ist hierbei daher zu ver¬ 
meiden. 

Weiterhin ist zu bemerken, daß bei Bestimmung der Cholesterinester nach 
Verseifung durch 1 Tropfen 25% Natronlauge, es nicht immer genügt, das Chol¬ 
esterin herausdiffundieren zu lassen, wie Bang angibt. Ein Tropfen 25 proz. NaOH 
stellt bei einer Tropfengrößc von 0,05—0,02 ccm eine NaOH-Menge von 12,5 bis 
6 mg dar, die nach der Eindünstung mehr oder minder fest am Glase haftet und 
das Cholesterin neben den Seifen in sich einschließt. 

Es empfiehlt sich daher, den Niederschlag von den Wandungen und dem 
Boden des Gläschens mit einem Glasstäbchen abzukratzen, was sich nach längerem 
Stehenlassen leicht ausführen läßt. Ganz zweckmäßig hat sich auch leichtes Er¬ 
wärmen erwiesen, wodurch die Diffusion rascher und vollständiger beendet wird. 
Die Filtration muß natürlich bei Zimmertemperatur geschehen, um nicht leicht 
schmelzbare Seifen in das Fütrat hineinzubekommen. Zur Extraktion selbst habe 
ich Wägegläschen verwandt, die luftdicht abschließen und zudem den Vorteil 
bieten, daß sich nicht, wie bei Korkverschluß, Teilchen loslösen und zu Verun¬ 
reinigungen Anlaß geben können. 

Bezüglich der Breite der Anwendbarkeit der Methode sei gesagt, daß Mengen 
über 150 mg Gesamtblut nicht immer gleichmäßige Werte geben, dagegen kann 
man, falls notwendig, unbedenklich bis auf 50 mg heruntergehen. Beim Serum 
dürfte die Grenze nach oben so weit wie Aufsaugefähigkeit der Papierstückchen es 
gestattet, also eher weiter, zu stecken sein. Die Analyse von Blutkörperchenbrei 
gelang nach dem Bangschen Verfahren nicht; nur solche Analysen-Substanzen 
sind verwendbar, die sich restlos in gleichmäßiger Schicht in die Papierstückchen 
hineinsaugen lassen. 

Zu bemerken ist noch, daß über 8—10 Tage, selbst in gut verschlossenen Ge¬ 
fäßen, nach der Wägung aufbewahrte Papierstückchen mit dem eingetrockneten 
Material vielfach zu niedere Werte geben. 

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß der ganzen Methodik insofern 
ein gewisser Nachteü anhaftet, als man lediglich aus der Übereinstimmung der 
Endresultate ersehen kann, ob richtig gearbeitet worden ist. Die kleinen, an sich ein¬ 
fachen, aber unter den gegebenen Verhältnissen subtilen Operationen (Verseifen, Fü- 
trieren, Nachwaschen) besitzen keinerlei Kriterium für die Beendigung der 
einzelnen Prozedur. Man ist also auf Kontrollen angewiesen und tut gut, sich von 
vornherein die nötige Menge Analysensubstanz zu sichern. 

Auch die übrigen Bestimmungen: N., Trockensubstanz, wurden unter Zu¬ 
grundelegung der Bangschen Angaben durchgeführt, nur mit dem Unterschiede, 
daß die N-Bestimmung direkt durch Titration mit n / 70 HCl mit Methylrot als 
Indicator nach den Angaben von Pregl 1 ) ausgeführt wurde. 


*) Vgl. Ha ns Lieb in Abderhaldens biochem. Arbeitsmethoden, 9, 708. 1915. 



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Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 


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Zur allgemeinen Übersicht wurde der größte Teil der Versuchstiere 
hinsichtlich etwaigen Auftretens von Fettphanerose und Organdege¬ 
neration histologisch untersucht (Scharlachrot bzw. Hämatoxylineosin - 
färbung). 

3. Normalbefunde. 

Bevor auf die Einzelheiten der eigentlichen Versuche eingegangen 
wird, muß einiges über den normalen Blutbefund vorausgeschickt wer¬ 
den. Zunächst muß rein morphologisch bemerkt werden, daß nur er¬ 
heblichere Grade der Anämie beim Kaninchen sicher diagnostizierbar 
sind. Wir wissen 1 ), daß bei diesen Tieren die Erythrocytenwerte außer¬ 
ordentlich schwanken; bei Normaltieren werden Schwankungen von 
4 310 000 —5 920 000 angegeben. Dementsprechend beträgt der Hb- 
Gehalt zwischen 49—59%. Mehr ins Gewicht fällt, daß schon normaler¬ 
weise eine geringe Anisocytose, nicht selten Polychromatophilie vor¬ 
handen ist und gelegentlich auch Erythroblasten auftreten. Alles 
dieses stimmte nach meinen Erfahrungen insofern, als geringe Grade 
der genannten Erscheinung sich normalerweise bei Stallkaninchen 
unserer Laboratorien vorfinden. Ausgesprochene Polychromatophilie, 
Mikro- und Makrocyten, Poikilocytose, sowie häufigeres Auftreten 
von Erythroblasten sind Zeichen pathologischer Blutveränderung. 
Von diesem Gesichtspunkt aus sind die Befunde beurteilt worden, 
die entsprechenden Bemerkungen beziehen sich auf solche Unterschiede 
in Gestalt und Färbbarkeit der Roten, wie sie sich normalerweise bei 
den Tieren nicht finden. Die von mir verzeichneten Normalwerte für E. 
schwanken zwischen 4 296 000 und 5 712 000, der Hb.-Gehalt zwischen 
58 und 79%. Dieser Unterschied in der Hb.-Bestimmung dürfte dadurch 
zu erklären sein, daß ich ein Hämometer benutzte, welches als Normal- 
wert bei Gesunden 88% der Skala verzeichnete, also 12% mehr als die 
von den Königsberger Autoren benutzte Testlösung. Hinweisen möchte 
ich noch darauf, daß auch andere Autoren höhere Normal werte zu ver¬ 
zeichnen haben (Sundstroem u. Bloor, 1. c.). 

Das Blutkörperchenvolumen, Trockensubstanz und N.-Gehalt schwan¬ 
ken im Gesamtblut nur in relativ engen Grenzen. Ich gebe Maximal - 
und Minimalwerte meiner Tabellen im folgenden wieder: 


Blut. 



Maximum 

Minimum 

Mittel 

B.-V. 

. . . 42,0 

34,0 

38,0 

Tr.-S. 

. . . 21,62 

16,78 

19,20 

N. . 

. ... 2,60 

2,01 

2,31 

Fett 

. . . . 0,0621 

0,0238 

0,0430 


*) Klieneberger und Carl, Die Blutmorphologie der Laboratoriumstiere. 
Leipzig 1912, S. 29. 


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Maximum 

Minimum 

Mittel 

fr. Chol.. . 

. 0,0704 

0,0347 

0,0531 

gb. Chol. . 

. 0,0719 

0,0199 

0,0459 

Tot. Chol. 

. 0,1423 

0,0669 

0,1046 

Chol.-E. . 

. 0,1284 

0,0355 

0,0820 

Phosphat. . 

. 0,3198 

0,1553 

0,2376 



Plasma. 


Tr.-S. . . 

. 8,00 

6,69 

7,35 

N. 

. 1,21 

0,92 

1,07 

Fett . . . 

. 0,0911 

0,0290 

0,0601 

fr. Chol.. . 

. 0,0653 

0,0074 

0,0364 

gb. Chol. . 

. 0,1065 

0,0298 

0,0682 

Tot.-Chol. . 

. 0,1407 

0,0571 

0,0989 

Chol.-E. . 

. 0,1902 

0,0506 

0,1254 

Phosphat. . 

. 0,2955 

0,0915 

0,1935 


Erythrocyten. 


Tr.-S. . . 

.38,25 

30,67 

34,46 

N. 

. 5,61 

3,21 

1.41 

Fett . . . 

. 0,0513 

0,0056 

0,0235 

Tot.-Chol. . 

. 0,1841 

0,0535 

0,1188 

Phosphat. . 

. 0,4808 

0,2107 

0,3458 


Vergleiche mit derselben Methodik liegen nur wenig vor. Ver¬ 
wiesen sei hinsichtlich des Gesamtblutes auf Schippers 1 ). Die indi¬ 
viduellen Schwankungen — es handelt sich um Kinder und junge Män¬ 
ner — sind außerordentlich groß, z. B. um nur einiges hervorzuheben, 
beträgt bei älteren Kindern im Gesamtblut das Fett 0,081—0,192, 
das Chol. 0,009—0,058, die Chol.-Ester 0,137 —0,390, die Phosph. 
0,005—0,108%. Es sind dies Zahlen, die in weit größerem Maße 
schwanken, als die meinen. Dies gilt namentlich hinsichtlich der Phos- 
phatide. Mit den Bang sehen 2 ) Zahlen verglichen, dürfte der durch¬ 
schnittliche Phosphatidwert von 0,2376% dem Bangschen bei Hunden 
nahekommen. Etwas niedriger sind die Chol.-Ester: Im Mittel 0,0820%, 
und ebenso das freie Chol, mit 0,0531%. Das Fett weist nach meinen 
Angaben etwas höhere Werte auf. Bang (1. c.) errechnet z. B. solche 
von 0,0% beim Säugling bis 0,039% beim Hund, während ich Werte 
von 0,0238—0,0621% zu verzeichnen habe. Nach anderen Verfahren 
gewonnene Fett- bzw. Fettsäurewerte lassen sich nicht mit denen 
der Bangschen Methodik vergleichen; das beruht auf ihrer Eigenart (ge¬ 
meinsame Berechnung und Bestimmung der Fettsäuren und Phos- 
phatide). 

Vergleichswerte für Kaninchen im Plasma nach anderen Methoden 
gibt uns Feigl (1. c.). Die Gesamtfettsäure schwankte zwischen 0,22 
bis 0,29%. Das Lecithin betrug 0,11%, das Tot.-Chol. 0,05 —0,07%. 

*) Schippers, Jahrb. f. Kinderheilk., Bd. 39 , 3. Folge, Bd. 43 , H. 3. 

2 ) Bang, Biochein. Zeitschr. 91 , 224. 



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Zur Pathoohemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 


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Mein Phosphatidwert ist im Durchschnitt etwas höher und nähert 
sich mehr dem von Abderhalden 1 ). Die Werte für die Fettsäuren 
betragen nach Horiuchi (1. c.) 0,32%, für das Cholesterin 0,06%, 
für die Phosphatide 0,14%; letztere beiden Werte nähern sich dem mei¬ 
nen; der erstere ist höher, was wohl auf die fettreichere Ernährung 
bzw'. auf die Verschiedenheit der Methodik zurückzuführen ist. Es 
erübrigt sich nun, noch einiges über die roten Blutkörperchen und ihre 
Zusammensetzung zu sagen; ich habe schon vorausgeschickt, daß meine 
Berechnungen auf indirekter Analyse beruhen. 

Die Chol.-E. sind in dieser Zusammenstellung über das Blut nicht 
berücksichtigt, da sie, wie Bang (1. c.) und Rosenthal 2 ) zeigten, 
und ich bestätigt fand, zwar in den E. Vorkommen, jedoch nicht in 
irgendwelcher Regelmäßigkeit, noch im allgemeinen in größerer Menge 
im Gegensatz zum freien Cholesterin. Man wird daher, bis man Näheres 
über die Bedingungen der Bildung der Cholesterinester weiß, deren 
Funktion, was nebenbei erwähnt sei, z.B. hinsichtlich der Immunitäts¬ 
reaktionen eine ganz andere ist, als die des freien Cholesterins, sich darauf 
beschränken müssen, das Cholesterin der Erythrocyten in seiner Gesamt¬ 
heit zu werten. Vergleichszahlen für Kaninchen gibt Horiuchi (0,25% 
Fettsäuren, 0,43% Phosphatide und 0,20% Chol.). Wesentlich tiefer ist 
bei mir der Wert für das Fett aus den schon erörterten Gründen. Abder - 
halden (1. c.) gibt für das Kaninchen 0,072% Cholesterin und 0,4627% 
Lecithin an; beides etwas höhere Werte, als die von mir beobachteten. 
Es finden sich aber nach meinen Analysen, sowie auch nach denen von 
Abderhalden sehr erhebliche individuelle Differenzen (z. B. Chol, beim 
Pferd 0,383-0,661%, beim Hund 2,155-1,255%, beim Schaf 2,360 bis 
3,593%). Auf die erheblichen Schwankungen der Phosphatide in den E. 
macht auch Bang 3 ) aufmerksam. 

Im ganzen wird man also die vorstehend gefundenen Zahlen als Nor¬ 
malzahlen gelten lassen dürfen, man wird sich aber der großen Breite 
individueller Schwankung, die von allen Autoren, die mit den verschie¬ 
densten Methoden arbeiteten, gefunden wurde, bewußt sein müssen, 
ehe man zu Schlüssen kommt. Im allgemeinen dürften Werte, die über 
100% gegen die Norm differieren, als pathologisch gelten, ebenso solche, 
welche von den „individuellen Normalwerten“, d. h. denjenigen Werten, 
die im Vorversuch bei dem gleichen Tier ermittelt wurden, sich in 
demselben Maße entfernen. Ins Gewicht fallen wird bei der Beurteilung 
auch der Umstand, ob in parallelen oder analogen Versuchen eine gleich¬ 
sinnige Variation der Lipoidsubstanzen eingetreten ist. Hiermit komme 
ich zur Besprechung der eigentlichen Versuche. 

*) Abderhalden, Zeitschr. f. phys. Chem. 21 , 521, und ebenda 25, 671. 

2 ) Rosenthal, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 132 , 311. 

3 ) Vgl. Biochem. Zeitschr. 91 , 1 . c. 


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H. Jastrowitz: 


4. Auswahl der Blutschädigungen. 

Die Prototypen von Giften, die gewählt wurden, gehören zu einem 
Teil den klassischen experimentellen Agentien an, die bei Tieren ein 
der Anaemia perniciosa ähnliches Blutbild auslösen: Pyrogallol, Pyrodin, 
Nitrobenzol [Pappenheim 1 ), von Do mar us 2 )]. Erstere beiden wirken 
methämoglobinbildend und hämolytisch. Durchaus analog wirkt das 
Nitrobenzol, das durch Reduktion zu Benzamin eine dem Hydroxylamin 
ähnliche Wirkung auf die Erythrocyten entfaltet [Lipschitz 3 )]. 
Die zweite Klasse umfaßt solche Gifte, die ein besonderes physiologisch¬ 
pathologisches Interesse haben: Natrium glycocholat als Prototyp 
der Gallensäuren und Staphylolysin als Bakterien toxin. Hinsichtlich 
der ersteren Substanz sei hier nur kurz bemerkt, daß sie lediglich aus 
technischen Gründen gewählt wurde. Taurocholsäure stand nicht zur 
Verfügung und die Beschaffung von Rindergalle bereitete zu Beginn 
der Versuche noch erhebliche Schwierigkeiten. Bei Besprechung der¬ 
selben wird auf diesen Punkt, sowie auf das Staphylolysin noch zurück¬ 
zukommen sein. Soweit es praktisch durchführbar war, wurden eine 
subakute und eine chronische Vergiftung vorgenommen. Von ganz 
akuten Eingriffen wurde abgesehen, da hierbei der Fettransport und akute 
Leber- und Nierenveränderungen die Sachlage noch mehr komplizieren 
würden. Von den mehr chronischen Formen konnte man eine ver¬ 
ringerte Einwirkung auf den Fettransport erwarten und es konnten sich 
bei ihnen reaktive Vorgänge im Blute besser dokumentieren. Versuchen 
mit hämolysierenden Giften stehen drei mit Blutungsanämie zum Ver¬ 
gleich gegenüber. Auch hier sind aus den angeführten Gründen länger 
dauernde Versuche gemacht worden. Die Gifte wurden stets subcutan 
verabfolgt; die intravenöse Injektion verbot sich, weil beabsichtigt war, 
die Substanzen nicht plötzlich in den Kreislauf gelangen zu lassen, 
die orale deshalb, weil eine exakte Resorption nicht möglich ist und 
Nebenerscheinungen vom Magendarmkanal vermieden werden sollten. 

Die Blutentziehung, die zu Zwecken der Anämisierung gemacht 
wurde, erfolgte in der Regel aus der Randvene des Ohres. Da dieselben 
fast täglich notwendig waren, um einen genügenden Grad von Anämie 
zu erreichen, thrombosierten die Randvenen, so daß gelegentlich auch 
auf die Herzpunktion zurückgegriffen werden mußte. 

5. Versuche mit hämolytischen Gilten. 

1. Pyrogallol: Das Pyrogallol ist von Petro ne 4 ) zuerst gelegentlich 
von Vergiftungen an Menschen eingehendem Studium unterworfen 

*) Pappenheini, Fol. haemat. 1, H. 3, S. 329. 1903. 

2 ) v. Do mar us, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 58, 1908. 

3 ) Lipschitz, Zeitschr. f. phys. Chemie 199 , 149. 

4 ) Petrone, Ricerche cliniche e sperimentali sullo awelenamento da acido 
pirogaliico, Catania 1895, zit. nach Kobert, Toxikologie Ä, 776. 


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Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 289 

worden. Es wirkt einmal durch Umwandlung des Oxyhämoglobins 
in Methämoglobin giftig, weiterhin führt es durch Absorption des Sauer¬ 
stoffes zu innerer Erstickung. Daneben ist das prägnanteste Symptom 
die Nierenverlegung infolge Hämoglobininfarct der Harnkanälchen. 
Es wurden im ersten Experiment an 4 Tagen je 2 g Pyrogallol verabfolgt. 
Das Tier mußte geopfert werden, da es moribund war, trotzdem noch 
2 240 000 rote Blutkörperchen vorhanden waren. Das Blutbild war 
ausgesprochen anämisch mit Poikilocyten und Erythroblastose. Der 
2. Versuch mit Pyrogallol war durchaus ähnlich angelegt, nur wurde die 
Dosis von 7,5 g auf 17 Tage verteilt. Zwei weitere Versuche scheiterten 
insofern, als die Tiere ziemlich plötzlich, trotz anscheinenden vor¬ 
herigen Wohlbefindens, morgens tot im Käfig auf gefunden wurden. 
Was die Veränderungen anlangt, so zeigt sich entsprechend dem Her¬ 
untergehen der E. und des Hb. auf die Hälfte eine wesentliche Ver¬ 
ringerung der Trockensubstanz, in beiden Fällen (über 2% derselben). 
An dieser Verminderung hat lediglich das Plasma einen Anteil, während 
die Trockensubstanz der roten Blutkörperchen, ebenso wie ihr N.-Gehalt 
unverändert blieb. Sehr erheblich ist das Absinken des N.-Gehaltes 
im Plasma bei der akuten Vergiftung von 0,93% auf 0,38%, im 2. Falle 
von 1,04% auf 0,75%. Die Lipoidsubstanzen zeigen im Plasma im all¬ 
gemeinen eine Vermehrung. Diese tritt am deutlichsten beim Fett 
hervor (Steigerungen von 0,0653% auf 0,6471%, von 0,0290% auf 
0,1135%). 

Es handelt sich also hier um Steigerungen von 900% bzw. 300%, 
gegenüber dem Vorversuch. Beim Cholesterin tritt diese Erscheinung 
nur im subakuten Falle ein. Hier beträgt die Steigerung ca. 300%, 
ähnlich liegt es bei den Phosphatiden, wo auch nur der akutere Fall 
eine entscheidende Steigerung (von 0,1176% auf 0,8340%), also um 
ca. 600%, zeigt. Der Unterschied, der hier zutage tritt, ist einerseits 
zu beziehen auf den massenhaften Zerfall von E. im akuteren Stadium 
und das hierdurch bedingte plötzliche Freiwerden von Phosphatiden 
bzw. Cholesterin, andererseits auf das plötzlich einsetzende Versagen 
der Lipase im Serum. Alle diese Faktoren treten bei der chronischen 
Vergiftung nicht so plötzlich in Erscheinung und bedingen daher nicht 
den gleichen Befund. Noch viel erheblicher ist natürlich die Vermehrung, 
wenn man die Trockensubstanz in Rechnung zieht. Hier machen die 
Lipoide mehr als 33% der gesamten Trockensubstanz aus; auffällig 
ist hier das scharfe in den Vordergrundtreten des Lecithins mit 17,06% 
gegen 3,48% Maximum der Vorversuche. Es beruht dies anscheinend 
darauf, daß diese Substanz massenhaft frei wird und im Blute zurück- 
gehalten bleibt infolge Versagens der fermentativen Zerlegung und 
Intoxikation des Gewebes, das nicht in der Lage ist, in seinen Depots 
(Knochenmark, parenchymatöse Organe) die Lecithinmassen aufzuneh- 


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290 


Jf. Jastrowitz: 


men, noch abzubauen. Bei der chronischen Vergiftung zeigt nur das 
eigentliche Fett einen etwas höheren Wert, während die Lipoide nicht 
wesentlich verändert erscheinen. Hier muß man zu der Hypothese 
greifen, daß diese Substanzen im Laufe der Vergiftung verbraucht wer¬ 
den, der erkrankte Organismus aber zu einer ausreichenden Synthese 
nicht befähigt ist. Die sich nicht so intensiv bemerkbar machende Schä¬ 
digung wird hier noch einen Verbrauch in beschränktem Maße zulassen, 
ganz abgesehen davon, daß die die Schädigungen kompensierenden 
Vorgänge im Knochenmark einen erhöhten Bedarf von seiten des 
Körpers bedingen. 

Wenn man dagegen die Erythrocyten betrachtet, so wird man eine 
erhebliche Vermehrung des Fettes, des Gesamtcholesterins und dagegen 
eine Abnahme der Phosphatide um 50% in dem subakuten Falle ver¬ 
zeichnen, d. h. das Verhältnis Lecithin zu Cholesterin hat sich direkt 
umgekehrt. Es mag dahingestellt bleiben, ob dies als kompensatorischer 
Vorgang insofern zu werten ist, als die E. durch die Cholesterinaufnahme 
gegen die Hämolyse resistenter werden. Bei der chronischen Vergiftung 
mit nicht so intensiver Einwirkung kann nur von einer mäßigen Zu¬ 
nahme der beiden Lipoidfraktionen gesprochen werden (0,5113% 
gegen 0,3354% Phosphatide im Vorversuch und 0,1521% gegen 0,1115% 
Gesamtcholesterin), ohne daß das Verhältnis zu Cholesterin eine wesent¬ 
liche Verschiebung erleidet. 

2. Pyrodin: Um festzustellen, ob sich eine stärkere Regularität 
in den eben angedeuteten Verhältnissen erzielen ließ, wurden weitere 
Versuche mit Acetyl-Phenylhydrazin angestellt, das vor dem Pyro- 
gallol den Vorteil hat, lediglich als Methämaglobinbildner zu wirken 
und das Verf. (1. c.) in seiner früheren Arbeit zu ähnlichen Versuchen 
benutzt hat. Es erschien dies besonders mit Rücksicht darauf interessant, 
daß im Gesamtblut von Hunden damals eine relative Abnahme des 
ätherlöslichen P. festzustellen war. Die Versuche wurden als chronische, 
mit zweimonatlicher Dauer und als subakute mit dreitägiger Dauer 
angestellt. Sehr auffällig war die starke Abmagerung der chronisch 
vergifteten Tiere. In Organen fand sich nirgends Fettinfiltration, 
im Gegensatz zu den früher untersuchten Hunden, eine Erscheinung, 
die wohl auf die Individualität der Versuchstiere und ihre Ernährung 
zu beziehen ist. Die Anämie erreichte erhebliche Grade: beim subakuten 
Versuch gelang es, die roten Blutkörperchen auf 864 000 herabzudrücken. 
Es zeigte sich bei den chronischen Vergiftungen ein Absinken der Phos¬ 
phatide im Plama, während sie bei der akuten Vergiftung nicht wesent¬ 
lich tangiert wurden. So sank z. B. bei der 2. Vergiftung der Wert für 
die Phosphatide von 0,1482% auf 0,0459% herab. Fett und Chol.- 
Werte waren nicht wesentlich verändert. Die E. zeigten in den chro¬ 
nischen Fällen gleichfalls niedere Werte für die Phosphatide (0,1152%, 



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Zur Pathmliemie der Blutiipoide bei experimenteller Anämie. 


291 


0,1680% gegenüber einem Mittelwert von 0,4358%), also eine sehr er¬ 
hebliche Abnahme. Das Cholesterin ist nicht ganz einheitlich. In dem 
letzten chronischen Falle läßt es eine Vermehrung mit 0,2268%, bei dem 
andern chronischen eine Verminderung mit 0,0405% erkennen, gegenüber 
einem Mittel von 0,1304%. Beide Werte liegen außerhalb der Maxima 
und Minima der Normaltiere. Hier wird man wohl annehmen müssen, 
daß im letzteren Falle eine Erschöpfung des Cholesterinvorrates ein¬ 
getreten ist. Der subakute Vergiftungsversuch unterscheidet sich sehr 
wesentlich von dem chronischen; es stehen hier dem Organismus noch 
reichlich Lipoide zur Regeneration zur Verfügung und der Zerfall der 
roten Blutkörperchen ist ein akuterer. Dementsprechend findet sich eine 
Steigerung des Gesamtcholesterins im Plasma von 0,0880% auf 0,1500%. 
An dieser Steigerung beteiligen sich nicht die Phosphatide und das 
Fett nur in mäßigem Grade. Bei den E. zeigt sich eine erhebliche 
Anhäufung von Lecithin (1,6751 %) in der Substanz der roten Blutkörper¬ 
chen, d. h. es erkrankt das rote Blutkörperchen anscheinend dadurch, 
daß es bei der Regeneration in überstürztem Maße die vorhandenen 
Phosphatide aufnimmt, die massenhaft in das rote Blutkörperchen ein- 
dringen, ein Vorgang, mit dem die Cholesterine nicht Schritt halten kön¬ 
nen. Es befindet sich dieses Resultat in einem gewissen Gegensatz zu 
dem bei chronischer Pyrodin- und subakuter PyrogallolVergiftung. 

3. Nitrobenzol: Es wurde daher, um eine Entscheidung herbeizuführen, 
zu einem 3. Gift gegriffen, dessen ich mich auch schon früher bedient 
habe, und das nach den Arbeiten von Lipschitz (1. c.) nur indirekt 
methämoglobinbildend wirkt und somit eine an sich langsamere In¬ 
toxikation entfalten wird. Allerdings tritt hierzu die Wirkung dieser 
Substanz als Nervengift, welche es erschwerte, die Versuche bis zu dem 
gewünschten Ende fortzuführen, da beide Tiere nach Verabreichung 
von insgesamt 2,75 bzw\ 2,5 ccm Nitrobenzol in schwere Krämpfe ver¬ 
fielen und Paresen eintraten, so daß der spontane Exitus zu befürchten 
war. Die erzielten Blut Veränderungen waren trotzdem recht erheblich 
(1 774 000 bzw. 1 260 000 E.), also eine Reduktion auf 1 / 3 — 1 / 2 der Norm. 
Es fanden sich nicht so reichlich Erythroblasten, wie bei den vorher¬ 
gehenden Vergiftungen; es bestand keinerlei Organverfettung. Die Fette 
steigen in einem Falle um ca. 300% im Plasma an (von 0,0321% auf 
0,1368%), während sie in dem andern nicht wesentlich vermehrt sind. 
Das Cholesterin läßt keine Veränderung im Plasma erkennen; die Phos¬ 
phatide erfahren im 1. Falle eine Verminderung von 0,1448% auf 
0,0676%, in dem andern Falle eine leichte Vermehrung von 0,1848% 
auf 0,2441%, die als unwesentlich anzusehen ist. In den Blutkörperchen 
zeigt das Cholesterin, ebenso wie die Phosphatide, im 1. Falle eine ge- 
ringeVermehrung (von 0,4248 auf 0,6308%), also um ca. 50%, im letzteren 
bleiben sie unverändert. Auch diese Versuche lassen eine einfache 


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292 


H. Jastrowitz: 


Erklärung der Erscheinung nicht zu, warum in dem einen Falle die Phos- 
phatide absinken, in dem andern aber nicht. Man kann nur soviel sagen, 
daß bei lang andauernden bzw. chronischen Vergiftungen mit hämo¬ 
lytischen Giften eine Erschöpfung der Lecithinvorräte des Organismus 
dadurch herbeigeführt wird, daß der Körper infolge der Intoxikation 
die Fähigkeit zum Aufbau derartig komplizierter Lipoide verliert, 
während bei akuteren Formen der plötzliche Zerfall als Reiz auf die 
zunächst noch relativ-intakten Bildungsstätten der E. wirkt und so 
die Neubildung phosphatidreicher Blutkörperchen in gewissen Grenzen 
anregt, soweit noch Reservematerial vorhanden ist. Bei noch schwereren 
Fällen hört dieser Prozeß auf: Es werden die Erythrocyten phosphatid- 
ärmer (Pyrogallol lb), weil die intensive Einwirkung des Protoplasma¬ 
giftes sofort zum Zerfall und Austritt des Phosphatide aud den E. führt, 
bzw. bereits die Erythroproese in dieser Hinsicht ungünstig beeinflußt. 
Das Cholesterin nimmt an diesem Vorgang in der Menge teil, in 
der es angeboten wird, und in der die E. in der Lage sind, es auf 
zunehmen. In dieser Weise dürfte sich die Variabilität der Mengen, 
in denen diese Lipoidsubstanzen in den Erythrocyten unter den hier 
vorgenommenen pathologischen Bedingungen in den Roten auftreten, 
erklären. 

Anschließend hieran wurden Gifte hinsichtlich ihrer Wirkung unter¬ 
sucht, welche für die menschliche Pathologie eine wesentlichere Rolle 
spielen, als die vorgenannten drei Körper, welche nur bei Arzenei-, 
gewerblichen Intoxikationen, sowie Suicidversuchen in Frage kommen. 

4. Glycochols. Natron: Hierher gehören zunächst die Gallensäuren, 
die für die Leberpathologie von Bedeutung sind. Leider stand mir 
nur glycocholsaures Natron zur Verfügung. Ich war mir wohl bewußt, 
daß die hämolytische Wirkung desselben weit geringer ist, als die der 
Taurocholsäure; immerhin zeigte sich bei einem Hämolyse versuch 
in vitro noch eine Wirkung bei 1 auf 600 auf Kaninchen-Erythrocyten. 
In vivo ist die hämolytische Wirkung der Gallensäuren keine weit¬ 
gehende 1 ); die Versuche werden weiterhin dadurch kompliziert, daß 
bekanntlich die Gallensäuren auf den Vagus einwirken [Weintraud 2 )], 
außerdem treten bei den Kaninchen leichte Durchfälle ein 3 ), eine bekannte 
Erscheinung, die bei jeder Applikationsart dieser Substanzen auftritt. 
Die Tiere magerten rasch ab, eins wurde, bevor der Versuch abgeschlossen 
war, tot aufgefunden. Der Grad der Anämie war kein hochgradiger, 
wie nach obigen Ausführungen zu erwarten war. Die Tiere erhielten in 
langsam gesteigerter Dosis 10,6 bzw. 5,04 g Natr. glycochol. Die Werte 
für die Roten sanken annähernd auf die Hälfte der Norm, ebenso die des 

x ) Eppinger, in Kraus u. Brugsch, Allg. u. spez. Pathol. des Ikterus, C, 157. 

2 ) Weintraud, Arch. f. exp. Pathol. 34 , 37. 1894. 

3 ) Vgl. Robert, Intoxikationen £, 743. 


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Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 


293 


Hämoglobins. Eine weitere Fortsetzung der Versuche verbot sich in¬ 
folge der erwähnten Erfahrungen. Der 1. Versuch wurde 2 Monate lang, 
der 2. einen Monat lang durchgeführt. Es zeigt sich im Plasma in dem 
1. Falle ein Gleichbleiben des Fettgehaltes, eine Erhöhung des Chol.- 
Gehaltes um ca. 200% (von 0,0582% auf 0,1612%), eine Zahl, die das 
Maximum des Chol, im Plasma bei Normaltieren überschreitet; der 
Phosphatidgehalt ist gleichfalls hoch mit 0,2712%, wenn auch als 
solcher nicht schlechthin als pathologisch zu werten. Das zweite Tier 
vertrug die Intoxikation weniger gut, so daß der Versuch früher abge¬ 
brochen werden mußte. Die Blutveränderungen sind hier geringer, 
dementsprechend bietet das Plasmabild bis auf eine mäßige Erhöhung 
des Neutralfettes (0,1255%) nichts Abnormes. In den Blutkörperchen 
zeigt sich in beiden Fällen mäßig hoher Cholesteringehalt (0,1059%, 
bzw. 0,1545%), und im 2. Falle eine Steigerung der Phosphatide (auf 
0,6130%), wie wir sie des öfteren bei den anderen hämolytischen Giften 
gesehen haben. Somit zeigen auch die Gallensäuren bereits diejenige 
Lipoidveränderung angedeutet, die bei den Versuchen mit den sonstigen 
hämolytischen Giften beobachtet werden konnten. 

5. Staphylolysin: Als letzte hämolytische Substanz wurde das Sta¬ 
phylolysin verwandt. Bewogen wurde ich hierzu durch den Umstand, 
daß sich an Hunden Lipoidsteigerungen im Blute nach Injektion von 
Vibrionentoxin (Nasykel Tor), namentlich solche der Phosphatide, 
in hohem Maße erzielen ließen. Es galt nun festzustellen, ob ähnliches 
sich auch bei anderen Tieren (Kaninchen) mit Bakterientoxin erreichen 
läßt. Die Versuche wurden mit Staphylolysin angestellt, dessen hämo¬ 
lytische Wirkung auf Kaninchen besonders groß sein soll und mit dem 
z. B. Schur 1 ) wesentliche Anämien erzielt hatte. Das von mir verwandte 
Staphylolysin wurde mir in liebenswürdigster Weise durch Herrn Prof. 
Paul Schmidt zur Verfügung gestellt. Dies Präparat hämolysierte 
noch in einem Verhältnis von 1 auf 1024, im Reagensglasversuch. Nicht 
ganz so waren die biologischen Resultate. Die Injektionen wurden in 
langsam steigender Dosis vorgenommen. Im Anfang sank deutlich 
der Hb.- und E.-Gehalt. Außer Zeichen von Atemnot mäßigen Grades 
unmittelbar nach den später vorgenommenen Injektionen, traten 
keinerlei schwere anaphylaktische Erscheinungen auf. Nach längerer 
Dauer der Versuche, 5 Wochen im ersten, 2 Wochen im zweiten Versuch, 
ließ sich ein weiteres Absinken des Blutkörperchenwertes und des Hämo¬ 
globins nicht erreichen. Die Versuche wurden daher abgebrochen. 
Anscheinend waren die Tiere gegen das Toxin immun geworden. Bei 
Betrachtung der Tabellen ergibt sich für das Plasma nur im 2. Falle 
eine Steigerung des Cholesterins (0,1892%, gegen 0,085% im Vorver¬ 
such). Die Phosphatide im Plasma blieben unverändert. Die E. zeigen 

*) Schur, Hofmeisters Beitr. z. chem. Physol. u. Pathol., 3, 89, 1902. 


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294 


K. Jastrowitz: 


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Tabelle I (berechnet auf 



Hb. 

| E. B.-V. 

Tr.-S. X. 

Fett 

freies ChoL 

1 a 

68 

4 460000 

40,9 

18,35 

2,52 

0,0490 

0,0490 

2a 

71 

4 696 000 

40,4 

19,37 

2,60 

0,0380 

0,0390 

3 a 

68 

5 222 000 

38,2 

17,05 

2.01 

0,0516 

0,0598 

4 a 

65 

4 960000 

37,9 

17,56 

2,58 

0,0238 

0,0601 

5 a 

58 

4 532 000 

42,0 

17,52 

; 2,00 

0,0434 

0,0426 

6 a 

72 

4 904 000 

37,8 

16,78 

2,30 

0,0320 

0,0704 

7 a 

78 

5 440000 

39,1 

17,81 

2,81 

0,0496 

0,0347 

8a 

67 

4 880 000 

40,1 

— 

2,11 

0,0408 

0,0370 

9 a 

68 

4 920 000 

38,5 

18,51 

2,60 

0,0552 

0,0405 

10 a 

79 

5 376 000 

42,6 

21,62 

1 2,37 

0,0456 

0,0657 

11 a 

78 

5712000 

o 

CO 

18,25 

2,23 

0,0466 

0,0382 

12 a 

75 

5 176000 

39,8 

17,34 

2,75 

0,0621 

0,0438 

13a 

77 

5 040 000 

37,7 

17,05 

2,42 

0,0341 

0,0458 

14 a 

64 

; 1 

4 296 000 

38,5 

19,04 

2,61 

0,0597 

0,0368 

1 b 

, 36 ; 

2 240 000 

30,1 

16,03 

2,13 

0,5864 

0,5096 

2 b 

26 

2 350000 

32,6 

16,77 

2,35 

0,0850 

0,0640 

3b 

22 

1 736000 

22,1 

11,11 

1,37 

0,0336 

0,0437 

4 1) 

20 

1 900000 

30,3 

11,28 

1,91 

0,0537 

0,0740 

5 b 

16 1 

864 000 

15,1 

9,19 

1,26 

0,0637 

0,0617 

6 b 

24 ! 

1 774 000 

23,1 

14,66 

1,73 

0,1209 

0,0455 

7b 

20 ! 

1260000 

17,2 

12,68 

1,52 1 

0,0668 

0,0440 

8 b 

30 ' 

2 440 000 

25,4 

14,33 

2,00 

0,0370 

0,0744 

9b 

40 , 

2 608000 

27,6 j 

16,10 

2,31 

0,0920 

0,0837 

10 b 

34 

2 600000 

31,5 | 


1,91 

0,0408 

0,0408 

11 b 

32 i 

2 128 000 

31,9 i 

15,'iT | 

1,74 

0,0353 

0,0374 

12 b 

20 ; 

1 744 000 

21,5 

11,18 

1,38 

0,0991 

0,0841 

13 b 

24 | 

1860 000 

19,6 

11,44 

1,64 

0,0869 

0,0517 

14 b 

19 

1 184 000 i 

21,6 

11,46 : 

1,58 

0,3601 

0,0722 


hinsichtlich des Fettgehaltes nichts Abnormes, ebenso hinsichtlich des 
Cholesterins; dagegen ist der Lecithingehalt der roten Blutkörperchen 
gesteigert, bzw. hoch normal (0,4388% und 0,4818%). 

6. Blutungsanämien. 

Im Gegensatz zu den hämolytischen Giften wurden als Kontrolle 
Blutungsanämien untersucht, obwohl hinsichtlich derselben zahlreiche 
Versuche Vorlagen, auf die schon eingegangen ist. Die Grade der Anämie, 
die hierbei erzielt wurden — es waren 2 chronische von 4—5 wöchentlicher 
Dauer und ein subakuter Versuch von 11 tägiger —, waren erheblich 
(1744 000 E, bzw. 1860 000 E.), in Versuch 1 und 2; 1 184 000 E. 
in Versuch 3). Diese 3 Versuche zeigen im Plasma eine erhebliche Stei- 


Gck igle 


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Zur Pathocheraie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 


295 


natürliche Substanz). 



Blut 



— 

— 

- - 

-- - 

Bemerkungen 

rebund. Chot 

Tot. Chol. 

ChoL-Est. 

Phosphat 


0.0286 

0,0776 

0,0510 

0,2625 


0,0570 

0,0960 

0,1016 

| 0,2442 


0,0525 

0,1123 

0,0»38 

0,2370 

. 

0,0428 

0,1029 

0,0764 

0,1553 


0,0309 

0,0735 

0,0539 

j 0,3107 


0.0719 

0,1423 

0,1284 

0,2382 


0.0658 

0,1005 

0,1176 

0,2624 

Vorversuche, außer geringen Quan 

0,0199 

0,0569 

0,0355 

0,1912 

titätcn ITaferflocken, fettfreie Nah 

0,0320 

0,0725 

0,0571 

1 0,2012 

rung. 

0,0600 

0,1257 

0,1072 

0,3198 


0.0483 

0,0865 

0,0863 

— 


0,0405 

0,0843 

0,0723 

0,2064 


0,0353 

0,0811 

0,0630 

0,2850 


0,0569 

0,0937 

0,1016 



0,1184 

0,6280 

0,2114 

0,6526 

Subakute Pyrogallol-Verg. 

0,0457 

0,1097 

0,0816 

0,2429 

Chronische Pyrogallol-Verg. 

0,0218 

0,0655 

0,0389 

0,0844 

Chronische Pyrodin-Verg. 

0,0433 

0,1173 

0,0773 

0,0829 

Chronische Pyrodin-Verg. 

0,0871 

0,1488 

0,1555 

0,4494 

Subakute Pyrodin-Verg. 

0,0837 

0,1292 

0,1495 j 

0,1989 

Subakute Nitrobenzol-Verg. 

0,0731 

0,1171 

0,1306 

0,2799 

Subakute Nitrobenzol-Verg. 

0,0730 

0,1474 

0,1304 

— 

Verg. mit Natr.-Glykocholat. 

0,0498 

0,1335 

0,0889 

0,2675 

Verg. mit Natr.-Glykocholat. 

0,0461 

0,0869 

0,0823 

0,3302 

Verg. mit Staphylolysin. 

0.0431 

0,0805 

0,0770 

0,2664 

Verg. mit Staphylolysin. 

0,0926 | 

0,1767 

0,1654 

0,2694 

Chronische Blutungsanämie. 

0,0577 

0,1094 

0,1028 

0,2568 

Chronische Blutungsanämie. 

0.0771 

0,1423 

0,1377 

0,4563 

Subakute Blutungsanämie. 


gerung des Fettgehaltes; viel weniger erheblich ist die Steigerung des 
Cholesterins (im 1. Falle um ca. 100%, im 2. und 3. um ca. 30%, bzw. 
50%). Die Phosphatide weisen nur in dem subakuten Falle einen höhe¬ 
ren Wert auf (0,4563%), d. h., in dem Falle, wo der Körper des Tieres 
noch reichlich Reservekräfte und Materialien zur Neubildung zur Ver¬ 
fügung hat. Es entspricht dies Verhalten im ganzen durchaus den Re¬ 
sultaten anderer Autoren. Der relativ hohe Phosphatidgehalt des Serums 
ist als Beweis für die Existenz des Phosphatidstromes, im Sinne Bloors, 
der nach den Bildungsstätten der Roten gerichtet ist, anzusprechen. 
Bei Betrachtung der E. zeigt das Fett seiner ganzen Anteilnahme 
entsprechend eine unwesentliche Zunahme, dagegen zeigt das Cholesterin 
im ersteren Falle einen starken Anstieg um ca. 280% (von 0,113% 


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296 


H. Jast.rowitz: 


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Tabelle I (berechnet auf 


Plasma 


.11. 

Tr.-S. 

N. 

| Fett 

freies Chol. 

geb. ChoL 

Tot ChoL 

Chol.-E. 

Phosphat 

la 

6,69 

0,93 

0,0653 

0,0204 

0,0367 

0,0571 

0,0656 

0,1176 

2 a 

7,00 

1,04 

0,0290 

0,0212 

0,0670 

0,0882 

0,1196 

0,1824 

3a 

— 

1,21 

0,0525 • 

0,0 74 

— 

— 

— 

- 

4 a 

7,89 

1,20 

0,0349 

0,0653 

0,0506 

0,1159 

0,0904 

0,1482 

5 a 

8,00 

1,01 

0,0528 

0,0456 

0,0424 

0,0880 

0,0757 

0,1878 

6 a 

6,73 

1,00 

0,0321 

0,0623 

0,0784 

0,1407 

0,1400 

0,2248 

7a 

7,50 

1,12 

0,0674 

0,0330 

0,1(65 

0,1395 

0,1902 

0,1848 

8a 

7,26 

1,15 

0,0412 

0,0284 

0,0298 

0,0582 

0,0306 

0,0913 

9 a 

7,86 

1,14 

0,0834 

0,0312 

0,0471 

0,0783 

0,0841 

0,1629 

10 a 

— 

1,17 

0,0414 

0,0189 

0,0635 

0,0824 

0,1135 

0,2955 

11a 

7,93 

1,16 

0,0671 

0,0223 

0,6636 

0,0859 

0,1136 

0,1914 

12 a 

6,76 

1,01 

0,0724 

0,0154 

0,0508 

0,0662 

0,0908 

0,1761 

13a 

6,70 

0,93 

0,0497 

0,0203 

0,0505 

0,0708 

0,0903 

0,2312 

14 a 

7,83 

0,92 

0,0911 

0,0074 

0,0740 

0,0814 

0,1321 

0,2186 

1 b 

4,89 

0,38 

0,6571 

0,1429 

0,1388 

0,2817 

0,2479 

0,8340 

2b 

5,38 

0,75 

0,1135 

0,0265 

0,0627 

0,0892 

0,1120 

0,1131 

3 b 

— 

1,01 

0,0221 

0,0500 

0,0232 

0,0732 

0,0414 

0,0756 

4b 

5,82 

0,93 

0,0166 

0,0294 

0,0403 

0,0697 

0,0720 

0,0459 

5b 

5,00 

0,65 

0,0762 

0,0512 

0,0988 

0,1500 

0,1770 

0,1625 

6b 

— 

0,72 

0,1368 

0,0275 

0,1091 

0,1366 

0,1848 

0,0676 

7b 

4,60 

0,63 

0,0721 

0,0394 

0,0865 

0,1259 

0,1545 

0,2441 

8b 

5,63 

0,78 

0,0475 

0,0692 

0,0920 

0,1612 

0,1639 

0,2712 

9 b 

5,95 

0,86 

0,1255 

0,0605 

0,0637 

0,1242 

0,1140 

0,1358 

10 b 

5,34 

0,76 

0,0395 

0,0289 

0,0604 

0,0893 

0,1079 

0,2805 

11 b 

5,62 

0,78 

0,0508 

0,0345 

0,0547 

0,1892 

0,0977 

0,1655 

12b 

5,74 

0,73 

0,0950 

0,0230 

0,1162 

0,1392 

0,2070 

0,1586 

13 b 

— 

0,59 

0,10u0 

0,0351 

0,0.26 

0,1077 

0,1297 

0,1713 

14b 

5,13 

0,57 

0,4648 

0,0402 

0,0871 

0,1273 

0,1555 

0,4615 


auf 0,3136%). Im zweiten Versuch läßt sich eine solche Erhöhung nicht 
erkennen, wohl aber im dritten, wo eine Steigerung um 130% (von 
0,1024% auf 0,2400%) stattfinckt. Die Phosphatide zeigen sowohl im 
letzten Fall einen hohen Wert mit 0,4486%, als auch einen absolut 
und relativ erhöhten bei den chronischen Versuchen (mit 0,6035% 
bzw. 0,6740%). 

Die scheinbare Unstimmigkeit, die darin besteht, daß in dem akuten 
Versuch nicht eine starke Steigerung auch der Phosphatide in den roten 
Blutkörperchen stattfindet, die der des Cholesterins entspricht, während 
umgekehrt bei den chronischen Versuchen in dem einen Falle eine Stei¬ 
gerung des Cholesterins, in beiden eine Steigerung der Phosphatide statt¬ 
findet, dürfte die plausibelste Erklärung darin finden, daß die roten 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




Zur Pathochemi© der Blutiipoide bei experimenteller Anämie. 297 


natürliche Substanz). (Fortsetzung.) 



Bemerkungen 

N. 


Fett 






4,82 

35,21 

0,0254 

0,0674 

0,0169 

0,0843 

0,0302 

0,4741 


4,89 

37,59 

0,0513 

0,0668 

0,0447 

0,1115 

0,0798 

0,3354 


3,21 

— 

0,0501 

0,0637 

— 

— 

— 

— 


4,84 

33,25 

0,0056 

0,0516 

0,0309 

0,0816 

0,0561 

0,2107 


3,37 

30,67 

0,0176 

0,0385 

0,0150 

0,0535 

0,0268 

0,4808 


4,44 

33,32 

0,0318 

0,0818 

0,0613 

0,1531 

0,1094 

0,4248 


5,44 

34,81 

0,0257 

0,0470 

0,0022 

0,0492 

0,0038 

0,3833 

Vorversuche, außer gering. 

3,54 

— 

0,0342 

0,0498 

0,0051 

0,0549 

0,0091 

0,2908 

Quantitäten Haferflocken 

4,95 

33,43 

0,0098 

0,0555 

0,0077 

0,0732 

0,0101 

0,2628 

— fettfreie Nahrung. 

4,06 

— 

0,0513 

0,1288 

0,0553 

0,1841 

0,0987 

0,3534 


4,60 

38,25 

0,0068 

0,0689 

0,0186 

0,0875 

0,0331 

— 


5,61 

34,85 

0,0432 

0,0864 

0,0249 

0,1113 

0,0445 

0,2528 


4,94 

34,14 

0,0081 

0,0879 

0,0102 

0,0981 

0,0182 

0,3739 


5,31 

36,64 

0,0095 

0,0838 

0,0186 

0,1024 

0,0325 

— 


4,93 

41,90 

0,4222 

1,3612 

0,0710 

1,4322 

0,1268 

0,2313 

Subakute Pyrogallol-Verg. 

5,66 

40,35 

0,0264 

0,1415 

0,0106 

0,1521 

0,0188 

0,5113 

Chron. Pyrogallol-Verg. 

2,64 

— 

0,0746 

0,0236 

0,0169 

0,0405 

0,0301 

0,1152 

Chron. Pyrodin-Verg. 

3,87 

24,37 

0,0700 

0,1766 

0,0502 

0,2268 

0,0896 

0,1680 

Chron. Pyrodin-Verg. 

4,72 

82,97 

0,0000 

0,1244 

0,0215 

0,1459 

0,0382 

1,6751 

Subakute Pyrodin-Verg. 

4,77 

— 

0,0680 

0,1054 

0,0000 

0,1054 

0,0000 

0,6308 

Subakute Nitrobenzol-Verg. 

7,21 

50,35 

0,0355 

0,0647 

0,0086 

0,0733 

0,0153 

0,3017 

Subakute Nitrobenzol-Verg. 

5,58 

39,88 

0,0123 

0,0887 

0,0172 

0,1059 

0,0307 

— 

Verg. m. Natr.-Glykocholat. 

6,11 

42,72 

0,0062 

; 0,1412 

0,0133 

0,1545 

0,0238 

0,6130 

Verg. m. Natr.-Glykocholat. 

4,38 

— 

0,0436 

0,0667 

0,0150 

0,0817 

0,0213 

0,4383 

Verg. m. Staphylolysin; 

3,78 

28,58 

0,0022 

0,0436 

0,0179 

0,0615 

0,0327 

0,4818 

Verg. ra. Staphylolysin. 

3,74 

31,04 

0,1155 

0,3072 

0,0064 

0,3136 

0,0114 

0,6740 

Chron. Blutungsanämie. 

6,04 

— 

0,0332 

0,0688 

0,0000 

0,0688 

0,0000 

0,6035 

Chron. Blutungsanämie. 

5,38 

36,15 

0,0000 

0,1982 

0,0418 

0,2400 

0,0747 

0,4486 

Subakute Blutungsanämie. 


Blutkörperchen in ihrer Zusammensetzung wesentlich abhängig sind 
von den Vorräten des Organismus an den einzelnen Lipoiden. Es ist 
anzunehmen, daß das Cholesterin, namentlich für Herbivoren, ein leich¬ 
ter zu ersetzender Bestandteil ist, wie die Phosphatide, für die eine Syn¬ 
these aus komplizierten Bausteinen erforderlich ist. Setzt daher wieder¬ 
holt ein akuter Blutverlust ein, so wird das Cholesterin rasch vom 
Organismus ergänzt, während der erschöpfte Organismus nicht ohne 
weiteres imstande sein wird, die kompliziertere Synthese zelleigner 
Phosphatide im gleichen Maße zu vollziehen. Das Cholesterin hingegen 
wird aus der Nahrung ergänzt bzw. aus den Depots unverändert in 
die Bildungsstätten hineingeschwemmt und dort für den Aufbau der 
roten Zelle verwertet. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 91 


Digitized b' 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 







298 


H. Jastrowitz: 


Digitized by 


Tabelle II (berechnet 


Plasma 


Nr. 

N. 

Fett 

fr. Chol. 

gb. Chol. 

Tot. ChoL 

Chol.-Est. 

Phosphat 

la 

13,90 

0,9761 

0,3049 

0,5486 

0,8535 

0,9806 

1,7580 

2a 

14,96 

0,4143 

0,3030 

0,9571 

1,2600 

1,7090 

2,6060 

4 a 

15,21 

0,4423 

0,8272 

0,6322 

1,4594 

1,1460 

1,4920 

5 a 

13,38 

0,6600 

0,5700 

0,5300 

1,100 

0,9410 

2,3475 

6a 

14,86 

0,4759 

0,9473 

1,1635 

2,1108 

2,0802 

1,8390 

7 a 

14,93 

0,8987 

0,5339 

1,4200 

1,9739 

•2,3560 

2,4640 

8 a 

15,84 

0,5765 

0,3912 

0,4105 

0,7317 

0,6971 

1,2630 

9 a 

14,50 

1,0610 

0,3970 

0,5992 

0,9962 

1,0950 

2,0730 

11a 

14,63 

1,0650 

0,2812 

0,8002 

1,0814 

1,4330 

2,4140 

12a 

14,94 

1,0710 

0,2278 

0,9548 

1,1826 

1,3750 

2,6110 

13a 

13,88 

0,7418 

0,3030 

0,7713 

1,0743 

1,3460 

3,4800 

14b 

13,71 

1,1640 

0,0945 

0,9453 

1,0398 

1 

1,7264 

2,7980 

lb 

7,77 

13,4400 

2,9200 

2,8380 

5,7580 

5,0690 

17,0600 

2b 

13,94 

0,5069 

0,4926 

0,1165 

0,7191 

0,1731 

0,3961 

4b 

15,98 

0,8007 

0,5053 

0,6924 

1,1977 

1,2370 

0,7888 

5b 

13,00 

1,3240 

1,0240 

1,9760 

3,0000 

3,5400 

3,2400 

7b 

13,70 

1,5670 

0,8565 

1,8800 

1,7365 

3,3590 

5,3070 

8b 

13,85 

0,8437 

0,1229 

1,6340 

1,7569 

2,9150 

4,8170 

9b 

14,45 

2,1090 

1,0170 

1,0710 

2,0880 

1,9160 

2,2820 

10 b 

14,23 

0,7397 

0,5412 

1,1310 

1,6722 

2,0210 

5,2410 

11b 

13,88 

1,0140 

0,6139 

0,9733 

1,5872 

1,7380 

2,9450 

12b 

f 12,72 

1,6550 

0,4007 

2,0240 

2,4027 

3,6900 

2,7630 

14b 

11,11 

I 2,0600 

0,7836 

1,6980 

1 2,4816 

3,0240 

8,9960 


7. Veränderungen in der Trockensubstanz. 

Da das Wasser den weitaus größten Anteil des Plasmas, weit auch 
über die Hälfte der Erythrocyten ausmacht, erscheint es namentlich 
im Hinblick auf die Tatsache, daß, trotz gleichbleibenden prozentischen 
Lipoidgehaltes in der natürlichen Substanz, der Anteil der einzelnen 
Lipoide an der Trockensubstanz Verschiebungen erkennen lassen kann, 
von Interesse, einen Blick auf die Zusammensetzung der Trockensub¬ 
stanz zu werfen. 

Wo der Trockengehalt des Plasmas sehr erheblich sinkt (4,89% 
Trockensubstanz, Pyrogallol 1 b; 7,74% Trockensubstanz, Blutungs¬ 
anämie 12a; 5,13% Trockensubstanz Blutungsanämie 14b) tritt eine 
Hypalbuminose im Plasma ein. So zeigt Pyrogallolvergiftung 1 b 7,77% 
N. in der Trockensubstanz; ähnlich verhielt sich Versuch 7b mit 13,70%, 
Versuch 12b mit 12,72%, Versuch 14b mit 11,11%. Die übrigen Ver¬ 
giftungen lassen eine derartige wahre Hypalbuminose nicht erkennen. 
Unter wahrer Hypalbuminose ist eine Herabsetzung des Eiweißgehaltes 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 








Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 


299 


auf Trockensubstanz). 





Erytrocyten 



Bemerkungen 

N. 

Fett 

fr. Chol. 

gb. Chol. 

Tot. Chol. 

Chol.-Est. 

Phosphat 

13,63 

0,0720 

0,1914 

0,0481 

0,2395 

0,0858 

1,3430 



13,01 

0,1365 

0,1777 

0,1189 

0,2966 

0,2123 

0,8923 



14,56 

0,0168 

0,1517 

0,0902 

0,2419 

0,1687 

0,6337 



13,84 

0,0574 

0,1256 

0,0498 

0,1754 

0,0874 

1,5680 



13,33 

1,1202 

0,2455 

0,1840 

0,4295 

0,3283 

1,2780 



15,62 

0,0738 

0,1350 

0,0062 

0,1412 

0,0108 

1,1010 


► Normalversuche. 

14,81 

0,0293 

0,1660 

0,0230 

0,1890 

0,0302 

0,7861 



12,00 

0,0178 

0,1799 

0,0485 

0,2284 

0,0864 




16,10 

0,1561 

0,2479 

0,0715 

0,3197 

0,1277 

0,7254 



14,47 

0,0237 

0,2575 

0,0298 

0,2873 

0,5340 

1,0950 



14,58 

0,2599 

0,2290 

0,0508 

0,2803 

0,0887 




11,82 

1,0080 

3,2490 

0,1695 

3,4185 

0,3007 

0,5649 

Subakute Pyrogallol-Vergr. 

14,03 

0,6543 

0,3427 

0,0263 

0,3690 

0,0466 

1,2360 

Chron. Pyrogallol. -Verg. 

15,88 

0,2872 

0,7247 

0,2060 

0,9307 

0,3677 

0,6893 

Chron. Pyrodin-Verg. 

14,32 

0,0303 

0,3773 

0,0652 

0,4425 

0,1159 

5,0807 

Subakute Pyrodin-Verg. 

14,32 

0,0722 

0,1285 

0,0170 

0,1455 

0,0304 

0,6275 

Subakute Nitrobenzol-Verg. 

13,99 

0,0308 

0,2224 

0,0431 

0,2655 

0,0770 


Verg. m. Natr.-Glykocholat. 

14,30 

0,0015 

0,3305 

0,0311 

0,3616 

0,0557 

1,4350 

Verg. m. Natr.-Glykocholat. 








Verg. m. Staphylosyin. 

13,32 

0,0076 

0,1526 

0,0626 

0,2152 

0,1144 

1,4650 

Verg. m. Staphylosyin. 

12,05 

0,3720 

0,9897 

0,0206 

1,0103 

0,0367 

2,2220 

Chron. Blutungsanämie. 

14,88 

0,0000 

0,5488 

0,1156 

0,6644 

0,2066 

1,2700 

Subakute Blutungsanämie. 


in der absolut nicht vermehrten Trockensubstanz zu verstehen, im Gegen¬ 
satz zu der scheinbaren, die lediglich auf einem vermehrten Wasser¬ 
gehalt beruht. Die wahre Hypalbuminose ist ein Zeichen echter chemi¬ 
scher Dekonstitution der Gewebsflüssigkeit bzw. der Zellen; die Pseudo- 
Hypalbuminose kann lediglich Ausdruck einer zirkulatorischen Schä¬ 
digung sein. Ist die Trockensubstanz durch Fette und Lipoide abnorm 
vermehrt, so läßt sich aus dem verminderten N.- bzw. Eiweißgehalt 
nicht ein Rückschluß auf eine pathol. Hypalbuminose machen. Es 
versagt in diesem Falle somit der Begriff der Hypalbuminose überhaupt. 

Hier interessiert vor allem, wie sich die Lipoidstoffe dabei verhalten. 
In dem akutesten, schwersten Falle der subakuten Pyrogallolvergiftung 
betragen sie 38,489 % der gesamten Trockensubstanz des Plasmas, darunter 
fast die Hälfte (17,06%) Phosphatide. In diesem Falle ist also eine Zurück - 
drängung der N.-haltigen Anteile durch die fetthaltigen gegeben, an 
denen infolge Erythrolyse die Phosphatide den wesentlichsten Anteil 
haben. Als Gegenstück sei der Fall der einen chronischen Pyrodinver- 

21 * 


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300 


H. Jastrowitz: 


giftung angeführt, mit nur 2,8257% Gesamtlipoiden, unter denen hier, 
wie normalerweise beim Kaninchen die Cholesterinester den Haupt¬ 
anteil haben. Auch bei den durch Blutung anämisierten Tieren sind die 
Lipoidsubstanzen in der Trockensubstanz des Plasmas mäßig vermehrt. 
In dem Falle der chronischen Anämie betragen sie 6,3109% in Versuch 
11b; 8,4157% in Versuch 12b; im Falle der subakuten Anämie 14b 
14,8576%. Letztere hat Ähnlichkeit mit der akuten Pyrogallol- 
vergiftung insofern, als hier die Phosphatide außerordentlich gesteigert 
sind (8,9960%), somit den sonst im Plasma beobachteten Maximalwert 
um 150% überschreiten. Es zeigt sich also hier, daß dieselbe Erscheinung 
nicht notgedrungen auf völlig den gleichen Ursachen zu beruhen braucht. 
Bei der Blutungsanämie handelt es sich um Transport von Material zum 
Wiederaufbau; bei der schweren, akuten, hämolytischen Anämie mit 
mangelnder Sauerstoffatmung tritt das massenhafte Zerfallen der Roten 
im strömenden Blut und das Freiwerden der Komponenten dieser Zell¬ 
bestandteile hinzu. Wir haben es also hier mit einer Addition verschiedener 
Faktoren zu tun. Bemerkenswert ist, daß chron.-hämolytische Ver¬ 
giftungen häufig zu einer relativen Verarmung des Plasmas an Phos- 
phatiden führen (0,3961% bei der chron. Pyrogallolvergiftung 2 b 
und 0,788% bei der chron. Pyrodinvergiftung, 4b). Dies ist ein weiterer 
Beweis für die Erschöpfung des Körpers an Phosphatiden und die infolge 
der Anämie gestörte Synthese. Bei den subakuten Vergiftungen ist 
es nicht der Fall; hier treten hochnormale bzw. mäßig erhöhte Phos- 
phatid- und Cholesterinwerte auf. Diese sind analog der subakuten 
Anämie auf Transport aus noch vorhandenen Reserven zu beziehen, 
wozu noch Zerfallsprodukte aus den roten Zellen hinzutreten. Die 
Vergiftungen mit glycochols. Natron und Staphylolysin zeigen auch 
hier eine Zwischenstellung und lassen ein gleichmäßiges Verhalten 
nicht erkennen; die Werte sind erhöht für die Phosphatide, sie bewegen 
sich für die Chol.-Fraktionen an der oberen Grenze der Norm; die Re¬ 
serven sind hier eben größer und der Zerfall geringer; andererseits wird 
wohl die Tätigkeit der Blutbildungsstätten auch hier durch die Gifte 
beeinflußt. 

Die Erythrocyten lassen so tiefe Eingriffe im allgemeinen nicht er¬ 
kennen. Ganz besonders wird an dem N.-Gehalt festgehalten. Die 
Blutungsanämien zeigen die bekannte Steigerung der Phosphatide. 
Ähnlich verhalten sich, nur mit geringeren Ausschlägen, die Vergif¬ 
tungen mit glycochols. Natrium und Staphylolysin. Eine Verarmung 
der roten Blutkörperchen an Phosphatiden ist wiederholt zu beobachten, 
so bei der subakuten Pyrogallolvergiftung 1 b mit 0,5649%, bei der Nitro¬ 
benzolvergiftung 7 b mit 0,6275%; das Cholesterin bewegt sich nicht 
immer gleichsinnig, so daß z. B. in dem angeführten Falle der Pyro¬ 
gallolvergiftung 7 b einen stark erhöhten Gehalt (3,4185%) an Cholesterin 


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Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 301 

besitzen. Es hängt dies, wie schon betont, von den Reserven und von 
der synthetischen Fähigkeit des Knochenmarks ab, auch das Umgekehrte 
kann der Fall sein; so ergibt die Analyse der Roten bei subakuter Pyro- 
dinvergiftung (5 b) den abnormen Gehalt von 5,0807% Phosphatide, 
in der Trockensubstanz, bedingt höchstwahrscheinlich durch über¬ 
stürzte Neubildung der Roten mit abnormem Phosphatidgehalt. Ähn¬ 
liches zeigt die Blutungsanämie 12b mit 2,2220% Phosphatiden in der 
Trockensubstanz. Durch alle diese Veränderungen wird der Quotient 
* Lecithin zu Cholesterin mehr oder minder beeinflußt. Die Frage nach 
der Berechtigung dieser und ähnlicher Quotienten sei hier daher kurz 
gestreift. 

Die Fettsäuren bzw. das Fett, in irgendeine Konstante hineinzu¬ 
ziehen, ist unbedingt abzulehnen. Die Fettmenge und damit die durch 
diese bedingten Quotienten hängen lediglich von dem augenblicklichen 
Ernährungszustände und der Größe des jeweiligen Fetttransportes ab, 
der an sich mit dem Lipoidtransport bei der Anämie nichts zu tun hat, 
sondern nur eine Begleiterscheinung desselben darstellt. Natürlich 
wird bei der Anämie, selbst bei knappster Ernährung, wie aus den Fällen 
der subakuten PyrogallolVergiftung (lb) 0,5864% und der subakuten 
Blutungsanämie (14 b = 0,3601%) hervorgeht, Fett transportiert 
und wie schon Sakai (1. c.) nachweisen konnte, kann diese Lipämie 
bei Fettfütterung naturgemäß einen noch erheblicheren Grad erreichen. 
Wichtiger wäre die Frage, ob, wieviel und welche Fettsäuren, namentlich 
ungesättigten, bei Anämien vorhanden sind. Die Lösung dieser Frage 
begegnet erheblichen methodischen Schwierigkeiten. Bleibt das Ver¬ 
hältnis Lecithin zu Cholesterin! Auch hier muß man sich bewußt sein, 
daß der Transport zwar eine geringere Rolle spielt, jedoch beträchtlich 
genug ist, um auch diesen Quotienten zu beeinflussen. Hinzu tritt, 
daß die Schwankungen z. T. recht erhebliche sind. Am konstantesten 
ist das Verhältnis im Plasma, wo es im Mittel 2,08 beträgt. In den 
Blutkörperchen sind weit erheblichere Schwankungen schon normaler¬ 
weise zu verzeichnen und entsprechend zu berücksichtigen. Auf die eige¬ 
nen Analysen habe ich schon hingewiesen. Es sei nur bemerkt, daß 
Bloor 1 ) z. B. für normale Kaninchen an Lipoidphosphor Schwankungen 
von 7,5—15,7 mg im Plasma und von 54—83 mg in den E., d. h., im 
Plasma eine Schwankung über 100%, in den E. eine solche von 70% 
fand. Auch nach Feigl 2 ) schwankt beim Menschen der Lecithingehalt 
der E. von 300 mg bei reduzierter Ernährung bis zu 480 mg maximal. 
Die Schwankungen im Cholesteringehalt sind durchaus ähnliche, und 
keineswegs nur gleichsinnige. Demgemäß möchte ich nur einige krasse 
Daten anführen, so einen Quotienten Lecithin zu Cholesterin von 

*) Bloor, Journ. of biol. Chem. 45, 171. 

*) Feigl, Biochem. Zeitechr. $•, 361. 


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302 


II. Jastrowitz: 


14,20 bei der subakuten Pyrodinvergiftung, bei der Blutungsanämie von 
8,77. Diesen Verschiebungen des Verhältnisses zugunsten des Leci¬ 
thins steht nun eine direkte Inversion derselben bei der subakuten 
PyrogallolVergiftung (lb) mit 0,16 gegenüber. Gewiß spricht das Ver¬ 
hältnis Lecithin zu Cholesterin bei der Frage der Hämolyse mit. Bei 
der allgemeinen Tendenz neugebildeter, roter Blutkörperchen, reichlich 
Lecithin aufzunehmen, werden solche Blutkörperchen im allgemeinen 
resistenzunfähiger sein, wenn ihnen nicht kompensatorische Cholesterin¬ 
vorräte zur Verfügung stehen. 

8. Zusammenfassung. 

Die vorliegenden Untersuchungen zeigen, daß in Übereinstimmung 
mit den Untersuchungen von Horiuchi trotz fettarmer Nahrung eine 
Steigerung der Lipoide beim anämischen Kaninchen im Blut und Plasma 
eintritt. Werden diese Tiere durch Blutungen anämisch gemacht, 
so ergeben sich Veränderungen in der Substanz der roten Blutkörperchen 
im Sinne einer Zunahme der Phosphatide; das Cholesterin hält mit dieser 
Zunahme nicht immer Schritt. Ähnlich verhält sich ein Teil der Versuche 
mit hämolytischen Giften. Diese Veränderungen sind jedoch weder 
untereinander gleichartig, noch identisch bei einer bestimmten Art 
der Vergiftung. Sie hängen zunächst ab vom Vorrat des Organismus 
an den einzelnen Lipoidstoffen, von dem Umstand, ob es sich um akute 
oder chronische Einwirkung von Giften, bzw. um Blutungsanämien 
handelt, und endlich von der Dauer der Einwirkung dieser Noxen; 
bei chron. Einwirkungen von Giften die bis zur Erschöpfung führen, 
kommt es zum Absinken der Lipoide im Plasma sowohl, als auch 
in den roten Blutkörperchen. Hieran beteiligen sich die Phosphatide 
in höherem Maße, als das Cholesterin. Wo diese völlige Erschöpfung 
nicht eintritt, findet ein Gleichbleiben oder eine Anreicherung, besonders 
der Phosphatide, in den roten Blutkörperchen statt. Die schwerste 
durchgeführte Schädigung (subak. Pyrog.-Vergiftg.) verhielt sich eigen¬ 
artig insofern, als hier das Lecithin in den roten Blutkörperchen absank, 
im Plasma im hohen Maße anstieg. Anscheinend spielt hier die stark 
akute Zellasphyxie des Knochenmarks mit, bei der eine Synthese oder 
Verwertung des Lecithins nicht mehr zustande kommt, während gleich¬ 
zeitig eine intensive Hämolyse massenhaft Lipoidsubstanzen in das 
Plasma eintreten läßt. In einzelnen Fällen zeigt sich auch in der Trocken¬ 
substanz des Plasmas eine Dekonstitution, insofern dieselbe Hypalbu- 
minose mit Steigerung der Lipoidsubstanzen erkennen läßt. Am deut¬ 
lichsten tritt diese bei subakuter Pyrogallol- und Pyrodinvergiftung 
zutage; hier dürfte diese Erscheinung hauptsächlich als Folge der Hämo¬ 
lyse anzusprechen sein. Wo diese Lipoidämie des Plasmas bei den 
Blutungsanämien mehr oder minder stark ausgeprägt ist, ist sie hin- 


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Zur Patliochemie der Blutlipoide bei experimenteller Anämie. 303 

gegen durch den reparatorischen Lipoidtransport zu erklären, durch 
den die Proteinkörper relativ zurückgedrängt werden. An dieser Stei¬ 
gerung der Lipoidstoffe im Plasma haben bei fettarm ernährten, durch 
Gifte oder Blutungen anämisierten Kaninchen nicht in erster Lini e das 
Neutralfett Anteil, sondern die Lipoide im engeren Sinne, besonders 
die Phosphatide, Wie die histologische Untersuchung ergab, ist diese 
Lipoidämie unabhängig von einer Fettphanerose der parenchymatösen 
Organe (Leber, Niere). Eine solche fand sich bei keinem der Versuchs¬ 
tiere. 

Schluß-Betrachtung. 

Die vorliegenden Untersuchungen haben gezeigt, daß der Lipoid¬ 
stoffwechsel bei Anämien nicht mit den Schlagworten „Fetttransport 
mit Beteiligung der Lipoide, Anhäufung der Phosphatide in den Roten“, 
erledigt ist. Es fragt sich: Was können wir unter diesen komplizierten 
Verhältnissen aus einer weiteren Erforschung für die Pathologie, nament¬ 
lich auch an Menschen, erwarten ? Im allgemeinen ist zu sagen, daß bei 
schweren Anämien ein Absinken der Phosphatide in den Roten ein Zei¬ 
chen schwerer hämolytischer Anämie sein dürfte. Ein Ansteigen des 
Lipoid-P. der Erythrocyten sagt uns ohne weiteres nichts aus, hinsicht¬ 
lich der Art der Anämie (Blutungs- bzw. hämolyt. Anämie). Ein ganz 
abnormes Absinken des N.-Gehaltes in der Tockensubstanz zugunsten 
der Lipoide spricht für eine schwere Anämie, ohne jedoch hinsichtlich 
der Genese eine Entscheidung zu bringen. Ein normaler N.-Gehalt 
der E. ist kein Zeichen von Intaktheit derselben, denn selbst bei schweren 
hämolyt. Anämien kann derselbe normal bzw. erhöht sein. Eine be¬ 
sondere Aufmerksamkeit verdient die Tatsache des hohen Phosphatid- 
gehaltes neugebildeter und erkrankter E., ohne daß mit diesem der 
Chol.-Gehalt gleichen Schritt hält (Verf., Horiuchi, 1. c.). Man kann 
nur schwer annehmen, daß der Organismus a priori bei einem Regenera¬ 
tionsvorgang Blutkörperchen schafft, die leichter der Hämolyse anheim¬ 
fallen. Bei rein hämolytischen Anämien kommt hier die Möglichkeit 
abnormer Durchlässigkeit der E. in Frage. Entscheidend für das Ganze 
ist Qualität und Quantität der Lipoidreserven und die Möglichkeit 
der Synthese in jedem einzelnen Falle. Bemerkenswert ist, daß die Ver¬ 
suchstiere in Leber und Nieren keine Zeichen abnormer Fettphanerose 
boten. Die chemische Untersuchung dieser Organe, die über den Rahmen 
dieser Arbeit hinausgehen würde, mußte auch aus praktischen Gründen 
zurückgestellt werden. Bei subakuter Blutungsanämie trat das Symptom 
eines erhöhten Phosphatidgehaltes der E. nicht auffällig in Erscheinung. 
Es ist daher anzunehmen, daß es hauptsächlich durch länger dauernde 
Noxen ausgelöst wird. 

Von besonderer Wichtigkeit werden daher die Vorgänge sein, die 
sich in den Bildungsstätten der E., dem Knochenmark, abspielen. 


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304 H. Jastrowitz: Zur Pathochemie der Blutlipoide bei experiment. Anämie. 

Diese Frage muß weiteren Untersuchungen Vorbehalten bleiben. Jeden¬ 
falls zeigen diese Versuche die Einseitigkeit der Auffassung, daß die 
Fettblockierung bei Anämien die Hauptsache sei. Vielmehr haben die 
eigentlichen Lipoide, Lecithin und Cholesterin, nicht nur einen quanti¬ 
tativ wesentlichen, sondern noch erheblicheren qualitativen Anteil 
an der Lipoidämie. Das Fett als solches läßt kausale Beziehungen 
zu den Vorgängen bei den Anämien nicht erkennen. Wichtig ist die 
Verarmung des Organismus und Unfähigkeit desselben zur Phosphatid- 
bildung bei lange fortgesetzten hämolyt. Intoxikationen. Bei akuteren 
Formen derselben tritt ebenfalls letztere Erscheinung, trotz reichsten 
Lipoidgehaltes des Plasmas, durch die Unmöglichkeit, diese Stoffe nutz¬ 
bar zu machen, sehr deutlich zutage. 

Nur ein Teil der einschlägigen Fragen konnte hier behandelt werden. 
Zwei Hauptprobleme bleiben im Dunkeln: die Bildung und der Abbau 
des Cholesterins, das man vielleicht doch nicht ausschließlich, wie Bloor, 
als einen im Blute im wesentlichen unverändert kreisenden pflanzlichen 
Nahrungsstoff ansprechen kann, das gleiche gilt von den Bedingungen 
der Phosphatid-Synthese. 

Weitere Schwierigkeiten liegen einmal darin, daß wir bei der chemi¬ 
schen Analyse des Blutes es mit einer Summe positiver und negativer 
Addenden zu tun haben (z. B. Hämolyse mit gleichzeit. Regenerations- 
Erscheinung), die jeden der einzelnen Summanden nicht klar erkennen 
lassen wird. Hierzu tritt die Tatsache, daß klinische Anämien viel¬ 
fach mehrere ätiologische Komponenten in sich schließen; so führt 
z. B. die akut-septische Indoxikationsanämie zu Blutungen, zur Hämolyse 
und zu Knochenmarkschädigungen. Andererseits bedingen hämolytische 
Gifte mehr oder minder ausgedehnte Organschädigungen im Organismus, 
die wiederum ihren Einfluß auf den intermediären Lipoidstoffwechsel 
geltend machen. Diese sich gegenseitig aufhebenden Faktoren und sekun¬ 
dären Veränderungen, die für die chemische Zusammensetzung des 
Blutes so wesentlich sind, dürften das Knochenmark weniger beeinflus¬ 
sen. Es ist daher aus diesem Grunde zu erhoffen, daß man einen weiteren 
Einblick in dieses Gebiet erhält, wenn an diesem Punkte eingesetzt 
wird. 


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Uber die physikalisch-chemische Beeinflussung des Blutes 
durch Tuberkulin, gemessen an der Suspensionsstabilität der 
Erythrocyten und dem Flockungsvermögen des Plasmas. 

Von 

Wilhelm Starlinger. 

(Aus der II. medizinischen Universitätsklinik in Wien [Vorstand: Hofrat Professor 

N. Ortner ].) 

(Eingegangen am 6. Februar 1922.) 

Schon öfters waren die Beziehungen des Tuberkulins zum Blut- 
aerum Gegenstand physikalisch-chemischer Forschung: Izar 1 ) ver¬ 
wandte die Bestimmung der Oberflächenspannung nach dem Vorgänge 
Ascolis 2 ), Caepai und Torday 3 ) u. a. bedienten sich der Viscosimetrie, 
Obermayer und Pick 4 ) u. a. der Refraktometrie und schließlich wurde 
nach Abderhalden 6 ) sowohl das Dialysier- als auch das optische Ver¬ 
fahren als Untersuchungsmethode vielfach herangezogen. Das Ver¬ 
halten des Blut plaamaa jedoch wurde, wie auch sonst, nicht näher 
studiert, obwohl gerade bei physikalisch-chemischer Fragestellung der 
Einfluß des Fibrinogens auf das Resultat der Untersuchung von größter 
Bedeutung sein mußte, was aus seiner Eigenschaft als labilster Blut¬ 
eiweißkörper ohne weiteres hervorgeht. Dazu kommt noch, daß das 
Fibrinogen nach den Untersuchungen Herzfeld und Klingera % ) als erste 
Abbaustufe des Körpereiweißes anzusehen ist und so auch von diesem 
Standpunkte besonders Bedeutung gewinnt, wie namentlich auch aus 
einer Arbeit von Friach 1 ) über den differentialdiagnostischen Wert der 
Fibrinogenbestimmung bei der Lungentuberkulose hervorgeht. Von 
besonderem Einflüsse hat sich schließlich das Verhalten des Blut¬ 
plasmas bei dem Studium der in jüngster Zeit vielfach untersuchten 
Suspensionsstabilität der Erythrocyten erwiesen und wurde im An- 

x ) Izar , Münch, med. Wochenschr. IC. 1910. 

a ) Ascoli, Münch, med. Wochenschr. 8, 18, 23. 41. 1910. 

8 ) Csepai und Torday , Dtsch. med. Wochenschr. 52. 1911. 

4 ) Obermayer und Pick, Beitr. z. ehern. Physiol. u. Pathol. 7. 1906. 

Ä ) Abderhalden , Abwehrfermente. Springer, Berlin 1914. 

f ) Herzfeld und Klinger , Biochem. Zeitschr. 83. 1917. 

7 ) Friach , Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 123. 1921. 


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306 


W. Stärlingen Cher die physikalisch-chemische 


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Schluß daran auch als selbständiges Problem eingehender geprüft 
[H. Sachs und v. Oettingen 1 ), W. Starlinger 2 )]. 

Was nun das Studium der Beziehungen zwischen Tuberkulin und 
Serum anlangt, so war es nach zweierlei Richtung hin in gewissem 
Sinne einseitig: Einerseits wurden in dem Bestreben, möglichst spezi¬ 
fische Reaktionen ausfindig zu machen, die gegenseitigen unspezifischen, 
also auch bei Prüfung von Seren nichttuberkulöser Herkunft zum Aus¬ 
druck kommenden Wechselverhältnisse vielfach vernachlässigt, anderer¬ 
seits gingen die Autoren meist schon bei Wahl der Methodik von der 
Ansicht aus, daß die Reaktion: Tuberkulin ^ Serum im Sinne eines 
Abbaues, also einer Begünstigung der Dispergierung verlaufen müsse, 
obwohl a priori die Auffassung einer gegenseitigen Bindung zu einem 
größeren Komplex zum mindesten ebenso viele Gründe für sich geltend 
machen könnte; eine Ansicht, wie sie erst jüngst wieder Löwenstein 3 ), 
namentlich gestützt auf seine Arbeiten über die Antikutine, nachdrück¬ 
lich vertreten hat. 

Im folgenden soll nun über Versuche berichtet werden, die sich vor 
allem die Aufgabe stellten, über die Art der Reaktion zwischen Plasma 
und Tuberkulin sowohl nach spezifischer als auch unspezifischer Rich¬ 
tung im Sinne eines Abbaues oder einer Bindung Aufschlüsse zu ge¬ 
winnen. 

Als Methode brachte ich in erster Linie die Prüfung der Suspensions¬ 
stabilität der Erythrocyten in Anwendung und zwar deshalb, weil sich 
mir diese Reaktion bei verschiedenen Arbeiten als besonders geeignet 
erwiesen hat, auch die feinsten Dispersitätsänderungen der Plasma¬ 
bestandteile in deutlichen Ausschlägen widerzuspiegeln. Da nun zum 
Verständnis des Folgenden eine genauere Kenntnis der Reaktion un¬ 
umgänglich notwendig erscheint, sei sie zuerst in möglichster Kürze 
besprochen: 

Nachdem Fahräus 4 ) das alte, aber wieder in Vergessenheit geratene Phänomen 
der um vieles schnelleren Esythrocytensenkung der schwangeren gegenüber der 
normalen Frau gewissermaßen wiederentdeckt hatte und ähnliche Verhältnisse 
nach anderen Untersuchern im Laufe der letzten Zeit auch bei einer ganzen Reihe 
anderer Krankheiten festgestellt werden konnten, wurden Versuche zur theoreti¬ 
schen Klärung des Vorganges von drei Richtungen aus unternommen: Daß die 
Ursache der abnorm schnellen Sedimentierung, die unter Umständen das Hundert¬ 
fache der normalen Geschwindigkeit erreicht, eine Autoagglutination der roten 
Blutkörperchen sei, die dann eben infolge der Oberflächenverkleinerung der Ag¬ 
gregate gegenüber der der einzelnen roten Blutkörperchen die raschere Senkung 
bedingt, kann jederzeit durch das Mikroskop, oft sogar mit bloßem Auge erkannt 
werden, und stimmen in dieser Auffassung auch alle Autoren überein. Der nächste 

*) U. Sachs und v. Oettingen , Münch, med. Wochenschr. 12. 1921. 

*) W . Starlinger , Biochem. Zeitschr. 123. 1921. 

3 ) Löwenstein, Vorlesg. über Bakt. usw. der Tbk. Fischer. Jena 1920. 

4 ) Fahräus, Biochem. Zeitschr. 89. 1918. 



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Beeinflussung des Blutes durch Tuberkulin usw. 


307 


Schritt mußte aber die Ergründung dieser Autoagglutination sein, und wurde von 
der Schule HÖbers 1 ), Fahräus (1. c.), Linzenmeier 2 ) in der Richtung unternommen, 
daß die elektrophysikalische Komponente des Vorganges dominierend in den Vor¬ 
dergrund geschoben wurde, indem die verminderte Aufladung der negativ elektri¬ 
schen roten Blut zellen eine Herabsetzung der gegenseitigen Abstoßung mit dadurch 
begünstigter Aggregierung herbeiführen sollte, welche Auffassung aber nicht mehr 
imstande ist, in ihrem Rahmen alle bis jetzt zu dieser Frage bekannt gewordenen 
experimentellen Ergebnisse zu erklären ( Linzenmeier , II. Mitt. 3 )]. Unter beson¬ 
derer Berücksichtigung der Eiweißkörper des Blutplasmas kam ich selbst s 4 ) zu dem 
Ergebnis, daß die Schnelligkeit der Senkung in erster Linie von dem quantitativen 
Gehalt des Plasmas an grobdispersen, hochlabilen Eiweißkörpern, vor allem an 
Fibrinogen in dem Sinne bedingt werde, daß ein hoher Gehalt des Blutes an solchen 
Bestandteilen eine starke Autoagglutination und demgemäß schnelle Senkung, 
ein niederer Gehalt an solchen eine herabgesetzte oder fehlende Aggregierung und 
infolgedessen langsame Senkung nach sich ziehen; ein Ergebnis, zu dem inzwischen 
unabhängig auch Fahräus 5 ) gekommen war, und dem auch v . Oettingen 6 ), allerdings 
unter anderer theoretischer Deutung, auf die noch zurückzukommen sein wird, 
in einer kürzlich erschienenen Arbeit beistimmte. Da ich nun auf mannigfache 
Weise ferner den Nachweis führen konnte, daß hochdisperse Eiweiß- und Lipoid¬ 
spaltstücke eine starke Hemmung der Agglutination und Senkung zur Folge haben, 
ließ sich die theoretische Verknüpfung dieser Befunde leicht in der Weise bewerk¬ 
stelligen, daß nach der Theorie von Herzfeld und Klinget (1. c.) über den Vorgang 
der Lösung und Ausflockung kolloidalen Eiweißes und der Hämagglutination, 
auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, die Labilisierung der Erythro- 
cytensuspension bei Anwesenheit großer Mengen von Fibrinogen oder grobdisperser 
Serumglobuline auf die Beraubung der Erythrocytenoberflächen an lösungsvermit¬ 
telnden Abbauprodukten zugunsten der hochlabilen Eiweißkörper bezogen 
wurde, während die Anreicherung solcher Spaltstücke das Gegenteil zur Folge 
haben mußte; eine Theorie, die imstande ist, den bis jetzt beschriebenen experi¬ 
mentellen Befunden als verbindende Grundlage zu dienen, in welchem Zusammen¬ 
hang kurz einige Bemerkungen zur letzten Arbeit von Fahräus (1. c.) und zur Arbeit 
von v. Oettingen (1. c.) erlaubt seien. 

Was die experimentellen Ergebnisse von Fahräus anlangt, die, soweit sie der 
Ermittlung des Einflusses der Eiweißkörper dienen, vollkommen mit meinen Be¬ 
funden übereinstimmen, möchte ich nur auf die einfache Erklärung hinwcisen, 
die die von mir vertretene Theorie für die schönen Versuche über die kombinierte 
Beeinflussung des Plasmas durch Schütteln und Wärme, die Fahräus selbst nicht 
zu deuten unternahm, an die Hand gibt. Fahrä'us beobachtete nämlich, ebenso wie 
Linzenmeier und ich (1. c.), eine bedeutende Agglutinations- und Senkungshem¬ 
mung bei mäßigem vorherigem Erwärmen des Plasmas bis etwa 42°, während bei 
weiterer steigender Temperatur die Hemmung wieder abnahm, um schließlich bei 
Erhitzung auf über 48° einer Begünstigung der Agglutinations- und Senkungs¬ 
tendenz Platz zu machen. Wurde das Plasma aber außerdem noch geschüttelt, 
so trat die erste Phase des Phänomens nicht in Erscheinung. Die Deutung im 
Rahmen meiner Auffassung läßt sich ungezwungen etwa folgendermaßen geben: 
Da die anfängliche leichte Erwärmung im Sinne einer Begünstigung der durch den 

A ) Höbet , Dtsch. med. Wochenschr. IG. 1920. 

2 ) Linzenmeier , Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 181. 1920. 

3 ) Linzenmeier , ebendort 18G. 1921. 

4 ) W. Starlinger, Biochem. Zeitschr. 114, 122. 1921. 

5 ) Fahräus , Acta med. scandinav. 58. 1921. 

fl ) v. Oettingen , Biochem. Zeitschr. 118. 1921. 


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308 


W. Stärlingen Über die physikalisch-chemische 


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gerinnungsverhindernden Salzzusatz noch überdies geförderten Eiweißautolyse 
wirkt, wird eine Stabilisierung der grobdispersen Eiweißkörper und Erythrocyten 
durch die dabei frei werdenden Abbauprodukte eintreten müssen, welchem Resultat 
aber bei weitergehender Temperatureinwirkung, die sich schon der Koagulations¬ 
temperatur der labilsten Eiweißfraktionen nähert, die dadurch bedingte beginnende 
Polymerisation der großen Eiweißkolloide entgegenwirkt und so die Hemmung 
wieder herabsetzt. Wird schließlich die Temperatur noch mehr erhöht, so muß 
allmählich der in letzter Richtung verlaufende Prozeß die Oberhand über den 
ersteren gewinnen und so die ursprüngliche Hemmung in eine Förderung ver¬ 
wandeln. Wird aber von vornherein mit dem Erwärmen das Schütteln verbunden, 
das ja ebenfalls zu einer Labilisierung der Eiweißkolloide führt, so wird die erste 
Phase der Hemmung überhaupt nicht in Erscheinung treten, weil die einsetzende 
Spaltung in der gleichzeitig hervorgerufenen Polymerisation ihre Kompensation 
findet. 

Zur Arbeit von v. Oettingen , der bei prinzipiell ähnlichen Ansichten teilweise 
gegen meine Auffassung Stellung nimmt, möchte ich bemerken, daß der Grund für 
die starke Agglutinations- und Senkungshemmung der roten Blutkörperchen bei 
Aufschwemmung in isotonischer NaCl-Lösung, welche Erscheinung v. Oettingen 
gegen meine Theorie anführt, da hier doch die lösungsvermittelnden Abbauprodukte 
fehlten, darin gegeben ist, daß man doch nicht annehmen kann, das kurze Waschen 
der Erythrocyten würde ihre Oberflächen aller anhaftenden Abbauprodukte, die 
doch vielfach nicht nur physikalisch, sondern auch chemisch verankert sind, be¬ 
rauben; kommen aber nun diese Zellen in die NaCl-Lösung, so werden nach den 
Anschauungen Pfeifers und Modelskis 1 ), denen auch Herzfeld und Klinger (1. c.) 
folgen, die endständigen Aminosäuren in ihre Alkalisalzform verwandelt, welcher 
Vorgang ihre Hydrophilie außerordentlich verstärkt und so die erhöhte Suspen¬ 
sionsstabilität der Erythrocyten bedingt. Was ferner die von mir supponierte 
Förderung der Eiweißautolyse durch Hypertonie des Mediums anlangt, die v. Oei- 
tingen zwar nicht ablehnt, immerhin aber in Zweifel zieht, so finden meine dies¬ 
bezüglichen Beobachtungen gerade in einer jüngst erschienenen Arbeit von Rosen¬ 
mann a ), in der er eingehende Versuche über die Salzbegünstigung der Fibrin¬ 
autolyse beschreibt, eine ausgezeichnete Bestätigung. Wenn schließlich v. Oet¬ 
tingen meint, die Agglutinationstendenz sei nicht eine Funktion der Quantität der 
gröbstdispersen Plasmaeiweißkörper, sondern nur ihrer Qualität, und hinzusetzt, 
daß allerdings in den Fällen, wo man bei schneller Senkung einen hohen Fibri¬ 
nogengehalt findet, als „Ausdruck der erhöhten Labilität ein größeres Verschwin¬ 
den des Eiweißgehaltes bei der Defibrinierung stattfinde“, so glaube ich, daß das 
mit anderen Worten eigentlich dieselbe Tatsache feststellt. Denn der angeblich 
„wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Betrachtungsweisen, daß bei 
Annahme verschiedener Labilität die im Plasma vorhandenen Differenzen, wenn 
auch in stark vermindertem Ausmaße, auch im Serum vorhanden sein müssen, 
was auch tatsächlich der Fall sei“, wie übrigens auch ich immer betonte, fällt weg, 
wenn man sich mit Herzfeld und Klinger (L c.) auf den Standpunkt stellt, daß die 
Bluteiweißkörper eine kontinuierliche Abbaureihe bilden, so daß derart ein hoher 
Fibrinogengehalt meist auch einen hohen Serumglobulingehalt nach sich zieht. 

Auf einem dritten Wege suchten schließlich Kürten z ) und Gabbe*) eine Lösung, 
indem sie vor allem den Einfluß der Lipoide geltend machten, auf den schon 

l ) Pfeifer und Modelski, Zeitschr. f. physikal. Chem. 81. 1912; 85. 1913. 

*) Rosenmann, Biochem. Zeitschr. 11t. 1920. 

3 ) Kürten, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 185. 1921. 

4 ) Qabbe, Vortrag d. ärztl. Vereins Köln. Zit. Münch, med. Wochenschr. 55. 
1921. 



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Beeinflussung des Blutes durch Tuberkulin usw. 


309 


Linsenmeier hinsichtlich des Lezithins aufmerksam gemacht hatte und den später 
auch Oyörgy 1 ) einer Prüfung unterzog. Da aber der Einfluß der Lipoide, obwohl 
er unter Umstanden sehr bedeutungsvoll werden kann, wie auch ich bei Versuchen 
mit dem Lipoidspaltstück Glycerin hervorhob, gegenüber dem der Eiweißkörper 
doch gewaltig zurückbleibt, schon in Anbetracht der großen quantitativen Unter¬ 
schiede zwischen dem Eiweiß- und Lipoidgehalt des Blutes, kann er zwar hohes 
theoretisches Interesse, wohl aber, außer bei künstlicher Lipoid Vermehrung, keine 
große praktische Bedeutung beanspruchen. 

Nachdem auf solche Weise über das Wesen der Autoagglutination 
der Erythrocyten genügend Aufschlüsse gewonnen sind und jedenfalls 
nach übereinstimmender Auffassung aller Autoren diese Reaktion 
einen außerordentlich feinen Indicator für sonst vielfach nur schwer 
nachweisbare physikalisch-chemische Veränderungen im Plasma dar¬ 
stellt, scheint es nicht unangebracht, sie als neue, gewissermaßen bio¬ 
logische Maßmethode in Anwendung zu bringen. 

Vorausgeschickt sei noch, daß ich den aus den folgenden Versuchen 
gezogenen Schlüssen meine. Auffassung über den Agglutinations- und 
Senkungsvorgang zugrunde legte; doch mögen zuerst nur die ex¬ 
perimentellen Ergebnisse für sich allein Darstellung finden und ihre 
theoretische Verknüpfung erst nachher in Erwägung gezogen werden. 

Als zweite Methode brachte ich die Prüfung des Flockungsvermögens 
des Blutplasmas zur Anwendung (Sachs und v. Oeüingen ; W. Starlinger 
l. c.), deren Ausfall im allgemeinen dem der Senkungsprobe analog zur 
Beobachtung gelangt, da er ebenfalls in dem Gehalt an Fibrinogen 
seine Bedingungen findet, indem das Reaktionsresultat um so ausge¬ 
prägter in Erscheinung tritt, je mehr Fibrinogen das Plasma gelöst 
enthält. 

Die Versuche wurden an 62 tuberkulösen und 37 nichttuberkulösen, 
im ganzen also 99 Personen durchgeführt, von denen 38 außerdem 
im Verlaufe eines Jahres einer oder mehreren Nachprüfungen unter¬ 
zogen werden konnten. 

Die Technik im allgemeinen gestaltete sich derart, daß das Blut jeweils mit 
paraffinierter Spritze aus der möglichst kurz und schwach gestauten Armvene ent¬ 
nommen und sofort in die Senkungsgläschen gefüllt wurde, die vorher mit 0,2 ccm 
einer 5 proz. Natriumcitricumlösung beschickt werden. Sie tragen bei 5 mm 
lichter Weite vier Marken, deren oberste einer Auffüllung auf 1,0 ccm entspricht. 
Während die folgenden Senkungsstrecken von 6, 12, 18 mm anzeigen. Nach guter 
Durchmischung durch zehnmaliges Wenden der Röhrchen erfolgt die Spontan- 
sedimentierung und wird in Minuten nach 6, 12, 18 mm abgelesen. Wichtig ist, 
daß der zu prüfende Zusatz erst nach erfolgter Erstsedimentierung vor der zweiten 
Sedimentierung zugesetzt wird, da nur auf diese Weise eine große Fehlerquelle 
ausgeschaltet werden kann, die darin besteht, daß manchmal ohne Beeinflussung 
in einem Röhrchen die Senkung schneller oder langsamer vonstatten geht als in 
den anderen von der gleichen Blutentnahme. Schaltet man aber eine Probesedi- 
mentierung vorher ein, so kann man vor der zweiten Senkung derartige Röhrchen 

x ) György , Biochem. Zeitschr. 35. 1921. 


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310 


W. Stärlingen Über die physikalisch-chemische 


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eliminieren. Die Flockung wurde in der Weise durchgeführt, daß gleiche Mengen 
des zu untersuchenden Citratplasmas, das durch Zusatz von 1 Teil öproz. Natrium- 
citricumlösung zu 4 Teilen Blut gewonnen wurde, und gesättigter NaCl-Lösung 
gemischt wurden, wodurch eine elektive Fällung der Fibrinogenfraktion zustande 
kommt. 

Ersetzt man nun vor der zweiten Sedimentierung eine kleine Menge 
des Citratplasmas durch Alttuberkulin (ATK), mischt durch 20 maliges 
Wenden der Gläschen gut durch und läßt neuerdings sedimentieren, 
so ist eine ausgesprochene Hemmung der Senkung die Folge und zwar 
um so ausgeprägter, je größer die zugesetzte Tuberkulin menge war. 


Tabelle I. 


Prot. | Pro- 
Nr. >| be j 


I. Sedimentierung 
Versuehsanordnung | SMW, 


II. Sedimentierung 
Versuchsanordnung 


SMW, 


RHQ | AHQ 


28. 

1. | 0,2 5% Na citr. 

21 


0 

26 

1,2 


1 0,8 Blut 







2. ] dgl. 

20 

wiederauf¬ 

0,05 Plasma durch 

230 

11,5 

1 

i 


geschüttelt 

0,05 ATK 



i 

3. 1 dH. 

20 

nach Er¬ 

0,025 Plasma durch 

76 

3,8 

ii i 


satz von 

0,025 ATK 



4. | dgl. 

21 


0,01 Plasma durch 

45 

2,! 

Ij | 



0,01 ATK 




1,0 

9,6 

3,2 

1,8 


Zum Verständnis dieser und der folgenden Tabellen sei bemerkt, 
daß der Senkungsmittelwert (SMW) das arithmetische Mittel aus den 
drei Minutenwerten für 6, 12, 18 mm darstellt: Wenn also die Sedimen¬ 
tierung für 6 mm 14, für 12 mm 19, für 18 mm 30 Minuten beansprucht, 
ergibt die Rechnung als SMW 21. Da aber bei der zweiten Senkung 
auch die unbeeinflußte Kontrolle gegenüber der ersten Sedimentierung 
eine leichte Hemmung aufweist, bezüglich derer ich auf meine früher 
zitierten Mitteilungen verweisen muß, so ist ein zahlenmäßiger Ausdruck 
für die Größe der jeweiligen Hemmüng notwendig; er sei als relativer 
Hemmungsquotient (RHQ) eingeführt und wird durch Division des 
SMW 2 durch den SMW X ermittelt: in unserem Falle also z. B. 26:21 
= 1,2. Um nun absolute Vergleichszahlen zu gewinnen, die die Koi\- 
trollhemmung ausschalten und erst so den exakten Vergleich mit anderen 
Blutproben ermöglichen, erwies sich noch ein zweiter Quotient als nötig, 
der absolute Hemmungsquotient (AHQ), der aus der Division der ein¬ 
zelnen RHQ durch den RHQ der Kontrolle hervorgeht, diesen also 
gleich 1 setzt: in unserem Beispiel also 11,5: 1,2 = 9,6. 

In durchaus gleicher Weise wird auch das Flockungsvermögen des 
Plasmas durch ATK um so stärker verringert, je größere Dosen zur 
Anwendung gebracht werden. 



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312 


W. Starlinger: Über die physikalisch-chemische 


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zusetzen imstande ist, ist leicht einzusehen, daß ATK aus verschiedenen 
Herstellungsserien auch bei den hier verwandten Prüfungsmethoden 
oft durchaus verschiedene Wirkung erkennen läßt, was ja hinsichtlich 
der klinischen Wirksamkeit schon längst bekannt ist. Im folgenden sei 
ein Versuchsprotokoll wiedergegeben, wo diese Differenz besonders 
deutlich in Erscheinung trat. 


Tabelle V. 


Prot. 

Pro- 

I. Sedlmentierung 

IL Sedimentierung 


RHQ 

AHQ 

Nr. 

be 

V ersuchsanordnung 

SMWj 

Versuchsanordnung 

SMW, 

76. 

i. 

0.2 5% Na citr. 
0,8 Blut 

157 

wieder 

aufge- 

0 

197 

1,3 

1,0 


2. 

dgl. 

157 

schüttelt 
nach Er- 

0,05 Plasma durch 
0,05 ATK, 

757 

4,8 

3,7 


3. 

dgl. 

160 

satz von 

0,05 Plasma durch 
0,05 ATK, 

425 

2,7 

2,1 


Tabelle VI. 


Prot Nr. 

Probe 

Versuchsanordnung j 

Flockung 

Citratpl&tma 

Zusatz 

ges. NaCl-Lösg. 

76. 

1. 

1,0 

0 

1,0 

++ 


2. 

1,0 

0,05 ATK, 

1,0 

-i- 


3. 

1,0 

0,05 ATK, 

1,0 

+ 


Es erwies sich deshalb als notwendig, um auf derselben Vergleichs¬ 
basis zu bleiben, immer ein Tuberkulin von der gleichen Wertigkeit 
als Ersatz einzustellen, wenn das alte verbraucht war, was auf ein¬ 
fache Weise derart durchgeführt wurde, daß in zwei oder drei Ver¬ 
suchsreihen das neue Tuberkulin denselben AHQ ergeben mußte wie 
das alte. 

Um über die physikalisch-chemischen Eigenschaften der hemmen¬ 
den Bestandteile des Tuberkulins Aufschlüsse zu gewinnen, wurden 
folgende Versuche durchgeführt, deren Ausfall im Zusammenhang mit 
den Ergebnissen früherer Arbeiten Schlüsse über den Grad der Dis¬ 
persität der gelösten Elemente gestattet. 

Wenn man Citratplasma mit Kaolin oder Bolus alba ausschüttelt und es 
nach scharfem Abzentrifugieren des Zusatzes untersucht, so findet man, daß die 
gröbstdispersen Kolloide, also die der Fibronogenfraktion, zum größten Teü ver¬ 
schwunden sind, offenbar durch Adsorption an die Schüttelsubstanzen. Die Folge 
davon ist, daß in einem solchen Plasma sowohl die Senkung von sekundär zugesetz¬ 
ten Erythrocyten sehr langsam vonstatten geht, als auch die Flockung bei elektiver 
Fibrinogenfällung aufgehoben oder zum mindesten stark herabgesetzt erscheint. 
Bei Stärke ist diese Fähigkeit, vorwiegend grobdisperse Kolloide zu adsorbieren, 
nicht mehr vorhanden, sie nimmt mehr die hochdispersen Spaltstücke in Beschlag 
(W. Starlinger, 1. c.). 



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Beeinflussung des Blutes durch Tuberkulin usw. 


313 


Wird nun Tuberkulin mit den drei erwähnten Substanzen ausge¬ 
schüttelt und nun seine Wirksamkeit unter den früher geschilderten 
Bedingungen, verglichen mit dem Einfluß von unausgeschütteltem 
Tuberkulin, untersucht, so sind von vornherein folgende Extreme im 
Bereich der Möglichkeit: Besitzt das Tuberkulin vorwiegend grob- 
disperse Eiweißkolloide, so muß sein Zusatz nach Ausschüttelung mit 
Kaolin oder Bolus infolge der dadurch bedingten Entfernung seiner 
niedrig-dispersen Bestandteile eine noch größere Hemmung der Häm- 
agglutination und Fibrinogenflockung zur Folge haben als der von 
unvorherbehandeltem Tuberkulin. Enthält es aber in erster Linie 
hochdisperse Spaltstücke, so wird Kaolin- und Bolustuberkulin etwas 
weniger, Stärketuberkulin bedeutend weniger hemmen als das Kontroll- 
tuberkulin, da im ersten Fall eine unbedeutende Adsorption von Ab¬ 
bauprodukten auch an Kaolin und Bolus eintritt, im letzteren Falle 
aber eine umfangreiche Anlagerung von solchen an Stärke resultiert. 
Letzteres ist nun tatsächlich der Fall. 


Tabelle VII. 


Prot.-!; Pro- 

I. SedimentieruDg 



II. Sedimentierung 


EHQ 

AHQ 

Nr. ji be 

Versuchtem Ordnung 

SMW, 


Versuchsanordnung 

SMW t 

ii 

39. I 1 1. 

0,2 5% Natr. citr. 
0,8 Blut 

38 

"© 

+* R 

0 

43 

1,2 

1,0 

! 2. 

dgl. 

40 

l 

i 

ö E 

ja > 
o 

CO N 

0,05 Plasma durch 
0,05 ATK 

149 

3,7 

3,1 

3. 

deri. 

I 40 

1 

© "ti 

% m 

0,05 Plasma durch 
0,05 Bolus ATK 

140 

3,5 

2,8 

i 

l 4. 

dgl. 

i 41 

1 

Sh JS 

© O 
X3 03 
© R 

0,05 Plasma durch 
0,05 Kaolin ATK 

144 

3,5 

2,8 

S 5 - 

i: 

dgl. 

! 43 

i 

£ 

1 

0,05 Plasma durch 
0,05 Stärke ATK. 

135 

3,0 

1 

2,5 


Mit der Flockung lassen sich diese Ausschläge nicht einwandfrei 
feststellen, weil die Differenzen für diese gegenüber der Senkungsprobe 
ungleich gröbere Reaktion offenbar zu klein sind, um sich deutlich zu 
manifestieren. 

Nachdem auf diese Weise dargetan war, daß das Tuberkulin ver¬ 
möge seines Gehalts an hochdispersen Abbauprodukten imstande ist, 
den physikalisch-chemischen Zustand der Plasmakolloide im Sinne 
einer hochgradigen Stabilisierung derselben zu beeinflussen, konnte 
darangegangen werden, diese Wirksamkeit näher zu analysieren. 

Vor allem mußte festgestellt werden, welche Folgen eine längere 
Einwirkung des Tuberkulins auf das Blutplasma bedingen würde, 
wobei in Anbetracht der Ausschlagsrichtung unserer Reaktionen fol¬ 
gende Ergebnisse zu erwarten waren: Beeinflußten sich Plasma und 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 22 


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314 


W. Stärlingen Über die physikalisch-chemische 


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Tuberkulin bei längerer Reaktionszeit wechselseitig nach der schon 
festgestellten anfänglichen Hemmung im Sinne einer noch weitergehen¬ 
den Stabilisierung, so mußte dieses Resultat durch die dabei erfolgte 
Verminderung der großen Kolloide einerseits, die Anreicherung mit 
Spaltstücken andererseits in einer verstärkten Hemmung der Häm¬ 
agglutination und Fibrinogenflockung zum Ausdruck konmen, während 
eine Reaktion im Sinne einer Labilisierung zu einer Vergröberung der 
Dispersion führen und so eine verminderte Hemmung der Agglutination 
und Flockung nach sich ziehen mußte. Das Experiment entschied nun 
ausnahmslos in letzterer Richtung, indem die schließlich resultierende 
Hemmung um so geringer war, je länger das Tuberkulin Gelegenheit 
hatte, auf das Plasma einzuwirken. 


Tabelle VIII. 


Prot.- 

Pro- 

j I. Segmentierung 

- ‘ 

II. Sedlmentlerung 



RHQ 

AHQ 

Nr. ) 

be 

Versuchsanordnung 

SMW, 


Versuchsanordnung 


SMW, 

34. 

1. 

0,2 5% Nacitr. 
0,8 Blut 

55 

=3 g 
£ 

o N 

00 'S 

0 

^-3 

g G 

£-3 
§ § 

0 

59 

1,2 

1,0 


2. 

dgl. 

60 

o) cd 

J* 2 

’S H 

0,05 Plasma durch 
0,05 ATK 

20 

192 

3,2 

2,7 


3. 

dgl. 

58 

g-g 
® « 

dgl. 

CO 

* G 

13 

270 

4,8 

4,4 


! 4. 

dgl. 

61 

'O c 

QJ ^ 
£2 

dgl. 

c *5 

1 

337 

5,5 

5,0 


1 5. 

dgl. 

60 

dgl. 

, 

i 

0 

370 

6,2 

5,6 


Das gleiche Resultat ergaben auch die Flockungsversuche: 

Tabelle IX. 


Prot.- 

Nr. 

Probe 


V eisu ohsanordnun g 


Flockung 

Citratplasma 

Zusatz 

Einwirkungs¬ 

zeit 

ges. NaCl- 
Lösung 

105. 

1 . 

1,0 

0 

0 

1,0 

4-4- 


2. 

1,0 

0,05 ATK 

4" 

1,0 

+ 


3. 

1,0 

dgl. 

0 

1,0 

4- 


Erlitt nun der in Tab. VIII dargestellte Versuch eine Modifikation 
in dem Sinne, daß das Tuberkulin nicht auf Plasma und Blutkörperchen 
zusammen, sondern auf das Plasma allein während gleichlanger Re¬ 
aktionszeit einwirkte, so resultierte im letzteren Falle eine noch aus¬ 
geprägtere Hemmungsverminderung, die wohl in der Richtung gedeutet 
werden kann, daß bei der ersten Versuchsanordnung ein Teil der hem¬ 
menden Abbauprodukte sofort an die roten Blutkörperchen gebunden 
wurde und daher für die Reaktion, die durch Labilisierung der Plasma¬ 
kolloide zum eben beschriebenen Phänomen führt, nicht mehr frei war, 
während bei der zweiten Versuchsanordnung alle Spaltstücke dafür in 
Betracht kamen. 


Gck igle 


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Beeinflussung: des Blutes durch Tuberkulin usw. 
Tabelle X . 


315 


Prot- 

Pro- 

I. Sedimentierung 

II. Sedimentierung 

KHQ 

AHQ 

Nr. 

be 

Versuchsanordnung 

SMWj 

Versuchsanordnung 

smw 2 

81. 

1. 

0,25% Natr. citr. 

40 


0 


0 

49 

1,2 

1,0 



0,8 Blut 


a ? 
** 


’S 




2. 

dgl- 

38 

O N 
tn 

0,05 Plasma durch 

rkungsz 

Stunden 

0 

149 

3,9 

3,3 

1 

| 

3. 

dgl. 

37 

tp £ 
3 W 

0,05 ATK 
dgl. 

5 

132 

3,6 

3,0 


4. 

dgl. | 

37 

* s 

s cs 

dgl. 

£ a 

5 

114 

2,9 

2,4 





> O 

nach vorh. Abtren¬ 
nung v. Sediment 

s 



1 

| 



Nachdem auf diese Weise das besprochene Versuchsergebnis aus¬ 
nahmslos und regelmäßig festgestellt worden w r ar, mußte vor allem 
ergründet werden, welcher von den drei Bestandteilen des Tuberkulins 
die Ursache dieses Reaktionsablaufes darstellt. Dabei zeigte sich, 
daß sowohl 40 proz. Glycerin als auch auf 1 / 10 ihres Volums eingedampfte 
Bouillon ein ähnliches Resultat bewirken, aber auch noch bei Sum¬ 
mation um vieles schwächer Einfluß nehmen, als das Tuberkuhn selbst, 
so daß daraus der Schluß gezogen werden konnte, daß das erwähnte 
Ergebnis hauptsächlich durch che wasser- und glycerinlöslichen Ex¬ 
traktivstoffe des Tuberkelbacillus bedingt werde. Dieser Schluß fand 
eine weitere Stütze noch in jenen Versuchen, wo die Hemmungs¬ 
verminderung zw r ar wie immer ausgeprägt beim Tuberkulin selbst, 
nicht aber bei Glycerin und Bouillon in Erscheinung trat, wie z. B. 
im folgenden Protokoll hinsichtlich des ersteren zu beobachten war. 


Tabelle XI. 


Prot.- 

■ Pro¬ 

L Sedimentierung 

II. Sedimentierung 

RHQ 

AHQ 

Nr. 

be 

V ersuchsanordnung 

| SMW, 

Versuchsanordnung 

SMW, 

95. 

rr 

0,25 % Natr. citr. 

97 


0 


0 

109 

1,1 

1,0 



0,8 Blut 


JZ 

© 


cs 

© 





2. 

dgl. 

98 

eö 

PS 

0,05 Plasma durch 

cs 

3 

0 

345 

3,5 

3,2 


3. 



23 

0,05 ATK 

+3 

CO 





dgl. 

92 

-4-J r- 

ä § 

dgl. 

cs 

3 

265 

2,8 

2,5 


| 4. 

dgl. 

98 

> 

0,05 Plasma durch 

23 

0 

152 

1,6 

1,5 





* £ 

0,05 auf VioVol. 

© 






5. 

dgl. 

96 

«§* £ 
iw 

einged. Bouillon 
dgl. 

& 

a 

3 

3 

133 

1,4 

1,3 


6. 

dgl. 

92 

tn 

© 

0,05 Plasma durch 

M 

• 

> 

0 

137 

1,5 

1,4 





© 

0,05 40 proz. 

CS 









£ 

Glycerin 

s 






7. 

dgl. 

92 


dgl. 


3 

136 

1,5 

1,4 


Als zweites Ergebnis konnte also nachgewiesen werden, daß das 
Tuberkulin, falls es innerhalb längerer Reaktionszeit auf das Blut- 

22 * 


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316 


W. Stärlingen Über die physikalisch-chemische 


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plasma ein wirken kann, imstande ist, die primäre hohe Stabilisierung 
in ausgedehntem Maße rückgängig zu machen, und zwar so, daß diese 
Wirkung in erster Linie durch die Einflußnahme der Leibesextraktiv¬ 
stoffe des Tuberkelbacillus bedingt wird. 

Dabei sei festgestellt, daß die bis jetzt geschilderten Reaktions¬ 
typen in prinzipiell gleicher Weise bei Verwendung von Plasma tuber¬ 
kulöser als auch nichttuberkulöser Versuchspersonen zur Beobachtung 
gelangten, ein spezifischer Unterschied also nicht gefunden werden 
konnte. 

Nachdem derart der Charakter von spezifischen Reaktionen nicht 
nachgewiesen werden konnte und ihr Wesen, wie später noch zu zeigen 
sein wird, in ganz einfachen Annahmen eine befriedigende Erklärung 
findet, so nahmen die großen quantitativen Unterschiede zwischen 
den einzelnen AHQ das nächste Interesse für sich in Anspruch und es 
mußte ermittelt werden, ob sich ein sinngemäßer Zusammenhang mit 
den Ergebnissen der Beurteilung von anderen Gesichtspunkten aus 
erweisen würde. 

Da nun über die klinische Aktivität eines tuberkulösen Prozesses 
nach den Erfahrungen, die einerseits Westergren 1 ), andererseits gleich¬ 
zeitig und unabhängig A. Frisch und W. Starlinger 2 ) gesammelt hatten 
und die inzwischen auch von anderen Untersuchem bestätigt wurden, 
gerade die Prüfung der Hämagglutination, gemessen an der Senkungs¬ 
geschwindigkeit der roten Blutkörperchen, ausgezeichnete Aufschlüsse 
zu geben imstande ist, so mußte die einfache Nebeneinanderstellung 
der SMW und der AHQ darüber Klarheit schaffen, ob beide Reaktionen 
aus ihren Ausschlägen gleiche Annahmen erlaubten oder etwa sich 
gegenseitig zu ergänzen in der Lage wären. 

Dabei zeigte sich nun, daß im allgemeinen niedere SMW, also 
große Senkungsgeschwindigkeiten, von hohen AHQ begleitet sind, 
mit Ausnahme der exzessiv niederen SMW, denen nicht selten niedere 
AHQ koordiniert erscheinen. 

Auch hier ergab sich kein Unterschied in der Reaktionsweise von 
Versuchen an tuberkulösen und nicht tuberkulösen Personen. 


AHQ 

10,0 

9,2 

8,4 

8,3 

Tabelle XII. 

8,2 8,2 7,5 

6,7 

6,2 

5,6 

5,6 

5,6 

5,5 

SMW 

19 

18 

17 

20 

20 

17 

28 

27 

31 

43 

57 

52 

58 

AHQ 

5,1 

5,1 

4,9 

4,9 

4,5 

4,3 

4,3 

4,3 

4,0 

4,0 

3,7 

3,7 

3,7 

SMW 

59 

58 

55 

65 

59 

91 

99 

85 

147 

144 

157 

178 

187 

AHQ 

SMW 

3,4 

148 

2,5 

195 

2,4 

205 

2,3 

196 

2,3 

192 

1,6 

307 

1,9 

11 

1,8 

16 

1,4 

14 

1,3 

13 

1,4 

7 




*) Westergren , Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 1921. 

2 ) A. Frisch und W. Starlinger , Med. Klinik 1921. 



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Beeinflussung des Blutes durch Tuberkulin usw. 


317 


Entsprechende Ausschläge der Flockungsprobe in dem Sinne, daß 
ein grobflockendes Plasma durch Tuberkulin leichter stabilisiert würde 
als ein fein flockendes, ließen sich hingegen nicht feststellen und waren 
auch, wie aus dem Späteren noch hervorgehen wird, nicht zu erwarten. 

Daß SMW und AHQ das beschriebene gegensätzliche Zahlenmäßige 
Verhalten zeigen, ließ sich auch durch Reihenversuche sowohl an ver¬ 
schiedenen Tagen innerhalb längerer Zeitabschnitte als auch innerhalb 
ein und desselben Tages erweisen. Änderte sich der SMW nicht oder 
nur ganz unbedeutend, so ließen sich auch am AHQ keine ausgiebigeren 
Schwankungen beobachten, wie z. B. folgende Prokotolle zeigen, die 
aü derselben Versuchsperson an verschiedenen Tagen auf genommen 
wurden. 

Tabelle XIII. 


Prot.-Nr. 

Datum der 

SMW 

AHQ bei Ersatz von 0,05 


Untersuchung 


Plasma durch 0,06 ATK 

98. 

26. XI. 

13 

1,3 

105. 

2. XII. 

14 

1,4 


Änderte sich aber der SMW entweder auf künstliche Beeinflussung 
hin oder spontan infolge des Krankheitsverlaufes, so variierte auch der 
AHQ in zahlenmäßig entgegengesetzter Richtung. 


Tabelle XIV. 


Prot.-Nr. 

Datum der 
Untersuchung 

SMW 

AHQ bei Ersatz von 0,05 
Plasma durch 0,06 ATK 

49. 

16. X. 

! 106 

4,3 

52. 

16. X. ] 

126 

3,8 

65. 

30. X. 

233 

2,9 

76. 

31. X. 

t 157 

3,6 


Doch konnte auch hier, wie schon in Tab. XII geschildert wurde, 
unter Verhältnissen, unter denen sich die SMW den untersten Ex¬ 
tremen näherten, manchmal eine paradoxe Reaktion in dem Sinne 
beobachtet werden, daß bei sinkendem SMW auch der AHQ eine fal¬ 
lende Kurve einschlug. 

Tabelle XV. 


Prot.-Nr. 

Datum der 

SMW 

AHQ bei Ersatz von 0,06 

Untersuchung 

Plasma durch 0,06 ATK 

86. | 

10. XI. 

28 

7,5 

97. 

5. XII. 

19 

5,1 


Besonders einwandfrei und deutlich konnte die geschilderte Kor¬ 
relation zwischen SMW und AHQ in solchen Reihenversuchen dargetan 
werden, bei denen sich der SMW auf künstliche Beeinflussung hin im 


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318 


W. Starlinger: Über die physikalisch-chemische 


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Laufe des gleichen Tages in über die Normalschwankungen hinaus¬ 
gehenden Ausschlägen änderte, was auf einfache Weise durch Zufuhr 
von Tuberkulin zu erreichen war, die meist eine beschleunigte, manch¬ 
mal aber auch eine verlängerte Senkung nach sich zieht, je nachdem 
der Organismus mit einer Vermehrung oder Verminderung seines 
Fibrinogengehaltes reagiert; worüber an anderer Stelle in einer ge¬ 
meinsamen Arbeit mit Frisch 1 ) ausführlich berichtet wurde. 


Tabeüe XVI. 


Prot- 

Nr. 

Zelt der 
Blutentnahme 

Zeit und Art der 
künstlichen Beeinflussung 

SMW 

AHQ 

57. 

9 h 

9 h IO 7 0,45 crara ATK 

117 

2,1 


12 h 


95 

2,8 

60. 

9 h 

9 h 10 7 0,45 cmrn ATK 

192 

2,3 


12 h 


163 

3,1 

62. 

10 h 

10 h IO 7 10 cmm ATK 

75 

3,5 


4 h 


86 

2,8 

94. 

8 h 

8 h 10 7 0,2 cmm ATK 

148 

3,4 


4“ 


177 

3,1 


Damit war als drittes Resultat festgestellt, daß großen SMW kleine, 
kleinen SMW große AHQ zugeordnet sind, daß also einem hohen 
Agglutinationsvermögen des Plasmas auch ein hohes Vermögen des¬ 
selben durch Tuberkulin stabilisiert zu werden entspricht. 

Schließlich mußten noch die Beziehungen zwischen den AHQ einer¬ 
seits und dem Rückgang der Stabilisierung bei längerer Einwirkung 
von Tuberkulin andererseits klargelegt werden und wurde dabei ein 
Ergebnis derart gefunden, daß einer primär hohen Stabilisierung auch 
ein starker Hemmungsrückgang entspricht, während einer anfänglichen 
geringen Hemmung eine schwache Labilisierung koordiniert zur Fest¬ 
stellung gelangt. 

Tabelle XVII. 


AHQ bei Ersatz von 0,05 Plasma durch 0,06 ATE 

Hemmungs¬ 

rückgang 

Einwirkungszeit des ATK in Stunden 

0 

5 

9,8 

4,4 

5,4 

53 

3,2 

2,1 

4,1 

2,8 

13 

4,1 

2,8 

13 

3,6 

2,9 

0,7 

3,3 

2,7 

0,6 

3,0 

2,4 

0,6 

2,7 

23 

0,4 

2,3 

2,1 

0,2 

2,1 

; i,9 

0,2 

U 

i,- 

0,1 


x ) A. Frisch und W. Starlinger , Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1921. 



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Beeinflussung des Blutes durch Tuberkulin usw. 


319 


Vergleichshalber wurden die geschilderten Versuche auch mit 
anderen Tuberkulinen vorgenommen, mit der Fragestellung, wieweit 
sich ihre Reaktionsweise der des ATK näherte. Es wurden dabei 
folgende Tuberkuline einer Prüfung unterzogen: Albumosenfreies 
Tuberkulin, Bacillenemulsion, Eisentuberkulin, Tuberkulol, Tuberkulo- 
mucin, Perlsuchttuberkulin und Tuberkulin Rosenbach. Das Ergebnis 
war prinzipiell durchaus analog dem bei Anwendung von ATK er¬ 
haltenen, wozu, ohne auf Einzelheiten einzugehen, nur folgendes 
bemerkt sei: Alle untersuchten Tuberkuline haben ein ausgesprochenes 
Stabilisierungsvermögen des Blutplasmas, hemmen also einerseits die 
Agglutination und Senkung der Erythrocyten, andererseits die Flockung 
des Fibrinogens, und zwar in untereinander durchaus verschiedenem 
Grade. Wenn von einer stufenweisen Reihenaufstellung in diesem 
Sinne abgesehen werden soll, so geschieht dies deshalb, weil auch hier 
verschiedene Seriennummem des gleichen Tuberkulins eine differente 
Wertigkeit aufweisen. Festgestellt sei nur, daß das Hemmungsvermögen 
keines der untersuchten Tuberkuline das des ATK erreicht, meist sogar 
ein beträchtliches Zurückbleiben zu beobachten ist. Demgemäß blei¬ 
ben auch die anderen Ausschläge, wie sie früher hinsichtlich des ATK 
beschrieben wurden, quantitativ stark zurück: Während z. B. die 
AHQ auf ATK zwischen 10,0 und 1,3 schwankten, wurden als ent¬ 
sprechende Werte für albumosefreies Tuberkulin 2,1 und 1,0 festgestellt. 
Das gleiche gilt auch hinsichtlich der anderen Versuche. 

Schließlich wurden auch die Partigene nach Deycke und Much , 
sowohl einzeln als N, F und A, als auch im Verein als MTbR der 
Prüfung zugeführt und auch hier ausnahmslos ein zwar hinter der 
Wirkung von ATK zurückbleibendes, jedoch ausgeprägtes Hemmungs¬ 
vermögen beobachtet: am stärksten bei MTbR, schwächer und gleich¬ 
stark bei F und N und am schwächsten bei A, welche Reihenfolge in 
allen diesbezüglichen (12) Versuchen zur Feststellung gelangte. 


Tabelle XVIII. 


Prot.- 

Probe 

1. Sedimentierung 

II. Sedimentierung 

RHQ 

A TTQ 

Nr. 

Versuchsanordnung j 

SMW, 

V ereuchsan Ordnung 

SMW, 


106. 

1 . 

0,25%Natr.citr. 

69 

o 

0 

86 

1,2 

1,0 



0,8 Blut 


cd 

o 






i 2 . 

dgl. 1 

70 

r-H 

0,05 Plasma durch 0,05 

223 

3,2 

2,7 





43 ß 
±2 o 

MTbN 1:10 Mill. 





1 3. 

dgl. 

71 

% > 
ü M 

0,05 Plasma durch 0,05 

225 

3,2 

2,7 

! 




05 +5 
O cd 

MTbF 1:10 Mill. 




1 

! 4. 

dgl. 

71 

& e 

p H 

0,05 Plasma durch 0,05 

212 

3,0 

2,5 


1 



cd ^ 

£4 

MTbA 1:10 Mill. 





l! 5. 

dgl. 

69 

0 

0,05 Plasma durch 0,05 

228 

3,3 

2,8 


II 


i 

© 

MTbR 1 :10 Mill. 





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320 


W. Starliivger: Über die physikalisch-chemische 


Kurz zusammengefaßt konnten also folgende experimentellen Er¬ 
gebnisse festgestellt werden: 

1. Alttuberkulin, in vitro zum Plasma zugesetzt, hat die Fähigkeit, 
einerseits die Agglutination und Senkung der roten Blutkörperchen, 
andererseits das Flockungsvermögen des Blutplasmas in ausgedehntem 
Maße zu hemmen, und zwar infolge seiner Zusammensetzung aus Be¬ 
standteilen, deren jeder einzelne diese Reaktionsweise besitzt. Da 
nun 40 proz. Glycerin und auf 1 / 10 ihres Volumens eingedampfte Bouillon 
bei Summation in ihrem Hemmungsvermögen noch weit hinter dem 
des ATK selbst Zurückbleiben, ergibt sich, daß den Extraktivstoffen 
des Tuberkelbacillus ein hervorragender Anteil an der Gesamtwirkung 
zufällt. Das Hemmungsvermögen nimmt mit der Größe des Zusatzes 
zu und wechselt bei Herkunft des Tuberkulins aus verschiedenen Serien 
in hohem Grade. Vorher mit Kaolin, Bolus alba oder Stärke ausge¬ 
schütteltes Tuberkulin hemmt weniger stark, und zwar geordnet nach 
dem He mmungsvermögen in folgender Reihe: ATK 7 Kaolin ATK 
= Bolus ATK 7 Stärke ATK, woraus nach früheren Ergebnissen auf 
eine Adsorption von hochdispersen Spaltstücken durch die Schüttel¬ 
substanzen geschlossen werden kann. 

2. Wirkt jedoch ATK auf Plasma während längerer Zeit ein, so 
wird dadurch die primäre Stabilisierung weitgehend rückgängig ge¬ 
macht, und zwar um so mehr, je länger die Reaktionszeit andauert. 
Auch hier ergibt die Analyse der Wirkungsweise der einzelnen Be¬ 
standteile, daß die Leibesextraktivstoffe des Tuberkelbacillus in erster 
Linie an dem Ergebnis beteiligt sind. 

3. Je ausgeprägter das ursprüngliche Agglutinationsvermögen des 
Plasmas an der Schnelligkeit der Erythrocytensenkung in Erscheinung 
tritt, desto deutlicher gelangt auch die durch ATK bedingte Stabili¬ 
sierung zur Beobachtung, mit Ausnahme bei sehr kurzen Senkungs¬ 
zeiten, denen manchmal eine sehr geringe Hemmung auf Tuberkulin 
zugeordnet ist. Besonders deutlich lassen sich diese Reaktionstypen 
bei Reihenversuchen an derselben Person und an Tageskurven nach- 
weisen. Die Hemmung der Fibrinogenflockung steht jedoch zur ur¬ 
sprünglichen Flockungsstärke nicht in diesem Verhältnis. 

4. Je stärker durch Tuberkulin die Sedimentierung gehemmt wird, 
desto größeren Hemmungsrückgang zieht ein längeres Einwirken des¬ 
selben auf Plasma nach sich. 

5. Die Wirkungsweise von ATK gelangt auch bei Prüfung anderer * 
Tuberkuline und der Partigene zur Beobachtung, jedoch in weit ge¬ 
ringerem Ausmaße. 

Im folgenden soll nun versucht werden, diese Resultate auf ge¬ 
meinsame theoretische Grundlagen zu bringen, um gemäß der eingangs 


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Beeinflussung des Blutes durch Tuberkulin usw. 


321 


gegebenen Fragestellungen über die Beziehungen zwischen Plasma und 
Tuberkulin Aufschlüsse zu gewinnen. 

1. Daß ATK die Fähigkeit besitzt, sowohl die roten Blutkörperchen 
als auch die grobdispersen Fibrinogenkolloide weitgehend zu stabili¬ 
sieren, kann nicht wundemehmen, wenn man seine Zusammensetzung 
aus hochdispersen Eiweiß- und Lipoidspaltstücken in Betracht zieht, 
die nach den eingangs geschilderten Anschauungen geeignet sind* durch 
Adsorption an die erwähnten labilen Elemente deren Hydrathülle 
zu verstärken. Nach außen tritt dann diese Stabilisierung einerseits 
infolge der verminderten Agglutinationstendenz der roten Blutkörper¬ 
chen in einer verminderten Senkung derselben, andererseits in einem 
abgeschwächten Flockungsvermögen des Fibrinogens in Erscheinung. 
Hervorzuheben ist dabei die Tatsache, daß an der Reaktion die Be¬ 
standteile des Tuberkelbacillus selbst in hervorragendem Maße beteiligt 
sind. 

2. In welcher Weise nun Tuberkulin und Plasma reagieren, wenn 
sie längere Zeit aufeinander einzuwirken Gelegenheit haben, darüber 
gibt die zweite Versuchsreihe Aufschluß. Daß eine solche Reaktion 
stattfindet, geht aus der Tatsache hervor, daß die hier verwandten 
Maßmethoden deutliche Ausschläge verzeichnen, denn wenn es bei der 
primären einfachen Adsorption, die die eben beschriebene anfängliche 
Hemmung bedingt bliebe, dürfte auch nach mehreren Stunden keine aus¬ 
geprägte Änderung mehr eintreten. Die Frage muß also nach der Art 
der eingetretenen Wechselbeziehungen lauten, die zweierlei Charakter 
auf weisen können: entweder den der Spaltung oder den der Bindung. 
Im ersteren Fall muß die Aufspaltung grobdisperser Kolloide zu hoch¬ 
dispersen durch die Anreicherung an solchen eine ausgesprochene 
Verstärkung der Stabilisierung bewirken, im letzteren Fall muß die 
Vergröberung der Dispersion eine Labilisierung nach sich ziehen. Da 
nun, wie geschildert, sowohl die Senkung der Erythrocyten gegenüber 
der primären Hemmung beschleunigt als auch die Flockung ver¬ 
stärkt wird, kann wohl der experimentelle Entscheid zugunsten der 
zweiten Ansicht aufgefaßt werden, also derart, daß sich Bestandteile 
des Plasmas und Bestandteile des Tuberkulins zu einem größeren 
Komplex vereinigen. Daß die ersteren vorwiegend grobdisperse Eiwei߬ 
kolloide darstellen und die letzteren hauptsächlich aus dem Körper des 
Tuberkelbacillus stammen, geht daraus hervor, daß einerseits die Hämag¬ 
glutination und Fibrinogenflockung in ihrem Ausfall fast ausschlie߬ 
lich von der gröbstdispersen Eiweißfraktion beeinflußt werden, während 
andererseits die summierte Wirkung der nicht spezifischen Tuber¬ 
kulinkomponenten weit hinter der des Gesamttuberkulins zurückbleibt. 

3. Damit ist auch das Verständnis für das nächste Versuchsergebnis, 
daß die ursprünglich schnellsten Senkungsproben auch am stärksten 


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322 W. Stärlingen Physikal.-chem. Beeinflussung des Blutes durch Tuberkulin usw. 

durch Tuberkulin gehemmt werden, gefunden, denn wenn die Sedi- 
mentierung schnell vor sich geht, bleibt nicht genügend Zeit für den 
erst sekundär einsetzenden reversiblen Prozeß, der hingegen bei langer 
Senkungszeit die primäre Hemmung herabsetzt und so die resultierende 
Endhemmung stark vermindert. Dafür spricht auch, daß diese Unter¬ 
schiede nur bei der Senkungsprobe, nicht aber bei der Flockungs¬ 
reaktion nachzuweisen sind, weil bei der letzteren, die in wenigen 
Augenblicken zur Durchführung gelangt, die Zeitdifferenz wegfällt, 
die den reversiblen Vorgang ermöglicht. Daß bei einer exzessiv schnellen 
Senkung trotzdem die Hemmung nur gering eintritt, findet seine Ur¬ 
sache wohl darin, daß in solchen Fällen der Fibrinogengehalt des 
Plasmas zu groß ist, um durch die relativ geringe Tuberkulinmenge 
stabilisiert zu werden, und deshalb seinen agglutinationsfördemden 
Einfluß auf die Erythrocyten auch weiter aufrechterhält. 

4. Im gleichen Sinne erscheint auch die Feststellung verwertbar, 
daß einer primär hochgradigen Hemmung eine sekundär starke Hem¬ 
mungsverminderung zugeordnet ist, da ein hoher Fibrinogengehalt 
auch eine größere Möglichkeit zur Bildung der Komplexbindung mit 
Tuberkulinbestandteilen bietet. 

Die eingangs gegebene Fragestellung , ob Plasma und Tuberkulin mit¬ 
einander in Reaktion träten und welcher Art diese sei , kann somit derart 
beantwortet werden , daß eine sich deutlich ausprägende wechselseitige 
Beeinflussung zustande kommt , und zwar im Sinne einer Bindung vor¬ 
wiegend der gröbstdispersen EiweißkoUoide und der Körperbestandteile 
des Tuberkelbacillus zu einem größeren Komplex , welche Reaktion bei 
Anwendung von Plasma sowohl tuberkulöser als auch nicht tuberkulöser 
Personen zur Beobachtung gelangt , einen spezifischen Charakter also nicht 
erkennen läßt. 



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Experimentelle und klinische Untersuchungen über die Dauer 
des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 

Von 

Dr. Y. Miki (Tokio). 

(Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien. 

[Vorstand: Hofrat Prof. Paltauf].) 

Mit 11 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 10. Februar 1922.) 

Es ist lange bekannt, daß die Dauer der Kammersystole ( V t ) bei 
verschiedener Schlagfrequenz sich nur sehr wenig ändert; wenn das 
Herz rascher schlägt, nimmt fast nur die Dauer der Diastole ab, so daß 
demgegenüber die Verkürzung der Systole fast nicht in Betracht kommt*). 
Aber außer dieser fundamentalen Tatsache ist über das Verhalten der 
Dauer der V 9 unter verschiedenen Bedingungen nur wenig bekannt. 

Von experimentellen Arbeiten seien folgende erwähnt: Lüderitz 2 ) 
stenosierte bei Kaninchen und Hunden die Aorta mit einem Faden, 
und zwar 3—7 mm oberhalb des freien Klappenrandes; er verzeich- 
nete gleichzeitig den Druck in der Carotis und im linken Ventrikel 
und fand, daß der intraventrikuläre Druck bei vollständigem Verschluß 
der Aorta auf das 3—4 fache steigt. Gleichzeitig wird die Dauer der V 8 
um 10—30% verlängert, und zwar beim Kaninchen mehr als beim 
Hunde. Das Kaninchen, dessen Herz keinen so hohen systolischen 
Druck aufbringen kann, kompensiere nämlich mehr durch die Ver¬ 
längerung der Systole, was der Hund mit seinem viel kräftigeren Herzen 
nicht nötig habe. Die Frequenz bleibt bei zunehmender Stenosierung 
gleich oder nimmt etwas ab, die Anspannungszeit wird nur um einige 
Tausendstel-Sekunden verlängert, de Heer 2 ) hat diese Versuche an 
Hunden wiederholt. Er stenosierte die Aorta mit einem eigenen Kom- 
pressorium ungefähr 2 cm über dem Ostium und fand bei stärkster 
Kompression eine Verbreiterung der Kammerdruckkurve um 20—30% 
bei ungefähr gleichbleibender Pulsfrequenz. Eine Verlängerung der 
Systole ist zwar damit noch nicht bewiesen, kann aber als sicher ange¬ 
nommen werden. Da die Dauer der Anspannungszeit unverändert 

*) Die Literatur bis zum Jahre 1912 hat erst kürzlich Tigersiedl 1 ) übersicht¬ 
lich zusammenge8tellt. 


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324 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


bleibt, kann es sieh dabei nur um eine Verlängerung der Austreibungs¬ 
zeit handeln. Tigerstedt und Ryömä 4 ) untersuchten an Kaninchen die 
relativen Veränderungen der Dauer der Systole und Diastole bei Rei¬ 
zung des rechten Vagus. Sie messen mit einem elastischen Manometer 
(Frank) den Carotisdruck und bezeichnen als Systole den Abschnitt 
vom ersten Druckanstieg bis zum tiefsten Punkt der Incisur. Sie 
finden, daß nach einer flüchtigen Reizung oder einem nur Bruchteile 
einer Sekunde dauernden Stillstände oft keine Veränderung in der 
Dauer der Systole zustandekommt; in anderen Versuchen trat eine 
Verlängerung um 0,01" ein. Wenn dagegen der Stillstand länger dauert, 
wird nicht nur die Dauer der Herzperiode, sondern auch die der Systole 
länger und zwar manchmal beträchtlich. Die Zunahme der Systolen- 
dauer macht sich in der Regel um so länger bemerkbar, je länger der 
vorhergehende Stillstand war. Aber selbst nach einem Stillstände von 
5" Dauer fanden Tigerstedt und Ryömä eine Verlängerung der Systole 
um höchstens 50—60%. Katz 5 ) bestimmte an Hunden die Dauer der 
Systole aus der Distanz der beiden Herztöne. Er fand, daß beim nar¬ 
kotisierten Hunde die aufeinanderfolgenden Herzperioden ungleich 
lang sind, und daß sich dabei die Dauer der Systole nicht immer nach 
der Länge der vorhergehenden Diastole richte, sondern manchmal 
nach der der folgenden, so daß eine direkte Wirkung der die Schwan¬ 
kungen der Frequenz bedingenden Ursache auf die Dauer der Systole 
angenommen werden muß. Er findet, daß die von Lombard und Cope 

60 

angegebene Formel V t = —— (K = Konstante, F = Frequenz) 

K)F 

auch für den Hund zutrifft, aber nur für Frequenzen unter 150; bei 
rascherem Herzschlag gebe sie zu hohe Werte ; eine ganz befriedigende 
Formel gebe es überhaupt nicht. Wenn nach einer Vagus- oder 
Accerelansreizung die Frequenzänderung abklingt, wird nach Katz 
die Diastole viel früher normal als die Systole, dagegen wird nach 
Adrenalin und im Beginne der Acceleransreizung die Systole früher 
verkürzt. Wenn man bei durchschnittenen Vagis rasch Kochsalz¬ 
lösung einfließen läßt, wird zunächst die Systole verlängert, ohne daß 
die Frequenz sich ändert; wenn dann Blutdruck und Frequenz steigen, 
ist die Systole, und zwar die Austreibungszeit, immer noch abnorm lang, 
und wird erst allmählich normal. Kompression der Aorta descendens 
verlängert die Systole, muß aber die Frequenz nicht ändern. Der Ein¬ 
fluß von Vagus und Accelerans war von Katz schon früher in einer mit 
Wiggers ausgeführten Arbeit 6 ) beschrieben worden. Es scheint dem¬ 
nach, als ob der Vagus nur insofeme auf die Systole wirkte, als er auf 
dem Umwege über die Frequenzänderung die diastolische Füllung be¬ 
stimmt. Epinephrin verkürzt die Systole so bedeutend, daß der ver¬ 
längernde Einfluß der Drucksteigerung dagegen nicht aufkommen 


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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


325 


kann. Zum Schlüsse führt Katz an, daß sich aus der Länge der Systole 
vielleicht gewisse Schlüsse auf den Zustand des Myokards ziehen lassen. 

Bezüglich des Einflusses des Vagus auf die Dauer der V 8 hatte 
Einthoven gefunden, daß diese beim Warmblüter bei Vagusreizung 
etwas zunimmt. Samojloff 1 ) bestätigt dies, findet aber beim Frosch 
eine Verkürzung der ersten Systole nach dem Vagusstillstande. Vor 
kurzem haben nun Lewis , Drury und Bvlger 8 ) den Einfluß des Vagus 
auf die refraktäre Phase des Vorhofs untersucht; sie fanden, daß eine 
Reizung des rechten Vagus, die die Kammern zu längerem Stillstände 
bringt, die refraktäre Phase von 0,125 auf 0,025" " verkürzt, also auf 
ein Fünftel. 

Von neueren klinischen Arbeiten sind an erster Stelle die gründ¬ 
lichen Untersuchungen von Fridericia 9 ) zu erwähnen. Er bestimmte 
an 50 gesunden Personen nach einer mindestens 15 Min. währen¬ 
den Ruhe die Dauer der Systole aus dem Ekg und empfiehlt 

die Formel V 8 — 8,22 /yT. ( p ist die Dauer der Herzperiode und wird 

in 1 / 100 " gemessen). Diese „Normalgleichung" gilt für Frequenzen von 
51 — 135. Es ist ein mittlerer Fehler von 0,015" anzunehmen, so daß 
als pathologisch erst jene Abweichungen angesehen werden dürfen, 
die das Dreifache des mittleren Fehlers (also 0,045") übertreffen. 
Fridericia untersuchte dann das Verhalten der Normalgleichung nach 
Einwirkung verschiedener Gifte, worauf wir hier nicht näher einzugehen 
brauchen. Nach Muskelarbeit ist die V 9 bei maximaler Tachykardie 
abnorm stark verkürzt. Muskelarbeit verhält sich hier anders als 
Adrenalin, welches die V 8 auffallend wenig abkürzt. Untersuchungen 
an 124 Kranken ergaben, daß die V 8 bei negativer Nachschwankung 
kürzer ist als bei positiver. Unter 65 Kranken mit positiver Nach- 
schwankung waren nur sieben mit abnorm langer Systole. Es handelte 
sich dabei zum Teil um Mitralfehler und Myokarditiden, bei welchen, 
wie Verlauf und Obduktion ergaben, die Verlängerung der Systole 
auf Herzschwäche zurückzuführen ist. Die Verlängerung der Systole 
verschlechtert also die Prognose bei chronischen Mitralfehlern. Eine 
Verlängerung der Systole fand sich dann auch bei Aortenfehlem im 
Anfangsstadium, wo das Herz noch nicht vergrößert ist; sie ist hier auf 
vermehrte Herzarbeit zu beziehen. Bei unregelmäßigem Puls ist es 
fraglich, ob man die durchschnittliche Periodendauer mit der gleich 
langen des regelmäßigen Pulses vergleichen darf, doch läßt sich folgen¬ 
des sagen: Einzelne Extrasystolen haben keinen Einfluß auf die Systolen¬ 
dauer der Normalschläge; diese wird aber nach gehäuften Extrasystolen 
abnorm lang; gehäufte Extrasystolen schwächen also das Herz. 
Ventrikuläre Extrasystolen haben wegen ihres abnormen Erregungs¬ 
ablaufes eine längere Systole als die Normalschläge. Bei paroxysmaler 


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326 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


Tachykardie fand Fridericia die Systolendauer in normaler Weise ver¬ 
kürzt. Bei Leitungsstörungen trat eine Verlängerung der Systolendauer 
nur bei Myokardschwäche auf. Bei Vorhofflimmern sind die Verhält¬ 
nisse sehr verwickelt und noch nicht ganz klar. 

Bazett 10 ) mißt die Dauer der Systole auch aus dem Ekg und findet 
die Formel V t — wobei p in ganzen Sekunden gemessen wird. 

K ist eine Konstante und beträgt 0,37 für Männer und 0,40 für Frauen. 
K wird nach körperlicher Arbeit etwas größer, bei hohem Vagustonus 
kleiner. 

Es ist nun zunächst die Frage zu beantworten, was man als Dauer 
der Systole anzusehen hat. Schon Tigerstedt 1 ) weist darauf hin, daß 
auch die mechanischen Kurven in dieser Beziehung keine sichere Deu¬ 
tung zulassen. Man kann an der Kammerdruckkurve das Ende der 
Systole an den Beginn der steilen Druckabnahme verlegen (Hürthle) 
oder an den tiefsten Punkt ( Baxt , v. Frey), was dann mit dem Intervall 
zwischen den beiden Herztönen ziemlich genau übereinstimmt. Es 
wird dabei nicht nur die Anspannungs- und die Austreibungszeit mit¬ 
gemessen, sondern auch die Entspannungszeit. Um große Unterschiede 
handelt es sich bei dieser verschiedenen Abgrenzung allerdings nicht. 
Die Sache wird aber ganz anders, wenn man die mechanischen Vor¬ 
gänge aus dem Ekg zu bestimmen sucht. In den meisten Kurven fällt 
allerdings das Ende der Nachschwankung ungefähr mit der Incisur 
des Aortenpulses zusammen, und in solchen Kurven kann man unbe¬ 
denklich die Strecke vom Beginn der Anfangsschwankung bis zum Ende 
der T-Zacke als den Ausdruck der Systole ansehen. Aber die mecha¬ 
nischen und die elektrischen Kurven können auch weit auseinander¬ 
gehen. So hat Garten 11 ) in seinen schönen Versuchen gefunden, daß 
das Ende der T-Zacke zwar genau mit der Incisur zusammenfallen kann, 
daß diese Koinzidenz aber rein zufällig ist. Denn während der Beginn 
des Druckanstieges im Ventrikel sehr genau vor die Spitze der R-Zacke 
fällt, ist die Lage der T-Zacke zur Incisur sehr wechselnd. Wiggers und 
Dean 12 ) haben diesen Befund bestätigt. Besonders nach Adrenalin 
sahen sie, was auch Garten bekannt war, eine starke Verkürzung der 
mechanischen Systole, wobei das Ekg unverändert bleiben kann. Man 
darf daher nicht das Ende der Nachschwankung einfach mit dem 
Schlüsse der Systole identifizieren. Weitz 13 ) fand beim Menschen, 
daß das Ende der T-Zacke mit dem Schlüsse der Aortenklappen zu¬ 
sammenfällt, daß beide aber auch nicht unbeträchtlich auseinander¬ 
liegen können (um 0,06—0,08"). Auch 8traub u ) hat sich neuerdings 
dahin ausgesprochen, daß das Ekg zur genauen Bestimmung der Dauer 
der Systole nicht geeignet sei. Aus ähnlichen Gründen haben Brugsch 
und Blumenfeldt lb ) die an der Distanz der Herztöne gemessene ,,Lei- 



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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


327 


stungszeit“ von der im Ekg zum Ausdruck kommenden „Erregungszeit 44 
unterschieden. Beide kömien unter gewissen Bedingungen mehr oder 
weniger weit auseinandergehen. In einer früheren Arbeit hat Straub 1 *) 
einen Fall von paroxysmaler aurikulärer Tachykardie beschrieben. 
Die Frequenz betrug außerhalb des Anfalls 60—72, im Anfall 160 bis 
172, die Dauer des K-Ekg in der anfallsfreien Zeit 0,39", im Anfall 
0,26", also weniger als zwei Drittel. Auch während des Anfalls er¬ 
hielten die Kammern den Reiz von den Vorhöfen auf dem normalen 
Wege und Straub meint, daß unter diesen Umständen sich nur die 
Diastole hätte verkürzen dürfen; es sei deshalb ganz ausgeschlossen, 
daß sich die Systole so stark verkürzt habe, und daß die Dauer des 
K-Ekg der Dauer der Systole entspreche. Ich komme auf diese Arbeit 
noch zurück. 

Da die Lage der Incisur nicht nur von der Herzarbeit, sondern 
auch vom Aortendruck abhängt, ist es leicht verständlich, daß sie 
nicht in bestimmten Beziehungen zur Nachschwankung des Ekg steht, 
das ja ausschließlich vom Herzen herstammt. Auch ich habe nüch in 
meinen Versuchen davon überzeugt, daß unter normalen Bedingungen 
die Incisur mit dem Ende der Nachschwankung ungefähr zusammen¬ 
fällt; aber bei Drucksteigerung tritt sie früher auf und bei niedrigem 
Druck kann sie so w r eit in die Diastole hineinfallen, daß eine Identi¬ 
fizierung dieses Punktes mit dem Ende der Systole ausgeschlossen ist. 
Offenbar spielen da auch die Unterschiede in der Fortpflanzungs¬ 
geschwindigkeit der Wellen bei verschiedenem Druck eine große Rolle. 

Es erschien mir daher, da ich etwas über die zeitlichen Verände¬ 
rungen der Herztätigkeit unter verschiedenen Bedingungen erfahren 
wollte, richtiger, die Dauer des K-Ekg zu messen; ich bin mir, auch 
wenn ich gelegentlich der Abwechslung wegen von der Dauer der V 8 
spreche, doch dessen bewußt, daß diese in der Dauer des K-Ekg keinen 
verläßlichen Ausdruck findet. 

Die Kurven sind mit dem großen Edelmann sehen Saitengalvano¬ 
meter auf genommen, welches mit einem Platinfaden von ungefähr 
3000 Ohm versehen war. Die Messungen habe ich, mit wenigen noch 
zu erwähnenden Ausnahmen, nur an solchen Kurven ausgeführt, bei 
welchen die Zeitschreibung mit einer Stimmgabel von 60 ganzen 
Schwingungen pro Sekunde erfolgte. An solchen mit genügender Re¬ 
gistrierungeschwindigkeit aufgenommenen Kurven lassen sich dann 
0,01" mit Sicherheit messen und 0,005" noch gut abschätzen. Eine 
größere Genauigkeit hätte keinen Zweck, weil sie das Ekg seiner Form 
nach gar nicht gestattet. Es läßt sich nämlich der Beginn des K-Ekg 
zwar scharf bestimmen, weil der Abstieg der Q- oder der Anstieg der 
R-Zacke sich plötzlich von der Abszisse abheben, nicht aber das Ende 
der Nachschwankung. Dort, wo sie positiv ist und steil absteigt, läßt 


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328 Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 

sich ihr Übergang in die Horizontale noch bis auf 0,01" genau bestim¬ 
men; wenn sie aber sehr flach ist, ist der Messungsfehler schon viel 
größer. Ähnlich verhält es sich mit der negativen Nachschwankung. 
Hier kommt aber noch ein neues Moment hinzu. Es kommt nicht selten 
vor, daß eine tief unter die Abszisse herabreichende Nachschwankung 
gegen das Ende zu über die Abszisse ansteigt und diese dann erst im 
Laufe der Diastole wieder erreicht, manchmal erst kurz vor der näch¬ 
sten Vorhof zacke. Man sieht dies nicht selten bei rechts ventrikulären 
Extrasystolen. Es ist nicht klar, worauf diese Erscheinung beruht; 
um eine vom Herzen ausgehende Potentialdifferenz kann es sich wohl 
nicht handeln, wenn man nicht etwa den Standpunkt von de Meyer 11 ) 
anerkennt, der solche späte Schwankungen als den Ausdruck eines 
„Deformationsstroms" ansieht. Ich habe daran gedacht, daß eine 
Polarisationserscheinung voiliegen könnte, habe aber ähnliche Kurven 
auch bei Verwendung von unpolarisierbaren (Zink-Zinksulfat-) Elek¬ 
troden gesehen. Bei solchen Kurven habe ich das Ende des K-Ekg an 
jenem meist ziemlich scharf meßbaren Punkt verlegt, wo der auf¬ 
steigende Teil der Nachschwankung wieder zur Abszisse umkehrt. Der 
so erhaltene Wert ist etwas kleiner als man erwarten sollte, aber dies 
stimmt gut zu dem Befunde von Fridericia , daß Kurven mit negativer 
Nachschwankung eine zu kurze V t ergeben. Daß die auf die Nach- 
schwankung etwa noch folgenden Schwankungen, vor allem die U- 
Zacke nicht mehr zur Systole gehören, versteht sich wohl von selbst. 
Der Übersichtlichkeit wegen sind die Messungsergebnisse im Folgenden 
in Form eines Bruches dargestellt, dessen Zähler die Herzperiode, 
dessen Nenner die Dauer des K-Ekg in 1 / 100 " anzeigt. 

Experimenteller Teil. 

Bei der Darstellung der von mir gewonnenen Ergebnisse beginne ich 
entgegen der sonstigen Gewohnheit, mit dem experimentellen Teil, 
weil es mir nützlicher erscheint, zuerst zu untersuchen, welche Ver¬ 
änderungen der Dauer des K-Ekg sich erzielen lassen, wenn man ein¬ 
zelne Bedingungen in übertriebener Weise modifiziert; man gewinnt 
dann einen Anhaltspunkt dafür, welche Veränderungen unter patho¬ 
logischen Verhältnissen beim Menschen erwartet werden können. Die 
Versuche wurden ausnahmslos an Hunden ausgeführt, die mit Morphin 
und Äther narkotisiert waren. Die Ableitung der Aktionsströme er¬ 
folgte mit daumendicken Neusilberstäben, die in den Anus und den 
Oesophagus eingeführt waren. Über dem Ekg habe ich in einer Reihe 
von Versuchen den Carotisdruck mit einem Frank-Peiler sehen Mano¬ 
meter verzeichnet, in anderen Versuchen die Suspensionskurven vom 
rechten Vorhof und der rechten Kammer nach der von Rothberger ls ) 
angegebenen Methode. Ich untersuchte: die Vermehrung und die 



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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


329 


Verminderung des Zuflusses zum Herzen , die Steigerung des Entleerungs¬ 
widerstandes, den Einfluß der Herznerven , einzelne Arhythmien , die 
Erstickung und endlich nebenbei die Wirkung einiger Gifte . Bezüglich 
jener Untersuchungen, die kein bemerkenswertes Resultat ergeben 
haben, werde ich mich möglichst kurz fassen. 

1. Vermehrung des Zuflusses zum Herzen. 

In diesen Versuchen ließ ich aus einer Bürette 50 ccm warmer 
Kochsalzlösung in die Vena jugularis einfließen. Im ersten Versuch 
verwendete ich dabei eine Metallkanüle, wie sie zu intravenösen In¬ 
jektionen gebraucht wird; da dauerte das Einfließen ungefähr 45". 
In den weiteren Versuchen band ich ein weites Glasrohr in die Vene ein 
und konnte so 50 ccm in 20" einfließen lassen, wobei entsprechend der 
Abnahme des hydrostatischen Drucks die ersten Portionen rascher 
einströmten als die letzten. Die Angabe von Kotz, daß die Infusion 
bei durchschnittenen Vagis die Systole verlängere, konnte ich nicht 
bestätigen. Ich fand nämlich nach beiderseitiger Vagotomie die Fre¬ 
quenz so hoch (ca. 195 pro Min.), daß sich die Vorhofzacke auf die 
vorhergehende Nachschwankung aufsetzte. Eine sichere Messung der 
Dauer des K-Ekg war deshalb nicht möglich; es trat zwar während der 
Infusion eine geringe Verlangsamung auf, sie genügte aber nicht, um 
die Superposition zu lösen. 

Ich habe deshalb den Versuch an einem Hunde mit durchschnit¬ 
tenen Herznerven wiederholt. Die Frequenz betrug — 39 Min. nach der 
Acceleransdurchschneidung — 87 pro Minute, die Dauer des K-Ekg 24. 
Nach rascher Infusion von 50 ccm warmer Kochsalzlösung trat zunächst 
eine geringe und rasch vorübergehende Beschleunigung auf und dann 
zeigte sich eine eben nachweisbare Verlängerung des K-Ekg, und zwar 
auf 25. Die Infusion wurde unmittelbar darauf wiederholt, es trat 
wieder Beschleunigung auf, die Dauer der V s änderte sich diesmal 
nicht. Offenbar wird sie durch die mit der Beschleunigung einhergehende 
Verkürzung verdeckt. 

Ich möchte diese im großen und ganzen negativen Ergebnisse doch 
nicht in Gegensatz zu den Befunden von Kotz stellen, weil dieser die 
Dauer der V 8 aus der Distanz der Herztöne bestimmte und diese, wie 
ich eingangs ausführte, mit der Dauer des K-Ekg nicht übereinstimmen 
muß. 


2. Verminderung des Zuflusses zum Herzen. 

Eine ausgiebige Verminderung des Zuflusses zum Herzen habe ich 
dadurch erzielt, daß ich eine um die Cava inferior gelegte Fadenschlinge 
anzog. An der Pulskurve sowie an den vom Vorhof und der Kammer 
aufgenommenen mechanischen Kurven ist dann die Verkleinerung der 
Z. f. d. g. exp. Med. XXVIL 23 


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330 V. Mild: Expcriraeutell© und klinische Untersuchungen 

Ausschläge deutlich und auch bei der Inspektion des bloßgelegten 
Herzens sieht man die stark verminderte Füllung, besonders am rechten 
Vorhof. Wenn man die mit dem Faden emporgehobene Cava zurück¬ 
sinken läßt und dadurch den Zufluß freigibt, sieht man wieder am 
Vorhof die vermehrte Füllung sehr deutlich und die Pulse und die 
mechanischen Ausschläge werden sogleich größer. Auch hier habe ich 
aber trotz dieser augenscheinlich bedeutenden Änderung der Füllung 
in drei Versuchen keine erhebliche Veränderung in der Dauer des K-Ekg 
feststellen können. 


3. Steigerung des Entleerungswiderstandes. 


Eine Steigerung des Entleerungswiderstandes läßt sich leicht durch 
Abklemmung der Aorta herbeiführen. Ich habe mit Rücksicht auf die 
Angaben von Lüderitz und de Heer , die eine bedeutende Verlängerung 
der Austreibungszeit fanden, auch eine entsprechende Verlängerung 
des K-Ekg erwartet. Die Wirkung der Aortenkompression war aber in 
meinen Versuchen nur sehr gering. Im ersten Versuche komprimierte 
ich die Aorta über dem Zwerchfell; es trat deutliche Drucksteigerung, 
aber auch Pulsverlangsamung ein, die Dauer der V 8 stieg von 26 auf 
27—30, aber dies ist wahrscheinlich auf die Verlangsamung zu be¬ 
ziehen. Im zweiten Versuch klemmte ich die Aorta am Bogen ab und 
fand keine Veränderung des K-Ekg, ebenso in zwei weiteren Versuchen. 
Endlich entschloß ich mich dazu, so wie de Heer die Aorta mit einem 
Kompressorium über den Klappen abzuklemmen. Der herzwärts von 
der Kompressionsstelle gelegene Teil der Aorta wird dabei mächtig auf¬ 
getrieben, der sich fast isometrisch kontrahierende linke Ventrikel 
entwickelt bald Extrasystolen und schlägt, auch wenn diese vorüber¬ 


gehen, rascher. Ich fand vor der Kompression p = 68, V 8 = 29 [also|^j , 

51 49 ' 

während der Kompression , dann — . Bei Wiederholung des Ver- 

63 ^ 52 

suches an demselben Tiere vorher , während der Kompression — . 

26 26 


Offenbar ist die durch die Steigerung des Entleerungswiderstandes 
entstehende Verlängerung des K-Ekg durch die Frequenzsteigerung 
verdeckt worden. Daß ein Herz unter so extremen Bedingungen seine 
Frequenz ändert, ist ja nur zu begreiflich; ich habe deshalb diese Ver¬ 
suche auch nicht weiter fortgesetzt. 


4. Der Einfluß der Herznerven. 

a) Dauer des K-Ekg vor und nach Vagotomie . 

Die Durchschneidung der beiden Vagi ist beim Hunde immer von 
einer bedeutenden Beschleunigung des Herzschlages begleitet. Dem- 


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über die Dauer des K-Eku* (Kaiimier-Elektrokardiogramms). 331 

entsprechend verkürzt sich auch die Dauer des K-Ekg, wobei es meist 
zu Superposition der Vorhofzacke auf die vorangehende Nachschwan¬ 
kung kommt. Ich fand: 


! 

Vor Vagotomie 


Nach Vagotomie 


P (Herzperiode) 

1 v ‘ 

Herzperiode 

i v t 

5 | 

51 

i 24 

30 

\ (20—) 22 

9 

10 ! 

48 

24 

34 

21,7 

100 — 103 (Dissoziation) 

| 31-32 

32 

22 

11 1 

40 

' 18,5 

37 

19 (T positiv) 

14 

76 

i ** 

37 

20 (T tief negativ) 


Nur im Versuch 11 bestand von vornherein kein Vagustonus, die Fre¬ 
quenz nahm nach der Vagotomie nur ganz unwesentlich zu, die Dauer 
des K-Ekg blieb gleich (auf den Unterschied von 1 ! 2 oq' ist wohl kein 
Gewicht zu legen). 

b) Einfluß der Vagusreizung. 

Den Einfluß der faradischen Reizung des rechten Vagus zeigt die 
folgende Zusammenstellung: 


Versuch 5 . 


Nr. 

| Dauer d. voran geh. i 
j Herzperiode j 

V. 

Nr. 

Dauer d. vorangeh. 

| Herzperiode 

v t 

1 

: 41 

25 

17 

45 

26 

2 

41 

25 

18 

i 44 

26 

3 

! 41 

25 

19 

i 44 

26 

4 

43 

26 

20 

44 

26 

5 

6 

55 

59 

28 

28 

21 

44 | 

26 




7 j 59 

8 : 59 

28 

23 

43 

I 25 

28 

24 

43 

25 

9 

| 59 

27 

25 

45 

26 

10 

51 1 

27? 

26 

57 

28 

11 

44 

28 

27 

59 

29 

12 

47 j 

26 

28 

69 

28 

13 

48 

28 

29 

80 

29 

14 

46 1 

27 

30 

83 

30 

15 

46 

25 

31 

85 

31 

16 

45 

25 

32 

84 

31 


Aus diesen Versuchen geht hervor, daß bei der Vagusreizung gleich¬ 
zeitig mit der Verlangsamung des Herzschlages eine Verlängerung des 
K-Ekg einhergeht. Doch spricht manches dafür, daß diese beiden 
Wirkungen nicht streng parallel gehen, so daß die Verlängerung des 

23 * 


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Gck igle 


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332 Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 

K-Ekg nicht einfach als die Folge der Puls Verlangsamung angesehen 
werden kann. So ist aus dem Versuch 6 zu ersehen, daß die durch den 


Versuch 6. 


Nr. 

Dauer d. vorangeh. 
II Herzperiode 


Nr. 

Dauer d. vorangeh. 
Herzperiode 

v. 

1-14 

38 

20 

49 

48 

23 

15 

38 

21 , 

50 

50 

24 

16 

38 • 

20 

51 

49 

23 

17 

38 

20 ' 

52 

54 

23 

18 

38 

22 

53 

52 

24 

19 

358 

26 

54 

57 

24 

20 

90 

26 

55 

63 

24 

21 

54 

26 

56 

68 

25 

22 

46 

26 

57 

75 

25 

23 

44 

26 

58 

77 

25 

24 

43 

23 

59 

81 

25 

28-35 

38,5 

22 

60 

92 

25 

36 

39 

22 

61 

94 

25 

37 

39 

22 

62 

101 

25 

38 

39 

22 

63 

99 

25 

39 

39 

22 

64 

89 

25 

40 

43 

23 

65 

90 

25 

41 

42 

23 

66 

72 

25 

42 

43 

23 

67 , 

57 

25 

43 

43 

23 

68 

54 

25 

44 

45 

22 

69 

50 

24 

45 

44 

23 

70 

48 

24 

46 

45 

23 

71 

48 

24 

47 

46 

23 

72 

46 

24 

48 

46 

23 

i 




langen Stillstand (Nr. 19) hervorgerufene Verlängerung der V t von 
22 auf 26 weiter bestehen bleibt, obwohl mittlerweile die Herzperiode 
auf 43 zurückgegangen ist; dies stimmt ja gut zu der erwähnten Angabe 
von Tigerstedt und Ryömä. 


c) Einfluß des Ausfalles des Acceleranstonus. 

Nach der Durchschneidung der Accelerantes tritt eine allmählich 
sich steigernde Veränderung der Herztätigkeit ein. Diese wird immer 
langsamer, die Kontraktionen werden eigentümlich oberflächlich und 
kraftlos [Rotliberger und Winterberg 19 )]. Gleichzeitig nimmt, wie aus 
der folgenden Zusammenstellung meiner Versuchsergebnisse hervor¬ 
geht, die Dauer des K-Ekg immer mehr zu. Die Vagi waren schon vor 
den Accelerantes durchschnitten worden. 


Go igle 


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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


333 


Versuch 7. 





Periode 

Frequenz 

v. 

Nach Vagotomie 

. . . . 


27 

220 

17 





Superposition 

6 Min. nach Accelerans-Durchschneidung 

33 

180 

20 

14 „ 


tt 

35 

170 

20 

20 „ „ 

»» 

»» 

37 

160 

21 

53 ,, 

»» 

tt 

43 

140 

23 

63 ,, ,, 


tt 

44,5 

134 

23 

71 „ 

»» 

tt 

45 

133 

24,5 



Versuch 8. 

Periode 

Frequenz 

r« 

Nach Vagotomie 



24,5 

245 

19-20 





Superposition 

7 Min. nach Accelerans-Durchschneidung 

37 

160 

20 

12 „ 

* j 

99 

39,5 

153 

20 

15 „ 

* 9 

tt 

40 

150 

21 

20 „ 


•9 

41 

145 

21 

26 „ 

*> 

. . 

42 

— 

22 

30 „ 

99 

99 

43 

140 

22 

44 „ ,, 

9 9 

99 

43,5 

— 

23 

47 „ 


99 

43 

— 

24-25 

76 „ 

„ 

99 

49 

123 

26 

88 „ 

♦ » 

99 

49,5 

— 

24 






(T negativ) 


Versuch 9. 



Periode 

Frequenz 

V, 


Vor Vagotomie. 

. . . 48 

125 

24 

T negativ 

Nach Vagotomie .... 

. . . 34 


21,7 

T zweiphasisch mit 





nachfolg. pos. Phase 

8 Min. nach Accelr.-Durchschn. 50 

120 

29 


10 ,, •, ,, , 

52 

115 

29,5 


Iß 

53,5 


30 


20 

56 


30 

T negativ, dann hoch 


58,5 


31 

über die Abszisse an- 

30 

60 6 

100 

32 

steige nd und langsam 

33 „ 

61 


32 

während der Diastole 

51 ,, ,, J9 9 

68 

87 

34,5 

abfallend 

iyo ,, ., , 

70 

85 

34,5 


71 ,, ,, ,, i 

72,5 

83 

39 



Versuch 10, 




Periode 

Frequenz 

v» 


Nach Vagotomie .... 

. . . 32 


22 

dann b. offen. Thor. 


30 

200 

21 


5 Min. naoh Accelr.-Durchschn. 34 

175 

21 


10,, ,, ,, ,, 

34,5 


21,5 


15 „ 

35,5 

170 

21,5 

► T positiv 

20 „ 

37 

163 

22 


•>5 

99 99 99 99 

37 


22,5. 



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Gck 'gle 


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Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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Versuch 10 (Fortsetzung). 



Periode 

Frequenz V , 


30 Min. 

nach Acceler.-Durchschn. 38,5 

158 21 

T negativ 

40 „ 

„ „ 39 

155 23 

\ 

43 „ 

41 

145 24 


47 „ 

„ 41 

24 

> T positiv 

59 „ 

42 

24 

I 

63 „ 

42 

24 



V ernteh 

13. 



Periode 

Frequenz 

v. 

wenige 

Min. nach Acc.-Durehsehn. 48 

125 

26 T 

40 

» .. •. .. 64 

99 

33 

62 

»» 11 

78 

37 

84 

„ „ ,, „ 83 

72 

40 


Diese Beispiele mögen genügen. Sie zeigen, daß die Ausfalls¬ 
erscheinungen zwar immer in demselben Sinne auftreten, aber dem 
Grade nach recht verschieden sein können, obwohl die Präparation 
der sternförmigen Ganglien immer in der gleichen Weise vorgenommen 
wurde. 


d) Wirkung der Beizung des rechten Accelerans. 

Von den beiden Accelerantes erzeugt der rechte fast immer eine 
stärkere Beschleunigung als der linke. Diese schon lange bekannte 
Tatsache erklärt sich daraus, daß der rechte Accelerans vorwiegend 
die rechte Herzhälfte innerviert, also auch den Sinusknoten, zu dem der 
linke Nerv gewöhnlich nur mit wenigen Fasern in Beziehung steht 
[Jtothberger und Winterberg 19 )]. Bei der Reizung des rechten Gangl. 
stellatum verändert sich die Herztätigkeit in auffallender Weise; sie 
wird förmlich belebt, die nach der Ausschaltung der fördernden Nerven 
oberflächlichen und kraftlosen Kontraktionen werden beschleunigt und 
viel energischer. Gleichzeitig nimmt, wie ich bestätigen kann, die 
Dauer der Systole ab. Dies möge aus folgenden Beispielen hervor¬ 
gehen. Die Wirkung ist natürlich um so deutlicher, je später die 
Reizung vorgenommen wird, weil dann die Ausfallserscheinungen, 
die durch die Reizung rückgängig gemacht werden, viel ausgespro¬ 
chener sind. 

43 

Versuch 7. Vor der Reizung ^ . Dauer der Reizung 0,92". Dann hinter¬ 
einander folgende Werte: 

40 38,5 37,5 37 37 35 34 34 33 33 33 31,5 32 32 32 

22 ’ 22 1 22 1 22 1 22 ’ 21 1 22 1 22 1 21,5 1 21 1 21 1 21 1 21' 20,5 1 20,5 ' * * 

31,5 31,5 31,5 30,5 31 31 31 35 35 35 30 

20 * * ' 21 1 21 1 20 ’ 20 * ’ ’ 20 ' “ 20 ' * ’ 21 ’ 20 1 20 1 20 ' 



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Uber die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


33r> 


2. Reizung. Dauer 1,69". 

40,5 n 36,5 35,5 34 33 32 31 30 30 

\ orher 22 . Dann: 2 *2 1 22 ’ 23 1 ’ * ‘ 23 ’ 22 1 22 ’ ’ * ’ 20 1 ’ ’ * 20 ‘ ‘ ‘ 

32 32 34 38 

20 1 20 ’ * ’ 20 1 ‘ " ’ 20,5 * 


Versuch 8. Vor der Reizung 


43,5 


Dann: 


44 42,5 39,5 35 34 32,5 


23 ’ .. 23 1 22,5 1 23,5 ’ 23 ’ 22 ’ 22 1 

32 31 31 m • j x- 29,5 29 28 27 m , /, . .... , 

22 1 22 ’ 22 • W1Fd " Un negat ' V: ~2l~ ’ 21 ’ 20 ’ 19,5 ' T geht be,m WiederauN 


stieg unmittelbar in P über: 


27,5 26 26 


^ ^ i TH i die weitere Berechnung 


20 1 19 1 19 1 19 1 19 
wegen zunehmender Superposition von T auf P undurchführbar. 


Auch hier scheinen wie beim Vagus die chronotrope Wirkung und 
die Veränderung in der Dauer der Systole nicht aneinander gebunden 
zu sein. Die Beschleunigung kommt etwas früher und hält länger an. 


e) Wirkung der Reizung des linken Accelerans. 


44 5 41 41 

Versuch 7. Vorher . Dauer der Reizung 1,50". Dann: , 

16 22, ö 21,0 

40,5 40 39,5 _39^ 39 38 38 37^5 37 37 36,5 37 

22 ’ 22’ "22 ’ 21,5’ 22’ 21,5’ 21’ 21 1 21 ’ 21 ’ 21 " ' 20 ’ ' ’ ' 21 ’ 

37 38 38 40 40,5 

21’ 21,5 ’ 21 ’ — 31 ’ — 21,5' 


Versuch S. Vorher 


43 
24 ‘ 


Dauer der Reizung 2,10". Dann: 


38 38 

21,5 1 21,5 ‘ 


Entwicklung atrio-ventrikulärer Automatic: 


40 
22 

37 37 36 

20 ’ 20 ' " 20 


38,5 
’ 22 ’ 
35 

” ' 20 ’ 


35 36 3^5 37,5 38 40 40,5 

‘ ' ‘ 19 ' " 19 " ' 19,5 ‘ ‘ ' 19,5 ’ ' ‘ 19 " ' 19 ' " 20" 


41 

2Ö ‘ 


Normalo 


Sukzession: ^ ^ . 

Es ist bezeichnend, daß in beiden Versuchen nach Abklingen der 
Reizwirkung die Dauer der Herzperiode fast auf den Normalwert ab¬ 
gesunken war und die Verkürzung der F f zu dieser Zeit noch anhielt. 


f) Wirkung der intravenösen Injektion von Adrenalin . 

Da das Adrenalin die Sympathicusendigungen erregt, ist von seiner 
Injektion dieselbe Wirkung zu erwarten, wie sie der faradischen Ac- 
celeransreizung zukommt; auch hier wird der Effekt deutlicher sein, 
wenn die Injektion erst nach der Ausbildung deutlicher Ausfalls¬ 
erscheinungen vorgenommen wird. Zu beachten war dabei die Angabe 
von j Fridericia, daß das Adrenalin im Gegensätze zu der körperlichen 
Arbeit, also zur Innervation der Accelerantes, die Systole nur auf¬ 
fallend wenig verkürze. Ich bringe als Beispiel folgende zwei Versuche: 


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336 


V. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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Versuch 8. 30 Min. nach Acceler&nsdurchschneidung: • Nach Adrenalin: 

42 42 40 39,5 38 38 3^5 36 36 34 33,5 32J> Jtl 

22’ 22’ 22’ 22 ’ 21,5’ 21’ 21 ’ 21 ’ 20’ 21’ 20’ 20 1 19 ’ 19,5’ 19,5 ' 

, ... 31 29,5 29 28 28,5 27,5 27,5 26,5 26 26 

f wild positiv: m , w , jg, äl , jp, w , -jj-, jg-g, jjj, 18T6 . 

25,5 25 25 26 25 25 25 25 _, . . ... 27,5—28 30 

18 ’ 18’ 18’ 18’ 18’ 18’ 18’ 18 * stark P ° S,t,T ' ' ' 17,5? ' ' ' 17,5 ' 

Versuch 9. 55 Minuten nach Acceleransdurchschneidung betrug die Dauer der 
Herzperiode 70, die des K-Ekg 34,5. Ich stelle die nach der intravenösen Adrenalin¬ 
injektion auftretenden Veränderungen in Form der nebenstehenden graphischen 
Tabelle dar: die Abszisse enthält der Reihe nach die einzelnen Herzschläge, wäh- 



Abb. 1. «6 Min. nach Acceleransdurchachneidung. Vor und nach Adrenalin. 


rend auf der Ordinate die zugehörige Dauer des K-Ekg (untere Kurve) und die 
Dauer der vorhergehenden Herzperiode (obere Kurve) auf getragen sind. Man 
sieht deutlich, wie beide sich infolge der Adrenalinwirkung verkürzen, und zwar 
die Herzperode viel mehr als die Dauer der V 9 und es ist auch deutlich, daß die 
Beschleunigung früher auftritt als die Verkürzung der V t9 ganz ebenso wie wir 
es oben bei der faradischen Reizung des Accelerans gesehen haben. 

5. Die Dauer des K-Ekg bei den Arhythmien. 

a) Die respiratorische Arhythmie. 

Morphinisierte Hunde zeigen, solange sie spontan atmen, fast immer 
eine sehr starke Sinusarhythmie. Da ich aber auf diese bei der Be¬ 
sprechung der klinischen Kurven noch zurückkomme, brauche ich hier 
nicht näher darauf einzugehen. 



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Uber die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 337 
b) Extrasystolen . 

Hier ist zu untersuchen die Dauer des K-Ekg der Extrasystolen 
selbst und die Wirkung der vorzeitigen Schläge auf das Ekg der folgen¬ 
den Normalsystolen. Daß die Extrasystolen selbst ein verlängertes 
K-Ekg aufweisen, ist wenigstens bei ventrikulären wegen ihres ab¬ 
normen Erregungsablaufes zu erwarten und auch von Fridericia ge¬ 
funden worden. In meinen Versuchen ist diese Verlängerung meist, 
aber nicht immer nachweisbar gewesen. Die vom rechten Ventrikel 
ausgelösten Extrasystolen mit der breiten Anfangsschwankung und 
der tief unter die Abszisse herabreichenden Nachschwankung zeigen 
ein Ekg, welches um 0,02—0,03" länger ist als das der Normalschläge 
(so im Versuch 10: Herzperiode 41, V 8 24, E-S von rechts 26—27). 
Es ist dabei noch zu berücksichtigen, daß diese Ekg sowie die anderen 
mit negativer Nachschwankung wahrscheinlich eine etwas zu kurze 
V 8 ergeben. Die in demselben Versuche vom linken Ventrikel (Spitze) 
ausgelösten Extrasystolen ergaben keine längere, oft sogar noch eine 
kürzere V 8 als die Normalschläge und auch sonst habe ich besonders 
bei linksseitigen Extrasystolen gefunden, daß die Dauer der V 8 von 
der Form des Ekg abhängt: die Kurven mit großen Ausschlägen, be¬ 
sonders mit hoher Nachschwankung, haben meist eine längere Dauer, 
während die kleineren Elektrogramme oft sogar kürzer sind als die 
Normalsystolen. Bei den E-S, die ja immer vorzeitig auftreten, ist 
übrigens noch zu berücksichtigen, daß der verlängernde Einfluß des 
abnormen Erregungsablaufes durch die verkürzende Wirkung des vor¬ 
zeitigen Eintritts ausgeglichen oder sogar überholt werden kann. Es 
ist bekannt, daß die kurz nach dem Ablaufe der refraktären Phase 
ausgelösten Kontraktionen kürzer sind als die, die am Ende der nor¬ 
malen Herzperiode erfolgen (Samojbff bildet ein schönes Beispiel da¬ 
für ab). Man findet deshalb auch, wenn man durch rhythmische 
Reizung eine ventrikuläre extrasystolische Tachykardie erzeugt, daß 
die einzelnen Elektrogramme oft kürzer sind als die Normalschläge, 
die in größeren Intervallen auf einanderfolgten. Wir werden bei der 
Besprechung der Tachykardie darauf noch zurückkommen. 

Bezüglich der Wirkung der Extrasystolen auf die Dauer der nach¬ 
folgenden Normalsystolen wäre folgendes zu sagen. Fridericia beob¬ 
achtete nur nach gehäuften E-S eine Verlängerung der nachfolgenden 
Normalschläge und er erblickt darin den Ausdruck einer Schwächung 
des Herzens. Bei einfachen E-S wäre eine Schädigung doch nur dann 
zu erwarten, wenn sie früh in die erregbare Phase fallen; dann ist aber 
die kompensatorische Pause um so länger und wenn die postkompen¬ 
satorische Systole wirklich ein etwas längeres Ekg aufweist, so könnte 
das zwanglos auf die größere Länge der vorhergehenden Herzperiode 
bezogen werden, müßte also durchaus keine Schwächung des Herzens 


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338 V. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 

bedeuten. Eine solche dürfte aber auch am normalen Hundeherzen 
nicht so leicht durch Rhythmusstörungen zu erzielen sein, eher noch 
längere Zeit nach Ausschaltung des Acceleranstonus, wodurch ja auch 
die Kraft der Herzkontraktionen merklich herabgesetzt wird. Als Bei¬ 
spiel erwähne ich den Versuch 11, in dem 80 Min. nach Accelerans- 
durchöchneidung einzelne und gehäufte E-S vom rechten Ventrikel 
ausgelöst wurden. 


Vorhergeh. 

■ — - — 

Vorhergeh. 

— 

Vorhergeh. 


Herzperiode 

v. 

Herzperiode 

v. 

Herzperiode 

V, 

NS 

| ES 


NS 

ES 


NS 

| ES 


36 


22 

37 


22 


30 


36 


22 

36 


22 


30,6 



26 



28 



36 


47,5 


23,5 


21 



21 


36,5 


22 


36,5 



51 


— 

— 

— 


35,6 



33,5 






22 



20 


36 


22 


17 



18 



24 



20 



32 



18 



19 



37,5 



24 


i 

i 

19 



41 


43 


23 

i 

35 



40 


36 


22,5 


19 



39,5 


— 

— 

— 


32 



38,5 






48 



33 


36 


22 


39,5 



33 



33,5 



20,5 



32 



32 



31,5 



32,5 


44,5 


24 


23 



35,5 


36,5 


22 


32 


62 


25 

— 

— 

— 


39,5 


36,5 


22 





34,5 


36,5 


22 





21 









21 









39,5 









20 









27 








39,5 


24 





Die obige Tabelle zeigt zunächst drei Stellen, wo 1—3 Extrasystolen 
ausgelöst worden waren und man sieht, daß die postkompensatorische 
Systole nur um 1—2 Hundertstelsekunden länger ist als die vorher¬ 
gehenden Normalschläge. Der zweite Teil der Tabelle entspricht einem 
längeren Kurvenstück, wo hintereinander 25 E-S in verschiedenen 
Abständen auftraten, dann kommt ein Normalschlag und auf diesen 
folgen 19 E-S ohne Unterbrechung. Auch nach diesen langen Reihen 
sind die postkompensatorischen Systolen nur um 2 bzw. 3 1 / 100 Sekunden 


Go gle 


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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 339 

länger. Diese haben eine besonders hohe Nachschwankung, die aber 
schon beim nächsten Schlag wieder die gewöhnliche Größe aufweist. 
Auch die nach einzelnen E-S oder nach ganz kurzen Reihen auftreten¬ 
den N-S haben eine etwas l^öhere Nachschwankung. Man wird, ohne 
dabei einen Zusammenhang konstruieren zu wollen, doch daran er¬ 
innert, daß die postkompensatorische Systole auch in den mechanischen 
Kurven besonders groß auszufallen pflegt. Bei den in der obigen Tabelle 
enthaltenen Reihen sind die Intervalle zwischen den E-S zwar ungleich, 
aber es sind doch mehrere sehr kurze darunter (18—20) und von diesen 
wäre immerhin eine Schädigung des Herzens zu erwarten gewesen; 
allerdings war die durchschnittliche Reizfrequenz vielleicht nicht hoch 
genug, denn die erste Reihe entspricht der Dauer von 20, die zweite 
von 19 Normalsystolen. Man müßte also diesen Versuch mit größeren 
Reizfrequenzen wiederholen und unter Umständen, die das Herz einer 
Schädigung zugänglicher machen. Ich habe dies vorläufig unterlassen, 
um mich nicht zu sehr in Einzelheiten zu verlieren. 

c) Tachykardie bei Vorhofflimmern. 

Wenn man die Vorhöfe eines rhythmisch mit mäßiger Frequenz 
schlagenden Herzens zum Flimmern bringt, wird die Kammertätigkeit 


T 2 3 4 5 « 7 8 | 10 11 12 13 H 15 16 17 



043 r tt.44 , 0.40 , <ua I 0L20 ! 022 I 0« I 021 I 022 I <X23 I 0^3 ! 0^2 I 021 I 020 1 0122 I 022 t 022) 

Abb. 2. 


nicht nur unregelmäßig, sondern auch stark beschleunigt. Dies erklärt 
sich leicht daraus, daß die Kammern jetzt viel mehr Reize bekommen 
als früher: sie brauchen eigentlich nur das Ende der refraktären Phase 
abzuwarten, um sich sogleich wieder zusammenzuziehen. Es könnte 
demnach eine Tachykardie entstehen, bei der die Herzperiode gleich 
der refraktären Phase ist. Dagegen besteht zum Unterschiede von den 
durch Acceleransreizung erzeugten Tachykardien von gleicher Frequenz 
scheinbar keine Veranlassung für eine Verkürzung der refraktären 
Phase. Und doch tritt diese bei guter Reizleitung ein; dies zeigt 
die Abbildung 2, die ich mit Erlaubnis von Herrn Prof. Roth - 
berger einer Arbeit von Kaufmann und Rothberger 20 ) entnehme. Die 
Kurve entstammt einem Versuch am Hunde, bei dem nur der linke 


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340 V. Miki: Experimentell© und klinische Untersuchungen 

Vagus durchschnitten war; außer dem Ekg wurde auch der Druck aus 
der Carotis verzeichnet. Das Herz schlägt regelmäßig, die Dauer einer 
Herzperiode beträgt 43—44, die Dauer der V t 28. Nach Beizung des 
Vorhofs tritt eine Kammertachykardie ein und die Dauer der Herz¬ 
periode verkürzt sich auf 20—23. Der Grund hierfür wird klar, wenn 
wir die Kurve näher betrachten: Der mit 4 bezeichnete Schlag kommt 
schon nach 0,40", er ist also vorzeitig und stellt, wie auch aus der 
anders geformten Vorhofzacke zu erkennen ist, eine aurikuläre Extra¬ 
systole dar. Die Dauer des zugehörigen K-Ekg beträgt jedoch wie 
die der Normalschläge 28. Die Kammern werden aber nun, wahr¬ 
scheinlich infolge der durch die linksseitige Vagotomie erleichterten 
Reizleitung, gleich nach dem Ende der refraktären Phase wieder von 
einem Reiz getroffen (Systole 5) und durch diese vorzeitige Inanspruch¬ 
nahme der Contractilität wird die refraktäre Phase auf 20 verkürzt; 
da infolge der guten Reizleitung auch am Ende dieser verkürzten re¬ 
fraktären Phase immer wieder ein Reiz zur Stelle ist, entsteht keine 
längere Pause und so entsteht die Tachykardie, bei der die Herzperiode 
ungefähr ebenso lang ist wie die verkürzte refraktäre Phase. Diese 
Kurve ist eine gute Illustration für die schönen Versuche von Samoj - 
Zo// 21 ): „Wenn am stillstehenden Herzen nach dem Ablaufe einer 
künstlich hervorgerufenen Kontraktion sofort ein zweiter Reiz nach- 
geschickt wird, so vollzieht sich der Verlauf der zweiten elektrischen 
Schwankung in kürzerer Zeit als der der ersten. Auf diese Weise kann 
man durch immer weitere Verkürzung der wirksamen Reizfrequenz 
einschleichend zu hohen Schlagfrequenzen gelangen.“ „Das Herz er¬ 
laubt wohl eine rasche Reizfolge, es sträubt sich nur gegen eine plötz¬ 
liche Steigerung der Frequenz.“ In unserem Beispiel ist eine fort¬ 
schreitende Verkürzung der refraktären Phase nicht eingetreten, 
wahrscheinlich deshalb, weil die Steigerung der Reizfrequenz eine zu 
brüske war; zeigt doch auch die veränderte Form des Kammer-Ekg 
mit der tief negativen Nachschwankung, daß auch die Leitung in den 
peripheren Anteilen des Tawaraschen Schenkels nur sehr im vollkommen 
funktioniert und ein Blick auf die über dem Ekg verzeichnete Pulskurve 
zeigt, wie es mit dem mechanischen Effekt dieser überstürzten Systolen 
bestellt ist. Ganz ähnliche Verhältnisse findet man ja auch bei der 
Arhythmia perpetua des Menschen nicht selten, allerdings sind lange 
Reihen derartiger frustraner Kontraktionen nicht häufig und offenbar 
lebensgefährlich. Es wäre sehr interessant, die Dauer der Kammer¬ 
systole beim Vorhofflimmern weiter zu studieren, aber dies ist wieder 
ein Nebenthema, das ich vorläufig nicht weiter verfolgen kann. 

Nur die bereits eingangs erwähnte Arbeit von Straub 1 *) gibt Anlaß 
zu einigen Bemerkungen. Stra'ub beschreibt einen Fall, von aurikulärer 
Tachykardie; die Frequenz betrug außer dem Anfall 60 —72, im Anfall 



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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 341 

160—172, die Dauer des Kammer-Ekg verkürzte sich dabei von 0,39 
auf 0,25. Straub sagt nun: „Es handelt sich, wie wir gesehen haben, 
um Ventrikel, die ihre Reize mit der Sicherheit des Experimentes auf 
dem normalen Wege erhalten, nur außerhalb und während des Anfalls 
mit verschiedener Frequenz. Nun wissen wir aus Tierexperimenten, 
daß unter solchen Bedingungen so gut wie ausschließlich die Dauer der 
Diastole beeinflußt wird, während die Systole merklich ungeändert 
bleibt. Im vorliegenden Fall ist die Dauer des Ventrikel-Ekg auf we¬ 
niger als zwei Drittel herabgesetzt. Daß die Systole selbst sich so sehr 
verkürzt habe, darf wohl als ganz ausgeschlossen gelten. Wie verträgt 
sich diese Feststellung mit unseren Vorstellungen vom Wesen des 
Ekg?“ Es ist nicht schwer, diese Ansicht Straubs auf Grund unserer 
Abb. 2 zu widerlegen. Auch hier handelt es sich um eine Kammer- 
Tachykardie aurikulären Ursprungs und auch hier wird die Dauer des 
K-Ekg auf etwa zwei Drittel (von 28 auf 20) verkürzt; und doch wird 
niemand daran zweifeln, daß sich auch die Dauer der Systole in dem¬ 
selben Grade verkürzt habe: denn die Kammer-Ekg schließen fast 
unmittelbar aneinander, und da eine Superposition am Herzen nicht 
vorkommt, können auch die Systolen nicht länger sein. Daß die Dia¬ 
stolen hier fast vollständig fehlen, lehrt ein Blick auf die Kurve. Zu¬ 
dem ist der von Straub vorgebrachte Einwand, daß sich bei Frequenz¬ 
steigerungen fast nur die Dauer der Diastole ändere, hier nicht stich¬ 
haltig. Er trifft zwar innerhalb der physiologischen Schwankungs¬ 
breite zu, bei hohen Frequenzen aber nicht mehr. Denn so wenig ver¬ 
änderlich auch sonst die Dauer der Systole sein mag — wenn einmal 
so gut wie keine Diastole mehr da ist, kann eine weitere Frequenz¬ 
steigerung eben nur auf Kosten der Systole erfolgen. Wenn auch, 
wie wir eingangs auseinandersetzten, die Dauer des K-Ekg der Dauer 
der mechanischen Systole nicht immer gleichgesetzt werden darf, so 
bietet doch die Beobachtung Straubs keinen Anlaß zu „neuartigen 
Überlegungen zur Deutung des Ekg“. 

d) Schenkelblock. 

Die Durchschneidung eines Taivara&chen Schenkels ändert die zeit¬ 
lichen Beziehungen der Kontraktion der beiden Kammern, sie führt 
zur Längsdissoziation. Wie die Versuche von Eppinger und Rothberger 22 ) 
ergeben haben, bleibt dabei die von dem Eingriffe betroffene Kammer 
um 0,03—0,04 Sekunden zurück, weil sie den Reiz nicht mehr direkt, 
sondern auf dem Umwege über die andere Kammer erhält. Schon 
aus diesem Grunde ist eine Verlängerung der Dauer der Systole beim 
Schenkelblock zu erwarten, und zwar, um eben diesen Betrag von 
0,03—0,04". Aber die ausführlichen Untersuchungen von Rothberger 
und Winterberg**) haben ergeben, daß die zutagetretende Differenz 


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342 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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nicht immer diesen Betrag aufweist. Ich führe in der folgenden Tabelle 
diejenigen Ergebnisse aus der erwähnten Arbeit an, welche die voll¬ 
ständige Durchtrennung eines Schenkels betreffen. 



Durchschnittener 

Frequenz j 

| Dauer der Eammersystole 

Differenz 


Schenkel 

vorher 

| nachher | 

| vorher 

nachher 

1 1 

rechts 

175 

120 

22 

26 

4- 4 

2 

links 

170 

150 

20 

26 

- 6 

3 

rechts vorüber- 

150 ' 

140 

22 

25 

- 3 

4 

gehend 

rechts 

145 1 

150 

24 

28 

+ 4 

5 | 

rechts 

145 i 

145 

25 

28 

+ 3 

6 

rechts 

165 

175 

20 

25 

+ 5 

7 

links 

165 

155 

20 

25 Abi. I 

4- 5 





20 

28 Abi. 

+ 8 

8 

rechts 

175 

! 180 

Anus- Oesophagus 

21 | > 24 

>+ 3 

9 

rechts 

165 | 

145 

24 , 

29 

4- 5 

10 

links 

210 | 

200 

19 ; 

22 

+ 3 


Bei der Würdigung der oben mitgeteilten Ergebnisse muß aber 
berücksichtigt werden, daß nach der Durchschneidung eines Schenkels 
die Frequenz fast immer abnimmt und daß schon damit eine Verlänge¬ 
rung der Systole verbunden ist. So kann im ersten Falle die Ver¬ 
längerung um 0,04" fast ganz der bedeutenden Herabsetzung der Fre¬ 
quenz zugeschrieben werden; wo die Verlangsamung weniger ausge¬ 
sprochen ist, wäre etwas von der Differenz abzuziehen. Die Versuche, 
wo die Frequenz ganz oder fast ganz gleich geblieben ist (Nr. 4, 6, 8 
und 10) zeigen die erwartete Verlängerung um 0,03—0,04". Auch ich 
habe in einem Versuche (14) den rechten Schenkel durchschnitten, 
ohne daß eine Frequenzänderung eingetreten wäre. Die Dauer einer 
Herzperiode betrug vorher und nachher 46—47, dagegen hatte sich 
das K-Ekg von 28 auf 32 verlängert, also um 0,04". Interessant ist, 
daß im Versuch 7 der obigen Tabelle das bei Abi. I aufgenommene 
Ekg eine andere Verlängerung ergibt als das vom Anus und Oesophagus 
gewonnene. — Es zeigt sich demnach daß die Verlängerung der Systole 
nach einseitiger Schenkeldurchschneidung zwar konstant, aber ihrem 
Ausmaße nach nicht so gleichmäßig ist, daß sie zu den charakteristischen 
Folgen gerechnet werden könnte, hier kommt neben der tiefgreifenden 
Veränderung des Ekg vor allem der Verbreiterung der Anfangsschwan¬ 
kung (Q, R, S) eine viel größere Bedeutung zu. 

e) Dissoziation. 

In neun Versuchen habe ich am Schlüsse das Atrioventrikular¬ 
bündel komprimiert, um die Veränderung in der Dauer der Systole 
zu studieren. Ieh bediente mich dabei entweder der bekannten Klemme 


Gck igle 


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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 343 


Ver- 

_ _ _ 

vorher 

- 

’ 

nachher 


r*- 

such 

V 

F 

v. 

P 

F | 

W 


i 

41 

145 

27 




Vorher KCl und Oxalsäure. 




190 

31,5 

41 

Anfangsschwankung unveränd., 







das negative T steigt hoch 







über die Abszisse an. 

2 

66 

90 

32 




Vorher vorübergehende Klem- 

i 






mung der Cava und der Aorta. 




274 

22 

42 

T vorher und nachher breit nega- 




(rechts-ventr. 

F.) 

tiv, Anfangsschwankung nach- 




192 

31,5 

45 

her verbreitert und gespalten, 

i 



(links 

-ventr. F.) 

dann links ventrikuläre Form. 

8 

46 

130 

25 




42 Min. vorher Erstickung. 

1 



73,5 

82 

33,5 


1, 


78 

76 

30,5 

Links-ventrikul. Form. 




94,5 

64 ; 

30 


1 



163 

37 | 

32 





110 

54,61 

30 





162 

37 ! 

31 


1 



137 

_ 

30 

Das K-Ekg nähert sich der Nor- 




109 

- 

30 

malform. 

1 



161 


31 


9 ! 

72,5 

83 

39 




20 Min. vorher Chloroformnar¬ 


■ 





kose. Herz erholt. 


| 


177 

34 

52,5 



1 


191 

31,6 

56 

Nach Reiz. d. recht. Accelerans. 

1 



188 

32 ; 

59 


i 




177 

34 | 

49 

Nach Reiz. d. linken Accelerans. 





167 

36 

54 

Nach Durchschneidung d. rech¬ 

1 






ten Schenkels. Die Form des 







K-Ekg ändert sich nicht. 


1 





(rechtsseitiger E-S). 

10 


1 

100 

58 

26 

Schlanke Anfangsschwankung, T 

1 


1 

bis 

bis 


negativ, spontane Dissoziation 

1 


i 

103 

60 


durch hohen Vagustonus . 


32 

185 

22 




Nach Vagotomie. 

12 

62 

95 

32 




27 Min. nach Erstickung. 





88 

67,5 

35 

T posit., keine Dissoziation. 

i 

1 





Klemme mehr zugezogen, Disso¬ 


i 



! 


ziation. 

f 

I 


299 

20 

52 

Form d. rechtsseit E-S mit brei¬ 

| 




l 


ter Anfangsschwankung. 




242 

25 1 

53 

Form der linksseit. E-S, T zwei- 

i 

] 







phasisch, zuerst stark negativ. 

14 ! 

46 

130 

32 




Nach Durchschneidg. d. recht. 

i 






Schenkels 24 Min. n. Muskarin. 


i 


158 

38 

42 

Form d. linksseit. E-S. 


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Gck igle 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 





344 


Y. Miki: Experimentelle nnd klinische Untersuchungen 
(Fortsetzung.) 


Difitized by 


Ver¬ 

such 

1 

L . 

1 p 

vorher | 

nachher I 


| F 

l r ‘ 

1_ p 

| F 

i 

" "1 

16 

1 

55 

'110 

28 

i 



Nach Chinin (0,3g im ganzen, 10 







Min. nach d. letzten Dosis von 






1 

0,2 g). 




666 

9 

46 




634 

9,5 

43 

Schlanke Anfangsschwankg., R. 



400 

15 

41,5 

und S ungefähr gleich hoch, T 


i 


334 

18 ! 

41 

negativ (T war auch vor der 


1 


502—518 

11,5 

44 

Abklemmung negativ.) 

13 

83 

72 

40 



■ 

97 Min. nach Accelerans-Durch¬ 







schneidung (vorher nur Vor- 






hof reizungen). 

1 


128 

46 

44 

123 Min. nach Accelerans-Durch - 

1 


200 

30 

46 

schneidung, keine Dissoziation, 

i ; 





Überleitungszeit v. 14 auf 33 bis 

j 






34 verlängert, R kleiner, S 

r 






tiefer, T gleich. 




114 

53 

; 44 

Nach Reizung d. rechten Acceler., 






1 

Überleitungszeit auf 30 ver¬ 

l 




1 

kürzt. 


von Erlanger oder des von Meahins 24 ) angegebenen zangenförmigen 
Instrumentes. Dieses besteht aus zwei Teilen, die gesondert in die 
obere Hohlvene und den von der Aorta abgehenden Truncus comm. ein- 
geführt und bis zum oberen Rande des Kammerseptums vorgeschoben 
werden. Dann werden die beiden hervorstehenden Teile vereinigt und 
man kann durch mehr oder weniger starken Druck verschiedene Grade 
von Leitungsstörung erzielen. Mit beiden Instrumenten gelingt es nach 
einiger Übung fast immer, vollständige Dissoziation herbeizuführen. 

Die vorstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die Ergebnisse meiner 
Versuche. ( p = Herzperiode, F = Frequenz, V t = Dauer des K-Ekg.) 

Es geht aus der obigen Zusammenstellung hervor, daß sich in allen 
Versuchen, wo die Reizleitung vollständig unterbrochen war, die Dauer 
des K-Ekg beträchtlich verlängert hat. Es entsteht nun die Frage, ob diese 
Verlängerung nur als die Folge der bedeutenden Herabsetzung der 
Frequenz anzusehen ist. Wenn dies der Fall wäre, müßte man erwarten, 
daß den gleichen Frequenzen auch ungefähr gleich lange Systolen ent¬ 
sprechen. Schon ein Blick auf die Tabelle lehrt aber, daß dies nicht 
der Fall ist. Wenn man die bei normaler Heizleitung gewonnenen Werte 
nach der Länge der Herzperiode ordnet, ergibt sich folgende Reihe: 

Ü’ 27’ Ü ^ V ° r ^ er ® urc ^ 18c ^ me ^ un 8 des rec hte n Schenkels), 

55 62 66 72,5 83 „ . . , , . , ... .. , „ . , 

28 * 32» 32’ 39 » 40 • Es nimmt also gleichzeitig mit der Herzpenode 



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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


345 


auch die Dauer der Systole zu, was ja bekannt ist. Nach Eintritt der 
Dissoziation findet man aber eine weitgehende Unabhängigkeit der 
Dauer des K-Ekg von der Länge der vorhergehenden Herzperiode 
und zwar schon in einem und demselben Versuche. So schwankt im 
Versuch 8 die Periode von zwischen 73 und 162, ohne daß sich die 
Dauer des K-Ekg ändert. Noch deutlicher wird der Mangel an Überein¬ 
stimmung, wenn man die verschiedenen Versuche miteinander ver¬ 
gleicht und die gefundenen Werte wieder in eine Reihe zu bringen 


k , 0 73—162 158 . 190 0 192 /r . _ . 274 . k . 

8Ucht ' 8 - 31=333’ 14 ' 42 1 L IT' 2 - 45 ,hnke POTm) ’ "42 (rechte 

x io 300 / i < tji , 242 /rl r % 1Ä 334 400 

Form), 12. - - (rechte Form), (linke Form), 16. -pp, -pp—, 

ÖZ öo 41 41,5 


502—518 
44 1 


. Auffallend ist das Ergebnis in drei Versuchen. 

43 AR 


666 

46 


Im Versuch 10 bestand von vomeherein Dissoziation infolge des durch 
die Morphinisierung gesteigerten Vagustonus; hier ist die auffallend 
kurze Systole von 26 bemerkenswert; daß der Vagus die Dauer der 
refraktären Phase und der Systole verkürzt, ist ja bekannt. Nach 
der Vagotomie steigt die Frequenz auf das Dreifache, die Systole nimmt 
aber nur von 26 auf 22 ab. Im Versuch 9 ist die Systole im Verhältnis 
zur Frequenz nach der Abklemmung auffallend lang. Das Herz war 
20 Minuten vorher durch Chloroforminhalation stark geschädigt worden, 
hatte sich aber mittlerweile anscheinend vollständig erholt; es war gut 
gefärbt, schlug kräftig und weder die Frequenz noch die Dauer der V t 
vor der Abklemmung können als ungewöhnlich bezeichnet werden. 
Nachher aber ist die Systole doch auffallend lang und es ist nicht aus¬ 
geschlossen, daß darin eine Nachwirkung der Chloroformschädigung zu 
erblicken ist. Im Versuch 13 war keine Dissoziation, sondern nur eine 
Leitungserschwerung erzielt worden; die Systole verlängerte sich nur 
von 40 auf 44, während die Frequenz um mehr als 50% abnahm. Das 
ist zum Vergleich mit den ersten Werten im Versuch 8 immerhin von 
Interesse. Endlich ist im Versuch 16 die außerordentlich hochgradige 
Bradykardie nach der Abklemmung auffallend; sie steht mit der relativ 
kurzen Systole (41—46) in gar keinem Verhältnis. Die geringe Auto¬ 
matic der Kammern ist in diesem Falle wohl dem Chinin zuzuschreiben 
und es ist interessant, daß eine schädigende Wirkung vor der Ab¬ 
klemmung, als das Herz noch vom Sinus geführt wurde, nicht zum 
Ausdruck kam. 

Der Ausgangspunkt der automatischen Kontraktionen kann dort, 
wo die Anfangsschwankung schlank bleibt, an oder unterhalb der 
Kompressionsstelle, also noch im unpaarigen Teil des Bündels gesucht 
werden. Dies trifft in den Versuchen 1 , 16 und für die spontane Dis¬ 
soziation im Versuch 10 zu. In den anderen Experimenten entstanden 

z. f. d. g. exp. Med. XXVn. 24 


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Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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346 


die Ursprungsreize nach der Abklemmung im rechten oder im linken 
Schenkel, wobei auch ein Wandern der Ursprungsstelle, manchmal 
gleichzeitig mit einer Änderung der Frequenz beobachtet wurde. Eine 
nähere Lokalisation gestattet der Versuch 9. In diesem Versuche 
hatte das K-Ekg der automatischen Schläge die Form der rechtsseitigen 
Extrasystole und diese blieb unverändert, als der rechte Schenkel 
durchschnitten wurde. Daraus folgt, daß der Ursprungsreiz der auto¬ 
matischen Kontraktionen jenseits des Schnittes, also vielleicht am 
medialen Papillarmuskel der rechten Kammer entstanden sein mußte. 
Natürlich habe ich mich durch die Autopsie davon überzeugt, daß der 
Schenkel sicher durchtrennt worden war. 

Endlich möchte ich noch einen Versuch aus dem Jahre 1917 be¬ 
sprechen, dessen Kurven mir Herr Prof. Rothberger zur Verfügung 
stellte. Die Dauer der Herzperiode und der Systole betrugen vor der 


Vagotomie 


66 

24 


, nachher 


34 

18* 


Nach Anlegung der Erlanger -Klemme trat 


zunächst ein langer Herzstillstand ein; die Kammern wurden künst¬ 
lich gereizt und die Klemme gelockert, worauf ein Block 2 : 1 eintrat 

164 

mit einer Überleitungszeit von 0,36"; die anderen Werte waren nun — 

«5 «7 

Bald trat Dissoziation ein, wobei die Kammern etwas rascher schlugen 

(^), die Nachschwankung war negativ und stieg dann über die Abszisse 

an. Später ging die Dissoziation wieder vorüber, es gingen nun zwei 
Vorhofschläge nacheinander über, wobei die P-R-Intervalle 23 und 29 
betrugen, die Periodenlängen abwechselnd 74 und 136; die Dauer der 
Systole war aber nach den kurzen und nach den langen Perioden gleich. 
(32), die Nachschwankung nun positiv. 


6« Die Dauer der Systole bei der Erstickung. 

Ich habe die hier zu besprechenden Versuche deshalb ausgeführt, 
weil ich sehen wollte, wie sich die Dauer der Systole bei der durch 
die Asphyxie erzeugten extremen Herzschwäche verhält. Da diese 
Versuche nicht nur bezüglich der Frage, die ich im Auge hatte, sondern 
auch sonst zu interessanten Ergebnissen führten, will ich sie hier etwas 
genauer beschreiben. 

Es wurde zuerst ein Kurvenstück bei künstlicher Atmung auf- 
genommen, wobei auch die mechanischen Kurven vom rechten Herz¬ 
ohr und der rechten Kammer verzeichnet wurden. Dann setzte ich die 
künstliche Atmung aus, nahm in den verschiedenen Stadien der Er¬ 
stickung kurze Kurvenstücke auf und notierte, was die Autopsie des. 
bloßgelegten Herzens ergab. 

Als Beispiel diene der in der folgenden Tabelle dargestellte Versuch; 



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über die Dauer des K-Ekg (Kannner-Elektrokardiogramms). 


347 


Versuch 6. Erstickung 104 Min. nach beiderseitiger Vagotomie, 92 Min. 
nach Durchschneidung beider Accelerantes. 



Dauer der 1 

Dauer 

| 

Svstole j 

vorher- ' 


! 

Nr. ,! 

gehenden i 
Herzperiode j 

K-Ekg 

! 

1 

40 

22 

Vor der Aussetzung der Atmung. 

2 

41 1 

21 

■ 

3 

41 

21 

Xachschwankung positiv. 

4 

41 

21 


5 

41 

18 

Nach Aussetzung der künstlichen Atmung. 

6 

41 

19 

! Von hier an Muskelunruhe, dann Krampfe. 

7 

42 

19 

i 

8 

42 

18 


9 

35 

18 

Deutliche Vergrößerung der mechanischen Ausschläge. 

10 

35 

18 

i 

11 

36 

18 


12 

35 

18 


13 

52 

18 


14 

53 

17 

Verkleinerung der mechanischen Ausschläge, trägerer 
Anstieg der Suspensionskurve der Kammer, der 

1 i 

V? 

18 

19 

Vorhof steht dilatiert still. 

10 

52 


17 

52 

19 

Xachschu'ankung hoch positiv. 

18 

54 

18 


19 

55 

17 

Her/, deutlich cyanotisch und gebläht. 

20 '! 

1 61 

18 


21 

62 

18 


22 

86 

20 

Weitere Verkleinerung der mechanischen Ausschläge, 
träger Anstieg der Suspensionskurve der Kammer, 
Nachschwankung stark positv. Überleitungszeit nicht 
verlängert (9 — 10). 

23 

85 

19 


24 

89 

20 


25 

86 

19 


26 

70 

20 

Sehr niedrige mecImnische Ausschläge, Nachschwan¬ 
kung hoch positiv, a—v Leitungsstörung: die Über¬ 
leitungszeiten wachsen periodisch von 13 auf 15 und 
17, dann^Kammersystolenausfall. 

27 

64 

20 


28 

114 

20 



66 

28 

Nach Wiederherstellung der künstlichen Atmung. Xach¬ 
schwankung positiv. Träge, mäßig hohe mecha¬ 
nische Ausschlage von der Kammer. Dann Bige- 
minie mit ventrikul. Extrasystolen verschiedenen 
Ursprungs. 


65 

44 

25 

22 

Nachschwankung negativ , mechanische Ausschläge 
; größer und rascher ansteigend. 


42 

21 

Kräftige, normale Herzaktion, Nachschwankung zwci- 
phasiseh mit vorangehender Negativität. 


24* 


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AUiAUMj 


11UMMUUH 

NtfffmMvm 


f*»iMM»MI♦»< t}n »I 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


Die folgenden Versuche kann ich kürzer beschreiben. 

Versuch 7. Erstickung 71 Min. nach Vagus- und Acceleransdurchschneidung. 
45 

Vorher , R klein und gespalten, Nachschwankung niedrig, mehrphasisch. Nach 

Aussetzung der Atmung zuerst Verkleinerung der Anfangsschwankung, Dauer 
von T wegen Muskelunruhe nicht bestimmbar. Stellenweise, wahrscheinlich mit 
der Verlagerung des Herzens durch spontane Atembewegungen zusammenhängend, 
bedeutende Vergrößerung aller Ausschläge: R ist nun hoch und nicht gespalten, 
4 fc 2 38 

S tief, T stark positiv. 9 .,, dann , , T negativ, die mechanischen Ausschläge 

ZO ZJ,Ö ^ FjQ 

brüsk ansteigend und nicht verkleinert. Dann 01 , T schwach positiv. Dann 9 . 

Z1 Z4 

bei deutlicher Verkleinerung der mechanischen Ausschläge. Dann 99 , T positiv, 

76 

dann 91 , starke Verkleinerung der Suspensionskurven, dabei T stark positiv . Dann 
80 ~ ^ 

91 , weitere Verkleinerung der mechanischen Ausschläge, T hoch positiv. Nach 
* 1 52 

Wiederherstellung der Atmung 9 - - , T positiv, gute mechanische Ausschläge. 

46 5 44 . 41 

Dann , dann 9 ^ , T positiv, zum Schluß » T stark positiv. 

Versuch S. 88 Min. nach Vagus- und Acceleransdurchschneidung, 2 Min. nach 
Atropin. Der Vagus ist nicht ganz gelähmt, doch tritt bei Reizung mit starkem 


Abb. 3n. Bei künstlicher Atmung. 


Abb. 8b. Nach Aussetzung der Atmung. Abb. 3c. 

Strom nur ganz schwache Verlangsamung ein. Ich beschränke mich darauf, von 
diesem Versuche einige Kurvenstücke abzubilden, welche die auch sonst be¬ 
obachteten Veränderungen in überzeugenderWeise erkennen lassen. Abb. 3 a ent- 


Original fro-m 

UNIVERSITY GR-MINNESOTA 


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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


349 


spricht dem Normalstück bei künstlicher Atmung, deren Wirkung man an den 
wechselnden Fußpunkten der Kammersuspensionskurve erkennt. Die Nach- 

49 5 

Schwankung ist negativ, p und V» ^ . Bald nach Aussetzung der Atmung (Abh. 3 b) 
sind die mechanischen Kurven weniger breit, die Nachschwankung beginnt sich 





Abb. 3d. Abb. 3e. 




■ 



Abb. 3 '. Nach Wiederherstellung der künstlichen Atmung. 



Abb. 3 g. 


Abb. 3 h. 


36 


zu heben, Herzperiode und V, sind kürzer, ^ • Abb. 3c zeigt (bei deutlicher Dilata¬ 
tion des Herzens) eine Verkleinerung der mechanischen Ausschläge, die nun viel 
träger ansteigen. Dabei ist die Nachschwankung außerordentlich hoch. Die Fre¬ 
quenz hat etwas abgenommen, die Dauer der Systole sich aber weiter verkürzt 

_0g 

17 ~ 17 5 * Abb. 3d zeigt dieselben Veränderungen in noch stärkerem Maße und 
Abb. 3e entspricht dem Stadium, wo die Tätigkeit des maximal erweiterten Herzens 


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Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


Difitized by 


350 


so abgeschwächt war, daß ich es nicht wagte, die Aussetzung der künstlichen 
Atmung noch weiter andauem zu lassen. Die Frequenz ist weiter zurückgegangen, 
die Dauer des K-Ekg hat nur unwesentlich zugenommen. Imposant ist auch hier 
der Gegensatz zwischen der Schwäche der Herztätigkeit und der Höhe der Nach¬ 
schwankung. Das erste Stück nach der Wiederherstellung der künstlichen Atmung 
(Abb. 3f) zeigt zunächst noch keine Besserung der Herzkraft, die Frequenz hat 
weiter stark abgenommen, die V, beginnt aber länger zu werden und die Nach¬ 
schwankung ist viel niedriger. Die beiden letzten Kurvenstücke (Abb. 3 g und h) 
zeigen die Wiederkehr der Herztätigkeit zur Norm. Die Frequenz kehrt ungefähr 
zur früheren Höhe zurück, die V$ bleibt noch etwas kürzer, es ist aber wegen der 
Form der zweiphasischen Nachschwankung nicht sicher, wo man messen soll: 
wenn man das Ende der V, an den Punkt verlegt, wo das Saitenbild zur Abszisse 
zurückkehrt, bekommt man ungefähr dieselben Werte wie vor der Erstickung. 


43 

Versuch 9. 98 Min. nach Durchschneidung der Herznerven -r? , T negativ. 
41 39 

Nach Aussetzung der Atmung 0 , T wird positiv. - «, spontane Atembewegungen. 
3(5 36 "" 

'. u , T tief negativ. , T zweiphasisch mit nachfolgender stark positiver 
47 1^0 

Phase. Vorhof steht dilatiert, Kammerkurve breit, träge ansteigend und ver- 
lo 53 60 

kleinert, T hoch 'positiv. Dann T hoch positiv, yg ^ > T unverändert hoch, 

Ausschläge der Kammer ganz klein. Nach Wiederherstellung der künstlichen 

39 5 34 

Atmung ' ’ , T stark positiv, kräftige Herzaktion. Dann . , T breit und 
Zo 34 ~l 

negativ, zum Schluß > T wie vorher. 


50 

Versuch 12. 83 Min. nach Durchschneidung der Herznerven. ' ü , T pos. Nach 
57 

Aussetzung der Atmung , Herz stark dilatiert, mechanische Ausschläge ver- 
Z4 60 

kleinert, T positiv und viel höher als vorher. Dann » Ausschläge kleiner, T noch 
64 

größer. Dann ^ » der Vorhof kontrahiert sich noch ganz gut, dagegen ist der 

Anstieg der Kammersuspensionskurve kaum noch zu sehen, T hoch positiv. Nach 

67 5 

Wiederherstellung der künstlichen Atmung ’ , Herztätigkeit und Form des 

93 

Ekg noch unverändert. Dann , T negativ, Kammersuspensionskurve träge 
93 5 ^ 

und niedrig. Dann , T negativ, Kammerkurve steigt schon rascher an. Dann 

78 zy^o »jtq 

.. 4> , T positiv, gute mechanische Ausschläge. Dann , T stark positiv, kräftige 

"jZ ÖÖ 

Herzaktion. Zum Schluß , 


Ich habe hier alle Versuche, die ich ausgeführt habe, beschrieben, weil 
ihre Ergebnisse in bemerkenswerter Weise miteinander übereinstimmen, 
so daß man in den aufgefundenen Veränderungen wohl gesetzmäßige 
Beziehungen annehmen darf. Unmittelbar nach der Aussetzung der 
Atmung ändert sich noch nichts: man kann diese Zeit wohl als das 
Stadium der Apnoe ansehen, welche durch die vorhergehende, das 
Atembedürfnis wahrscheinlich übersteigende Ventilation der Lungen 
bedingt wird. Nach wenigen Minuten nimmt aber die Frequenz zu 
und die Herztätigkeit wird deutlich kräftiger. Da mm in allen meinen 
Versuchen die Accelerantes durchschnitten waren, und zwar vor so 



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Uber die Dauer des K-Kkg (Kamraer-JIlektrokardiogTaiiims). 351 

langer Zeit, daß der Abfall des Tonus sich voll ausbilden konnte, ist diese 
Förderung der Herztätigkeit schon auffallend. Ich erinnere an die Ver¬ 
suche von Stewart und Rogoff 2Ö ), die an der Katze nach Durchschneidung 
der Herznerven durch Ischiadicusreizung oder durch Asphyxie noch 
Pulsbeschleunigung und Drucksteigerung erzielen konnten. Da dies 
auch nach Ausschaltung der Nebennieren noch gelang, kann eine ver¬ 
mehrte Adrenalinausschüttung (Cannon) nicht als Ursache angesehen 
werden. Ich glaube, daß hier eine direkte Reiz Wirkung der im Blute 
angereicherten Kohlensäure auf die reizbildenden Apparate und auf das 
Myokard vorliegt. Zu dieser Zeit pflegt auch die Erregung der moto¬ 
rischen Rindenzentren sich in Muskelunruhe und bald auch in Krämpfen 
zu äußern. Bald treten die Erscheinungen der Herzschwäche immer 
mehr hervor: die Frequenz nimmt ab, die mechanischen Ausschläge 
des nun deutlich cyanotischen und dilatierten Herzens werden kleiner 
und steigen träger an und dies wird immer ärger, je länger die Asphyxie 
dauert Wenn man mit der Wiederherstellung der Atmung so lange 
cvartet, bis das stark dilatierte Herz nur noch ganz schwache Kon¬ 
traktionen zeigt, dann läßt das nachher aufgenommene erste Kurven- 
sttick meist noch keine Besserung, oft sogar noch eine weitere Ver¬ 
schlechterung erkennen. Aber bald kehrt die Herztätigkeit, und zwar 
bezüglich Kraft und Frequenz, wieder zur Norm zurück, während das 
Herz wie mit hellroter Farbe übergossen wird und sich zusehends 
verkleinert. 

Die bei der Erstickung zutagetretenden Veränderungen des Ekg 
verdienen eine besondere Besprechung. Längere Zeit nach der Durch- 
schneidung der Accelerantes findet man die zuerst von Rothberger und 
Winterberg 19 ) beschriebenen Ausfallserscheinungen. Uns interessiert 
hier vor allem die Nachschwankung: sie ist meist negativ, manchmal 
auch zwei- oder mehrphasisch und niedrig, in einzelnen Fällen positiv. 
Es ist nun merkwürdig, und das war in allen meinen Versuchen so, 
daß die Nachschwankung umso höher wird, je mehr sich in den späteren 
Stadien der Asphyxie die Herzschwäche ausprägt. Unsere Abbildung 
zeigt dies ja zur Genüge. Wenn man sich daran erinnert, welche Be¬ 
deutung man in der Klinik der Positivität der Nachschwankung zu¬ 
zuschreiben pflegt, wdrd der Kontrast der auf das äußerste abgeschwäch¬ 
ten Herztätigkeit und der enormen Höhe der Nachschwankung um so 
auffälliger. Eine befriedigende Erklärung kann ich dafür nicht geben 
und ich verzichte daher darauf, verschiedene Möglichkeiten zu er¬ 
örtern, die mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit für sich haben 
könnten. 

Die Dauer der Systole wird bei der Erstickung immer verkürzt, 
und zwar gleich im Beginn. Man könnte versucht sein, dies mit der 
Frequenzsteigerung in Zusammenhang zu bringen; man findet sie aber, 


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352 


Y. Miki: Experimentelle ur)d klinische Untersuchungen 


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wie aus der Tabelle unseres Versuches 6 hervorgeht, schon vorher und 
vor allem ist es wichtig, daß die Verkürzung des K-Ekg lange Zeit 
bestehen bleibt, während die Frequenz mit der fortschreitenden Herz¬ 
schwäche immer mehr abnimmt. Eine Unsicherheit bezüglich der 
Punkte, an denen gemessen werden soll, kann gerade hier nicht be¬ 
stehen, weil die Rückkehr der hoch positiven Nachschwankung zur 
Abszisse genügend scharf zu bestimmen ist. Ja, die Verkürzung wird 
um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, daß die Nachschwankung 
vor der Erstickung infolge des Ausfalles des Acceleranstonus gewöhn¬ 
lich negativ ist und daher wahrscheinlich noch einen zu kleinen Wert 
für die Dauer der Systole ergibt ( Fridericia ). Der Grad der Verkürzung 
des K-Ekg im Laufe der Erstickung ist beträchtlich, wie aus folgender 
Zusammenstellung hervorgeht. Es verkürzte sich im 


Versuch 




6 das K-Ekg von 22 auf 17, 

7 »> » h 24 ,, 21, 

8 tt ,, 1» 24 ,, 17, 

11 »> 99 ff 24 „ 18, 

12 „ ,, ft 28 „ 23. 


Dies stimmt mit dem Befunde von Straub 33 ) überein, der die Wirkung 
der Kohlensäure Vergiftung am Froschherzen untersuchte. Er fand, 
,,daß die negativ inotrope und negativ chronotrope Wirkung der 
Kohlensäure schon sehr weit vorgeschritten sein kann, bis der Schwellen¬ 
wert am bestimmten Punkt unwirksam wird“, d. h. bis eine Verlänge¬ 
rung der Refraktärphase ein tritt. In der von Straub abgebildeten Kurve 
war dies erst zu einer Zeit der Fall, wo die Kontraktionshöhe auf fast 
den vierten Teil des Normalen reduziert und die Frequenz um mehr 
als das Doppelte verlangsamt war. ,,Bevor diese Minderung der Er¬ 
regbarkeit zutage tritt, äußert sich die Kohlensäurevergiftung in un¬ 
verkennbarer Weise als Steigerung der Erregbarkeit , denn der Normal¬ 
schwellenreiz wird früher wirksam. Auch in einem relativ späten 
Stadium ist die Erregbarkeit noch nachweislich gesteigert,“ d. h. die 
Refraktärphase ist verkürzt. Dies stimmt wieder mit älteren Unter¬ 
suchungen von Öhrwall (1897) überein. Nach Straub hat also die Kohlen¬ 
säure eine positiv bathmotrope Wirkung auf die Ventrikelmuskulatur 
und erst in späteren Stadien, wenn die anderen Wirkungen schon weit 
vorgeschritten sind, kommt die negativ bathmotrope Wirkung zum 
Vorschein. 

Es scheint übrigens, als ob in den Endstadien der Erstickung, wo 
das stark dilatierte und tief cyanotische Herz nur mehr ganz schwach 
schlägt, wieder eine ganz geringe Verlängerung des K-Ekg, etw r a um 
0,005—0,015“ sich einstellen wollte, ich habe aber in diesem kritischen 
Stadium immer die künstliche Atmung wiederhergestellt. Nachher, 
wenn das Herz wieder kräftig schlägt, ist das K-Ekg nicht nur länger 



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Über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 353 

als während der Asphyxie, sondern meist auch länger als vor der Er¬ 
stickung, es kehrt aber rasch wieder auf den Anfangswert zurück. 




vorher 

Erstickung 

nachher 

Versuch 

6 

22 

17 

25-28 

»» 

7 

24 

21 

25,5 

>* 

8 

24 

17 

23-24 

» 

11 

24 

18 

25 

*» 

12 

28 

23 

30-32 


Diese in den ersten Stadien der wiederhergestellten Atmung ein- 
tretende Verlängerung des K-Ekg fällt mit der Rückbildung der hoch 
positiven Nachschwankung zusammen und es ist in den Fällen, wo die 
Nachschwankung dabei zweiphasisch wird, nicht immer klar, wo man 
messen soll; es kann aber diese die Norm noch übersteigende Verlänge¬ 
rung des K-Ekg unmittelbar nach der Wiederherstellung der künst¬ 
lichen Atmung doch als Regel angesehen werden. 

7. Die Wirkung von Giften auf die Dauer des K-Ekg. 

Das Studium der Wirkung von Giften auf die Dauer der Systole 
wäre eine dankbare Aufgabe für eine eigene Untersuchung; ich mußte 
diese vorläufig zurückstellen und möchte hier nur über meine mehr 
nebenbei gemachten Erfahrungen berichten. Über das Adrenalin habe 
ich schon in dem Abschnitte über die Wirkung der extrakardialen 
Herznerven gesprochen und brauche daher hier nicht mehr darauf 
zurückzukommen. 

ä) Chlorkalium , Oxalsäure . 

Im ersten Versuch injizierte ich dem 12 kg schweren Hunde 0,5, 1,0 
und 5 ccm einer 5proz. KCl-Lösung in die V. jugularis, worauf das Herz 
sich erweiterte und schlechter schlug. Die Frequenz fiel von 170 auf 
105, die Dauer des K-Ekg verkürzte sich aber trotzdem von 24—25 
auf 22—24, die vorher hochpositive Nachschwankung wurde bedeutend 
niedriger und es trat vorübergehend ein Altemans der Nachschwankung 
ein; leider ist diese Kurve verzittert, so daß ich von ihrer Reproduktion 
absehen muß. 

Wenige Minuten nachher spritzte ich demselben Tiere 1, 1 und 
5 ccm, also im ganzen 7 ccm 5proz. Oxalsäure ein. Die Frequenz, die 
mittlerweile wieder auf 160 gestiegen war, wurde nur wenig (auf 150) 
herabgedrückt, aber die Dauer des K-Ekg wurde von 24 auf 27 ver¬ 
längert, die vorher hoch positive Nachschwankung negativ. Der aus 
der Carotis verzeichnete Blutdruck nahm stark ab. 

b) Magnesiumsulfat. 

In zwei Versuchen hatte ich eine weite, mit dem Manometer ver¬ 
bundene Kanüle in den von der Aorta abgehenden Truncus brachio- 
cephalicus eingebunden, von dem die beiden Carotiden und eine Sub- 


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354 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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clavia abgehen. Bald nach der Entfernung der Klemme wurde die 
Herztätigkeit sehr schlecht. In dem einen Versuch (3) nahm die Fre¬ 
quenz von 93 auf 75 ab, die Dauer der Systole verlängerte sich von 
29 auf 33. In dem anderen Versuche (4) sank die Frequenz von 105 
auf 95, während die Dauer des K-Ekg von 25 auf 28 stieg. In beiden 
Fällen wurde die Nachschwankung breit negativ (wannenartig) und 
beide Tiere gingen gleich darauf zugrunde. Es lag nahe, das Ergebnis 
dieses durchaus nicht beabsichtigten Giftversuches auf eine zu hohe 
Konzentration der Magnesiumsulfatlösung zurückzuführen, die die 
Blutgerinnung in der eingebundenen Kanüle verhindern sollte. Ich 
habe daher in einem weiteren Versuche (5) dem 8,5 kg schweren Hunde 
zweimal je 0,5 ccm von derselben Lösung intravenös eingespritzt und 
fand auch wirklich dieselben, wenn auch nicht so folgenschweren Ver¬ 
änderungen: die Frequenz fiel von 133 auf 100, aber die Dauer des 
K-Ekg stieg von 27 auf 32. 

c) Chloroform. 

In einem Versuch (9) wollte ich eine Verschlechterung der Herz¬ 
tätigkeit erzielen und schaltete deshalb statt des sonst zur Narkose 
verwendeten Äthers Chloroform in die künstliche Atmung ein. Das 
Herz wurde bald dilatiert und schlug sehr schlecht. Die Dauer der Herz¬ 
periode und des K-Ekg veränderten sich in folgender Weise: Vorher 

72,5 ’ , - . , 78 80 80,5 , 86 „ 

3p- W,hMnd der CHoroformw.rk,mg jj-j, „„, dann Hm 

sehr schlecht und dilatiert, R-Zacke gespalten und breit; dann , 

Das Herz machte einen so schlechten Eindruck, daß ich eine längere 
Reizung des rechten Accelerans vomahm, worauf es sich wieder voll¬ 
ständig erholte; die Entfernung des Chloroforms aus der künstlichen 
Atmung war hierzu nicht ausreichend gewesen. 


d) Muscarin. 

In zwei Versuchen habe ich 1—2 Tropfen einer älteren, stark kon¬ 
zentrierten alkoholischen Muscarinlösung in 1 ccm Kochsalzlösung 
emulgiert eingespritzt. In beiden Versuchen trat mit der Verlangsamung 
und deutlichen Abschwächung der Kontraktionen eine Verlängerung 
des K-Ekg ein. In dem einen Versuche (16) war die Verlangsamung 
nur wenig, die Verlängerung der Systole relativ stark ausgesprochen: 


39 48 

vorher , nachher _ -. Zwölf Min. später, nach einer neuen Dosis 

*** 28 5 Q 

bei sehr deutlicher Abschwächung der Systolen - , dann — , Ekg, 

28 29 55 

unverändert. In dem anderen Versuch (15) waren die Werte vorher , 

82 ^ 
nachher , T negativ, hoch über die Abszisse ansteigend. 75 Systolen 

ül 



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über die* Dauer des K-Ekg (Kamiiier-ElektrokardiograDims). 


später; 


Nach einer zweiten Muscarineinspritzung war die Verlang¬ 


samung sehr stark ausgesprochen, die Dauer der Systole aber ungefähr 
156 

gleich geblieben: -- . Es ist bekannt, daß die Muscarin Wirkung der 

einer Vagusreizung gleichkommt und es wäre deshalb auch hier eine 
Verkürzung der Systole zu erwarten. Wir werden aber wohl nicht fehl¬ 
gehen, wenn wir annehmen, daß diese durch den verlängernden Einfluß 
der Pulsverlangsamung ebenso verdeckt wird, wie wir das bei der Vagus¬ 
reizung gesehen haben. Der erste Versuch stimmt freilich nicht zu dieser 
Annahme, denn hier trat eine Verlängerung der Systole ein, die durch 
die geringfügige Verlangsamung nicht zu erklären ist. In dem anderen 

92 156 

Versuche sind aber doch die Werte - und auffallend, besonders 

55 ^ 

gegenüber dem Ausgangswert * . Auch hier ist die zuerst auftretende 

Verlängerung des K-Ekg von 26 auf 31 bei geringer Verlangsamung 
(55 auf 92) bemerkenswert und stimmt mit dem ersten Versuch überein ; 
die weitere beträchtliche Herabsetzung der Frequenz hat dann keine 
nennenswerte Verlängerung der Systole mehr zur Folge. 

e) Chinin. 

Santesson 26 ) hat in seinen Untersuchungen über die Chininwirkung 
gefunden, daß das Chinin ein Muskelgift sei, das ebenso wie das Veratrin 
die refraktäre Phase verlängert. Ich habe das Chinin in meinen Ver¬ 
suchen deshalb angewendet, weil die Untersuchungen von Hecht und 
Rothberger 27 ) ergeben haben, daß dieses Gift zu tiefgreifenden Verände¬ 
rungen des Ekg Veranlassung gibt, wenn größere Dosen eingespritzt 
werden. Die Veränderungen betreffen insbesondere die Anfangs¬ 
schwankung des Ekg, die oft merkwürdige Spaltungen und Ver¬ 
breiterungen zeigt und es können so, wie die in der zitierten Abhand¬ 
lung abgebildeten Kurven zeigen, geradezu groteske Ekg-Formen Zu¬ 
standekommen. Bei fortschreitender Vergiftung soll nach der Angabe* 
der genannten Autoren der Erregungsablauf immer träger werden, 
so daß auch die Inspektion des bloßgelegten Herzens einen mehr wurm¬ 
artigen Verlauf der Herzkontraktion erkennen lasse. Die von mir 
verwendete Lösung war dieselbe, die Hecht und Rothberger gebraucht 
hatten: Chinin bisulf. 6,0, Natr. chlor. 3,0, Aqua dest. 30,0. In einem 
Kubikzentimeter waren also 0,2 g Chinin enthalten. Nach kleineren 
Dosen (0,1 g) tritt Verlangsamung des Herzschlages ein, aber noch 
keine nennenswerte Veränderung in der Dauer der Systole. Diese 
wird aber nach größeren Dosen deutlich. Als Beispiel führe ich den 

r 54 

Versuch 17 an. Normal, bei durchschnittenen Vagis ^ > 13 Min. später 


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356 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


wurden 0,2 g Chinin gegeben, die entsprechende Kurve ist aber leider 

. 46 

verloren gegangen. Nach weiteren 13 Min. wurden die Werte — ge- 

üU 

funden, also eine Verlängerung der V 9 trotz der Verkürzung von p; 

50 

nun spritzte ich wieder 0,2 g Chinin ein und fand —, also eine im Ver- 

32 

hältnis zur geringen Verlangsamung schon sehr deutliche Verlängerung 
des K-Ekg, die Nachschwankung reichte nun weiter in die Diastole 
hinein und so kam es zu einer beginnenden Superposition auf die nach- 

45 

folgende Vorhofzacke. 15 Min. später fand ich — , also dieselben Werte 

dü g 2 

wie vor der zweiten Chinindosis, nach 0,4 g und am Ende 

66 ^ 

des längeren Kurvenstückes -. Dann setzte ich die künstliche Atmung 

ob 

aus; 2 1 / 2 Min. später fand ich bei deutlicher Abschwächung und Ir- 

71 91 

regularität der Herzaktion — und ^. 4 */ 2 Min. nach Aussetzung der 

künstlichen Atmung bei weiterer Abschwächung der Herztätigkeit 

95 

und bei hochpositiver Nachschwankung — . Die Dauer des K-Ekg 

ist also in diesem Stadium nicht nur, wie ich es auch sonst bei der Er¬ 
stickung immer fand, verkürzt, sondern in besonders hohem Grade. 

107 

Am Schlüsse des langen Kurvenstückes fand ich sogar ——. Das Herz 

war zu dieser Zeit stark dilatiert und erholte sich bei Wiedereinschaltung 
der künstlichen Atmung nur langsam. Als es dann nach ungefähr 

59 

15 Min. wieder kräftig schlug, betrugen Herzperiode und K-Ekg — . 

145 M 

Nach 0,6 g Chinin — —. Die vorher stark positive Nachschwankung 
46 

war nun klein und mehrphasisch geworden, tiefgreifende Verände- 

92 5 

rungen waren aber nicht zu sehen. 17 Min. später fand ich , nach 

248 ^ 

1 g Chinin-^- . Es hat sich nun eine tiefe S-Zacke ausgebildet, wodurch 

die Anfangsschwankung im ganzen nach abwärts rückt, die Nach¬ 
schwankung ist niedriger, in ihrer Form aber nicht wesentlich ver¬ 
ändert, das ganze Ekg ist stark in die Breite gezogen und bietet ein 
anschauliches Bild des verlangsamten Erregungsablaufes. Vier Minuten 
später fand ich bei etwas unregelmäßiger, stark abgeschwächter Herz¬ 
tätigkeit ; das K-Ekg zeigte nun zwei stumpfe R-Zacken, 

y i 

von denen die erste ganz klein, die zweite von gewöhnlicher Höhe war; 
dann folgte eine tiefe, langsam wieder ansteigende S-Zacke und eine 
positive Nachschwankung. Der 8,7 kg schwere Hund hatte im ganzen 


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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 357 

2,4 g Chinin bekommen, war also schwer vergiftet und sein Herz 
konnte auch durch längere faradische Reizung der rechten Kam¬ 
mer immer nur vorübergehend zum Flimmern gebracht werden, 
wie dies ja Hecht und Rothberger schon beschrieben und abgebildet 
haben. 

Die Verlängerung des K-Ekg durch Chinin ist besonders nach mitt¬ 
leren Dosen deutlich, weil dann die Frequenz noch nicht sehr stark 
herabgesetzt wird. Nach großen Dosen wird dagegen die Herzperiode 
schon so lang, daß die durch das Chinin unmittelbar bewirkte Ver¬ 
längerung der Systole nicht mehr so in die Augen springt. Immerhin 
ist der von mir in dem eben besprochenen Versuch zuletzt gefundene 
Wert von 0,97" ganz außerordentlich lang; man braucht ihn ja nur 
mit den Werten zu vergleichen, die nach langen Herzperioden bei 
Dissoziation gefunden wurden. Die Veränderungen des K-Ekg nach 
großen Dosen möchte ich auf periphere bzw. intramurale Leitungs¬ 
störungen beziehen; dafür spricht die Verbreiterung und die Spaltung, 
ja Verdoppelung der Anfangsschwankung. Es ist ja auch sehr wahr¬ 
scheinlich, daß ein Gift von so intensiver Muskelwirkung auf das Reiz¬ 
leitungssystem wirkt; auch die atrio-ventrikuläre Reizleitung wird ja 
verlängert; sie betrug am Schlüsse des erwähnten Versuches, zu der 
Zeit, wo die Dauer des K-Ekg auf 0,97" angewachsen war, nicht we¬ 
niger als 0,60". Eine Verlängerung der refraktären Phase ist an der 
Verbreiterung des K-Ekg jedenfalls auch beteiligt, es läßt sich aber 
nicht entscheiden, in welchem Maße dies der Fall ist*). Auch Schott 31 ), 
der das praktisch wichtig gewordene Chinidin an Meerschweichen 
untersuchte, fand charakteristische Veränderungen des Ekg und Er¬ 
schwerung der Reizleitung; auch er nimmt eine besondere Wirkung des 
Chinidins auf das Reizleitungssystem an. Endlich haben in neuester 
Zeit Clerc und Pezzi 32 ) die durch das Chinin erzeugten Leitungs¬ 
störungen am Hunde untersucht und kommen ebenfalls zu dem Schlüsse, 
daß das Chinin die Leitfähigkeit des ganzen Systems herabsetze, und 
zwar nicht nur die des Hauptstammes, sondern auch die der Purkinje - 
sehen Fasern. 


Schlußbetrachtungen. 

Die Dauer der Systole ist in erster Linie abhängig von der Frequenz. 
Wenn nach irgendeinem Eingriff mit einer Pulsbeschleunigung eine 
Verlängerung des K-Ekg einhergeht, ist dieser Befund a fortiori be¬ 
weisend. Wenn aber eine Änderung in der Länge der Systole mit einer 
gleichsinnigen Änderung in der Länge der Herzperiode verbunden ist — 

*) In neuen, nach Abschluß dieser Arbeit veröffentlichten Versuchen fanden 
Lewis, Drury, Iliescu und Wedd (Heart 9, 60. 1921), daß die refraktäre Phase 
des atropinisierten Vorhofs durch Chinidin um 50—100% verlängert wird. 


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35S 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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und das ist gewöhnlich der Fall — dann müssen wir uns fragen, ob 
diese beiden Erscheinungen miteinander verbunden sind, und wenn 
dies der Fall ist, ob die Änderung in der Länge der Systole durch die 
Frequenzänderung allein schon genügend erklärt wird. Man müßte 
also einen bestimmten Ausgangspunkt haben, der klar erkennen läßt, 
daß zu einer bestimmten Frequenz eine Systole von bestimmter Länge 
gehört, so daß auch geringe Abweichungen als solche erkannt werden 
können. Diesen Zweck sollen nun die angegebenen Formeln erfüllen. 
Zunächst kommt die von Lombard und Cope in Betracht, die auch für 
den Hund bei Frequenzen unter 150 (p = 40) gelten soll; die Formel 
von Fridericia ist für den Menschen aufgestellt und auf Frequenzen 
zwischen 51 — 135 (p — 120—44) beschränkt und Bazett gibt für seine 
Formel verschiedene Konstanten für Männer und für Frauen an. Mit 
diesen Formeln ist aber für unseren Zweck nicht viel anzufangen; 
sie gehen, wie wir sehen werden, auch bei derselben Frequenz oft viel 
weiter auseinander, als die beobachteten Unterschiede in der Länge 
der Systole ausmachen, so daß man nicht weiß, an welche Formel man 
sich halten soll. Auch die nach Lombard und Cope ermittelten Werte 
stimmen für den Hund manchmal ganz gut, in anderen Fällen aber 
wieder gar nicht. 

Dazu kommt, daß man ja nicht weiß, von welchem Zustande des 
Herzens man ausgehen soll. Das normale Herz steht unter dem Ein¬ 
flüsse der extrakardialen Nerven, die ja die Länge der Systole beein¬ 
flussen. Es wäre also naheliegend, die Verhältnisse vor und nach der 
Durchschneidung der Herznerven an der Hand der angegebenen Formeln 
zu vergleichen. Aber hier stößt man wieder auf die Schwierigkeit, 
daß das Hundeherz nach der Vagotomie rascher schlägt als 150 mal 
in der Minute, so daß also in Anbetracht der von den Autoren für ihre 
Formeln angegebenen Beschränkung eine Übereinstimmung mit einer 
für den Menschen angegebenen Formel nicht mehr erwartet werden 
kann. Vergleichen wir also die Zahlen, die nach vollständigem Ausfall 
des Acceleranstonus gefunden wurden. 



, Dauer 



Dauer des Kammer-Elektrokardiogramms 


Ver¬ 

such 

der Herz¬ 
periode 

Frequenz 

Gefunden 

| Nach 
| Fridericia 

Nach Lom¬ 
bard & Co. 

Nach Bazett 

Für Männer | Für Frauen 

7 

45 

133 

24,5 

i 29,2 

20,9 

24,8 

26,8 

8 

49,5 

120 

26 

30.3 

21,9 

26,2 

28,3 

9 

72,5 

83 

39 

34,3 

26,3 

31,5 

34,1 

10 

42 

140 

24 

! 28,4 

19,9 

23,8 

25,7 

13 

83 

72 

40 

35,9 

28,3 

33,6 

36,4 


Es stimmen also von den gefundenen Werten drei (7, 8, 10) mit der 
von Bazett für Männer angegebenen Formel, während die anderen zwei 



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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


359 


nirgends einzureihen sind; und gerade diese beiden (9 und 13) be¬ 
treffen Frequenzen, die im Bereiche der normalen Frequenz für 
den Menschen liegen (72 und 83). Dabei bestehen am entnervten 
Herzen offenbar Beziehungen zwischen der Länge der Herzperiode 
und der der Systole, denn wenn man die Zahlen nach der Größe 

von p ordnet, bekommt man folgende Reihe: ^> 2 ß ’ 39 ’ 40 ' 

Wir müssen also wohl darauf verzichten, eine Formel zu finden, die 
für die in meinen Versuchen vorkommenden weiten Frequenz- 
sehwankungen die zugehörige Länge der Systole nit genügende] 
Genauigkeit angibt. 

Damit verlieren wir aber ein wichtiges Hilfsmittel zur Deutung der 
gewonnenen Versuchsergebnisse, besonders bezüglich der Wirkung der 
extrakardialen Herznerven. Denn diese wirken, wie auch aus meinen 
Versuchen wenigstens andeutungsweise hervorgeht, direkt auf die 
Länge der Systole, haben aber außerdem eine chronotrope Funktion, 
die wieder ihrerseits auf die Länge der Systole zurückwirkt, so daß sich 
diese Einflüsse, wenigstens beim Warmblüter, nicht mehr auseinander¬ 
halten lassen. Hier kommen aber die Versuche am Kaltblüter unserem 
Verständnis zur Hilfe. , Mines2 ®) hat den atropinisierten und durch die 
zweite Stanniusligatur stillgestellten Froschventrikel rhythmisch gereizt 
und hat gefunden, daß mit steigender Reizfrequenz die Dauer des 
Ekg sich verkürzt, also bei vollständiger Ausschaltung jeder Nerven - 
Wirkung. In anderen, mit Dale ausgeführten \ Versuchen 29 ) zeigt er, 
daß der Vagus die Systole verkürzt, was ja Samojloff schon bekannt 
war, und daß der Sympathicus sie verlängert. Die Verkürzung der 
Systole bei Vagusreizung ist dort am deutlichsten, wo die Abschwächung 
der Kontraktion, also die inotrope Funktion, stark, die Verlangsamung, 
die chronotrope Funktion, wenig ausgesprochen ist. Dort, wo die 
Vagusreizung den Herzschlag stark verlangsamt, die Kontraktion 
aber nur wenig abschwächt, hat sie eine Verlängerung der Systole zur 
Folge (ebenso ist es mutatis mut&ndis mit dem Sympathicus). Das 
ist also ganz ähnlich wie bei der inotropen Funktion selbst: Der Vagus 
schwächt die Kontraktion ab, lange Pausen stärken sie aber; die chrono¬ 
trope Punktion wirkt also der inotropen entgegen und so kann es kom¬ 
men, daß der erste nach einer längeren, durch Vagusreizung erzeugten 
Pause auftretende Herzschlag eine stärkere Kontraktion und einen 
höheren Puls aufweist als die vorhergehenden und wahrscheinlich auch 
ein längeres K-Ekg. Nun müssen wir aber doch erwarten, daß sich 
auch unter diesen Umständen der verkürzende Einfluß der Vagus¬ 
reizung irgendwie geltend machen wird, denn die wirkliche Länge dieser 
nach einer längeren Pause auftretenden Systole muß die Resultierende 
sein aus dem verkürzenden Einfluß der Vagusreizung und der ver- 


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360 Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 

längemden Wirkung der Puls Verlangsamung*). Diese Systole wird 
also doch kürzer sein, als wenn die Verlangsamung auf einem anderen 
Wege zustande gekommen wäre. Es läge nun nahe, diese Systole mit 
jenen zu vergleichen, die bei der Bradykardie infolge von Dissoziation 
Vorkommen, denn es kann als sicher gelten, daß die Vagi auf die 
unter diesen Umständen automatisch schlagenden Kammern keinen 
Einfluß mehr ausüben. Leider mußten wir aber feststellen, daß bei 
der Dissoziation keine erkennbaren Beziehungen mehr bestehen zwischen 
den Längen der Herzperiode und des K-Ekg. Dies ist im Hinblick 
auf die erwähnten Versuche von Mines interessant; denn die Ab¬ 
quetschung des Hisschen Bündels entspricht der zweiten Stannius- 
ligatur und meine Befunde sprechen demnach dafür, daß die von Mines 
gefundenen Beziehungen, wenigstens beim Warmblüter doch nicht so 
einfach sind. Dazu kommt noch folgendes: Wenn die Verlängerung 
der Systole bei der Vagusreizung nur eine Folge der Verlangsamung 
wäre, müßte man erwarten, daß sie auch mit dieser verschwindet. Ich 
habe aber gefunden, daß die durch einen längeren Stillstand verbreiterte 
Systole ihren Wert längere Zeit beibehält, während die Frequenz mitt¬ 
lerweile wieder zur Norm zurückgekehrt ist und dies steht ja auch in 
Einklang mit den Angaben von Tigerstedt und Ryömä**). Auch bei der 
Acceleransreizung gehen die Pulsbeschleunigung und die Verkürzung 
der Systole nicht streng Hand in Hand. Ich fand, daß bei Reizung 
des rechten Accelerans die Beschleunigung etwas früher kommt und 
länger anhält als die Verkürzung der Systole, während diese bei Reizung 
des linken Accelerans die chronotrope Wirkung überdauert. Dies hängt 
wahrscheinlich mit der Verteilung der beiden Accelerantes auf die 
beiden Herzhälften zusammen: der rechte innerviert vorzugsweise das 

*) Fridericia sieht die Erklärung der Tatsache, daß die Vagusreizung beim 
Frosch die Systole verkürzt, während man beim Warmblüter eine mit der Ver¬ 
langsamung einhergehende Verlängerung findet, in den Ergebnissen der Unter¬ 
suchungen von Cullis und Tribe und von Leeiham , die gezeigt haben, daß beim 
Warmblüter nur die Vorhöfe direkt vom Vagus innerviert werden. Das könnte 
sich aber doch nur auf die chronotrope Funktion beziehen, und ist übrigens auch 
für diese nicht richtig, weil auch der Tawara sehe Knoten durch den Vagus gehemmt 
wird. Daß der Vagus aber inotrop auf die Kammern wirkt, kann doch nicht 
zweifelhaft sein und demnach ist auch ein direkter Einfluß auf die Länge der 
refraktären Phase daselbst nicht ausgeschlossen. 

**) Ich möchte darauf hin weisen, daß in dem oben (S. 332) angeführten Versuch 6 
bei Reizung des rechten Vagus ein Herzstillstand von 3,58" entstand, während 
die Herzperiode vorher 38 betrug. Trotzdem steigt die Dauer des K-Ekg nur von 
20—21 auf 26. Wenn man die bei Dissoziation gefundenen Werte nur ganz im 
allgemeinen damit vergleicht, sieht man, daß diese geringe Verlängerung der Vs 
mit der gewaltigen Frequenzänderung in gar keinem Verhältnis steht und es wird 
dadurch mehr als wahrscheinlich, daß dieser nach dem langen Stillstände auf¬ 
tretende Herzschlag unter dem stark verkürzenden Vaguseinfluß steht, wenn 
auch natürlich die verlängernde Wirkung der langen Pause tiberwiegt. 



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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


361 


recht© Herz und des Sinusknoten, und dieser spricht rascher auf die 
Reizung an, als wenn der linke Nerv gereizt wird. Dieser hat aber 
dafür eine nachhaltigere Wirkung auf die Dauer der Kammersystole. 
Es geht aus diesen Befunden, die zu neuen Untersuchungen anregen 
sollen, hervor, daß man gar nicht erwarten kann, daß bei der respirato¬ 
rischen Arhythmie, wo der Tonus der extrakardialen Nerven fortwäh¬ 
rend wechselt, die Dauer des K-Ekg sich sogleich nach der länge der 
vorhergehenden Herzperiode richten werde, denn die Frequenz wird 
offenbar viel rascher beeinflußt, während das Myokard schwerer an¬ 
spricht. 

Es wäre nun noch die Frage zu erörtern, ob man die Länge der 
unter bestimmten Bedingungen sich ergebenden Systole zur Qualität 
der Herzkontraktionen in Beziehung bringen kann. Der Augenschein 
lehrt, daß sich das gesunde Herz rasch, gewissermaßen ruckartig zu¬ 
sammenzieht, während das absterbende Herz nicht nur schwache, son¬ 
dern auch langgedehnte Kontraktionen aufzuweisen scheint, die sogar 
einen peristaltischen Charakter annehmen können. Es wäre also die 
kurze Systole ein gutes, die lange ein schlechtes Zeichen für den Zustand 
des Myokards. Aber drei wichtige Befunde sprechen gerade im entgegen¬ 
gesetzten Sinne: Wir finden nämlich eine kurze Systole unter Be¬ 
dingungen, wo die Herabsetzung der Herzkraft nicht zweifelhaft sein 
kann, nämlich 1. unmittelbar nach dem Ende der refraktären Phase, 
2. unter dem Einflüsse der Vagusreizung bei ausgesprochener inotroper 
Hemmung und 3. bei der Erstickung im Stadium der höchsten Herz¬ 
schwäche. Wenn man nun auch diesen letzten Befund als Folge der 
Kohlensäurevergiftung auffassen und einen direkten Zusammenhang 
mit der Herzschwäche leugnen wollte, so bleibt doch die Tatsache be¬ 
stehen, daß das gehemmte Herz im hypodynamen Zustande der Vagus¬ 
reizung eine kurze Systole hat und ebenso diejenige Kontraktion, die 
gleich nach dem Ablaufe der refraktären Phase dem Herzmuskel auf¬ 
gezwungen wird, also zu einer Zeit, wo die Contractilität sich noch 
nicht erholt hat. Ich glaube, daß dies für die aufgeworfene Frage 
entscheidend ist, und zwar um so mehr, als der Accelerans die Systole 
verlängert, wie aus den Versuchen von Mines hervorgeht. — Wenn 
andrerseits Gifte, die das Herz schwer schädigen, die Dauer des K-Ekg 
verlängern [Oxalsäure, Magnesiumsulfat, Chloroform, Muscarin?, Chi¬ 
nin*)], so müßte darin noch kein Widerspruch gesehen werden, denn 

*) Hierher gehört auch die von Fridericia zitierte Angabe von Schott* 0 ), daß 
bei phoephor- und arsenvergifteten Kaninchen die Dauer des K-Ekg im Verlaufe 
der forstchreitenden parenchymatösen Herzmuskeldegeneration erheblich zu¬ 
nimmt, und zwar ohne gleichzeitige Änderung der Pulsfrequenz. Fridericia zieht 
diesen Befund zur Stütze seiner Ansicht heran, daß Herzmuskelschwäche eine 
Verlängerung der Systolendauer hervorrufen kann; ich möchte mich dem aber 
aus den oben angegebenen Gründen nicht anschließen. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 25 


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362 


V. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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man könnte sich vorstellen, daß ein Gift auf die Contractilität und 
die Dauer der Vs in gleichem oder auch im entgegengesetzten Sinne 
wirken kann, und tatsächlich hat ja das Chlorkalium, das die Herz¬ 
tätigkeit auch schwer beeinträchtigt, in meinem Versuche eine Ver¬ 
kürzung der Systole zur Folge gehabt. Ich möchte aber überhaupt 
darauf kein großes Gewicht legen, weil meine Versuche in dieser Hin¬ 
sicht viel zu wenig zahlreich sind, um zu Schlüssen zu berechtigen; ich 
möchte in ihnen mehr eine Anregung zu eingehenderem Studium sehen. 

Es kommt übrigens hier noch ein Moment in Frage: Da die ver¬ 
schiedenen Teile einer Herzabteilung sich nicht ganz gleichzeitig zu¬ 
sammenziehen, besteht die Dauer der Systole aus der refraktären 
Phase der einzelnen Muskelzelle und aus der ,,Reizausbreitungszeit“, 
d. i. das Intervall, um welches die Kontraktionen der zuerst und der 
zuletzt erregten Fasern auseinanderliegen. Die Dauer der Systole kann 
also nicht nur durch eine Verlängerung der refraktären Phase verlängert 
werden, sondern auch durch Leitungsstörungen in den Verzweigungen 
der Taimraschen Schenkel, und es scheint, daß dies gerade beim 
Chinin der Fall ist, wo man so tiefgreifende V eränderungen in der Form 
des Ekg findet. 

Klinischer Teil. 

Wie ich in der Einleitung erwähnte, haben Fridertcia, BazeU und 
Lombard und Cope Formeln angegeben, mit denen man aus der Fre¬ 
quenz bzw. der Dauer der Pulsperiode die zugehörige Systolendauer 
berechnen kann. Ich habe nun die im folgenden zu beschreibenden 
Untersuchungen zu dem Zweck ausgeführt, um zu einem Schlüsse über 
die Ijeistungsfähigkeit dieser drei Formeln zu gelangen. Eine Zu¬ 
sammenstellung der für eine und dieselbe Periodendauer nach den 
drei Formeln berechneten Systolenlängen zeigt nun, daß diese manch¬ 
mal sehr weit auseinanderliegen, und es gibt eigentlich keine Periode, 
für die man nach den drei Formeln dieselbe Systole finden könnte. 
Dies zeigt eine tabellarische Zusammenstellung aller Werte für die 
zwischen 20 und 300 liegenden Frequenzen; ich will aber diese große 
Tabelle hier nicht wiedergeben, da der Mangel an Übereinstimmung 
sich aus der Darstellung meiner Messungsergebnisse ebenfalls ergeben 
wird. 

Ich habt», meine Untersuchungen an einem Teil des großen Kurven - 
materials angestellt, welches im Laufe der letzten Jahre im Institute 
aufgenommen worden ist; für die Überlassung dieser Kurven bin ich 
Herrn Prof. Rothberger zu Dank verpflichtet. Ich habe nur diejenigen 
Kurven verwendet, bei denen die Zeit mit der Stimmgabel in 1 / 60 Sek. 
geschrieben worden war, da nur diese eine verläßliche Messung ge¬ 
statten. Mit Zeitschreibung in 1 / 5 " (Jacquet) aufgenommene Kurven 
habe ich nur ganz ausnahmsweise herangezogen, und zwar dann, wenn 



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über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 3615 

die Periodendauer und das K-Ekg so lang waren, daß der Messungs¬ 
fehler nicht in Betracht kam, also fast nur bei Dissoziation. Die Dauer 
des K-Ekg gibt bei den drei Ableitungen gewöhnlich verschiedene Werte, 
was auch Fridericia schon betont hat; ich gebe daher in der folgenden 
Zusammenstellung nur die bei Abi. II gewonnenen Zahlen wieder und 
erwähne andere Ableitungen nur dann, wenn das bei Abi. II aufgenom- 
meAe Ekg infolge Fehlens der Nachschwankung oder aus anderen Grün¬ 
den eine Messung nicht zuließ. Die Kranken wurden in Rückenlage 
untersucht oder in sitzender Stellung mit zurückgelehntem Ober¬ 
körper, also eigentlich in halbliegender Stellung. Lombard und Cope 
geben für ihre Formel verschiedene Konstanten an, und zwar 28,25 
im Stehen, 26 im Sitzen, 25 im Liegen und 27,5 nach Arbeit; ich habe 
in den folgenden Tabellen nur die Werte für liegende Kranke ausgerech¬ 
net, da wir ja immer in dieser Stellung untersuchten. Bezüglich der 
Ausmessung der Kurven kann ich auf das im ersten Teil Gesagte hin- 
weisen ; wo mäßige respiratorische Arhythmie bestand, ist die mittlere 
Periodendauer angenommen und dort, wo die betreffende Zahl in 
meiner Tabelle nicht vorkam, die nächstliegende, also z. B. 60 für 61; 
es handelt sich dabei immer um relativ lange Perioden, so daß die kleine 
Ungenauigkeit nicht weiter in Betracht kommt. Ich möchte noch 
daran erinnern, daß Fridericia seine Formel nur für die zwischen 51 
und 135 liegenden Frequenzen erprobt hat und daß man nach seiner 
Angabe Abweichungen der gefundenen von den berechneten Werten 
nur dann als pathologisch ansehen darf, wenn sie das Dreifache des 
mittleren Fehlers überschreiten, also größer sind als 0,045" (nach unserer 
Schreibweise 4,5). (Siehe Tabelle S. 366—375.) 

Wenn man die zu einer bestimmten Herzperiode gehörenden, nach 
den drei angegebenen Formeln berechneten Werte für die Systolen - 
dauer zusammenstellt, so ergibt sich, daß die Zahlen mehr oder weniger 
von einander abweichen, und zwar in verschiedener Weise, je nach der 
Länge der Herzperiode. Ich gebe im folgenden aus der großen von mir 
berechneten Tabelle einige Zahlen wieder: 




Dauer des K-Ekg nach 

p 

Frequenz 

Fridericia 

Bazett 

Männer | Frauen 

Lombard 
und Cope 

300 | 

200 ; 

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55 

64,1 

69,3 

53,7 

30 

48,1 

52,3 

66,6 

43,8 

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37 

40 

31 

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34,6 

26,7 

60 ! 

100 

32,2 

28,7 

31 

24 

50 

| 120 

30,3 

26,2 

28,3 

21,9 

41 1 

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28,1 

23,4 

25,5 

19,6 

30 ! 

1 200 

25,5 

20,2 

21,9 

17 

20 

300 

22,3 

16,5 

| 17.9 

13,9 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



364 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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Man sieht, daß bei der niedrigsten Frequenz (20) die Formel von 
Fridericia mit der von Lombard und Cope gut übereinstimmt, während 
die von Bazett viel zu große Werte gibt. Wir wollen dabei vorläufig 
unberücksichtigt lassen, daß Fridericia seine Formel für so niedrige 
Frequenzen nicht angegeben hat. Bei ungefähr normalen Frequenzen 
(60—100) stimmt die Formel von Fridericia mit der von Bazeit ganz 
gut, während die von Lombard und Cope zu kleine Werte gibt und’ bei 
den hohen Frequenzen gibt die Formel von Fridericia die höchsten 
Zahlen, die von Lombard und Cope die niedrigsten. 

Wenn man nun meine in den großen Tabellen übersichtlich zu¬ 
sammengestellten Messungsergebnisse durchsieht, so stellt sich heraus, 
daß sie mit den nach Fridericia und nach Baaett berechneten Werten 
auffallend gut übereinstimmen; manchmal kommt die eine, manchmal 
die andere Formel dem gemessenen Wert am nächsten; die Formel 
von Lombard und Cope gibt überall zu kleine Werte. Wenn wir nun 
daran erinnern, daß man nach Fridericia pathologische Verhältnisse 
erst dann annehmen darf, wenn der gefundene Wert von dem berech¬ 
neten um mehr als 4,5 abweicht, und daß unsere Zahlen ja fast aus¬ 
nahmslos von pathologischen Fällen herstammen, wird die Überein¬ 
stimmung mit den berechneten Zahlen noch auffallender. Es bleiben nur 
sehr wenige Fälle übrig, die man nach Fridericia als pathologisch ansehen 
dürfte, und ich stelle diese in der folgenden kleinen Tabelle zusammen. 



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1 Dauer d. K-Ekg 1 

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p 

ge¬ 

messen 

n. Fri¬ 
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Differ. Klinisch 

Ekg 

39 

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31 

36,8 

— 5,8 Kombin. Klappenfehler 

Sehr hohes, breites P, 
hohes T. 

46 

92 

i 

43 

37,1 

+ 4,9 Kombin. Klappenfehler 

Im Auf- und Abstieg 
gespaltenes breites R. 

54 

38 

22 

27,6 

— 5,6, Hypoplasie 

Superposition. 

75 

93 

32 

37,1 

— 5,1 | Hypertrophie rechts 

— 5 i Hypertr. beid. Ventr. 


76 

64 

28 

33 


92 

79 

30 

35,1 

— 5,1 | Düatation 


101 

I 64 

27 

33 

— 5 | Asthma 

TI und TII neg.. TIII 
pos. ( V, = 30). 

107 

43 

23 

28,8 

— 5,8 ! Nach Purpura 

Hohes T. 

116 

\ 37 

23 

27,5 

— 4,5 Basedow 

Superposition. 

121 

60 

27 

32,2 

— 5,2, Basedow 

| 

. Hohes T, Kurve verzit- 
tert. 

144 

43 

24 

28,8 

— 4,8 Nach Arbeit 

Keine Superposition. 

157 

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27 

33 

— 6 j Nervös 

Messung bei Abi. I, T IT 

1 und TIII fehlen 

178 

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25 

29,5 

— 4,5 | Tachykardie 

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Es scheiden dabei zunächst diejenigen Fälle aus, wo infolge der 
hohen Frequenz eine Superposition der P-Zacke auf die vorhergehende 



Original from 

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über die Dauer des K-Ekg* (Kammer-Elektrokardiogramms). 


365 


Nachschwankung bestand, weil unter diesen Umständen das Ende der 
T-Zacke nicht genau zu bestimmen ist, so daß man leicht einen zu 
kleinen Wert für die Dauer des K-Ekg bekommt. Dahin gehören die 
Nr. 54 und 116. Es ist ferner 157 auszuscheiden, weil der Wert bei 
Abi. I gewonnen wurde und dieser nicht mit demjenigen überein¬ 
stimmen muß, der bei Abi. II zu erwarten gewesen wäre (bei Abi. II 
und III fehlte die Nachschwankung). Bei 101 kann die Differenz auf 
die Negativität der Nachschwankung bezogen werden, da ja solche 
Ekg nach Fridericia gewöhnlich eine zu kurze V 8 ergeben; bei Abi. III 
war die Nachschwankung in diesem Falle positiv und das so gemessene 
Ekg wäre nur um 3 zu kurz gewesen. Die Nr. 107 und 144 stehen 
gerade an der Grenze derjenigen Frequenz, für die Fridericia seine 
Formel erprobt hat, so daß die Differenz bei ihnen vielleicht auch 
begreiflich erscheint. 

Ich habe in meinen Tabellen 178 Fälle zusammengestellt und von 
diesen bleiben demnach nur 7 übrig* die eine nach Fridericia als patho¬ 
logisch zu bezeichnende Differenz auf weisen. Unter diesen haben 
6 eine zu kurze und nur einer eine zu lange Systole. Es handelt sich 
dabei, wie ich durch eine Nachuntersuchung feststellte, ausschließlich 
um Ekg mit positiver Nachschwankung, und nur in einem Falle (121) 
war die Kurve verzittert, die Differenz konnte aber auch bei dieser 
nicht auf eine fehlerhafte Messung zurückgeführt werden. Die wenigen 
Fälle, die eine größere Abweichung von dem berechneten Werte er¬ 
geben, gehören ganz verschiedenen pathologischen Zuständen an; ich 
konnte in ihnen nichts Gemeinsames finden, was die Abweichung hätte 
erklären können, und' glaube* daß diese auch in Anbetracht der sehr 
geringen Zahl der Fälle keine besondere Bedeutung hat. 

Die weitgehende Übereinstimmung zwischen den nach Fridericia 
bzw. Bazett berechneten und den gemessenen Werten ist nicht nur ein 
Zeichen dafür, wie brauchbar diese Formeln sind; ich habe auch nach 
dem Ausfälle meiner Tierversuche gar nichts anderes erwartet. Wie 
sollte eine Erhöhung des Entleerungswiderstandes durch Aortenstenose 
oder gar durch Hypertonie eine Verlängerung der Systole zur Folge 
haben, wenn dies beim Hunde erst bei fast vollständigem Verschluß 
der Aorta geschieht? Die Tierversuche haben gezeigt, daß sehr ener¬ 
gische Eingriffe notwendig sind, wenn man eine sichere Veränderung 
in der Dauer des K-Ekg erzielen will, und ich glaube, daß es beim Men¬ 
schen entsprechende Zustände gar nicht gibt, Weil sie mit dem Leben 
nicht vereinbar wären. Ich glaube daher auch, daß der Bestimmung 
der Länge des K-Ekg zu differentialdiagnostischen Zwecken keine Be¬ 
deutung zukommt. Bevor wir diesen Schluß aber als sicher hinstellen, 
wollen wir noch die bei unregelmäßiger Herztätigkeit und bei Reiz¬ 
leitungsstörungen gewonnenen Ergebnisse ins Auge fassen. (Siehe S. 376.) 


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366 


Y. Miki : Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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über die Dauer des K-Ekg (Kauuner-Elektrokardiograjiims). 




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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



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374 


V. Miki: Kxperimentellc und klinische Untersuchungen 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



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376 V. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 

Respiratorische Arhythmie. 

Wenn wir bei einer ausgesprochenen respiratorischen Arhythmie 
die Schwankungen in der Länge der Herzperiode und die zugehörige 
Dauer des K-Ekg bestimmen, so sehen wir vor allem, daß diese auch 



dann nur sehr geringen Schwankungen unterworfen ist, wenn sehr 
ungleiche Herzperioden auf einanderfolgen. Dies sieht man am besten 
an einer graphischen Darstellung, weil sie einen guten Überblick über 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 


Abb. 4. 





iihor die Dauer des K-Ekg (Kanmier-Elektrokardiograirirns). 


377 


ein längeres Kurvenstück bietet. Eifie solche Darstellung zeigt die vor¬ 
stehende Abb. 4. Sie stammt von einem 39jährigen Soldaten (Prot.- 
Nr. 929) und ist nach dem Vorgänge von Kaufmann und Rothberger an¬ 
gefertigt. In der Abszisse sind die Nummern der aufeinanderfolgenden 
Herzschläge der Reihe nach auf geschrieben, wobei ich mich wegen der 
zur Wiedergabe erforderlichen Verkleinerung damit begnüge, nur die 
jedem fünften Schlage entsprechende Nummer aufzuschreiben. Die 
Zahl 5 bedeutet also das Intervall zwischen den Systolen 4 und 5. In 
der Ordinate ist die Länge dieses Intervalls in Vioo Sekunden aufgetragen 
und diese Punkte sind miteinander verbunden. Läuft die gezeichnete 
Kurve also in dem Abszissenpunkt 15 durch die Ordinatenhöhe 62, so 
bedeutet das, daß die Länge des Intervalls zwischen den Systolen 14 und 
15 0,62" beträgt. Da die längeren Herzperioden höher hinauf reichen, 
zeigt der Anstieg der Kurve eine Verlangsamung, der Abstieg eine 
Beschleunigung des Herzschlages an. Die auf- und absteigende Kurve 
läßt also die durch den wechselnden Tonus der extrakardialen Nerven 
erzeugten Schwankungen des Sinusrhythmus erkennen. Unten habe ich 
in Form senkrechter Striche die Länge des zu jedem Schlage gehörenden 
K-Ekg angegeben. Ein Blick auf die Tabelle zeigt, wie außerordentlich 
stark der Sinusrhythmus schwankt und wie dagegen die Dauer der 
einzelnen Systolen nur sehr geringe Unterschiede aufweist. Immerhin 
ist dort, wo die Sinuskurve sehr stark ansteigt, wo also der Vagus¬ 
tonus stark überwiegt, auch eine Verlängerung der Systole zu erkennen, 
d. h. also, daß die nach der langen, durch die Hemmung erzeugten 
Pause folgende Kammerkontraktion länger dauert. Man sieht das be¬ 
sonders deutlich beim Schlag 6, wo die Periode plötzlich von 45 auf 
120 an wächst und die Dauer des K-Ekg sich von 28 auf 33 ver¬ 
längert. Dasselbe finden wir, wenn auch weniger ausgesprochen, bei 
den Schlägen 13, 14, 20, 23, 42 und 43. Daß aber die Dauer des K-Ekg 
mit der Länge der Herzperiode nicht genau parallel geht, ist ebenfalls 
aus der graphischen Darstellung zu ersehen. 

Über die weiteren Fälle kann ich nun kürzer berichten. 


Prot. Nr. 157. 4jähr. Mädchen, 1 Monat nach Gelenkrheumatismus. Es 
sind 10 aufeinanderfolgende Herzperioden gut meßbar und ergeben folgende 
w . 0 68 54 49 69 68 72 57 70 70 „ ^ ~ ™ 

Werte. 31 , , 3Q , 31 . 30 > 30,5 ’ 31’ 31’ 31’ 30,5’ Dle D des K ' Ekg 

ist also fast konstant, während die Länge der Sinusperioden zwischen 49 und 72 
schwankt. 


Prot. Nr. 573. 32 jähr.Diener, sehr nervös, substemale Struma (Röntgen), leichte 

xr j i-i i 54 98 96 92 96 64 52 98 90 

Hypertrophie des linken Ventnkels: 30 * 3 fr 3l’ 32’ 31 ’ 3Ö’ 28’ 3f!’ 30' 

Hier bestehen brüske Schwankungen der Sinusfrequenz, denen die Dauer des 
K-Ekg manchmal folgt, aber auch da in sehr engen Grenzen. 

Z. f. d. g. exp. Med. XXVII. 26 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



37S 


V. Miki: Kxpcrimentelle und klinische Untersuchungen 


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Prot. Nr. 756. 30jähr. Mann, Verdacht auf Myokardaffektion. 

48 53 55 63 72 66 64 56 54 n ^ ,, 

32’ 33’ 32' 32’ 33’ 33’ 34' 32' 32’ ^ erln ^ e ^ chwankun g en * auffallend langes 

K-Ekg. 

Prot. Nr. 410. 3ßjähr. Ingenieur, ausgesprochene respiratorische Arhythmie, 
Vagus stark druckempfindlich, Nicotinabusus. Die Herzperioden schwanken 
zwischen 64 und 96, die Dauer des K-Ekg zwischen 29 und 32. 

Prot. Nr. 443. 38jähr. Ingenieur, klinisch normal, seit 12 Jahren starke 
respiratorische Arhythmie, schwere nervöse Stigmata. Die Perioden schwanken 
zwischen 38 und 74, die Dauer des K-Ekg betragt 25, ist aber bei den kürzeren 
Herzperioden wegen der Superposition der Vorhof zacke auf die vorhergehende 
Nachschwankung nicht genau meßbar. 

Endlich gebe ich noch den folgenden Fall genauer wieder, weil er wegen der 
sehr niedrigen Frequenz und seines Verhaltens nach Atropininjektion einiges 
Interesse verdient. 

Prot.-Nr. 224. 56jähriger Mann. 


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Nr. 

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1 

153 

43 


9 

152 

34 

2 

236 

42 

Sinusblock ? 

10 

24 

36 

3 

166 

43 




3. 

4 

152 

42 


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96 

38 

5“ 

234 

43 


2 

1 110 

38 



Ableitung II 

3 

1 54 

34 

1 

160 

43 


4 

96 

37,5 

2 

160 

43 


5 

110 

37 

3 

320 

43 

Sinusblock 

6 

148 

39,5 




(320 -•= 2 x 160) 

7 

114 

36 

4 

160 

43 


8 

148 

37,5 

5 

150 

42,5 


9 

116 

37 

Nach 1 mg Atropin subcutan. 1. Stück 



4. 

1 

51 

37 


1 

76 

38,5 j 

2 

145 

39,5 


2 

74 

38 

3 

38 

35 


3 

78 

37 

4 

140 

39 


4 

80 

39 

5 

31 

37 

atrio-ventrik. Bigeininie 

5 

81 

38 

6 

143 

39,5 


6 

82 

39 ; 

7 

58 

36 





8 

176 

38 


7 

96 

39 , 

9 

3€ 

38 


8 

74 

37,5: 





9 

116 

38,5: 




2. Stück 

10 

144 ! 

39 

1 

52 

33,5 


11 

144 : 

37,5 

2 ! 

119 

38,5 


12 

216 j 

38,5 

3 

52 

34 


13 

188 

40 

4 

120 

37,5 

atrio-ventrik. Bigeininie 

14 

174 

39 

5 

54 

34 


15 

134 1 

39 

6 1 

122 

58 


16 

54 

36 

7 

52 

34 






Vorhofflimmern 


3 / 4 Stunden nach dei 
Atropininjektion 


Go gl< 


Original from 

UNIVERSITY-OF MINNE50TA 




über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


379 


Das vor der Injektion bei Abi. I aufgenommene Stück zeigt zwei 
Intervalle (Nr. 2 und 5), die wahrscheinlich wieder aus je zwei Inter¬ 
vallen zusammengesetzt und demnach auf einen Sinusblock 2: 1 zurück¬ 
zuführen sind (234 = 2 x 117 und 236 = 2 X 118). Die Dauer des 
K-Ekg ist trotzdem überall gleich. Auch bei Abi. II finden wir ein 
solches Doppel-Intervall (320 =±= 2 x 160) und auch da wird nach 
dieser langen Pause das K-Ekg nicht länger. Nach Atropin entsteht 
zuerst eine atrioventrikuläre Bigeminie und dies ist wieder ein Bei¬ 
spiel dafür, daß das Atropin die Reizbildung im Tauxiraschen Knoten 
steigert \Eckl**)\ In unserem Falle ist das K-Ekg der E-S kürzer 
als das der Normalschläge, aber auch dieses ist viel kürzer als vor dem 
Atropin, obwohl die dem Normalschlage vorausgehende Herzperiode 
fast ebenso lang ist wie vor der Injektion. Im zweiten Stück ist der 
Unterschied ebenfalls sehr deutlich, die Frequenz hat im allgemeinen 
zugenommen und auch das K-Ekg ist deutlich kürzer. Das dritte Stück 
zeigt Vorhofflimmern mit einer a—v Extrasystole (Nr. 3), und es ist 
bemerkenswert, daß diese wieder in demselben Abstande vom vorher¬ 
gehenden Normalschlag auftritt, wie im zweiten Stück. Das vierte 
Stück, 3 / 4 Stunden nach der Injektion aufgenommen, zeigt wieder 
normale Sukzession und eine sehr ausgesprochene respiratorische 
Arhythmie. Zur Beurteilung der Frequenz sei darauf hingewiesen, 
daß der Bigeminus im ersten Stück nach der Injektion ungefähr 200 
lang ist (2 X 100), im zweiten Stück 172—177 (2 X 86 — 2 X 88,5) ; 
die Frequenz ist also im ersten Teil deö vierten Stücks etwas höher, 
nimmt aber dann plötzlich ab und zeigt starke Schwankungen. Die 
Dauer des K-Ekg ändert sich dabei kaum. 

Vorhofflimmern. 

In dem in der obigen Tabelle enthaltenen dritten Stück bestand 
Vorhofflimmern. Wenn wir von dem kurzen K-Ekg der Extrasystole 
3 absehen, ist die Systole bei den übrigen Schlägen fast gleich. Die 
Intervalle schwanken zwischen 96 und 148, die Dauer der Vs zwischen 
36 und 39,5, wöbei nicht zu verkennen ist, daß sie die Neigung hat, 
sich nach der Länge der Perioden zu richten, ohne daß ein strenger 
Parallelismus bestünde. Ich möchte im übrigen auf das Verhalten des 
K-Ekg beim Vorhofflimmern nicht näher eingehen; es wäre ein dank¬ 
barer Gegenstand für eine eigene Untersuchung. 

Ventrikuläre Extrasystolen* 

Ich habe 15 J Fälle von Extrasystole ausgerechnet und die Dauer 
des K-Ekg nicht nur bei den E-S, sondern auch bei den Normalschlägen 
vor und nach der Pause gemessen. Ich stelle meine Ergebnisse in der 
folgenden Tabelle zusammen. 

26* 


Digitized b' 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



3 SO 


V. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


Difitized by 


Proto¬ 

koll- 

minimer 


Dauer der vorangeh. Periode (oben) 
und der K-Ekg (unten) bei der 


E-S 


vorhergeh. 

N-S 


N-S nach 
der Pause 


Ventrikuläre E-S von rechts. 


321 


422 


48 


39—40 

33 

30 


70 

72 

«2 

28 


84—100 

34 

87 nach 
31 ’ der 
Inter¬ 
polation 
31 
28 


455 


506 


677 


Fast kontinuierliche Bigeminie. 


791 


40 

34 


94 

35 


128_ 

34 


Fast kontinuierliche Bigeminie. 


797 


42 


853 ^ 


53—3^ 

37 

„ 34,5—35 
N-S nach der Interpolierung. 34 


80 

35 

86 

35 


meist 

interpoliert. 

meist 

interpoliert. 



! 34 

50 

63—82 


i, 34 

27 

28 “ 


34 

47 

66 


j; 33 ! 

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28,5 

349 

; 36 1 

1 56 

89 


!l 34 | 

; 33 

33 

387 


Dauer der Herzperiode (oben) 
und der K-Ekg (unten) bei der 


E-S 


vorhergeh. 1 N-S nach 
N-S i der Pause 


Ventrikuläre E-S von links. 


503 


754 


831 


25 

31 


54 

30 


Fast kont. Bigeminie. 


38 


65 

30“ 


82 

31 

82 

32 


II 30-32 
E-S, dem Linkstyp zuneigend. 


38 


120—135 


36—37 
Dissoziation mit E-S. 

Atrioventrikuläre E-S. 


41 

28 

29 

Kleine, 


49 

28 

70 

33 

große 


Nachschwankung. 

Atypische Formen mit breiter, mehrfach 
gespaltener Anfangsschwankung. (Typ 
rechts mit positiver Nachschwanhmg.) 


598 


737 


30—34 

40 

37-43 

37 


46 ’ 

"27“ 

65 -83 

31 


Die rechtsseitigen E-S haben gewöhnlich eine Länge von 33—35, 
sie sind also, wenn man die Kürze der vorangehenden Periode in Be¬ 
tracht zieht, relativ sehr lang. Man erkennt dies am besten aus dem 
Vergleiche mit den Normalsystolen, deren Dauer recht gut mit der 
Formel von Fridericia übercinstimmt. Ihr K-Ekg ist auch dort, w r o 
fast kontinuierliche Bigeminie besteht oder die E-S interpoliert sind, 
also unter Umständen, wo eine Schädigung des Herzens durch die 
vorzeitige wiederholte Inanspruchnahme anzunehmen wäre, durchaus 
nicht zu lang, so daß also für eine solche Schädigung kein Anhalts¬ 
punkt besteht. Auffallend lang ist die E-S im Fall 321; es ist eine gut 
meßbare Kurve; der Unterschied ist um so deutlicher, als das Ekg 
der Normalsystolen relativ kurz ist. Auch Fall 422, bei dem die E-S 
auffallend kurz ist, hat eine gut meßbare Kurve, so daß also an den 
Werten selbst nicht zu zweifeln ist, wenn auch eine Erklärung für die 
Abweichung nicht gegeben werden kann. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





über die Dauer des K-Ekg (Kammer-Elektrokardiogramms). 


381 


Die linksseitigen E-S sind, wie es auch meine experimentellen Be¬ 
funde ergeben haben, kürzer als die rechtsseitigen. Sie haben meist 
dieselbe Länge wie die Normalschläge, wobei allerdings zu berück¬ 
sichtigen ist, daß vor diesen eine längere Herzperiode liegt, so daß also 
auch diese E-S noch relativ lang wären. Interessant ist besonders 
Fall 831. Es bestand Dissoziation. In Anbetracht der langen Pausen 
ist die Vs der Normalschläge noch zu kurz, was mit der Negativität 
der Nachschwankung Zusammenhängen dürfte; das K-Ekg der E-S 
ist ungefähr ebenso lang, und das ist bemerkenswert im Hinblick auf 
die Kürze der Kupplung, die die E-S mit dem vorangehenden Normal- 
schlage verbindet. 

Die atrioventrikulären E-S sind noch kürzer als die linksseitigen 
und dies erklärt sich ja zwanglos aus der Tatsache, daß bei ihnen der 
Erregungsablauf normal ist; es fehlt also das Nachhinken der einen 
Kammer, wie es für die Längsdissoziation der anderen E-S bezeich¬ 
nend ist. 

Endlich habe ich noch zwei Fälle von atypischen E-S untersucht, 
die sich durch eine breite, mehrfach gespaltene Anfangsschwankung 
und einen merkwürdig trägen Verlauf auszeichneten. Die Anfangs¬ 
und die Nachschwankung waren nach aufwärts gerichtet. Der erste 
Fall (598) stammt von einem 29 jährigen Manne, der im 12. Lebensjahre 
Scharlach und 2 Jahre später Nephritis durchgemacht hatte, der 
zweite Fall von einem 33 jährigen Infanteristen, der wegen seiner Herz¬ 
beschwerden von der Front ins Spital geschickt worden war. In beiden 
Fällen, besonders im ersten, ist die beträchtliche Länge des K-Ekg 
auffallend. 

Endlich möchte ich noch über einige Fälle berichten, wo die E-S 
in Gruppen oder in längeren Reihen auftraten. Wir wollen sehen, ob 
in diesen Fällen, wo es oft schwer war, ein Normalintervall zu finden, 
eine Verlängerung des K-Ekg als Ausdruck einer Schädigung des Herz¬ 
muskels festzustellen ist. Die Zahlen beziehen sich ausschließlich auf 
Normalperioden. 


Prot. Nr. 798. Einzelne, doppelte und gehäufte a—v Extrasystolen. Der Fall 
ist ausführlich von Kaufmann und JRothberger 38 ) beschrieben worden. 

^2 * , V 9 nach Fridericia 34 und 32,2—32,7. Nach Bazeit 31 und 29—30. 

68 

Andere Aufnahme: > nach Fridericia 33,7, nach Bazeit 30,7. 

Andere Aufnahme: > nach Fridericia 31,6—32, nach Bazeit 27,9—28,5. 

Andere Aufnahme: Vor Atropin: K-Ekg 30. Kein Normal-Intervall. 

63 

Nach Atropin: nach Fridericia 32,7, nach Bazeit 29,4. 

Prot. Nr. 235. a—v E-S in Reihen und einzeln. 

50_Rß 

29" 9 nÄ °k Fridericia 30,7—31,6, nach Bazeit 26,7—27,9. 


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Y. Mild: Experimentelle und klinische Untersuchungen 
Dissoziation. 


382 


Prot. 


i 


Bazett 

Lombard 


/> 




& Oope 


Nr. 



j Fridericia 

Männer 

Frauen 


137 

170 

55 

45,5 

48,2 

_ 

40,6 



190 

50 

47,3 




nach Kniebeugen. 

160 

180 

62 

46,4 

49,6 

— 

41,8 


163 190 

52 

47,3 

— 

55,1 

42,6 


184 

110 

38 

39,3 

38,6 

— 

32.4 

48 

Bigeminie. E-S: ^ (ventr. 

222 

114 

40 

40,3 

— 

42,6 

ca. 33 








E-S T v. links, II und III 
von rechts). 

283 

130 

38 

41,6 

42.2 


35,5 

4 Min. n. Atrop. | invers. Wir- 


140 

38 





9 ,, „ „ >kunga.Vor- 


145 

43 





12 „ „ ,, ) höf.u Kam. 


145 

43 






286 

180 

50 

46,4 

49.6 

— 

41,8 

Abi. 1 Form d. links. E-S. 

ca. 185 

ca. 54 





Abi. III. Anfangs- und Nach- 








schw. positiv. 

425 

152—170 

44 

43.7—45,5 

45,3—48,2 

— 

39,5—40,6 

nach Kniebeugen vorübergeh. 








Block 3:1, V, w r egen Su- 








perposition nicht meßbar; 
dann wieder Dissoziation. 


172 

43 

45,5 

48.2 

— 

40,6 


459 

235 

56 

50,4 

56,1 


47,1 

Form d. linkss. E-S. 

480 

97 

44 

37,7 

36.3 


30,9 

breite, pos., gespalt. Anfangs- 



j 





u. pos. Nachschwan. Nach 
Kniebeug, keine Änderung. 

782 

108 

38—39 

39,3 

38,6 

— 

32,4 

1 

i 

783 

147 

52 

43,2 

44,6 

— 

37,5 

1 

819 

35—40 

22 ] 

! 27—28 

22—23 

' — 

18,5—19,5 

8jähr. Knabe, schwere Myo¬ 








karditis und Endokarditis. 


26—34 

20 





2. Aufnahme Dissoziation. 


64 

33 

33 

29,7 

— 

24,9 

3. Aufn. normale Sukzession. 

831 

120—130 

37 ! 

40,5—41,6 

40.5 — 42,2 

— 

33,8—35,5 

T neg. Bigem. in. linkss. E-S. 



1 

i 

1 

i 

i 

i 

nach Arbeit norm. Sukzess., 
dann Block 2 : 1. dann wie¬ 
der Dissoz. V t = 37. 

832 

140 

43 

1 42,7 

43,8 

l — 

36,6 



110 

42 

39,3 

38,6 

— 

32,4 1 

nach Arbeit. 

966 

140 

45 

42,7 

43,8 

i — 

36,6 

Kammer »rhythmisch. 

1001 

150 

45 

43,7 

45,3 

, — 

39,5 


1026 1 

185 

52 | 

46,7 

49,8 

I — 

42,2 

i Kammer arhythmisch. 

1061 

| 212 

58 

48,1 

52,3 

!' _ 

43,8 


1105 

142—150 

39—43 

42,7—43,7 

43,8—45,3 

— 

36,6—39,5 

Zeitschreibung in l / 5 ". 

1127 

| 288 

63 

54,7 

62,8 

— 

52, 54 

Dissoziation. 


207 

56 

48,9 

53.6 

— 

45 

j Block 2 : 1. 


290 

56 

54 

62 

1 — 

52,4 

Block 3 : 1. 


Prot. Nr. 1002. Langdauernde Anfälle von aurik. Tachykardie, zwischen den 
Anfällen nur wenige Normalintervalle, die rasch kürzer werden und zum neuen 


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über die Dauer des K-Ekg (Kainmor-Eloktrokardiogramms). 


3 83 


Anfall überleiten. Gemessen sind die unmittelbar auf das Ende des Anfalls folgen¬ 
den Normalintervalle. 

105 80 


27 ’ 27 


, nach Fridericia. 38,8 und 35,4, nach Bazetl 37,8 und 33.1. 


Prot. Nr. 585. Aurik. E-S in Reihen. Fall III der 4. Mitteilung von Kaufmann 
und Rothberger 86 ). 

50 

1. Aufnahme: ^ * nach Fridericia 30,3, nach Bazett 26,2. 

gj_ 

2. Aufnahme: —— , nach Fridericia 32,7, nach Bazetl 29,4. 

*2o 

48 

Nach Kniebeugen: ^ • nach Fridericia 29,9, nach Bazett 25,6. 


Prot. Nr. 443. Aurik. Tachykardie. Fall V der 4. Mitteilung von Kaufmann 
und Rothberger 2 *)* Herzperiode während des Anfalls 38, eben noch Superposi¬ 
tion von P auf T. Die letzte Systole des Anfalls hat eine Länge von 24,5 also 
38 

öV - , nach Fridericia 27,6. Bazett 22,8. 

Wir sehen also, daß die ersten 2 Fälle ganz gut zu den angegebenen 
Formeln stimmen. Im dritten Fall (Prot.-Nr. 1002) ist die Systole viel 
zu kurz. Nun haben gerade bei diesem Kranken Anfälle von vielen 
Stunden bestanden, die Kammern schlugen immerwährend mit einer 
Frequenz von 158 und die besondere Kürze des auf den Anfall unmittel¬ 
bar folgenden Normal-Ekg legt den Gedanken nahe, daß. sich eine 
Schädigung des Herzmuskels durch die hohe Frequenz gerade in einer 
Verkürzung der V 8 äußern könnte, wofür ja auch meine experimentellen 
Ergebnisse sprechen. Auch in den zwei folgenden Fällen, ebenfalls 
extrasystolischen Anfällen aurikulären Ursprungs, ist das unmittelbar 
folgende Normal-Ekg zu kurz. 

Die hier angeführten Beispiele sind nicht zahlreich genug, um die 
eben aufgeworfene Frage zu beantworten, aber ich möchte doch glauben, 
daß eine Schädigung des Herzmuskels durch zu häufige und überstürzte 
Inanspruchnahme der Contractilität eher in einer Verkürzung als in 
einer Verlängerung desK-Ekgzum Ausdruck kommt Dissoziation (siehe 
Tabelle auf der vorigen Seite). 

Ordnen wir diese 21 Fälle zunächst nach der Dauer der Herzperiode 
bzw. nach der Frequenz (siehe folgende Tabelle S. 384). 

Bemerkenswert ist zunächst der erste Fall wegen seiner ungewöhn¬ 
lich hohen Frequenz. Die Kurve stammt von einem 8jährigen Knaben, 
der mit der Diagnose Pneumonie in das Kinderspital eingeliefert worden 
war. Anamnese: Seit einigen Tagen Fieber und Atembesch werden, 
früher stets gesund. Die Untersuchung ergab akute Myo- und wahr¬ 
scheinlich auch Endokarditis. Zwei Monate nach der ersten wurde eine 
zweite Aufnahme gemacht und wieder Dissoziation gefunden. Zwei¬ 
einhalb Monate später bestand bei einer dritten Untersuchung normale 
Sukzession, und zwar war die Form des Ekg dieselbe wie während der 


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13H4 


Y. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


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Prot. 1 
Nr. 

Dauer d. 1 
Herzper. 

An« I Dauer d. 
Frequenz j K . EkK 

Form des K-Ekg 

819 I 

35—40 

i 

150—170 ’ 

i 

ca. 62 ! 

22 

I normal, II u. III links. E-S. Anfangsschw. 
überall schmal. Ebenso dann bei normaler 
Sukzession. 

4SI) 

97 


44 

I, II, III. Beide Schwank, breit, pos., gespalt. 

782 

108 

55 ! 

38—39 

Überall Normalf. mit schlank. Anfangsschw'. 

184 

110 

55 

38 

I Normal mit breiter Anfangsschw. II Normal 
III beide Schwankungen positiv, Anfangs¬ 
schwankung sehr breit und gespalten. 

222 |i 

114 


40 

I normal, II u. III Form d. links. E-S mit 
schmaler Anfangsschwankung. 

831 

120—130 

46—50 1 

37 

Normal, TI positiv, TII u. TIII negativ. 

283 

130 

46 

38 

I normal, II u. III links. E-S. Anfangsschw. 
überall sehr breit und gespalten. 

832 

140 

43 

43 

Normal. 

966 

140 

43 

45 

Normal. 

783 

147 

41 

52 

I u. II Normal, III tiefes S. Anfangsschwan¬ 
kung überall schmal. 

1001 

150 

40 

45 

Normal. Anfangsschw. b. III klein u. gespalt. 

1105 

142—150 

40—43 

39—43 

Normal. 

425 

152—170 

35—40 

44 

Überall normal und schlanker Anfangsschw. 

137 

170 

35 

i i 

55 

I normal, II u. III Form d. linksseit. E-S 
j mit schlanker Anfangsschwankung. 

286 

180 

180 

1 33 

i 

i 

| 

50 

I Form d. links. E-S, III beide Schw. pos. 
Anfangsschw. in all. Abi. sehr breit u. gesp. 

160 

j 33 

i 

62 

I Beide Schwank, pos. u. breit, II u. III Form 
d. links. E-S mit breiter Anfangsschwank. 

1026 

185 

32 

52 

Form d. links. E-S. Anfangsschw. nur bei 
I etwas verbreitert. 

163 j 

1 

190 

! 31,5 

! 28,5 

52 

I wie 160 Anfangsschw. sehr breit und ge¬ 
spalten II u. III wie 160. 

1061 

| 212 

i 

58 

i 

I links. E-S. II u. III normal. Anfangsschw. 
bei II schlank, bei I u. III breit u. gespalt. 

459 

235 

25,5 

i 56 

I links. E-S und Normalform. II u. III links. 
E-S, überall schlanke Anfangsschwankung. 

1127 

288 

20,8 

| 63 

Normal. 


Dissoziation. Entsprechend der hohen Frequenz ist das K-Ekg sehr 
kurz. Wir müssen diesen ungewöhnlichen Fall für unsere weitere Be¬ 
sprechung ausschalten. 

Die nach der Frequenz geordnete Reihe der übrigen Fälle ergibt, 
daß die Dauer des K-Ekg im großen und ganzen mit der Dauer der 
Herzperiode zunimmt, wenn auch nicht in regelmäßiger Weise. Der 
Grund für die Abweichungen dürfte nur zum Teil in der Form des 
K-Ekg liegen; wo diese normal ist, ist die V t meist kurz (Nr. 782, 184, 
222, 1001, 1105, 425), aber nicht immer; so zeigt 783 trotz der Normal¬ 
form ein sehr breites Ekg und andrerseits 283 trotz der atypischen Form 
ein kurzes K-Ekg. 



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über die Dauer de:> K-EkjL r (Kanuner-Elektrokardiograimns). 385 

Wie steht es nun mit der Länge der V s im Verhältnis zur Dauer 
der Herzperiode und den drei von uns geprüften Formeln? Dies er¬ 
sehen wir aus der ersten Tabelle. Von den 21 Fällen geben 13 einen 
mit der Formel von Fridericia ganz gut übereinstimmenden Wert, 
d. h. die Differenz ist nicht größer als 4,5. Zehn Fälle — z. T. sind es 
dieselben wie die eben erwähnten — stimmen mit der Formel von 
Bazeit. Die übrigen Fälle geben, mit Ausnahme des von uns ausge¬ 
schalteten Falles 819 einen zu großen Wert, und zwar ist die Differenz 
manchmal beträchtlich, wie aus der folgenden Zusammenstellung her¬ 
vorgeht, in der wir nur die Formel von Fridericia heranziehen. 


■ 

i! Dauer des K-Ekg 1 


Prot. 

Nr. 

1 Herzperiode 1 

nach 

Differenz 


ll gemessen | 

Fridericia 


137 

" 55 

45,5 

+9,5 

160 

62 

46,4 

+ 15,6 

163 

i! 52 

47,3 

+5,7 

459 

56 

50,4 

+5,6 

783 

52 

43,2 

+8,8 

1026 

52 

46,7 

+5,3 

1127 

63 

54,7 

+8,3 


Wir haben bei der Besprechung unserer großen, im Anfang des 
klinischen Teils abgedruckten Tabellen gefunden, daß die Formel von 
Fridericia fast immer sehr gut stimmt, und daß in den wenigen Fällen, 
wo sich eine Abweichung ergab, der gemessene Wert fast immer j$u 
klein war, wobei die Differenz aber die von Fridericia angegebene Grenze 
von 4,5 nur wenig überschritt. Es ist daher um so auffallender, daß wir 
hier nicht nur immer zu große Werte finden, sondern auch, daß die 
Differenzen so beträchtlich sein können. Man könnte geneigt sein, 
den Grund hierfür darin zu suchen, daß die Formel von Fridericia für 
so lange Herzperioden nicht mehr zutrifft, da er sie ja selbst nur für die 
zwischen 44 und 120 hegenden Herzperioden erprobt hat. Ich glaube 
aber, daß der Grund für unsere Abweichungen viel tiefer hegt, denn wir 
haben sie bei den Sinusbradykardien trotz gleich langer Herzperioden 
nicht gefunden. Auch unser Fall 1127 zeigt, daß hier besondere Ein¬ 
flüsse im Spiele sein müssen: Bei der Dissoziation betrug die Herz¬ 
periode 288 und die V s 63. Bei einer anderen Aufnahme bestand Block 
3:1, dadurch entstanden Herzperioden von 290, aber die V s betrug 
nur 56, und da stimmt sie mit der Formel von Fridericia sehr gut, 
während sie früher um 8,3 zu lang war. Es scheint mir wahrscheinlich, 
daß die funktionelle Trennung der Kammern von den Vorhöfen einen 
von diesen ausgehenden Einfluß ausschaltet und daß dadurch die Dauer 
der V t verlängert wird. Ich erinnere hier nur an die pharmakologischen 
Untersuchungen von Amsler und Pick 37 ), die diese Autoren zu dem 


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886 


V. Miki: Experimentelle und klinische Untersuchungen 


Schlüsse geführt haben, daß im ,,Oberherzen“ ein Contracturhem- 
raungszentrum gelegen sei. — Auch in unserem Fall 425 trat (nach 
Kniebeugen) an die Stelle der Dissoziation ein Block 3:1. Aber die 
Dauer des K-Ekg ist nicht meßbar, weil sich die erste blockierte Vorhof¬ 
zacke gerade auf die Nachschwankung aufsetzt. Man könnte übrigens, 
selbst wenn auch hier eine Verkürzung des K-Ekg gefunden würde, 
diese auch auf die Körperarbeit zurückzuführen. 

Interessant ist die Tatsache, daß im Fall 137 nach Kniebeugen die 
V t kürzer wird, obwohl die Frequenz der Kammern gleichzeitig etwas 
abnimmt. Der Fall ist von Stärk j 38 ) ausführlich beschrieben worden 
(als Fall 2). Ferner sei auf die inverse Atropin Wirkung im Fall 283 
hingewiesen (Verlängerung der Herzperiode, also Frequenzabnahrae, 
im ersten Stadium der Atropin Wirkung, siehe Kaufmann und Donath 39 ). 

Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse. 

Experimenteller Teil. 

1. Die Vermehrung und die Verminderung des Zuflusses zum rech¬ 
ten Herzen ist ohne wesentlichen Einfluß auf die Dauer des K-Ekg. 

2. Die Steigerung des Entleerungswiderstandes durch Aorten¬ 
kompression hat eine leichte Verlängerung der K-Ekg zur Folge, die 
aber durch die Beschleunigung des Herzschlages leicht verdeckt wird. 

3. Nach Vagotomie wird die Systole kürzer, durch Vagusreizung 
wird sie verlängert infolge Überwiegens des chronotropen Einflusses. 

4. Die Ausschaltung der Accelerantes verlängert die V tf wobei 
gleichzeitig die Frequenz immer mehr abnimmt. Die Reizung des 
rechten Accelerans verkürzt das K-Ekg, wobei die Beschleunigung etwas 
früher kommt und länger anhält. Bei der Reizung des linken Accelerans 
dauert die Verkürzung der V, länger als die Beschleunigung. Nach 
Injektion von Adrenalin tritt die Beschleunigung früher auf als die Ver¬ 
kürzung der V s . 

5. Extrasystolen von der rechten Kammer sind etwas länger als die 
Normalsystolen; die von der linken Kammer sind nicht länger, manch¬ 
mal, besonders bei kleinen Ausschlägen, sogar kürzer. 

6. Bei Vorhofflimmern kann eine Kamraertachykardie entstehen, 
bei der die V t stark verkürzt wird. Dies ist die Folge des Umstandes, 
daß die Kammern gleich oder sehr bald nach dem Ende der refraktären 
Phase wieder zur Kontraktion gebracht werden. 

7. Nach der Durchschneidung eines Taxvara sehen Schenkels nimmt 
die Vg um 0,03 —0,04" zu, wenn sich die Frequenz nicht ändert; der 
Grad der Verlängerung ist aber nicht konstant. 

8. Nach Abkleramung des Atrioventrikularbündels ist die Dauer der 
V g beträchtlich verlängert, und zwar nicht infolge der Herabsetzung 
der Frequenz. 


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über die Dauer des K-Ekg (Kainmer-Elektrokardiotrrainins). 387 

9. Bei Erstickung nimmt die Dauer der V 9 beträchtlich ab, und zwar 
unabhängig von der Frequenz, die zuerst, auch bei durchschnittenen 
Herznerven, etwa« steigt, dann aber immer mehr abnimmt. Bei aus¬ 
gesprochener asphyktischer Herzschwäche ist die V 8 kurz; nach Wieder¬ 
einleitung der künstlichen Atmung wird sie lang, und zwar gewöhnlich 
etwas länger als vor der Erstickung, kehrt aber auch dann rasch zur 
Norm zurück. 

10. Chlorkalium scheint die V g zu verkürzen, diese wird aber ver¬ 
längert durch Oxalsäure, Magnesiumsulfat, Chloroform, Muscarin und 
besonders durch Chinin, dem eine besondere schädigende Wirkung auf 
das Reizleitungssystem zukommt. 

Klinischer Teil. 

Es werden 178 Fälle von regelmäßiger Herztätigkeit untersucht 
und die Dauer des K-Ekg mit der Länge der vorangehenden Herz¬ 
periode in Beziehung gebracht. Dabei zeigt sich, daß die von Fridericia 
und von Bazett zur Ermittlung des zu erwartenden Wertes angegebenen 
Formeln sehr gut stimmen, während sich die Formel von Lombard und 
Cope nicht bewährt. Diese drei Formeln geben übrigens auch bei einer 
und derselben Herzperiode je nach deren Länge manchmal sehr weit 
auseinandergehende Werte. Unter den 178 Fällen sind nur 13, die eine 
größere Abweichung des gemessenen vom errechneten Wert (nach 
Fridericia) ergeben, doch dürfte auch diesen keine besondere Be¬ 
deutung zukommen. 

Bei respiratorischer Arhythmie ändert sich die Dauer des K-Ekg 
auch bei sehr stark schwankenden Herzperioden nur sehr wenig; im 
großen und ganzen wird sie bei Verlangsamung länger. Ventrikuläre 
Extrasystolen von rechts sind gewöhnlich sehr lang, die linksseitigen 
sind meist ebenso lang wie die Normalschläge. Nach gehäuften Extra¬ 
systolen und besondere nach extrasystolischen Tachykardien kann die 
nächstfolgende Normalkontraktion sehr kurz sein und dies spricht 
dafür, daß darin der Ausdruck einer Schädigung des Herzmuskels liegt 
(also nicht in einer Verlängerung, wie Fridericia angibt). 

Bei Dissoziation kann die V. sehr lang werden und eine so große* 
Abweichung von den errechneten Wert zeigen, wie sie in keinem anderen 
Falle gefunden wird. Dies beruht nicht einfach auf der Herabsetzung 
der Frequenz, sondern dürfte mit der funktionellen Abtrennung der 
Kammern von den Vorhöfen Zusammenhängen. 

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und Mines, ebenda 319. — ®°) Schott, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 107, 375. 
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38 ) Kaufmann und Rothberger, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 11, 40. 1920. — 

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Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therap. 11, 1912. — 39 ) Kaufmann und Donath 
Wien. klin. Wochenschr. 1913. 



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Autorenverzeichnis, 


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Bauer, Julius und Berta Aschner. Über 
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fluß von Adrenalin, Hypophysen- und 
anderen Blutdrüsenextrakten und Ge- 
fäßmitteln. S. 191. 

Bayer, Gustav . Über den Calciunigehalt 
des Blutes bei derGuanidinvergiftung. 
Ein Beitrag zur Tetaniefrage. S. 119. 

Boruttau, H. und K. Orassheim. Unter¬ 
suchungen über die Pharmakologie 
des Strontiums. S. 213. 

Bürger, Max und Max Grauhan. Über 
postoperativen Eiweißzerfall I. S. 97. 

Grauhan, Max s. Max Bürger. 

Grassheim , K. s. H. Borultau. 

Harpuder, K. und B. Mond. Die Brauch¬ 
barkeit der kolorimetrischen Methoden 
zur Bestimmung vom Harnsäuregehalt 
des Blutes. S. 54. 

Harpuder, K. s. A. Schittenhelm. 

Jastrowiz, H. Zur Pathochemie der Blut- 
lipoido bei experimenteller Anämie. 
S. 276. 

Krawkow, N. P. Über die funktionellen 
Eigenschaften der Blutgefäße isolierter 
(normaler und pathologischer) Organe 
von Tieren und Menschen. S. 127. 

Langer, Hans. Die Grundlagen der bio¬ 
logischen Desinfektionsleistung von 
Acridiniumfarbstoffen, insbesondere 
von Flavicid. S. 174. 

Lohr , Hanns . Die Beeinflussung der 
Blutkörperchensenkungsgeschwindig¬ 
keit durch Reizstoffe. S. 1. 

Mihi, Y. Experimentelle und klinische 
Untersuchungen über die Dauer 
des K-Ekg (Kammer-Elektrokardio¬ 
gramms). S. 323. 


Moraczewski , W. Diagnostische Bedeu¬ 
tung der Wasserprobe bei Nieren¬ 
kranken. S. 265. 

Peiser, Bruno. Störungen der Adrenalin¬ 
bildung in den Nebennieren unter 
äußeren Einflüssen und ihre biolo¬ 
gische Bedeutung. S. 234. 

Pierilz, Konrad s. Edgar Wöhlisch. 

Schellong, Fritz. Untersuchungen über 
die Ableitung der Aktionsströme des 
Herzens vom Thorax. S. 115. 

Schittenhelm, A. und K. Harpuder. Der 
Einfluß parenteral verabreichter freier 
und gebundener Purinkörper auf die 
Purinkörperausscheidung im Urin beim 
Menschen. S. 14. 

-Resorption und bakterielle Zer¬ 
setzung der Purinsubstanzen im Darm- 
kanal von Mensch und Tier. S. 29. 

— — Über das Schicksal gehäuft in¬ 
jizierter Harnsäure beim Menschen. 
S. 34. 

-Gibt es beim Menschen eine Harn¬ 
säurezerstörung? Bemerkungen zur 
Theorie der Gicht. S. 43. 

-Harnsäureumsatz und Harnsäure¬ 
ausfuhr bei. Akromegalie. S. 50. 

Starlinger, Wilhelm. Über die physi¬ 
kalisch-chemische Beeinflussung des 
Blutes durch Tuberkulin, gemessen 
an der Suspensionsstabilität der Ery- 
throcy ten und dem Flockungsvermögen 
des Plasmas. S. 305. 

Wöhlisch, Edgar. Die physikalischen 
Grundlagen einer rationellen Methodik 
zur Bestimmung der Gerinnungszeit 
des Venenblutes, (Untersuchung über 
Blutgerinnung IV.) S. 61. 

— und Konrad Pieritz. Untersu¬ 
chungen zur Methodik der verglei¬ 
chenden Thrombinbestimmung im Se¬ 
rum. (Wöhlisch. Untersuchungen 
über Blutgerinnung. V.) S. 82. 


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