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Full text of "Zeitschrift Für Experimentelle Pathologie Und Therapie 13.1913 UM"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


EXPERIMENTELLE PATHOLOGIE 

UND 

THERAPIE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 

L. BRIEGER (BERLIN), H. E. HERING (PRAG), 
F. KRAUS (BERLIN), R. PALTAUF (WIEN* 
J. POHL (BRESLAU). 


DREIZEHNTER BAND. 

MIT 17 TAFELN, 10 ABBILDUNGEN UND 14 CURVEN IM TEXT. 


BERLIN 1913. 

VERLAG VON AUGUST HIRSCHWALD. 

NW. UNTEE DEN LINDEN 68. 


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Inhalt. 

(Heft 1: Ausgegeben am 24. April 1913.) 

I. Aus der propädeutischen Klinik der deutschen Universität in Prag 
(Prof. H. E. Hering). Klinische Beobachtungen über Verlängerung 
der der Postextrasystole folgenden Vorhofperioden bei supraventri- 
culären Extrasystolen nebst kritischen Bemerkungen über die Genese 


der frequenzhemmenden Wirkung der Extrasystole auf automatisch 
thätige Herzabschnitte. Von Priv.-Doc. Dr. J. Ri hl. (Hierzu Tafel I.) 1 

II. Aus dem Kgl. med.-poliklin. Inst, der Univ. Berlin (Director: Geh. 

Med.-Rath Prof. Dr. Gold sc hei der). Die Giftigkeit des Methyl- und 
Aethylalkohols. Von Prof. Dr. Alexander Langgaard ... 20 

III. Aus der med. Univ.-Klinik in Greifswald (Director: Prof. Dr. Steyrer). 

Ueber den Ausgleich des arteriellen und venösen Druckes in aus der 
Blutbahn ausgeschaltetenTbeilen des Gefässsystems. Von Dr. Frank. 

(Mit 1 Curve im Text.). 37 

IV. Aus der med. Poliklinik in Freiburg i. B. Ueber den Wirkungs¬ 
mechanismus des Arsenik bei Anämien. VonDr.S.Saneyoshi (Tokio) 40 


V. Aus der Kgl. Univ.-Poliklinik für Lungenleidende zu Berlin (Director: 
Geh.-Rath Prof. Dr. Max Wolff). Ueber die Wirkung desTuberculins 
auf tuberculosefreie Meerschweinchen und den Ablauf der Tuberculose 
am tubcrculinvorbehandelten Thier. Von Dr. Felix Klopstock, 

Assistenten der Poliklinik. 56 

VI. Aus der med, Klinik zu Greifswald (Director: Prof. Dr. Steyrer). 
Klinische und experimentelle Untersuchungen über die Function der 


Niere mit Hülfe der Phenolsulfophthaleinprobe. Von Dr. E. Behren- 
roth und Dr. L. Frank, Assistenzärzten der Klinik. (Mit 1 Curve 

im Text.). 72 

VII. Aus der II. med. Univ.-Klinik der Königl. Charite zu Berlin. Fieber 
und Chininwirkung im Fieber. Von Dr. med. Rahel Hirsch, 
Assistentin der Klinik. (Mit 2 Abbildungen und 5 Curven im Text.) 84 

VIII. Aus der II. med. Univ.-Klinik der Königl. Charitö zu Berlin. Trypa¬ 
nosomen -Wärmestioh - Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen. Von 

Dr. med. Rahel Hirsch, Assistentin der Klinik.132 

IX. Aus der II. med. Univ.-Klinik der Königl. Charitö zu Berlin. Adrenalin 
und Wärmehaushalt. Von Dr. med. Rahel Hirsch, Assistentin der 
Klinik ..142 


(Heft 2: Aasgegeben am 26. Mai 1913.) 

X. Aus der II. med. Klinik der Charit^ (Berlin). Die pathologische Physio¬ 
logie des Lungenvolumens und seine Beziehung zum Kreislauf. Von 
Priv.-Doc. Dr. Johann Plesch (Berlin). (Hierzu Tafel II und 5 Ab¬ 
bildungen im Text.).165 


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IV 


Inhalt. 


Seite 

XI. Aus der med. Klinik in Lemberg (Director: Prof. Dr. A. Gluzinski). 
Untersuchungen der Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von 
Alkalien bei Gesunden und Kranken. Von Dr. Heinrich Sochanski 246 

XII. Aus der med. Klinik in Göttingen. Die Löslichkeit der wichtigsten 
Steinbildner im Harn. Von L. Lichtwi tz. (Mitl Abbildung imText.) 271 

XIII. Aus dem pharmakol. Inst, derüniv. Breslau (Director: Geh.-Rath Prof. 

Dr. J. Pohl). Ueber die Bindung des Arsen Wasserstoffes im Blut. Von 

Dr. R. Meissner, Assistenten des Instituts. (Mitl Abbildung imText.) 284 

XIV. Aus dem pharmakol. Inst, derüniv. Breslau (Director: Geh.-Rath Prof. 
Dr.J.Pohl). Zur Wirkungsweise des Atophans. Von J o h. Biberfeld 301 

XV. Aus dem physiol. Laboratorium (Leiter: Dr. A. Born stein) des All¬ 
gemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg. Die Verwerthung des 
Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. Von A. Goudberg, 

Arzt aus Rotterdam (Holland).310 

XVI. Aus der I. med. Klinik in Wien (Vorst.: Hofrath Prof. C. v. No orden). 

Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische Eigenschaften 
entfalten? Von Dr. Paul Saxl, Assistenten der Klinik .... 326 

XVII. Aus der Kgl. med. Klinik in Kiel (Director: Prof. Dr. Lüthje). Der 
anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild. Von Priv.-Doc. 

Dr. H. Schlecht und Priv.-Doc. Dr. W. Weiland. (Hierzu Tafel III.) 334 
XVIII. Aus der I. inneren Abth. des städt. Krankenhauses Charlottenburg- 
Westend (Prof. Dr.Umber). Beiträge zur Chemie des Blutes in Krank¬ 
heiten mit besonderer Berücksichtigung der Lipoide. III. Mittheilung. 

Von Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger.343 

XIX. Aus der I. inneren Abth. des städt. Krankenhauses Charlottenburg- 

Westend (Prof.Dr.Umber). Beiträge zur Chemie des Blutes in Krank¬ 
heiten mit besonderer Berücksichtigung der Lipoide. IV. Mittheilung: 
Diabetes und Lipämie. Von Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger . 362 

XX. Aus der I. inneren Abth. des städt. Krankenhauses Charlottenburg- 
Westend (Prof. Dr. Umber). Ein Beitrag zur Chemie des Knochen¬ 
marks. (V. Mittheilung der „Beiträge zur Chemie des Blutes in Krank¬ 


heiten“.) Von Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger.367 

XXL Die Oxydasereaction unter Blausäurewirkung. (Erwiderung an 
H. Raubitschek, diese Zeitschr., Bd. 12, H. 3.) Von Dr. Fr. Rabe, 
z. Z. Assistenten der med. Klinik in Marburg.371 


(Heft 3: Ausgegeben am 17. Juni 1913.) 

XXII. Aus der med. Poliklinik zu Rostock (Geh.-Rath Martins). Ueber 
Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction des 
mit Kupfersulfat versetzten Harnes. Von Dr.Theodor Hausmann. 

(Mit 1 Abbildung im Text.). 373 % 

XXIII. Aus dem Institut für allgemeine Pathologie an der Kaiserl. Moskauer 
Universität. Zur Frage nach den Veränderungen der Herzthätig- 


keit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. Von Dr. med. 

A. M. Kotowschtsohikow, Ordinator am Jausa-Krankenhaus in 

Moskau. (Hierzu Tafeln IV—X.).400 

XXIV. Aus der propädeutischen Klinik der deutschen Universität in Prag (Prof. 

Dr. H. E. Hering). Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei 
Vorhofflimmern. Von Priv.-Doc. Dr. J. Ri hl. (Hierzu Tafeln XI—XIII 
und 3 Curven im Text.).461 


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Inhalt. 

XXV. Aus dem Institut für allgem. und exp. Pathologie (Vorstand: Hofrath 
R. Paltauf) und der I. med. Abth. des Krankenhauses der Wiener 
Kaufmannschaft (Vorstand: Prim. Doo. H. Schur). Experimentelle 
Studien zur Pneumothoraxbehandlung. In welcher Weise beeinflusst 
der einseitige Pneumothorax das Entstehen tuberculöser Erscheinungen 
nach intravenöser und intratrachealer Infection ? Von HeinrichSchur 

und Siegfried Plaschkes. 

XXVI. Aus dem pharmakologischen Institut der UniversitatWien. Die experi¬ 
mentelle Analyse der Salvarsanwirkung. (Beitrag zur Indications- 
Stellung des Salvarsans.) Von Priv.-Doc. Dr. Friedrich Luithlen 

(Wien). (Hierzu Tafeln XIV und XV.). 

XXVII. Aus dem Laboratorium der II. med. Klinik in Berlin (Director: Geh.- 
Rath Prof. Dr. Kraus). Nebenniere und Zuckerstich. Von Adolf 

Jarisch. (Hierzu Tafeln XVI und XVII.). 

XXVIII. Aus dem serologischen Laboratorium der psychiatrischen und Nerven- 
klinik der Kgl. Charitö in Berlin. Ueber das Schicksal des Salvarsans 
im menschlichen Körper. Von Frenkel-Heiden und E. Navassart. 
(Mit 4 Curven im Text.). 


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I. 


Aus der propädeutischen Klinik der deutschen Universität in Prag. 

(Prof. H. E. Hering.) 

Klinische Beobachtungen 

über Verlängerung der der Postextrasystole folgenden 
Vorhofperioden bei supraventriculären Extrasystolen 

nebst kritischen Bemerkungen 
über die Genese der frequenzhemmenden Wirkung der 
Extrasystole auf automatisch thfitige Herzabschnitte. 

Von 

Priv.-Doc. Dr. J. Rihl. 

(Hierzu Tafel I.) 


Einleitung. 

In meiner im Jahre 1906 erschienenen Mittheilung „Ueber Herz- 
alternans beim Menschen“ 1 ) habe ich S. 283 bei der Analyse der extra¬ 
systolischen Herzunregelmässigkeiten des Falles IV (Pat. A. R.) als Be¬ 
sonderheit hervorgehoben, „dass nach Extrasystolen nicht selten eine 
Verlängerung der der Extraperiode folgenden Periode zu Stande kam“. 

Ich kam auf diese Beobachtung in der genannten Mittheilung nur 
deshalb zu sprechen, weil ich ihrer zur Erklärung gewisser Abweichungen 
im Verhalten des Alternans nach dem Auftreten einer Extrasystole be¬ 
durfte, und begnügte mich deshalb mit der eben citirten kurzen Be¬ 
merkung. 

In der vorliegenden Mittheilung soll der schon damals in Kürze 
registrirte Befund eine eingehendere Besprechung erfahren. 

Curvenanalyse. 

Sämmtliche hier raitgetheilten Curven wurden bei der Patientin A. R., 
welche in der oben citirten Mittheilung als Fall IV angeführt ist, ge¬ 
wonnen. Bezüglich der Krankengeschichte dieses Falles verweise ich 
auf meine obengenannte Mittheilung. 

Fig. 1 (14/3 06) zeigt eine gleichzeitige Aufnahme des Halsvenen¬ 
pulses und Cubitalpulses; Pulsfrequenz ca. 86 in der Minute. Etwa in 
der Mitte der Figur sieht man einen vorzeitigen Cubitalpuls, dem an der 
Venenpulscurve eine vorzeitige Vorhofwelle entspricht. Das Intervall, das 
zwischen der vorzeitigen Vorhofwelle und dem vorzeitigen Cubitalpuls 
besteht, ist deutlich länger als das Intervall Vorhofwelle—CubitalpuU der 
normalen Herzschläge, wir haben es hier demnach mit einer auriculären 
Extrasystole zu thun. 

1) J. Rihl, Ueber Herzalternans beim Menschen. Diese Zeitschr. 1906. Bd. 3. 
S. 274. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd. j 


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2 


J. Rihl, 

Nimmt man eine genaue Ausmessung der Abstände der einzelnen 
Vorhofwellen vor, so kann man feststellen, dass nicht nur die der 
Vorhofextrasystole folgende Periode, die Extraperiode, 
sondern auch noch die beiden nächsten Vorhofperioden gegen¬ 
über den übrigen Vorhofperioden verlängert sind. Die Extraperiode 
ist nicht compensatorisch. 

Die Verlängerung dieser beiden Perioden ist äusserst geringfügig, 
doch immerhin deutlich nachweisbar. 

Auf den in Fig. 1 bestehenden Alternans des Cubitalpulscs und der 
C-Zacke des Vencnpulses sowie auf die Verstärkung dieses Alternans 
nach der Extrasystole sei hier nur nebenbei hingewiesen; diese Er¬ 
scheinungen wurden seinerzeit in meiner Mittheilung „Ueber Ilerzaltcrnans 
beim Menschen“ eingehend beschrieben und erörtert. 

Sehr deutlich sieht man eine Verlängerung der der Postextrasystole 
folgenden Periode in Fig. 2, die bei einer grösseren Umdrehungsgeschwindig¬ 
keit der Registrirfläche gezeichnet ist. 

In dieser Figur sind so zahlreiche Extrasystolen, durchwegs auri- 
culärer Natur, vorhanden, dass man nur aus einer einzigen Stelle einen 
Anhaltspunkt für die Länge der Vorhofperiode des durch Extrasystolen 
unbeeinflussten Vorhofrhythmus gewinnen kann. 

An dieser Stelle folgen auf zwei auriculäre Extrasystolen vier normale 
Herzschläge unmittelbar hintereinander: man hat hier also zwei einander 
unmittelbar folgende Vorhofperioden, denen keine Extraperiode unmittel¬ 
bar vorangeht. 

Vergleicht man nun mit der Dauer einer dieser beiden Vorhofperiodon 
die Dauer der übrigen Vorhofperioden, so ist deutlich zu erkennen, dass 
ersteren gegenüber nicht nur die Extraperioden des Vorhofes, sondern auch 
noch die einer jeden Extraperiode folgende Normalperiode des Vorhofes, 
die wir Postextraperiode nennen wollen, verlängert ist. 

Berechnet man aus der Länge jener beiden Vorhofperioden, denen 
keine Extraperiode unmittelbar vorangeht, die Minutenfrequenz des Vor¬ 
hofes, so ergiebt sich die Zahl 80. Aus den unmittelbar vor und un¬ 
mittelbar nach Fig. 2 aufgenommenen Curven, von denen die regelmässige 
Schlagfolge längere Zeit durch keine Extrasystole unterbrochen wurde, 
ergiebt sich jedoch eine Minutenfrequenz von 86, so dass der Schluss 
gerechtfertigt erscheint, dass sich in Fig. 2 die nach den Extrasystolen 
auftretende Verlängerung der Vorhofperiode, ausser bei der Extraperiode 
und der Postextraperiode, auch noch bei den zw r ci nächsten Perioden 
geltend macht. 

Auch in dieser Figur hat die Verlängerung der Extraperioden, wie 
man sich unter Berücksichtigung der Länge der Normalperioden leicht 
überzeugen kann, nichts mit einer compensatorisehen Pause zu thun. 

Die Erscheinung der Verlängerung der Postextraperiode war in 
unserem Falle nicht stets nach supraventriculärcn Extrasystolen zu 
beobachten. 

Im Allgemeinen w r ar sie besonders nach Extrasystolen von grösserer 
Vorzeitigkeit zu beobachten, während sie bei geringerer Vorzeitigkeit der 
Extrasystole häufig fehlte. 



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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole eto. 3 

So sieht man in Fig. 4 (16/3 06) zwei auriculäro Extrasystolen, die 
erste von grösserer, die zweite von geringerer Vorzeitigkeit; nur nach 
der ersteren ist eine Verlängerung der der Postextrasystole folgenden 
Vorhofperiode nachweisbar. 

Fast immer war diese Verlängerung sehr deutlich nachweisbar, wenn 
eine grössere Anzahl unmittelbar aufeinander folgender extrasystolischer 
Schläge in nicht zu grossen Intervallen vorangegangen war. 

Ein Beispiel hierfür bietet Fig. 5 (9/3 06). Im Anfang der Curve 
sehen wir eine Gruppe von vier auriculären Extrasystolen, denen eine 
deutlich verlängerte Extraperiode des Vorhofes und eine mit jener nahezu 
glcichlange Postextraperiode folgen. 

In allen Fällen, in denen sich eine Verlängerung der Postextraperiode 
nachweisen liess, war noch immer eine Verlängerung der Extraperiode 
vorhanden. 

Im Hinblick auf die geringen Grössenunterschiede in der Perioden- 
daucr, mit denen wir es hier bei der Verlängerung der Postextra¬ 
periode häufig zu thun hatten, muss besonders hervorgehoben werden, 
dass bei unserer Patientin während Athcrastillstand bei regelmässiger 
Herzthätigkeit die Länge der einzelnen Vorhofperioden nahezu garnicht 
variirte. 

Fig. 3 (18/3 06) zeigt eine Verlängerung der Postextraperiodo nach 
zwei einander unmittelbar folgenden atrioventriculäron Extrasystolen 
von nicht sehr grosser Vorzeitigkeit. Der atrioventriculäro Ursprung der 
Extrasystolen geht aus der Verkürzung des Intervalles a—cb gegenüber 
der Norm hervor. Die Postextraperiode ist hier fast genau so lang wie 
die Extraperiode. Hier ist der Zeitwerth des ganzen Trigeminus nur sehr 
wenig kürzer als der dreier Normalperioden. 

Die Verlängerung der Postextraperiode kam auch stets an der Artericn- 
pulscurvc deutlich zum Ausdruck; doch darf man eine solche nicht als 
Indicator einer Verlängerung der Postextraperiode des Vorhofes auffassen, 
da erstcrc, wie ich dies in meiner Mittheilung über den Herzalternans 
auseinandergesetzt habe, auch dadurch zu Stande kommen kann, dass 
das Intervall Herzstoss-Cubitalis bei der postextrasystolischen Systole be¬ 
sonders kurz, bei der ihr folgenden besonders lang ist. 

Die hier mitgethcilten Beobachtungen lassen sich folgendermaassen 
zusammen fassen: 

Nach supraventriculären Extrasystolen war häufig eine Verlängerung 
der Postextraperiode, event. noch der ihr folgenden Periode, nach¬ 
zuweisen. 

Diese Verlängerung war stets mit einer Verlängerung der Extra¬ 
periode selbst verbunden, ohne dass es jedoch hierbei zu einer com- 
pensatorischen Pause kam. 

Die Verlängerung der Postextraperiode wurde besonders dann beob¬ 
achtet, wenn es sich um eine grössere Vorzeitigkeit der supraventri¬ 
culären Extrasystole handelte, ferner, wenn mehrere einander in nicht 
zu grossen Intervallen unmittelbar folgende supraventriculäre Extra¬ 
systolen auftraten. 

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J. Ri hl. 


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Zar Erklärung der Verlängerung der Postexlraperioden. 

Beobachtungen über Verlängerung der Postextraperiode automatisch 
thätiger Herzabschnitte im Experiment am Warm- und Kaltblüter¬ 
herzen. 

Die Erscheinung, dass nach auriculären Extrasystolen unter Umständen 
eine Verlängerung der Postextraperiode des Vorhofes, gegebenenfalls auch 
noch der ihr folgenden Vorhofperioden gegenüber der NormalperiQde auf- 
treten kann, ist aus experimentellen Untersuchungen am Säugethierherzen 
schon lange bekannt. 

Cushny und Matthews äussern sich in einer im Jahre 1897 er¬ 
schienenen Abhandlung „On the effects of electrical Stimulation of the 
mammalian heart ul ) bei Besprechung des Fehlens einer compensircnden 
Pause nach auriculären Extrasystolen von grösserer Vorzeitigkeit folgender- 
raaassen: 

„Some times the next contraction“ (d. i. die der Postextrasystole folgende Con- 
traction) „of the auricle falls at the ordinary interval and the heart rhythm therefore 
becames again perfectly regulär. In other cases howewer the next pause after the 
postcompensatory contraction is somewhat prolonged, and occasionally the next three 
on four contractions are distinctly retarded.“ 

H. E. Hering hebt in seiner im Jahre 1900 erschienenen Mittheilung 
„Zur experimentellen Analyse der Unregelmässigkeiten des Herzschlages“ 2 ) 
bei Besprechung des Effectes der am Vorhof angreifenden abnormen Reize 
hervor, „dass die dem verkürzten Bigetninus folgenden Herzperioden etwas 
verlängert sind, bis die normale Schlagfolge wieder eintritt“, und erwähnt 
die gleiche Erscheinung auch bei Besprechung des Effectes der an der 
Hohlvene angreifenden abnormen Reize. 

Die Erscheinung der Verlängerung der Postextraperiode ist im Säuge¬ 
thierexperiment nicht nur an den auf die nomotopen Ursprungsreize hin 
schlagenden Vorhöfen, sondern auch an den automatisch thätigen Kammcr- 
und Brücken fasern beobachtet worden. 

Beobachtungen über die Verlängerung der Postextraperiode in der 
Kammer sind im Institut schon seit vielen Jahren bekannt, wie aus den zu 
anderen Zwecken publicirten Curven hervorgeht, an denen die erwähnte 
Erscheinung zu sehen ist; ich verweise z. ß. auf Fig. 7 der im Jahre 1907 
publicirten Mittheilung von H. E. Hering „Ueber die Automatie des Säuge¬ 
thierherzens“ 3 ), oder aufFig. 6b meiner gleichfalls im Jahre 1907 erschienenen 
Mittheilung „Ueber atypische Grössen Verhältnisse der Extrasystole“ 4 ). 

Sehr ausführlich hat sich jüngst (1912) Cushny in einer im letzten 
Juniheft des Heart erschienenen Mittheilung „Stimulation of the’isolated 
ventricle, with special reference to the development of spontaneous 

1) Cushny and Matthews, On the effects of electrical Stimulation of the 
mammalian heart. Journ. of Phys. 1897. Vol. XXI. p. 213. 

2) H. E. Hering, Zur experimentellen Analyse der Unregolmässigkeiten des 
Herzschlages. PflügePs Arch. 1900. Bd. 82. S. 1. 

3) H. E, Hering, Ueber die Automatie des Säugethierherzens. Pflüger’s Arch. 
1907. Bd. 116. S. 143. 

4) J. Ri hl, Ueber atypische Grössenverhältnisse der Extrasystole. Diese Zeit¬ 
schrift. 1907. Bd. 4. S. 255. 


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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postcxtrasystole etc. 5 

rhythm“ 1 ) mit der am automatisch thätigen Säugethierventrikel nach 
frequenter künstlicher Reizung desselben zu beobachtenden, erst, allmählich 
sich zurückbildenden Frequenzherabsetzung des spontanen Ventrikel/- 
rhythmus beschäftigt, nachdem schon 1906 Hirschfelder und Erlanger 2 ) 
auf diese Erscheinung aufmerksam gemacht hatten. 

Gleichzeitig etwa mit der soeben erwähnten Cushny'sehen Ab¬ 
handlung erschien eine Mittheilung von Rothberger und Winterber'g 
„lieber Extrasystolen mit compensatorischer Pause bei Kammerautomatie 
und über die Hemmungswirkung der Extrasystolen“ 3 ), in der sich Beob* 
achtungen über die Verlängerung der Postextraperiode am Säugethierherzen 
nach Extrasystolen bei atrioventriculärer und ventriculärer Automatie finden. 

Was das Kaltblüterherz anbelangt, so heben F. B. Hofmann und 
Jul. Holzinger in ihrer 1911 erschienenen (der Cushny’schen Mit¬ 
theilung zeitlich vorangehenden) Mittheilung „Ucber den Einfluss von 
Extrasystolen auf die Rhythmik spontan schlagender Herztheile“ 4 ) für 
den vom Sinus isolirten Frosch Ventrikel Folgendes hervor: 

„Mitunter erstreckt sich ferner der Einfluss einer eingeschalteten 
Extrasystole (Ventrikelreizung) noch über die Extraperiode hinaus auf die 
nächste Spontanperiode, welche um ein geringes verlängert sein kann.“ 

Da in den Versuchen von Hofmann die Ursprungsstelle der Spontan¬ 
erregungen in der Atrioventriculargrenze zwischen Vorhof und Ventrikel lag, 
so zählen seine Befunde unter die Beobachtungen über Verlängerung der 
Extraperiode bei atrioventriculärer Automatie. 

Hofmann bringt in seiner Mittheilung ausserdem noch Beobachtungen 
über Verlängerung der Postextraperiode an den isolirten Kammern junger 
Hunde. 

Beobachtungen über die Länge der Extraperiode automatisch thätiger 
Herzabschnitte am Kalt- und Warmblüterherzen. 

Die Genese der Verlängerung der Postextraperiode an automatisch 
schlagenden Herzabschnitten lässt sich nur im Zusammenhang mit deq 
anderen in Folge einer Extrasystole an automatisch schlagenden Herz¬ 
abschnitten auftretenden Rhythmusänderungen discutiren; es erscheint 
daher erforderlich, hier auch auf das Verhalten der Extraperiode an 
automatisch thätigen Herzabschnitten einzugehen. 

Was das Kaltblüterherz betrifft, so hat vor Allem Engelmann im 
Jahre 1896 6 ) gezeigt, dass an den automatisch thätigen Hohlvenen nach 
einer Extrasystole keine compensatorische Pause auftritt. 

1) A. R. Cushny, Stimulation of tbe isolated ventricle with special reference 
to tbe development of spontaneous rhythm. Heart. 1. Juni 1912. Vol. VII. No. 3. 
p. 257. 

2) Hirschfelder und Erlanger, Further studies on the physiology of heart- 
hlock in mammals. Amer. Journ. of Phys. 1906. Vol. XV. No. 2. p. 153. 

3) Pflüger’s Arch. Bd. 146. S. 385. 28. Juni 1912. 

4) Hofmann und Holzinger, Ueber den Einfluss von Extrasystolen auf die 
Rhythmik spontan schlagender Herztheile. Zeitschr. f. Biol. 1911. Bd. b7. S. 309. 

5) Th. W. Engelmann, Ueber den Ursprung der Herzbewegungen und die 
physiologischen Eigenschaften der grossen Herzvenen des Frosches. Pfluger’s Arch. 
1896. Bd. 65. S. 109. 


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J. Rihl, 

Desgleichen beobachtete F. B. Hofmann und Jul. Holzinger 1911 
an dem vom Sinus isolirten Froschventrikel, der auf an der Atrio- 
ventriculargrenze zwischen Vorhof und Kammer entstehende Spontan¬ 
erregungen hin schlug, nach Extrasystolen, die an der Kammer ausgelöst 
wurden, eine Verkürzung der compensatorischen Pause. 

Der von F. B. Hofmann und Jul. Holzinger mitgethcilte Befund, 
dass sie in einem Falle an dem vom Sinus isolierten Froschventrikel, der 
deutlich vor dem Vorhof schlug, nach ventriculären Extrasystolen stets eine 
compensatorische Pause nachweisen konnten, weist darauf hin, dass der auf 
atrioventriculäreReize schlagendeFroschventrikel nicht immer nach ventricu¬ 
lären Extrasystolen eine Verkürzungdercompensatorischen Pause zeigen muss. 

Engelmann konnte schon 1896 zeigen, dass zwar in den meisten 
Fällen die Extraperiode der automatisch thätigen Hohlvenen genau so lang 
ist wie eine Normalperiode, dass jedoch unter gewissen Bedingungen „die 
erste auf eine Extrasystole der Venen oder des Sinus folgende Pause, 
und zwar nur diese, merklich verlängert ist“. 

F. B. Hofmann 1 ) bemerkte schon 1904: Wenn man in die Reize 
der spontanen Contractionen des Vorhofes und des Ventrikels, die nach 
Wegschneiden des Sinus auftreten, durch Reizung mit einem einzelnen 
Inductionsstrom eine Extracontraction einschaltet, so folgt die nächste 
spontane Contraction etwas verspätet. In seiner 1911 erschienenen Mit¬ 
theilung beschäftigt er sich sehr ausführlich mit der Verlängerung der 
Extraperiode des unabhängig vom Sinus schlagenden Ventrikels nach 
ventriculären Extrareizen. 

Was das Säugethierherz anbelangt, so zeigten 1897 Cushny und 
Matthews unabhängig von Engelmann, dass die Vorhöfe nach Reizung 
der Hohlvenen stets eine compensatorische Pause aufweisen, nach Reizung 
der Vorhöfe selbst jedoch gelegentlich bei nicht sehr vorzeitigen Reizen 
eine völlige Compensation darbieten können. 

Hering bestätigt 1900 im Wesentlichen die angeführten Befunde von 
Cushny und Matthews, und erweitert sie, indem er hervorhebt, dass 
nach Hohlvenenreizung die Extraperioden sehr häufig genau so lang, 
nicht selten jedoch auch länger sind wie die spontanen Perioden, und 
dass bei Vorhofreizung die Extraperiode um so länger ist, je früher der 
Reizmoment in die erregbare Phase fällt. 

Bezüglich der Extraperiodo des automatisch schlagenden Säuger¬ 
ventrikels machen schon 1897 Cushny und Matthews die Bemerkung, 
dass sie an dem nach der Woolridge’schen Methode isolirten Ventrikel 
nach Reizung desselben niemals eine vollständige Compensation beobachten 
konnten. 

Uebereinstiramend damit berichtet 1902 Woodworth, dass auf die 
an der spontan schlagenden (nach Porter’s Verfahren isolirte und von 
der versorgenden Arterie aus künstlich gespeisten) Herzspitze des Hundes 
ausgelösten Extrasystolen keine compensatorische Pause folgt, ln seinen 
Fällen war die Extraperiode zumeist etwas kürzer als die Normalperiode. 

1) F. B. Hofmann, Die nourogene und myogene Theorie der Herzthätigkeit 
und die Function der inneren Herznerven. Schmidt’s Jahrb. 1904. Bd. 291. S. 113 


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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc. 


7 


Ira Jahre 1905 erbrachte H. E. Hering 1 ) den Nachweis, dass die 
bei schlaglosen oder abgeschnittenen oder abgeschnürten Verhöfen schlagen¬ 
den Kammern des Säugethierherzens sich gegenüber Extrareizen ebenso 
verhalten wie diejenigen Stellen des Herzens, von welchen normaler Weise 
die Contractionen ausgehen u , woraus er den Schluss zieht, dass in diesen 
Fällen „die Ursprungsreize in den Ventrikeln selbst oder in den Yer- 
bindungsfasern entstanden sind u . 

Da bei ventriculärcn Extrasystolen, die retrograd den Vorhof an¬ 
greifen, auch bei ventriculärer oder atrioventriculärer Automatie die 
Kammerextraperiode nicht compensatorisch zu sein braucht, jedoch sich 
unter diesen Umständen nicht auf die Länge der Normalperiodo verkürzen 
kann, sah Hering den Nachweis der Karamerautomatie nur dann er¬ 
bracht, wenn die Extraperiode ebensolang, event. noch ein wenig kürzer 
war als eine Normalperiode. 

An Herzen, bei denen Karamerextraperiodcn von der Länge einer 
Norraalperiode auftraten, konnte Hering auch immer Extraperioden beob¬ 
achten, die länger als die Normalperioden waren, eine Erscheinung, die 
wohl nur als Analogon der Verlängerung der Extraperiode bei Reizung 
der Hohlvenen der Vorhöfe des Säugethierherzens aufzufassen ist. 

In der gleichen Mittheilung stellt H. E. Hering fest, dass in einem 
Falle von atrioventriculärer Schlagfolge eines Hundeherzens, erwiesen durch 
die Kleinheit bezw. das Fehlen des Intervalles A s -Vs bezw. V 8 -As, immer 
die compcnsatorische Pause fehlte; in demselben kam es bei sehr vorzeitigen 
ventriculären Extrasystolen, die nicht retrograd wurden, zu Interpolation. 

Weitere Beobachtungen über das Verhalten bei atrioventriculärer 
Automatie nach ventriculärcn Extrasystolen, die nicht auf den Vorhof 
übergingen, bespricht Hering 19IO 2 3 * * ). Nach solchen Extrasystolen trat 
ebenso wie nach auriculären Extrasystolen, die nicht auf die Kammer 
übergingen, stets eine compcnsatorische Pause auf. 

Nach retrograden ventriculären sowie nach auriculären Extrasystolen, 
die auf die Kammer übergingen, wurde der bestehende atrioventriculäre 
Rhythmus unterdrückt, um vorübergehend einer Schlagfolge mit normalem 
Intervall Platz zu machen. 

Die Erscheinung des Hervortretens der Schlagfolge mit normalem 
Intervall unter den eben angegebenen Bedingungen worde von Roth- 
berger und Winterberg 1912 8 ) bestätigt, wie auch das Vorhandensein 
einer corapensatorischen Pause bei atrioventriculärer Automatic nach 
Extrasystolen, die auf den Vorhof bezw. die Kammer beschränkt bleiben, 
desgleichen die Verlängerung der Extraperiodo der automatisch schlagenden 
Kammer nach ventriculären Extrasystolen. 

1) H. E. Hering, Nachweis, dass das His’sche Uebergangsbündel Vorhof und 
Kammer des Säugethierherzens functioneil verbindet. Pfliiger’s Arch. 1905. Bd. 108. 
S. 267. 

2) H. E. Hering, Ueber successive Heterotopie der Ursprungsreize des Herzens 
und ihre Beziehung zur Heterodromie. Pflüger’s Arch. 1910. Bd. 136. S. 466. 

3) Rothberger und Winterberg, Ueber Extrasystolen mit compensatorischer 

Pause bei Kammerautomatie und über die Hemmungswirkung der Extrasystolen. 

PQüger’s Arch. 28. Juni 1912. Bd. 146. S. 385. 


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J. Rihl, 


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Rothberger und Winterberg bringen Beispiele dafür, dass bei 
atrioventriculärer Automatie gelegentlich auch nach retrograden Extra¬ 
systolen eine compensatorische Pause beobachtet werden kann, wie wir 
sie auch gelegentlich bei ventriculärer Automatie nach ventriculären 
Extrasystolen gesehen haben. 

Dass gelegentlich auch an automatisch thätigen Herzabschnitten 
nach Extrasystolen compensatorische Pausen beobachtet werden, war uns 
im Institut nicht unbekannt. Ich kann darauf verweisen, dass H. E. Hering 
in seiner 1906 veröffentlichten Mittheilung „Experimentelle Untersuchungen 
über Herzunregelmässigkeiten an Affen [1901U] in Fig. 4 Curven mit¬ 
theilt, aus denen diese Erscheinung für den Vorhof nach Hohlvenenreizen 
hervorgeht. 

Von den ira Vorstehenden angeführten, die Länge der Extraperiode 
betreffenden Befunden, ist für den Zweck der vorliegenden Mittheilung be¬ 
sonders wichtig die gelegentlich zu beobachtende Verlängerung der Extra¬ 
periode automatisch thätiger Herzabschnitte. 

Bezüglich dieser Erscheinung hebt Eigelmann 1 2 ) für die Hohlvenen 
und den Sinus des Kaltblüterherzens Folgendes hervor: 

„Diese Verlängerung, welcheübrigens niemals eine wirklich compensatorische 
ist,. . . wird regelmässig beobachtet, wenn die Extrasystole sehr früh auf eine spontane 
folgte.“ 

„Setzte die Extrasystole noch vor Ablauf einer Diastole ein, so war die Hemmung 
fast immer deutlich nachweisbar.“ 

„Die Verlängerung kam schon bei frischen, rasch klopfenden Venen vor, häufiger 
und wegen des absolut höheren Betrages auffälliger bei gesunkener Pulsfrequenz. Auch 
nach Einschaltung mehrerer, in kurzen Intervallen sich folgender wirksamer Einzel¬ 
reize, sowie bei tetanischer Reizung wurde sie unter denselben Umständen beobachtet.“ 

„Ebenso ausnahmslos erwies sich ihre Grösse... abhängig vom Zeitpunkt der Extra¬ 
reizung. Sie war um so geringer, je später diese einsetzte. Der Zeitpunkt, von 
welohem an die Dauer der Extraperiode der normalen gleich war, wurde in vielen 
Fällen sohon sehr früh im Beginn der Pause erreicht, in anderen, und zwar oft gerade 
bei sehr langer Dauer der spontanen Perioden, erst gegen das Ende hin oder am 
Ende selbst.“ 

„Auch wenn die Extrasystole durch eine vom Sinus, event. von den Atrien her 
zugeleitete antiperistaltische Reizwelle ausgelöst war, verzögerte sie den Eintritt der 
nächsten spontanen Venensystole.“ 

„Und endlich war es für den Erfolg gleichgültig, ob die Versuche an unvergifteten 
oder an stark atropinisirten oder curarisirten Fröschen angestellt wurden.“ 

Weiterhin legt Engelmann die principielle Verschiedenheit dieser 
stets an das Auftreten einer Extrasystole gebundenen Heramungs- 
erscheinung von Verlangsamungen des Rhythmus dar, die auch nach 
Reizung des Sinus während seiner refractären Periode mit starken Einzel- 
inductionsschlägen hervortreten. 

F. B. Hofmann und Jul. Holzinger konnten 1911 die an den 
Hohlvenen und dem Sinus des Kaltblüterherzens gemachten Befunde 

1) H. E. Hering, Experimentelle Untersuchungen über Herzunregelmässigkeiten 
an Affen. Diese Zeitschr. 1906. Bd. 2. S. 525. 

2) 1. c. S. 145-147. 


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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc. 


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Engelmann’s auch für die unabhängig vom Sinus schlagenden Kammern 
bestätigen. Von den Ergebnissen der von Hofmann vorgenommenen 
weiteren Analyse der Hemmungswirkung der Extrasystole sei hervor¬ 
gehoben, dass dieselbe in keinem ganz festen Verhältnisse zur spontanen 
Schlagfrequenz des Ventrikels steht, ferner, dass der Grad der Hemmungs¬ 
wirkung besonders hoch werden kann, wenn mehrere Extrasystolen in 
kurzen Intervallen aufeinander folgen. 

Für die Vorhöfe des Säugethierherzens wurde die von Engel mann 
für die Hohlvenen und den Sinus des Kaltblüterherzens constatirte Ab¬ 
hängigkeit der Länge der Extraperiode von dem Grade der Vorzeitigkeit 
der wirksamen Hohlvenenreizung zuerst von H. E. Hering im Jahre 1900 
constatirt; H. E. Hering machte in dieser Mittheilung auch als erster 
darauf aufmerksam, dass er bei seinen diesbezüglichen Versuchen den 
Vaguseinfluss öfters durch Atropin ausschaltete, wodurch erst die Grund¬ 
lage zu einem unmittelbaren Vergleich der am Säugethier gewonnenen 
Befunde und der am Froschherzen unter den gleichen Cautelen erhobenen 
Befunde ermöglicht erscheint. 

Ueber den Einfluss einer Serie durch Einzelinductionsschläge aus- 
gelöster frequenter Extrasystolen auf den Rhythmus der in Polge einer 
Bündelabklemmung automatisch schlagenden Kammer des natürlich durch¬ 
strömten Hundeherzens berichten Erlanger und Hirschfelder im 
Jahre 1906: 

„Upon the oessation of such Stimulation the ventricles stop beating for a longer 
on shorter period of time. The duration of the stoppage depends largely upon the 
rate and duration of the preceeding period of Stimulation. In addition, the duration 
seems to be to some extent dependent upon the condition of the heart at the time 
of Stimulation. Tbus such stoppages have as a rule increased in length toward the 
close of prolonged experiments, when the inherent rhythmical power of the ventricles 
judged by their constant rate, is slow.“ 

Die Erscheinung, dass an der automatisch schlagenden Kammer nach 
einer Reihe in frequentem Rhythmus erfolgenden Extrasystolen eine lange 
Pause auftritt, wurde im Institut wiederholt beobachtet, einen Beleg 
hierfür bildet z. B. Fig. 15 meiner 1907 veröffentlichten Mittheilung „Ueber 
atypische Grössen Verhältnisse der Extrasystole“; Fig. 15 ist an einem 
mit Ringer’scher Flüssigkeit durchströmten Herzen gewonnen. 

In seiner 1912 erschienenen sehr ausführlichen Untersuchung über 
den Einfluss einer frequenten Reizung auf die automatisch thätigen 
Kammern, ausgeführt an künstlich durchströmten Hunde- und Katzen¬ 
herzen, bestätigt Cushny zunächst die Bedeutung des Zustandes des 
Herzens für die Länge der Pause, wobei er hervorhebt, dass sich be¬ 
sonders lange Pausen durch Abkühlung der Durchströmungsflüssigkeit 
auf etwa 32—34 °, und durch Einschränkung des Sauerstoffgehaltes der 
Durchströmungsflüssigkeit erzielen lassen, ferner die Bedeutung der 
Frequenz und Dauer der Reizung für die Länge der Pause, insofern 
letztere sich im Allgemeinen gleichsinnig mit der Frequenz und Dauer ändert. 

Cushny erweist weiterhin die Unabhängigkeit der untersuchten Er¬ 
scheinungen von den inhibitorischen Nerven durch Zusatz von Atropin 
zur Durchströmungsflüssigkeit und zeigt, dass während der nach der 


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Reizung auftretenden Pause keine Herabsetzung der Anspruchsfähigkeit 
für den künstlichen Reiz besteht. 

Rothberger und Winterberg 1 ) theilen Befunde mit, aus denen 
sie folgern, dass „der Hemmungseffect der Extrasystole auf die Rhythmik 
spontan schlagender Herztheile von einem bestimmten Zustande abhängig 
ist, der darin besteht, dass der hemmend beeinflusste Rhythmus schon 
spontan im Erlöschen begriffen ist a . 

Sie heben hervor, dass sie „regelmässige und ausgesprochene 
Hemmungswirkungen der Extrasystole nur dann sahen, wenn die Fre¬ 
quenz der automatischen Schläge, zwischen welche Extrasystolen ein¬ 
geschaltet wurden, spontan in rascherem Absinken begriffen war, z. B. 
„wenn der durch Acceleransreizung erzeugte atrioventriculäre Rhythmus 
zu einer Zeit durch Extrasystolen unterbrochen wurde, zu der sich das 
Abklingen des chronotropen Reizeffectes schon stärker accentuirte“, oder 
z. B. wenn bei einer nach schwacher Strophanthinvergiftung erst durch 
Acccleranzrcizung ausgelösten Kararaerautomatie „die Frequenz der 
Kammerschläge rapide zu sinken begann“. 

Die Ausführungen von Rothberger und Winterberg leiden an 
einer gewissen Unklarheit dadurch, dass die beiden Autoren, wenn sie 
von einer Hemmungswirkung sprechen, nicht immer die nämliche Er¬ 
scheinung meinen. 

Hofmann und Holzinger verstehen, wie aus der Darstellung dieser 
Autoren klar hervorgeht, unter Hemmung die Verlängerung der ersten, 
nach der Extrasystole auftretenden Periode (Extraperiode), gegebenenfalls 
auch der dieser folgenden Perioden gegenüber der Länge der Norraal- 
perioden, die der Extrasystole vorangehen. 

Rothberger und Winterberg gebrauchen nun den Ausdruck 
„Hemmungswirkung“ nicht immer in dem Sinne von Hofmann und 
Holzinger: so sagen sie z. B. auf S. 426: 

„Während die Hemmungswirkung der Extrasystolen auf die durch 
Acceleransreizung provocirten atrioventriculären Schläge . . . regelmässig 
nachgewiesen werden kann, fehlt sie ebenso constant bei der nach 
Strophanthinvergiftung spontan entstandenen Kammerautomatie. Wenigstens 
sieht man (Tab. III und IV) . . . niemals eine Verlangsamung auch nur 
des ersten postextrasystolischen Schlages.“ 

Betrachtet man die Tab. III und IV, so erkennt man, wie dies ja 
übrigens schon zweifellos aus dem letzten Satze des eben citirten Ab¬ 
satzes der Mittheilung von Rothberger und Winterberg hervorgeht, 
dass an dieser Stelle die Autoren unter Hemmungswirkung lediglich 
eine Verlängerung der der Extraperiode folgenden Normalperioden, nicht 
aber auch eine Verlängerung der Extraperiode selbst verstehen, denn 
Tabelle 111 und IV bieten genügend Beispiele für Verlängerungen der 
Extraperioden. 

Auf derselben Seite in dem dem eben citirten Absatz vorangehenden 
Absatz schreiben die beiden Autoren jedoch bei Besprechung der Fig. 9 
ihrer Arbeit: 

1) 1. c. 


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„In Fig. 9 und in den correspondirenden, schon in die Zeit der 
rascher abklingenden AcceleransWirkung fallenden Experimenten der 
Tabellen I und II bedingt die Hemmungswirkung stark vorzeitig vorüber¬ 
gehender Extrasystolen nicht nur annähernde (Fig. 9) oder vollständige 
Scheincompensation, sondern überdies bleibende, in Fig. 9 allerdings noch 
theilweise rückbildungsfähige Frequenzabnahme.“ 

Wenn die Autoren die annähernde Scheincompensation in Fig. 9 als 
Folge einer Hemmungswirkung darstellen, so können sie doch hier nur 
die Verlängerung der Extraperiodo als Hemmungswirkung bezeichnen, 
obwohl sie gleich im folgenden Absatz, wie wir soeben gezeigt haben, 
die Verlängerung der Extraperiode nicht als Hemraungswirkung be¬ 
zeichnen. 

Noch in einem anderen Sinne erscheint das Wort „Hemraungs¬ 
wirkung“ von den beiden Autoren gleich auf der nächsten Seite ihrer 
Mittheilung (S. 427) verwendet bei Besprechung der Fig. 16e: In dieser 
Figur sieht man zwei Bigemini der automatisch schlagenden Kammern, 
deren Zeitwerth um ein kleines Zeittheilchen (0,01") grösser ist als das 
Zweifache der vorangehenden Normalperiode, und deren Extraperiode 
deutlich verlängert ist; nach dem zweiten Bigeminus tritt eine gering¬ 
fügige aber persistirende Verlängerung der postextrasystolischen Systole 
ein. Hier sprechen nun Rothberger und Winterberg von einer 
„immerhin schon angedeuteten Hemmungswirkung“, die sie ausser „durch 
die persistirende Verlängerung der postextrasystolischen Systole“ durch 
die Verlängerung des Zeitwerthes des Bigeminus gegenüber dem 
Zeitwerth der doppelten Normalperiode begründen. 

Auf die soeben erwähnte Ausdrucksweise von Rothberger und 
Winterberg soll hier nicht weiter eingegangen werden, da sie offenbar 
durch die Vorstellung, die die genannten Autoren über das Zustande¬ 
kommen einer com pensatorischen Pause an automatisch thätigen Herz¬ 
abschnitten haben, bedingt ist, und diese Vorstellung uns noch später be¬ 
schäftigen wird. 

Die Verlängerung der Postextraperiode und ihre Beziehung 
zur Länge der Extraperiode. 

Aus der Beschreibung, die Cushny und Matthews sowie Hering 
von der Verlängerung der Postextraperiode und der ihr folgenden Perioden 
des Vorhofes des Säugethierherzens nach Hohlvenen- und Vorhofextra¬ 
systolen gegeben haben, geht hervor, dass die Autoren die in Rede 
stehende Erscheinung im Gefolge einer nicht compensatorischen Ver¬ 
längerung einer Extraperiode beobachtet haben, welch letztere jedoch 
nicht immer die erwähnto Verlängerung der Postextraperiode und der ihr 
folgenden Perioden nach sich zog. 

Dieses Verhalten wurde auch von F. B. Hofmann und Ilolzingcr 
an der vom Sinus unabhängig schlagenden Kammer des Froschherzens 
nach ventriculären Extrasystolen beobachtet. 

Rothberger und Winterberg 1 ) bringen Beobachtungen, aus denen 


1 ) I. o. 


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J. Rihl, 

hervorgeht, dass nicht nur naeh verkürzten, sondern auoh nach com- 
pensatorischen Pausen an automatisch thätigen Herzabschnitten eine Ver¬ 
längerung der Postextraperiode auftreten kann; ihre Feststellungen beziehen 
sich auf atrioventriculäre oder ventriculäre Automatic des Hundeherzens. 

Dass an automatisch thätigen Herzabschnitten die Verlängerung der 
Postextraperiode nicht immer mit einer Verlängerung der vorhergehenden 
Hand in Hand geht, ergiebt sich aus Beobachtungen von F. B. Hofmann 
und Jul. Holzinger am isolirten Schildkröten- und Hundeventrikel, die 
das Vorhandensein einer Verlängerung der Postextraperiodo ohne gleich¬ 
zeitige Verlängerung der Extraperiode erweisen, ln dem bei der Schild¬ 
kröte beobachteten Falle beschreibt Hofmann eine Verkürzung der 
Extraperiode, einhergehend mit einer Verlängerung der Postextraperiode. 

Ebenso beschreibt Cushny am automatisch schlagenden Säugethier¬ 
ventrikel als gewöhnliches Verhalten, dass „an extrasystole is not followed 
by a pause, but in some cases the next spontaneous contraction may be 
delayed a . 

Was das Verhalten des automatisch thätigen Säugethierventrikels 
unter dem Einfluss mehr oder minder lang andauernder frequenter Reizung 
betrifft, so beschreibt Erlanger und Hirschfelder zwei Typen: „the 
longest ventricular cycle may be the first following the cessation of 
Stimulation, or the ventricular cycles may increase in length through a 
few contractions.“ 

Aus den Cushny’schen Untersuchungen geht hervor, dass im All¬ 
gemeinen nach frequenten Reizungen automatisch thätiger Säugethier¬ 
ventrikel unter verschiedenen Bedingungen sich die Länge der unmittelbar 
nach der frequenten Reizung auftretenden Pause gleichsinnig ändert 
mit dem Grade der Frequenzherabsetzung der nächstfolgenden Kararaer- 
schläge. 


Bemerkungen über das Wesen des der Verlängerung der Extraperiode 
und der ihr folgenden Perioden zu Grunde liegenden Processes. 

Es ist nahe liegend, die Verlängerung der Extraperiode sowie die 
Verlängerung der ihr folgenden Perioden an automatisch thätigen Herz¬ 
abschnitten auf die gleiche Ursache zurückzuführen. 

Man wird hierzu um so mehr veranlasst, als,^ wie wir soeben ge¬ 
sehen haben, Befunde vorliegen, dass nach frequenten Reizungen die 
Länge der Extraperiode und der Grad der durch die Länge der ihr 
folgenden Perioden gegebenen Frequenzherabsetzung sich häufig gleich¬ 
sinnig ändern. 

Dass unter Umständen die Verlängerung der Postextraperiode mit 
keiner Verlängerung der Extraperiode einhergeht, schliesst die Annahme 
einer gleichen Ursache für beide Erscheinungen nicht aus. 

Hofmann und Holzinger meinen, dass in solchen Fällen „die 
Hemmungswirkung der Extrasystole so gering ist, dass sie durch andere 
gleichzeitig einwirkende Einflüsse auf das Herz verdeckt werden kann. u 

Es erscheint nothwendig, bei weiteren Untersuchungen über diesen 
Punkt auf Aenderungen im Ausgangspunkt der Postextrasystole zu achten. 
Wie wir schon erwähnt haben, hat Hering zeigen können, dass bei atrio- 


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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc. 13 


ventriculärcr Automatic nach Extrasystolen unter Umständen ein Um¬ 
schlag in die nomotope Automatic erfolgen kann. 

ßothberger und Winterberg haben am Hundeventrikol gezeigt, 
dass auch innerhalb eines Herzabschnittes nach Extrasystolen eine 
Aenderung des Ausgangspunktes der Automatic erfolgen kann. 

Lewis 1 ) beschreibt einen klinischen Fall, bei dem nach Vorhof¬ 
extrasystolen die postextrasystolische Systole durch einen hcterotopen 
Vorhofreiz ausgelöst wurde. 

Es ist nun möglich, dass Verkürzungen der Extraperioden sowie die 
von Erlanger und Hirschfelder beschriebene allmähliche Zunahme der 
Periodenlängo der automatisch thätigen Kammer nach frequenter Reizung 
derselben etwas mit dem Wirksam werden verschiedener Rcizbildungsstellen 
in dem automatisch thätigen Herzabschnitt zu thun haben könnte. 

DasVerhalten dcrRhythmusänderungnachExtrasystolen an automatisch 
thätigen Herzabschnitten bot die erste Grundlage zur Aufstellung einer 
Theorie über die Ursprungsreize, und es erscheint so verständlich, 
dass die Frage, wie wir uns die Genese der Verlängerung der Extra¬ 
periode und der ihr folgenden Perioden vorzustellen haben, eng ver¬ 
knüpft ist mit der Frage, wie wir uns überhaupt den Vorgang der Ent¬ 
stehung des Herzrhythmus vorstellen. 

Es bleibt uns erspart, an dieser Stelle einen kritischen Ueberblick 
über den Stand dieser letzteren Frage zu geben, da H. E. Hering zu 
derselben im Laufe der letzten Jahre wiederholt Stellung genommen hat, 
zuletzt in einer soeben erschienenen Mittheilung 2 ). 

In dieser Mitthcilung macht H. E. Hering darauf aufmerksam, dass 
nur die Extrasystolen auf dem Wege des Leitungsreizes die nomotope 
Reizbildung beeinflussen können, und entwickelt die Vorstellung, dass die 
Ursprungsreize, die sich unabhängig von der Reactionsfähigkeit bilden, 
sich rhythmisch entwickeln. 

Geht man von der eben erwähnten Herztheorie Hering’s aus, so 
wird man die Ursache der nach einer Extrasystole auftretenden Rhythraus- 
störung nur in einer Störung der Reizbildung suchen. 

Im Folgenden soll gezeigt werden, dass wir bisher keinen Anhalts¬ 
punkt haben, die erwähnten Rhythmusstörungen durch Acnderungen der 
Reactionsfähigkeit zu verstehen, was gleichzeitig eine Stütze für die 
Theorie Hering’s ist. 

Es liegen Befunde von Trendelenburg an der Froschherz¬ 
spitze vor, nach denen unter besonderen Bedingungen „eine relative Ver¬ 
längerung der Refractärphase an der Extrasystole auftreten kann“ 3 ). 

1) Lewis, Observations upon disorders of the bearts action. Heart. 1912. 
Vol. III. S. 279. 

2) H. E. Hering, Zur Theorie der natürlichen Reizbildung im Herzen und ihrer 
Beziehung zur Reactionsfähigkeit. Pflüger’s Arch. 1912. Bd. 148. 

3) W. Trendelenburg, Beziehungen zwischen Extrasystole und compen- 
satorisoher Pause am Herzen. Rubner’s- Aroh. Jahrg. 1910. S. 148. 


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J. Rihl, 


Doch lehren die Untersuchungen Cushny’s über das Verhalten der 
Erregbarkeit während der nach frequenter Reizung an der automatisch 
thätigen Säugethierkammer auftretenden Pausen, dass für das Zustande¬ 
kommen dieser Pause eine Herabsetzung der-.Erregbarkeit nicht ver¬ 
antwortlich gemacht werden kann, dieses Moment also gerade in aus¬ 
gesprochenen Fällen von Hemmungswirkung nicht ^vorhanden ist. 

Man darf selbstverständlich nicht übersehen, dass mit dem Nach¬ 
weis eines Fehlens einer Herabsetzung der Erregbarkeit für den Einzel- 
inductionssehlag noch nicht der Nachweis eines solchen für den natürlichen 
Reiz erbracht ist, da, wie H. E. Hering 1 ) gezeigt, sich die Reactionsfähigkeit 
für den künstlichen und natürlichen Reiz nicht gleichsinnig zu ändern 
braucht 

Rothberger und Winterberg äussern sich. zur Frage der Störung 
der Reactionsfähigkeit durch eine Extrasystole folgendermaassen: 

„Legt man sich die Frage vor, ob durch die Extrasystole die Reiz¬ 
bildung oder nur die Reactionsfähigkeit des Herzens beeinträchtigt wird, 
so lässt sich einwandfrei nur eine Herabsetzung der Reactionsfähigkeit 
nachweisen. Denn wir haben Hemmungswirkungen in Form verlängerter 
postextrasystolischer Perioden auch nach echten compensatorischen Pausen 
gesehen. Da in diesen Fällen der Reizbildungspunkt von der Extra¬ 
erregung überhaupt nicht getroffen wird, so kann es sich nur um eine 
Schädigung der Reactionsfähigkeit handeln. u 

Hierzu möchte ich bemerken, dass ich darauf hin unser grosses 
Material über die durch Extrasystolen an automatisch thätigen Abschnitten 
des Säugethierherzens bedingten Rhythmusänderungen durchgesehen habe, 
und in keinem Falle, in dem sich das Unbeeinflusstblciben des Reiz¬ 
bildungspunktes von der Extraerregung nachweisen liess, eine einwand¬ 
freie Verlängerung der Postextraperiode gesehen habe. 

In manchen Fällen hatte es allerdings den Anschein, als ob eine 
solche vorliege; doch man konnte sich in solchen Fällen immer überzeugen, 
dass derartige Verlängerungen der Perioden auch unabhängig von einer 
Extrasystole zu Stande kamen. 

Rothberger und Winterberg verweisen leider an der citirten 
Stelle auf keino Figur ihrer Mittheilung, und ich finde in derselben auch 
kein Beispiel, aus dem hervorgehen würde, dass in Fällen, in denen der 
Reizbildungspunkt von der Erregung nicht getroffen wird, eine Verlängerung 
der Postextraperiode vorhanden ist. u 

In allen Figuren ihrer Mittheilung, in denen eine Verlängerung der 
Postextraperiode nach einer compensatorischen Pause bei atrioventri- 
culärer Automatie zu sehen ist, ist die Extrasystole nicht auf jenen 
Herzabschnitt, an dem sie applicirt wurde, beschränkt geblieben, sondern 
die Extraerregung ist vom Vorhof auf die Kammer, oder von der Kammer 
auf den Vorhof übergegangen. 

Nun erwähnen Rothberger und Winterberg bei Besprechung 
eines Falles von compcnsatorischer Pause bei atrioventrikulärer Automatie 

1) II. E. Hering, Ueber die Unabhängigkeit der Reizbildung und der Reactions¬ 
fähigkeit des Herzens. Pflügers Arch. 1912. Bd. 143. S. 370. 


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Klinische Beobachtungen über/Verlängerung der Postextrasystole etc. 


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nach einer retrograden ventriculären Extrasystole (S. 398 ihrer Mittheilung), 
sie seien zu der Erkenntniss gekommen, „dass die wirkliche Ursache 
dieses im ersten Moment überraschenden Phänomens in der von Hof- 
nann und Holzinger beschriebenen Hemmungswirkung der Extrasystolen 
auf die spontane Rhythmik gelegen ist. u 

Die Autoren vertreten also selbst die Meinung, dass eine compen- 
satorische Pause bei atrioventriculärer Automatic nicht immer dadurch 
bedingt sein muss, dass die Reizbildungsstelle von der Extraerregung 
nicht getroffen wird, sondern dass bei Vorhandensein einer Beeinflussung 
der Reizbildungsstelle die Verlängerung der Extraperiode genau soviel 
gelegentlich betragen kann, wie die Verkürzung der ihr vorangehenden 
Periode gegenüber der Länge einer Normalperiode. 

Dies soll doch wohl auch in dem auf S. 425 ausgesprochenen Satze 
zum Ausdruck kommen: 

„Auf diese Weise kann ohne Berücksichtigung der Vorgänge in beiden 
Herzabtheilungen sehr leicht eine echte compensatorische Pause nament¬ 
lich dann vorgetäuscht werden, wenn schon die nächste Spontanerregung 
wieder normale Periodenlängen besitzt.* 4 

Während wir zur Beurtheilung der Frage, ob in einem bestimmten 
Falle von compensatorischer Pause bei atrioventriculärer Automatie eine 
Beeinflussung der atrioventriculären Reizbildungsstelle stattgefunden hat, 
in dem Verhalten des Rhythmus des nicht unmittelbar gereizten Herz¬ 
abschnittes (des Vorhofes bei ventriculären, der Kammer bei atrioventri¬ 
culären Extrasysrtolen) einen werthvollcn Anhaltspunkt haben, so fehlt 
uns dieser selbstverständlich in Fällen von compensatorischer Pause bei 
Kammerautomatie. 

Da wir nun gesehen haben, dass wir aus dem Vorkommen einer 
compensatorischen Pause an einem automatisch thätigen Herzabschnitt 
nicht unbedingt den Schluss ziehen können, dass durch die Extraerregung 
die Reizbildungsstelle nicht beinflusst wurde, so müssen wir uns nach 
einem anderen Criterium umsehen 1 ). 

Ein solches Criterium wäre das Vorhandensein eingeschobener Extra¬ 
systolen. Es würde jedoch, um einen Anhaltspunkt dafür, dass die 
Reizbildungsstelle von der Extraerregung nicht beeinflusst wird, zu ge¬ 
winnen, genügen, wenn während einer ein Vielfaches der Normalperiode 
der automatisch thätigen Kammer betragenden Pause im Auftreten der 
automatischen Karamerschläge Extrasystolen der Art auftreten würden 
dass die der letzten Extrasystole folgende Periode deutlich verkürzt ist 
gegenüber der Länge der Normalperiode der automatisch thätigen Kammer, 
vorausgesetzt, dass die Kammer in diesem speciellen Falle sonst keine 
Neigung zum Auftreten verkürzter Extraperioden zeigt. 

1) Es erscheint uns unverständlich, wie Rothbcrger und Winterberg im 
Hinblick auf ihre Ausführungen auf S. 398 auf S. 418 sagen können, es gehe aus dem 
Umstand, dass „bei bestehender Kammerautomatie auch vom Vorhof ausgehende Extra¬ 
systolen von einer vollständigen compensatorischen Pause gefolgt sein können 14 , hervor, 
„dass diese Extrasystolen zum Unterschiede von jenen bei atrioventriculärer Automatie 
den Ursprungsort der automatischen Herzreize auf ihrem Wege zu den Kammern nicht 
passiren müssen“. 


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Aus diesen Umständen muss man wohl schliessen, dass wenigstens 
die letzte Extrasystole die Reizbildungsstelle bezw. die automatischen 
Kammerschläge nicht beeinflusst hat, denn sonst könnte sich der auto¬ 
matische Reiz an dieser Stelle nicht in so kurzer Zeit nach der Extra¬ 
systole wieder geltend machen. 

Dieser Schluss würde in Verbindung mit dem Umstande, dass die 
Länge der zwischen zwei automatischen Kamraerschlägcn gelegenen Strecke 
einem Vielfachen der Normalperiode der automatisch schlagenden Kammer 
entspräche, darauf hinweisen, dass der Reizbildungsvorgang auch durch 
die übrigen Extrasystolen unbeeinflusst geblieben ist. 

Rothberger und Winterberg haben derartige Uebcrlegungen nicht 
angestellt; doch findet sich in Fig. 12, vielleicht auch in Fig. 14 ihrer 
Mittheilung ein Verhalten der automatischen Kammerschläge und der 
Kamraerextrasystolen, das wenigstens annähernd dem eben postulirten 
Verhalten gleicht, aus dem man einen Anhaltspunkt für das Unbeeinflusst¬ 
sein der Reizbildungsstelle der Kammer durch Extraerregungen derselben 
schliessen kann. 

Nun ist gerade in diesen Figuron eine Verlängerung der Postextra¬ 
periode nicht ausgesprochen, und lässt sich auch nicht aus jenen Angaben 
der Tabellen III und IV von Rothberger und Winterberg entnehmen, 
die sich auf eine Verkürzung der letzten Extraperiode bei vollständig oder 
nahezu compensirender Pause beziehen. 

Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter darauf cingehen, welche 
Anhaltspunkte bezüglich des Verhältnisses der Kammercxtrasystole zur 
automatischen Reizbildung in der Kammer jene Fälle ergeben, wo an 
der automatisch thätigen Kammer eine Reihe von Extrasystolen, auf 
deren letzte eine verkürzte Extraperiode folgt, auftreten, jedoch die 
Pause zwischen den beiden automatischen Kammerschlägen, innerhalb 
welcher die Extrasystolen erscheinen, nicht den Werth eines Vielfachen 
einer Normalperiode der automatisch thätigen Kammer beträgt. 

Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass aus den hierher ge¬ 
hörigen Angaben in den Tabellen III und IV von Rothberger und 
Winterberg auch für diese Fälle sich keine Verlängerung der Post¬ 
extraperiode nachweisen lässt 1 ). 

Wir können demnach bisher das Auftreten von „HeraraungsWirkungen 
in Form verlängerter postextrasystolischer Perioden“ in Fällen, in denen 
„der Reizbildungspunkt von der Extraerregung überhaupt nicht getroffen 
wird“, noch nicht für erwiesen ansehen. 

Wir neigen eher im Hinblick auf die Thatsache, dass wir in letzteren 
Fällen noch niemals eine Verlängerung der Postextraperiode gesehen 
haben, der Anschauung zu, dass das Auftreten einer Verlängerung der 
Postextraperiode nach compensatorischen Pausen an automatisch thätigen 


1) Der Umstand, dass bei der Versuchsanordnung von Rothberger und 
Winterberg durch einen Einzelinductionsschlag häufig mehrere Extrasystolen aus¬ 
gelöst wurden, macht diese Versuche zur Entscheidung der hier angeschnittenen 
Fragen wenig geeignet, da sich die Wirkung derartig starker Ströme auf das Herz vor¬ 
läufig unserer näheren Einsicht entzieht. 


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Original fro-m 

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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc. 


17 


Herzabschnitten darauf hinweist, dass während dieser compensatorischen 
Pause eine Beeinflussung der Reizbildungsstelle stattgefunden hat und 
in Folge einer Hemraungswirkung auf die Reizbildung die Extraperiode 
gerade um so viel verlängert als die ihr vorangehende Normalperiode 
verkürzt ist 1 ). 

So möchten wir auch bei Analyse der Fig. 15e von Rothberger 
und Winterberg annehmen, dass die beiden etwas übercompensirenden 
Pausen an der Kammer dadurch zu Stande gekommen sind, dass die 
Extrasystolen die Reizbildungsstelle der Kammern beeinflusst haben und 
eine starke Hemmungswirkung hervorgerufen haben, die sich vor allem 
in einer Verlängerung der Extraperiode um 0,05 Secunden gegenüber der 
Normalperiode äussert. 

Rothberger und Winterberg sprechen hier jedoch nur von einer 
eben angedeuteten Hemmungswirkung, was offenbar dadurch bedingt ist, 
das sie in Fig. 15e ein Unbeeinflusstbleiben der Reizbildungsstelle der 
Kammer annehmen und sich vorstellen, dass die Rhythmusstörungen un¬ 
abhängig von einer Reizbildungsstörung durch Aenderungen in der 
Reactionsfähigkeit zu Stande kommen. 

Wie man sich eine Hemmungswirkung der Extrasystole auf die Schlag- 
folgc eines automatisch thätigen Herzabschnittes unabhängig von einer Be- 
einflussung^ der Reizbildung lediglich durch die Reactionsfähigkeit denken 
soll, setzen Rothberger und Winterberg nicht auseinander. 

Cushny und Matthews haben darauf hingewiesen, dass man die 
nicht compensatorische Verlängerung der Vorhofextraperiode nach Vorhof¬ 
extrasystolen dadurch vielleicht erklären könne, dass „the contraction 
wave passes from the auricle to the great veins and therc sets up a 
forced contraction, wich returning to the auricle causes the premature 
systolc“. 

In ähnlicher Weise erklärt auch Wenckebach 2 ) die nicht compen¬ 
satorische Verlängerung der Vorhofextraperiode des Säugethierherzens nach 
Vorhofextrasystolen und meint, durch den Umstand, dass „je früher man 
in der erregbaren Phase der Vorkammer reizt, desto träger der Reiz 
durch die Muskelsubstanz weiter geleitet werden wird“, auch verständ¬ 
lich wird, „dass die Pause nach der Vorkammerextrasystole länger ist, 
je nachdem der Reizmoment früher in die erregbare Phase der Vorkammer 
fällt und schneller auf die vorangehende Systole folgt“. 

Diese Erklärungsmöglichkeit der Verlängerung der Extraperiode ist 
selbstverständlich nur in solchen Fällen zulässig, wo, wie beim Vorhof 

1) Ein ähnlicher Gedanke soll wohl in dem mir nicht ganz verständlichen Passus 
der Mittheilung von Rothberger und Winterberg auf S. 425 zum Ausdruck kommen: 

„Bei geringer Vorzeitigkeit der Extrasystolen und bei Erscheinen einer echten 
compensatorischen Pause kann sie ganz fehlen oder durch die Pause vollständig ver¬ 
schleiert werden, was sich natürlich objectiv nicht fcststellen lässt, sobald die erste 
postextrasystolische Systole schon wieder die normale Periodendauer besitzt. Ist letz¬ 
tere aber verlängert, so kann man wohl mit Recht annehmen, dass die Hemmungs- 
wirkung an der Pause einen gewissen, wenn auch nicht abgrenzbaren Antheil hat.“ 

2) K. T. Wenckebach, Ueber die Dauer der compensatorischon Pause nach 
Reizung der Vorkammer des Säugethierherzons. Engelmann’s Arch. 1903. S. 57. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 2 


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18 


J. Rihl, 


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des Säugethierherzens, die Stelle, die gereizt und verzeichnet wird, sich 
in einer gewissen Entfernung von der Stelle der Rcizbildung befindet. 

Cushny selbst hat in seiner letzten Mittheilung darauf aufmerksam 
gemacht, dass seine früher geäusserte Anschauung in vielen Fällen wegen 
der allzu grossen Länge der Extraperiöde nur dann haltbar erscheint, „if 
the impulse from the auricle not only discharges the pacemaker, but 
also in certain conditions depresses it a . 

Für das Verhalten der unabhängig vom Sinus schlagenden Frosch¬ 
kammern nach ventriculären Extrasystolen hat Hofmann und Holzinger 
gezeigt, dass die Verzögerung der nachfolgenden Ventrikelsystole „nicht 
etwa bloss auf einer Aenderung der Ueberleitungszeit der Erregung beruht“. 

Aus den vorstehenden Ausführungen geht wohl zur Genüge hervor, 
dass wir das wesentliche Moment für die Verlängerung der Extraperiode 
und der ihr folgenden Perioden nicht in Aenderungen der Reactions- 
fähigkeit zu sehen haben, was auch mit den im Beginn dieses Abschnittes 
erwähnten theoretischen Erwägungen übereinstimmt. 

Wir werden als Ursache der Verlängerung eine Störung der Rciz- 
bildun gannehmen müssen, die darin bestehen kann, dass der Reizbildungs- 
process, wenn er durch eine vorzeitige Systole vernichtet wurde, in diesen 
Fällen langsamer vor sich geht oder später beginnt. 

Auf nähere Vorstellungen über diesen Vorgang wollen wir uns nicht 
einlassen. Cushny meint, dass man es mit einem Ermüdungsphänomen 
zu thun habe. 

Die Vorstellung, dass innerhalb eines Herzabschnittes Stellen, an 
denen sich Ursprungsreize bilden können, unter Umständen nicht bei 
jeder Systole vom Leitungsreiz zur Contraction angeregt werden müssen, 
hat schon H. E. Hering 1911 in seiner Mittheilung „Zur Analyse der 
paroxysmalen Tachykardie“ 1 ) sehr genau discutirt. 

In einer gewissen Hinsicht gehört noch die Besprechung der von 
Cushny und Matthews sowie Wenckebach geäusserten Ansichten über 
die Genese einer compensatorischen Pause im Vorhof der Warmblüter 
nach Vorhofextrasystolen hierher. 

Denn beim Säugethier und Menschen stellt der Vorhof mit den Hohl¬ 
venen einen einheitlichen Herzabschnitt dar. 

Cushny begnügt sich mit der Aeusserung: „The explanation of the 
compensatory pause of the auricle seems to be the same as that of the 
vcntricle, the first Stimulus from the veins reaches the auricle in a rc- 
fractory period and it there fore remains quiescent until the next arrives“. 

Wenckebach 2 ) entwickelt die Vorstellung, dass die compensatorische 
Pause des Vorhofes käme so zustande, dass eine durch einen spät in der 
erregbaren Phase des Vorhofes gesetzten Reiz ausgelöste Erregung die 
Vena cava nicht erreicht, „bevor an diesem Orte der physiologische Reiz 
wirksam geworden ist“. 

Diese Vorstellung trifft für manche Fälle von compensatorischer 
Pause des Vorhofes gewiss zu, doch wohl nicht für alle, da man auch 

1) Münch, med. Wochenschr. 1911. No. 37. 

2) 1. c. 


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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc. 


19 


bei vorzeitigeren Extrasystolen gelegentlich eine compensatorische Pause 
sieht und hier nicht gut eine so lange Leitungszeit der Erregung nach 
der Vena cava annehmen kann. 

In diesen Fällen muss man entweder annehmen, dass aus irgend 
einer Ursache die vorzeitige Erregung nicht die Reizbildungsstelle an den 
Hohlvenen ergriffen hat, und es können hier die in der zuletzt citirten 
Arbeit von Hering auseinandergesetzten Erwägungen Platz greifen oder 
man muss auch hier die Hemmungswirkung der Extrasystole zur Er¬ 
klärung heranziehen. 


Zusammenfassung. 

Es werden klinische Beobachtungen über das Vorkommen einer Ver¬ 
längerung der Vorhofpostextraperiode nach supraventriculären Extrasystolen 
mitgetheilt. 

Im Anschluss daran wird nach kritischer Besprechung der vorliegenden 
experimentellen Befunde über die nach Extrasystolen an anatomisch 
thätigen Herzabschnitten zu beobachtenden frequenzhemmenden Effecte 
auscinandergesetzt, dass sich letzter nicht durch Störungen der Reactions- 
fähigkeit erklären lassen, sondern wohl auf Störungen der Reizbildung 
zurückzuführen sind. 


2 * 


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n. 

Aus dem Kgl. medicinisch-poliklinischen Institut der Universität Berlin 
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Goldscheider), 

Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols. 

Von 

Prof. Dr. Alexander Langgaard. 

Bekanntlich steigert sich die Wirkung bei den einatomigen Alkoholen 
mit der Zunahme der Kohlenstoffatorae, d. h. der Propylalkohol wirkt 
stärker als der Aethylalkohol, der Butylalkohol stärker als der Propyl¬ 
alkohol, der Amylalkohol stärker als der Butylalkohol. Eine Ausnahme 
soll allein der Methylalkohol machen, welcher giftiger sein soll als der 
Aethylalkohol. Wie unzureichend aber unsere Kenntnisse über die Giftig¬ 
keit des Methylalkohols waren, haben die Verhandlungen im Proeess 
Scharmach gezeigt. 

Ich habe seit Januar eine grössere Anzahl ausgedehnter vergleichender 
Versuche über die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols gemacht, 
deren Resultate ich kurz in No. 36 der Berliner klin. Wochenschrift mit- 
getheilt habe. Nun will ich in Folgendem über die Ergebnisse-meiner 
Untersuchungen ausführlich berichten. 

Ich habe ausschliesslich Kaninchen benutzt und zunächst mit kleinen 
Dosen (3 ccm pro Kilo Thier) begonnen, die täglich bis zum Eintritt des 
Todes gegeben wurden. Ich habe dann die Dosen gesteigert auf 5, 6 und 
8 ccm pro Kilo und habe schliesslich, um wirklich die einmalige letale 
Dosis festzustellen, Dosen von 10, 12 und 14 ccm gegeben. 

Als Methylalkohol kam der käufliche acetonfreie zur Anwendung, 
der, mit der gleichen Menge Wasser verdünnt, den Thieren in den 
Magen gegeben wurde. Ebenso wurde natürlich auch der Aethylalkohol 
gegeben. 

In Folgendem gebe ich die Versuchsprotokolle wieder. Ich will hier 
gleich vorweg bemerken, dass ich die Protokolle der Versuche mit den 
grossen Dosen 10 und 12 ccm nicht in ihrem ganzen Umfange wieder¬ 
gebe. Erstens, weil sie zu lang sind, sie erstrecken sich: Versuch 1 vom 
2. 7. bis 27. 7., Versuch 2 vom 5. 7. bis 27. 7., Versuch 3 vom 8. 7. bis 
27. 7., Versuch 4 vom 10. 7. bis 27. 7., Versuch 5 vom 15. 7. bis 27. 7., 
und zweitens, weil in dem weiteren Verlauf der Versuche keine Verände¬ 
rungen in dem Zustande der Thiere eintraten. 


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Die Giftigkeit dos Methyl- und Aethylalkohols. 


21 


Methylalkohol acetonfrei, 3 rem pro Kilo. 


15. 3. 1912. Kaninchen, 1900 g. 


11h 15. Erhält 5,7 ccm. 

11 h 40. Reflexerrcgbark ei tgestcigcrt. 

Unruhe. 1 

11 h 43. Hüpft umher. 

11h 45. Legt sich auf den Bauch. 

11 h 46. Richtet sich wieder auf. 

11 li 50. Sehr unruhig. 

11h 55. Hat sich auf den Bauch gelehrt. 

Resp. 87. Puls 240. j 

12 h 00. Richtet sich auf. Sehr erregt. Ohr- . 

gefässe stark erweitert. I 

12 h 30. Legt sich auf den Bauch. Sehr | 
benommen. Resp. 64. Puls 240. j 


12 h 32. In den Schwanz gekniffen, springt 
es sofort auf. 

12 h 35. Hüpft umher. Sehr erregt. 

12 h 38. Will sich an der Wand aufrichten, 
fällt aber dabei um. 

12 h 45. Puls 256. 

12h 50. Sitzt aufrecht. Reflexerregbar- 
keit gesteigert. 

12 h 55. Leicht benommen. 

1 h 00. Sitzt hockend, sehr benommen. 

1 h 05. Richtet sich auf und hüpft fort. 

1 h 10. Sehr unruhig. 

1 h 15. Wird in den Käfig gesetzt. 


16. 3. 1915 

11 h 00. Sehr erregt. Erhält 5,7 ccm. 

11h 10. Hat sich auf den Bauch gelegt. 

Resp. 116. Kussmaul. 

11h 15. Hat sich aufgerichtet. 

11h 18. Legt sich wieder nieder. 

11 h 30. Hat sich aufgerichtet. 

11 h 32. Puls 257. 

11 h 34. Legt sich auf den Bauch. 

11 h 36. Richtet sich wieder auf und hüpft. 

12 h 00. Legt sich wieder auf den Bauch. 

18. 3. 1912 

11 h 05. Sitzt, Vorderkörper aufgerichtet, j 
Reflcxerrcgbarkcit ge¬ 
steigert. 

11 h 15. Legt sich auf den Bauch. Resp. 66. 
11 h 20. Ganz benommen. Puls 260. 

11 h 40. Erhält 5,7 ccm. 

11h 50. Legt sich auf den Bauch. 

12 h 00. Richtet sich auf. 

19. 3. 1912 

11 h 00. Sitzt ruhig. 

11 h 05. Legt sich auf den Bauch. 

11 h 10. Richtet sich auf. 

11 h 13. Puls 240. Resp. 64. 

11 h 20. Sitzt ruhig. 

11 h 30. Erhält 5,4 ccm. * 

11 h 42. Liegt auf dom Bauche. Ohrgefässe 
stark erweitert. Resp. 64, regel¬ 
mässig tief. 

20. 3. 19: 

11h 10. Sitzt ruhig. Ohrgefässe stark er¬ 
weitert. 

11h 12. Legt sich plötzlich. 

11 h 20. Puls 250. Resp. 74. 

11 h 30. Erhält 5,4 ccm. 

11 h 35. Hat sich gelegt. 

11 h 37. Resp. 116. 

11h 42. Richtet sich auf. 

11 h 44. Reflexerregbarkeit ge¬ 
steigert. Resp. 58. 


!. 1900 g. 

12 h 20. Richtet sich plötzlich auf und 
hüpft. 

12 h 25. Sitzt, leicht benommen. 

12 h 32. Resp. 47. 

12 h 40. Hüpft umher. 

12 h 43. Legt sich wieder auf den Bauch. 
1 h 20. Liegt auf dem Bauche. Resp. 54. 
1 h 28. Richtet sich auf. 

1 h 30. Sitzt, Vorderkörper hoch aufge¬ 
richtet. 

. 1900 g. 

12 h 10. Hat sich wieder gelegt. Sehr müde. 
12 h 20. Hat sich wieder aufgerichtet. 

12 h 30. Hat sich wieder gelegt. 

12 h 40. Richtet sich wieder auf. Puls 260. 
Resp. 44. 

12 h 45 Legt sich wieder auf den Bauch. 
1 h 15. Wird in den Käfig gelegt. 


1800 g. 

12 h 20. Liegt auf dem Bauche. Benommen. 
12 h 22. Resp. 50, regelmässig. 

12 h 30. Puls 260. 

12 h 38. Richtet sich plötzlich auf. 

12 h 55. Hüpft umher. 

I h 00. Fällt um, liegt auf der Seite. 

1 h 15. Richtet sich wieder auf. 

1800 g. 

12 h 10. Nachdem das Thier sich wieder¬ 
holt gelegt und wieder aufge¬ 
richtet hat, liegt es sehr müde 
auf dem Bauche. 

12 h 25. Resp. 43. 

12 h 30. Richtet sich auf und hüpft umher. 
12 h 40. Hat sich wieder auf den Bauch 
gelegt. 

12 h 55. Sitzt aufrecht. Puls 272. 

1 h 10. Legt sich auf den Bauch. Resp. 54. 
1 h 30. Wird in den Käfig gelegt. 




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22 


Alexander Langgaard, 


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21. 3. 1912. 

11h 05. Sitzt ruhig. Ohrgefässe stark er¬ 
weitert 

11h 10. Puls 240. Resp. 45. 

11h 25. Erhält 5,4 ccm. 

11h 30. Hat sich auf den Bauch gelegt. j 

11 h 35. Reflexcrregbarkeit erhöht, j 

12 h 00. Resp. 32. i 

12 h 05. Richtet sich plötzlich auf. | 

22. 3. 1912. 

11h 10. Sitzt aufrecht. 

11h 20. Legt sich auf den Bauch. Resp. 41. 
Puls 200. 

11 h 40. Erhält 5,4 ccm. 

11 h 50. Liegt auf dem Bauche, miide. 

11 h 55. Puls 230. Resp. 45. 

12 h 00. Hat sich aufgerichtet, legt sich 

aber gleich wieder nieder. 

23. 3. 1912. 

11 h 15. Sitzt aufrecht, Ohrgefässe er- | 

weitert. Resp. 58. j 

11 h 20. Sehr unruhig, hüpft umher. 

11 h 30. Erhält 5,1 ccm. 

11 h 40. Hat bis jetzt ruhig gesessen, legt 

sich auf den Bauch. ! 

11h 45. Resp. 41, regelmässig. Starke ; 

Peristaltik. | 

25. 3. 1912. 

12 h 30. Sitzt aufrecht. Ohrgefässe stark 

erweitert. Puls 240. Resp. 44. 

12 h 40. Erhält 5,1 ccm. 

12 h 55. Sitzt hockend, sehr benommen. 

26. 3. 1912. 

11 h 05. Sitzt ruhig, leicht benommen. 

11 h 10. Ohrgefässe stark erweitert. 

Resp. 37. 

11h 25. Erhält 5,1 ccm. 

11h 30. Legt sich auf den Bauch. Sehr 
benommen. 

11 li 35. Puls 246. Resp. 39. 

11 h 40. Hat sieh plötzlich aufgerichtet 
und hüpft davon. 

11h 45. Legt sich plötzlich wieder auf den : 
Bauch. 

27. 3. 1912. 

11 h 40. Puls 240. Resp. 60. 

11h 45. Erhält 5,4 ccm. 

12 h 05. Legt sich plötzlich auf den Bauch. 

12 h 35. Sitzt aufrecht. Ohrgefässe stark 

erweitert. 

12 h 37. Hüpft umher. 

12 h 55. Legt sich plötzlich auf den Bauch. 

12 h 57. Puls 240. Resp. 46. 

28. 3. 1912. 

12 h 00. Unruhig, hüpft umher. ; 

12 h 20. Erhält 5,4 ccm. 

12 h 30. Sitzt aufrecht. i 

12 h 35. Legt .'sich auf den Bauch. Resp. 38. | 
12 h 40. Richtet sich plötzlich auf und i 
hüpft fort. ! 

12 h 45. Ohrgefässe stark erweit. Puls 246. 


1800 g. 

12 h 15. Sitzt sehr benommen. 

12 h 30. Hüpft umher. Ohrgefässe stark 
erweitert. 

12 h 40. Sehr unruhig. Reflcxerregbar- 
keit erhöht. 

1 h 00. Hüpft fortwährend umher. 

1 h 15. Sitzt ruhig. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

1800 g. 

12 h 30. Richtet sich auf. Reagirt auf 
Zupfen der Spiirhaare. Corneal- 
rcflex erhalten. 

12 h 55. Hüpft umher. 

1 h 20. Sitzt hockend müde. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 


1700 g. 

12 h 00. Hat sich aufgerichtet. 

12 h 15. Unruhig, hüpft umher. 

12 h 25. Sitzt vorne hoch aufgerichtet, 

12 h 55. Hat bis jetzt ruhig gesessen. 
Hüpft umher. 

1 h 25. Fortwährend umhergehüpft. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt, 

1700 g. 

1 h 10 — Hüpft fortwährend bis 
11) 20 umher. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

1700 g. 

12 h 00. Hüpft munter umher. 

12h 15. Sitzt hockend. Reflexcrrcg- 
barkeit gesteigert. 

12 h 22. Legt sich auf den Bauch. 

12 h 24. Richtet sich wieder auf. Puls 250. 
12 h 35. Hüpft umher. 

12 h 40. Sehr unruhig. Hüpft fortwährend 
umher. 

1 h 05. Legt sich auf den Bauch. 

1 h 15. Wird in den Käfig gesetzt. 

1800 g. 

1 h 00. Hat sich wieder aufgerichtet. 

1 h 05. Legt sich plötzlich wieder auf 
den Bauch. 

1 h 17. Resp.26. Sehrbenommen. Reagirt 
auf Zupfen der Spürhaare. 

1 h 20. Sitzt hockend, ganz benommen. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

1800 g. 

1 h 00. Sitzt zusammengekauert, be¬ 
nommen. Resp. 40. 

1 h 08. Richtet sich auf. 

1 h 10. Sitzt aufrecht. Starke Kaube¬ 
wegungen. 

1 h 12. Hüpft umher. 


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Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols. 


23 


29. 3. 1912. 1800 g. 

11h 00. Sitzt ruhig. Resp. 47. j 12 h 15. Hat sich auf den Bauch gelegt. 

11h 48. Erhält 5,4 ccm. | Kaubewegungen. Resp. 44. 

12 h 00. Sitzt aufrecht. Ohrgefässe stark 12 h 20. Liegt ganz benommen auf dem 
erweitert. I Bauche. 


11 h 45. 

12 h 00. 
12 h 25. 


Erhält 5,1 ccm. 
Sitzt benommen. 
Hüpft umher. 


30. 3. 1912. 1700 g. 


11 h 20. Sitzt aufrecht. Resp. 56. 

11h 30. Erhält 5,1 cm. 

11h 40. Legt sich auf den Bauch. 

11h 45. Richtet sich wieder auf. 

11 h 48. Liegt auf dem Bauche, sehr 

benommen. 

12 h 30. Richtet sich auf und hüpft umher. 

1. 4. 1912. 

11 h 05. Sitzt ruhig. 

11 h 30. Sehr unruhig. Hüpft umher. 

11 h 35. Erhält 4,2 ccm. 

11h 45. Liegt auf dem Bauche. Resp. 44. 
11h 55. Sehr unruhig, hüpft umher. 

12 h 00. Legt, sicli auf den Bauch. 

12 h 10. Richtet sich plötzlich auf und 
hüpft umher bis 

2. 4. 1912. 


11h 25. Sitzt ruhig. Resp. 
11h 35. Erhält 4,2 ccm. 


11h 30. Sehr matt. 


43. 


3. 4. 1912. 


12 h 40. Resp. 56. Liegt auf dem Bauche. 

Starke Peristaltik. 

12 h 45. Richtet sich auf und hüpft davon. 

12 h 55. Erhält 4,2 ccm. 

1 h 10. Hat sich gelegt. Hintertheil 

seitlich. j 

5. 4. 1912. Todt im Käfig vorgefunden. 19 mal 3 ccm. 


1 12 h 

30. 

12h 

35. 

| 12 h 

43. 

2. 1700 g 

12 h 

45. 

12 h 

50. 

i 1 h 

00. 

i 1 li 

05. 

1 1h 

i 

30. 

. 1400 g. 

1 h 

00. 

1 h 

12. 

1 h 

20. 

1 h 

30. 

. 1400 g. 

11 h 

50. 

1400 

(r 

o- 

11 h 

35. 

. 1400 g. 

1 h 

15. 

1 h 

20. 

1 h 

30. 

1 h 

40. 


Sitzt ruhig. Resp. 
Sitzt ruhig, leicht 


36. 

benommen. 


Vor¬ 


derpfoten gleiten aus. 


Legt sich wieder auf den Bauch. 
W ird in den Käfig gelegt. 


davon. 


Resp. 45. 


Richtet sich auf. 

Legt sich wieder. 

Richtet sich auf. Sehr wackelig. 
Wdrd in den Käfig gesetzt. 


Aethylalkohol 3 ccm pro Kilo. 

13. 4. 1912. Kaninchen 1500 er. 


12 h 20. Erhält 4,5 ccm. I 

12 h 30. Grosse Unruhe. I 

12 h 40. Sitzt aufrecht. 

1 h 00. Nachdem es fortwährend umher- i 
gehüpft ist, setzt es sich plötz¬ 
lich hockend hin und sucht | 
Stütze an der Wand. 

15. 4. 1912. 

11h 50. Sitzt ruhig. 

11 h 55. Erhält 4,5 ccm. 

12 h 00. Resp. 30. Sehr unruhig. Hüpft 

fortwährend j 

16. 4. 1912. 

11 h 50. Erhält 4,5 ccm. i 

11h 55. Hat sich auf den Bauch gelegt. , 


1 h 05. Richtet sich plötzlich an der 
W T and hoch auf, fällt um, richtet 
sich aber gleich wieder auf. 

1 h 12. Grosse Unruhe, hüpft fortwäh¬ 
rend umher. 

1500 g. 

1 h 25. umher, 

1 h 30. Wdrd in den Käfig gesetzt. 

1500 g. 

12 h 00. Richtet sieh auf. 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



24 


Alexander Langgaard, 


Digitized by 


12 h 00. 


1 h 10. 
1 h 15. 


11 h 20. 

11 h 25. 

11 h 40. 

12 h 00. 
12 ii 35. 
12 h 40. 


11 h 25. 
11 h .>0. 

11 h 35. 

12 h 00. 


11h 10. 
11 h 25. 
11 h 50. 


11 h 40. 

12 h 10. 

12 h 20. 


11 h 00. 
11 li 05. 
11 li 25. 
11 h 35. 


12 h 20. 
12 h 30. 


11h 35. 

11 h 42. 

12 h 00. 
12 h 30. 
12 h 40. 


11 li 20. 
11 li 30. 


11 li 35. 
11 h 45. 

11 h 55. 

12 h 05. 
12 h 10. 


11 li 50. 

12 h 00. 
12 h 10. 
12 h 25. 


17. 4. 1912. 1500 g. 

Resp. 26. Erhält 4,5 ccm. 

18. 4. 1912. 1500 g. 

Sitzt ruhig. | 1 h 30. Sitzt hockend, ganz benommen. 

Erhält 4,o ccm. | 

19. 4. 1912. 1500 g. 

Sitzt hockend. Etwas erregt. | 12 h 50. Legt sich auf den Bauch. 

Resp. 95. Kussmaul. 12 h 55. Richtet sich plötzlich auf und 

Hüpft umher. 1 hüpft davon. 

Erhält 4,5 ccm. | 1 h 00. Sitzt ruhig. Resp. 57. 

Resp. 51. (ianz benommen. , 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

Hüpft umher. 


20.4.1912. 1450 g. 

Sitzt ruhig. ; 12 h 30. Sitzt benommen. 

Erhält 4,3 ccm. 12 h 40. Hüpft umher. 

Resp. 62. j 12 h 50. Benommen. 

Unruhig, hüpft umher. | 1 h 00. In den Käfig gesetzt. 


Hüpft umher. 
Erhält 4,3 ccm. 
Sitzt hockend. 


22. 4. 1912. 1450 g. 

12 h 15. Jagt plötzlich über den Tisch. 

12 h 25. Sitzt hockend, ganz benommen. 


23. 4. 1912. 

Erhält 4,3 ccm. 

Hat bis jetzt ruhig gesessen, .lagt 
plötzlich über den Tisch. 

Hüpft umher. 


1450 g. 

12 h 40. Hüpft beständig bis 
1 h 00. umher. 

1 h 65. Wird in den Käfig gesetzt. 


24. 4. 1912. 

Sitzt ruhig. 

Erhält 4,3 ccm. 

Sitzt ganz benommen. 

Sitzt ruhig, ganz benommen. 

Resp. 44. 

Jagt plötzlich über den Tisch. 
Hüpft umher. Kaubewegungen. 


1450 g. 

12 h 40. Sitzt hockend, ganz benommen. 
12 h 45. Eichtet sich auf. 

12 h 55. Hüpft umher. 

1 h 00. Sehr unruhig. 

1 h 10. Hüpft umher. 

1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt. 


25. 4. 1912. 

Sitzt ruhig. Resp. 67. ! 

Erhält 4,2 ccm. ! 

Sitzt ruhig. 

Sitzt hockend. 

Hüpft davon. 

26. 4. 1912. 

Sitzt ruhig. 1 

Erhält 4,2 ccm. 


1400 g. 

12 h 50. Sitzt ruhig. 

1 h 00. Hüpft umher. 

1 h 05. Sitzt hockend, benommen. 

1 h 20. Hüpft umher. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

1400 g. 

11 h 50. Hüpft umher. 


Erhält 4,2 ccm. 

Sitzt, ruhig. 

Hüpft, umher. 

Sitzt ganz benommen. 
< ornealreflex erhalten. 


27. 4. 1912. 1400 g. 

I 12 h 30. Sitzt hockend. 

12 li 40. Hat sich aufgerichtet. 

1 h 00. Sitzt hockend, ganz benommen. 
Resp. 58. 1 h 20. Sitzt hockend, ganz benommen. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 


29. 4. 1912. 

Erhält 3,9 ccm. 

Sitzt ganz benommen. 

Unruhig, hüpft umher. | 

Sehr unruhig, hüpft umher. 


1300 g. 

1 h 10. Während der ganzen Zeit unruhig 
umhergehii] »ft. 

1 h 20. Sitzt ruhig. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHtGAN 



Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols. 


25 


30. 4. 1912. 

11 h 20. Sitzt ruhig. 

11 h 25. Resp. 62. 

11h 38. Erhält 3,9 ccm. 

11h 50. Wird unruhig, hüpft umher. 

11 h 55. Legt sich anf den Bauch. Sehr 
benommen. 

1. 5. 1912. 

11h 10. Sitzt ruhig, benommen. Resp. 59. I 

11 h 25. Erhält 3,9 ccm. 

11h 40. Ganz benommen. 

12 h 45. Sehr unruhig. Hüpft fortwährend 

umher. 

2. 5. 1912. 

11h 15. Sitzt ruhig. Resp. 42. 

11h 30. Erhält 3,9 ccm. 

12 h 00. Sitzt ganz benommen. 

4. 5. 1912. 

11h 15. Sitzt ruhig, stützt den Kopf auf 
don Tisch. 

11h 18. Resp. 41. 

11 h 25. Erhält 3,6 ccm. 

11 h 30. Sitzt zusammengekauert. 

11 h 40. Hüpft davon. 

12 h 00. Sitzt ganz benommen. , 

5. 5. 1912. 

12 h 30. Sitzt zusammengekauert, ganz I 
benommen. i 

12 h 37. Resp. 40. | 

12 h 50. Erhält 3,6 ccm. | 

6. 5. 1912. 

11h 20. Sitzt zusammengekauert. Resp. 35. | 

7. 5. 1912. 

10 h 50. Legt sich auf den Bauch. 

10 h 55. Resp. 40. 

11h 10. Erhält 3,3 ccm. 

8. 5. 1912. 

10 h 30. Sehr matt. Resp. 42. 

10 h 45. Erhält 3,3 ccm. 

10 h 50. Grosse Unruhe. 

9. 5. 1912. 

12 h 00. Sehr matt. 

12 h 05. Resp. 36, leicht dyspnoisch. 

12 h 15. Erhält 3 ccm. 

10. 5. 1912. 


1300 g. 

12 h 15. Unruhe. 

12 h 30. Hüpft umher 
1 h 20. do. do. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 


1300 g. 

1 h 00. Sehr erregt. 

1 h 15. Sitzt zusammengekauert, ganz be¬ 
nommen. 


1300 g. 

12 h 20. Hüpft umher. 

12 h 35. Sitzt ruhig, leicht benommen. 

1200 g. 

12 h 20. Hüpft davon. 

12 h 25. Sitzt ruhig. Puls 240. Resp. 45. 
1 h 00. Ganz benommen. Reflcxerregbar- 
keit gesteigert. 

1 h 20. Ganz benommen. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

1200 g. 

1 h 15. Liegt, auf dem Bauche. Ganz 
benommen. 

1 h 30. In den Käfig gesetzt. 

1200 g. 

11 h 30. Erhält 3,6 ccm. 

1100 g. 

12 h 00. Hat die ganze Zeit ruhig ge¬ 

sessen. 

12 h 03. Hüpft davon. 

1100 g. 

11 h 00. Grosse Unruhe. 

11 h 30. Hüpft umher. 

12 h 00. Resp. 34. 

1000 g. 

12 h 25. Unruhe. 

12 h 30. Sitzt ruhig. Resp. 38, dyspnoisch. 
12 h 40. In den Käfig gesetzt. 

23 mal 3 ccm pro Kilo. 


Todt im Käfig vorgefunden. 


Methylalkohol. Ursache der Vergiftung 3 ccm pro Kilo. 

15. 3. 1912. Kaninchen, 1850 g. 


11h 25. Erhält 5,6 ccm. 

11h 40. Ohrgefässc stark erweitert. Legt 
sich auf den Bauch. 

11h 45. Resp. 38. Kussmaul. 

11h 50. Liegt auf dem Bauche, sehr be¬ 
nommen. RcfIexerregbar- 
keit erhöht. 

11 h 52. Puls 257. 


12 h 00. Sitzt hockend, ganz benommen. 
12 h 20. Hat sich aufgerichtet. 

12 h 23. Legt sich auf den Bauch. Starke 
Pcris tal t i k. 

12 h 28. Puls 260, Resp. 40. 

12 h 35. Sitzt ganz benommen. Zuckt beim 
Kneifen in den Schwanz zu¬ 
sammen, bleibt aber ruhig sitzen. 


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Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



26 


Alexander Langgaard, 


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15. 3. 191*2 Fortsetzung). 

12 h 40. Sitzt ganz benommen. Rcsp. ganz i 12 b 55. Hat sich auf den Bauch gelegt. 

n i jr i>. od 


flach, 45. 

12 h 42. Versucht zu hüpfen. Vorderpfoten 
gleiten aus. 

12 h 49. Hat sich auf den Bauch gelegt. 
Puls 240. 

12 h 52. Richtet sicli wieder auf. 


Resp. 36. 

1 h 05. Liegt ganz benommen auf dem 
Bauche. 

lh 10. Hat sich aufgerichtet und hüpftfort. 
1 h 12. Sitzt hockend. Wird in den Käfig 
gesetzt. 


16. 3. 1912. 1800 ir. 


11h 00. Erhält 5.4 ccm. 

11 h 10. Sitzt hockend. 

11 h 20. Legt sich auf den Bauch. 

11h 22. Hat sich aufgerichtet. 

11 h 24. Legt sich wieder auf den Bauch. 

Hinterthcil seitlich. 

11h 25. Rep. 44. 

11 h 26. Richtet sich plötzlich auf. 

11 h 32. Legt sich auf den Bauch. 

11 h 34. Puls 250, Rcsp. 99. 


1 11h 38. Hat sich aufgerichtet. 

; 11 h 40. Legt sich auf den Bauch. 

12 h 10. Richtet sich plötzlich wieder auf. 
| 12 h 12. Legt sich wieder nieder. 

, 12 h 18. Hat sich wieder aufgerichtet. 
Hüpft umher. 

12 h 34. Legt sich wieder. 

12 h 35. Resp. 39. 

1 h 25. Liegt auf dem Bauche. Resp. 39. 
1 h 30. Richtet sich auf. 


18. 3. 1912. 1800 g. 

11h 10. Sitzt ruhig. 12 h 00. Legt sich auf den Bauch. 

11 h 12. Legt sich auf den Bauch. 12 h 20. Hat sich aufgerichtet. 

11 h 14. Starke Pcristal tik. Resp. 41. 12 h 30. Sitzt hockend, ganz benommen. 

11h 18. Durchfall. Ohrgefiissc stark erweitert. 

11h 20. Puls 247. 12 h 50. Puls 260, Resp. 37. Durchfall. 

11 h 50. Erhält 5,4 ccm. 


19. 3. 1912. 1800 


11h 00. Sitzt ruhig. 

11 h 15. Puls 260, Resp. 86. 

11h 20. Legt sich auf den Bauch. 

11h 40. Erhält 5,4 ccm. 

11 h 50. Resp. 96. 

12 h 15. Liegt ganz benommen auf dem 

Bauche. 

12 h 30. Puls 260, Resp. 43. 


12 h 42. Sitzt hockend, sehr müde. 

12 h 50. Legt sich auf den Bauch. 

12 h 55. Hat sich augerichtet. Ohrgefässc 
stark erweitert. 

1 h 00. Sitzt hockend, sehr müde. 

1 h 15. Legt sich auf den Bauch. 

I 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

i 


20. 3. 1912. 1800 g. 

11h 10. Hat sich auf den Bauch gelegt. 12 h 30. Sitzt zusammgekauert. 

11h 15. Puls 245, Resp. 80. j 12 h 40. Hat sich aufgerichtet, 

11h 40. Erhält 5,4 ccm. 1 h 00. Puls 260, Resp. 57. 

12 h 25. Resp. 80. Hat die ganze Zeit ruhig , 1 h 08. Liegt, auf dem Bauche. 

gesessen, sehr müde. Vorder- j 1 h 15. Hat sich aufgerichtet, 

pfoten gleiten aus. ; 1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt. 


21. 3. 1912. 1800 g. 


11 h 10. Sitzt ruhig. 

11h 15. Legt sich auf den Bauch. 

11h 20. Puls 220, Resp. 37. 

11 h 30. Erhält 5.4 ccm. 

12 h 03. Resp. 32. Hat sich auf den Rauch 

gelegt, 

12 h 10. Hat sich aufgerichtet. 


12 h 40. Sitzt zusammengekauert, sehr 
müde. 

12 h 50. Sitzt hockend, sehr benommen. 

1 h 05. Legt sich auf den Bauch. 

1 h 28. Hat während der ganzen Zeit auf 
dem Bauch gelegen. Resp. 42. 
1 h 30. Wird in den Kälig gelegt. 


22. 3. 1912. 1800 g. 


11 h 10. Sitzt aufrecht. 

11h 18. Legt sich auf den Bauch. 

11h 30. Puls 260, Resp. 66. Kussmaul. 
11h 50. Erhält. 5,4 ccm. 

11h 55. Hat sich auf den Bauch gelegt. 

12 h 00. Resp. 58, sehr flach. 

12 h 30. Hat die ganze Zeit über auf dem 
Bauche gelegen, sehr benommen. 


12 li 40. Cornealreflcx erhalten. Rcagirt 
auf Zupfen der Spürhaare nicht, 
wohl aber auf Kneifen des 
Schwanzes, versucht sich auf¬ 
zurichten, Vorderpfoten gleiten 
aus. 


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Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



Die Giftigkeit des Methyl- und Aothylalkohols. 


27 


23. 3. 1912. 1800 c. 


11 h 25. Liegt auf dem Bauche. Beim Be¬ 
rühren, um cs aus dem Käfig 
zu nehmen, heftiger Opistho¬ 
tonus. 

11 h 35. Liegt ganz ermattet auf der Seite. 

12 h Oo } Tonische clonische Krämpfe. 


12 h 15. Liegt auf der Seite, ganz schwach 
athmend. 

12 h 48. Tetanus. Athmung steht. 

12 h 50. Athmet wieder ganz schwach. 

12 h 55. Furchtbare Dyspnoe. 

1 h 00. Athmung steht. Herz nicht zu 
fühlen. Tod nach 7 mal 3 ccm. 


Methylalkohol, acetonfrei, 5 ccm pro Kilo. 

31. 5. 1912. Kaninchen, 2300 g. 

1 h 05. 11,5 ccm. | 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

1 h 20. Unruhig. Hüpft umher. I 


1. 6. 1912. 

12 h 10. 11 ccm. I 

12 h 15. Ohrgefässe stark erweitert, legt • 

sich auf den Bauch. Respiration ( 

fliegend. | 


3. 6. 1912. 

11h 15. 10,5 ccm. 

11 h 45. Hüpft umher. I 

11 h 50. Sitzt aufrecht. Leicht benommen. 

11 h 55. Legt sich auf den Bauch. Sehr j 
benommen. | 

4. 6. 1912. 

11 h 40. Hüpft umher. 

11 h 50. 10 ccm. 

12 h 00. Legt sich auf den Bauch. Hintcr- 

theil seitlich. 

5. 6. 1912. 

11 h 40. 10 ccm. 

12 h 02. Hat sich auf den Bauch gelegt. 

Ganz benommen. 

12 h 15. Richtet sich plötzlich auf und ’ 
hüpft davon. | 

6. 6. 1912. 

11h 15. Sitzt aufrecht. Leicht benommen. 
11h 20. Hat sich auf den Bauch gelegt. 

11 h 25. Resp. 48. Kussmaul. 

11 h 40. 10 ccm. 

11h 50. Hat sich auf den Bauch gelegt. 

12 h 00. Richtet sich auf und hüpft. 

Taumelt. 


7. 6. 1912. 


11h 25. 10 ccm. 

11h 40. Liegt ganz benommen auf dem 
Bauche. Ohrgefässe stark er¬ 
weitert. 

11h 50. Hat sich plötzlich aufgerichtet 
und hüpft umher. 

12 h 15. Wankt, fällt um, richtet sich aber 
gleich wieder auf. Schaumiges 
N a s e n s e c r e t. 

12 h 25. Sehr benommen. Leichte Dyspnoe. 

12 h 20. Wankt, fällt um, richtet sich aber 
gleich wieder auf. 


2200 g. 

12 h 40. Richtet sich auf und hüpft 
umher. 

12 h 55. Leicht benommen. 


2100 g. 

12 h 10. Hat sich aufgerichtet. 

12 h 15. Hüpft umher. 

12 h 25. Sitzt aufrecht. Leicht benommen. 
12 h 50. Hüpft umher. 


2000 g. 

12 h 20. Richtet sich plötzlich auf. 
12 h 30. Sitzt hockend. 

12 h 45. Sitzt aufrecht. 


2000 g. 

12 h 40. Sucht Stütze an der Wand. Fällt 
um. Hintcrtheil seitlich. Schau¬ 
miges Nasensccret. 


2000 g. 

12 h 10. Vorderpfoten gleiten aus. Ganz 
benommen. Liegt auf dem 
Bauche. 

12 h 12. Richtet sich wieder auf und hüpft 
davon. 


2000 g. 

12 h 40. Liegt auf dem Bauche. Hinter- 
theil seitlich gelähmt. Star ko 
Peristaltik. 

12 h 50. Nach mehreren vergeblichen Ver¬ 
suchen ist cs ihm gelungen, 
sich wieder aufzurichten. 

12 h 55. Wankt. 

1 h 00. Sitzt ganz benommen. 

1 h 05. Respiration stossweise. Schau¬ 
miges Nascnsecret. 


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28 


Alexander Langgaard, 


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8. 6. 1912. 

12 h 15. Hüpft langsam umher. Starker 
Haarausfall. 

12 h 30. 9,5 ccm. 

12 h 35. Wankt, legt sicli auf den Bauch. 

1 h 00. Liegt ganz benommen auf dem 
Bauche. 

10. 6. 1912. 

11 h 45. Hüpft umher. Leicht benommen. 

11 h 50. 8,5 ccm. 

Il!i55. Hüpft fort. Benommen. Ohr¬ 
gcfässc stark erweitert. 

12 h 30. Ganz benommen. 

1 h 10. Wankt, fällt auf die Seite. 


1900 g. 

1 h 05. Starke Peristaltik. 

1 h 15. Hat sich aufgerichtet. Sehr be¬ 
nommen. Wankt, fällt auf die 
Seite. 


1700 g. 

lh 15. Richtet sich plötzlich auf. Wankt, 
sucht Stütze an der Wand. 
Schaumiges Nasensccret. 

1 h 20. Sitzt zusamengekauert. Kopf ge¬ 
stützt. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 


11. 6. 1912. 1600 g. 

11h 50. Sehr benommen. 12 h 40. Fällt um. 

11h 55. 8 ccm. 12 h 45. Hat sich wieder aufgerichtet. 

12 h 20. Sitzt ganz benommen. 

12. 6. 1912. Todt im Käfig vorgefunden, 1500 g, nach 10 mal 5 ccm. 


Aethylalkohol, 5 ccm pro Kilo. 

31. 5. 1912. Kaninchen, 2000 g. 


11h 30. 10 ccm. 

11 h 40. Resp. 100, fliegend. Stützt den 
Kopf. 


1. 6. 1912. 

11 h 20. Benommen. I 

11h 30. 10 ccm. I 

3. 6. 1912. 

11 h 15. Benommen. Liegt auf dem Bauche, j 
11 h 20. Resp. 200, fliegend. [ 

11 h 30. 10 ccm. | 

11h 45. Liegt ganz benommen auf dem 
Bauche. | 

4. 6. 1912. 

11h 40. 10 ccm. 

11 h 50. Sitzt ruhig. Ohrgcfässc stark er¬ 
weitert. 

5. 6. 1912. 

11 h 50. 10 ccm. 

12 h 15. Liegt auf dem Bauche, ganz be¬ 

nommen. I 

6. 6. 1912. 

11 h 20. Sitzt ruhig. Ohrgcfässc stark er- J 
weitert. | 

11 h 35. 9 ccm. 

12 h 40. Resp. 37. Liegt auf dem Bauche. 

Hintcrtheil gelähmt. Versucht 
sich aufzurichten, fällt aber 
immer wieder auf die Seite. 

7. 6. 1912. 

11 h 40. 9 ccm. i 

11h 50. Sitzt hockend, ganz benommen. | 


12 h 00. Sehr benommen. Liegt auf dem 
Bauche. 

1 h 05. Hat sich aufgerichtet und hüpft 
davon. 

2000 g. 

11h 40. Resp. 63. 

12 h 30. Sitzt ganz benommen. Wankt. 

2000 g. 

12 h 10. Desgleichen. 

12 h 45. Desgleichen. 

1 h 00. Hat sich aufgerichtet. 

1 h 05. Sucht Stütze an der Wand. 

2000 g. 

12 h 00. Liegt auf dem Bauche. Hinter- 
theil seitlich gelähmt. 

12 h 50. Liegt ganz gelähmt. 

2000 g. 

1 h 00. Sitzt hockend. 

1 h 10. Sitzt hockend, ganz benommen. 
1 h 15. Wird in den Käfig gesetzt. 

1S00 g. 

1 h 08. Schläft tief. Resp. 43. 

1 h 10. Hat sich aufgerichtet. 

1 h 15. Wankt. 

1 h 20. Fällt auf die Seite. 

1 h 22. Richtet sich wieder auf, fällt aber 
gleich wieder um. 

1800 g. 

12 h 10. Hat sich aufgerichtet. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols. 


29 


8. 6. 1912. 

11 h 30. 9,5 ccm. 

12 h 10. Liegt auf dem Bauche, ganz be¬ 

nommen. 

12 h 20. Hat sich aufgerichtet. 

12 h 25. Sitzt zusammengekauert. 

10. G. 1912. 

11 h 50. 9,5 ccm. 

12 h 10. Sitzt zusammengekauert, ganz j 

benommen. 


1900 g. 

1 h 10. Hat sich aufgerichtet. 

1 h 20. Hüpft umher. 

1 h 25. Sitzt benommen. Sucht Stütze an 
der Wand. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

1900 g. 

12 h 40. Sitzt zusammengekauert, ganz 
benommen. 


11. 6. 1912. 1900 e. 


11 h 00. 9,5 ccm. 

11h 30. Liegt ganz benommen auf dem 
Bauche. 

12 h 00. Liegt auf dem Bauche. Hinter- 

theil gelähmt. 

12 h 10. Hat sich aufgerichtet. 


12 h 12. Fällt auf die Seite. 

12 h 20. Richtet sich wieder auf. 

12 h 22. Fällt auf die Seite, richtet sich 
aber bald wieder auf. 

12 h 30. Wankt. 

12 h 50. Sitzt hockend. Ganz benommen. 


12. 6. 1912. 

11 h 45. 9,5 ccm. 

12 h 00. Liegt auf dem Bauche. 

12 h 30. Liegt auf der Seite. Ganz be¬ 
nommen. 


1900 g. 

12 h 50. Liegt auf der Seite. Hintcrtheil 
gelähmt. 

12 h 55. Hat sich aufgerichtet. Ganz bc- 
nommen.Vorderpfoten gleiten aus 


13. G. 1912. 1700 g. 

11h 30. 8,5 ccm. ! 12 h 40. Resp. 46. 

12 h 00. Liegt gelähmt auf dem Bauche. 1 h 00. Liegt gelähmt auf der Seite. 
12 h 15. Liegt gelähmt auf der Seite. j 

14. G. 1912. Todt im Käfig vorgefunden, nach 12 mal 5 ccm. 


Methylalkohol, acetonfrei, 6 ccm pro Kilo. 

19. 6. 1912. Kaninchen 1600 g. 


12 h 05. 9,6 ccm. 

12 h 20. Hat sich gelegt. Ilustenstösse. § 
Kopf aufrecht. 

12 h 30. Liegt ganz ruhig, benommen. 

Schaumiges Nasensecret. 

12 h 40. Beim Versuch sich aufzurichten 
gleiten die Vorderpfoten aus. 
Resp. 50. 

12 h 45. Richtet sich auf, fällt aber gleich 
wieder um. 


12 h 47. Liegt auf dem Bauche. Hintcr¬ 
theil seitlich. 

12 h 50. Hat sich aufgerichtet. 

1 h 00. Sitzt ruhig, leicht benommen. 

1 h 10. Sitzt ruhig, ' leicht benommen. 
Resp. 41. 

1 h 12. Richtet sich plötzlich vorne auf. 
1 h 15. Sitzt ruhig. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 


20. 6. 1912. 1500 g. 

12 h 30. 9 ccm. 

21. 6. 1912. 1400 g. 

11 h 55. 8,4 ccm. I 12 h 40. Grosse Unruhe. Versucht sich 

12 h 20. Liegt auf dem Bauche. | aufzurichten, aber vergeblich. 

22. G. 1912. 1400 g. 

11h 15. Liegt auf dem Bauche. Hinter- I 12 h 50. Liegt auf der Seite. Ganz be¬ 
theil seitlich. | nommen. Resp. 31. 

11h 40. 8,4 ccm. 1 1 h 25. Bronchialrasseln. Dyspnoe. 

12 h 20. Liegt auf dem Bauche. ; 1 h 30. Wird in den Käfig gelegt. 


24. 6. 1912. 1300 g. 


11h 20. Liegt auf dem Bauche. Ganz be¬ 
nommen. Schaumiges Nasen¬ 
secret. Leichte Dyspnoe. 

11 h 30. Resp. 24. 

11 h 36. Richtet sich auf. 


11 h 45. 7,8 ccm. 

11 h 55. Liegt auf der Seite, gelähmt. 
T rach ca 1 rasscl n. 

1 h 20. Desgleichen. 

1 h 25. Wird in den Käfig gelegt. 


25. G. 1912. Todt vorgefunden, nach 5 mal 6 ccm. 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



30 


Alexander Langgaard, 


□ ifitized by 


12 h 15. 
12 h 30. 

12 h 40. 
12 h 50. 


12 h 00. 
12 h 20. 
12 h 30. 


11 h 15. 

11 h 50. 

12 h 10. 
12 h 25. 
12 h 35. 
12 h 40. 
12 h 45. 


11 h 25. 

11 h 32. 
11h 50. 

12 h 00. 
12 h 20. 
12 h 30. 
12 h 40. 


11 h 45. 

12 h 00. 

12 h 20. 


12 h 10. 
12 h 30. 

12 h 35. 


12 h 50. 


11 h 05. 
11 h 30. 
11h 40. 


11 h 25. 

11 h 35. 

12 h 00. 

12 h 05. 


Aethylalkohol, 6 ecm pro Kilo. 

19.6. 1912. Kaninchen, 1900 g. 


11,4 ccm. 

Liegt auf dem Bauche. Ohrgefässc 
stark erweitert. 

Resp. 240. 

Liegt gelähmt auf der Seite. In 
den Schwanz gekniffen, springt 
cs auf, fällt aber sofort wieder um. 


12 h 55. Resp. 130. 

1 h 00. Resp. 158. Liegt auf der Seite. 
1 h 05. Versucht vergeblich sich aufzu¬ 
richten. 

1 h 15. Resp. 133. Liegt auf der Seite. 
1 h 30. Wird in den Käfig gelegt. 


20. 6. 1912. 1700 g. 

12 h 45. 10,2 ccm. 


21. 6. 1912. 

9 ccm. I 

Sitzt ganz benommen. I 

Hat sich aufgerichtet, wankt und 
fällt um. j 

22. 6. 1912. 

Sitzt hockend. | 

8,4 ccm. ! 

Hat sich auf den Bauch gelegt, j 

Sitzt hockend. 

Taumelt. 

Fällt um. 

Richtet sich auf. ! 

24. 6. 1912. 

Sitzt ruhig. Resp. 53. 

Hat sicli gelegt. Hintcrthcil seitlich. 

8,1 ccm. I 

Hat sich auf den Bauch gelegt, i 

Sitzt ruhig, benommen. 

Liegt auf der Seite. 

Resp. 120. ; 

25. 6. 1912. 

Erhält 7,8 ccm. ! 

Liegt auf dem Bauche. Hinter- | 

theil seitlich. 

Versucht sich aufzurichten. Vor¬ 
derpfoten gleiten aus, legt sich 
wieder auf den Bauch. 

26. 6. 1912. 

Erhält 7,8 ccm. 

Sitzt hockend, ganz benommen. 

Ohrgefässc stark erweitert. 

Liegt ganz benommen auf dem 
Bauche, Hintcrthcil seitlich ge¬ 
lähmt. Resp. 90. 

Liegt völlig gelähmt auf der Seite. 


1500 g. 

12 h 35. Versucht fortzuhiipfen, fällt aber 
immer wieder um. 

12 h 40. Liegt auf dem Bauche. 

1400 g. 

1 h 00. Sucht Stütze an der Wand, legt 
sich auf den Bauch, Hintcrthcil 
seitlich. 

1 h 20. Richtet sich plötzlich auf, fällt 
aber gleich wieder um. 

I h 30. Wird in den Käfig gelegt. 

1350 g. 

12 h 50. Hat sich aufgerichtet. Hüpft da¬ 
von. Wankt, taumelt und fällt um.. 

1 h 05. Richtet sich auf, versucht fortzu¬ 
hüpfen, die Vorderpfoten gleiten 
aus, fällt auf die Seite. 

1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt. 

1300 g. 

12 h 45. Liegt auf dem Bauche, Hintcrthcil 
gelähmt. 

1 h 20. Springt auf, fällt um. 

1 h 30. Versucht vergeblich sich aufzu¬ 
richten, die Beine gleiten aus. 
Wird in den Käfig gesetzt. 

1300 g. 

1 h 00. Versucht vergeblich sich aufzu¬ 
richten und fortzuhüpfen, fällt 
immer wieder um. 

1 h 20. Liegt gelähmt auf der Seite. 

1 h 25. Sehr unruhig. Versucht fortzu- 
hiipfen, fällt immer wieder um. 

1 h 30. In den Käfig gelegt. 


27. 6. 1912. 1300 g. 

Erhält 7,8 ccm. 1 11 h 50. Vollständig gelähmt. 

Sitzt ruhig hockend. 12 h 50. Vollständig gelähmt. 

Liegt auf dem Bauche. Hinter- 1 12 h 55. Richtet sich auf, fällt aber so- 
theil seitlich gelähmt. , fort um. 


Legt sich auf den Bauch, streckt 
die Hinterbeine weit aus. 

Erhält 7,5 ccm. 

Liegt auf dem Bauche. Versucht 
sich aufzurichten. Wankt. 

Liegt auf dem Bauche, Hinter¬ 
beine w T cit ausgestreckt. 


28. 6. 1912. 1250 g. 


12 h 20. Liegt auf der Seite vollständig 
gelähmt. 

12 h 30. Resp. 37. 

12 h 50. Hat sich aufgerichtet. 

12 h 55. Liegt auf dem Bauche. 

1 h 00. Wird in den Käfig gelegt. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Die Giftigkeit des Methyl- und Actbylalkohols. 


31 


11h 20. 
11h 50. 
11h 55. 
12 h 05. 
12 h 10. 


11 h 45. 

11 h 55. 

12 h 00. 
12 h 05. 


11 h 40. 

11 h 45. 
11 h 52. 

11 h 53. 

12 h 20. 


11h 15. 
11 h 30. 

11 h 55. 


11 h 50. 

12 h 00. 

12 h 15. 

11 h 40. 

11 h 48. 

12 h 25. 


11 h 25. 
11 h 35. 

11 h 45. 


11 h 15. 
11 h 20. 
11 h 35. 


Methylalkohol, 8 ccm pro Kilo. 

27. 6. 1912. Kaninchen, 1600 g. 


Erhält 12,8 ccm. 

Liegt auf dem Bauche. Resp. 240. 
Richtet sich auf. 

Sitzt hockend. 

Richtet sich auf. Hüpft davon. 


12 h 20. Hüpft umher. Reflexcrregbar- 
keit erhöht. 

12 h 40. Sitzt ruhig, leicht benommen. 

12 h 45. Hüpft umher. 

12 h 50. Hüpft umher. 

12 h 55. Sitzt leicht benommen. 


28. 6. 1912. 

Erhält 12,8 ccm. I 

Liegt auf dem Bauche. Hinter- 
theil seitlich. 

Hat sich aufgeriohtet, hüpftdavon. 

Legt sich auf den Bauch, richtet 
sich aber bald wieder auf, hüpft 
davon. Grosse Unruhe. 


1600 g. 

12 h 10. Hüpft fortwährend umher, sehr 
erregt. 

12 h 30. Hüpft fortwährend umher, fällt 
häufig um, richtet sich aber so¬ 
fort wieder auf. 

1 h 00. Wird in den Käfig gesetzt. 


29. 6. 1912. 

Liegt auf dem Bauche, leicht be¬ 
nommen. 

Resp. 47. 

Richtet sich auf. 

Wankt, legt sich auf den Bauch. 
Erhält 12,8 ccm. 


1600 g. 

12 h 30. Liegt gelähmt auf dem Bauche. 
12 h 35. Nystagmus. Versucht vergeb¬ 
lich sich aufzurichten. 

12 h 52. Hat die ganze Zeit über gelähmt 
auf der Seite gelegen. Resp. 101. 
1 h 20. Wird in den Käfig gelegt. 


1. 7. 1912. Todt vorgefunden. 3 mal 8 ccm pro Kilo. 


Aetliylalkohol, 8 ccm pro Kilo. 

27. 6. 1912. Kaninchen, 1600 g. 
Erhält 12,8 ccm. I 12 h 05. Liegt 

Liegt auf dem Bauche, fliegende 
Athmung. Resp. 300. 

Liegt gelähmt auf dem Bauche. ; 

Resp. 250. ! 


gelähmt auf der Seite. 
Resp. 255. 

12 h 35. Versucht vergeblich sich aufzu¬ 
richten. 

12 h 40. Liegt völlig gelähmt auf der Seite. 


Erhält 12 ccm. 

Liegt auf dem Bauche, 
Athmung. 

Liegt auf dem Bauche 
nommen. 


28. 6. 1912. 1500 g. 

12 h 55. Hat während der ganzen Zeit ruhig 
auf dem Bauche gelegen. 

1 h 00. Wird in den Käfig gelegt. 


fliegende 
ganz be- 


29. 6. 1912. 

Liegt auf dem Bauche, fliegende 
Ath/nung. 

Hat sich aufgerichtet. 

Erhält 12 ccm. 

1. 7. 1912 


1500 g. 

12 h 30. Fällt um. 

12 h 35. Resp. 224. 

1 h 20. Liegt gelähmt auf der Seite. 
1 h 30. Wird in Käfig gelegt. 

Todt vorgefunden. 3 mal 8 ccm pro Kilo. 


Erhält 16 ccm. 

Liegt ganz benommen auf dem 
Bauche. 

Resp. 73. Liegt auf dem Bauche. 


Aethylalkohol, 10 ccm pro Kilo. 

2. 7. 1912. Kaninchen, 1600 g. 

11 h 55. Liegt völlig gelähmt auf der Seite. 

12 h 15. Resp. 44. Liegt völlig gelähmt auf 
der Seite. 

1 h 20. Wird in den Käfig gelegt. 


3. 7. 1912. Am Morgen todt vorgefunden. 


Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo. 


2. 7. 1912. Kaninchen, 1500 g. 


Erhält 15 ccm. 

Legt sich auf den Bauch. 

Liegt gelähmt auf der Seite. 
Zuckungen der Halsmusku¬ 
latur. Nystagmus. 


11 h 40. Resp. 130, dyspnoisch. 

11h 55. Rcflexerregbarkeit ge¬ 
steigert. 

12 h 05. Resp. 150. Trachea!rasseln. 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



32 


Alexander Langgaard 


Digitized by 


12 h 10. 
12 h 25. 
12 h 45. 

12 h 00. 
12 h 15. 
12 h 20. 


12 h 00. 
12 h 10. 
12 h 30. 


11h 05. 


2. 7. 1912 (Fortsetzung). 


Grosse Unruhe, versucht vergeb¬ 
lich sich aufzurichten. 

Versucht sich aufzurichten, fällt 
aber stets wieder auf die Seite. 
Liegt auf der Seite. 

3.7. 1912. 

Sitzt ruhig, leicht benommen. ! 
Resp. 77. | 

Hüpft davon. j 


1 h 05. Liegt auf der Seite. Zittern 
und Zuckungen. 

1 h 20. Desgleichen. 

1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

1400 g. 

1 h 15. Hat während der ganzen Zeit theils 
ruhig gesessen und ist theils um¬ 
hergehüpft. 

1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt. 


4. 7. 1912. 1200 g. 
12 h 40. Hüpft umher. 


5. 7. 1912. 1200 g. 

12 h 00. Ganz mobil. Hüpft umher. 


0.7. 1912. 1300 g. 

Ganz mobil, hüpft umher. 12 h 45. Hüpft umher. 

Hüpft umher. 1 h 00. Wird in den Käfig gesetzt. 

Sitzt ruhig. 

8. 7. 1912. 1300 g. 

Ganz mobil. | 12 h 05. Hüpft umher. 


9. 7. 1912. 1250 g. 

12h 00. Ganz mobil. Sitzt ruhig. Das Thier ist nicht eingegangen. 


12 h 55. 
1 h 05. 


12 h 50. 
1 h 00. 
1 h 05. 
1 h 10. 


11 h 30. 

11 h 50. 

12 h 10. 


11 h 05. 


11 h 20. 
11 h 50. 


11 h 30. 

12 h 15. 


12 h 15. 


11 h 30. 


Aethylalkoho], 10 ccm pro Kilo. 

5. 7. 1912. Kaninchen 1400 g. 

Erhält 14 ccm. I 1 h 15. Liegt gelähmt auf der Seite. 

Liegt ganz gelähmt auf demBaucho. | 

6. 7. 1912. 1250 g. Todt vorgefunden. 


Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo. 


5. 7. 1912. 

Erhält 15 ccm. 

Hat sich gelegt. 

Richtet sich auf, hüpft davon. 
Grosse Unruhe, Reflexerre 
barkeit gesteigert. 


Kaninchen 1500 g. 

1 h 15. Hüpft davon. W T ankt, fällt um 
und rollt um die Längsachse. 
1 h 20. Hüpft davon. 


g- 


Sitzt ruhig. 


j Hüpft 


umher. 


6. 7. 1912. 1500 g. 

I 12 h 13. Sitzt ruhig, leicht benommen. 
I 12 h 45. Hüpft ganz munter umher. 


8. 7. 1912. 

Sitzt ruhig, leicht benommen. | 


1300 g. 

11h 15. Hüpft munter umher. 


9.7.1912. 1250 g. 

Ganz munter, hiipft umher. I 12 h 20. Hüpft umher. 

Leicht benommen, hat sich gelegt. | 12 h 30. Hat sich gelegt. 


10. 7. 1912. 1300 g. 

Leicht benommen. 9 I 12 h 20. Richtet sich auf, wird in den 

Liegt auf dem Bauche. Reflex- I Käfig gesetzt, 

erregbarkeit erhöht. I 

11. 7. 1912. 1300 g. 

Sitzt aufrecht, leicht benommen. | 1 h 30. W y ird in den Käfig gesetzt. 


15. 7. 1912. 1300 g. 

Ganz munter, hüpft umher. | 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

Das Thier ist nicht eingegangen. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols. 


33 


Aethylalkohol, 10 ccm pro Kilo. 

8. 7. 1912. Kaninchen 1300 g. 

1 h 15. Erhält 13 ccm. | 1 h 30. Liegt gelähmt auf dem Bauche. 

9. 7. 1912. 1200 g. Todt vorgefunden. 

Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo. 

8. 7. 1912. Kaninchen 1400 g. 

1 h 10. Erhält 14 ccm. 

9. 7. 1912. 1300 g. 

11 h—lh 00. Hüpft fortwährend umher. 

10. 7. 1912. 1300 g. 

11h 30 — 12 h 15. Sehr unruhig, hüpft fortwährend umher. 

15. 7. 1912. 1400 g. 

Hüpft fortwährend umher. 

16. 7. 1912. 1400 g. 

11h 30. Hüpft umher. ! 12 h 30. Hüpft umher. 

12 h 00. Sitzt ruhig, aufrecht. | 

17.7.1912. 1350 g. 

Ohrgefässe stark erweitert, hüpft umher. Das Thier ist nicht eingegangen. 

Aethylalkohol, 10 ccm pro Kilo. 

10. 7. 1912. Kaninchen 1300 g. 

12 h 50. Erhält 13 ccm. 1 h 15. Liegt völlig gelähmt auf der 

12 h 55. Liegt auf dem Bauche, ganz be- Seite, 

nommen. Resp. 240. 

11. 7. 1912. Todt vorgefunden. 

Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo. 

10. 7. 1912. Kaninchen 1400 g. 

12 h 55. Erhält 14 ccm. 1 h 20. Liegt auf dem Bauche. 

1 h 05. Sitzt hockend. Resp. fliegend. f 1 h 30. Wird in den Käfig gelegt. 

11.7.1912. 1300 g. 

11h 05. Liegt benommen auf dem Bauche. 1 1 h 00. Richtet sich auf. Sitzt ruhig. 
11h 30. Hat sich aufgerichtet,hüpft davon. 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt. 

12 h 30. Legt sich auf den Bauch. | 

12. 7. 1912. 1200 g. 

11 h 30—11 h 45. Hüpft munter umher. 

13.7.1912. 1100 g. 

11 h 30. Hat sich gelegt. 1 12 h 00. W T ird in den Käfig gesetzt. 

11 h 50. Richtet sich auf und hüpft umher. | 

16.7.1912. 1100 g. 

Hüpft ganz munter umher. Das Thier ist nicht cingegangen. 

Aethylalkohol, 10 ccm pro Kilo. 

15. 7. 1912. Kaninchen 900 g. 

12 h 25. Erhält 9 cem. 1 h 00. Liegt völlig gelähmt auf der 

12 h 35. Sitzt ruhig. Kopf gestützt. Seite. 

12 h 45. Liegt ganz benommen auf dem 1 h 30. Wird in den Käfig gelegt. 
Bauche. Springt beim Kneifen j 
des Schwanzes auf, fällt aber I 
sofort wieder auf die Seite. j 

16. 7. 1912. Todt vorgefunden. 

Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo. 

15. 7. 1912. Kaninchen 1000 g. 

12 h 00. Erhält 10 ccm. I zes, versucht vergeblich, sich 

12 h 45. Liegt völlig gelähmt auf der Seite. aufzurichten. 

Reagirt auf Kneifen des Schwan- lh 10. Liegt auf der Seite. Resp. 40. 
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. v 


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Alexander Langgaard 


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34 


11 h 15. 

11 h 30. 

12 h 00. 
12 h 15. 


11 h 15. 

11 h 40. 

12 h 00. 


12 h 25. 
12 h 40. 


12 h 30. 
12 h 40. 


Leicht benommen. 
Hat sich gelegt. 
Richtet sich auf. 
Hüpft umher. 


16. 7. 1912. 900 g. 

12 h 30. Sitzt aufrecht. 

1 h 00. Hüpft umher. 

1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt. 


17. 7. 1912. 800 g. 

Sitzt aufrecht. ! 12 h 50. Legt sich auf den Bauch. 

Hüpft umher. j 1 h 00. Hüpft umher. 

Sitzt ruhig, benommen. | 1 h 15. Wird in don Käfig gesetzt. 


18.7.1912. 800 g. 

Ganz mobil, hüpft umher. Das Thier ist nicht eingegangen. 


Aetbylalkohol, 10 ccm pro Kilo. 

4. 7. 1912. Kaninchen 1600 g. 

Erhält 16 ccm. | 12 h 45. Liegt gelähmt auf der Seite. 

Sitzt ruhig, ganz benommen. | 

5. 7. 1912. 1500 g. Todt vorgefunden. 

Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo. 

4. 7. 1912. Kaninchen 1500 g. 

Erhält 15 ccm. I 12h 50. Sitzt ruhig, benommen. Reflex- 

Sitzt benommen. | erregbarkeit gesteigert. 

5. 7. 1912. 1400 g. Todt vorgefunden. 

Mischung aus gleichen Theilen. 


Mischung aus gleichen Theilen Methyl- und Aetbylalkohol, 10 ccm pro Kilo. 

18. 7. 1912. Kaninchen, 850 g. 

12 h 50. Erhält 8,5 ccm. 

1 h 00. Liegt auf dem Bauche. Resp. fliegend. 

1 h 15. Liegt gelähmt auf der Seite. 

19. 7. 1912. 700 g. 

11 h 30. Sitzt ruhig, leicht benommen. | 12 h 15. Sitzt ruhig, ganz benommen. 

11 h 40. Hüpft davon. | 12 h 20. Sucht Stütze an der Wand. 

20. 7. 1912. 650 g. 

11 h 50. Sitzt ruhig aufrecht. | 12 h 10. Hüpft umher. 

22. 7. 1912. 600 g. 

11h 40. Sitzt aufrecht. I 12 h 05. Richtet sich auf und hüpft davon. 

12 h 00. Hat sich auf den Bauch gelegt. | 

23. 7. 1912. 750 g. 

11h 45. Ganz mobil. 1 12 h 15. Richtet sich auf und hüpft umher. 

11h 50. Legt sich plötzlich auf den Bauch. | 

25. 7. 1912. 600 g: 

11 h 30. Hüpft munter umher. | 12 h 30. Hat sich auf den Bauch gelegt. 

26. 7. 1912. 600 g. 

10 h 40. Sitzt hockend. | 10 h 52. Hüpft umher. 

Das Thier ist nicht eingegangen. 


Methylalkohol, acetonfrei, 12 ccm pro Kilo. 

17. 7. 12. Kaninchen. 900 e 


12 h 20. Erhält 10,8 ccm. 

12 h 30. Sitzt ruhig, leicht benommen. 

12 h 40. Hüpft umher. 

12 h 42. Wankt, fällt um. 

12 h 45. Liegt auf dem Bauche. 

12 h 50. Richtet sich auf, hüpft davon, 
wankt, fällt um, richtet sich 
aber gleich wieder auf. 


I 12 h 55. Hüpft davon. 

I 1 h 00. Liegt auf dem Bauche. 

1 h 10. Versucht vergeblich sich aufzu- 
richten. Hinterthcil gelähmt. 

1 h 30. Wird in den Käfig gelegt. 


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Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols. 


35 


18. 7. 191*2. 900 g. 

12 h 00. Leicht benommen. Sitzt ruhig, j 12 h 50. Sitzt ruhig, leicht benommen. 

12 h 40. Hüpft davon. | 12 h 55. Hiipft ganz munter umher. 

19. 7. 1912. 900 g. 

11h 25. Hiipft ganz munter umher. | 12 h 00. Sitzt ruhig, leicht benommen. 

20.7.1912. 800 g. 

11 h 50. Sitz ruhig. | 12 h 15. Hiipft umher. 

22. 7. 1912. 

11h 40. Sitzt ruhig, aufrecht. | 12 h 30. Hat sich aufgerichtet. Sitzt leicht 

llli 47. Legt sich auf den Hauch. j benommen. 

23. 7. 1912. 1000 g. 

11 h 40. Ganz mobil. j 12 h 10. Sitzt ruhig. 

11h 45. Hiipft umher. | 1 h 05. Hüpft umher. 

24. 7. 1912. 900 g. 

11 h 45. Sitzt ruhig. 

Das Thier ist nicht eingegangen. 

Methylalkohol Ursache der Vergiftung, 12 ccm pro Kilo. 

24. 7. 1912. Kaninchen, 900 g. 

10 h 45. Erhält 10,8 ccm. I 11 h 35. Versucht vergeblich sich aufzu¬ 
ll h 20. Liegt gelähmt auf dem Hauche. I richten. 

Starke Dyspnoe. ; 12 h 40. Völlig gelähmt auf dem Bauche. 

11 h 30. Zuckungen. | 

25.7. 1912. Todt aufgefunden. 800 g. 

• 

Methylalkohol, acetonfrei, 14 ccm pro Kilo. 

22. 7. 1912. Kaninchen, 900 g. 

1 h 30. Erhält 12,6 ccm. 

23. 7. 1912. 950 g. Liegt völlig gelähmt auf der Seite. 

11 h 25. Versucht vergeblich sich aufzu- 1 11h 55. Liegt völlig gelähmt auf dem 
richten, schiebt sich nur auf Hauche. 

dem Hauche vorwärts. | 12 h 40. Liegt völlig gelähmt auf der Seite. 

24. 7. 1912. 750 g. Liegt völlig gelähmt auf der Seite. 

25. 7. 1912. 750 g. Völlig gelähmt. 

26.7. 1912. Todt vorgefunden. 

Wie die vorstehenden Protokolle zeigen, ist der Tod eingetreten bei 
3 ccm pro Kilo beim Methylalkohol, acetonfrei, nach 19 Gaben, beim 
Aethylalkohol nach 23 Gaben, beim Methylalkohol Ursache der 
Vergiftung nach 7 Gaben; bei 5 ccm pro Kilo beim Methylalkohol, 
acetonfrei, nach 10 Gaben, beim Aethylalkohol nach 12 Gaben; bei 
6 ccm beim Methylalkohol nach 5 Gaben, beim Aethylalkohol nach 
9 Gaben; bei 8 ccm pro Kilo beim Methyl- und Aethylalkohol gleich¬ 
zeitig nach 3 Gaben. Bei 10 ccm wurden alle 6 Aethylthiere am 
nächsten Tage nach der Eingabe todt vorgefunden, während von den 
Methyhhicren nur ein einziges eingegangen ist. Auch 12 ccm Methyl¬ 
alkohol, acetonfrei, wirkten nicht tödtlich. Erst 14 ccm pro Kilo 
wirkten tödtlich am 4. Tage nach Eingabe. 

Bemerkenswerth ist, dass auch das Thier, welches 10 ccm einer 
Mischung aus gleichen Theilen Aethyl- und Methylalkohol erhalten 
hat, nicht eingegangen ist, ferner die gesteigerte Peristaltik und 

3 • 


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36 Alexander Langgaard, Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols. 

erhöhte Reflexerregbarkeit, dass aber Krämpfe wie nach dem be¬ 
schlagnahmten, nach dem acetonfreien Methylalkohol nicht beobachtet 
wurden. 

Das Resultat der Versuche ist kurz folgendes: 

In kleinen, täglich wiederholten Dosen ist der Methylalkohol 
giftiger als der Aethylalkohol, in einmaligen grossen Dosen ist der 
Aethylalkohol bedeutend giftiger als der Methylalkohol. 

In kleinen wiederholten Dosen gegeben, äussert der Methylalkohol 
eine cumulative Wirkung, die wohl dadurch zu Stande kommt, dass, wie 
dies bereits von anderer Seite (Harnack) ausgesprochen ist, er von ge¬ 
wissen Theilen des Centralnervensystems angezogen und dort langsam zu 
Ameisensäure oxydirt wird. 


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III. 


Aus der medicinischen Universitätsklinik in Greifswald 
(Director: Prof. Dr. Steyrer). 

Ueber den 

Ausgleich des arteriellen und venösen Druckes in aus 
der Blutbahn ausgeschalteten Theilen des Gefässsystems. 

Von 

Dr. Frank. 

(Mit 1 Curre im Text.) 


Die Frage, ob in dem aus dem Blutkreislauf ausgeschalteten Theile 
einer Extremität ein vollständiger Ausgleich des Druckes im arteriellen 
und venösen Systeme stattfindet, ist wegen der Art der Versuchsanordnung, 
wie sic zur Bestimmung des Hcrzschlagvoluraens öfter angewendet wurde, 
verschiedentlich behandelt worden. 

Wenn auch das Eintreten eines Druckausgleiches auf Grund der vor¬ 
liegenden anatomischen Verhältnisse sehr wahrscheinlich erschien, so 
waren doch experimentelle Studien am Menschen hierüber noch nicht ge¬ 
macht worden. Vielleicht, weil bei oberflächlicher Betrachtung der Versuch 
eines Nachweises schwer zu überwindende technische Schwierigkeiten 
vortäuschte. 

Normaler Weise überschreitet der Druck in den Venen des Armes 
den Werth von 100—150 mm H 2 0 kaum; da nun der Druck in der 
Arteria brachialis in der Diastole, denn nur mit diesem müssen wir ja 
im vorliegenden Falle wegen der Ausschaltung des systolischen Druckes 
rechnen, durchschnittlich 70—90 mm Hg beträgt, so wird man natürlich 
bei einem Ausgleich des Druckes Werthe im Venensystem zu erwarten 
haben, wie sie sich auch in pathologischen Fällen während der unbe¬ 
hinderten Circulation nie finden. 

Die Entscheidung der angeregten Frage ist nun auf Grund folgender 
Versuchsanordnung leicht zu treffen. 

Man legt um den Oberarm eine Rccklinghausen’sche Manschette, 
die unter Zwischenschaltung eines Druckreducirventiles sowohl mit einer 
Marey’schen Trommel, als auch in directer Verbindung mit einem Queck¬ 
silbermanometer steht. Zur graphischen Registrirung des Druckes be¬ 
findet sich auf dem Quecksilbermanometer ein Schwimmer, der in *der 
von Uskoff bei seinem Apparat zur unblutigen Blutdruckmessung an¬ 
gegebenen Weise die Aufzeichnung des in der Manschette herrschenden 
Druckes vornimmt. Um den Unterarm wird nun eine zweite Binde an¬ 
gelegt und diese soweit aufgeblasen, dass sie sich dem Unterarm genau 


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Frank, 


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anscbraiegt ohne einen stärkeren Druck auf diesen auszuüben. Auch 
diese Manschette wird unter Zwischenschaltung eines Druckreducirventiles 
mit einer zweiten Marey’schen Trommel verbunden. 

Die Aufzeichnungen der Schreibhebel finden auf einem berussten 
(Curven-) Papierstreifen statt, der durch ein Uhrwerk gleichmässig vor¬ 
wärts bewegt wird, wie dies aus der unten abgebildeten Curve ersicht¬ 
lich ist. 

Steigert man jetzt den Druck in der oberen Manschette bis über 
den maximalen Druck in der Arteria brachialis und zwar so schnell, 
dass vom Beginn der Compression der Venen und damit der Behinderung 
des Rückflusses des Blutes aus dem Unterarm, keine oder nur eine bis 
zwei Systolen ihr gefördertes Blutquantum in den Unterarm gelangen 
lassen können, und lässt den Druck dann langsam unter Registrirung 
der vorliegenden Druckverhältnisse wieder absinken, so gehen jetzt 
folgende Veränderungen vor sich. Sobald der Druck in der oberen Binde 
unter den systolischen Druckwerth der Arteria brachialis heruntergegangen 
ist, wird mit jeder Systole eine bestimmte Menge Blut in den Unterarm 
hineingeworfen, die bei den ersten durchschlagenden Pulswellen nur klein 
ist, dann aber an Grösse zunimmt. Da nun zuerst aus dem Unterarm 
ein Abfliessen der darin enthaltenen Blutmenge nicht möglich ist, nimmt 
dieser an Volumen zu. Die in der unteren Manschette enthaltene Luft 
erfährt nun, da der innere Gummimantel der Manschette dem Unterarm 
fest anliegt, eine Compression, die sich auf das Druckreducirventil über¬ 
trägt und von da zur Marey’schen Trommel weitergegeben wird. Der 
Schreiber derselben registrirt in Folge dessen eine ansteigende Volumcn- 
curve des Unterarmes. Mit dem wachsenden Volumen nimmt natürlich 
auch der Druck in den Gefässen zu, und es kommt jetzt darauf an, den 
Druck zu ermitteln, der im Venensystem herrscht und der bei einem 
Ausgleich der arteriellen und venösen Druckverhältnisse selbstverständlich 
ein ausserordentlich hoher sein muss. Diesen Druck erfahren wir nun 
auch, wenn wir die Volumencurve, die von der unteren Manschette ge¬ 
schrieben wird, verfolgen. Es zeigt sich nämlich dass die aufsteigende 
Curve, nachdem sie während einer kurzen Zeit horizontal verlaufen, also 
mit anderen Worten, das Volumen des Armes gleich geblieben ist, sich 
nach abwärts wendet und damit eine Volumenabnahme des von der 
freien Circulation abgesperrten Armtheiles anzeigt. Die Voluraabnahme 
des Armes ist aber dadurch bedingt, dass jetzt wieder Blut aus diesem 
in den allgemeinen Kreislauf zurückzufliessen vermag. Da das Blut durch 
die Venen allein den abgeschnürten Theil des Armes verlassen kann, 
muss in diesem Moment also der Venendruck den in der Oberarmman¬ 
schette herrschenden Druck übersteigen. Aus den vergleichenden 
Messungen der blutigen und unblutigen Methoden wissen wir aber, dass 
wir keine zu grossen Fehler begehen, wenn wir den Manschettendruck, 
bei dem zum ersten Male Blut unter der Manschette hindurchdringt, 
gleichsetzcn dem Drucke, der in dem zu messenden Gefässe besteht. Wir 
können also auch in diesem Falle den Venendruck dem Manschetten¬ 
drucke gleichsetzen, bei dem eine Volumenabnahme des Armtheiles unter¬ 
halb der oberen Manschette erfolgt. 


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Es. bändelt sich hier um eine Patientift, dift an interstitieller Nephritis 
leidet. Der systolische Druck 'beträgt IU2 mm Hg, der diastolische 
1 20 mm. 

Die obere ansteigende Curre zeigt die Volumenzunahnie des Dnter- 
arraes an. Die Yolumcuabttahme und damit das Atisflüssntveau, zugleich 
der Ürtiek. im Vonensystöm liegt bei 104 min Hg. . 

Die Schlussfofgeriingon, die man 1 .bei' der angeführten Versuchsan- 
ordnurig auf das mit jeder Systole geforderte Rlutquanturö, auf die Arbeit 
des Herzens und auf die an den Gdessen bestehenden Verhältnisse machen 
kann, sollen in einer ausführlicheren Arbeit abgchafttlolb werden. 






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IV. 

Aus der medicinischen Poliklinik in Freiburg i. B. 

Ueber den Wirkungsmechanismus des Arsenik 
bei Anämien. 

Von 

Dr. S. Saneyoshl (Tokio). 

Die Frage, wie der Arsenik bei Anämien wirkt, ist in letzter Zeit 
mehrfach und eingehend discutirt worden. Die meisten Aerzte werden 
wohl zugeben, dass dieses Metall in vielen Fällen schwerer Anämie, be¬ 
sonders bei den perniciösen Formen, eine Wirkung entfaltet, wie kein 
anderes Medicament.. Bei dem ungemein wechselnden Verlaufe dieser 
Krankheitszustände aber ist es natürlich schwer, diese Ansicht sicher zu 
beweisen. Immerhin dürfte es doch sehr naheliegend sein, die jetzt so 
häufigen Remissionen bei Biermer’scher Anämie zum Theil mit der wohl 
allgemein geübten Arsenbehandlung in Zusammenhang zu bringen. Man 
wird hierzu um so eher geneigt sein, als man diesen remittirenden Ver¬ 
lauf vor Einführung der Arsentherapie durch Byrom Bramwell 1 ) nicht 
kannte oder doch wenigstens nur selten beobachtet hatte. 

Die herrschende Anschauung über die Wirkung des Arsenik ist fol¬ 
gende: Der Arsenik wirkt nicht direct anregend auf die Blutbildung. 
Sein Angriffspunkt ist nicht in erster Linie das Knochenmark selbst, 
seine Wirkung ist vielmehr auf einen complicirteren Mechanismus be¬ 
gründet. Arsenik ist ein Blutgift. Er bewirkt einen Untergang rolher 
Blutscheiben in der Peripherie. Und wie jeder Untergang von Blut von 
vermehrter Blutbildung gefolgt ist, so soll es auch hier geschehen. Die 
beschleunigte Blutbildung wäre also nichts Anderes, als eine Folge 
der blutzerstörenden Wirkung des Arsenik. Principicll hätte man also 
die anregende Wirkung dieses Metalls auf das Knochenmark in ähnlicher 
Weise zu deuten, wie die einer mässigen Blutentziehung oder noch besser 
die hämolytischer Sera. Versuche mit solchen Seris sind ja in den letzten 
Jahren in Frankreich mehrfach, aber anscheinend ohne grossen Erfolg 
zur Behandlung der Biermer’schen 2 ) Anämie gemacht worden. 

Gegründet ist die eben skizzirte Anschauung von der Wirkung des 
Arsenik, besonders auf zwei experimentelle Arbeiten. Die erste stammt 
von Bettmann 3 ). Bettmann rief bei Kaninchen eine subacute Arsen- 


1) Bramwell, cit. nach Naegeli, Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. 2.Aufl. 
1912. S. 442. 

2) z. B. Vaquez, Les etats anämiques. Arch. g6n. de m4d. Avril 1905. 

3) Bettniann, Ziegler’s Beiträge zur pathol. Anatomie. 1898. Bd. 23. 


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Ueber den Wirkungsmechanismas des Arsenik bei Anämien. 


41 


Vergiftung hervor, indem er ihnen täglich etwa 0,002 bis 0,01 Acidum 
arsenicosum injicirte. Hierbei findet eine Abnahme der Zahl rother Blut¬ 
scheiben und des Häraoglobingehaltes statt. Es treten ferner kernhaltige 
Erythrocyten im circulirenden Blute auf. Endlich wird auch die osmo¬ 
tische Resistenz der rothen und weissen Blutzellen vermindert. Bett¬ 
mann fand im unmittelbaren Anschluss an die Arseninjection oft eine 
vorübergehende Steigerung der Erythrocytenzahl und ein Sinken ihrer 
Resistenz, während einzelne Erythrocyten abnorm hohe Resistenzgrade 
jiufwiesen. Diese auffälligen Schwankungen sowohl, wie auch das Auf¬ 
treten von Erythroblasten lassen sich am ungezwungensten durch be¬ 
schleunigten Uebertritt junger Zellen aus den blutbildenden Organen in 
die Circulation erklären. Jede neue Arseninjection schädigt die Wider¬ 
standsfähigkeit der kreisenden Blutscheiben und bringt sie zum Zerfall. 
Sobald dieser die Neubildung überwiegt, entsteht die Arsenanämie. 

Auch durch histologische Befunde stützt Bettmann seine Anschauung. 
Im Knochenmark arsenvergifteter Kaninchen findet sich, besonders wenn 
man die Versuche mit kleineren Giftraengen (0,006 g Acid. arsenic. pro 
die) berücksichtigt, eine Hyperämie; die Zahl der Erythroblasten ist, 
namentlich in den inneren Partien des Markes, deutlich vermehrt. Daneben 
treten aber auch Degenerationserscheinungen hervor, die um so ausge¬ 
prägter sind, je höher die Arsendosen waren, mit denen das Thier ver¬ 
giftet wurde. Aber auch in den Versuchen mit grossen Giftdosen lässt 
sich eine Erythroblastenvermehrung im Knochenmark nachweisen. 

Bettmann deutet diese Befunde durch Annahme eines peripher ge¬ 
steigerten Blutzerfalls durch Arsenik. Die Knochenmarkveränderungen 
sind regenerative Reactionserscheinungen, soweit es sich dort nicht um 
echte Degenerationsprocesse durch grosso Arsendosen handelt. 

Aehnliche Anschauungen vertreten auch Kuhn und Aldenhowen 1 ) 
in einer experimentellen Arbeit aus neuerer Zeit. Sie experiracntirten an 
Meerschweinchen. Fast jedesmal nach einer Injection von Atoxyl trat 
zunächst eine Verminderung der rothen Blutkörperchen ein, die in einiger 
Zeit verschwand. Auffallenderweise erreichte die Abnahme der Erythro¬ 
cytenzahl viel höhere Grade und blieb viel längere Zeit bestehen, wenn 
man die Thiere Sauerstoff athmen liess. Es bleiben bei Sauerstoffathmung 
nach Ansicht von Kuhn und Aldenhowen die Regenerationserschei¬ 
nungen aus oder treten doch erst später ein. Diese Beobachtungen er¬ 
klären sich am besten, wenn man Folgendes annimrat: Jede Arseninjec¬ 
tion ruft einen Zerfall circulirender rother Blutscheiben und damit einen 
Sauerstoffmangel hervor. Sauerstoffmangel wirkt, wie man das ja auch 
schon aus anderen Befunden ableiten kann, als Reiz auf die blutbildenden 
Organe. Reichliche Sauerstoffzufuhr hemmt daher die reactivc Neubildung, 
und die Arsenanämie kommt klarer zum Vorschein. Mithin wäre also 
hiernach die Arsenwirkung gar nichts Besonderes oder Specifisches, son¬ 
dern nur ein Specialfall des allgemeinen Gesetzes: Sauerstoffmangel, wie 
er auch hervorgerufen werden mag, ist ein gewaltiger Reiz, der die Neu¬ 
bildungsvorgänge im Knochenmark unterstützt. 


1) Kuhn and Aldenhowen, Deutsche med. Wochenschr. 1909. No. 45. 


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S. Saneyoshi, 


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Diese Erklärung hat gewiss manches Bestechende. Doch lassen sich 
immerhin einige theoretische Bedenken nicht unterdrücken, die besonders 
von Türk 1 ) jüngst hervorgehoben wurden. Gewiss kann wohl kein 
Zweifel darüber obw r alten, dass ein Zerfall von Blutzellen im Organismus 
unter Umständen die Neubildung von Erythrocyten zu begünstigen ver¬ 
mag. Das ergiebt sich aus den experimentellen Untersuchungen von 
Itami 2 ) und Ritz 3 ). Die Regenerationsperiode ist besonders kurz bei 
hämolytischen Anämien, bei denen also rothe Blutzellen im Organismus 
selbst zu Grunde gehen, erheblich länger bei Anämien durch Aderlässe. 
Aber auch dort gelingt es, die Blutbildung zu beschleunigen, wenn gleich¬ 
zeitig Hämoglobin oder Zerfallsproducte rother Blutzellen dem Versuchs¬ 
thier intraperitoneal beigebracht werden. Das geht auch aus neueren 
Beobachtungen von Hjess und Saxl 4 ) hervor. 

Es mag zugegeben werden, dass Sauerstoffmangel ein blutbildender 
Reiz ist, wenngleich ich diese Frage noch keineswegs als gelöst ansehen 
möchte. Manche Erfahrungen der neueren Zeit über Höhenpolyglobulie, 
die Krankheit Erythrämie u. s. w. mahnen dazu, mit dem Begriff des 
Sauerstoffmangels nicht zu viel zu operiren. Immerhin liegt nichts vor, 
was die Bedeutung des Sauerstoffmangels ausschliesst. 

Selbst wenn man aber Alles das zugiebt, kann man einige Bedenken 
nicht verhehlen. Zunächst kann der Sauerstoffmangel, den man durch 
Arsen hervorruft, wohl nur sehr gering sein; denn es zerfällt doch nur 
ein geringer Theil der circulirenden ßlutzellcn nach jeder Injcction. Das 
Knochenmark müsste also in ungemein feiner Weise auf jene Aenderungen 
reagiren. Das wird ja in der That auch von manchen Seiten an¬ 
genommen. Indessen sprechen dagegen doch einige experimentelle Be¬ 
funde von Reuseh 5 ). Derselbe schnürte bei Kaninchen ca. 2 Wochen 
lang täglich 1 Stunde die eine Hinterextremität ab und verglich später 
das Knochenmark von Femur und Tibia beider Extremitäten. Irgend¬ 
welche deutlichen Unterschiede waren nicht erkennbar. Mithin hatte die 
so häufig wiederholte Unterbrechung der Circulation und der mit ihr 
verbundene Sauerstoffmangel die Proliferation der Erythroblasten nicht 
begünstigt. Ebenso wenig gelang es Reu sch durch Unterbinden der 
Leberarterie extramedulläre Blutbildungsherde in der Leber hervorzurufen. 
Man kann gewiss zugeben, dass diese Versuche nichts Sicheres gegen 
die Bedeutung des Sauerstoffmangels beweisen. Immerhin sind sie der 
Beachtung werth. 

Zwingender scheinen mir aber die Darlegungen Türk’s gegen die 
von Bettmann sowie Kuhn und Aldenhowen verfochtene Theorie der 
Arsenwirkung zu sprechen: Bei der Biermergehen Anämie gehen stets 
grosse Mengen rother Blutscheiben zu Grunde, und es besteht stets eine 
starke, oft geradezu extreme Verminderung der Sauerstoffträger im 
strömenden Blute. Ebenso ist das Material zur Neubildung von Erythro- 

1) Türk, Klinische Hämatologie. 1912. Bd. 2. H. 2. 

2) Itami, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. G2. 

,')) Kitz, Folia haematol. Bd. 8. S. 186. 

4) Hess und Saxl, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1912. Bd. 107. 

5) Reusch, Sauerstoffmangel und Blutbildung. Inaug.-Diss. Freiburg 1911. 


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lieber den Wirkungsmechanismus des Arsenik bei Anämien. 


43 


cyten stets im Ueberschuss vorhanden. Man denke nur an die Hämo- 
siderose der parenchymatösen Organe der Bauchhöhle! Trotzdem ist 
allem Anscheine nach Arsenik auch in solchen Fällen oft von Nutzen. 
Man kann sich nun aber ohne Zwang sehr schwer denken, dass ein 
weiterer, durch die Arsengaben ausgelöster hämolytischer Zerfall der 
circulirenden Blutscheiben die günstige Wirkung entfaltet; denn jene 
gehen ja auch schon ohne Arseninjection in Masse zu Grunde. Eher 
wäre an eine directe Wirkung auf das Knochenmark zu denken, wie das 
auch den Anschauungen von Gottlieb und Meyer 1 ) und Heinz 2 ) ent¬ 
spricht. 

Gegen die scheinbar recht beweisenden Sauerstoffinhalationsversuche 
von Kuhn lässt sich ebenfalls ein Einwand erheben: es sprechen viele 
Befunde dafür, dass eine veränderte Atheramechanik die Verkeilung der 
Blutscheiben zu ändern vermag. Es sei hier an die Versuche von Bence y ) 
erinnert. Bence beobachtete ein Absinken der Erythrocytenzahl bei 
Kranken mit Erythraemia rubra nach Inhalation von Sauerstoff. Er er¬ 
klärte diese Erscheinung durch die Annahme, bei diesen Kranken be¬ 
stände in Folge Abartung des Hämoglobins Sauerstoffmangel. Die Ver¬ 
mehrung der Erythrocyten sei die Abwehrreaction auf diesen Reiz. 
Sorgt man für reichliche Sauerstoffzufuhr, so bedarf der Organismus 
nicht mehr einer so grossen Blutkörperzahl, er kann sein Saucrstoff- 
bedürfniss decken. Als Folge stellt sich eine Abnahme der Erythrocyten¬ 
zahl ein. 

Nun weiss man aber durch neuere Untersuchungen 4 ), dass das 
Hämoglobin der Kranken mit Erythrämie gar nicht minderwerthig oder 
in seiner Aufnahmefähigkeit für Sauerstoff geschädigt ist. Es besteht 
bei jenen Kranken also wahrscheinlich überhaupt gar kein Sauerstoff¬ 
mangel, und er wäre gezwungen, die Vermehrung der rothen Blutscheiben 
als Abwehrreaction zu deuten. Offenbar haben hier die SauerstolT- 
inhalationen nur die Vertheilung der rothen Zellen im Blutstrom geändert, 
und es liegt nicht fern, Aehnliches auch für die Versuche Kuhn’s an¬ 
zunehmen. 

Auch experimentelle Beobachtungen von Stockman und Chartcris 5 ) 
decken sich nicht ganz mit den Befunden Bettraann’s. Diese Autoren 
sahen nach kleinen, häufig wiederholten Arseninjectionen im Knochen¬ 
mark keine deutliche Vermehrung der Erythroblasten, während die 
myeloischen Elemente vermehrt erschienen. Eine Zunahme des Hämo¬ 
globingehaltes oder der Erythrocyten des strömenden Blutes trat nie 
deutlich hervor. Grosse Arsengaben riefen Degenerationsstörungen in den 
blutbildenden Organen hervor. Es trat peripher die schon von Bett¬ 
mann beobachtete Arsenanämie auf. Auf die Art der Arsenwirkung 
lassen diese Beobachtungen keinen sicheren Schluss zu. Auch die Beob- 

1) Gottlieb und Meyer, Experim. Pharm. 1911. 2. Aufl. 

2) Heinz, Experim. Path. u. Pharm. Bd. 1. S. 442. 

3) Bence, Deutsche med.Wochenschr. 1906. S. 1451. 

4) z. B. Morawitz und Ilöhmer, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1908. Bd. 94. 
— Senator, Monographie. Hirschwald, Berlin 1911. 

5) Stockman and Charteris, Journ. of Path. and Bacteriol. 1903. p. 443. 


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S. Saneyoshi, 


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achtungen von Stockraan und Greig 1 ) mit kleinen Arsendosen, die 
den therapeutischen entsprechen, sind nicht ganz eindeutig. Bei Kaninchen 
ändert sich während der Behandlung Erythrocytenzahl und Hämoglobin- 
gehalt des Blutes nicht wesentlich. Dagegen beobachteten die Autoren 
eine gewisse Hyperämie des Knochenmarkes, die vielleicht für eine Reiz¬ 
wirkung sprechen könnte. Doch kann dieser Befund natürlich keinen 
sicheren Aufschluss über die Art der Arsenwirkung geben. 

Es erscheint hiernach erwünscht, die Frage des Mechanismus der 
Arsenwirkung einer neuen experimentellen Bearbeitung zu unterziehen. 

Die Versuche, über die im Folgenden berichtet werden soll, sind 
zur Prüfung der von Bettmann und Kuhn aufgestellten Hypothese an¬ 
gestellt. Wenn es richtig ist, dass Arsenik rothe Blutzellen zerstört, so 
kann man nicht mit Sicherheit bei mit Arsen behandelten Thieren eine 
Aenderung der Blutkörperchenzahlen im strömenden Blute erwarten. Je 
nachdem, ob der Untergang oder die Neubildung überwiegt, wird man 
bald eine Abnahme, bald eine Zunahme erhalten können. Wenn endlich 
die Neubildung dem Zerfall entspricht, bleibt die Zahl gleich. Auf dem 
Wege der Zählung ist also schwerlich etwas Bestimmtes zu erfahren. 
Wohl aber wird eine andere Aenderung nachweisbar sein müssen, wenn 
jene Anschauung zu Recht besteht: Das Leben der einzelnen Blutscheiben 
ist unter Arsenwirkung verkürzt, alle Vorgänge, die mit Neubildung und 
Zerfall Zusammenhängen, laufen schneller ab, als in der Norm. Obwohl 
also die Zahl der Blutscheiben gleich bleiben kann, ist sie unter Arsen¬ 
einwirkung doch die Resultante zweier quantitativ erheblich über das 
normale Maass hinaus gesteigerter Vorgänge. Quincke 2 ) schätzt die 
Lebensdauer eines Erythrocyten unter normalen Verhältnissen auf vier 
Wochen. Der einzige Anhaltspunkt für die Beurtheilung giebt allerdings 
die Menge des gebildeten Gallenfarbstoffs. Unter Arseneinwirkung müsste 
sich die Lebensdauer verkürzen. Hat man nun irgend eine Möglichkeit 
den beschleunigten Bluturasatz sicher zu erkennen? 

Dafür besitzen wir in der That mehrere Anhaltspunkte: Der erste 
wäre eine genaue morphologische Untersuchung des Blutes. Die An¬ 
wesenheit kernhaltiger oder polychromatischer Erythrocyten wäre für eine 
beschleunigte Blutbildung zu verwerthen. Schon die früheren Untersucher 
haben in den oben citirten Arbeiten auf das morphologische Blutbild ge¬ 
achtet, ohne freilich zu ganz sicheren Resultaten kommen zu können. 
Nun besitzen wir aber seit den Untersuchungen von Morawitz u. Pratt, 
Warburg, Itami 3 ) il A. eine andere Methode, die es mit noch grösserer 
Sicherheit gestattet, eine beschleunigte Blutbildung zu erkennen. Das ist 
die Methode der Sauerstoffzehrung. Wie die oben erwähnten Autoren 
gezeigt haben, athmen die Erythrocyten des circulirenden Blutes unter 
normalen Verhältnissen nicht oder doch nicht erheblich. Stellt man daher 
normales Blut unter aseptischen Cautelen unter Luftabschluss in den 
Brutschrank, so ändert es im Verlaufe vieler Stunden seine Farbe nicht. 

1) Stockman and Greig, Journ. of Physiol. Bd. 23. 

2) Quincke, Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 20, 25 u. 27. 

3) Vergl. Morawitz u. Itami, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 1910. Bd. 100. 


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Ueber den Wirkungsmecbanismus des Arsenik bei Anämien. 


45 


Wenn man es dann gasanalytisch untersucht, so ergiebt sich, dass nur 
ein sehr geringer Antheil des an Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs 
während mehrerer Stunden im Brutschränke verschwunden ist. Man ist 
berechtigt, diese schon im normalen Blute beobachtete, aber quantitativ 
nur sehr geringfügige Sauerstoffzehrung in der Hauptsache auf den Stoff¬ 
wechsel der Leukocyten zu beziehen. Ganz anders liegen die Dinge bei 
Anämien. Dort kann in relativ kurzer Zeit der Haupttheil oder sogar 
der gesammte Sauerstoff verschwinden. Das Blut ist dann völlig redu- 
cirt, es erscheint dunkel. Statt des Sauerstoffes findet man eine dem 
etwa entsprechende Menge Kohlensäure. Durch verschiedenartig variirte 
Versuche konnte sicher festgestellt werden, dass diese Athmung des Blutes 
Ausdruck ist des Gaswechsels junger Erythrocyten. Wir haben also in 
der Methode der Sauerstoffzehrung ein Verfahren vor uns, das uns ge¬ 
stattet, die Anwesenheit junger, aber schon kernloser Erythrocyten im 
Blute zu erkennen. Damit gewinnen wir einen Anhaltspunkt zur Beur¬ 
teilung der Intensität regenerativer Vorgänge. Es hat sich dabei gezeigt, 
dass die Methode der Sauerstoffzehrung uns bisweilen noch gestattet, ge¬ 
steigerte Regenerationsvorgänge zu erkennen, wenn alle morphologischen 
Kriterien versagen, wenn also weder kernhaltige, noch auch polychroma¬ 
tische Erythrocyten im Blute zu finden sind. Masing 1 ) hat aber gezeigt, 
dass in diesem stark athmenden Blute Anämischer der organisch ge¬ 
bundene Phosphor vermehrt ist. Wahrscheinlich hat man darin einen 
Ausdruck der Anwesenheit der Reste von Kernsubstanzen zu sehen, die 
allerdings morphologisch nicht mehr wahrnehmbar sind. 

Wenn Arsenik also wirklich einen beschleunigten Ablauf der Rcgene- 
rations- und Degenerationsvorgänge im Blute veranlasst, bei dem unbe¬ 
dingt mehr junge Erythrocyten kreisen, als im normalen Blute, so ist zu 
erwarten, dass man ihn mit der Methode der Sauerstoffzehrung wird auf¬ 
decken können. Man muss dann unter dem Einflüsse der Arsenwirkung 
eine Zunahme der Sauerstoffzehrung erwarten. 

Die dritte Möglichkeit, Einblicke in den Stoffwechsel des Blutes zu 
erhalten, bietet, wie schon Quincke 2 ) zeigte, und wie später Hunter 3 ) 
und viele Andere bestätigten, die Bestimmung des Eisengehaltes in Leber 
und Milz. Jeder Blutzerfall im Organismus führt, wenn er höhere Grade 
erreicht, zur Häraosiderosis dieser Organe. Fehlt die Vermehrung des 
Eisengehaltes, so wird man einen beschleunigten Blutzerfall als sehr 
zweifelhaft ansehen müssen. 

Ich habe, von diesen Ueberlegungen ausgehend, bei Hunden, die 
unter Arsenwirkung gesetzt wurden, Folgendes untersucht: 

1. Die morphologische Zusammensetzung ihres Blutes. 

2. Die Sauerstoffzehrung des Blutes vor, während und nach der 
Arsenwirkung. 

3. Den Eisengehalt der Milz und Leber von Hunden, die unter Ar¬ 
senwirkung gestanden hatten. Mit den nöthigen Controlunter¬ 
suchungen an normalen Hunden. 

1) Masing, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. GG. S. 71. 

2) Quincke, 1. c. 

3) Hunter, Severest anaemias. Vol. I. London 1900. 


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S. Saneyoshi 


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Die Versuche wurden ausschliesslich an Hunden ausgeführt. Es 
geschah das aus folgenden) Grunde: Zur Untersuchung der Sauerstoff¬ 
zehrung braucht man rund 10 ccm Blut. Da diese Untersuchungen, wie 
die Tabellen zeigen, alle 3—5 Tage ausgeführt wurden, war der Blut¬ 
verlust der Thiere recht erheblich. Nun hat aber Itarai 1 ) nachgewiesen, 
dass schon relativ kleine Blutverluste bei Kaninchen die Sauerstoffzehrung 
des Blutes bedeutend steigern. Um diese Fehlermöglichkeit auszuschalten, 
habe ich möglichst grosse Hunde gewählt. Indessen ist es mir auch auf 
diese Weise nicht völlig gelungen, die Wirkung der kleinen, aber häufig 
wiederholten Aderlässe ganz auszuschaltcn, wie später gezeigt werden soll. 

Die Versuchsanordnung war folgende: Die Hunde A (17kg schwer) und B (27kg) 
erhielten, nachdem ein genauer Blutstatus erhoben worden war, während 4—GWochen 
subcutan steigende Dosen einer 1 proc. wässerigen Lösung von Acidum arsenicosum. 
Der Blutstatus erstreckte sich auf den Hämoglobingehalt, die Zählung der rothen Blut¬ 
scheiben und auf mikroskopische Untersuchung einiger nach Lei sh man gefärbter 
Präparate. Der Hämoglobingehalt wurde nach Sahli bestimmt, und zwar stets mit 
demselben Hämoglobinometer. Ferner erstreckte sich die Blutuntersuchung auch noch 
auf die Bestimmung der Sauerstoffzehrung, die genau nach dem von Morawitz u. 
Itami ausführlich beschriebenen Verfahren ermittelt wurde. Es kann darauf ver¬ 
wiesen werden. Hier mag nur bemerkt sein, dass jeder für den Sauerstoff ermittelten 
Zahl eine Doppelbestimmung zu Grunde liegt. Durchweg kam die Haldane-Bar- 
croft’scbe Ferricyanidmethode zur Anwendung. 

Ueber die Grösse der Arsengaben unterrichten die beiden Tabellen. Hier mag 
nur bemerkt werden, dass im Laufe des Versuches trotz strengster Asepsis doch bei 
beiden Hunden wiederholt Infiltrate an den Injectionsstellen auftraten, die zuletzt 
sogar zur Bildung kleiner Abscesse führten. Diese Abscesse heilten erst nach Aus¬ 
setzen der Arseninjoctionen. Es erscheint auffallend, dass die Infiltrate und Abscesse 
nur gegen Ende des Versuches bei hohen Arsendosen beobachtet wurden, obwohl ich 
gerade mit Auftreten der Infiltrate die Asepsis viel sorgfältiger w-ahrnabm, als im 
Anfang der Versuche. Die Heilung der Geschwüre nach Aussetzen der Arseninjectionen 
ging auch ungemein schnell von Statten, während sie vorher sich als recht torpid er¬ 
wiesen hatten. Es ist nun recht wahrscheinlich, dass die chronische Arsenintoxication 
für das Auftreten und Persistiren dieser Infiltrationen und Ulcerationcn bedeutungs¬ 
voll w r ar, und dass bakterielle Infection dabei keino Rolle spielte. 

Mit Steigerung der Arsendosen verloren die Hunde ein wenig ihren Appetit, 
nahmen an Gewicht ab und wmrden weniger munter. Alle Erscheinungen ver¬ 
schwanden schnell mit Aussetzen des Arsenik. 

.Jeden 3. Tag wurde den Hunden je etwa 10 ccm Blut durch Punction der Vena 
jugularis entnommen, und in der oben beschriebenen Weise untersucht. 

Die Tabellen I und II unterrichten über den Ablauf dieser Versuche. 

Die Deutung der beiden Tabellen bietet einige Schwierigkeiten. 
Zunächst geht klar aus ihnen die Thatsache hervor, die schon durch 
Bettmann und andere Untersucher festgestellt worden war: hohe Arsen¬ 
dosen rufen eine Anämie hervor, die Arsenanämic. Diese ist besonders 
bei Hund A ausgesprochen. Die Zahl der Erythrocyten sank von rund 9 
auf etwa l l / 2 Millionen gegen Ende des Versuches. In noch höherem 
Grade nahm der Hämoglobingehalt ab. Er sank von rund 86 auf 
etwa 65. Eine Erhöhung des Färbeindex der Erythrocythen, der sonst 

1) Itami, Arcli. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. 62. 


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lieber den Wiiliiitigsineobanismus <1<?s Arsenik bei A'läW'fn- 


47 


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de«tlic.hen Artkroie verstärkt .sföh aii«h die dauernöff/ki)rillte AVithfenil 
«i« vor . Beginn* des Versucht» iiur tilttd 10. f<Ql. de* S.tsn:t '.t ufTir'-ho I i *•-. 
t-"-.Tgt, steift sic jgogßn Ende mehrte i-, ««jf.ntchr nh, das Hipjmlte dieses 
Werlhcs. JAas ist. ein .sicheres /eieiink (er eine »icsehlehHiiile -BlutlOiihiu*:; 
denn die Leoknovlose, die mehrten jrn- Sehtv.’Dikuneon tefileiict, kann, 
Wie vtellachc frühere AeCrsuehe OFgeheK, jynvt; isiärken ’ ÄehWatiktnigtiii des 
SaiiersirilTverbrauchesi ftiidit erklären Es liegt eine At Innung juVßet 
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48 


S. Saneyoshi 


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Erscheinungen einer quantitativ nicht sehr erheblichen Polychromasie, 
Erythroblasten wurden niemals gefunden. 

Principiell ähnlich, wenn auch weniger ausgeprägt, sind die Ver¬ 
änderungen bei Hund B, der etwa die gleichen Arsendosen erhielt, aber 
wesentlich schwerer war. Auch hier sehen wir unter dem Einflüsse 
hoher Arsengaben eine mässige Anämie entstehen. Eine eindeutige 
Aenderung des Färbeindex lässt sich nicht feststellen. Er bleibt un¬ 
gefähr normal. Die Sauerstoffzehrung steigt auch hier, wenn auch nur 
in geringem Grade. Morphologisch fand sich hier eine mässige Poly¬ 
chromasie und, in den späteren Stadien des Versuches, vereinzelte Erythro¬ 
blasten. 

Hiernach darf es wohl in Ucbereinstimmung mit älteren Beob¬ 
achtungen als sichergestellt angesehen werden, dass Arsen in grossen, 
toxischen Gaben eine Anämie hervorruft. Die Anämie entsteht nicht 
durch verminderte Knochenmarksthätigkeit. Im Gegentheil! Es treten 
ziemlich lebhafte Regenerationserscheinungen hervor. In unseren beiden 
Fällen machen diese sich zum Theil schon morphologisch bemerkbar. 
Bei Hund B waren gegen Ende des Versuches stets spärliche Erythro¬ 
blasten, meist auch polychromatische Erythrocyten zu finden. Letztere 
fanden sich auch bei Hund A. Wenn man auch, besonders bei Hunden 
mit der Bewerthung dieser Zeichen einer beschleunigten Blutbildung, be¬ 
sonders mit der Polychromasie, recht vorsichtig sein soll, so kann man 
sie hier um so unbedenklicher in diesem Sinne verwenden, als uns die 
Sauerstoffzehrung den sicheren Beweis liefert, dass im Blute in der That 
mehr junge Erythrocyten kreisen, als unter normalen Verhältnissen. Die 
Arsenanämie bei hohen, toxischen Arsendosen geht also sicher 
mit ziemlich lebhaften RegencrationsVorgängen einher. Sie ist 
wohl als eine hämolytische Anämie zu deuten. Allerdings fehlte 
in beiden Versuchen das Characteristicura der hämolytischen Anämie, eine 
Erhöhung des Färbeindex. Bei B blieb der Index ungefähr gleich, bei A 
war er sogar etwas herabgesetzt. Indessen glaube ich nicht, dass diese 
Erscheinung an dem Gesammturtheil irgend etwas zu ändern vermag. 

Soweit würden also meine Beobachtungen recht gut zu der von 
Bettmann und Kuhn vertretenen Theorie der Arsenwirkung stimmen. 
Aber es ist doch ein weiter Schritt von der Uebertragung der mit toxischen 
Arsengaben gewonnenen Befunde auf Beobachtungen am Menschen, die 
unter therapeutischen Arsengaben standen. Uns interessirt hier nicht 
in erster Reihe, ob hohe Arsengaben eine Anämie hervorrufen können, 
und wie sich die Regeneration dabei verhält. Vielmehr handelt es sich 
um die Entscheidung der Frage, ob therapeutische Arsendosen, ohne 
eine deutliche Anämie hervorzurufen, Blutuntergang und Blutbildung be¬ 
schleunigen, den gesammten Stoffwechsel der Erythrocyten in einem 
schnelleren Tempo ablaufen lassen. 

Eine Antwort hierauf ist aus den Tabellen viel schwerer zu geben. 
Betrachtet man die ersten Tage und Wochen der Arsenversuche, in denen 
eine deutliche Anämie noch nicht eingetreten war, so sieht man wohl, 
dass die Sauerstoffzehrung mehrfach ziemlich hohe Werthe erreichte oder 
erhebliche Schwankungen aufwies, die stärker sind, als sie nach Erfahrungen 


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Ueber den Wirkungsmecbanismus des Arsenik bei Anämien. 


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von Itami bei normalen Thieren Vorkommen. Man darf hierbei aber die 
alle 3 Tage wiederholten Venaesectionen nicht aus dem Auge lassen. Es 
erschien mir daher erwünscht, einen Control versuch in der Weise auszu¬ 
führen, dass ich bei einem Hunde, der kein Arsen erhielt, alle 3 Tage 
in gleicher Weise einen kleinen Aderlass ausführte und alle übrigen Be¬ 
stimmungen genau in derselben Art ausführte, wie in den ersten Ver¬ 
suchen. Fanden sich auch hier dieselben Schwankungen der Sauerstoff¬ 
zehrung, so waren diese nicht auf die Arseninjectionen, sondern mit viel 
mehr Berechtigung auf die so häufig wiederholten Aderlässe zu beziehen. 
Die Tabelle 111 giebt das Resultat dieses Controlversuches wieder. 


Tabelle III. Hund C, 17 kg. 


Datum 

Hb-Ge¬ 
halt in 
pCt. 
nach 
Sahli 

Rothe 
Blut¬ 
körper¬ 
chen in 

1 ccm 
fMill) 

Kern¬ 
haltige * 
Rie¬ 
men te 
in 1 cmm 

Sauerstoffgehalt 
in Vol.-pCt. 

Sauer¬ 

stoff¬ 

zehrung 

in pCt. 

Kern¬ 

haltige 

Rothe 

Poly- 

chro- 

matoph. 

Rothe 

Volumen 
des ent¬ 
nommen. 
Blutes 

frisch 

nach ^ Std. 
iin Ther- 
imsiat. 

15. 

1. 

59 

5,8 

4 900 

16,675 

16,035 

3,8 



10 

13. 

1. 

59 

5,5 

11330 

16,395 

15,38 

7,2 

— 

— 

11 

22. 

1. 

64 

6,1 

4 200 

17,965 

16,995 

5,5 

— 

— 

11 

26. 

1. 

64 

6,0 

8 120 

17,655 

16,435 

6,9 

— 

— 

11 

30. 

1. 

61 

6,0 

8 570 

18,675 

16,035 

14,1 

— 

— 

11 

3. 

2. 

63 

6,1 

9 120 

18,845 

16,64 

11,7 

— 

— 

11 

6. 

2. 

61 

6,7 

12 890 

16,52 

15,40 

6,7 

— 

— 

11 

10. 

2. 

61 

6,1 

7 320 

18,535 

17,635 

4,9 

— 

— 

11 

13. 

2. 

60 

6,0 

6 550 

18,235 

15,63 

14,3 

— 

— 

11 

16. 

2. 

58 

6,0 

4 580 

16,445 

14,955 

9,1 

— 

— 

11 

22. 

2. 

58 

5,8 

11410 

18,625 

14,95 

19,7 

— 

— 

12 


Es finden sich, wie ein Ueberblick über den viertletzten Stab der 
Tabelle zeigt, bei dem Controlthier C genau dieselben Schwankungen des 
Sauerstoffverbrauches, wie bei A und B, obwohl das Thier kein Arsenik 
erhielt und eine Anämie ‘nicht zur Ausbildung gelangte. Es liegt daher 
sehr nahe, diese Schwankungen mit den kleinen, aber häufig wiederholten 
Aderlässen in Zusammenhang zu bringen. Sio haben wahrscheinlich mit 
einer Arsenwirkung nichts zu thun. 

Um diese störende Wirkung der Aderlässe möglichst auszuschalten, 
habe ich noch eine Versuchsreihe unternommen, bei der die Blutentnahme 
nur alle 5 Tage stattfand. Zu dieser Versuchsreihe wurden Hund A, B 
und das Controlthier C verwandt, nachdem etwa 1 Monat nach Abschluss 
der ersten Versuchsreihe verflossen war. Die Tabellen IV bis VI geben 
über diese Versuche Auskunft. 

Bei keinem der drei Thiere ist eine Anämie aufgetreten. Im Gegen- 
theil, Hämoglobingehalt und Blutkörperchenzahl hat sich im Durchschnitt 
bei allen drei Thieren ein wenig gehoben. Das Ausbleiben der Arsen¬ 
anämie bei Hund A und B ist auffallend, denn es wurden grössere Dosen 
Arsen injicirt, als in der ersten, nur etwa einen Monat zurückliegenden 
Versuchsreihe. Es scheint hier also auch bei subcutaner Darreichung 
eine gewisse Gewöhnung an Arsen eingetreten zu sein. Das würde nicht 
in Einklang stehen mit den Anschauungen über Arsengewöhnung, die von 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13 . Bd. 4 


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S. Sanevoshi, 


Tabelle IV. Hund A, 17,2 kg. 


Datum 

Aeid. 

arsc- 

nicos. 

in mg 

Blut- 

ent¬ 

nähme 

in ccm 

Hämo¬ 

globin 

nach 

Sahli 

Erythro- 

cytcn 

in Mill. 

Kern¬ 

haltige 

Ele¬ 

mente 

in 1 cram 

Sauerstotfgchalt 
in Vol.-pCt. 

, . , nach 

fn80h i 5 Std. 

Sauer¬ 
stoff¬ 
zeh - 
rung 
in pCt. 

Ery¬ 

thro¬ 

blasten 

Poly¬ 

chro¬ 

masie 

23. 

1. 

_ 

11 

82,5 

9,7 

7 140 

23,18 

21,08 

5,9 

— 

+ 

31. 

1. 

— 

11 

; 79,5 

8,7 

7 810 

21,53 

19,04 

11,6 

— 

-4- 

14. 

2. 

— 

11 

i 80 

8,7 

6 530 

22.81 

20,92 

8,8 

— 

-i- 

28. 

2 

2,0 

11 

85.5 

8,94 

10 500 

22,43 

20, Gl 

8.1 

— 


4. 

3. 

3,25 

10 

84.5 

9,13 

6 700 

24,29 

•22,03 

9.3 

— 


9. 

3. 

4.5 

11 

84,5 

8.42 

9 550 

22,8G 

21,71 

5,0 

-- 


15. 

3. 

5,0 

; io 

89 

8,97 

5 580 

25,09 

23,99 

4,4 

- j 

— 

20. 

3. 

7,0 

i 10 

85 

8,78 

5 230 

24,09 

21.93 

8.9 

— 

i + 

25. 

3. 

8,0 

10 

87,9 

8,4 , 

1 6 G00 

22,23 | 

20,23 

8,2 

_ 

+ 


Tabelle V. Hund B, 27 kg. 


24. 

1. 

_ 

11 

72,5 

7,0 

10 150 

20.57 

19,32 

6,1 

+ 

_ 

1. 

2. 

— 

11 

, 78 

1.0 

18 000 

21,75 

19,21 

11,7 

— 

— 

15. 

2, 

— 

11 

78 

7,88 

10 810 

22.85 

21,39 

4,4 

— 

— 

29. 

2. 

2,25 

12 

82 

7,5 

12 800 

21,83 

20,19 

7.5 

+ 

4- 

5. 

3. 

3,5 

10 

' 81 

8,0 

9 5 GO 

23.G7 

21,94 

6,5 

— 

+ 

11. 

3. 

5,0 

11 

82.5 

7,8 

i 13 700 

24,51 

21,53 

12,1 

— 

+ 

16. 

3. 

5,0 

10 

83 

8,4 

i 10 700 

24,97 

20.37 

18,4 

+ 

+ 

21. 

3. 

5,0 

10 

1 80,5 

7,97 

7 G00 

23,94 

21.31 

11,1 

+ 

4~ 

26. 

3. 

10,0 

10 

i *4 

! 8,3 

12 300 

23,88 

.22,81 

4,4 

+ 

i + 


Tabelle VI. Hund C, 17 kg. Control versuch. 


1. 3. 

_ 

11 

61.5 | 

7.0 

9 300 

19,21 

17,78 

7,4 ; 

_ 

_ 

6. 3. 

— 

11 

G1 

7.1 

9 210 

20,71 

18,53 

10,5 : 


+ 

12. 3. 

— 

12 

Gl 

G.2S 

10 900 

19,52 i 

17,76 

9,0 


18. 3. 

— 

10 

G7 

7,5 

7 400 

20,44 

18,22 

10,9 

— 

— 

23. 3. 


10 

70,5 

7,5 

9 700 

21,12 i 

19.37 

12.4 

-- 

— 

27. 3. 

— 

! io i 

72,5 

7,27 

G IGO 

21,00 | 

19,09 

9,1 

— j 

+ 


Cloetta 1 ) begründet worden sind. Weitere Untersuchungen über diese 
Frage, die ich bereits begonnen habe, sind daher erwünscht. 

Besonderen Werth möchte ich in dieser Versuchsreihe auf die Zahlen 
für die Sauerstoffzehrung legen. Bei Hund A wird jede, auch noch so be¬ 
scheidene Steigerung des Sauerstoffverbrauchs völlig vermisst. Auch die 
Anfangs regelmässig nachweisbare Polychromasie schwindet trotz schneller 
Steigerung der Arsengaben mehr und mehr. Bei Hund A können wir in 
diesem Versuche vermehrten Untergang und vermehrte Neubildung rother 
Blutzellen unter Arsen Wirkung mit Sicherheit ausschliesscn. 

Auch bei Hund B sind die Resultate, wie ich wohl sagen muss, 
negativ. Ein einziges Mal findet sich eine geringe Erhebung des Sauer¬ 
stoffverbrauches über die bei dem Controlhund 0 beobachteten Werthc, um 
aber alsbald, trotz Steigerung der Arsendosen, wieder herabzugehen. Auf 
das Auftreten einiger Erythroblasten und polychromatischer Zellen ist 
wohl kein sehr grosser Werth zu legen. Hund B hatte von Anfang an 
stets einige Erythroblasten im Blute, wie man das ja bei Hunden oft 
sieht. Hund B wurde am Ende dieses Versuches getödtet und seine 

1) Cloetta, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 54. S. 1%. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Ueber den Wirkungsmecbanismus des Arsenik bei Anämien. 


51 


Organe auf ihren Eisengehalt untersucht. Ueber diese Befunde wird später 
berichtet werden. 

Diese Versuchsreihe ergiebt* also Folgendes: Arsendosen, die 
keine Arsenanämie nach sich ziehen, befördern den Stoffwechsel 
des Blutes nicht. Man findet keine sicheren Anzeichen dafür, dass Neu¬ 
bildung nnd Verbrauch rother Blutscheiben unter Einwirkung von Arscn- 
injectionen wesentlich gesteigert sind. 

Nun habe ich endlich noch eine Versuchsreihe mit subcutaner In- 
jcction von Atoxyl ausgeführt. Dieses Präparat hatte Kuhn und Alden¬ 
hoven zu ihren Versuchen an Meerschweinchen gedient. 

Als Controlthier fand der Hund A Verwendung. Er hatte sich in 
den 4—5 Wochen seit Abbrechen des letzten Arsen Versuches stets wohl 
befunden. Als Versuchstiere dienten Hund C (17 kg) und Hund D 
(10 kg). Die Tabellen VII—IX geben eine Uebersicht über den Versuch, 
der genau so angelegt war, wie die früheren. 

Die Anfangsdosis des Atoxyls betrug 0,01 g. Die Dosis wurde täglich um 0,01 g 
gesteigert. Die Verabreichung geschah subc-utau. Bei Hund C betrug die Dauer des 
Versuches 20 Tage, die höchste Dosis also 0,2 g. Hund D konnte nur 12 Tage im 
Versuche behalten werden. Bei einer Dosis von 0,12 g Atoxyl trat Erbrechen ein. Die 
Injectionen wurden ausgesetzt. Doch ging der Hund, ohne sich zu erholen, nach einer 
Woche zu Grunde. Seine Organe wurden auf Eisen verarbeitet, ebenso die von Hund C, 
der nach Abschluss des Atoxylversuches getödtet wurde. Das Atoxyl wurde stets 
subcutan verabfolgt. Eine Blutuntersuchung wurde wöchentlich einmal vorgenommen. 


Tabelle. VII. Hund C, 17 kg. Dauer der Atoxylbchandlung 23. 4. bis 14. 5. 


Datum 

i 

Atoxyl 

iß g 

Blut¬ 

ent¬ 

nahme 

in ccm 

Hämo- j 
globin- 
gchalt 
nach 
Sah 1 i 

Erythro- 

cyten 

im emm 

Kern¬ 

haltige 

Ele¬ 

mente 

im emm 

Saue rstoiTgeh alt 

! nach .*> 8t. 

frisch : im Thcr - 

inos:at. 

Sauer- 1 
stoff- | 
zeh- i 
rung ! 
in pCt. | 

1 

Ery¬ 

thro- 

blastcn 

Poly¬ 

chro¬ 

masie 

18. 4. 

— 1 

10 

68 ! 

7,0 

8 520 

20,79 

i 18,10 

12.9 i 

_ 

_ 

23. 4. 


10 

67 

7,3 

12 300 

22,20 

; 20,40 

8,1 | 

— 

— 

30. 4. 

0,07 

10 

75 

6,9 1 

12 700 

20,02 

! 18,0 

10,2 j 

— 

— 

7. 5. 

0,13 ' 

10 

77,5 

8,16 

8 120 

23,13 

1 20,47 

11,5 

i 


14. 5. 

0,2 

1 io 

' 77 

8,4 

■ 14 840 

22,77 

! 20.89 

8,3 

i 


21. 5. 

— 

10 

1 83 

1 7,49 

9 150 

25,03 j 

1 23,2 

7,3 | 

— 

— 

Tabelle VIII. 

Hund C, 10,15 kg. Dauer der Atoxylbchandlung vom 

25 4. bis 7. 5. 

114. 5. 

25. 4. 

_ 

10 

i 83,5 

7,3 

9 660 

22,77 

20,84 

8,5 1 

_ 

; _ 

2. 5. 

0,07 

10 

80,0 

6,2 

4 980 

20,79 

! 19,44 

5,1 ! 

— 

: — 

9. 5. 

— 

10 

75,5 

7,39 

18 060 

22,70 

' 19,83 

12,6 | 

— 

+ 



Tabelle IX. Hund 

A, 17,2 kg. Controlversuch. 



27. 4. 

_ 

10 

82,5 

8,8 

8 180 

24,23 

22,95 

5,8 

_ 


4. 5. 

— 

10 

91,5 

9,0 

4 980 

25,26 

23,68 

6,2 

— 

— 

11. 5. 

— 

10 

87,5 

8,5 

9 760 

24,77 

20,89 1 

8.3 

— 

— 

20. 5. 

— 

10 

85,5 

8,3 

7 200 

24,85 | 

23,14 

6,9 

— 

— 


Die in den vorstehenden Tabellen zusammengestellten Versuche lassen, 
wie es scheint, noch klarere Schlüsse zu, als die früheren. Die Atoxvl- 
injectionen haben keine Anämie hervorgerufen. Bei dem Hunde C ist 

4* 


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Go igle 


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52 


S. Saneyoshi, 


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während der Atoxylbehandlung sogar eine massige Zunahme des Hämo¬ 
globins und der Erythrocyten eingetreten, ohne nennenswerthe Vermehrung 
der Sauerstoffzehrung und ohne Aenderung des morphologischen Blutbildes. 
Für einen beschleunigten Blutzerfall bei diesem Thier fehlen alle An¬ 
zeichen. Der Hund ertrug die hohen Atoxyldosen sehr gut, Intoxications- 
erscheinungen waren nicht zu bemerken. 

Auch bei Hund D sind deutliche Aenderungen des Blutbildes nach 
dieser oder jener Richtung nicht vorhanden. Eine deutliche Arsenanämie 
hatte sich nicht entwickelt, obwohl sonstige schwere Vergiftungssymptome 
auftraten, die zu einem frühzeitigen Abbrechen des Versuches nöthigten. 

Endlich habe ich noch durch Bestimmung des Eisengehaltes in 
Leber und Milz Anhaltspunkte für einen beschleunigten Abbau des Hämo¬ 
globins während der Arsenintoxication zu finden gesucht. Es ist selbst¬ 
verständlich, dass man die Thicre nicht auf der Höhe einer mehr oder 
weniger schweren Arsenanämie tödten und verarbeiten darf. Denn dass 
die Arsenanämie eine hämolytische Anämie mit lebhafter Regeneration 
ist, glaube ich oben gezeigt zu haben. Man wird nach den Erfahrungen 
von Quincke und Hunter (1. c.) auch hier, wie bei den meisten hämo¬ 
lytischen Anämien, einen erhöhten Eisengehalt der parenchymatösen Organe 
erwarten dürfen. Das hätte nichts Ueberraschendes. Richtig ist es viel¬ 
mehr, die Organe der Thiere nach Abschluss einer Arsenkur zu unter¬ 
suchen, bei der eine stärkere Anämie nicht entstanden war. Nur dann 
können wir Aufschluss darüber erhalten, ob während einer solchen Be¬ 
handlung der Untergang rother Blutzellcn wirklich vermehrt und die 
Neubildung gesteigert ist. Finden sich vermehrte Eisendepots, so wird 
man die Anschauung von Bettmann und Kuhn, trotz der im Ganzen 
dagegen sprechenden Untersuchungen am lebenden Thier, nicht abweisen 
mögen. Im entgegengesetzten Falle gewinnt die Wahrscheinlichkeit einer 
anders gearteten Wirkung des Arseniks sehr an Gewicht. 

Die in der Literatur vorliegenden Angaben über den Eisengehalt von 
Leber und Milz variiren sehr stark. Wahrscheinlich hängt das mit dem 
wechselnden Blutgehalt jener Organe zusammen. Bunge 1 ) fand z. B. in 
den blutfreien Lebern von Katzen und Hunden — es handelte sich meist 
um junge Thiere — 0,01—0,355 pM. Eisen, auf die frische, mit 1 proc. 
Kochsalzlösung durchspülte Lebersubstanz berechnet. Auf 10 kg Körper¬ 
gewicht berechnet, betrug die Eisenmenge der Leber 3,4—80,1 mg. Das 
sind enorme Unterschiede bei einem und demselben Untersucher. Nach 
Guillemonat und Lapicque 2 ) betrug die Eisenraenge möglichst blut¬ 
freier Lebern beim Manne etwas mehr, beim Weibe weniger als 0,20 pM., 
auf das frische, wasserhaltige Organ bezogen. Höhere Zahlen verzeichnet 
Magnus-Le vy 3 ), der die Organe eines Selbstmörders untersuchte, nämlich 
0,6 pM. in der Leber und 0,42 pM. in der Milz. 

Für unseren Zweck sind die von Hunter (1. c.) angegebenen Zahlen 
besonders interessant. 

1) Bunge, eit. nach Ilammarsten, Physiol. Chemie. S. 361. 

2) Guillemonat und Lapicque, cit. nach Albu und Neuberg, Mineral- 
stoffwechsel. 

3) Magnus-Levy. Biochem. Zeitschr. Bd. 24. 1910. S. 373. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Uebor den Wirkungsmechanismus des Arsenik bei Anämien. 


53 


Die folgende kleine Tabelle giebt eine Uebersieht über diese Werthc. 


Eisenwerthe pro 100 g feuchter Substanz. 



Leber 

Milz 

Normal. 

80 mg 

90—230 mg 

Blutverluste . 

. 19 mg 

23 mg 

Hämolytische Anämie 

^90 mg 

— 

Grosse Schwankungen waren 

also zu erwarten. 

Immerhin 


Arsen wirklich schon in therapeutischen Dosen ein starkes hämolytisches 
Gift ist, muss man wenigstens im Durchschnitt in Milz und Leber arsen¬ 
vergifteter Thiere grössere Eisenmengen finden, als bei normalen Control¬ 
hunden. 

Verarbeitet wurden die Organe von Hund B, C und D, die unmittelbar 
nach Abschluss eines Versuches getödtet wurden. Hund D starb spontan 
eine Woche nach Abschluss der letzten Atoxylkur. Hund C wurde nach 
Beendigung der Atoxyl-, Hund B unmittelbar nach der Arsensäurebehand¬ 
lung getödtet. Als Controlthiere dienten die normalen Hunde I und 11, 
die kein Arsenik erhalten hatten. 

Die Organe wurden von der Aorta abdominalis her mit Kochsalzlösung so lange 
durchspült, bis sie ihre Blutfarbe verloren hatten. Bei der Milz gelang das freilich 
nur unvollkommen. Die herausgenommene Leber wurde dann noch weiterhin von der 
Pfortader her gründlich mit Kochsalzlösung durchgespült. Der wechselnde Wasser¬ 
gehalt rührt wohl von dieser Behandlung her. Organproben wurden feucht und trocken 
gewogen. 

Das fein zerhackte Organ wurde dann bei 60° getrocknet und genau abgewogene 
Mengen nach der Neumann’schen Methode verascht. Die Eisenbestiramung geschah 
jodometrisch nach den bei Hoppe-Seyler und Thierfelder gegebenen Vorschriften. 
Dabei bediente ich mich der von Masing 1 ) vorgeschlagenen Verbesserungen. Jede 
Bestimmung wurde doppelt, manche sogar vierfach ausgeführt. Die beiden kleiuen 
Tabellen zeigen meine Resultate. 9 


Milz. 



Wassergehalt 

in 

Gew.-pCt. 

Eisen in 100g 
frisch^p Org. 

mg 

Gewicht 
des ganz. 
Organs 

ganze Milz | 
enthält Fc j 

mg 

auf 10 kg 
Körper¬ 
gewicht Fc 
in mg 

Hund B . 

76,29 

27,59 

53,1 

14,65 I 

5,42 

Hund C . 

81,25 

16.86 

29,1 

4,9 

2,29 

Hund D . 

— 

20,72 

| 29,2 

6,05 

5,9G 

Controlhund 1 . . 

— 

1 24,79 

| 30,2 

7,48 

— 

Controlhund II . 

— 

1 21,54 

1 27,0 

5,81 

— 


Leber. 



Wassergehalt 

in 

Gew.-pCt. 

Fe in 100 g 
feuchter 
Substanz 

Gewicht 
des ganz, j 
Organs 
(frisch) 

r , . , ' Fe auf 10 kg 

e in er j Körpergewicht 
ganzen Leber 

i in mg 

Hund B . 

84,41 

5,48 

391 g 

21,52 7,97 

Hund C . 

78,54 

10,64 

395 g 

53,87 1 31, 68 

Hund D. 

— 

10,26 

340 g 

34,88 ' 34,36 

Controlhund I . . 

71,79 

i 27,58 

3S4 g 

105,90 ; — 


1) Masing, Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. 98. S. 122. 



Original from 

UNIVERSITf OF MICHIGAN 









54 


S. Saneyoshi, 


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Sehr gute Uebcrcinstimmung zeigen die Eisenbestimmungen in der 
Milz, obwohl es, wie erwähnt, nicht möglich ist, die Milz ganz oder 
nahezu ganz blutfrei zu waschen. Die Milz enthält, wie ersichtlich, bei 
Arsenthieren nicht mehr Eisen, als bei Normalthieren. Ein schwerwiegender 
Einwand gegen die Lehre von der blutzerstörenden Wirkung des Arseniks 
in therapeutischen Dosen! Denn, wie besonders Hunter zeigte, nimmt 
der Eisengehalt der Milz bei allen toxischen experimentellen Anämien zu. 
Nur bei der pernieiösen Anämie des xMenschen soll die Zunahme fehlen 
oder doch unerheblich sein, da hier der Blutzerfall nach Hunter sich 
vorwiegend im Pfortadergebiet abspielt. 

Eine sehr schlechte Uebereinstimraung zeigen die Eiscnbestimraungen 
in der Leber. Versuchsfelder kann ich ausschliessen, da ich manche 
Bestimmungen viermal mit dem gleichen Resultat gemacht habe. Aber 
auch hier liegen alle, an den Arsenthieren gewonnenen Werthe tiefer als 
beim Normalhund. Von einer Anhäufung eisenhaltiger Zerfallsprodukte 
rother Blutscheiben in der Leber kann also hier gar keine Rede sein. 
Schwer ist aber die Frage zu entscheiden, warum die Werthe bei den 
Arsenthieren nicht wenigstens etwa die Norm erreichen. Es ist wohl 
möglich, dass die als Folge der Arsenintoxication besonders bei Hund B 
aufgetretene mangelhafte Nahrungsaufnahme dafür verantwortlich gemacht 
werden darf. 

Jedenfalls scheint mir auch aus den Eisenbestimmungen sich kein 
Anhalt für die von Bett mann und Kuhn vertretene Hypothese der 
Arsenwirkung zu ergeben. 


Zusammenfassun g. 

Bettmann und neuerdings Kuhn haben folgende Hypothese der 
therapeutischen Wirkung des Arseniks auf das rothe Knochenmark auf¬ 
gestellt: Arsenik wirkt nicht direkt reizend auf die blutbildenden Organe, 
sondern es erzeugt eine periphere Hämolyse. Dadurch entsteht ein Sauer¬ 
stoffmangel, der seinerseits den eigentlichen Reiz für die Mehrleistung des 
Knochenmarkes abgiebt. 

Diese Hypothese ist einer experimentellen Prüfung unterzogen worden. 
Ich habe an Hunden die Aenderungen des morphologischen Blutbildes 
verfolgt und ferner die chemische Methode zur Erkennung der Blut¬ 
regeneration angewendet (Methode der Sauerstoffzehrung). Ferner habe 
ich nach Abschluss der Versuche die Thiere getödtet, den Eisengehalt 
der Leber und Milz bestimmt und mit dem normaler Hunde verglichen. 

Es ergaben sich folgende Befunde: Arsen in hohen, toxischen Dosen 
ruft eine massige Anämie hervor. Die Arsenanämic ist eine hämolytische 
Anämie. Sie geht mit ziemlich lebhaften regenerativen Erscheinungen 
einher, die besonders mit Hülfe der Methode der Sauerstoffzehrung deutlich 
sichtbar gemacht werden können. 

In kleineren Gaben, die aber die beim Menschen therapeutisch an¬ 
gewandten mehrfach erheblich überschritten, bewirkt Arsen keine Anämie. 
Das Blutbild wird nicht wesentlich und nicht einheitlich verändert. Abnorm 
schneller Blutkörperchenzerfall und abnorm beschleunigter Wiederersatz 
lässt sich an der Hand der morphologischen Blutuntersuchung nicht er- 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber den Wirkungsmechanismus des Arsenik bei Anämien. 


55 


weisen. Bekräftigt und gestützt werden diese Befunde durch die Resultate 
der Sauerstoffanalysen. Es tritt in solchen Versuchen keine über die 
Fehlergrenzen hinausgehende Zunahme der Sauerstoffzehrung ein. Das 
ist ein sicheres Zeichen für das Fehlen grösserer Mengen junger Erythro- 
cvtcn im strömenden Blute. Die Regeneration ist also bei massigen 
Arsengaben nicht über das Maass des Normalen gesteigert. Daher kann, 
da keine Anämie eintrilt, auch der ßlutkörperchenzerfall nicht be¬ 
schleunigt sein. 

Demgemäss lässt sich auch bei Thieren, die unter Arsenbehandlung 
standen, eine Hämosiderose von Leber und Milz nicht naehweisen. % 

Diese Befunde sprechen im Ganzen gegen die Richtigkeit der oben 
erwähnten Hypothese über die Wirkung des Arsens. Auch theoretisch 
lassen sich gegen dieselbe schwerwiegende Einwändc erheben (Türk). 

Es ist viel wahrscheinlicher, dass der Wirkungsmechanismus des Arseniks 
ein anderer ist, den wir mit experimentellen Untersuchungen an normalen 
Thieren nachzuahmen bisher nicht im Stande sind. 

Es ist möglich — und manche anderweitigen Erfahrungen sprechen 
in diesem Sinne — dass Arsen vorwiegend auf junge, stark proliferirendc 
Zellen wirkt. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



V. 


« 


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Aus der Königl. Universitäts-Poliklinik für Lungenleidende zu Berlin 
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. Max Wolff). 

Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie 
Meerschweinchen und den Ablauf der Tuberculose am 
tuberculinvorbehandelten Thier. 

Von 

Dr. Felix Klopstock, 

Assistenten der Poliklinik. 


Ueber den Einfluss wiederholter Tuberculininjectionen auf tubereulose- 
freie Thiere liegen bereits Untersuchungen vor. In den letzten Jahren ist 
die Wirkung von Tuberculinreinjectionen insbesondere von dem Gesichts¬ 
punkte der Anaphylaxie studirt worden. Abgeschlossene Ergebnisse sind 
keinesfalls vorhanden, zumal bei den zahlreichen Tubcrculin- und Tuberkel¬ 
bacillenpräparaten durch Wechsel in der Höhe der Dosis, dann des Inter¬ 
valls zwischen den einzelnen Injectionen, weiter durch verschiedene An¬ 
wendung des Tuberculins (subcutan, intravenös, intraperitoneal, in den 
Herzmuskel und in die Orbita) und Ausführung an verschiedenen Thier¬ 
arten derartige Versuche mannigfach variirt werden können. 

Ich selbst habe hierüber auf Veranlassung meines Chefs, Herrn Ge¬ 
heimraths Professor Dr. M. Wolff, Experimente an Meerschweinchen mit 
Alttuberculin Koch angestellt, die auf den Juni 1910 zurückgehen und 
über die ich bisher aus äusseren Gründen nicht berichtet habe. Sic sollten 
in der Hauptsache klarstellen, ob sich bei fortgesetzter subcutaner Zufuhr 
von Tuberculin, derjenigen Anwendungsform des Tuberculins, die wir dia¬ 
gnostisch und therapeutisch verwerthen, irgend welche Erscheinungen aus¬ 
bilden, die mit anaphylaktischen in Vergleich gesetzt werden können, 
oder charakteristische Organveränderungen auftreten, und nebenher er¬ 
geben, ob bei monatelang tuberculinvorbehandelten Meerschweinchen der 
Ablauf einer experimentellen Tuberculose ein anderer ist, als bei nicht 
vorbehandelten Thieren. 


I. 

Die grosse Widerstandsfähigkeit gesunder Meerschweinchen gegen 
einmalige hohe Tuberculindosen ist bekannt. Ich selbst bin in meinen 
Versuchen bis zu einer Erstdosis von 5 ccm reinem Alttuberculin gc- 
gegangen und habe, abgesehen von einem rasch wieder ablaufenden 
Fieberanstieg und vorübergehenden leichten Allgemeinerscheinungen, wie 
Unruhe und Verminderung der Fresslust, keine Folgen gesehen. Ruppel 
und Rick mann berichten, dass „ein gesundes Meerschweinchen 8 bis 


Gougle 


Original fro-m 

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lieber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 57 

10 ccm Alttuberculin ohne jede Allgemeinreaction verträgt und selbst 
bedeutend grössere Mengen vertragen würde, wenn es nicht durch die 
zufälligen, nicht specifischen Beimengungen des Tuberculins, wie z. B. 
durch Peptone, Alburaosen und Glycerin, geschädigt werden würde“. 
„Ein gereinigtes Tuberculin-Trockenpräparat, welches in einer Menge von 
0,01g tuberculöse Meerschweinchen mit absoluter Sicherheit tödtete, wurde 
von gesunden Meerschweinchen in Mengen von 0,5 g anstandslos ver¬ 
tragen. Diese Menge von 0,5 g unseres gereinigten Präparates entspricht 
einer Menge von 50 ccm Alttuberculin.“ 

Trotz dieser Widerstandsfähigkeit gegen hohe Tubcrculindosen ist 
die einen Temperaturanstieg auslösende Dosis auch bei gesunden Thieren 
eine sehr kleine. Röpke berichtet, dass Meerschweinchen, wenn sie 
über 350 g wogen, 0,1 ccm reactionslos vertrugen, unter diesem Gewicht 
jedoch bereits nach 0,1 ccm einen Temperaturanstieg zeigten, und ge¬ 
sunde Thiere von 600 g Gewicht nach Einverleibung von 0,2 ccm Tu- 
berculin fieberten. — Die Terapcraturcurve des Meerschweinchens 
ist eben ausserordentlich leicht beeinflussbar und schwankt auch 
bei gesunden Thieren um über 1 Grad (nach Novotny zwischen 37,6 
und 38,9). Nach unseren Erfahrungen sind Ernährungszustand der Thiere, 
körperliche Bewegung, Nahrungsaufnahme für die Temperatur von Einfluss. 
Es sei auch darauf hingewiesen, dass 2 ccm steriler Nährbouillon subcutan 
injicirt bei gesunden Meerschweinchen regelmässig Fieber bis zu 40 Grad 
hervorruft (Röpke, Fraenkel und Bierotte)! Temperatursteigerungen 
nach Tuberculininjectionen bei gesunden Meerschweinchen haben mit einer 
echten Tuberculinübererapfindlichkeit nichts zu thun. 

Nach einmaligen, direct in das Herz ausgeführten Injectionen von 
0,5 ccm Tuberculin beschreibt Joseph ein dem anaphylaktischen Sym- 
ptomencomplex sehr ähnliches Vergiftungsbild. Es steht zur Frage, wie¬ 
viel von den Erscheinungen der intracardialen Injection an sich, der 
plötzlichen Einbringung einer Glycerinbouilloneiweisslösung in den Kreis¬ 
lauf zuzuschreiben, und wieviel als specifischc Tuberculinwirkung aufzu¬ 
fassen ist. 

II. 

Ich komme nun zu der Wirkung wiederholter Injectionen von 
Tuberculinpräparaten. Es liegen hierüber Untersuchungen vor von Cal- 
mette, Petit und Breton, Marie und Tiffenau, Nieolle und Abt, 
Simon, Orsini, Baldwin, Wolff-Eisner, Krause, Kraus und Volk, 
Schittenhelm und Weichardt. 

Calmette, Petit und Breton bemerkten, dass die Einführung einer geringen 
Dosis Tuberculin in die Randader des Ohres das gesunde Kaninchen gegen eine 
16 Stunden später erfolgte Einträufelung von Tuberculin sensibilisire. Nach einem 
Zeitraum von 48 Stunden verschwindet die Sensibilisirung. 

Marie und Tiffenau sensibilisirten Kaninchen durch Einführung eines präcipi- 
tirten Tuberculins gegen eine nachfolgende Injection der gleichen Substanz in das 
Gehirn. 

Nieolle und Abt konnten mit einem nach Vaughan hergestellten Bacillenprä¬ 
parat bei subcutaner oder intraperitonealer Einführung Meerschweinchen und Ka¬ 
ninchen gegen eine zweite intracerebrale Injection sensibilisiron. 


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Original fro-m 

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58 


Felix Klopstock, 


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Simon hat bei seinen Versuchen, eine active Tuberculinanaphylaxic zu erreichen, 
Bacillenemulsion bei wechselnder Dosis und wechselndem Intervall benutzt. Neben 
eigentümlichen, 5—8 Tage anhaltenden hohen Temperatursteigerungen hat er keine 
Reaction gesehen. 

Orsini hat an Meerschweinchen Versuche mit Reinjectionen angestellt und 
hierbei Alttuberculin und eine Reihe anderer Tuberculinpräparate benutzt. Es zeigte 
sich, dass eine erste intraperitoneale Einführung von Alttuberculin gegen eine zweite, 
nach einem gewissen Zeitabstande erfolgende lnjection (80 Tage) sensibilisirto, sobald 
die lnjection wieder in die Bauchhöhle erfolgte. Von 21 derartig behandelten Thieren 
gingen 14 = G7 pCt. zu Grunde. Die Thiere, bei denen die Reinjection subcutan 
erfolgte, blieben am Leben. Thiere, die in kurzen Zwischenräumen 5 Injectionen von 
2ccm Alttuberculin intraperitoneal erhielten und dies gut vertrugen, gingen zu Grunde, 
wenn nach Ablauf eines Monats eine erneute intraperitoneale lnjection von 2 ccm er¬ 
folgte. 

Die wesentlichsten Ergebnisse Baldwin’s sind folgende: Eine charakteristische 
Anaphylaxie kann bei Meerschweinchen durch die reine durch Wasser von 50 Grad 
Celsius ausgezogene Eiweisssubstanz des Tuberkelbacillus hervorgerufen werden. 
Intradurale toxische Injectionen durch das Foramen opticum erzeugen alle Zeichen 
des anaphylaktischen Shocks mit Dyspnoe und Paralyse. Intravasculäre Injectionen 
haben denselben EfTect; die Symptome sind jedoch weniger typisch. Intraperitoneale 
Einspritzungen haben ein negatives Ergebniss. Eine einzelne lnjection von Tubcrkel- 
bacilleneiweiss von 0,(XX)8gTrockengewicht genügt, um ein normales Meerschweinchen 
zu sensibilisiren; wahrscheinlich ist eine geringere Dosis nothwondig. Sensibilisirte 
Meerschweinchen, welche eine toxische lnjection überleben, bekommen eine zeitlich 
beschränkte, erhöhte Resistenz gegenüber weiteren Injectionen. Die Temperatur ist 
nach toxischen Injectionen nicht regelmässig erhöht oder herabgesetzt. — Die Sensi- 
bilisirung ist sowohl mit dem filtrirten Bacillenauszug, als auch mit dem gewaschenen 
Rückstand TR möglich. Injectionen von TO sind wirkungsvoller als mit dem Filtrat. 
Alttuberculin giebt unsichere Resultate. 

Wolff-Eisner berichtet über Versuche an Kaninchen mit Alttuberculin, zer¬ 
riebenen und abgetödteten Tuberkelbacillen. Bei seinen Experimenten mit Alttuber- 
culin erhielten Kaninchen wiederholt in 8—14tägigen Abständen intravenös 0,1 g 
Tuberculin. Deutliche Empfindlichkeit und Tuberculinreactionen traten erst nach 
8 Injectionen auf. In seinen Schlusssätzen sagt er: „Es ist möglich, durch geeignete 
Vorbehandlung gesunderThiore, zunächst Kaninchen, typische Tuberculinempfindlich- 
keit hervorzubringen. Es gelingt, ohne lebende Tuberkelbacillen das typische Bild 
der Tuberculose nebst der typischen Giftempfindlichkeit experimentell hervorzurufen.“ 
Seinen Versuchen muss jedoch entgegengehalten werden, dass genaue Versuchsproto¬ 
kolle nicht mitgetheilt sind und Versuche mit Alttuberculin nur an 2 Kaninchen an¬ 
gestellt zu sein scheinen, und die Darstellung seiner Resultate in den Schlusssätzen 
weit über das hinausgeht, was als experimentelles Ergebniss mitgetheilt wurde. 

Kraus und Volk machten die Beobachtung, dass gesunde Meerschweinchen, die 
längere Zeit mit Alttuberculin vorbehandelt wurden, sich intracutan ebenso verhielten, 
wie gesunde. 

Allen K. Krause hat ausgedehnte Versuche angestellt, die eine Fortsetzung 
der Versuche Baldwin’s bedeuten, und kommt zu folgenden Resultaten: Meer¬ 
schweinchen können gegen Tuberkelbacilleneiweiss auf jedem parenteralen Wege, auf 
dem ihnen eine genügende Quantität zugeführt werden kann, sensibi 1 isirt werden. 
Die Ueberernpfmdlichkeit kann mit gleicher Leichtigkeit auf dem Wege der Peritoneal¬ 
höhle, der Haut, des subcutanen Gewebes und des subduralen Raumes, wahrschein¬ 
lich auch auf intravenösem Wege erreicht werden. — xVcute Anaphylaxie kann durch 
postorbitale und intravenöse lnjection ausgelöst werden. Bei genügend empfindlichen 


Gck igle 


Original fro-m 

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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Mwsohweinchen etc. 59 

Meerschweinohen können intraperitoneale Einspritzungen eine graduelle starke latoxi- 
cation hervorbringen. — Es ist wahrscheinlich, dass jedes der gewöhnlichen Derivate 
des Tuberkelbacillus Meerschweinchen sensibilisiren kann. Experimente zeigen, dass 
Wasserextract, die „Extractemulsion“, TR, Alttuberculin und der gekochte Glycerin- 
extract gegen sich selbst und gegeneinander sensibilisiren können. Jedes der obigen 
Derivate, das Eiweiss enthält, kann gleicherweise ein sensibilisirtes Thier vergiften. 
Unfiltrirte Präparate sind für toxische Injectionen in der täglichen Arbeit die zweck- 
mässigsten, aber auch der filtrirte Extract kann tödtliche acute Anaphylaxie bei ge¬ 
nügend empfindlichen Thieren auslösen. — UeberempGndlichkeit kann man durch 
diejenige Menge Bacilleneiweiss erhalten, die 0,0005 g Trockengewicht entspricht. 
Die geringste toxische Dosis (Extractemulsion) beträgt 0,0099 g Trockengewicht; die 
geringste letale Dosis 0,016 g Trockengewicht. — Die kürzeste Incubationszeit betrug 
6 Tage, die längstbeobaohtete Dauer der Ueberempfindlichkeit war 286 Tage. Es ist 
wahrscheinlich, dass die Sensibilisirung das ganze Leben dauert, wie es bei der 
Serumüberempfindlichkeit der Fall ist (Rosenau und Anderson). Die Incubations- 
periode war am kürzesten, wenn das Thier durch postorbitale Injection sensibilisirt 
war. — Vor dem 21. Tage nach dem Beginn der Behandlung ist die Sensibilisirung 
ungleichmässig und unbeständig. Nach dieser Zeit nimmt sie mit grosser Regel¬ 
mässigkeit zu. Die Grösse der sensibilisirenden Dosis steht in keiner Beziehung zu 
der Länge der Incubationsperiode. 

Die geringe Empfindlichkeit nichttuberculöser Hunde gegen Tuberkelbacillen¬ 
ei weiss haben Schittenhelm uud Weichardt festgestellt. Es genügt nach ihrer 
Auffassung die natürliche Cytolyse des Serums unvorbehandelter Hunde nicht, um 
rasch eine grössore Menge des Giftes in Freiheit zu setzen. Versetzten sie jedoch 
0,01 g zwischen Fliesspapier getrocknetes frisches Tuberkelbacilleneiweiss mit 0,1 ccm 
Tuberculoseserum Höchst und 0,5 frischem Complementserum, so gewannen sie ein 
Gift, das in der verwandten Dosis bei ihren Versuchsthieren unter Niedergang der 
Temperatur und Leukocytenzahl soporöse Erscheinungen hervorrief. 

Es ist mithin zusammenfassend zu sagen, dass es einer Reihe Unter¬ 
suchern geglückt ist, gesunde Meerschweinchen gegen Tuberculinpräparate 
zu sensibilisiren und auch die Erscheinungen der acuten Anaphylaxie 
auszulösen; insbesondere hat der intraperitoneale und intraorbitale Weg 
ein positives Ergebniss gezeitigt. Ausgedehnte Untersuchungen über sub- 
cutane Reinjectionen von Alttuberculin sind nicht vorhanden. 

Ich habe an insgesammt 21 Meerschweinchen Versuche mit Alt¬ 
tuberculin angestellt und durch Wechsel der Grösse der Anfangsdosis, 
der Höhe der weiteren Dosen, Höhe der Gesammtdosis, des Intervalls 
zwischen den Dosen die Versuche mannigfach variirt. Bei 6 Thieren ist 
eine Anfangsdosis unter 0,5 ccm Tuberculin gewählt worden (2, 4, 6, 26, 
27, 28); wiederum bei 6 Thieren geht die Anfangsdosis über 1 ccm Tuber¬ 
culin hinaus (14, 16, 17, 23, 24, 25); bei etwa einem Drittel der Thiere 
sind steigende Dosen gewählt worden, während bei den übrigen immer 
die gleiche Dosis wieder injicirt wurde. Die Gesammtdosis schwankt 
zwischen 2,9 und 26 ccm Tuberculin. Das Intervall zwischen den 
Injectionen ist nur bei 3 Thieren unterhalb einer Woche, bei etwa 
9 Thieren sind die Injectionen in regelmässig wöchentlichen Abständen 
geschehen, bei dem Rest der Thiere ist ein Zwischenraum von 14 Tagen 
und mehr gewählt worden. Es wurden zumeist kräftige, ausgewachsene 
Thiere von über 500 g Gewicht verwandt. Es gelangte ausschliesslich 
Alttuberculin der Höchster Farbwerke zur Verwendung. 


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Original fro-m 

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60 


Felix Klopstock, 


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Bevor ich auf den Ablauf der Experimente im Einzelnen eingehe, 
muss ich noch Einiges über die Zeichen sagen, die eine Einwirkung 
des Tuberculins auf die Meerschweinchen anzuzeigen im Stande sind. 
Als solche kommen in Betracht: 

1. Veränderung des Allgemeinbefindens: Etwa anhaltende Unruhe, 
Abnahme der Fresslust, Kauen, Putzen, Würgen, Lähmungserscheinungen, 
schliesslich die Zeichen des ausgesprochenen anaphylaktischen Shocks. 

2. Das Verhalten der Tempcraturcurve. Die Temperatur kann nur 
in beschränktem Maasse herangezogen werden, einmal, weil, wie bereits 
ausgeführt, auch bei gesunden, nicht vorbehandelten Meerschweinchen 
bereits nach Injcctionen von kleinen Tuberculindosen Temperatursteige¬ 
rungen auftreten, zweitens, weil auch indifferente Stoffe den Meer¬ 
schweinchenkörper für eine Fieberreactiou auf Tuberculin sensibilisiren 
können. Röpke hat gezeigt, dass Thiere, die subcutan 2 ccm Milch 
und 2 ccm Kochsalzlösung und 24 Stunden später 0,1 ccm Tuberculin 
erhielten, regelmässig einen hohen Temperaturanstieg aufwiesen. Novotny 
beobachtete nach subcutaner Vorbehandlung mit 2 ccm Normalmeer¬ 
schweinchenserum und Reinjeciion von 0,2 ccm Alttuberculin Tempera¬ 
turen bis 40,1; dasselbe trat nach subcutaner Vorbehandlung mit normalem 
Menschenserum und Reinjection von 0,2 ccm Alttuberculin ein. Ebenso¬ 
wenig wie beim Meerschweinchen Injection von Serum eines Tuberculösen 
und nachfolgende Tuberculininjection eine geeignete Versuchsanordnung 
zum Nachweis der passiven Anaphylaxie ist, sind etwa Fiebersteigerungen 
bei fortgesetzten Tuberculininjectionen im Sinne einer wirklichen Tuber- 
culinüberempfindlichkeit zu verwerthen. Ich habe unter diesen Umständen 
von regelmässigen Temperaturmessungen abgesehen. 

3. Das Verhalten der Gewichtscurve. Meine Thiere sind in 2- bis 
4 wöchigen Abständen gewogen worden. 

4. Locale Erscheinungen an der Injectionsstelle, die eventuell als 
locale anaphylaktische Erscheinungen gedeutet werden könnten. Auch 
sie sind bei der Verwendung von eonccntrirtem Alttuberculin kaum ver- 
werthbar. Subcutane Injection grösserer Quantitäten von Alttuberculin 
(über 1 ccm) rufen gewöhnlich eine gewisse traumatische Hautreaction 
hervor, die zu einer umschriebenen Hautnekrose führen kann. Häufigkeit 
der Injection in derselben Gegend, Oberflächlichkeit der Einspritzung und 
Grösse der Dosis sind für das Entstehen der Nekrose raaassgebend. 

5. Exitus und Sectionscrgebniss. 

Der Ablauf meiner Experimente war im Einzelnen folgender: 


Meerschweinchen 1. Gewicht 700 g. 


Tag der Injection . . 

. . 8. 6. 

17. 6. 

Höhe der Dosis . . . 

0,5 

0,5 

Tag der Injection . . 

. . 25. 7. 

3. 8. 

Höhe der Dosis . . . 

1,0 

1,0 

Tag der Injection . . 

. . 20. 9. 

27. 9. 

Höhe der Dosis . . . 

2,0 

2,0 


22. 6. 

29. 6. 

5. 7. 

10. 7. 

18. 7. 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

1,0 

10. 8. 

17. 8. 

25. 8. 

4. 9. 

12. 9. 

1,5 

1,5 

1,5 

1,5 

2,0 

10. 10. 

18. 10. 

25. 10. 

2. 11. 


2,0 

2,0 

2,0 

2,0 



Bemerkungen: Gewicht und Allgemeinbefinden unverändert. 
Tuberculins nachweisbar. 


Kein Einfluss des 


Gougle 


Original fro-m 

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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 61 


Meerschweinchen 2. Gewicht 675 g. 

Tag der Injection .... 8.6. 11.6. 14.6. 17.6. 20.6. 23.6. 28.6. 

Höhe der Dosis. 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 

Tag der Injection .... 4. 7. 8. 7. 18. 7. 25. 7. 3. 8. 10. 8. 

Höhe der Dosis. 0,1 0,1 0,5 0,5 0,5 0,5 


Bemerkungen: Exitus am 19. 8. nach etwa einwöchiger Kränklichkeit. — Section: 
ln der Bauchgegend, entsprechend den Injcctionsstellen, ein kleiner subcutaner 
Abscess. Haut stellenweise etwas borkig belegt. Milz leicht vergrössert, von 
etwas weicher Consistenz, deutliche PulpaschwclluDg. Leber etwas vergrössert, 
von gelbbrauner Färbung (mikrosk. Fettinfiltrat : on). Ucbrige Organe ohne Befund. 


Meerschweinche 


Tag der Injection .... 

9. 6. 

17. 6. 

Höhe der Dosis. 

0,5 

0,5 

Tag der Injection .... 

25. 7. 

3. 8. 

Höhe der Dosis. 

1,0 

1,0 

Tag der Injection .... 

20. 9. 

27. 9. 

Höhe der Dosis. 

2,0 

2,0 


3. Gewicht 750 g. 




22. 6. 

29. 6. 

5. 7. 

10. 7. 

18. 7. 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

1,0 

10. 8. 

17. 8. 

25. 8. 

5. 9. 

12. 9. 

1,5 

1,5 

1,5 

1,5 

2,0 

10. 10. 

18. 10. 

25. 10. 

2. 11. 


2,0 

2,0 

2,0 

2,0 



Bemerkungen: Gewicht und Allgemeinzustand unverändert, 
culins nachweisbar. 


Kein Einfluss des Tuber- 


Mcerschweinchen 4. Gewicht 650 g. 


Tag der Injection 

.... 9. 6. 

14. 6. 

17. 6. 

20. 6. 

23. 6. 

28. 6. 

3. 7. 

Höhe der Dosis . 

. . . . 0,1 

o,i 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

Tag der Injection 

.... 8. 7. 

13. 7. 

18. 7. 

25. 7. 

3. 8. 

10. 8. 

17. 8. 

Höhe der Dosis . 

- 0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

1,0 

1,0 

Tag der Injection 

.... 25. 8. 

5. 9. 

12. 9. 

20. 9. 

27. 9. 



Höhe der Dosis . 

.... 1,0 

1,0 

1,0 

1,5 

1,5 



Bemerkungen: 

Exitus am 7. 10 

. nach langsam zunehmender Kränklichkeit und Gc- 


wichtsabnahme. — Section: Schleimhaut des unteren Dünndarms und Colons 
leicht geschwollen und geröthet. Deutliche Injection der Serosa. Die übrigen 
Organe ohne Befund. 


Meerschweinchen 5. Gewicht 660 g. 


Tag der Injection 

. . . . 11. 6. 

17. 6. 

22. 6. 

29. 6. 

5. 7. 10. 7. 

18. 7. 

Höhe der Dosis . 

.... 0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 0,5 

1,0 

Tag der Injection 

.... 25. 7. 

3. S. 

10. 8. 

17. 8. 

25. 8. 5. 9. 

12. 9. 

Höhe der Dosis . 

. . . . 1,0 

1,0 

1,5 

1,5 

1,5 1,5 

2,0 

Tag der Injection 

.... 20. 9. 

27. 9. 

10. 10. 

18. 10. 

27. 10. ' 


Höhe der Dosis . 

.... 2,0 

2,0 

2,0 

2,9 

2,0 


Bemerkungen: 

Auffallende Apathie und Abmagerung in den letzten zwei 

Wochen. 


Exitus am 28. 10. — Section: In der Bauchgegend entsprechend den Injections- 
stcllen einige kleine Hautnekrosen, kein Abscess oder Phlegmone. Kleine Sugil- 
lation am Peritoneum (Peritoneum durch eine der Injectionen offenbar verletzt). 
In der Peritonealhöhle ein kleines Blutgerinnseichen. Serosa de9 Darms, beson¬ 
ders des unteren Dünndarms und Colon ascendens injicirt. Die übrigen Organe 
ohne Befund. 


Meerschweinchen 6. Gewicht 510 g. 


Tag der Injection .... 

11. 6. 

14. 6. 17. 6. 20. 6. 

23. 6. 

28. 6. 

3. 7. 

Höhe der Dosis. 

0,1 

0,1 0,1 0,1 

0,1 

0,1 

0,1 

Tag der Injection .... 

8. 7. 

13.7. 18.7. 25.7. 3.8. 

10. 8. 

17. 8. 

25. 8. 

Höhe der Dosis. 

0,5 

0,5 0,5 0,5 0,5 

1,0 

1,0 

1,0 

Tag der Injection .... 

5. 9. 

12.9. 20.9. 27.9. 10.10. 

17. 10. 

25. 10. 

2. 11. 

Höhe der Dosis. 

1,0 

1,0 1,5 1,5 1,5 

1,5 

1,5 

1,5 

Bemerkungen: Allgemeinzustand unverändert. 




Meerschweinchen 7. Gewicht 750 g 




Tag der Injection 


11.10. 18.10. 25.10. 

2. 11. 

10. 11. 


Höhe der Dosis . 


1,0 1,0 1,0 

1,0 

1,0 


Tag der Injection 


19. 11. 28. 11 6. 12. 

14. 12. 

23. 12. 


Höhe der Dosis . 


1,0 1,0 1.0 

1,0 

1,0 



Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 


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Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





















62 


Felix Klopstock 


Meerschweinchen 8. Gewicht 850 g. 

Tag der Injection .... 11. 10. 18. 10. 25. 10. 2. 11. 10. 11. 

Höhe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 

Tag der Injection .... 19. 11. 28. 11. G. 12. 14. 12. 28. 12. 

Hohe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 

Meerschweinchen 9. Gewicht 600 g. 


Tag der Injection .... 

11. 10. 

18. 10. 

25. 10. 

2. 11. 

.10. 11 

Höhe der Dosis. 

1,0 

1,0 

1,0 

1,0 

1,0 

Tag der Injection .... 

19. 11. 

28. 11. 

6. 12. 

14. 12. 

23. 12 

Höhe der Dosis. 

1,0 

1,0 

1,0 

1,0 

1,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss 

des Tuberculins nachweisbar. 



Meerschweinchen 

10. Gewicht 550 g 



Tag der Injection . . . . 

3. 11. 

10. 11. 

19. 11. 

28. 21. 

6. 12, 

Höhe der Dosis. 

1,0 

1,0 

1,0 

1,0 

1,0 

Tag der Injection .... 

14. 12. 

23. 12. 

2. 1. 

10. 1. 

18. 1. 

Höhe der Dosis. 

1,0 

1,0 

1,0 

1,0 

1,0 


Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 


Meerschweinchen 11. Gewicht 500 g. 

Tag der Injection .... 3. 11. 10. 11. 19. 11. 28. 11. G. 12. 

Höhe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 

Tag der Injection .... 14. 12. 23. 12. 2. 1. 10. 1. 18. 1. 

Höhe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 

Meerschweinchen 12. Gewicht 500 g. 

Tag der Injection .... 3.11. 10.11. 19.11. 28.11. 6.12. 

Höhe der Dosis. 1.0 1,0 1,0 1,0 1,0 

Tag der Injection .... 14. 12. 23. 12. 2. I. 10. 1. 18. 1. 

Höhe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 

Meerschweinchen 14. Gewicht 350 g. 

Tag der Injection .... 15. 11. 29. 11. 15. 12. 30. 12. 17. 1. 31. 1. 

Höhe der Dosis. 3,0 3,0 2.0 2,0 2,0 3,0 

Bemerkungen: Kein Einflusss des Tuberculins nachweisbar. 

Meerschweinchen 16. Gewicht 700 g. 

Tag der Injection .... 25. 11. 10. 12. 23. 12. 17. 1. 31. 1. 

Höhe der Dosis. 5,0 2,0 2,0 2,0 3,0 

Bemerkungen: Exitus am 1. 2. 12 innerhalb 24 Stunden nach der Injection, ohne 
vorangegangene charakteristische Erscheinungen. — Scction: Schleimhaut und 
Serosa des unteren lleums und Colon dcscendcns stark injicirt. Dünndarm wie 
Colon stark mit Kothmassen gefüllt. Alle übrigen Organe ohne Befund. 

Meerschweinchen 17. Gewicht G50 g. 

Tag der Injection .... 28. 12. 13. 1. 31. 1. 

Höhe der Dosis. 2,0 2,0 3,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 

Meerschweinchen 23. Gewicht 450 g. 

Tag der Injection .... 3. 2. 17. 2. 3. 3. 

Höhe der Dosis. 1,0 2,0 2,0 

Bemerkungen: 5.3. Thier kränklich und apathisch. Keine charakteristischen Er¬ 
scheinungen. 6.3. Exitus. — Section: Peritonitis fibrinopurulenta. Kein Ab- 
scess oder Phlegmone an der Injectionsstellc. Peritoneum nicht durch die in die 
Bauchdecken gegebene Injection durchbohrt. 


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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 63 


Meerschweinchen 24. Gewicht 460 g. 

Tag der Injection .... 3. 2. 17. 2. 3. 3. 

Höhe der Dosis. 1,0 2,0 2,0 

Bemerkungen*. 5.3. Thier kränklich und apathisch. 6.3. Exitus. — Section: 

Peritonitis librinopurulcnta (wie bei 23). Die übrigen Organe ohne Befund. 

Meerschweinchen 25. Gewicht 450 g. 

Tag der lnjcction .... 3. 2. 17. 2. 3. 3. 20. 3. 

Höhe der Dosis. 1,0 2,0 2,0 2,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 

Meerschweinchen 26. Gewicht 3S0 g. 

Tag der Injection .... 14. 4. 28. 4. 12. 5. 26. 5. 23. 6. 

Höhe der Dosis. 0,2 2,0 2,0 2,0 2,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 

Meerschweinchen 27. Gewicht 390 g. 

Tag der Injection .... 14. 4. 28. 4. 12. 5. 26. 5. 23. 6. 

Höhe der Dosis. 0,2 2,0 2,0 2,0 2,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 

Meerschweinchen 28. Gewicht 400 g. 

Tag der Injection .... 14. 4. 28. 4. 12. 5. 26. 5. 23. 6. 

Höhe der Dosis .... 0,2 2,0 2,0 2,0 2,0 

Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 

Die Ergebnisse meiner Versuche sind somit folgende: 

1. Von 21 Thieren haben 15 Thierc fortgesetzte subcutane Tuber- 
culinzufuhr gut vertragen. Allgemeinzustand der Thierc und 
Gewicht sind unverändert geblieben; trotz monatelanger Behand¬ 
lung ist ein wesentlicher Einfluss nicht nachweisbar gewesen. 
Bei G Thieren ist im Laufe der Behandlung der Exitus erfolgt 
(2, 4, 5, 16, 23, 24). 2, 4, 5 gingen nach langsam zuneh¬ 
mender Abmagerung zu Grunde. 16, 23 und 24 starben inner¬ 
halb 3x24 Stunden nach der letzten Tuberculininjection. 

Bei 2 ergab die Section eine leichte Schwellung der Milz, 
Fettinfiltration der Leber, einige Hautstellen borkig belegt. — Bei 
4, 5, 16 war das Sectionsergebniss ein ähnliches: leichter Darm¬ 
katarrh, auffallend starke Injection der Serosa, insbesondere des 
unteren Dünndarmabschnittes und des Colons; die übrigen Organe 
ohne Befund. — Bei 23 und 24 war ein überraschender Befund 
vorhanden: eine serös-eitrige Peritonitis. Die Section konnte 
eine Infection durch die Injection aussehliessen. Entsprechend 
der Einstichstelle waren im subcutanen und intramusculären 
Gewebe kein Abscess oder eine Phlegmone vorhanden. Das 
Peritoneum war nicht durchbohrt. 

2. Alle Thicre, die bei einem regelmässigen Intervall von einer 
Woche mit gleicher Dosis behandelt wurden (10X1 ccm), sind 
leben geblieben. Die zu Grunde gegangenen Thiere sind ent¬ 
weder solche, denen steigende Dosen injicirt worden sind (2, 4, 5), 
oder solche, bei denen das Intervall mindestens 14 Tage betrug. 
Die Mehrzahl aber auch dieser Thiere blieb unversehrt. 

3. Unmittelbare Folgen wiederholter subcutaner Tuberculininjection 
sind nicht beobachtet worden. Die Unruhe der Thicre nach einer 


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Felix Klopstock 


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Injection ging bald vorüber, irgend welche charakteristischen 
Bewegungen oder Lähmungserscheinungen fehlten. Die Erschei¬ 
nungen des anaphylaktischen Shocks sind niemals zur Beobachtung 
gelangt. 

4. Als locale Folgen der Injection sind wiederholt umschriebene 
Ilautnekrosen, mehrfach auch trotz aller Vorsicht Abscesse 
beobachtet worden. Die localen Erscheinungen sind, wie bereits 
betont, nicht im Sinne eines örtlichen anaphylaktischen Symptoms 
verwerthbar. 

Wesentliches Ergebniss ist somit die grosse Widerstands¬ 
fähigkeit der Thiere gegen wiederholte subcutane Tubereulin- 
injectioncn und der Untergang einiger Thiere unter nicht 
charakteristischen klinischen Erscheinungen. 

Bei den im Laufe der Behandlung verstorbenen Thieren hat, wie 
bereits betont, die Section dreimal einen übereinstimmenden Befund ergeben 
(einen leichten Darmkatarrh und auffallend starke Injection der Serosa 
des unteren Darmabschnittes). Die Todesfälle liegen zeitlich auseinander. 
Es kann nicht eine gemeinsame Darminfection eine Rolle spielen. Bei 
den nichtbehandelten Thieren des Stalles gelangten Darmerkrankungen 
nicht zur Beobachtung. Das Sectionsergebniss bei diesen Thieren erinnert 
wohl an Befunde, die man bei den an acuter Anaphylaxie verstorbenen 
Thieren gehabt hat. Neben der Lungenblähung ist ja eine auffallend 
starke Hyperämie der Bauchorgane ein Kennzeichen des Todes an Ana¬ 
phylaxie. 

Wolf-Eisner beschreibt schon starke Hyperämie des Darms nach Injection von 
artfremdem Eiweiss. 

Rosenau und Andersen sahen bei Meerschweinchen nach dem anaphylakti¬ 
schen Shock Dünndarmgeschwüre auftreten. 

Schittenhelm und Weichhardt sensibilisirten Hunde mit an und für sich 
ungiftigem Eioreiweiss und sahen dann bei der Reinjection schwere intestinale Er¬ 
scheinungen. Die Hunde erbrachen unter heftigen Würgbewegungcn. Sie bekamen 
Stuhldrang und setzten stark blutigen dünn 11 üssigen Koth ab. Bei der Section zeigte 
sich der Darm angefüllt mit einer blutig schleimigen Flüssigkeit. An der Darm¬ 
schleimhaut und den darunter gelegenen Schichten fanden sich zahlreiche miliare 
Hämorrhagien, die ihnen ein geröthetes gesprenkeltes Aussehen verliehen (Enteritis 
anaphylactica). 

Weitere Erfahrungen über das Auftreten von Darmerkrankungen nach 
fortgesetzter parentaler Eiweisszufuhr sind meines Wissens nicht vorhanden. 
Ich möchte die Möglichkeit eines Zusammenhangs der DarmalTection mit 
den subcutanen Tuberculininjectionen bei den zu Grunde gegangenen 
Thieren in einem solchen Sinne nicht ausschliessen. 

Bei Thier 2 ist die Möglichkeit des Todes an irgend einer inter¬ 
kurrenten lnfection gegeben. 

Thier 23 und 24 gingen schliesslich an einer acuten Peritonitis im 
Anschluss an die letzte Injection von 2 ccm Alttuberculin zu Grunde. 
Ein Zusammenhang der Peritonitis mit der subcutan und intramusculär 
erfolgten Injection in die Bauchdecken konnte die Section nicht nach- 
weisen. Es ist dies ein auffälliges und kaum erklärliches Resultat. 


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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 65 

Eine Peritonitis nach Reinjectionen von artfremdem Eiweiss ist nicht 
bekannt. 

Es muss schliesslich hervorgehoben werden, dass man die Todes¬ 
fälle nicht ohne Weiteres dem Tuberculin selbst zuschreiben darf, sondern 
nur berechtigt ist, sie auf ein Gemenge von Glycerin, Albumosen, 
Peptonen, specißschen Bestandtheilen = Alttuberculin zu beziehen. 

III. 

Bei einer Reihe meiner Versuchsthiere (1, 3, 4, 5, 6) habe ich 
geprüft, ob sich unter dem Einfluss anhaltender Tuberculinbehandlung 
mittelst der Compleraontbindungsprobe nachweisbare Antikörper bilden. 
Bei der Vornahme dieser Untersuchungen gebrauchte ich die übliche 
Technik. Das zu untersuchende Serum wurde in der Menge von 0,1 ccm 
verwendet. Als Tuberculinmenge wurde 0,025 und 0,05 gewählt. Cöm- 
plement war 0,05 ccm frisches Meerschweinchenserura. Als hämolytisches 
System diente x / 2 ccra einer 5proc. Hammelblutkörperchen-Kochsalzlösung 
plus x / 2 ccm eines Kaninchenseruras, dessen Titer 1 :2000 betrug, in der 
Verdünnung 1 : 750. 

Versuche am 13. 8. 1910 (Serum der Meerschweinchen 4, 5, 6) und am 25. 10. 1910 
(Serum der Meerschweinchen 1 und 3). 


Tuberculin 

Serum 

Complement 

Hämol. Syst. 


0,025 

— 

0,05 

1 ccm 

Lösung 

0,05 

— 

0,05 

1 , 

,do. 

0,025 

0,1 

0,05 

1 „ 

do. 

0,05 

0,1 

0,05 

1 „ 

do. 

— 

0,1 

0,05 

1 „ 

do. 

— 


0,05 

1 „ 

do. 


In keinem der Fälle war eine Hemmung der Hämolyse nachweis¬ 
bar; Tuberculinbehandlung tuberculosfreier Meerschweinchen 
führt nicht zu einer Bildung von Tuberculinantikörpern. 

IV. 

Ich komme nun zu der zweiten Frage, deren Beantwortung Aufgabe 
meiner Experimente war. Hat bei Meerschweinchen eine lange fort¬ 
gesetzte Vorbehandlung mit Tuberculin einen Einfluss auf eine spätere 
experimentelle Tuberculoseinfection? 

Auch hierüber liegen bereits Untersuchungen vor. 

Slatinöau und Danielopolu theilen mit, dass das Tuberculin die Meer¬ 
schweinchen gegen Tuberkelbacillen überempfindlich mache. Die mit Koch’schem 
Alttuberculin vorbehandelten Thiere reagirten nach intracerebraler Einführung von 
Tuberkelbacillen mit schweren Allgemeinerscheinungen und erlagen früher, als die 
Controlthiere. 

Deyke und Much haben sich bei ihren Versuchen zur Immunisirung gegen 
Tuberculose nur zweimal des Alttuberculins bedient (achtmalige, kurz aufeinander¬ 
folgende Injectionen von 0,01 Tuberculin Höchst) und in beiden Fällen eine völlige 
immunisatorische Unwirksamkeit des Alttuberculins erhalten. Ihre weiteren Versuche 
sind mitTuberkelbacilleneinweissstoffen, Mischungen von Nastin undTuberkelbacillen- 
eiweiss und Lecithinauflösungen von Tuberkelbacillen (Tb. L.) angestellt. Während 
sich das Eiweiss immunisatorisch ohne Wirkung zeigte, haben sie mit jener Mischung 
und mit Tb. L. bei einer grösseren Reihe , von Thieren eine Immunisirung erhalten. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13 . Bd. 5 


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Felix Klopstock, 


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Much und Leschke haben durch Vorbehandlung mit Säureaufschliessungen 
des Tuberkelbacillus eine weitgehende Immunisirung auslösen könnon. 

Wolff-Eisner berichtet, dass seine vorbehandelten Thiere die Kraft erlangten, 
Millionen injicirter todter Tuberkelbacillen bis auf ganz vereinzelte Exemplare schon 
innerhalb 14 Tagen völlig aufzulösen. 

Krause, über dessen Versuche ich ja bereits berichtet habe, hat folgende Er¬ 
gebnisse: Sensibilisirung nicht tuberculöser Meerschweinchen mit Tuberkelbacillen- 
eiweiss verändert nicht ihre Resistenz gegen eine experimentelle Tuberculoseinfection. 
Sensibilisirung und relative Immunität (vermehrte Resistenz) gegen eine Infection 
können bei denselben Thieren Zusammentreffen. Die Resistenz gegen eine Infection 
ist zu der Zeit, in welcher die Thiere unter dem Einfluss des anaphylaktischen Shocks 
stehen, merklich herabgesetzt. Es handelt sich jedoch nicht bei seinen Experimenten 
um fortgesetzt mit Alttuberculin behandelte Thiere. 

Es sind von mir insgesammt 11 monatelang tuberculinvorbebandelte 
Thiere einer Infection mit Tuberkelbacillen ausgesetzt worden. Die In¬ 
fection erfolgte durch subcutane Injection von 1 ccm einer Tuberkel- 
bacillenaufschweramung, die sich bereits in anderen Versuchsreihen als 
virulent erwiesen hatte, in die Gegend der Leistenbeuge. Sechs weitere 
Meerschweinchen wurden als Controlthiere benutzt. 

Meerschweinchen 1. 

Vorbehandlung vom 8. 6. bis 2. 11. 1910. Gesammtdosis Tuberculin 24 ccm. 
Infection am 9. 11. 1910. Exitus am 2. 1. 1911. 

Seotion: In der rechten Inguinalfalte eine käsige Drüse, in der linken Inguinal¬ 
falte und der rechten Axilla mehrere geschwollene Drüsen mit käsigen Einsprengungen. 
Milz stark vergrössert, mit geringen fibrinösen Auflagerungen, von leicht marmorirtem 
Aussehen, mit einzelnen stecknadelkopfgrossen Herden. Leber von normaler Grösse, 
braunroth mit wenigen gelbweissen miliaren Herden. Die Lungen weisen sehr zahl¬ 
reiche käsige Herde auf, die zumeist von miliarer Grösse sind. 

Meerschweinchen 3. 

Vorbehandlung vom 9. 6. bis 2. 11. 1910. Gesammtdosis Tuberoulin 24 ccm. 
Infeotion am 9. 11. 1910. Exitus am 14. 3. 1911. 

Section: In den über bohnengrossen Inguinaldrüsen käsige Herde. Milz ziem¬ 
lich stark vergrössert mit einigen infarctartigen Herden. Leber ganz durchsetzt von 
käsigen Herden, die zum Theil gallig imbibirt sind. Das dazwischenstehende Leber¬ 
gewebe unregelmässig gefärbt und von unebener Oberfläche. Lungen mit einzelnen 
stecknadelkopfgrossen bis miliaren weissen Knötchen. 

Meerschweinchen 6. 

Vorbehandlung vom 11. 6. bis 2. 11. 1910. Gesammtdosis Tuberculin 17,2 ccm. 
Infection am 9. 11. 1910. Exitus am 8. 1. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen stark vergrössert, rechts bis zu Haselnussgrösse, mit 
käsigen Herden. Milz ziemlich stark vergrössert mit einzelnen submiliaren Knötchen. 
Leber leicht vergrössert, von braunrother Farbe mit feinen grauweissen Pünktchen 
und fleckweise etwas blasser verfärbten Partien. Beide Lungen von sehr zahlreichen 
grauweissen wie hyalinen Herden durchsetzt, die fleckweise zusammenstehen und in¬ 
einander übergehen. Dazwischen einzelne käsige Herde bis zu miliarer Grösse. 

Meerschweinchen 7. 

Vorbehandlung vom 11. 10. bis 23. 12. 1910. Gesammtdosis Tuberculin 10ccm. 
Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 17. 2. 1911. 


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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 67 

Section: In der linken Bauchmusculatur oberhalb der Leistenbeuge ein etwa 
bohnengrosser Abscess mit käsigem Eiter. Inguinaldrüsen bis Bohnengrösse mit kä¬ 
sigen Einsprengungen. Milz mässig stark vergrössert, von im Allgemeinen braun- 
rother Farbe und mit einigen unregelmässig begrenzten infarctartigen Herden weiter 
mit ganz vereinzelten, gerade sichtbaren Tuberkeln. Leber mit zahlreichen käsigen 
hirsekorn- bis erbsengrossen Herden. Beide Lungen sind von dicht aneinander¬ 
stehenden, zumeist etwa hirsekorngrossen Tuberkeln durchsetzt. 

Meerschweinchen 8. 

Vorbehandlung vom 11.10. bis 23.12. 1910. Gesammtdosis Tuberculin lOccm. 
Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 28. 1. 1911. 

Seotion: Inguinaldrüsen stark vergrössert, mit stecknadelkopf- bis erbsen¬ 
grossen käsigen Herden. Milz stark vergrössert, dunkelroth mit infarctartigen Herden. 
Leber dunkelbraunroth mit ziemlich dicht nebeneinanderstehenden stecknadelkopf¬ 
grossen käsigen Einsprengungen. Die Lungen weisen ganz vereinzelte, etwa miliare 
hyaline Knötchen auf. 

Meerschweinchen 9. 

Vorbehandlung vom 11.10. bis 23.12. 1910. Gesammtdosis Tuberculin lOccm. 
Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 10. 3. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen mit erbsongrossen käsigen Herden. Milz stark ver¬ 
grössert, mit ziemlich zahlreichen kleinen Tuberkeln und unregelmässigen Partien 
hellerer Färbung. Die Leber weist mässig zahlreiche, käsige, gallig imbibirte Herde 
bis zu Bohnengrösse auf. Die Lungen sind von dicht zusammenstehenden, stellen¬ 
weise confluirenden käsigen Herden wechselnder Grösse durchsetzt. 

Meerschweinchen 10. 

Vorbehandlung vom 3. 11. 1910 bis 18. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin 
10 ccm. Infection am 26. 1. 1911. Exitus am 14. 3. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen beiderseits mit käsigen Einsprengungen. Milz mässig 
vergrössert, frei von infarctartigen Herden, mit ganz vereinzelten feinen Tuberkeln. 
Leber mit unregelmässiger Oberfläche von im Allgemeinen braunrother Farbe mit 
etwas helleren, unregelmässig begrenzten Partien; ganz vereinzelte käsige Einspren¬ 
gungen und gerade sichtbare Tuberkel. Lungen von dicht zusammenstehenden steck¬ 
nadelkopf- bis kleinerbsengrossen weissen bis grauweissen Herden durchsetzt. 

Meerschweinchen 11. 

Vorbehandlung vom 3. 11. 1910 bis 18. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin 
10 ccm. Infection am 26. 1. 1911. Exitus am 16. 3. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen beiderseits von über Kirschgrösse mit käsigen Herden. 
Milz stark vergrössert, mit vereinzelten kleinen infarctartigen Partien. Leber von sehr 
unregelmässiger, auf der unteren Fläche höckeriger Oberfläche mit gallig imbibirten 
käsigen Einsprengungen. Die Lungen weisen nur vereinzelte, theils mehr hyaline, 
theils mehr käsige Knötchen auf. 

Meerschweinchen 12. 

Vorbehandlung vom 3. 11. 1910 bis 18. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin 
10 ccm. Infection am 26. 1. 1911. Exitus am 17. 3. 1911. 

Seotion: Inguinaldrüsen theils verkäst, theils mit käsigen Einsprengungen. 
Milz mässig vergrössert, mit grossen infarctartigen Herden, die die Hälfte der Ober¬ 
fläche einnehmen. Leber ganz durchsetzt von unregelmässig begrenzten, vielfach con¬ 
fluirenden, theils gelbweissen, theils gallig gefärbten Herden. In den Lungen nur 
vereinzelte stecknadelkopfgrosse, theils hyaline, theils weiss erscheinende Tuberkel. 

5 * 


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Felix Klopstock, 


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Meerschweinchen 14. 

Vorbehandlung vom 15. 11. 1910 bis 31. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin 
15 ccm. Infection am 10. 2. 1911. Exitus am 5. 10. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen mit nur wenigen käsigen Einsprengungen. Milz sehr 
stark vergrössert, von dunkelbraunrotherFärbung, mit einzelnen weissen infarctartigen 
Herden und ausserdem miliaren Knötchen. Leber von gelbbraunrother Farbe, leicht 
höckeriger Oberfläche mit käsigen Herden durchsetzt, die sie theils fein gesprenkelt 
erscheinen lassen, theils bis zu Kirschkerngrösse gehen und vereinzelt gallig imbibirt 
sind. Lungen mit zahlreichen hyalinen Knötchen, die theilweise confluiron. Bronchial¬ 
drüsen mit käsigen Einsprengungen. 

Meerschweinchen 17. 

Vorbehandlung vom 28. 12. 1910 bis 31. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin 
7 ccm. Infection am 10. 2. 1911. Exitus am 12. 5. 1911. 

Section: Rechte Inguinaldrüse von fast Pflaumengrösse, mit bröckligem, kä¬ 
sigem Eiter gefüllt. Die anderen Inguinaldrüsen und Axillardrüsen mit käsigen Ein¬ 
sprengungen. Milz mässig stark vergrössert, mit leicht marmorirtem Aussehen und 
einzelnen deutlich abgrenzbaren grauweissen Knötchen. Mesenterium von kirschkern- 
grossen käsigen Herden durchsetzt. Leber mit sehr zahlreichen submiliaren grau¬ 
weissen Knötchen. Lungen mit wenig zahlreichen, theils mehr hyaliuon, theils mehr 
käsigen Tuberkeln von etwa miliarer Grösse. 

Controlthiere: Meerschweinchen 13. 

Infection am 9. 11. 1910. Exitus am 4. 2. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen bis zu Haselnussgrösse, verkäst. Milz stark ver¬ 
grössert mit miliaren und submiliaren Tuberkeln und grossen unregelmässig be¬ 
grenzten infarctartigen Herden. Leber von leicht höckeriger Oberfläche mit sehr zahl¬ 
reichen gelbweissen bis gallig grünen Herden von unregelmässiger Figur und 
wechselnder Grösse. Lungen von miliaren Tuberkeln und käsigen Herden durchsetzt. 

Meerschweinchen 18. 

Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 13. 3. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen theils verkäst, theils mit käsigen Einsprengungen. 
Milz stark vergrössert, mit mässig zahlreichen, feinen Tuberkeln. Leber mit theils 
gelbweissen, theils gallig imbibirten Herden von wechselnder Grösse und unregel¬ 
mässiger Gestalt. Die Lungen sind von zahlreichen Stecknadelknopf- bis erbsen¬ 
grossen käsigen Herden durchsetzt. 

Meerschweinchen 19. 

Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 18. 2. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen beiderseits bohnengross, verkäst. Milz sehr stark ver¬ 
grössert, von zahlreichen weissen infarktartigen Herden durchsetzt. Leber von hell- 
braunröthlicher Färbung, dicht durchsetzt von weissen Herden, die Stecknadel¬ 
spitze- bis Hanfkorngrösse haben und stellenweise dicht zusammenstehen, Lungen 
mit zahlreichen weissen Knötchen; im rechten Unterlappen unregelmässig geformte, 
grössere käsige Herde, Lungengewebe ringsum derb, luftleer, marmorirt. 

Meerschweinchen 20. 

Infection am 26. 1. 1911. Exitus am 18. 3. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen von Bohnengrösse, theils verkäst, theils mit käsigen 
Einsprengungen. Milz mit grossen infarktartigen Herden. Leber von zahlreichen kä¬ 
sigen Partien von ungefähr Erbsengrösse durchsetzt. Lungen mit mässig zahlreichen 
theils mehr hyalinen, theils mehr käsigen Knötchen. 


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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberoulosefreio Meerschweinchen etc. 69 


Meerschweinchen 21. 

Infeotion am 26. 1. 1911. Exitus am 13. 3. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen von Bohnengrösse, verkäst. Milz von unregelmässig 
geformten, weissen infarctartigen Herden durchsetzt, zwischen denen neben unverän¬ 
derten hämorrhagisch inficirte Partien stehen. Leber mit sehr zahlreichen, bis zur 
Hanfkorngrösse gehenden weissen Einsprengungen. Beide Lungen von sehr zahlreichen 
Tuberkeln durchsetzt. 

Meerschweinchen 22. 

Infection am 10. 2. 1911. Exitus am 4. 3. 1911. 

Section: Inguinaldrüsen kirschkerngross, käsig. Milz leicht vergrössert, mit 
zahlreichen submiliaren Tuberkeln. Leber von zahllosen meistStecknadelkopfgrösse auf¬ 
weisenden weissen Herden durchsetzt, die der Leber ein fein geflecktes Aussehen geben. 
Lungen mit nur ganz vereinzelten subrailiaren Knötchen. Eine Bronchialdrüse verkäst. 

Das Ergebniss dieser Versuche ist somit folgendes: Auch eine monate¬ 
lang fortgesetzte Tuberculinbehandlung gewährt keinen Schutz gegen eine 
spätere experimentelle Tuberculoseinfection. Der Ablauf der Tuberculose 
der vorbehandelten Thiere ist der gewöhnliche und nicht von dem der 
Controlthiere verschieden. Das Sectionsergebniss, die Localisation der 
Tuberculose und die Art der tuberculösen Erkrankung stimmt mit dem 
der gewöhnlichen experimentellen Meerschweinehentuberculose überein. 
Nur bei Thier 14 war der Ablauf der Tuberculose ein etwas verzögerter. 

V. 

Bei einer Reihe meiner Versuchsthiere habe ich weiterhin untersucht, 
ob die Tuberculinvorbehandlung die Tuberculinempfindiiehkeit des inficirten 
Thieres beeinflusst, d. h. ob die inficirten, vorbehandelten Meerschweinchen 
die gleiche Tuberculinempfindiiehkeit besitzen, wie nicht vorbehandelte 
tuberculoseinficirte Thiere. Ich habe mich hierbei der subcutanen Injection 
von 1 ccm Alttuberculin bedient, die nach allen Erfahrungen bei tuber- 
culoseinficirten Meerschweinchen als mehrfach tödtliche Dosis anzusehen ist. 

Meerschweinchen 3. 

Vorbehandlung vom 9. 6. bis 2. 11. 1910. Infection am 9. 11. 1910. Injection 
von 1 ccm Tuberculin am 26. 11. 1910. Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 
Exitus am 14. 3. 1911 an allgemeiner Tuberculose. 

Meerschweinchen 6. 

Vorbehandlung vom 11. 6. bis 2. 11. 1910. Infection am 9. 11. 1910. Injection 
von 1 ccm Tuberculin am 19. 11. 1910. Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar. 
Exitus am 8. 1. 1911 an allgemeiner Tuberculose. 

Meerschweinchen 8. 

Vorbehandlung vom 11. 10. bis 23. 12. 1910. Infection am 30. 12. 1910. In¬ 
jection von 1 ccm Tuberculin am 27. 1. 1911. Exitus am 28. 1. 1911. 

Meerschweinchen 11. 

Vorbehandlung vom 3. 11. 1910 bis 18. 1. 1911. Infection am 26. 1. 1911. In¬ 
jection von 1 ccm Tuberculin am 15. 3. Exitus am 16. 3. 1911. 

Meerschweinchen 14. 

Vorbehandlung vom 15. 11. 1910 bis 31. 1. 1911. Infection am 10. 2. 1911. 
Injection von 1 ccm Tuberculin am 28. 2. 1911. Kein Einfluss des Tuberculins nach¬ 
weisbar. Exitus am 5. 10. 1911. 


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70 


Felix Klopstock, 


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Meerschweinchen 17. 

Vorbehandlung vom 28. 12. 1910 bis 31. 1. 1912. Infection am 10. 2. 1911. 
Injection von 1 ccm Tuberculin am 25. 3. Kein Einfluss des Tuberoulins nachweisbar. 
Exitus am 12. 5. 1911. 

Es haben somit 4 von 6 Thieren auf der Höhe der tuberculösen 
Infection 1 ccm Tuberculin subcutan ohne wesentliche Reaction ver¬ 
tragen, d. h. sind nicht innerhalb 2 X 24 Stunden gestorben. Die Vor¬ 
behandlung mit Tuberculin hat bei einer Reihe von Thieren zu einer 
Aufhebung der Tuberculinempfindlichkeit geführt, während die Resistenz 
gegenüber den Tuberkelbacillen nicht verändert worden ist. 

Herabsetzung der Tuberculinempfindlichkeit und Resistenz gegen 
Tuberkelbacillen gehen nicht etwa parallel: Deyke und Much erhielten 
durch Vorbehandlung mit Tb. L. ein Thier, das gegen Tuberculose immun, 
aber in hohem Grade tuberculinempfindlich war. In gleicher Weise erzeugten 
Much und Leschke durch Vorbehandlung mit den Säureaufschliessungen 
des Tuberkelbacillus weitgehend immune, aber tuberculinhocherapfindliche 
Thiere. Vorbehandlung mit Alttuberculin ruft dagegen Herabsetzung der 
Giftempfindlichkeit, aber keine Immunität gegen Tuberculose hervor. 

VI. 

Letzter Gegenstand meiner Untersuchungen war, ob bei tuberculose- 
inficirten tuberculinvorbehandelten Thieren complementbindende Stoffe im 
Serum nachweisbar sind. Die Untersuchung erfolgte in gleicher Weise, 
wie sie in III beschrieben worden ist. 

Versuche am 2. 12. 1910 (Serum der Thiere 1 und 6) und am 13. 1. 1911 
(Serum der Thiere 7, 8, 9). 


Tuberculin 

Serum 

Complement 

Hämolyt. Syst. 


0,025 

— 

0,05 

1 ccm 

Lösung 

0,05 

— 

0,05 

1 , 

do. 

0,1 

— 

0,05 

1 , 

do. 

0,025 

0,1 

0,05 

1 . 

do. 

0,05 

0,1 

0,05 

1 , 

do. 

oa 

0,1 

0,05 

1 „ 

do. 

— 

0,1 

0,05 

1 „ 

do. 

— 

— 

0,05 

1 , 

do. 


Wiederum war in keinem Falle eine Bildung von Antikörpern nach¬ 
weisbar. 


Ich kann die Resultate dieser Versuchsreihen wie folgt zusammenfassen: 

1. Wiederholte subcutane Injectionen von Alttuberculin bei einer An¬ 
fangsdosis von 0,1 bis 5 ccm, bei einer Gesammtdosis bis zu 26 ccm, 
bei einem Intervall von y 2 bis 4 Wochen rufen bei der überragenden 
Mehrzahl der Meerschweinchen (15 von 21 Thieren) keine wesentliche 
Reaction hervor. Bei einer Minderzahl (6 von 21 Thieren) erfolgte der 
Exitus. Bei 3 von diesen Thieren ergab die Section einen leichten Darra- 
katarrh und starke Injection der Serosa des unteren Darmabschnitts, 
während bei 2 Thieren der Tod an einer Peritonitis erfolgte. 

2. Auch monatelange Vorbehandlung mit Tuberculin erhöht nicht 
die Resistenz gegenüber einer experimentellen Tuberkelbacilleninfection. 


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Ueber die Wirkung des Tuberoulins auf tuberoulosefreie Meerschweinchen etc. 71 


Die vorbehandelten Thiere erliegen der Infection, ohne dass im Ablauf 
der Tuberoulose und dem Sectionsergebniss ein Unterschied gegenüber den 
Controlthieren bestände. Die Tuberculinempfindlichkeit der vorbehandelten, 
später inficirten Thiere ist jedoch wesentlich herabgesetzt. 4 von 6 Thieren 
vertrugen auf der Höhe der tuberculösen Infection subcutane Injection von 
1 ccm Alttuberculin. 

3. Wiederholte Tuberculingaben rufen bei gesunden Meerschweinchen 
keine Antikörperbildung hervor. Tuberculinvorbehandelte tuberculose- 
inficirte Meerschweinchen weisen keine mittels der Complementbindungs- 
probe nachweisbare Antikörper auf. 

Nachtrag. 

In der Zeitschr. f. Hygiene, ßd. 70, H. 1, die erst nach Abschluss 
meiner Arbeit erschienen ist, sucht Geibel aus dem Landmann’schen 
Laboratorium den Nachweis zu führen, dass Tuberculin auch für den ge¬ 
sunden Organismus nicht gleichgültig ist. Er zeigt in der That, dass 
die Landmann’schen Präparate Tuberculol B und C auf Meerschweinchen 
eine Giftwirkung entfalten können, ist jedoch nicht berechtigt, von diesen 
Präparaten, die nach anderer Methodik durch fractionirte Destillation 
entfetteter, zerkleinerter TuberkeUwtcfllen hergestellt sind, irgend welche 
Schlüsse auf die Giftwirkung von Alttuberculin Koch zu ziehen. 


Literatur. 

Baldwin, Studios from the Saranac laboratory for the study of tuberculosis. 1904 
bis 1910. 

Calmette, Petit und Breton, Compt. rend. soc. biol. 1907. 

Deycke und Much, Beitr. z. Klinik d. Tuberc. Bd. 15. 

Joseph, Beitr. z. Klinik d. Tuberc. Bd. 17. 

Krause, Allen K., Studies from the Saränac laboratory for the study of tubercu¬ 
losis. 1911. 

Kraus und Volk, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 6. 

Marie und Tiffman, Compt. rend. soc. biol. 1908. 

Much und Leschke, Beitr. z Klinik d. Tuberc. Bd. 20. 

Novothny, Zeitsohr. f. Immunitatsforsch. Bd. 3. 

Orsini, Zeitsohr. f. Immunitätsforsch. Bd. 5. 

Röpke, Beitr. z. Klinik d. Tuberc. Bd. 18. 

Rosenau und Anderson, Hyg. Labor. Bullet. Washington 1907. 

Ruppel und Rickmann, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 6. 

Schittenhelm und Weichardt, Deutsche med. Wochenschr. 1911. 

Dieselben, Münch, med. Wochenschr. 1910. No. 34. 

Dieselben, Centralbl. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Stoffwechsels. 1910. 
Simon, Zeitsohr. f. Immunitätsforsch. Bd. 4. 

Slatineau und Danielopolu, Compt. rend. soc. biol. 1909. 

Wolff-Eisner, Folia serolog. 1910. 

Derselbe, Centralbl. f. Bakteriol. 1904. 


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VI. 


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Aus der medicinischen Klinik zu Greifswald 
(Director: Prof. Dr. Steyrer). 

Klinische und experimentelle Untersuchungen 
über die Function der Niere mit Hülfe der 
Phenolsulfophthaleinprobe. 

Von 

Dr. E. Behrenroth und Dr. L. Frank, 

Assistenzärzten der Klinik. 

(Mit 1 Curve im Text) 


In der Reihe der Methoden, die zur Prüfung der Functionsthätig- 
keit erkrankter Nieren in die Diagnostik eingeführt wurden, haben die 
Untersuchungen über die Ausscheidung körperfremder Substanzen von 
jeher einen breiten Raum beansprucht. Unter diesen sind es dann wieder 
besonders die Farbstoffe gewesen, die eine gewisse Bedeutung erlangt 
und behalten haben, wenn auch'im Wesentlichen nur in Verbindung mit 
der Cystoskopie bezw. dem Uretercnkatheterismus. 

Als ersten dieser Farbstoffe verwendeten Achard und Castaigne 
1899 das Methylenblau, dessen Ausscheidung im Urin 1891 schon 
Ehrlich und Guttmann beobachtet hatten. Absolut zuverlässige Re¬ 
sultate vermochte jedoch diese Probe nicht zu liefern. Der Hauptgrund 
hierfür ist wohl darin zu suchen, dass das Methylenblau nur theilweise 
als Farbstoff, zum Theil aber auch als farbloses Chromogen — Müller 
fand zwei Leukobasen — im Urin ausgeschieden wird. Die Bedingungen, 
unter welchen es zur Bildung dieser Leukoproducte kommt, Hessen sich 
nicht sicher stellen. Dazu kommt die lange Ausscheidungsdauer des 
Farbstoffes, die 1—2 Tage in Anspruch nimmt und deshalb ein Liegen¬ 
lassen des Ureterenkatheters ausschliesst. Berücksichtigt man dann noch, 
dass gelegentlich Nierenreizungen beobachtet wurden (Bugge u. A.), so 
ist es erklärt, warum die Methylenblauprobe eine wesentliche Bedeutung 
nicht erlangen konnte. 

Auch das Rosanilin, das besonders von Lepine und Dreyfus 
als ein geeignetes Hilfsmittel für die functionelle Nierendiagnostik empfohlen 
wurde, konnte sich keinen dauernden Eingang in die Praxis verschaffen, 
obwohl die ausgeschiedene Farbstoffmenge eine colorimetrische Bestim¬ 
mung zuliess. 

Wesentliche Vortheile vor den beiden erwähnten Farbstoffen bot das 
Indigcarmin (indigoschwefelsaures Natrium), das seit seiner Einführung 
durch Völker und Joseph (1904) weiteste Verbreitung und Anwendung 
gefunden hat. Einmal wird es nahezu ausschliesslich durch die Nieren 


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Untersuchungen üb. die Function derNiere mit Hülfe derPhenolsulfophthaleinprobe. 73 


ausgeschieden, denn Speichel, Schweiss, Galle und Stuhlgang bleiben un¬ 
gefärbt. Dann aber kommt es auch nicht, wie beim Methylenblau, zur 
Bildung ungefärbter Derivate, der Farbstoff wird vielmehr nur als solcher 
ausgeschieden. Und schliesslich hat sich das Indigcarmin als eine Sub¬ 
stanz erwiesen, die ohne ungünstige Nebenwirkungen vertragen wird und 
auch nicht im geringsten reizend auf die Nieren einwirkt. R. Hei den- 
hain, der übrigens schon 1878 diesen Farbstoff verwendete und seinen 
Ausscheidungsmodus studirte, fand, dass die Glomeruli der untersuchten 
Nieren ein ungefärbtes Secret lieferten, dass die Farbstoffausscheidung 
demnach ausschliesslich von dem Epithel der Tubuli bestritten wurde. 
In dieser Hinsicht würde sich das Indigcarmin ähnlich verhalten wie die 
Harnsalze, und könnte man infolge dessen diese Methode der Functions¬ 
prüfung als eine physiologische bezeichnen, ein Umstand, durch den der 
Werth der Methode naturgemäss noch wesentlich erhöht wird. Ohne auf 
die günstigen Resultate der Indigcarminprobe hier näher einzugehen, sei 
nur betont, dass sie das Beste bei einseitigen Nierenaffectionen, d. h. bei 
einem Vergleich der Ausscheidungsfähigkeit beider Seiten (Ureterenkathe- 
terismus, Chromocystoskopie) leistet. Wichtig ist, dass sie, wie die 
früher erwähnten Prüfungen, auch eine Reihe von Fehlerquellen hat, wenn 
auch in geringerem Maasse als diese (Veränderung der Farbe durch hoch- 
gestellten Urin, durch Blutbeimengung, durch reflectorische Polyurie, Vor¬ 
aussetzung saurer Reaction des Urins), ja dass sie gelegentlich völlig 
versagt (besonders Nephritis parenchymatosa, mitunter Pyelitiden u. a. m.). 
Dazu kommt, dass sich der Farbstoff zur quantitativen Bestimmung nur 
sehr wenig eignet. 

Angesichts dieser Thatsachen musste es das grösste Interesse erregen, 
als von Seiten amerikanischer Forscher ein Farbstoff empfohlen wurde, 
der sich zur Functionsprüfung besser eignen sollte, als alle bisher an¬ 
gegebenen Substanzen. Es handelt sich um das Phenolsulfophthalein, 
das zuerst von Remsen synthetisch dargestellt wurde. 


C 6 h 4 


c^<; 

0 


N co / 


C 8 H 4 OH /C c H 4 OH 

C^Otl / C —\C 6 H 4 0H 

CeH« 0 

x so/ 

Phenolphthalein. Phenolsulfophthalein. 

Nach Sohon, dem Schüler Remsen’s, ist dasselbe ein rothes 
krystallinisches Pulver, das sich in Wasser nur wenig, mehr in Alkohol 
und sehr gut in Natriumcarbonatlösungen auflöst. In Aether ist der 
Farbstoff unlöslich. 


Eingehende Untersuchungen über das pharmakologische Verhalten des 
Phenolsolofphthalein wurden von Abel und Rowntree angestellt. Sie fanden, dass 
Subcutaninjectionen von Lösungen des Natriumsalzes reactiouslos vertragen wurden. 
Der Farbstoff kann auch ohne nachtheilige Folgen per os verabfolgt werden, soll 
dabei aber sehr bitter und unangenehm schmecken. Nach einer Gabe von 0,1—0,15 g 
erscheint die Farbe im Verlaufe 1 oder \ l / 2 Stunden im Urin. Derselbe nimmt einen 
gelbrothen bis gelben Farbton an, so lange er sauer ist; macht man den Urin alkalisch, 
so erfolgt sofort der Umschlag zu einer prachtvoll purpurrothen Farbe, ähnlich der 
des Phenolphthalein. Nach subcutaner Application in Mengen von 1,6 ccm einer 
5 proc. Lösung erscheint die Farbe bei gesunden Menschen innerhalb von 10 Minuten 


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E. Behrenroth und L. Frank, 


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im Urin. Im Gegensatz zum Phenolphthalein und seiner Substitutionsproducte aus 
der Halogengruppe, die ohne Rücksicht auf den Ort der Application durch den Darm 
ausgeschieden werden, stellten die Autoren fest, dass nur Spuren des Farbstoffes 
im Koth nachgewiesen werden konnten, dass der Farbstoff danach fast auschliess- 
lich durch die Nieren den Körper verlässt. Sie nehmen wohl mit Recht an, 
dass durch die Anwesenheit der S0 2 -Gruppe die Fähigkeit der Salzgruppe gegeben 
ist und damit die Ausscheidungsmöglichkeit durch die Nieren. Untersuchungen 
am Frosch haben ergeben, dass das Phenolsulfoph thalein wes entlieh nur 
von den Epithelien der Tubuli ausgesohieden wird. Es würde sich demnach 
vielleicht ähnlich verhalten wie das Indigcarmin in Heidenhains Versuchen. Durch 
Untersuchungen an Hunden mit Gallenfisteln fanden sie nach Injection von 1 g des 
Farbstoffes die Galle schon vor Ablauf von 2 Stunden tiefroth gefärbt. Da sich selbst 
bei derartig hohen Dosen im Stuhlgang nur Spuren des Phenols finden, so muss eine 
Resorption des mit der Galle ausgeschiedenen Farbstoffes innerhalb des Darmes er¬ 
folgen. An der Aufnahme scheinen den Versuchen zu Folge alle in Frage kommenden 
Darmabscbnitte betheiligt zu sein. Die Frage, ob der Farbstoff einen ungünstigen 
Einfluss auf die Nieren ausübt, konnten die Untersucher auf Grund ihrer Experimente 
strikt verneinen. Allerdings wirkten hohe Dosen, intravenös angewendet, leicht diure- 
tisch. Auf den äusserst günstigen Eigenschaften des Phenolsulfophthaleins fussend, 
benutzten Rowntree und Geraghty diese Substanz als erste zur functioneilen Nieren¬ 
prüfung. Sie fanden die Angaben über seine Unschädlichkeit vollauf bestätigt, sahen, 
dass sie mit Hilfe des angewendeten Farbstoffes weitgehende Schlüsse auf dieLeistungs- 
fahigkeit der Nieren ziehen konnten und bemerkten ausserdem während ihrer Ver¬ 
suche, dass es sich sehr gut zu colorimetrischen Bestimmungen eignete. 

Die von Rowntree und Geraghty auf Grund zahlreicher Unter¬ 
suchungen am Versuchsthier und am Krankenbett gewonnene Technik 
der Probe ist kurz folgende. 20 Minuten bis 1 / 2 Stunde, ehe die Probe 
angestellt wird, erhält der Kranke 300—400 ccm Wasser zu trinken, um 
auf diese Weise eine genügende Urinausscheidung zu fefen. Dann 
werden 0,00^ g <ks Farbstoffes in tüe Lumbalmusculatur injicirt und die 
Zeit der Application genau bestimmt. Der Patient wird nun katheterisirt 
und nach Abfluss des vorhandenen Urins ein Kölbchen vorgelegt, das 
einen Tropfen 25 proc. NaOH-Lösung enthält. Die Zeit des ersten Auf¬ 
tretens wird wiederum notirt und der Katheter entfernt. Der Untersuchte 
muss dann am Ende der ersten und der zweiten Stunde in besondere 
Gefässe Urin lassen. Die einzelnen Urinportionen werden nach Menge 
und specifischem Gewicht gemessen, danach mit 25 proc. NaOH-Lösung 
alkalisch gemacht und auf 1 Liter aufgefüllt. Die nothwendige Menge 
wird dann filtrirt und mit einer Testlösung verglichen. Als Standard¬ 
lösung verwendeten die Untersucher eine Lösung von 0,003 g des Farb¬ 
stoffes in 1 Liter Wasser, das mit wenigen Tropfen 25 proc. Natronlauge 
alkalisch gemacht wird. Diese Lösung soll farbbeständig sein, so dass 
sie für zahlreiche Versuche angewendet werden kann. Als Colorimeter diente 
Rowntree und Geraghty das von Dubosq angegebene Instrument. 
Da die Urinmengen, die nach einer Stunde ausgeschieden wurden, relativ 
gering sind und somit die Verdünnung mit destillirtem Wasser eine 
relativ grosse, so stört selbst hochgestellter Urin das Ablesungsresultat 
kaum. Für den Fall, dass die Eigenfarbe des Urins stören sollte (wir 
fanden das bei zahlreichen eigenen Versuchen nie) geben die Autoren 
zwei bequeme Wege an, diese Schwierigkeit zu umgehen. Entweder be- 


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Untersuchungen üb. dieFunction derNiere mit Hülfe derPhenolsulfophthaleinprobe. 75 


diene man sich einer Urinlösung des Farbstoffes als Standardlösung oder 
man verwendet Bleiacetat, um die störenden Stoffe zu beseitigen. Durch 
diese Fällung wird allerdings etwas Farbstoff gleichzeitig niedergeschlagen 
und dadurch das Ablesungsresultat, wenn auch nur wenig, getrübt. 

Normaler Weise werden bei Subcutaninjection von 6 mg Farbstoff 
die ersten Spuren zwischen 5 und 11 Minuten ausgeschieden, beträgt die 
procentuale Ausscheidung nach Ablauf einer Stunde 40—60 pCt. und 
nach der zweiten Stunde 20—25 pCt., so dass beim Gesunden die Ge- 
sammtausscheidung nach 2 Stunden zwischen 60 und 85 pCt. schwankt. 
Dabei macht man die Erfahrung, dass kein Abhängigkeitsverhältniss be¬ 
steht zwischen ausgeschiedener Farbstoff- und Urinraenge, dass vielmehr 
beim Nierengesunden der Urin um so mehr Farbe enthält, in je geringerer 
Menge er ausgeschieden wird. Seit dem Bekanntwerden der Arbeiten der 
amerikanischen Forscher sind nur wenige Nachprüfungen vorgenommen 
Worden. 

Wesentlich auf dem Boden der ursprünglich angegebenen Methode 
steht Sehrt, der gute Resultate erzielte auch ohne die Patienten zu 
katheterisiren. Insbesondere fand er die Angabe der Autoren bestätigt, 
dass schon nach Ablauf zweier Stunden ein Urtheil über die Functions¬ 
tüchtigkeit einer oder beider Nieren abgegeben werden kann. Auch 
Deutsch sieht vom Katheterisiren ab, doch dehnt er die Beobachtungs¬ 
zeit auf das Doppelte aus und verzichtet gleichzeitig auf die erste Be¬ 
stimmung, wann es zum Erscheinen des Farbstoffes im Urin kommt. Als 
Injectionsort wählt er die tiefe Oberschenkelmusculatur. Die kurze Zu¬ 
sammenfassung seiner Untersuchungsergebnisse lautet: „Die anatomischen 
und functioneilen Schädigungen entsprechen anscheinend den Störungen 
in der Phthaleinausscheidung. Der Farbstoff vermag anzugeben, wie gross 
die Gesammtfunction resp. die Einzelfunction der Nieren ist, was sie in 
maximo leisten kann, und ist dadurch prognostisch und diagnostisch ver- 
werthbar“. 

In jüngster Zeit haben dann Fromme und Rubner die Angaben 
Rowntree und Geraghty’s nachgeprüft. Sie empfehlen intravenöse An¬ 
wendung des Phenolsulfophthaleins und fordern eine dreistündige Beob¬ 
achtungszeit. 

Verlängerung der Beobachtungsdauer hält auch Vogel für noth- 
wendig, der die Methode besonders bei einseitig kranken Nieren an¬ 
wendete. Er bemisst die Zeit der maximalen Ausscheidung auf etwa 
4 Stunden, will sich jedoch zu einer einwandfreien Beurtheilung der 
Nierenarbeit nicht mit dem begnügen, was die Nieren innerhalb einer be¬ 
grenzten Zeit leisten, nach ihm ist allein die Menge der Gesamrat- 
ausscheidung ausschlaggebend. Vogel ist der Meinung, dass die Haupt¬ 
frage nach der Arbeitsleistung jeder der beiden Nieren sowie nach der 
Gesammtausscheidung durch die Methode in glänzender Weise gelöst 
werden. Er hat sich deshalb bei der chirurgischen Therapie allein vom 
Ausfall der Phonolprobe leiten lassen, ohne auch nur einen Misserfolg 
verzeichnen zu müssen. 

Nach Abschluss unserer gemeinsamen Untersuchungen haben dann 
auch Autenricth und Funk noch ihre Resultate mitgetheilt. Bei selbst 


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E. Behrenroth und L. Frank, 


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ganz geringgradigen Nicrenveränderungcn finden sie eine erhebliche Minder¬ 
ausscheidung der erkrankten Niere innerhalb der ersten beiden Stunden. 
Dehnten sie die Beobachtungsdauer aus, so konnten sie feststellen, dass 
sich die Unterschiede mehr verwischten. Sie schliessen daraus wohl mit 
Recht, dass 1—2 Stunden Dauer der Controle vollauf genügt; ja sie halten 
für die leichteren Fälle 1 Stunde Beobachtungszeit für vollständig aus¬ 
reichend. Werthe, welche Autenrieth und Funk bei Nierenkranken 
fanden, entsprechen wie die bei Gesunden berechneten absolut den An¬ 
gaben der Amerikaner. 

Bei unseren eigenen Untersuchungen sind wir wesentlich der ursprüng¬ 
lich angegebenen Technik gefolgt und haben keinen Anlass gesehen, er¬ 
heblich von der Originalmethode abzugehen. Wir gehen jetzt in der Weise 
vor, dass wir den Patienten 0,006 g Phenolsulfophthalein tief in die 
Glutaealmusculatur injiciren. Nur in seltenen Fällen, wo eino starke 
Oligurie ausgesprochen ist, verabreichten wir den Betreffenden Flüssig¬ 
keit vor dem Versuch. Da wir nur gröberen Schwankungen in dem Er¬ 
scheinen des Farbstoffes im Urin einige Bedeutung beiraessen, sehen wir 
auch in der Regel von der Einführung eines Katheters ab, wenden den¬ 
selben vielmehr bei Frauen und solchen Kranken an, die in Folge psychischer 
Hemmung Schwierigkeiten haben, in den geforderten Pausen zu uriniren. 
Wir weisen die Kranken im Uebrigen an, nach 5, 8, 10, 12 Minuten 
Urin zu lassen und führen den Katheter nur dann noch ein, wenn die 
Farbstoffausscheidung verzögert ist. In das Uringlas oder die betreffende 
Vorlage werden einige Tropfen 25proc. Natronlauge hineingegeben. Nach¬ 
dem das erste Erscheinen des Farbstoffes notirt ist, erhält der Kranke 
zwei Gläser, in die er nach Ablauf der ersten und der zweiten Stunde 
seinen Harn entleert. Menge und specifisches Gewicht werden dann be¬ 
stimmt und danach erst die Menge dos ausgeschiedenen Farbstoffes. 
Hierbei wird darauf geachtet, dass nicht unnöthige Farbverluste eintreten 
durch Benutzen der Vorlage, die die ersten Farbspuren enthält, durch 
sauberes Abspülen des Schwimmers und der Gefässe mit destillirtem 
Wasser. Die so erhaltenen beiden Flüssigkeitsquanten werden durch ge¬ 
nügend 25proc. Natronlauge alkalisch gemacht und nun beide Mengen 
mit destillirtem Wasser auf 1 Liter aufgefüllt. Man hat dann zur colori- 
metrischen Bestimmung dieser frischen Farbstofflösungen meist gar nicht 
erst nöthig, zu filtriren, da Trübungen gewöhnlich später auftreten. Nöthigt 
sehr starke Eigenfarbe des Urins zum Beseitigen derselben mit Bleiacetat, 
so muss man das in saurem Urin thun, da sonst leicht wesentliche Ver¬ 
luste das Resultat beeinträchtigen. Ist man aus äusseren Gründen ver¬ 
hindert, innerhalb kurzer Zeit Bestimmungen vorzunehmen, dann lässt 
man die Urinmengen am besten so stehen, falls dieselben sauer sind 
(goldgelber oder orangefarbener Ton). Anderenfalls empfiehlt es sich, 
wie auch Autenrieth und Funk betonen, den Urin anzusäuern (ver¬ 
dünnte Essig- oder Salzsäure). Lässt man die bereits zum Ablesen ver¬ 
wendbare Lösung stehen, so trübt diese sich sehr bald durch Ausfallen 
von Phosphaten und der Farbstoff verliert dann leicht an Intensität. Zur 
colorimetrischen Bestimmung bedienen wir uns des von Dubosq ange¬ 
gebenen Instrumentes, das auch Rowntrce und Geraghty benutzen. 


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Untersuchungen üb. dieFunction derNiere mit Hülfe der Phenolsulfophthaleinprobe. 77 


Die schon früher erwähnten Nachuntersucher verwendeten den Auten- 
rieth-Königsberger’schen Apparat, der auf der Farbkeilraethode beruht. 
Das Dubosq’sche Colorimeter hat den Nachtheil, dass es theuer ist; es 
gestattet im Uebrigen aber sehr genaue Ablesungen, aus denen durch 
eine leichte Berechnung die Procentzahl zu ermitteln ist. Steht z. B. die 
Testlösung auf 10 und liest man auf der Vergleichsseite 25 ab, dann 
ergiebt der folgende Bruch die gewünschte Zahl in Procenten 10 X 100: 
25 = 40 pCt. Da man nun aber 0,006 g Farbstoff gegeben hat und die 
Testlösung nur 0,003 g enthält, muss noch die Hälfte der gefundenen 
Zahl genommen werden, also 20 pCt. Wir sind, wie erwähnt, mit der 
geschilderten, der Originalmethode nahezu gleichenden Technik sehr gut 
ausgekommen. Unnöthig erscheint uns insbesondere die intravenöse An¬ 
wendung des Phenolsulfophthaleins. Abgesehen von der Erschwerung der 
Methodik, die durch das Aufsuchen der Vene, besonders bei Kindern, 
gegeben ist, erscheint uns die unphysiologische plötzliche Ueberschwemmung 
des Körpers mit dem Farbstoff absolut nicht gleichgültig, wenn Abel 
und Rowntree auch erst bei höheren Dosen z. B. eine diuretische Wir¬ 
kung des Farbstoffes sahen. Auch zur Chromocystoskopie eignet sich 
das Phenolsulfophthalein. Man ist allerdings, um den auftretenden Farb¬ 
stoff sichtbar zu machen, gezwungen, die Blase mit einer alkalischen 
Flüssigkeit zu füllen. Sehrt empfiehlt zu diesem Zwecke 0,2proc. Soda¬ 
oder Boraxlösung. 

Bei der Anordnung, die wir also unseren Versuchen zu Grunde legten, 
sahen wir uns, wie schon oben erwähnt, in keiner Weise genöthigt, von 
der von Rowntree und Geraghty angegebenen Methodik abzuweichen, 
um klinisch brauchbare Resultate zu erlangen. Weder die Verlängerung 
der Beobachtungszeit aul 3 Stunden, noch auch die auf selbst 24 Stunden 
ergab für die Einzelnen Formen der Nephritiden irgend welche Vortheile 
für die Feststellung der Diagnose und da die Farbstoffausscheidung nach 
2 Stunden praktisch als vollendet angesehen werden kann, so erschien uns 
denn auch diese Zeit ausreichend, um aus den in diesem Zeitabschnitt 
gewonnenen Resultaten der Farbstoffausscheidung sichere Schlüsse auf 
die Schwere und Ausdehnung der jeweilig vorliegenden Erkrankung zu 
machen. Von dem Verhältnis der ausgeschiedenen Farbstoffmenge der 
ersten Stunde zu dem der zweiten soll später noch ausführlicher ge¬ 
sprochen werden. 

Die Resultate, welche bisher die experimentellen Untersuchungen 
über die Function der einzelnen Theile der Nieren ergaben, haben noch 
immer nicht für die Absonderung der verschiedenen Hambestandtheilo 
zu sicheren Ergebnissen geführt. Auch die klinische Beobachtung konnte 
in Folge dos so häufig gefundenen Missverhältnisses zwischen Function der 
Niere und dem vorliegenden pathologisch-anatomischen Befunde weitere 
Aufklärung in dieser Beziehung nicht bringen. Wenn wir hier die zur 
Zeit herrschende Anschauung über die Function der einzelnen Nieren¬ 
abschnitte kurz anführen, so können wir Folgendes sagen: Die Aus¬ 
scheidung des Wassers wird meist den Glomerulis zugeschrieben, doch 
muss hierbei sicher auch dem im Blutgefässsystem herrschenden Druck 
für das quantitative Verhalten des Harnwassers eine wichtige Rolle zu- 


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E. Behrenroth und L. Frank, 


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erkannt werden. Nach den grundlegenden Arbeiten der Romberg’schen 
Schule, vor Allem Schlayer’s und seiner Mitarbeiter, scheinen die Glo- 
meruli es auch zu sein, welche für die Ausscheidung des Milchzuckers 
Sorge zu tragen haben. Kochsalz wird nach der Ansicht dieser Autoren 
ebenso wie Jodkali allein durch die Tubuli ausgeschieden, so dass sie aus 
dem Grad der mehr oder weniger guten Ausscheidung des Salzes einen 
directen Rückschluss auf den Umfang der bestehenden Tubulusschädigung 
machen zu können glauben. Doch sprechen andere Autoren auch den 
Gloracrulis einen Antheil an der Kochsalzausscheidung zu. Aehnliche 
Ansichten herrschen auch über die Eliminirung des Harnstoffes und nur 
für die Harnsäure wird jetzt wohl von den meisten der Untersucher der 
Ausscheidungsort in die Tubuli verlegt. 

Bei dieser so geringen Ausbeute der Nierenphysiologie lag es na¬ 
türlich nahe, zur weiteren Klärung dieser Verhältnisse experimentell Stoffe 
zu verwenden, deren Ausscheidungsort man kennt und deren Ausschei¬ 
dungszeit gering ist und die ferner möglichst quantitativ ausgeschieden 
werden. Einen solchen Stoff besitzen wir eben in dem Phenolsulfo- 
phthalein. 

Im Folgenden sollen nun auf Grund der klinischen Untersuchungen 
die Resultate mitgetheilt werden, welche sich für die einzelnen Formen 
der Nephritiden ergaben. 

Beginnen möchten wir hier mit der chronischen interstitiellen 
Nephritis. Bei der Reichhaltigkeit unseres klinischen Materials waren 
wir in der Lage, gerade solche Fälle zur Untersuchung heranzuziehen, 
die das klinische Bild der Schrumpfniere in aller Reinheit boten. Es 
handelte sich um Patienten, die bei stark erhöhtem arteriellen Druck 
reichliche Mengen eines nur wenig concentrirten Harnes ausschieden, in 
dem sich Eiweiss in geringer Quantität bis zu 1 pM. und auch morpho¬ 
logisch-pathologische Elemente (hyaline, granulirte Cylinder, Nierenepi- 
thelien) in gleichem Verhältnis fanden. Das orste Erscheinen des Farb¬ 
stoffes erlitt hier durchschnittlich eine* Verzögerung bis zu 22 Minuten. 
Die Gesamratausscheidung dagegen war innerhalb der ersten 2 Stunden 
so gering, dass ihre Menge nur ungefähr 5 pCt. der eingeführten Quan¬ 
tität betrug. Wir mussten also hiernach auf einen ausgedehnten Process 
in den Nieren schlossen, der auch vor allen Dingen die Tubuli in stär¬ 
kerem Maasse betroffen hatte. Das klinische Bild und vor Allem der 
weitere Verlauf der Erkrankungen bestätigten auch meist diese unsere 
Annahme. 

Ein wichtigeres diagnostisches Hilfsmittel wurde uns aber das Phenol- 
sulfophthalein in den Fällen, in denen schwere Erscheinungen von De- 
compcnsation des Herzens bei chronischer interstitieller Nephritis be¬ 
standen. Eine Gegenüberstellung der Resultate der functionellen Unter¬ 
suchung an zwei Patienten, von denen der eine sich im Stadium der 
Decompensation als Zeichen einer primären Herzmuskelerkrankung be¬ 
fand, während der andere die gleichen Symptome infolge einer primären 
interstitiellen Nephritis darbot, mögen dies beweisen. 

I. 0. N., Schlosser, 48 Jahre alt, bot bei seiner Aufnahme in die Klinik das 
Bild schwerster Herzdecompensation. Es bestanden Oedeme an beiden Füssen, Unter- 


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Untersuchungen üb. dieFunction dcrNiere mit Hülfe derPbenolsulfophthaleinprobe. 79 


Schenkeln, Abdomen und Händen, ebenso in der Gegend des Kreuzbeines. Das Herz 
zeigte eine Verbreiterung nach links, der Puls war unregelmässig, klein, beschleunigt, 
die Töne sehr leise. Gerausohe waren über dem ganzen Herzen hörbar, doch war in 
Folge der Decompensation eine genauere Bestimmung der Diagnose eines etwa vor¬ 
handenen Vitiums nicht möglich. Im Abdomen und in der rechten Pleurahöhle war 
Flüssigkeit nachzuweisen. Die Leber überragte um zwei Querfinger den rechten Rippen¬ 
bogen und war auf Druck schmerzhaft (Stauungsleber). Der Urin war in seiner Menge 
und seinem specifisohen Gewicht stark wechselnd; die Menge schwankte zwischen 200 
und 1000 ccm in 24 Stunden. Das specifische Gewicht zwischen 1008 und 1020. Im 
Urin, der Eiweiss in massigen Mengen enthielt (bis zu 1 pM. nach Esbach), fanden 
sich im Sediment vereinzelte granulirte Cylinder. Die functionelle Nierenuntersuchung 
mit Phenolsulfophthalein ergab: erstes Erscheinen des Farbstoffes naoh 12 Minuten, 
Ausscheidung in der ersten Stunde 62 pCt., in der zweiten Stunde 17 pCt.; Werthe, 
die also nur bei Nierengesunden Vorkommen. 

II. G. R., Landarbeiter, 43 Jahre. Bei seiner Aufnahme bestanden bei ihm 
Oedeme an beiden Unterschenkeln, starke Dyspnoe, das Herz zeigt eine Verbreiterung 
nach links, in massigem Grade auch nach rechts. Der Puls war beschleunigt, 
schnellend, die Herztöne unrein, und auch hier wegen der Decompensation eine ge¬ 
nauere Bestimmung der eventuell vorliegenden Klappenveränderungen nicht möglich. 
Die Gefässe zeigten ausserdem noch eine ziemlich starke Arteriosklerose. Im Bauch¬ 
raum war freie Flüssigkeit nachweisbar. Der Urin, dessen Menge zwischen 500 und 
900 ccm in 24 Stunden schwankte, enthielt Eiweiss bis 1 pM. naoh Esbach und 
granulirte und hyaline Cylinder. Die Functionsprüfung mit Phenolsulfophthalein ergab, 
dass der Patient nach intraglutäaler Injection von 0,006 g messbare Mengen nicht 
ausschied. Wir konnten daher bei diesem Patienten, der die ganz gleichen klinischen 
Symptome wie der vorbesprochene zeigte, mit Sicherheit eine schwere Nierenschädigung 
constatiren und mussten nach unseren anderen Befunden annehmen, dass es sich um 
eine chronische interstitielle Nephritis handelte, die secundär zur Decompensation des 
Herzens geführt hatte, denn nur diese Formen der Nephritiden zeigen eine derartig 
geringe Ausscheidung. Die Diagnose wurde auch durch den bald darauf erhobenen 
Autopsiebefund bei dem zweiten Patienten, der im Coma uraemioum starb, bestätigt. 
Die Nieren fanden sich vergrössert und die Rinde stark verschmälert, die Kapsel theil- 
weise adhärent. Auf dem Durchsohnitt überall Blutungen, keine Zeichen von Amyloid 
der Niere. 

Die ausserordentlich geringe Ausscheidung des Phenolsulfophthaleins, 
die wir bei den chronischen Nephritiden feststellen konnten, Hess auch 
in uns die Vermuthung entstehen, dass in diesen Fällen vielleicht ausser 
einer Schädigung der Nieren auch noch die eines anderen Organs, 
nämlich der Leber, vorhanden sein könnte. Ein Verdacht, der bereits 
von Krehl in seiner pathologischen Physiologie bei der Besprechung der 
chronischen Nephritis und Urämie geäussert worden ist. Wenn man sich 
den Kreislauf des Phenolsulfophthaleins im Körper, wie er oben ge¬ 
schildert worden ist, noch einmal vergegenwärtigt, und die Rolle be¬ 
rücksichtigt, die die Leber hierbei spielt, so können wir das Verhalten 
des Farbstoffes sehr wohl als eine Stütze der von Krehl geäusserten 
Vermuthung ansehen. 

Als ein Beispiel dafür, dass die Farbstoffausscheidung dem patho¬ 
logischen Geschehen in den Nieren, soweit wir das aus dem klinischen 
Bilde schliessen dürfen, parallel geht, möge die nachfolgende Curve dienen. 
Dieselbe wurde bei einem 21jährigen Schlächtergesellen M. B. aus Gr. 


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80 E. Bobrenroth and L. “Frank, 

gewonnen, der mit den Symtomen einer acuten schwereu Nephrite 
1 üctiea in die Klinik aüfgenomtpep wurde, Er hatte Starke Qedemean 
den E:aroimt;iten, im Gesicht, am Abdomen, weniger am Thorax Bei 
Urinmemgen von 700 ecr» und einem speei fischen Gewicht von 3 030, 
schied er 12*/,. pM. Eiweiss nach E.sb»c.h aus, Das ungewöhnlich 
reichliche Sediineiit enthielt neben zahllosen Cyiindtin aller Art auch 
Blutkiirpernliencyfindcr, neben massigen Mengen l^pf^ßji. vifel ßlüt; 
Ausserdem fand sieh hei der Aufnahme eihe.,gariz’. : ty*dm Smunisk!erosrt 
am l’etris, iudedentu .Drüäenschweüujignn in beiden Eeistoribe.igeri, efoe 
mässtgn SchwrUujig der Milz .und eine Roseola m.i wn Grades an Brost 
und- Bauch.. Tliter Milchdiät and spe-di-« iwr Behandlung gingen die 
EiwCissmengtm von Wj» pM. auf imr mehr Spuren innerhalb von H Tagen 
zurück. Vom Ih. Tage an war- der (. r nn,vhl!i> trei. Ihe l.'rimnengen 
stiegen iidterhuHi um 8 Tagen yGVj ?uo auf t.kOO m m.sanken daun am. SO., 
,1t.. und 12. Togo wieder inif lüÖ'Ö".hid. 1 toU. Am 17. Tage. wurde eine 
zweite polyurisehe. Zacke mit 2000 ccm erreichl, und erst vom 20. bis 



21. Tage an stellten sich die Nieren wiederum auf constante und Durch- 
sqhnittswecrhe ein. 'Würde man also die Gum bevverthen, wie Se Player 
dies bei seinen e-cpcrimcDtelJen Nephritiden that, so hatte man nach einem 
Stadium der veberempfiridlichkeit mit Polyurie am 8. Tage eine kurze 
Phase der pseudononnalen Einstellung bezw. der beginnenden Enter? 
Empfindlichkeit" arn 10, II. um! 12. Tage, der dann allerdings nicht die 
Amme, sondern nach einem abermaligen polyunschön Anstieg am steh* 
Ztdiriten Krankheitstage der normale Aiiyrherdungsmodus, die Reparation 
Plana machte. Die. FarhsblTausseheidtaig betrog am ö, Krankluviislage 
bei einer l rinmenge- von 1000 und 4 pMT Eiweiss, nur ■ 30,47 pCt. Web 
Ablauf zweier Stunden. Eine Wiederholung der Probe am 21. Tage, zu 
; etjtdt Zeit also, wo bei v Cd tigern Mmblbelindcff des tihretÄuchfeft die' Er* 
scheinungen der Nephritis abgeklungen waren, ergab die . 'Gestimmt-' 
ansse.beidijng 61,7 pG’. erreichte damit also kaum dm -untere Grenze, 
dessen,was wir als normal anzusoben gewohnt sind. Dass die Nieren 
zu dieser Zeit ketrmswvgs schon out er optnuntetj Bedingungen mbeiiefen, 
zeigie. eine dritte- Prüfung, die 10 Tage spater vorgenoummn wurde und 
tdneri A Hssrlteid ungswerth von 70,88 pCi. ergab. 


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Untersuchungen üb. die Function der Niere mit Hülfe derPhenolsulfophthaleinprobe. 81 

• 

Für die acuten parenchymatösen Nephritiden fanden wir 
denn auch in allen übrigen Fällen den gleichen Modus der eben be¬ 
schriebenen Ausscheidung. Als besonders bemerkenswert!) für die Emp¬ 
findlichkeit der functionellen Prüfung mit Phenolsulfophthalein, die eine 
Schädigung der Nieren bereits erkennen lässt, wenn noch alle klinischen 
Symptome fehlen, möchten wir noch folgenden Fall anführen. Es handelte 
sich um einen 14 jährigen Schüler L. B., der nach einem mittelschweren 
Scharlach, obwohl im Urin weder Eiweiss noch morphologische Bestand¬ 
teile nachzuweisen waren, nur eine Ausscheidung von 40,4 pCt. zeigte, 
also einen Werth, der bereits unterhalb der Grenze des Normalen stand. 
Ausserdem fand sich auch ein Verhalten des Farbstoffes, das wir nur in 
pathologischen Fällen zu beobachten Gelegenheit hatten. Es wurde näm¬ 
lich in der zweiten Stunde die gleiche Menge wie in der ersten aus¬ 
geschieden, während sonst in normalen Fällen die Ausscheidung der ersten 
Stunde die der zweiten um 10, ja bis zu 30 pCt. übertrifft. Bei diesem 
Knaben setzte dann ungefähr 8 bis 10 Tage später eine Scharlach¬ 
nephritis ein, die ungefähr 3 Wochen bestand. Leider standen keine 
weiteren Fälle, bei denen ähnliche Beobachtungen möglich gewären wären, 
zur Verfügung. ' 

Die Prüfung die wir mit Diureticis und deren Einfluss auf die 
Ausscheidung des Farbstoffes Vornahmen, ergab an Nierengesunden keine 
Vermehrung der Menge, in Bezug auf die Gesammtquantität der Aus¬ 
scheidung innerhalb 2 Stunden. Doch schien die Zeit des ersten Er¬ 
scheinens des Farbstoffes im Urin abgekürzt zu sein. 

Herausheben möchten wir aus den übrigen parenchymatösen Nephri¬ 
tiden wegen ihres anderen pathologisch-anatomischen Befundes die Schar¬ 
lachnephritis. Untersuchungen, die in dieser Hinsicht an Scharlach¬ 
kranken vorgenommen wurden, Hessen jedoch eine Veränderung in der 
Ausscheidung des Farbstoffes nicht erkennen, sondern auch hier ging die 
Ausscheidungsmenge der Schwere der klinischen Erscheinungen parallel. 

Eine sichere diagnostische Stütze war uns dann auch der Farbstoff 
bei der functionellen Prüfung einseitiger Nierenerkrankungen mit 
Hülfe des Ureterenkatheterismus. Wir verfuhren dabei so, dass wir die 
Ureterenkatheter während zweier Stunden liegen Hessen, die ausgeschiedene 
Urinportion jeder Niere wurde dann auf nur 500 ccm aufgefüllt und von 
jedem Theile der darin enthaltene Farbstoff colorimetrisch bestimmt. Zur 
Feststellung der Gesammtausscheidung wurden dann beide Mengen zu¬ 
sammengegossen und noch einmal die ausgeschiedenen Mengen mit dem 
Dubosq’schen Apparat gemessen. Wir gelangten dann natürlich zu den 
gleichen Werthen, wie wenn wir aus der Summe der beiden ersten 
das arithmetische Mittel zogen. Aus dem ersten Resultat ersahen wir 
dann nur das Verhältniss der Ausscheidungen der beiden Nieren zu 
einander. 

Wir prüften dann auch noch das Verhalten des Phenolsulfophthaleins 
bei experimentell erzeugten Nephritiden und zwar an tubulären 
wie auch an vasculären. In der Versuchsanordnung hielten wir uns an 
die Methodik, wie sie von Schlayer und Takayasu in ihrer Arbeit 
„Untersuchungen über die Function kranker Nieren“ angewandt worden ist. 

Zeitschrift f. «xp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. g 


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82 E. ßehrenroth und L. Frank, 

Wir orientirten uns zuerst an einer grösseren Reihe von normalen 
Kaninchen über den Procentgehalt der Farbstoffausscheidung innerhalb 
der ersten zwei Stunden nach Injection in die Rückenmusculatur. Die 
Werthe, die wir hierbei fanden, schwanken zwischen 40 und 50 pCt. des ge- 
sammten injicirten Phenolsulfophthaleins, dessen Dosis wieder 6 mg betrug. 
Die Thiere erhielten dann von einer 1 proc. Urannitratlösung 1 ccm pro 
Kilogramm Thier intramusculär. Am darauf folgenden Tage war schon 
eine starke Verminderung der Ausscheidungen einer neu eingeführten 
Farbstoffmenge nachzuweisen. Vom zweiten Tage an war dann bei 
Wiederholung des Versuches Farbstoffausscheidung überhaupt nicht mehr 
zu erlangen. Wir sahen also auch hier in Uebereinstimmung mit unseren 
klinischen Befunden die Ausscheidung parallel gehen mit der Schwere 
der Tubulusschädigung, denn in allen diesen Fällen bestand eine aus¬ 
gedehnte tubuläre Nephritis, die schon am zweiten Tage äusserst hoch¬ 
gradig war. Was die vasculären Nephritiden betraf, so konnten wir zu 
einem abschliessenden Urtheil nicht kommen, da die sehr starke Oligurie 
oder Anurie die Wiedererlangung des Farbstoffs verhinderte. Die von 
Schlayer und Takayasu angegebenen Dosen zur Erzeugung der vascu- 
culären Nephritis scheinen auch etwas zu hoch genommen zu sein, denn 
obwohl wir uns stets weit unter der oberen Grenze der von ihnen an¬ 
gegebenen Mengen hielten — es waren dies für Kantharidin bis zu 5,96 mg 
pro Kilogramm Thier — für Arsen bis zu 7,6 mg pro Kilogramm Thier, 
starb doch die Hälfte der Versuchstiere wenige Stunden nach der In¬ 
jection an den Folgen der schweren Allgemeinschädigung und vom zweiten 
Tage nach der Injection Hess sich irgend welche Einwirkung des ein¬ 
geführten Arsens und Kantharidins auf die Farbstoffausscheidung nicht 
mehr feststellen. 

Zusammenfassung. 

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen könnon wir kurz dahin zu¬ 
sammenfassen: 

1. Gegenüber allen anderen Methoden der functionellen Nierendia¬ 
gnostik verdient die Untersuchung mit Phenolsulfophthalein wegen 
ihrer Einfachheit und Zuverlässigkeit den Vorzug. 

2. Während bei der Untersuchung normaler Nieren die in der ersten 
Stunde ausgeschiedene Farbstoffmenge die der zweiten um ein 
Beträchtliches übersteigt, werden in pathologischen Fällen die 
Farbstoffmengen gleich, oder die Ausscheidung in der zweiten 
Stunde ist sogar grösser, als die in der ersten. 

3. Bei der Beurtheilung einseitiger Nierenerkrankungen leistet das 
Phenolsulfophthalein gute Dienste, wenn man nach erfolgtem 
Ureterenkatheterismus die von jeder Niere in zwei Stunden aus¬ 
geschiedenen Farbstoffmengen in Betracht zieht. 

4. Es lassen sich Nierenschädigungen nachweisen, die klinisch in 
Bezug auf Eiweissausscheidung und morphologische Bestandtheile 
keinen pathologischen Befund bieten. 

5. Die Annahme, dass bei chronischer Nephritis ausser der Schädigung 
der Niere auch eine Leberschädigung vorhanden ist, wird durch 
das Verhalten des Phenolsulfophthaleins wahrscheinlich gemacht 


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Untersuchungen üb. dieFunction derNiere mit Hülfe derPhcnolsulfophthaleinprobe. 83 


Literatur. 

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2. Dreyfus, Ibidem. Ref. Centralbl. f. inn. Med. 1898. 

3. Müller, Fr., Ueber die Ausscheidung de's Methylenblau durch die Nieren. 
Deutsches Arch. f. klin. Med. 1899. Bd. 63. 

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nation provoqu^e. Paris 1900. 

5. Bugge, Sur Pimportance diagnostique des injections de bleu de methylene dans 
les affections des reins. Norsk. Mag. f. Laegevidensk. Christiania 1901. 

6. Voelker und Joseph, Functionelle Nierendiagnostik ohne Ureterenkatheter. 
Münch, med. Wochenschr. 1903. 

7. Dieselben, Ueber Chromooystoskopie. Deutsche med. Wochenschr. 1904. 

8. Abel und Rowntree, On the pharmacological action of some phthaleins and 
their derivates etc. The Journ. of pharmacol. and experim. therapeut. 1909/10. 
Vol. 1. p. 231. 

9. Remsen, Americ. chem. journ. Vol. 6. p. 280.. 

10. Sohon, Ibidem. Vol. 20. p. 257. 

11. Rowntree und Geraghty, An experimental and clinical study of the functional 
activity of the kidneys by means of phenolsulphophthalein. The Journ. of phar- 
macology and experim. therapeut. 1909/10. Vol. 1. p. 579. 

12. Krehl, Pathologische Physiologie. 

13. Heubner, Lehrbuch der Kinderkrankheiten. 

14. Sohlayer und Takayasu, Untersuchungen über die Function kranker Nieren. 
Deutsches Arch. f. klin. Med. 

15. Fromme und Rubner, Ueber die Bedeutung der Phenolsulfophthaleinprobe 
zur Prüfung der Function der Nieren. Berliner klin. Wochenschr. 1912. No. 40. 
S. 1889. 

16. Vogel, Das Phenolsulfophthalein in der functionellen Nierendiagnostik. Ebendas. 
No. 46. S. 2172. 

17. Autenrioth und Funk, Ueber einige colorimetrische Bestimmungsmethoden: 
Die nierendiagnostische Methode von Rowntree und Geraghty, die Bestimmung des 
Rhodans im Speichel etc. Münch, med. Wochenschr. 1912. No. 49. S. 2657. 

18. Sehrt, Die Phenolsulfophthaleinmethode zur Bestimmung der Nierenfunction. 
Centralbl. f. Chir. 1912. No. 33. S 1121. 


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VII. 

Aus der II. med. Universitäts-Klinik der Königl. Charit6 zu Berlin. 

Fieber und Chininwirkung im Fieber. 

Von 

Dr. med. Rahel Hirsch, 

Assistentin der Klinik. 

(Mit 2 Abbildungen und 6 Cunren im Text.) 


Einleitung. 

Ehe ich auf die einzelnen historischen Daten der Stoffwechsel¬ 
pathologie des Fiebers eingehe, möchte ich einige Hauptgesioh ts- 
punkte, auf die ich im Einzelnen noch zurückkommen werde, hervor¬ 
heben. 

Während man bis auf Traube die Wärmesteigerung im Fieber 
als Folge vermehrter Wärmebildung angesehen hatte, trat Traube 1 ), 
der ursprünglich auch diese Anschauung vertreten, 1863 mit der Be¬ 
hauptung hervor, dass es sich beim Fieber im Wesentlichen nicht um 
vermehrte Wärmebildung, sondern um verminderte Wärmeabgabe handle; 
letztere komme durch Contraction der kleinen und kleinsten Hautgefässe 
zu Stande. Traube ist auch einer der ersten Forscher gewesen, der ver¬ 
mehrte Harnstoffbildung im Fieber constatirt hat; sie ist aber nach 
ihm nicht StolTwechsclproduct, sondern entsteht durch Oxydation albu- 
minöscr Stoffe im Blute. Die Wärmeproduction wird dadurch wenig 
oder gar nicht beeinflusst. 

Diese neue Traube’sche Theorie entfesselte einen Sturm in der 
wissenschaftlichen Welt und bildet den Ausgangspunkt zahlreicher Stoff¬ 
wechseluntersuchungen. Die Harnstoffvermehrung ist nämlich nach 
Traube auch Ausdruck verminderter Oxydation in den Geweben. 
Für die Wärmeproduction kommen neben den Kohlehydraten noch haupt¬ 
sächlich die Fette in Betracht. Wenn sich auch Traube’s Standpunkt 
in der Verallgemeinerung nicht haltbar erwies, so liegt in der Anregung, 
die er der wissenschaftlichen Welt geschenkt, allein schon grosses Ver¬ 
dienst. 

Liebermeister 2 ) stellte dann auf Grund experimenteller Daten fest, 
dass die Verminderung der Wärmeabgabe innerhalb einer halben 
Stunde noch nicht ausreiche, die Gesamtkörperwärme in dieser Zeit um 
1° zu erhöhen. Fieber ist nach Liebermeister ein Symptomencomplex, 


1) Traube, Allgem. med. Centralztg. 1863, 1864. Ges. Abhandl. Bd. II. 
S. 637, 679. 

2) Liebermeister, Path. u. Therapie des Fiebers. 1875. 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


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der durch veränderte Wärmeregulirung ausgelöst wird. Die Wärme- 
production wird hierdurch über die Norm gesteigert, die Wärmeabgabe 
zwar ebenfalls, aber nicht in dem Maasse wie die Production. „Zum 
Wesen des Fiebers gehört, dass die Wärmeregulation gewissermaassen auf 
einen abnorm hohen Temperaturgrad ,eingestellt 1 ist. Es existirt im 
fieberkranken Körper die Tendenz, die Körpertemperatur auf einer abnorm 
hohen Stufe zu erhalten.“ 

Traube’s Theorie, die hauptsächlich durch Liebermeister und 
Leyden in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verdrängt 
worden war, kam dann durch Senator in modificirter Weise wieder zu 
Ansehen. Je nachdem man in der Folge dann Erhöhung oder Ver¬ 
minderung des Stoffwechsels im Fieber festgestellt und dabei gleichzeitig 
vermehrte oder verminderte Wärmeabgabe constatirt hatte, sah man in 
der Temperatursteigerung entweder das Primäre, die Ursache des nach 
Maassgabe der vermehrten Harnstoffausscheidung erhöhten Stoffwechsels, 
oder den Folgezustand erhöhten Eiweisszerfalles. Nachdem der erhöhte 
Stoffumsatz für das Eiweiss allgemein beobachtet worden war, entbrannte 
ein Kampf um das Verhalten der stickstofffreien Substanz im Fieber. 

Liebermeister und Leyden vertraten auf Grund experimenteller 
Forschungsergebnisse den Standpunkt, dass im Fieber auch die Kohlen¬ 
säureausscheidung vermehrt sei, was von Senator energisch bis an 
sein Lebensende bestritten worden ist. Senator ging in seinen Aus¬ 
führungen so weit, dass er den Satz aufstellte, der Körper werde im 
Fieber ärmer an Eiweiss und reicher an Fett. 

Kraus 1 ), der zuerst beim fiebernden Menschen die Zuntz- 
Geppert’sche Methode in die Klinik eingeführt und mit dieser Methode 
die Frage der Kohlensäureausscheidung beim Menschen zu entscheiden 
versucht hat, war auf Grund seiner eigenen Beobachtung und nach Würdi¬ 
gung der bis zum Jahre 1906 vorliegenden Untersuchungen zu folgendem 
Resultate gelangt: „Dass der respiratorische Quotient durch den 
fieberhaften Process bezw. durch die allgemeine Reaction der 
Infccte an sich nicht beeinflusst wird und deshalb wie beim 
Gesunden abhängig ist vom jeweiligen Ernährungszustand, 
dem Körperbestand und dem jeweilig der Zersetzung anheim¬ 
fallenden Material.“ 

Meine eigenen experimentellen Beobachtungen haben nun, wie ich 
vorwegnehmend gleich an dieser Stelle betonen möchte, zur Entscheidung 
dieser Frage — ob Fettzerfall neben dem Eiweisszerfall wesentlich 
in Betracht zu ziehen ist — werthvolles Material geliefert. Der fiebernde 
Mensch, wie das fiebernde Thier verlieren zumeist nach kürzerer oder 
längerer Fieberdauer den Appetit, die Nahrungsaufnahme verschlechtert 
sich, und unter solchen Umständen kann man daher die Stoffwechsel¬ 
vorgänge nicht auf das Fieber allein zurückführen. 

Auch Stähelin’s Fieberhund zeigte dies schon am ersten Krank¬ 
heilstage, er frass die Nahrung nicht mehr ganz auf. Auch „in den 

1) Kraus, Fieber und Infection. v. Noorden’s Handbuch der Pathologie des 
Stoffwechsels. S. 630. 


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Rahel Hirsch, 


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nächsten Tagen konnte er nur mit Mühe zum Fressen seiner Portion 
gebracht werden“. Er hat als „Fieberhund“ 20 Tage gelebt. Mein 
erster Fieberhund, ein Thier von 35 kg Körpergewicht, dessen Stoff¬ 
wechsel bei qualitativ und quantitativ gleicher Nahrung 2 Monate vor 
dem Fieber beobachtet worden ist, hat 2 Monate lang gefiebert 
und dabei dieselbe Nahrung wie in den gesunden Tagen qualitativ 
und quantitativ selbst an den schwersten Krankheitstagen bis zum 
Todestage mit einem Male aufgefressen. Das Thier ist, wie die Obduction 
ergeben hat, lediglich an Fieberkachexie zu Grunde gegangen. 
Nirgends waren entzündliche Processe zu constatiren. Ueberall war der 
auffallende Fettschwund zu constatiren. 

Wenn von diesem Thiere auch gar keine Stoffwechselversuche vor¬ 
lägen, so würde nach dem Obductionsbefund die Berücksichtigung der 
Thatsache allein, dass täglich die vollständige Nahrungsaufnahme wie in 
den gesunden Tagen mit derselben Fresslust zu beobachten gewesen, 
schon genügen, um behaupten zu können, däss im Fieber die Fett¬ 
zerstörung neben dem Eiweisszerfall gleichwerthig eine Rolle spielt. 
Die bei diesem Thiere beobachtete fettige Degeneration des Herzmuskels 
und der Nieren kommt neben dem totalen Fettschwund des Unterhaut¬ 
gewebes gar nicht in Betracht. 

Was die verminderte Wärmeproduction anbetrifft, so kann solche 
auch nach meiner experimentellen Erfahrung „gelegentlich“ bei hoher 
Fiebertemperatur Vorkommen, es handelt sich dabei aber sicherlich nur 
um ein Stadium, um ein vorübergehendes. Die früher so oft 
hervorgehobene unbedingte Abhängigkeit der Fiebercurve von 
Stoffwechselvorgängen und umgekehrt dürfte nach meinen Chinin¬ 
versuchen als erledigt gelten. Die hohe Temperatur kann durch 
Chinin ganz unbeeinflusst bleiben und der vorher bedeutend ge¬ 
steigert gewesene Stoffwechsel sich dabei auf normales Niveau 
wieder einstellen. 

Diese Divergenz der Erscheinungen deutet darauf hin, dass die 
wärmeregulatorischen Mechanismen durch Chinin nicht beeinflusst werden. 
Die Unabhängigkeit der Fiebercurve von dem Stoff- und Energie¬ 
umsatz stützt den von Liebermeister zuerst ausgesprochenen und von 
Kraus stets propagirten Satz, dass der Fiebernde die Tendenz hat, 
seine Temperatur auf abnorm hoher Stufe zu halten. 

Kraft- und Stoffwechsel im Fieber. 

Priestley und Lavoisier haben sich zuerst wissenschaftlich-experi¬ 
mentell mit der Frage der Eigenwärme beschäftigt und nachgewiesen, 
dass die Athmung ein Verbrennungsprocess ist, dass Sauerstoff aufge¬ 
nommen und als Verbrennungsproduct Kohlensäure ausgeschieden wird. 
„Drei Regulatoren beherrschen“, nach Lavoisier 1 ), „die thierische Maschine, 
die Respiration, die Wasserstoff und Kohle verbraucht und Wärme 
liefert, die Transpiration, die je nach Bedürfniss mehr oder weniger 
Wärme fortschafft und dadurch die Temperatur sinken oder steigen 

1) Lavoisier, Mera. de Facad. de Science. 1789. 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


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lässt, endlich die Digestion, welche dem Blute ersetzt, was es durch 
Respiration und Transpiration verliert. Diese drei Cardinaisätze sind 
dann der Ausgangspunkt zahlreicher Stoffwechseluntersuchungen im Fieber 
gewesen. 

Die Lehre vom febrilen Stoffurasatz wurde angeregt durch die 
Beobachtung Traube’s 1 ), die er zusammen mit Jochmann gemacht 
hatte: die Vermehrung der Harnstoffausscheidung im Fieber. 
Dieser Befund wurde von vielen Autoren nachgeprüft und bestätigt, so 
besonders von Huppert 2 ), Unruh 3 ), Senator 4 ) und Naunyn 5 ). 

Naunyn hatte beim experimentell erzeugten Fieber des Hundes 
constatirt, dass Steigerung des Eiweisszerfalles durch die Oxydations¬ 
vorgänge auftritt, ehe die Steigerung der Temperatur durch das Thermo¬ 
meter zu erkennen ist. Dieses Symptom des gesteigerten Eiweissumsatzes 
löste dann die Frage aus, ob dieser erhöhte Eiweisszerfall Ursache 
oder Folgezustand der gestörten Wärmeregulation sei. Naunyn und 
v. Leyden sahen in der Störung der Wärmeregulation das wesentliche 
Moment, während Senator dem erhöhten Eiweisszerfall besondere 
Bedeutung zusprach. 

Man schenkte dann weiterhin den stickstofffreien Substanzen im 
Fieber nach Maassgabe der Kohlensäureausscheidung Aufmerksam¬ 
keit. Nach Auerbach 6 ) sollte letztere vermindert sein. Dasselbe 
fanden Lehmann und Senator bei kleinen Thieren. 

Von Bedeutung sind dann vor Allem die umfassenden Versuche von 
v. Leyden 7 ), durch die er ebenso wie Lieberraeister 8 ) constatirt hat, dass 
die Wärmeabgabe in sämmtliohen Stadien des Fiebers gesteigert ist, und zwar 
ziemlich proportional der Temperaturerhöhung. Da v. Leyden keine ver¬ 
mehrte Wasserproduction dabei beobachtete, nahm er an, dass bei hohem 
Fieber eine Wasserretention bestehe. Durch Unruh (1. c.) Hess v. Leyden 
(1. c.) dann Untersuchungen über die stickstoffhaltigen Substanzen anstcllen 
und beschäftigte sich selber mit respiratorischen Vorgängen im Fieber. 


1) Traube und Jochmann, Zur Theorie des Fiebers. Deutsche Klinik. 1855. 
No. 46. 

2) Huppert und Ries eil, Ueber den Stickstoffumsatz im Fieber bei Febris 
recurrens. Arch. f. Heilk. Bd. 7, 8, 10. 

3) Unruh, Ueber die Stickstoffausscheidung bei fieberhaften Krankheiten. 
Virch. Arch. Bd. 48. 

4) Senator, Untersuchungen über den fieberhaften Process. 1873. — Beitrag 
zur Lehre von der Eigenwärme nach dem Fieber. Virch. Arch. 1869. Bd. 48. — 
Untersuchung über dio Wärmebildung nach dem Stoffwechsel. Reichert und du Bois- 
Reymond’s Arch. 1872. 

5) Naunyn, Reicheres und du Bois-Reymond’s Arch. f. Anat. u. Phys. 1870. 
S. 159. 

6) Auerbach, Erwägungen über die Ursachen der Fieberwärme. Deutsche 
Klinik. 1864. No. 22 u. 23. 

7) v. Leyden, Untersuchungen über die Respiration im Fieber. Deutsches 
Arch. f. klin. Med. 1869. Bd. 7. S. 536. — Centralbl. f. d. med. Wisscnsch. 1868. 
No. 47 u. 48. 

8) Liebermeister, Pathologie und Therapie des Fiebers. Leipzig 1875. 


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Rahel Hirsch, 


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üm dieselbe Zeit ist Senator (1. c.) (1869) mit seiner ersten aus¬ 
führlichen Arbeit über verschiedene Fragen der Fieberlehre hervor¬ 
getreten. Dass der gesteigerten Harnstoffausscheidung eine vermehrte 
Harnsäureausscheidung entsprach, hatten Bartels 1 ) und Senator 
früher schon gefunden. Auch das Kreatinin und die absolute Menge 
freier Säure sollten vermehrt ausgeschieden werden. 

Nach v. Leyden’s Untersuchungen besteht eine unbedingte Abhängig¬ 
keit der Kohlensäureausscheidung von Teraperatursteigerungen im Fieber 
nicht, obwohl die C0 2 -Production im grossen Ganzen darnach gesteigert 
ist. Lehmann und Senator (I. c.) fanden bei kleineren Thieren eher 
eine Verminderung der Kohlensäureausscheidung im Fieber. 

v. Leyden hielt an seinem Untersuchungsergebniss, dass neben der 
N-Ausscheidung die C0 2 -Production gesteigert ist, nach erneuten Fieber¬ 
untersuchungen mit A. Fränkel 1 ) fest. Sie fanden nämlich, dass bei 
fiebernden und hungernden Hunden eine Steigerung der C0 2 -Ausscheidung 
eintritt, während beim Hungern allein die C0 2 -Menge abnimmt. Das 
Eiterfieber der Hunde zeigt nach v. Leyden und A. Fränkel zu Beginn 
oder auf der Höhe des Fiebers eine exquisite Steigerung der C0 2 - 
Production. Die Autoren betonen ausdrücklich, dass es sich nicht 
um eine vermehrte Ausscheidung der im Körper vorhandenen 
Kohlensäure, sondern um den Folgezustand gesteigerter Ver- 
brennungsprocesse im Körper handelt. 

Wertheim 3 ) hat nach wiederholt angestellten Versuchen beim 
fiebernden Menschen ausnahmslos Verminderung der Kohlensäure¬ 
ausscheidung beobachtet. Die absolute Ausathmungsluftraenge war dabei 
„fast jedesmal vermehrt“. 

Senator hat im Respirations-Calorimeter an verschiedenen Hunden 
Untersuchungen gemacht. Von den 7 Versuchsreihen zeigten 3 auch an 
späteren Fiebertagen Verminderung der Kohlensäure. In den übrigen 
Reihen tritt deutliche Vermehrung auf. Letztere bedeutet nach Senator 
nur vermehrte Ausscheidung. Nach Senator entspricht selbst die 
durchschnittliche Zunahme der C0 2 -Ausscheidung nicht der gleichzeitig 
beobachteten Vermehrung des Harnstoffes. Der Eiweisszerfall ist stärker 
im Eiterfieber als die Verbrennung von N-freien Substanzen bis zur Kohlen¬ 
säure, letztere erscheint sogar herabgesetzt. Daher wird nach Senator 
der fiebernde Körper relativ fettreicher als der nichtfiebernde bei gleicher 
Ernährung, und daraus erklärt Senator die häufige fettige Degeneration 
der Gewebe. Die Wärmeabgabe ist nach Senator anfangs eher ver¬ 
mindert, niemals vermehrt. Senator zweifelt überhaupt daran, ob bei 
länger dauerndem Fieber unter denselben Ernährungsbedingungen die 
insgesammt producirte Wärmemenge grösser ist als sie in derselben 
Zeit ohne Fieber gewesen wäre. 

1) Bartels, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1875. Bd. 1. S. 13. 

2) v. Leyden und Fränkel, Ueber den respiratorischen Gasanstansch im 
Fieber. Virch. Aroh. 1879. Bd. 76. S. 136. 

3) Wertheim, Gustav, Neue Untersuchungen über den Respirations - Gas¬ 
austausch im fieberhaften Zustande des Menschen. Med. Jahrb. d. k. k. Ges. d. Aerzte 
in Wien. 1882. 


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Fieber and Chininwirknng im Fieber. 


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In diesen Anschauungen manifestirt sich der principielle Unterschied 
zwischen der Theorie Senator’s und der von Liebe^meister und 
v. Leyden vertretenen Anschauung. Eine Entscheidung der von Senator 
aufgestellten Behauptung suchte dann zum ersten Male Kraus 1 ) beim 
fiebernden Menschen zu treffen. Nach der Zuntz-Geppert’schen 
Methode fand Kraus, dass Fieber vorhanden sein kann, ohne dass der 
respiratorische Gaswechsel nennenswerthe Abweichungen von 
der Norm aufweist. Da, wo Steigerung überhaupt nachweisbar ge¬ 
wesen, stand sie zur Höhe der Temperatur nicht in directem Ver- 
hältniss. 

Mit derselben Methodik stellte A. Loewy 2 3 ) dann fest, dass die ver¬ 
mehrte Körperwärme durchaus nicht immer mit einer Steigerung der 
Verbrennungen im Körper parallel verläuft. Auch Loewy fand die 
Unabhängigkeit einer vorhandenen Steigerung des Gaswechsels von der 
Temperaturhöhe, sowie, dass auf der Höhe des Fiebers die Oxydationen 
vollkommen normal sein können. 

May 8 ) hat an Kaninchen, die mit Schweinerothlauf inficirt waren, 
eingehende Untersuchungen angestellt; er fand erst am zweiten Fieber¬ 
tage Steigerung des Stoffumsatzes. Mit dem Abnehmen der Temperatur 
sank auch der Stoffumsatz zur Norm ab. 

Lilienfeld 4 ) constatirte ebenfalls beim hebernden Kaninchen er¬ 
höhte Kohlensäureausscheidung; dasselbe fand Finkler 5 ) beim fiebernden 
Meerschweinchen. 

Beim fiebernden Thiere hat Rosenthal 6 ) gefunden, „dass im 
Stadium des Temperaturanstieges die Wärmeabgabe vermindert ist“, so 
„dass wir daher berechtigt sind, die Temperaturerhöhung in diesen 
Fällen als Folge der Wärmeretention anzusehen“. Beim fiebernden 
Menschen kam Rosenthal zu ähnlichen Resultaten: Verminderung 
der Wärmeabgabe im Fieberanstieg, Vermehrung auf der Höhe des 
Fiebers. 

Nebelthau 7 ) fand bei seinen calorimetrischen Untersuchungen an 
hungernden Kaninchen im fieberfreien und fieberhaften Zustande vermehrte 
Wärmeabgabe und vermehrte Kohlensäureausscheidung beim Ansteigen 
der Körpertemperatur. Bei einigen Versuchen ist die Gesammtwärme- 
abgabe im Fieberstadium vermindert, allerdings nur vorübergehend im 
Fieberanstieg während einzelner Stunden. 


1) Kraus, F., Respiratorischer Gasaustausch im Fieber. Zeitschr. f. klin. Med. 
Bd. 18. 

2) Loewy, A., Stoffweobseluntersucbungen im Fieber und bei Lungenaffection. 
Virch. Arch. 1891. Bd. 126. S. 13. 

3) May, Ueber Stoffwechsel im Fieber. Zeitschr. f. Biol. Bd. 30. S. 1. 

4) Lilienfeld, Untersuchungen über den Gas Wechsel fiebernden Thiere. 
Pflüger’s Aroh. 1883. Bd. 32. S. 293. 

5) Finkler, Ueber das Fieber. Püüger’s Arch. Bd. 29. S. 198. 

6) Rosenthal, DieWärmeproduction im Fieber. Berl. klin. Wochenschr. 1891. 
No. 32. S. 785; und Festsohrift für Virchow. 1891. Bd. 1. S. 413. 

7) Nebelthau, Calorimetrische Untersuchungen am hungernden Kaninchen im 

fieberfreien und fieberhaften Zustande. Habil.-Schrift. R. Oldenburg, München 1894. 


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Rahel Hirsch, 


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Mit Rubner’s Caloriraeter haben Krehl und Matthes 1 ) an fiebernden 
Meerschweinchen und Kaninchen langdauernde Versuchsreihen angestellt. 
Der Temperaturanstieg erfolgte mit Ausnahme von 2 Fällen unter 
Erhöhung der Wärmebildung. Im Mittel verhält sie sich zu der der 
Norm wie 110 : 100. 

Auch Krehl und Matthes finden, wie Kraus betont hat, dass 
die erhöhte Wärmeproduction mit der Temperatursteigerung nicht parallel 
verläuft. Sie finden, wie Rosenthal, dass im Allgemeinen bei dem 
Temperaturanstieg das Thier seine Wärmeabgabe einschränkt. Auf der 
Höhe des Fiebers wurde mit Ausnahme weniger Fälle eine Erhöhung 
der Wärmebildung beobachtet. Maximale Steigerung = 160 : 100, 
niedrigste = 107 : 100, das Mittel lag bei 119. Die Versuche sind durch¬ 
weg im Hungerzustand angestellt. 

Dass bei fiebernden Menschen eine, wenn auch massige Steigerung 
der Oxydationen vorkommt, fand Riethus 2 ), aber auch er constatirte 
dies nicht als Regel. Ueber herabgesetzten Stoffwechsel im Fieber 
liegen demgegenüber auch Untersuchungsergebnisse vor. So nach Robin 
und Bin et 3 ) bei einem Fiebernden kurz vor seinem Tode. Aehnliche 
Befunde beim fiebernden Menschen theilen Arlong und Laulanie 4 ) mit. 
Sie fanden bei Diphtherie Abnahme der 0 2 -Aufnahme und der (^-Aus¬ 
scheidung. Ueber Beobachtungen bei mit Pyocyaneusculturen inficirten 
Kaninchen berichtet Henrijean 5 ) dasselbe. 

Beim Tuberculinfieber des Menschen fand Steyrer 6 ), dessen Beob¬ 
achtungen sich auf den Gesammtstoff- und Energieumsatz von 24 Stunden 
beziehen, dass bei mässiger Temperatursteigerung und relativ kurzer 
Dauer der Gesammtstoffwechsel nicht gesteigert zu sein braucht. 

Stähelin 7 ) stellte am Hunde bei länger dauerndem Fieber den Ge- 
saramtumsatz fest. In den ersten Tagen der Infection zeigte die Wärrae- 
production ungefähr die normalen Werthe. Beim Fieberanstieg war sie 
eher vermindert, was dem von Senator und von Rosenthal gefundenen 
Resultat entspricht. Die Höhe des Fiebers zeigt nach Stähelin’s Unter¬ 
suchungen aber Steigerungen der Wärmeproduction um 45—47 pCt. 

Carpenterund Benedict 8 ) fanden im Respirationscalorimeter nach 
mehrtägigen Versuchen, Tag und Nacht, eine relativ geringe Erhöhung 
der Kohlensäureauscheidung und der Sauerstoffaufnahrae. 

Untersuchungen über Wirkungen der Infection beim Kaltblüter 


1) Krehl und Matthes, Wie entsteht die Temperatursteigerung des fiebernden 
Organismus? Arcb. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 38. S. 284. 

2) Riethus, Gaswechsel kranker Menschen. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 
Bd. 44. 

3) Robin und Bin et, Arch. g6n. de mcd. 1896. Juin et Octobre. 

4) Arlong und Laulanie, Semaine med. 1905. 

5) Ilenrijean, Trav. du laborat. de L. Frödtfricq. 1887. 

6) Steyrer, Leber Stoff- und Energieumsatz im Fieber. Diese Zeitschr. 1907. 
Bd. 9. S. 729. 

7) Stähelin, lieber Stoffwechsel und Eiweissverbrauch bei der Surraerkran- 
kung. Arch. f. Hygiene. Bd. 49. S. 77. 

8) Carpenter und Benedict, Amer. journ. physiol. 1909. Vol. 24. No. 11. 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


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haben Krehl und Soetbeer 1 ) gemacht. Die inficirten Frösche produ- 
cirten auf der Höhe der Infection mehr Kohlensäure als nachher. Diese 
Steigerung betrug über 100 pCt. bei einem Thiere, das keine Tempe¬ 
raturerhöhung zeigte. Im weiteren Verlaufe ging der erhöhte Umsatz 
zurück und wich sogar einer deutlichen Herabsetzung der Wärme- 
production. Bei grösseren Versuchsreihen einer grossen Zahl von 
Patienten — vorwiegend Typhuskrankep — haben Schwenkenbecher 
und Inagaki 2 ) genau das Verhältnis zwischen aufgenommenera und aus¬ 
geschiedenem Wasser geprüft. Danach liegt köine Wasserretention, 
sondern Wasserverlust vor. Stähelin, der bei seinem fiebernden Hund 
auch die Wasserbilanz berechnet hat, fand Werthe, die auch nicht für 
Wasserretention sprechen. Die von Carpenter und Benedict (1. c.) im 
Respirationscaloriraeter beim fiebernden Menschen angestellten Versuche 
ergeben Vermehrung der Wasserdampfabgabe. Allerdings bezeichnen die 
Autoren ihre Resultate nur als vorläufige. Dazu ist weiterhin zu bemerken, 
dass es sich nur um geringfügiges Fieber bei Quecksilberintoxication ge¬ 
handelt hat. 

Nach Lang 3 ) wächst die Hautwasserausscheidung nicht im 
Fieber, ist sogar relativ vermindert. Zur Wasserretention kommt es aber 
nur bei Niereninsufficienz oder bei abnormen Processen der Wasser¬ 
aufnahme in anderen Organen. Herz 4 ) vertritt letztere Anschauung. 
Im Fieber sollen nach seiner Annahme eigenartige Quellungszustände in 
den Zellen Vorkommen, die zur Wasserretention führen und in letzter 
Linie die Fieberwärme selber erklären. Dass die Blutzellen im Fieber, 
wie Herz angab, eine Schwellung zeigen, ist durch die Untersuchungen 
von Th. Pfeiffer 5 ) nicht bestätigt worden. 

Specielle Arbeiten über die Wasserretention im Fieber liegen 
dann noch von Glax 6 ) vor. Nach diesen Untersuchungen würde im Fieber 
Wasser im Organismus zurückgehalten und in der Reconvalescenz durch 
vermehrte Harnfluth wieder ausgeschieden werden. Nur die Ausscheidung 
des Wassers mit dem Urin ist bei dieser eingehenden Arbeit berücksichtigt. 
Bei einem Falle von Typhus haben Riva-Rocci und Cavallero 7 ) zu 
Anfang Retention, dann Wassergleichgewicht und endlich Entwässerung 
des Organismus festgestellt. 

Was den respiratorischen Quotienten im Fieber anbetrifft, so 
haben verschiedene Autoren abnorm tiefe Werthe beobachtet, bis auf 0,6 


1) Krehl und Soetbeer, Wärrneökonomie und Gaswechsel bei poikilothermen 
Wirbelthieren. Arch. f. exper. Pathoi. u. Pharm. Bd. 40. S. 275. 

2) Schwenkenbeoher und Inagaki, Ueber die Schweisssecretion im Fieber. 
Aroh. f. exper. Pathoi. u. Pharm. Bd. 53. S. 365. — Schwenkenbecher, Med. 
Klinik. 1907. No. 28 u. 29. Arch. f. klin. Med. Bd. 79. S. 56. 

3) Lang, Beobachtungen über die Wasserausscheidung durch die Lungen und 
Haut unter dem Einfluss des Fiebers. Arch. f. klin. Med. Bd. 79. S. 343. 

4) Herz, M., Untersuchungen über Wärme und Fieber. Wien 1893. 

5) Pfeiffer und Kraus, Fieber und Infection. v. Noorden’s Handbuch. Bd. I. 
S. 637. 

6) Glax, Festschr. f. Rollett. Jena 1893. Wasserretention im Fieber. Jena 1894. 

7) Riva-Rocci und Cavallero, Rivista clinica. 1890. 


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Rahol Hirsch, 


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und 0,5. Regnard 1 ) hat zuerst darauf hingewiesen, dass im Ver¬ 
hältnis zum aufgenoramenen Sauerstoff weniger Kohlensäure aus¬ 
geschieden wird. Er folgert daraus, dass die Verbrennungen im Orga¬ 
nismus des Fiebernden unvollkommener als beim Gesunden sind. Aus 
diesen ungenügenden Oxydationen sollen Zwischenproducte stammen, die 
sich im Blute anhäufen und das Sinken des respiratorischen Quotienten 
bedingen. Im Thierexperiment wurden diese niedrigen Werthe dann be¬ 
stätigt von Finkler, May, A. Loewy; niedrige Werthe für den respira¬ 
torischen Quotienten beim Menschen constatirte A. Loewy und Riethus. 
Im Gegensatz hierzu stehen die Untersuchungsergebnisse von Kraus, der 
beim fiebernden Menschen constatiren konnte, dass der respiratorische 
Quotient durch den fieberhaften Process an und für sich nicht beeinflusst 
wird und ebenso wie beim Gesunden von dem Ernährungszustand 
zur Zeit der Untersuchung abhängig ist. Auffallend niedrige Werthe 
fanden dann Rolly und Hornig 2 ) beim Typhuskranken. Nicht nur als 
Nüchtern werthe zeigten sich diese abnorm tiefen Werthe, sondern auch 
nach leichter Nährflüssigkeit trat keine Steigerung des respiratorischen 
Quotienten ein. Die Autoren schliessen hieraus, dass durch abnorme 
Körpereiweisszersetzung Sauerstoff im Organismus retinirt wird. Bei 
fiebernden Lungenkranken, besonders im Stadium der Consumption, beob¬ 
achtete Grafe 3 ) sehr niedrige Werthe für den respiratorischen Quotienten. 
Diese wurden theils auf den Inanitionszustand, theils auf die Infection 
bezogen. 

Da die vorliegenden Versuche sich fast ausschliesslich auf kurze 
Untersuchungsdauer erstreckten, legte Grafe 4 ) bei seinen weiteren Be¬ 
obachtungen am fiebernden Menschen Werth darauf, stundenlang (5 bis 
9 Stunden) die Versuche auszudehnen und konnte danach feststellen, dass 
„nach dem respiratorischen Gaswechsel beurtheilt, die Umsetzungen im 
Fieber qualitativ die gleichen sind wie in der Norm, und dass die kurz 
dauernden Versuche zu falschen Vorstellungen über die thatsächlichen 
Verhältnisse Anlass gegeben haben. u 

Neuerdings haben Freund und Grafe 5 ) die Wirkung des asep¬ 
tischen Fiebers auf die Wärmeproduction und den Eiweissumsatz ge¬ 
prüft. Nach Injcction isotonischer Lösungen (NaCl, Ringer, Zucker, 
Adrenalin) bei Kaninchen zeigte das auftretende Fieber die charakte¬ 
ristischen Merkmale des infectiöscn Fiebers: Steigerung der Wärmepro- 

1) Regnard, Rech. exp. sur les variat. pathol. des combustions resp. These 
de Paris. 1878 und Progres med. 1879. 

2) Rolly und Hürnig, StolTvvechseluntersuchungen an Typhuskranken. Arch. 
f. klin. Med. 1908. Bd. 95. S. 74. 

3) Grafe, Gasvvecbseluntersuchungen bei fortgeschrittenen Erkrankungen der 
Lunge. Arch. f. klin. Med. 1909. Bd. 95. S. 543. 

4) Grafe, Untersuchungen über denStofT- und Kraftwechsel im Fieber. Deutsches 
Arch. f. klin. Med. 1910. Bd. 101. S. 209. Zur Frage des Stoff- und Kraft Wechsels 
im Fieber. Ebendas. 1911. Bd. 102. S. 213. 

5) Freund und Grafe, StolTwechseluntersuchungen beim experimentellen Koch¬ 
salzfieber. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 1911. Bd. G7. S. 55. 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


93 


duction und vermehrten Eiweissumsatz. Zu ähnlichen Resultaten gelangte 
Verzar 1 ) bei seinen Studien über die Wirkung intravenöser Kochsalz¬ 
infusionen auf den Gaswechsel. Rolly 2 ) fand bei kurz dauerndem Koch¬ 
salzfieber keine deutliche Steigerung des Stickstoffumsatzes. 

Was die Steigerung des Stickstoffurasatzes anbetrifft, so hat man, 
sobald es sich um eine solche beim infectiösen Fieber handelt, von soge¬ 
nanntem „toxischen“ Eiweisszerfall gesprochen. Nun war aber beim 
Menschen sowohl wie beim Thier experimentell schon lange festgestellt 
worden, dass die Hyperthermie allein ebenfalls zur Steigerung des 
Wärmeumsatzes führt [Bartels 3 ), Frey u. Heiligenthal 4 ), Schleich 5 ), 
Naunyn 6 )]. Beim Aronsohn-Sachs’schen Wärmestich beim Kaninchen 
hatten diese Autoren selber, sowie Girard 7 ), Senator und P. F. Richter 8 ) 
Steigerungen des Stickstoffumsatzes festgestellt. Einen prineipiellen 
Unterschied zwischen der Hyperthermie (Wärmestich) und dem in¬ 
fectiösen Fieber sehen Hirsch und Rolly 9 ) in der Rolle, die das 
Glykogen hierbei spielt: Sie finden einmal in Uebereiustiramung mit 
P. F. Richter, dass durch die Temperaturerhöhung allein das Glykogen 
der Organe abniramt. Andererseits sollen glykogenarme Thiere über¬ 
haupt nicht mehr auf den Wärmestich mit Temperaturerhöhung reagiren, 
während inficirtc Thiere — ob glykogenarm oder nicht — stets die 
charakteristische Temperatursteigerung zeigen. Diese letzteren Versuche 
sind nun aber nicht bestätigt worden. Senator und P. F. Richter 
fanden wohl graduelle Differenzen in der Grösse des Temperaturanstieges, 
je nach dem Gehalte bezw. dem Fehlen von Glykogen, aber keinen 
prineipiellen Unterschied. 

Der Wasserstoffwechsel im Fieber hat besonders früher Würdigung 
gefunden. Insbesondere spielte die von v. Leyden constatirte Wasser¬ 
retention eine Rolle. Senator hielt diese letztere nicht für ein charak¬ 
teristisches Merkmal des Fiebers. Garratt 10 ) stellte auf Grund sorg¬ 
fältiger klinischer Beobachtungen fest, dass die Wasserretention, soweit 
nicht Nierenerkrankung vorlag, nur bei manchen Fiebererkrankungen zu 
constatiren war. 


1) Verzar, Die Wirkung intravenöser Kochsalzinfusionen auf den respiratori¬ 
schen Gaswechsel. Biochem. Zeitschr. 1911. Bd. 34. S. 41. 

2) Rolly, Deutsche med. Wochenschr. 1911. No. 46 u. 47. 

3) Bartels, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1875. 

4) Frey und Heiligenthal, Die heissen Luft- und Damplbäder in Baden- 
Baden. 1881. 

5) Schleich und Topp, Ueber das Verhalten der Harnstoffproduction bei 
künstlicher Reizung der Körpertemperatur. Arch. f. exper. Pathol. Bd. 4. S. 82. 

6) Naunyn, Berl. klin. Wochenschr. 1889. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1870. 

7) Girard, Arch. de physiol. 1888. 

8) ' Senator und P. F. Richter, Ueber den Stoffwechsel bei Hyperthermie. 
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 54. S. 16. 

9) Hirsch und Rolly, Arch. f. klin. Med. Bd. 75. — Rolly, Ebendaselbst. 
Bd. 78. 

10) Garratt, Med. chir. trans. 1904. Vol. 87. p. 163. 


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Rahe! Hirsch, 


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Chinin und Stoffwechsel. 

Die ersten Untersuchungen über den Einfluss des Chinins auf den 
Stoffwechsel verdanken wir H. Ranke 1 ) (1858). Ranke constatirte, 
dass beim gesunden Menschen 1,2 g Chininsulfat die Harnsäure¬ 
ausscheidung um etwas über 20 pCt. vermindert, und zwar dauerte 
dieser Einfluss ungefähr 48 Stunden. Ranke bezieht diese Verminderung 
nicht auf verzögerte Ausscheidung, sondern auf verringerte Bildung. 

Selbstversuche bei guter Gesundheit hat Kerner 2 ) gemacht. Er nahm 
1,6 g Chinin, hydrochl. und untersuchte die Stickstoffausscheidungen 
im Harn. Die Abnahme gegen vorher betrug 24 pCt. Die Schwefelsäure 
verminderte sich um 39 pCt. Die Wassermenge des Harns war etwas 
erhöht. Zuntz erzielte, nachdem er in ziemlich rasch auf einander¬ 
folgenden Dosen 1,8 g Chinin, hydrochl. genommen hatte, eine Verminde¬ 
rung des Harnstoffs um 39 pCt. 

Nach Untersuchung von Binz 3 ) und anderen setzt Chinin die Körper¬ 
wärme im Fieber herab: 1. durch Lähmung der in den Organismus ein¬ 
gedrungenen fiebererregenden Fermente und 2. durch Einschränkung 
normaler Verbrennung in den Zellen selbst. Lewizky 4 ) hatte Kaninchen, 
an denen er seine Beobachtungen angestellt, in Watte gewickelt, um 
die Wärmeabgabe zu verhindern. Trotzdem sank nach Chinininjection 
die Temperatur der Thiere. 

ln Aethernarkose durchtrennte dann Lewizky weiterhin das Rücken¬ 
mark zwischen dem 6. und 7. Halswirbel. Das Thier wurde wieder in 
Watte gehüllt und in einen Wärmekasten gesteckt. Die Temperatur stieg 
bis 40° an. Auch hier — nach Ausschalten der wärmeregulirenden Gehirn- 
centren — zeigte sich die Temperatur erniedrigende Wirkung des Chinins. 

Auf Liebermeister’s Anregung machte Buss 5 ) im Respirations¬ 
kasten Versuche an Typhuskranken. Jedesmal sank die Kohlensäure¬ 
ausscheidung um 32 pCt., auch wenn die Temperatur auf Chinin noch 
nicht reagirt hatte. Ebenfalls verminderte Harnstoffausscheidung beim 
gesunden Hunde hat v. Boeck 6 ) festgestellt, und zwar um 13 pCt. 
Die Versuchsresultate von Kerner wurden dann noch am fiebernden 
Menschen von Sassetzky 7 ), beim gesunden Menschen und gesunden 
Hund von Prior 8 ) bestätigt. Prior fand am Selbstversuch und an 
Hunden, dass Chinin specifisch hemmend auf den Stoffwechsel wirkt. 
Mit Ranke und Kerner weist er darauf hin, dass nicht Verzögerung, 

1) Ranke, Versuche über die Ausscheidung der Harnsäure bei Menschen. 
München 1858. 

2) Kerner, Arch. f. d. ges. Physiol. 1870. Bd. 3. 

3) Binz, Vorlesungen über Pharmakologie. Berlin 1891. 2. Aufl. S. 446—528. 
August Hirschwald. — Ueber die antipyretische Wirkung von Chinin und Alkohol. 
Virchow’s Arch. Bd. 51. 

4) Lewizky, Virchow’s Arch. Bd. 47. 

5) Buss, Ueber Wesen und Behandlung des Fiebers. Stuttgart 1878. 

6) v. Boeck, Zeitschr. f. Biolog. Bd. 7. S. 418. 

7) Sassetzky, Vorles. üb. Pharmakol. Berlin 1886. S. 705. Verlag August 
Hirschwald. 

8) Prior, Arch. f. d. ges. Phys. Bd. 34. S. 237. 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


95 


sondern Einschränkung vorliegt, weil die nachfolgende Ausscheidung 
nicht die normale übersteigt. 

Die Untersuchungen fast aller Autoren haben ergeben, dass das 
Chinin den Eiweissumsatz herabsetzt [H. Ranke (1. c), v. Bosse 1 ), 
Schülte 2 ), v. Boeck (1. c.), Rahnteau 3 ), Jerusalimsky 4 ) etc.] 
Andere Untersuchungsergebnisse mit entgegengesetztem Resultat liegen 
vor von: Redenbacher 5 ), Jansen 6 ) Bauer und Künstle 7 ), H. Oppen¬ 
heim 8 ). Kumagawa 9 ) hat dann bei Salkowski im Jahre 1888 ein¬ 
gehende Studien über verschiedene Antipyretica mit Bezug auf den 
Eiweissumsatz angestellt und für die Salicylsäure, Antifebrin und die 
Benzoesäure constatirt, dass der Eiweissstoffwechsel durch diese Mittel 
„zweifellos“ gesteigert wird. Kumagawa hat insbesondere an demselben 
Versuchstiere die Chinin Wirkung geprüft und die Angaben von Prior, 
Kerner etc., dass das Chinin den Eiweissumsatz einschränke, bestätigt. 
Ebenso fand Kumagawa eine Abnahme der Harnsäureausscheidung 
durch Chinin um 13—50pCt. 

1894 haben v. Noorden und Zuntz 10 ) in der Berliner Physiolo¬ 
gischen Gesellschaft „über die Einwirkung des Chinins auf den Stoff¬ 
wechsel des Menschen“ nach Selbstversuchen von Irisawa berichtet. 
Nachdem in der Vorperiode das N-Gleichgewicht erzielt war, betrug 
die durch Chininwirkung in 4 Chinintagen und den drei nachfolgenden 
Tagen ersparte N-Menge insgesammt 10 g, bei einem zweiten Versuch 
wurden 5—6 g N erspart. Die durch Richter 11 ) mit der Ludwig- 
Salkowski’schen Methode ausgeführten Harnsäurebestimmungen zeigten 
ebenfalls, wie andere Autoren schon gefunden, Verminderung der Harn¬ 
säureausscheidung. 

Zuntz fand nach zahlreichen Respirationsversuchen, die er im An¬ 
schluss an die eben discutirten Untersuchungen von Irisawa an¬ 
gestellt hat, dass der Oxydationsprocess des gesunden Menschen 
durch Chinin nicht beeinflusst wird, was im Einklang mit Beobachtungen 
von Strass bürg 12 ), Arntz 13 ) steht. Andererseits liegen Mittheilungen 

1) v. Bosse, Der Einfluss von Arzneimitteln auf die Ausscheidung der Harn¬ 
säure. Inaug.-Diss. Dorpat 1862. 

2) Schülte, Inaug.-Diss. Bonn 1870. 

3) Rahnteau, Bullet, de thörap. T. 20. p. 425. 

4) Jerusalimsky, Ueber die physiologische Wirkung des Chinins. Berlin 1875. 

5) Redenbacher, Zeitsohr. f. Physiol. 1858. Nr. 2. S. 384. 

6) Jansen, Untersuch, üb. d. Einfluss des scbwefels. Chinins auf d. Körper¬ 
wärme und d. Stickstoffumsatz. Inaug.-Diss. Dorpat 1872. 

7) Bauer u. Künstle, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 24. 

8) Oppenheim, H., Pflüger’s Arch. Bd. 23. S. 446. 

9) Kumagawa, Ueber dieWirkung einiger antipyretischer Mittel auf den Eiweiss¬ 
umsatz im Organismus. Virchow’s Arch. 1888. Bd. 113. S. 134. 

10) v. Noorden u. Zuntz, Ueber die Einwirkung des Chinins auf den Stoff¬ 
wechsel. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1899. 

11) Richter, P. F., Experimentaluntersuchungen über Antipyrese und Pyrese. 
Virchow’s Arch. 1891. Bd. 123. 

12) Strassburg, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 2. S. 334. 

13) Arntz, Pflüger’s Arch. Bd. 31. S. 531. 


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96 Rahel Hirsch, 

von Gottlieb 1 ) vor, wonach Chinin die Wärmeproduetion bei gesunden 
und fiebernden Kaninchen steigert. 

Strassburg, Arntz, Henrijean 2 ) fanden bei gesunden Kaninchen 
den Gaswechsel gar nicht oder wenig verändert, letzteres im Sinne der 
Verminderung, was auch Livierato 3 ; beobachtet hat. Ara gesunden 
Menschen fand Liepelt 4 5 ) ebenso Zuntz 6 ), dass Chinin die Sauerstoff- 
aufnahrac und Kohlensäureausscheidung fast nicht beeinflusst. Stüh- 
linger 6 ) beobachtete bei fiebernden Kaninchen, dass, sobald die Temperatur 
durch Chinin herabgesetzt wird, mehr Wärme abgegeben und weniger 
producirt wird; die „Einschränkung der Production ist die Hauptsache“. 
„Ist das Chinin wirkungslos auf die Temperatur, d. h. bleibt diese 
entweder nur stehen oder wächst sogar noch an — ein Vorkomraniss, 
welches bei manchen Infectionskrankheiten des Menschen besonders im 
Anfang öfter beobachtet wird —, so sind Wärmeabgabe und Wärme- 
production bei Chinindarreichung gesteigert.“ 

Krehl und Matthes 7 ) haben an Kaninchen, nachdem das Halsmark 
der Thiere durchschnitten war, Untersuchungen über die Wärmeproduetion 
und. Wärmeabgabe bei 27° angestellt und dabei die Wirkung von Anti- 
pyrin und Chinin geprüft. Während sich Antipvrin ohne Einfluss auf 
den Wärmehaushalt erwies, setzte Chinin Wärmeabgabe und Wärme- 
production deutlich herab (100: 84). 

Eigene Versuche. 

Meine Versuche über infectiöses Fieber sind an 2 Hunden durch¬ 
geführt worden und zwar zuerst im Sommersemester 1907. Der Hund 
hatte ein Körpergewicht von 35 kg und war am 1. Juni 1907, nachdem 
zuvor sein Stoffwechsel einschliesslich der Harnsäure- und Purin¬ 
basenausscheidung einen ganzen Monat hindurch bei der gleichen Er¬ 
nährung fcstgestellt worden war, mit 1 ccm Blut, das zahlreich Trypano¬ 
somen (Tsetse) enthielt, inficirt worden. Die Trypanosomenmaus, von 
der das Blut stammte, war mir damals in dankenswerther Weise von Herrn 
Geheimrat v. Wassermann überlassen worden. Den Hund hatte ich am 
1. Juni geimpft, am 5. Juni war die Temperatur, die normal 38,3° be¬ 
tragen, auf 39,8° gestiegen; im Blute waren zahlreiche Trypanosomen 
nachweisbar. Von da an war mit kurzen Unterbrechungen bis zum 
Tode des Thieres, am 29. Juli 1907, ständig Fieber vorhanden. 


1) Gottlieb, Calorimetrische Untersuchungen über die Wirkungsweise des 
Chinins und Antipyrins. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharraakol. Bd. 28. S. 176. 

2) Henrijean, Trav. du laborat. de L. Fr&iäricq. 1887. 

3) Livierato, Annal. di chira. e di farmacol. 1885. 

4) Liepelt, Ueber den Einfluss von Chinin und Antipyrin auf den Gaswechsel 
des gesunden Menschen. Arch. f. exper. Pathol. 1900. Bd. 43. S. 151. 

5) Zuntz, Arch. f. Anat. u. Phys. 1899. 

6) Stühlinger, Ueber die Einwirkung einiger antipyretischer Mittel auf den 
Wärmehaushalt gesunder und krankerThiere. Arch. f. exp. Path. 1900. Bd.43. S. 166. 

7) Krehl u. Matthes, Wie entsteht die Temperatursteigerung des fiebernden 
Organismus. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 38. S. 284. 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


97 


Das Thier frass während der ganzen Fieberzeit, 2 Monate 
lang, stets seine Nahrung wie in der gesunden Zeit vollständig 
auf. Die Nahrung bestand täglich in 500 g Hundekuchen und 1500 ccm 
Wasser. Dass dieses Quantum Hundekuchen und die Menge Wasser 
die für dieses Thier geeignete Nahrungszufuhr darstellen, geht aus den 
Gewichtsdaten der Voruntersuchung hervor: 

am 25. März 1907 ... 35 kg 

„ 3. April 1907 . . . 34,5 „ 

* 29. „ 1907 ... 35 „ 

Bei meinen thierexperimentellen Studien kam es mir nicht nur auf 
die Fieberstudie als solche, sondern auch vor allem auf die Wir¬ 
kung des Chinins auf die Gesammtstoff- und Energiebilanz im 
Fieber an. 

Das Thierexperiment ist für solche Versuche sehr werthvoll, denn 
die gleichraässige Nahrungszufuhr ist in dieser Weise so lange 
Zeit hindurch beim gesunden Menschen undurchführbar, ge¬ 
schweige beim kranken und noch dazu fiebernden Menschen. 

Untersucht habe ich bei dem Hund in der normalen Versuchs- 
periode einen ganzen Monat hindurch: 

1. die Stickstoffausscheidung, 

2. die Kohlenstoffausscheidung im Urin und vielfach in der 
Respiration, 

3. die Harnsäureausscheidung, 

4. die Purinbasenausscheidung, 

5. den Urin und Koth calorimetrisch abwechselnd mit Chinin- 
und ohne Chinindarreichung. 

Während des 2 Monate lang dauernden Fiebers sind alle die ge¬ 
nannten Wcrthe und ausserdem noch die Harnstoffausscheidung 
bestimmt worden. Ich habe stets die genannten Untersuchungen im vier¬ 
tägigen Urin und Koth vorgenommen. Je 4 Tage bilden eine 
Periode der nachfolgenden Curven. 

Der Hund frass bis zum Todestage die Nahrung auf einmal auf 
und ist an demselben Tage, an dem er starb, obducirt worden. Die 
Obduction ergab im Wesentlichen höchstgradige Abmagerung, totalen Fett¬ 
schwund im Unterhautbindegewebe und die charakteristische fettige De¬ 
generation des Herzens, der Niere, der Leber. Ausserdem Hypertrophie 
und Dilatation des Herzens. 

Dass ich über Versuche bei 2 Hunden berichten kann, die sich, in 
einem Falle auf zwei volle Monate, im anderen auf einen Monat er¬ 
streckten, während welcher Zeit beide Thiere die Nahrung ebenso voll¬ 
ständig zu sich Rahmen wie in der Normalperiode, ist ein glücklicher 
Umstand. Denn zumeist verweigern die Thiere bald nach dem Einsetzen des 
Fiebers die Nahrung oder sie fressen sie nur unvollständig auf, wie ich 
bei einer Reihe von Versuchsthieren constatiren musste; dann sind die 
Berechnungen sehr ungenau. 

Die vielen Widersprüche, denen wir in der Literatur begegnen, sind 
theilweise auf diesen Factor zu beziehen, andererseits auch auf zu kurze 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. n 


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98 


Rahel Hirsch, 


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Beobachtungsdauer des Fiebers. Dass nur die Versuche, welche 
über den 24 stündigen Ablauf der Energie- und Stoffwechselvorgänge 
längere Zeit hindurch fortgesetzt werden, Aufschluss geben können, 
dafür dürften meine Versuche auch ein wichtiger Beleg sein. 


I. Oie Gesammtstickstoffbilauz und Chinin in den normalen Vorperioden. 

1. normale Periode. 

Der Hund erhielt pro Periode mit der Nahrung 70 g Stickstoff 
(4 Tage = eine Periode). Er schied mit dem Harn 55,5, mit dem Koth 
6 g aus, so dass also eine positive Bilanz von 4- 8,5 g resultirt. 

2. normale Periode. 

In der 2. Vorperiode erhielt er täglich 1 g Chinin, bisulf. neben 
der gewohnten Nahrung. Mit dem Urin wurden ausgeschieden 46,84 g, 
mit dem Koth 6,3 g. Mithin bei 70 g N-Zufuhr eine positive Bilanz 
von -f- 16,86 g. 

Also etwas mehr als das Doppelte wurde vom Körper retinirt. Die 
Ausnutzung der Nahrung war mit Bezug auf den N-Werth ungefähr 
dieselbe geblieben. In der nachfolgenden Periode zeigt sich immer noch 
dieser Einfluss, was auf die Nachwirkung des Chinins zu beziehen ist, 
das bekanntermaassen nur allmählich ausgeschieden wird. 

In der 4. und 5. Periode beträgt die positive Bilanz in beiden 
Perioden + 13,38. Das Thier erhält dann nochmals 4 Tage lang je 1 g 
Chinin, bisulf. und die Bilanz beträgt -)- 12,22 g, ist also entschieden 
gegen vorher gesunken. Die Mehrausscheidung betrifft sowohl die im 
Urin als die mit den Fäces. In dem diesem Abschnitt folgenden 
2x4 tägigen Intervall steigt die N-Bilanz wieder höher an und beträgt 
je + 15,43 g und + 16,8 g. 

Wir sehen in diesen Versuchen die Bestätigung der früheren Beob¬ 
achtungen über die günstige Wirkung des Chinins auf den Stickstoff¬ 
umsatz. Die N-Bilanz des Hundes war, ehe er Chinin erhalten hatte, 
niemals über + 9 g gestiegen. Unter dem Einfluss des Chinins, das in 
Abständen von 8 Tagen zweimal je 4 Tage lang in der Dosis von 1 g 
pro die verabreicht worden war, steigt die positive Bilanz auf das Doppelte 
zweimal an und hält sich auch zwischendurch weit höher als in derZeit 
ohne Chinindarreichung. 


Harn säure-N. 

Purinbasen-N 

(Methode: Nach 

Ilarnsäure-N 

Purinbasen-N 

Im Hundekuchen: 

Harnsäure: 0 

Krüger und Sch in i d) 

g 

g 

Purinbasen-N: 0,0616 pCt. 

1. Periode. 

0,02864 

0,1042 


9 

0,0201 

0,1121 

täglich 1 g Chinin, sulfur. 

8. * . 

0,0154 

0,0666 

4. „ . 

0,0244 

0,0448 


5. . 

0,0125 

0,0678 

täglich 1 g Chinin, sulfur. 

6. „ . 

0,0184 

0,0654 

7. « . 

0,0167 

0,0843 


8. „ . 

0,0125 

0,0931 



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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


99 


Ia. Harnsäure-Pnrinstoffwechsel nach Chinin normalerweise. 

Der Hundekuchen enthält keine Harnsäure, dagegen Purin- 
basen-N 0,0616 pCt., mithin wurden dem Thiere pro Periode, d. h. in 
4 Tagen, 1,232 g Purinbasen-N zugeführt. 

Wie die Tabelle lehrt, wurden in der normalen Periode ohne Chinin 
Harnsäure-N 0,02864 g und 0,1042 g Purinbasen-N ausgeschieden. 
Unter Chinin: 0,0201 g Harnsäure-N, 0,1121 Basen-N, in der Periode 
nach der Chinindarreichung sank der N-Harnsäurewerth auf 0,0154, der 
Basenwerth auf 0,0666 herab. Unter der erneuten Chinindarreichung 
fiel dann der N-Werth der Harnsäure noch weiter ab: 0,0125 g. Diese 
Beinilussung ist deshalb besonders bemerkenswerth, weil, wie wir später 
sehen werden, im Fieber der Harnsäure-Purinstoffwechsel durch Chinin 
gar nicht mehr beeinflusst wird. 

Die Tabelle zeigt eine unverkennbare Beeinflussung des Harnsäure¬ 
stoffwechsels durch Chinin. Und wenn wir uns vorstellen, dass normaler¬ 
weise der Purinstoffwechsel fermentativen Processen unterworfen ist, so 
könnte man auch hier sich denken, dass letztere durch Chinin gehemmt 
werden. Ich habe experimentell mit Nierenbrei bei Zusatz von Harn 
säure mit Chinin unter Vergleich des Control Versuches ohne Chinin 
den Vorgang geprüft, aber auf diese Weise mit dem Organversuch 
keine Differenz nachweisen können. 

II. Die Kohlenstoffbilanz nnd Chinin bei dem gesunden Thiere. 

In der ersten Periode ist die Kohlenstoffbilanz negativ: — 11,377 g. 
Mit der Nahrung werden in 4 Tagen zugeführt regelmässig: 845,4 g, aus¬ 
geschieden: 856,77 g. Der Einfluss des Chinins auf den Kohlenstoff¬ 
wechsel ist noch weit bedeutender als auf den Stickstoffumsatz, die 
negative Bilanz wird stark positiv: + 60,7 g. 

In den Nachperioden tritt eine weitere Beeinflussung in diesem Sinne 
nicht hervor: negative Bilanzen von — 6,9 g C und — 6,2 g C stellen 
sich ein. Bei erneuter Chinindarreichung zeigt sich dann wiederum der 
positive Ausschlag: + 28,69 g. 

ln den nachfolgenden Perioden macht sich wiederum der negative 
Ausfall mit — 9,8 g C bezw. mit — 18,9 g C geltend. 


III. Die Calorienprodnction nnd Chinin in den normalen Vorperioden. 

I. Periode. 


Stickstoffbilanz. 


N im Harn. 55,5 g 

N „ Koth .... 6,0 g 

Summe. 61,5 g 

N in der Nahrung . . . . _ 70 g 

N-Bilanz. -{- 8,5 g 


Kohlenstoffbilanz. 

C-Respiration. 774 g 

C-Harn. 21,297 g 

C-Koth. . . 50,0 g 

C-Summe. 845,297 g 

C-Nahrung .... . . 845,4 g 

C-Bilanz.+ 0,103 g 


Calorien der Nahrung . . 

. . . 8792 

Cal. retinirt für N. 

. . . + 212 

Cal.-Ausscheidung . . . 

. . . 8580 

pro d i e. 

. . . 2145 

„ Kilogramm in 24 Std. . . 

. . . 61,28 

„ Quadratmeter in 24 Std. . 

. . . 1685 

„ Kilogramm und Stunde 

... 2,5 

„ Quadratmeter und Stund . 

... 70 


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100 


Rahel Hirsch, 


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II. Periode. 


Chinin täglich 1 g. 

Stickstoffbilanz. 


Cbininura bisulfuricum. 

I Kohlenstoffbilanz. 


N-Harn . 
N-Koth . 

N-Summe , 
N-Nahrung 

N-Bilanz 


46,84 g 
6,3 g 
53,14 g 
70 g 

+ 16,86 g 


C-Respiration 
C-Harn . . 

C-Koth . . 

C-Summe . 
C-Nahrung 

C-Bilanz . 


720 g 
21,297 g 
43.4 g 

784.697 g 
845,4 g 

+ 60.703 g 


Cal. retinirt für N.-f- 421,50 

, „ .0. . + 671,4 

1092, 9 

Cal.-Zufuhr. 8792 

Cal.-Ansatz. 1093 


Cal.-Production. 7699 

Cal. pro die. 1924 

„ „ Kilogramm in 24 Std. 63,7 

„ „ Quadratmeter in 24 Std. 1488 

„ „ Kilogramm und Stunde. 2,2 , 

* „ Quadratmeter und Stunde .... 62 


III. Periode. 


Stickstoffbilan 

N-Harn. 

N-Koth. . . 

N-Summe. 

N-Nahrung .... . . 

N-Bilanz. 


49,72 g 
6.9 g 

56,62 g 
70 g 
+ 13,38 g 


Kohlenstoffbil&n 
C-Respiration .... 

C-Harn. 

C-Koth. . . 

C-Summe. 

C-Nahrung . 

C-Bilanz. 


780 g 
21,840 g 
50,5 g 

852,34 g 
845.4 g 

- 6,940 g 


Cal. der Nahrung. 8792 

Cal. retinirt für N.+ 334,5 

Cal.-Deficit für C.— 83,87 

Cal.-Ansatz.+ 250 

Cal.-Production. 8541,37 

Cal. pro die. 2136 

* „ Kilogramm in 24 Std. 60,3 

„ „ Quadratmeter in 24 Std. 1664 

„ „ Kilogramm und Stunde .... 2,6 

r „ Quadratmeter und Stunde. . . 69,2 


IV. Periode. 


Stickstoffbilanz. 


Kohlenstoffbilanz. 


N-Harn . 
N-Koth . 

N-Summe . 
N-Nahrung 

N-Bilanz 


49,72 g 
6.9 g 

56,62 g 
70 g 

+ 13,38 g 


C-Respiration 
C-Harn . . 

C-Koth . . 

C-Summe . 
C-Nahrung 

C-Bilanz . 


760 g 
25,840 g 
65,78 g 

851,670 g 
845,4 g 

6,22 g 


Cal. der Nahrung. 

„ N-Retcntion. 

„ C-Deficit. 

Cal.-Ansatz. 

Cal.-Production. 

„ pro die. 

Cal. pro Kilogramm in 24 Std. 

„ „ Quadratmeter in 24 Std. 

r „ Kilogramm und Stunde. 

T „ Quadratmeter und Stunde . . . . 


8792 

-f 334,5 
— 72 

+ 262,5 
8530,47 

2132 

60,9 

1664 

2,5 

69,7 


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101 


Fieber und Chininwirkung im Fieber. 

V. Periode. 

Chinin täglich 1 g. Chininum bisulfuricum. 


Stickstoffbilanz. Kohlen stoffbilanz. 

N-Harn. 50,28 g C-Respiration. 725 g 

N-Koth. 7.5 g C-Harn. 19,478 g 

N-Summe. 57,78 g C-Koth. • • 72,27 g 

N Nahrung. 70 g C-Summe.816,718 g 

N-Bilanz.+ 12,22 g C-Nahrung .... • • 845.4 g 

C-Bilanz.+ 28,698 g 

Cal. der Nahrung. 8792 

„ N-Retention. 305,60 

„ C-Retention. 314,168 

Cal.-Ansatz. 619,768 

Cal.-Production.8172,24 

Cal. pro die. 2043 

„ „ Kilogramm in 24 Std. 59,2 

„ ,, Quadratmeter in 24 Std. 1611 

„ „ Kilogramm und Stunde ... 2,4 

„ „ Quadratmeter und Stunde . . . 67,1 

VI. Periode. 

Stickstoffbilanz. Kohlenstoffbilanz. 

N-Harn. 46,97 g C-Respiration. 775 g 

N-Koth. 7,6 g C-Harn. 25,57 g 

N-Summe. 54,57 g C-Koth. . • 74 - 63 8 

N-Nahrung. 70 g C-Summe. 865,202 g 

N-Bilanz.. . + 15,43 g C-Nahrung .... • • 846.4 g 

C-Bilanz.— 9,802 g 

Cal. der Nahrung. 8792 

Cal. N-Retention.. 385,75 

„ C-Deficit. 123 

Cal.-Ansatz. 262 

Cal.-Production. 8530 

Cal. pro die . .. 2133 

„ „ Kilogramm in 24 Std. 63,6 

* „ Quadratmeter in 24 Std. 1726 

„ „ Kilogramm und Stunde. 2,6 

„ „ Quadratmeter und Stunde .... 76,9 

VII. Periode. 

Stickstoffbilanz. Kohlenstoffbilanz. 

N-Harn. 45,20 g C-Respiration. 775 g 

N-Koth. 8,0 g C-Harn. 16,03 g 

N-Summe. 53,2 g C-Koth.• • 73 » 30 g 

N-Nahrung. 70 g C-Summe. 864,33 g 

N-Bilanz.. . + 16,8 g j C-Nahrung. • • 8*5,4 g 

I C-Bilanz.— 18,93 g 

Cal. der Nahrung. 8792 

„ N-Retention.+ 420 

„ C-Deficit.— 221 

Cal.-Ansatz.+ 199 

Cal.-Production. 8593 

Cal. pro die. 2148 

„ „ Kilogramm in 24 Std. 65,07 

„ „ Quadratmeter in 24 Std. . . . 1755 

„ r Kilogramm und Stunde .... 2,6 

„ * Quadratmeter und Stunde . . 73 


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102 


Bahel Hirsch, 


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Die Calorien sind nach den üblichen Rubner’schen Werthen (für 
1 g N 25 Cal.; für 1 g C 12,3 Cal. nach Abzug des C-Werthes für N) 
berechnet. Die Calorienproduction ist durch Chinin, wie ja ohne Weiteres 
schon die Stickstoff- und Kohlenstoffbilanz erkennen lässt, variirt. Und 
zwar ist während der beiden Chininperioden nicht nur die Wirkung auf 
den Eiweiss-Harnsäurestoffwechsel zu beziehen, sondern die ohne 
Chinin negative C-Bilanz wird stark positiv in der II. Chininperiode, 
während in der ersten Chininperiode die Wirkung eine solche ist, dass 
der C-Verlust ausgeglichen wird. 

Der Hund hat in dem einen Monat 2 kg an Körpergewicht verloren. 
Dass dies nicht auf Wasserverlust zu beziehen ist, geht aus der Wasser¬ 
bilanz hervor, die nur während der beiden Chininperioden negativ war. 
In den chininfreien Perioden waren die Bilanzen: 

-j- 154 ccm 
+ 335 „ 

+ 362 „ 

+ 403 „ 

+ 575 „ 

Zu den Chininzeiten: 

— 668 ccm 
-702 „ 

Wenn man die negativen Bilanzen von den positiven Bilanzen ab¬ 
zieht, so bleibt für die ganze Zeit eine Wasserretention von 469 ccm. 
Die Körpergewichtsabnahme ist also auf Fetteinschmelzung zurückzuführen, 
die aber nur in der chininfreien Zeit aufgetreten sein kann. 

Der Hund hat im Ganzen im Verlaufe von 28 Tagen 8 g Chinin 
bekommen. Da wir aus zahlreichen Erfahrungen wissen, dass die Chinin¬ 
wirkung noch nach Tagen sich geltend macht, stehen die 28 Tage ent¬ 
schieden unter dem Einflüsse der Chinindarreichung. Im Abstande von 
je 8 Tagen — um die Wirkung abklingen zu lassen — ist die Chinin¬ 
fütterung erfolgt. 

Wir sehen, dass die Stickstoffbilanz unter Chinin stärker positiv 
bleibt, während die C-Bilanz nur unter der unmittelbaren Wirkung positiv 
wird. Dass die Chininwirkung nicht nur eine sparende ist, sondern 
dass es auch zum Ansatz kommen muss, geht aus den Gewiohtsver- 
hältnissen hervor, wie noch des Genaueren weiterhin zu erörtern ist. 

Das Chinin gehört gerade zu den Mitteln, bei denen die richtige 
Dosirung von wesentlicher Bedeutung ist. Man kann auch speciell beim 
Chinin nicht, wie es in der Biologie üblich ist, vom Menschen auf das 
Thier oder von einer Thierspecies auf die andere die Dosirung nach 
kg-Gewicht übertragen. Ich habe bei einer Anzahl von Hunden von 
annähernd demselben Körpergewicht von 10 kg die Erfahrung gemacht, 
wie ungleich die Thiere auf dieselbe Dosis reagirten. Das erste Zeichen 
der Chininschädigung ist die Störung in der Nahrungsaufnahme der Thiere, 
sie lehnen sie vollständig ab, sobald die Dosis zu hoch gegriffen ist. 
Daher muss man mit kleinen Dosen beginnend sich in den Organismus 
einschleichen. Für meinen grossen Hund von 35 kg Gewicht war die 


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Fieber und CbioiDWirUiir.g iiu Fi&}jer. 


103 


ttosis von 1 sr, per os auf ein Mal verabreicht, .gerade.die richtige. und 
nicht nur in seinen gesunden Tugen, sondern auch auf der Hohe der 
schweren Erkrankung. 

Fieber. 

I. Stickstoffbilanz. 

Hiindin. Körpergewicht am 23. Mär/ lÖÖ7r : .kg, 

am 3. April 1307:? M,* 
am 29. A pri.l "l _ Sä, r 

(irsammlsticksloffbilaiu. Zufuhr 70 g |»ro Periode, 


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■Kiirpcrgcwieli't: 20 kg 


Wie überaus wichtig i es' »st, sich aus laiigdaueigidcri Pieberversuchc« 
ein rnbe.il über. Su>ff*eeh.svlammj»liefl zu.-bilden, -geh?; i||rajpt .. aus der 
FiolierstiekstofftabeUii .hervor. In den 5 ersten '•F'icbet|>en*jih*n <9 -Di;, 
d, h. io den Ws!> n 20 Tugen dos Fiebers bei hohen Temperai ur ,-n 
bis 4«.9° blieb. »Ji'e Stiv-.lvsl-vlThUan^ deutlieh ausgesprochen p-o.sii.iv, 
ln diesen 20 Fiebertagen worden noe.lt insgesutonit Üt, 9i> g S ffeiiiMM; 

Die Versiiehsresulfietü sind deshalb so überaus isislructtv, weil dr- 
iiner, wie hiebt oli genug feeftfnt werden kann, taglieh au. h in den 
schwersten Kränkheitstagen diu Nahrung ijminthaUv goiau .-'O mit ei nein 
%T aufgefressen und did .gleiche- Wasscriuengo dabei getmolieo hat wie 
in den gesunden Monaten. 


wmm?* 


Go gle 


nallTEm, 

OF' MICHIGAN 




104 


R&hel Hirsch, 


Digitized by 


Ia. Der Harnstoff im Fieber. 

Da die vermehrte Harnstoffausscheidung, seitdem man überhaupt den 
Stoffwechsel im Fieber berücksichtigt hat, eine solche Rolle spielt, 
habe ich während der Dauer des Fiebers den Harnstoff- ebenso wie den 
Purinstoffwechsel verfolgt. Die Harnstoffsteigerung geht der ver¬ 
mehrten Gesammtstickstoffausscheidung parallel. 

Harnstoifbilanz im Fieber. 

(Je 4 Tage = eine Periode.) 


Methode nach Pflüger und Gumlich, Krüger und Schmid. 



U-N 

g 

in pCt. 
des Ges.-N 


I. Fieberperiode .... 

44,40 

81,2 

_ 

ii. „ — 

50.40 

88,8 

— 

in. . .... 

54,97 

81,8 

— 

IV. , - 

55,10 

82.2 

— 

V. , - 

58,46 

95,5 

— 

VI. , - 

48,85 

74,0 

— 

VII. „ - 

50,18 

75.0 

— 

VIII. „ - 

50,0 

70,0 

— 

IX. „ - 

67,89 

81,6 

— 

X. „ - 

63,80 

85,1 

— 

XI. , - 

48.3H 

83,4 

täglich 1 g Chinin, bisulf. per os 

Xll. „ - 

43,40 

81,0 

täglich 1 g Chinin, bisulf. per os 

XIII. „ - 

56.44 

82.4 

— 

XIV. „ .... 

70.72 

85,6 

— 

XV. , - 

65,85 

82,5 

— 


Der Purinstoffwechsel. 

Quantitativ ist der Purinstoffwechsel im Fieber bisher noch 
niemals studirt worden. Es ist überaus charakteristisch, dass speciell 
die Harnsäureausscheidung vom Beginn der Fieberperiode an bedeutend 
gesteigert ist, und zwar nach 8 Tagen schon um das 10 fache. 


Harnsäure-N : Purinbasen-N im Fieber. 



Harnsäure-N 

Purinbasen-N 


IX. Periode . . . 

0,1465 

0,0992 


X. „ ... 

0,1952 

0,0689 

— 

XI.. „ ... 

0,222 

0,040 

— 

XII. , ... 

0,2010 

0.033 

— 

XIII. „ ... 

0,2234 

0.088 

— 

XIV. , ... 

0.2489 

0,1064 

— 

XV. „ ... 

0.2042 

0,060 

— 

XVI. „ ... 

0.2358 

0,0756 

— 

XVII. „ ... 

0,3166 

0,0942 

— 

XVIII. „ ... 

0.2128 

0.1837 

— 

XIX. „ ... 

0,2116 

0,0622 

täglich 1 g Chinin, bisulf. per os 

XX. „ ... 

0,252 

0,1001 

täglich 1 g Chinin, bisulf. per os 

XXI. „ ... 

0,3136 

0,224 

— 

XXII. „ ... 

0,257 

0,094 

— 


Diese vermehrte Harnsäure-Ausscheidung steigt mit der Dauer 
der Krankheit an und bleibt bis zum Tode hoch. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 










105 


Fieber and Cbininwirkung im Fieber. 

II. Chinin und Stickstoffumsatz im Fieber. 

Ich habe dem Thiere erst Chinin gegeben, nachdem sich die 
Stickstoffbilanz 20 Tage lang schon negativ eingestellt hatte und 
steigend negativ geworden war: von — 0,6 g auf — 13,93 g gesunken 
war. In diesen weiteren 5 Fieberperioden (=^ 20 Tagen) hatte das Thier 
von seinem eigenen Körperbestand 42,14 g N eingebüsst. Obwohl das Thier 
weiterhin täglich die Nahrung sofort auffrass, war das Allgemeinbefinden 
am Ende dieser 10. Fieberperiode, also nach 40 Fiebertagen, sehr 
schlecht. Der Hund erhielt dann in 2 Perioden, also 8 Tage lang, täglich 
je 1 g Chinin, bisulf. Die Wirkung war eclatant. In diesen 8 Tagen 
schlug die stark negativ gewordene N-Bilanz in die positive um. 
In den ersten 4 Tagen -J- 5,76 g N, in den nächsten 4 Tagen -f- 11,86 g N. 
Mithin ein Ansatz in der Chininwoche um 17,62 g N. 

Das Allgemeinbefinden war ganz entschieden besser geworden, der 
Hund war viel frischer als zuvor. 

Noch in der nächstfolgenden Periode zeigt sich der Chinineinfluss, 
die Bilanz ist wieder negativ, aber viel geringer als zuvor. 

Die Stickstoffausscheidung steigt dann immer höher an und beträgt 
in den nächsten 5 Perioden 92,73 g, d. h. 92,73 g stammen aus dem 
Körpereiweiss des Thieres. 

Harnstoff und Chinin im Fieber. 

Die günstige Beeinflussung der N-Curve äussert sich naturgemäss 
ebenso in der Harnstoffausscheidung. 

Harnsäure und Chinin im Fieber. 

Während bei dem gesunden Thiere die Chininwirkung auf Purin¬ 
stoffwechsel unverkennbar ist, bleibt sie während der Fieberperiode 
ganz aus. 

Die Harnsäure-Basenwerthe werden im Fieber durch Chinin 
nicht beeinflusst. 

Die Kohlenstoffbilanz im Fieber. 

Der Hund konnte aus äusseren Gründen nur während 9 Fieber¬ 
perioden in der Pettenkofer’schen Respirationskammer beobachtet 
werden, so dass nur von diesen Perioden, der ersten und zweiten, 
fünften und sechsten, neunten, elften und zwölften, dreiund¬ 
zwanzigsten und vierundzwanzigsten Periode die ausgeathmete 
Kohlensäure bestimmt werden konnte. Im Urin und Koth wurden 
während sämmtlicher Fieberperioden C-Bestimmungen gemacht. Wie 
die Curven zeigen, wird im Gegensätze zum N-Stoffwechsel die C-Bilanz 
sofort ausserordentlich stark negativ. Bei einer Zufuhr von 845,4 g 
pro Periode wird die Bilanz 

negativ um — 703 g, 

- 697 g, 

— 582,36 g, 

— 614 g. 

- 735,4 g. 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



106 


Kahel Hirsch, 

^esniiimtkohlvnstofri>ilauz. 


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l'ntrr >1fv W i rku ü^ «k*?.'Chiiiin 1 aoftll Hifef' C'iric jmj xi»4 : v#■, {iUa;./ 
in der CliUiinwo* lie 

. . . ' . f W. 

In vlrii lioidi'ii l(M/,icf) lnmli;i'..hi»>ivii l'criiicli’ii zvtgt si<h vörto nvga- 
i i \ C HllrWU 

Cv'*’-\v\ * .'■ . V^U \'~™'.*£ > 2'2 , 'i & & : 

.y.W . II 4 :ti* v. 

Sind nun die K r»liIvi;-1»;• 411 ,f|;>fi v,<■>:, .;t!»2v':^lto)i 0 ß <!or Oliinio- 

woclu' auf vv r jh <• Ji r io K «1 tJ»;»»n rf* f» r nd u •• > i o ii. ■•/..< i.M'/ic'hcn v>*ier 
liaiidi'lr ffjf .s. ,(, h um K ol.Ioir- 5 )i6<>a|| mui uug y 

E| ii.intl.il um K..ltl:.-f. ■•'.;» n »»»nuiit:.. I;m wivviol 

(Ji'us, t 11.- K • • Iii<■ 0s.;»u r> 1'.t »• d 11 - I »on ol.u'i 11i’fi, k.»:.n nur Imi t; v;« i! 1 ^er 
dirt-< 1»-r CaluririR-iri.'. i.-rmrl worden, wir odi I.v> d.-m -ivivim’ 
tiumlr. iun diui, firn 1!»r t u f'alonmi Ute Uli: -l(»r i r»;! ;>• M-giiOllfn 

vcdmi Kami, zu domom-lriren in der Lag*’ liij). 




Go gle 


SÜNtVE? 


OF MICH 





Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


107 


Bei diesem ersten Hunde lehrt die Gewichtstabelle, und zwar der 
Werth der Gewichtsabnahme während der Fieberzeit, dass eine derart 
hohe Fetteinschmelzung — nur um solche könnte es sich handeln — 
nicht vorliegen kann. Das Thier hat nämlich eingebüsst in der 
Fieberzeit 7500 g. Berechnet man den C-Verlust der beobachteten 
Tage, so resultirt eine Summe von 3668,51 g. 

Nehme ich während der 7 Fieberperioden, bei denen ich die Kohlen¬ 
säure der Respiration nicht feststellen konnte, den vorher niederst 
beobachteten Werth von — 500 g C an, so habe ich den — 3668,51 g 
noch 3500 g C hinzuzufügen = 7168,51 g, mithin hätte das Tier 7 kg 
an Kohlenstoff allein aus seinem Körpergewichtsbestand producirt. Das 
ist ganz unmöglich, da der Gesammtverlust an Körpergewicht während 
des Fiebers nur 7 kg beträgt. 

Die Kohlensäureausschweramung im Trypanosomenfieber ist 
beim Hunde wenigstens eine Allgemeinerscheinung. Das bin ich wohl 
berechtigt auszusprechen, nachdem ich es bei sämmtlichen Thieren mit 
Hülfe der directen Calorimetrie beobachtet habe. 

Bei Versuchen, wie meinen eigenen, bei denen sich im Fieber eine 
Kohlensäureausschwemmung herausstellt, könnte man ohne directe 
Calorimetrie die Wärmeproduction überhaupt nicht feststellen. Dass 
es sich nicht um ausserordentlich stark vermehrte Kohlensäurebildüng, 
sondern lediglich um Ausschwemmung handelt, beweist der Vergleich 
der directen und indirecten Calorimetrie, und aus beiden kann man in 
diesem speciellen Falle sogar die wirklich producirte Kohlensäure rechnerisch 
feststellen, wie ich noch später detaillirt ausführen werde. 

Senator’s alte Forderung, mit directer Calorimetrie festzustellen, 
ob die so oft beobachtete vermehrte Kohlensäureausscheidung thatsächlich 
vermehrter Production entspreche oder nicht, ist glänzend gerecht¬ 
fertigt. Allerdings sei schon jetzt darauf hingowiesen, dass im Uebrigen 
Senator’s Auffassung bezüglich der Fettverbrennung im Fieber nicht 
zu halten ist. 

Für die Kohlensäureausschwemmung sprechen auch die C-Werthe der 
letzten Woche, in welcher die Respirationskohlensäure festgestellt 
worden ist. Diese Werthe sind weit geringer als die der sämmtlichen 
übrigen Perioden, die Chininwerthe abgerechnet. Die Stickstoffmehraus¬ 
scheidung ist in diesen Tagen die höchst gesteigerte. 

Die für diese beiden Perioden berechneten Kohlensäurewerthe stimmen 
in den Controlen so gut überein: 802 zu 804 g C0 2 der Controle; 
in der anderen Periode, der vorletzten, 950 zu 943 g C0 2 der Controle, 
dass am der Richtigkeit der Werthe nicht zu zweifeln ist. 

Diese auffallende Thatsache lässt sich wohl ohne Zwang dahin 
deuten, dass der im Körper disponible, feicht abspaltbare Kohlensäure- 
vorrath erschöpft gewesen sein muss, so dass erst dann im Schlussact 
der letzten Fieberwoche die reine Mehrproduction von Kohlensäure 
hervortritt. 

Nur die Calorienproduction dieser letzten Woche und die der 
Chininwoche während des Fiebers lässt sich einwandfrei discutiren. 

In der vorletzten Fieberperiode haben wir eine Calorienproduction 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



108 


Rahel Hirsch, 


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von 11 595 Calorien, davon fallen 8792 Calorien auf die durch die Nah¬ 
rung zugeführten Calorien, 2339 Calorien auf die C-, d. h. Fettver¬ 
brennung und 464 Calorien auf N-Calorien. In der letzten Fieber¬ 
periode Gesammtcalorienproduction von 9793, davon 558,7 Calorien auf 
den C-Werth, 442,4 Calorien auf den N-Werth, 8792 auf die Calorien- 
Zufuhr. 


Wärmeproduction — indirecte Calorimetrie. 

Fieberhund (35 kg) März-Juli 1907. Calorien nach kg und qm Oberfläche berechnet. 


Periode 

Calorien 
pro Pe¬ 
riode 
= 4 Tg. 

Calorien 

pro die 

Calorien 
pro kg 

24 Std. 

Calorien 

pro qm 

24 Std. 

Calorien 
pro kg 
u. Stde. 

Calorien 

pro qm 

u. Stde 


I. 

8 580 

2145 

61,28 

1685 

2,5 

70 

täglich 1 g Chinin. 

11 . 

7 690 

1924 

53,7 

1488 

2,2 

62 

bisulf., d. h. 4 g 

111 . 

8 541,37 

2135,3 

60,3 

1664 

2,5 

69,2 

im Ganzen 

IV. 

8 530 

2132 

60,9 

1675 

2,5 

69,7 


V. 

8172 

2048 

59,2 

1611 

2,4 

67,1 

do. 

VI. 

8 530 

2133 

63,6 

1726 

2,6 

71,9 


VII. 

8 593 

2148 

65,07 

1755 

2,7 

73 






Fieber. 



IX. 

17 300,36 

4325 

134,5 

3517 

5,6 

! 146,5 


X. 

17 175,34 

4293 

135 ! 

3595 

5,6 

149,7 


XII. 

25 860,18 

6465 

214,8 

5621 

6,8 

234 


XIV. 

16 167 

4042 

135 

3530 

5,6 

147 


XVII. 

18 258 

4564 

165 

4211 

6,8 

175,4 


XIX. 

8 071 

2018 

67 

1761 

2,8 

73,3 

do. 

XX. 

7 983,7 

1988 

63,5 

1682 

2,6 

70 

do. 

XXIII. 

11 595 

2898 

109,7 

2748 

4,5 

114,5 


XXIV. 

9 793 

2448 

94,15 

2345 

3,9 

97,7 



Die Calorienberechnung wird unter diesen bestimmten Be¬ 
dingungen fehlerhaft, wenn man nicht die Werthe der directen 
Calorimetrie zum Vergleich heranziehen kann. Ich habe trotzdem 
tabellarisch die Calorienproduction, wie sie sich unter diesen Be¬ 
dingungen herausstellt, geordnet, um sie vergleichsweise für die 
Chininwirkung zu benutzen. Die Bedeutung des Chinins äussert sich 
nämlich gerade hierbei sehr charakteristisch. Die Kohlensäurewerthe sind 
nicht nur wieder positive, sondern fast normale geworden. 

In der Chininwoche, und zwar in der ersten Hälfte, zeigte sich eine 
Gesararatwärraeproduction von 8071 Cal., mithin eine positive Bilanz bei 
Zufuhr von 8792 Cal. von -f- 721 Cal. Davon fallen auf N-Cal. -f- 144 Cal., 
auf C-Cal. + 576 Cal. 

In der zweiten Hälfte der Chininwoche Gesammtcalorienproduction: 
7933,71 Cal., positive Bilanz + 858 Cal. bei Zufuhr von 8792 Cal. Da¬ 
von sind zu beziehen: -f 297 Cal. auf N, -f- 561 Cal. auf C. 

Während des Fiebers tet also der Kohlenstoffwechsel durch 
Chinin noch günstiger als der Stickstoffwechsel sparend beeinflusst. 


Die Wasserbilanz im Fieber. 

Nach den Beobachtungen an diesem Hunde ist eine Mehrausschei¬ 
dung von Wasser unverkennbar. Ausser während der Chininwoche ist 
stets eine Mehrausscheidung von Wasser zu constatiren, die manchmal 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHtGAN 




Fieber und Chininwirknng im Fieber. 


109 


ziemlich beträchtlich ist. Während der Chinindarreichung ist eine Wasser¬ 
retention zu verzeichnen, die aber nicht auf die früher so oft discutirte 
Wasserretention im Fieber zu beziehen ist, da sie noch niedrigere Werthe 
als in den gesunden Tagen aufweist. 


Wasserbilanz. 


Fieber-Hund (März bis 31. Juli 1907). 


Datum 

4 Tage = 1 Periode 

Zufuhr 

Harn- 

Wasser 

Fäces- 

Wasser 

Resp.- 

Wasser 

Summe d. 
Ausfuhr 

Bilanz 

I. Periode . . . 

6000 

4650 

116 

1080 

5846 

-f 154 

11. „ • ... 

6000 

4450 

118 

1100 

6608 

— 668 

(Täglich 1 g Chinin) 







III. Periode . . . 

6000 

4450 

120 

1095 

5665 

+ 335 

IV. * 

6000 

4450 

152 

1100 

5702 

- 702 

(Täglich 1 g Chinin) 







VI. Periode . . . 

6000 

4400 

148 

1090 

5638 

+ 362 

VII. * ... 

6000 

4350 

150 

1097 

5597 

+ 403 

VIII. „ ... 

6000 

4200 

140 

1085 

5425 

+ 575 


Fieber. 


IX. 

Periode . . . 

6000 

4400 

110 

1703 

6213 

— 213 

X. 


6000 

4200 

115 

1785 

6100 

— 100 

XIII. 

y* • • • 

6000 

4200 

135 

3316 

7651 

— 1151 

XIV. 

V • • • 

6000 

3800 

120 

2000 

5920 

— 180 

XVII. 

T> • • • 

6000 

4830 

115 

1656 

6601 

— 601 

XIX. 

* • • • 

6000 

4300 

112 

1088 

5400 

+ 500 

XX. 

T • • • 

6000 

4500 

116 

1094 

5710 

+ 290 

XXIII. 

r ... 

6000 

4200 

125 

1628 

5953 

+ 47 

XXIV. 


6000 

3750 

145 

3200 

7095 

— 1095 


Chinin und Temperaturcurve im Fieber. 

Unabhängigkeit des Stoffwechsels von der Fiebertemperatur 

und umgekehrt. 

Die Temperaturcurve zeigt, dass bei dem Trypanosomenfieber 
die Temperatur durch die Chinindarreichung nicht im Mindesten beein¬ 
flusst worden ist. Man erkennt daraus die Unabhängigkeit des Stoff¬ 
wechsels von der Fiebertemperatur und dass letztere hoch sein 
und der Stoffwechsel dabei gleichzeitig aul ein niederes Niveau für die 
Dauer von 8 Tagen gesunken sein kann. 

Der zweite Fieber-Hund (März-April 1912). 

Methodisches. 

Diese Versuche sind mit directer und indirecter Calorimetrie 
durchgeführt worden. Zur directen Calorimetrie diente das neue 
Respirationscalorimeter, mit Hülfe dessen bestimmt werden kann: 

1. die Sauerstoffzufuhr, 

2. die Kohlensäureausscheidung, 

3. das Wasser der Respiration, 

4. die mit dem Pyrometer von Siemens & Halske registrirte 
Wärmeproduction. 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


111 


Auch dieser zweite Fieberhund ist mit Trypanosomen inficirt 
worden. Das Material dafür, wie für alle späteren Versuche, über die 
weiterhin noch berichtet werden soll, verdanke ich Herrn Prof. Dr. Morgen- 
roth. Es handelt sich um Trypanosoma Brucei von Prowazek aus 
dem Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten. 

Auf dem letzten internationalen Hygienecongress in Berlin hatte 
Rubner das Schema eines Apparatensystems ausgestellt, das die Ver¬ 
bindung seines Calorimeters mit dem Pettenkofer’schen Apparat zeigte 
mit der Modification, dass es sich um ein geschlossenes System handelte, 
bei dem nicht Luft, sondern Sauerstoff zugeführt wurde. 

Diese Apparatur, wie sie uns der Mechaniker Hoffmeister lieferte, 
erwies sich aber dann in der Folge praktisch als ganz ungeeignet. 

Der Apparat bzw. das Apparatensystem, so wie ich es benutze, ist 
in seiner jetzigen Gestaltung ein wesentlich anderes als das uns 
damals gelieferte. Wenn man mit einem geschlossenen System ar¬ 
beitet, d. h. wenn dem Thiere in dem Calorimeter keine Luft von aussen, 
sondern nur Sauerstoff aus der Bombe zugeführt wird, ist Vorbedingung, 
dass Vorrichtungen vorhanden sind, die so functioniren, dass die aus- 
geathmete Luft vollständig kohlensäurefrei zu dem Thiere zurückkehrt. 
Das leistete der uns zu dem Zwecke gelieferte Natronkalkkasten absolut 
nicht. Die Thiere konnten nur ganz kurze Zeit in dem Calorimeter ge¬ 
lassen werden, weil sich sehr bald Kohlensäureintoxication einstellte. 
Die Thiere werden sehr schwer dyspnoisch, und was beraerkenswerth ist, 
wenn sie nicht gleich aus dem Calorimeter entfernt werden, tritt am 
ganzen Körper eine solche Transpiration ein, dass die Thiere wie 
aus dem Wasser gezogen erscheinen. Es ist bekannt, dass Hunde sonst 
nur durch die Athraung bei Dyspnoe mit herausgesteckter Zunge physi-* 
kalisch reguliren. Bei allen Thieren, bei denen ich so Gelegenheit zur 
Beobachtung der Kohlensäureintoxication hatte, war diese Thatsache zu 
constatiren. Der ganze Körper war nass. 

Also einmal war die Construction des Kastens für den Zweck, 
dem er dienen soll, ungeeignet, andererseits entsprach er auch aus 
anderem Grunde den Anforderungen nicht. Denn bei einem geschlossenen 
System ist Voraussetzung für die Bestimmung des respiratorischen Stoff¬ 
wechsels die absolute Dichtigkeit. Die zahlreichen Verschraubungen 
des uns gelieferten Kastens waren aus diesem Grunde schon unzweck- 
mässig. 

Der nach unserer Angabe von der Firma Paul Altmann-Berlin 
gelieferte Natronkalkofen entspricht in jeder Weise den Anforde¬ 
rungen. Um die Luft vorgetrocknet dem Natronkalkofen zuzuführen, ist 
ein Chlorcalciumthurm vorgeschaltet. Die Luft wird also von 
einem durch einen Motor angetriebenen von der Firma Elster gelieferten 
Gasmesser in Bewegung gesetzt, die Luft aus dem Thierraum wird 
durch den Gasmesser nach dem Chlorcalciumthurm, von da nach dem 
Natronkalkofen getrieben und kehrt kohlensäurefrei zu dem Thier¬ 
raum zurück. Da ein Theilstrom vom Hauptstrom zu Pettenkofer’schen 
mit Barythydrat gefüllten Röhren mit Hülfe von Quecksilberpumpen ab¬ 
zweigt, dienen die Einströmungsröhren als lndicator für den Kohlen- 


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112 


Rahei Hirsch, 


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Säuregehalt der einströmenden Luft. Die Trübung in den Einströmungs¬ 
röhren ist Signal, dass der Natronkalk mit Kohlensäure gesättigt ist, 
und dass der Kasten mit frischem Natronkalk beschickt werden muss. 
Im Chlorcalciumthurm sind zwei Fenster angebracht, durch die man 
feststellen kann, wann das Chlorcalcium zu erneuern ist. 

Die Sauerstoffzufuhr. 

Von der Sauerstoff bombe gelangt der Sauerstoff nach einem Druck¬ 
regulirapparat mit Schwimmer. Durch letzteren wird das Ventil auto¬ 
matisch geschlossen und geöffnet, je nach dem Sauer- bzw. Kohlensäure¬ 
verbrauch. Circulirt z. B. mehr Sauerstoff im System, als das Thier 
verbraucht, dann bleibt das Ventil geschlossen, so dass erst bei Bedarf 
neuer Sauerstoff zufliessen kann. Von dem Regulirapparat aus passirt 
der Sauerstoff eine Gasuhr, damit der Zufluss in jedem Moment controlirt 
werden kann. Auf einer in dem Zimmer aufgestellten grossen analytischen 
Wage wird die Bombe vor und nach dem Versuch gewogen. 

Die Temperaturregulirung des Calorimeters. 

Auch diese ist eine andere als die bei dem alten Apparat gebotene. 
Das Contactthermometer, das ich seit fast l 1 ^ Jahren zur Constant- 
erhaltung der Temperatur des Calorimeters benutze, hat sich sehr be¬ 
währt. Selbst im heissesten Sommer der letzten 100 Jahre — 
im Sommer 1911 — hielt sich die Temperatur des Calorimeters 
dauernd auf der Einstellung von 15,5°. 

Die beigefügte Curve zeigt die Constanz der Temperaturcurve im 
Wasserraume. Die Regulirung durch das Contactthermometer geht in 
folgender Weise vor sich: Das Calorimeter ist das bekannte Rubner’sche. 

Der Calorimeterraum ( R) dient zur Aufnahme der Wärmequelle und 
ist nach aussen durch eine Thür (T) dicht abgeschlossen. Dieser Raum 
wird umhüllt von dem Mantelraum (AI) und enthält die Luftraenge, deren 
Wärme durch das mit dem Raume communicirende Pyrometer von 
Siemens & Halske registrirt wird. Dieses ganze Luftcalorimeter 
wird von einem zweiten Mantel umgeben, so dass der Isolirraum (!) ge¬ 
bildet wird. Das an dem Eingang in den Calorimeterraum gut verlötete 
Mantelraumsystera ist in das grosse Wasserbad (IF), das ebenfalls mit 
einem Pyrometer in Verbindung steht, versenkt. Der Apparat ist aus 
Kupferblech angefertigt. 

Die Decke des Calorimeters ist mehrfach durchbohrt zur Aufnahme 
von auf 0,05° geaichten Thermometern, die dem Einstrom und Ausstrom 
entsprechend ebenso im Calorimeter- und Wasserraura angebracht sind. 

Dem Ein- und Ausstrom entsprechend führen Verbindungsrohre zu 
den Pettenkofer’schen Barytröhren. 

In den Wasserraum W taucht das Contactthermometer, das mit dem 
elektrischen Anschluss im Zimmer verbunden ist, ein. Das Contact¬ 
thermometer ist auf bestimmten Grad (15,5°) eingestellt. Steigt nun 
die Wärme in dem Wasserbad durch die unterhalb des Calorimeters an¬ 
gebrachten elektrischen Heizplatten an, so schliesst sich im Contact¬ 
thermometer der Strom, dadurch wird ein damit in Verbindung stehender 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


113 


Hebel in Bewegung gesetzt, der ein Ventil öffnet, durch welches so lange 
kaltes Wasser aus der Wasserleitung dem Wasserbade zufliesst, bis die 
.Temperatur der eingestellten entspricht. Zu dem Zwecke ist oberhalb 
des Calorimeters ein Wasserreservoirangebracht, das mit dem Zufluss 
der Wasserleitung und dem Wasserbade (TT) in Verbindung steht. 


Abb. 1. 



Die Registrirung der von dem Thiere gelieferten Wärme. 

Die alten Rubner’schen Volumeter habe ich durch die Pyrometer 
von Siemens & Halske ersetzt. Diese Pyrometer registriren nur die 
producirte Wärme und sind vom Drncke ganz unabhängig. 

Ein Pyrometer ist in den Raum ( M ) versenkt, ein zweites in das 
Wasserbad (TF). Ausserdem sind in dieselben Räume M und W amtlich 
geaichte Thermometer zur Controle dos Pyrometers eingesetzt. 
Für calorimetrfsche wissenschaftliche Zwecke ist der hierfür so 
überaus gut brauchbare Apparat bisher noch nicht benutzt worden. 
Der Fieber-Registrirapparat von Siemens & Halske beruht auf dem 
physikalischen Phänomen, dass metallische Leiter, wie Platin, ihr elek¬ 
trisches Leitvermögen nach Maassgabe der Temperatur gesetzmässig ändern. 

Die Formel, die dieses zum Ausdruck bringt, lautet: 

Wt = Wo * (1 + 3 • 98 • 10- 3 • t — 5 • 88 • 10~ 7 * t 2 ). 

Darin bedeutet Wo den Widerstand bei 0° C, Wt den Widerstand bei 
t° C. Für mässiggradige Temperaturintervalle ist demnach die Wider¬ 
standsänderung der Temperaturänderung proportional, der Widerstand 
nimmt im gleichen Sinne wie die Temperatur zu. Das Widerstands¬ 
element besteht aus einer zweckmässig eingekapselten, in Quarzglas ein¬ 
geschmolzenen Platinspirale, deren Zuleitungen in einem flexiblen, ver¬ 
nickelten Metallschlauch liegen und in zwei konischen Stöpseln mit 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 3 


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114 


Kabel Hirsch, 


Uebcrfangmutter endigen. Das Widerstandselement ist in den Calori- 
meterraum (M) versenkt, für den es speciell geaicht ist, ein zweites 
eigens hierfür geaichtes Element taucht in das Wasserbad ein. 

Die Temperaturregistrirung erfolgt mit Hülfe einer Messanordnung, 
die auf dem Princip der Wheatstone’schen Brücke beruht. Die Brücken¬ 
schaltung enthält im Innern mehrere nach Art einer Wheatstone’schen 
Brücke geschaltete Widerstandsspulen aus einem Drahtraaterial, das von 
der Temperatur der Umgebung nicht beeinflusst wird. Die Widerstände 
bilden mit der als Thermometer dienenden Platinspirale die Brücken¬ 
zweige. Die Brückenschaltung mit den Widerständen, den Regulirwider- 
ständen und dem Umschalter sind in einem Holzkasten untergebracht. 

Es sind nämlich, da die Spannung der Stromstärke — für diese 
dient ein kleiner Accumulator — nicht constant bleibt, sondern mit all¬ 
mählicher Entladung des Accumulators langsam abnimmt, ein Prüfungs¬ 
widerstand, ein Umschalter und Regulirwiderstände vorgesehen. Mit dem 
Umschalter wird entweder das Widerstandsthermometer in dem Calori- 
meter oder der Prüfungswiderstand eingeschaltet. Für meine Zwecke 
ist die Scala in ihrem Anfangsthcil auf 15° C, in ihrem Endpunkt auf 
25° C geaicht. Die Schaltungswiderstände, die Spannung der Strom¬ 
quelle und die Stromempfindlichkeit des registrirenden Millivoltmeters sind 
derart eingestellt, dass entsprechend einer Temperatur von 15° C der 
Zeiger des Millivoltmesscrs in der Ruhelage am Anfang der Scala steht 
und bei einer Temperatur von 25° C die ganze Scala bis zum Endstrich 
durchlaufen muss. Jede dazwischen liegende Temperatur wird zu jeder 
Minute durch den Ausschlag des Millivoltraessers registrirt. 

Zur Controle sind in demselben Calorimeterraume, der die Platin¬ 
spirale als Widerstandselement enthält, ebenso im Wasserbade, auf 0,05° 
geäichte Thermometer versenkt, so dass man jederzeit die Werthe 
controliren kann. 

Da die Spannung der Stromstärke im Accumulator nicht constant 
bleibt, sondern mit allmählicher Entladung des Accumulators langsam 
abniramt, muss vor Beginn jedes neuen Versuches der Prüfungswiderstand 
eingeschaltet werden. Letzterer muss sich nach der Einschaltung genau 
auf den Endpunkt der Scala einstellen. Ist das nicht der Fall, so ist 
die Spannung der Stromquelle zu hoch oder zu niedrig, und man muss 
das mit Regulirwiderständen ausgleichen. Dafür sind 2 Regulirwider¬ 
stände zur Grob- und Feinregulirung vorgesehen. Das eigentliche 
Widerstandsthermometer, die Platinspirale, steht mit längerer Zuleitung 
mit der Messschaltung in Verbindung. 

Das Registrirmillivoltmeter ist nach dem Deprez-d’Arson valtyp 
construirt. Das Messsystem besteht aus einem kräftigen permanenten 
Stahlmagneten und einer im homogenen Felde dieses Magneten unter 
der Strorawirkung sich drehenden, in Gestalt eines Rähmchens gewickelten 
Drahtspule. Um hohe Empfindlichkeit zu erzielen, ist letztere an einem 
Bronzebändchen aufgehängt und wird unten durch eine feine Metallspiralc 
festgehalten. Bändchen und Spirale dienen einerseits als Stromzuführung 
zur Drehspule, andererseits liefert ihre Torsionskraft das der elektro¬ 
magnetischen Richtkraft entgegenwirkende Drehmoment. Trotz der Gering- 


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116 


Rahel Hirsch, 


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fügigkeit der Kräfte stellt sich der Zeiger mit grosser Präzision ein. 
Diese Art der Befestigung der Drehspule hat zur Folge, dass das 
Instrument nur in genau horizontaler Lage verwendet werden kann. 
Deshalb besitzt das Registrirpyrometer verstellbare Fussschrauben, deren 
Länge durch Drehen so lange verändert wird, bis die hinten auf dem 
Instrument zwischen den beiden Anschlussklemmen angebrachte Libelle 
anzeigt, dass der Apparat richtig steht. 

Vorbedingung für die Brauchbarkeit des ganzen Apparatensystems, 
speciell mit Bezug auf die Sauerstoffzufuhr und Kohlensäureausscheidung ist 
die absolute Dichtigkeit, auf die vor Beginn jedes Versuches zu 
achten ist. Die Undichtigkeit zeigt sich sofort beim Versuch durch den 
grossen Sauerstoffverbrauch, den man sofort an der Gasuhr beobachten 
kann. Während des 24ständigen Versuches wird jede Stunde Tag 
und Nacht der Apparat controlirt, alle Thermometer werden stündlich 
abgelesen. Ist der Apparat ganz in Ordnung, so hält sich die einmalige 
Einstellung des Sauerstoffes auf bestimmten geringen Druck während der 
ganzen Versuchszeit auf demselben Niveau. 

Die Aichung des Apparates. 

Die Aichung des Apparates geschieht mit den von Siemens & Halske 
gelieferten Aichapparaten auf elektrischem Wege. Die Kerzenverbrennung, 
die unter den bekannten bestimmten Cautelen vorzunehmen ist, zeigt 
nach Maassgabe ihres calorischen Werthes mit der Verbrennung in der 
Berthelot’schen Bombe gute Uebereinstimmung. Und was von grösstem 
Werthe ist: die directe und indirecte Calorimetrie bei den Thierversuchen 
stimmen überein, wie man es nicht besser erwarten kanu. Als.Verluste, 
die bei der directen Calorimetrie berücksichtigt werden müssen, kommt 
der Wärmeverlust durch die Circulation der Luft, der am Ein- und Aus¬ 
strömungsthermometer abgelesen werden kann, in Betracht. 

Da das circulirende Luftquantum und der Druck genau bekannt sind, 
wird der Wärmeverlust rechnerisch eruirt. Als zweiter Wärmeverlust ist 
calorisch der respiratorische Wasserwerth zu berücksichtigen. Diese 
beiden Werthe sind dem aus der Pyrometercurve sich ergebenden Wärme¬ 
werth hinzuzufügen. Die Curve wird mit geaichtem Centimeterraaass- 
stabe ausgemessen. Das Wärmegleichgewicht stellt sich sofort im Ver¬ 
laufe der ersten Stunde auf der Curve her. Aus den normalen Hunde- 
und Kaninchencurven, die ich beifüge, sieht man, wie gleichmässig die 
Wärmeproduction verläuft. Bei den Hunden, die unmittelbar vor dem 
Versuch gefüttert wurden, erkennt man die Verdauungsstunden an dem 
leichten Anstieg der Curve. Das Kaninchen zeigt ganz ebenmässige 
Curven. Während 24 Stunden bleibt der Kasten geschlossen. Die Thiere 
werden vor und nach dem Versuche gewogen. Will man die Wirkung 
irgend eines Mittels während der Versuchszeit beobachten, so muss man 
etwa eine Stunde zuvor den Zufluss aus der Sauerstoff bombe absperren; 
dann kann man ohne Verlust das Thier herausnehmen, das Mittel geben 
und das Thier sofort wieder hineinsetzen; das kann so schnell geschehen, 
dass die Wärmeunterbrechung auf der Curve kaum zu bemerken ist. 
Uebt das Mittel früher oder später nach der Darreichung eine wärme- 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


117 


steigernde oder wärmehemmende Wirkung aus, so zeigt das die Curve 
deutlichst an. Hat man kein besonderes Interesse an der Beobachtung 
des Verlaufes der Stickstoff-Kohlenstoffausscheidung, sondern lediglich an 
der Feststellung der Gesammtwärmeproduction, so genügt diese directe 
Calorimetrie vollständig. 

Zweiter Fieber-Hund (März—April 1912). 

Directe und indirecte Calorimetrie. Normales Körpergewicht 

10 500 g. 

Auch bei diesem zweiten Hund sind die Stoffwechselversuche, die 
directe und die indirecte Calorimetrie deshalb einwandsfrei, weil 
das Thier an allen Versuchstagen, bis auf die beiden letzten Tage im 
Coma, die Nahrung — 150 g Hundekuchen, 400 ccm Wasser — sofort 
mit einem Male vollständig aufgefressen hat. Nachdem das Thier vorher 
schon an diese Nahrung gewöhnt worden war, wurde am 5. Mär2 1912 der 
Versuch im Calorimeter begonnen. Das Thier war sehr geeignet für Calori- 
meterversuche, da es von Anfang an vollständig ruhig im Kasten lag. 

Durch directe Calorimetrie wurden am 5.—6. März 1912 ge¬ 
funden: 585 Calorien. Der rechnerisch mit Hülfe der Berthelot’schen 
Bombe indirect ermittelte Werth ergab für diesen Tag: 583 Calorien. 

Um die einzelnen Daten dabei näher zu discutiren: Bei den 585 direct 
bestimmten Calorien ist — wie schon früher bei Besprechung der Methodik 
erwähnt — neben dem Verlust mit der Ventilation der mit dem 
Wasserdampf verloren gegangene calorische Werth berücksichtigt 
worden. Bei der mit der indirecten Methode durch die Berthelot’sche 
Bombe eruirten Wärmeproduction ergaben die mit Harn und Koth ver¬ 
loren gegangenen calorischen Werthe zusammen: 9 Calorien. 

Ziehe ich von der täglichen Einnahme von 690 Calorien diesen Ver¬ 
lust von 9 Calorien ab, so bleiben 681 Calorien, die den Umsatz und 
Ansatz repräsentiren. Angesetzt wurden nun an diesem Tage an N-Cal. 25, 
an C-Cal. 123, mithin 148 Cal. Ansatz. Demnach Verbrauch: 681 weniger 
148 Cal. = 533 Cal., dazu kommen noch 50 Cal. für den Wasserdampf. 
Also Wärmeproduction insgesammt: 583 Cal. indirect, 585 Cal. direct 
bestimmt. 

Am 6.—7. März 1912 ergab die directe Calorimetrie 602 Cal. 
Mit dem Harn und Koth wurden ausgesebieden (Berthelot’sche Bombe): 
28 Cal. Nach Abzug dieses Werthes von der Cal.-Zufuhr von 690 bleiben 
für Um- und Ansatz 662 Calorien. Für Stickstoff-Caloricnansatz kommen 
an diesem Tage in Betracht: Cal.-N + 9,425, für Kohlenstoff: Cal.-C 
4- 110,7, d. h. insgesammt wurden retinirt: 120,125 Cal. Bleiben für 
den Calorienverbrauch 662 weniger 120 Cal. = 542 Cal., dazu müssen 
addirt werden 50 Cal. für den Wasserdampf, zusammen 592 Cal. Directe 
Calorimetrie 602 Cal., indirecte Calorimetrie 592 Cal. 

13.—14. März 1912. Mit der directen Calorimetrie wurden fest¬ 
gestellt: 564 Calorien. Indirect gefunden im Harn -(- Koth: 27 Cal. Nach 
Abzug dieses Werthes von 690 Cal. der Zufuhr bleiben 663 Cal. für Um¬ 
satz und Ansatz. Für Retention von N-Cal.: -(- 41,47, von C-Cal.: + 91, 
mithin 132,47 Cal. Ansatz. Demnach Calorienverbrauch: 663 weniger 


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118 


Rahel Hirsch, 


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132,47 = 530,53 Cal., dazu kommen für den Wasserdampf 33 Cal., zu¬ 
sammen 566,53 Calorien, d. h. also mit directer Calorimetrie: 564 Cal., 
mit indirectcr Calorimetrie: 566,53 Cal. 

15.—16. März. Directe Calorimetrie: 651,63 Cal. Indirect er¬ 
mittelt mit der Bcrthelot’schcn Bombe im Harn und Koth: 30,48 Cal., 
bleiben für Um- und Ansatz abzüglich der Nahrung: 690 weniger 30,48 
= 659,52 Cal. Davon gehen ab: für N-Ansatz 28,95 Cal., für C-Ansatz 
49,2 Cal., zusammen 78,15 Cal. Ansatz. Demnach Verbrauch: 659,52 Cal. 
weniger 78,15 Cal. = 581,37 Cal., dazu kommen noch 33,14 Cal. für den 
Wasserdampf, zusammen 614,51 Cal., d. h. also mit directer Calorimetrie: 
651,63 Cal., mit indirecter Calorimetrie: 614,51 Cal. 

17.—18. März. Die Temperatur betrug an diesem Tage 39,9°. 
Wie bei dem ersten Fieberhunde zeigte sich bei dieser Temperatur eine 
starke Kohlensäureausschweramung. Da ich zum Vergleiche bei 
diesem Thiere die directe Calorimetrie heranziehen kann, werde ich die 
Kohlensäurewcrthe von diesem Tage an mit Hülfe der indirecten Calorimetrie 
und Berücksichtigung der directen Calorimetrie rechnerisch eruiren. 

Im Allgemeinen ist es unzulässig, den ausgeathmeten Kohlenstoff 
auf einen bestimmten Nahrungsstolf zurückzuführen und auf diese Weise 
rechnerisch zu fixiren. Nach Rubner erhält man nämlich als calorischen 
Werth des Kohlenstoffs: 

bei Rohrzucker.9,50 

„ Muskelfleisch .... 10,20 

„ Fett.12,31 

Zur Bestimmung des Energieumsatzes sind diese Zahlen ungeeignet, 
denn dies hätte zur Voraussetzung, dass 1 g exspirirtcr Kohlenstoff bei 
den einzelnen Nahrungsstoffen sich calorisch gleich verhielte. 

Hat man, wie ich, dieGesammtwärmeproduction direct ermittelt, 
so kann nur unter diesen besonderen Bedingungen der rechnerisch 
eruirte Kohlensäurewerth für die Beurtheilung herangezogen werden. 

Mit Harn und Koth wurden vom 17.—18. März ausgeschieden: 48,51 Cal., 
mit dem Wasserdampf: 32 Cal., zusammen 80,51 Cal. Subtrahire ich diesen 
Werth von den durch directe Calorimetrie festgestelltcn 702 Cal., so 
bleiben 621,49 Calorien für die ausgeathraeto Kohlensäure. 

Nach der Berechnung ergiebt sich für den Kohlenstoff der Respiration 

C-Respiration.50,5 g 

für C-Harn.3,73 

„ C-Koth.. . 7,24 


C-Zufuhr. 


61,47 

63,34 

C-Bilanz. 

• + 

1,87 

Calorien-Ansatz für C . . . 

für N- Defizit. 

. + 

23,37 

4,775 Cal. 

Calorien-Ansatz. 

Calorien der Nahrung. 

Calorien-Umsatz. 

•T 

18,595 

690 

18,595 

dazu Cal. für den Wasserdampf 


671,405 

32 



703,405, 


d. h. mit directer Calorimetrie 702,10, indirect 703,4. 


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Fieber und Chininwirkung im Fieber. 


119 


Diese übereinstimmenden Werthc zeigen, dass in diesem speciellcn 
Falle der auf Fett bezogene rechnerische Werth des ausgeathmeten 
Kohlenstoffs wohl der richtige sein dürfte. 


19.—20. März. 

Calorienverlust mit dem Harn 41,5 
„ * „ Koth 8,66 

„ „ * Wasser¬ 
dampf. . . 52,8 

102,46 

Die dirccte Calorimetrie ergab 770,39 
für liespirations-Calorien . . 667,93 Cal. 


Temperatur 40°. 


danach C-Respiration . . . 54.3 g 

C-Harn. 3,9705 

C-Koth .... 7,28 g 


C-Summe .... 65,5505 

C-Nahrung . . . 63.34 


C-Bilanz.— 2,2105 g 


Calorien der Nahrung . . . 690 

* für N retinirt. . . + 34,125 

* „ C-Deficit . . . — 31,0 

Calorien-Production .... 687 

+ Calorien d. Wasserdampfes 52.34 

739,34 Cal. indirecte Methode. 
770,39 „ directe „ 


20.—21. März. Temperatur 40°. 


Directe Calorimetrie: 730,07. 


Calorienverlust mit dem Harn . 24,76 

„ „ * Koth . 8,66 

* „ Wasser¬ 
dampf .52 

85,42 

Mit directer Calorimetrie . . . 730,07 
_ 85.42 

Bleiben für Calorien der Respir. 644,65 


mithin C-Respiration 
für C-Harn . 
für C-Koth . 

C-Summe . . 

C-Nahrung . 

C-Bilanz 


Calorien für Nahrung . . . 690 

„ „ N-Ansatz . . . 4- 34,125 

„ „ C-Verlust ... — 9,225 

Calorien-Production .... 665 

+ Calorien d. Wasserdampfcs_52 


. 52,40 g 

4,4077 g 
■ 7,28 g 

. 64,0877 

. 63,34 

. —0,7477 


717 indirecte Calorimetrie 
730,07 directe „ 


21.—22. März. Temperatur 40°. 


Directe Calorimetrie: 672. 


Verlust an Cal. mit dem Harn . 

r f» r> v v Koth 
Cal.-Verlust m. d. Wasserdampf 


direkte Calorimetrie 


22 

8,66 

50 

80,66 

672 

80,66 


demnach C-Rcspiration 
C-Harn . . 

C-Koth . . 

C-Summc 
C-Nahrung . 

C-Bilanz. . 


Calorien der Respiration . . . 591,34 


. . 48 

. . 2,6724 

. . 7,28 

. . 57,9524 

, . 63,34 

. . + 5,3876 


Calorien der Nahrung . . . 

„ „ N-Retention . . 

„ „ C Retention . . 

Calorien-Production . . . . 

+-Calorien d. Wasserdampfcs 


690 

+ 48,625 
+ 66,297 
585,08 
50 

635,08 Cal. indirecte Methode 
672 „ directe „ 


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120 


Rahel Hirsoh, 


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22.—23. März. Temperatur 39,5°. 


Directe Calorimetrie: 583,85. 


Verlust an Calorien m. d. Harn. . 21,90 

* n t * *» Koth. . 8,66 

Cal.-Verlust mit d. Wasser dampf 83 

63,56 

bleibt nach Abzug v. d. Gesammt- 

production direct bestimmt . 583,85 
_ 63,56 

Cal. für die Respiration . . . 520,29 


mithin C der Respiration. . 42,2 g 

C im Harn .... 3,2976 

C im Koth .... 7,28 


C-Summe .... 52,7776 

C-Nahrung . . . 63.34 


C-Bilanz.+ 10,5624 


Calorien der Nahrung 
„ für N-Retention 

w * C-Retention 

Calorien-Production . 
+ Cal. f. d. Wasserdampf 


690 

. + 36,625 
. +129,28 
533,095 
33 


Calorien-Production .... 566,095 in directe Cal. 

585,85 directe Cal. 


24.—25. März. Temperatur 39,7°. 
Directe Calorimetrie: 785.44. 


Verlust an Calorien m. d. Harn. . 44,66 

» » „ » Koth. . 8,66 

Cal.-Verlust mit d. Wasser dampf 36 

89,32 

directe Calorimetrie. 785,44 

_ 89,32 

bleiben für die Respiration . . 696,12 


somit C der Respiration . . . 56,6 

C des Harns .... 4,44 

C des Kothes .... 7,28 


C-Summe.68,32 

C-Nahrung . . . . . 63,34 


C-Bilanz.— 4,98 


Calorien der Nahrung . . . 690 

* * N-Retention . . + 25,625 

„ des C-Deficits. . . — 36,65 

Calorien-Production . . 699 

+ Cal. d. Wasserdampfes_ 36 

Calorien-Production . . 785 indirecte Methode 

785 directe Methode. 


25.—26. März. Temperatur 40,3°. 
Directe Calorimetrie: 740,96. 


Calorienvcrlust mit dem Harn . 44,66 

„ * » Koth . 8,66 

Cal.-Verlust mit d. Wasser dampf 46 

99,32 

directe Calorimetrie. 740,96 

_ 99,32 

bleiben für Cal. der Respiration 641,64 


mithin C der Respiration . . 52,2 


C im Harn. 4,49 

C im Koth . . . . . 7,28 

C-Summe.63,97 

C-Nahrung . . . . . 63,34 

C-Bilanz.— 0,63 


Calorien der Nahrung . . . 

Calorien-N-Deficit . . . . 
Calorien-C-Deficit (nach Abzug 
des C-Werthes für N). . 
Calorien-Production . . . . 

+ Calorien d. Wasserdampfes 


690 

— 49,625 

— 1,749 

741.32 
46, 

787.32 indirecte Methode 
740,96 directe Methode. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 














Fieber und Chinrowirkung im Fieber. 


121 


27.—28. März 1912. Temperatur 39,9°. 

Direct bestimmte Wärmeproduction: 851,46 Calorien. 

Indirekte Calorimetrie: 

Calorien vertust mit deip Harn 61,2- Cal. 

* * »• Koth 9,25 

Cal.-Verl. m. d.Wasserdampf 55 _ 

. 125,45 Cal. 

directe Calorimetrie . . . 851,46 

— 125,45 

bleiben für Resp.-Calorien . 726,01 

Calorien-N-Deficit. 78,25 

Calorien-C-Deficit (abzügl. des 

Werthes für N) .... 88,025 

Calorien der Nahrung . . . 690 

+ 116,275 

Calorien-Production .... 806,275 

+ Calorien f. d. Wasserda mpf 55,4 

861,675 indirecte Cal. 
851,46 directe Cal. 


mithin C der Respiration. . 59 

C des Harnes . . . 2,6997 

C des Kothes . . 5,59 

Gesamrat-C .... 67,2897 

C der Nahrung . 63,34 

C-Bilanz.— 3,9497 


1.—2. April. Temperatur 39,3°. 
Directe Calorimetrie: 793,64. 
Indirecte Calorimetrie: 


Calorienverlust mit dem Ham . 66,9 d. h. für Respirations-C . . 53,6 g 

„ » i Koth . 9,25 für Harn-C .... 2,5497 

CaL-Verlust mit d. Wasser dampf 56,76 für Koth-C. . . . 5,49 

132,91 Summe.61,63 

directe Calorimetrie. . . . . 793.64 C der Nahrung . . 63,34 

bleiben Calorien der Resp. . . 660,73 C-Bilanz.+ 1,71 


Calorien der Nahrung . . . 690 

Calorien-N-Deficit .... — 46,75 
Calorien-C-Deficit (abzügl. des 

Werthes für N) . . . . 20,91 

Calorien-Production .... 757,6 
+ Wasserdampf .... 56,76 


814,86 indirecte Cal. 
798,64 directe Cal. 


3.—4. April 1912. Temperatur 39,3°. 
Directe Calorimetrie: 1003,35. 


Indirecte Calorimetrie: 

Mit dem Harnverlust an Cal.. . 88,5 mithin C der Respiration . . 69,92 

w * Kothverlust „ * . . 12,02 C des Harnes. . . . 3,288 

Cal.-Verlust mit d. Wasser dampf 51 C des Kothes . . . 5,94 

151,52 C der Summe . . . 78,428 

directe Calorimetrie. 1003,35 c der Nahrung . . • 63,34 

151,52 C-Bilanz.— 15,088 


Calorien der Respiration . . . 851,83 1 

Calorien der Nahrung . . . 690 

„ des N-Deficits. . . 125 

„ des C-Deficits (abzgl. 

• des C-Werthes für N). . 169,73 

Calorien-Production . . 984,73 

+ Cal. des Wasserdampfes . +51 

1085,78 indirecte Cal. 
1008,85 directe „ 


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122 


Rahel Hirsch 


Digitized by 


8.-9. April 1912. Terap. 39,5°; 9.—10. April 1912. Temp. 40,5°. 
Schlafzustand, nichts gefressen, nichts getrunken. 
Directe Calorimetrie: 1297. 


Calorienverlust mit dem Ham . 

» » « Koth . 

Cal.-Verlust mit d. Wasserdampf 

180 

24 

70 

mithin für Resp.-C . . . 

für Haru-C . . . 

für Koth-C . . . 

. . 83 g 

. . 3,5 

. . 1,6 


274 

C-Summe — . . 

. . 88,1 

directe Calorimetrie .... 

1297 

274 



Respirations-Calorien .... 

1023 




Calorien-N-Deficit.200 

Calorien-C-Deficit (abzüglich des 

C-Werthes für N) . . . . 1056,8 

Calorien-Production. 1256.8 

+ Cal. des Wasserdampfes . . 70 

1326,8 indirecte Calorimetrie 
1297 directe * 

Die Zahlenergebnisse der directen und indirecten Calorimetrie 
sind nicht nur eine werthvolle Bestätigung für die Rubner’schen Standard¬ 
zahlen, sondern sie demonstriren auch die Correctheit der Wärme- 
curven des Siemens & Halske’schen Pyrometers. Wenn nicht die 
Fragestellung die Feststellung der einzelnen Stoffwcchselcomponenten er¬ 
heischt, ist die Wärraecurve vollständig genügender Ausdruck der Stoff¬ 
wechselvorgänge. Sie ist jedenfalls das objectivste Maass der Wärme- 
production. 

Was nun die Wärmeproduction bei diesem Thiere im Fieber an¬ 
betrifft, so sehen wir, dass sich während der Tage des Fieberanstiegs 
die Wärmeproduction wie in den gesunden Tagen verhält, d. h. in diesem 
speciellcn Falle die Bilanz positiv sein kann. Und zwar ist sowohl 
die Bilanz für Stickstoff wie für Kohlenstoff bis zu demselben 
Tage positiv. Auch das Körpergewicht zeigt bis zum 15. März im Ver¬ 
hältnis zu dem Anfangsgewicht einen positiven Ausschlag. Dann wird 
die Gesamtbilanz sowohl für Stickstoff wie für Kohlenstoff negativ 
bei dem Fiebergrad von 39,9°. Dass man keine directe Parallele zwischen 
der Temperaturerhöhung und dem Stoffwechsel ziehen kann, geht schon 
aus der Thatsachc hervor, dass am 18. März die Temperatur fast normal 
war (38,5°, 38,1°), und die Bilanz für Stickstoff und für Kohlenstoff 
stärker negativ als die Tage zuvor zum Ausdruck kam. 

Auch bei diesem Thiere tritt der Einfluss des Chinins auf die 
Wärmeproduction unabhängig von der Temperatur zu Tage. Die 
Temperatur des Hundes blieb unabhängig von der Chinindosis dauernd 
hoch, schwankte zwischen 39,3—40,4° mit Ausnahme eines einzigen 
Tages, an dem sie 38° betrug. Die Wirkung auf den Stickstoff¬ 
wechsel ist noch intensiver und nachhaltiger als auf den Kohlenstoff¬ 
wechsel. Als das Chinin 2 Tage ausgesetzt wurde, stieg die Stickstoff¬ 
ausscheidung stark an, und vom eigenen Körperbestand warden, 
obwohl das Thier die normale Nahrung aufgefressen hatte, an N 5,38 g 
an den beiden Tagen ausgeschieden. Auch die Kohlenstoffausscheidung 
ist im Harne am 28.—29. Tage bedeutend gegen die Tage zuvor gesteigert, 


Gougle 


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Fieber und Cbininwirkung im Fieber. 


123 


ebenso der calorische Verlust mit dem Harne, der 60,84 Cal. beträgt. 
Das Thier erhält dann wiederum an den folgenden Tagen je 0,5 g 
Chinin; auch jetzt noch, obwohl das Thier nun schon 14 Tage lang 
ständig gefiebert hatte, stieg in den nächsten 3 Tagen das inzwischen bis auf 
10250 g gesunkene Körpergewicht wieder auf 10400 g an. Die StickstofT- 
bilanz blieb negativ, fiel aber um mehr als die Hälfte gegen die Tage 
zuvor ab. Da ich in diesen Tagen aus äusseren Gründen den Hund nicht 
im Calorimeter beobachten konnte, fallen die C-Bilanzen für diese Tage 
weg. Der C-Werth des Harnes aber deutet auf Werthe hin, wie sie 
nur in den Tagen positiver Bilanzen zur Beobachtung gekommen sind. 
Dasselbe gilt für die calorischen Werthe des Harnes, die in diesen Tagen 
wiederum nur 43,23 betragen haben. Die negativen Bilanzen für N und 
C wachsen dann steigend bis zum Tode an. Der komatöse Zustand war 
nicht, wie man zuerst vermuthen durfte, auf die Trypanosomenerkrankung 
zu beziehen, sondern hing mit der doppeltseitigen Pneumonie, die zu 
dieser Zeit unter den Charite-Hunden herrschte, zusammen. Auch bei 
diesem Hunde zeigte sich, wie bei allen anderen, die Kohlensäure¬ 
ausschwemmung im Fieber. 

Erhöhte Lungenventilation führt zu vermehrter Kohlensäure¬ 
abgabe, dadurch wird den Lungenalveolen wieder mehr Kohlensäure aus 
den Geweben zugeführt. Folgezustand ist die Verarmung des Körpers 
an Kohlensäure. Die Kohlensäuremenge in der Ausathmungsluft ent¬ 
spricht nur zum Theil neu gebildeter, ein Theil ist praformirt. Eine ge¬ 
wisse Menge von Kohlensäure ist in den Geweben und Säften locker 
gebunden. Wie Loewy 1 ) ausführlich auseinandersetzt, ist „der Umfang 
ihrer Ausscheidung wesentlich durch die Art der Athmung geregelt. Die 
Kohlensäure des Venenblutes tritt in die Lungenbläschen über, aus denen 
durch den Athmungsvorgang stets ein Theil nach aussen geschafft wird. 
Ist die Athmung umfänglich und tief, so wird viel Kohlensäure aus der 
Lunge entleert, das Blut kann viel abgeben, ist sie flach und gering an 
Umfang, so bleibt in der Lunge viel Kohlensäure, und damit wird auch 
in Blut und Geweben viel zurückgehalten. Es bilden sich so ver¬ 
schieden hohe alveolare Kohlensäurespannungen aus, aber stets kommt 
es, wenn die Athmung längere Zeit gleichmässig verlaufen ist, zu einer 
annähernden Constanz der C0 2 -Spannungen in der Lunge und damit 
auch der Kohlensäureabgabe aus Blut und Geweben. Sobald das ein¬ 
getreten ist, entspricht die mit der Exspirationsluft ausgeschiedene 
Kohlensäuremenge der in dem betreffenden Zeiträume gebildeten.“ 

Die Abhängigkeit der Kohlensäureausscheidung von der Umgebungs¬ 
temperatur ist wiederholt studirt worden. Voit fand, dass das Minimum 
des Erhaltungsumsatzes beim Menschen bei 14—16° liegt, bei 26,7° 
Aussentemperatur war schon vermehrte Kohlensäureausscheidung zu 
constatiren, die bei 30° noch deutlicher hervortrat. Die Kohlensäure- 
werthe verhielten sich für 6 Stunden in Gramm wie 155:160:171. 


1) Loewy, Der respiratorische und der Gesamtumsatz. Oppenheimers Handb. 
der Biochemie. 1908. 5. Lieferung. S. 161. 


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124 


R&hel Hirsch, 


Digitized by 


Frank und Voit 1 ) finden nach ihren Versuchen an Hunden, dass für 1° 
Temperaturdifferenz des Körpers eine Veränderung der Kohlen¬ 
säureausscheidung um 7 pCt. erfolgt. 

Ob beim Fieber nicht ausser erhöhter Ventilation andere Momente 
für die Kohlensäureausschwemmung in Betracht kommen, möchte ich 
vorläufig dahin gestellt sein lassen. Ausdrücklich möchte ich aber 
betonen, dass die Hunde —ich habe diese Kohlensäureausschwemmung 
bei allen Hunden im Fieber constatirt — keineswegs dyspnoisch 
waren, sondern im Calorimeter vollständig ruhig lagen, was man gut 
beobachten kann. Auch Hund II, den ich täglich in seinem geräumigen 
Käfig beobachtet habe, zeigte keine direct auffällige Aenderung der 
Respiration; gemessen habe ich die Respirationsgrösse nicht. 

Ru bn er’s Versuchspersonen schieden aus 

pro Stunde bei 17,4°: 23,1 g C0 2 , 

„ 7) » 23,5° :30,5 g C0 2 , 

zweites Versuchs- f „ 23°: 27 g C0 2 , 
individuum \ „ 29° :32,4 g C0 2 . 

Eine dritte Person zeigte bei 40° noch keine Kohlensäuresteigerung. 
Alle drei Personen waren bekleidet. 

Bei einem völlig nackten Manne und mittlerer Luftfeuchtigkeit 
bezw. trockner Luft waren die Werthe, pro Stunde: 

bei 25°.31,7 g C0 2 , 

„ 30°.34,5 g C0 2 , 

„38° .32,6 g C0 2 . 

Die Körpertemperaturabnahme betrug bei 38° 0,1—0,9°. 

Auch Rubner*) „vermuthet“, dass „eine Aenderung der Athem- 
arbeit“ bei der Steigerung der Kohlensäure in Betracht zu ziehen ist. 

Bei einer anderen Versuchsperson war speciell bei feuchter Luft die 
C0 2 -Zunahme sehr stark ausgesprochen, die Körpertemperatur hatte 
in 3 j /2 Stunden um 0,9° zugenommen. 

Die Oberfläche ist nach der Meeh’schen Formel unter Anwendung 
der Constante 11,9 berechnet worden, Da, wie Rubner (1. c. 22), aus¬ 
führlich auseinandergesetzt, die Constante bei starker Abmagerung sich 
ändert, darf die Berücksichtigung der Oberfläche allein in solchen 
Fällen nicht ausschlaggebend sein. 

Bei beiden Fieberhunden ist die Wärmeproduction gegen die Normal¬ 
periode um 40—42,5 pCt. gesteigert, was in beiden Fällen durch Chinin 
compensirt wird. Da die Nahrungsaufnahme genau dieselbe ge¬ 
blieben, sind die Zahlen einwandsfrei. 

Die Mehrproduction im Fieber gegen die Norm beträgt bei dem 
ersten Fieberhund, wenn ich die vorletzte Fieberperiode — bei der 
lediglich die thatsächliche Production zum Vorschein kommt — zum 
Vergleich heranziehe: 

pro Kilogramm in 24 Stunden . . 40 pCt., 

„ Quadratmeter „24 „ . . 36 pCt. 

1) Frank und Voit, Der Ablauf der Zersetzungen im thierischen Organismus. 
Zeitschr. f. Biologie. 1901. Bd. 42. S. 309. 

2) Rubner, Gesetze des Energieverbrauches. S. 210. 


Gck igle 


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Fieber and Chininwirkang im Fieber. 


125 


Die Einschränkung der normalen Wärmeproduction durch 
Chinin beträgt: 

1. pro Kilogramm in 24 Stunden 10 pCt., 

„ Quadratmeter „24 „ lOpCt.; 

2. pro Kilogramm „ 24 „ 6 pCt., 

„ Quadratmeter „24 „ 6,6 pCt. 


Wie verhält sich nun Chinin zur vermehrten Wärmeproduction im 
Fieber? Ich ziehe zur Berechnung wiederum die vorletzte Fieberperiode 
heran: 

1. pro Kilogramm in 24 Stunden 38,9 pCt. Sparung 

„ Quadratmeter „24 „ 35,8 pCt. „ 

2. pro Kilogramm „24 „ 40 pCt. „ 

„ Quadratmeter „24 „ 39 pCt. „ 


Das heisst also, im Fieber kann durch Chinin bei hoher Fieber¬ 
temperatur die Wärmeproduction so günstig beeinflusst werden, dass 
sie auf ihr normales Niveau zurückkehrt. 

Bei dem zweiten Fieberhunde, bei welchem die Werthe durch 
directe und indirecte Calorimetrie festgelegt sind, zeigt sich dasselbe: 
Die gegen die Norm gesteigerte Wärmeproduction beträgt im Fieber: 
pro Kilogramm in 24 Stunden . . 42,5 pCt., 

„ Quadratmeter „24 „ . . 41,7 pCt. 

Ersparung durch Chinin (22.—23. März): 

pro Kilogramm in 24 Stunden . . 46,7 pCt., 

„ Quadratmeter „ 24 „ . . 45 pCt. 


Wärmeprodnetion. — Directe Calorimetrie. 


Fieber-Hund März—April 1912, geimpft am 12. März. 


Datum 

Warme- 

production 

Cal.- 

Zufuhr 

Cal.- 

Bilanz 

Körper¬ 
temperatur 
per rectum 

Körper¬ 

gewicht 

Chinin, bi$ulf. 




Grad 

8 

g 

5.— 6. März 

585 

690 

+ 105 

38,4 

10 470 


6 - 7. „ 

602 

690 

+ 88 

38,2 

10 600 

— 


Fieber. 


13.—14. 

n 

564 

14.-15. 

7t 

595,32 

15.—16. 

7t 

651,63 

17.—18. 

n 

702,10 

19.—20. 

rt 

770,39 

20.-21. 

71 

730,07 

21.—22. 

7t 

672 

22.-23. 

7t 

383,85 

24.-25. 

7t 

785,44 

25.-26. 

7t 

740,96 

27.-28. 

7t 

851,46 

1.— 2. 

April 

763,64 

3.— 4. 

7t 

1003,89 

5.— 6. 

71 

928,76 

8. - 9- „ \ 

9. -10. „ / 
Nichts gefressen 

„ getrunken 

1297 


690 

+ 126 

38,6 

690 

+ 104,68 

38,9 

690 

+ 38,37 

38,9 

690 

— 12,10 

39,9 

C90 

- 80,39 

40 

690 

- 40.22 

40 

690 

+ 18 

40,3 

690 

+ 106,15 

39,5 

690 

— 95,44 

39,7 

690 

- 50,96 

40,3 

690 

— 161,46 

39,9 

690 

— 73,64 

39,3 

690 

-313,89 

39,3 

690 

— 238,76 

39,3 

— 

— 1297 

39.5 

40.5 


10 950 

— 

10 850 

— 

10 700 

— 

10 550 

— 

10 500 

0,25 

10 590 

0,25 

10 680 

0,3 

10 900 

0,5 

10 850 

— 

10 570 

1,0 

10 250 


10 400 

10,5 Morgens 
/ 0,5 Nachmittags 

10 150 

— 

10 050 

— 

8 600 

— 

8 300 

— 


Digitized by 


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126 


Rahel Hirsch 


Wärmeproduction. — Directe Calorimetrie. 
Fieber-Hund (10,5 kg) März-April 1912. 


Calorien nach Kilogramm und Quadratmeter Oberfläche berechnet. 


Datum 

1912 

Cal. 

in 

24 Std. 

Cal. 
pro kg 
in 

Cal. 
pro qm 
in 

Cal. 
pro kg 
und 

Cal. 
pro qm 
und 

Tempe¬ 

ratur 

per rectum 

Chinin. 

bisulf. 

24 Std. 

24 Std. 

Stunde 

Stunde 

Grad 

g 

5.— 6. März 

585 

I 55,88 

1027 

2,3 

42,7 

38,4 

! 

6.- 7. . 

602 

56,79 

1049 

2,3 

1 43,7 

38,2 



Fieber (geimpft am 12. März). 


13.-14. März 

564 

51,74 

961 

2,1 

40 

38,6 

— 

14.-15. „ 

595,32 

54,68 

1020 

2,2 

42,5 

38,9 

— 

15.-16. . 

651,63 

60,90 

1128 

2,5 

47 

39,9 

— 

17.-18. , 

702 

66,5 

1227 

2,7 

51 

40 

— 

19.-20. „ 

770,39 

73,3 

1350 

3,0 

56 

40 

0,25 

20.-21. „ 

730,07 

68,9 

1272 

2,9 

53 

40.3 

0,25 

21.-22. , 

672 

62.9 

1165 

2,6 

48,5 

39,5 

0,3 

22.-23. „ 

583,85 

53.5 

984,6 

2,2 

41 

39,7 

0,5 

24.-25. „ 

785,44 

72,3 

1243 

3,1 

51,7 

40,3 

— 

25.-26. „ 

740,96 

70 

1342 

2,9 

55,5 

39,9 

1,0 

27.-28. , 

851 

83 

1516 

3,4 

63 

39,3 

— 

1.— 2. April 

763,64 

73,4 

1347 

3,0 

56 

39,3 

( 0,5 Morgens 
\ 0,5 Abends 

3.- 4. „ 

1003,89 

98,9 

1800 

4, 1 

75 

40,3 

— 

5.- 6. „ 

928,76 

92 

1676 

3,8 I 

69,8 

40,3 

— 

8.- 9. „ \ 

9—10. „ \ 

1297 

151 

2613 

6,3 

108,8 

40,5 

Coma 


Kohlenstoffbilanz. 


Datum 

C-Zufuhr 

Harn-C 

Fäces- 

c 

Respi- 

rations- 

C 

Bilanz 

Chinin. 

bisulf. 

Temp. 

Körper¬ 

gewicht 

1912 

g 

g 

g 

g 



g 


g 

März 










5. 

-6. 

63,34 

2,32 

5,91 

45,0 

+ 

10,11 

— 

38,4 

10 470 

6. 

—7. 

63,34 

3,24 

5,91 

45,0 

+ 

9,19 

— 

38,0 

10 600 

7. 

-8. 

63,34 

4,09 

5,91 



— 

— 

— 

— 

8. 

-9. 

63,34 

3,245 

5,91 

— 


— 

— 

— 

— 

9. 

— 10. 

63,34 

3,245 

5,91 

— 


— 

— 

— 

— 

10. 

— 11. 

63,34 

2,34 

5,91 

— 


— 

— 

— 

— 

11. 

-12. 

63,34 

3,10 

5,91 

— 


— 

— 

— 

— 

geimpft 










12. 

-13. 

63,34 

2,748 

7,24 

42,0 

+ 

11,35 

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38,2 

10 950 

13. 

—14. 

63,34 

2,9 

7,24 

46,0 

+ 

10,20 

— 

38,9 

10 850 

15. 

-16. 

63,34 

2,748 

7,24 

49,2 

+ 

5,56 

— 

38,9 

10 700 

16. 

-17. 

63,34 

3,730 

7,24 

53,2 


0,83 

— 

39,0 

10 550 

17. 

— 18. 

63,34 

3,730 

7,24 

50,5 

— 

0,83 

— 

39,9 

10 430 

18. 

—19. 

63,34 

5,40 

7,24 

54,3 

— 

3,60 

0,25 

38,5 

10 500 

19. 

-20. 

63,34 

3,97 

7,24 

54,3 

— 

2,21 

0,25 

38,1 

10 500 

20. 

-21. 

63,34 

4,407 

7,28 

52,4 

+ 

0,74 

0.25 

40,0 

10 590 

21. 

-22. 

63,34 

2,672 

7,28 

48,0 

+ 

5,39 

0.3 

40,0 

10 680 

22. 

-23. 

63,34 

3,297 

7,28 

42,2 

+ 

10,47 

0,5 

39,5 

10 900 

23. 

-24. 

63,34 

2,446 

7,28 

— 

— 

0,5 

40,3 

— 

24. 

-25. 

63,34 

4,446 

7,28 

56,6 

— 

2,98 

— 

39,7 

10 750 

25. 

-26. 

63,34 

4,49 

7,28 

52,2 

— 

0,8 

1,0 

40,3 

10 570 

26. 

-27. 

63,34 

6,136 

5,59 

— 



— 

40,4 

10 570 

27. 

-28. 

63,34 

2,699 

5,59 

59,0 

— 

3,94 

— 

39,9 

— 

28. 

-29. 

63,34 

6,699 

5,59 

— 


— 

0,5 

39,8 

10 250 

29. 

-30. 

63,34 

2,25 

5,59 

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— 

0,5 

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10 400 

30. 

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63,34 

2,25 

5,59 

i 


— 

— 

40,1 

— 


Digitized by 


Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Fieber lind Chininwirkung im Fieber. 
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127 


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10 850 
10700 
10 700 
10 560 
10430 

10600 
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10 «80 
10 900 
10 750 
10570 

10 250 
10 400 
1.0400 


39.3 | 10 400 

80.3 j‘. 

40,8 \ 10 050 
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39.5 8 0(8» 

40.5 8 300 

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128 


Rabel Hirsch, 


Digitized by 


Fieber-Hund. (März—April 1912.) 

(24 Stunden-Versuche.) 

Der respiratorische Quotient. — Directe Sauerstoffbestinmung. 


Datum 

co 2 

Liter 

0° 76 cm 

0 2 

Liter 

0° 76 cm 

R Q. 

Temp. 

Chinin, 
bisul f. 

Körpergewicht 

K 

März 







5.-6. 

76,3 

107,0 

0,7 

38,4 

— 

10 470 

6.-7. 

78,9 

111,4 

0,7 

38,2 

— 

10 600 

13.—14. 

82,9 

117,8 

0,7 

38,2 

— 

10 850 

15.—16. 

92,2 

128,5 

0,71 

88,6 

— 

10 550 

17.—18. 

100,0 

140,0 

0,71 

38,9 

— 

10 430 

19.-20. 

110,0 

148,0 

0,73 

89,9 

— 

10 500 

20.—21. 

101,1 

142,7 

0,7 

40,2 

0,25 

10 590 

21.-22. 

92,6 

132,1 

0,7 

40,3 

0,25 

10 600 

22.-23. 

81,7 

111,0 

0,73 

38,3 

0,3 

10 680 

24.-25. 

109,2 

152,7 

0,71 

39,5 

0,5 

10 900 

25.-26. 

97,7 

142,7 

0,68 

40,3 

0,5 

10 570 

27.-28. 

112,8 

159,0 

0,7 

40,3 

1,0 

10 250 

April 





1.-2. 

100,9 

139,8 

0,71 

39,3 

0,5 (2X) 

10 400 

3.-4. 

130,0 

176,5 

0,73 

40,3 

— 

10 050 

5—6. 

110,7 

156,3 

0,72 

40,3 

— 

10 000 

8. -9. \ 

9. -10. / 

155,8 

202,5 

0,76 

40,5 

— 

8 300 

nichts gefressen, 
nichts getrunken 


i 






Wie schon bei dem literarischen Ueberklick erwähnt, sind in der 
Literatur abnorm tiefe Werthe für den respiratorischen Quotienten wieder¬ 
holt gefunden worden. Zumeist handelte es sich dabei um mangelnde 
Ernährungsverhältnisse, ähnlich wie beim Hungerstoffwechsel. 

Ich habe den rechnerisch eruirten Werth für <lie Kohlensäure- 
production in die Tabelle eingesetzt; danach ergeben sich für das Fieber 
und für die Chininwirkung im Fieber keine nennenswerthen Ab¬ 
weichungen gegen die Norm: Ein Befund, der dem von Kraus (1. c.) 
zuerst constatirten entspricht. 


Die Wasserbilanz. 

Die Wasserbilanz zeigt keine Werthe, die im Verhältniss zu den 
normalen Tagen der Wasserbilanz sich so verhielten, dass man von 
Wasserretention durch das Fieber sprechen könnte. Die Zahlen 
sind — abgesehen von den beiden letzten Tagen des comatösen Zustandes 
— keine solchen, dass danach überhaupt von nennenswerther Beeinflussung 
durch das Fieber die Rede sein kann. 

Was die Chininwirkung und die Wasserbilanz anbetrifft, so tritt 
nur an 2 Tagen eine Bilanz hervor, die man als gegen die Norm ver¬ 
mehrte Retention deuten könnte. 

Wir ersehen aus den beiden langdauernden Fieberversuchen, dass beim 
Trypanosomenfieber die vermehrte Wärmeproduction schon in den 
ersten Tagen des Fiebers auftritt, während der Fieberanstieg nicht mit 
erhöhter Production einhergeht. Die in der Literatur vorliegenden Wider¬ 
sprüche — man constatirte theilweise normale, theilweise erhöhte und 
sogar verminderte Wärmeproduction — sind vielleicht auf die verschie- 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Fieber and Chininwirkung im Fieber. 
Wasserbilanz. 

Fieber-Hund (März—April 1912). 


129 


Datum 

Zufuhr 

Urin 

Koth 

Respiration 

i 

Temp. 

Chin. 

bisulf. 

Bilanz 


ccm 

ccm 

g 

g 


g 


März 

5.-6. 

400 

160 

13,45 

83,86 

normal 


+ 140,0 

6.-7. 

400 

220 

13,45 

83,86 


— 

+ 82,69 

13.—14. 

400 

170 

15,75 

55,0 

38,9 

— 

+ 159,25 

14.-15. 

400 

180 

15,75 

55,0 

38,9 

— 

+ 149,25 

15.-16. 

400 

210 

15,75 

15,75 

53,5 

39,0 

— 

+ 130,75 

17.—18. 

400 

200 

87,2 

38,5 

— 

+ 97,15 

19.—20. 

400 

140 

14,50 

87,0 

40,0 

0,25 

+ 158,50 

20.-21. 

400 

180 

3,86 

83,0 

40,3 

0,25 

+ 133,14 

22.-23. 

400 

110 

3,86 

55,0 

40,3 

0,30 

+ 231,14 

24.-25. 

400 

100 

3,86 

60,0 

40,3 

0,50 

+ 236,14 

25.-26. 

400 

150 

3,86 

76,0 

40,4 

1,0 

+ 170,74 

27.-28. 

400 

180 

3,86 

92,3 

39,9 


+ 123,84 

April 

2.-3. 

400 

150 

4,20 

56,3 

39,3 

0,50 | 

+ 189,50 

3.-4. 

400 

175 

4,20 

85,0 

40,3 | 

— 

+ 135,80 

5.- 6. 

400 

190 

4,20 

76,6 

40,3 

— 

+ 129,20 

S.-9. Ij 
9.-10.) 

nichts 

getrunken 

318 

4,20 

116,6 

40,5 

— 

— 438,80 


denen Fieberursachen zu beziehen. Dafür sprechen zwei Versuche, 
die ich mit directer Calorimetric mit Anaphylatoxin an Kaninchen 
gemacht habe. Mit der Temperaturerhöhung sank die Wärme- 
production. 

Zusammen mit Herrn Dr. Leschke, Volontärarzt der II. med. Klinik, 
dem ich das Anaphylatoxin verdanke, werde ich diese Versuche fort¬ 
setzen, um insbesondere auch den Eiweissstoffwechsel dabei zu ver¬ 
folgen. 

Die Kohlensäureproduction war nämlich in dem einen Versuch 
besonders stark eingeschränkt. 

Beim Trypanosoraenfieber ist jedenfalls der Fettstoffwechsel 
ebenso stark beim Umsatz während des Fieberverlaufes betheiligt 
wie der Eiweissstoffwechsel, und sehr bcmerkcnswerth ist die stark 
vermehrte Harnsäureausscheidung im Fieber. 

Während der C- und N-Umsatz durch Chinin so günstig beeinflusst 
wird, dass sich nach der Wärmeproduction, dem Eiweiss- und Fettstoff¬ 
wechsel gemessen, die normale Curve wiederherstellt, bleibt die vermehrte 
Harnsäureausscheidung durch Chinin unverändert dieselbe. 

Die Chininversuchc illustriren, dass Wärmeproduction und Temperatur- 
curve unabhängig von einander und neben einander verlaufen können. 
Während die Fiebercurve durch Chinin im Trypanosomenfieber 
garnicht beeinflusst wird, ist die Wirkung auf den Gesammt- 
umsatz eclatant. 

Wie beim Diabetes mellitus die Zuckerausscheidung lediglich Symptom 
und als solches von Bedeutung ist, so hat die Einstellung des Wärme¬ 
niveaus auf höheren Grad nur symptomatischen Werth. Ob von der 
Peripherie aus durch infectiös-toxische Momente das Wärmegleichgewicht 
gestört wird, ob Toxine anderer Art, wie z. B. bei der Fleischvergiftung, 

Zeiuehrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bi ^ q 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



130 


Rahei Hirsch, 


Digitized by 


Fieber auslösen, oder ob es sich um endogene Stoffe wie bei dem ge¬ 
legentlich auftretenden Menstruationsfieber handelt, stets kommt offenbar 
die Verschiebung der Wärmeeurve auf dem Wege des Nervensystems zu 
Stande. 

Dafür sprechen auch meine Adrenalinversuche, auf die ich. in 
der Fortsetzung dieser Arbeit weiter eingehen werde. 

Man kann von der Peripherie aus durch Reizung bezw. Lähmung 
des Sympathicus das Wärmegleichgewicht nach unten bezw. nach oben 
hin verschieben. 

Die Quelle der thierischen Wärme ist die Nahrung, ist der Stoff¬ 
wechsel. Das Contacttherraoraetcr, das regulatorische Princip — für 
verschiedene Thierspccies verschieden hoch eingestellt — ist das Nerven¬ 
system, aller Wahrscheinlichkeit nach das sympathische System. 

Die febrile Hyperthermie verläuft nicht einfach auf Grund erhöhter 
Umsetzungen, sondern nach Maassgabe der Reaction unseres wärme¬ 
reg u lat ori sehen Princips. 

Zusammenfassung. 

1. Beim Trypanosomenfieber ist im Fieberanstieg die Wärmc- 
bilanz noch positiv, wird aber am dritten Jnfectionstage bei einer 
Temperatur von 39° (normal 38°) negativ. 

2. Die erhöhte Wärmeproduction auf der Höhe des Fiebers beträgt 
im Verhältnis zu den Normalw r erthen bei beiden Fieberhunden 
40 bezw. 42,5 pCt. 

3. An demselben Tage wird sowohl die Stickstoff- als auch die 
Kohlenstoffbilanz negativ. Eiweiss- und Fettstoffwechsel sind 
also bei der gesteigerten Wärmeproduction betheiligt. Die 
C-Werthe des Eiweissumsatzes sind stets bei der Berechnung des 
Fettzcrfalles in Abrechnung gebracht worden. 

4. Mit dem Einsetzen des Fiebers tritt intensiv vermehrte Harn¬ 
säureausscheidung auf. 

5. Bei Hunden mit Trypanosomenfieber zeigt sich sofort mit Ein¬ 
setzen des Fiebers Kohlensäureausschwemmung, daher beim 
Fieber directe Calorimetrie zur Controle unerlässlich. 

6. Wasserretention ist bei beiden Hunden im Fieber nicht nach¬ 
zuweisen. 

7. Chinin wirkt nicht nur beim gesunden Thiere sparend auf den 
Wärmehaushalt, sondern übt vor Allem während des Fiebers — 
auf der Höhe des Fiebers — derartigen Einfluss auf den Gesammt- 
umsatz aus, dass sich bei unverändert hoher Temperatur der 
Stoffwechsel auf normales Niveau wieder einstellt. Die vor¬ 
her negative Bilanz wird wieder positiv. 

8. Der Eiweiss- und der Fettstoffwechsel werden durch Chinin 
in diesem Sinne günstig beeinflusst. 

9. Im Fieber reagirt die stark vermehrte Harnsäureausscheidung 
auf Chinin garnicht mehr, während beim gesunden Thiere auch 
der Purinstoffwechsel durch Chinin eingeschränkt wird. 

* 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Fieber und Cbininwirkung im Fieber. 


131 


10. Die Chininwirkung im Fieber zeigt, dass der Stoffwechsel, 
dass die Wärmeproduction unabhängig ron der Temperatur- 
curve verlaufen kann. 

11. Beide Hunde hatten während des ganzen Fieberverlaufes die 
normale Nahrung — quantitativ und qualitativ — vollständig 
aufgefressen, daher sind die Vergleichswerthe eindeutig. 

12. Der Stoffwechselversuch bei dem ersten, 35 kg schweren Hunde 
ist deshalb besonders einzigartig in der Literatur, weil das Thier 
durch 2 ganze Monate hindurch bei hohem Fieber wie in den 
2 gesunden Monaten der Beobachtung qualitativ und quantitativ die¬ 
selbe Nahrung mit einem Male gefressen. Die Versuchsresultate 
sind deshalb eindeutig in der Fieberperiode als Fieberwerthe 
zu deuten. Die Obduction ergab auffallenden Fettschwund, das 
Thier war an Fieber-Kachexie zu Grunde gegangen. 

13. Das Pyrometer von Siemens & Halske, das bei meinem 
Apparatensystem für die directe Cälorimetrie zum ersten Male 
überhaupt verwendet worden ist, hat sich als äusserst brauchbar 
für solche langdauernden Beobachtungen erwiesen. 


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VIII. 

Aus der II. med. Universitäts-Klinik der Königl. Charite zu Berlin. 

Trypanosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfleber 
beim Kaninchen. 

Von 

Dr. med. R&hel Hirsch, 

Assistentin der Klinik. 


In seiner Abhandlung „Fieber und Infection“ in v. Noorden’s 
Handbuch weist Kraus 1 ) darauf hin, dass vorwiegend praktische 
Gesichtspunkte den „ärztlichen Fieberbegriff“ aufrecht zu erhalten ver¬ 
mocht haben. Die Uebereinstimmung der Symptomengruppe, welche 
den allgemeinen Fieberbegriff rechtfertigt, ist keine derartige, dass dadurch 
das „Wesen der Einzeldefecte“ aufgeklärt wird. Insbesondere betont 
Kraus, dass der Fiebertypus sowohl von der Specificität der fieber- 
erregenden Substanzen, als auch von den Abwehrkräften des Organismus 
abhängig ist. „Der Nutzen und Schaden“ der febrilen Temperaturerhöhung 
lässt sich daher auch nicht unter „einen einzigen Gesichtspunkt bringen“. 
Dasselbe gilt für die Stoffwechselvorgänge beim Fieberprocess 
(Kraus). 

Diese Gesichtspunkte sind speciell für die Wärracproduction, die 
Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausscheidung der leitende 
Gedanke bei den nachfolgenden Untersuchungen gewesen. Für das In- 
fectionsfieber habe ich das Trypanosomenfieber gewählt, daneben 
die Vorgänge beim Wärmestichfieber und dem durch Anaphylatoxin 
erzeugten studirt. Als Versuchsthier diente das Kaninchen, speciell mit 
Rücksicht auf die Wärmestichversuche. Die Wärmeproduction wurde 
direct bestimmt, ebenso die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäure¬ 
ausscheidung während derselben Zeit festgestellt. Das Calorimeter ist 
wie bei allen bisherigen Versuchen auf 15,8° eingestellt. Kaninchen 
liefern eine sehr regelmässige Curve der Wärmeproduction, so dass bei 
gleichmässiger Fütterung Thiere desselben Körpergewichts geradezu 
identische Curven aufweisen. 

Tabelle I. 

Kaninchen, schwarz. Juni 1912. Körpergewicht 2170g. 

(17 Stunden-Versuch.) 


In 17 Stunden.78,2 Calorien 

pro Stunde. 4,6 „ 

„ Kilogramm und Stunde. 2,0 * 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 362,2 
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 21,3 

1) Kraus, Fieber und Infeclion. v. Noordcu’s Handbuch. 


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Trypanosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen. 


133 


Kaninchen, schwarz (Tabelle 1), lieferte normalerweise bei einem 
Körpergewicht von 2170 g pro Stunde 4,6 Calorien, pro Kilogramm und 
Stunde 2 Calorien, pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde bezogen 
21,3 Calorien. Der Versuch dauerte bei allen Thicren ununterbrochen 
17 Stunden lang. Am 4. Tage nach der Injection von 1 ccm Trypa¬ 
nosomenblut, auf 10 ccm mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt, 
stieg die Temperatur von 39,5 auf 40,6° an. Bei einem Körpergewicht 
von 2320 g betrug die Wärmeproduction pro Stunde 8,8 Calorien, pro 
Kilogramm und Stunde 3,8 Calorien, auf die Oberfläche berechnet .pro 
Quadratmeter und Stunde 38,9 Calorien (Tabelle II). 

Tabelle II. 

Kaninchen, schwarz. Trypanosomenfieber. 10. Juni 1912. 

Temperatur 40,6°. Körpergewicht 2320 g. 

(17 Stunden-Versuch.) 


In 17 Stunden.149,6 Calorien 

pro Stunde . 8,8 „ 

„ Kilogramm und Stunde. 3,8 „ 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 662,7 „ 

„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 38,9 r 

An einem anderen Normaltag mit 39,5° Temperatur und 2200 g 
Körpergewicht lieferte dasselbe Thier pro Stunde 4,5 Calorien, pro 
Kilogramm und Stunde 2 Calorien, pro Quadratmeter Oberfläche und 
Stunde 20,6 Calorien (Tabelle III). 

Tabelle III. 

Kaninchen, schwarz. 15. Juni 1912. Normalversuch. Temperatur 39,5°. Körper¬ 
gewicht 2200 g. 

(17 Stunden-Versuch.) 

In 17 Stunden.76,5 Calorien 

pro Stunde. 4,5 „ 

* Kilogramm und Stunde.. 2,0 * 

„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 351,1 „ 

„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 20,6 „ 

An einem weiteren Fiebertage, 40,2 0 Temperatur, betrug die Wärme¬ 
production pro Stunde 5,4 Calorien, pro Kilogramm und Stunde 2,4 Ca- 
lorien, auf die Oberfläche berechnet pro Stunde 24,2 Calorien (Tabelle IV). 

Tabelle IV. 

Kaninchen, schwarz. Trypanosomenfieber. 11. Juni 1912. 

Temperatur 40,2°. Körpergewicht 2270 g. 

(17 Stunden-Versuch.) 


In 17 Stunden.91,8 Calorien 

pro Stunde. 5,4 „ 

* Kilogramm und Stunde. 2,4 * 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 412,fi 
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 24,2 „ 

Was nun die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausschci- 
dung anbetrifft, so schied das normale Thier in 17 Stunden 50,5 g 
bezw. 45,1 g Kohlensäure aus, die Sauerstoffaufnahme betrug 
54,6 g bezw. 48 g, der respiratorische Quotient 0,86 bezw. 0,78, pro 
Kilogramm und Stunde 1,13 g bezw. 1,1 g Kohlensäure, pro Kilo¬ 
gramm und Stunde für die Sauerstoffaufnahme 1,4 g bezw. 1,2 g 
(Tabellen V und VI). 


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134 


Rahel Hirsch 


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Tabelle V. 

Kaninchen, schwarz. Juni 1912. Temperatur 39,5°. Körpergewicht 2200 g. 


(Normalversuch.) 

Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 50,5 g 26,54 Liter 

Sauerstoffaufnahmc in 17 Stunden.54,6 g 30,72 „ 

Respiratorischer Quotient.0,86 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde.2,9 g 1561,1 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3,2 g 1807,0 „ 

Kohlensäureausscheidung pro Kiiogr. und Stunde 1,13 g 709,5 „ 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,4 g 821,3 „ 


• Tabelle VI. 

Kaninchen, schwarz. 15. Juni 1912. Temperatur 39,5°. Körpergewicht 2200 g. 


(Normalversuch.) 

Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 45,1 g 23,68 Liter 

Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.48,0 g 30,25 „ 

Respiratorischer Quotient.0,78 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde.2,65 g 1393,0 ccm 

Sauerstoffaufnahmc pro Stunde.2,8 g 1779,4 * 


Kohlensäureausscheidung pro Kiiogr. und Stunde 1,1 g 633,1 * 
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,2 g 808.8 „ 

An den Fiebertagen nun sind die entsprechenden Werthe für die 
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden 62,22 g bezw. 51 g C0 2 , 
die Sauerstoffaufnahme im Fieber 65,0 g bezw. 53,5 g 0 2 , der 
respiratorische Quotient 0,72 bezw. 0,70, pro Kilogramm und Stunde 
COo 1,5 bezw. 1,3, pro Kilogramm und Stunde C0 2 1,65 bezw. 1,4 
(Tabellen VII und VIII). 

Tabelle VII. 

Kaninchen, schwarz. Trypanosomenfieber. 10. Juni 1912. Temperatur 40,6°. 


Körpergewicht 2320 g. 

Kohlensäureausscheidungin 17 Stunden . . . 62,22 g 32,85 Liter 

Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.65,0 g 46,50 „ 

Respiratorischer Quotient.0,72 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde.3,66 g 1932,0 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3,8 g 2735,2 „ 

Kohlensäureausscheidung pro Kiiogr. und Stunde 1,5 g 832,7 „ 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,65 g 1189,2 „ 


Tabelle VIII. 

Kaninchen, schwarz. Trypanosomenfieber. Temperatur40,2°. Körpergewicht 2270 g. 


Kohlensäurcausscheidung in 17 Stunden .... 51,0 g 26,8 Liter 

Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.. 53,5 g 38,2 „ 

Respiratorischer Quotient.0,70 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde.3,0 g 1576,4 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3,1 g 2247,0 * 

Kohlensäureausscheidung pro Kiiogr. und Stunde. 1,3 g 716,5 * 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,4 g 1021,4 r 


Ein zweites Kaninchen (braun) zeigte normalerweise bei einem 
Körpergewicht von 3780 g folgende Werthe: 

Tabelle IX. 

Kaninchen, braun. 13. December 1912. Normalversuch. 

Temperatur 38,3°. Körpergewicht 8780 g. 

(17 Stunden-Versuch.) 

In 17 Stunden. 

pro Stunde . 

„ Kilogramm und Stunde. 

„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 


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155,0 Calorien 
9,0 „ 

2,4 „ 

496,0 „ 

29,1 „ 


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Trypanosomen-Wärmestich-Anapbylatoxinfieber beim Kaninohen. 


135 


An einem anderen Norraaltage bei 3900 g Körpergewicht (Tabelle X) 
betrug die Wärmeproduction in 17 Stunden 158 Caloricn, pro Stunde 
9,3 Calorien, pro Kilogramm und Stunde 2,3 Calorien, auf den Quadrat¬ 
meter Oberfläche für 17 Stunden berechnet 496,1 Calorien, pro Quadrat¬ 
meter Oberfläche und Stunde 29,1 Calorien. 

Tabelle X. 

Kaninchen, braun. 17. December 1912. Normalversuch. 

Temperatur 38,3°. Körpergewicht 3900 g. 


(17 Stunden-Versuch.) 

In 17 Stunden.158,0 Caloricn 

pro Stunde. 9,3 „ 

„ Kilogramm und Stunde. 2,3 * 

* Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 495,1 „ 

„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 29,1 „ 


Dasselbe Thier hatte bei 40,7° Körpertemperatur im Trypanosomen¬ 
fieber bei 3570 g Körpergewicht eine Wärmeproduction von 180 Calorien 
in 17 Stunden, pro Stunde 10,5 Calorien und pro Kilogramm und Stunde 
3 Calorien. Pro Quadratmeter Oberfläche beträgt das in 17 Stunden 
598,3 Calorien, pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde 35,1 Calorien. 

Tabelle XI. 

Kaninchen, braun. 4. Januar 1913. Trypanosomenfieber. Temperatur 40,7°. 

Körpergewicht 3570 g. 

In 17 Stunden.180 Caloricn 

pro Stunde.10,5 „ 

„ Kilogramm und Stunde 3 „ 

„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 598,3 „ 

„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 35,1 „ 

Die Kohlensäurewerthe für die beiden Normaltage betrugen für 
17 Stunden je 59,5 g bezw. 61,2 g, die Sauerstoffaufnahme je 62,0 g 
bezw. 64,2 g. Der respiratorische Quotient 0,7 an beiden Tagen. 
Pro Kilogramm und Stunde die Kohlensäureausschcidung 0,9 und 0,9 g, 
die Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde 0,97 und 0,94 g. 

Tabelle XII. 

Kaninchen, braun. 13. Dcccmbcr 1912. Temperatur 38,3°. Körpergewicht 3780 g. 


(Normalversuch.) 

Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 59,5 g 31,31 Liter 

Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.62,0 g 44,20 „ 

Respiratorischer Quotient.0,7 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde . . . . 3.5 g 1841,7 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3.6 g 2600,0 „ 

Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 0,9 g 497,7 „ 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 0,97 g 702,7 „ 


Tabelle XIII. 

Kaninchen, braun. 17. December 1912. Temperatur 38,3°. Körpergewicht 3900 g. 


(Normalversuch) 

Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 61.2 g 32,456 Liter 

Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.64,2 g 45,80 

Respiratorischer Quotient.0,71 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 3,6 g 1909,0 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3,7 g 2694,1 r 

Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 0,9 g 489,4 „ 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 0,94 g 690,7 „ 


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136 


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Rahel Hirsch, 

Während des Fiebers nun wurde in 17 Stunden ausgeschieden 85 g 
bei einer Sauerstoffaufnahme von 88 g. Der respiratorische Quotient 0,7, 
pro Kilogramm und Stunde berechnet ergiebt sich für die Kohlensäure¬ 
ausscheidung 1,4 g und für die Sauerstoffaufnahme 1,4 g. 

Tabelle XIV. 

Kaninchen, braun. 4. Januar 1913. Körpergewicht 3570 g. 

Trypanosomenfieber. Temperatur 40,7°. 


Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 85,0 g 44,74 Liter 

Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden. 88,08 g 62,85 „ 

Respiratorischer Quotient.0,7 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 5,0 g 2631,7 ccm 
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.5,1 g 3697,0 „ 


Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 1,4 g 751,9 „ 
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,4 g 1056,2 „ 

Wir sehen bei beiden Thieren eine deutliche Steigerung der Wärme- 
production im Fieberstadiura. Beim Kaninchen (schwarz) bei der Er¬ 
höhung der Körpertemperatur von 39,5 auf 40,6° betrug diese Mehr- 
production gegen die Norm 48 pCt., bei geringgradigerem Fieber (40,2°) 
14,3 pCt. Bei dem zweiten Thiere betrug die Mehrproduction 13,4 pCt. 

Das Kaninchen reagirt also im Trypanosomenfieber im ersten 
Fieberanstieg sowohl wie im Verlaufe des Fiebers mit erhöhter 
Wärmeproduction wie der Hund. 

Was die Wasserdunstung während des Fiebers anbetrifft, so 
ist das Verhältniss zu der Wärmeabgabe durch Leitung und 
Strahlung dasselbe wie an den fieberfreien Tagen. Die vermehrte 
Wasserausscheidung entspricht der vermehrten Wärmeproduction. 


Anaphylatoxinfieber (Normalversuche). 

Das Kaninchen (gelb) von 3050 g Körpergewicht und normaler 
Temperatur von 38,3° und 38,5° hatte in 17 Stunden eine Wärme¬ 
production von: 


pro Stunde . 

pro Kilogramm und Stunde . . 

pro qm Oberfläche in 17 Stunden 
pro qm Oberfläche und Stunde . 


am 7. Nov. 1912 
168 Calorien 
9,8 „ 

3,2 „ 

620,2 „ 

36,4 „ 


28. Nov. 1912 
170 Calorien 
10 „ 

3,2 „ 
618,5 „ 

36,5 „ 


Tabelle XV. 


Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3050g. 28. November 1912. Temperatur 38,3°* 


In 17 Stunden.168 Calorien 

pro Stunde. 9,8 v 

„ Kilogramm und Stunde. 3,26 „ 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 620,2 
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 36,4 


Tabelle XVI. 

Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3117 g. 7. November 1912. Temp. normal 38,5°. 


In 17 Stunden.170 Calorien 

pro Stunde.10 * 

„ Kilogramm und Stunde. 3,2 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 618,5 
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 36,5 


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Trypanosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen. 137 

Im Anaphylatoxinfieber bei Körpertemperatur von: 

40,7° 40,3° 


In 17 Stunden. 139,8 Calorien 136,0 Calorien - 

pro Stunde. 8,2 „ 8,0 „ 

pro Kilogramm und Stunde .... 2,7 „ 2,6 „ 

pro qm Oberfläche in 17 Stunden . . 515,2 „ 507,5 „ 

pro qm Oberfläche und Stunde . . . 30,0 „ 29,8 „ 

Tabelle XVII. 

Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3060 g. Temperatur 40,7°. 

(Anaphylatoxinversuch.) 

In 17 Stunden. 139,8 Calorien 

pro Stunde. 8,2 * 

* Kilogramm und Stunde. 2,7 „ 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 515,2 „ 

„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 30,0 „ 

Tabelle XVIII. 

Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3000g. Temperatur 40,3°. 
(Anaphylatoxinversuch.) 


In 17 Stunden.136,0 Calorien 

pro Stunde. 8,0 „ 

ff Kilogramm und Stunde. 2,6 „ 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 507,5 
ff Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 29,8 „ 

Also entschieden in beiden Versuchen eine ganz manifeste Ein¬ 
schränkung der Wärmeproduction: normal pro Kilogramm und 
Stunde 3,2 Cal., im Anaphylatoxinfieber bei 40,7° 2,7 Cal., bei 40,3° 

2.6 Cal. Pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde: normal 36,4 Cal. bezw. 
36,5 Cal., bei 40,7° 30 Cal., bei 40,3° 29,8 Cal. 

Diese herabgesetzte Wärmeproduction äussert sich auch in der 
Kohlensäureausscheidung. Normaler Weise schied das Thier pro 
Kilogramm und Stunde aus: 1,7 bezw. 1,6 g Kohlensäure bei 1,7 bezw. 

1.6 g Sauerstoffaufnahme, bei 40,3° 1,1 g Kohlensäure und 1,2 g Sauer¬ 
stoffaufnahme, bei 40,7° nur Spuren ron Kohlensäure und 1,2 g Sauer¬ 
stoffaufnahme. 

Tabelle XIX. 


Kaninchen, gelb. 28. November 1912. Körpergewicht 3050g. Temperatur 38,3°. 


Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 

87,54 g 

46,0 Liter 

Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden. 

90,57 g 

64,2 „ 

Respiratorischer Quotient. 

0,7 


Kohlensäurcausscheidung pro Stunde .... 

5,10 g 

2700,0 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde. 

5,30 g 

3776,0 „ 

Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 

1,70 g 

900,0 „ 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 

1,70 g 

1258,6 „ 

Tabelle XX. 



Kaninchen, gelb. 7. November 1912. Körpergewicht 

3117 g. 

Temperatur 38,5°. 

Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 

86,0 g 

45,26 Liter 

Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden. 

90.0 g 

64,25 „ 

Respiratorischer Quotient. 

0,7 


Kohlensäureausscheidung pro Stundo .... 

5,0 g 

2662,3 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde. 

5,2 g 

3779,4 . 

Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 

1,6 g 

858,8 . 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 

1,6 g 

1219,1 „ 

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138 


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llahel Hirsch, 


Tabelle XXI. 

Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3000 g. Temperatur 40,3°. 
(Anaphylatoxinversuch.) 

Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 59,0 g 31,62 Liter 

Sauerstoflaufnahme in 17 Stunden.64,0 g 45,05 „ 

Respiratorischer Quotient. 0,7 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 3,4 g 1860,0 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde. 3,7 g 2650,0 r 

Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 1,1 g 620,0 ,. 

SauerstofFaufnahrae pro Kilogramm und Stunde . 1,2 g 883,3 * 


Tabelle XXII. 

Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3060 g. Temperatur 40,7°. 
(Anaphylatoxinversuch.) 

Kohlensiiureausschcidung in 17 Stunden: Nur Spuren von Kohlcnsäureausschcidung, 

nicht titrirbar. 


Sauerstoflaufnahme in 17 Stunden.62,4 g 

pro Stunde. 3,6 g 

pro Kilogramm und Stunde. 1,2 g 


Besonders in dem ersten Falle bei 40,7° Temperatur war die ver¬ 
minderte Kohlensäureausschcidung eclatant. Die Barytlauge war nur 
eben getrübt, so dass nicht messbare Mengen von Kohlensäure ausge¬ 
schieden worden waren. An der Wärmecurve war diese Einschränkung 
auch sofort deutlich zu beobachten. 

Zusammen mit Herrn Dr. Leschke werde ich beim Hunde diese Ver¬ 
suche fortsetzen, um besonderes Augenmerk dem Eiweissstoffwechsel 
zu widmen. Erst dann nach eingehenderen Beobachtungen beim Hunde 
und weiteren Studien beim Kaninchen wird man ein abschliessendes 
Urtheil zu fällen berechtigt sein. 

Wärmestichfieber. 

Ueber den Gaswechsel vor und nach dem Wätmestich beim 
Kaninchen liegen Untersuchungen von Aronsohn und Sachs 1 ) aus dem 
Zuntz’schen Laboratorium vor. Danach ist, sobald die Körpertemperatur 
durch den Wärmestich erhöht ist, die Sauerstoflaufnahme und die Kohlen¬ 
säureabgabe erhöht. 

Durch directe Calorimetrie fanden Richet 2 ) und Richter 3 ) mit 
Hülfe von Methoden, die allerdings modernen Anforderungen nicht ent¬ 
sprechen, nach dem Wärmestich orhöhte Wärmeproduction. 

Von Gottlieb 4 ) liegen auch Versuche mit directer Calorimetrie mit 
dem ersten Rubner’sehen Calorimeter vor. Dabei wurde die Wasser¬ 
verdampfung nicht berücksichtigt und die Versuche dauerten nur kurze 
Zeit. „Die Wärmeabgabe ist danach beträchtlich herabgesetzt, im weiteren 
Verlaufe aber auch die Production gesteigert. 44 

Schultze 5 ) hat dann auf Krehl’s Anregung mit dem Rubner’schen 
Calorimeter den Wärmehaushalt des Kaninchens nach dem Wärmestich 

1) Aronsobn und Sachs, Pflüger’s Arch. Bd. 37. S. 277. 

2) Hiebet, Arch. de physiol. 1885. p. 464. 

3) Richter, Virchow’s Arch. Bd. 133. S. 138. 

4) Gottlieb, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 28. S. 177. 

5) Schultze, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 43. S. 193. 


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Trypanosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen. 


139 


eingehend untersucht und fand, dass „der erfolgreiche Wärmestich 
zu einer starken Erhöhung der Wärmeproduction führt“. 

Zwischen dem „Fieber“ und den „Folgen des Wärmestiches“ be¬ 
stehen nach Schultze insofern Unterschiede, als bei ersterem „eine weit¬ 
gehende Unabhängigkeit zwischen Höhe der Temperatur und Intensität 
der Wärmeproduction“ besteht. Bei dem Wärmestich „ist im Vergleich 
zu der erreichten Temperatur die Steigerung der Wärmebildung wesentlich 
grösser als in der Regel bei den Fiebern des Kaninchens“. 

Eigene Wärmestichversuche mit directer Calorimetrie. 

Den Wärmestich der folgenden Versuche hat Herr Prof. Lewan- 
dowski in dankenswerther Weise ausgeführt. 

Kaninchen weiss. 

Die normale Temperatur dieses Thieres von 2900 g Körpergewicht 


betrug 38,3°. 

Die normale Wärme- 

Wärmestichfieber 


production 38,3° 

41,1° 

In 17 Stunden. 

141,0 Calorien 

156,1 Calorien 

pro Stunde . 

8,3 „ 

9,1 „ 

pro Kilogramm und Stunde . . . 

2,8 „ 

3,5 „ 

pro Quadratmeter Oberfläche in 
17 Stunden. 

538,3 „ 

632,9 „ 

pro Quadratmeter Oberfläche u. Stunde 

31,6 „ 

37,2 


Tabelle XXIII. 

Kaninchen, weiss. 18. November 1912. Temperatur 38,3°. Körpergewicht: 2900g. 

(Normalversuch.) 


In 17 Stunden.141 Calorien 

pro Stunde. 8,3 „ 

„ Kilogramm und Stunde. 2,8 „ 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 538,3 „ 

„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 31,6 r 

Tabelle XXIV. 

Kaninchen, weiss. Wärmestich. 16. November 1912. Temperatur 41,1°. 
Körpergewicht: 2650 g. 


In 17 Stunden.156,1 Calorien 

pro Stunde. 9,1 „ 

„ Kilogramm und Stunde. 3,5 „ 


„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 632,9 
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 37,2 r 

Bei einem weiteren Wärmestich versuch, der an Kaninchen gelb 
ausgeführt worden ist, ergaben sich folgende Werthe: 


* 

Die normale Wärme- 

Wärmestich fieber 


production 39,5° 

40,3° 

In 17 Stunden. 

170,0 Calorien 

180,0 Calorien 

pro Kilogramm und Stunde . . . 

pro Quadratmeter Oberfläche in 

3,2 „ 

3,3 „ 

17 Standen . 

618,5 „ 

649,0 „ 

pro Quadratmeter Oberfläche u. Stunde 

36,5 „ 

38,7 „ 

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140 


Rahel Hirsch 


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Tabelle XXV. 

Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3160 g. Temperatur 40,3°. 
, Wärmestich (17 Stunden-Versuch). 


In 17 Stunden.180,16 Calorien 

pro Stunde. 10,5 „ 

pro Kilogramm und Stunde. 3,3 „ 

pro Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden .... 649,0 * 

pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde.38,7 

Tabelle XXVI. 

Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3160 g. Temperatur 40,3°. Wärmestich. 
In 17 Stunden Kohlensäureausscheidung . . . 88,9 g 46,78 Liter 

In 17 Stunden Sauerstoflaufnahme.84,0 g 60,0 * 

Respiratorischer Quotient. 0,77 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 5,2 g 2740,0 ccm 

Sauerstoflaufnahme pro Stunde. 4,9 g 3529,2 * 

Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 1,6 g 787,0 * 

Sauerstoflaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,5 g 1138,0 „ 


In beiden Fällen eine Steigerung der Wärmeproduction durch Wärme¬ 
stichfieber, im ersten Falle bei 41,1® um 17,6 pCt., im zweiten Falle 
bei 40,3° um 4,9 pCt. Wenn ich zum Vergleich die erhöhto Wärme¬ 
production beim Trypanosomenfieber heranziehe, so war bei einer 
Temperatur von 40,6° eine Mehrproduction von 48 pCt., bei 40,2° eino 
solche von 14,3 pCt. zu beobachten. 

Für das Trypanosomenfieber trifft also das nicht zu, was 
Schultze (I. c.) für die anderen Fiebererkrankungen im Vergleich zum 
Wärmestichfieber angeführt hat. Die vermehrte Wärmeproduction ist 
beim Trypanosomenfieber weit grösser bei niedrigerer Temperatur 
als beim Wärmestichfieber mit höherer Temperatur. 

Bei Kaninchen gelb habe ich die drei verschiedenen Fieberformen 
nebeneinander beobachtet, in solchen Zeitabständen, dass keine Beein¬ 
flussung der krankhaften Zustände untereinander möglich war. 

Normal- Anaphyla- Trypano- Wärmestich- 

versucb toxinfieber somenfieber lieber 

38,5° 40,3° 40,3® 40,3» 

In 17 Stunden . . . .170,0 Cal. 136,0 Cal. 198,0 Cal. 180,0 Cal. 

pro Kilogramm und Stunde 3,2 „ 2,6 „ 3,7 „ 3,3 „ 

pro qm Oberfläche in 17 Std. 618,5 „ 507,5 „ 722,9 „ 649,0 „ 

pro qm Oberfläche u. Std. 36,5 „ 29,8 „ 42,52 „ 38,7 „ 

Dass bei genau derselben Temperatursteigerung die Wärmeproduction 
bei den verschiedenen Fieberformen verschieden intensiv abläuft, geht 
daraus ohne Weiteres hervor. Die Temperatur des Calorimeters, 
die Luftventilation, war bei allen Versuchen dieselbe, so dass 
die Verschiebung der Wärmeproduction nicht auf derartige äussere 
Versuchsbedingungen bezogen werden kann. Die normale Wärmecurve 
war bei diesem Thiere, wie auch bei den anderen stets dieselbe unter 
den gleichen Ernährungsbodingungcn. 

Was die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausscheidung 
anbetrifft, so war dieselbe bei Kaninchen weiss ebenfalls gegen die Norm 
gesteigert. 


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Trypatiosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen. 141 


Bei Kaninchen weiss: 

Normal bei 38,3° pro kg und Stunde C0 2 -Ausscheidung 1,1 g, 

Wärmestich „ 41,1° „ „ „ „ „ 1,66 g, 

Normal „ 38,3° „ „ „ n 0 2 -Aufnahme 1,8 g, 

Wärmestich „ 41,1° „ „ „ „ „ 2,2 g. 

Bei Kaninchen gelb: 

Normal bei 38,3° pro kg und Stunde C0 2 -Ausscheidung 1,7 g, 

n n ^6,6° „ n n n n 1,6 8, 

„ „ 38,3° „ „ „ „ 0 2 -Aufnahme 1,7 g, 

n n 40,3° „ „ n n „ 1,5 g. 

Tabelle XXVII. 

Kaninchen, weiss. 18. November 1912. Normale Temperatur 38,3°. 


Körpergewicht: 2900 g. 

(Normal versuch.) 

In 17 Stunden Kohlensäureausscheidung . . . 60,3 g 30,51 Liter 

,17 , Sauers tollaufnahme.61,60 g 43,40 „ 

Respiratorischer Quotient.0,70 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 3,5 g 1794,7 ccm 

Sauerstoffaufnahme pro Stunde.5,3 g 2553,0 „ 

Kohlensäureausscheidung pro Kilogramm u. Stunde 1,1 g 618,8 , 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,8 g 880,0 „ 


Tabelle XXVIII. 

Kaninchen, weiss. Wärmesticb. Temperatur 41,1°. Körpergewicht: 2650 g. 


In 17 Stunden Kohlensäureausscheidung. . . . 75,4 g 39,6 Liter 

,17 , Sauerstoffaufnahme.100,0 g 52,2 , 

Respiratorischer Quotient.0,76 

Kohlensäureausscheidung pro Stunde.4,4 g 2329,4 ccm 

Sauerstoffaufnahme. pro Stunde.5,8 g 3070,0 , 

Kohlensäureausscheidung pro Kilogramm u. Stunde 1,66 g 895,9 , 

Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 2,2 g 1180,0 , 


Zusammenfassung. 

1. Infectionsfieber, wie das durch Trypanosomen verursachte, ruft 
auch beim Kaninchen erhöhte Wärmeproduction hervor. 

2. Der Wärmestich bedingt ebenfalls Steigerung der Wärmeproduction, 
die aber weit geringer ist als die beim Trypanosomenfieber beobachtete. 

3. Beim Anaphylatoxinficber kann bei selbst hoher Temperatur 
die Wärmeproduction beim Kaninchen weit unter die Norm 
sinken. 


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ix. 

Aus der II. med. Universitätsklinik der Königl. Charite zu Berlin. 

Adrenalin und Wärmehaushalt 

Von 

Dr. med. Rahel Hirsch, 

Assistentin der Klinik. 


Auf dem Congress für innere Medicin in Wiesbaden 1911 habe ich 
über Versuche berichtet, die den Einfluss des Adrenalins auf den Wärme¬ 
haushalt zum Gegenstand hatten. Ich hatte mittheilen können, dass, 
wenn man Adrenalin von bestimmten Drüsen aus einwirken lässt, die 
Temperatur des Thieres allmählich sinkt, in manchen Fällen bis unter 
30°, dass die meisten Thiere im Laufe von 2x24 Stunden ihre normale 
Körpertemperatur wieder erlangen, während andere, speciell Hunde, bei 
der Wirkung vom Pankreas aus im Verlaufe von 24 Stunden zu Grunde 
gehen. Zu den Drüsen, von welchen aus die Injectionen besonders 
eclatant wirksam sind, gehören die Nebennieren, das Pankreas, die 
Leber; in zweiter Linie stehen die Schilddrüse, die Nieren. 
Nach subcutaner oder intravenöser Injection tritt die Temperatur¬ 
erniedrigung nicht auf, wie ich nach oft wiederholten Untersuchungen 
festgestellt habe. In der Literatur liegen nämlich einander widersprechende 
Ansichten über die Temperaturverhältnisse nach intravenöser Adrenalin- 
injection vor. 

Ich habe verschieden grosse Dosen intravenös injicirt, aber weder 
bei kleiner noch grösster letaler Dosis nennenswerthe Temperaturbeein¬ 
flussung feststellen können. Auf die intraperitoneale Injection und die 
Temperatur werde ich später zurückkommen. 

I. Adrenalin nnd Wärmeregulation. 

Injicirt man 1 ccm Adrenalin in die Nebennieren, das Pankreas 
oder die Leber, so tritt im Verlaufe von 4—6 Stunden ein Temperatur¬ 
sturz ein, der sich bis auf 30° und darunter erstrecken kann. Nach 
den Injectionen in die Nebenniere bleibt das Thier fast stets am Leben, 
so dass man an derselben Nebenniere das Experiment wiederholen kann. 
Geht die Temperatur bis unter 30° herab, so gehen die Thiere meist 
innerhalb der nächsten 24 Stunden zu Grunde. 

Während also, wie nochmals betont sei, die Injection von 1 ccm 
Adrenalin in die Nebenniere von fast allen Thieren gut überstanden wird, 
haben diejenigen, bei welchen ich in das Pankreas oder in die Leber 


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Adrenalin und W&rmebaushalt. 


143 


injicirt habe, den Eingriff zumeist nicht über 24 Stunden, überlebt. Da 
bei djrecter Injection in das Leberparenchym starke Blutung auftritt, so 
habe ich in die Pfortader unmittelbar vor ihrem Eintritt in die Leber injicirt. 

1. Schilddrüse und Adrenalinhypothermie. 

Bei der Injection in die Schilddrüse habe ich eine beträchtliche 
Temperaturerniedrigung nur bei dem zuerst derart behandelten Hund be¬ 
obachtet, dem ich, wie die Tabelle I zeigt, in die rechte vcrgrösserte 
Schilddrüso am 7. 11. 1908 5 mg salzsaures Suprarenin, .das ich 
der Höchster Fabrik verdanke, injicirt hatte. Der Hund, dessen nor¬ 
male Temperatur 38,3° betrug, zeigte bald nach der Injection 34,5°, nach 
2 Stunden war die Temperatur noch dieselbe 34,5°. 6 Stunden nach 

der Injection 36,5°. 

Tabelle I. 


Hund. Körpergewicht: 8900 g. Versuche im November 1908. 


Datum 

Temperatur | 
Grad 

, Urinmenge 
ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

1 & 

Bemerkungen. 

23. 10. 08 

7. 11. 08 

Normal 38,3 

Gleich nach 
der Injection 
34,5. 

lühr 30 Min.: 
34,5. 

200 

durchschnittl. 

i 

1 


Vom 23. 10. 08 in Beob¬ 
achtung. 

Am 7. 11. 08, II 1/2 Uhr, 
5 mg salzsaures Suprarenin 
(Höchst) in 1 ccm phys. 
NaCl gelöst in die rechte 
vergrösserte Schild¬ 


4 Uhr: 36,5. 

180 

1,2 

2,16 

drüse. Nahrung wird nur 
allmählich im Laufe des 
Tages aufgefressen. 

8. 11. 08 

9 Uhr: 37.7 

6 Uhr: 37,5. 

1G5 

Spuren 

— 

— 

9. 11. 08 

9 Uhr: 37,8 

6 Uhr: 37,5. 

j 140 

Spuren 


Nahrungsaufnahme seit der 
Injection verschlechtert,das 
Thier liegt apathisch im 
Käfig. 

10.-13.11.08 

Dauernd 37,3 
37,5. 

i 

i 

Spuren 


Am 13. 11. 08 todt. Körper¬ 
gewicht 6800 g. 


Beide Schilddrüsen sehr vergrössert, makroskopisch sonst ohne Besonderheiten. 


Sehr bemerkenswerth ist nun, dass von dem Tage, der Stunde der 
Injection an die Temperatur dauernd erniedrigt blieb und nie wieder 
über 37,5° anstieg (normal 38,3). Die Nahrungsaufnahme war seitdem 
verschlechtert, das Thier lag apathisch im Käfig, während es bis zur 
Injectionsstunde sehr lebhaft gewesen war. Das Thier starb eine Woche 
nach der Injection. 

Nach dem ganzen Verhalten der Temperaturerniedrigung, dem ver¬ 
änderten apathischen Wesen des Thieres, hatte ich vermuthet, dass durch 
das Adrenalin die Schilddrüse des Thieres zerstört worden sei und sich 
so vielleicht ein myxödemähnlicher Zustand entwickelt habe. Die Ob- 
duction ergab aber, davon abgesehen, dass beide Schilddrüsen vergrössert 
waren, was man relativ häufig bei Hunden findet, nichts Pathologisches, 
was auf die Injection hätte bezogen werden können. 


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Rahal Hirsch 


Einem xweifen Jltini! von 12000 g Kurjtfergewißhi habe leb im; 
Februar 1UÖH' je l ccm» Adrenalin in beide Schilddrüsen injieiri 
Dieses l'rnparat wie alle zumeist •späterhin angewandton verdanke ich 
Parke <V f >.1 vie.s. 

Die Teiftpeniiur sank nach 2 Stunden um 1,6° und war nach 6 Stunden- 
wieder normst (Tabelle II). 

Tabelle U. 

. . Ff&Ü*k. 12)000 g. Vcrsuwlie im Felimar 1909. 


Patkim TrtiipfijSttur, ll/rm»«-«#: »üukesc Glukose 
Grad ij; ecra -i ) feCk • I-: e 


Bffmerfcuugen 


,m-£ M; .N’orWal 33.8,i 

l&IMllt 2 S>Üd. :i 

•i'i 

;NacU <>■ SJ-4. o 

!■ 

%% 2, 09 .: 


1 wia Adn>ri»titt (Parte 
•Vl)arte*iV'öi b> i d e. Schild • 
(ttjlsen. ■ 2 ■ 


V/m dritter Hund vor, T000 g Kerpergesvudit (Tabelle ül) erhielt. anr 

10. ft,;abends 0 t: !»r, l.,"> üig salzsaure.« Snprarem n tIfodistj 

iji die recht»' .Se!)t Id timse. I>ie. norlnaje Temperatur bade 3#,#® bmmgen. 

Am midisten Margen. am I!*.00. l/etrue. dm Tmüp- nun! *l<).I 0 tim * ! ! W 

und um <» l.dit Ahemls -iO.’iOA iirn mo-bnien 30.5* und erst am Id. 51 Ob 

wmder %f$l 
' 

Hud» 3. Körpergewicht ? Wg. Verbucht* Von April bis Juni 1909. 










0 3 ‘ , 

1 • 

. 

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Mi-ii. A 4»Vvr 


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'■ßii Ui. t-1 ’tiiäljfc %? Vp 

$ 4 %jx Jf tr, ♦.hfr 'Xtiffügit 


Einem jtmgen, 4 Moitaie alten. Hand yot» 2öO0 g Kurporgc-widit 
hpjidrie v-.-U rum 25. N<>\emin r J t: 11 f je ] eem Adrenalin !Parke A Davies) 
in beide Schilddrüsen. Eine halim Slundn spater wdr die nonnale Tewpe- 
i."it(ir v-jii ;;u,5 uuC ;>7,5gesunken, und blieii den ganzen Tug über 
auf 117,5'' stehen. Ani 26. U 10 war die. Temperatur wiederum auf 





Adrenalin und tVärwehaushaH. 


145 


39,5 ® vorübergehend angestiegen, am 29. 11. 10 und 30. 11. 10 wäret! 
wiederum nur 37,5 “ luw.;-3:7,0 0 zo uonstatiren. Am 30. 11/10 starb 
das Thier (Tabelle IV)., 

Tabelle IV. 

FlriXfii, 4 Monat*? alt. ,Ji#rjibrg«vri*;htV 2&QÖVersuch im November 1910. 




i ■ :r ; 1 ' : ’ ; • 

l j V ■ ■ . •: 






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M. it m 1 : Äu 

t.wtb-iÄL,• * i : • ' ■ f. 


i : ; g| 

i 







Bei einem anderen 4 Monate alteit Hund (Tabelle V) biieb die 
Temperatur durch dieselbe Dosis Adrenalin (Barke & Davies), in beide 
.'Schilddrüse« injieirt, unbeeinflusst. 

Tabelle V. 

fliind, 4 Menal*} »11. kv»rpcrgo«rict>t: Süfklg. Versuch im■ Dece«nt*er 1910. 


Dan*«! 1 Temperatur Tirifuneng'/ Ülukvse ; Glukose 
| Grad i ecm j pt’t. ■ g 


Bemerkungen. 


1. 12. io 


Jbwmal' 39,0 
39,3 

dauernd 39,1 
39,0 
39,3 

’s> , J/' 


160 


\ 


Je 1 -ccm Adrenalin (Parke 
& Davies) -in die ScfrihU 

drüSftH- \ **’ - 


■,.,,1,6: 


Ich haho dann- ändern wis ayhüGbst Logoi'sehe Losung 

*>•"•*/:Vi'i -h'&Jtcii-JiÄ fv . iV‘ ri'wy^ - & t. ./Tict^ i/i.-rA: A-' 



einem ,12 000 g: $ö)ureren Hup- 
je 2 ccm io beide SehüddrosM — ohne jedweden ElTeet (TäMlo Vi). 

T»Mt* Vt : 

Bund, K'i*t»erg»*<f»ofit: lä-.k^v 

Am 3. & 1009. i& Uhr: Iti beide Schilddrüsen (o S ccm Lugolecher Lösung. 
Normal m jeder Beziehung. 

Dasselbe Thier, 

Am 22. % lOlO; -IVnperatur durch 0,05 Murphiiim. nufht. verändert., 3S.s 0 vorher urd 
öuehfor, Ädrenölin (Paria* & Davis**) je 1 com in beide ■Sftbitddrilsen. Tem- 
• ^ratur vorher 38,8® nach 2 Std, 37,um 5 Uhr 88;*# 

Am 23. 2.: 38,8\ 35Q eern Uriamongc: Auch nicht Spurweite (Biikos'ut4& 

Am 24. 2.: 250 ccm Keine IteducUoo, 

ZwUchriTt/. exp. PalhölQK^ a.‘Jherapi«. IT. 8 J. |Q 




Go gle 


■." K/AV:>ipäa'f 

jlMVfEfä'Si# 


Lai fretn 

OF MICH 



146 


Rahel Hirsch, 


» 


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Also auch bei diesem 12 kg schweren Thiere (Tabelle VI) ist eine 
Temperaturerniedrigung von 1,6° durch Adrenalininjection in die Schild¬ 
drüse zu constatiren. 

Diese Versuche zeigen also, dass das Wärmcgleichgcwicht von der 
Schilddrüse aus durch Adrenalin gestört werden kann. Zumeist tritt 
ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Temperatursturz ein, in einem 
Falle nur Temperaturerhöhung (Tabelle III). In manchen Fällen blieb die 
Temperatur Tage lang bis zum Exitus so geschädigt, dass sich die nor¬ 
male Curvc nicht wieder einstellte. Pathologisch-anatomisch war 
die Schilddrüse durch die Injection nicht verändert. 

2. Adrenalinwirkung vom Pankreas aus. 

Ein Hund von 7000 g Körpergewicht reagirte am 19. 5. 1909 auf 5 mg 
linksdrehendes Suprarenin (Höchst) ins Pankreas injicirt mit einem 
Temperatursturz von 3,5 °. Normal 39,0 °, eine halbe Stunde nach der 
Injection 35,4 °, nach 2 Stunden 35,4 °, nach 6 Stunden 36,0 °, die nächst¬ 
folgenden Tage 38,3 °. Am 25. und 26. 5. wieder normale Temperatur 
von 39,0 0 bis 39,3 °. Erst allmählich erholte sich das Thier wieder. 
Am 3. 6. 09 sank auf 5 mg salzsaures Suprarenin (Höchst) hin, 
in das Pankreas injicirt, bei demselben Thiere nach 2 Stunden die Tem¬ 
peratur bis auf 35,9°, nach weiteren 6 Stunden bis auf 35,4°, am folgenden 
Tage betrug die Temperatur 37,5 °. Das Thier starb am Tage darauf. 
(Tabelle Vll.) 

Tabelle VII. 

Hund. Körpergewicht: 7000 g. 


Datum 

| Temperatur 

Urinmenge 

Glukose 

Glukose 

Bemerkungen. 




j Grad 

ccm 

pCt. 

g 

19. 

5. 

09 

10 Uhr*. 35,4 




Um 9'/ 2 Uhr 5 mg links¬ 




12 Uhr: 35,4 




drehendes Suprarenin in 




6 Uhr: 36,0 




das Pankreas. 

20. 

5. 

09 

38,3 

200 

3,5 

7.0 


20.- 

25, 

.09 

38,3 




25. 

5. 

09 

39 

— 

— 

— 

Um 9 Uhr 2,5 mg salzsaures 

26. 

5. 

09 

39 

150 

2,4 

3,6 

Supraronin (Höchst) in das 
Pankreas. 

27. 

5. 

09 

39,3 

— 

— 

— 

Frisst nicht, erholt sich erst 

27. 

3. 

5. 

6. 

091 

09/ 

39,3 




allmählich wieder. 

3. 

6. 

09 

12 Uhr: 35,9 

— 

— 

— 

Um 10 Uhr 5 mg salzsaures 




6 Uhr: 35,4 




Suprarenin (Höchst) in das 
Pankreas. 

4. 

G. 

09 

37,5 

100 

7,8 

7,8 

Exitus. 


Ein Hund von 4 kg Körpergewicht erhält im März 1911 1 ccm 
Adrenalin (Parke & Davies) in das Pankreas. Normalo Temperatur 38,2°. 
2 Stunden nach der Injection 36,0 °, 4 Stunden nach der Injection 37,1 °, 
am Tage nach der Injection 37,2 °. Das Thier stirbt im Verlaufe dieses 
Tages (Tabelle VIII). 


Gck igle 


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Adrenalin und Wärmebaashalt. 


147 


Tabelle VIII. 


Hund. Körpergewicht: 4 kg. Versuch im März 1911. 


Datum 

Temperatur j 
Grad ] 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

23. 3. 11 

Normal 38,2. 

150 

1,2 

_ 

Um 10 Uhr Vormittags 1 ccm 


12 Uhr: 36,0 




Adrenalin (Parke & Davies) 


4 Uhr: 37,1 




ins Pankreas. 

24. 3. 11 

9 Uhr: 37,2 






12 Uhr: 




Exitus. 


Kaninchen von 2000 g Körpergewicht reagirt auf 1 ccm Adrenalin 
(Parke & Davies) mit Tempcraturabfall von 39,2 0 auf 34,0 0 im Verlaufe 
einer Stunde am 8. 7. 1909. Zwei Stunden später 36 °. Am folgenden 
Tag 38,3 o (Tabelle IX). 

Tabelle IX. 

Kaninchen. Körpergewicht: 2000g. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

8. 7. 09 

12 Uhr (eine 

In den 

2,5 

_ 

Um 11 Uhr 1 ccm Adre¬ 


Stunde nach 

ersten 



nalin (Parke & Davies) ins 


d.Inject.): 34 

entleerten 



Pankreas. 


1 Uhr: 36. 

25 ccm 

I 



9. 7. 09 

38,3 

50 

1 

— 



Ein Kaninchen von 1000 g Körpergewicht zeigt auf 1 ccm Adrenalin 
(Parke & Davies), ins Pankreas am 8. 9. 1909 injicirt, ähnliche Verschiebung 
des Wärmehaushaltes (Tabelle X). Normale Temperatur 38,3 °, eine 
halbe Stunde nach der Injection 34,0 °, 1 Stunde später 36,0 °, 6 Stunden 
später 37,5 °. 

Tabelle X. 


Kaninchen. Körpergewicht: 1000g. Versuch im September 1909. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

8. 9. 09 

Normal 38,3 
llUhr 30 Min.: 
34,0 

12 Uhr: 36,0 
6 Uhr: 37,5 

In den 
ersten 
entleerten 
25 ccm 

2,5 

— 

Um 11 Uhr 1 ccm Adre¬ 
nalin (Parke & Davies) ins 
Pankreas. 

9. 9. 09 

38,3 

50 

1,0 

— 



Ein Kaninchen, bei dem, wie bei den anderen, die Injection von 
Adrenalin in die Speicheldrüse ohne Effect mit ßezug auf die 
Temperatur gewesen war, zeigte auf 1 mg salzsaures Suprarenin, 
in das Pankreas injicirt, einen Temperaturabfall von 39,3° auf 35,6° 
in einer Stunde, nach 8 Stunden auf 34,6 °. In der Nacht erfolgte der 
Exitus (Tabelle XI). 

io* 


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148 


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Rahel Hirsch, 


Tabelle XI. 

Kaninchen. Körpergewicht: 1 kg. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinraenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

10. 1.09. 

39,3 

60 

1,9 

— 

Normale Temperatur 39,3°. 
Am 10. 1. 09 1 mg salz¬ 
saures Suprarenin synth. 
(Höchst) in die rechte 
Speicheldrüse. 

11. 1.09. 

39,3 

60 

2,4 

— 

Dauernd normale Temp. 39,3. 

17. 1. 

10 Ubr: 35,6 
Abends 34,6 


1 

1 


Um 9 Uhr 1 mg salzsaures 
Suprarenin in das Pan¬ 
kreas. Nachts: Exitus. 


Denselben Effect hatte die Wirkung von 1 mg salzsaurem 
synthetischem Suprarenin (Höchst) bei einem anderen Kaninchen von 
2000 g Körpergewicht. Von 39,3° auf 34,5° im Verlaufe von 8 Stunden 
(Tabelle XII). 

Tabelle XII. 

Kaninchen. Körpergewicht: 2000 g. 


Datura 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

[ Glukose 
j pCt. 

Glukose 

g 

Bemeikungen 

4. 5. 09 

1 Stunde nach 
Injection: 36 
Abends: 34,5 

Aus der 
Blase 20 

! 

6 

— 

1 mg salzsaures synth. Supra¬ 
renin (Höchst) in d. Pan¬ 
kreas. Nachts todt. 


3. Adrenalin Wirkung nach Injection in die Leber. 

Ein 2000 g schweres Kanincheu, bei dem sich die Adrenalinwirkung 
von 1 ccm Adrenalin in das Pankreas ebenso wie bei den vorher citirten 
Fällen erwiesen (von 38,3 0 auf 34 °), und das diesen Eingriff sehr gut 
überstanden hatte, erhielt 3 Monate später, am 23. 9. 1909, 1 ccm 
Adrenalin in die Leber, die darauf hin stark blutete. Die Temperatur 
sank von 38,3° nach einer Stundo auf 34,3° ab, nach 9 Stunden stieg 
die Temperatur auf 35 °, am folgenden Tage war sic wiederum normal. 
3 Tage später erfolgte der Exitus (Tabelle XIII). 

Tabelle XIII. 


Kaninchen: Körpergewicht 2 kg. Versuche vom Juni bis September 1909. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 


Normal 38,3 
38,5 

— 

— 

— 

— 

8. 7. 09 

Eine Stunde 
nach der In¬ 
jection um 

12 Uhr: 34, 
um 1 Uhr: 36 

In den 
ersten 
ent¬ 
leerten 
25 ccm 

2,5 


Um 11 Uhr: 1 ccm Adrenalin 
(Parke & Davies) in das 
Pankreas. 

9. 7. 09 

k 38,3 

50 

1,0 

— 



Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Adrenalin un4 SVänriebaüälia!f: 


Datum I Temperatur :Oriömenge, Oiukese. j t^ukesc 
i Qrad ! ccm ! flÖfe £ 


.llcmerlrrmgen» 


| 15 Min. nach 
wer lnjectien: 
| 36,3: 

| 1 Stunde da- 
nac,h. 34,3, 

; Nachnditagif 
| 0 übf; 35. 
j 33,3 

r m# 


Um 9 Uhr; i cc-m Adrervdm 
(Parke k Davies) in die 
Leber, blutet ^tark. 


Bis zwm 25.9, 09 hat das Thier 
keinen Urin entleert. 
Etitiifc. 

' - Shc 6 ccm Orth artf jUUtbÖä, <Jf& picht reWucirep. 

Bin&m andren Kaninchen von 2300 g ■ Körpergewicht worden am 
28, 3, 19H I ccD! Adnuvalm \t\ dir- ['fCirtAller, unmittelbar vor dorn 
Eintritt in.‘die - Leber, injicirt. Von 39,3 ^ fiel die Temperatur bis aof 
33.fi % ab (Tabelle Xi|J 


Tabelle XIV, 

■% ^0t> £, 




4. Adrenalin und Nebenniere. 

Von der Nebenniere aus ist die Wirkung des Adrenalins auf dif 
Wänrieproduetktn fast $u*ts prompt zu erzielen; ohne dass die Tbiere 
in der Folge datürnjj geschädigt werden, fiep TfcmpeminraßftU 
39|0 0 ---» p&rm*0cr Temperatur — auf 3i 4) —35° ist dabei ganz typis&lk 

So wio Tabelle XV sank bei dem 3200 g«.Kaninchen die Tem¬ 

peratur von 39,0 11 im Verlaufe einer Stunde auf 35,3° T nach 3“Sfündein 

Tabelle XV. 

• •,v>.ä.- v' : .\K £*• W. Aftfifo] • 


?rv j • ■ . 


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jT -Uh; Vv^ff/iUt^v l 
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Um 10 UUc V^-uiitUg!, X rein 

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1-3 Uhr: fck? \: 

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*il&l • V . 






•• >..' K ,• '4 

4 tflir 1, 




<■■ Go. gle 



Original from 

UNJVERSfTY OF MICHIGAN 






150 


Kaliel Hiiscii. 


betrug di«' tVropm'ur '3.6,'8!*,• nach 4 Stundem ;v?,l 0 am iViliromkn Tä$>v . 

fh a; 2:.* l^f 1*J00, 

Sei einem 3000 g schweren Kaombkm war der liiTWt von 0.5 eei« 

Adrenalin (Parke. & Lfavies) in die iinb; NePe.nriierc- derselbe: v*>o 

3 Kft u thirmnli>r TVirtiinr-tinr Siiir-/ n.if 34.7 '• ;irn 9, ? '■ jhftOJt, Vfim 


holt, iTabelle XVI». 


TaWlle XVI. ' 

Jian'inelirD. feerp^rgowietjt-: SOlKVg. 'V’jersjioit iio DWmber lOffir 


Dal. um j 

Temperatur 

Grad 

Ummicöge 

rein 

UljukMa : 
pCu 

. üjnk(^c 

• r 

Bemerk un^ou. 

9. 12: Oft 

X&ÜM 1 38,8 
IM nach d. 

; 54.7 
NaehTn^Phrr 
8 a v 8 V 




Um JT Uhr : \V/ e.^rö Ad re * 



,v •, ‘ . f 


naliq (Parke 4 
die Jiuke 'Vcbeo^vie, 

löik'.üft 

:3%8 

8.0 j 

^purweisq. 

RcsLn’.tion 

/ • -. — - . t>4'7 

n. 14 09 

;;, -3M 

!:- ?o 

0,4 Unk» 

r 

:•—= 

Urin riceht; Stark 

; ' - *x 




artig, rr». Eisen clilofity Rof (* - 


-■• " • 

j- 

L j: r; • 

i 4 V Vi ^ - *' r i 


. Tär buö&4 .'"' 2• 

12,12. Oft 

■38,3 

| 130 

1 0.2 links 

i* . v.■*■••., 

1 


felu • Phetiulgpriieh irnjlir, 

hr-iuv K-irKüVig, 

t ;. 12 09 

1 .33,8 ' 

$0 

; Ö l links 

; ' ;™’■ 

• : '—' ;;, 

14.12 W 

! . Os,8 

m 

i 0,1 liii&Ä 


“ 

13 12 . 00 

! 33,8 

40 

j 0,1 irnkH 

1 •*• 


Bis fcnm 54. 1^ Öy Spuren vun G 1 uk uf nii^uure 



Bin Kaninchen- von 3200 g Körpergewicht .<eigt ebenso wie die 
anderen enrien •Tempe.ralurst'urz von 3.8,^. auf .14,0'' in ‘i Slumien 
(Tabelle 'S V li • 

V\r 7 9 


ä mii 

Dasselbe Kanirj^bori wie TäUejfe XV. 














: ■ 

ifj - 

; .* * '■ *o 1 • w;Aj.‘ 

■ 

• ' ’ •' ' j ■ ; 

• •! tfiwjfäJS jlfAL 

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/ ‘*0 'I, f! r !i.t'TÜe. ÄiV- 

’.U> tf •: 


? •((»'; tö i y-v-ei 

j 

m )\ -l'n. '${$&’ 


■\m • 


fk*i einem anderen Thierc von 20ÖO g ^m^nriiewieiii fiel die Tom- 
t.t-raiur von 3K8 IV *>is auf 3<).4° ab und war luv ^itänä Abniul wieder 
an^n<!li«'hvn. $t >i diesem Thier?, 70 h' am 21- 4. iPIO 1 com Ad- 
rrnniir, m du* linke Nebenniere injimr*,. .hatte kh damalsau eh die 






Adrenalin and Wärmehaushalt. 


151 


Temperaturen zwischen den Leberlappen und in der Nebennierengegend 
gemessen, dieselbe zeigte, ebenso wie per rectum vor der lnjection 38,6° 
(Tabelle XV11I). 

Tabelle XVIII. 

Kaninchen, schwarz. Körpergewicht 3200 g. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukoso 

g 

Bemerkungen. 

14. 12.09 

Vorher: 38,3 

25 

0,2 links 


Um 10 Uhr morgens: 1 ccm 


D. 1 Std.: 35,3 


(kein Ei- 


Adrenalin (Parke & Davies) 


n. 2 * : 34,0 


weiss) 


in die linke Nebenniere. — 


Abends 6 Uhr: 




Der entleerte Urin reducirt 

■ 

i 37,1 




erst nach längerem Kochen. 

15. 12.09 j 

| 38,4 

40 

— 

— 

Urin reducirt nicht. 


Die Tabellen XIX, XX und XXI zeigen genau dasselbe wie die 
vorhergehenden. 

Tabelle XIX. 

Kaninchen. Körpergewicht 2000 g. Versuche im April 1910. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmonge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

21. 4. 10 

Normal38,8, 
vor derLapa- 

50 

— 

— 

Um 11 Uhr Morgens: 1 ccm 
Adrenalin (Parke & Davies) 

rotomie 38,8, nach der 
Laparotomie im Rectum 
38,6, zwischen d. Leber¬ 
lappen 38,6, in d. Neben¬ 
nierengegend 38,6. Gleich 
nach der Bauchnaht im 
Rectum 37,8, nach 15 Min. 
37,0, n. weiteren 15 Min. 
36,4. Um 2 Uhr 37,4, um 
4*/2Ühr 38, um 7 Uhr 38,5. 


i 

Tabelle X 

i 

X. 

in die linke Nebenniere. 


Kaninchen. Körpergewicht: 2480 g. Versuche im Februar 1911. 


14. 2. 11 

vor d. Inj. 40,4 
12 Uhr: 37,5 
4 Uhr: 35,4 

80 

keine Glu¬ 
kosurie 

— 

— 

Um 10 UhrVormittags 1 ccm 
Adrenalin in die linke 
Nebenniere. 

15. 2. 11 

1 

9 Uhr: 38,2 

12 Uhr: 38,8 

60 

keine Glu¬ 
kosurie 



Dauernd, dann normale Tem¬ 
peratur. 


Tabelle XXI. 

Kaninchen. Körpergewicht: 2630 g. Versuche im Februar 1911. 


23. 2. 11 

Normal 39,3 
12 Uhr: 35,5 
4 Ubr: 34,0 

50 

keine Glu¬ 
kosurie 


— 

Um 9 Uhr Vormittags 1 ccm 
Adrenalin (Parke & Davies) 
in die linke Nebenniere. 

24. 2. 11 

. 

9 Uhr: 38,4 
12 Uhr: 38,5 

G Uhr: 39,3 

60 

keine Glu¬ 
kosurie 



Dann dauernd normal. 


Digitizer! by 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



152 


R&hel Hirsch, 


Digitized by 


5. Adrenalin und Niere. 

Die Wirkung des Adrenalins auf das Wärmegleichgewicht von der 
Niere aus ist ähnlich der von den anderen Drüsen aus erzielten, nur 
ist sic nicht so stark ausgesprochen wie nach Injection in die Neben¬ 
niere und in das Pankreas. Die Tabellen XXII—XXVIII illustriren dieses. 


Tabelle XXII. 


Kaninchon. Körpergewicht: 2S50 g. Versuch im Februar 1911. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

7. 2. 11 

Normal: 39,0 

10 Uhr: 36,1 

11 Uhr: 35,8 

12 Uhr : 35,3 
2 Uhr: 35,0 
4 Uhr: 32,1 

6 Uhr: 32,0 




Um 9 Uhr: 1 ccm Adrenalin 
in die linke Nebenniere. 

Blutdruck 60 mm Hg. 
Exitus in der Nacht. 


Tabelle XXIII. 


Kaninchen. Körpergewicht 2500 g. Versuche im October und November 1909. 


12. 10. 09 


13.10. 09 
23. 11.09 


24. 11.09 


Normal 38,3 
38,5 

15 Min. nach 
der iDjcetion: 

36.8 
1 Stunde nach 
der Injection: 

37.8 

Abends 6 Uhr: 
39,3. 

Dauernd nor¬ 
male Wcrthe 
38,3 
38,5 

vor der Inject. 
Nach 1 Std. 
38,3 

Abends 6 Uhr: 
38,7. 

38,3 
38,5 


20 



1 ccm Adrenalin (Parke 
& Davies) in die linke Niere 
(extraperitoneal). 

40 




Nach einer 
Stunde: 
20 



Vormittags 1 ccm Adrenalin 
(Parke & Davies) subcutan. 

40 

0,4 

— 

— 


Tabelle XXIV. 

Kaninchen. Körpergewicht: 3200 g. Versuche im November 1909. 


23. 11.09 

Normal: 38,3 
u. 38,5. 

1 Std. nach d. 
Inject.: 37,4. 

— 

— 

— 

Um 11 Uhr vormittags: 1 ccm 
Adrenalin (Parke 4 Davies) 
in die linke Niere. Der 
nach 1 Std. entleerte Urin 


Nachm. 6 Uhr: 
38,1 

60 



enthält keinen Zucker. 
Spuren von Eiweiss, rothe 
Blutkörperchen. Das nach 
1 Std. untersuchte Blut 
enthält 0,135 g Kohlehy¬ 
drate (normaler Werth für 
d. Kaninchen). 

24.11.09 

38,5 

100 

! — 

— 

— 


Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Adrenalin und Wärmehaushalt. 


153 


Tabelle XXV. 


Kaninchen, gelb. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

12. 10. 09 

Normal: 38,3. 
15 Min. nach 
derlnjection: 

36.8. 

1 Stunde nach 
der Injection: 

37.8. 

Abends: 39,3. 




1 ccm Adrenalin (Parke & 
Davies) in die linke Niere. 
20 ccm Urin, kein Zucker. 

13.10. 09 

39,5. 

— 

— 

— 

40 ccm Urin, keine Glukose. 

23.11.09 

1 Stunde nach 
der Injection: 
38,3. 

Abends: 38,7. 




1 ccm Adrenalin subcutan. 
Temperatur vorher: 38,3. 
Urin nach 1 Stunde ent¬ 
hält keinen Zucker. 

24.11.09 

— 

40 

0,4 

— 

— 


Tabelle XXVI. 

Kaninchen. Körpergewicht: 2000 g. 


4. 3. 11 

Normal 39,8 




Vormittags 1 ccm Adrenalin 


12 Uhr: 87,0 




(Parke & Davies) in die 


6 Uhr Abends: 




linke Niere. 


36,8 




Nachts Exitus. 


Tabelle XXVII. 

Kaninchen. Körpergewicht: 2500 g. 


4. 3. 11 

Vor der In¬ 
jection : 40,0. 




1 ccm Adrenalin (Parke & 


Nach der In¬ 
jection Mittags 
12 Uhr: 36,0. 
Nachmittags 

6 Uhr: 34,0. 



! 

Davies) in die linke Niere. 

Nachts Exitus. 


Tabelle XXVIII. 

Kaninchen. Körpergewicht: 2300g. Versuch im Februar 1911. 


16. 2. 11 

Normal 39,2 
12 Uhr: 37,2 
6 Uhr: 38,2 

50 

keine Spur 
von Glu¬ 
kosurie 

— 

— 

Um 10 Uhr Vormittags 1 ccm 
Adrenalin (Parke & Davies) 
in die linke Niere. 

17. 2. 11 

39,2 

— 

— 

— 

Dann dauernd norm. Temp. 


6 . Adrenalin intravenös injicirt. 

Bei einem Kaninchen von 1500 g Körpergewicht injicirte ich am 
21. 4. 1910 0,5 ccm Adrenalin (Parke & Davies) in die Ohrvene. Tempe¬ 
ratur vorher 39,1°, unmittelbar danach 39,1°. Bald darauf starb das 
Thier unter Convulsionen, ohne dass die Temperatur sich verändert 
hatte (Tabelle XXIX). 


Digitized by 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



154 


Rahel Hirsch, 


Digitized by 


Tabelle XXIX. 


KaniDchen. Körpergewicht: 1650 g. Versuch im April 1910. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

21.4. 10 

Normal 39,1. 
Unmittelbarn, 
der Injection: 
i 39,1 

1 39,1 

1 39,1 

1 

t 

| 

i 


0,5 ccm Adrenalin (Parke & 
Davies) in die Ohrvene. 

Im Käfig gleich Zuckungen; 
nach wenigen Min. Exitus. 


Ein anderes Thier von 2345 g Körpergewicht, dem ich am 26. 4. 1910 
2 Tropfen Adrenalin (Parke & Davies) in die Ohrvene injicirt hatte, zeigte 
gleich nach der Injection einen Temperaturanstieg von 39,3° normaler Tem¬ 
peratur auf 40,2°, nach 3 Stunden war die Temperatur auf 39,8° gefallen 
(Tabelle XXX). 


Tabelle XXX. 


Kaninchen. Körpergewicht: 2345 g. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukoso 

g 

Bemerkungen. 

26. 4. 10 

Gleich nach d. 
Inject.: 40,2 
10V 2 Uhr: 40,2 
ll®/ 4 Uhr: 40,0 

1 Uhr: 39,8 

2 Uhr: 39,8 

4 Uhr: 39,7 

6 Uhr: 39,7 




Um 10 l /4 Uhr: 2 Tropfen 
Adrenalin (Parke & Davies) 
in die Ohrvene. 

27. 4. 10 

10 Uhr: 39,5 

— 

— 

— 

— 


7. Adrenalin intraperitoneal injicirt. 

Ein Kaninchen von 3500 g zeigt nach intraperitonealer Injection eine 
Temperaturdifferenz von 0,9°: 39° normal, nach 2 Stunden 38,1 °. Bei Wieder¬ 
holung des Versuches eine Woche später am 29. 3. 1910 (Tabelle XXXI) 
sank dagegen die Temperatur von 39° auf 35,6° nach 4 Stunden ab. 


Tabelle XXXI. 

Kaninchen. Körpergewicht: 3500 g. Versuch im März 1910. 


Datura 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

22. 3. 10 

Normal 39,0 
Unmittelbar 
n. d. Inj.: 39,0 
2 Uhr: 38,1 

4 Uhr 30 Min.: 
39,0 

7 Uhr: 39,2 


1 


Um 11 Uhr 1 ccm Adrenalin 
(Parke & Davies) in die 
Bauchhöhle. 

23. 3. 10 

39,0 

— 

— 

— 

— 

29. 3. 10 

1 Stunde nach 
der Inj.: 36,2 
2 Uhr: 35,6 
Nachmittags 

6 Uhr: 38,9 



1 

1 

Um 10 Uhr 1 ccm Adrenalin 
(Parke & Davies) in die 
Bauchhöhle. 

30. 3. 10 

39,0 

| — 

— 

— 

— 

31. 3. 10 

. Dauernd 39,0 

i " 

— 


l ccm physiol. NaCl in die 
Bauchhöhle. 


Geh igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Adrenalin and Wärmehausbalt. 


155 


Bei einem Thiere von 2300 g Körpergewicht war die Temperatur 
durch intraperitoneal injicirtes Adrenalin nicht verändert (Tabelle XXX11). 

Tabelle XXXII. 

Kaninchen. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinraenge 

ccm 

Glukose j 
pCt. ] 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

7. 6. 10 

vorher 38,5 
nachher stets 
unverändert 


— 

— 

0,2 ccm Adrenalin in die 
Ohrvene. 

10 . 6. 10 

38,3 

38,5 

unverändert 




1 ccm in die Bauchhöhle. 


Andere physiologische Stoffe and die Wärmewirkung. 

Pituitrin, Thyreoidin. 

Pituitrin (Parke & Davies) zeigte keine Wirkung in dieser Be¬ 
ziehung. Auf Thyreoidin (Freund & Redlich) hin, in die Nebenniere 
injicirt, trat 8 Stunden nach der Injection ein Temperaturabfall von 1,3° 
auf, das Thier starb dann in der Nacht (Tabelle XXXIV). 

Tabelle XXXIII. 


Kaninchen. Körpergewicht: 8000 g. Versuch im März 1910. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

9.3.10 

Normal 38,8. 
Dauernd 38,8. 

50 

— 

— 

1 ccm phys. NaCl in die 
linke Nebenniere. 

22. 3. 10 

Dauernd 38,8. 

40 



1 ccm Pituitrin (Parke & 
Davies) in die linke Neben¬ 
niere. 


Tabelle XXXIV. 

Kaninchen. Körpergewicht: 2500g. Versuch im März 1910. 


29. 3. 10 

1 

Normal: 38,3 




Um 11 Uhr 1 ccm Thyreoidin- 


UVi Uhr: 38,3 
2 Uhr: 38,3 
4Va Uhr: 38,0 




extrakt (Freund & Redlich) 
in die linke Nebenniere. 

Nachts Exitus. 


7 Uhr: 37,0 





Andere Mittel wie: 1. physiologische Kochsalzlösung, 2. Pilocarpin, 
3. Morphium, 4. Atropin, 5. Nikotin, 6. Jodjodkalium, 7. Cyankalinm. 

Weder physiologische Kochsalzlösung intraperitoneal, von der Neben¬ 
niere aus, noch Pilocarpin, noch Morphium, noch Atropin zeigten 
etwas Bemerkenswerthes in dieser Beziehung. Auf das Nikotin werde 
ich später zurückkommen. Cyankalium in der nicht tödtlichen 
Menge von 0,5 mg in 1 ccm H 2 0 gelöst ins Pankreas injicirt, hatte 
einen eclatanten Temperatursturz von 39,3° auf 35,4° im Verlaufe 
einer Stunde zur Folge, am Tage danach am 2. 12. 1908 war die Tempe¬ 
ratur wieder normal (39,3°) (Tabelle XXXV). 


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156 


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Rabel Hirsch, 
Tabelle XXXV. 


Kaninchen. Körpergewicht: 2500g. Versuch im December 1908. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

1. 12. 08 

Normal: 39,3. 
Unmittelbarn, 
d. Inject.: 37,6. 
Nach 1 Std.: 
35,4. 

— 

— 

— 

0,5 mg KCN in 1 ccm H 2 0 
gelöst in das Pankreas. 

2. 12. 08 

89,3. 

40 

1 ” 

— 

— 


Jodjodkalium zeigte von der Nebenniere aus sehr bedeutende 
Störung der Wärmebildung. Von 39,5° normaler Temperatur fiel die 
Temperatur steil ab bis auf 33° innerhalb von 9 Stunden und blieb noch 
2 Tage gestört (Tabelle XXXVI). 

Tabelle XXXVI. 


Kaninchen. Körpergewicht: 3200 g. Versuch im November 1912. 


Datum 

! 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen 

12.11.12 

13.11.12 

14. 11. 12 

15. 11. 12 

Normal: 39,5 
10 V 2 Uhr: 37,7 
11 Uhr: 36 

6 Uhr: 33 
Morg. 8 Uhr: 

37.2 

Nachm. 6 Uhr: 

38.2 

Morg. 8 Uhr: 

36.2 

Nachm. 6Uhr: 
38 

39,5 

dann dauernd 
normal 




Um 10 Uhr: 1 ccm Jodjod¬ 
kalium in die linke Neben¬ 
niere. 


II. Die Glykosnrie nach diesen Injectionen. 

Die Schilddrüse und Glykosurie nach Adrenalininjection. 

Der 8900 g schwere Hund (Tabelle I) schied am Tage der Injection 
2,16 g Glukose aus und auch die folgenden Tage war noch spurweise 
diese Glykosurie zu bemerken. Bei einem anderen Hunde (Tabelle II) 
war keine Zuckerausscheidung zu constatiren, dagegen schied der Hund 
von 7000 g Körpergewicht (Tabelle III) an beiden Tagen der Injection 
(am 28. 4. 1909 und 10. 5. 1909) 1,8 g Glukose bezw. 2,64 g Glukose aus. 
Dasselbe gilt von dem Hund von 2500 g, der 1,6 g Glukose nach der 
Injection in die beiden Schilddrüsen ausgeschieden hat (Tabelle IV) und 
noch Spuren am Tage darnach. Ebenso ergab bei dem zweiten jungen 
4 Monate alten Hunde von 3000 g Körpergewicht die Injection in beide 
Schilddrüsen Glykosurie von 1,6 g. Bei diesem letzten Thiere war 
die Temperatur nicht modificirt gewesen. 


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Adrenalin und Wärmehausbalt. 


157 


Dagegen trat bei dem 12 kg schweren Hunde (Tabelle VI) keine 
Glykosurie auf. 

Bei 2 Versuchen von 6 war also die Wirkung mit Bezug auf die 
Glykosurie negativ. Jedenfalls sind aber die 4 positiven Resultate sehr 
bemerkenswert!). 

Pankreas und Glykosurie durch Adrenalin. 

Vom Pankreas aus war die Injection, wie zu erwarten war, stets 
stark positiv mit Bezug auf die Glykosurie: 

Hund 4000g Körpergewicht . . 1,8 g Glukose (Tabelle VIII) 

Kaninchen 2000 g Körpergewicht 2,5pCt. Glukose (25 ccm Urin) 

(Tabelle IX) 

Kaninchen 1000 g Körpergewicht 2,5 pCt. Glukose (25 ccm Urin) 

(Tabelle X) 

Kaninchen 1000 g Körpergewicht 2,4pCt. Glukose (60 ccm Urin) 

(Tabelle XI) 

Dieses Thier zeigte übrigens auch von der Speicheldrüse aus 
bei normaler Temperatur durch Adrenalin eine Glykosurie von 
1,9 pCt. 

Kaninchen 2000 g: Die aus der Blase direct gewonnenen 20 ccm 
Urin des Thieres enthielten 6 pCt. Glukose (Tabelle XII). 

Kaninchen 2000 g: am Tage der Injection in 25 ccm Urin 2,5pCt. 
Glukose, in den am folgenden Tage entleerten 50 ccm Urin 1 pCt. 
Glukose. 

Leber- und Glykosurie nach Adrenalininjection, auch nicht spurweise 

Glykosurie. 

Nebennieren und Glykosurie nach Adrenalin. 

Nur vereinzelt Glykosurie, bei Kaninchen von 3200 g Körpergewicht 
in den ersten 20 ccm nach der Injection entleerten Urins 0.8 pCt., in 
den weiteren 25 ccm 3,2 pCt. und in den am nächsten Tage entleerten 
25 ccm 2,0 pCt. Glukose (Tabelle XIV). 

Bei 3 Thieren (Tabellen XVI, XVII und XVI11) wurde Glukuron- 
säure ausgeschieden, die Drehung betrug in dem einen Fall maximal 0,4° 
links, und diese Linksdrehung dauerte mehrere Tage an. Ich hatte diese 
Glukoronsäureausscheidung dann noch weiter zu verfolgen beabsichtigt, 
aber bei allen anderen Thieren war die Injection in die Nebenniere mit 
Bezug auf diese linksdrehende Substanz ebenso negativ wie im Allge¬ 
meinen mit Bezug auf die Glykosurie. 

Niere und Glykosurie. 

Auch hier nur vereinzelt Glykosurie nicht höher als 0,4pCt. 
(TabelleXXV). Auch das eine Stunde nach der Injection untersuchte 
Blut zeigte keine Hyperglykämie (Methode Reicher und Stein). 
Von der Niere aus entstehen also im Allgemeinen weder Hyperglykämie 
noch Glykosurie nach Adrenalininjection. 


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158 


Rahel Hirsch, 


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Die pathologische Anatomie der mit Adrenalin behandelten Drüsen. 

Die mikroskopische Untersuchung der Drüsen, die Herr Dr. raed. 
Tugend reich so gütig war am pathologischen Institut der Universität 
Berlin für mich auszuführen, ergab ira Wesentlichen beim Pankreas 
und bei der Niere in allen Fällen Kalkablagerungen in der Nähe 
der Injectionsstelle, auch in den Fällen, wo, wie speciell beim Pankreas, 
die Thiere bald nach der Injection gestorben waren. 

Die Infarctbildung in der Niere war nur einmal zu beobachten 
gewesen, und im Ucbrigen zeigten die Nieren, auch Monate lang nach 
der einmaligen Injection untersucht, nichts anderes als am ersten Tage 
nach der Injection. Der Process bleibt also auf die unmittelbare Injections- 
wirkung beschränkt. 

Sehr bemerkenswert ist, dass die Nebennieren auf die ihnen adaequate 
Substanz nicht die mindeste pathologisch-anatomische Veränderung auf¬ 
weisen. Auch die Schilddrüse blieb unverändert. Die Kalkablagerung 
trat typisch beim Pankreas und der Niere auf. 

Die Deutung uud Bedeutung der Adrenalin-Hypothermie. 

Der nächstliegende Gedanke bei der Wahrnehmung des Phänomens 
von der Nebenniere aus war der, dass 1. die Nebenniere durch Adrenalin 
zerstört und damit ebenso wie bei der Exstirpation der Nebenniere 
der Temperaturabfall zu erklären sei; 2. dass die der Blutdrucksteigerung 
folgende Senkung nach Adrenalininjection den Temperatursturz erkläre. 

Beide Hypothesen erwiesen sich alsbald als hinfällig. Wie schon ge¬ 
zeigt, bleiben die Nebennieren morphologisch vollkommen intakt. 
Und was die Blutdruckwirkung anbetrifft, so geht ihr die Erniedrigung 
der Temperatur erstens voraus und zweitens ist sie ihr der Inten¬ 
sität nach weit überlegen und drittens ist der Druck schon wieder 
normal, während die Temperatur noch Stunden lang weiterhin abfällt. 

Betonen möchte ich ferner, dass ich beim Aufspannen der 
Thiere heisse Krüge zu beiden Seiten der Thiere gelegt und von oben 
durch Glühlichtbirnen für starke Erwärmung gesorgt habe, um auf 
diese Weise der Abkühlung der Kaninchen vorzubeugen. Hervorheben 
möchte ich, dass Hunde die Adrenalinhypothermio ebenso zeigen. 
Kaninchenversuche allein wären nicht von diesem Werthe, da sie über¬ 
haupt wärmelabil sind. 

Ausserdem betone ich, dass die Kaninchen sofort ihregewohnte kauernde 
Stellung, vermittelst welcher sie ihre Wärme zum Theil reguliren, wieder 
einnehmen, dass auch das Einwickeln in warme Tücher und Unterbringen 
neben der warmen Heizung den Temperaturabfall nicht zu hemmen vermag. 

Die Erklärung der Hypothermie musste also eine andere sein: Die 
Adrenalinhypotherraie ist vielleicht Sympathicuswirkung. Zu 
dieser hypothetischen Deutung führte mich die Ucberlegung, dass speciell 
die Drüsen des sympathischen Systems, wie Nebenniere und 
Pankreas, das Phänomen so eclatant zeigten. Um dies zu beweisen, 
injicirte ich einmal Adrenalin direct in eines der sympathischen 
Ganglien der Bauchhöhle, andererseits träufelte ich Adrenalin auf 


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Adrenalin nnd Wärmeh&nshalt. 


159 


das Ganglion oder in dessen Nähe. Auch daraufhin trat Temperatur¬ 
senkung ein, von 39° auf 37°, im andern Falle von 39,2° auf 35°. 

Da ich in dieser Adrenalinhypothermie die Möglichkeit der 
Sympathicusreizung sah, durfte ich folgern, dass Sympathicus- 
lähmung das Gegentheil, Temperatursteigerung, ergeben werde. Zu 
diesem Zwecke machte ich nun folgende Versuche: Bekanntlich 
hemmt der Sympathicus die Darmperistaltik; um nun das Gegen¬ 
theil zu erzielen, wählte ich Nikotin. 

• Ein Tropfen unverdünnter Nikotinlösung auf den unversehrten 
Darm gebracht, löste intensivste Darmperistaltik mit sofortigem 
Temperaturantieg auf 40° aus, auch die Verdünnung 1:10000 hatte bei 
1 Tropfen auf den Darm sehr starke Peristaltik zur Folge. 1 ccm Nikotin 
dieser Verdünnung in die Nebenniere injicirt, ruft sofort starken Krampf 
des Darmes hervor, das Thier starb gleich darauf unter colossalem 
Speichelfluss bei 40° X em P era tur (normale Temperatur 38,9°). 

Ich stellte mir dann eine verdünnte Lösung von 1: 30000 her und 
versuchte, ob noch ein Tropfen dieser Verdünnung aufgeträufelt auf den 
Darm Peristaltik auslöse. Da das nicht mehr der Fall war, injicirte 
ich 0,3 ccm dieser Lösung in die Nebenniere; zuerst sank darauf die 
Temperatur von 38,8° (normal) auf 37° und stieg im Verlaufe des Nach¬ 
mittags, also 8 Stunden nach der Injection, auf 40° an. 

Wie man sich die Wirkung des Adrenalins auf die Nerven denken 
kann, illustriren Versuche von Lichtwitz 1 ), der nach Analogie der 
Beobachtung von Hans Meyer und Ramsom, dass Tetanus- und 
Diphtherietoxin im Nerven wandert, durch das Froschexperiment ge¬ 
zeigt hat, dass Adrenalin ebenfalls im Nerven wandert. 


Tabelle XXXVII. 

Kaninchen. Körpergewicht: 3400 g. Versuch im November 1912. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

13. 11. 12 

Normal 39,3 
12 Uhr: 37,8 
2 Uhr: 36,5 
4 Uhr: 35,0 
6 Uhr: 34,0 

i 


— 

Um 11 Uhr 0,2 ccm Adrenalin 
in das ßauchganglion. 

14.11. 12 

Normal 39,3 

— 

— 

— 



Tabelle XXXV 11 I. 

Kaninchen. Körpergewicht: 3250 g. Versuche im November 1911. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Urinmenge 

ccm 

Glukose 

pCt. 

Glukose 

g 

Bemerkungen. 

15.11.12 

Normal 39,5 
12 Uhr: 38,0 

2 Uhr: 37,5 

6 Uhr. 37,0 

— 

— 

— 

Um 10 Uhr 1 ccm Adrenalin 
in die Nähe des Ganglion 
sympath. der Bauchhöhle 
unmittelbar aufgeträufelt. 

17.11.12 

Normal 39,5 

— 

— 

— 


1) Lichtwitz, Ueber Wanderung des Adrenalins im Nerven. Arch. f. oxp. 
Path. Bd. 58. S. 221. 


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160 


Rahel Hirsch, 


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Dass es sich bei diesem Temperatursturz um plötzlich ge'hemrate 
Wärmeproduction handelt, geht aus meinen Beobachtungen der 
directen Caloriraetrie bei der Adrenalinhypothermie hervor. So 
hatte ein Kaninchen während dieser Adrenalinhypothermie eine Wärme¬ 
production von nur 0,78 Cal. pro Stunde; pro Kilogramm und Stunde 
nur 0,4 Cal. 

Tabelle XXXIX. 

Kaninchen. Körpergewicht: 1570 g. Versuch am 25. April 1912. 

Directe Calorimetrie. . 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Calorien 
pro Std. 

Calorien 
pro kg u. Std. 

Bemerkungen 

25. 4.12 

Normal 39,3 

1 Std. nach der 
Injcction 35,8 

Normal 6,0 

Während dci 
hypoth 
0,78 

3,8 

r Adrenalin- 
ermie: 

0,4 

1 ccm Adrenalin in die linke 
Nebenniere. Temperatur nach 
einer Stunde 35,8°. 

Das Thier zeigt nach 24 Stunden 
normale Werthe. 


Die Kohlensäureproduction war so gering, dass die Barytlauge 
nur gerade eben getrübt war. Dasselbe Thier hatte normaler Weise eine 
Wärmeproduction von 6,0 Cal. pro Stunde; 3,8 Cal. pro Kilogramm und 
Stunde. Die Kohlensäureproduction betrug normaler Weise 4 g pro 
Stunde, die Kohlensäureproduction unter Adrenalin 0 g pro Stunde. 

Ein zweites Thier von ungefähr demselben Körpergewicht entwickelte 
unter Adrcnalinwirkung (Tabelle LX) pro Stunde 0,78 Cal., pro Kilogramm 
und Stunde 0,53 Cal. Die Kohlensäureproduction war ebenfalls 
negativ. Die normalen Werthe sind annähernd dieselben wie beim vorher¬ 
gehenden Thiere. 

Tabelle XL. 

Kaninchen. Körpergewicht: 1600 g. Versuch am 24. April 1912. 

Directe Calorimetrie. 


Datum 

Temperatur 

Grad 

Calorien 
pro Std. 

Calorien 
pro kg u. Std. 

Bemerkungen 

24. 4. 12 

Normal 39,2 

1 Std. nach der 
Injection 36,1 

Normal 6,5 

Während dei 
hypoth 
0,78 

Normal 3,7 

r Adrenalin- 
ermie: 

0,53 

1 ccm Adrenalin in die linke 
Nebenniere. Temperatur nach 
einer Stunde: 36,1°. 

Das Thier lebt danach nur noch 
8 Stunden. Kohlensäure¬ 
production nur in Spuren 
nachweisbar. , 


Da sich die Wärmeproduction nach Abklingen der Wärme¬ 
gleichgewichtsstörung wieder vollständig auf normales Niveau 
einstellte, kann nur von Einschränkung der Production die Rede sein. 

Ein drittes Kaninchen, das normal 8,9 Cal. pro Stunde producirtc 
und 3,3 Cal. pro Kilogramm und Stunde, hatte unter Adrenalin eine Wärme¬ 
production von 6,2 Cal. pro Stunde und 2,3 Cal. pro Kilogramm und 
Stunde. Der Temperaturabfall war in diesem Falle nicht so stark aus¬ 
gesprochen, die Kohlensäureproduction fast normal geblieben. 


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Adrenalin und Wärmehaushalt. 


161 


Bei einem weiteren Kaninchen, das normaler Weise pro Stunde 11 Oal. 
und pro Kilogramm und Stunde 3 Cal. producirt hatte, betrug die Wärme- 
production in der Zeit der Adrenalinhypothermie pro Stunde 6,2 Cal. und 
pro Kilogramm und Stunde 2 Cal. 

Die Einschränkung der Wärmeproduetion bei der Adrenalinhypothermie 
ist damit festgelegt. Dass man bei intraperitonealer Injection in einem 
Falle Adrenalinhypothcrmie erzielt, im anderen nicht, hängt wohl 
davon ab, ob man in die Nähe eines der sympathischen Ganglien 
injicirt oder nicht. 

Die Jodjodkaliumwirkung. 

Zur Prüfung der Jodwirkung hatte mich die Ueberlegung geführt, 
dass bei Basedow-Kranken, die, wie Kraus 1 ) zuerst und schon lange 
betont hat, an Systemerkrankung — Schilddrüse, Adrenalinsystem 
— leiden, unter Jodwirkung alle Krankheitssymptome in erhöhtem 
Maassc hervortreten. Ich habe mehrere Basedow-Kranke in Beobachtung 
gehabt, bei denen durch die falsche Jod-Medication das typisch 
klassische Bild erst ausgelöst worden war. Da nun das sym¬ 
pathische System bei diesen Kranken zumeist eine bedeutende Rolle 
spielt, zog ich bei der Prüfung auf Sympathicuswirkung das Jodjod- 
kalium heran und konnte sehen, dass, wenn man nur in die Nähe des 
Ganglion Jodjodkalium einwirken liess oder es in die Nebennieren direct 
injicirtc, die Wirkung eine Hypothermie war. Betonen möchte ich, 
dass von der Schilddrüse aus der wiederholte Versuch mit Jodjod¬ 
kalium stets negativ ausgefallen ist. 

Vielleicht ist die Jodwirkung, über die wir bisher — abgesehen 
von ihrer Bedeutung bei der Syphilis — so gut wie nichts wissen, in 
dieser Weise öfter zu deuten. 

Aus eigener Erfahrung konnte ich mich z. B. davon überzeugen, dass 
bei älteren Leuten mit arteriosklerotischen Darmbeschwerden, die sich 
theils in Koliken, theils in profusen Diarrhöen äusserten, die einzige 
wirksame Behandlung die der rectalen Jodkaliumtherapie war. Es 
wäre denkbar, dass auch hierbei Sympathicuswirkung eine Rolle spielen 
könnte. Die ungünstige Jodwirkung bei Basedow-Kranken erklärt sich ohne 
Weiteres, wenn man sieht, dass Jod Sympathicusrcizerscheinungon 
auslösen kann. 

Die Glykosnrie nach der Wirkung des Adrenalins von den Drusen aus. 

Nur vereinzelt trat nach den zahlreichen Beobachtungen nach 
Injection des Adrenalins in die Nebennieren Glykosuric auf und dann 
nur mässig. Da die Glykuronsäureausscheidung auch nur ein ver¬ 
einzeltes Phänomen war, verliert sie an Bedeutung. Sehr auffallend 
ist die Thatsache, dass nach Injection des Adrenalins in die Leber 
auch nicht spurweise Glykosurie zu constatiren ist. Betonen möchte 
ich, dass die Thiere alle gut gefüttert waren. Auch die In- 


1) Kraus, Ueber Kropfherz. Deutsche med. Wochenschr. 1906. No. 47. Ueber 
die Wirkung der SchilddrüsenstotTo. Berl. klin. Wochenschr. 1908. No. 38. Die 
Pathologie der Schilddrüse. Verhandl. d. 23. Congr. f. innere Med. München 1906. 

Zeitsehrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd. 


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162 


Rahel Hirsch, 


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jection in die Nieren war vollständig negativ in dieser Richtung. 
Um Hyperglykämie ohne Glykosurie handelte es sich nicht, wie 
die Blutuntersuchung auf Kohlenhydrate nach der Methode Reicher- 
Stein ergeben hat. Besonders stark reagirte das Pankreas, und 
danach die Schilddrüse mit Glykosurie. ' Offenbar handelt es sich 
hierbei um Ferment Wirkungen, die auf Adrenalin gesteigert einsetzen, 
bezw. um Nerveneinfluss, der unter Adrenalin die specißsche Drüseu- 
thätigkeit anregt. Dass es der Nervenimpuls ist, der dabei die Haupt¬ 
rolle spielt, geht z. B. daraus hervor, dass cs nicht gelingt, ausser¬ 
halb des Organismus durch den Organversuch den Zuckerabbau oder 
die Glykolyse durch Adrenalin irgendwie zu beeinflussen. Zahl¬ 
reiche Versuche, die ich in der Beziehung mit grösseren und kleineren 
Dosen gemacht hatte, verliefen alle negativ. Auch Lichtwitz konnte 
nur bei dem lebenden Frosch die Pupillenerweiterung durch die 
Wanderung des Adrenalins auf dem Nervenwege erzielen. 

Zusammenfassung. 

1. Adrenalin (Parke & Davies) ebenso Suprarenin (Höchster Farb¬ 
werke), das racemische ebenso wie das synthetisch dargestellte links¬ 
drehende Präparat (Höchster Farbwerke) rufen eclatante Hypo¬ 
thermie hervor und zwar am meisten ausgesprochen von folgenden 
Drüsen aus: 

1. Nebennieren, 

2. Pankreas, 

3. Leber, 

etwas weniger intensiv: 

4. von der Niere und 

5. von der Schilddrüse aus. 

2. Aehnliche Wirkung erzielt man nach Adrenalin-lnjection in eines 
der sympathischen Bauchganglien oder in die Nähe eines solchen. 

3. Die Adrenalin-Hypothermie ist vielleicht Sympathicus- 
Reizwirkung. 

4. Andere physiologische Stoffe wie Pituitrin, Thyreoidin zeigen diese 
Wirkung nicht. 

5. Jodjodkalium hat dieselbe Wirkung von der Nebenniere aus wie 
Adrenalin. Vielleicht ist die bisher in Dunkel gehüllte Jod Wirkung 
— abgesehen bei der Syphilis — wenigstens bei manchen Krank¬ 
heiten in dieser Richtung als Wirkung auf den Sympathicus zu 
suchen. Die ungünstige Beeinflussung der Jodmedication beim 
Basedow — die geradezu ein Kunstfehler ist — dürfte hierher ge¬ 
hören als Sympathicusreizmittel. 

6. Die Injection von Adrenalin in die Drüsen ruft nur beim Pankreas 
und der Niere Kalkablagerung — sofort — hervor. Alle anderen 
Drüsen, so insbesondere die Nebennieren, bleiben morphologisch 
vollkommen intact. 


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Adrenalin und Wärmehaushalt. 


163 


7. Die Kalkablagerung in der Niere bleibt auf die Injectionsstelle be¬ 
schränkt, die Degeneration schreitet nicht weiter fort. 

8. Glykosurie tritt nach diesen Injectionen nur von dem Pankreas 
und der Schilddrüse aus auf. Die Adrenalinwirkung ist auch hier 
als Reiz der Nerven-Fermentthätigkeit aufzufassen. Beim Organ¬ 
versuch ausserhalb des Organismus hat Adrenalin auf den Zucker¬ 
abbau keinen Einfluss. Die entsprechenden Fermente werden viel¬ 
leicht durch das sympathische System unter der Reizwirkung be¬ 
einflusst. 

9. Die Wärmeproduction ist bei der Adrenalinhypothermie ein¬ 
geschränkt, wie meine Versuche mit meiner directen calorimc- 
trischen Methode zeigen. 

10. In extremsten Fällen ist die Wärmeproduction fast aufgehoben, 
ebenso wie die Kohlensäureproduction dann fast Null ist. 




_ ^ ■ jflL. _ 

Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 

c *tS5 ^ 


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X. 

Aus der II. medicinischen Klinik der Charit^ (Berlin). 

Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens 
und seine Beziehung zum Kreislauf. 

Von 

Priv.-Doc. Dr. Johann Plesch (Berlin). 

(Hierzu Tafel II und 5 Abbildungen im Text.) 


I. Allgemeines über die Bedentnng der Lnngenvolnmina. 

Wir sind gewöhnt, die Respiration lediglich als eine Function zu 
betrachten, welche den Lungen hauptsächlich Luft züzuführen hat, um 
das in den Alveolen befindliche venöse, ausgenutzte Blut zu arterialisiren. 
Wenn auch diese Aufgabe der Athmungsthätigkeit die wichtigste ist, so 
ist sie doch nicht die alleinige, und wir möchten in dem Folgenden an 
der Hand von Experimenten darauf hinweisen, dass die Lunge nicht 
nur Luft, sondern auch Blut athmet, und dass sich die Respiration 
vor Allem der Circulation anpasst. Wir werden in der Respiration einen 
der wichtigsten corapensatorischen Factoren der Circulation kennen lernen. 
Die engen Beziehungen, die zwischen Respiration und Circulation bei Ge¬ 
sunden und Kranken bestehen, werden wir an der Hand eines ausgiebigen 
Versuchsthatenmaterials beleuchten und versuchen, aus den physiologischen 
und pathologischen Aenderungen des Athemmechanisraus die Respiration 
als ein functionelles Maass für die Circulation zu betrachten. 

Es ist selbstverständlich, dass wir nicht sämmtliche Aenderungen 
der Respiration auf eine circulatorische Ursache zurückführen dürfen. 
Denn bei einer selbstständigen Function, wie der Athmung, können natur- 
gemäss Verhältnisse obwalten, die eine Abweichung für sich zur Folge 
haben müssen. Bei den engen Beziehungen, die zwischen Respiration 
und Circulation bestehen, werden aber auch solche von den Respirations¬ 
organen ausgehenden Veränderungen, auf die Circulation zurückwirken. 
Das Umgekehrte wird der Fall sein, wenn die Circulation geschädigt ist, 
und die Respiration als circulatorischer Compensations- und Hülfsfactor 
in Thätigkeit tritt. Im Grossen und Ganzen werden wir uns mit zwei Haupt¬ 
gruppen von respiratorischen Functionsänderungen zu beschäftigen haben: 

1. Respirationsstörungen bei behinderter Athemmechanik, 
a) bei Hemmung der Athembewegungen: 

<*) Lähmungen, Defecte der Athemmusculatur, 
ß) Behinderung der Skelettbewegungen (Bechterew’sche Krank¬ 
heit, Verknöcherung der Knorpel und der Gelenke des Thorax). 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 12 


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166 


Johann Plesch, 


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b) Verkleinerung der respiratorischen Oberfläche: 

a) Pneumonie, Tuberculose, Tumoren, Bronchiektasie, Carnification, 
Retraction, Höhlenbildung. 

ß) Compression der Lunge von aussen (Hydro-, Sero-, Pyo-, 
Pneumothorax, Pleuralgeschwülste). 

c) Erschwerung des Luftzutrittes durch Verengung der Luftwege: 
Glottiskrampf, Trachealgeschwülste, das Asthma bronchiale, Com¬ 
pression der Trachea oder der grossen Bronchien von aussen her 
(Struma retrosternalis, Mediastinalgeschwülste, Aneurysmen). 

2. Respiratorische Veränderungen bei erschwerter Circulation: 

a) Klappenfehler, die das rechte Herz in Mitleidenschaft ziehen, 

b) Myocarderkrankungen, 

c) Emphysem mit Verödung zahlreicher Lungencapillaren. 

Die nächste Frage, die sich bei der näheren Feststellung der patho¬ 
logischen Beziehungen zwischen Respiration und Circulation aufwirft, ist 
die, inwiefern zwischen diesen beiden lebenswichtigen Functionen physio¬ 
logisch ein Zusammenwirken besteht. Wie sehr wir auch mit der arte¬ 
riellen Blutbeförderung im Klaren sind, so ist die Bewegung des venösen 
Stromes, besonders entgegen dem hydrostatisch wirkenden Drucke, 
weniger ausreichend erklärt. Es müssen bei der venösen Blutbeförderung 
Kräfte mitwirken, die unabhängig von der centralen Treibkraft, vom 
Herzen, der Circulation zu Hülfe kommen. Wir wollen hier nicht über 
das „periphere 44 Herz, die vis a tergo, den Einfluss der Muskelcontraction, 
auf die Blutströmung in Erwägung ziehen, sondern uns vor Allem mit 
den Druckverhältnissen im Thoraxinnern beschäftigen. 

Die Lungen könnten, wenn sie nicht durch die während der Athmung 
in sie eindringende Luft entfaltet würden, nicht den in Inspirations¬ 
stellung sich befindenden vergrösserten Thoraxraum ausfüllen. Der Pleural- 
„raum“ ist als luftleer zu betrachten, sodass er unter normalen Verhält¬ 
nissen eigentlich gar keinen Raum bildet, da die endothelbedeckten beiden 
pleuralen Blätter, die Pleura visceralis und parietalis, dicht einander an- 
liegen und sich bei der Respiration nur übereinander verschieben. Dieses 
Aneinanderkleben wird dadurch möglich, dass von aussen her auf die 
Pleura parietalis und von innen her auf die Pleura visceralis derselbe 
atmosphärische Druck wirkt. Von innen her herrscht aber nicht 
voll der atmosphärische Druck, sondern diesem Drucke wirkt 
die elastische Kraft des Lungengewebes entgegen, welche die 
Tendenz hat, das gespannte elastische Gewebe in den Zustand 
der völligen Entspannung zu bringen. Es wird also ein Theil des 
von innen wirkenden Druckes von der elastischen Kraft der Lunge ver¬ 
braucht werden, und es wird dem zu Folge im Pleuralraum und in 
der Lunge eine Druckdifferenz bestehen, die von dem Spannungs¬ 
zustand des Lungengewebes abhängig ist; sie muss somit bei der 
Inspiration grösser sein als bei der Exspiration. Es ist selbstverständ¬ 
lich, dass dieser Druck selbst bei der tiefsten Exspiration nicht total ver¬ 
schwinden wird, da eine gewisse Lungenspannung vermöge der Residual¬ 
luft und der gefüllten Gefässe stets vorhanden sein wird; er beträgt bei 


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forcirtester E^piration noch immer 5 mm Hg. Wir haben also während 
der beiden respiratorischen Phasen stets eine Druckdifferenz zwischen 
Thoraxinnenraura und Aussenluft, doch wird diese Differenz je nach 
inspiratorischer oder exspiratorischer Stellung des Thorax verschieden 
sein. Diese Druckdifferenz ist zum ersten Male von Donders be¬ 
schrieben und auch gleich in seiner Bedeutung für die Circulation 
erkannt worden. 

Der Donders’sche Druck ist ein mächtiger Hilfsfactor der Circu¬ 
lation. Durch die ständig bestehende Differenz zwischen Alveolen- und 
Atmosphärendruck werden die Wandungen des Brustkorbes, sowie alle 
nicht im Pleuralsack sich befindlichen Organe unter höherem Druck 
stehen, als in den Alveolen vorhanden ist. Die Wirkung dieser Druck¬ 
differenz wird nun um so grösser sein, je geringer der elastische Wider¬ 
stand der Gewebe ist, auf welche dieser Druck einwirkt. Wir bemerken 
deshalb an dem knöchernen Skelett des Brustkorbes kaum Veränderungen, 
während an den von Weichtheilen gebildeten Intercostalräumen mit jeder 
Inspiration, also bei jeder Vergrösserung des Donders’schen Druckes, 
Einziehungen zu beobachten sind. Dasselbe gilt vom Zwerchfell. Dieses 
wird inspiratorisch also auch gegen den Donders’schen Druck arbeiten 
müssen. Bei Diaphragmalähmungen kommt deshalb eine paradoxe Be¬ 
wegung zu Stande. Absolut analog verhalten sich sämmtliche Organe, 
die im Thoraxraum ausserhalb der Pleuralsäcke sich befinden, insbe¬ 
sondere das Herz, die grossen Gefässstämme und Lyraphbahnen. Der 
negative Druck wird alle Organe in einer gewissen Spannung halten. 
Diese muss theils proportional der Druckdifferenz, theils proportional der 
Elasticität des Gewebes sein, auf welche sie einwirkt. So wie wir an 
dem Knochenskelett vermöge seines grossen elastischen Widerstandes 
keine Deformation wahrnehmen können, und an den weichen Aussen- 
wänden des Brustkorbes die Druckdifferenz auffallende Veränderung 
hervorruft, so wird auch eine der Wandelasticität entsprechende Diffe¬ 
renz entstehen zwischen den Veränderungen der Ventrikel und der Vor¬ 
höfe des Herzens, sowie auch zwischen den elastischen Arterien und den 
Venen. Je weniger elastisch das Gewebe ist, um so stärker muss die 
dehnende Wirkung des negativen Druckes sein, und somit um so aus¬ 
giebiger die saugende Kraft. Auf diese Weise ist zu verstehen, dass die 
dünnwandigen Venen das Blut aus der Peripherie ansaugen, dass sich 
die Vorhöfe ohne active Bewegung füllen. Es wäre aber falsch, wenn 
wir glaubten, dass diese Saugwirkung nur in der Inspiration besteht. 
De facto ist dies von einigen Forschern angenommen worden. So be¬ 
hauptete zum Beispiel Tigerstedt, dass die Saugwirkung bei fixirtem 
Brustkörbe nicht bestehen kann, weil eine dauernde Kraftwirkung durch 
eine statische Stellung unmöglich ist. Wir können gegen diese 
physikalisch richtige, aber für den lebenden Organismus nicht 
anwendbare Behauptung einwenden, dass der Donders’sche 
Aspirationsdruck deshalb stets wirksam bleiben muss, weil 
durch die Herzbewegung stets die angesaugten Blutmassen 
weiter befördert werden, und deshalb immer frische Blut¬ 
massen an deren Stelle aspirirt werden müssen. Die Blutbe- 

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wegung ist es, welche eine statische Einstellung unmöglich 
macht. 

Es wird also durch die im Thorax herrschenden Druckdifferenzen 
im lebenden Körper stets ein Ansaugen von Blut erfolgen, und zwar in 
einer Intensität, die von der respiratorischen Phase abhängt. Das ist 
der Punkt, bei dem unsere physiologisch-pathologischen Betrachtungen 
einsetzen müssen. 

Der Donders’sche Druck wird auf den kleinen Kreislauf durch die 
Vena pulmonalis, und auf den grossen Kreislauf (soweit diese zwei Be¬ 
griffe eben zu trennen sind) durch die Venae cavae bezw. durch die 
entsprechenden Vorhöfe einwirken. Die Wirksamkeit muss, da, wie 
soeben gezeigt, der Donders’sche Druck continuirlich wirkt, von 
der Höhe der Druckdifferenz bei mittlerer Respiration, also von der 
respiratorischen Mittellage, und auch von dem Ausschlag der 
Druckdifferenz, also von dem respiratorischen Volumen abhängen. 
In beiden Fällen, also sowohl bei der Einstellung der Mittellage, wie bei 
der Grösse des respiratorischen Volumens wird die Entfaltung des intra- 
thoracalen negativen Druckes von der Elasticität des Lungenparenchyms 
und von der Elasticität der Venenstämme und der Vorhöfe abhängen. 
Auf einen hypertrophischen Vorhof wird die Saugwirkung geringer sein, 
als auf einen schlaffen Vorhof, und der Donders’sche Druck wird bei 
derselben Mittellage grösser sein bei einer elastischen Lunge, als bei 
einem Emphysem. 

Unter physiologischen Verhältnissen werden durch den Donders- 
schen Druck die Venae cavae und die anderen im Thoraxraum befind¬ 
lichen Venen in einer gewissen ständigen Spannung gehalten. Der rechte 
Vorhof mit seinen nachgiebigen Wänden wird, wenn auch nicht in so 
hohem Maasse wie die dünnwandigen Venen, auch gespannt. Diese 
Spannung kann aber nur bei erschlafftem, d. h. bei einem sich in der 
diastolischen Phase befindlichen Vorhofe, merklich vorhanden sein. In 
der Systole wird natürlich der nur wenige Millimeter betragende Druck 
nicht genügen, um die Vorhofswand gespannt zu erhalten. Immerhin 
hat die Muskelcontraction gegen den Druck anzukämpfen. Je grösser 
aber der Donders’sche Druck ist, um so mehr muss von der systo¬ 
lischen Vorhofsarbeit zu seiner Bekämpfung verwendet werden, und wir 
sehen aus diesem Mechanismus, dass zwei der Circulation dienende 
Factoren, der Donders’sche Druck und die Vorhofsarbeit, sich im ge¬ 
wissen Sinne hemmen. Wir können es nun stets im Haushalt des Körpers 
beobachten, dass jede Compensation ihre Kosten hat, und dieses Gesetz 
sehen wir auch hier — je grösser die circulatorische Hülfsarbeit der 
Respiration, um so grösser die Arbeit des Vorhofes. Natürlich ist der 
Nutzeffect des Donders’schen Druckes grösser als die Kosten der Herz¬ 
arbeit, sonst würde man doch von einer Hülfseinrichtung nicht reden 
können, doch sind pathologische Fälle möglich, wo eben die Schwäche 
des Vorhofes vorwiegt, und wo der Donders’sche Druck nicht fördernd, 
sondern hemmend einwirken kann. Im Allgemeinen können wir 
wohl sagen, dass in Fällen, wo der Donders’sche Druck aus 


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irgend einem Grunde gesteigert ist, eine Hypertrophie der 
Vorhöfe eintreten muss. 

Verfolgen wir die Circulation von dem rechten Vorhof weiter, den 
Einfluss des Donders’schen Druckes berücksichtigend, müssen wir sagen, 
dass auch die Contraction des rechten Ventrikels von demselben beeinflusst 
wird (cf. S. 211). Der Druck in der Arteria pulmonalis beträgt ungefähr 
zwei Drittel des Aortendruckes, also ca. 60 mm Hg. Der Donders’sche 
Druck erreicht in der normalen Inspiration 10 mm, so dass zur Bewäl¬ 
tigung dieses Druckes der rechte Ventrikel den sechsten Theil seiner 
Arbeit verwenden muss. Es ist ausserdem noch zu erwähnen, wenn es 
auch nicht wesentlich in Betracht kommt, dass die Ventrikel durch ihre 
Contraction die intrathoracale Druckdifferenz erhöhen. Dies ist leicht 
verständlich, wenn wir bedenken, dass durch die systolische Zusammen¬ 
ziehung an und für sich und durch die dadurch hervorgerufene Austrei¬ 
bung einer gewissen Blutmenge der Thoraxraum vergrössert wird, wodutch 
die Lungen sich zu dehnen gezwungen sind und dadurch den Donders- 
schen Druck erhöhen. Auf die Arteria pulmonalis wird zwar die intra¬ 
thoracale Druckdifferenz wirksamer sein, als auf die viel elastischere und 
dickwandigere Aorta, aber diese Wirkung wird auf die Circulation keinen 
wesentlichen Einfluss ausüben. Ganz besonders aber wird der negative 
Druck auf die Capillaren der Alveolen wirken; je grösser der Drucb- 
unterschied, um so mehr werden sich die Capillaren ausdehnen müssen, 
um so geringer ist der Widerstand, und um'so mehr wird die Leistung 
des rechten Herzens geschont. Wir werden also in allen Fällen, wo 
das rechte Herz geschädigt ist, als Compensation eine hohe 
Mittellage und ceteris paribus grosses Athemvolum zu er¬ 
warten haben. Aber wir wollen schon hier betonen, dass eine hohe 
Mittellage oder ein vergrössertes respiratorisches Volumen kein unbedingtes 
Maass für die Erhöhung des Donders’schen Druckes ist, denn bei 
einem weniger elastischen Lungenparenchym wird weder die Er¬ 
höhung der Mittellage, noch das vergrösserte Athemvolumen im Stande 
sein, den Donders’schen Druck entsprechend zu erhöhen. 

Die Rückströmung des Blutes von der Lunge nach dem linken Vor¬ 
hof wird bei vergrösserter intrathoracaler Druckdifferenz am meisten be¬ 
fördert. Hier wird einerseits bei breiten Lungencapillaren die vis a tergo 
vom rechten Ventrikel her noch recht wirksam sein, andererseits ist die 
Spannung der dünnwandigen Vena pulmonalis eine continuirliche und er¬ 
giebige, und auch die Saugwirkung auf die in der Diastole erschlafften 
Wände des linken Vorhofes ist eine relativ grosse. Die wirksamste 
Kraft für die weitere Beförderung des Blutes in der Vena pulmonalis 
wird, wie wir später noch näher auseinandersetzen müssen, in der Ex¬ 
spiration zu suchen sein. Den geringsten Einfluss übt der Donders’sche 
Druck auf die Weiterbeförderung des Blutes aus dem linken Ventrikel. 

Eine Zusammenfassung des Gesagten ergiebt, dass also die Lunge 
nicht nur Luft, sondern auch Blut athmet, dass die Erhöhung 
des Donders’schen Druckes bei elastischem Lungengewebe 
eine Erleichterung für die Circulation darstellt, und dass 


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wir in der intrathoracalen Druckdifferenz einen wesent¬ 
lichen Hilfsfactor für die Circulation besitzen. Dass dieser 
circulatorische Hilfsfactor auch com pensatorisch wirksam ist, dafür 
sprechen nicht nur die thatsächlichen Aenderungen der respiratorischen 
Mittellage, d. h. die höhere elastische Spannung des Lungengewebes in 
Fällen, in denen eine Entlastung der Herzarbeit durch pathologische Ver¬ 
änderungen nöthig geworden ist, sondern auch solche unter physiologischen 
Verhältnissen dort, wo es sich darum handelt, an den Körper gestellte 
Mehrforderungen zu decken, also bei der Muskelarbeit. Aus den hier 
mitgetheilten Versuchen geht klar hervor, dass, sobald der Körper Arbeit 
zu leisten hat, sofort sowohl die respiratorische Mittellage, wie auch das 
Athemvolum zunimmt. Es ist natürlich die Frage schwer zu entscheiden, 
ob bei dieser respiratorischen Functionsänderung noch anderen Bedürf¬ 
nissen des Körpers eine grössere Rolle zukommt, als die der Erleichte¬ 
rung der Circulation. Jedenfalls liegt hierin ein Factor, von welchem 
aus wir, wie ich glaube, nutzbringend die Wechselbeziehungen zwischen 
Circulation und Respiration betrachten können. 

Es ist selbstverständlich, dass wir bei der Erhöhung der respirato¬ 
rischen Mittellage unter Zunahme des Athemvolumens bei grösseren kör¬ 
perlichen Anstrengungen die Vergrösserung der respiratorischen Oberfläche, 
die absolute oder relativ erhöhte alveoläre Sauerstofftension und somit 
die besseren Bedingungen für die Sauerstoffzufuhr und Kohlensäureabgabe 
nicht unterschätzen dürfen. Für die meisten pathologischen Fälle aber 
wird diese Forderung gewiss gegenüber der circulatorischen Compensation 
in den Hintergrund treten. 

Wir müssen demnach ganz allgemein zwei Fragen auseinanderhalten: 
1. Wie verhält sich der Donders’sche Druck bei Veränderungen des 
Circulationsapparates und 2. wie verhält sich die Circulation bei Verän¬ 
derungen des Respirationstractus? Die erste Frage haben wir im Vor¬ 
hergehenden im Allgemeinen erörtert. Specieller wollen wir bei der 
systematischen Besprechung der einzelnen Krankheiten darauf eingehen. 
YVas die zweite Frage anbelangt, so müssen wir diejenigen Krankheits¬ 
gruppen, bei denen eine Respirationsveränderung durch Einschränkung 
der respiratorischen Oberfläche verursacht wird, trennen von denjenigen, 
bei welchen der Luftzutritt bei sonst normalem Lungengewebe behindert 
ist, dann von solchen, bei denen die Lungenspannung zugenoramen hat 
(Asthma bronchiale), ferner von denen, bei welchen die Lungenelasticität 
abgenommen hat, und endlich von solchen, bei denen durch Versteifung 
des knöchernen Thorax die Athembewegungen gehemmt sind. 

Bei Verengerung der Luftwege unterscheiden wir zwei Grade, eine 
absolute und eine relative. Relativ eng wird der Respirationsweg, wenn 
der Luftbedarf allzu gross wird, also z. B. bei hochgradiger Arbeits¬ 
dyspnoe. Wir sehen in beiden Typen neben allen anderen äusseren 
Zeichen des dyspnoischen Athmens bei jeder Inspiration die Intercostal- 
räume sich einziehen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass durch die forcirte 
und im Gegensatz zur Norm nicht allmählich sich verstärkende Muskel- 
thätigkeit die Inspirationsmuskeln fast momentan und mit äusserster An¬ 
strengung in Function treten. Durch diese plötzliche inspiratorische Ein- 


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Stellung des Thorax tritt auch momentan die höchste intrathoracale 
Druckdifferenz auf, und es muss die Strömungsgeschwindigkeit der aspi- 
rirten Luft eine viel grössere werden als beim ruhigen Athmen. Dieser 
Typ der Athmung hat aber zur Folge, dass die Venen leer gepumpt 
werden, und dass es zu einer arteriellen „Stauung“ kommt, als deren 
Ausdruck wir thatsächlich eine Erhöhung des Blutdruckes beobachten. 
Wenn wir einem Versuchsthier die Trachea mit einer Klemmschraube 
verengen, so finden wir eine Blutdrucksteigerung, die bis 10 mm betragen 
kann. Wir finden in klinischen Fällen von hochgradiger Stenose der 
Luftwege, wie es bei der Diphtherie, bei croupösen Erkrankungen des 
Respirationstractus vorkommt, leere Venen und ein eigentümliches Haut- 
colorit, welches man als arterielle Cyanose bezeichnen könnte; es scheint 
doch durch die mangelhafte Lüftung des Blutes hervorgerufen zu sein. 
Das Herz und besonders die Vorhöfe und grossen Venenstämme sind 
überfüllt, auch die Lungen, wie die Obduction dieser Fälle zeigt, sehr 
blutreich. Die circulatorischen Veränderungen müssen hier als directe 
Folgen des respiratorischen Hindernisses angesehen werden. Das Primäre 
ist eben der Sauerstoffhunger. Gegenüber diesen Fällen konnten wir 
Kranke beobachten, bei denen weder in den Lungen eine Einschränkung 
der respiratorischen Oberfläche vorhanden war, noch in den luftzuleitenden 
Wegen eine Stenose die Athmung gehindert hat, und doch die inspira¬ 
torische Einziehung, sowie angestrengteste Thätigkeit der Auxiliärmuscu- 
latur sich fand, mit einem Worte, der Typ der Stenosenathmung, und 
nicht etwa derjenige der cardialen Dyspnoe in Erscheinung trat. Bei 
solchen Kranken war stets eine sehr hochgradige Herzschwäche vorhanden. 
Die Entstehung dieser Art von Respirationsstörung ist am ungezwungensten 
durch die Annahme zu erklären, dass hier die Athmung einfach als circu- 
latorischer Hilfsfactor in stärkere Action zu treten gezwungen ist. Dass 
diese Voraussetzung richtig ist, beweist, dass bei solchen Kranken nicht 
eine oberflächliche dyspnoische Athmung bei höchstgradiger inspiratorischer 
Einstellung des Thorax besteht, sondern dass das Athemvolumen mit¬ 
unter sehr gross ist, und dass die respiratorischen Bewegungen des 
Thorax sehr ausgiebige sind. In diesen Fällen finden wir natur- 
gemäss keinen absolut hohen Blutdruck, sondern, als einen Beweis für 
die Richtigkeit unserer Annahme, sehr hohe respiratorische Blutdruck¬ 
schwankungen. 

Beim Asthma cardiale sind die Verhältnisse diesem letztbeschrie¬ 
benen Zustand ähnlich. Das Asthma cardiale nur als den Ausdruck 
einer Circulationsstörung des kleinen Kreislaufes anzusehen, wäre falsch. 
Wenn wir den Lufthunger bloss durch reflectorische Vorgänge erklären, 
welche durch die Kohlensäureüberladung des Blutes in Folge der mangel¬ 
haften Blutbewegung central ausgelöst sind, so ist damit das Wesen der 
cardialen Dyspnoe nicht erschöpft. Die cardiale Dyspnoe ist nicht 
nur ein nebenherlaufender Reflex, sondern auch die Com- 
pensation für die Schwäche sowohl des Herzens, als auch 
des ganzen Circulationssystems. Die kräftigsten normalen Be¬ 
förderer der venösen Blutbewegung fehlen, und da tritt wiederum die 
Respiration ein: die Mittellage wird erhöht, die elastische Spannung 


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des Lungenparenchyms ist ständig grösser, der Donders’sche Druck 
demzufolge auch höher eingestellt. So geschieht die Aspiration des 
Blutes von der Peripherie zum Herzen leichter und ausgiebiger. So¬ 
lange noch das linke Herz fähig ist, das ihm zugeführte Blut weiter 
zu befördern, ist das circulatorische Gleichgewicht angenähert erhalten; 
sobald aber das linke Herz erlahmt, wird die Compensation durch 
den Donders’schen Druck zur Schädlichkeit, — es kommt zur 
Stauung im kleinen Kreislauf: in den durch die hohe Mittellage er¬ 
weiterten Capillaren wird die Circulationsgeschwindigkeit gering, und es 
droht schliesslich Lungenödem. 

Bei Affectionen, wo die respiratorische Oberfläche wesentlich einge¬ 
schränkt ist, wie solche die Pneumonien (die acuten oder chronischen), 
die Lungenturaoren, Cavernen, Abscesse, Mycosen, der Pneumothorax, 
die Flüssigkeitsansammlungen im Thorax etc. darstellen, ist ein solches 
Verhalten der Respiration natürlich, welches die Sauerstoffzufuhr in ge¬ 
nügender und verhältnissmässig leichter Weise vor sich gehen lässt. Es 
werden hierzu die respirirenden Lungentheile gedehnt, also in starker 
inspiratorischer Stellung gehalten, dadurch wird die respiratorische Ober¬ 
fläche vcrgrössert, ebenso auch der Donders’sche Druck. Die Capillaren 
im respirirenden Gebiet werden weit und durch das Zusammenwirken 
dieser Factoren das Leben erhalten. In den Lungenpartien aber, die nicht 
respiriren, wirkt der Donders’sche Druck nicht, demzufolge wird im noch 
respirirenden Gewebe das meiste Blut angesaugt werden. Aus den Versuchen 
von Loewy und v. Schroetter, die durch einen Tamponkatheter eine 
Lunge aus der Respiration aus einem anderen Grunde ausgeschaltet haben, 
geht hervor, dass die Sauerstoffaufnahme des Körpers in der Minute 
durch die Reduction der respiratorischen Oberfläche nicht um die Hälfte 
geringer wurde. Es ist dies nur so möglich, dass durch die respirirende 
eine Lunge zweimal so viel Blut in der Zeiteinheit strömt wie unter 
normalen Verhältnissen. Auch deshalb wird in diesem Falle durch die 
gesunde Lunge eine grössere Menge Blut durchgeflossen sein als in der 
Norm, weil der Donders’sche Druck in der abgesperrten Lungenhälfte 
sogar grösser sein musste, als in der athmenden Lungenhälfte. Es hat 
sich also die Circulation im kleinen Kreislauf dem Sauerstoffbedürfniss 
angepasst. In den Fällen aber, wo die Alveolen entweder zu Grunde 
gegangen sind, oder mit irgend einem entzündlichen Produkt ausgefüllt 
sind, oder wo die Compression der Lunge von aussen her erfolgt ist, 
herrscht keine intraalveoläre Druckdifferenz, die Circulation muss in 
diesem Gewebe eine viel geringere sein, als in den respirirenden Lungen- 
theilen. Für die gesunden Lungentheile wird aber die Circulation, wie 
in den Versuchen von Loewy und v. Schroetter, sich nach dem Sauer¬ 
stoffbedürfniss des Körpers einstellen, es wird um so viel mehr Blut 
durch die athmenden Lungenpartien fliessen müssen, je grössere Lungen¬ 
flächen ausgefallen sind. Für diese Blutroengen werden aber selbst die 
erweiterten Capillaren eine relative Enge darstellen, die durch das rechte 
Herz bewältigt werden muss. Das ist der eine Grund, warum das rechte 
Herz hypertrophirt. Ein anderer liegt eben darin, dass der Donders’sche 
Druck auf die im krankhaften Gewebe eingebetteten Capillaren nicht 


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wirken kann, diese letzteren sich nicht anpassen können und so einen 
erhöhten Widerstand für die Circulation bilden, wenn auch nach den 
Gesetzen der Stromvertheilung unter diesen Verhältnissen nicht allzu viel 
Blut durch die Göfässe der gepressten Lungentheile strömen wird. Das 
Blut fliesst natürlich nach dem Orte des geringeren Widerstandes, weniger 
nach den durch die Respiration unbeeinflussten engen Capillaren des 
kranken Gewebes. Zu alledem kommt, dass über der verdichteten Stelle 
die Inspirationsbewegungen des Thorax eingeschränkt oder sogar total 
aufgehoben sind, so dass ein respiratorischer Druckunterschied gar nicht 
resultiren kann. 

Das Zustandekommen des sog. Rauchfuss’schen Dreiecks in Fällen 
von Pleuritis exsudativa ist ungezwungen ebenfalls durch die intrathoracalen 
Druck Verhältnisse zu erklären. Wir wissen, dass das Vorhandensein des 
Rauohfuss’schen Dreiecks als differential-diagnostisches Moment in Frage 
kommt bei der Diagnose der Flüssigkeitsansammlung im Thorax gegen¬ 
über der pneumonischen Infiltration der Lunge. Das Dreieck ist bei 
Pleuritiden an der gesunden Seite rückwärts neben der Wirbelsäule zu 
finden, und zwar so, dass die Basis des Dreieckes nach unten in der 
Höhe des Ursprunges des Diaphragma, die Spitze mit der Höhe des 
Exsudates der anderen Seite abschneidet. 

Der Donders’sche Druck wird bei Ausschaltung eines Lungenflügels 
grösser sein als in der Norm; denn den Ungeschädigten Partien obliegt 
allein die Aufgabe der Sauerstoffversorgung. Die gesunde Lunge wird 
eine höhere Mittellage einnehmen, das Lungengewebe wird besser ge¬ 
spannt, der Donders’sche Druck wächst. Nun haben wir gesehen, dass 
dieser Druck auf alle im Innern des Thorax sich befindenden Organe 
wirkt, und so natürlich auch auf das Mediastinum (anticum) und be¬ 
sonders auf den unteren Theil desselben. Das Mediastinum bewegt sich 
gleichzeitig wie eine Thür in den Angeln und wie ein Pendel. Hinten 
ist es, wie Experiment und pathologische Erfahrung lehren, unbeweglich. 
Auch im oberen Theil, wo sich die retrahirte Lunge befindet, wird noch 
durch den vorhandenen Lungen „stumpf“ gewissermaassen das Gleich¬ 
gewicht gehalten, in den Partien aber, von denen die Lunge abgehoben 
ist, wird er wirksam sein. Die Wirkung wird von dem gestützten Punkt, 
also von dem unteren Rand des Exsudates abwärts immer grössere 
Dislocation geben, und es wird demzufolge durch die percussorische 
Projection des Mediastinum anticum, der Flüssigkeit und des mitver¬ 
lagerten Herzens auf die rückwärtige Thoraxwand das beschriebene 
Dreieck entstehen. Wir dürfen uns das etwa vorstellen wie beim Pendel: 
mit der Entfernung von dem Ausgangspunkt wächst auch die Entfernung 
von der Mittellinie. Der Stützpunkt für das Mediastinum ist eben die 
Stelle, wo die Lunge noch das Gleichgewicht hält. Dieser Auffassung 
entsprechen auch die Versuche von Steirer und Siegel, die regel¬ 
mässig gefunden haben, dass bei Injection von Gelatine in dem Inter- 
thoracalraum der einen Seite die Gelatine in die unbeschädigte Thorax¬ 
hälfte hinüber wanderte, als ein Zeichen des Ueberwiegens des Aspirations¬ 
druckes in der gesunden Lungenhälfte. 

Es ist natürlich, dass bei der Pneumonie eine Verschiebung des 


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Mediastinums nicht zu Stande kommen kann. Bei der Pneumonie liegen 
die pleuralen Blätter aneinander, das pneumonische Gewebe ist wenig 
elastisch und kann somit selbst durch den vergrösserten Don de rs'sehen 
Druck in der functionirenden Lungenhälfte wenigstens nicht merklich 
gezerrt werden. 

Wie ändern sich die Verhältnisse beim Pneumothorax? Tritt Luft 
in den Pleuralraum resp. besteht eine freie Communication zwischen 
Pleuralraum und Aussenluft, so kann natürlich keine Druckdifferenz be¬ 
stehen bleiben, das elastische Lungengewebe wird nicht in Spannung 
gehalten und nimmt die Ruhestellung ein — die Lunge retrahirt sich 
gegen ihren starrsten Punkt, den Hilus zu. Die Capillaren werden sich 
in dem Lungenstumpf zusammenziehen, und die Blutversorgung wird 
spärlich. Dem gegenüber wächst durch die vergrösserte Mittellage die 
intrathoracale Druckdifferenz in der respirirenden Seite und es werden 
alle Organe des Thorax gegen die respirirende Hälfte gezogen. Wir 
haben es also in diesen Fällen nicht mit einer Verdrängung, 
was doch physikalisch garnicht verständlich wäre, sondern 
mit einer Heranziehung zu thun. Auch in diesen Fällen beobachten 
wir die Verschiebung des Mediastinums, aber diese Verschiebung ge¬ 
schieht in toto, weil hier ein Stützpunkt oben fehlt, ohne den ein Dreieck, 
ähnlich dem Rauchfuss’schen bei der Pleuritis, nicht zu Stande kommen 
kann. 

Wenn bei der Entstehung des Pneumothorax es nicht zum Ver¬ 
schlüsse des Ventils kommt, so gelangt mit jedem Athemzug — so sagt 
es die herrschende Lehre — Luft in den Thoraxraum. Diese Ansicht 
ist jedoch sicher falsch. Es kann im Thoraxraum nur zu einem mässigen 
Ueberdrucke gegenüber dem atmosphärischen Druck kommen. Das blos 
gegen den Thoraxraum durchlässige Ventil kann nur so lange Luft 
hereinlassen, als in der inspiratorisch maximal gedehnten Thoraxhälfte 
der Druck mit dem atmosphärischen Druck gleich ist. Schliesst das 
Ventil nach aussen ab, so kann nur exspiratorisch ein positiver Druck 
herrschen, inspiratorisch ist weder ein negativer, noch positiver Druck 
vorhanden. Bei einer stabilisirten Dislocation des Mediastinums sind wir 
also gezwungen, nach einem constant wirkenden Grunde zu fahnden, und 
dieser ist in dem erhöhten negativen Druck der gesunden Seite gegeben, 
so dass wir in jedem Falle vom Pneumothorax nicht von einer 
Verdrängung, sondern wiederum von einem Ansaugen sprechen 
müssen. Auch beim Pneumothorax wird die Circulation derartig verändert, 
dass dem rechten Herzen eine grössere Arbeit auferlegt wird, denn es muss 
doch durch die gesunde Lunge zweimal so viel Blut fliessen; also selbst 
bei der durch den Donders’schen erhöhten Druck bedingten Erweiterung 
der Capillaren wird wegen der grösseren Blutmenge, die durch die Lunge 
getrieben werden muss, eine relative Enge der Gefässe bestehen, es wird 
der Druck im kleinen Kreislauf höher werden, und es muss das rechte 
Herz demzufolge stärker arbeiten. Wir finden auch entsprechend diesen 
Verhältnissen bei den in Frage stehenden Fällen stets ein hypertrophisches 
bezw. erlahmtes rechtes Herz als den Ausdruck der Ueberanstrengung 
dieses Herzabschnittes. Venöse Stauungen können beim Pneumothorax 


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fehlen, ja wir finden sogar sehr häufig eine „arterielle Stauung“. Machen 
wir einem Hunde einen künstlichen Pneumothorax, so entsteht im ersten 
Moment eine Drucksenkung, als ein Zeichen, dass das Blut nach dem 
Thorax gesaugt und in den Venen aufgestapelt worden ist; dieser Druck¬ 
senkung folgt alsbald die Drucksteigerung als ein Zeichen der Ueberfüllung 
der Arterie. 

Bei sämmtlichen Krankheiten, wo ein Theil der Lunge zur Aufnahme 
von Luft unfähig wird, ist der intrathoracale Druckunterschied gesteigert. 
Wir finden, dass das Atheravolumen selbst in Fällen, wo die eine Lunge 
total ausgeschaltet ist, nicht abnimmt. Das ist nur möglich, wenn die 
gesunde Lunge mehr athraet, also wenn die Lunge stärker gespannt ist. 
Es ist deshalb bei tuberculösen Destruetionen, bei Pneumonie, bei Tu¬ 
moren und Abscessen der Lungen stets der Donders’sche Druck ver¬ 
mehrt, und es ist aus den bereits erörterten Gründen das rechte Herz 
stets über die Norm in Anspruch genommen. 

Genau wie die zu geringe intrathoracale Druckdifferenz hat auch 
die übergrosse ihre Gefahr. Sehen wir uns den Habitus phthisicus 
an, so ist bei diesem das Lungenorgan im Verhältniss zum Herzen 
gross. Das Tropfenherz ist ein integrirendes Symptom des asthenischen 
Habitus. Alle compensatorischen Circulationseinrichtungen müssen bei 
einer derartigen constitutionellen Schwäche in Action treten, und nicht 
zum mindesten wird der Donders’sche Druck der Circulation zu Hilfe 
eilen. 

Soviel als Einleitung über allgemeine Gesichtspunkte zur Rechtferti¬ 
gung des Interesses, welches wir der Respiration als circulatorischem 
Hilfsfactor entgegenbringen müssen. Selbstverständlich sind in unserer 
Arbeit die Verhältnisse nicht ausser Acht gelassen worden, die sonst 
noch bei der Respiration in Betracht kommen. Viel liegt über diese 
wichtige Frage in der Literatur noch nicht vor, und wenn wir auch die 
älteren Untersuchungen einer Revision unterzogen haben, so geschah dies, 
weil die früheren Befunde mit einer oft mangelhaften Methode gewonnen 
wurden, die einer scharfen Kritik nicht mehr Stand halten können. Ich 
meino damit nicht etwa die Spirometrie, die sich doch lediglich nur mit 
der Feststellung der Vitalcapacität beschäftigt, sondern besonders die 
Residualluftbestimmung, die durch die verfeinerte und die vereinfachte 
gasanalytische Methodik nunmehr kein den Physiologen reservirtes For¬ 
schungsgebiet bildet, sondern in der Klinik ohne Weiteres anwendbar ist. 
Wenn meine Arbeit nicht eine die ganze Pathologie umfassende Schilderung 
der respiratorischen Verhältnisse enthält, so muss dies durch den Um¬ 
stand entschuldigt werden, dass hier zum ersten Male versucht wurde, 
diese wichtige physiologische und pathologische Frage systematisch zu 
erforschen. 

Zur Beantwortung der von uns gestellten Fragen mussten wir mit 
einer speciellen Methodik die respiratorischen Volumina, d. h. die Resi¬ 
dual-, Complementär- und Reserveluft feststcllen, um dadurch die Vital-, 
Mittel- und Totalcapacität ermitteln zu können. Bevor wir auf unsere 
Versuchsergebnisse näher eingehen, wollen wir die von uns gebrauchte 
Methodik näher beschreiben. 


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II. Untersuchnngsmethodik. 

Die Methodik der Lungen volumenmessung stammt von Hutchinson 1 ), 
der zu diesem Zwecke ein gewöhnliches Glockengasometer, welches mit 
Wasser abgedichtet und durch ein Gegengewicht äquilibrirt war, benutzt 
hat. Diese primitive Form der Messung wurde später auch von 
Wintrich 2 ), Panum 3 ), Arnold 4 5 ) u. A. angewendet. Die mit diesem 
Instrument, welches schon von Hutchinson den Namen Spirometer er¬ 
hielt, gewonnenen Zahlenwerthe leiden alle an dem grossen Fehler, dass 
sie ohne Angaben des Druckes und der Temperatur veröffentlicht wurden. 
Da es sich bei den spirometrischen Untersuchungen um Messungen han¬ 
delt, die festzustellen suchen, wie gross das respirirte Luftvolumen in 
den Lungen, also bei Körpertemperatur, ist, so muss, um richtige und 
den thatsächlichen Verhältnissen entsprechende Werthe zu bekommen, 
stets das Versuchsergebniss auf die Körpertemperatur bei dem herrschen¬ 
den Drucke reducirt werden. Die Vernachlässigung dieser Factoren kann 
Fehler bis zu 20 pCt. des Werthes (bei aussergewöhnlichen Verhältnissen 
noch mehr) verursachen. Es ist Loven 6 ) gewesen, der als Erster das 
Spirometer so verbessert hat, dass eine Reduction der gewonnenen 
Werthe vorgenoraraen werden konnte. 

Der klassische Spiroraeterversuch von Hutchinson war Folgender: 
Das Individuum athmete bei zugeklemmter Nase durch ein passendes 
Mundstück und wurde aufgefordert, so tief wie möglich aus- und dann 
an dem Spirometer einzuathmen. Hutchinson theilte die so gewonnenen 
Resultate in folgende Theile ein und gab ihnen die noch heute gebräuch¬ 
liche Benennung: 1. Zurückbleibende (Residual-) Luft, die selbst 
bei tiefster Exspiration in den Lungen bleibt und nicht entfernt werden 
kann, 2. die zurückgehaltene (Reserve-) Luft, welche zwar aus¬ 
getrieben werden kann, aber doch bei gewöhnlichem Athmen in der 
Lunge bleibt, 3. die geathmete (Breathing-) Luft, welche bei der 
gewöhnlichen Athmung bewegt wird, 4. die ergänzende (Comple- 
mentär-) Luft, welche noch bei forcirter Inspiration aufgenoramen 
werden kann. Die Athmungscapacität (Vital Capacity) ist die 
Summe von Reserve-, geathmeter und Complementär-Luft, im Gegensatz 
zur Lungencapacität, die alle 4 Grössen zusamraenumfasst. 

Die Aenderungen der Mittellage sind zuerst von Loven (1. c.) unter¬ 
sucht worden. Bei seinem Verfahren athmete das Versuchsindividuum 
durch einen Klappenventilapparat und zwar so, dass das Inspirations¬ 
und Exspirationsventil von resp. zu je einem Spirometer führte. Beide 
Spirometer, die je ein Fassungsvermögen von 12 Litern hatten, schrieben 
ihre Bewegungen auf eine rotirende Trommel auf. Da die Volumina der 

1) Hutchinson, Medico-Chirurg. Transact. 1846. Vol. 29. p. 137; übersetzt 
von Samosch, Braunschweig 1849. 

2) Wintrich, Krankheiten der Athmungsorgane in Virchow’s Handbuch. 
1857. Bd.4. 

3) Panum, Pflüger’s Archiv. 1868. Bd. 1. S. 150. 

4) Arnold, Ueber die Athemgrösse des Menschen. Heidelberg 1857. 

5) Tigerstedt, Arbeiten von Uhr. Lov6n. Leipzig 1906. 


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Die pathologische Physiologie des Longenvolumens eto. 


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Spirometer bekannt waren, Hess sich aus den Diagrammen die Luft¬ 
menge berechnen, die während der Zeiteinheit ein- rcsp. ausgeathmet 
wurde. So konnte Lovön die Aenderungen in der Lungenfüllung be¬ 
obachten und die Einwirkung der verschiedenen Körperstellungen auf die 
respiratorische Mittellage studiren. Die geringe Grösse des Spirometers 
stand einer Ausdehnung der Versuchszeit hindernd im Wege, und wir 
wissen heute, dass die Aenderungen der Mittellage sich nicht immer 
sofort, sondern erst nach längerer Zeit einstellen, so dass wir aus diesem 
Grunde die Lovön’schen Versuche für nicht vollgiltig betrachten können. 
Das Lovön’scbe Verfahren Hesse abor, selbst wenn es eine Vervoll¬ 
kommnung erfahren würde, nur Differenzen in der Mittelcapacität er¬ 



kennen, die durch momentane Einwirkungen hervorgerufen werden; Ver- 
gleichswerthe für die Mittellageänderungen durch langsam wirkende 
Eingriffe oder nach dem Auftreten pathologischer Veränderungen könnten 
sie nicht liefern. 

Das von uns gebrauchte Spirometer ist in Fig. 1 abgebildet und im 
Wesentlichen nach den Principien von Bohr gebaut, erfuhr aber einige 
Verbesserungen, die besonders dazu dienen, um den Spirometer für 
Residualluftbestimmungen brauchbarer und genauer zu gestalten. Das 
in unserer Klinik gebrauchte Spirometer zeigt die Fig. 3. Der auf 
regulirbaren Schrauben ruhende Metallcylinder hat eine äussere Wand a 
und eine innere Wand b, so dass eigentUch zwei Cylinder concentrisch 


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in einander angeordnet sind. In dem äusseren Raum kann sich eine 
oben geschlossene Metallglocke d bewegen, die durch das in c befindliche 
Wasser abgedichtet ist. Diese Metallglocke hängt an einer Kette K und 
ist grob durch das Gewicht g äquilibrirt, in dem die Kette sich in der 
Mulde eines Rades R bewegt. Die feinere Aequilibrirung, die durch 
den in verschiedenen Höhen verschieden grossen Auftrieb des beweg¬ 
lichen Cylinders nöthig ist, wird durch kleine Gewichte, die sich an der 
Kette befinden, bewerkstelligt. Der Cylinder bewegt sich mittelst der 
Räder r und rj2 an den Stangen des Metallrahmens S, an welchem 
übrigens auch das Rad R angeordnet ist. In dem Cylinder ist ein 
Thermometer angebracht, das die Temperatur der in dem Cylinder be¬ 
findlichen Luft anzeigt. Von aussen führt ein 2,5 cm breites Rohr n 
in das Spirometer, welches am Boden des inneren Cylinders b mündet. 
Die Fortsetzung dieses Rohres bildet quasi das Rohr n, welches den 
sonst überall geschlossenen und den Raum des Cylinders b fast voll¬ 
kommen ausfüllenden Cylinder e durchbohrt und ebenfalls einen Durch¬ 
messer von 2,5 cm hat. Wenn die Glocke total heruntergedrückt ist, 
so befindet sich aussen in den schädlichen Räumen (die Zuleitungsröhre, 
das Rohr n, der Zwischenraum zwischen e und b , der oberste gewölbte 

Theil der Glocke und derjenige Theil der Glocke, der von der Wasser¬ 

dichtung in c nicht gefüllt ist) keine Luft. In dieser Stellung zeigt der 
Zeiger Z an der Scala T den Nullpunkt. Die Scala zeigt die Füllung 

des Spirometers mit 100 ccm Genauigkeit an. Das Rohr m hat ein 

T-förraiges Ansatzstück, welches nach aussen communicirt. Der Luft¬ 
weg kann mittelst des T-Hahnes H so verändert werden, dass er das 
eine Mal die an der Maske M geathmete Luft in das Spirometer leitet 
und so die äquilibrirte Glocke hebt und das andere Mal die Luft nach 
aussen geathmet werden kann. 

Diese Einrichtung genügt zur Bestimmung der Complementär-Reserve- 
luft resp. der Vitalcapacität. Der Versuch gestaltete sich dann folgender- 
maassen: 

Das Versuchsindividuum athmet an der Maske. Die Maske ist so 
construirt, dass sie die Nase und den Mund fast und an das Gesicht 
luftdicht in der Weise schliesst, dass der durch einen weichen, aufbläh- 
baren oder noch besser mit Glycerin gefüllten Gummischlauch 
gebildete Rand mittelst einer Schnalle an das Gesicht gepresst wird. Die 
Athmung wird durch die Maske nicht gehemmt, und es kann damit so¬ 
wohl durch die Nase als durch den Mund geathmet werden. Wenn wir 
einige Male durch den nach aussen communicirendcn Hahn haben athmen 
lassen, so stellt sich bald der reguläre Athmungstyp ein. Ist die Athmung 
normal, so drehen wir den Hahn um, und jetzt respirirt die Versuchs¬ 
person in die Glocke, wobei wir die Athemmenge an der Scala durch 
den Zeiger Z ablesen können. Wir können die Athemmenge und gleich¬ 
zeitig den Athmungstyp registriren, indem ein Schreibhebel an dem Zeiger 
angebracht wird, und wir vor dem Zeiger ein berusstes Blatt Papier an 
der Kymographiontrommel rotiren lassen. Die Hülle der Athmungswellen 
ist gleich der Menge der geathraeten Luft, gemessen an der geaichten 
Scala T. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


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Ist die Athemmenge in 2 oder 3 Respirationsbewegungen festgestellt, 
so lassen wir die Person maximal exspiriren und maximal inspiriren, 
wodurch die Reserve- bezw. die Complementärluftmengen aufgeschrieben 
werden, beide zusammen ergeben dann die Vitalcapaeität. Wenn die 
Temperatur an dem Thermometer des Spirometers abgelesen und der 
Barometerdruck bekannt ist, so ist ohne Weiteres das Luftvolumen, 
welche die respirirte Luft in den Lungen, also bei 37° Körpertemperatur 
eingenommen hat, zu berechnen. Die Reduction der Gasvolumina geschieht 
nach folgender Formel: 

Volumen bei 37° = v (p - e) (37 -1) (1+ a) 

p — e, 

wobei v = abgelesenes Gasvolumen, p = Barometerstand in mm Hg, e = 
Wasserdarapftension bei abgelesener Temperatur, a = der Ausdehnungs- 
coefficient der Gase, t = die abgelesene Temperatur, ej = die Wasser¬ 
dampftension bei 37° bedeutet. 

Wenn wir die respiratorische Mittellage genau bestimmen wollen, so 
ist es unumgänglich nöthig, auch die Residualluft genau abzumessen. 

Die ersten Residualluftmessungen sind an Leichen vorgenomraen 
worden. Es ist klar, dass eine Compression der Lungen in der Leiche 
in so vollkommener Weise, wie sie durch die active Exspiration geschieht, 
nicht ausgeführt werden kann, dazu kommt noch, dass bei der Exspiration 
sicher noch die Musculatur der Bronchien eine Rolle spielt. Es ist nach 
den bei Gesunden gefundenen Zahlen sehr wahrscheinlich, dass sich im 
Lebenden die Alveolen vollkommen entleeren können und die Residual¬ 
luft nur diejenige Luftmenge darstellt, die die starren klaffenden grösseren 
Bronchien ausfüllt. Jede Angabe der Residualluft, die an Leichen ge¬ 
wonnen wurde, verdient aus diesem Grunde keine Beachtung, und die 
Untersuchungen Godwyn’s, die bereits im Jahre 1788 in London und 
1790 in Leipzig erschienen sind, sowie die Messungen von Jacobson 1 ) 
(1888) haben nur höchstens historisches Interesse. 

Die indirecten Methoden der Residualluftbestimmung lassen sich in 
zwei grosse Gruppen theilen: 1. In die pneumatometrische und 2. in die 
sogen. Gasmischungsmethode. 

Harlesz 2 ) gab eine Methode zur Residualluftbestimmung an, die auf 
dem Boyle-Mariotte’schen Gesetz beruht. Er lässt das Versuchsindi- 
viduum aus einem starrwandigen, mit einem Manometer versehenen Gefäss 
einathmen. Da verhält sich der im Gefäss vor dem Athmen vorhandene 
Druck p zu dem nach der Athmung vorhandenen Drucke p — d p wie das 
durch das Einathmen vergrösserte Thoraxvolumen v + d, zum Original¬ 
volumen des Thorax v. Wenn, bei der Inspiration aus dem Gefässe, der 
Thorax nur die Residualluft enthielt, kann diese nach der Gleichung: 

v = — ^ p ,~ berechnet werden. Ueber die Resultate, die mit dieser 

dp 

Methode gewonnen wurden, kann nichts gesagt werden, da sie meines 
Wissens niemals praktisch angewendet wurde. 

1) Jacobson, Pflüger’s Archiv. 1888. Bd. 43. S. 236. 

2) Harlesz, Münch. Gelehrte Anzeigen. 1854. Bd. 93. 


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Ein dem Harlesz’schen ähnliches Verfahren hat Gad 1 ) ausgearbeitet. 
Gad stellte die Versuchsperson in einen luftdichten Kasten. Während 
der Patient nach tiefster Exspiration an einem, mit dem Kasteninneren 
communicirenden Manometer inspirirte, registrirte der ebenfalls mit dem 
Kasten in Verbindung stehende Volumschreiber die Thoraxerweiterung. 
Aus der Druckabnahme und Volumenzunahme lässt sich die Residualluft 
berechnen. Die Methode ist theoretisch sicherlich richtig, aber praktisch 
haften ihr grobe Fehler an, die durch die Inconstanz der Kastentemperatur 
und durch die mit in Berechnung gezogene Aenderung der Darmgase 
bedingt sind. 

P.flüger 2 ) wollte die Residualluft bestimmen, indem er nach tiefster 
Exspiration ein bestimmtes Luftquantum ansaugte und gleichzeitig die 
dadurch entstandene Druckerniedrigung im Lungenraum beobachtete. Die 
von Kochs 3 ) publicirten Werthe sind viel zu klein und sicher falsch, 
was auch bei näherer Ueberlegung nicht überraschen kann, da diese 
Methode nur für einen starrwandigen Raum Anwendung finden kann, aber 
nicht für Raumbestimmungen brauchbar ist, bei welchen die Wand 
elastisch ist und von einer absoluten Ruhigstellung keine Rede sein kann. 

Die Gasmischungsmethode ist zuerst von Davy 4 5 ) 1803 entdeckt 
worden. Davy ging von der tiefsten Exspirationsstellung aus, und liess 
sieben Mal hinter einander schnell in einem mit Wasserstoff gefüllten 
Gasometer aus- und einathmen, und schloss den Versuch in äusserster 
Exspirationsstellung. Grehant 6 ) hat diese Methode verfeinert und aus¬ 
gearbeitet. Herrmann und Berenstein 6 ) haben eine Methode zur Be¬ 
stimmung der Residualluft angewendet, die von der Davy-Grehant’schen 
Methode nur darin abweicht, dass sie zwei Spirometer verwendet hatten. 
Der eine war mit Wasserstoff gefüllt, und daraus athmete die Versuchs¬ 
person mehrmals hin und her. Bei tiefster Exspirationsstellung wurde der 
mit bekanntem Luftvolumen gefüllte andere Spirometer eingeschaltet und 
auch daraus athmete der Patient mehrmals ein und aus. Aus dem Wasser¬ 
stoffgehalt der beiden Gasometer wurde sodann die Residualluft berechnet. 

Allen und Pepys 7 ) haben, auf dasselbe Princip basirend, als erste 
den Wasserstoff durc h Sauerstoff ersetzt und die Residualluft aus dem in 
den Lungen zurückbleibenden verminderten Stickstoffgehalt berechnet. 
Die Methode wurde von Durig 8 ) ausgearbeitet und in einigen Fällen 
angewendet. Die Durig’schen Versuche ergaben, dass diese Methode 
mit der Wasserstoffmethode völlig übereinstimmende Resultate ergab. 

Wollen wir mit dem oben beschriebenen Spirometer die Residualluft¬ 
bestimmungen ausführen, so bedarf es noch gewisser Modificationen, die 

1) Gad, 54. Naturforscher-Versammlung. Salzburg 1881. 

2) Pflüger, Pflüger’s Archiv. 1882. Bd. 29. S. 244. 

3) Kochs, Zeitschr. f. klin. Med. 1884. Bd. 7. S. 487. 

4) Davy, cit. nach Boruttau. Handbuch d. Physiologie. Braunsohweig 1905. 
Bd. 1. S. 19. 

5) Grehant, Journ. de l’anatom. et de la phys. 1864. T. 1. p. 527. 

6) Herrmann und Berenstein, Pflüger’s Archiv. 1891. Bd. 50. S. 363. 

7) Allen und Pepys, Physiol. transact. London 1809. p. 404. 

8) Durig, Centralbl. f. Physiol. 1903. Bd. 17. S. 248. 


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ich daran angebracht habe. Wir können nämlich die Residualluft so be¬ 
stimmen, dass wir zu einem bekannten Luftvoluraen Wasserstoff oder 
Sauerstoff mischen und nach einer forcirten Exspiration in das Spirometer 
athmen lassen. Die procentischen Veränderungen der Zusammensetzung 
des respirirten Gases zeigt uns dann das Residualvolumen an. Die 
Residualluftbestimmung kann auf die angedeutete Weise mittels der so¬ 
genannten Sauerstoff- oder Wasserstoffmethode mit gleich gutem Resultat 
angewendet werden. 

Die Sauerstoffmethode wird ausgeführt, indem in den Spirometer, 
der mit Luft gefüllt ist, Sauerstoff zugeleitet wird, wodurch nicht 80 pCt. 
Stickstoff in dem Spirometergase enthalten sind, wie es bei der Füllung 
mit gewöhnlicher Luft der Fall ist, sondern entsprechend weniger. Die 
Ableitung der Berechnungsformel ist dann folgende: 

In der Lunge befinden sich als Residualluft x ccm Luft mit einem 
N-Gehalt von 80 pCt. Im Spirometer sind v ccm Gas mit Na pCt. 
Stickstoff. Wenn wir jetzt in den Spirometer nach einer angestrengtesten 
Ausathmung athmen lassen, so findet $ich im Spirometer und in der Lunge 

= v x Na -{- 80 x. 

Nach der Athraung findet sich im Spirometer Nn pCt. Stickstoff, also: 
v x Na + 80 x = (v -f- x) Nn 
v Na -f- 80 = Nn v + Nn x 
80 x — Nn x = Nn v — Na v; daraus 

Residualluft x = . 

Die Ueberlegung, wenn wir die Residualluft mittels Wasserstoff be¬ 
stimmen wollen, ist noch einfacher. Wir bestimmen nach Zuleitung von 
Wasserstoff in dem mit Luft gefüllten Spirometer den procentischen 
Wasserstoffgehalt. Die absolute Menge Wasserstoff erhalten wir, wenn 
wir das Volumen der in dem Spirometer enthaltenen Luft kennen. Die 
Versuchsperson atbmet nach maximaler Exspiration in das Spirometer so 
lange ein und aus, bis wir sicher sind, dass die Spirometerluft mit der 
in den Lungen befindlichen Luft durchgemischt ist. Nach vielfachen 
Versuchen ist festgestellt, dass durch 4 bis 8 Athemzüge sich die Lungen¬ 
luft mit der Spirometerluft gleichmässig mischt. Nach beendetem Ver¬ 
suche stellen wir wiederum den procentischen Gehalt der Spirometerluft 
an Wasserstoff fest. Wir erfahren also durch diese zwei Analysen, um 
wieviel der zugeleitete Wasserstoffgehalt der Spirometerluft während der 
Respiration procentisch abgenommen hat, oder mit anderen Worten, wieviel 
Wasserstoff in den Lungen, d. h. in der Residualluft aufgenommen wurde. 
Aus diesen Daten berechnet sich die Residualluft nach folgender Gleichung: 

x : 100 = v : p 
x — 100 v 

— P 

wobei v die absolute Differenz der Wasserstoffmenge vor und nach der 
Athraung bedeutet; p die procentische Wasserstoffmenge in der Spirometer¬ 
luft nach dem Versuch ist. Wenn wir diese gefundene Gasmenge nach 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. j 3 


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den bereits geschilderten Gesichtspunkten mit Hilfe der bekannten Tempe¬ 
ratur- und Luftdruckangaben reduciren, so erhalten wir die wirkliche 
Menge der Residualluft. Die vom Blute aufgenommene Wasserstoffmenge 
ist füglich zu vernachlässigen. Wir arbeiten meistens mit einem Wasser- 
stoflfgehalt von 12 bis 15 pCt., so dass bei einer Versuchsdauer von 
J / 2 Minute ungefähr 6 bis 8 ccm Wasserstoff durch das Blut aufgenommen 
werden kann, das ist eine Menge, die für unsere Feststellungen nicht in 
Betracht kommt. 

Die Analyse des Wasserstoffes wird durch Verbrennung ausge¬ 
führt. Wir gebrauchen dazu ein an den Haldane’schen Analysen¬ 
apparat angeschlossenes Verbrennungsgefäss von der hier abgebildeten 
Form. 

Die Capillare l wird mit dem Gasanalysenapparat verbunden. Durch 
die entsprechende Stellung des Dreiwegehahnes » kann die Communication 



zwischen dem Gasmessrohr und dem Grisoumeter hergestellt oder mit der 
Aussenluft verbunden werden. Das cylindrische Gasgefäss u wird von 
unten mit einer Glaskappe verschlossen, welche mit einem breiten Schliff 
sich luftdicht an den cylindrischen Theil anpasst. In die Glaskappe s 
sind zwei Platinelektroden e eingeschmolzen. Die Elektroden sind mit 
einer feinen 0,1 mm dicken Platinspirale p verbunden und reichen fast 
bis zum capillaren oberen Ende des cylindrischen Gefässes. Ausserdem 
besitzt s noch eine Communicationsröhre, mit welcher sie mit dem Druck- 
gefäss r in Verbindung steht. Das Cylindergefäss u besitzt eine ca. 2 ccm 
fassende kugelige Erweiterung o, und trägt an der Capillare zwischen 
o und u die Marke t. Diese Vorrichtung dient zur Verringerung der 
Explosionsgefahr bei Wasserstoffanalysen. Wenn nämlich das Gasgemisch 
über 15 pCt. Wasserstoff enthält, so kann es leicht passiren, dass das 
Analysengefäss bei der Verbrennung des Gases durch die Explosion zer- 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


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schlagen wird. Wir leiten bei der Analyse das Gas von der Messbürette 
durch Heben des Quecksilberdruckgefässes in den mit von r aus bis zur 
Marke t gefüllten Grisoumeter. Wenn wir vorsichtig das. Gas nur so 
lange überleiten, bis die Spirale frei von Wasser ist, so wird sich zunächst 
das zu analysirende Gas mit der in den Capillaren und iij der Kugel o 
befindlichen Luft vermischen, wodurch selbst ein hoher H 2 Procentgehalt 
herunter gedrückt wird. Dadurch erreichen wir, dass auch Gase von 
mehr als 15 pCt. Wasserstoff analysirt werden können und dass die 
Explosionsgefahr vermindert wird. Die nachgetriebenen Gasmengen werden 
immer durch das, durch Verbrennung wasserstollfrei gemachte Gas ver¬ 
dünnt. Indem die Spirale vor der capillaren Mündung steht, so muss 
das hin- und hergetriebene Gas stets die glühende Spirale passiren und 
der Wasserstoff muss mit dem in der Luft befindlichen Sauerstoff zu 
Wasser verbrennen. 

Wie aus dieser Beschreibung ersichtlich, ist zur Feststellung der 
Residualluft die genaue Kenntniss des Spirometerinhalts nöthig. Wir 
müssen also auch die Grösse des schädlichen Raumes, welcher auf der 
Aichungstafel nicht angezeigt ist, kennen. Die Volumbestimmung des 
schädlichen Raumes kann auf dieselbe Weise ausgeführt werden, wie 
die Residualluftbestimmung. Wir leiten eine abgemessene Menge Wasser¬ 
stoff in den mit Luft gefüllten Spirometer und untersuchen dann das 
Gasgemisch auf seinen Wasserstoffgehalt. Aus diesen Daten lässt sich 
dann der absolute Luftgehalt resp. der schädliche Raum des Spirometers 
leicht berechnen. 

Die grosse Schwierigkeit, bei zugeleiteten Gasen eine richtige Ana¬ 
lyse zu bekommen, liegt darin, dass sich das zugeleitete Gas nur sehr 
schwer mit der ira Spirometer befindlichen Luft gleichmässig vermischt. 
An dieser Schwierigkeit leiden die meisten Spirometer, die zur Residual¬ 
luftbestimmung benutzt werden. Um nun eine gleichmässige Mischung 
des Spiroraeterinhaltes durchführen zu können, habe ich einen Gummi¬ 
sack g an den Spirometer angebracht, der durch eine Capillare mit dem 
Spirometerinneren communicirt und mittels des Hahnes h verschliessbar 
ist. Erst wird das Gas und dann die Spirometerluft durch die Capillare^' 
in den Gummisack gedrückt. Nachdem die Luft einige Male in den 
Sack gepresst und wieder in den Spirometer gesaugt worden ist, ist die 
Mischung eine vollkommene. Um eine Gasdiffusion durch den Gurarai- 
sack zu vermeiden, ist der Sack mit etwas Paraffinöl beschickt. Diese 
einfache Ergänzung und Modification behebt Fehler, die bei einer anderen 
Apparatur nur sehr schwierig zu vermeiden sind. 

Als Beispiel der vollkommenen Berechnung einer functioneilen Respi¬ 
rationsprüfung diene folgende Annahme: 

Die Analyse des Spirometergases vor der Residualluftbestimmung 
ergiebt 14 pCt. H 2 . 

Der Spirometer enthielt sammt dem schädlichen Raum 4870 ccm 
bei 13,5° C und 7590 mm Hg Barometerstand. Nach der Respiration 
im Spirometer war der procentische Wasserstoffgehalt ^auf 11,2 pCt. ge¬ 
sunken. Es war also vor der Athmung 678 ccm und nach der Atbmung 

13* 


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545 ccm H 2 im Spirometer enthalten. Die Differenz beträgt also 133 ccm H 2 . 

100 138 

Dementsprechend war die Residualluft =—-j—— = 1190 ccm, davon 

ist zu subtrahiren das Volum des Zuleitungsschlauches von 100 ccm, somit 
war die Residualluft 1090 ccm bei den angegebenen Druck- und Temperatur¬ 
verhältnissen. Wollen wir dieses Volumen für die Körpertemperatur be¬ 
rechnen, so setzen wir diese Zahl in die früher angegebene Formel: 

1090 (757 - 11,7) (37- 13,5) (1 + a) __ 124g ccm 
159 — 50 

Die Reserveluft von 1460 und die Complementärluft ebenfalls in 
dieser Weise umgerechnet ergiebt 1670 ccm bezw. 2085 ccm bei 759 mm 
Hg Druck und 37°. 

Die Vitalcapacität war also 1672 + 2085 = 3757; die Total- 
capacität, d. h. die Summe von Residual-, Complementär- und Reserve¬ 
luft war 5005 ccm, und die Mittelcapacität, d. h. die Summe von 
Residual- und Reserveluft war 2920 ccm. 

III. Der Ventilationscoefflcient. 

Der Ventilationscoefflcient zeigt uns die Zahl der Athemzüge an, 
durch welche das gesammte, in den Lungen befindliche Luftvolumen 
erneuert wird. Wir erhalten also den Ventilationscoefficienten, wenn wir 
die Mittelcapacität mit dem Respirationsvolumen dividiren. Wir können 
als Mittelwerth der Mittelcapacität 3000 ccm annehmen, und für die 
mittlere Atheratiefe 500 ccm: daraus resultirt dann als mittlerer Venti- 
lationscoefficient die Zahl 6, d. h. es wird sich die Lungenluft mit sechs 
Athemzügen erneuern. 

Dieser Coefficient ist nicht ganz richtig, denn thatsächlich werden 
mehr Athemzüge nöthig sein, um die Lungenluft zu erneuern, zumal der 
schädliche Raum der Luftwege nicht mit in Berechnung gezogen ist. Da 
aber der schädliche Raum eine constante Grösse ist, so können wir diese 
Zahl vernachlässigen, denn es kann dies unsere Betrachtung nicht beein¬ 
flussen. Für andere Fragen, z. B. für Tensionsberechnungen, kann aber 
der erwähnte Umstand von grosser Wichtigkeit sein, und deshalb sei es 
zur Correctur vieler physiologischer Abhandlungen, welche auf diesen 
Umstand nicht Rücksicht nehmen, erwähnt. 

Es fragt sich, welche Bedeutung dem Ventilationscoefficienten für 
die Beurtheilung der respiratorischen Verhältnisse zukommt* Functionell 
müssen wir sagen, mit je geringerem Stoffverbrauch und je kräftigerer 
Arbeit der Organismus arbeitet, um so günstiger ist die Leistung. Dem 
Organismus stehen hauptsächlich zwei Wege zur Verfügung, um den 
Lungen das nöthige Quantum Sauerstoff zuzuführen: Einmal die tiefere 
Athmung, das andere Mal die Frequenz der Athemzüge, wobei die nöthige 
Luft in mehrere Portionen vertheilt, in die Lungen gelangt. Nun ist es 
klar, dass bei der Constanz des schädlichen Raumes, bei demselben 
Individuum die häufige Athmung nicht proportional die Tiefe der Athmung 
ersetzt, sondern es besteht bei der hohen Athemfrequenz eine Arbeits¬ 
verschwendung. Es sollen 10 Liter Luft mit 10 Athemzügen zugeführt 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


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werden, dann muss pro Athemzug, den schädlichen Raum zu 140 ccm 
angenommen, 1400 ccm, also 11 400 ccm geathmet werden; wenn da¬ 
gegen dasselbe Luftvolumen in 20 Athemzügen geliefert werden soll, so 
muss das betreffende Individuum 640.20 = 12 800 ccm Luft athmen. 
Aus diesen Darlegungen folgt also, dass je niedriger der Ventilations- 
coefficicnt ist, um so günstiger ist es ceteris paribus für die 
Arbeitsökonomie der Athmung. 

In der That sehen wir (s. Generaltabelle) bei unseren kräftigsten Ver¬ 
suchspersonen (1, 2, 3), die stark trainirte Menschen waren, den niedrigen 
Ventilationscoefficienten von 2,2, 2,5 und 3,2. Für die gesunden Fälle ist, wie 
wir sehen, die functionelle Bedeutung der niedrigen Ventilationscoefficienten 
klar. Wir finden aber diese niedrigen Werthe nicht nur bei Gesunden, 
sondern auch bei Kranken, und da ist die Erklärung nur an der Hand 
der einzelnen Fälle zu geben. So zeigt der Fall 4 den Coefficienten von 
2,1 bei einer nicht allzu hohen Respirationsfrequenz von 18. Der Fall 
betrifft einen 15 jährigen jungen Menschen mit vorgeschrittener Bronchi- 
ektasie. Im Allgemeinen sehen wir ja bei unseren Versuchspersonen, 
dass der niedrige Coefficient bei jugendlichen Individuen ganz besonders 
hervortritt, und es ist dafür ein diese Thatsache genügend erklärender 
Grund in der grösseren Lungenelasticität der jungen Leute zu finden. 
Selbst bei dem 15 jährigen Kranken mit einem, die eine Thoraxhälfte 
ganz ausfüllenden Empyem, wo also die ganze Respirationsarbeit mit 
einer Lunge bewältigt worden ist (No. 12), ist der Ventilationscoefficient 
nicht höher wie 2,9 und steigt sogar nach der Operation, also nach der 
Befreiung der comprimirten Lunge, kaum an (3,2). 

Im Allgemeinen zeigen die Bronchiektasien mit diehöchsten Ventilations¬ 
coefficienten, wie dies die Fälle 7 (10,0), 8 (7,8), 5 (5,9) etc. beweisen. 
Nicht so die an reinem Bronchialasthma leidenden Kranken. Hier sehen 
wir die niedrigsten Zahlen (Fall 10 = 2,3, Fall 4 = 2,1) als einen Aus¬ 
druck der ungeschädigten Elasticität des Lungenparenchyms. 

Für die niedrigen Werthe von 2,2 und 2,6 im Falle (No. 20) von 
Bechterew’scher Erkrankung müssen wir die Arbeitsökonomie, besonders 
des Zwerchfells, verantwortlich machen. Eben dieser Fall war es, bei 
welchem die Krankheit nicht nur die Steifheit der Wirbelsäule hervor¬ 
gerufen hatte, sondern sogar zu einer knöchernen Anchylose der Wirbel- 
Rippengelenke geführt hat. Die ganze Athmung wurde somit vom 
Zwerchfell besorgt, und wir sehen nicht nur in den niedrigen Ventilations¬ 
coefficienten, sondern auch in der sehr geringen Athmungsfrequenz den 
Ausdruck für eine, durch die Krankheit erforderte zweckmässige Sparsam¬ 
keit in der Arbeit des Diaphragmas. Wir können in dieser Beziehung 
den Fall (No. 22) mit fortschreitender Muskelatrophie bei der Frage des 
Ventilationscoefficienten nicht ohne Weiteres in Parallele stellen. Hier 
ist der Coefficient so zu sagen normal, denn er beträgt 4,9. Der Grund 
für diese Zahl liegt sicherlich nicht etwa in einer Verminderung der 
Lungenelasticität, sondern einfach in der musculären Schwäche. 

Wie sehr der Ausfall der Zwerchfellsbewegung als dehnende Kraft 
den Ventilationscoefficienten emporschnellen lässt, zeigt uns der Fall 26 
mit seiner einseitigen Diaphragmalähmung. Es findet sich hier der hohe 


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Werth von 9,2, allerdings bei einem 45jährigen Manne. Es mag wohl 
der Umstand mitspielen, dass der bedeutende Ausfall der einen Lungen¬ 
seite nicht durch sehr tiefe Athembewegungen der anderen Seite com- 
pensirt werden kann. Wenn nämlich die Compensation, so wie wir es 
bei dem erwähnten Patienten mit Empyem oder bei den untersuchten 
übrigen an Pleuritiden leidenden Menschen, die alle keinen Ventilations- 
coefficienten haben (Fall 17 = 3,1; Fall 14 = 6,2), sehen, dadurch er¬ 
folgt, dass die gesunde Lungenseite tiefer athmet, so erhöht diese tiefere 
Athmung den Donders’schen Druck, der aber bei der Diaphragmalähmung 
wegen der paradoxen Bewegung unzweckmässig wäre. 

Die Fälle 40 bis 55, also diejenigen, welche Kranke mit Herzmuskel¬ 
oder Herzklappenfehlern betreffen, zeigen Ventilationscoefficienten, die 
alle an der oberen Grenze der Norm liegen oder den Normalwerth 
übertreten. Es ist dies aus zwei Gesichtspunkten zu erklären. Das 
eine Mal ist durch die grössere Schwankung des Donders’schen Druckes 
der Rückfluss nach dem Herzen erleichtert, andererseits ist die Sparsam¬ 
keit der Organarbeit bei Herzkranken, als besonders zweckmässig, zu 
erwarten. 

Wenn wir auch nicht durchwegs in Fällen, wo aus irgend einer 
Ursache eine Hämoglobin Verarmung vorhanden war, einen hohen Ven¬ 
tilationscoefficienten nachweisen könnon, so zeigt doch die Mehrzahl 
dieser Patienten (31, 32, 33, 35), dass bei der bestehenden Hydrämie, 
mag sie bei secundärer Anämie oder bei Nephritis aufgetreten sein, die 
Beschleunigung der Circulation auf die Hülfe der Athmung nicht ver¬ 
zichten kann. Die Anämischen müssen nach meinen zahlreichen ander¬ 
weitigen Feststellungen ihre Circulationsdauer einschränken, um den 
Organismus mit dem nöthigen Sauerstoff versorgen zu können, und die 
Circulation wird, wie wir sehen, in diesem Bestreben durch die Athmung 
unterstützt. 


IV. Die Residnalluft. 

Welche Bedeutung der Residualluft im gesunden und kranken Menschen 
zukommt, ist bisher wenig discutirt worden. 

Der Begriff der Residualluft war schon den Physiologen des 19. Jahr¬ 
hunderts bekannt, und die ersten Bestimmungen reichen bis zu Godwyn 
(1786) zurück. Die Bezeichnung „Residualluft“ stammt von Hutchinson. 
Die Residualluft füllt bei Gesunden die nicht zusammendrückbaren offenen, 
starrwandigen Bronchien aus. Die Luftmenge, die vom Nasen- resp. 
Mundeingang bis zur Bifurcation der Bronchien vorhanden ist, wird im 
Allgemeinen als schädliche Luftmenge und der Raum als schäd¬ 
licher Raum bezeichnet. Anatomisch ist dieser Raum durch seinen 
Bau stets klaffend und durch keine musculäre Vorrichtung in nennens- 
werthem Maasse veränderlich. Daraus folgt, dass unter allen Umständen 
eine Residualluftmenge in den Lungen resp. den Luftwegen Zurückbleiben 
muss, die zum mindesten so gross ist, wie die schädliche Luftmenge. 
Nun sind aber die Bronchien bis zu einer Lumenweite von 1 mm mit 
Knorpel versehen und wenn auch die Ringform der Knorpel bei den 
Bronchien 4. Ordnung nicht mehr vorhanden ist, so ist unter normalen 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens eto. 


187 


Verhältnissen anzunehmen, dass auch die Plättchen der Bronchiolen einer 
völligen Compression Widerstand leisten werden. Es muss also in allen 
Bronchien eine gewisse Luftmenge Zurückbleiben, die den grössten An- 
theil der Residualluft bildet. Nach den Messungen von Jakobson 1 ) an 
Todten im Vergleich zu den von zahlreichen Forschern nunmehr vorlie¬ 
genden Messungen am Lebenden ist es wahrscheinlich, dass die Com- 
pressibilität durch den activen, lebendigen Exspirationsact eine viel voll¬ 
kommenere ist, als wir es an der Leichenlunge künstlich durch Nach¬ 
ahmung der tiefsten Exspiration ausführen können. Die an Lebenden 
und Gesunden angestellten Experimente deuten vielmehr darauf hin, dass 
die Luft aus den Lungenalveolen zum grössten Theil ausgepresst werden 
kann und dass nur diejenige Luftmenge, die eben die nicht compressi- 
blen Luftwege ausfüllt, in den Lungen als Residualluft zurückbleibt. Die 
alveoläre Wandspannung wird durch die active Compression des Brust¬ 
raumes auf ein Minimum sinken, der negative intrapulmonale Druck wird 
einem 30—40 mm Hg betragenden positiven Druck Platz machen, wobei, 
eine genügende Elasticität der Alveolen vorausgesetzt, diese sich voll¬ 
kommen entleeren. Damit das tiefste Lungenluftvolumen erreicht wird, wird 
es nicht nur auf die ausgiebige Exspirationsbewegung, sondern auch auf 
eine Elasticität des Lungenparenchyms ankommen, welche es befähigt, 
bei positivem intrapulmonalen Druck nach der absoluten Ruhelage zu¬ 
rückzukehren. Es wird also die Residualluft ceteris paribus der Ausdruck 
der Lungenelasticität sein. In der That finden wir bei den von Bohr 
untersuchten trainirten Gesunden die Residualluft zwischen 0,70 und 
1,50 Litern schwanken, wir können also im Durchschnitt die Residual- 
luft bei einer mittleren Körperhöhe von 175 cm auf rund 1000 ccm an¬ 
schlagen. Bedenken wir, dass bei dieser Körperhöhe der schädliche Raum 
allein 150 ccm beträgt, so müssen wir sagen, dass sich gewiss nur ein 
äusserst geringer Theil der Residualluft in den Alveolen befinden kann. 
Noch eclatanter als die Bohr’schen Fälle sind die von mir untersuchten 
Fälle 1, 2, 3, die ebenfalls sehr kräftige, sporttrainirte, jugendliche Militair- 
unterärzte betreffen. Bei dem einen (2) war die Residualluft als Mittel 
zahlreicher Untersuchungen 568 ccm und bei dem anderen (1) 578 ccm. 
Die von Berenstein 2 ) u. A. gefundenen Werthe sind ähnlich den 
Bohr’schen und meinen Befunden. Berenstein fand bei seinen Fällen 
als Minimum 0,56, als Maximum 1,25 Liter. Diese bei Gesunden ge¬ 
fundenen Werthe bestätigen unsere Annahme, dass das Residualvolumen 
sich nur auf die Füllung der grösseren Luftwege beschränkt. Wir wenden 
uns nun der Frage zu, wie sich die Residualluft unter physiologisch 
veränderten und unter pathologischen Verhältnissen verhält. 

Bohr fand, dass während und nach der Muskelarbeit die Mittel- 
capacität der Lunge höher ist, als in der Ruhe. Diese Untersuchungen 
sind durch einen Fehler getrübt, den ich hier richtigstellen möchte. Bohr 


1) Jakobson, Beiträge znr Frage nach dem Betrage der Residnalluft. Dissert. 
Königsberg 1887. 

2) Berenstein, Beitrag zur Bestimmung der Residualloft. Dorpat 1891. (Cit. 
nach Bohr.) 


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hat nämlich bei seinen Arbeitsversuchen nicht besonders die Residualluft 
bestimmt, sondern nur die Vitalcapacität und hat, um die Menge der 
Mittelcapacität festzustellen, die in der Lunge gefundene Menge der Re¬ 
sidualluft einfach zu der in der Arbeit festgestellten Reserveluftmenge 
hinzuaddirt. Meine Versuche zeigen, dass diese Art der Feststellung un¬ 
genau ist, weil sich während der Arbeit auch die Residualluftmenge 
ändert. Ich habe die Residualluft bei folgenden in der Tabelle No. 1 
zusammengestellten Fällen unter verschiedenen physiologischen Bedin¬ 
gungen untersucht: 

Tabelle 1. 


Fall No. 

Residual luft in ccm 

Ruhe 

Arbeit 

stehend 

liegend 

1 

578 

817 



2 

568 

795 

— 

— 

20 

— 

— 

530 

608 

29 

1697 

1640 

— 

— 

54 

689 

817 

— 

— 


Wir sehen, dass sich, mit Ausnahme des Falles 29, auf welchen ich 
gleich zu sprechen komme, bei allen Versuchspersonen nach der Arbeit 
die Residualluft vermehrt hat und zwar im Falle 1 um 41, im Fall 2 
um 40 und im Fall 53 um 19 pCt. Das sind wohl Aenderungen, die 
nicht zu vernachlässigen sind. Ich muss noch hierbei betonen, dass 
diese Aenderungen sicherlich nur Minimumwerthe darstellen, und zwar 
deshalb, weil einerseits die ersten 2 Fälle absolut gesunde, kräftige, 
sporttrainirte Leute waren, andererseits, und das sei hier besonders betont, 
athmeten die Versuchspersonen während der körperlichen Arbeit 
reinen Sauerstoff. Der Zweck der Sauerstoffathmung war, ein Experi- 
raentum crucis der Bohr’schen Versuche anzustellen. Bohr konnte 
nach seinen Experimenten nicht entscheiden, ob die Einstellung einer 
höheren Mittellage während der Arbeit eine bessere Durchblutung der 
Lunge bezweckt, oder aber dazu dient, die respiratorische Oberfläche zu 
vergrössern. Das Experiment wurde so ausgeführt, dass an das Spiro- 
raeterzuleitungsrohr dort, wo es bei entsprechender Hahnstellung mit der 
Aussenluft communiciren kann, ein mit reinem Sauerstoff gefüllter Sack 
angebracht war, dem noch ein Natronkalkturm vorgeschaltet wurde. An 
diesem Sack athmete das Versuchsindividuum. Sobald der Patient er¬ 
müdete, wurde der Hahn bei tiefster Exspiration nach dem Spirometer 
umgestellt und sofort im Anschluss oder während der Arbeit die Residual¬ 
luft bestimmt. Auf diese Weise konnte selbst bei unveränderter Athem- 
oberfläche (die Arbeit bestand aus Kniebeugen, wobei der Aufrechtstellung 
durch Niederdrücken an den Schultern Widerstand entgegengestellt wurde) 
kein Sauerstoffmangel entstehen. Wenn also bei dieser Versuchsanordnung 
die Residualluft zugenoramen hat, so spricht dies dafür, dass die 
höhere Residualluftfüllung der Lunge einen circulatorischen 
und keinen respiratorischen Reflex darstellt. Das Herz muss, 
um den Sauerstoffverbrauch des Körpers zu decken, kräftiger arbeiten, 
die Blutströmung ist eine viel geschwindere, der Donders’sche Druck kann 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


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keinen Moment entbehrt werden und die Residualluft nimmt deshalb zu. 
Auch Durig 1 ) hat in zwei Fällen gefunden, dass die Residualluft nach 
grossen körperlichen Anstrengungen ansteigt und sich eine Zeit lang auf 
einem höheren Niveau hält. Die Zahl der untersuchten Fälle reicht nicht 
aus, um diesen Satz verallgemeinern zu dürfen. Die Ruhewerthe der 
Residualluftmengen in den Durig’schen Versuchen lassen den Verdacht 
aussprechen, dass zu den Versuchen Individuen verwendet wurden, deren 
Lungenelasticität nicht mehr als normal anzusehen ist. In solchen Fällen 
ist es denkbar, dass das Lungenparenchym während der langen Arbeit 
(es handelt sich um Hochtouren) durch die reflectorisch erhöhte Mittellage 
bereits gedehnt war und seine ursprüngliche Ruhelage nur langsam zurück¬ 
gewinnt. Wir werden also diese Art der Lungenvergrösserung nicht mehr 
als reflectorische betrachten, sondern als einen Ausdruck pathologischer 
Veränderung der Lungenelastica. Wir fühlen uns zu dieser Annahme auf 
Grund unserer Untersuchungen berechtigt. Wir fanden, wie aus der 
Tabelle 2 ersichtlich, die Residualluft eine Stunde nach der Arbeit zur 
Norm zurückkehren. 


Tabelle 2. 


Versuch No. 

Residualluft in ccm 

in der Ruhe 

l Std. nach 
der Arbeit 

1 

2 

578 

590 

605 

568 


Die gefundenen geringen Differenzen sollen innerhalb der Fehler¬ 
grenzen liegen. Anders liegen die Verhältnisse ira Falle 29. Hier 
handelt es sich um eine hochgradige Polycythämie mit über 10 Millionen 
rothen Blutkörperchen. Wir fanden hier ebenfalls nach einer ermüdenden 
Arbeit, bei Sauerstoffeinathmung keine Steigerung, sondern im Gegentheil 
eine geringe Verminderung der Residualluft. Ich möchte dieser geringen 
Abweichung keine grössere Bedeutung zumessen. Wir können aber sicher 
annehmen, dass die Residualluft in diesem Falle, im Gegensatz zu den 
anderen Fällen, nicht zugenommen hat. Bemerkenswerther wird dieser 
Befund noch dadurch, dass auch die Pulsfrequenz keine Zunahme durch 
die Anstrengung erfuhr, sondern im Gegentheil von 92 auf 88 ab- 
genoramen hat. Es ist keine Frage, dass hier der Sauerstoffreichthum 
des Blutes ausgereicht hat (die Patientin hatte 30 Vol.-pCt. Sauerstoff- 
capacität mit meinem Kolbenkeilhäraometer gemessen) den vermehrten 
Sauerstoffverbrauch während der Arbeit ohne eine Vermehrung der circu- 
latorischen Factoren zu decken. Dieser Fall beweist also auch, dass, 
wenn keine circulatorische Mehrarbeit geleistet wird, die Residualluft 
nicht vergrössert wird. Alle diese angeführten Thatsachen 
sprechen dafür, dass die Vergrösserung der Residualluft einen 
circulatorischen und keinen ventilatorischen Hilfsfactor dar¬ 
stellt. Diese Annahme wird durch den Fall No. 53 ebenfalls unter¬ 
stützt. Die Arbeit erfolgte auch hier in Sauerstoffatmosphäre, und wir 

1) Durig, Centralbl. f. Physiol. 1903. Bd. 17. S. 206. 


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sehen, dass die Residualluft bei dem mit einer congenitalen Pulmonalis- 
insufficienz behafteten Individuum nach der Arbeit einen Zuwachs von 
ca. 20 pCt. erfahren hat. 

Im Anschluss an den Fall 20 möchte ich darauf hin weisen, dass 
die Untersuchungen Bohr’s bezüglich der Aenderung der respi¬ 
ratorischen Mittelcapacität bei verschiedenen Körperlagen, 
weder der Richtung nach, noch zahlenmässig stimmen. Er hat, 
genau so wie bei den diesbezüglichen Untersuchungen während körper¬ 
licher Anstrengung, nur aus der Aenderung der Reserveluft auf die Aenderung 
der Mittellage geschlossen, ohne dabei die Residualluft bestimmt zu haben. 
Nun sehen wir bei unserem Falle die Residualluft im Liegen um 15pCt. an- 
steigen und die Reserveluft von 800 auf 220 ccm sinken. Wir bekämen 
also ohne Berücksichtigung der Residualluftänderung das eine Mal eine 
Mittelcapacität von 1330 und das andere Mal 752 statt 830. Weitere Be¬ 
trachtungen möchte ich an diesen Fall nicht anknüpfen, da wir mit einem 
pathologischen Fall von Bechterew’scher Krankheit zu thun haben. Er¬ 
wähnen möchte ich hier nur, dass wir bei allen Fällen von Bechterew’schcr 
Krankheit eine geringere Residualluft gefunden haben. Es ist dies eines- 
theils mit der Lungenelasticität der jüngeren Individuen zu erklären, 
andererseits durch den Umstand, dass bei diesem Kranken der Thorax 
in tiefster Exspirationsstellung knöchern fixirt ist, und die sehr aus¬ 
giebigen Zwerchfellsbewegungen die Lungen so vollkommen comprimiren, 
dass nur ein sehr kleines Residualvoluraen in den Lungen zurückbleibt. 

Was die Residualluft bei den verschiedenen Krankheiten anbelangt, 
so lässt sich aus unseren Untersuchungen folgendes, manches Interessante 
enthaltendes, entnehmen. 

Wie ich schon Eingangs erwähnte, spielt bei der Grösse der Residual¬ 
luft das Alter eine grosse Rolle, und wir können aus unserer tabellarischen 
Zusammenstellung sehen (cf. Generaltabelle), dass ceteris paribus mit dem 
Alter die Residualluft proportional wächst. Es ist keine Frage, dass 
dies mit der, mit dem Alter zunehmenden Rigidität der Luftwege zu- 
saramenhängt, die selbst bei der forcirtesten Exspiration die Compression 
der starren Bronchien verhindert. Die chronischen Katarrhe der Bronchien, 
sowie die Bronchiektasien sind ähnlich zu beurtheilen und in der That finden 
sich unter unseren Zahlen die höchsten Residualluftwerthe bei den chro¬ 
nischen Bronchitikem und noch grössere bei den mit Emphysem Behafteten. 
Der 68 jährige Bronchiektatiker (No. 11) hat eine Residualluft von 2510; 
der 58 jährige ebenfalls Bronchiektatiker (No. 8) eine solche von 2111 und 
der jugendliche Fall No. 4 mit Bronchiektasie nur 871 ccm Residualluft. 

Bei den an Emphysem Leidenden trägt allerdings zu dem hohen 
Residualwerth noch die verminderte Elasticität der Lungenalveolen bei. 
In diese Kategorie gehören noch ausser den erwähnten die Fälle 5, 6, 7, 
mit 1987, 1408 und 1192 ccm Residualluft. Bei reinem Asthma 
bronchiale kann man demgegenüber keine Erhöhung der Residualluft 
finden, wie dies die Fälle 9 mit 1274 und 10 mit 930 ccm Residualluft zeigen. 

Bei starker Einschränkung der respiratorischen Oberfläche finden 
wir zwar eine Erhöhung der Residualluft, aber diese ist im Allgemeinen 
nicht so hoch, dass wir daran eine besondere Betrachtung anzuschliessen 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolnmens etc. 


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berechtigt wären. Dem gegenüber finden wir sehr hohe Werthe dort, wo 
die Athmung aus irgend einem Grunde gehindert ist. Diese Beobachtung 
besteht sowohl in den Fällen, wo die Thoraxbewegung gehemmt ist (mit 
Ausnahme von Bechterewkranken, wo der Thorax in Exspirationsstellung 
fixirt ist), wie in Fällen, bei welchen die Zwerchfellathmung unvollkommen 
wird. Der ßesidualluftzuwachs ist in den letzten Fällen noch bedeutender. 
Die Fälle 14 und 15 betreffen Pleuritiden mit hohem serösen Exsudat. 
Das Zwerchfell war an der kranken Seite gelähmt und wir finden dem¬ 
zufolge die Residualluft zu 1508 bezw. 1470 ccm erhöht. Eine einseitige 
Diaphragmalähmung hatte 1226 ccm (No. 26) und die Eventeratio 
diaphragmatica (Fall 25) 1828 ccm Residualluft. Zu derselben Gruppe 
gehören die Fälle 15, 28 und 40. Die ersten beiden litten an grossem 
Ascites und der Fall 40 war im achten Monat gravid. Bei allen 
diesen Patienten zeigt sich eine Erhöhung der Residualluft, wenn auch 
nicht absolut, so doch relativ, denn wir müssen z. B. bei der 22 Jahre 
alten und 153 cm grossen Graviden eine Residualluft von 1070 als 
wesentlich erhöht betrachten. Durch die progressive Muskelatrophie 
(in Fall 27) war auch die Athembewegung geschädigt und wir sehen 
bei diesem Kranken dementsprechend die Residualluft bis 1538 ccm an¬ 
gestiegen. 

Sehr lehrreich ist diesbezüglich der Fall 23. Es hat hier ein starrer, 
in extremer inspiratorischer Stellung fixirter Thorax bestanden. 
Die respiratorischen Excursionen des Thorax waren minimal, wie dies ja 
auch das Diagramm zeigt. In diesem Zustande untersucht, zeigt der 
Patient eine Residualluft von 1680 ccm. Nachdem bei dem Kranken 
die Rippen durchgeschnitten und der Thorax auf diese Weise wenigstens 
partiell mobilisirt wurde, sank das Restluftvolumen auf 1250 ccm. 

Anders, wie wir es bisher gethan haben, sind zu beurtheilen die 
durchwegs hohen Residualluftwerthe bei den Anämischen. Diese Kranken 
können keinen Moment die circulatorische Hilfe der grossen Lungenluft¬ 
füllung entbehren, denn das hämoglobinarme Blut ist in der Volumen¬ 
einheit nur abnorm geringe Sauerstoffmengen zu transportiren im Stande, 
und es muss bei den Anämischen die Concentrationserniedrigung des 
Hämoglobins durch die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit des Blutes 
compensirt werden. Das Herz hat also eine viel grössere Arbeit zu 
leisten wie in der Norm, und es muss zur Erleichterung der Circulation 
die Residualluft und damit die Mittellage erhöht werden. Alle unsere 
Fälle beweisen die Richtigkeit dieser Anschauung. Es hatten die Anä¬ 
mischen folgende Residualluftwerthe: 


Tabelle 3. 


Versuch No. 

Residualluft 

in ccm 

in pCt. der 
Totalcapacität 

in pCt. der 
Mittelcapacität 

31 

1737 

37,4 

46,2 

32 

1547 

39,6 

58,3 

33 

1248 

25,0 

43,0 

34 

1930 

36,6 

56,7 

35 

2210 

44,8 

75,9 


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Was die Herzkrankheiten betrifft, fanden wir die Werthe, die in 
Tabelle 4 angegeben sind. 


Tabelle 4. 


Versuch No. 

Residualluft 

in ccm 

in pCt. der 
Mittelcapacität 

in pCt. der 
Total capaci tat 

40 

1226 

85,0 

40,7 

41 

761 

46,1 

20,4 

42 

1941 

65,1 

50,5 

43 

2140 

81,7 

60,6 

44 

1634 

61,2 

34,3 

45 

2150 

63,1 

46,5 

46 

1286 

56,3 

37,0 

47 

2156 

73,0 

39,2 

48 

1250 

50,7 

41,8 

49 

1470 

71,4 

39,4 

50 

992 

49,6 

30,8 

51 

1528 

62,7 

31,8 

52 

1567 

49,0 

33,4 

53 

1180 

64,0 

32,4 

54 

689 

20,2 

11,1 

55 

2305 

61,1 

33,4 


Wie sehr die Herzschwäche zur Erhöhung der Residualluft beiträgt, 
zeigen die Fälle mit Myodegeneration des Herzens. Wir finden in diesen 
Fällen (Tab. 4) 1941 (No. 42), 2140 (No. 43) und 1634 (No. 44) ccm 
Residualluft. Die Klappenfehler gehören zwar auch in diese Kategorie, 
zeigen uns aber diese Gesetzmässigkeit in nicht so auffallender Weise, 
wie die Myocarditiden, weil bei den Klappenfehlern, besonders im Stadium 
der Corapensation, gar keine circulatorische Incompetenz zu bestehen 
braucht. Wir finden bei Mitralinsufficienzen 2150 (No. 45), 1286 (No. 46 
von 148 cm Körperhöhe!) und 2150 (No. 47) ccm. Der Fall mit Mitral- 
insufficienz + Stenose hatte 1250 und der mit Mitralstenose + Aortcn- 
insufficienz 1470 ccm Residualluft. Die Pulmonalstenosen (No. 52 u. 53) 
hatten 1567 resp. 1180, die Pulmonalinsufficienz fast den kleinsten Werth 
von 689, doch sei bemerkt, dass dieser Fall ein trainirter Turner war 
und von Seiten des Circulationssystems keinerlei functionellen Störungen 
Vorlagen. Die Diagnose wurde klinisch, röntgenologisch, elektro- 
cardiographisch und endlich mit meiner 1 ) gasanalytischen Methode Jest- 
gestellt. 

Einen der höchsten Werthe weist der Fall 55 mit 2305 ccm auf, der 
an einen Pulsus irregularis perpetuus litt, aber dabei kräftig war 
und seinen Militärdienst in der Zeit der Untersuchung, wenn auch schwer, 
aber doch zur leidlichen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten leistete. 

Für die ziemlich hohen Werthe, die ich bei den vier untersuchten 
Basedow-Kranken gefunden habe (1730, 1319, 1430, 2044), kann keine 
eindeutige Erklärung gegeben werden, es werden hier sicherlich nervöse 
und circulatorische Einwirkungen im Spiele sein. 


1) J. Plesoh, Eine neue Methode zur Diagnose congenitaler Vitien. Berliner 
klin. Wochenschr. 1908. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


193 


V. Die Reserveluft. 

Unter Reserveluft verstehen wir diejenige Luftmenge, die durch for- 
cirteste Exspiration ausgepresst werden kann. 

Die biologische Bedeutung der Reserveluft liegt einerseits darin, die 
Lungen in einer, der Respiration und Circulation günstigen Spannung zu 
halten, andererseits für die momentanen Schwankungen des Stoffwechsels 
eine Sauerstoffmenge von genügend hoher Tension in den Lungen vorräthig 
zu haben, um das Hämoglobin arteriell sättigen zu können und die pro- 
ducirte Kohlensäure auf eine so tiefe Tension zu verdünnen, dass die 
Kohlensäureabgabe aus dem Blute ungehindert vor sich gehen kann. Da 
aber alle diese Momente nicht ausschliesslich durch die Reserveluft be¬ 
dingt werden, sondern auch von der Residualluft, so wollen wir darauf 
näher nur bei der Besprechung der respiratorischen Mittellage eingehen 
und uns hier nur mit den Mengenvariationen unter verschiedenen physio¬ 
logischen Bedingungen und in pathologischen Fällen, soweit solche ge¬ 
sondert von der Mittellage zu besprechen sind, beschäftigen. 

Ein richtiges Bild über die Reserveluftverhältnisse werden wir, so 
wie bei den anderen Componenten der Lungenfüllung, nicht durch die 
Betrachtung der absoluten Zahlen bekommen, denn die Reserveluft ist 
mit keinem Factor der übrigen Körperfunctionen oder Eigenschaften pro¬ 
portional. So finden wir unter den von Bohr untersuchten gesunden 
Fällen bei annähernd gleicher Körpergrösse, bei gleich hohem Körper¬ 
gewicht, bei demselben Geschlecht und in demselben Alter, das eine Mal 
eine Reserveluftmenge von 3000 und das andere Mal von 1560 ccm. 
Wollen wir uns ein wahres Bild über die Reserveluftverhältnisse ver¬ 
schaffen, so müssen wir die Reserveluft im Verhältniss zu den anderen 
FüllungsVolumina der Lungen betrachten. Die Reserveluft ist einerseits 
in Beziehung zu bringen mit der Vitalcapacität, und das andere Mal mit 
der Totalcapacität. Wenn wir aus den von Bohr mitgetheilten dies¬ 
bezüglichen Befunden das Mittel ziehen, so ergiebt sich, dass die Reserve¬ 
luft beim Gesunden ca. 40 pCt. der Totalcapacität und 46 pCt. der Vital¬ 
capacität ausraacht. 

Unsere Krankheitsfälle weichen recht erheblich von der Norm ab. 
Durch Muskelarbeit sehen wir sowohl bei dem gesunden Menschen in 

Fall 2 den Quotienten von 35 auf 43 gesteigert, wohingegen 

in dem Fall von Polycythämie (No. 29) von 59,5 auf 53,4 gesunken. 
Aus den Bohr’schen Angaben berechnete ich bei seiner Versuchsperson VII 
ein Ansteigen des Antheils der Reserveluft an der Vitalcapacität von 54 
auf 60 pCt. und bei der Versuchsperson VIII ein Sinken von 45 auf 33. 
Bei der Versuchsperson II steigerte sich der Quotient von 41 nach einem 
Lauf auf 42 und nach einem zweiten Lauf sank er auf 33. Wir sehen 
also ein recht schwankendes Verhalten des Quotienten während oder nach 
der Arbeit, aber wir müssen auf Grund der Ueberlegungen, die wir ver¬ 
schiedentlich im Laufe dieser Abhandlungen schon gemacht haben und 
noch anstellen werden, als das Zweckmässige eine Steigerung des Quo¬ 
tienten während körperlicher Anstrengung betrachten, denn für die Circu- 


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lation ist die Erhöhung der Mittellage in der Arbeit erwünscht. Dem¬ 
entsprechend muss dann eben die Reserveluft auf Kosten der Complementär- 
luft zunehmen. Das Sinken des Quotienten kann ebenfalls als Compensation 
gedeutet werden in den Fällen von grosser Anstrengung, wie dies der 
citirte Fall II von Bohr zeigt. Hier ist das fortgesetzte Laufen für das 
Herz eine so grosse Arbeit gewesen, dass eine Entleerung der Lunge 
selbst für einen Moment nicht erfolgen konnte. Es wäre falsch, wenn 
wir aus der grossen Betheiligung der Reserveluft an der Vitalcapacität 
auf eine hohe Mittellage schliessen würden, denn es kann selbstverständlich 
bei einer hohen Mittellage die Reserveluft sehr klein sein. Dies weist 
dann aber auf eine Schwäche der Circulation hin, da selbst auf 
die Dauer des Spirometerversuches die Circulation keinen grösseren 
Widerstand ertragen kann. Wir finden in der That die niedrigsten Zahlen 
in Fällen mit hoher Mittelcapacität, also bei Patienten, die an einer 
relativen oder absoluten Schwäche des Herzens gelitten haben. So finden 
wir die Reserveluft zu 11,8 pCt. der Vitalcapacität in dem Fall No. 40: 
Stokes'sehen Kragen, bedingt durch eine Debilität des Herzens bei be¬ 
stehender Kyphoskoliose. Mit der Besserung nahm der Antheil der 
Reserveluft an der Vitalcapacität auf 30,1 pCt. zu. Bei dem Fall 28 
mit Ascites und Cirrhose der Leber sehen wir die Zahl 21,4. Die 
Herzkranken zeigen wohl mit geringen Ausnahmen durchwegs niedrige 
Werthe. Interessant ist der Befund bei den Nephritikern. Hier finden 
wir ebenfalls sehr niedrige Zahlen. Eine Erklärung hierfür können wir 
nicht geben, denn wir finden diese Verhältnisse sowohl bei den Fällen 
mit niedrigem, wie bei solchen mit sehr hohem Blutdruck. Grosse 
Reserveluftmengen finden wir bei Emphysematikern mit Bronchiektasien. 
Besonders zeichneten sich die Fälle 4, 5 und 7 mit 60,6, 47,7 und 54,8 pCt. 
darin aus. Die höchsten Werthe finden wir bei dem Fall 31 mit hoch¬ 
gradigster Anämie (71 pCt.) und beim Fall 48, wo eine Mitralinsuffi- 
cienz und Stenose bestand (69,4 pCt.). 

Viel deutlicher wird die functionelle Bedeutung der Reserveluft wider¬ 
gespiegelt in den Zahlen, die uns zeigen, wie gross der procentische An¬ 
theil der Reserveluft an der Totalcapacität ist. 

Bei der Arbeit sehen wir auch hier den Werth in einem Fall von 
31,9 auf 37,9 steigen, auch hier finden wir den niedrigsten Werth von 
6,8 pCt. statt 40 pCt. der Norm bei dem Fall 38. Deutlicher aber präsen- 
tiren sich hier die niedrigen Werthe und wir können den früher ausge¬ 
sprochenen Satz bestätigt finden, dass ceteris paribus ein kleines Reserve¬ 
volumen auf einen circulatorischen Defect hinweist. 

Die Tabelle No. 5, die die Befunde bei Herzkranken enthält, beweist 
uns zur Evidenz, dass bei den Herzerkrankungen im weiteren Sinne des 
Wortes die Entleerung der Lungen erschwert ist, denn wir finden diese 
niedrigen Zahlen bei hohen Werthen der Residualluft. Bei den Bron- 
chitikern und den Emphysematikern sind die Verhältnisse ähnlich; der 
Grund hierfür ist ebenfalls, wie wir dies später noch des Näheren be¬ 
sprechen werden, in circulatorischen, aber auch respiratorischen Momenten 
zu suchen. 


Gougle 


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Die pathologische Physiologie des Lungenrolumons etc. 195 


Tabelle 5. 


Versuch No. 

Reserveluft 

in ccm 

in pCt. der 
Totalcapacität 

in pCt. der 
Vitalcapacität 

40 

228 

6,8 

11,8 

41 

890 

23,8 

30,1 

42 

1041 

27,2 

54,8 

43 

480 

13,6 

34,6 

44 

1032 

21,7 

33,6 

45 

1250 

27,4 

40,6 

46 

990 

28,5 

45,7 

47 

795 

14,2 

23,2 

48 

1210 

40,3 

69,4 

49 

590 

15,9 

26,6 

50 

987 

31,5 

45,1 

51 

907 

18,9 

27,8 

52 

1628 

34,5 

52,1 

53 

1090 

29,5 

43,4 

54 

2701 

43,4 

49,1 

55 

1816 

25,8 

39,0 


Wie sehr die Entleerung der Lunge durch mechanische Momente be¬ 
einflusst werden kann, beweisen die Fälle 12 und 23. Im ersteren be¬ 
stand ein Emphysem und die Reserveluft betrug 18,7 pCt.; nachdem das 
Emphysem operirt wurde, fanden wir 25 pCt. Im Fall No. 23 war vor 
der Operation des starren Thorax die Reserveluft 27,7 pCt. und nach der 
Mobilisirung des Brustkorbes hob sich der procentische Antheil der 
Reserveluft an der Totalcapacität bis zu 44,3 pCt. 


VI. Die Complementärluft. 

Die biologische und functionelle Bedeutung der Complementärluft 
kann unabhängiger von den übrigen Füllungcomponenten der Lunge be¬ 
handelt werden. Unter Complementärluft wird schlechthin diejenige 
Luftmenge bezeichnet, die bei normaler Athemstellung durch angestrengte 
Inspiration noch eingeathmet werden kann. Die Lunge wird also durch 
die Complementärluft ad maximum gedehnt resp. gefüllt. Wir können 
sagen, dass je grösser die complementäre Luftmenge, um so grösser ist 
bei sonst gleichen Bedingungen die Dehnbarkeit der Lunge, um so aus¬ 
giebiger ist die inspiratorische Bewegung des Thorax. Wir haben dem¬ 
nach in der complementären Luft ein directes Maass für die jeweilig 
vorhandene Accommodationsbreite der Lunge. Es ist klar, dass je grösser 
die Dehnbarkeitsreserven der Lungen sind, um so günstiger ist dies für 
die Leistungsfähigkeit des Körpers zu beurtheilen. Wir werden also 
grosse Complementärluftzahlen als functionell günstig an- 
sehen, kleine Zahlen für eine Einschränkung der An¬ 
passungsfähigkeit d. h. für eine functionelle Minderwertig¬ 
keit halten. 

Als normale Grösse der Complementärluft ist bei Heranziehung der 
von Bohr für Gesunde festgestellten Werthe die Mittelzahl von 2740 ccm 
anzusehen, allerdings bei einer mittleren Körpergrösse von 174 cm. Im 


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Allgemeinen können wir es für normal halten, wenn die Complementär- 
luft 50 pCt. der Totalcapacität beträgt. 

Dass die Complementärluft eine Reserve für den Organismus dar¬ 
stellt, wird durch den Arbeitsversuch bewiesen, wir sehen in diesen 
Versuchen, dass sowohl während, wie nach der Arbeit die Complementär¬ 
luft abnimmt, und dies ist auch der Fall, wenn die Arbeit in Sauerstoff¬ 
atmosphäre geleistet wurde. In unserem Arbeitsversuche No. 2 sinkt 
die Complementärluft von dem Ruhewerth von 58,7 auf 49,5 pCt. der 
Totalcapacität. Das Steigen der Complementärluftmenge bei dem Falle 
von Polycythämie lässt auf eine eigenthümlich modificirte Compensation 
der Mehrarbeit des Herzens durch körperliche Anstrengung schliessen, 
aber wir wollen die Antwort auf diese Frage erst bei der Besprechung 
der Mittelcapacität zu geben versuchen. 

Wir sehen die Grösse der Complementärluft von der Dehnbarkeit 
der Lunge abhängen und so werden wir am Besten bei den Fällen von 
Bronchiektasie mit Emphysem dieselbe beurtheilen können. Wir finden 
in der Tabelle No. 6, die eine Zusammenstellung der Emphysemfälle 
enthält, Werthe, die bis zur Hälfte der normalen Zahlen reducirt sind. 


Tabelle 6. 



Complementärluft 

Versuch No. 

in ccm 

in pCt. der 
Totalcapacität 

4 

454 

26,6 

5 

624 

23,9 

6 

1282 

29,7 

7 

1362 

32,5 

8 

1930 

35,8 

11 

1712 

32,6 


Beim reinen Bronchialasthma liegen die Werthe höher, sic be¬ 
tragen in unseren Fällen No. 9 und 10 44,2 resp. 37,8 pCt. 

Wird die eine Lungenhälfte von der Athmung ausgeschaltet, wie 
dies bei dem Kranken No. 12, der an einem halbseitigen Empyem er¬ 
krankt war, der Fall ist, so bewältigt die gesunde Lunge den respirato¬ 
rischen Bedarf des Organismus und wir können als Folge dessen beob¬ 
achten, dass von der Complementärluft nur recht wenig übrig blieb, sie 
betrug nur 23,7 pCt. der Totalcapacität; nachdem das Empyem operirt 
worden, steigt die Complementärluft wieder bis zu dem Werthe von 
38,8 pCt. an. Auch in andren Fällen, bei welchen die eine Lunge an 
dem respiratorischen Geschäft nicht betheiligt war, sehen wir ähnliche 
Verhältnisse. Insbesondere zeigen dies die Kranken No. 14 und 17, die 
an einer hochstehenden, einseitigen Pleuritis exsudativa gelitten hatten. 
Die Complementärluft beträgt in diesen Fällen 28,8 und 20,9 pCt. der 
Totalcapacität. Analog verhalten sich die Fälle No. 15 und 16, bei 
denen das Lungenvolumen durch ausgebreitete Tumoren eingeschränkt 
wurde. Der Fall No. 15 hat eine Complementärluft von 32,7 pCt. der 
Totalcapacität und der Fall No. 16 nur 90 pCt. 

Die Fälle von Bechterew zeigen zwar geringere Zahlen als der 


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Die pathologische Physiologie des Lnngenvolumens etc. 


197 


Norm entspricht, aber die Differenz ist hier nicht so in die Augen 
fallend, wie bei den vorher besprochenen Kranken. Der Unterschied ist 
wohl auf die geringere thoracale Dehnbarkeit, die bei diesen Patienten 
durch die Verknöcherung der Rippenwirbelgelenke bedingt ist, zurückzu¬ 
führen. Interessant ist bei dem Fall No. 20 die Differenz, die zwischen 
der liegenden und der stehenden Stellung besteht. Im Stehen beträgt 
die Coroplementärluft 42,3 und im Liegen 37,8 pCt. Dieser Befund ist 
abnorm, denn es geht aus den Versuchen von Bohr hervor, dass bei 
Gesunden eben im Liegen die Complementärluft grösser wird. Wir 
können die Volumenänderungen der Lungen gerade auf Grund 
dieser Befunde nicht etwa, wie Bohr dies thut, auf die 
Function der Bauchmuskeln, sondern wohl auf die thoracale 
Starre beziehen. Wir haben gesehen, dass die Reserveluft beim Ge¬ 
sunden im Stehen grösser ist wie im Liegen, und zwar ist diese Differenz 
so gross, dass, trotzdem die Complementärluft im Liegen grösser wird, 
die Vitalcapacität doch kleiner ist im Liegen wie im Stehen. Wir neigen 
der Auffassung zu, dass im Liegen die Beweglichkeit der Rippenwirbel¬ 
gelenke, und damit die Ausbreitung des Brustkorbes gehindert ist, die 
Rippen in tiefer Exspirationsstellung eingestellt sind und dass das die 
Ursache der Verringerung der Reserveluft ist. Wenn durch forcirte 
Inspirationsbewegungen der Widerstand voll und ganz be¬ 
wältigt werden kann, dann erweitert sich der Brustkorb und 
die Complementärluft wächst an. Der fehlende Rest der Vital¬ 
capacität kann durch die unvollkommene Bauchmuskelwirkung im Liegen 
bedingt sein. Beim Bechterew fällt eben die Aendcrung der Complementär- 
und Reserveluft im Sinne des Gesagten auf das Conto der Bauch- resp. 
Zwerch fellathmung. 

Nach Mobilisirung des inspiratorisch starren Thorax im Falle 23 
trat eine Verringerung der Complementärluft ein. Während vor der 
Operation die Complementärluft 33,5 pCt. der Totalcapacität betragen 
hat, ist der procentische Antheil nach der Operation nur 25,8 pCt. Der 
Befund bei diesem Falle ist von besonderem klinischen Interesse, weil es 
nns doch darüber einen Aufschluss geben kann, ob eine Mobilisirung des 
Thorax bei einer sogen. Freund’schen Thoraxstarre von wirklich 
greifbarem Nutzen ist. Es sei hier bemerkt, dass bei der Operation nur 
die vorderen Rippenenden durchschnitten wurden. Es entstand dem zu 
Folge eine paradoxe Athembewegung des Thorax, indem er sich nicht 
exspiratorisch, sondern inspiratorisch einzog. Die Einziehung manifestirte 
sich selbstverständlich um so mehr, je tiefer der Patient geathmet hat. 
Da mit der Tiefe des Athemzuges der negative intrathoracale Druck 
zunimmt, so konnten die mpbilisirten Rippen der Druckdifferenz keinen 
Widerstand leisten und die Rippen zogen sich ein. Sei die respiratorische 
Mittellage bei diesen Fällen wie immer (wir kommen noch später darauf 
zurück), eines geht mit Gewissheit aus unseren Zahlen hervor, dass bei 
dieser Operation der Donders’sche Druck sich nur beschränkt wird ent¬ 
falten können, und mag auch die Operation für den Ruhezustand 
nützlich sein, die Compensationsbreite für die Arbeit ist da¬ 
durch eingeschränkt. Man könnte daraus folgern, dass, wenn eine 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd. 


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Mobilisirung der Rippen durchgeführt wird, diese an den hinteren 
Rippenenden zu erfolgen hätte. Der Effect wäre für die Beweglichkeit 
derselbe, und wir gewännen dadurch, dass die paradoxe Einziehung 
des Thorax schwerer zu Stande kommt, weil die Rippen erstens hinten 
weniger elastisch sind, zweitens, weil die musculäre Fixation der Rippen 
an ihrem hinteren Ende eine viel stärkere ist, als vorne. Ich würde 
mich auf Grund dieses einzigen Falles nicht auf so weitläufige Schluss¬ 
folgerungen* eingelassen haben, wenn nicht von anderer Seite her die¬ 
selben Befunde erhoben worden wären. So hat Strauch 1 ) bei seinen 
Fällen folgende in der Tabelle 7 enthaltenen Werthe gefunden. 


Tabelle 7. 


Versuch 

Alter 

Länge 

Gewicht 

Compleroentär- 

luft 

Reserveluft 

Vitalcapac. 

Residualluft 

Mittelcapac. 

Total capac. 

Mitteleap.inpCt. 
d. Totalcapae. 

B C. 

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3 H . 

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No. 1. 

17 

184 

1 69,0 

1,86 

1,21 

3,07 

2,96 

4,17 

6,03 

69,2 

49,1 

No. 2 (7 Mon. post oper.) . 

51 

170 

59,0 

1,41 

1,56 

! 2,97 

3,31 

4,87 

6,28 

77,4 

52,6 

No. 3 (ante oper.) . . . \ 

£7 


67 

1,69 

1,19 

2,88 

4,65 

5,84 

7,53 

77,7 

61,8 

No. 4 (8 Mon. post oper.) ) 




1,31 

1,09 

2,40 

4,08 

5,17 

6,48 

1 79,6 

62,8 


Wir schon also, dass die Resultate der Freund’schcn 
Operation nur mit der grössten Reserve beurtheilt werden 
dürfen. 

Die Fälle von progressiver Muskelatrophie, Eventeratio 
diaphragmatica, Cirrhosis hepatis und Diaphragraalähmung 
zeigen bezüglich der Complementärluft keine Besonderheiten, sie haben 
alle eine normale oder etwas geringere Grösse. 

Was die Anämischen betrifft, so sind die Befunde sehr variabel, 
sie schwanken zwischen 17,8 und 41,7 pCt. Der Mittelwerth unserer 
Fälle 30—35 beträgt 32,9, also einen Werth, der ca. um ein Drittel 
niedriger als der Normalwerth ist. Bei der Nephritis scheint keine 
Abweichung von der Norm der Complementärluft zu bestehen, wir finden 
nämlich Werthe von 37,5, 43,6, 40,7, 56,4 pCt. 

Bei der Myocarditis sehen wir in den schweren Fällen mit grosser 
Dyspnoe die Complementärluft auf 22,3 (No. 42) resp. 25,8 (No. 43) ge¬ 
sunken. Bei dem Fall von Myocarditis mit grosser Stauung und Kypho¬ 
skoliose ist die Menge sowohl während der Decompensation, wie nach 
der Behebung derselben sogar übernormal gross, sie betrug 52,5 resp. 
55,8 pCt. Die Deutung dieses Befundes ist recht schwierig. Am nächst¬ 
liegendsten ist hierfür die Kyphoskoliose heranzuziehen. Für die Mehr¬ 
zahl der Herzkranken wird jedenfalls die Complementärluft recht tief 
stehen, das zeigt uns schon der bei Asthma cardiale in tiefster Inspirations¬ 
stellung fixirte Thorax. Analog liegen die Verhältnisse bei Herzklappen¬ 
fehlern. Mit Ausnahme der Fälle 47 (46,6 pCt.), 49 (44,7 pCt.) und 51 
(49,3 pCt.) ist die Complementärluft bei allen tief und wir können wohl 


1) Strauch, Therapie der Gegenwart. October 1909. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


199 


sagen, dass mit der Schwere des Herzfehlers proportional die Complementär- 
luft abnirarat. Bei den Basedow-Kranken finden wir wechselnde, 
zwischen 28 und 37 pCt. liegende Werthe, dieselben können deshalb 
keine besondere pathologische Bedeutung haben. 

VII. Die Totalcapacität. 

Unter Totalcapacität verstehen wir diejenige Luftmenge, die uns 
anzeigt, wie viel Luft die Lungen bei tiefster Inspiration in sich auf¬ 
nehmen können. 

Eine grössere Bedeutung kommt der Totalcapacität sicherlich nicht 
zu. Die Grösse des Thorax ist etwas fix Gegebenes, welche durch 
Krankheit, Accommodation etc. nach beendeter Entwickelung kaum eine 
nennenswerthe Vergrösserung erleiden kann. Es wird selbstverständlich 
Fälle geben, bei denen durch Uebung das Totalvolumen der Lungen zu- 
genoramen hat, doch müssen wir von diesen Individuen absehen, da es 
sich hier um einen speciellen Training der Athmungsmusculatur handelt. 
Wie leicht durch Uebung das Totalvolumen um einige hundert Cubik- 
centimetcr vergrössert werden kann, ist seit der Erfindung des Spirometers 
von Hutchinson allen Forschern, die Vitalcapacitätsbestimmungen aus¬ 
geführt haben, bekannt. Das Totalvolumen kann uns nur über die Grösse 
und ev. Constitution des Patienten Aufschluss geben. Bei pathologischen 
Veränderungen kann die Lungencapacität kleiner, aber kaum grösser 
werden. Das Kleinerwerden können wir beobachten in Fällen, in welchen 
die respirirende Oberfläche durch ausgebreitete Entzündung (Pneumonie) 
oder Destruction wesentlich verringert ist, dann in Fällen, bei denen die 
Lungen comprimirt sind (Sero-Pyo-Pneumothorax) oder wo die Respirations¬ 
muskel gelähmt sind. Eine Vergrösserung des Totalvoluraens ist dagegen 
nur in sehr beschränktem Maasse zu erwarten. Bei dem in starrer 
Inspirationsstellung fixirten Thorax ist das Totalvolumcn auch nicht 
grösser als bei einem trainirten Gesunden, denn selbst solche Kranke 
haben noch eine complementäre respiratorische Bewegung, und es liegt 
deshalb gar kein Grund vor, dass diese Personen ihr Totalvolumen ver- 
grössern. 

Wenn wir also hier auf das Totalvolumen näher eingehen, geschieht 
dies lediglich aus physiologischem Interesse. In der Pathologie ist dieses 
Maass sicher zu entbehren. 

In der Tabelle No. 8 ist unser Versuchsmaterial nach der Grösse 
des Totalvolumens geordnet. Wir wollen an der Hand dieser Tabelle 
versuchen festzustellen, ob eine Abhängigkeit zwischen dem Totalvolumen 
und anderen Individualconstanten des Körpers bestehen. Diejenigen 
Fälle, die in der Tabelle mit einem Kreuzchen versehen sind, sind bei 
den einzelnen Betrachtungen auszuschliessen, da bei diesen Kranken, 
durch die bei ihnen bestehende pathologische Veränderung die Lungen 
in ihrer totalen Entfaltung behindert wurden. 

Was das Alter anlangt, so können wir im Allgemeinen sehen, dass 
zwischen 20—30 Jahren die Lungenvolumina die grössten sind. Dies 
ist aber durchaus nicht immer der Fall, denn wir sehen z. B. bei dem 
22 jährigen gesunden Versuchsindividuum No. 1 ein Totalvolumen von 

14* 


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Jobann Piosch, 

Tabelle 8 . 

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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


201 


Capacität der Lungen zu haben, Wenn wir auch in den ersten Reihen 
recht hohe Körpergewichte verzeichnet sehen, die den Körperhöhen durch¬ 
aus proportional sind, so finden wir doch in den unteren Reihen Gewichte 
verzeichnet — ganz abgesehen von den hydropischen Patienten — die 
sogar theilweise diejenigen übertreffen, die das grösste Totalvolumen auf¬ 
weisen. 

Eine auffallende Gesetzmässigkeit zeigt die Relation zwischen Körper¬ 
grösse und Totalcapacität. Je höher das Individuum, umso grösser ist 
das Luftquantum, welches von den Lungen aufgenommen werden kann. 
Es ist selbstverständlich, dass die Tabelle Fälle enthält, bei welchen 
diese Gesetzmässigkeit nicht nachweisbar ist, aber diese Fälle zeigten 
alle Veränderungen, die eine vollkommene Füllung der Lungen unmöglich 
machten, und wir müssen annehmen, dass die Zahlen nicht den maxi¬ 
malen Füllungsgrad der Lungen darstellen. Noch eclatanter wird der 
Zusammenhang, wenn wir die Totalcapacität im Verhältniss zur Distantia 
jugulo-pubica betrachten. Dieses Maass ist für unsere Zwecke ent¬ 
sprechender, weil die Distanz zwischen dem Jugulum und dem Scham¬ 
bein die wirkliche Grösse des Rumpfes anzeigt im Gegensatz zu der 
Körperhöhe, die doch in sehr beträchtlichem Maasse von der Länge der 
Beine abhängig ist. Die Distantia jugulo-pubica verhält sich zur Körper¬ 
grösse in der Norm wie 1:3. Eine absolute Proportionalität können 
wir selbstverständlich auch hier nicht erwarten, aber wir sehen doch 
ganz deutlich, dass, je grösser die Körperhöhe bezw. je grösser die 
Distantia jugulo-pubica ist, umso grösser ist die Totalcapacität der 
Lungen. Die Länge der Brustwirbelsäule, sowie die Länge des Sternums 
könnte auch ein Maass für die Grösse des Thorax abgeben. Diese Werthe 
enthält die Tabelle ebenfalls. Auch hier können wir sagen, dass eine 
gewisse Proportionalität zwischen der Länge des Sternums bezw. der 
Brustwirbelsäule und dem Lungentotalvolumen besteht. 

Der TaillenumfaDg und der Lennhoffindex ist für unsere Frage nicht 
von Belang. Fettleibigkeit, Ascites etc. beeinflussen den Taillenumfang, 
und wir können nur bei normal gebauten und genährten Menschen aus 
dem Lennhoffindex einen Schluss ziehen. 

Im Grossen und Ganzen können wir sagen, dass die Körpermaasse 
keinen berechtigten Schluss auf das Totalvolumen der Lunge erlauben, 
wenn auch eine gewisse Abhängigkeit von Körpergrösse, Thoraxbreite, 
Rumpflänge und Brusthöhe besteht. 

Ich glaube, dass es berechtigt ist, aus den angeführten experimen¬ 
tellen Zahlen, um zu einem Normalmaass zu gelangen, die Mittelwerthe 
zu berechnen. Wir finden dann: 

Unter pathologischen Zuständen können wir — wie bereits gesagt — 
kaum eine Aenderung im Sinne einer Vergrösserung erwarten. 

Demgegenüber finden wir unter unseren Patienten eine beträchtliche 
Zahl, bei welchen das Totalvolumen kleiner erscheint. Wir können sagen, 
dass sämmtliche Zustände, die die Athmung auf irgend eine Weise 
hindern, auch das Totalvolumen verkleinern. So sehen wir z. B. im 
Fall 28 bei einer Körpergrösse von 178 cm nur eine Totalcapacität von 
4,8 Litern. Der Taillenumfang von 106 cm bei dem sonst mageren 


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Johann Plesch, 


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Lebercirrhotiker mag uns einen Begriff von der Ascitesmenge geben, 
die sich in der Bauchhöhle angesammelt hat. Ein grosser Ascites ist 
sicherlich ein grosses Athemhinderniss, denn es werden durch die ge¬ 
hemmten Diaphragraaexcursionen eben diejenigen Lungenpartien sich 
nicht entfalten können, die für das Lungenvolumen ausschlaggebend sind. 
— Genau so ist zu beurtheilen der Fall No. 26 mit einer einseitigen 
Diaphragmalähmung und der Fall 43 mit Höhlenhydrops bei Myocarditis 
(Taillen umfang 111 cm!). 

Sehr lehrreich ist der Fall No. 23, bei welchem ein typisches Bild 
der starren Dilatation des Thorax mit Emphysem vorlag. Das Total¬ 
volumen von 4330 ccm bei einer Körperlänge von 174 cm müssen wir 
als klein bezeichnen. Wir sehen also, dass selbst das chronische Volumen 
pulmonum auctum keine Vergrösserung, sondern eine Verringerung des 
Totalvolumens aufweist. Diese Verhältnisse finden wir auch bei den 
anderen angeführten Emphysemfällen. Ein weiteres Interesse gewinnt 
dieser Fall dadurch, dass nach der Mobilisirung der Rippen das Total¬ 
volumen nicht zunahm, sondern im Gegentheil, auf 4180 ccm sank. Ein 
weiterer Beweis dafür, dass durch die paradoxe Athmungsexcursion der 
freigemachten Rippenenden die Lungen sich noch schwerer entfalten 
können. 

Es ist selbstverständlich, dass in Fällen, wo Lungenpartien durch 
Destructionen ausgeschaltet sind, das Lungenvolumen abnimmt. Die 
Fälle 15 und 16 mit Lungentumor zeigen diese Verhältnisse genau so 
deutlich, wie die Fälle 18 und 17 von Tuberculose. Zu dieser Gruppe 
können wir auch die Fälle von Pleuritis (17) und Empyem (12) rechnen 
und es kann wohl berechtigt der Satz aufgestellt werden, dass die Ab¬ 
nahme der Totalcapacität ein Maass für die Grösse der aus¬ 
geschalteten Lungentheile abgiebt. 

VIII. Die Mittellage. 

Unter respiratorischer Mittellage verstehen wir diejenige Füllung der 
Lunge, die sich, genau ausgedrückt, aus der Residual- und Reserveluft 
und dem halben respiratorischen Volumen zusammensetzt. Es bildet also 
die Mittellage den mittleren Füllungsgrad der Lunge. Durch diese exacte 
Begriffsbestimmung erscheint die Mittellage von der respiratorischen Ex- 
cursionsänderung unbeeinflusst, im Gegensatz zu den bisherigen Defini¬ 
tionen, nach welchen die Mittellage aus der Residual- und Reserveluft 
bestehen soll (Bohr). Acceptirten wir diese Definition, so würde eine 
Mittellage bei jeder Aenderung des Respirationsvolumens sich schon 
ändern müssen, und wir würden bei der Berücksichtigung dieser Verhält¬ 
nisse einen Fehler begehen. Aus unseren ermittelten Daten wird sich 
also auch ohne Weiteres die Mittellage ergeben. 

Untersuchungen über die Mittellage liegen nicht viel vor. In neuester 
Zeit hat hauptsächlich Bohr die Aufmerksamkeit der Physiologen und 
Kliniker auf diesen Begriff gelenkt. Er untersuchte hauptsächlich die 
Aenderungen der Mittellage unter den verschiedensten physiologischen 
Bedingungen, im Stehen, Sitzen, Liegen, nach kurzer oder länger dauernder 
Arbeit, und bemühte sich, zu ermitteln, ob die Grössenänderungen der 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolamens etc. 


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Mittellage von der Circulation oder Respiration oder von beiden ausgelöst 
werden. Seine biologischen Versuche ergänzte er durch Versuche an 
Emphysematischen und kam zu dem Schluss, dass sowohl die Aende- 
rungen unter geänderten physiologischen Bedingungen, als auch beim 
chronischen substantiellen Emphysem einen zweckmässigen Reflex dar¬ 
stellen, durch den im normalen Organismus durch functioneile Inanspruch¬ 
nahme resp. bei den Kranken den Functionsstörungen entgegengewirkt 
wird. Wollen wir die Versuchsergebnisse prüfen resp. den Folgerungen 
Bohr’s nachgehen, so müssen wir zunächst die Fragen beantworten: ob 
die Mittellage ein Reflex ist, durch welche Bedingungen dieser Reflex 
ausgelöst wird, endlich welche Rolle der Mittellage in allgemeinen und 
in den compensatorischen Einrichtungen des Organismus zukommt. 

Nach unseren Untersuchungen müssen wir zu dem Schluss kommen, 
dass die Mittellage wirklich einen Reflex darstellt, an dessen Zweckmässig¬ 
keit unter physiologischen und den meisten pathologischen Bedingungen 
nicht zu zweifeln ist. Alle Functionen, die sich aus irgend einem Grunde 
ohne Beeinflussung des Willens ändern, können im breiteren Sinne des 
Wortes als Reflex aufgefasst werden. Nach Maassgabe des vorliegenden 
Materials ist es sichergestellt, dass die Mittellage keine constante, sondern 
eine sich den jeweiligen Ansprüchen anpassende variable Grösse darstellt, 
und dass in den Aenderungen eine gewisse Gesetzmässigkeit besteht; 
deshalb sind wir gezwungen, für die Einstellung der Mittellage einen Re¬ 
flexmechanismus verantwortlich zu machen. Da in der Biologie kaum 
ein unzweckmässiger Reflex bekannt ist, so können wir schon aus diesem 
Grunde a priori behaupten, dass wir es hier mit einem zweckmässigen 
Reflex zu thun haben. Dieser Schluss ist per analogiam gewonnen, und 
wir wollen auch inductiv die Richtigkeit dieses Satzes zu begründen 
suchen. Leider ist die Lehre von der Mittellage noch sehr jung, und 
wir werden Lücken in unserer Begründung offen lassen, die durch weitere 
Forschung ausgefüllt werden müssen. Wir werden aber auch sehen, dass 
die Frage der Arbeit lohnt, denn sie bildet das Verbindungsglied in der 
Kette der correlativen Functionen zwischen Circulation und Respiration. 

Um die Frage der Mittellage systematisch abhandeln zu können, 
müssen wir die physiologische Bedeutung derselben uns klar zu machen 
suchen. Die Lunge wird durch die mittlere Luftfüllung in einer gewissen 
constanten Spannung gehalten, welche das Aequivalent lür den Donders- 
schen Druck darstellt. Wäre keine Lungenfüllung da, so würde der 
Donders’sche Druck auf 0 herabsinken. Da wir die Bedeutung der 
intrathoracalen Druckdifferenz für die Circulation im Sinne von Donders 
erkannt haben, so sind wir gezwungen, in der Mittellage zunächst einen 
circulatorischen Hilfsfactor zu suchen. In .der That werden wir in den 
folgenden Ausführungen finden, dass sich die Mittellage dem circulato¬ 
rischen Bedarf anpasst. Wie jede physiologische Function durch das 
Zusammenwirken der anderen Organe unterstützt resp. bis zu einem ge¬ 
wissen Grade ersetzt werden kann, so wird auch die Mittellage nicht 
allein als Behelf für die Circulation in Betracht kommen, sondern nur 
einen circulatorischen Hilfsfactor darstellen. Die Zweckmässigkeit dieser 
Einrichtung werden wir besonders in pathologischen Fällen erfahren, in 


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Johann Plesoh, 


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welchen eben die Leistungsfähigkeit der Lunge herabgesetzt ist, oder wo 
die Lungen zunächst ihrer unersetzlichen Aufgabe der Sauerstoffaufnahme 
und Kohlensäureabgabe gerecht werden müssen und, dieser Aufgabe un¬ 
geachtet, ja sogar zum Schaden ihrer secundären circulatorischen Hilfs¬ 
aufgabe wird entsprechen müssen. Mit einem Worte, es würde zu grund¬ 
falschen Speculationen führen, wenn wir die Mittellage aus einem einzigen 
Gesichtspunkt betrachten würden. Es muss nachdrücklichst und wieder¬ 
holt darauf hingewiesen werden, dass wir die Mittellage, genau so wie 
andere Körperfunctionen, von einem umfassenderen Gesichtspunkte aus 
anzusehen gezwungen sind. 

Es erscheint als eine Luxusfunction des Organismus, dass die Mittel¬ 
lage nicht allein von der Residualluft gebildet wird, sondern dass noch 
ausserdem die Lungen von der Reserveluft gedehnt werden. Dem ist 
aber nicht so. Ich habe schon bei der Besprechung der Residualluft 
darauf hingewiesen, dass sich die gesunden Lungen bis auf einen ganz 
geringen Rest entleeren können, und dass die Residualluftmenge recht 
eigentlich nur diejenigen Wege füllt, die durch ihren anatomi¬ 
schen Bau nicht zu comprimiren sind. Da aber der Don de rs'sehe 
Druck nur durch die Bekämpfung des elastischen Widerstandes der Lunge 
aufrecht erhalten wird, muss noch eine Luftmenge in der Lunge vor¬ 
handen sein, um die Lungen in Spannung zu halten, so dass die er¬ 
wähnte scheinbare Luxusfunction durch diese Erklärung eine Bedeutung 
gewinnt. 

Es wäre falsch, wenn wir aus der Füllung der Lunge auf deren 
Spannung resp. auf die Höhe des Donders’schen Druckes scbliessen 
würden. Selbst bei demselben Individuum kann dieser Schluss nur mit 
einer gewissen Reserve gezogen werden. Es ist zu bedenken, dass die 
elastische Spannung nicht proportional verläuft, und es wird demgemäss 
einer bestimmten Volumenzunahme nicht eine entsprechende Spannung 
folgen. Hat die Elasticität des Lungenparenchyms abge¬ 
nommen, so wird natürlich einer grossen Lungenfüllung nur 
eine relativ kleine Druckdifferenz entsprechen. Die Grösse der 
Mittelcapacität allein kann uns also nicht ohne Weiteres über die intra- 
thoracalen Druckverhältnisse Aufschluss geben, sondern wir werden stets 
noch andere Momente mit in Erwägung ziehen müssen. 

Unabhängig von dem Donders’schen Druck verläuft der respira¬ 
torische Gasaustausch. Der Bedeutung der alveolären Gasfüllung ist von 
jeher eine besondere Würdigung der Physiologen zu Theil geworden, und 
wir müssen sagen, dass der Einfluss der Gasspannungen in den Alveolen 
bezüglich der Sauerstoffversorgung recht gut durchgearbeitet ist, wenn 
auch die einschlägigen Fragen durchaus nicht als gelöst anzusehen sind. 
Wir kennen für den Sauerstoff sehr genau die Dissociationscurve des 
normalen Blutes, und es ist uns auch zur Genüge bekannt, welchen 
Tensionen des Sauerstoffes in der geathmeten Luft es bedarf, um das 
Blut mit Sauerstoff zu sättigen. Ebenso stehen die niedrigsten Spannungs¬ 
grenzen fest, die eine Oxydation des Hämoglobins noch zulassen. Theo¬ 
retisch wird also die Mittellage nur solange sich vergrössern lassen, bis 
die alveoläre Sauerstofftension durch das Hinzutreten der Athmungsluft 


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wieder so hoch wird, dass eine Sättigung des Hämoglobins möglich wird. 
Wir wollen uns dies zahlenmässig überlegen. Nehmen wir an, die Mittel¬ 
lage betrüge 2000 ccm mit einer alveolären Sauerstoffspannung von 16 pCt.; 
es wäre dann in den Lungen 320 ccm 0 2 vorhanden mit einer Tension 
von 114 mm Hg. Würde der Organismus seinen Sauerstoffbedarf ohne 
Athemzüge eine Minute lang decken, so bliebe nach einer Minute nur 
noch 70 ccm 0 2 zurück mit einer alveolären 0 2 -Spannung von 3,5 pCt. 
gleich 12,5 mm Hg 1 ). Da die Eohlensäureproduction proportional der 
Sauerstoffaufnahme verläuft, wäre bei dieser niedrigen Sauerstoff- und 
entsprechend hohen Eohlensäurespannung weder eine Sättigung des Hämo¬ 
globins mit Sauerstoff, noch eine Eohlensäureabgabe möglich. Um das 
Leben zu erhalten, muss sich ein dynamisches Gleichgewicht 
zwischen Sanerstoffverbrauch, Sauerstoffzufuhr und alveolärer 
Sauerstofftension einstellen. Bleiben wir bei unserem Beispiel, so 
wird sich das Gleichgewicht dann eingestellt haben, wenn durch die 
Athmung 250 ccm Sauerstoff entsprechend 1250 ccm Luft so zugeführt 
wird, dass die alveoläre Sauerstofftension auf 114 mm Höhe gehalten 
wird. Thatsächlich athmet ein Fall mit Werthen, wie sie das angeführte 
Beispiel hat, 16 Mal 500 ccm pro Minuto = 8000 ccm. Rechnen wir 
den schädlichen Raum etwa so hoch, wie die höchsten gefundenen Werthe 
von Siebeck dies zeigen, also für 200, so müssen 16 Mal 200 = 3200 ccm 
von dem Athemvolumen abgezogen werden. Es kommen also von den 
8000 ccm nur 5000 ccm nach den Lungenalveolen. Damit dieses Luft- 
vplumen bis auf 16 pCf. seinen Sauerstoff verliert, wird von dem Blut 
5 pCt. = 250 ccm aufgenommen werden. Führen wir dieses Beispiel 
fort, und nehmen wir nur eine Mittelcapacität von 1000 an, so würde 
dje in 16 Athemzügen zu ersetzende Sauerstoffmenge auch nur 5000 ccm 
betragen, um dieselbe alveolare Tension zu erhalten. Für die Sauer- 
sfcoffversorgung ist es also bei gleichen sonstigen Bedingungen 
auf die Dauer gleichgiltig, zu welcher Mittelcapacitätsmenge 
sich die eingeathmete Luft hinzumengt. Würde das Athemvolumen 
kleiner, so muss bei gleichbleibendera Sauerstoffbedarf und alveolarer 
Sauerstofftension die Mittellage ebenfalls kleiner werden, um eine bessere 
Ausnützung des Sauerstoffes zu ermöglichen. Hat sich also ein dyna¬ 
misches Gleichgewicht einmal eingestellt, so ist es gleichgiltig, wie 
gross die Mittellage ist, zu welcher sich die Athemluft hinzu¬ 
mengt. Genau so steht es mit der Eohlensäureabgabe. Hat sich auch 
hier ein dynamisches Gleichgewicht eingestellt, so ist die Grösse der 
Mittellage für die Abgabe der Eohlensäure irrelevant. 

Ganz anders ist es aber unter Verhältnissen, in denen sich die Noth- 
wendigkeit eines grösseren Sauerstoffaufnahme- und Eohlensäureabgabe- 
bedarfes einstellt. In diesem Falle wäre die Sauerstoffversorgung sogar 
bei einer Verminderung der alveolären Sauerstofftension bis zu 70 mm Hg 
nicht gestört, und doch ändert sich die Mittellage. Des Sauerstoffes 
wegen müsste sich die Mittelcapacität selbst bei zweimal so grossem 


1) In dieser Berechnung ist der Einfachheit halber die Wasserdampfspannung etc. 
vernachlässigt. 


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Sauerstoff verbrauch nicht ändern und bei Verdoppelung der Athemtiefe 
und maximalster Sauerstoffausnützung der alveolaren Sauerstofftension 
könnte schon das Vierfache des Ruhesauerstoffbedarfes verbraucht werden. 
Genau so steht es mit der Kohlensäureabgabe. 

Aus respiratorischen Rücksichten braucht sich also die 
Mittellage, selbst bei momentan einsetzender und sehr grosser 
Arbeit, nicht zu ändern. Es scheint noch Manches darauf hinzudeuten, 
dass die Grösse der Mittellage eher davon abhängt, die Abgabe der Kohlen¬ 
säure nur bis zu einem gewissen Grade zu gestatten. Der Kohlensäuregehalt 
des arteriellen Blutes ist nur wenig gewürdigt und es liegt doch nahe, dass 
es für die Function des Organismus, auch abgesehen davon, dass er den 
Athemreiz bildet, von fundamentaler Bedeutung ist, dass das arterielle Blut 
durch übermässige Lüftung nur bis zu einem gewissen Grade seine Kohlen¬ 
säure verliert; andererseits ist es ebenso lebenswichtig, die überschüssige 
Kohlensäure abzugeben. Es ist klar, dass bei einer hohen Mittellage eine 
grössere Kohlensäureabgabe nöthig ist, ohne den procentischen Gehalt der 
alveolären Kohlensäure wesentlicher zu erhöhen, als bei einer geringen 
Füllung der Lunge, oder mit anderen Worten, es werden bei einer Ab¬ 
gabe von 100 ccm Kohlensäure in einem Raum von 1000 — 10 pCt., 
in einem Raum von 2000 nur 5 pCt. betragen. Das alles hat jedoch 
ebenfalls nur für die ersten Minuten Bedeutung; sobald sich wieder 
das dynamische Gleichgewicht eingestellt hat, ist es ziemlich gleichgiltig, 
ob die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe in einer hohen oder 
niedrigen Mittellage erfolgt. Für den Gasaustausch wird einzig und 
allein die Tiefe und Frequenz der Athmung in Betracht kommen. Kurz 
gefasst, können wir also sagen, dass die Mittellage weder auf 
die Kohlensäureabgabe, noch Sauerstoffaufnahme einen Ein¬ 
fluss hat, mit Ausnahme derjenigen wenigen Minuten, die nach 
der Aenderung der Mittelcapacität verstreichen. Die Mittel¬ 
lage ist nöthig, damit beim Athmungsstillstand, wenn auch 
nur auf kurze Zeit, die Oxydation nicht leidet, und die Kohlen- 
säureabgabc nicht momentan unmöglich wird. Es darf allerdings 
nicht ausser Acht gelassen werden, dass für die Diffusion der Gase die 
Flüssigkeitsschicht ganz besonders wichtig ist. Die Diffusion wird aus 
den gespannten Alveolen leichter vor sich gehen, als bei einer wenig 
gespannten Lunge mit contrahirter elastischer Textur. 

Wenn also die einmal eingestellte Mittellage für den Stoffaustausch 
auf die Dauer nicht mehr in Betracht kommt, so wirft sich unwillkürlich 
die Frage auf, welche Bedeutung sie eigentlich bei dem Athmungsgeschäft 
hat. Wir haben gesagt, dass die Anpassungsfähigkeit der Athemfunction 
von der Complementärluft und von der Frequenz der Athmung abhängt. 
Da die Totalcapacität des Individuums eine nur relativ wenig ver¬ 
änderliche Constante ist, so können wir sagen, dass, je geringer die 
Mittelcapacität, um so grösser ceteris paribus die Anpassungsbreite der 
Athmung sein wird. Bedenken wir weiterhin, dass die Ventilation der 
Lungen im Wesentlichen von der Tiefe der Athmung, und diese wieder 
von der Complementärluft in beträchtlichem Maasse abhängt, so haben 
wir in der Grösse der Mittellage ein functionelles Maass für 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens eto. 


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die Tüchtigkeit der Lungen. Wollen wir die Function eines Organes 
prüfen, so kommt es nicht allein darauf an, dass wir sehen, ob es den 
Anforderungen entsprechen kann, sondern auch darauf, ob die Inanspruch¬ 
nahme zweckmässig und mit einer möglichst grossen Oekonomie erfolgt. 

Ich selbst möchte die Ausathmung nicht für eine rein passive 
Function halten. Es gab, wie bekannt, Forscher, die annahmen, dass 
die Exspiration einfach durch die Zusammenziehung der gespannten, 
elastischen Gewebe und der sich in ihre Ruhelage zurücksehnenden 
Rippen erfolgt. Ich glaube gezeigt zu haben, dass auch die Exspiration 
gleich der Inspiration eine gewisse active Muskelthätigkeit beansprucht. 

Das ruhige Athmen wird hauptsächlich von dem Diaphragma und 
den Intercostalmuskeln besorgt. Bei keiner Muskelfunction war eine so 
diametral entgegengesetzte Meinungsdifferenz zwischen den Forschern wie 
eben bei den Intercostalmuskeln. Schon Hamberger hat im Jahre 1727 
und 1748 geglaubt, dass die äusseren Rippenrouskeln die Rippen heben 
und die inneren die Rippen senken, und schon zu jener Zeit äusserte 
Hamberger die Meinung, dass bei der Inspiration auch ein Theil der 
Intercostales interni wirksam sein müsse, weil diejenigen Muskelbündel, 
welche zwischen den Knorpeln liegen — die M. intercartilaginei — bei 
ihrer Verlaufsrichtung und bei der Krümmung der Knorpel nach oben, 
dieselbe Bewegung, d. h. die Hebung der Rippen hervorrufen müssen wie 
die Intercostales extemi. Manche, wie Volkmann 1 ) und Budge, halten 
den ganzen M. intercost. int. für einen Inspirationsmuskel, der die 
Rippen hebt. Volkmann hat mit W. A. Freund einen Fall beobachtet, 
bei welchem ein Defect der 3. und 4. Rippe bestand, und zwar dort, wo 
Knochen und Rippen zusammenstossen. Der Knorpel- und Knochen- 
defect nahm also die Stelle ein, wo nach Wegnahme des grossen Brust¬ 
muskels beide Lagen der intercostalen Muskeln, innere wie äussere, zu 
Tage liegen, indem die Intercostales externi nicht über die Grenzen der 
knöchernen Rippen hinausgingen und die weiter nach vorne liegenden 
Interni unbedeckt liessen. Bei diesem Falle konnte Volk mann direct 
beobachten, dass bei langsamen und tiefen Inspirationen die äusseren und 
inneren Intercostalmuskeln gleichzeitig in Action waren. Dass die 
M. intercostales Inspiratoren sind, glauben noch Gad, Rosenthal 2 3 ), 
Bergendal und Bergmann 8 ) u. A. m. Gad und Fick haben bei 
einem Modell die Intercostalmuskeln mit Froschmuskeln nachgeahmt, 
und nach deren Reizung die Hebung der parallel beweglichen Hebel 
nachweisen können. 

Martin und Hartwell haben ein Stück der Intcrcostalmuskel los- 
präparirt und darauf geachtet, dass der Muskel seinen nervösen Zu¬ 
sammenhang intakt behalte. Sie fanden synchron mit der Exspiration 
eine Bewegung im Muskel, und geben als Resultat ihrer Arbeit an, dass 
die M. intercostales interni bei Hunden und Katzen auch exspiratorische 


1) Volkmann, Zur Theorie der Intercostalmuskel. Arch. f. Anat. u. Physiol. 
Bd. 2. S. 315. 

2) Rosenthal, Herrmann’s Handb. d. Physiol. Bd. 4. S. 193. 

3) Bergendal und Bergmann, Skand. Arch. f. Physiol. 1897. Bd.7. S.187. 


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Thätigkeit entfalten, allerdings geschieht dies bei Hunden nur bei 
forcirter Athnaung. Masoin und R. du Bois-Reymond 1 ) haben die 
Versuche von Martin und Hartwell wiederholt und kamen zu dem 
Ergebniss, dass die Zwischenknorpelmuskeln synchron mit dem Zwerchfell 
arbeiten, also Inspiratoren sind, die aber nur bei angestrengter Athmung 
thätig sind, bei normaler Athmung keine Bewegung zeigen. Sie fanden 
ferner, dass nach dem Stillstände der Athmung im Zustande der Apnoe 
die Zwischenrippenmuskeln später als das Zwerchfell mit ihrer Arbeit ein- 
setzen. Dem gegenüber haben Weidenfeld 2 ), v. Ebner, Henle 3 ) u. A. 
keine Betheiligung der Intercostalmusculatur bei der Respiration experi¬ 
mentell feststellen können. 

Wenn wir bei mageren Individuen oder bei Menschen mit Pectoralis- 
defecten die Zwischenrippenmusculatur abtasten, so finden wir bei ruhiger 
Athmung de facto keine respiratorische Bewegung und ich glaube, dass 
die M. intercostales externi und interni bei der normalen Athmung kaum 
theilnehmen, aber ihre Thätigkeit bei forcirter Athmung zu leugnen, ist 
man nicht berechtigt. Es gab Forscher, welche die Intercostalmuskel 
nur als eine Füllung der Intercostalräumo betrachtet haben und die 
ganze Function dieser Muskel darin erschöpft sahen, dass sie glaubten, 
die Intercostalmuskeln haben die Aufgabe, die Lungen vor dem Druck 
der Atmosphäre zu schützen. Wir wollen diese Aufgabe nicht leugnen, 
aber wir finden diese Erklärung gerade so einseitig, wie die, welche den 
Intercostalmuskeln nur inspiratorische Thätigkeit zuschreibt. Die er¬ 
wähnten Versuche mit dem parallelbeweglichen Hebel haben unstreitbar 
ihre Richtigkeit, die schräg verlaufenden Muskelfasern iu der Anordnung 
der M. intercostales interni müssen bei der Fixation der darüberliegenden 
Rippe die Rippen heben, den Rnochen-Enorpelwinkel der Rippen gerade 
strecken und somit den Thorax erweitern und das Sternum nach vorne 
stossen, aber dann ist es auch ebenso richtig, dass, wenn die untere 
Rippe fixirt ist, und die Contraction von oben nach unten 
erfolgt, die Rippen die entgegengesetzte Bewegung ausführen 
müssen. Nun sehen wir bei der Respiration, dass beim Ein- 
athmen die Ausbreitung des Thorax quasi in einer peristatischen 
Welle erfolgt, die sich von oben nach unten fortpflanzt. Es 
wird bei der Inspiration die erste Rippe fixirt, und die Rippen 
fixiren sich eben als Function der Intercostales der Reihe 
nach. Bei der Exspiration verläuft aber diese Welle in um¬ 
gekehrter Richtung und es werden durch die Bauchmuskeln 
jetzt die untersten Rippen fixirt, die darüberstehende Rippe 
wird ebenfalls durch die Intercostalmusculatur angezogen. 
Jeder Muskel kann die Richtung seiner Zusammenziehung von seinen 
beiden Enden aus ändern — der Effect bleibt derselbe, ob ich bei fixirtem 
Unterarm durch Contraction des Biceps den Oberarm nähere, oder um- 

1) P. Uasoin und R. du Bois-Reymond, Zur Lehre von der Function der 
Musouli intercostales interni. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1896. S. 85. 

2) Weidenfeld, Sitzungsber. d. Kais. Academie. Wien 1894. Bd. 103. S. 24; 
und Centralbl. f. Physiol. Bd. 10. S. 253. 

3) Henle, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1880. S. 185. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 209 

gekehrt, wenn ich bei fixirtem Oberarm und Schulter, durch die Con- 
traction des ßiceps den Unterarm hebe. Genau so verhält cs sich bei 
dem Intercostalmuskel. Ist der Fixationspunkt oben, so werden 
die unteren Rippen gehoben, und es entspricht dies der In¬ 
spiration, ist hingegen der fixe Punkt unten, so werden die 
oberen Rippen herunter gezogen und es entsteht die Exspiration. 
Ich glaube, dass diese Deutung sich ungezwungen aus der Be¬ 
obachtung, die jeder an sich selbst ausführen kann, ableiten 
lässt und der tatsächlichen Function der Intercostalmuskel 
entspricht. Die inspiratorische Zusammenziehung des Zwerchfells ge¬ 
schieht tetanisch. Bei der Zusammenziehung wird das kaum active 
Centrum tendineum, ähnlich wie ein Zeltdach gezogen und abgeflacht, 
und die musculösen Randtheile gerade gezogen. Dieses Geradestrecken 
zeigen insbesondere die seitlichen Partien, bis die vordere Portio stemalis 
ihrer Kürze und Schwäche wegen die Form Veränderung nur wenig be¬ 
einflusst. Das Zwerchfell wird sich bei einer derartigen Bewegung von 
der Thoraxinnenwand abheben. Dieser Bewegung folgen auch noth- 
gedrungen die Lungen, die mit ihrer Pleura visceralis an die Pleura 
parietalis des Zwerchfells dicht anliegen und es wird der durch das Ab¬ 
heben des Zwerchfells entstandene sogenannte Complementärraum bei jeder 
Inspiration ausgefüllt, und die Lungenränder verschieben sich nach unten. 

Sobald die Contraction des Muskels aufhört, wird einerseits durch 
den stets im Thoraxraum herrschenden Donders’schen Druck, anderer¬ 
seits durch das Hinauftreiben der Bauchorgane und den Tonus der 
Bauchmusculatur das Diaphragma seine Wirkung nach oben zurück er¬ 
langen und dadurch die Luft aus den Lungen pressen. Es wirkt also 
demnach das Zwerchfell passiv als ein mächtiger Exspirationsmuskel. 

Sei dem aber wie ihm wolle, eines ist unstreitbar, dass* die In¬ 
spiration eine viel grössere Muskelthätigkeit bedingt als die Exspiration. 
Es muss bei der Beurtheilung der Athmungsökonomie hauptsächlich die 
Einathmung ins Auge gefasst werden. Die Mittellage bedingt gewisser- 
maassen eine constante Inspirationsstellung des Thorax, und zwar müssen 
die Inspirationsmuskeln ständig in einem Tonus gehalten werden, der 
Gleichgewicht mit dem elastischen Zug der Lungen und Rippen zu halten 
fähig ist. Nun ist es uns aus der Muskelphysiologie bekannt, dass die 
Arbeit des Muskels an der Grenze ihrer Contractilität um das Vielfache 
wächst, und es wird deshalb bei hoher Mittellage derselbe Ventilations¬ 
effect mit grösserer Muskelanstrengung erfolgen, als bei niedriger Mittel¬ 
lage. Wenn wir noch bedenken, dass der höhere Muskeltonus bei höherer 
Mittellage an und für sich einen grösseren Energiebedarf bedeutet, so 
ist es klar, dass die Athemarbeit mit der Höhe der Mittellage proportional 
zunehmend ist. Mit anderen Worten: es wird einer hohen Mittel¬ 
lage ein vergrösserter Stoffwechsel entsprechen, was für Kranke, 
die an irgend einer Störung der Sauerstoffversorgung leiden, schon aus 
dem Grunde eine nicht zu unterschätzende oxydative Mehrleistung bedeutet, 
weil sie ausserdem noch eine erschwerte Athmungsarbeit nach sich zieht. 

Aus dem Gesagten geht hervor, dass, je höher die Mittellage ist, 
um so oberflächlicher die Athmung bei derselben Athemarbeit werden 


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210 


Johann Plesch 


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muss. Wir dürfen bei diesen Betrachtungen noch eines nicht vergessen: 
dass bei dem Integral von elastischen Membranen, wie es wohl die ganze 
Lunge darstellt, um denselben Volumenzuwachs zu erreichen, eine vielfach 
grössere Kraft nöthig ist, wenn die Spannung der Membran an der 
Grenze, als wenn sie am Anfang ihrer Dehnbarkeit erfolgt. Es wird 
also für dasselbe respiratorische Volumen ein verschiedener Kraftaufwand 
nöthig sein bei wenig und bei stark gespannter Lunge. 

Nach diesen Erörterungen wird der Satz einleuchtend, dass es für 
die Arbeitsökonomie des Körpers vortheilhaft ist, wenn die 
Mittellage klein ist. Dasselbe gilt für die Ventilation der 
Lunge. Formuliren wir das Criterium einer kräftigen Athemfunction, 
so können wir sagen, dass eine tiefe, nicht frequente Athmung, 
mit geringer Mittellage das Günstigste ist. Die Atherafrequenz 
spielt insofern eine Rolle bei der functioneilen Beurtheilung der Lunge, 
weil wir doch mit jedem Athemzuge mit einer unnützen Luftraenge zu 
rechnen haben, die im sogenannten schädlichen Raum zurück bleibt. Je 
oberflächlicher und je frequenter die Athmung ist, um so häufiger wird 
diese Luxusarbeit betrieben. Bei tiefer Athmung sind grössere Kräfte 
nöthig, als bei oberflächlicher Athmung, und so weist eine grosse 
Respirationstiefe auf einen grösseren Kraftaufwand des Athembewegungs- 
apparates hin. Wenn also ein Individuum in der Muskelarbeit den Sauer¬ 
stoffmehrbedarf durch frequente und oberflächliche Athemzüge zu 
decken sucht, müssen wir dasselbe für minderwerthig ansehen 
im Gegensätze zu denen, die mit tiefen und seltenen Athem- 
zügen den Sauerstoff ihrem Lungenblute zuleiten. Wir haben 
hier wieder eine Analogie mit der Herzfunction. Auch bei dieser sahen 
wir, dass Leute, die mit kräftigen, grossen Herzschlägen und selteneren 
Contractionen das Blut im Umlauf halten, besser daran sind als solche, die 
in der Arbeit nicht das Schlagvolumen, sondern ihre Pulsfrequenz erhöhen. 

Die Mittellage muss eine besondere Bedeutung als circulatorischer 
Hilfsfactor haben. Die intrathoracale Drucknegativität aspirirt das in 
den Venendepots befindliche Blut in das rechte Herz, und es wird die 
Aspiration proportional der Grösse des Donders’schen Druckes erfolgen. 
Da eine gewisse Lungenspannuug durch die Mittellage stets vorhanden 
ist, so ist auch die Zuströmung des Blutes zum Herzen gesichert. Die 
Respiration ruft Schwankungen des intrathoracalen Druckes hervor und 
es wird demgemäss in der Inspirationsphase der Athmung mehr Blut zu- 
fliessen können als in der Exspiration, d. h. während des Sinkens des 
Donders’schen Druckes. Die Bedeutung der intrathoracalen Druck¬ 
differenz für die Circulation ist zuerst von Donders erkannt worden, 
und wir können uns noch heute voll und ganz seinen hier folgenden 
Ausführungen anschliessen. 

Die ausser dem Thorax liegenden Venen unterliegen dem Druck 
einer Atmosphäre, während die Gefässe in der Brusthöhle von aussen 
nur durch einen Druck belastet sind, der um die interthoracale Druck¬ 
differenz geringer ist. Dem herrsehenden Luftdruck wirkt die Elasticität 
der Lunge entgegen. Dieser elastische Widerstand beträgt bei einer 
normalen Exspiration 7,5 mm Hg, nach einer gewöhnlichen Inspiration 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


211 


9 mm Hg und kann sich beim tiefsten Inspirium bis 30—40 mm Hg 
steigern. Dieselbe Druckdifferenz wird also auf die in dem Thorax be¬ 
findlichen Gefässe wirken. Die Druckdifferenz kann durch den Müller- 
schen und Valsal va’schen Versuch, d. h. bei abgeschlossenem Mund und 
abgeschlossener Nase und höchster inspiratorischer Anstrengung der 
Musculatur bis zu 36—74 mm sinken und beim umgekehrten Versuch, 
d. h. boi angestrengter Exspiration, während die Glottis geschlossen ist, 
bis 82—100 mm steigen. 

Es handelt sich also unter normalen Verhältnissen um einen nega¬ 
tiven Druckunterschied im Brustraum von 9 mm. Für die Strömung des 
Blutes ist dies von hoher Bedeutung, es bildet aber andererseits keinen 
nennenswerthen Widerstand gegen die systolische Zusammenziehung des 
Herzens. Der Donders’sche Druck wird ja im Wesentlichen nur auf die 
dünnwandige Arteria pulmonalis, auf die Capillaren der Lunge, auf die 
Venenwandungen und sicher auch auf das diastolisch erschlaffte Herz 
wirken, und kaum die elastischen Arterien oder das voluminöse Herz¬ 
fleisch der linken Kammer beeinflussen. Das rechte Herz muss sich 
also gegen den 8 mm Hg negativen Druck zusamraenziehen. Der gesaramte 
Druck des rechten Herzens beträgt nach sehr ungenauen Schätzungen, 
wie dies die Versuche von Tigerstedt jun. darstellen, im Mittel des 
Druckes, im linken Herzen, also rund 40 mm Hg. Wenn gegen diesen 
Druck 8 mm wirken, so sind das 25 pCt. der gesammten Druckleistung 
des rechten Herzens. Der negative Druck kann sich aber bei ange¬ 
strengtem Inspirium bis zu 40 mm steigern, d. h. es müsste das Herz, 
um den normalen Druck im kleinen Kreislauf aufrecht zu erhalten, circa 
zweimal so stark arbeiten. Diese Ueberlegung stimmt deshalb nicht, 
weil der Donders’sche Druck doch auch auf die Lungencapillaren wirkt. 
Wenn aber die Capillaren gedehnt werden, so wird der gegen die Herz¬ 
arbeit wirkende periphere Widerstand geringer, und es muss 
bei geringerem absoluten Blutdruck mehr Blut umlaufen 
können, als in der Norm. Für den kleinen Kreislauf bildet also die 
respiratorische Mittellage einen regulircnden Factor, der quantitativ sicher 
viel höher anzusetzen ist, als die neuerdings durch Weber bestätigte 
Annahme der vasomotorischen Regulation der Lungengefässe. Mit dieser 
Ueberlegung, die teleologisch leicht verständlich ist, stimmen die That- 
sacben überein, die wir experimentell festgcstellt haben. Wir können 
das Gesagte kurz dahin zusammenfassen, dass die Mittellage 
einen circulatorischen Hilfsfactor darstellt, der sich mit den 
Anforderungen, die an den kleinen Kreislauf gestellt werden, 
ändert. Die pathologischen Veränderungen der Mittellage müssen auch 
von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet werden, denn nur auf diesem 
Wege werden die anscheinend bizarrsten Erscheinungen verständlich. Die 
Mittellage ist also (gleiche elastische Verhältnisse der Lunge voraus¬ 
gesetzt) ein Spiegelbild der vorhandenen Verhältnisse des 
rechten Herzens und der Blutfülle der grossen Körpervenen, 
d. h. ein functionelles Maass für den kleinen Kreislauf. Was 
die factischen Aenderungen der Mittellage unter veränderten körperlichen 
Bedingungen anbelangt, und wie sich diese bei den krankhaften Processen 


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212 


Johann Plesch, 


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verschiedenster Art verhält, haben wir in einer Reihe von Fällen unter¬ 
sucht; die Ergebnisse sind in der beiliegenden Generaltabelle übersicht¬ 
lich zusammengefasst und in Tafeln diagraphisch dargcstelit. 

Die Mittellage ist, so wie alle anderen respiratorischen Grössen, sehr 
variabel. Ein bestimmter Zusammenhang mit Körpergrösse, Gewicht, 
Alter etc. lässt sich nur gezwungen finden. Als relativer Werth schwankt 
die Mittellage zwischen 50—60 pCt. der Totalcapacität. Die Abweichungen 
nach unten weisen auf die Tüchtigkeit des Kreislaufes hin, wogegen das 
Anwachsen der Mittelcapacität einen sicheren Schluss auf die Schädigung 
des kleinen Kreislaufes erlaubt. 

Sowohl die von Loven, wie von Bohr und von mir angestellten 
Untersuchungen konnten die Annahme Panum’s, dass sich die Mittellage 
beim Uebergang von sitzender zu stehender Stellung erhöht, nicht be¬ 
stätigen. Beim Liegen hingegen sind recht beträchtliche Differenzen 
vorhanden. Sowohl die Vitalcapacität, wie die Mittellage wird kleiner 
im Liegen und grösser im Stehen. Die von Bohr angeführten dies¬ 
bezüglichen Versuche haben leider keine absolute Beweiskraft, weil die 
Mittellage von Bohr nicht exact bestimmt wurde. Bohr vernachlässigte 
nämlich, die Residualluft in jeder Körperstellung zu untersuchen, er nahm 
die Residualluft als eine constante Grösse an und addirte die mit dem 
Spirometer in verschiedenen Stellungen ermittelte Residualluftmenge, zu 
der einmal festgestellten Residualluftmenge. Auf die Unzulänglichkeit 
dieser Versuche hat bereits Hasselbach hingewiesen. Corrigiren wir 
die Bohr'sehen Untersuchungen dementsprechend, so wird die Richtung 
der Bohr’schen Versuchsausschläge dennoch unverändert bleiben, denn 
im Liegen verringert sich sowohl die Residualluft, wie auch die Reserve¬ 
luftmenge, dies gilt aber nur für Untersuchungen, die bei Gesunden aus¬ 
geführt werden. Bei Untersuchungen an pathologischen Fällen darf die 
Feststellung der Residualluft nicht unterbleiben, denn es kann Vorkommen, 
dass bei mangelhaften respiratorischen Bewegungen im Liegen eventuell 
die Bauchmusculatur eine kleine Reserveluft auszupressen fähig ist und 
ein grosses Residualluftvolumen zurückbleibt. 

Werfen wir die Frage auf, weshalb die Mittellage im Liegen ab¬ 
nimmt, so käme bei der Beantwortung zunächst der verminderte Stoff¬ 
wechsel in Betracht, dann die Behinderung der Athembewegungen und 
die Blutvertheilung in den Lungen. Bohr hat durch seine Untersuchungen 
die Verminderung des Stoffwechsels als Ursache ausschliessen können. 
Ich will einen solchen Versuch hier wegen seiner Instructivität anführen. 


Tabelle 9. 



-4-» 

.3'S 

►> &4 

£ 

3 

'S 

t 

V 

2 

e 

© 

©.2 

pro kg und 
Minute 

J.i2 

31 

53 Q. 

CO t 

0- 

Puls 

s> 

jl 


^ cfl 

o 

© 

PS 

B 

o 

ü 

C0 2 

0, 

Ä ce 
o 

v x 


< 

Versuch II: stehend. 

4,70 

2,48 

2,22 

209 

250 

3,19 

0,84 

72 

5,1 

20 Min. liegend. 

Versuch IX: liegend 45 Min. 

4,35 

1,75 

2,60 

239 

248 

2,81 

0,96 

58 

4,6 

lang. 

3,81 

1,28 

2,53 

215 

263 

3,28 

0,82 

56 

11,3 

sitzend 15 Min. später . 

4,01 

1,91 

2,10 

213 

261 

3,71 

0,82 

64 

13,7 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


213 


Es geht aus diesen Untersuchungen deutlich hervor, dass die für 
die liegende Stellung charakteristische Aenderung der Mittel- 
capacität, wie auch die Aenderungen des Pulses und der Respirations¬ 
zahl keine directen Folgen des herabgesetzten Stoffwechsels 
sind. 

Die Behinderung der Athembewegungen würde die Mittellage nicht 
herabdrücken können, da sie nur auf die Reservoluft einen Einfluss aus¬ 
üben kann. Eine Ursache für die Aenderungen der Mittellage können 
wir, wie ich meine, nur in den veränderten circulatorischen Verhältnissen 
finden, die sofort bei der Lageänderung eintreten muss. Das venöse 
Blut muss gegen seine Schwerkraft nach dem Herzen strömen. Wenn 
auch durch die in den Venenröhren befindlichen Klappen der Rückfluss 
des Blutes gehindert ist, so besteht doch ein gewisser hydrostatischer 
Druck, der der Strömung entgegen wirkt. Theilweise zur Bekämpfung 
dieses Widerstandes dient der Donders’sche Druck, d. h. die Mittellage. 
Sobald durch das Liegen der hydrostatische Druck in den 
Venen wegfällt, wird zur Beförderung des Venenblutes eine 
geringere intrathoracale Druckdifferenz genügen und die Mittel¬ 
lage wird kleiner. Ob noch andere circulatorische Momente hier eine 
Rolle spielen, sei dahingestellt, wir können aber in den geschilderten 
Aenderungen einen weiteren Beweis dafür erblicken, dass in der 
That die Mittellage in erster und hauptsächlichster Linie dem 
Kreislauf dient und sich nach den Anforderungen, die vom 
Organismus an den Kreislauf gestellt werden, reflectorisch 
einstellt. 

Bei angestrengter Thätigkeit, also bei grossem Sauerstoffverbrauch, 
nimmt die Mittellage zu. Dieser Satz wird sowohl durch die Unter¬ 
suchungen von Bohr wie durch meine Untersuchungen bestätigt. Auch 
bei diesen Versuchen, ebenso wie bei den anderen, beging Bohr den 
Fehler, die Residualluft nicht bestimmt zu haben. Dass die Residualluft 
ebenfalls Aenderungen aufweist, zeigen meine Versuche, wie ich diese 
im entsprechenden Capitel angeführt habe. Bohr führt Aenderungen 
der Mittelcapacität durch körperliche Anstrengung auf zwei Momente 
zurück, das eine Mal auf die durch die Vergrösserung der Athemarbeit 
bedingte Vergrösserung der respiratorischen Oberfläche, das andere Mal 
auf circulatorische Momente. Bohr sucht diese doppelte Ursache durch 
Versuche zu unterstützen, die er ausgeführt hat, um zu sehen, wie sich 
die Mittellage nach Einathmung von kohlensäurereichen und sauerstoff¬ 
armen Gasgemischen gestaltet. Er fand, dass bei der Einathmung von 
kohlensäurereichen Gemischen, wie auch bei der Athmung sauerstoffarmer 
Atmosphäre die Mittellage schnell grosse Höhen erreichte. Aus diesen 
Versuchen schloss er, dass die Vergrösserung der Athemoberfläche den 
Gasaustausch wesentlich fördert. Ich kann seineq Ausführungen nicht 
beistimmen und bin der Meinung, dass die Aenderung der Mittellage 
durch Muskelanstrengung gleichfalls lediglich einen circulatorischen Reflex 
darstellt, und mit der Respiration kaum etwas zu thun hat. Bohr 
musste auf Grund seiner Theorie der activen gassecretorischen Thätigkeit 
der Lungen die Ansicht vertreten, dass es für die Lunge, dieselbe als 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. , 5 


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214 


Johann Plescb, 


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Drüse gedacht, von Bedeutung ist, wenn sich ihre Oberfläche ver- 
grössert. Die gassecretorische Theorie haben sogar schon die Schüler 
Bohr’s (Krogh u. A.) aufgegeben. Es wird also misslich erscheinen, 
noch Argumente gegen diese Theorie anzuführen, doch möchte ich 

selbst zu den vielen noch besonders eine Thatsache hinzufügen und 
zwar die, dass bei geringen Sauerstofftensionen die Sättigung des 

venösen Blutes genau so wie es in vitro geschieht, den Gesetzen 

der Dissociationscurve erfolgt. Für den Gasaustausch, wie ich oben 
klarzulegen versuchte, kommt nur die Ventilation der Lunge, also die 
Athemfrequenz und die Athemtiefe in Betracht. Die Aenderung der 
Mittellage würde nur für die ersten Athemzüge den Gasaustausch, 

verbessern; sobald sich das dynamische Gleichgewicht hergcstellt hat, 
hört dieser Vortheil wieder auf. Wenn also die Mittelcapacität während 
der ganzen Dauer einer geleisteten Arbeit in einer bestimmten erhöhten Lage 
verharrt, ja sogar, wenn diese sich mit der zu leistenden Arbeit — man 
könnte sagen — proportional vergrössert, so bleibt zur Erklärung dieses 
Phänomens nichts Anderes übrig, als die Bedürfnisse der Circulation. 
Wir hätten Bohr falsch verstanden, würden wir nicht hervorheben, dass 
Bohr ebenfalls die circulatorische Bedeutung der Mittellage erkannt hat, 
aber er hat sie nicht in dem Maasse gewürdigt, wie wir es thun. Wir 
müssen die Ansicht Bohr’s, wonach die erhöhte Mittellage die Circulation 
in den Lungen begünstige, erweitern. Der Donders’sche Druck wird 
nicht nur auf die Lungen-, sondern auch auf die ganze Circu¬ 
lation einen beschleunigenden nnd erleichternden Einfluss 
ausüben, und dieser Hilfe ist die Circulation bedürftig. Durch unsere 
hämodynamischen Arbeiten zieht sich gewissermaassen wie ein rother 
Faden der Gedanke, dass die Circulation durch den Sauerstoffverbrauch 
gesteuert wird. Die circulatorische Grundregel ist, dass zwischen Blut¬ 
zufuhr und -Abgabe nur auf kurze Zeit geringe Differenzen bestehen 
können, für die Dauer muss sich ein Gleichgewicht einstellen. Es obliegt 
bezüglich der Blutbeförderung dem rechten Herzen die gleiche Grössen¬ 
aufgabe wie dem linken Herzen. Das viel schwächere rechte Herz wird 
sich nur so seiner gesteigerten Arbeit entledigen können, wenn sich die 
Widerstände im kleinen Kreislauf verringern. Wenn wir von der bis zur 
Evidenz bewiesenen Thatsache absehen, dass die Lungengefässe auch 
von Vasomotoren beeinflusst werden, so ist für eine Steigerung der Cir¬ 
culation im kleinen Kreislauf die Compcnsation in der Herabsetzung der 
Widerstände in dem Lungenkreislauf gegeben d. h. es muss als Folge 
die Mittellagc erhöht werden. Eine weitere Aufgabe der erhöhten Mittel¬ 
lage wird es sein, das nöthige, vom linken Herzen beförderte Blut- 
voluraen in das rechte Herz zurück zu saugen. 

Um Bohr’s Annahme, dass es sich bei der Erhöhung der Mittellagc 
vorwiegend um einejj respiratorischen Reflex handelt, weiter zu entkräften, 
habe ich in den Fällen 1, 2, 29, 54 sehr angestrengte körperliche 
Arbeit in reinem Sauerstoff leisten lassen und dabei durch eine 
geeignete Vorrichtung die producirte Kohlensäure absorbirt. Es konnte 
also weder Sauerstoffmangel noch Kohlensäureanhäufung während des 
Versuches eintreten. Diese Versuche haben nun ergeben, dass sich die 


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Die pathologische Physiologie des etc# 


215 

Mittellage in Sauerstoffatmosphäre genau so ändert, wie es bei normalen 
Arbeitsbedingungen der Fall ist. Wäre also von einem respirato¬ 
rischen Reflex die Rede, so hätte sich die Mittellage bei der 
Einathmung von reinem Sauerstoff nicht zu ändern brauchen, 
und so beweist auch dieser Versuch, dass die Erhöhung der 
Mittellage nur circulatorisch hervorgerufen wird. Weitere Ver¬ 
suche Bohr’s zeigten, dass die Mittellage sowohl bei Sauerstoffmangel 
wie bei Kohlensäurereichthum der Inspirationsluft, sich höher einstellt. 
Hohe Sauerstofftension hat auf die Mittellage keinen Einfluss. 
Trotzdem es sehr verlockend scheint, diese Erscheinungen als respirato¬ 
rische Reflexe aufzufassen, können wir einer solchen Ansicht nicht bei¬ 
stimmen, sondern erblicken in der Erhöhung der Mittelcapacität nur 
einen circulatorischcn Reflex. Bohr sagt, dass bei Einathmung sauer¬ 
stoffarmer Luft zwar der Stoffwechsel nicht gesteigert wird, dass aber 
auf andere Weise grössere Forderungen an die Arbeit der Lungenzellen 
gestellt werden, indem die Concentration des Sauerstoffes um die Zelle 
abnimmt. Er meint also, dass bei einer besseren Entfaltung der Lunge 
die active Sauerstoffaufnahme durch die Alveolarzelle besser erfolgen 
kann. Wir haben es bereits hervorgehoben, dass Bohr den respirato¬ 
rischen Gasaustausch nicht als eine den physikalischen Gesetzen folgende 
Diffusion, sondern als eine active Zellthätigkeit ansieht. Ich möchte zu 
den bereits angeführten Gegenbeweisen ein weiteres Argument zur Be¬ 
kämpfung dieser Theorie heranziehen. Ich meine meinen Saekversuch, 
der, wie ich glaube, geeignet ist, nicht nur die Gassecrctionstheorie, 
sondern auch die Theorie, wonach die grösste Menge aufgenomraenen 
Sauerstoffs in den Lungen verbraucht wird, zu entkräften. Bei meinem 
Sackversuch wird aus einem mit reinem Stickstoff gefüllten Sack ein- 
und ausgeathmet. Es wird sich nach einer Weile im Sack Sauerstoff 
und Kohlensäure befinden und zwar in einer Menge, die mit dem Blute 
im rechten Herzen im Gleichgewicht steht. Das Punctum saliens des 
Versuches ist, dass auch Sauerstoff abgegeben wird. Es ist im Organis¬ 
mus keine Zellthätigkeit bekannt, die nach doppelter Richtung zu functio- 
niren im Stande ist, jede Zelle ist polarisirt. Wäre die Theorie Bohr’s 
richtig, so wäre die alveolare Zellthätigkeit für den Sauerstoff resorptiv, 
aber nicht secretorisch, wie es bei meinem Sackversuch anzunehmen 
wäre; andererseits, wenn die Oxydation oder der grösste Theil derselben 
in den Lungen stattfände, würden diese den Sauerstoff behalten und 
nicht in einer Menge abgeben, die dem physikalischen Gleichgewicht — 
wie dies meine directen Versuche beweisen 1 ) — entspricht. 

Wenn wir also die Erhöhung der Mittellage aus dem Gesichtspunkt 
des Gasaustausches betrachten, so kommen wir zu Fehlschlüssen, nehmen 
wir aber die Veränderung der Mittellage als einen circulatorischen Reflex 
an, so wird die Erklärung einfach und einleuchtend. 

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass sich die Circulation 
je nach dem Sauerstoffbedürfniss des Organismus regulirt und so 
können wir auch hier sagen, dass, wenn die Oxydation des Venen- 


1) Piesch, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1910. 

15* 


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216 


Johann Plesch, 


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blutes nicht vollkommen vor sich geht, der Sauerstoffmangel nur durch 
circulatorische Mehrarbeit compensirt werden kann, ln der That finden 
wir folgende Versuchsergebnisse (Tabelle 10) in der erwähnten Arbeit 
Bohr’s angeführt. 

Tabelle 10. 



Vital- 

capacität 

Reserveluft ! 

1 

Compleraentir* 
ln ft 

Mittel- 

capacität 

pro kg und 
Minute 

C0 2 

Puls 

C0 2 

Produc. 

0* 

Verbr. 

0 2 

Versuchsperson IX: 









Stehend atmos. Luft. 

4,13 

2,06 

2,07 

3,74 

159 

187 

0,81 

66 

Stehend 11,3 pCt. 0 2 . 

4,08 

2,18 

1,90 

3,91 

238 

248 

0,96 

73 

„ Arbeit 11,3 pCt. 0 2 . . . 

4,03 

2,24 

1,79 

4,02 

504 

465 

1,08 

93 

Stehend atmos. Luft. 

4,14 

2,06 

2,08 

3,73 

— 

— 

— 

76 

Versuchsperson VII. 









Sitzend atmos. Luft. 

4,82 

2,41 

2,41 

4,44 

268 

329 

0,82 

— 

Sitzend 7,9 pCt. 0 2l 6 Min. lang . 

4,92 

2,89 

2,03 

4,82 

371 

, 289 

1,28 

— 

„ 7,9 „ 0 2 , 16 „ lang. 

1.71 

0,69 

1,02 

5,83 

— 

! — 

— 

— 

Versuchsperson 11: 









Liegend atmos. Luft. 

4,49 

1,74 

2,75 

2,66 

— 

— 

— 

— 

Liegend 60pCt. 0 2 , 10 Min. . . . 

4,43 

1,66 

2,77 

2,64 

— 

— 

— 

— 

Liegend atmos. Luft, 16 Min. . . 

4,35 

1,56 

2,79 

2,62 

— 

— 

— 

— 

Versuchsperson IX: 









Liegend atmos. Luft. 

3,67 

1,06 

2,62 

3,20 

209 

242 

0,86 

55 

Liegend 4,5 pCt. C0 2 . 

3,47 

1,53 

1,94 

3,87 

213 

241 

0,88 

58 

Liegend atmos. Luft, 10 Min.. . . 

3,58 

0,92 

2.66 

3,15 

— 

— 

— 

55 

Sitzend atmos. Luft. 

3,99 

1,97 

2,02 

3,79 

189 

225 

0,84 

73 

Sitzend 7,6 pCt. C0 2 , 5 Min.. . . 

4,04 

2,83 

1,21 

4,60 

— 

209 

— 

80 

Sitzend atmos. Luft, 5 Min. 

4,11 

1,87 

2,24 

3,57 

— 

— 

— 

78 


Aus den Zahlen geht ohne Weiteres hervor, dass bei einer Sauer¬ 
stofftension, bei der die arterielle Sauerstoffsättigung noch vollkommen 
oder annähernd vollkommen erfolgen kann, die Mittellage nicht zunimmt; 
die Zunahme wird nur dann eclatant, wenn die Sauerstoffspannung in 
dem respirirten Gase so tief sinkt, dass die Arterialisirung des Blutes 
nur mangelhaft ist. Nun muss der Sauerstoffmangel durch eine erhöhte 
Circulation ausgeglichen werden, und wir sehen, entsprechend diesem 
corapensatorischcn Erforderniss, die Mittellage anstcigen. Dass dem so 
ist, beweist, wie schon erwähnt, die Thatsache, dass bei erhöhter Sauer¬ 
stofftension der respirirten Luft die Mittellage nicht beeinflusst wird. 

Genau dieselbe Ueberlegung, wie wir sie jetzt für den Sauerstoff¬ 
mangel ausgeführt hatten, gilt für den Kohlensäurereichthum in der 
Atmosphäre. Das Blut muss den überschüssigen Theil der producirten 
Kohlensäure abgeben und dies kann es nur durch Vermehrung der Circu- 
lationsarbeit. Die Kohlensäure bildet den directen Athemreiz, und wir 
sehen am deutlichsten eben in den Versuchen mit erhöhter Kohlensäure¬ 
tension die Wechselbeziehungen zwischen Circulation und Respiration in 
Erscheinung treten. So zeigt uns die Tabelle bei 4,5 pCt. C0 2 -Gehalt 
in der Inspirationsluft die Mittellagc zu 3,87 Liter und den Puls zu 58, 
und bei 7,6 pCt. C0 2 -Gehalt wächst die Mittellage zu 4,6 Liter und der 
Puls zu 80 heran. Nach diesen Versuchen kann man doch ohne weiteres 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


217 


sagen, dass die Erhöhung der Mittellage nicht für die Respiration, sondern 
für die Circulation eintritt. 

Ganz anders ist aufzufassen die grössere Mittelcapacität bei Stenosen 
der Luftwege. In diesen Fällen wollen wir einen respiratorischen Reflex 
zugestehen. Die Lungenventilation wird selbstredend auch vom negativen 
intrathoracalen Druck abhängen, da doch die Strömung der Luft bei 
gleich weitem Zuführungsgang schneller ist bei grösserer als bei kleinerer 
Drucknegativität. Die Mittellage stellt sich also bei Veränderung der 
Athemwege deshalb höher ein, um nicht denselben oder kleineren Athem- 
bewegungen grössere inspiratorische und exspiratorische Druckdifferenzen 
zu schaffen, und sucht auf diesem Wege die Verengerung zu paralysiren. 
Dass diese Aenderung naturgemäss mit einer Veränderung des Athemtyps 
einhergehen muss, versteht sich von selbst. Das Interessante ist bei 
diesem Vorgänge, dass die Circulation secundär gleichfalls in Mitleiden¬ 
schaft gezogen wird. Wir finden nämlich in solchen Fällen eine geringe 
Ausnutzung des Venenblutes, ein erhöhtes Schlagvolumen und einen sehr 
frequenten Puls. Bezüglich der Veränderung der Mittellage bei apnoischer 
oder dyspnoischer Athmung kann ich Bohr auch nicht ganz bei¬ 
stimmen, weil ich keine Abhängigkeitsbeziehung zwischen den Volum¬ 
verhältnissen und der respiratorischen Arbeit der Lunge erblicken kann. 
Die diesbezüglichen Versuche sind sehr leicht auszuführen und zeigen 
deutliche Ausschläge. Wir wissen, dass nach forcirter Athmung und 
ausgiebiger Lungenlüftung eine Athempause eintritt, die wir apnoischen 
Zustand nennen; im Gegensatz dazu kennen wir den dyspnoischen Zu¬ 
stand, der sich dann einstellt, wenn wir längere Zeit den Athem ange¬ 
halten hatten. Es zeigte sich bei den Bohr’schen Versuchen, die ich 
vollständig bestätigen konnte, dass in der Apnoe die Mittel¬ 
capacität ab- und bei der Dyspnoe die Mittellage zunimmt. 
Während der forcirten Atmung ohne vermehrten Sauerstoffverbrauch muss 
die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes zunehmen, das Blut kehrt wenig 
ausgenützt von den Geweben in das Herz zurück und enthält auch in 
den Arterien abnorm wenig Kohlensäure, weil es überventilirt wurde. In 
diesem Falle ist die Verminderung der Mittellage und damit die Herab¬ 
setzung des Donders'sehen Druckes das zweckmässige Mittel, die circu- 
latorische Strömungsgeschwindigkeit herabzusetzen. Nur so kann der 
Sauerstoff bis auf den normalen Spiegel ausgenützt werden und die 
Kohlensäure auf das richtige Niveau gebracht werden. Beim dyspnoischen 
Zustand besteht das Umgekehrte. Da muss die Circulationsgeschwindig- 
keit durch die grosse Mittellage erhöht werden, um die angesammelte 
Kohlensäure abgeben zu können und den verminderten Sauerstoffgehalt 
des Blutes zu ersetzen. 

Wir sahen aus den bisherigen Ausführungen, dass für 
physiologische Verhältnisse die Mittellageänderungen als eine 
rein circulatorische Hilfseinrichtung aufzufassen ist, und wir 
wollen jetzt an der Hand unseres Versuchsmaterials dazu 
übergehen, zu untersuchen, ob in pathologischen Zuständen 
der Mittellage auch eine andere Bedeutung zukommt. Am 
nächstliegendsten ist die Untersuchung der Mittelcapacität bei dem 


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218 Johann Plesch, 

Emphysem, also bei einem Zustand, bei dem die Lungen gross und ge¬ 
bläht sind. 

Bezüglich der Entstehung des Emphysems habe ich meinen Stand¬ 
punkt in den Charite-Annalen 1912, und als Ergänzung zu diesen in 
einem Aufsatz in der Deutschen raed. Wochenschr., 1913, klargelegt. 
Das Resumö dieser Arbeit gipfelt darin, dass das Volumen pulmonum 
auctum sowohl anatomisch, wie auch vom pathologischen Gesichtspunkte 
aus keine Vorstufe des Emphysems bildet, weil beim Volumen pulmonum 
auctum die Lungentextur unbeschädigt ist, und beim Emphysem schwere 
Schädigungen des Lungengewebes zu beobachten sind. Bei dem Zustande 
eines Volumen pulmonum auctum kommen die inspiratorischen Kräfte, 
und damit der Freund’sche starrdilatirte Thorax in Betracht, wogegen 
das Emphysem durch forcirte exspiratorische Kräfte (Husten) zu Stande 
kommt. Das Volumen pulmonum auctum ist als ein Reflex im Sinne 
Bohr’s aufzufassen, das Emphysem ist eine Krankheit sui generis. Die 
Entstehung des Emphysems an Prädilectionsstellen findet seine Erklärung 
in dem Umstand, dass der Exspirationsdruck, der in der ganzen Lunge 
derselbe sein muss, diejenigen Lungentheile am meisten dehnen wird, 
die durch den knöchernen Thorax nicht unterstützt werden, ähnlich wie ein 
Gummiballon beim Aufblasen sich dort vorwölbt resp. platzt, wo in dem 
den Ballon umgebenden Netz eine Masche losgelöst ist, d. h. wo der 
Ballon weniger gestützt ist. Dass neben dem Volumen pulmonum auctum 
resp. dem starrdilatirten Thorax meistens auch Emphysem zu finden ist, 
erklärt sich dadurch, dass das Emphysem nur in Lungen zu Stande 
kommt, deren elastischer Widerstand minderwerthig ist; und dass eine 
in ihrer Elasticität geschädigte Lunge eine höhere Spannung besitzen 
muss, um denselben Donders’schen Druck aufrecht zu erhalten wie die 
gesunde Lunge. Diese dauernde inspiratorische Spannung der Lungen 
führt secundär durch Inactivität zur dauernden Fixation der Rippen¬ 
gelenke und -knorpel i. e. zum Freundachen starrdilatirten Thorax. 
Kommt zu diesem Zustand noch ein chronischer Katarrh der Luftwege, 
so wird durch das Husten sich ein Emphysem entwickeln. 

Wenn wir nun auf die Zahlen übergehen, die wir bei den Emphysem- 
kranken experimentell festgestellt haben, so finden wir durchwegs in 
Uebereinstimmung mit anderen Forschern die Mittellage vergrössert. 

Wir sehen in der Tabelle No. 11, die die von uns untersuchten 
Fälle von Emphysem enthält, Werthe, die weit über den Normalwerthen 
liegen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass wir es beim chronischen 
Emphysem mit einer reflektorischen Einstellung der Mittelcapacität zu 
thun haben, die nicht anders als aus circulatorischen Rücksichten ent¬ 
standen, zu deuten ist. Dieses Phänomen respiratorisch zu erklären, ist 
nicht richtig, denn es ist doch durch gar kein pathologisches Moment 
gerechtfertigt, dass die Lungen Luftvolumina enthalten, die beim Ge¬ 
sunden, selbst bei angestrengtester Thätigkeit nicht vorhanden sind. Von 
einer weiteren Vergrösserung der respiratorischen Oberfläche kann wohl 
bei den ohnedies krankhaft erweiterten Lungenalveolen keine Rede sein. 
Es bleibt nur das circulatorische Moment, welches dieses Verhalten der 
Lungenfüllung bestimmt. Durch die Spannung der Alveolarsepta sind 


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Die pathologische Physiologie des Lungenrolumens etc. 


219 


die Capillaren verengt; um diese durchgängig zu machen, muss der 
Donders’sche Druck die Capillaren entfalten und es wird nun beim 
Emphysematosen ein grösserer Donders’scher Druck herrschen 
müssen, um denselben Effect auf die Erweiterung der Gefässe 
auszuüben, als bei Gesunden, — das Lungengewebe wird inspira¬ 
torisch noch mehr gespannt werden. Die Vergrösserung des capillaren 
Widerstandes in der Lunge hat zufolge, dass das rechte Herz hyper¬ 
trophisch wird. Die Hypertrophie des rechten Ventrikels ist stets 
proportional dem capillaren Widerstand in den Lungen. Dass beim 
Asthma bronchiale ohne Emphysem, solange keine Bronchitis oder 
andere secundäre Erscheinungen aufgetreten sind, also bei der reinen 
Form die Mittellage keine Abweichung von der Norm besteht, zeigen 
unsere Fälle No. 9 und 10. In beiden ist die Mittellage der Norm ent¬ 
sprechend. Vielleicht ist bei dem Fall 10 schon ein geringgradiges 
Emphysem da, beim Fall 9 aber ist ein solches, abgesehen von dem 
negativen klinischen Befund sicher auszuschliessen. 


Tabelle 11. 


Versuch 

No. 

Respiratori¬ 

sches 

Volumen 

Residual¬ 

luft 

Reserve¬ 

luft 

Mittel¬ 

capacität 

Mittelcapacität 
in pCt. 

der Totalcapacität 

4 

621 

831 

421 

1252 

76,8 

5 

840 

1408 

567 

1978 

76,0 

6 

624 

1987 

1042 

3029 

70,3 

11 

828 

2510 

1050 

3560 

67,8 

7 

284 

1192 

1645 

2837 

67,5 

8 

430 

2111 

1305 

3416 

63,6 


Bei dem Fall No. 12 war ein die ganze Thoraxhälfte ausfüllendes 
Empyem vorhanden. Die Untersuchung des Patienten in diesem Zustand 
ergab eine Mittelcapacität von 76,7 pCt. der Totalcapacität. Wenn es 
sich auch um einen 15jährigen Knaben handelt, so beweisen die abso¬ 
luten Zahlen von 821 ccm Mittelcapacität und 1071 ccm Totalcapacität, 
dass hier nur eine Lunge geathmet hat. Die gesunde Lunge hat sich, 
um eben die circulatorische Hilfsarbeit richtig leisten zu können, in eine 
nahezu extreme Mittellage eingestellt. In diesem Falle ist die Mittellage 
noch anders zu werthen, als in den Fällen von Emphysem, denn hier 
stellt die Untersuchung eine grosse Spannung einer jugendlich elastischen 
Lunge, beim Emphysem hingegen eine kleine oder normale Spannung 
einer in ihrer Elasticität geschädigten Lunge fest. Wenn nämlich der 
Empyemfall eine hohe Mittellage zeigt, so können wir daraus auf eine 
geradezu colossale Zunahme des Donders’schen Druckes schliessen, wohin¬ 
gegen der hohen Mittelcapacität beim Emphysem durchaus kein hoher 
Donders’scher Druck zu entsprechen braucht. Nun wurde dieser Fall 
operirt, das Empyem abgelassen und die retrahirte und comprimirte 
Lunge athmete wieder. 21 Tage nach der ersten Untersuchung wurde 
die zweite Untersuchung vorgenommen und wir sehen die Daten in der 
Generaltabelle im Versuch No. 19 angeführt. Post operationem stieg die 
Mittelcapacität von 821 auf 1259. Das wäre anscheinend eine Ver- 



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220 


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schlcchterung, bedenken wir aber, dass die Totalcapacität von 1071 auf 
2048 zugenommen hat und die Alittelcapacität jetzt nunmehr 61,5 pCt. 
beträgt, so sehen wir, dass wir es hier mit einem zahlenmässig abmess¬ 
baren günstigen therapeutischen Effect zu thun haben, denn die Luft¬ 
füllung vertheilte sich im Gegensatz zum Zustand vor der Operation auf 
beide Lungen. Dies beweist die Abnahme der Athemzahl von 44 auf 27, 
und die Zunahme der Atheratiefe von 280 auf 418. Der Fall ist in 
jeder Beziehung sehr lehrreich, denn er demonstrirt nicht nur den Effect, 
den wir durch die Entfaltung der comprimirten Lunge erzielt haben, 
sondern er zeigt uns noch als viel Interessanteres, inwiefern die eine 
Lunge die Function beider Lungen nicht nur respiratorisch, sondern auch 
circulatorisch zu ersetzen im Stande ist. Mutatis mutandis zeigen uns 
noch dieselben Verhältnisse die Fälle No. 14 und 17. Beim Fall 17, 
einem 29jährigen kräftigen Manne, bestand eine bis zum 5. Wirbel hinauf¬ 
reichende pleuritische Exsudation, und wir finden dementsprechend eine 
Mittelcapacität von 71,8 pCt. der Totalcapacität. Auch hier finden wir 
die geringen absoluten Werthe von 3841 ccm Totalcapacität bei einer 
Höhe von 172 cm mit als einen Beweis dafür, dass fast das ganze 
Athemgeschäft nur von der einen Lunge geleistet wurde. Einen der 
extremsten Werthe liefert der Fall 17 von 79,1 pCt. Mittelcapacität. Bei 
diesem Kranken complicirte sich noch die Pleuritis mit Myocarditis und 
Pericarditis. Dass bei all diesen gravirenden Momenten, wobei nicht das 
Alter von 55 Jahren zu vergessen ist, der grösstmöglichste Mittellage¬ 
werth sich zeigt, ist leicht nach den obigen Auseinandersetzungen zu 
erklären. 

Nicht ganz klar sind die Befunde bei den zwei Kranken mit Lungen¬ 
tumoren in den Versuchen No. 16 und 17. In beiden sind zwar die 

Lungenvolumina klein, als Beweis für die Einschränkung der respira¬ 

torischen Oberfläche, aber in keinem der beiden Fälle waren die Tumoren, 
die sowohl klinisch wie röntgenologisch und beim Fall 17 auch durch 
Section festgestellt wurden, so gross, dass sie das Lungengewebe in einer, 
die hohen Mittelcapacitätswerthe rechtfertigenden Weise coraprimirt hätten. 
Hier sind gewiss noch andere Momente im Spiel, die wir jetzt nicht 
übersehen können. Von einer höhergradigen circulatorischen Schädigung 
war zur Zeit der Untersuchung auch noch keine Rede. Beim Fall 18, 
wo durch tuberculöse Processe ein Oberlappen zu Grunde gegangen war, 
ist der Werth von 70 pCt. durch die circulatorische Schwäche, die bei 
dem Patienten entschieden vorhanden ist, erklärt. Die tuberculöse 

Infiltration der Lunge schädigt das Herz theilweise dadurch, dass 

sie einen grossen Widerstand für den Kreislauf bildet, theils schädigt 
die Tuberculöse als solche das Myocard. Das Zusammenwirken 
dieser beiden Factoren ruft dann reflectorisch die Erhöhung der Mittel¬ 
lage hervor. 

Aus den mannigfachsten Gesichtspunkten ist der respiratorische Be¬ 
fund bei den Bechterew-Kranken bemerkenswerth. Beim Gesunden 
besitzt die Lunge einen ausreichend grossen Spielraum für die circula¬ 
torische Anpassung der Lunge, beim BechterewKranken sehen wir diesen 
Spielraum sehr eingeengt, und darin liegt die Bedeutung der respi- 


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Die patbologisohe Physiologie des Lungenvolumens etc. 


221 


ratorischen Grössenverhältnisse für diese Kranken. Sie sind 
einer grösseren, körperlichen Anstrengung nicht fähig, weil 
sie durch Erhöhung ihres Donders’schen Druckes der Circu- 
lation nicht zu Hilfe kommen können. Vielleicht ist noch ein 
Umstand, der erschwerend mitspielt. Die Lunge athraet nämlich in diesen 
Fällen nur vermöge der ausschliesslichen Zwerchfellrespiration in ihren 
unteren Abschnitten. Hier werden durch die Inspiration die Lungen¬ 
alveolen dermaassen gedehnt, dass das ßlut, das diesem Mechanismus 
entsprechend hierher in grösseren Massen strömt, vollkommen arterialisirt 
wird. In den oberen, wenig gedehnten, ja sogar comprimirten 
Theilen müssen die Verhältnisse für die Aufnahme und die 
Diffusion der Gase viel ungünstiger liegen, denn es wird erstens 
zu den oberen Lungenabschnitten weniger Blut fliessen, zweitens 
wird diesen Theilen weniger Luft zugeführt und drittens wird 
die Gasaufnahme und -Abgabe durch die wenig gespannten 
Alveolarsepta erschwert sein. Lauter Factoren, die zu einer respi¬ 
ratorischen Insufficienz, wie wir sie bei diesen Kranken thatsächlich stets 
finden können, führen müssen. Da sich sämmtliche respiratorische 
Grössen gleichmässig verringern, finden wir selbstverständlich in den 
Verhältnisszahlcn der einzelnen Componenten zu den anderen keine Ver¬ 
schiebung gegen die Normalzahlen. Wir finden also das Verhältnis der 
Residualluft zu der Vital-, Total- und Mittelcapacität normal und ebenso 
steht es mit der Relation der Mittelcapacität zur Totalcapacität und der 
Reserveluft zur Vitalcapacität. 

Da sich die Patienten im Liegen schlecht fühlen und im Sitzen und 
Stehen freier athmen, so war es ganz interessant, die respiratorischen 
Verhältnisse in verschiedenen Körperlagen zu studiren. Es ergaben sich 
bei dieser Untersuchung bei den zwei Fällen No. 20 und 19 folgende 
Werthe: 


Tabelle 12. (Fall 20.) 



Respiratorisches 

Volumen 

Comple- 

mentärluft 

Reserve¬ 

luft 

Vital¬ 

capacität 

Sitzend .... 

650 

900 

800 

1700 

Stehend.... 

580 

900 

800 

1700 

Liegend.... 

550 

800 

220 

1020 


Tabelle 13. (Fall 19.) 



Respiratorisches 

Volumen 

Comple- 

mentärluft 

Reserve¬ 

luft 

Vital¬ 

capacität 

Sitzend. 

600 

810 

770 

1580 

Stehend . 

680 

850 

800 

1650 

Liegend. 

350 

1070 

510 

1580 

In der Arbeit stehend . . . 

700 

— 

— 

— 

Nach der Arbeit stehend. . 

550 

750 

600 

1350 


Besonders ist, wie wir sehen, die Reserveluft im Liegen verringert. 
Wenn wir in Betracht ziehen, dass auch das respiratorische Volumen im 


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Liegen kleiner wird, so können wir als sicher annehmen, dass im Liegen 
die Exspiration nur unvollkommen erfolgen kann, was uns bei dem be¬ 
schriebenen Athmungsmechanismus des starr in Exspirationsstellung 
fixirten Thorax nicht wundern kann. 

Die Bechterew-Kranken zeigen uns, in welchem Maassc das Zwerchfell 
allein die respiratorische Function versorgen kann. Es war also weiterhin 
interessant zu erfahren, wie die Verhältnisse liegen, wenn das Zwerch¬ 
fell von der Athmung ausgeschaltet ist und nur der Thorax 
allein die Athmungsbewegung ausführt. Wir waren in der Lage, 
den Antheil der thoracalen und der Zwerchfellathmung an der Respiration 
bei demselben Individuum zu untersuchen. Es zeigte sich ein Mann 
in unserer Klinik, der durch langjährige Uebung es erlernt hatte, seine 
Muskeln gesondert, willkürlich zu contrahiren. Dieser Mann konnte das 
eine Mal sein Zwerchfell absolut ruhig stellen und nur mit dem Brust¬ 
korb athmen, das andere Mal seinen Thorax ruhig halten und nur mit 
dem Zwerchfell athmen. Die Versuchsergebnisse waren in diesem Falle 
folgende: 

Tabelle 14. 



Normal 

I 

Zwerch¬ 

fell¬ 

athmung 

11 

Thorax- 

atbmung 

Summa 

von 

i + ii 

Bei Zwerch- 
fellathmung 
in pCt. 
der Summe 

Bei thoracaler 
Athmung 
in pCt. 
der Summe 

Complementär’ 
Iuft .... 

2600 

980 

1400 

2380 

41 

59 

Reserveluft . . 

1600 

600 

1080 

1080 

35 

65 

Vitalcapacität. 

4200 

1580 

2480 

4060 

38 

62 


Die Normalwerthe entsprechen bei diesem Fall Zahlen, die wir beim 
gesunden mittelgrossen Manne zu finden pflegen. Die Wertho bei der 
Zwerchfellathmung entsprechen im Grossen denjenigen, die wir bei den 
Bechterew-Kranken ermittelt haben, in äusserst prägnanter Weise. Wie 
wir aus der Zusammenstellung ersehen können, ist die reine thoracale 
Athmung leistungsfähiger als die Zwerchfellathmung. So sehen wir, 
dass bei der Zwerchfellathmung die Complementärluft 41, die 
Reserveluft 35 pCt. der Athmung bei Functionen sämmtlicher 
Athmungsmuskeln ausmacht, dass also der Bechterew-Kranke be¬ 
züglich der Respiration schlechter daran ist, als ein Kranker mit totaler 
Lähmung des Diaphragmas. 

Zu ähnlichem Resultate ist Huttkranz 1 ) gekommen, der einen 
Menschen in ein starrwandiges Gefäss setzte und die respiratorischen 
Ober- und Unterleibbewegungen durch luftdichtes Abschliessen isolirt 
registrirte. Diese Versuche zeigten, dass von 490 ccm Respirations¬ 
volumen 300 ccm auf die Thoraxerweiterung und 170 ccm auf die 
Zwerchfellathmung fallen; also es besteht ein Verhältniss von 66:34 
gegen unsere Feststellungen der Vitalcapacität von 62 : 38. 


1) Huttkranz, Med. Centralbl. 1890. S. 226. 


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223 


Was den respiratorischen Stoffwechsel bei der Wirbel- und 
Rippenversteifung anlangt, so finden wir die Ergebnisse der beiden Kranken¬ 
untersuchungen in der Tabelle 15 zusammengestellt. 


Tabelle 15. 




Bechterew 

Dystrophia 

musculorum 

progressiva 



Fall 20 

am 

10. 2. 1910 

Fall 21 

am 

23. 2.1911 

Fall 19 

Atemvolumen pro Min. 


5905 

3638 

4440 

6903 

C0 2 -Production pro Min. 

C0 2 -Production pro Min. nach 

kg 

152,4 

175,1 

131,0 

183,0 

Körpergewicht. 

2,82 

3,40 

2,27 

2,03 

0 2 -Verbrauch pro Min. 

0 2 -Verb rauch pro Min. nach 

kg 

188,4 

184,9 

168,0 

219,0 

Körpergewicht. 

3,49 

3,59 

2,89 

2,43 

Respiratorischer Quotient . . . 


0,808 

0,947 

0,785 

0,836 

0 2 in der AusathmuDgsluft . . . 


17,74 

15,88 

17,15 

17,79 


Wir können aus der Tabelle zunächst entnehmen, dass das Athem- 
volumen gegen 6 bis 8 Liter der Norm mit 5,9 resp. 3,6 und 4,4 Litern 
wesentlich geringer ist. Auffallend ist bei dem Fall 20, dass während 
eines Jahres mit fortschreitender Krankheit das Athemvolumen um 
fast ein Drittel abgenommen hat, was in dem Sinken der alveolaren 
Sauerstoiftension ihren besonderen Ausdruck findet. Auffallend ist 
weiterhin, dass diese Yolumabnahme sich bei annähernd gleichem 
SauerstolTverbrauch des Körpers eingestellt hat. Wir finden einen 
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Minute von 3,49 und nach 
einem Jahre von 3,59 ccm. Auf die Veränderungen der Kohlen- 
säureproduction hier näher einzugehen, fällt aus dem Rahmen unserer 
Betrachtungen und wir beschränken uns hier nur auf die kurze Be¬ 
merkung, dass es sich wohl in unserem Versuch vorwiegend um Kohle- 
bydratverbrennung handelt, worauf der hohe respiratorische Quotient von 
0,9 hinweist. Eine nähere Besprechung erheischt hingegen der verhältniss- 
mässig geringe Sauerstoffverbrauch, der in Fall 19 noch mehr ausgeprägt 
ist. Die Frage des normalen Sauerstoffverbrauchs ist wenig geklärt. 
Sicher ist es, dass wir bei durchaus normalen Individuen einen Sauer¬ 
stoffverbrauch finden können, der sogar noch kleiner sein kann, als wir 
es in unseren Fällen gefunden haben. In meinen diesbezüglich unter¬ 
suchten Normalfällen (1. c.) fand ich in Uebereinstimmung mit anderen 
Forschern einen mittleren Sauerstoffverbrauch von 4,2 ccm pro Kilogramm 
Körpergewicht. Menschen, die unter 4 ccm pro Kilogramm verbrauchen, 
sind Ausnahmen. Wenn wir also constant niedrige Zahlen und im 
Fall 19 sogar die Zahl von 2,89 ccm pro Kilogramm Körpergewicht finden, 
so müssen wir dafür einen Grund suchen. Dieser Grund ist nicht schwer 
zu finden, wenn wir. mit Zuntz annehmen, dass der Sauerstoffverbrauch 
mit der Muskelmasse des Individuums in engem Zusammenhänge steht. 
Bei der Bechterew’schen Krankheit werden theils durch die knöcherne 


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224 


Johann PI esch, 


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Fixation des Rückgrates diejenigen Muskeln ausser Thätigkeit gesetzt 
resp. einer Inactivitätsatrophie verfallen, die sonst die Wirbelsäule in 
verschiedenen Lagen fixiren, theils aber werden auch Muskeln der Atrophie 
anheim fallen, die durch die Compression resp. Entzündung der dazu 
gehörigen Nerven eine trophische Störung erleiden. Auch durch die ver¬ 
änderten statischen Verhältnisse des Körpers werden im Gebiete der 
contracturirten Gelenke die antagonistischen Muskelgruppen atrophiren. 
Eine weitere Reduction der Muskelmasse wird durch die Fixation des 
Thorax zu Stande kommen müssen. Die Thoraxmusculatur finden wir 
in jedem Falle von ßechterew’scher Erkrankung bis auf ein Minimum 
geschwunden. Die Atrophie der Muskelmasse können wir also un¬ 
gezwungen zur Erklärung des geringen Sauerstoffbedürfnisses 
des Organismus heranziehen. Aber es kommt noch ein wesent¬ 
licher Factor hinzu, der diese Verhältnisse unserem Verständnisse näher 
bringt. Ich konnte zeigen, dass die Athmungsarbeit beim gesunden 
Menschen 15 mkg pro Minute ausmacht. Nun sehen wir gerade die 
Athmungsarbeit bei unserem Kranken auf ein Minimum re- 
ducirt; reducirt in der Thätigkeit der Respirationsmuskeln, 
reducirt in dem Athemvolumen und schliesslich reducirt be¬ 
züglich der Respirationsfrequenz. Es ist somit, wie wir sehen, 
für die Einschränkung des Sauerstoffbedürfnisses bei der Bechterew’schen 
Erkrankung eine ausreichende Erklärung gefunden. Zur weiteren Er¬ 
örterung dieser Annahme habe ich in dem letzten Stab der Tabelle 15 
noch einen Fall angeführt (No. 27), der als Pendant zu der Bechterew¬ 
schen Krankheit in dieser Beziehung dienen kann. Es handelte sich um 
einen Fall von Dystrophia musculorum progressiva. Die Krankheit 
war bei dem Versuchsindividuum bereits in einem sehr vorgeschrittenen 
Stadium, die grössten Muskeln des Oberkörpers waren schon in binde¬ 
gewebige Massen verwandelt. Auch in diesem Falle war der Sauerstoff¬ 
verbrauch, wie wir es garnicht anders erwarten konnten, minimal, er 
betrug 2,43 ccm pro Körperkilogramm. 


Tabelle 16. 



Fall 20 

am 

10. 2.1910 

Fall 21 

am 

23.2. 1911 

Fall 19 

Alveoläre Sauerstoffspannung in mm Hg. 

117,1 

95,9 

109,0 

Sauerstoffcapacität des Blutes in Vol.-pCt. 

13,6 

17,6 

15,1 

Sauerstoffgehalt des Arterienblutes in Vol.-pCt.. . 

13,2 

17,0 

14,8 

Sauerstoffspannung des venösen Blutes in mm Hg 

37,5 

31,55 

38,32 

Kohlensäurespannung des venösen Blutes in mm Hg 

42,78 

42,93 

41,54 

O a -Gehalt des venösen Blutes in pCt. d. 0 2 -Capacität 

60 

50 

63 

0 2 -Gehalt des venösen Blutes in Vol.-pCt. 

8,11 

8,8 

9,51 

0 2 -Verbrauch des Körpers pro Min. 

188,4 

184,9 

168,0 

Blut-Minutenvolumen in ccm. 

3679 

2254 

3168 

Blut-Minutenvolumen in pCt. des Körpergewichts 

0,68 

0,51 

0,54 

Herzschlagvolumen in ccm. 

61.3 

32,2 

46,5 

Herzschlagvolumen in pCt. des Körpergewichts . . 

1,13 

0,62 

0,80 


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Die pathologische Physiologie des Longenvolamens etc. 225 

An der Hand der Tabelle 16 wollen wir die circulatorischen 
Verhältnisse bei unseren Kranken einer näheren Besprechung unter¬ 
ziehen. 

Die Sauerstoffcapacität wurde mit meinem Kolbenkeilhämo¬ 
globinometer bestimmt. Sowohl der Fall 20 wie der Fall 21 zeigen 
ira Vergleich zur Normalzahl von 18,5 Vol.-pCt. 0 2 -Capacität einen nie¬ 
drigeren Werth. Auffallend ist, dass die Sauerstoffcapacität bei dem 
Fall 20 während eines Jahres, in welcher Zeit sich der Krankheitszustand 
wesentlich verschlimmert hatte, von 13,6 auf 17,6 gestiegen ist. Auf 
die Bedeutung dieser merkwürdigen Thatsachen müssen wir noch zurück¬ 
kommen. Was die Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes anlangt, so 
war diese entsprechend der alveolären Sauerstofftension zu 98 pCt. der 
Sauerstoffcapacität erfolgt, nur bei der letzteren Untersuchung des Falles 
(21) ergab die Sättigung 96 pCt. 

Der Sauerstoffgehalt des venösen Blutes ist durchweg kleiner als bei 
Gesunden, ja er ist so niedrig, dass wir kaum bei einer anderen Krank¬ 
heit ähnlich tiefe Zahlen finden können. Wir finden einen Sauerstoffgehalt 
im venösen Blute, der nur 60 resp. 50 und 63 pCt. der Sauerstoffcapa¬ 
cität beträgt. Es besteht bei der Bechterew’schen Krankheit kein ein¬ 
ziger Hinweis für eine Veränderung des Chemismus des Blutes. Sowohl 
morphologisch, wie biologisch und chemisch konnte bisher die Unter¬ 
suchung des Blutes solcher Kranken keine Veränderung zeigen, und wir 
müssen deshalb die Zahlen des Blutsauerstoffgehaltes, die laut der Disso- 
ciationscurve auf Grund der experimentell festgestellten Werthe für die 
Sauerstoff- und Kohlensäurespannung gefunden wurden, als richtig gelten 
lassen. Die Sauerstoff- und Kohlensäurespannung im venösen Blute ist 
mittels meiner Sackmethode bestimmt worden. Es handelt sich bei diesem 
Verfahren kurz um Folgendes: Es wird in einen mit reinem Stickstoff 
gefüllten, 15 Liter fassenden Gummisack geathmet. Durch die ersten 
Athemzüge wird die Lunge mit Stickstoff ausgewaschen, und nun wird 
nach starker Inspiration durch einen Dreiweghahn der grosse Gummisack 
aus- und ein kleiner, 3 Liter fassender, zunächst leerer Gummisack ein¬ 
geschaltet, in den nunmehr der Stickstoff ein- und ausgeathmet wird. In 
diesem kleinen Sack wird sich nach einer Weile nicht nur Stickstoff, 
sondern auch Kohlensäure und auch Sauerstoff befinden, welch’ letztere 
Gase von dem, den Lungen zuströmenden Mischblute des rechten Herzens 
abgegeben werden. Diese Abgabe des Sauerstoffes und der Kohlensäure 
kann nur so lange erfolgen, bis Spannungsgleichgewicht zwischen den 
Gasen im ßespirationssack und dem Lungenblute eingetreten ist. Wir 
werden also aus der Analyse der Sackluft auf Grund der Dissociations- 
curve des Sauerstoffes für das Hämoglobin den Gasgehalt des venösen Misch¬ 
blutes ohne Weiteres feststellen können. Gegen dieses Verfahren sind 
nur von der v. Noorden’schen Schule Bedenken ausgesprochen worden. 
Ich habe in einer Erwiderung 1 ) auf die Ein wände geantwortet und kann 
zu meiner Genugthuung erwähnen, dass die v. Noorden’sche Schule 


1) Plesch, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1910. 


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226 Johann Plesch, 

seither selbst meine Methode in zwei grösseren Arbeiten benutzt hat 1 ). 
Wir können also heute die auf Grund der geschilderten Untersuchungs¬ 
methode gewonnenen Werthe als zuverlässig betrachten. Sei dem aber 
wie ihm wolle, eines ist sicher, dass die bei den Bechterewschen 
Kranken gefundenen Werthe um ca. 25 pCt. niedriger liegen als in der 
Norm. Der Gesunde zeigt eine Sauerstoffausnutzung des arteriellen Blutes 
von 30 pCt. und wir finden in unseren Fällen eine solche von 40 und 
50 pCt. Es weist dies darauf hin, dass hier die circulatorischc Ge¬ 
schwindigkeit sehr abgenommen hat. Das Blut verweilt längere Zeit in 
den Capillaren, so dass die Gewebe mehr Sauerstoff aus dem Blute auf¬ 
nehmen, als bei gewölmlicher oder beschleunigter Circulation. Da wir 
bei fortschreitender Krankheit den Sauerstoffgehalt des venösen Blutes 
von 60 auf 50 pCt. abfallen sehen, so muss für diese Veränderung die 
Krankheit selbst verantwortlich gemacht werden, und wir müssen in den 
übrigen Krankheitserscheinungen dafür den Grund finden. Die respira¬ 
torischen Verhältnisse weisen deutlich darauf hin, dass die Ausdehnung 
resp. Entfaltung der Lunge nur sehr mangelhaft vor sich geht und somit 
der Donders’sche intrathoracale Druck weder die Höhe, noch die Aus¬ 
breitung finden wird, wie bei der normalen Athcmfunction. Daraus folgt 
aber, dass das venöse Blut nur schwer nach dem rechten Herzen gesaugt 
wird. Es muss demzufolge eine Stauung im venösen Abschnitte der 
Gefässe und des Herzens rcsultiren, als dessen Folge die Strömungs¬ 
geschwindigkeit abnehmen wird. Da jeder Ausfall eines circulatorischcn 
Factors das Einsetzen von compensatorischen Einrichtungen nach sich 
zieht, so werden wir diese auch in unserem speciellen Fall finden müssen. 
Wir finden die gesaramte Circulation in den Fällen von Wirbel¬ 
versteifung eingeschränkt, denn nur so ist es möglich, dass das 
Herz seiner Aufgabe, den Organismus mit Sauerstoff zu versorgen, ent¬ 
sprechen kann. Sowohl das Minutenvolumen wie das Herzschlag- 
volumon nimmt bei den Kranken ab. 

Wir berechnen das Minutenvolumen auf einfache und, wie ich glaube, 
einwandfreie Weise aus folgenden drei Factoren: 1. aus dem Sauerstoff¬ 
gehalt des arteriellen Blutes; 2. aus dem Sauerstoffgehalt des venösen 
Blutes; 3. aus dem Sauerstoffverbrauch des ganzen Körpers. Die Diffe¬ 
renz zwischen dem Sauerstoffgehalt des arteriellen und venösen Blutes 
ist gleich demjenigen Quantum Sauerstoff, das durch die Respiration ersetzt 
wird. Kennen wir also das pro Zeiteinheit verbrauchte Sauerstoffquantum 
und diejenige Menge Sauerstoff, die nöthig ist, um ein bestimmtes Vo¬ 
lumen venösen Blutes zu arterialisiren, so werden wir aus diesen Daten 
durch einfache Proportion die in der Zeiteinheit uragelaufene Blutmenge 
berechnen, d. h. das Minutenvolumen ermitteln können. Ist M = Minuten¬ 
volumen des Blutes, D = die Differenz an Sauerstoffgehalt • des arte¬ 
riellen und venösen Blutes in Volumprocenten ausgedrückt und S = der 


1) Vergl. P. Porges, A. Leimdörfer und E. Markovici, Ueber die Regu¬ 
lation der Athmung in pathologischen Zuständen. Wiener klin. Wochenschr. 1910. 
No. 40. S. 1406 u. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 73. H. 5 u. 6. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


227 


Sauerstoffverbrauch des Körpers pro Minute, so verhält sich M : S = 
100 : D, d. h. M = s jJ 00 

Wenn wir das Minutenvolumen durch die Zahl der Pulsschläge divi- 
diron, so erhalten wir das Herzschlagvolumen. 

Der Fall 20 zeigt bei der ersten Untersuchung ein Minutenvo¬ 
lumen von 3679 und bei der zweiten Untersuchung ein solches von 
2254. Der Fall 19 zeigt ebenfalls die niedrige Zahl von 3168. In der 
Norm finden wir die Zahl von 4300 ccm. — Es ist somit das Minuten- 
voluraen bei den Bechterew’schen Kranken um 1 / i und mehr verringert. 
Aehnlich liegen die Verhältnisse' bezüglich des Herzschlagvolumens. 
Auch hier finden wir niedere Werthe von 61,3 bezw. 32,2 und 46,5 ccm. 

Die Erleichterung der circulatorischen Arbeit des Herzens kann von 
jedem einzelnen Factor, von dem die Grösse des Minuten- bezw. des 
Herzschlagvolumens bestimmt wird, erfolgen. Je geringer der Sauerstoff¬ 
bedarf des Organismus ist, um so kleiner wird ceteris paribus die in der 
Minute umgesetzte Blutmenge zu sein brauchen. Je grösser die Sauer¬ 
stofftransportfähigkeit des Blutes ist, in um so kleinerem Volumen wird 
der nötige Sauerstoff zu den Geweben transportirt werden können. Je 
besser die Ausnützung des arteriellen Sauerstoffes in den Geweben er¬ 
folgt, ein um so geringeres Blutquantum wird genügen, um den Sauer¬ 
stoffbedarf des Körpers zu decken. Wir finden bei unseren Kranken 
einen Sauerstoffbedarf des Körpers, der als minimal zu bezeichnen ist, 
und eine Sauerstoffausnützung des venösen Blutes, welche die Werthe 
aufweist, wie sie tiefer kaum bei einer anderen Krankheit zu finden sind. 
Es ist schwer zu sagen, ob wir es hier mit einer Compensation oder 
mit einer Folge der Erkrankung zu thun haben. Nach unseren Aus¬ 
führungen werden wir eher geneigt sein, das Letztere anzunehmen, und 
es ist gar kein Zweifel, dass sowohl die tiefere Sauerstoffausnützung des 
arteriellen Blutes, wie die Einschränkung des Sauerstoffverbrauches theil- 
weise durch die Krankheit bedingt sind, aber es weisen die Zahlen, die 
wir bei dem Fall 20 gefunden haben, darauf hin, dass hier auch Com- 
pensationen eine gewisse Rolle spielen. Besonders zeigt dies die Zu¬ 
nahme der Sauerstoffcapacität von 13,2 auf 17,6 Vol.-pCt. Wir wissen, 
dass bei jeglicher Einschränkung der respiratorischen, sowie der circu¬ 
latorischen Function eine compensatorische Hyperglobulie entsteht. Es 
ist gezeigt worden, dass mit dem Fortschreiten der Krankheit sowohl die 
Respiration, wie auch die Circulation gelitten hat, und wir können somit 
die Zunahme der Sauerstoffcapacität des Blutes als eine Compensation 
betrachten. 

Die geschilderten Circulations- und Respirationsverhältnisse erklären 
uns zur Genüge, warum die Patienten bei vollkommen ausgebildeter 
Krankheit nicht an ihrer eigentlichen Krankheit, sondern an deren 
Folgezuständen zu Grunde gehen, dass die letzte Ursache ihres 
Todes die Imcompetenz der Athmung und des Kreislaufes ist. 
Die Ausführungen zeigen uns auch die Wege, die wir bei einer rationellen 
Therapie einzuschlagen haben. Unser Bestreben muss sein, die Fixation 


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228 


Johann Plesch, 


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des Thorax zu verhindern, oder bei bereits starrem Thorax für die 
Mobilisirung der Rippen, eventuell auf operativem Wege durch Resection 
der hinteren Rippenenden, zu sorgen. Vor der Hand besitzen wir noch 
kein Verfahren, dass diesen Anforderungen gerecht wird, und deshalb ist 
die Prognose dieser Krankheit in Anbetracht des progredienten Verlaufs 
schlecht. 

Der Fall von Eventeratio diaphragmatica (25), wobei die linke 
Thoraxhälfte zum grossen Theil mit Eingeweiden ausgefüllt war, zeigt 
trotz der wesentlichen Einschränkung der respiratorischen Oberfläche nur 
geringe Zunahme der Mittelcapacität. 

Der Kranke No. 26 hatte eine totale rechtsseitige Zwerch¬ 
fellslähmung. Man sah am Röntgenschirm die charakteristische para¬ 
doxe Bewegung des Zwerchfells. Die Mittellage ist hier als normal gross 
zu betrachten, sie beträgt 56 pCt. des Totalvolumens. Wir müssen in 
diesem Falle annehmen, das hier die Einstellung der Mittellage von zwei 
Momenten beeinflusst worden ist. Das eine Mal muss die Mittelcapacität 
die Tendenz besitzen, zuzunehmen, um die ausgefallene Zwerchfellsbewegung 
zu compensiren, andererseits dürfte die Mittellago gezwungen sein, abzu¬ 
nehmen, um nicht durch den erhöhten inspiratorischen Donders’schen 
Druck das Zwerchfell noch höher zu ziehen und so die Circulation zu 
hindern. 

Die Dystrophia musculorum progressiva (No. 27) zeigt eher 
eine kleine Mittelcapacität, sie beträgt 47 pCt. des Totalvolumens. Wenn 
wir den Grund dieser kleinen Mittellage suchen, so könnten wir es wohl 
auch auf circulatorische Verhältnisse zurückzuführen, indem wir einfach 
behaupten würden, die Circulation bezw. der kleine Kreislauf hatte eine 
höhere Einstellung nicht nöthig. Dem ist aber nicht so, schon dem 
Alter von 57 Jahren entspräche eine höhere Mittellage und ausserdem 
bestand noch eine gewisse Kreislaufschwäche bei dem Patienten, der 
übrigens ein Jahr nach der Untersuchung wegen Kreislaufinsufficienz in 
der Klinik gepflegt wurde. Wir haben schon kurz erwähnt, dass die 
Einstellung einer respiratorischen Mittellage eine gewisse inspiratorische 
Thoraxstellung beansprucht, die durch einen Muskeltonus der Respirations- 
musculatur aufrecht erhalten wird. Je höher die Mittellage ist, um so 
mehr muss der inspiratorische Muskeltonus dem elastischen Zug des 
Thorax Widerstand leisten. Wir werden also bei einer erhöhten Mittel¬ 
lage mit einer erhöhten Muskelarbeit zu rechnen haben. Nun hat aber 
die Muskelatrophie bei dem in Frage stehenden Kranken schon auf die 
Respirationsmusculatur übergegriffen, und so geschah, was zu erwarten 
war, dass sich die Mittelcapacität verringert hat. Es ist natürlich sehr 
schwer zu sagen, ob die Herzschädigung im directen Zusammenhang 
mit dem Grundleiden des Kranken steht, oder ob die Herzmuskel¬ 
schwäche eine dirccte Folge der respiratorischen accommodativen In- 
sufficienz ist. 

Bei der Cirrhosis hepatis wäre von vorne herein eine hohe Mittel¬ 
capacität zu erwarten gewesen, da man doch für die Stauung in dem 
Bereich der unteren Hohlader eine grössere Ansaugung für günstig er¬ 
achten muss. Demgegenüber zeigt uns die ermittelte Zahl von 51,5 pCt. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 229 

ein Volumen, welches in unserer ganzen Versuchsreihe mit die kleinste 
ist. Der Ascites wirkt allerdings in der Weise, dass die Baucheingeweide 
gegen das Zwerchfell gehoben werden, daraus resultirt ein Hochstand 
des Diaphragmas, was wieder seinerseits die Compression der Lungen 
nach sich zieht. In der That finden wir bei dem sehr hohen Manne von 
178 cm Höhe nur ein Totalvolumen von 4823 ccm. Wir müssen die 
Frage offen lassen, ob in diesem Falle die Compression der Lungen die 
kleine Mittellage verursacht hat, oder ob eben die kleine Mittelcapacität 
auch hier eine reflectorische ist. 

Der Fall 29 von Polycythämie zeigt recht eigenartige Verhältnisse. 
Die Untersuchung erstreckte sich sowohl auf den Ruhezustand, wie auch 
auf die Verhältnisse nach ausgiebiger Muskelarbeit (Tab. 18). Auffallend ist 
in diesem Falle die grosse Mittelcapacität von 75pCt. der Totalcapacität, 
ein Werth der wohl nahe der oberen Grenze der von uns ermittelten 
Werthe liegt. Einen Grund für diese hohe Zahl können wir in einer 
Herzschwäche nicht finden. Es bestand von Seiten der Circulation kein 
klinisches Symptom, welches auf eine Schwäche des Herzens hingedeutet 
hätte. Wir müssen also für diesen Fall eine andere Ursache des so ge¬ 
waltig erhöhter^ Donders’schen Druckes suchen und, wie ich glaube, 
können wir dafür die Viscosität des Blutes verantwortlich machen. Für 
die Rückströraung des Blutes aus den Capillaren wie es aus der, in 
meinen hämodynamisehen Studien ausführlich erörterten Formel hervor¬ 
geht, ist die Viscosität des Blutes von grosser Bedeutung. 


Tabelle 17. 



Puls 

Athem- 

volumen 

l 

Residualluft | 

Reserveluft 

Comple- 

mentärluft 

Mittel¬ 

capacität 

Total¬ 

capacität 

Vital- 

capacität 

Mittel¬ 
capacität in 
pCt. der 
Total¬ 
capacität 

Ruhe. 

92 

80 

500 

680 

1697 

1640 

1620 

1600 

1100 

1400 

3317 

3240 

4417 

4640 

2720 

3000 

75,1 

65,5 

Arbeit. .... 



Die Formel, nach welcher wir die translatorische Strömungsgeschwin¬ 
digkeit berechnen können, lautet: v = —— 7r , in welcher das 

Secundenblutvolumen, Z den Zeitantheil der Systole an einer Herzrevo¬ 
lution und Q den Gefässquerschnitt bedeutet. Es ist klar, dass die 
Strömungsarbeit mit der Verengerung der Gefässlumina zunehmen muss. 
Durch Untersuchungen von Bence 1 ), Münzer 2 ), Umber 3 ) wissen wir, 
dass das Blut der Polycythämiker eine bis zum Vierfachen gesteigerte 
Viscosität besitzt. Die dunkelrothe Färbung der Polycythämiker ist nicht 
auf eine Plethora vera zurückzuführen; die von mir untersuchten Fälle 
zeigen zwar theilweise eine Zunahme des Blutvolumens, aber diese ist 
nicht erheblich, und ich fand bei viel erheblicheren Blutmengeuzunahmen 

1) Bence, Zeitschr. f. klin. Med. 1906. Bd. 58. 

2) Münzer, Münch, med. Wochenschr. 1908. 

3) Umber, Deutsobe med. Wochenschr. 1909. No. 48. S. 247. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd. jq 


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Johann Plesch, 


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keine ähnliche Färbung. Unser Fall hatte übrigens eine Blutmenge 
von 5,2 pCt., also eine Menge, die kaum die normale Höhe erreicht, und 
die Patientin hatte trotzdem eine sehr auffallende Erythrose. Senator 
giebt für diese Erscheinung in seiner Monographie keine Erklärung. Ich 
glaube, dass wir es hier mit einer Erweiterung der Capillarcn zu thun haben, 
die als eine Compensation für die erschwerte Blutströmung aufzufassen ist. 
Nur in diesem Sinne können wir auch die so erheblich vergrösserte Mittellage 
unseres Falles erklären. Die Capillaren des kleinen Kreislaufes wurden durch 
die erhöhte intrathoracale Druckdifferenz erweitert, um auf diese Weise die 
Strömung im kleinen Kreislauf zu erleichtern. Wir haben es also in diesem 
Falle wieder mit einem zweckmässigen Reflex zu thun, der aber hier einer¬ 
seits dazu dient, die Rückströmung des Blutes aus den Capillaren zu er¬ 
leichtern, andererseits die Blutströmung im kleinen Kreislauf zu fördern. 

Die paradoxe Aenderung der Mittelcapacität nach körperlicher Arbeit 
bei demselben Falle No. 29 (Tab. 17) von Polycythämie steht scheinbar mit 
dem Gesagten in Widerspruch. Wir finden, dass sich die Mittelcapacität 
nach Muskelanstrengung — statt sich, so wie dies bei Gesunden der Fall ist, 
zu vergrössern — im Gegentheil verkleinert; sie fiel von 75,1 pCt. auf 
65,5 pCt. Es ist dies nicht das einzige paradoxe Symptom, denn z. B. 
fiel auch der Puls von 92 auf 88 in der Minute. Es ist hier nicht der 
Platz, auf die circulatorischen Einzelheiten bei der Polycythämie einzu¬ 
gehen. Ich habe dies ausführlich an anderem Orte gemeinsam mit v. Berg¬ 
mann 1 ) ausgeführt, hier sei nur darauf hingewiesen, dass auch dieser 
Befund bei näherer Betrachtung nicht unseren früheren Erörterungen 
widerspricht. Es giebt gewisse Leute mit Polyglobulie, die ihren arteriellen 
Sauerstoff nur wenig ausnützen — und unsere Patientin gehört zu dieser 
Gruppe —, denn das arterielle Blut wird nur zu 18 pCt. gegen 30 bis 
35 pCt. der Norm während eines Kreislaufes ausgenützt. Bei körper¬ 
licher Anstrengung kann somit der Sauerstoffmehrbedarf einfach dadurch 
gedeckt werden, dass der arterielle Sauerstoff mehr ausgenützt wird, 
ohne die Herzthätigkeit in irgend einer Weise in Anspruch zu nehmen. 
Dieser Umstand reicht nicht aus, um unseren Befund zu erklären, wenn 
wir nur den proccntischcn Antheil der Mittelcapacität an der Total- 
capacität für unsere Betrachtungen als Richtschnur nehmen. Wenn wir 
hingegen die einzelnen Werthe der Lungen Volumina betrachten, 
so klärt sich der Widerspruch auf, denn wir finden auch in der Arbeit 
durchaus Werthe, die mit den Ruhezahlen übereinstimmen. Eine Aus¬ 
nahme macht die Complementärluft, die um 300 ccm zugenommen hat. 
Dadurch allein verschiebt sich das Verhältniss zwischen Mittel¬ 
und Totalcapacität. Der Werth der Mittelcapacität ist eigent¬ 
lich in beiden Untersuchungen annähernd derselbe geblieben, und 
zwar aus Gründen, die wahrscheinlich mit der besseren Ausnutzung des 
arteriellen Sauerstoffes in Zusammenhang stehen. 

Die Tabelle No. 18 umfasst die Fälle, bei denen eine Anämie bestand. 
Wir wollen zunächst die Gründe, die zur Anämie führten, unbeachtet lassen. 


1) v. Bergmann und Plesch, Ueber Polycythämie. Münch, med. Wochen¬ 
schrift. 1911. No. 35. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


231 


Tabelle 18. 


Versuch No. ! 

i 

Puls 

Sauerstoffcapacit. 
des Blutes 
in Vol.-pCt. 

Rothe Blutkör¬ 
perchen in Mill. 

Respiratorisches 

Volumen 

Residualluft 

Reserveluft 

Complementär- 

luft 

Mittelcapacität 

Vitalcapacität 

Totalcapacität 

Mittelcapacität 
in pCt. der 
Totalcapacität 

31 

92 

4,0 

_ 

429 

1737 

2030 

835 

3767 

2865 

4652 

80,8 

32 

112 

4,8 

1,6 

454 

1547 

1115 

1251 

2662 

2366 

3913 

68,0 

33 

72 

7,3 

2,65 

847 

1248 

1672 

2085 

2920 

3757 

5005 

58,0 

34 

102 

13,0 

1,8 

383 

1930 

1460 

1960 

3390 

3420 

5350 

63,4 

35 

108 

10,0 

2,03 

878 

2210 

700 

2020 

2910 

2720 

4930 

59,0 


Alle Fälle sind durch eine vergrösserte Mittelcapacität charakterisirt. 

Es ist von vielen Autoren der Versuch gemacht worden, eine Er¬ 
klärung dafür zu geben, wie die Oxydation im anämischen Organismus 
vor sich geht. Kraus 1 ) wies wohl als Erster darauf hin, und dieser 
Versuch wurde von späteren Untersuchern vielfach bestätigt [Magnus- 
Lcvy 2 ), Bohland und Meyer 3 ), Thiele und Nehring 4 ) etc.], dass die 
an Hämoglobinarmuth leidenden Kranken, nicht, wie man a priori anzu¬ 
nehmen geneigt ist, einen verringerten Stoffwechsel haben, sondern dass 
der Sauerstoffbedarf der Anämiker ein grösserer ist, als bei Gesunden. 
Im Durchschnitt fand ich bei meinen Untersuchungen, dass die Anä¬ 
mischen um 20 pCt. grösseren Sauerstoffbedarf haben, als die 
Gesunden. Es wurde von vielen Autoren untersucht, wie es das hämo- 
globinarrae Blut fertig bringt, dem Organismus den Sauerstoff zuzuführen. 
So stellte Mohr 5 ) Versuche an, ob nicht etwa das Hämoglobin der 
Anämischen eine grössere Sauerstoffbindefähigkeit besitzt, als das normale 
Hämoglobin. Mohr konnte in einigen Fällen eine grössere Sauerstoff¬ 
bindefähigkeit des Hämoglobins nachweisen, doch finden wir selbst in 
Mohr’s Zahlen «keine strenge Proportionalität, d. h. es hat nicht immer 
das anämische Hämoglobin die grössere Bindefähigkeit gezeigt. Die Be¬ 
funde Mohr’s konnte ich 6 ) nicht bestätigen. Morawitz und Röhmer 7 ) 
gingen bei ihren Untersuchungen von dem Gedanken aus, dass vielleicht 
der arterielle Sauerstoffgehalt des Blutes bei den Anämischen besser aus¬ 
genutzt wird und dadurch die Compensation für die Hämoglobinarmuth 
gegeben ist. Auch diese Untersuchungen fielen negativ aus. Nun konnte 
ich durch meine Untersuchungen den Modus zeigen, durch welchen es 
möglich wird, dass bei der Anämie der Verbrennungsprocess ohne Störung 
der Sauerstoffzufuhr vor sich gehen kann. Es stellte sich heraus, dass es 


1) Kraus, Die Ermüdung als Maass der Constitution. Bibi. mcd. D. I. H. 3. 

2) Magnus-Levy, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 60. 

3) Bohland und Meyer, Berl. klin. Wochenschr. 1893. 

4) Thiele und Nehring, Arcb. f. klin. Med. Bd. 30. S. 41. 

5) Mohr, Diese Zeitschr. Bd. 2. S. 435. 

6) Plesch, 1. c. S. 147. 

7) Morawitz und Röhmer, Ueber die Sauerstoffversorgung bei Anämie. 
Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 94. S. 540. 

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232 


Johann Plesch , 


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das vergrösscrte Minutenvoluraen ist, welches den Mangel an Hämoglobin 
ersetzt. Konnte ich damals sagen, dass es nichts in der klinischen 
Pathologie giebt, was mit dieser experimentellen in einer sehr grossen 
Anzahl von Fällen festgestellten Thatsache in Widerspruch steht, so findet 
dieser Satz durch das hier vorliegende experimentelle Material eine weitere 
Unterstützung. 

Die vergrösscrte Mittelcapacität, die wir durchwegs bei jedem einzelnen 
Falle beobachten konnten, weist mit Sicherheit darauf hin, dass wir es 
mit einer gesteigerten Circulationsarbeit zu thun haben. Auch hier hat 
der erhöhte Donders’sche Druck einem doppelten Zwecke zu dienen; 
das eine Mal der Beförderung des venösen Blutes zum Herzen, das andere 
Mal der Erleichterung der Arbeit des rechten Herzens. Die ebenfalls 
in allen Fällen deutliche Steigerung der Pulszahl weist auf eine erschwerte 
und schwache Circulation hin und mit diesem Symptom parallel zeigt 
die Mittellage, dass es die Circulation ist, die compensatorisch für die 
Hämoglobinarmuth eintritt. In neuester Zeit hat Pütter diese meine 
Ansicht bekämpft und auf Grund orthodiagraphischer Ausmessungen 
Dietlen’s nachzuweisen versucht, dass es unmöglich ist, das Herz 
leiste bei der Anämie oder in der Arbeit mehr, sondern dass der Sauer¬ 
stoff zum grössten Theil so, wie dies von Bohr angenommen wurde, in 
den Lungen verbraucht wird und nicht vom Blute im Organismus ver¬ 
theilt wird. Es wäre gar kein Grund für die Erhöhung der Mittellage, 
wenn dies der Fall wäre. Ich habe doch Eingangs dieses Capitels ge¬ 
zeigt, dass für die Oxydation und die Kohlensäureabgabe die Grösse 
der Mittellage gleichgültig ist; für den Gasaustausch kommt hauptsächlich 
das respiratorische Volumen resp. der Ventilationscoefficient in Betracht. 

Wir haben bisher den gesetzraässigen Zusammenhang zwischen 
Circulation und Mittellage feststellen können und wir werden dieses 
Gesetz auch in unseren weiteren Ausführungen zu begründen suchen, so 
dass wir selbst auf Grund der Analogie hier auch annehmen müssen, 
dass die bei den Anämien gefundene grössere Mittelcapacität im engen 
Zusammenhang mit der circulatorischen compensirenden Mehrarbeit des 
Herzens steht. Die Richtigkeit dieser Annahme wird noch dadurch be¬ 
stätigt, dass die Aenderung der Mittellage nicht etwa von der Art der 
Erkrankung, sondern von dem Grad der Anämie bestimmt wird. 

Es ist selbstverständlich ausgeschlossen, eine absolute Proportionalität 
zwischen der Höhe der Mittelcapacität und der Hämoglobinarmuth fest¬ 
zustellen, denn es wird sich doch die Mittellage auch nach der Herzkraft 
reguliren. Bei einer acut aufgetretenen Anämie mit gut erhaltener Herz¬ 
kraft, wie es bei Anämien nach profusen Blutungen Vorkommen kann, 
braucht die Mittellage selbst bei geringem Hämoglobingehalt nicht so 
sehr zu steigen wie bei chronischen Anämien mit bereits geschädigtem, 
ermüdetem Herzen. Es wird sich also nicht wie in einer mathematischen 
Progression die Mittellage proportional der Hämoglobinarmuth oder Ab¬ 
nahme der rothen Blutkörperchenzahl kaum vergrössem. Am besten 
zeigt das der Fall 34, der mit 13,0 Vol.-pCt. Sauerstoffcapacität eine 
Mittellage von 63,4 pCt., gegen den Fall 33 mit 7,3 Vol.-pCt. Sauerstoff¬ 
capacität und 58 pCt. Mittelcapacität aufweist. Was wir auf Grund 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolamens etc. 


233 


unseres Zahlenmaterials sagen können, ist, dass die Mittellage ceteris 
paribus mit der Verminderung des Hämoglobingehaltes pro¬ 
portional wächst und auch bei den Anämien das Gesetz der 
Correlation zwischen Mittellage und Circulation besteht. 

Die Lungenvolumenverhältnisse bei Nephritiden wurden bei 4 Fällen 
untersucht und die Versuchsergebnisse sind in der Tabelle 19 zusammen¬ 
gestellt. 

Tabelle 19. 


Versuch No. | 

Blutdruck 

Respiratorisches 

Volumen 

3 

75 

3 

HO 

a> 

« 

Reserveluft 

Complementär- 

luft 

Mittelcapacität ! 

i 

Vitalcapacität 

Totalcapacität 

Mittel¬ 
capacität in 
pCt. der 
Total¬ 
capacität 

Mini¬ 

mum 

Maxi¬ 

mum 

36 

168 

300 

283 

1900 

1137 

1816 

3037 

2953 

4853 

62,6 

37 

163 

161 

587 

1110 

511 

1250 

1621 

1761 

2871 

56,4 

38 

74 

118 

578 

1070 

703 

1220 

1773 

1923 

2993 

59,2 

39 

94 

136 

688 

1340 

598 

2482 

1946 

3080 

4428 

43,0 


Es sind in dieser Tabelle zwei Fälle, bei denen der arterielle Blut¬ 
druck hoch ist, und zwei Fälle, bei welchen der Blutdruck niedrig ist. 
Wollten wir die Mittellage mit dem Blutdruck in Beziehung bringen, so 
würde dies nur sehr gezwungen gelingen, denn wir sehen sowohl bei dem 
Fall mit 300 mm Hg maximalem Blutdruck eine Mittellage von 62,6 pCt., 
wie auch bei dem Fall mit nur 118 mm Hg eine hohe Mittelcapacität 
von nahezu 60 pCt. Theoretisch betrachtet, liegt sowohl bei der Ne¬ 
phritis parenchymatosa, wie auch bei der interstitiellen Nierenentzündung 
kein Grund für eine Aenderung der Mittellage vor. Ist der Druck niedrig, 
so ist der Kreislauf eo ipso nicht geschädigt und es wird somit die 
Mittellage als circulatorischer Hilfsfactor nur in gleichem Maasse wie 
beim Gesunden in Anspruch genommen. Besteht Hochdruckstauung, so 
ist die Vis a tergo, wie dies gewissermaassen durch den minimalen Druck 
seinen Ausdruck findet, selbst nach der Passage durch die Capillaren 
noch genügend wirksam, um den venösen Strom in seinem Rückfluss 
ohne besondere Beihilfe des Donders’schen Druckes zu fördern. Wenn 
wir also bei den Nephritiskranken so differente Werthe erhalten, wie in 
unseren Fällen, so sind die ermittelten Grössen der respiratorischen Vo¬ 
lumina nicht durch die Nephritis sensu strictiori zu erklären, sondern 
werden höchstwahrscheinlich stets durch andere bei dem betreffenden In¬ 
dividuum bestehende Umstände bedingt sein. Auf Grund unseres Ver¬ 
suchsmaterials können wir keinen directcn Einfluss der Nephritis 
auf die Grösse der Mittelcapacität feststellen. 

Eine specielle Besprechung erfordert die Beeinflussung der Mittcl- 
capacität durch die Schädigung des Herzens. Wir worden sehen, dass 
hier eine generelle Betrachtung nicht möglich ist; wir müssen vielmehr 
die Erkrankungen der einzelnen Herzabschnitte gesondert abhandeln, ja 
sogar die einzelnen Phasen der Erkrankung in Erwägung ziehen, um eine 
klare Vorstellung über die Bedeutung der circulatorischen Hilfsfunction der 


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234 


Johann PJesch, 


Respiration zu bekommen. Eine übersichtliche Zusammenstellung der von 
uns untersuchten Fälle ist in der Tabelle 20 gegeben. 


Tabelle 20. 


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40 

Myocarditis, decompens. 

120 

100 

154 

32 

410 

1276 

228 

1708 

1504 

1928 

3204 

47,0 

41 

Derselbe, corapensirt 

— 

— 

— 

— 

535 

761 

890 

2090 

1651 

2980 

3741 

55,5 

42 

Myocarditis 

56 

66 

110 

32 

454 

1941 

1044 

863 

1 2985 

1907 

3848 

77,3 

43 

do. 

160 

103 

150 

36 

572 

2140 

480 

915 

2620 

1395 

3535 

74,3 

44 

Myocard. + Arterioskler. 

92 

110 

147 

24 

436 

1634 

1032 

2040 

2666 

3072 

4706 

71,4 

45 

Mitralinsufficicnz 

104 

132 

180 

26 

561 

2150 

1250 

1210 

3400 

2460 

4610 

74,3 

46 

do. 

84 

114 

150 

24 

475 

1286 

990 

1190 

2276 

1 2186 

3466 

65,6 

47 

do. 

68 

96 

154 

36 

465 

2156 

795 

2630 

; 2950 

, 3425 

5580 

50,9 

48 

Mitralinsufl. + Stenose 

96 

92 

118 

24 

431 

1250 

1210 

545 

2460 

! 1755 

j 3005 

82,0 

49 

Mitralstenose + Aorten- 
insufficicnz 

108 

70 

103 

24 

452 

1470 

590 

1670 

i 

1 

| 2060 

, 2260 

3730 

i 5ö,3 

50 

Aorten- + Mitralinsuff. 

100 

85 

147 

24 

658 

992 

987 

1203 

: 1979 

2190 

3182 

62,2 

50,8 

51 

Aorteninsufficienz 

100 

103 

154 

24 

544 

1528 

907 

! 2365 ! 2435 

3272 

4800 

52 

Pulmonalstenose 

76 

68 

148 

28 

857 

1567 

1628 

1500 

1 3195 

3128 

4695 

6S,0 

53 

do. 

75 

82 

120 

20 

511 

1180 

1090 

i 1418 

2270 

2508 

3688 

61,5 

54 

Pulmonalinsufficienz 

72 

80 

126 

— 

964 

689 

2701 

1 2837 

; 3390 

5538 

, 6227 

54,8 

55 

Puls, irreg. perpet. 

64 

92 

132 

13 

580 

2305 

1816 

j 2837 

4111 

4653 

| 6958 

59,2 


Die Diagnostik der Herzkrankheiten beschränkt sich fast ausschliess¬ 
lich auf das linke Herz. Für die functionelle Diagnostik des rechten 
Herzens kommt im Wesentlichen die Venenpulsschreibung, die Venen¬ 
druckmessung, die percutorische und röntgenologische Grössenbestimmung 
und die Auscultation der Herz- und Gefässklappen in Betracht. Manche 
dieser Methoden haben nur einen sehr bedingten Werth und wir können 
— wie ich glaube — mit Recht behaupten, dass unser heutiges dia¬ 
gnostisches Können nur diejenigen Erkrankungen resp. Veränderungen 
diagnosticiren können wird, die als consecutive Erscheinungen der Er¬ 
krankung des linken Herzens auftreten. Aber selbst hier stützen wir 
uns nicht etwa auf objective Befunde, sondern, mit Ausnahme der Venen¬ 
pulsschreibung, auf Speculation. Es ist, trotz der vielseitigen Bestre¬ 
bungen, keine Frage, dass, sobald sich die Erkrankung auf das rechte Herz 
localisirt, wir nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose werden stellen können. 
Es unterliegt keinem Zweifel, dass wir im Gegensatz zu unserem dia¬ 
gnostischen Können bezüglich der Erkrankungen im grossen Kreislauf 
nicht einmal richtige Vorstellungen über die Verhältnisse im kleinen 
Kreislauf besitzen. 

Das Studium der Mittelcapacität erlaubt uns einen Einblick in die 
Verhältnisse des kleinen Kreislaufs, und wenn wir auch weit davon ent¬ 
fernt sind, zu glauben, dass mit den Mittelcapacitätsbestimmungen unser 
Wissensdurst befriedigt sein kann, so haben wir doch schon bisher zeigen 
können, dass wir in der functioneilen Diagnostik des rechten Herzens 
einen Schritt weiter gekommen sind. Die von uns festgestellten Ergeb¬ 
nisse bei Herzkranken erhärtet noch mehr diese Annahme. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


235 


Wenn wir die Tabelle 20, die nur Herzkranke betrifft, durchsehen, . 
so finden wir, dass es sich hier nicht etwa, so wie bei den Emphysem¬ 
kranken, um eine einheitliche Aenderung der Lungenvolumenverhältnisse 
handelt, sondern wir finden alle Zahlen von unter normal bis zu den 
höchsten Werthen vertreten, und so sind wir gezwungen, dio Fälle einzeln 
einer Besprechung zu unterziehen. 

Der Fall 40 betraf einen Kyphoskoliotiker, bei welchem ein nicht 
aufgedecktes Hinderniss im Planum venosum super, eine Stauung im 
Gebiete der oberen Hohlader verursacht hat, als dessen Folge eine höchst- 
gradige Cyanose unter sogenanntem Stokes’schen Kragen bestand; ausser¬ 
dem war auch eine allgemeine Stauung in Folge von Herzrauskeldegene- 
ration vorhanden. In diesem Falle finden wir eine unter der Norm 
liegende Mittellage. Nachdem das Hinderniss für den venösen Abfluss 
der Vena cava superior verschwand, hob sich die Mittellage von 47 auf 
55 pCt. Dieser Fall ist sehr schwer zu deuten. Es ist wahrscheinlich, 
dass die kleine Mittellage durch die hochgradige Kyphoskoliose bedingt 
ist. Weshalb aber nach ungehindertem Blutabflusse und gebessertem 
Herzen die Mittellage zunimmt, dafür fehlt uns eine positive Vorstellung. 
Die einzige Erklärung wäre, dass im Gebiete der Vena pulmonalis eben¬ 
falls durch den Tumor der Abfluss gegen das Herz gehindert war und 
so durch den Exspirationsdruck, der bei kleiner Mittellage doch wirk¬ 
samer sein muss als bei hoher Mittellage, die Beförderung des Blutes 
nach dem linken Herzen erleichtert wurde. Wenn wir uns die Fälle 42, 
43 und 44, die alle ebenfalls an Myocarditis gelitten haben, des Näheren 
betrachten, so finden wir hier durchwegs hohe Werthe für die Mittellage, 
wie 77,3, .74,3 und 71,4 pCt. Einen besonderen Zusammenhang zwischen 
Blutdruck und Mittellage zeigt der Fall 42, bei welchem wir die höchste 
Mittellage und den niedrigsten Blutdruck als einen Ausdruck der Ver¬ 
minderung des Widerstandes sowohl im kleinen wie im grossen Kreislauf 
und als Compensation der verminderten Herzkraft beobachten konnten. 
Sonst haben wir kein Abhängigkeitsverhältniss zwischen Mittellage und 
Blutdruck constatiren können. Wir sehen aber als ein Zeichen der vor¬ 
handenen cardialen Dyspnoe in allen Fällen eine sehr hohe Athem- 
frequenz und ein grosses respiratorisches Volumen. Meine Untersuchungen 
bezüglich des Gasgehaltes des venösen Blutes haben ergeben, dass bei 
Herzkranken mit cardialer Dyspnoe das Blut überventilirt ist. Die 
frequente und tiefe Athmung der Herzkranken kann also nicht als 
respiratorischer, sondern nur als circulatorischer Reflex aufgefasst werden. 
Die tiefen und frequenten Athemzüge variiren den intrapulmonalen 
Druck in rascher Folge. Der negative Druck wird durch die hohe 
Mittellage erhalten und wird Blut zum rechten Vorhof saugen, wie 
auch den Widerstand für den rechten Ventrikel erniedrigen; für die 
Weiterbeförderung des Blutes aus den Lungencapillaren nach dem linken 
Vorhof sorgt der während des Exspiriums herrschende positive Druck. 
Um diesen positiven Druck zu erhöhen, sehen wir nicht selten in 
stark ausgeprägten Fällen ein reflectorisches Schliessen der Glottis 
während der Exspiration, welches sich durch ein Stöhnen bemerk¬ 
bar macht. Durch das Stöhnen wird ein exspiratorischer 


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Jobdtnn Plus oli 


Widerstand ir*;• >:<>t >:fder nur diifgh • anges! rotie ierf» Muskcl- 
fcbädigkeit über wunden wdrci>*o k.rno, Vodoiw | |g ( i - «i c r Ter intra- 
pulmonal? Druck gcsu-ige-rr ,v |ul verhindert- die Exspiration 

«ne Sfauörtgf klciaptih Ktvü^a.uf. und #$|ki auf sdtese Weise ; 

bei den Myocardorkrankungen, losp. hoi allen Kr;jnkii*;iren, bei denen 
die -Triebkraft des IJerxens vermindert 'ist, 'als/- 'der 

Oirculatirtiu 

Ute Verhältnisse bei der Muralinsuftioienr. haben nir '.ei :i Fidlen 
Untersucht :• sie. fiel reifen' die Vcrsu-he 4b, 40 und 47. Der- bol'und ist 
nicht finin-iilieh, denn wir linden die AluUdeapaeuä! v-u H.Oe und 
ai? {><. !.. Diese linken-Zahlen sind au .-ich ürtversiamiin-li. verfolgen wir 
alter die Kraukenge.sahicliteif näher,' .so -scium wir, »jm-.s •■> .sich um 
Daticutert in verschiedene» ,'Stadien det Erkrankung hajuidffh Sowohl 
der Fall dä wie 46 war ein rumpon-me eine m- rkln.be >• hwUebw der 
C'lieidatnin j.ae nicht fetandcu, ,jr Blutdruck -Wjtr. crhuSiv», ja sogar 
hoch.. die respiratorische Frequeit/. mehr in den? Maassc erjiido. dass 
man von einer beträchtlichen Dyspnoe blute reden {Dinnen. Itj diese» 
beiden .Fidlen finden wir eine recht höbe Miiieibua. und es ist die.-?»;-als 
ein zweckmässiger Relles-• an?ost-heß.. ; Wie .sollen wn aber d>m Fnii t < 
deofeti, bei welchem eine hbUhsfgru'iik*? Decompt hmiimn mit Dyspnoe, 
Oedemen und Stauqirgc-n vorhanden waren, die den Patienten acht Tilge 
tlä$i der ITrtcrsuc.liung- zum Tode brachten liier finden wir eine ganz 
kleine Mufollage um äO,U p* "i,. die jtih-r.üncs zum weitaus grössten 
Thetl, l'A pf'i., aus der Hesnluaihilf' best and,. )i> liegen l'niersucbrmgwu 
der MitteJIägp um Ruiyowf> uny die hmipisaelilich jMilraliiis.ulfieieitzen 
be-ndlcn. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind, wie* aus dm 
Tabeile hl ersieht lieb, auch sehr Wcobseirtd.: Als Anmerkung ist beiden 
vier letzten Versuchen „schwerer Fall.', hei den drei ersten mit der 
kleinen Mit teleapuoität „teichin- Fall“ zu: -Icsom. Ich konnte die Oeuiz- 
mässigkeit des Anstiege«? der Mdwllage proportional der Schien' der 
Erkrankung, so wie Rubow sie fand, allerdings mein, nachweison. 

- . . - TVbeHr 2’t, -. ; 


Uv-**- 


.Ägi, fldMSs,® 


■W&S für mich aus de» Kubow'schon Zählen besonders hemcrke.ii?- 
werth erschein», ist, dass wir Ehjlu • von. ncgaiiiseher Herzkrankheit. linde» 

!. tuihftvr,; A'reh. i, him. Mihi f»d; X'. eu. 



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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


237 


(es sind das besonders Mitralinsufficienzen), bei welchen eine kleine 
Mittelcapacität besteht. Vergegenwärtigen wir uns den veränderten 
Circulationsmechanismus bei der Mitralinsufficienz, so kann der Vorgang 
kurz folgendermaassen geschildert werden: Es wird mit jeder Systole 
eine gewisse Blutmengo nach dem linken Vorhof zurückgeworfen, die 
klappenlose Vena pulmonalis wird somit einen positiven Venenpuls zeigen, 
und es wird in der Diastole des Vorhofes eine Drucksteigerung von dem 
Ventrikel her erfolgen, bei genügend grosser Communication bezw. In- 
sufficienz der Mitralklappe kann sich sogar dieser Druck bis . zur Höhe 
des arteriellen Blutdruckes steigern. Da aber die durch die Insufficienz 
offen gelassene Spalte stets kleiner sein wird wie die Abflussöffnung der 
Aorta, so wird auch der nach dem Vorhofe wirkende Druck laut dem 
Kirchoff’schen Vertheilungsgesetz entsprechend kleiner sein. Eines aber 
steht fest, dass das rechte Herz dem Blute einen Druck ertheilen muss, 
der über die Lungencapillaren hinaus, gegen den Druck des linken Ven¬ 
trikels, das Blut nach dem linken Vorhofe diastolisch zu pressen fähig 
ist. Solange das rechte Herz Kräfte besitzt, das Blut mit diesem Drucke 
zu befördern, werden die normalen corapensatorischen Einrichtungen ge¬ 
nügen, die Circulation im kleinen Kreislauf aufrecht zu erhalten, wenn 
aber das rechte Herz dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen ist, dann 
kann das Blut nur durch den erhöhten intrathoracalen Druck aus den 
Lungen befördert werden und für diesen Mechanismus sind durch eine 
kleine Mittellage günstigere Verhältnisse geschaffen. Ob hier noch andere 
Factoren eine Rolle spielen, können wir, wenn auch eine grosse Wahr¬ 
scheinlichkeit dafür spricht, heute noch nicht überblicken. Vor Allem 
sei hier die experimentelle Thatsache festgestellt, dass es 
Fälle von schwerster Circulationsstörung giebt (cf. Fall No. 40, 
41 und 47), bei welchen die Mittellage klein ist. 

Die höchste Mittelcapacität unter allen von uns untersuchten Fällen 
zeigt der Fall No. 48, bei welchem gleichzeitig eine Insufficienz und 
Stenose des Ost. ven. sinistr. bestand. Es ist aus dem Mechanismus 
dieser Erkrankung klar, dass es dabei zu dem höchsten Grade der 
Stauung in dem Lungenkreislauf führen muss. Dieser Umstand ist im 
Zusammenhänge mit der Mittellage deshalb so scharf zu betonen, weil 
immer wieder Meinungen laut werden, die behaupten, dass eine grosse 
Blutfüllung eine grosse Luftfüllung ausschliesst. Bei einem todten, starr- 
wandigen, absolut gefüllten Gefäss wäre diese Anschauung selbstver¬ 
ständlich, aber für die lebendigen Lungen kann das keine Geltung 
haben, weil doch bei den Lungen eine complementäre Füllung 
möglich ist und somit die Blut- und Luftfüllung einander gar nicht 
zu beeinflussen brauchen, zumal eine complementäre Füllungsmöglich¬ 
keit noch vorhanden ist. De facto finden wir auch neben dem 
colossalen Werthe von Mittelcapacität und neben der sicher grossen 
Blutstauung in den Lungen (wie übrigens durch Röntgendurchleuchtung 
festgestellt worden ist) in unserem Falle eine minimale Complcmentärluft 
von 545 ccm. 

Der Fall, wo die Mitralstenose mit einer Aorteninsufficienz 
complicirt war, zeigt durchaus normale Verhältnisse, nicht nur in Bezug 


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238 


Johann Plesch, 


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auf die Mittelcapacität, sondern auch bezüglich der Lungenvolumina. Wir 
werden auch bei diesem Vitium mit einer grösseren Stauung in den 
Lungen zu rechnen haben, ist doch der Abfluss des Blutes nach den 
Ventrikeln erschwert, und nur durch eine angestrengte Contraction des 



Abb. 3. 

hypertrophsten linken Vorhofes möglich. Der Vorhof hat aber gegen 
die Lungenvenen zu keine Klappen, so dass der systolische Druck nicht 
nur gegen den Ventrikel, sondern auch gegen die Lunge zu wirken wird. 
Gegen diesen erhöhten Druck muss das rechte Herz sein Blut durch die 


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240 


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Johann Plesch, 

Ventrikels, anderseits, um so schwerer die Arbeit des rechten Herzens 
sein wird. Es scheint offenbar, dass die Capillaren einen kleineren 
Widerstand leisten, als wenn das Herz bei erweiterten Capillaren gegen 
den Stauungsdruck des linken Ventrikels anzukämpfen hat und dem¬ 
zufolge bleibt die Mittellage klein. Es ist aber neben diesen Factoren 
noch naheliegend anzunehmen, dass die Mitteleapacität auch aus dem 
Grunde klein bleibt, um den venösen Zufluss nach dem linken Herzen 
in der beschriebenen Weise zu fördern. 

Bei dem Fall von Aorten- und Mitraiinsufficienz liegt die Mittel- 
capacität etwas höher als in der Norm. Für diesen Fall gelten die Aus¬ 
führungen, wie wir sie bei den Fällen von reiner Mitraiinsufficienz ange¬ 
bracht haben. Die Aorteninsuffieienz hat auf die Mittellage keinen 
Einfluss, wie dies der Fall 51 mit einer Mittelcapacitätsgrösse von 50,8 pCt. 
zeigt. Bei diesem Klappenfehler pflegt ja auch, wenn keine besonderen 
Complicationen eintreten, das rechte Herz und somit die Circulation im 
kleinen Kreislauf kaum in Mitleidenschaft gezogen zu werden. 



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Abb. 5. (Schluss.) 


Die zwei Fälle von Pulraonalsienose zeigen eine höhere Mittcl- 
lage von 68 resp. 61,5, die Differenzen können aber als von der Norm 
nicht erheblich abweichend betrachtet werden. Diese Steigerung lässt 
sich nur schwer erklären, wenn wir die alte Annahme bezüglich der 
Anämie der Lungen bei dieser Erkrankung gelten lassen. Nach meinen 
Untersuchungen ist der Sauerstoffverbrauch bei diesen Kranken um fast 
das Doppelte erhöht aus Gründen, die mit der hochgradigen Cyanose 
und (trotz der gegentheiligen Anschauung Senator’s, 1. c.) dem damit 
verbundenen grösseren Wärmeverlust Zusammenhängen. Wenn auch bei 
den meisten dieser Kranken eine corapensatorische Hyperglobulie besteht, 
so ist das Schlagvolumen normal oder nicht wesentlich weniger wie in 
der Norm. Es muss also durch die Lunge in der Zeiteinheit genau so 
viel Blut flicsscn, als durch die Aorta — von einer Anämie der Lungen 
ist also gar keine Rede, es ist sogar nach den Durchleuchtungen sehr 
wahrscheinlich, dass in der Lunge dieselbe hochgradige cyanotische 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 


241 


Stauung besteht, wie in den übrigen Organen. Für diese und gegen die 
alte Anschauung sprechen auch die Mittelcapacitätswerthe. 

Der Fall No. 54 betrifft eine Pulraonalinsufficienz. Der betreffende 
Patient wurde durch seine Trommelschlägerfinger auf seine Krankheit auf¬ 
merksam gemacht. Er hatte gar keine Beschwerden, konnte mit seinen 
Kameraden an allen sportlichen Leistungen theilnehmcn. Die physikalische 
und die elektrocardiographische Untersuchung hat ein angeborenes Vitium 
und zwar eine Pulmonalinsufficienz erkennen lassen. Wenn wir bei 
diesem Fall normale Mittelcapacitätswerthe feststellen konnten, so ist 
das ein weiterer Beweis dafür, dass dieser Herzfehler eben gut com- 
pensirt war. 

Die geringe Erhöhung der Mittellage bei dem Fall mit Pulsus 
irreg. perpetuus kann durch ein schlechtes Herz bedingt sein, wissen 
wir doch, dass bei derartigen Irregularitäten der Herzmuskel stets für 
minderwerthig gefunden wurde. 

Die vier von uns untersuchten Fälle von Basedow-Kranken zeigen 
lt. der Tabelle No. 22 ganz verschiedene Werthe. 


Tabellle 22. 


Versuch No. | 

Alter 

Puls 

Respirator. | 
Frequenz j 

i 

Residualluft j 

Reserveluft 

Comple- 
mentärluft j 

Mittel¬ 

capacität 

Vital- 

capacität | 

1 

Total- 

capacität 

i 

Mittel¬ 
capacität in 
pCt. der 
Total- 
capacität 

56 

32 

128 

24 

1730 

1380 

1210 

3110 

2590 

4320 

72,0 

57 

23 

152 

24 

1319 

694 

1524 

2013 

2218 

3539 

56,8 

58 

26 

104 

20 

1430 

987 

1135 

2417 

2122 

3552 

68,1 

59 

19 

75 

19 

2044 

1794 

2270 

3838 

4064 

6108 

63,0 


Es ist bei diesen Fällen weder zwischen dem Alter, Pulszahl, 
Respiration oder Blutdruck einerseits und zwischen der Mittelcapacität 
andererseits ein Zusammenhang zu finden. Diese Kranken zeichnen sich 
eben durch eine Schädigung der regulatorischen Functionen aus und es 
ist auch nicht wunderbar, wenn wir so verschiedene Werthe finden, die 
sicher nicht als Ausdruck einer zweckmässigen reflectorischen Einstellung 
aufzufassen sind. Dieser Auffassung entspricht auch der Umstand, dass 
bei den wiederholten Untersuchungen die Werthe nicht so wie bei den 
anderen Fällen übereinstimmende Resultate lieferten, sondern sehr grosse 
Abweichungen vorkamen. Die publicirten Werthe stellen nur Mittelwerthe 
aus den wiederholten Untersuchungen dar. 

Als Schlussergebnisse unserer Untersuchungen lässt sich 
sagen, dass die respiratorische Mittellage sich ganz unabhängig 
von dem respiratorischen Gasaustausch, lediglich als regula¬ 
torischer und compensatorischer Hilfsfactor reflectorisch ein¬ 
stellt und dass die Grösse der vitalen Mittelcapacität der Lunge 
ceteris paribus ein functionelles Maass für den kleinen Kreis¬ 
lauf darstellt. 


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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc 


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Aus der med. Klinik in Lemberg (Director: Prof. Dr. A. Gluzinski). 

Untersuchungen der Harnaciditätsverhältnisse nach 
Verabreichung von Alkalien bei Gesunden und Kranken. 

Von 

Dr. Heinrich Sochanski. 


Seit langer Zeit war es bekannt 1 ), dass die Verabreichung von 
Alkalien die Harnacidität herabmindert, man beschäftigte sich jedoch aus 
Mangel genauer Methoden zur Bestimmung derselben keineswegs näher 
mit dem eigentlichen Wesen ihrer Wirkung. Erst seit der Einführung der 
Methoden Naegeli’s, Sahli 7 s und Anderer sind wir im Stande, die 
Wirkung verabreichter Basen genau zu prüfen. 

Mit der Untersuchung eben jener Wirkung beauftragte mich mein 
sehr geehrter Herr Professor und Chef Dr. A. Gluzinski. 

Wie bekannt, hängt die Harnreaction von sehr vielen Factoren ab. 
Beim Menschen ist sie gewöhnlich sauer, obwohl dies in verschiedenem 
Grade von verschiedenen Ursachen abhängt. Während der Fleischdiät, im 
Fieber, im Hungerzustande, kurz gesagt in allen jenen Fällen, in denen 
eine grössere Eiweissmenge der Zersetzung anheimfällt, und hierdurch 
eine grössere Anzahl saurer Verbindungen sich bildet, wächst die Harn¬ 
acidität auffallend; in Fällen von Diabetes mellitus tritt zu dem früher 
erwähnten gesteigerten Eiweisszerfall auch die lebhafte Production von 
Säuren in Folge von ungenügender Fettoxydation hinzu; bei der Harn- 
säurediathese ist die hohe Acidität durch die verminderte ßlutalkalescenz 
bedingt, da ihre Basen zur Harnsäurebindung zwecks Entstehung von Uraten 
verbraucht werden. Andere Ursachen, wie z. B. anstrengende Muskelarbeit 
[Fustier, Blanc, Klüpfel, J. Hoffmann, Ringstedt, Oddi, Turulli 2 * * * * )], 

1) In Sydenhams Werke: „Tractatus de podagra“ lesen wir den günstigen 
Einfluss der Alkalisation des Harns bei der Harnsäurediathese; der Verfasser räth in 
jenen Fällen Pflanzenlatwerge zu gebrauchen, die er Herbae excalefacientes nennt. 
Garrod stellt ebenfalls die alkalisirendeWirkung von Pflanzenlatwergen am höchsten; 
diese Wirkung schreibt er den in grosser Menge in ihnen befindlichen Alkalisalzen zu. 

2) Nur wenigo Verfasser sind entgegengesetzter Meinung. Einige von ihnen 

(wie z. B. Sawicki) behaupten, dass Muskelarbeit auf die Harnacidität keinen Einfluss 

ausiibe, die Anderen dagegen (z. B. Aducco) sehen stets nach langen Märschen eine 

Abnahme der Acidität. Die Literatur über den Einfluss der Muskelarbeit auf die Harn¬ 

acidität finden wir in Maly’s Jahresberichten, No. 14—24, vor. Hoffmann’s Arbeit 

über den Einfluss des Schwitzens auf die Harnacidität wurde in Maly’s Jahresberichten, 
No. 14, veröffentlicht. Sassccki vide St. Petersb. med. Wochenschr. 1879. No. 2. 


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Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 247 

Secretion von alkalischem Pankreassafte [Edel 1 )], langes Stehen [Edel (1. c.)] 
bewirken ebenfalls eine grössere Harnacidität, jedoch haben diese Factoren 
bereits eine geringere Bedeutung 

Eine Abnahme der Harnacidität beobachten wir dagegen: 1. bei der 
Pflanzendiät in Folge dessen, dass in den Organismus organische Ver¬ 
bindungen gelangen, die nach ihrer Verbrennung basisch wirkende Carbonate 
entstehen lassen; 2. bei der Verabreichung von Basen; 3. in allen jenen 
Fällen, in denen der Organismus eine gewisse Menge seiner Säure ver¬ 
loren hat, so z. B. nach Erbrechen sauren Mageninhaltes, bei starkem 
Schwitzen [Sassecki (1. c.), Hoffmann], vorübergehend dagegen beider 
Verdauung, besonders der eiweissreichen Nahrungsmittel (reichliche Aus¬ 
scheidung von HCl!), ferner in Fällen, wo durch Resorption alkalischer 
Flüssigkeiten Basen in grösseren Mengen ins Blut gelangen (Exsudate, 
Transsudate, Blut aus Extravasaten), ferner aus geringfügigeren Ursachen, 
wie z. B. zu langen Liegens [Edel (1. c.)], weiter in Folge vorgeschrittenen 
Alters [Mondhorst 2 )] oder Schwächung [Barabaszi 8 ), bei Frauen 
[Mondhorst (1. c.)], und endlich in Folge von Harnveydünnung 4 ) (Urina 

1) Edel, Ueber die Ursache der Aciditätsabnahme nach der Nahrungsaufnahme 
und die Bedingungen, welche Einfluss auf die Ausscheidung von Alkalien im Harn 
und auch des Kochsalzes haben. (Die Therapie der Gegenw., 1904, No. 9.) Der Ver¬ 
fasser beobachtete, dass die Ausscheidung von Alkalien im Harne in liegender Stellung 
eine grössere sei als in sitzender. Ausserdem stellte er auf dem Höhepunkte der Ver¬ 
dauung eine Zunahme der Acidität fest, und erklärt dies auf diese Weise, dass in Folge 
der mit der Verdauung gleichzeitig erfolgenden Ausscheidung alkalischen Pankreas¬ 
saftes eine grosse Menge von Basen verbraucht wird (P awlow). Erst um vieles später 
nimmt die Harnacidität ab. Ich allein beobachtete eine deutliche Abnahme derselben 
in 5—6 Stunden nach dem Mittagessen; in Fällen von Hyperaciditas digestiva erfolgte 
die Abnahme schneller als beim Gesunden. 

2) Mondhorst, Zur Diagnose und Behandlung der Gicht. Verhandl. d.X.Congr. 
f. innere Med. zu Wiesbaden, Ref. im Centralbl. f. innere Med. 1890. 

3) Barabaszi, Die Acidität des Harns und die Körperschwäche. Gazetta degli 
ospedali e delle cliniche. 26. 1. 1911. 

4) Ueber die Möglichkeit des Bestehens von schwach saurem oder sogar amphoterem 
Harne trotz der Ausscheidung von grossen Mengen Säuren während des Tages lesen 
wir in Auerbach’s und Friedenthal’s Arbeit: Ueber die Reaction des mensch¬ 
lichen Harns. Engelmann’s Arch. 1903. S. 397. Um eine derartige Aciditätsabnahme 
zu erhalten, ist die Verabreichung von Alkalien nicht unbedingt nothwendig, es reicht 
hin, dem Untersuchten viel Wasser zum Trinken zu geben, denn die auf diese Weise 
erlangte Harnverdünnung bewirkt von selbst eine Aciditätsabnahme. Ein typisches 
Beispiel dafür ist der von mir selbst beobachtete Fall des Diabetes insipidus(Tab.IlI,2), 
bei dem, trotz der grossen täglichen Mengen von NH S , die Reaction des Harns eine 
amphotere blieb. Selbstverständlich ist für den Untersuchten die Verabreichung von 
Basen in kleineren Mengen angenehmer; dio Wirkungist dieselbe wie von grossen Mengen 
Wassers. Wenn man aber die beiden Arten miteinander verbindet, so kann man da¬ 
durch eine äusserst starke alkalische Hamreaction hervorrufen (Tab. III, 2); deshalb 
ist es auch verständlich, dass das Trinken alkalischer Wässer so stark die Acidität 
verringert. Dass das Nervensystem auf die Qualität des Harns einen Einfluss hat, be¬ 
weisen die Untersuchungen Cazeneuve’s und Livon’s, die bei ihren an Hunden 
durchgeführten Experimenten durch die Durchschneidung des Rückenmarkes eine 
äusserst starke Ausscheidung alkalisch reagirenden, schwach gefärbten Harns von ge¬ 
ringem specifisohen Gewichte hervorriefen. 

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Heinrich Sochanski, 


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spastica, Diabetes insipidus), da das Wasser auf die hier gebrauchten 
lndicatoren (aus der II. Gruppe) nach der Classification von Glaser 1 ) 
oft wie eine schwache Base wirkt, und auch in Folge geringeren Procent¬ 
gehaltes saurer Stoffe im verdünnten Harn. Es versteht sich hierbei von 
selbst, dass bei der Untersuchung der Harnreaction wir mit der Aciditäts¬ 
abnahme in Folge der Ammoniakfcrraentation oder auch wegen Hinzu- 
gelangens von alkalischen Ausscheidungen aus den Harnwegen rechnen 
müssen. 

Was die mittelbare Ursache der sauren Harnreaction anbelangt, so 
hängt sio nicht von der freien Säure, sondern von sauren Salzen 2 ) ab. 
lndicatoren, die nur bei Anwesenheit der freien Säure ihre Farbe wechseln, 
wie z. B. Alizarinroth, thun dies nicht, sobald sie mit Harn gemischt 
werden, dagegen wechseln sie augenblicklich ihre Farbe im Magensafte, 
der freie Salzsäure enthält. Früher schrieb man hauptsächlich den sauren 
Phosphaten (wenn sie nach Lieblein und Ott über 35 pCt. aller Phosphate 
bilden) der sauren Harnreaction zu. Die neueren Forschungen (Koztowski, 
Serkowski, Kraszewski) gestatten uns anzunehmen, dass ausser den 
Phosphaten auch andere saure Salze eine gewisse Bedeutung haben, und 
zwar thun dies Salze vielbasischer Proteinsäuren [Koztowski 3 )]. ln 
Wirklichkeit wird die Abhängigkeit der Acidität von den sauren Phosphaten 
in jenen Fällen geringer, in denen sich eine grosse Menge Proteinsäuren 
im Harne findet. Ich selbst beobachtete dies in einem Fieberfalle 
(Tab. IV, 3; VI, 5). Als die beste der zur Bestimmung der Harnacidität 


1) Glaser, lndicatoren der Acidimetrie und Alkalimetrie. C. W. KreidePs Ver¬ 
lag, Wiesbaden 1901. — Alizarinroth gehört, wie Lackmus, zur II. Gruppe, steht 
aber der I. Gruppe naher als jener. Die lndicatoren der I. Gruppe benöthigen Hinzu- 
fügung von 0,6 ccm 1 / 10 n H 2 S0 4 zu einem Liter Wasser, damit dieses nicht basisch 
auf sie einwirke. Auf die lndicatoren der 111. Gruppe übt das Wasser eine saure 
Wirkung aus. Wir können nämlich das Wasser als eine Verbindung von basischem 
und saurem Ion betrachten. Die lndicatoren der I. und II. Gruppe empfinden in dem¬ 
selben den basischen, die III. Gruppe dagegen den sauren Bestandtheil. 

2) Die Behauptung Huppert’s (Arch. d. Hcilk., Bd. 8), als ob NagSoOg nur 
bei der freien Säure (nicht bei den sauren Salzen) Schwefel ausscheide, war unrichtig. 
Davon überzeugte sich Hammarsten (Maly’s Jahresber., No. 3), der trotz positiver 
Proben Huppert’s niemals freio Säure im Harn finden konnte. Die Einführung des 
Alizarinroths (Natriumsalz der Alizarinsulfonsäure) durch Naegeli (Zur Aciditäts¬ 
bestimmung des Urins. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 30. H. 3—5), dass bei einer 
äusserst minimalen Quantität einer freien Säure seine Farbe in eine gelbe umwechselt, 
gestattete leicht, sich von der Richtigkeit der Betrachtungen Hammarsten’s zu über¬ 
zeugen. Sogar ein Harn von maximaler Acidität ändert niemals die Farbe des be¬ 
sprochenen Indicators (ausgenommen er enthält viel Ammoniak), ebenfalls thun dies 
keineswegs Lösungen der sauren Salze (z. B. NaH 2 P0 4 ), mit Ausnahme der sauren 
Ammoniumsalze. Dies alles beweist, dass die Harnacidität keineswegs von freien Säuren 
abhängt. 

3) Koztowski, 0 stosunkach zasad mineralnych do kwasöw w prawidlowym 
moczu ludzkim. Nakl. Akad. Um. Krakow. — Serkowski i Kraszewski, Badanie 
stopnia kwasnosci moczu i stosunek kwasnych zwiazköw do zasadowyeb. Z lab. chem.- 
bact. Dr. Serkowskiego w Warszawie. 


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Untersuchungen d. Harnaoiditätsrerhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 249 

gebrauchten Methoden erwies sich die von Naegeli-Sahli 1 ), sie über- 
trifft an Genauigkeit nicht nur alle früheren Methoden — 1) das einfache 
Titriren mit x / 10 n NaOH bis zur neutralen Reaction 1 ), 2. die Methode 
Neumeister-Maly 2 ), die Methode Jäger’s 8 ) —, sondern auch die 
Friedenthal’s 4 ), welche auf einer äusserst complicirten Bestimmung der 
Wasserstoffionen im Harne beruht (normal 0,004 mg H in 1 Liter), also 
40 g in 10 Millionen Liter (Höher und Röhrer, Pflüger’s Arch., Bd. 86). 
Naegeli und Sahli bestimmen in 10 ccm Harn die Basenmenge oder 
die gebundene Säure, mit VlO n NC1 so lange titrirend, bis die rothe 
Farbe des Alizarinroths in eine gelbe umgewandelt ist. In anderen 10 ccm 
Harn die Säuren (die freien Säureionen saurer Salze) mit l / l0 n NaOH 
titrirend, bis eine durch das früher hinzügefügte Phenolphthalein hervor¬ 
gerufene rosige Färbung bemerkbar wird. Nach der Addirung beider 
Werthe erhalten wir die ganze Acidität des untersuchten Harnes, die die 
Summe der freien, auf den Lackmus einwirkenden, und der gebundenen 
Acidität ist. 

Bei der Bestimmung der Acidität bediente ich mich der erwähnten 
Methode von Naegeli-Sahli, der ich der vollständigen Genauigkeit 
wegen gewisse Modificationen der Moritz-Methode 5 ) hinzufügte. 

Es war mir dabei daran gelegen, 1. damit die neutralen Ammonium¬ 
salze, die sich in grösseren Mengen in dem viel Ammoniak enthaltenden 
Harne befinden, keine derartige Wirkung, wie saure Verbindungen, auf 
Phenolphthalein üben, 2. dass auf dasselbe nicht eben die sauren Carbonate 
der Alkalien, die sich im Ham während der Verabreichung von Carbonaten 


1) Naegeli, Zur Aciditätsbestimmung des Urins. Zeitschr. f. phys. Chemie. 
Bd. 30. H. 3—5. — Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 1909. 
S. 739-742. 

2) Neumeister-Maly, Zeitschr.f.anal.Chem. 15—147. Diese Methode beruht 
auf der Entfernung der Phosphate durch VlO n NaOH und BaCU, und dem Titriren des 
mit einigen Tropfen einer Phenolphthaleinlösung gefärbten Titrates mit 1 / 10 n NaOH bis 
zur Entfärbung. Ursprünglich bestimmte man die Acidität des Harns, indem man zu 
50 ocm Harn Vio n NaOH bis zur neutralen Reaction hinzufügte (1 ocm Vio n NaOH — 
0,0063 g C 2 H 2 0 4 auf 50 ccm.) 

3) Jaeger, Arch. f. klin. Med., Bd.80, H.5 u.6, fügt dem Harne Vio n HCl und 
BaCl 2 zu und titrirt das Filtrat mit Vio n NaOH. Die Quantität (ccm Vio n HCl) zeigten 
an, wieviel nöthig ist, um alle Phosphate in saure umzuwandeln; NaOH (ccm Vio n) 
dagegen, welche Basenquantität zur Umformung der Phosphate in basische noth- 
wendig ist. 

4) Friedenthal, Bestimmung der Reaction einer Flüssigkeit mittels Indicatoren 
(Zeitschr. f. Elektrochemie, 1904). Nach Röhrer’s Forschungen enthält das Wasser 
0,0001 rag H-Ionen in 1 Liter und ebenso viel OH, oder vielmehr H in OH-Ionen; im 
Harne entfällt auf 0,004 mgWasserstofTionen durchschnittlich 0,006—0,008 mg pro die 
weniger als 0,0001 mg OH im Liter, Blut enthält im Liter0,0001 mgOII und0,0001 mg II 
auf 1 Liter. Diese Unterschiede in Ionenconcentration (OH und H) sind nach Fried en- 
thal keineswegs gross. Alle Flüssigkeiten des Organismus, mit Ausnahme des Magen¬ 
saftes, der ausserordentlich viel Wasserstoff enthält, und des Pankreassaftes, der viel 
OH-Ionen besitzt, kann man nach Friedenthal für neutral halten. 

5) Moritz, Ueber das Titriren der Flüssigkeiten, die ausser der Phosphorsäuro 
Erdalkalien- und Ammoniumsalze enthalten. Arch. f. klin. Med. Bd. 70. H. 5 und 6. 


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Heinrich Sochanski, 


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befinden, sondern erst die neutralen Carbonate alkalisch einwirken, 3. um 
keine erscheinende Zunahrae der Acidität in Folge der Ausfällung einer ge¬ 
wissen Menge der Calciumsalze zu erlangen.. Die zwei ersten Fälle erreichte 
ich leicht durch die Verminderung der Dissociation, indem ich dem Harn 
Stoffe, die ihr leicht anheimfallen, hinzufügte, und zwar NaCl (15 ccm ge¬ 
sättigter Lösung NaCl auf 10 ccm Harn), den dritten durch die Hinzufügung 
von 4 ccm 1 / 2 n Natriumoxalat 1 ), und zwar zwecks Verdrängung der Calcium¬ 
salze und Ersetzung des Calcium durch Natrium in den Phosphaten. 

Bei demTitriren mit Salzsäure und Alizarinroth alslndicatoren versuchte 
ich ebenfalls denFarbenuraschlag des Alizarinrothes durch saure Ammo^ium- 
salze auf diese Weise unmöglich zu machen, dass ich dem Harne zwecks Ver¬ 
ringerung der Dissociation ebenfalls eine gesättigte NaCl-Lösung hinzufügte. 

Ausser der Bestimmung der Harnacidität nach obiger Methode be¬ 
rechnete ich dessen Reaction mittels Lackmus, bestimmte die ganze 
Menge von P 2 0 5 , die sauren Phosphate (im Filtrate nach Hinzufügung 
von BaCl 2 zum Harne, wobei ich zur erhaltenen Ziffer 3 pCt. zwecks 
Ausgleichens des durch das Aufhalten von 3 pCt. saurer Phosphate in 
dem durch BaCl 2 2 ) erhaltenen Niederschlage entstandenen Fehlers hinzu¬ 
fügte), ferner Ammoniak, und in Fällen von Diabetes mellitus procent- 
mässig den Zuckergehalt und qualitativ Aceton und Acetessigsäure. 

Der Verlauf meiner Untersuchungen gestaltete sich folgendermaassen: 

Ich verabreichte die Alkalien in Pulverform, und zwar zu verschiedenen 
Tageszeiten in Mengen, die auf den folgenden Tabellen ersichtlich sind. 
Die Untersuchten wurden während der ganzen Dauer jener Experimente 
auf gleicher Diät gehalten. Den Harn sammelte ich in 3, 6 und 8 Stunden 
nach der Verabreichung jener Mittel ab und untersuchte ihn sofort. 

Ich wählte Metallsalze, deren Oxyde einzig und allein nur basisch 
sind, demnach also Natrium, Kalium, Lithium, Calcium und Magnesiura- 
salze; von den Salzen verwendete ich beinahe ausschliesslich Carbonate, 
und zwar deshalb, um in den Organismus zugleich mit der Base nur eine 
schwache Säure einzuführen, und so die Wirkung der Basen nicht zu 
schwächen. Von den Oxyden konnte ich nur Magnesiumoxyd verab¬ 
reichen, weil alle anderen eine ätzende Wirkung üben. Die übrigen Salze 
der angeführten Metalle, wie Phosphate und Chloride, verwendete ich nur 
zum Vergleich zwecks genauer Prüfung der Carbonatwirkung. 

Meine Beobachtungen, was die Wirkung der einzelnen verabreichten 
Basen anbelangt, werde ich nunraöglichstgenau vorzubringen trachten, den ge- 
ehrtenLeser bitte ich die Tabellen, der Einzelheiten wegen, genau zu beachten. 

1) Auf dieselbe Weise trachtet neben Moritz auch Fol in (Amer. Journ. of 
Physiol. Vol. 9) den Fehler, der durch die Ausfällung der Calciumsalze beim Titriren 
mit Aetznatron entsteht, zu beseitigen. 

2) Die Bestimmung des Verhältnisses aller Phosphate zu den sauren hielt ich 
nur für eine Hülfsrechnung; seit der Zeit nämlich, wo festgestellt wurde, dass die 
Harnacidität nicht allein von der Menge saurer Phosphate abhängt, kann man sich 
nicht allein an die Methode Freund’s (Centralbl. f. d. med.Wissensch., 1902) und 
Lieb lein’s (Zeitschr. f. d. phys. Chem., Bd. 20, H. 1 u. 2) halten, die den Aciditäts¬ 
grad allein aus der Quantität der sauren Phosphate im Verhältnisse zum ganzen P 2 0 5 
bestimmen. 


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Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 251 


Ich beginne mit dem Natriumbicarbonate, weil jenes am häufigsten 
verwendet wird. 

Es enthält 27,5 pCt. Na und reagirt alkalisch. Das Moleculargewicht 
der Verbindung beträgt 84 (H = 1). 

Auf nüchternen Magen verabreicht, wird es rasch resorbirt 1 ), und 
vermindert bereits nach 3 Stunden in starkem Grade die Harnacidität. 
Seine Wirkung nimmt sodann ziemlich rasch ab, in 6 Stunden nach der 
Verabreichung ist sie bereits geringer, 8 Stunden hernach verliert sie 
noch mehr an Stärke, und am nächsten Tage verschwindet sie gewöhnlich 
gänzlich. Die Menge des Harnes wächst ebenso wie die der Phosphate. 

Die Totalacidität, d. i. die Summe der auf den Lackmus einwirkenden 
und der gebundenen Acidität, nimmt in Folge der reichlichen, durch die 
eingeführte Base ausgeschiedenen Säuren aus dem Organismus zu. Freie 
Säureionen finden wir in kleineren Mengen, und deshalb braucht man, 
um eine Rosafärbung des Phenolphthaleins zu erhalten, eine kleinere 
Quantität von */io n NaOH. Die relative Menge der sauren Phosphate 
nimmt ebenfalls, wie die Tagesraenge, von Ammoniak ab. 

Auf dem Höhepunkt der Verdauung verabreicht wirkt das besprochene 
Mittel gerade so, wie bei der Verabreichung auf nüchternen Magen 2 ). 
Kleine Mengen, nach dem Mittagessen eingenommen, bewirken ebenfalls 
eine Aciditätsabnabme, jedoch in stärkerem Grade, wie dies beim alleinigen 
Resorbiren der verabreichten Basen möglich wäre. Die Abnahme der 
Acidität hat hier eine andere Ursache. NaHC0 3 bewirkt nämlich, dass 
der Magen Salzsäure, und zwar in grösserer Quantität als die durch 
dieses gebunden werden kann, ausscheidet, und eine Folge dessen ist 
nun die Harnaciditätabnahme, die nur ein höherer Grad der physiologischen 
Verdauungsabnahme ist 3 ). Dass dem auch thatsächlich so ist, bezeugt 


1) Jaworski, Versuche über die relative Resorption der Mittelsalze im mensch¬ 
lichen Magen. (Zeitschr. f. Biol., 1884, Bd.19.) Aus Versuchen des Verfassers ersieht 
man, dass NaHC0 3 zu den am schnellsten im Magen resorbirten Mineralsalzen gehört. 
Während nach J. die angegebene Verbindung, was die Schnelligkeit der Resorption 
im Magen anbelangt, an 2. Stelle steht, kann man NaH 2 P0 4 erst an der 5., und NaCi 
an der 8. Stelle nennen. 

2) Ralfe, Beneke und Parkes (The Lancet, 1878, II, 19; Centralbl. f. med. 
Wissensch., 1879, S.391) nahmen nach der Verabreichung vonNaHC0 3 auf nüchternen 
Magen eine Zunahme der Harnacidität, nach dem Mittagessen dagegen eine Abnahme 
derselben wahr. Ich allein konnte niemals nach Verabreichung von Natriumbicarbonat 
auf nüchternen Magen eine Zunahme, dagegen jedoch immer eine Abnahme der Aoidität 
beobachten. 

3) Dass kleine Dosen von NaHCO a den Magen zur Ausscheidung von HCl an¬ 
regen, bemerkte schon im Jahre 1883 W. Jaworski. 3 Jahre später untersuchte er 
dies näher. Dieselben Forschungen führte im Jahre 1892 Neshil mit demselben 
Resultat (Deutsche med. Wochenschr., 1892, No. 49), und im Jahre 1895 Houchard 
(Journ. des Pratic. 1895, No. 5) ebenso durch. Nur Reichmann (Therap. Monatsh., 
1895, No. 3) spricht dem Natriumbicarbonate keine andere Wirkung ausser der alkali- 
sirenden zu. Was den Einfluss der Magenverdauung auf die Harnacidität anbelangt, 
so bemerkte bereits Bence Jones (Philosophical. Transact., 1879, p. 235) eine Ab¬ 
nahme derselben in 3 Stunden nach dem Frühstück, oder 5—6 Stunden nach dem 
Mittagessen, und erklärte dies auf diese Weise, dass durch die HCl-Ausscheidung in 


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Heinrich Sochanski, 


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die starke Alkalisation des Harnes in Folge von nur geringen Dosen von 
NaHCO a bei Personen mit einer sehr empfindlichen Magenschleimhaut 
(Tab. II), wie auch das Vergleichen von NaHCO a mit KHCO a und LiHCO a 
in entsprechenden kleinen Mengen gebraucht (Tab. V, 3). 

Ihre alkalisirende Wirkung verdanken die Natriumbicarbonate jenem 
Umstande, dass ihr saurer Theil um vieles schwächer als der basische 
ist. Wenn man nämlich grosse Mengen von Kochsalz verabreicht, das 
eine Verbindung von gleich starker Säure und Base ist, trotzdem dass 
theoretisch 58 g NaCl ebenso viele Basen wie 84 g NaHCO a enthält, 
kann man eine derart minimale Aciditätsabnahrac 1 ) wahrnehmen, dass 
ein Vergleichen von NaCl mit NaHCO a äusserst schwierig wird. 

Das Binatriumphosphat Na 2 HP0 4 übt eine schwächere Wirkung als 
NaHCO a aus, dagegen aber eine um vieles grössere als NaCl (Tab. IV, 1, 2). 
Mit einer kleinen Zugabe von CaCO a gebraucht, alkalisirt es beinahe 
ebenso stark wie das Bicarbonat (Tab. IV, 1); über die Ursache jener 
letzteren Erscheinung werde ich später berichten. 

Zuletzt will ich noch bemerken, dass die Harnacidität bei Fieber¬ 
kranken durch NaHCO a eine grosse Abnahme erfährt, trotz der Zunahme 
der Phosphatmenge (bei Beibehaltung des vorigen Verhältnisses gesammter 
Phosphate zu den sauren Phosphaten). Dies beweist, dass hier eine 
Acidität gebunden wird, die ihr Entstehen nicht nur den sauren Phosphaten, 
sondern auch anderen Stoffen verdankt [Tab. IV, 3 2 )]. 

den Magen eine Menge Säure verloren geht. Nur Roberts (A practical treätise of 
urinary and renal diseases, 2 nd ed., 1872, p. 48) sieht darin einen Beweis für die 
Basenresorption aus den eingenommenen Nahrungsmitteln, alle übrigen stimmen voll¬ 
ständig mit Bence Jones überein. Zu diesen gehören Quincke (Correspondenzbl. 
f. Schweizer Aerzte, 1874; Zeitschr. f. klin. Med., 7. Bd., Suppl.-H.); Stein (Jahres¬ 
berichte d. Thierchemie, 4. Bd., S. 241, Arch. f. klin. Med., 1876, 17. Bd.); Maly 
(Liebig’s Ann., 73.Bd.; Hermann’s Handb.d.Physiol., 2.Th., 1881, ö.Aufl.), Görges 
(Arch. f. exp. Pathol., Bd. 11); und in der letzten Zeit auch Sticker und Hübner 
(von der Klinik RiegePs), Zeitschr. f. klin. Med., 12. Bd., die Beweise vorführten, dass 
bei den Hungernden beinahe keine Schwankungen der Acidität Vorkommen, ln den 
Fällen der Gastrosuccorhoea bei Gastrektasie in Folge von Pylorusstenose, in denen 
eine grosse Menge HCl in den Magen gelangt und nicht resorbirt wird, nahmen 
Gluzinski und Jaworski (Sitzungsprotokoll d. IV. Congr. d. poln. Naturforscher u. 
Aerzte v. 20. 6. 1881, Posen) eine starke alkalische Reaotion des Harns (ein Beweis für 
die Abhängigkeit der Acidität von dem ausgeschiedenen HCl) und eine beinahe gänz¬ 
liche Abwesenheit von Chlor wahr. Üeber eine gleiche Chlorabwesenheit in ähnlichen 
Fällen berichtet Gluzinski in der Berl. klin. Wochenschr., 1887, No. 52. Hieraus 
folgt, dass die Abwesenheit von Chlor und die alkalische Harnreaction in einem ge¬ 
wissen Zusammenhänge miteinander bleiben. 

1) Eine etwas stärkere Wirkung von NaCl bei der Fett-Fleisch- wie bei der ge¬ 
mischten Diät (Tab. IV, 2ß) kann man sich auf diose Weise erklären, dass bei der 
letzten durch das Kochsalz eine grössere Menge von Kalium ausgeführt wird (Bier- 
nacki, Söl kuchenna a przemiana potasu. Tygodnik lekarski. 1910. Nr. 17.— Koch¬ 
salz und Kaliumwechsel. Med. Wochenschr. 1910. No. 17). 

2) Im Gegensätze zu NaIICO a verringert bei Fieberkranken CaCO a die Menge 
von P 2 0 6 , indem es hierbei keineswegs eine Abnahme der Harnacidität herbeiführt, 
als Beweis dessen, dass die hohe Acidität in jenen Fällen von jenen Stoffen abhängt, 
welche von Erdalkalien schwerer als von Alkalien gebunden werden. 


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Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 253 


Der Reihe nach werde ich nun die Wirkungen der Kalium- und 
Lithiumbicarbonate besprechen. 

Das erste, dessen Moleculargewicht 100 beträgt, enthält 39pCt. Kalium 
und wirkt alkalisch. 

10 g KHC0 3 neutralisirt eine gleich grosse Säuremenge wie 8,4 g 
NaHCO s . Verabreicht verursacht es nicht nur eine Ausscheidung der 
eingeführten Kaliumsalze, sondern auch der Natriumsalze aus dem 
Organismus. Die Mehrheit der Basen verlässt den Organismus auf dem 
Wege des Harns. In Folge dessen ist die Alkalisation eine stärkere. 
Das Kaliumbicarbonat besitzt eine ähnliche Wirkung wie NaHCO a , jedoch 
in etwas stärkerem Grade. Die Alkalisation hängt hier nicht allein von 
dem grösseren Procentgehalte an Basen in der Verbindung, sondern auch 
von der Natur der Basen selbst ab, denn eine einfache Dosis von KHC0 8 
übertrifft an Stärke sogar eine doppelto von NaHC0 8 (Tab. V, 2). 

Kleine Mengen, auf nüchternen Magen eingenommen, verringern die 
Acidität in etwas stärkerem Grade als dies NaHCO s thut, auf dem Höhe¬ 
punkte der Verdauung dagegen alkalisiren sie schwächer als NaHCO s , 
als Beweis dafür, dass sie in geringerem Grade als jene Verbindung die 
Magenschleimhaut zur Erzeugung von HCl beeinflussen. 

Das Lithiumbicarbonat, dessen Moleculargewicht 68 beträgt, enthält 
10,3 pCt. Lithium (6,8 g ist gleich 10 g KHCO s oder 8,4 g NaHC0 8 ). Wirkt 
äusserst stark, stärker sogar als KHC0 8 . Kleine Quantitäten, auf nüchternen 
Magen verabreicht, alkalisiren stärker, nach dem Essen dagegen deutlich 
schwächer als KHC0 8 (schwache Beeinflussung des Magens zur Secretion 
von HCl). 

Die grosse Alkalisationskraft von LiHC0 8 (wir wollen nicht von den 
kleinen am Höhepunkt der Verdauung verabreichten Dosen sprechen) 
kann dadurch erklärt werden, dass nach der Einführung des oben ge¬ 
nannten Salzes in den Organismus nicht nur Lithium, sondern auch 
Natrium- und Kaliumsalze ausgeschieden werden, wodurch eine grosse 
Menge von Basen in den Harn gelangt. 

Besprechend die Wirkung der Calcium- und Magnesiumverbindungen 
werde ich zuerst über das Magnesiumoxyd mich äussern, und zwar deshalb, 
weil seine Wirkung für die ganze Gruppe äusserst charakteristisch ist. 

MgO ist ein in Wasser unlösliches Pulver, dessen Moleculargewicht 40 
beträgt; Magnesium enthält es 60pCt., 2 g binden ebenso viel Säure wie 
8,4 g NaHC0 8 . Durch den leeren Magen geht es unberührt, in den Ge¬ 
därmen verwandelt es sich unter der Wirkung des Natriumcarbonats in 
Magnesiumcarbonat. In den niedriger gelegenen Theilen des Verdauungs¬ 
apparates, in denen bereits eine stärkere Fermentation mit der Erzeugung 
von Säuren 1 ) vor sich geht, bindet es diese Säuren, verhindert ihre 
Resorption ins Blut (Magnesiumcarbonat wird schwer resorbirt), und macht 
auf diese Weise die nöthige Anzahl von Basen frei. Ein Theil der ent- 

1) Schwache Wasserlösungen der Fettsäuren entwickeln sich bei der Berührung 
mit Magnesium- oder Calciumcarbonaten bei der Temperatur von mehr als 20 0 C, 
C0 2 -Lösungen der Mineralsäuren thun dies bereits bei bedeutend niedrigerer liem- 
peratur. 


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Heinrich Sochanski, 

standenen Verbindungen wird dennoch, obwohl mit Schwierigkeiten resorbirt, 
hierauf in Magnesiumphosphat umgewandelt, welch letzterer nur in ge¬ 
ringer Menge mit dem Harn ausgeschieden wird, meistens aber in den 
Darm zurückkehrt und als Mg(NH 4 )P0 4 (durch die Berührung mit NH 3 
entstanden) zusammen mit dem Koth ausgeschieden wird. 

Nur ein geringer Theil der Phosphate wird durch den Harn aus- 
geschieden. In Folge dessen entfällt auf sie eine grössere Anzahl Basen, 
die Menge der sauren Phosphate wird dadurch geringer, und in der 
Folge nimmt die Harnacidität ab, aber nicht nur die freie auf den 
Lackmus einwirkende, sondern auch die Totalacidität, deren Abnahme 
wir in Folge der Ausscheidung kleinerer Mengen Phosphate wahrnehmen. 

Ammoniak wird in kleineren Mengen ausgeschieden; diese Abnahme 
ist jedoch niemals so stark wie nach der Verabreichung von Alkalisalzen. 

Da für die Wirkung von MgO die Anwesenheit von Säuren im Darm 
nothwendig ist, und da dies erst in den niedriger gelegenen Theilen 
desselben stattfindet, in denen bereits eine starke Fermentation vor sich 
geht, so erscheint demzufolge auch die Alkalisation des Harnes, und 
die gleichzeitige Abnahme der P 2 0 6 -Menge, bedeutend später und zwar 
mehr weniger in 8 Stunden; in der Frühe des nächsten Tages nach der 
Verabreichung ist sie am stärksten. Die Stärke der Alkalisation läset 
sich keineswegs mit der grossen alkalischen Kraft der Alkalisalze ver¬ 
gleichen, da ja nur eine verhältnissmässig kleine Menge der eingeführten 
Substanz in die Blutbahn 1 ) gelangt. 

Reicht man MgO am Höhepunkt der Verdauung, so bindet es HCl, 
wodurch dem Organismus eine grosse Menge Säure entzogen wird; ein 
Theil des entstandenen MgCI 2 wird resorbirt, worauf er dasselbe Schicksal 
wie die oben erwähnten Magnesiumsalze erfährt; der übrige Theil wird 
im Darm in Carbonat umgewandelt, und beginnt nun seine normale 
Wirkung. Da MgO schon im Magen eine bedeutende Säurenmenge trifft, 
mit der er gebunden wird, tritt dabei dieHarnalkalisation bedeutend schneller, 
wie bei der Verabreichung auf nüchternen Magen, hervor. Dieselbe beginnt 
bereits in ungefähr 3 Stunden, nach 6 Stunden erreicht sie das Maximum 
ihrer Wirkung, und macht hierauf der gewöhnlichen Aciditätsabnahme, die 
nach 8 Stunden beginnt, Platz. Die ganze Wirkung dauert nun in Folge 
dessen bedeutend länger, als bei der Verabreichung auf nüchternen Magen. 

Kleine Quantitäten von MgO beeinflussen keineswegs den Magen zur 
Secretion, sie binden nur die Salzsäure, wodurch die bei der Verdauung 
wahrnehmbare Abnahme der Acidität begrenzt wird. 

Das Magnesiumcarbonat MgC0 3 , Moleculargewicht 84, dessen 4,2 g 
gleich 2 g MgO bezw. 8,4 g NaHC0 3 entsprechen, alkalisirt, auf nüchternen 
Magen verabreicht, ebenso wie MgO, am Höhepunkt der Verdauung da¬ 
gegen verabreicht, schwächer als dieses, und zwar in Folge der Aus¬ 
scheidung der C0 2 (bei der Berührung mit HCl), die die Magenschleim¬ 
haut zur Erzeugung von HCl anregt. Kleine Dosen, nach dem Mittag¬ 
essen eingenommen, üben keine Wirkung auf die Harnreaction aus. 

1) Bei den Pflanzenfressern, die einen längeren Verdauungsapparat als die Fleisch¬ 
fresser und Menschen besitzen, ist die Resorption von Ca und Mg viel stärker als bei 
den letzteren. (Buchheim und Korber.) 


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Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse naoh Verabreichung von Alkalien etc. 255 


Das Calciumcarbonat CaCO s , Moleculargewicht 100 (5 g entspricht 
2 g MgO) verhält sich ebenso wie MgC0 3 . Die Oxalsäure (0,3 g pro die) 
vergrössert keineswegs seine Alkalisationskraft, was man hoffen könnte, 
falls man den positiven Einfluss dieser Säure in den Fällen der Calcali- 
urie 1 ) berücksichtigt. 

Dass die Wirkung der Calciumsalze auch auf der geringeren Aus¬ 
scheidung von H 3 P0 4 durch den Harn 2 ) beruht, überzeugte ich mich, 
indem die von mir verabreichten gleich grossen Dosen von Ca 3 (P0 4 ) 2 
(Tab. VI, 3) um Vieles schwächer als CaC0 3 wirkten, wie es scheint, 
durch die gleichzeitige Neutralisirung dieser entfernenden Ca-Wirkung 
durch die eingeführte Phosphorsäure. Andererseits übt das zu Na 2 HP0 4 
hinzugefügte NaHC0 3 eine ähnliche Wirkung wie NaHC0 3 , indem es ver¬ 
hindert, dass die ganze Menge der gebrauchten Phosphorsäure in den 
Harn gelangt (Tab. IV, 1). 

Ausser den einzelnen Basen verabreichte ich auch verschiedene 
Mischungen derselben. Im Allgemeinen kann ich behaupten, dass die 
Combination der Alkalisalze (Na, K und Li) zwar energischer, als jede 
derselben einzeln, wirken; ihre Alkalisationskraft wächst jedoch an¬ 
schaulich, sobald man ihnen Ca-, Mg-Salze oder deren Combinationen 
hinzufügt, die keineswegs höher als die einzelnen Basen stehen, nur müssen 
sie in entsprechend grossen Dosen verabreicht werden (Tab. VII, 1, 2, 3). 
Die Titrirung der Phosphate erklärt diese Erscheinung durch die Abnahme 
ihrer Menge, wodurch die verabreichten Alkalien leichter die zurück¬ 
gebliebene Phosphorsäure sättigen können. Ferner muss ich bemerken, 
dass die Wirkung von Ca und Mg spät hervortritt, und zwar dann, sobald 
die Alkalien auf die Harnacidität zu wirken aufgehört haben; die Folge 
ist dann eine bedeutende Verlängerung der Wirkung. Als die besten er- 

1) Tritsohler (Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 44) räth in Fällen der Calcaliurie, 
die die Ursache einer der Arten der aseptischen Phosphaturie und eine Folge der ver- 
grösserton Calciotropie der Nieren ist, die Verabreichung von 0,3 g C 2 H 2 0 4 pro die in 
gesättigter NaHC0 3 -Lösung. Die Oxalsäure bewirkt hier eine Verringerung der Nieren¬ 
acidität für Calcium, wodurch ein Thoil von Ca den Organismus durch den Darm ver¬ 
lässt. In Folge dessen, dass sich Calcium im Organismus hauptsächlich mit der 
Phosphorsäure bindet, kann man hier eine Vergrösserung der Ausfuhr von P 2 0 ß im 
Koth erhoffen, und in der Folge eine Harnaciditätsabnahme. Dass in den Fällen der 
Phosphaturie die Oxalsäure eine vortreffliche Wirkung übt, ersieht man aus den Ziffern, 
die G. Kl em per er in seiner unter dem Titel: Ueber Phosphaturie, Beitrag zur 
Prophylaxe der Nierensteine (Die Therapie d. Gegenw., 1908, Bd. 1) herausgegebenen 
Arbeit anführt ; bei anderen Leuten ruft jedoch die C 2 H 2 0 4 -Verabreichung Wirkungen 
hervor, die Grotowin in seiner Arbeit: Ueber die Behandlung der Nierensteinkrank¬ 
heit (Petersb. med. Wochenschr., 1891, No. 48) angiebt, eine Folge dessen ist eine 
Schwächung der Wirkungsstärke der Erdalkalien, was ich bei meinen Beobachtungen 
stets bestätigen konnte (Tab. VI, 3). 

2) Voit und Förster bewiesen, dass von den60—70pCt. der im Darm resorbirten 
Calciumsalze nur eine geringe Menge im Organismus verbleibt, der übrige Theil 
scheidet sich durch die Dickdarmschleimhaut aus, und nur 5—10 pCt. gelangen in 
den Harn. In Folge dessen, dass sich Ca hauptsächlich mit H 3 P0 4 verbindet, scheidet 
es eine grosse Menge dieser Säure durch den Darm aus, und gestattet ihr eben da¬ 
durch nicht, in solchen Mengen in den Harn zu gelangen, in welchen sie sich aus- 
soheiden würde, wenn man nicht Calciumsalze verabreichen wurde. 


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Hoinrioh Sochanski, 

wiesen sich Mischungen mehrerer Alkalisalze mit den Erdalkalisalzen 
(z. B. die Mischung No. 4 und 5 der Tab. VIII). 

Alle jene oben besprochenen Basen verabreichte ich — wie aus den 
Tabellen ersichtlich — in verschiedenen Fällen, und ich kann behaupten, 
dass, wiewohl ihre Wirkung qualitativ immer dieselbe blieb, ihre Wirkungs¬ 
stärke hauptsächlich von der im Organismus enthaltenen Säurenmenge 
abhängig war, wiewohl auch andere Factoren, wie z. B. eine starke Harn¬ 
verdünnung (Tab. III, 2), oder auch gewisse individuelle Eigenschaften 
des Organismus [Tab. VIII (die Wirkung der Mischung No. 4 in Fällen 
der R. W.)] nicht ohne Bedeutung waren. 

Was den Zuckergehalt an belangt, so war seine Menge keineswegs 
von den von mir verabreichten Alkalien abhängig. Aceton und Acet- 
essigsäure schieden sich gewöhnlich sofort nach der Verabreichung reich¬ 
licher aus (die Periode der Ausscheidung aus dem Organismus), um nicht 
lange darauf, in den von mir beobachteten Fällen, gänzlich zu ver¬ 
schwinden (Tab. VII, 1; Tab. VIII, Experimente mit der Mischung Nr. 4 
im Falle von M. R.). 

Auf Grund meiner Untersuchungen gelangte ich zu folgenden Schlüssen: 

1. Alkalisalze wirken rasch, kräftig aber vorübergehend. Dies hängt 
wenig davon ab, ob sie am Höhepunkt der Verdauung oder auf 
nüchternen Magen gereicht wurden, kleine Dosen ausgenommen. 

2. Lithium- und Kaliumsalze übertreffen an Wirkungsstärke die 
Natriumsalze. 

3. Geringe Dosen von Natriumbicarbonat, während der Verdauung 
verabreicht, vergrössern die Ausscheidung von HCl, in ge¬ 
ringerem Grade thun dies entsprechende Gaben von KHCO s , in 
noch geringerem LiHCO s . 

4. Erdalkalisalze alkalisiren schwach, langsam, jedoch andauernd, 
auf dem Höhepunkt der Verdauung verabreicht, gewinnen sie an 
Kraft und andauernder Wirkung. 

5. Sowohl Alkalien als auch Erdalkalien wirken am stärksten in 
Gestalt von Oxyden oder Bicarbonaten, bei weitem schwächer 
in Gestalt von Phosphaten oder Chloriden. 

6. Die tägliche Ammoniakraenge vermindert sich erheblicher nach 
dem Gebrauch von Alkaliensalzen als nach dem der Erd alkalisalze. 

7. Mischungen von Erdalkali- und Alkalisalzen rufen eine starke und 
andauernde Alkalisation hervor, am stärksten bewirken dies 
Mischungen von Carbonaten. 

8. Die Wirkung der einzelnen Basen ist qualitativ in allen Fällen 
dieselbe, quantitativ hängt sic hauptsächlich von der im Organismus 
enthaltenen Säurenmenge ab, obwohl auch andere Factoren nicht 
ohne Bedeutung bleiben. 

9. Auf die Zuckermenge (in Fällen von Diabetes mellitus) haben 
jene Basen keinen deutlichen Einfluss. 

Zum Schlüsse fühle ich mich verpflichtet, meinem hochverehrten 
Chef Herrn Professor Dr. A. Gluzinski meinen aufrichtigen Dank für 
seine Aneiferungen und werthen Winke bei dieser Arbeit auszudrücken. 


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Tabelle I. Die Wirkung des Natriumbicarbonats beim normalen Menschen. 

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Untersuchungen d. Harnaoiditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 257 



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Tabelle 11. Die Wirkung des Natrium bicarbonicum bei einem Menschen mit Hyperaeiditas digestiva. 

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Tabelle III. Die Wirkung des Natrium bicarbonicum. 


Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 259 


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Tabelle IV. 1. Die Vergleichnng der Wirkung von NaHC0 3 , Na 2 HP0 4 nnd Na(T beim normalen Menschen. (Siehe Tabelle 1.) 

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Tabelle IV (Fortsetzung). 2. Die Vergleichung der Wirkung von XaHCO a , Na 2 HP0 4 und NaC'l heim Diabetiker. 


Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 261 


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Tabello V. Die Vergleichung der Wirkung von NaHC0 3 , KHC0 8 und LiHC0 3 . 












Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 263 


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270 Heinrich Sochanski, Untersuchungen der Harnaciditätsverhältnisse etc. 


Tabelle VIII (Fortsetzung). 


Harnmenge 
in ccm 
pro die 


* 

<v 

O 


CU 

C/2 


auf Lackmus 

Basen 

ccm 

Acidi¬ 

tät 

ccm 

Total¬ 

acidi¬ 

tät 

ccm 

® Sc 

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c o 

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CU 

CD 

U 

• 

Sh -P 
<D — 

H (Q 

1-s 

N “ 

pCt. 

Aceton u.Acet- 
essigsäure 

sauer 

7 

33 

40 

1,62 

1,10 

0,9 

+ 

stark alkalisch 

27 

3 

40 





alkalisch 

31 

5 

36 

1,50 

0,2 

0,8 

+ 

schwach alkal. 

19 

12 

31 





* » 

14 

14 

28 

1,580 

0,34 

0,8 

+ 

. amphoter 

14 

16 

30 





sauer 

14 | 

22 ' 

36 

1,6576 | 

1,0156 

0,6 

+ 

stark sauer 

16 

48 

64 

[ 2,596 

1,20 

1 

0 

. schwach alkal. 

35 

25 

60 





amphoter 

29 

29 

58 

2,20 

0,78 

0,1 

0 

schwach sauer 

26 

29 

55 





•* r> 

21 

31 

52 

1,98 

0,896 

1 

0 

sauer 

22 

34 

56 





stark sauer 

20 

41 

61 

2,2972 

1,10 

0,5 

0 


M. R., Diabetes mellitus. 


1700 

2100 

10 g d.Miscb.V 
verabreicht. 
2050 

1650 


1026 

1021 


1021 

1021 


Nach 3 Std. 
* 6 
„ 8 
Vormittags 
Abends. 


R. W., Diabetes mellitus. 


1200 

1600 

10 gd. Misch. V 
verabreicht. 
1350 

1280 


1025 

1022 


1018 

1029 


Nach 3 Std. 
* 6 
» 8 
Vormittags 
Abends. 


c 

o 

c 


c 

< 


0,99 

0,91 

0.85 

0,845 


0,85 
0,801 '2 


0,77 

o,sos 


Zusammensetzung der Mischungen. 


Die Mischung I: Kalii bicarbonati . 10,0 (3,9 K) 
Lithii bicarbonati. 6,8 (0,68 Li) 

Magnesiae ustae . 2,0 (1,2 (Mg) 

Calcii carbonatii . 5,2 (2 Ca) 

10 g der Mischung enthält: 4,2 KHC0 3 (1,638 K) 

3,0 LiHCOa (0,31 Li) 

0,8 MgO (0,48 Mg) 

2,0 CaC0 3 (0,8 Ca) 

10,0 3,228 

Die Mischung II: KiIC0 3 .10 (3,9 K) 

LiHCOs. 6,8 (0,68 Li) 

MgC0 3 . 4,2 (1,197 Mg) 

Ca 3 (P0 4 ) 2 . 5,2 (2 Ca) 

10 g der Mischung enthält: 3,3 KHC0 8 (1,287 K) 

3,0 LiHC0 3 (0,31 Li) 

1,4 MgC0 3 (0,399 Mg) 

2,0 Ca3(P0 4 ) 2 (0,8 Ca) 

2,796 


Die Mischung III: KHC0 3 8,4 NaHC0 3 (2,31 Na) 

6,8 LiHC0 3 (0,68 Li) 

2,0 MgO (1,2 Mg) 

5,0 CaCO s (2 Ca) 

10 g der Mischung enthält: 4 NaHC0 3 (1,1 Nal 

3 LiHCQa (0.31 Li 

0,8 MgO (0.48 Mi 

2 CaCO s (0.8 Cai 

2,69 

Die Mischung IV: . . . . 10 KHC0 3 (3,9 K) 

10 LiHCOa (1.03 Li) 

10 MgO (6 Mg) 

10 CaC0 3 (4 Ca) 

10 g der Mischung enthält: 2,5 KHCO a (0,97 K 1 

2,5 LiHCOa (0,257 Li 

2,5 MgO (1,5 Mi 

2,5 CaC0 3 (1,0 Cv 

3,737 


Die Mischung V: NaHC0 3 , KHC0 3 , LiHCO s , MgO, CaC0 3 äa 10 0 (= 2,75 Na, 3,9 K, 1,03 Li, 6,0 Mi 
4,0 Ca). 10 g der Mischung enthält NaIlC0 3 , KIIC0 3 , LiIlC0 3 , MgO, CaC0 3 aa 2 (= 0,55 Na, 0,78 K, 0,206 L> 
1,2 Mg, 0,8 Ca. Zusammen 3,486). 


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XII. 

Aus der medicinischen Klinik in Göttingen. 

Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn. 

Von 

L. Lichtwitz. 

(Mit 1 Abbildung im Text.; 


1. Die Löslichkeit der Harnsäure nnd des sauren harnsauren Natriums. 

His und Paul 1 ) und Gudzent 2 ) haben bekanntlich die Löslichkeit 
der Harnsäure und ihrer Salze im Wasser ermittelt Gudzent 3 ) hat 
sodann das Verhalten der Harnsäure und ihrer Salze im Blut und Serum 
untersucht und an einem künstlichen Serum, in Uebereinstiramung mit 
der Berechnung von Henderson und Spiro und den Experimenten von 
Bechhold und Ziegler, den Nachweis geführt, dass die Harnsäure im 
Blut nur als saures Natriumurat existiren kann, dessen Löslichkeit 
gegenüber der im Wasser durch die Anwesenheit anderer Salze, die 
Natriumion abspalten, stark vermindert wird. Beim Schütteln von Mono¬ 
natriumurat mit undialysirtem Pferdeserum* fand er etwa die gleiche 
geringe Löslichkeit wie im „künstlichen Serum u . Die in diesen Versuchen 
erreichte Concentration des Mononatriumurats im Blute ist in vielen Fällen 
kleiner als die Harnsäurewerthe, die im Blut des Gichtkranken gefunden 
werden, und Gudzent zieht daraus den Schluss, dass das Gichtikerblut 
zu gewissen Zeiten eine übersättigte Uratlösung darstellt. Diesem Schluss, 
der das Auftreten der Urate bei der Gicht dem Verständnis nahezubringen 
scheint, ist gern beigestimrat worden, obwohl Bechhold und Ziegler 4 5 ) 
mit grosser Entschiedenheit darauf hingewiesen haben, dass inactivirtes 
Rinderserum sehr grosse Mengen Harnsäure (52 mg pro 100 ccm) zu 
lösen und in Lösung zu halten vermag. Schon vorher hatten W. Pauli 
und Sam ec 6 ) gezeigt, dass schwerlösliche Salze und auch Harnsäure in 
elektrolytfreien Serumalbuminlösungen weit besser löslich sind als in Wasser. 

Diese Feststellungen — die Herabminderung der Löslichkeit des 
Mononatriumurats durch anwesende Natriumsalze und die Erhöhung der 
Löslichkeit durch die Eiweisskörper — müssen in gleicher Weise be¬ 
rücksichtigt werden, wenn man die Frage entscheiden will, ob eine 


1) Zeitschr. f. phys. Chemie. 1900. Bd. 31. S. 1 und 65. 

2) Ebenda. 1909. Bd. 60. S. 25. 

3) Ebenda. 1Ö09. Bd. 63. S. 455. 

4) Bioohem. Zeitschr. 1909. Bd. 20. S. 189. - 1910. Bd. 24. S. 146. 

5) Ebenda. 1909. Bd. 17. S. 235. (Ihre Werthe für die Löslichkeit der Harn¬ 

säure im Wasser sind auffallend hoch.) 


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272 


L. Lichtwitz, 


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Körperflüssigkeit in Bezug auf Harnsäure oder saures Natriuraurat ge¬ 
sättigt ist. Ein Vergleich der Concentration mit der in reinem Wasser 
wird in keinem Falle ein brauchbares Ergebniss liefern. 

Für die Gicht wie für alte Ablagerungen von Salzen und anderen 
Körpern im Organismus sind diese doppelten Beziehungen von grosser 
Bedeutung. Den besten Einblick gewährt das Studium der Löslichkeit 
und Niederschlagsbildung ira Harn. 

Die Concentration der Harnsäure und ihrer Salze (des Urations) ira 
Harn ist bereits ira Vergleich zu der Löslichkeit im reinen Wasser eine 
ausserordentlich hoho. Diese Thatsache ist so bekannt, dass es über¬ 
flüssig ist die Zahlen hier anzuführen. Durch die saure Reaction des 
Harns müsste, wenn es sich um reine wässerige Lösungen handelte, die 
Löslichkeit der Harnsäure, durch die beträchtliche Concentration an 
Natriumionen die Löslichkeit des Mononatriumurats kleiner sein als im 
Wasser. Der Grund dieser abnormen Löslichkeit liegt, wie ich früher 
ausgeführt habe, in der colloidalen 1 ) Structur des Harns. Es wurde 
festgestellt, dass die Löslichkeit der Harnsäure und des Mononatriumurats 
abhängig ist vom Lösungszustand der Harncolloide. 

Das Ausfallen eines Sediments erfolgt durch eine Verschlechterung 
der Verkeilung (Ausflockung) der Colloide, die reversibler oder irreversibler 
Art sein kann. 

Es ist aber zweifellos, dass die Acidität auf diesen Vorgang einen 
begünstigenden Einfluss haben kann. Otto Neubauer 2 ) hat ihr sogar 
die grösste Rolle zugesprochen. Er findet in Harnen mit Sedimenten 
von Harnsäure regelmässig so hohe Wasserstoffionen-Concentrationen, wie 
sie beim Normalen — gleiche Kost vorausgesetzt — nicht Vorkommen. 
Dieselbe Meinung mit der Einschränkung, dass die Ionenacidität einer 
der Factoren ist, die das Ausfallen der Harnsäure bedingen, vertritt Erich 
Meyer 3 ). Er bemerkt aber, dass, wenn man die Menge der ausfallenden 
Harnsäure in Beziehung zur Grösse der Acidität in den einzelnen Fällen 
betrachtet, man zu dem Schlüsse gelangt, dass für das Ausfallen noch 
andere Factoren in Betracht kommen müssen. Die tägliche Erfahrung, 
dass beim starken Ansäuern von Harn nur ganz ausnahmsweise ein 
Niederschlag von Harnsäure entsteht, ist mit dieser hohen Bewerthung 
der Harnacidität schwer in Einklang zu bringen, und es erhebt sich die 
Frage, ob die in der Niere entstehende saure Reaction eine andere 
biologische Bedeutung hat als die Acidität, die in dem entleerten Harn 
durch Hinzufügen von Säure erzeugt wird. Die Möglichkeit einer solchen 
Differenz besteht. Der Process der Harnbereitung, und besonders die 
Schaffung der höheren molecularen Concentration 4 ) geht einher mit und 
durch Zustandsänderungen im Zellinhalt 4 ). Speciell für die Harnsäure 

1) Zeitschr. f. phys. Chemie. 1910. Bd. G4. S. 144. Vgl. auch G. Klempcrer, 
Verhandl. d. Congr. f. innere Med. Wiesbaden 1902. S. 219. 

2) Verhandl. d. Congr. f. innere Med. Wiesbaden 1911. S. 160. 

3) Ebenda. S. 162. 

4) L. Lichtwitz, Die Concentrationsarbeit der Niere. Verhandl. d. Congr. f. 
innere Med. Wiesbaden 1910. S. 758. — Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1911. Bd. 65. 
S. 128. 


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Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn. 


273 


ist durch die an Vögeln und Säugethieren durchgeführten Untersuchungen 
von Meissner 1 ), Ebstein und Nikolaier 2 ) und Minkowski 3 ) sicher¬ 
gestellt, dass sie als Sphärolith in der Tubuluszelle ausfällt, also mit 
einem Colloidgerüst in den festen Zustand übergeht, und in diesem in 
das Canälchen abgegeben wird. Dieser Sphärolith ist unter normalen 
Verhältnissen im Harnwasser löslich. Dem Gesetz der wässerigen Löslich¬ 
keit folgt ein solches Harnsäuretheilchen nicht; seine Löslichkeit wird 
bestimmt durch die Löslichkeit der Colloide, die mit ihm zusammen in 
den Niederschlag eingetreten sind. Bekannte Beispiele für einen solchen 
Vorgang sind die Löslichkeit des ganz wasserunlöslichen Cholesterins in 
Wasser, wenn man es zusammen mit Lecithin aus einer Benzollösung zur 
Trockne gebracht hat (Overton), und die Löslichkeit colloidalen Silbers 
bei Gegenwart eines Schutzcolloids (Collargol). 

Diese Anreicherung der Harnsäure in der Zelle geschieht unter Con- 
centrirung von Wasserstoffionen, da aus dem Mononatriumrat des Blutes 
Harnsäure, und aus dem Dinatriumphosphat des Blutes das sauer 
reagirende Mononatriumphosphat gebildet wird. Die Concentration der 
Wasserstoffionen ist aber, wie wir wissen, von grossem Einfluss auf den 
Lösungszustand von Colloiden, und es ist sehr wohl möglich, dass bei 
bestimmten Aciditäts- und Colloidverhältnissen in der Nierenzelle, über 
die wir etwas Gewisses nicht aussagen können, ein Harnsäuretheil 
(Sphärolith) gebildet wird, der nach seiner Ausstossung in den Tubulus¬ 
canal von dem Harnwasser nicht gelöst wird, weil sein Colloidgerüst 
in Folge der besonderen, durch die Reaction in der Zelle verschuldeten 
Verhältnisse irreversibel gefällt ist. 

Ein solcher Vorgang, der physicalisch-chemisch möglich, aber einer 
experimentellen Beweisführung nicht zugänglich ist, wird es verständlich 
machen, dass eine saure Reaction, die am Orte der Harnsäureausscheidung 
entsteht, auf die Löslichkeit von anderem Einflüsse ist als die Säure, die 
aus anderen Theilen der Niere kommt oder nachträglich zugesetzt wird. 

Die Angabe von 0. Neubauer, dass eine Wasserstoffionenacidität 
von 1—2 X 10 im normalen, d. h. von Harnsäuresediment freien Harn 
nicht vorkommt, kann in dieser Allgemeinheit nicht bestätigt werden. 
In einem Falle von Coma diabeticum habe ich bei einem Werthe von 
lXlO -5 einen völligen Bestand der Harnsäurelöslichkeit durch mehrere 
Tage beobachtet, und Erich Meyer hat zweimal bei dem gleichen 
Werth Harnsäure nur in unbestimmbaren Spuren im Sediment gefunden. 

Die Bedeutung der Ionenacidität für die Harnsäurelöslichkeit ist also 
eine sehr begrenzte, und es ist sehr wohl möglich, dass dort, wo sie 
überhaupt vorhanden ist, ihre Wirkung durch den Einfluss auf die 
schützenden Colloide vermittelt wird. 

Die Bedeutung dieser Colloide braucht nicht mehr unter Beweis ge¬ 
stellt zu werden. Ein immer wiederkehrender Versuch der Erklärung 
der abnormen Löslichkeiten in den Körperflüssigkeiten beruht auf dem 


1) Zeitschr. f. ration. Med. 1868. Bd. 31. S. 162. 

2) Virohow’s Arch. 1896. Bd. 143. S. 337. 

3) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1898. Bd. 41. S. 375. 


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274 


L. Lichtwitz, 


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bequemen Princip der Uebersättigung. Es ist bekanntlich möglich, 
Lösungen herzustellen von höherer Concentration als dem Sättigungs¬ 
punkt entspricht, und es ist sicher, dass auch die Harnsäure und ihre 
Salze zu solchen Uebersättigungen neigen. So hohe Uebersättigungen, 
wie sie im Harn Vorkommen, sind bei künstlicher Darstellung nicht zu 
erreichen. Man kann Lösungen machen, die 3- bis 4mal so stark sind 
als gesättigte; aber der Harn übertrifft die Concentration einer gesättigten 
wässerigen Harnsäurelösung oft um das 20- und Mehrfache. 

Aus der Phasenregel von Gibbs ergiebt sich mit mathematischer 
Nothwendigkeit, dass eine übersättigte Lösung nicht beständig ist bei 
Gegenwart der gelösten Stoffe in fester Form. Durch Hinzufügen derselben, 
durch die sogenannte Impfung, kann man ein oft plötzliches Aus- 
krystallisiren hervorrufen. Im Allgemeinen wird die Schnelligkeit der 
Krystallisation abhängig sein von der Zahl der anwesenden Krystalle, die 
als Krystallisationspunkte wirken. Der Process führt zu einem Gleich¬ 
gewicht, das dann erreicht ist, wenn die Lösung den Concentrationspunkt 
der Sättigung erlangt hat. 

Wenn also der Harn eine einfache übersättigte Lösung ist, so muss 
bei Gegenwart eines Sediments nach ausreichender Zeit (24—48 Stunden) 
eine gesättigte wässerige Lösung übrig bleiben. 

Dies geschieht, wie folgende Beobachtungen lehren, nicht. 

Eine Patientin 1 ) mit myeloischer Leukämie hatte in einem stark sauren Harn 
stets ein reichliches Sediment von Harnsäure in Wetzsteinform. Es wurde die Gesammt- 
harnsäure und die Harnsäure des Filtrats (gelöste Harnsäure) bestimmt. (Methode von 
Krüger und Schmid.) 


Datum 

Harnmenge 

U g in 24 Std. 

U mg in 100 ccm 

13. 10. 09 

1160 

0,6354 

14,5 

14. 10. 09 

1329 

0,6279 

22,4 

15. 10. 09 

1440 

0,7357 

28,3 

16.10. 09 

1380 

1,0201 

19,0 

17. 10. 09 

1095 

0,7917 

22,2 


In 100 ccm Wasser sind bei 18° 2,54 mg Harnsäure löslich. Bei 
der sauren Reaction, die nicht gemessen ist, würde der Sättigungspunkt 
noch unter diesem Werthe liegen. 

Das gleiche Resultat, aber ohne Berücksichtigung der Zeit, die bis 
zum Beginn der Analyse verstrichen ist, geben die Untersuchungen von 
Erich Meyer, der gleichzeitig die Ionenacidität gemessen hat. 

Bei (H+)-Werthen von 1X10 “ 5 bis 3 x 10 “ 7 , aber unabhängig von ihnen, beträgt 
die Concentration der in Lösung verbliebenen Harnsäure 8,2—51 mg in 100 ccm. Nur 
in 2 Analysen ist der theoretische Werth der wässrigen Löslichkeit erreicht (1,92 bis 
2,3mg in lOOccm bei (H^) = 4—5 X 10 “ 6 ), bei einem extrem dünnen Harn von 1001,7 
bezw. 1001,3 specifischem Gewicht. 

Ebenso liegen die Verhältnisse in den Harnen, in denen ein Sedi- 
mentum lateritium ausgefallen ist. 


1) Lichtwitz, 1. c. 


Gck .gle 


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Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Ham. 


275 


Datum 

mg gelöstes saures Natrium- 

Datum 

mg gelöstes saures Natrium 

urat in 100 ccm 

urat in 100 ccm 

17. 11.09 

72,0 

21. 11.09 

90,2 

18. 11. 09 

71,5 

22. 11.09 

101,9 

19. 11.09 

92,0 

23. 11. 09 

83,4 

20. 11.09 

36,4 




Der Kochsalzgehalt dieser Harne, der in der hier wiedergegebenen 
Periode nicht, aber bei derselben Kost unmittelbar vorher längere Zeit 
bestimmt wurde, lag zwischen 0,885 und 1,695 pCt. Er betrug im 
Durchschnitt 1,083 pCt. 

Bei 18° Und einem NaCl-Gehalt von 0,814 pCt. beträgt nach 
Gudzent die Löslichkeit des. sauren Natriumurats in 100 ccm Wasser 
18,4 mg (Lactamform) bezw. 8,3 mg (Lactimform). 

Dasselbe Resultat hatten folgende Untersuchungen: 


mg gelöstes Mononatriumurat 
in 100 ccm 


(H + ) 


Titrations¬ 

acidität 


pCt. NaCl 


72,3 8 X 10~ 6 54,5 1,55 

60,2 3X10-« 63,2 1,64 

In allen diesen Fällen bleibt die Lösung weit concentrirter als deu 
Verhältnissen der wässerigen Löslichkeit entspricht. Sie strebt zum 
Mindesten dem normalen Gleichgewicht mit so grosser Langsamkeit zu, 
dass die Annahme einer einfachen Uebersättigung nicht statthaft ist. 

Dass die Harnsäure im Urin in echter Lösung und nicht in colloidaler 
enthalten ist, habe ich früher durch die sogenannte Compensationsdialyse 
festgestellt. 

2. Die Löslichkeit des oxalsauren Kalks. 


Nach Kohlrausch ist bei 18° in 100 ccm Wasser 0,56 mg oxal- 
saurer Kalk löslich. In 1500 ccm Harnwasser (Tagesmenge) könnten 
also 8,4 mg gelöst bleiben. Die durchschnittliche tägliche Oxalsäure¬ 
ausscheidung von 20 mg = 32 mg Calciumoxalat ergiebt also etwa das 
Vierfache des Werthes der wässerigen Löslichkeit. Diese Löslichkeits¬ 
überschreitung kann noch weit übertroffen werden. So berichtet Umber 1 ) 
über einen Fall von Oxalsäurevergiftung, der an einem Tage in 530 ccm 
sauren Harns 126,1 mg Oxalsäure in gelöstem Zustande ausschied. Erst 
nach einigem Stehen traten Oxalatkrystalle auf. Diese 126,1 mg Oxal¬ 
säure entsprachen 202 mg Calciumoxalat. Der Harn enthielt also 38 mg 
oxalsauren Kalk bei ca. 37° in 100 ccm gelöst, d. i. 68 mal so viel als 
in der gleichen Menge Wasser bei 18 0 möglich ist. 

Würde es sich im Harn um eine reine wässerige Lösung handeln, so 
müsste die Löslichkeit in Folge der Anwesenheit von Calciumionon im 
Ueberschuss kleiner sein als im Wasser. 

Die Reaction ist auf Lösung und Ausfallen des oxalsauren Kalks 
sicher ohne Einfluss. In starken Mineralsäuren ist Calciumoxalat löslich, 
aber Reactionen von dieser Stärke kommen im Harn nicht vor. Es ist 
eine alltägliche Beobachtung, dass die typischen Krystalle im sauren, 
neutralen und alkalischen Harn zu finden sind, und es ist von be- 
sonderem In teresse, dass sich nicht selten Sedimente von Harnsäure und 

1) Lehrbuch der Ernährung und der Stoffwechselkrankheiten. Berlin-Wien 1909. 


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276 


L. Lichtwitz, 


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oxalsaurera Kalk, von Mononatriumurat und oxalsaurem Kalk, von Calcium¬ 
phosphat und Calciumoxalat finden. Nur bei der letzten Combination 
kann die Ursache in einem Moment chemischer Natur, in einer hohen 
Concentration von Calciumionen liegen; zwischen der Löslichkeit der 
Harnsäure (und ihrer Salze) und des Calciuraoxalats besteht gar keino 
chemische Beziehung. Wenn diese Körper zusammen ausfallen, so kann 
der Grund nur in einer Aenderung der Constitution des Lösungsmittels 
liegen, d. h. in einem Mangel an Schutzcolloiden. 

Nicht selten finden wir bei einem Individuum die Neigung zu Harn¬ 
sedimenten als constante Erscheinung, wechselnd aber die Art des 
Sedimentes, die dann gewöhnlich durch extreme Aenderungen in der 
Harnreaction bedingt ist. Auch hier ist die Störung im colloidalen 
Milieu die gemeinschaftliche Ursache der Niederschlagsbildung. 

Bei dem Ausfallen des oxalsauren Kalks im Harn geht häufig, wie 
bei dem Urat, die Concentration der zurückbleibenden Lösung nicht auf 
den Werth zurück wie in der wässerigen Lösung. 

Nach Klemperer und Tritschler 1 ) findet sich 1,61—2,5 mg in 
100 ccm Harn gelöst bei einem reichlichen Oxalatsediment. 

Diese Autoren haben sich mit der Löslichkeit des oxalsauren Kalks 
beschäftigt und sind zu dem Resultat gekommen, dass die Löslichkeit 
abhängt von der Concentration der Oxalsäure, dem Magnesiumgehalt des 
Harnes, und besonders von dem Quotienten CaO : MgO. 

Dass Neutralsalze die Löslichkeit schwerlöslicher Stoffe positiv oder 
negativ beeinflussen können, ist sicher. Dass aber so geringe Differenzen 
in der Concentration, wie sie für das Magnesiumion im Harn möglich 
sind, einen Einfluss haben, ist in der chemischen Analyse ohne Beispiel. 

Die Analysen von Klemperer und Tritschler berechtigen nicht 
dazu, von einer Wirkung der Magnesiumsalze zu sprechen. Zu einer Be¬ 
urteilung der Frage können von den zahlreichen Untersuchungen nur 
die wenigen angewandt werden, in denen bei Anwesenheit eines Sediments 
die gelöste Oxalsäure bestimmt worden ist, da es nicht darauf ankommt, 
ob Oxalat ausgefallen, sondern wie viel gelöst geblieben ist. Nur die 
Tabelle auf S. 360 giebt darüber Aufschluss. Ich habe aus der Gesammt- 
oxalsäure und der Oxalsäure des Sediments die Concentration des gelösten 
Oxalats berechnet, und gebe die Tabelle in dieser Form wieder: 


Datum 

mg gelöste Oxal¬ 
säure in 100 ccm 

Sediment von 
Calciumoxalat 

pCt. CaO 

pCt. MgO 

CaO 

MgO 

*26./27. 

0,84 

i 

~r 

0,0360 

0,0201 

1 : 0,56 

27./2S. 

1,92 

+ 

0,0280 

0,0207 

1 :0,74 

2S./29. 

2,34 


0,0325 

0,0252 

1 : 0,77 

29./30. 

1,76 

+ 

0,0367 

0,0229 

1 : 0,62 

30./31. 

< 1,44 

+ 

0,0297 

0.0187 

1 : 0^63 

31./I. 

2,6 

— 

0,0282 

0,0269 

1 : 0,95 

2-/3. 

2,38 

+ 

0,0297 

0,0168 

1 :0,57 

3./4. 

< 1,76 

+ 

0,0217 

0,0155 

1 : 0,71 

4./5. 

1,44 

— 

0,0170 

0,0138 

1 : 0,81 

1) Zeitschr. f. klin. Med. 

1902. ßd. 44. 

S. 3S7. 




Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn. 


277 


In dieser Reihe sind die Quotienten CaO: MgO relativ klein, aber 
untereinander doch hinreichend verschieden, um deutlich zu machen, dass 
zwischen ihnen und der Concentration der gelösten Oxalsäure gar keine 
Beziehung besteht. 

Die Analysen der Harne, in denen keine Oxalsäure ausgefallen ist, können 
für einen Einfluss der Magnesiumionen nichts beweisen, da man nicht weiss, 
ob die Harne in Bezug auf ihren Gehalt an Calciumoxalat gesättigt sind. 

Aus den Tabellen von Klemperer und Tritschler auf Seite 362 
und 363 geht aber hervor, dass etwa eine normale Oxalsäureconcentration 


beständig ist 

bei sehr variirendem 

CaO: MgO 

und sehr verschiedener 

Harnreaction. 

So z. B.: 





Harnreaction 

Oxalsäure 

CaO 

Sediment 


in 

100 ccm 

MgO 


S. 362 3. Tag 

schwach sauer 

1,12 

1 : 1,2 

0 

S. 363 1. Tag 

alkalisch 

1,1 

1 :0,54 

Phosphate 

S. 363 4. Tag 

sauer 

1,4 

1:0,65 

0 


Rlemperer und Tritschler haben diesen die Löslichkeit be¬ 
fördernden Einfluss der Magnesiumsalze auch an reinen wässerigen 
Lösungen untersucht und gefunden. Aus den mitgetheilten Versuchen 
geht aber nicht hervor, dass die Magnesiumsalze an sich diese Wirkung 
haben, sondern nur bei Gegenwart von saurem Calciumphosphat (d. h. 
bei saurer Reaction), das aber in der angewandten Concentration, wie 
die Autoren selbst finden, schon an sich die Löslichkeit des oxalsauren 
Kalks erhöht. Diese Versuche von Klemperer und Tritschler geben 
aber zu Bedenken gegen die Methodik Anlass. Es wurde das Oxalat 
gewichtsanalytisch bestimmt, aber anscheinend der Fällungsmodus nach¬ 
geahmt, der im Harn vor sich geht, d. h. bei Zimmertemperatur gearbeitet. 
Es ist aber jedem Analytiker bekannt, dass der oxalsaure Kalk bei 
niedriger Temperatur gefällt, fast immer in so feinem Korn ausfällt, dass 
er von keinem Filter zurückgehalten wird. Bei den relativ kleinen Mengen 
(4—10 rag), die zur Wägung kamen, würden auf diese Weise entstandene 
kleine Verluste bereits einen sehr grossen Fehler ergeben. 

Ich habe daher, zusammen mit Herrn cand. med. H. Buch holz, der 
darüber ausführlicher in einer Dissertation berichten wird, die Frage noch 
einmal untersucht. 

Wir haben zuerst mit Normallösungen von Calciumchlorid, Magnesium¬ 
sulfat und Natriumoxalat gearbeitet und das Oxalat im Ueberschuss an¬ 
gewandt. Die Lösungen wurden in den in der Tabelle verzeichneten 
Mengen zusammengegossen, dann gewartet, bis der Niederschlag bei 
Zimmertemperatur absetzte, die darüberstehende Flüssigkeit vorsichtig 
dekantirt, und in einem ^messenen Theile des klaren Filtrats mit 
Permanganat die überschüssige Oxalsäure zurücktitrirt. 


Natrium¬ 

Magnesium¬ 

Calcium¬ 

Wasser 

Calcium¬ 

oxalat 

sulfat 

chlorid 

permanganat 

29 com 

0 ccm 

10 ccm 

10 ccm 

9,78 ccm 

29 „ 

0 „ 

10 „ 

10 „ 

9,78 „ 

29 „ 

10 „ 

10 „ 

0 „ 

9,80 „ 

29 „ 

10 „ 

10 „ 

0 „ 

9,79 „ 

ichrift f. exp. 

Pathologie u. Therapie. 

13. Bd. 


19 


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278 


L. Lichtwitz, 


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Mit und ohne Gegenwart von Magnesiumsulfat war also genau die 
gleiche Menge Oxalsäure gelöst geblieben. 

Derselbe Versuch wurde bei Anwesenheit einer -Lösung von Mono- 

natriumphospat (und zwar 10 ccm derselben in einem Gcsammtvolumen von 
59 ccm) vorgenommen mit dem Resultat, dass die verbrauchte Menge Per¬ 
manganat 1—2 Tropfen mehr betrug, also eine Zunahme der Löslichkeit von 
etwa Yo pCt. ergab, die für unsere Frage praktisch nicht in Betracht kommt. 

Sodann haben wir mit einem Ueberschuss von Kalk gearbeitet. 
0,9 g Natriumoxalat (roh gewogen) und 30 g CaCI 2 wurden in je 100 ccm 
Wasser gelöst. Von Magnesiumchlorid wurde eine gesättigte Lösung dar¬ 
gestellt. Je 20 ccm der Lösungen wurden zusammengegeben, bei Zimmer¬ 
temperatur 24 Stunden stehen gelassen, ßltrirt, gewaschen, verascht, ge¬ 
glüht und als CaO gewogen. Bei diesem Verfahren waren, wie voraus¬ 
zusehen, Verluste nicht zu vermeiden, da der Niederschlag durch die 
Filter ging. Die Resultate sind dementsprechend schlecht. Aber bei 
Gegenwart von Magnesium waren (wohl zufällig) die CaO-Gewichtc ein 
wenig höher. In einem Versuch wurde in einem Theilc des decantirten 
klaren Filtrats die Oxalsäure mit Permanganat titrirt. Diese Titration 
ergab völlig übereinstimmende Resultate. Die Anwesenheit von Magnesium 
hatte nichts ausgemacht. Obwohl es peinlich ist, die schlechten Ge¬ 
wichtsanalysen mitzutheilen, sei dieser Versuch hier wiedergegeben: 


Oxalsaures 

Natrium 

CaCI 2 

MgCl 2 

h 2 o 

CaO 

KMn0 4 

20 ccm 

20 ccm 

0 ccm 

20 ccm 

72,0 mg 

0,35 

20 „ 

20 „ 

20 „ 

0 „ 

77,0 „ 

0,35 

20 „ 

20 „ 

20 „ 

0 „ 

75,2 „ 

0,35 


Behandelt man die Niederschläge nach den Regeln der Analyse, 
d. h. mit mehrstündigem Erwärmen auf dem kochenden Wasserbade, so 
kommt man, unabhängig vom Magnesiumgehalt, zu ganz übereinstimmen¬ 
den Werthen. 

Lösungen wie oben: 

ohne Zusatz von Magnesiumchlorid . 77,4 mg CaO 

®it n . ^>4 77 

„ „ „ 5 ccm MgCI 2 -Lösung-f- 15 ccm H 2 0 77,5 „ „ 

In diesen Versuchen waren die Conccntrationen der Stoffe in den¬ 
selben Verhältnissen, aber etwa 30 mal so hoch wie im Harn, gewählt. 

Will man die Löslichkeit des oxalsauren Kalks in den natürlichen 
Harnconcentrationen untersuchen, so kann man sich mit qualitativen 
Reactionen begnügen. Wir haben die Ionen des Harns zu löslichen 
Salzen gruppirt, und von diesen 3 mal so starke Lösungen hergestellt, 
als sie im Harn Vorkommen. Wir haben #ann gleiche Volumina der 
Lösungen von Natriumoxalat, Calciumchlorid und eines dritten Harnsalzes 
zusammengebracht, und das Auftreten des Niederschlags beobachtet. 
Weder Magncsiumsalze, noch irgend ein anderes Salz hatten einen gesetz- 
raässigen Einfluss auf Lösung und Niederschlagsbildung, ebenso wenig wie 
Harnstoff und einzelne Combinationen mehrerer Lösungen. 

Einen Verzug der Niedcrschlagsbildung konnten wir gelegentlich bei 


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Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Ham. 


279 


Anwesenheit von Magnesiumion beobachten, aber auch bei Gegenwart 
von Kochsalzlösung. Hier handelt es sich nicht um eine specifische 
Salzwirkung, sondern um Uebersättigungserscheinungen, die von zu¬ 
fälligen, nicht näher controlirbaren Umständen abhängen. 

Aus allen diesen Versuchen geht mit Sicherheit hervor, dass die 
Magnesiumsalze in den untersuchten Concentrationen auf die Löslichkeit 
des oxalsauren Kalks ohne Einfluss sind. 

Für das Verständniss der abnormen Löslichkeit des oxalsauren Kalks 
im Harn ist bisher das wichtigste Moment die Existenz der gemischten 
Sedimente, die auf eine Aenderung im colloidalen Milieu hinweisen. 
Darauf wird am Schluss dieser Mitteilung noch zurückgekommen werden. 


3. Die Löslichkeit des phosphorsanren Kalks. 

Von den Calciumphosphaten kommen für die Harnsedimente das 
sccundäre Salz (CaHP0 4 , Dicalciumphosphat) und das normale oder ge¬ 
sättigte Salz [Ca 3 (P0 4 ) 2 , Tricalciuraphosphat] in Betracht. Das primäre 
Calciumphosphat [Ca(H 2 P0 4 ) 2 , Monocalciumphosphat] krystallisirt erst aus 
Lösungen von einer so starken Acidität, wie sie im Harn nicht mög¬ 
lich ist. 

Das tertiäre Salz entsteht, wenn man die Lösung eines normalen 
Calciumsalzes mit einer alkalischen Natriumphosphatlösung vermengt, als 
ein anfangs amorpher Niederschlag, der sich beim Stehen allmählich in 
glänzende Krystalle von Dicalciumphosphat umlagert. Das tertiäre Salz 
ist in Wasser fast unlöslich. Das Dicalciumphosphat löst sich in Wasser, 
aber nicht ohne Veränderungen. Die Lösung wird trübe und nimmt 
dabei an Acidität zu. Der Niederschlag ist amorph und nähert sich in 
seiner Zusammensetzung dem normalen Salze. Die beiden Salze gehen 
also bei Berührung mit Wasser ineinander über. Es handelt sich um 
ein mit Temperatur und Concentration verschiebbares Gleichgewicht, das 
durch folgende Formel wiederzugeben ist 1 ): 

3 Ca++ + 2 H P0 4 " ^ Ca 3 (P0 4 ) 2 + 2 H+. 

Wir finden im Harn sowohl das amorphe tertiäre Salz wie das schön 
krystallinischc Dicalciumphosphat und Gemische beider Formen. Da 
beide Salze in verdünnten Säuren löslich sind, so wird die Löslichkeit 
im Ham, die die wässerige weit übertrifft, auf die saure Reaction des 
Harns bezogen. 

Und doch werden Sedimente von Calciumphosphat (sogenannte 
Phosphaturie) im sauren Harn nicht selten beobachtet. Leo 2 ) hat diese 
Erscheinung so zu deuten versucht, dass es sich um Harne handelt, die 
hintereinander mit verschiedener Reaction seccrnirt worden sind. Ein 
schneller von Stunde zu Stunde sich vollziehender Wechsel der Harn- 
reaction (der lonenacidität) ist, wie ich aus eigenen Beobachtungen weiss, 
nicht selten. Aber wenn der Mischharn eine normale saure Reaction und 
ein Sediment von phosphorsaurem Kalk hat, so müsste daraus geschlossen 


1) Vgl. W. Ostwald, Grundlinien der anorganischen Chemie. Leipzig 1904. 
S. 541/42. 

2) Arch. f. klin. Med. Bd. 73. S. 604. 1902. 

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280 


L. Lichtwitz, 


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werden, dass diese saure Reaction wohl im Stande ist, das Salz in Lösung 
zu halten, aber einen Niederschlag nicht zu lösen vermag. 

Ich habe in einigen solchen Harnen die Ionenacidität (nach dem 
Verfahren von Henderson) bestimmt. 

Pat. K. hatte nach dem Abklingen einer Albuminurie von ortho- 
statischem Typus im sauren Mischharn ein reichliches Sediment von 
krystallinischem Dicalciumphosphat. An einigen Tagen wurden die stünd¬ 
lichen Harnmengen gesondert aufgefangen. Es zeigte sich, dass bei einer 
Wasserstoffionen-Concentration von 5 X 10 -7 (gegen Lackmus amphoter 
bis ganz schwach sauer) Sedimente häufig waren, aber auch bei viel 
stärkerer Acidität vorkamen. So wurden sogar in einer Harnportion, 
deren Reaction bei 2—5 X 10 -6 lag (gegen Lackmus stark sauer), sehr 
schöne Rosetten von phosphorsaurem Kalk gefunden. 

Bei einer Acidität von 1 x 10 _6 wurden bei diesem und anderen 
Kranken öfter Phosphatsedimente beobachtet. 

Das Verhalten des Harns eines Pat. R. veranschaulicht folgende 
Tabelle: 


Datum 

Sediment 

Häutchen 

j Reaktion gegen 
Lackmus 

Titrations¬ 

acidität 

Ionenacidität 

12. XII. 12 

amorph 

+ 

alkalisch 

+ 3,00 

__ 

13. XII. 12 

V» 

— 

' schwach sauer 

+ 23,00 

5 . 10-7 

14. XII. 12 

w 

— 

sauer 

+ 23,25 

1 . io-ß 

15. XII. 12 

0 

— 

Tf 

+ 35,2 

5.10-« 


Für das Ausfallen des phosphorsauren Kalks spielen die Concen- 
trationen der beteiligten Ionen nur eine untergeordnete Rolle. Das 
Sediment kann bei normalem Gehalt entstehen und bei höherem aus- 
bleiben. Auch das Verhältniss CaO : P 2 0 6 , das vielfach untersucht 
wurde, ist ohne jede Bedeutung und muss es sein, da in diesem 
Quotienten die Reaction, die die Löslichkeit bedingen soll, nicht ent¬ 
halten ist. Die Reaction kann mit einiger Annäherung an die Verhält¬ 
nisse des Harns in dem Quotienten: 

Mononatriumphosphat -f- Dinatriumphosphat 
Dinatriumphosphat 

eingeführt werden. 

Es ist also zu untersuchen, wie sich Gemische von wässerigen Mono- 
und Dinatriumphosphatlösungen bei gleichem, der Harnconcentration ent¬ 
sprechendem Phosphorgehalt in Bezug auf ihre Reaction und beim Zusatz 
von gleichen, der Harnconcentration entsprechenden Lösungen von Calcium¬ 
chlorid in Bezug auf die Niederschlagsbildung verhalten. 

V ersuch. 

Es werden 6,7 g NaH 2 P0 4 -|- 1 H 2 0 in 750 com destillirtem Wasser gelöst und 
in einer gleichen Menge 17,22 g Na 2 HP0 4 -j- 12H 2 0. Jede Lösung enthält also 
1,5 g P (durchschnittliche Tagesmenge im Harn). Dann werden 3 Lösungen von 
CaCl 2 in je 750 ccm Wasser bereitet. 


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Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn. 


281 


Lösung I enthält 1,60 g CaCI 2 = 0,81 g CaO (obere Grenze der Harn- 

concentration). 

„ II „ 0,90 g „ = 0,454 g „ (massige Concentration). 

n III „ 0,65 g „ = 0,328 g „ (untere Grenze der Harn- 

concentration). 

Die Mengen der vermischten Lösungen und das Resultat sind aus der Tabelle 
zu ersehen. 


NaH 2 P0 4 - 

NajHPCV 

Reaction 


Lösung 

ccm 

Lösung 

gegen 

Lackmus 

(H+) 

ccm 


4,5 

0,5 


5.10-6 

4,0 

1,0 

> sauer 

2.10-6 

3,5 

1,5 

l 

1.5.10-6 

3,0 

2,0 


3.10-7 

2,5 

2,5 

amphoter 

4.10-7 

2,0 

3,0 

| alkalisch 

— 

1,5 

1,0 

3,5 

4,0 

I 

0,5 

4,5 

— 


5 ccm CaCl 2 -Lösung 


No. I 


No. II 


No. III 


Nach einigen Stunden Krystalle 


Nach 6 Min. 
Krystalle 


sofort 
Niederschag 


Nach 20 Min. 
Krystalle 

Nach 20 Min, 
Krystalle 

} sofort Nieder¬ 
schlag 


Opalescenz, 
bald Nieder¬ 
schlag 

( Nach einigen 
Minut. gering. 
Bodensatz 

I Anfangs Opa¬ 
lescenz. Nach 
einig. Minuten 
feinflockiger 
Niederschlag 


Bei saurer Reaction sind die Niederschläge ganz krystallinisch, bei stärker alka¬ 
lischer amorph, bei amphoterer gemischt. 

Diese Versuche zeigen, dass bei den Concentrationen von Phosphat 
und Calcium, wie sie im Harn Vorkommen, und bei normal sauren Harn- 
reactionen zum mindesten eine völlige Löslichkeit des phosphorsauren 
Kalks nicht besteht. 

In den Harnen mit saurer Reaction und Phosphatsediment bestand 
also eine normale Unlöslichkeit wie in Wasser. Für alle anderen Harne 
reicht die Reaction als einzige Erklärung der Löslichkeit des phosphor¬ 
sauren Kalks nicht aus. 

Untersuchungen von Harnen bei sogenannter Phosphaturie l ) haben 
ergeben, dass der alkalisch secernirte Harn ein ätherlösliches Colloid 
enthält, das wie viele andere hydrophile Colloide oberflächenactiv ist, 
sich an der Grenzfläche Harn-Luft ansammelt, dort gerinnt und zu 
dem bekannten schillernden Häutchen führt. Nicht selten trifft man nun 
Harne, die klar mit alkalischer Reaction entleert werden und sich erst 
nach einiger Zeit unter Häutchen- und Niederschlagsbildung verändern. 
Wenn man einen solchen Harn mit Aether ausschüttelt, so entsteht die 
Phosphattrübung sofort, während die unbehandelte Controle erst nach 
einiger Zeit (oft nach Stunden) trübe wird. 

Die folgende Abbildung veranschaulicht den Vorgang. Durch die 
Ausschüttelung mit Aether ist dem Harn ein colloidaler Stoff entzogen, 
der, wie die Niederschlagsbildung zeigt, die abnorme Löslichkeit aufrecht 
erhalten hat. Den gleichen Verlust erleidet der Harn durch die Ge¬ 
rinnung der Colloide an der Oberfläche, die der Sedimentbildung syn- 


1) L. Lichtwitz, Verhandl. des Congr. f. innere Med. Wiesbaden 1912. 


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L. I.fidt Iwitz 


.chron isj oder seitlich vorruijiriii in diesem Fülle ist rj;Zustands- 
iintleruHp der Sd.iuUi'idJpitfo,.. ,die Jb« eiert I Vutscdimemen durch dir: 
fies-nrnmume der Goldzalil war. eine kt Uosscr .Bc»rachiu»g 

sinn fällige. lF-'V-iietriurig, 

'•Me ArtlKint'üktHi der iiwii'thi*«». . de! Freie oder Pho.vpha,lj9 vom 
ertlienFHen Zu.-.mm1 d<> tinrns mt w a Irren d die Boweisführ'oog 

fi>r fFt.s i'aimiinmsuläti Fkhör nur eine ltidiretA«, isi. 

Man kann mm ftjr die ?, SfeurkiHinef den eemomsrhuü.imheü N'aeii-. 

«ms der f’edemimg der C'dloide für ihre .[.o.-iiehked. im Haüt khrn 
dadurch, dass ihän dureii Dialyse die Kr\Mai leide von den Colloidtn in-rim 

Zur PialvMT habon wir erdF'diornMioke verwandt, die ich spältf nach 
einem. Hallt, den ich fFern Wilhelm Kilt/, vmlaßiU% durch einen in 
der Mentluan erzeugten S>i|er-.-hiag von . I'frru«-yf»nkgediehie) 


M f frciln'-«' gv^hütielUT Harn 


Iktbchaixic tl Cr ) I uUr 


luthe -a -.mV s .Mb -i iFm--.. ü| i|||| eni 'geringere.?* 

Hnic'.c Mkir i;^c- tynrmium \V?ivä>r ii »;♦f »' t Jji# \ «‘n*iüigie»i 

Aussenweiden auf i\VaV*M»u«J da- nn£.‘*w,nidie Harn- 
yolumen CMj»« r a;'4>ihVj.i|Y., imii dH in der mimitwziw (Hdsvu^aH vorhamlesven 
Sodunniar miniKopis*’ ii und fliOjrnSF'h m;« iiTMiHifv 

Nur mn TIhm! i 1«'» Versuche <M'cab cm \\ c- KcsulUU, £)ft waren 
«In- M» inInanivn chm «kn Ni<*ler^chIavoii tainvnyaukü)>lar t auch wenn 
Hu kein Iiövli haltern för OoHouH (lins Aussenwasscr 

n.ölicndaln (loKllnsVh^ v.-hui/le: ity oud/äit-ij Fällen scdinieniirle der ^ur 
( -ontrolo. anlkewahnr Hank yyda^ da- lH.-uira! werlh.h.ns wurde, und 
uicln -Hirn wucie.cn Ikd'epil/.r !(tv so«h<s eine eindeutisre !>cur- 

•\heilu.n? nicht mehr war. 












Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn. 


283 


Doch ist die Zahl der einwandsfreien Versuche gross genug. In 
diesen fällt in dem eiugedampften Wasser ein Sediment aus, das in 
einigen Fällen aus den drei Steinbildncrn Harnsäure, Calciumoxalat und 
Calciumphosphat bestand. Am regelmäsjpgsten war das Ausfallen von 
oxalsaurem Kalk, das ja auch von der Reaction am unabhängigsten ist. 

Mit diesen Versuchen ist die Bedeutung der Colloido auch für die 
Löslichkeit des. Calciumoxalats dargethan. 

Es entsteht aber die Frage, warum nicht auch im Harn von mittlerer 
Ionenacidität Niederschläge ausfallen, die diese drei Körper zugleich ent¬ 
halten, da ja bei dieser Reaction, wenn der Colloidschutz fehlt, Harn¬ 
säure und phosphorsaurcr Kalk unlöslich sind. Ein Sediment, das Urate 
und Calciumphosphate zugleich enthält, ist aber wohl noch nie beob¬ 
achtet worden. 

Mehr als eine hypothetische Erklärung ist für dieses Verhalten vor¬ 
läufig nicht zu geben. Es wurde schon kurz darauf hingewiesen, dass 
die Concentrirung in der Nierenzelle als ein Vorgang zu deuten ist, der 
sich durch Zustandsänderungen des colloidalen Zellinhalts vollzieht. 
Dafür spricht u. A. die Wirkung der Diuretica, die alle (die salzartigen, 
die Purine, das Calomel) den Lösungszustand der Colloide energisch 
beeinflussen. 

Von dem Zellinhalt gelangt bei der Secretion (z. B. in den Sphäro- 
lithen) ein Theil in den Harn, ba, wie wir wissen, in einer sonst 
gesunden Niere die Concentrirung eines einzigen Stoffes geschädigt sein 
kann, so' ergiebt sich die Vorstellung, dass in einer Zelle sehr ver¬ 
schiedene, der Concentrirung dienende Colloide enthalten sind, von denen 
jeder zu secernirende Stoff ein bestimmtes beansprucht. In dem Auf¬ 
treten eines im sauren Harn nicht aufzufindenden, ätherlöslichen Colloids 
im alkalisch secernirten Harn ist vielleicht eine Stütze dieser Auffassung 
zu sehen. Die Ausscheidung der Harnsäure und des sauren Natrium¬ 
phosphats sind nun von der Excretion der meisten anderen Stoffe 
principiell dadurch verschieden, dass sie der Nierenzelle nicht als solche, 
und dass die Ionen, aus denen sie zusammentreten, nicht in äquivalenten 
Mengen angeboten werden, sondern dass durch einen Vorgang, der in 
einigen Oberflächenreactionen ein Analogon hat, das entsprechende Anion 
mit dem im Blut in sehr geringer Menge vorhandenen Wasserstoffion 
vereinigt wird. Es ist denkbar, dass so complicirte Processe auch ge¬ 
sonderte Mechanismen haben, und dafür spricht, dass bei der Gicht die 
Niere in ihrer Harnsäureausscheidung geschädigt ist, während sie das 
Phosphat in normaler Weise concentrirt. Es ergiebt sich also die Vor¬ 
stellung, dass diese Stoffe ihre Concentration mit Hülfe von Colloiden 
verschiedener Art vollziehen, von denen dann Theile in den Harn ge¬ 
langen, und die in ihrem Lösungszustand, von dem die Schutzwirkung 
abhängt, ihren eigenen Gesetzen gehorchen. 

Göttingen, 5. Januar 1913. 


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XIII. 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau 
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. J. Pohl). 

Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut. 

Von 

Dr. R. Meissner, 

Assistenten des Instituts. 

(Mit 1 Abbildung im Text.) 


In den letzten Jahrzehnten sind die hämolytischen Gifte ausser¬ 
ordentlich häutig zu biologischen Untersuchungen herangezogen worden; 
eines der interessantesten derselben, ArsenwasserstolT, aber blieb in dieser 
Richtung meist ausgeschaltet. Abgesehen von rein casuistischen Fällen 
und einigen Veröffentlichungen, die sich mit Feststellung der letalen und 
toxischen Dosen dieses Gases befassten, waren es besonders die Arbeiten 
von Stadolmann 1 ): Ueber die Arsenwasserstotfvergiftung, von Naunyn 
und Minkowski 2 ): Ueber Icterus nach Polycholie und von Friedrich 
Kraus 3 ): Ueber die Alkalescenz des Blutes, in denen Arsenwasserstoff 
methodisch zu biologischen Forschungen verwendet wurde. Die nicht 
häufige Wahl dieses Giftes zu pharmakologischen Studien hat zum Theil 
ihre Begründung in der Seltenheit der Arsenwasserstoffvergiftungen, 
hauptsächlich aber beruhte sie wohl auf dem bisherigen Mangel eines ver¬ 
lässlichen, quantitativenVerfahrens zur Arsenwasserstoffbestimmung. Nach¬ 
dem nun Reckleben, Lockeroann und Eckardt 4 ) diesen Mangel, man 
darf wohl sagen, in einer glücklichen Weise beseitigt haben, ist es jetzt 
möglich, näher auf die Charakteristik der Arsen Wasserstoff Vergiftung ein¬ 
zugehen, von der man bisher in Bezug auf das Blut kaum mehr wusste, 
als dass sie eben Hämolyse erzeugt. 

Die hämolytischen Gifte wirken hauptsächlich in zwei Richtungen, 
entweder durch Störung des endosmotischen Gleichgewichts (z. B. Quellung, 
Schrumpfung der rothen Blutkörperchen), oder durch Lösung der Lipoide 
unter Aenderung der Oberflächenspannung. Ob damit alle Möglichkeiten 
erschöpft sind, ist ebenso unsicher, wie die Einreihung der Arsenwasser¬ 
stoffhämolyse unter einen dieser beiden Gesichtspunkte. 

Ich hatte mir nun die Aufgabe gestellt zu prüfen, wo eigentlich 
Arsenwasserstoff im Blutkörperchen angreift und rechnete hierbei mit 
der Möglichkeit, dass AsH s ähnlich wirke wie Aether und Chloroform, 
also lipoidlösend. 

1) Arcb. f. exp. Path. u. Ther. Bd. 16. S. 221. 

2) Ebenda. Bd. 21. S. 1. 

3) Ebenda. Bd. 26. S. 186. 

4) Zeitschr. f. analytische Chemie. Bd. 46. S. 671. 


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Uebt'i dia Bindung des Araanwassarstoffes im Blut. 285 

Ehe: iöb auf die Ergebnisse meiner Untersychaögen. .eingehe, will ich 
zuvörderst die Darstellung und rjuantitative Bestimmung des AsH 3 be¬ 
schreibe«, kvie: ich' sie für biotogisaho Zwecke unter Anlehnung an 
Recklebe» und Lookemann dttfcMübrt». 


I, Entwsefeinrig und Aufbewahrung des bases. 

Zu diesem Zweck wurde folgendes Verfahren 'ungeschlagen: 

Ein etwa 800 ccm. fassendes, nach Art der Nitrometer eonsfruirtes 
und oben Ui- ein dickwandiges Cspillarrpfar auslaufendes Reservoir A 
dient ais Gasometer, es wird .bei Jf- «nt dem Kifeaugefäss C durch einer, 
ungefähr \ cu langen Gitmniikgklauch und bei JE» mit einer 1Ö0 ccm ent- 


bsdfcgQdwtj dickwandigen FiltrirtVasehd durch eiti kurzes :'§t/ädk; SeHlauch 
verbunden, in das bei E emT-Kohr eitigelugt ist Der dritte Amvdies.es 
T-Rohn-s trägt durch Gunmiisohlaueh verbunden ein Stück Giasrohr, das 
i« amiJianiskäiisühe 1% liiikwaMdtge Filtrir- 

Üaatke verschJlesj-t dbcu einkihfaeh ''durnblächerter (»utömistbjjfgin, düfßh 
dessen Bohrung ein ca. 20 n.-m lassender ScheidetriclUer geht. In diese zur 
Gasentwicklung dunertde mul ifi Rkwasskr gekühlte flasche bringt' «b»i un¬ 
gefähr I?- - gOg granulirtes Zink und -etwag dostiiürtcs Wasser, in de».Scheide* 
brißhteb lajigefähr bis war. Hälfte): eine in diuncentrirlcr ^fzstinre hdrsS ge¬ 
sättigte Lüsung von ;A$ ? Oj v Zum -luftdichte» Abschluss dos «luorert Abfluss¬ 
rohres dosGasomcf.ersvj verwendet man ijietmtsprechcndcAfengeöoecksilber. 

Zur Füllung des jR«tox<tv<>irs wurde felgendermaasseu verfahren: Man 
klemmt hei .ff-ab,.'. «Mfnet den Mahn 8 und stellt das mit concentrirter 


Go gle 





286 


R. Meissner, 


Digitized by 


Kochsalzlösung gefüllte Niveaugcfäss hoch. Sobald der über dem Queck¬ 
silber befindliche Raum des Gasometers und des Capillarrohres mit 
NaCl-Lösung gefüllt ist, schliesst man O und stellt C tief. Jetzt kann 
mit der Entwicklung begonnen werden. Man gibt 2—3 ccm der 
Arseniklösung aus dem Scheidetrichter zu dem Zink; die Entwicklung 
setzt erst langsam ein; durch das T-Rohr und die ammoniakalische Silber¬ 
lösung gehen erst einige Gasblasen, die hier keine Verfärbung hervor- 
rufen, es ist Luft -f- Wasserstoff. Nach einiger Zeit jedoch färbt sich die 
Silberlösung schwarz; jetzt geht AsH 3 -f- H 2 über, und nun klemmt man 
bei H ab und öffnet darauf rasch bei F , so dass das Gasgemisch in den 
Gasometer strömt. Durch allmähliches Hinzufügen der As 2 0 3 -Lösung 
zu dem Zn hält man die Gasentwicklung gleichmässig und nicht zu 
schnell im Gange, bis der Gasometer gefüllt ist. Darauf klemmt man 
doppelt bei F und einmal bei J ab, öffnet bei U und schneidet zwischen 
F und J den Gummischlauch durch. Die letzten Spuren des sich ent¬ 
wickelnden Gases werden so wieder von der Silberlösung absorbiert; im 
Abzug oder an freier Luft kann man nach einiger Zeit die Gasentwick- 
lungsflaschc vorsichtig öffnen. Der mit dem tiefstehenden Nivcaugefäss 
in Verbindung bleibende Gasometer wird in einem genügend grossen 
Glasgefäss (Glaswanne 35 cm hoch, 26 cm lang, 16 cm breit) völlig 
unter Wasser gesetzt; zu seiner Sicherung wurde ein mit Pb-Stücken 
beschwertes und in der Mitte ausgehöhltes Brett auf den Boden des 
Glasgcfässcs gesenkt und der untere abgerundete Theil des Glasbchälters 
in die nach ihm geformte Ausbuchtung des Brettes eingeführt. Uebcr 
das ganze Glasgefäss wurde, um die im Licht allzu rasch erfolgende 
Zersetzung des AsH 3 zu hemmen, ein schwarzer Pappkarton gestülpt. 

II. Bestimmuug des AsH 3 -Gehalts in dem Gasgemisch. 

Bei allen Versuchen blieb der Gasometer unter Wasser. 

Man leitet ungefähr 50 ccm des Gasgemisches durch Gummischlauch- 
und Capillarrohrverbindung in eine graduirtc, von einem Wassermantel 
umgebene und umgekehrt (die Spitze nach oben) montirte Glashahn- 
Bürette ( L ). Diese ist mit einem Niveaugcfäss verbunden, und beide 
sind mit einer genügenden Menge concentrirter Kochsalzlösung gefüllt. 
Durch Tiefstellung des Niveaugefässes und Oeffnen der Verbindungshähne 
bewirkt man den Uebertritt des Gases. Es ist nöthig, dann einige Zeit 
vergehen zu lassen, damit sich die Temperatur des Gases und des Wassers 
ausgleichcn kann. Darauf presst man durch Heben des Niveaugefässes 
eine genau abgelesene Menge des Gasgemisches aus der Bürette in ein 
Kugelrohr N, das an seinem horizontalen Schenkel durch Gummischlauch 
mit der Bürette verbunden wurde. Das Kugelrohr ist vorher mit einem be¬ 
stimmten Volumen titrierter ammoniakalischer Silbernitratlösung beschickt. 
Es ist vortheilhaft, nur soviel AsH 3 überzuleiten, dass die Flüssigkeit nicht 
ganz aus der oberen Kugel getrieben wird und das Kugelrohr vorsichtig 
zu schütteln, ehe man die Verbindung mit der Bürette löst. Auf diese 
Weise wird leicht aller übergeleitete Arsen Wasserstoff von der Silbcrlösung 



Original fro-m 

UNIVERSITf OF MICHIGAN 



Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut. 


287 


absorbirt. Das Kugelrohr wird nun eine Stunde lang in einem hohen 
Becherglase, wo seine beiden Kugeln vom Wasser umspült werden, auf 
dem Wasserbade erhitzt. Dann wird von dem grauglänzenden Silber¬ 
rückstand iiltrirt, gut nachgewaschen, das Filtrat mit HNO s angesäuert 

und das nicht gebundene AgNO s mit ^ KCNS zurücktitrirt. 

Nach Reckleben und Lockemann geht diese Reaction in folgender 
Weise vor sich: 

H s As + 8 (AgNH 8 ) N0 3 + 3 NH 4 OH + H 2 0 = 8 Ag + (NH 4 ) 3 As0 4 

+ 8 NH 4 N0 3 . 

Es gelingt nach einiger Uebung leicht, gut miteinander überein¬ 
stimmende Wcrthe auf diese Weise zu erzielen. 

Ein Beispiel zur Berechnung des AsH 3 im Gasgemisch sei ausführ¬ 
lich wiedergegeben: 

15 ccm AsH 3 -Gasgemiseh werden in das Kugelröhrchen N geleitet, 
das mit 20 ccm einer ammoniakalischcn Silberlösung beschickt ist. Diese 
enthält in 120 ccm: 100 ccm 3 proc. AgNO s -Lösung und 20 ccm offici- 
nellc Ammoniakflüssigkeit. 

20 ccm der ammoniakalischen Silbcrlösung entsprechen 28,5 ccm 

\H A S N °3- 

Nach dem Erwärmen des Kugclröhrchens wird filtrirt, nachgewaschen 
und nicht gebundenes Silbernitrat mit KCNS zurücktitrirt. 

Gefunden 24,5; somit gebunden 4,0 ccm, 

15 ccm AsH 3 banden also 4 ccm ~ AgN0 3 , 

10 „ „ „ „ 2,67 „ i AgN0 3 . 

Es wurden jedesmal drei bis vier solcher Bestimmungen gemacht. 

Nach der oben angegebenen Gleichung, die den Vorgang bei der 
Bindung von AsH 3 und ammoniakalischer Silbernitratlösung darstellt, 
entspricht: 

1 AsH 3 (78)= 8 AgN0 3 (8 • 170) 
i 0 -78 AsH 3 = 8-17 g AsH 3 

AsH 3 = 17 g = 1 Liter i AgNO s 

0,00097 g AsH 3 = 1 ccm i AgNO s -L'ösung. 

Folglich waren in 10 ccm des obigen Gasgemisches 2,67 • 0,00097 
= 0,00259 g AsH 3 enthalten. 

III. Bestimmung der Absorptionsgrösse verschiedener Flüssigkeiten 

für AsH 3 . 

Die eigentliche Aufgabe bestand nunmehr in der Feststellung der 
Absorptionsenergie der einzelnen im Blute vorhandenen Stoffe. 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



288 


R. Meissner, 


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Zu diesen Versuchen wurden nur Lösungen, Emulsionen oder in 
einem flüssigen Agens suspendirte Substanzen verwendet. Mit einer 
solchen Flüssigkeit wurde eine 150—200 ccm fassende Hempelsche 
Bürette durch Ansaugen mit der Wasserstrahlpumpe gefüllt und alsdann 
durch ein zweimal gebogenes Capillarrohr und durch Gummischlauch mit 
dem Capillarrohr des im Wasser befindlichen Gasometers verbunden. 
Dann stellt man das Niveaugefäss G des Gasometers hoch, öffnet den 
Hahn bei G und den Hahn der Hempel-Bürette, und ebenso viele 
Cubikcentimeter Gas strömen in die Bürette, als Flüssigkeit aus ihr 
ausfliesst, die in einem Cylinder gemessen wird. Hat man die ge¬ 
wünschte Anzahl ccm Gas eingeleitet, so klemmt man den Gummi¬ 
schlauch an dem Capillarrohr doppelt ab, liest am Cylinder ab, bringt 
die Hempel-Bürette in eine Schüttelmaschine und schüttelt eine bestimmte 
Zeit. Dann verbindet man die Bürette mit einem Kugelrohr M (Fig. 3), 
das als Schaumfänger dient, und dieses mit einem Kugelrohr N, das mit 
einem bestimmten Volumen ammoniakalischer Silberlösung gefüllt ist. 
Die Niveaukugel dieses Systems wird durch Gummischlauch mit der 
Hempelschen Bürette bei 0 verbunden und mit Wasser gefüllt. Alle 
Hahnverbindungen sind zunächst geschlossen. Um ein Zurücksteigen 
einiger Tropfen Silberlösung in den Schaumfänger zu verhindern, ist es 
sehr wichtig, die doppelten Klemmen an der Bürette nicht eher zu ent¬ 
fernen, bevor man den Hahn des Schaumfängers geöffnet hat. Dann 
lockert man sehr vorsichtig (!) die Klemmen an der Bürette, und jetzt 
treibt der Wasserdruck aus dem hochgestellten Niveauglas das Gas durch 
den Schaumfänger in die Silberlösung. Durch mehrmaliges Heben und 
Senken des Niveaugefässes kann man sämmtlichen AsH 3 überleiten und 
durch Schütteln der Silberlösung im Kugelrohr (N) den letzten Rest Gas 
absorbiren. Die im Kugelrohr ( N) gebundene Silberlösung wird genau 
so bestimmt wie oben beschrieben. 

Wollte man z. B. erfahren, wieviel von 45 ccm des Arsen- 
wasscrstoffgcmisches durch 105 ccm einer 0,2 proc. FeS0 4 -Lösung ab- 
sorbirt werden, so musste man die 45 ccm Gas mit den 105 ccm Lösung 
in einer Hempelschen Bürette eine bestimmte Zeit schütteln (s. u.) und das 
nicht Gebundene in 20 ccm der obigen ammoniakalischen Silbernitrat¬ 
lösung leiten. Von dieser Silberlösung wurden 4,7 ccm gebunden. Da 
45 ccm Gasmenge 2,67 • 4,5 = 12,0 ccm AgNO s entsprechen, so wurden 

von der Eisensulfatlösung 12,0 — 4,7 = 7,3 ccm AgN0 3 ^ = 60,8 pCt. 
des verwendeten AsH 3 = 7,3 • 0,00097 = 0,0070 g AsH 3 gebunden. 

Ich gehe nun zur Beantwortung der oben gestellten Frage über: 
Wo greift der AsH s im Blute an? 

Zunächst machte ich einige orientirende Vorversuche mit 1. Wasser, 
2. physiologischer Kochsalzlösung, 3. den Blutbestandtheilen, die für diese 
Untersuchungen in Frage kommen, und 4. mit einigen Lipoiden. 


Gck igle 


Original fru-m 

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Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut. 


289 



AsH 8 - 

Concentration 
desselben pro 
10 ccm gleich 

Schüttel¬ 

dauer 

Gebunden 

Substanz in ccm 

Gemisch 
in ccm 

AgNO,f 0 
in ccm 

pCt. 

103 Aqua dest. 

47 

3,1 AgN0 3 ". 

10 Min. 

8,5 

58,0 

105 Aqua dest. 

45 

2,8 


10 „ 

8,0 

63,2 

81 NaCl (0,9 pCt.). 

69 

2,3 


5 , 

8,4 

53,0 

112 NaCl (0,9 pCt.). 

38 

1,43 


5 „ 

3,2 

59.4 

120 NaCl (0,9 pCt.). 

30 

9,0 


5 * 

12,15 

45,0 

84 Pferdeserum (völlig klar) . . 

66 

1,78 

r> 

3 „ 

4,9 

42,0 

79 Rinderserum (Hb-haltig) . . 

71 

1,6 


5 , 

6,4 

56,5 

107 Rinderserum (Hb-haltig) . . 

43 

1,6 


5 „ 

3,9 

57,1 

1 g Stromabrei in 102 NaCl 
(0,9 pCt.) susp. 

47 

2,2 

n 

5 . 

4,8 

46,2 

10 g Stromabrei in 110 NaCl 
(0,9 pCt.) susp. 

40 

2,2 

V 

5 » 

3,9 

48,2 

106 Blutkörperchenbrei, mit wenig 
NaCl versetzt. 

84 

1,78 


3 „ 

10,7 

71,0 

81 reine Pferdehämoglobinlösung, 
7,05 pCt. Hb, d. h. 1/2 des 
normal. Hb-Gehalts enthaltend 

69 

2,25 

* 

6 . 

12,7 

82,0 

86 methämoglobinhaltige Hb Lö¬ 
sung, die 3,5 pCt., d. h. l / 4 des 
normalen Hb-Gehalts enthält. 

64 

2,25 

r> 

3 „ 

10,8 

75,2 

140 Gänseblut. 

50 

2,15 

2,15 

V 

5 Std. 

10,8 

100,0 

112 Schweineblut. 

38 

w 

V 2 „ 

8,2 

100,0 

93 Rinderblut. 

97 

1,4 

„ 

5 Min. 

11,5 

84,7 

121 Rinderblut. 

69 

1,65 

r 

5 » 

9,3 

81,1 

133 Pferdeblut. 

57 

1,86 

n 

3 „ 

10,6 

91,56 

87 mit phys. NaCl verdünnte Ei¬ 
dottermischung . 

63 

2,2 

V 

20 „ 

12,4 

89,1 

128 reines Olivenöl. 

62 

2,2 

w 

20 „ 

13,6 

100,0 

98 unverdünntes Hühuereiweiss . 

52 

2,2 

n 

20 „ 

7,6 

66,8 


Aus diesen Zahlen geht vorerst hervor, dass vergleichbare Werthe sich 
nur bei denselben Versuchsbedingungen erzielen lassen: es müssen die 
zu vergleichenden Lösungen oder Suspensionen mit gleich starkem AsH s 
versetzt und gleich lange geschüttelt werden. Auch auf das Ueberleiten 
des nicht gebundenen AsH 3 muss man möglichst die gleiche Zeit ver¬ 
wenden. Unter solchen Voraussetzungen genügt es dann, das procentuale 
Verhältniss zwischen den zu vergleichenden Flüssigkeiten zu berechnen. 

Im übrigen ergiebt sich aus den obigen Zahlen, dass sowohl Hämo¬ 
globin wie Lipoide in concentrirter Form grosse Affinität zu AsH s haben. 
Um die Verhältnisse so, wie sie im Blute vorliegen, zu bestimmen, ging 
ich von der Vertheilung der Blutbestandtheile aus, wie sie Abderhalden J ) 
angiebt. Ich arbeitete damals mit Pferdeblut. Es enthalten 1000 Theile 
desselben: 

Serum ungefähr 2/3 Theile = 670 (abgerundet) 

Hämoglobin a) 166,9 


Cholesterin 


b) 125,8 „ 

a) 0,346 „ 

b) 0,576 „ 


}= 141,3 

}= 


(im Durchschnitt) 


0,46 


1) Lehrb. der physiol. Chemie. 1. Aufl. S. 592. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 
















290 


R. Meissner, 


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Lecithin 

a) 2,913 Theile^ 

b) 2,982 „ / “ 

2,948 (im Durchschnitt) 

Fett 

a) 0,535 „ i 

b) 0,611 „ /- 

1,146 „ 

Fettsäuren 

= 

0,395 „ 77 


Hiernach verglich ich zunächst die Bindungsfähigkeit zwischen den 
Lipoiden und AsH s . 

In eben genannter Menge gelöst oder suspendirt ergeben sich 
folgende Verhältnisszahlen zwischen ihnen und ihren Lösungen oder Sus¬ 
pensionsflüssigkeiten. Es binden: 

la) reiner Aether.=92 pCt. 

b) Aether + Cholesterin-j-Lecithin 4 -Fettsäure-f Fett =91 „ 


2 a) reines Chloroform. 

b) Chloroform + Lecithin. 

c) + Cholesterin. 

3a) Suspension von arabischem Gummi. 

b) „ „ „ „ + Lecithin . . 

e) n n 7) n + Cholesterin . 

4a) Physiologische Kochsalzlösung ....... 

b) „ „ + Menschenhirnbrei 


= 87,2 
= 88,8 
= 83,4 
= 71 
= 71 
= 64 
= 63 
= 65 


77 

77 

77 

77 

77 

77 

77 

77 


Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dass die Lipoide in der Quantität, 
wie sie im Blute Vorkommen, die Arsenwasserstoffbindung gar nicht 
zu beeinflussen vermögen. Selbst das Gehirn, ein Organ, das bekanntlich 
sehr reich an Lipoiden ist, vermochte nicht mehr zu binden als seine 
Suspensionsflüssigkeit. 

Auch Stroma in den verschiedensten Conccntrationen ergab im Ver¬ 
hältnis zu seiner Suspensionsflüssigkeit im Maximum nur 4- 5 pCt. 
Diese liegen noch innerhalb der Fehlergrenze der Methode. 

Ferner banden: 

geschüttelt übergeleitet 

120 ccm NaCl (0,9 proc.) -f- 30 ccm AsH 3 -Gemisch 5 Min. 10 Min. 43,03 pCt. 

120 „ einer 67 proc. Serumlösung in NaCl (0,9 proc.) 

-|- 30 ccm desselben AsH 3 -Gemisches . 5 „ 10 „ 44,34 „ 

Also auch hier war keine Differenz in der Bindung zu erzielen. 


Ganz anders lauteten die Resultate, als ich Hämoglobin prüfte: 

geschüttelt übergeleitet 

120 ccm rein physiol. NaCl. -j- 30 ccm AsII 3 . . . 5 Min. 10 Min. 43,68pCt. 

120 „ einer 14,1 proc. Pferdehämoglobinlösung 

in NaCl -j- 30 ccm desselben AsH 3 . . 5 „ 10 „ 81,75 „ 

Dieses letzte Ergebniss, das bei wiederholten Versuchen immer wieder 
sicher gestellt wurde, beantwortet die ganze Frage. Es kann demnach 
als erwiesen angenommen werden, dass von allen Blutbestandtheilen, die 
hier in Frage kommen, das Hämoglobin allein den Arsenwasserstoff 
energisch zu binden vermag. 

Das zu diesen und den früheren Versuchen verwendete Stroma wurde 


Gck igle 


Original from 

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Ueber die Bindung des AssenwasserstofTes im Blut. 


291 


theils nach Hoppe-Seyler, Picttrc und Vila 1 ), theils nach Sachs-Ehr- 
lich und Pascucci 2 ) bereitet, das Hämoglobin nach E. Letsche 3 ) dar¬ 
gestellt (3 Mal umcrystallisirt) oder von E. Merck bezogen. Nur solches 
Hämoglobin kam bei den Analysen zur Verwendung, das, frei von Methämo- 
globin, ein reines Hämoglobinspectrum zeigte. Das Stroma war einige Male 
graubraun, einige Male aber auch rotbraun gefärbt, und dieser rotbraune 
Ton, der wahrscheinlich von Spuren fest eingeschlossenen Hämoglobins her¬ 
rührte, änderte sich auch trotz vielen Waschens nicht. Man muss bei 
dem Stroma deshalb mit kleinen Hämoglobinverunreinigungen rechnen. 

Die Frage lag nahe: Ist es das geschlossene Molekül des Hämo¬ 
globins als solches, oder ist es auch hier, wie z. ß. bei der Kohlenoxyd¬ 
vergiftung, der Hämatinkern, der den AsH s bindet? Ich stellte, um mir 
hierüber Klarheit zu verschaffen, Hämatin nach Küster 4 ) und das ihm 
sehr nahestehende Rohhärain nach Schalfejefl 5 ) in der Modification nach 
Nencki und Zaleski rein dar. Vom Hämin erhielt ich völlig gleich- 
massige, scharfkantige Krystalle, vom amorphen Hämatin eine Lösung mit 
typischem Spectrum. Ich löste beide Präparate in verdünnter Lauge 
(1 : 500), und nun banden unter sonst gleichen Bedingungen mehr AsH 3 
als ihr Lösungsmittel: 

Hämin in 0,15 procentiger Lösung . . . . + 14 pCt. 

Hämatin „0,8 „ „ . . . . + 17 „ 

* „ 0,15 „ „ .... +22 „ 

t ) v 0,1 * „ . . . . + 26 „ 

Diese letzten Zahlen besonders sprechen für ein starkes Bindungs¬ 
vermögen zwischen AsH 3 und Hämatin. 

Noch auf eine andere Weise versuchte ich die Frage zu lösen, ob 
AsH 3 sich mit dem Hämatin des Hämoglobins verbindet. Es ist bekannt, 
dass Kohlenoxyd sich am Hämatintheil des Hämoglobins anfügt. Wenn 
AsH 3 auch das Bestreben zeigte, sich an dieser Stelle zu verankern, 
so müsste in einem mit CO möglichst gesättigten Blute für AsH 3 viel 
weniger Platz sein als in einem normalen, d. h. die Bindungsfähigkeit 
zwischen einem stark CO-haltigen Blute und AsH 3 müsste geringer sein 
als die mit einem CO-freien Blute. Und das ist nun thatsächlieh der Fall, 
wie folgende Versuche zeigen: 

la) 110 ccm Blutkörperchenmischung (1 + 19 NaCl, 0,9proc.) + 40 ccm AsH 3 . 

5 Min. geschüttelt, 10 Min. in Berührung: Gebunden 38.8 pCt. 

lb) 110 ccm Blutkörperchenmischung (1 + 19), die möglichst viel CO absorbirt 
enthielt, + 40 ccm AsH 3 . 

5 Min. geschüttelt, 10 Min. in Berührung: Gebunden 24,6 pCt. 

2a) 120 ccm reines, unverdünntes Ochsenblut + 30 AsH 3 . 

5 Min. geschüttelt, 10 Min. übergeleitet: Gebunden 64,48 pCt. 

1) Compt. Rend. Bd. 143. S. 787. 

2) Hofmeisters Beiträge. Bd. 2. S. 129 und Bd. 6. S. 543. 

3) Abderhalden, Handb. der biochem. Arbeitsmethoden. Bd. 5. S. 203. 

4) Ebenda. Bd. 2. S. 622. 

5) Ebenda. Bd. 2. S. 613. 


Difitized 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




292 


R. Meissner, 


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2b) 120 ccm unverdünntes, stark CO-haltiges Ochsenblut -j- 30 AsH 3 . 

5 Min. geschüttelt, 10 Min. übergeleitet: Gebunden 46,27 pCt. 

Nach diesen Erfahrungen müsste auch die Hämolyse zwischen reinem 
Blut + AsH 3 gegenüber CO-haltigem Blut -f- AsH 3 eine Veränderung er¬ 
leiden, und auch dies lässt sich im Versuch demonstriren: 


1. Kaninchenblut. 

Je 5 ccm einer 5procentigen, gewaschenen Blutkörperchenmischung wurden 
steigenden Quantitäten einer NaCl- + AsH 3 -Lösung zugesetzt, die 8,1 mg AsH 3 in 
120 ccm enthielt. Vor dem Blutzusatz wurden die Volumina duroh physiologische 
Kochsalzlösung auf 10 ccm ergänzt. (Das I bedeutet den Eintritt der Hämolyse.) 

1, 4, 7, 10 1,0, 1,5; ± 2 , 3, 5, 7 , 10 

Tropfen com 

NaCl + AsH 3 

1, 4, 7, 10 1,0 , 1,5, 2, 3, 5, 7; ± 10 

Tropfen ccm 

NaCl -f AsH 8 


a) CO-freies Blut: 


b) CO-haltiges Blut: 


a) CO-freies Blut: 

b) CO-haltiges Blut: 


2. Kaninchenblut. Dieselbe NaCl- -f- AsH 3 -Lösung. 

1, 4, 7; I 10 1 ,0, 1,5, 2, 3, 5, 7 , 10 

Tropfen ccm 

1, 4, 7, 10 1,0, 1 ,5, 2, 3 ; I 5, 7, 10 

Tropfen ccm 


3. Rinderblut. Dieselbe NaCl- -|- AsH 3 -Lösung. 

1, 4, 7, 10 T 1,0, 1,5, 2, 3, 5, 7, 10 

a) CO-freies Blut: -J—-- ■ 

Tropfen ccm 

1, 4, 7, 10 1,0, 1,5, 2, 3, 5, 7; 

b) CO-haltiges Blut: -1—^- ’ ’ 

Tropfen com 


10 


Es zoigen somit diese Versuche, dass das CO-Blut eine erschwerte 
Hämolyso durch AsH s erleidet. Dass letztere schliesslich doch eintritt, 
möchte ich als Verdrängungserscheinung durch Massen Wirkung grosser 
AsH 3 -Dosen deuten. 

Es lässt sich also mit Sicherheit annehmen, dass es die Hämatin- 
componente des Hämoglobins ist, die Arsenwasserstof bindet. 

Auf diesem einmal betretenen Wege versuchte ich noch einen Schritt 
vorwärts zu kommen und festzustellen, ob die Gegenwart des Eisens 
im Hämatin es bedingt, dass die Bindung von AsH s hier so intensiv 
erfolgt. Ich griff zurück auf die Erfahrungen, die Reckleben und 
Lockemann in Bezug auf Absorption von AsH s durch Eisensalze gemacht 
hatten. Diese Autoren stellen folgende Beziehungen fest: „ Ferrisalze. 
Eine neutrale Lösung von Eisenchlorid wirkte sehr langsam. Nach ein- 
stündigem Schütteln erlitt ein 25 procentiges Gas nur eine Abnahme 
von 1 1 / 2 pCt. In saurer Lösung war die Absorption bedeutend schneller, 
aber nach vierstündigem Schütteln immer noch nicht quantitativ. Eine 
alkalische Ferritartratlösung zeigte nur eine ganz geringe Gasabsorption 
und eine dunklere Färbung der Lösung“. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut. 


293 


Auch ich versuchte mit verschiedenen Ferri- und Ferrosalzen eine 
Bindung zu erzielen, und erhielt dabei die nachstehenden Werthe: 

Im Vergleioh zu seinem Lösungsmittel (NaOH in H 2 0 1 :500) 
absorbirt 1,5 proo. Ferratin Schmiedeberg (frisches Präparat) 2 pCt. 


n 

0,15 

n 

i' H ii 

11 ... 

0 

ii 

n 

0,24 

n 

FeS0 4 -Lösung. 

• 

4 “ 1 

ii 

n 

2,4 

ii 

ii . 

• • e e 

+ 3 

n 

n 

0,2 

ii 

Liq. Ferri oxyd. dialysat. (Schering) 

= 0,01 Fo . 

0 

n 

ii 

2,0 

ii 

ii ii n ii ii 

= 0,1 Fo . 

+ 4,8 

ii 

7) 

20,0 

ii 

n ii u ii 

= 1,0 Fo . 

0 

ii 


Sowohl Eisensulfat wie Liq. Ferri oxydati dialysati konnten nur in 
saurer Lösung geprüft werden, da schon bei neutraler Reaction das Eisen 
fällt. Ich versuchte ferner mit einigen ganz ungiftigen Cyan-Eisenverbin¬ 
dungen Erfolg zu erzielen und schüttelte 5 Minuten: 

1) 130 ccm 2 1 /,proc. Kal. Ferricyanid in H 2 0 -f- 20 ccm AsH s . Gebunden: 56 pCt. 


2)130 „ 

2^2 proc. „ Ferrocyanid „ „ 

+ 20 „ „ 

„ 42 pCt. 

3) 130 „ 

2^2proc. Berl. Blau (Suspension) +20 „ „ 

„ 58,4 pCt. 

4)130 „ 

H 2 0 dest. 

Dagegen ergab 

+ 20 „ „ 

„ 52,0 pCt. 

5) 130 „ 

2 x / 2 Nitroprussidnatrium 

+ 20 „ ,, 

„ 99,6 pCt. 


Beim Schütteln dieses letzten Präparates mit Arsenwasserstoff fiel ein 
fester Körper aus, in dem durch qualitative Analyse sowohl As wie 
Fe nachgewiesen werden konnte. Ich lasse es nun völlig dahingestellt, 
ob die starke Bindung im Nitroprussidnatrium durch das Fe allein oder 
auch durch die NO-Gruppen erfolgte (weitere Untersuchungen in dieser 
Richtung habe ich noch nicht ausgeführt). Ein eigenes Bewenden muss 
es doch mit dem Bluteisen haben, das zeigt deutlich folgender Vergleich: 
Ich hatte oben vom 

Hämin: C 34 H 82 0 4 N 4 FeCl in alkalischer Lösung -|- 14pCt. Bindung, 

Hämatin: C 84 H 88 0 6 N 4 Fe „ „ „ -j-26pCt. „ 

im Vergleich zum Lösungsmittel erhalten. In demselben Lösungsmittel 
löste ich nun Hämatoporphyrin C 84 H 88 0 6 N 4 , das ich mir frisch nach 
Esch bäum 1 ) in einwandfreier Weise bereitet hatte, und verglich beide 
Lösungen. Es band: 

Hämatoporphyrin in lproc. Lösung (gelöst in NaOH 1 : 500) -(- 3pCt. 

„ n 1 proc. _ „ » n n 1 • 500) 0 

n n0,l proc. ,, 7 i n 7) 1 * 500) 4pCt. 

„ „0,lproc. „ „ „ „ 1:500)4- 3pCt. 

Es lässt sich also zwischen dem eisenfreien Hämatoporphyrin und 
dem eisenhaltigen Hämatin ein Unterschied in der Bindungsfähigkeit bis 
zu 26pCt. erzielen. 

Ich folgere aus alledem: AsH 8 bindet sich mit der Hämatincompo- 
ncnte des Hämoglobins; der Eisengehalt derselben ist bei dieser Bindung 
von entscheidender Bedeutung. 

Das Bindungsvermögen verschiedener Blutarten gegenüber AsH s ist 
nicht sehr differirend. Das zeigen folgende Zahlen: 

1) Apotheker-Ztg. 1909. Nr. 45. 

Zeitschrift f. erp. Pathologie o. Therapie. 13. Bd. oq 


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294 


R. Meissner, 


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Blutart in ccm 

AsII 3 
in ccm 

Concentration 
des AsH s 

Scbütlel- 

dauer 

Gebunden 

120 Hundeblut'. 

80 

| 10 ccm AsH 3 = 

3 Min. 

84,6 pCt. 

120 Kaninchenblut. 

30 


3 , 

76,0 „ 

120 Pferdeblut ~. 

30 

J 4,1 ccm" 0 AgNO s 

3 r> 

76,0 , 

C5 Pferdeblut -f 65 NaCl (0,9 pCt.) 

20 

1 10 ccm AsII 3 — 

5 „ 

75,8 „ 

65 Rinderblut + 65 NaCl (0,9 pCt.) 

20 

J 9,5 ccm^j AgNOj 

6 • 

71,6 „ 


Galle band etwas mehr wie physiol. Kochsalzlösung, aber weniger 
wie Blut. Bei gleicher Concentration des AsH s , gleichen Mengen des¬ 
selben und der zu prüfenden Lösungen und gleicher Schütteldauer ergab 
sich für Kochsalzlösung: 45pCt., frische Rindergalle-f-NaCl (0,9pCt.) 
aä: öfipCt. und Rinderblut + NaCl (0,9pCt.) ää: 72pCt. 

Die Concentration der Galle spielt aber bei dieser Analyse eine 
wichtige Rolle. 

IV. 

Ich ging sodann zu Versuchen über, durch die ich eine Entgiftung 
des AsH 3 im Blute herbeiführen wollte. Auf drei Wegen versuchte ich 
hier vorwärts zu kommen. Zunächst rechnete ich mit der Möglichkeit, 
dass Cholesterin, welches die Saponinhämolyse zu hemmen vermag, hier 
vielleicht die grosse Bindungsfähigkeit zwischen Blut und AsH a herab¬ 
drücken könnte, obgleich es selbst AsH 3 nicht bindet. Eine früher ge¬ 
fundene, oben angegebene Zahl, in der Cholesterin in Aether gelöst, 
weniger als reiner Aether den Arsen Wasserstoff bindet, rieth zu diesem 
Versuche. Ein Erfolg war aber auf diese Weise nicht zu erzielen. 

Ferner war es von Interesse, zu erfahren, ob geeignete, oxydirendcMittel, 
von denen eine schnelle Ueberführung des AsH 3 in As 2 0 3 anzunehmen und 
somit auf diesem Wege eine Entgiftung zu erwarten war, den Arsen Wasserstoff 
energisch binden würden. (Die hier in Frage kommenden Mengen As,O s sind 
im Vcrhältniss zu den entsprechenden Dosen AsH 3 als beträchtlich weniger 
giftig zu bezeichnen.) Frühere Versuche von Walko über „Entgiftung durch 
oxydirende Agentien“ x ) ergeben als bestes derselben die Jodsäure. Da diese 
zu biologischen Zwecken nicht in Betracht kommen konnte, hielt ich als 
Vertreter der Jod verbindungen Jodipin als besonders geeignet. Aber Jodipin 
und AsH 8 haben keine grosse chemische Affinität zu einander, wie aus 
folgenden, unter gleichen Bedingungen gewonnenen Zahlen zu ersehen ist: 

1) 130 ccm einer Jodipincmulsion lOproc. (20,0 Jodipin, 10,0 Gummi ad 200,0 ONaCl 

0,9proo.) 

-j- 20 ccm AsH 3 : Gebunden 77,3 pCt. 

2) 130 ccm einer Emulsion aus 20 g Sesamöl, 10,0 Gummi ad 200,0 NaCl 0,9proc. 
-f- 20 ccm AsH 3 : Gebunden 87,9 pCt. 

Schliesslich suchte ich noch Substanzen, die, gleichviel auf welcher 
Basis, AsH 3 mindestens ebenso stark oder noch stärker zu binden ver¬ 
mochten als das Blut. Reckleben und Lockemann hatten die grösste 
Bindungsfähigkeit zwischen den Schwermetallen und AsH 8 bei Ag und 
Hg gefunden. Sie benutzten aber anorganische Verbindungen, in denen 

1) Arcb. intern, du Pharniakodynamie. Bd. IV. S. 311. 


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Ueber die Bindung des Arsen Wasserstoffes im Blut. 


295 


das Metall als Ion vorhanden war. Anschliessend hieran versuchte ich 
einige neuere organische Silberpräparate, die ich für eventuelle thera¬ 
peutische Verwerthung geeignet hielt, und zwar: Novargan, Protargol und 
Collargol, und stellte folgende Bindungsverhältnisse fest: 

geschüttelt in Berührung gebunden 
105 com Aq. dest. —)— 45 ccm AsH s 10 Min. 20 Min. 57,7pCt. 

105 „ 2proc. Novarg.-|-45 „ „ 10 „ 20 „ 100,0pCt. 

105 „ 2proo. Protarg. -f- 45 „ „ 5 „ 10 „ 100,OpCt. 

105 „ 2proc. Collarg. -j- 45 „ „ 5 „ 10 „ 100,0 pCt. 

Novargan schied aus, da sich in dem von mir geprüften Präparate 
noch die Schwefelwasserstoffreaction von ionisirtem Silber nach weisen 
liess. Protargol zeigte keine Spur von ionisirtem Metall, verursachte 
aber bei intravenöser Injection — und nur eine solche Medication ver¬ 
spräche bei dem so schnell und heftig wirkenden Gase Aussicht auf Er¬ 
folg — hämorrhagische Nephritis. Dieses Silberpräparat musste deshalb 
auch aufgegeben werden. Dagegen hatte ein frisches (sehr wichtig!) 
Collargol alle Eigenschaften, die für die Möglichkeit einer Bindung im 
Thierkörper in Betracht kommen: Es enthält 1. kein ionales Ag, 2. reisst 
es AsHg heftig an sich, 3. das Product zwischen dem colloidalen Collargol 
und AsH s ist wieder eine colloidale Substanz, aus der sich keine Spur 
Niederschlag abscheidet und die somit eine Emboliegefahr völlig aus- 
schliesst, und 4. vertragen die Thiere (Kaninchen) Collargol in verhält- 
nissmässig grösseren Dosen recht gut. Die Resultate, die ich bei drei 
Versuchen erhielt, zeigten aber die Unmöglichkeit der vitalen Arsen¬ 
wasserstoffentgiftung auf diesem Wege. 

3. 7. 12. 

I. 1 Kaninchen 1900 g bekommt intravenös 

12 ocm 2proc. Collargollösung = 0,24 g Collargol and 

51 „ NaCl (0,9pCt.), in denen 0,0032 g AsH 3 suspendirt sind. 

II. Das Controlthier bekam auch 51 ocm der AsII 3 -Lösung = 3,2 mg AsH s 
ohne Collargol. 

Verlauf der Versuche: 


Tbi er IO 

r 

r h i e r 

HD 


A9H 3 -Lösung ] 

Collargollösung 

Hämolyse 

AsHg-Lösung 

Hämolyse 

Injicirt 

nach 

ccm 

Injicirt 

nach 

ccm 

nach 


Injicirt 

nach 

ccm 

nach 




1 Min. 

1 







1 Min. 

10 

10 

2 

1 Min. 

0 

1 Min. 

10 

1 Min. 

0 

18 , 

10 

30 „ 

2 

22 n 

0 

18 . 

10 

18 „ 

0 

53 „ 

11 

56 „ 

2 

43 , 

0 

42 . 

11 

42 „ 

0 

73 , 

10 

74 „ 

1,5 

62 „ 

0 

64 , 

10 

64 „ 

+=) 

94 , 

10 

95 , 

2,0 

83 . 

+ 2 ) 

84 „ 

10 

94 , 

+ 



105 , 

1,5 

97 , 

+ 






■ I I I I III 

Exitus am 4. 7. früh 10 Uhr 20 Min. Exitus am 5. 7. früh gegen 8 Uhr. 

1) Harn frei von Albumcn. — 2) Blut im Harn. 

20 * 


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296 H. Meissner, 

Bei der Section zeigten die Nieren das Bild schwerster hämorrhagi¬ 
scher Nephritis. Auffallend war, dass zweimal das mit Collargol be¬ 
handelte Thier früher einging als das Controlthier. Ein Nutzen ist somit 
von Collargol nicht zu erwarten. 

Nächst dem Silber bindet das Quecksilber nach ßeckleben und 
Lockemann den Arsen Wasserstoff am besten. Für unsere Versuche 
scheiden aber die meisten Hydrargyrumverbindungen von Anfang an 
schon aus, da sie intravenös wegen ihrer Giftigkeit oder Unlöslichkeit 
nicht zu brauchen sind. Nur ein neueres, milder wirkendes Hg-Präparat, 
das Calomelol, kam in Frage. Es enthielt aber, wie die SH 2 -Probe 
ergab, freie Hg-Ionen, und so erübrigten sich weitere Versuche mit dieser 
Substanz. 

Ich füge hier noch einige Zahlen ein, die das Absorptionsverhältniss 
des Arsen Wasserstoffes mit folgenden Verbindungen angeben: 


1. Aqua dest. 

. 54,2 pCt., , 

-jj ! 2. Lithiurachlorid (lOpCt.) . . 

. 57,3 

n 

*"o 1 3. Aluminiumsulfat (10 pCt.) . 

. 58,2 

7 ? 

g 1 4. Zinksulfat (lOpCt.) . . . 

. 62,3 

n 

5. Cadmiumchlorid (lOpCt.) . 

. 86,2 

f 

77 • 

a J 6. Natriumsulfat (10 pCt.) . . 

. 50,0 

77 

1 7. Calciumchlorid (10 pCt.) . . 

. 63,0 

77 

12 [ 8. Magnesiumsulfat (10 pCt.) . 

. 64,0 

77 

S) \ 9. Chloralhydrat (10 pCt.) . . 

. 65,0 

17 


Theilweise waren diese Substanzen gewählt in der Absicht, sie 
physiologisch zu vcrwerthen, theilweisc aus rein chemischem Interesse. 
Das grösste Bindungsvermögen zeigte hier das Cadmiumsalz. Dieses 
kommt aber therapeutisch nicht in Frage. Die übrigen Verbindungen 
wiesen im Vergleich mit der Absorptionszahl des Wassers nur Unter¬ 
schiede innerhalb der Fehlergrenze auf. 

Wirklich brauchbare Bindungswerthe zeigte von den Körpern, die 
für pharmakologische Prüfungen in Frage kommen, nach meinen Er¬ 
fahrungen nur das Collargol. Gelang es mir auch nicht, mit diesem 
Silbersalz eine Entgiftung des AsH 3 im Thierkörper* durchzuführen, so 
reicht eine neutrale 40proc. (NH 3 -freie) AgN0 3 -Lösung sehr wohl aus, 
als Prophylacticum zu dienen. 

A. 7. 8. 12. Kaninchen, 1800 g. Das tracheotomirte Thier athmet durch 
ein Müller’sches Ventil aus einer vorgelegten Flasche, in der sich NaCl (0,9pCt.) 
und darin gelöst AsH 3 in bestimmter Menge befindet. Zwischen dem Müller- 
schen Ventil und der AsH 3 -Lösung werden noch 2 Flaschen mit 40proo. AgN0 3 - 
Lösung eingeschaltet. Die verbindenden Glasröhren tauchen nur ganz wenig in die 
Lösungen ein, sodass das Thier ganz leicht durch dieses System von 4 Flaschen athmet. 

12. 8. 12. Thier lebt, war die ganze Zeit über munter. Harn wird spontan ent¬ 
leert, frei von Albumen. 

B. Controlthier. 7. 8. 12, 6 Uhr 30 Min. Abends. Kaninchen, 1870 g. Das 
tracheotomirte Thier athmet die gleiche Menge Asll 3 wie das vorige, aber die Arsen¬ 
wasserstoff + NaCl enthaltende Flasche ist direct mit dem Müller’schen Ventil ver¬ 
bunden; die Silberlösungen sind ausgeschaltet. Beide Thiere athmen 10 Minuten 
durch das System. 


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Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut. 


297 


8. 8., früh 8 Uhr 30 Min. Thier sitzt ruhig im Käfig, es hat nicht gefressen; 
kein Tropfen Harn ist auszupressen. 

10 Uhr 15 Min. Thier zeigt Schwächeerscheinungen. Leichto Bewegungen des 
Kopfes nach einer Seite. Es kann sich nur schwer im Gleichgewicht halten. 

10 Uhr 30 Min. Dyspnoe. 10 Uhr 45 Min. Exitus. 

Section: Völlige Anurie, kein Tropfen Harn oder Blut in der Blase. Nieren 
tief schwarz verfärbt; Zeichnung völlig verstrichen. Blut dünn, lackig. 

Der so auffallende Unterschied zwischen der starken Bindung von 
Collargol und AsH s in vitro und dem völligen Versagen einer Collargol- 
entgiftung in vivo bei Arsen Wasserstoffvergiftung legt die Frage nahe, 
ob es nach Eingabe von AsH 3 ins Blut sich dort dauernd überhaupt um 
freien AsH 3 handelt, oder ob man es hier mit anderen As-Verbindungen 
zu thun hat. 

Die folgenden Versuche gaben hierüber Aufklärung: 

19. 7. 12. 1. 120 ccm Kaninchenblut werden mit 30 ccm AsH s 10 Minuten ge¬ 

schüttelt; nach 15 Minuten wurde das nicht gebundene Gas in Silbernitrat geleitet, 
sofort durch das Blut ein Kohlensäurestrom geschickt, um jede nachträgliche Oxy¬ 
dation zu verhindern und in einer mit Silbernitrat vorgelegten Dreohsel’schen Flasche 
geprüft, ob eine Schwärzung der Silberlösung erfolgt. Die Lösung blieb völlig klar 
und unverändert, ein Beweis, dass freier AsH 3 nicht mehr vorhanden war. Auch ein 
mit 50proc. AgN0 3 -Lösung befeuchtetes Stück Fliesspapier, das über ein dieses Blut 
enthaltendes Becherglas gelegt wurde, zeigte nicht die Gutzeit’sche Reaction. 

2. 120 com physiol. Kochsalzlösung + 30 ccm AsH 3 , ebenso behandelt wie 
obiges Blut. Es entsteht hier in der Silberlösung der Vorlage ein dicker, schwarzer 
Niederschlag; die Gutzeit’sche Reaction ist hier sofort stark positiv. 

Versetzt man nun das Kaninchenblut von Versuch 1 mit Zn-f HCl, 
so tritt jetzt auch die Gutzeit’sche Probe stark positiv auf. Diese Er¬ 
scheinungen besagen, dass beim Zusammentreffen von Blut und AsH s 
sehr bald eine Oxydation des AsH 3 erfolgt oder eine Umwandlung in 
eine Verbindung, die durch ein reducirendes Mittel (H 2 ) wieder in AsH 3 
übergeführt wird. Man nimmt dasselbe Schwinden freien Arsenwasser¬ 
stoffs wahr, wenn man ein Kaninchen mit AsH s vergiftet, sofort verblutet 
und das Blut direct anschliessend in der eben beschriebenen Weise prüft. 
Ich lasse es völlig dahingestellt, ob es sich bei diesem veränderten 
(oxydirten) Arsenwasserstoff um eine Complexverbindung, um Arsensäure, 
um arsenige Säure oder eine sonstige Zwischenstufe handelt. Sicher ist, 
dass eine Oxydation vor sich geht. Hierdurch erklärt sich auch die Er¬ 
gebnislosigkeit aller meiner Entgiftungsversuche. Ich habe Arsenwasser¬ 
stoff im Thierkörper entgiften wollen und hatte cs garnicht mehr mit 
Arsenwasserstoff zu thun. 

Aus diesen Beobachtungen lässt sich schliessen: 

Aufnahme und Bindung des AsH 3 im Blute erfolgen sehr schnell 
aufeinander, und zwar Letztere zu einer Substanz, die entweder eine 
oxydative Stufe oder eine Complexverbindung darstellt. 

Diesen ganzen Vorgang will ich als 1. Phase der AsH 3 -Vergiftung 
bezeichnen. 

Die 2. Phase dieser Intoxication geht langsam vor sich und endet 
mit der Hämolyse. 


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298 


R. Meissner, 


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Die Hämolyse nach AsH 3 zeigt zweierlei interessante Merkmale: 

Erstens: sie geht sehr langsam vor sich; 

Zweitens: an ihrer Scala lassen sich drei Gruppen unterscheiden: 

a) bei Zusatz ganz geringer Mengen AsH 3 tritt weder Hämolyse noch Ver¬ 
färbung des Blutfarbstoffes ein; 

b) bei Zusatz etwas grösserer Mengen tritt Hämolyse theils ohne, tbejls mit 
Verfärbung des Blutfarbstoffes ein; 

c) bei Zusatz noch grösserer Mengen tritt keine Hämolyse ein. Der Blut¬ 
farbstoff wird jetzt gefällt und braun bis graugrün verfärbt. 

Bezüglich des ersten Punktes möchte ich bemerken, dass man beim 
Schütteln von Blut mit physiologischem NaCl + AsH s nie sofort eine 
Lyse erhält. Erst nach zwei bis drei Stunden tritt dieselbe ein; nimmt 
man gewaschene Blutkörperchen, so geht die Lyse manchmal etwas 
schneller vor sich; s / 4 —1 Stunde vergeht aber auch hier. Vergiftet 
man ein Thier mit einer sicher tödtlichen, aber nicht übermässig con- 
centrirten Dosis AsH 3 und entnimmt darauf nach je 5 Minuten eine Blut¬ 
probe aus einer Carotis und centrifugirt dieselben jedesmal gleich nach 
der üblichen Verdünnung, so erhält man noch nach 30 Minuten über 
einem scharf abgesetzten Sediment eine wasserhelle Flüssigkeit, keine 
Lyse. Setzt man mit anderen gleichzeitig entnommenen Blutproben in 
derselben Verdünnung eine hämolytische Scala an, so erhält man zu¬ 
nächst lauter trübe Mischungen, nach zwei bis drei Stunden aber lässt 
sich feststellen, dass schon in der Probe, die 10 Minuten nach der Ver¬ 
giftung entnommen wurde (manchmal noch früher), Hämolyse eingetreten 
ist. Auch in den Sedimenten der oben erwähnten Centrifugirglasproben 
beginnt nach zwei bis drei Stunden eine Lyse. Diese Beobachtungen 
lehren, dass die Hämolyse im Blutkörperchen sehr bald nach der Ver¬ 
giftung vorbereitet wird, dass aber bis zum Austritt des Hämoglobins 
eine gewisse Latenzzeit vergeht. 

Was den zweiten Punkt der AsH 3 -Hämolyse an betrifft, so sei noch 
erwähnt, dass das Spatium von AsH s -Concentrationen in der hämo¬ 
lytischen Scala, das Hämolyse erzeugt, nicht sehr umfangreich ist. In 
dieser Scala nimmt man, wie oben schon erwähnt, beim Zusammentreffen 
mit grösseren Mengen AsH s eine Verfärbung des Blutfarbstoffes zu Braun 
bis Graugrün wahr. Auch beim Schütteln grösserer Mengen AsH s be¬ 
sonders mit arteriellem Blute in der Hempelbürette sieht man, wie AsH s 
momentan eine sehr starke Dunkelfärbung hervorruft. Der Uebergang 
des Blutfarbstoffes in Graugrün erinnert an die Verfärbung, die beim 
Einwirken von SH 2 auf Blut sich bildet. Man nennt den hierbei ent¬ 
standenen Körper Sulf-Methämoglobin; dieser zeigt ein typisches Spectrum. 

Eine Veränderung des Blutspectrums nach Einwirkung von AsH 3 
konnte bisher noch nie beobachtet werden. Auch .ich erhielt bei meinen 
ersten Versuchen in dieser Richtung, wenn ich Blut mit Arsenwasserstoff 
schüttelte und einen Tropfen des Blutes sodann vorsichtig mit aus¬ 
gekochter physiologischer Kochsalzlösung mischte, stets ein reines Oxy- 
hämoglobinspectrum. Die obigen Versuche hatten nun gezeigt, dass 
AsH 3 schon ganz kurze Zeit nach der Berührung mit Blut sich als 


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Ueber die Bindung des ArsenwasserstofTes im Blut. 


299 


solches nicht mehr nachweisen lässt, vorausgesetzt, dass das Blut im 
Ueberschuss vorhanden ist. In einem derartigen Blute, wie es bei foren¬ 
sischen Fragen z. B. fast immer vorliegt, lässt sich folglich auch ein Arsen- 
wasserstoffspectrum nicht erwarten. Will man die Existenz eines solchen 
überhaupt in Erwägung ziehen, so konnte man sein Erscheinen nur 
dann erhoffen, wenn AsH s und Blut im Augenblick ihres Zusammen¬ 
treffens beobachtet werden können oder wenn ein Ueberschuss von AsH 3 
vorhanden ist. Unter solchen Bedingungen lässt sich nun thatsächlich 
ein constantes Spectrum erzielen. Am einfachsten erhält man es, 
wenn man einen Tropfen Blut mit ungefähr 5—10 ccm einer physiolo¬ 
gischen Kochsalzlösung mischt, die reichlich Arsen Wasserstoff absorbirt 
enthält. Hierbei erfolgt momentan eine Verfärbung der Flüssigkeit zu 
einer trüben schokoladenbraunen bis graugrünen Mischung, ausserdem 
sieht man dann einen starken Streifeh (ähnlich dem des reducirten 
Hämoglobins) in Grün und einen deutlichen an der Grenze von Roth und 
Gelb. Dieser letztere Streifen ist immer im Spectrum zu sehen, wenn 
AsH 3 mit Blut (verschiedene Blutarten wurden darauf geprüft) oder mit 
einer Hämoglobinlösung zusammentrifft. Lässt man eine solche Mischung 
ruhig stehen, so ist noch nach 24 Stunden dasselbe Spectrum vorhanden; 
schüttelt man jedoch die Flüssigkeit mit Luft, so treten an Stelle des 
einen starken grünen Streifens zwei dünnere, scheinbar Oxyhämoglobin¬ 
streifen. Der rothe Streifen bleibt deutlich bestehen. 

Bläst man aus einer physiologischen NaCl-Lösung, die AsH 3 stark 
absorbirt hat, dieses Gas völlig aus und stellt dann mit Blut eine spectro- 
skopische Prüfung an, so sieht man reines Oxyhämoglobinspectrum. Die 
jetzt noch in dieser Natriumchloridlösung enthaltene As-Verbindung (Oxy¬ 
dationsstufen oder Complexverbindungen) vermag also nicht im Roth 
einen Streifen zu erzeugen; dieser hängt von der Anwesenheit des freien 
AsH s ab. 

Er verschwindet sofort, wenn man NH 3 zur Blutmischung giebt 
(die beiden Oxyhämoglobinstreifen sind noch schwach sichtbar); bei 
Zusatz von (NH 4 ) 2 S wird der Streifen im Roth schwächer, aber er ver¬ 
schwindet nicht ganz; im Grün ist der Streifen des reducirten Hämo¬ 
globins sichtbar. Einige Male erschien nach Zusatz von KOH der Streifen 
des reducirten Hämatins im Grün, aber nicht regelmässig. Es ähnelt 
dieses Spectrum also in mancher Hinsicht dem des Sulfmethämoglobins. 
Ob unser Spectrum auf eine entsprechende Weise sich bildet, oder ob 
es als Zersetzungsproduct des Hämoglobins aufzufassen ist, lasse ich 
dahingestellt. Sicher ist, dass es constant eintritt. In allen 6 Blutarten, 
die ich daraufhin untersuchte, war es jedesmal deutlich zu sehen. 

Ich fasse meine Ergebnisse in folgende Worte zusammen: 

1. Von allen Blutbestandtheilen bindet allein das Hämoglobin den 
Arsenwasserstoff energisch; die Hämatincomponente des Hämo¬ 
globins ist an dieser Bindung stark betheiligt. Wahrscheinlich 
ist das Eisen des Hämatins bei dieser Bindung von entscheidender 
Bedeutung. 


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300 R. Meissner, Ueber die Bindung des Arsen Wasserstoffes im Blut. 


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2. AsH s wird im Blut sehr bald oxydi’rt oder in eine Complex- 
verbindung verwandelt und lässt sich ganz kurze Zeit nach der 
Aufnahme im Blute nicht mehr nachweisen. 

3. Die Zersetzung des Blutes durch Arsenwasserstoff erfolgt in 
2 Phasen: Die erste Phase besteht in Aufnahme, Bindung und 
Bildung einer Oxydationsstufe oder einer Complexverbindung. 
Die zweite Phase beansprucht längere Zeit; sie endet mit der 
Hämolyse. 

4. Die Hämolyse durch AsH s in vitro tritt erst nach längerer Zeit 
ein; sie ist zum Theil von einer Entfärbung des Blutfarbstoffes 
begleitet. 

5. Es lässt sich extra corpus beim Zusammentreffen von AsH 3 und 
Blut ein constantes Spectrum nachweisen. Dieses zeigt eine 
gewisse Aehnlichkeit mit dem des Sulfmethämoglobins. 


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XIY. 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau 
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. Pohl). 

Zur Wirkungsweise des Atophans. 

Von 

Joh. Biberfeld. 


Die Anschauungen über den Mechanismus der Atophanwirkung sind 
gegenwärtig noch nicht geklärt. Um die wichtigsten Aeusserungen hierüber 
anzuführen 1 ), so vertritt Weintraud die Ansicht, dass die Vermehrung 
der Harnsäureausscheidung durch eine Aenderung der Nierenthätigkeit zu 
Stande komme; Atophan lasse das Nieren-„Filter“ durchlässiger werden. 
Eine Zunahme der im Körper vorhandenen Harnsäure bewirke das Mittel 
nicht; Starkenstein hält umgekehrt gerade eine solche Zunahme für 
die Hauptsache; Atophan beschleunigt nach ihm den Purinstoffwechsel 
derart, dass unter seiner Einwirkung Nucleinmaterial, das zum Zerfall 
reif ist, schneller zum Abbau und zur Ausscheidung kommt. 

Die weitere experimentelle Bearbeitung der strittigen Frage ist nun 
am Thiere ohne Weiteres nicht gut ausführbar, da wir ja durch die 
Wiechowski'sehen Arbeiten den principiellen Unterschied im Purinstoff¬ 
wechsel zwischen Mensch und Thier kennen gelernt haben und beim 
Thiere eine Steigerung der U-Ausscheidung durch Atophan nicht vorhanden 
ist; jedes an den gewöhnlichen Versuchsthieren gewonnene Resultat ist 
daher für die Erklärung der therapeutischen Wirkung nur beschränkt 
werthvoll. So verschieden aber auch der Nucleinstoffwechsel ist, die 
Function der Niere ist beim Thiere sicherlich nicht principiell anders 
als beim Menschen; deshalb habe ich eine Reihe von Versuchen an 
Thieren angestellt, hauptsächlich nur in Beziehung auf die Frage, ob 
Atophan die Niere specifisch beeinflusse; daran habe ich einige Versuche 
über das Schicksal der Phosphorsäure unter Atophanwirkung angeschlossen. 

I. 

Selbst wenn man mit Weintraud dem Atophan eine „specifische“ 
Beeinflussung der Niere zuschreiben will, so wird man doch noch nicht 
ohne Weiteres bereit sein anzunehmen, dass diese Beeinflussung nur den 
einen Purinkörper, die Harnsäure, treffe; man wird vielmehr erwarten 
dürfen, dass auch andere zugeführte Purinsubstanzen unter Atophan 
schneller ausgeschieden würden. Die Auswahl unter diesen ist aber 
wegen ihrer eigenartigen und wechselnden Umwandlungs- und Ausschei- 


1) Eine Zusammenstellung der meisten in Betracht kommenden Publicationen 
hat ganz kürzlich Schittenhelm (diese Zeitschr. Bd. XI, S. 360) gegeben. 


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302 


Joh. Biberfeld, 


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dungsverhältnisse für quantitative Untersuchungen nicht gross 1 ). Ich habe 
deshalb das Hydroxycaffein gewählt, das, wie Starkenstein 2 ) vor 
einigen Jahren gezeigt hat, im Gegensatz zu anderen Methylxanthinen 
von Mensch und Thier unverändert und fast vollständig im Harn wieder¬ 
erscheint. Da das Präparat, das uns von der Firma Böhringer in Wald¬ 
hof bei Mannheim in freundlichster Weise überlassen worden ist, ungiftig 
ist, war es mir möglich, den Thierversuchen einen solchen am Menschen 
anzuschliessen 3 ). — In einem Vorversuche stellte ich fest, dass Hydroxy¬ 
caffein allein eine massige Diurese hervorrief; Atophan neben dem 
Hydroxycaffein verfüttert, verminderte die Harnmenge (vgl. Tabelle I). 
Wie die Tabellen II und III zeigen, beschleunigt Atophan die Hydroxy- 
caffeinausscheidung nicht nur nicht, sondern bewirkt eher eine gewisse 
Hemmung; im Versuch II werden ohne Atophan ca. 64 pCt. des injicirten 
Hydroxycaffeins innerhalb der ersten 7 Stunden eliminirt, mit Atophan 
in derselben Zeit nur ca. 45 pCt. Nach deutlicher war die Hemmung 
im Versuch IV; hier wurden von dem innerlich gegebenen Hydroxycaffein 
ohne Atophan im Ganzen fast 60 pCt., mit Atophan nur ca. 35 pCt. 
durch den Harn ausgeschieden. 

Weiterhin habe ich noch einen Versuch darüber angestellt, wie die 
Secretion subcutan beim Hunde eingeführter Harnsäure durch Atophan 
geändert wird. Frank und Bauch 4 ) haben gefunden, dass die beim 
gichtkranken Menschen sonst sehr verzögerte und auch unvollständige 
Ausscheidung intravenös injicirter Harnsäure durch Atophan sehr gefördert 
wird. Ich habe ähnliche Versuche am Hunde angestellt. Wenn wir 
auch wissen, dass beim Thier Harnsäure zu Allantoin abgebaut wird, so 
scheidet doch jedes Thier neben der grossen Menge des Endproductes, 
des Allantoins, stets schon in der Norm auch eine kleine Quantität 
Harnsäure aus, und durch Zufuhr grosser Massen von Harnsäure gelingt 
es die Grenzen der uricolytischen Capacität des Hundeorganismus zu 
überschreiten, und ihn zu zwingen, reichlich Harnsäure auszuscheiden. 
Das Ergebniss eines solchen Versuches zeigt Tabelle XV; durch eine 
gleichbleibende reichliche Ernährung mit Fleisch war es gelungen, eine 
Harnsäureausscheidung zu erzielen, deren Betrag nur in engen Grenzen 
schwankte 5 ); das Thier schied täglich 42—52 mg Harnsäure aus. Von 
subcutan injicirten 2 g Na. uricum erschienen am Tage der Injection ca. 
130 mg (180—50 mg endogener Harnsäure), an dem nächsten Tage noch 
ca. 60 mg. Als das Thier sich von der durch die Harnsäureinjection 


1) Fauvel (Compt. rend. de Pacad. des Sciences. 1907, Bd. 144, S. 933) hat 
die Wirkung von Salioylsäure auf die Theobrom in ausscheidung untersucht. Da er 
die Umwandlung des Theobromins im Organismus und seine keineswegs constante 
Ausscheidung gar nicht in Rechnung zieht, sind seine Zahlen unvollkommen und nach 
keiner Richtung brauchbar. 

2) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 57. S. 27. 

3) DieBestimmung geschah nachdervonStarkenstein ausgearbeiteten Methode. 

4) Berl. klin. Wochenschr. 1911. No. 32. 

5) Hier, wie in allen Versuchen, wurden die einzelnen Harnportionen durch 
Katheterismus der colpotomirten Thiere gewonnen. — Die Harnsäure wurde einige¬ 
mal nach Ludwig-Salkowski, sonst stets nach Krüger-Schmid bestimmt. 


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Original fro-m 

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Zur Wirkungsweise des Atophans. 


303 


erzeugten leichten Intoxication (einem bald entstandenen Abscess) erholt hatte, 
stellte es sich unter der gleichen Fütterung wie bisher auf einen endogenen 
Harnsäurewerth von ca. 60 mg täglich ein. Die Injection von wiederum 2 g 
Na. uricum lässt jetzt diesen Werth nur um ca. 110 mg steigen, obschon 
vorher 1 g Atophan eingespritzt worden war, und auch an den nächsten 
Tagen war keine Vermehrung der Harnsäuremenge zu sehen. — Es ist zuzu¬ 
geben, dass das Ergebniss dieses Versuches nicht eindeutig ist, doch scheint 
er mir sicherlich nicht dafür zu sprechen, dass Atophan die Entfernung 
harnfähiger Harnsäure, die ja hier in grossen Mengen kreiste, befördere. — 

Weintraud hat, um eine specifischc Nierenwirkung des Atophans 
plausibler zu machen, an das Phlorhizin erinnert, das ja zweifellos 
durch eine Aenderung der Nierenthätigkeit Glykosurie hervorruft. Es 
ist jedoch nicht zuzugestehen, dass die Verhältnisse in beiden Fällen 
gleich liegen. Durch Phlorhizin wird die Niere in irgend einer Weise 
derart verändert, dass sie einen Stoff, den Traubenzucker, für den sie 
unter normalem Blutzuckergehalt absolut undurchlässig ist, secernirt. 
Durch Atophan dagegen soll die Niere für eine Substanz, die sie auch 
in der Norm und in dem Bedürfniss des Organismus entsprechenden 
Mengen leicht absondert, plötzlich noch durchlässiger werden, und zwar 
nur für diese eine, nicht für andere ähnliche. Hierfür haben wir bisher 
noch kein Analogon. Trotzdem habe ich versucht, ob sich vielleicht 
eine Wirkung des Atophans auf die Phlorhizinglykosurie nachweisen 
Hesse. Auch hier war wieder das Ergebniss der Versuche (vgl. Tab. V, 
VI, VH) umgekehrt wie erwartet 1 ); statt einer Förderung durch Atophan 
zeigte sich eine Hemmung. Besonders deutlich war diese in dem auf 
Tabelle VI und Vll geschilderten Versuche: ohne Atophan werden von 
dem constant gefütterten Hunde auf 1,5 g Phlorhizin im Ganzen mehr 
als 32 g Zuckerausgeschieden; dieselbe Dosis Phlorhizin plus 2 g Atophan 
Hess nur 20,9 bezw, 22,5 g Zucker erscheinen 2 ). 

II. 

Wie schon von den Entdeckern der Atophan Wirkung, Nikolaier 
und Dohm, erkannt und später von Anderen bestätigt worden ist, lässt 
Atophan den Phosphorsäurestoffwechsel unbeeinflusst. Diese Thatsache 
ist gegen die Auffassung verwerthet worden, es sei die Atophanwirkung 
im wesentlichen eine Beschleunigung des normalen Nucleinabbaues. Denn, 
wenn dem so wäre, müsste nicht nur die aus der Nucleinsäure ent¬ 
stehende Harnsäure, sondern auch die Phosphorsäure in vermehrter 
Menge erscheinen. — Sehr beweiskräftig ist aber diese scheinbar ein¬ 
leuchtende Deduction nicht. Schon aus dem einfachen Grunde, dass die 
allenfalls mehr entstehende Phosphorsäure an Menge zu wenig ausmacht, 
um analytisch wiedergefunden zu werden. Denn wenn beispielsweise 
unter dem Einfluss des Atophans 0,5 g Harnsäure mehr als vorher aus¬ 
geschieden wird — höhere Werthe wurden selten beobachtet —, so kann 

1) Naohweis des Zuckers nach Bang. 

2) Da das Atophan keine Polyurie erzeugt, kann man das Resultat nicht darauf 
beziehen, dass unter seiner Wirkung das Phlorhizin schneller aus dem Körper entfernt 
worden sei. 


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Original fro-m 

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304 


Job. Biberfeld, 


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aus der Nucleinsäure, die dieses Plus an Harnsäure liefert, noch nicht einmal 
ebensoviel P 2 0 6 entstehen x ). Da nun die tägliche Phosphorsäureaus¬ 
scheidung mehrere Gramm mit Tagesschwankung von Decigrammen be¬ 
trägt, so kann ein Plus von weniger als 0,5 g sich leicht einem sicheren 
Nachweise entziehen. — Ferner kämen noch von vorneherein als Möglich¬ 
keiten in Betracht, dass der kleine P 2 0 6 -Zuwachs vorläufig retinirt oder 
aber umgekehrt sehr schnell, innerhalb weniger Stunden, durch die Niere 
ausgeschieden wird; wenn dann dieser Mehrleistung des Organs, wie so 
oft, eine Verminderung folgt, so ist es nicht wunderbar, dass in der 
Tagesmenge kein Plus an P 2 0 B gefunden wird. Um hierin, zu klareren 
Vorstellungen zu kommen, habe ich einige Versuche mit ionalem Phosphat 
(secund. Na. phosphoric.) und käuflichem Natr. glycerinophosphoric. (mit 
ca. 20 pCt. P 2 0 6 ) gemacht. Wie die Tabellen VIII, IX und XIII zeigen, 
ist thatsächlich eine Beschleunigung der Phosphorsäureelimination durch 
Atophan nicht zu verkennen; so werden ohne Atophan in den ersten 
10 Stunden nach der Injection von Glycerinphosphat 983,5 mg P 2 0 6 , 
mit Atophan in den ersten 9 Stunden bereits 1378,6 mg ausgeschieden. 
— Eine Retention ist demnach sicher auszuschliessen und vielleicht be¬ 
schleunigt Atophan auch beim Menschen die Phosphorsäureelimination; 
Versuche, in denen bestimmt wäre, wie die P 2 0 5 -Ausscheidung sich in 
den ersten Stunden nach der Atophandarreichung verhält, sind noch 
nicht angestellt worden. 

Wenn in den Versuchen der verschiedenen Autoren beim Hunde die 
Harnsäuremengen unter Atophan nicht wachsen, so konnte dies an einer 
toxischen Wirkung 1 2 ) der stets verwendeten relativ grossen Mengen 
(1 g und mehr) liegen. Ich habe deshalb die in den Tabellen X, XI, XII 
dargestellten Versuche ausgeführt; es war aber bei den kleinen Dosen 
(0,5—0,2 g Atophannatrium subcutan) keine Aenderung im Purinstoff¬ 
wechsel zu erkennen. 


Aus meinen Versuchen erhellt, dass es nicht möglich ist, eine 
specifische Beeinflussung der Niere durch Atophan an einem anderen 
Purin (als Harnsäure) oder an dem sicher specifischen Product der 
Phlorhizinwirkung nachzuweisen. Trotzdem wird man vorläuög, besonders 
angesicht der ausgezeichneten therapeutischen Wirkung und der Versuche 
mit Nucleinfütterung am gichtkranken Menschen, eine Nierenwirkung 
nicht von der Hand weisen dürfen. Dass diese jedoch das allein in 
Frage Kommende ist, erscheint wenig plausibel; denn dann müsste man, 
um die Harnsäurevermehrung beim Gesunden zu erklären, auch bei 
diesem ein Harnsäuredepot voraussetzen — eine Voraussetzung, für die 
bisher noch kein überzeugender Beweis geführt ist. — Die Phosphat¬ 
ausscheidung wird, wenigstens beim Hunde, durch Atophan beschleunigt. 

1) Nach Steudel (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 49. S. 409) enthält Nuclein¬ 
säure etwas mehr als 30 pCt. Purinbasen, aus denen ca. 28 pCt. Harnsäure entstehen 
können; P 2 0 6 ist aber nur zu etwa 20 pCt. in der Nucleinsäure enthalten. 

2) Ich habe einmal — allerdings nur dies eine Mal — einen Hund, der zweimal 
je 5 g Atophan mit mehrtägigem Intervall per os bekommen hatte, an einer sehr 
schweren Leberdegeneration eingehen sehen. 


Gck 'gle 


Original fro-m 

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Zar Wirkungsweise des Atophans. 


305 


Belege. 


I. Hündin, 11000g. 29. 1. 1912. 



Z 

e i t 


Harn- 

menge 

Reaction 

Bemerkungen 

29. 1. 

10 Uhr — Min. 

_ 

_ 

_ 

1,0 g Hydroxycaffein + 1,0 g NaHC0 3 








+ 50 W. subcutan. 


12 



138 

ccm 

alkalisch 


3 

„ 30 


107 

TT 

do. 

J 


6 

— 


71 

TT 

do. 

>981 ccm in 24 Stunden. 

30. 1. 

6 

tt 


360 


do. 

1 


10 



305 

TT 

do. 

/ 

31. 1. 

10 

TS 

TT 

500 

TT 

— 

1,0 g Hydroxycaffein + 1,0 g NaHC0 3 








+ 50 W. subcutan; 1,0 g Atophan 








mit 100 W. per os. 


12 

, 20 

TT 

37 

TT 

schwach sauer 


3 

. 15 

TT 

14 

TT 

do. 

| 


6 

» 30 

T» 

28 

TT 

do. 

> 610 ccm in 24 Stunden. 

1. 2. 

6 

TT 


320 

TT 

neutral 

I 


10 

TT 

r* 

200 

TT 

schwach sauer 

/ 

2. 2. 

10 

TT 

TT 

540 

TT 

do. 

1,0 g Atophan + 100 W. per os. 


3 

* 30 

TT 

38 

TT 

— 



6 

TT 

TT 

36 

TT 

— 


3. 2. 

10 



340 


— 


4. 2. 

10 

TT 

TT 

300 

TT 

— 



ii. 

Hündin 

9000 g. 

10. 

4. 1912. 



Z 

e i t 


• Harn¬ 
menge 

Hydroxy- 

caffein 

Bemerkungen 

10. 4. 

10 Uhr 20 Min. 

_ 


_ 

Kätheterisirt; 1,2 g Hydroxycaffein mit 








120 ccm W. per os. 

\ 


12 

. 20 


78 

ccm 

0,2696 g 


5 

, 30 

TT 

360 

TT 

0,5032 g 

| 1,0314 g. 

11.4. 

10 

. 30 


670 


0,2586 g 

12. 4. 

10 

> 30 

TT 

700 

TT 


1,2 g Hydroxycaffein + 120 W. und 
nach wenigen Minuten 1,0 g Atophan 
+ ca. 150 ccm W. per os. 

1 


12 

„ 30 

TT 

18 


0,1134 g 


5 

, 30 

TT 

120 


0,4352 g 

[ 0,9738 g. 

13. 4. 

10 

. 30 

TT 

370 

TT 

0,4252 g 


HI. 

Hündin, 9000 g. 

19. 

4. 1912. 



19. 4. 

11 Uhr 


Min. 




Katheterisirt; 1,0 g 

Hydroxycaffein 









(150 W.) per os. 



2 

T* 

— 

TT 

130 ccm 

0,339 g 




5 

TT 

30 

TT 

140 


verloren 



20. 4. 

11 


— 


550 


0,267 g 



21. 4. 

10 


— 


1000 


— 



22. 4. 

10 

TT 

— 

TT 

— 


—- 

1,0 g Hydroxycaffein +1,0 Atophan 









+ 300 W. per os. 



1 

TT 

— 

TT 

108 

ccm 

0,1598 g 

i 



6 

TT 

— 

TT 

38 

TT 

0,3702 g 

J 0,8752. 


23. 4. 

10 

TT 

— 

TT 

220 


0,3452 g 

J 


24. 4. 

10 

TT 

— 

TT 

— 


— 

Katheterisirt; 1,0 g 

Hydroxycaffein 









per os. 



1 

6 

TT 

— 

TT 

TT 

100 

220 

TT 

TT 

0,319 g 
0,4234 g 

} 0,7424. 


25. 4. 

10 

TT 

— 

TT 

480 

TT 

Spur 




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Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





306 


Digitized by 


Joh. Biberfeld, 


IV. A. R., 23 Jahre alt. 


Zeit 

Harn¬ 

menge 

Hydroxy- 

caffein 

Bemerkungen 

15. 5. 7 Uhr — Min. 

10 „ - „ 

1 , - , 

4 „ - „ 

7 „ - „ 

16. 5. 7 , - „ 

18. 5. 6 „ 30 „ 

7 „ - „ 

10 , - , 

1 „ - . 

4 „ - , 

290 ccm 
240 , 
285 , 

320 „ 
615 , 

410 , 
205 , 

215 „ 

0,4524 g 
0,2865 g 
0,1014 g 

0,3718 g 
0,1152 g 
0,0643 g 

1,5 g Hydroxycafiein innerlich. 

0,8463 g. — In der nächsten Harn- 
[portion nur Spuren. 

1,0 g Atophan. 

1,5 g Hydroxycafiein eingenommen. 

0,5513 g. — In d. nächsten lfernportion 

V. Hündin, 10 

500 g. 2 

Tage Hunger. 

kein Hydroxycafiein mehr nachzuweis. 


Harn- 

Zucker 


Zeit 

menge 

(nach Bang) 

Bemerkungen 

8. 6. 9 Uhr — Min. 

_ 

_ 

Katheterisirt; 1,0 g Phloridzin subcut. 

12 , - „ 

110 ccm 

57 mg in 

1 ccm = 6,27 g 

3 „ - „ 

140 * 


Trommer negativ (? ?). Dann Futter 
(250 g Fleisch + einer Semmel). 
Ebenso am 9. Am 10. u. 11. Hunger. 

12.6. 10 „ 30 „ 

— 

— 

1,0 g Phloridzin subcutan. 

10 „ 45 , 

— 

— 

2,0 g Atophan per os. 

11 , 30 „ 

20 ccm 

1,030 g 


12 „ 30 , 

14,2 „ 

1,596 g 


1 , 30 , 

8,0 „ 

0,864 g 


3 » 30 , 

16,0 „ 

1.568 g 


6 „ 30 „ 

i 16,0 , 

1,536 g 


13.6. 8 „ — * 

38,0 „ 

Trommer 
schw. positiv 


12 „ - » 

42,0 „ 

do. 


6 n » 

56,0 „ 

do. 

Am 14. Hunger. 

15.6. 8 „ 30 B 

— 

— 

1,0 g Phloridzin subcutan. 

9 , 30 „ 

16,0 ccm 

1,632 g 

10 , 30 , 

17,0 , 

1,734 g 


11 , 30 , 

19,0 „ 

1,976 g 


12 * 30 „ 

16,0 . 

1,600 g 


3 , 30 . 

33,0 „ 

3,564 g 

Dann Futter. 

VI. Hündin, 11000 g. 18. und 19. 7. 

1 Semmel. 21. 7. ebenso. Wasser ad libitum. 

1912 Hunger. 20. 7. 250 g Fleisch + 

Zeit 

Harn¬ 

menge 

Zucker 

Bemerkungen 

22. 7. 9 Uhr — Min. 


_ 

1,5 g Phloridzin subcutan (in Carbonat 

12 „ - „ 

58 ccm 

5,462 g 

[gelöst). 

3 „ — „ 

60 „ 

5,760 g 

Futter wie vorher. 

6 * — T 

116 „ 

6,960 g 


23.7. 6 * — „ 

362 „ 

12,497 g 


12 ,, — n 

23 „ 

0,445 g 


6 „ - „ 

250 , 

0,308 g 


24.7. 6 „ — „ 

236 „ 

1,345 g 

In der nächst. Harnportion kein Zucker 


i 

32,777 g 

mehr. 25. u. 26. 7. Futter wie bisher. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zur Wirkungsweise des Atophans. 


307 


Noch: VI. Hündin, 11 000 g. 18. und 19. 7. 1912 Hunger. 20.7. 250g. 
Fleisch + 1 Semmel. 21. 7. ebenso. Wasser ad libitum. 



Z 

e i 

t 


Harn¬ 

menge 

Zucker 

Bemerkunge n 

27. 7. 

9 

Uhr 


Min. 



1,5 g Phloridzin subcutan und 2,0 g 


12 

* 

— 

» 

88 ccm 

3,645 g 

Atophan per os. 


3 

y> 

— 

T» 

38 „ 

3,98 g 



6 

rt 

— 

» 

120 „ 

6,01 g 


28. 7. 

6 

n 

— 

T 

180 „ 

5,31 g 



12 

» 

30 

Ji 

160 „ 

1,08 g 



6 

* 

— 

» 

350 „ 

0,938 g 


29. 7. 

6 


— 

V 

124 , 

kein Zucker 








20,963 g 



VII. Hündin von Tabelle VI. In der dort folgenden Woche Futter wie bisher 
5:8.1912. 10200 g. _ 


5. 8 . 10 Uhr — Min. 



1,5 g Phloridzin subcutan und 2,0 g 

i » - . 

72 ccm 

2,276 g 

Futter. [Atophan per os. 

5 T> V 

192 „ 

5,664 g 


7 „ 15 , 

77,5 , 

3,526 g 


6 . 8 . 6 „ — „ 

118 „ 

9,558 g 
0,832 g 


10 „ - „ 

45 „ 

2,0 g Atophan per os. 

1 . - , 

101 , 

0,171 g(?) 

Trommer nur ganz schwach positiv. 

4 , - „ 

37 . 

22,027 g 

Trommer negativ. 


VIII. Hündin, 

10000 g. 

19. 8 . 1912 Hunger. 

19. 8 . 11 Uhr — Min. 

3 „ — » 

7 „ - , 

20 . 8 . 6 , - , 

9 . - „ 

11 . - . 

4 , — „ 

6 , - » 

21 . 8 . 6 , - „ 

9 . - . 

IX. Hündin, 9 

255 ccm 
232 , 
950 . 
320 . 
ca. 5 „ 
440 „ 

60 „ 
145 „ 
220 „ 

000 g. 13. 

300,9 mg 
264,8 * 
1045 „ 

74,8 * 

1465,2 „ 
168,6 * 
333,5 ff 
298,3 * 

9. 12 Hunger. 

Katheterisirt (in 50 ccm 12,5 mg P 2 0 6 ). 

10 g Na. phosphor. per os. 

\ } 565,7 mg 

11685,5 mg 

1 3 g Atophannatrium subcutan. 

10 g Na. phosphor. 

1 11688,8 mg 
\ 2265,6 mg 

Zeit 

Urin¬ 

menge 

P 0 U 5 

Bemerkungen 

13. 9. 11 Uhr 15 Min. 

1 Uhr 15Min. bis 

— 

— 

Katheterisirt; 5,0 g Na. phosphor. in 

1 [100 ccm W. subcutan. 

2 Uhr 15 Min. 

6 . - , 

145 ccm 
112 * 

406 mg 

251 * 

} 657 

14.9. 6 „ - „ 

9 , - » 

615 , 

148 „ 

381 . 

79.9 „ 

Spontan entleert. 

11 . 25 „ 

71 . 

17.7 „ 

1135,6 mg 

15.9. 11 , - , 

468 „ 

435,2 mg 


16.9. 9 „ - „ 

1120 „ 

— 

2,0 g Atophannatrium subcutan. 

9 . 30 , 

— 

— 

5,0 g Na-Phosphor in 100 ccm Wasser 

12 „ 30 „ 

3 . 30 , 

6 , 30 , 

400 , 

32 , 
110 , 

724 . 
218 „ 
144,1 „ 

J [subcutan. 

17.9. 6 , - „ 

755 , 

824,65 . 


9 „ 30 ,, 

i 

112 „ 

l 1 

142,8 „ 

1451,55 mg 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




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308 Joh. Biberfeld, 

X. Hündin a. 9700 g. 21. und 22.9. 1912 Hunger. Am 23.9. 1 Liter Milch; 
Durchfall. 24.9. 9 Uhr katheterisirt, 11 Uhr 500 ccm W. 25.9. 9 Uhr 635 ccm Ham. 
— Am 26.9. 2 mal 0,2 Atophannatrium subcutan. 


Zeit 

Menge 

u 

Allan toin 

24.—25. 9. 9 Uhr 

635 ccm 

36,08 mg 

168,09 mg 

26.9. 9 „ 

182 „ 

3?,2 „ 

146,2 „ 

27.9. 9 „ 

93 „ 

36,9 „ 

67,2 „ 


XI. Hündin b. 8700 g. Am 21. und 22.9.1912 Hunger. Am 23.9. 1 Liter 
Milch; Durchfall. 24.9 9 Uhr katheterisirt. 11 Uhr 500 ccm W. — Das Thier ist in 
Folge des Hungers sehr elend. — Am 26. 9. 0,25 Atophannatrium subcutan. 


24.—25. 9. 

9 Uhr 

530 ccm 

34,67 mg 

104,9 mg 

26. 9. 

9 „ 

228 „ 

36,04 „ 

127,5 „ 

27. 9. 

9 , 

178 „ 

74,25 „ 

144,2 „ 


XII. Hündin, 8700 g. Constantes Futter (375 g Fleisch, 1 Semmel). 


Z e i 

t 

Harn¬ 

menge 

ü 

Bemerkungen 

8.—9. 10. 

9 Uhr 

610 ccm 

240 mg (?) 

Urin stark alkalisch. 

10. 10. 

9 „ 

570 „ 

83 „ 

Urin schwach alkalisch. 

11. 10. 

9 „ 

380 „ 

67 „ 1 

0,2 g Atophannatrium subcutan. 

12. 10. 

9 „ 

450 „ 

74 „ 


XIII. Hündin, 9000 g. Constantes Futter: 375 g Fleisch und 1 Semmel Mittags 
1 Uhr. Wasser ad libitum. 


Zeit 

Harn¬ 

menge 

p 2 o 5 

Bemerkungen 

19.10. 9 Uhr—Min. 

410 ccm 

1545,7 mg 

Von 9-9 Uhr. 

20.10. 9 , - „ 

380 „ 

1512,4 „ 


21.10. 9 „ - „ 


— 

10 g kaufl. Natrium glycerino-phos- 

1 , - , 

38 ccm 

835.5 mg 

nach Veraschen 

952.5 mg 

\ [phoricum subcutan (75 W.). 

7 „ - „ 

105 „ 

16,0 „ 

nach Veraschen 
31 mg 

> 983,5 mg. 

22.10. 9 , - „ 

350 „ 

2404,5 rag 

nach Veraschen 

2424,0 mg 


23.10. 9 „ — „ 

485 „ 

1527,7 „ 

nach Veraschen 

1522,0 mg 


24.10. 9 „ - „ 

265 , 

1820 * 


25.10. 9 „ — „ 

360 „ 

1638 w 

26. und 27. 10. Futter wie bisher. 

28.10. 9 „ — „ 

— 

— 

Katheterisirt; 1,0 g Atophannatrium 

1 „ - , 

22 ccm 

538.7 mg 
nach Veraschen 

667.8 mg 

\ (10 W.) u. 10 g Natrium glycerino- 

§ phosphoricum (75 W.) subcutan. 

6 , - . 

37 „ 

789,9 „ 

nach Veraschen 

782,55 mg 

> 1378,6 mg. 

29.10. 9 , - „ 

287 „ 

1549,8 „ 

nach Veraschen 
1602,0 mg 


30.10. 9 „ - „ 

680 „ 

1504,0 * 
1443,7 „ 


31.10. 5 „ 25 „ 

525 „ 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zur Wirkungsweise des AtophanS. 309 

XIV. Hündin, 9000 g. Constantes Futter (375 g Fleisch, 1—2 Semmeln). 


Datum 

1912 

Hara- 

menge 

Gesammt- 

N 

N 

Bemerkungen 

24.11. 

410 ccm 

10,079 g 

47,6 mg 
42,8 „ 

Die Harnmenge ist von 9 Uhr bis 9 Uhr 

25.11. 

340 „ 

— 

vormittags gemessen. 

26.11. 

385 „ 

9,32 g 

44,2 „ | 


27.11. 

580 , 

9,75 g 

48,7 „ 
52,6 „ 


28.11. 

430 „ 

9,86 g 


29.11. 

800 , (!) 

11,68 g 

181,4 „ 

Am 29. um 12 Uhr 1.0 g Na uric. (Kahl- 

30.11. 

525 „ (!) 

9,26 g 

70,3 „ 

bäum) mit einigen Tropfen NaOH in der 

1. 12. 

— 

— 

— 

Wärme in 400 ccm W. (ca. 45°) gelöst; 

2.12. 

265 „ 

12,27 g 

97,4 „ 

eine geringe Menge geht bei d. subcutanen 

3.12. 

295 , 

7,37 g 

45,4 „ 

Injection verloren; um 3 Uhr nochmals 

4.12. 

330 „ 

8,4 g 

85,1 „ 

1,0 g in 400 ccm Wasser injicirt; kein 

5.12. 

360 „ 

10,9 g 

72,2 „ 

Verlust. — Der Harn vom 29. (300 ccm) 

6.12. 

385 „ 

9,81g 

48,7 „ 

ist ganz schwach alkalisch und enthält 

7.12. 

365 „ 

9,4 g 

56,6 B 

sehr reichliches, beim Kochen sich 

9.12. 

350 „ 

10,08 g 

76,8 „ 

lösendes Sediment. 

10.12. 

560 „ 

H,07g 

73,92 , 

1. 12. Durchfall; Urin mit Koth verun¬ 

11. 12. 

390 „ 

11,97 g 

70,8 „ 

reinigt. 

12.12. 

430 „ 

10,4 g 

82,1 . 

2. 12. Thier hat einen grossen Abscess. 

13.12. 

370 , 



Urin vom 8. 12. nicht bestimmt. 

14.12. 

835 , 

10,19 g 

— 

10. 12. Thier hat viel Wasser getrunken. 

15.12. 

450 „ 

9,54 g 

42,0 „ 

16.12. 

420 n 

8,7 g 

72,2 „ 


17.12. 

325 , 

10,3 g 

53,8 „ 


18.12. 

— 



18. 12. mit Koth verunreinigt. 

19.12. 

370 „ 

9,5 g 

46,7 „ 

20.12. 

865 „ 

10,6 g 


20. 12. Abscess fast vollständig geheilt. 

21. 12. 

800 „ 

10,8 g 

58,5 „ 

22. 12. 

290 „ 

11,6 g 

65,5 „ 


23.12. 

285 „ 

11,3 g 

64,5 „ 

Am 23. 12. 2 x 1,0 g Na uric. zu der¬ 

24.12. 

825 „ 

7,78 g 

168,0 , 

selben Zeit wie am 29.11.; vorher (lOUhr 

25.12. 

460 „ 

7,15 g 

45,2 , 

30 Min.) 1,0 g Atophannatrium subcutan. 

26. 12. 

410 „ 

— 

— 

Urin vom 24. 12. schwach trüb; Reaction: 

27.12. 

370 „ 

8,4 g 

50,9 „ 

bläut rothe9, röthet blaues Lakmuspapier. 

28.12. 

360 „ 

9,6 g 

77,5 , 

Urin vom 26. 12. stark ammoniakalisch. 
Am 27. grosser Abscess. 


Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 


21 


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XV. 


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Aus dem physiologischen Laboratorium (Leiter: Dr. A. Bornstein) 
des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg. 

Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel 
bei Ernährungskuren. 

Von 

A. Goudberg, Arzt aus Rotterdam (Holland). 

Inulin ist ein im Pflanzenreich viel vorkommendes Kohlehydrat, das 
der Stärke sehr nahe steht. 

Es wurde zuerst dargestellt aus den Wurzeln der Inula Helenium 
Topinambur von Val Rose im Jahre 1804; es erhielt deswegen den 
Namen Inulin. Später wurde es von Anderen aus verschiedenen Pflanzen 
dargestellt unter verschiedenen Benennungen, wie z. B. Dahlin (Pajcn), 
Menyanthin, Ailantin (Trommersdorf), Helenin (John), Sinistrin etc. 

Als Fundort des Inulins sind besonders stark vertreten 1 ) die Familien 
der Compositen, Campanulaceen, Lobeliaceen, Gordeniaceen, bei denen 
es sich in den unterirdischen Organen findet. 

So findet sich u. a. das Inulin in den Wurzeln von Inula Helenium, 
von Angelica Archangelica, Artemis Pyreticus, Colchicum autumnale, 
Leontodon taraxacum, Cichorium intybus; in den Wurzelknollen von Dahlia 
primata, Helianthus tuberosus; in den Stengeln von Solanum dulceraara, 
Menyanthes trifoliata (Trommersdorf), in der Lerp manna, Eucalyptus 
dumosa u. s. w. 

K. Prantl 2 ), welcher das Inulin besonders in der Familie der Com¬ 
positen, ausserdem noch in Campanula ranunculoides fand, hebt die Ver¬ 
schiedenheit der Pflanzen an Inulingchalt in den verschiedenen Jahres¬ 
zeiten hervor, indem dasselbe bei einigen Pflanzen sein Maximum im 
Herbst erreicht, während bei anderen ganz andere Verhältnisse auftreten. 

Dies findet seine Ursache darin, dass bei den meisten Pflanzen das 
Inulin die Function eines Reservenahrungsstoffes hat, ebenso wie das 
Stärkemehl. Die Pflanze bildet unter Einfluss der chemischen Licht¬ 
strahlen mit Hülfe von Chlorophyll Fructose und polymerisirt dieses zu 
Inulin. Dieses findet sich dann im gelösten Zustande im Zellsaft. Nachts, 
wenn die Assimilation ruht, wird das Inulin nach den Reservelagern 

1) Das Nähere siehe z. B. Dragendorff, Materialien zu einer Monographie des 
Inulins. St. Petersburg 1870. — K.Prantl, Das Inulin. München 1870. — H.Fischer, 
Ueber Inulin. Cohn ? s Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 1902. Bd. 8. 53. — Abder¬ 
halden, Biochem. Handb. Bd. II. 

2) K. Prantl, 1. c. 


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Die Verwertbang des Inulins im Stoffwechsel bei Brnährungskuren. 311 

in den Wurzeln transportirt als Reservestoff für spätere Wachsthums¬ 
vorgänge oder für die erste Ernährung der Nachkommen. In unseren 
Kräutern, Sträuchern und Bäumen wird alljährlich gegen Ende einer 
vegetativen Periode, wenn das Wachsthura keinen Verbrauch mehr be¬ 
dingt und die assimilirenden Flächen ihre grösste Ausdehnung und Leistungs¬ 
fähigkeit erlangt haben, der Ucberschuss an Assimilaten am stärksten, 
welche dann in speciellen Reservestoffbehältern aufgespeichert werden. 

Dieser Transport kann nur in gelöster Form geschehen. Dabei 
werden die Stärkekörner durch Diastase wieder zu Glucose gespalten und 
in den Behältern wieder aufgebaut. Obschon das Inulin im gelösten Zu¬ 
stande vorkoramt, ist es wahrscheinlich, dass es bei dem Transport durch 
ein Ferment „Inulase“ in Lävulose verwandelt wird und später wieder re- 
construirt wird. Als Zwischenproduct entsteht dabei vielleicht Laevuline 
und Inuloid 1 ). 

Diese Vorgänge finden im Herbst statt, sodass zu dieser Zeit die 
Pflanzen am reichsten an Inulin sind. 

Inulin ist ein weisses Pulver, geruchlos, mit fadem Geschmack. Es 
ist leicht löslich in heissem Wasser, schwer in kaltem, unlöslich in ab¬ 
solutem Alkohol und Aether, löslich in heissem, verdünntem Alkohol 2 ). 

Es ist löslich in Kupferoxydammoniak ohne Aufquellung 3 ) und all¬ 
mählich in Nickeloxydammoniak 4 5 ). 

Inulin dreht im Polarimeter links [«]d = — 38,8° in 0,5proc. wäss¬ 
riger Lösung 6 ), unabhängig von der Concentration und der Temperatur, 
[cr] D = — 39,5 für die wasserfreie Substanz 6 ). Die raolekuläre Ver¬ 
brennungswärme für Inulin (C 3fl H 6 20 31 ) = 4,0921 Cal. 7 ). Durch 40stün- 
diges Erhitzen auf 100° erfolgt Hydrolyse 8 ), noch leichter bei 110—120° 9 ). 
Das Maximum der Fructose entsteht dabei nach 15—20 Minuten 10 ). 

Inulin giebt bei der Hydrolyse mit Säuren nach Tanret 11 ) 12 Theile 
der Fructose auf 1 Theil der Glucose. Nach den älteren nur Fructose. 
Mit Mineralsäuren entstehen bei der Hydrolyse auch Reversionsproducte, 
während Oxalsäure scheinbar ohne Bildung von dextrinartigen Zwischen- 
producten spaltet 12 ). 

1) 0. Kellner, Landwirtsch. Versuchsstation. 1881. Bd. 30. S. 42. — 
S. Stein, Chem.-Ztg. 1908. 32. 426. 

2) A. Richaud, Compt. rend. de la Soc. de Biologie. 1900. T. 52. p. 416. 

3) Sachs, Botan. Zeitung. 1864. Bd. 22. S. 77. 

4) Tanret, Bulletin de la soc. China. 1893. (3) 9. 227. 

5) H. Kilian, Annalen der Chemie und Pharmacie. 1880. 205. 147. 

6) v. Butschli, Verband des naturwissensch. med. Vereins zu Heidelberg. 
1893. 5. 59. 

7) C. Tanret, Compt. rend. de l’Acadßmie des Sciences. 1893. 116 . 514. 

8) Lescoeur et Morelle, Compt. rend. de PAcad&nie des Sciences. 1879. 

87. 216. 

9) Böohamp, Bulletin de la soc. chim. 1893. (3) 9. 213. 

10) Hohmann u. Langbein, Joum. f. prakt. Chemie. 1885. (2). 45. 305. — 
Berthelot et Vieille, Annal. de Chimie et de Physique. 1887. (6). 10. 460. 

11) Tanret, Compt. rend. de la soc. chim. 1893. (3). 9. 227. 

12) Dubrunfault, Compt. rend. de l’Acad&nie des Sciences. 1856. 42. 805. 

— Crockewit, Annal. der Chemie u. Pharmacie. 1843. 45. 184. 

21 * 


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312 


A. Goudberg, 


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Kaliumpermanganat in saurer Lösung erzeugt Kohlensäure, Ameisen¬ 
säure und Wasser 1 ). Salpetersäure oxydirt zu Ameisensäure, Oxalsäure, 
Traubensäure und Glycolsäure 2 3 ). 

Inulin ist leicht löslich in Kalilauge und alkalischen Flüssigkeiten, 
in Barytwasser. Inulinlösung löst in der Wärme Bleioxyd auf 8 ). Die 
Lösung giebt mit neutralem oder basischem Bleiacetat keine Fällung, nur 
in Gegenwart von Ammoniak 4 ). Mit Barytwasser auf 80° erhitzt, 
giebt Inulin Gährungsmilchsäure 5 ). 

Mit Jod giebt es keine Farbenreaction. Die Trom-mer’sche Probe 
ist negativ. Wohl reducirt Inulin ammoniakalische Silberlösung und 
Goldchlorid 5 ). 

Es giebt mit Orcin und Salzsäure tief orangerothe Färbung 6 ). Auch 
die Sclimanoff-Probe ist positiv. 

Bakterien verarbeiten Inulin häufig 7 ), u. A. auch Bact. coli com¬ 
mune (Ducamp, Maly, 1907, p. 952); viele Schimmelpilze, u. A. 
Aspergillus niger. Viele andere Pilze besitzen auch die Fähigkeit, Inulin 
zu spalten. Das Temperaturoptimura des Inulin spaltenden Enzyms, 
Inulase, ist 55°. Die Wirkung ist am grössten in sehr schwachsaurem 
Milieu, etwa 1 hoooo N-Säure. Höhere Acidität oder Alkalescenz sind 
schädlich, und 1 / 100 N • H 2 S0 4 oder KOH hemmen ganz die Wirkung 
der Bakterien-Inulase. Bei höheren Pflanzen geschieht die Resorption 
auch durch die Inulase, wobei Fructose entsteht. 

Durch gewöhnliche Hefe wird Inulin nicht oder jedenfalls nur unter 
besonders günstigen Umständen vergohren. Viele Oberhefen vergähren 
Inulin, manche sogar leicht. Einige Bacterien, z. B. Bacillus ortho- 
butyricus, bewirken auch Gährung. Clostridium Pasteurianum sowie 
andere nicht näher bekannte Spaltpilze liefern Buttersäure. Einige Milch¬ 
säurebildner verarbeiten ebenfalls Inulin. Einige Schimmelpilze können 
auch Inulin vergähren, z. B. Aspergillus niger, Amylomyces a, fi, y und /u, 
Monilia sitophila. 

Im Pankreas von Helix Pomatia wurde ein Ferment nachgewiesen, 
welches Inulin in Fructose hydrolysirt 8 ). 

Auszüge von lebenden und getrockneten Kreuzspinnen, von Scorpionen, 
Maikäfern, Ascariden besitzen eine meist schwache Enzymwirkung auf 


1) H oh mann u. Langbein, Journ. f. prak. Chemie. 1885. (2). 45. 305. — 
Berthelot et Vieille, Annal. de Chimie et de Physique. 1887. (6). 10. 460. 

2) Lescoeur et Morelle, Compt. rend. de PAcad4mie des Sciences. 1879. 

87. 216. 

3) G. Düll, Chem.-Ztg. 1895. 19. 166. 

4) P. Claesson, Journ. f. prakt. Chemie. 1879. (2). 20. 1. 

5) Lescoeur et Morelle, Compt. rend. de PAcadämie des Sciences. 1879. 
87. 216. 

6) H. J. Tenton and M. M. Gostling, Journ. Chem. Soc. 1901. 79. 361. 

7) Bourquelot, Compt. rend. de la Soo. Biol. 1893. T. 653. — Derselbe, 
Compt. rend. de PAcad^mie des Sciences. 1893. p. 116. — Moissan, Compt. rend. 
de PAcadömie des Sciences. 1891. T. 116. — Dean, Botan. Gaz. 1903. Bd. 35. 

8) Bierry, Compt. rend. de PAcademie des Sciences. T. 150. 


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Original fro-m 

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Die Verwertbung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 313 

Inulin 1 ). Bei höheren Thieren scheint dagegen kein specifisches Enzym 
vorzukommen. 

Die Verwerthung des Inulins zu Stoffwechselkuren rührt von 
Bouchardat 2 ) her, der uns auch das erste Ersatzbrod, das Glutenbrod, 
geschenkt hat. Er empfahl als Erster die Topinambur im Jahre 1851. 

Die ersten, sehr genauen Stoffwechseluntersuchungen mit Inulin hat 
Külz 3 ) ausgeführt. Er hat Versuche mit reinem Inulin angestellt und 
dabei beobachtet, dass es von seinen Diabetikern restlos verbrannt wurde, 
da es in den Fäces nicht zurückzufinden war. 

Obschon er wiederholt dringend empfahl, Nachprüfungen anzustellen, 
Hessen diese ziemlich lange auf sich warten und wurden auch dann nur 
in kleinem Umfange vorgenommen. Dies hat wahrscheinlich seine 
Gründe darin, dass es sehr schlecht gelingt, ein geniessbares Brod aus 
Inulin darzustellen und ferner, dass der Preis des Inulins zu hoch ist 
(30—36 Mk.). Külz selbst hat übrigens nur kleine Mengen Inulin an¬ 
gewandt. Er stellte auch Versuche über die Physiologie der Verdauung 
des Inulins an. Er fand ebenso wie Frerichs, dass Speichel keine 
Einwirkung auf Inulin äussert, obschon Dragendorff dem Speichel bei 
Blutwärme eine geringe saccharificirende Wirkung auf das Inulin zu¬ 
schreibt. Unwirksam fand er in Uebereinstimmung mit Dragendorff 
den Pankreassaft und die Galle. Külz Hess einem Kranken mit Magen¬ 
ektasie früh nüchtern den Magen mit destillirtem, lauwarmem Wasser 
gehörig ausspülen, wobei das abfliessende Wasser stark sauer reagirte. 
Dann wurde durch die Magensonde eine Inulinlösung von 40° eingeführt 
und dann noch 15' und 20' ausgehebert. Es soll dabei kein Inulin 
gespalten gewesen sein. Wahrscheinlich war bei diesem Patienten der 
HCl-Gehalt herabgesetzt, und ist auch die Verweildauer zu kurz, um ein 
positives Resultat aufzuweisen. K. schliesst daraus, dass Magensaft 
keine spaltende Wirkung auf Inulin ausübe. 

Schliesslich Hegen noch 5 Versuche von E. Külz 4 5 ) bei Kaninchen 
vor über den Einfluss von Inulin auf die Glykogenbildung, wovon zwei 
schwach positiv zu deuten sind. K. notirt die constant auftretenden 
Durchfälle. 

Frerichs 6 ) hat 3 Versuche über Glykogenbildung durch Inulin an¬ 
gestellt mit einem schwach positiven Erfolge; auch hier constant starke 
Diarrhoe, während Finn 6 ) in 5 Versuchen keine Glykogenbildung fand. 
Miura 7 ), ein Schüler Külz’, hat 19 Versuche angestellt, wovon 6 deut- 


1) Kobert, Arobiv f. d. ges* Phys. 1899. Bd. 116. 

2) Bouchardat, Le Diaböte sucr6. Paris 1851. 

3) E. Külz, Beitr. z. Path. u. Ther. des Diab. Marburg 1874. 

4) Külz, Ueber den Einfluss einiger Substanzen auf die Glykogenbildung in 
der Leber. Sitzungsber. d. Ges. z. Beförd. d. ges. Naturwissensch. zu Marburg. 
1876. Nr. 5. S. 95 r 

5) Frerichs, Zur Glykogenbildung in der Leber. Dissert. Würzburg 1876. 

6) Finn, Experimentelle Beiträge zur Glykogen- und Zuckerbildung in der 
Leber. Arb. a. d. Phys. Labor. Würzburg 1877. 

7) Miura, Wird durch Zufuhr von Inulin beim Pflanzenfresser die Glykogen- 
bildunign der Leber gesteigert. Zeitschr. f. Biolog. Bd. 32. S. 255. 


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314 


A. Goudberg, 


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lieh negativ und die übrigen auch nur schwach positiv ausfielen, gar- 
nicht zu vergleichen mit den stark positiven Zahlen nach Lävulose- 
darreichung. Er schliesst aus diesen Versuchen, dass das eingeführte 
Inulin entweder nur zum Theil in Lävulose übergeführt wird oder zu 
langsam, als dass die resorbirten Zuckerraengen eine Glykogenanhäufung 
in der Leber bewirken könnten. Komanos 1 ) fand bei einem Kaninchen, 
dem er Inulin nach 5 tägigem Hungern verabreichte, 0,835 g Glykogen, 
was er als positiv deutet. Schliesslich haben Mendel und Nakaseko 2 ) 
bei 7 Kaninchen ein zweifelhaftes Resultat gefunden. 

Keiner dieser Versuche wurde nach der Pflüger’schen Methode 
ausgeführt. 

Man kann aus diesen Versuchen mit Lafayette Mendel schliessen, 
dass das Inulin nicht zu den exquisiten Glykogenbildnern gerechnet 
werden kann. 

Komanos hat auf Veranlassung von Leyden, unter Leitung von 
Hoppe-Seyler, den Stoffwechsel des Inulins erforscht. Er fand, dass 
Speichel und Pankreassaft keine Wirkung auf Inulin ausüben. 

Auch Bierry 3 ) und Bicrry und Portier 4 ) kommen bei Hunden 
und Kaninchen, Richaud 5 ) beim Ochsen, Schwein, Meerschweinchen und 
Ente zu diesen Schlüssen. Letztere fanden, dass auch Darmsaft ebenso 
versagte. Da die Versuche aller dieser Autoren nur an Thieren angestellt 
waren, das Verhalten der Menschen aber für klinische Zwecke am 
Meisten interessirte, so habe ich Untersuchungen beim Menschen in der 
gleichen Richtung unternommen. Es wurde bei einer Frau mit Achylie 
Duodenalinhalt mittels der Gross’schen Duodenalsonde gewonnen und 
mit Inulin versetzt. Auch nach 24 ständigem Stehen ira Brutschrank 
war keine Zersetzung des Inulins, erkennbar an der Reduction alkalischer 
Kupferlösung, wahrzunehmen. Ebenso verlief ein Versuch, den ich mit 
einer Frau anstellte, die an Hyperacidität litt. Zum gleichen Resultate 
gelangte ich bei Versetzen des Inulins mit Pankreatin Rhenania in lprom. 
NagCOg-Lösung. 

Den Magensaft fand Komanos inactiv. Dazu extrahirte er die 
Magenschleimhaut eines frisch geschlachteten Schweines mit 2 prora. HCl 
und behandelte mit diesem künstlichen Magensaft eine Inulinlösung ohne 
Resultat. Auch mit Taubenraagensaft erhielt er keine Spaltung. 

Komanos verabreichte einem Diabetiker der Leyden’schen Klinik 
grössere Mengen Inulin. Tags darauf hatte der Patient Indigestions¬ 
beschwerden und Erbrechen. Im Erbrochenen wurde Inulin gefunden. 
Möglicherweise waren die Indigestionsbeschwerden eine Folge der diabe¬ 
tischen Acidosis und war die Acidität des Magensaftes herabgesetzt. 
Auch weist der Befund von Inulin im Erbrochenen am folgenden Tage 

1) Komanos, Ueber die Verdauung des Inulin und seine Verwendung bei Dia¬ 
betes mellitus. Dissert. Strassburg 1875. 

2) Mendel und Nakaseko, Americ. Journ. of Physiol. 1900. Vol. 4. p. 245. 

3) Bierry, Compt. rend. de l’Acad6mie des Sciences. T. 150. p. 117 und 
Compt. rend. de la Soci6t6 Biol. T. 59. p. 256. 

4) Bier re et Portier, Compt. rend. de la Societe Biol. T. 52. p. 423. 

5) Richaud, Compt. rend. de la Soci<$t£ Biol. T. 52. p. 416. 


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Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 315 


auf eine schwere Motilitätsstörung hin. Kosmanos meinte, dass die an¬ 
gebliche Unfähigkeit des Magensecretes, trotz seines Gehaltes an freier 
HCl, das Inulin zu hydrolysiren, daran lag, dass die freie HCl des 
Magensaftes procentisch nicht hinreicht, um die Umwandlung zu bewirken. 
Nach seinen Versuchen wäre dazu ein Gehalt von wenigstens 0,5 pCt. 
HCl nöthig. 

Dagegen ist einzuwenden, dass die Acidität des reinen Magensaftes 
0,5 pCt. HCl ist und nicht 2,17 pM., wie Kosmanos meint. Zweitens ist 
schon eine 2 prom. HCl-Lösung im Stande, die Spaltung hervorzurufen. 

Wenn man Reagenzröhrchen mit 10 ccm 2 prom. HCl und 100 mg 
Inulin beschickt und in den Brutschrank bei 37° stellt, findet man nach 
2 Stunden schon deutliche Reduction, und nach 8—10 Stunden ist schon 
Alles hydrolysirt. Im Wasserbade bei 40° unter fortwährendem 
Schütteln geht der Process noch viel schneller. Zusatz von Pepsin zeigt 
keinen Einfluss. 

Um zu zeigen, dass die HCl nicht nur in vitro so wirkt, sondern 
auch im Magensaft, stellte ich die folgenden Versuche an. Magensaft 
eines Patienten mit Hypersecretion und Pylorusstenose Morgens nüchtern 
ausgehebert, nachdem Abends vorher der Magen gut ausgespült war, 
hatte die gleiche Wirkung wie eine HCl-Lösung von gleicher Stärke (3,2 pM.). 

Auch fand ich im Mageninhalt eines Mannes mit normalen Aciditäts¬ 
verhältnissen des Magensaftes, der eine Stunde nach Verfütterung einer 
Lösung von 20 g Inulin ausgehebert wurde, deutliche Reduction. 

Zu denselben Resultaten, dass der Magensaft mittelst seines Gehaltes 
an HCl im Stande ist, einen Theil des Inulins in Fructose umzuwandeln, 
kamen auch Bierry, Bierry und Portier, Richaud u. A. 

Komanos hat schliesslich an 9 Kaninchen und an einen Hund 
Inulin verfüttert. 7 Kaninchen, welche vorher 2—5 Tage gehungert 
hatten, bekamen am nächsten Tage 10—15 g Inulin mit Pferdefleisch. 
Sie wurden dann ungefähr 6—15 Stunden nach der Fütterung getödtet. 
Die Resultate waren immer dieselben. Es fand sich im Tractus inte¬ 
stinalis Inulin in wechselnden Mengen bis in das Coecum. Die Leber, in 
2 Fällen untersucht, enthielt kein Inulin, der Urin auch nicht, er war 
ausserdem stets zuckerfrei. 

Beim 8. und 9. Kaninchen und bei einem Hunde wurde das Pfort¬ 
aderblut untersucht. Komanos will hierin deutlich Inulin nachgewiesen 
haben. Tödtung b l / 2 Stunden nach der Fütterung. Das frische Blut 
mit Wasser verdünnt wurde 1 / 2 — 3 /4 Stunden auf dem Wasserbade ge¬ 
kocht, heiss abfiltrirt und das Filtrat auf die Hälfte eingeengt. Dieses 
Filtrat reducirte das Kupferoxyd auch nach Behandlung von Diastase 
nicht, dagegen nach Zusatz von ein paar Tropfen HCl und Erwärmen 
zeigte cs ganz deutlich Reduction. Wahrscheinlich war die beschriebene 
Enteiweissung bei der schwach alkalischen Reaction des Blutes nicht 
vollständig und es sind durch die Ansäuerung mit HCl die letzten Eiweiss¬ 
körper, welche anfänglich die Zuckerreaction verhindert haben, ausgefällt, 
so dass diese Reduction Komanos einen positiven Inulinbefund hat Vor¬ 
täuschen können. Jedenfalls muss die Technik der Versuche nicht voll¬ 
kommen gewesen sein, da er sonst eine Reduction durch den immer im 


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Blute vorhandenen Blutzucker hätte erhalten müssen, ln der Vena 
cava fand Komanos stets Zucker, aber nie Inulin. Hieraus schliesst 
Komanos, dass Inulin unverändert in den Chyius und das Blut über¬ 
gehe und dass es in der Leber assimilirt werde. 

Zum Beweise dafür hat Komanos bei 2 Kaninchen eine concentrirte 
Inulinlösung in die Vena portae eingespritzt und diese abgebunden. 
Beide Thiere starben bald an Peritonitis. Er fand weder im Blut noch 
in der Leber oder in der Peritonealflüssigkeit Inulin. Komanos giebt 
selbst an, dass „solche Versuche nicht als maassgebend angesehen wer¬ 
den können“. 

Inulin in die Vena cruralis eingespritzt fand er ebenso wie Külz, 
der es intraperitoneal einspritzte, unverändert im Urin zurück. 

Sandmeyer 1 ) hat in seiner bekannten Arbeit „Ueber die Folgen 
der Pankreasexstirpation beim Hunde“ auch das Inulin geprüft. Er exstir- 
pirte bei einigen Hunden den grössten Theil der Pankreasdrüse und liess 
einen kleinen Theil in Situ. Derselbe verödete dann nach längerer oder 
kürzerer Zeit. Dieser Zeitpunkt wurde charakterisirt dadurch, dass der 
Diabetes, welcher vorher nur sehr leicht war, plötzlich einen sehr ernsten 
Charakter annahm. Die Hunde magerten jetzt rasch ab, zeigten 
bedeutende Glykosurie und Stickstoffverluste und hatten sehr oft 
Verdauungsstörungen, besonders Diarrhoen, wie sie nach Wegfall der 
Pankreasfunction leicht Vorkommen können. 

So ging ungefähr die Hälfte der N-Ausfuhr mit den Fäces ver¬ 
loren. Die Hunde gingen dann auch langsam ein. 

Beim 2. Hunde wurden nun 127,5 g Amylum verabreicht und es 
fanden sich 21,75 pCt. wieder in den Fäces zurück (wie untersucht, ist 
nicht angegeben). Hierbei hatte das Thier Diarrhoe. Beim selben Thier 
wurden 80 g Inulin gegeben und es fanden sich 46,1 g in den Fäces wieder 
(auch hier keine Methode der Bestimmung angegeben). 

Bei den Versuchen mit Kaninchen der vorigen Untersucher, die mit 
relativ kleinen Mengen Inulin angestellt wurden, hatten sehr oft die 
Thiere Diarrhoe. Bei meinen eigenen Versuchen an mir selbst mit 
200 g Inulin angestellt, einer relativ kleinen Dosis, stellte sich immer 
eine ziemlich heftige Diarrhoe ein, wodurch eine beträchtliche Menge 
Inulin ausgeschieden wurde. Infolgedessen glaube ich, dass bei den 
pankrcaslosen Hunden Sandmeyer’s um so eher Darmstörungen auf¬ 
getreten sind, obschon S. es nicht besonders in den Versuchsprotokollen 
vermerkt hat. 

Auf diesen einzigen Versuch bei einem pankreaslosen Hunde gründet 
Sandmeyer sein abfälliges Urtheil über das Inulin in der Therapie des 
Diabetes beim Menschen und hierauf stützt sich auch Laf. Mendel, 
wenn er die Ausnützung des Inulins im Organismus in Zweifel zieht. 
Ich verweise weiter auf Strauss 2 ), bei dessen Versuchspersonen ich 
selbst bei Verabreichung von Inulin zu der Nahrung keine nemmenswerthe 
Mengen Kohlehydrat in den Fäces zurückfinden konnte. 


1) Sandmeyer, Zeitschr. f. Biologie. 1894. Bd. 31. S. 12. 

2) Strauss, Berlin, klin. Wocbenschr. 1912. No. 26. 


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Die Verwertbang des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährnngskaren. 317 

Bemerkenswert!) hierbei ist, dass gerade in einem Fall mit Anacidität 
bei Achylia gastrica die Werthe der Kohlehydrate in den Fäces am 
höchsten sind, dagegen normale Werthe bei einem Patienten mit Anaci¬ 
dität in Folge Carcinoma ventriculi. Es wurden jeden Tag 100 g Inulin 
verabreicht. Külz 1 ) sowie Socyn 2 3 ), Neubauer 8 ), Frerichs fanden 
ebenfalls in den Fäces ihrer Patienten kein Inulin. 

Naunyn 4 5 ) liess durchseinen Schüler Socyn an einem einzigen Fall 
den Einfluss der Verabreichung eines Topinamburmehls bis zu 150 g mit 
78 pCt. Inulin während längerer Zeit verfolgen und kam dabei zu einem 
wenig günstigeren Urtheil. 

Mendel 6 ) warnt vor dem Inulin, da er annimmt, dass das Inulin 
nicht assimilirt wird wegen Mangels eines specifischen Enzyms. Er meint, 
dass es mit den Fäces wieder ausgeschieden wird. Was das letzte be¬ 
trifft, so verweise ich auf die obigen Bemerkungen und meine eigenen 
Untersuchungen. 

Mitchel und Mendel 8 ) fanden, dass parenteral eingeführtes Inulin 
unverändert und beinah quantitativ wieder ausgeschieden wird, was auch 
Külz und Komanos schon gefunden haben. Dies ist auch zu erwarten, 
denn diesp Eigenschaft hat das Inulin mit den meisten anderen Polyhexosen 
gemein wie Saccharose, Amylum 7 ) usw. 

Guis Teyxeira 8 ) empfiehlt das Inulin als Brotzusatz. Strauss 
hat aber mit verschiedenen Sorten Inulinbrot stets Misserfolge gesehen, 
in Fällen, wo sich das Inulin wohl bewährte. 

A. Persia 9 ) hat mit Inulin auch gute Erfahrungen gemacht und 
hebt u. a. hervor, dass er in den Fäces niemals grosse Mengen wieder¬ 
gefunden hat. 

Strauss 10 ) gebührt das Verdienst, dass Inulin, welches durch das 
abfällige Urtheil von Naunyn, Lafayette Mendel und Sandmeyer 
in Misscredit gekommen war, wieder bei der Therapie des Diabetes in 
Ehren gebracht zu haben. Bei einer grösseren Serie Diabetiker wurde 
es systematisch erprobt und beinahe ausnahmslos mit ausgezeichnetem 
Resultate besonders in schweren Fällen. Wie schon erwähnt, wurde von 
mir in den Strauss’schen Fällen keine nennenswerthe Mengen Inulin in 
den Fäces aufgefunden. Strauss hebt den unverkennbaren günstigen 
Einfluss der Inulindarreichung auf die Acidosis hervor und sieht darin 
m. E. mit Recht einen Beweis für die Resorption des Inulins. 


1) Külz, 1. c. 

2) Sooyn, Inaug.-Dissert. Strassbarg 1894. 

3) Neubauer, Münch, med. Wochenschr. 1905. No. 32. 

4) Naunyn, Der Diabetes mellitus. Wien 1906. 

5) Mendel, Centralbl. f. d. ges. Phys. u. Path. des Stoffw. 1908. Bd. 3. No. 17. 

6) Mitohel u. L. Mendel, Americ. Journ. of Physiol. 1900. Bd. 4. S. 245. 

7) Claude Bernard, Legons sur de Diabete. Paris 1874. 

8) Guis Teyxeira, Boll. Chim. Farm 43. nach Maly. 1905. S. 822. 

9) A. Persia, Beitrag zur Kur des Diabetes. Nuova Rev. Chimoterapeutica 8. 
1905. nach Maly. 1905. S. 822. 

10) H. Strauss, Therapie der Gegenwart. 1911, Aug. Deutsche med. Zeitsohr. 
1911. No. 52. Bert. klin. Wochenschr. 1912. No. 26. 


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Ganz neuerdings, als meine eigenen Versuche, schon im Wesentlichen 
abgeschlossen waren, stellte Lewis 1 ), ein Schüler Lafayette, B.Mendel’s, 
bei sich selbst Ausnützungsversuche mit Inulin an und fand dasselbe 
nicht in den Fäces wieder. Er beobachtete eine bemerkenswerthe 
intestinale Gährung. Er constatirte, dass die Acidität des Magensaftes 
eines Hundes, dem Inulin mittels Magenschlauchs verabreicht war, genügte, 
um schon nach */ 2 Stunde einen Theil des Inulins zu hydrolysiren. 

Hieraus schliesst Lewis 1. dass ein Theil des Inulins im Magen hvdro- 
lysirt wird abhängend von der Verweildauer der lngesta im Magen und 
den individuellen Eigenschaften des Magens, 2. dass das Inulin, welches als 
solches unverändert den Magen verlässt, der Ausnützung entgeht und dem 
bacteriellen Zerfall zum Theil anheimfällt, welche nicht zu einer Abspaltung von 
Kohlehydraten führt. Ein letzter Theil, der der bacteriellen Action ent¬ 
geht, wird mit den Fäces ausgeschieden. Hierauf hin stellt Lewis den 
Nährwerth des Inulins in Frage. Seine Befunde stimmen mit den meinigen 
überein. Seiner 2. Schlussfolgerung kann ich aber nicht beiflichten, 
denn die Producte der bacteriellen Vergährung sind für den Stoffwechsel 
doch nicht verloren. Ich werde später hierauf zurückkommen bei der 
Besprechung meiner Versuche. % 

Meine eigenen Versuche w T urden mit einem Inulin angestellt, das mir 
die Firma Bayer & Cie. in Elberfeld zur Verfügung gestellt hat. Es be¬ 
stand aus 13 Paketen ä 100 g. Weil die Fabrik mit der Anfertigung des 
Präparates aufgehört hat, war das unser ganzer Vorrath. Die 1300 g 
wurden zusammengethan und gut gemischt. 

Zunächst wurden einige Trockenbestimmungen gemacht Die Proben 
wurden während 24 Stunden im Thermostat auf 100° erwärmt, dann im 
Exsiccator im Vacuum über Chlorcalcium abgekühlt und sofort gewogen. 
1,4161 g gab 1,2573 g Trockensubstanz = 88,786 pCt., 

1,0073 g „ 0,8943 g „ = 88,780 „ 

Weil Inulin hygroskopisch ist und seinen Wassergehalt ziemlich fest¬ 
hält, kann man sagen, dass die Trockensubstanz um 90 pCt. herum 
schwankt. In Berlin fand ich bei einigen Analysen einen Trockengehalt 
von 90,53 pCt. im Mittel. Das „Inulin“ löste sich beinahe vollständig 
in heissem Wasser, es bleibt nur ein geringer flockiger Niederschlag übrig. 
z\uf 7,6335 g Inulin = 6,7773 Trockensubstanz betrug dieser Nieder¬ 
schlag, auf dem Filter bis zur Gewichtssubstanz getrocknet, 9,1 mg = 
0,134 pCt. 

Eine kleine Probe des Inulins wurde zur Untersuchung auf Stick¬ 
stoff mit Na in ein trockenes Reagensröhrchen gebracht und erhitzt. 
Nach Verbrennung des Inulins wurde es in einen kleinen Erlenmeierkolbcn 
mit 30 ccm aq. dest. gefüllt, getaucht, wobei das Reagensröhrchen zer¬ 
sprang. Dann wurde filtrirt. Das Filtrat wurde mit Ferrichlorid und 
Ferrosulfat versetzt, erwärmt und dann IICl in Ueberschuss zugefügt. 
Es entstand hierbei keine blaue Farbe, cs hatte sich kein CN gebildet. 
Das Präparat ist also frei von organischen N-Verbindungen. 

Mit CuO gab unser Inulin keine Reduction. 

1) II. B. Le wis, Journ. of the Americ. rned. Association. 1912. S. 1176. 


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Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 319 


Wenn das Präparat in heissem Wasser gelöst ist, ist es sehr schwer, 
dasselbe durch Kälte völlig aaszufällen, sogar nach mehreren Tagen ist 
immer noch ein kleiner Theil gelöst, der mit Alkohol eine Fällung giebt. 
Durch Alkohol kann inan das Inulin schon vollständiger fällen, aber ein 
Filtrat bekommt man immer, sei es auch ein sehr geringes Präcipitat 
durch Ueberschuss von Aether, worin Inulin absolut unlöslich ist. 

Am geeignetsten und bequemsten kam es uns vor, die Bestimmung 
des Inulins durch Reduction nach Spaltung mit HCl vorzunehmen. Die 
HCl-Lösung muss eine sehr verdünnte sein, weil durch einen stärkeren 
Gehalt an HCl die entstehende Lävulose, im Gegensatz zu Dextrose, 
vernichtet wird. 

Zur Aichung dieser Methode gingen wir so vor, dass eine bestimmte 
Menge Inulin in heissem Wasser gelöst und mit Wasser auf 100 ccm auf¬ 
gefüllt wurde. Von dieser Stammlösung, welche nur einen halben Tag 
haltbar ist, weil nachher das Inulin auszufallen begann, wurden bestimmte 
Mengen mit HCl in bestimmter Concentration zersetzt, so dass die Menge 
Flüssigkeit stets 100 ccm war, und dann im kochenden Wasserbade 
eine wechselnde Zeit am Rücklauf kühler erwärmt, so dass während der 
Procedur die Concentration der Salzsäurelösung annähernd gleich blieb. 
Dann wurde mit NaOH genau neutralisirt, auf 250 oder 200 ccm auf¬ 
gefüllt, und hiervon wurde dann die Zuckerbestimmung nach G. Bertrand 1 2 ) 
gemacht. Als Grundlage zur Berechnung der Lävulose wurde die Tabelle 
für Invertzucker genommen, weil für Lävulose keine angegeben ist. 

Es wurde V« pCt. HCl als Säureconcentration benutzt, stets wurden 
Doppeltbestimmungen gemacht. 

In einer Lösung, die 338,41 mg Inulin (Trockensubstanz) enthielt, 
fand ich nach einer Stunde 267,5, nach 1 / 2 Stunde 281,25 mg Lävulose 
resp. 77,96 pCt. und 83,11 pCt. 

In einer Lösung von 1,0486 mg fand sich 

nach P /2 Std. 0,9225 mg Lävulose = 87,97 pCt. 

n V 2 n 0,8975 „ n = 85,59 „ 

n V 4 n 0,9256 „ n = 87,27 

In einer Lösung von 0,5243 mg Inulin fand ich nach 1 / 2 Stunde 

0,4387 mg Lävulose = 85,59 pCt. 

In einer Lösung von 0,8625 mg Inulin nach 1 / i Stunde 0,75625 mg 
Lävulose = 87,69 pCt. 

In einer Lösung von 0,43129 mg Inulin nach 1 / i Stunde 0,3825 mg 
Lävulose = 89,28 pCt. 

Wie man sieht, ist diese Methode nicht ganz genau und liefert 
nur approximative Werthe, aber es geht doch schon hieraus hervor, dass 
nach 1 / 4 Stunde Erwärmung die besten Resultate zu bekommen sind. 
Dies stimmt mit den Befunden von Honig und Schubert-) überein, 
dass beim Kochen mit verdünnten Mineralsäuren das Maximum an Fruc¬ 
tose binnen 15 bis 20 Minuten gebildet wird, wobei als Zwischenproducte 
der Hydrolyse dextrinartige Stoffe auftreten. 

1) G. Bertrand, Bull, de la soc. Cbim. 3. Serie. 1906. T. 35. p. 1285. 

2) Monatsh. f. Chemie. 1882. Bd. 8. S. 1529. 


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Ueber Respirationsversuche mit Inulin ist nichts bekannt. Diese 
Versuche wurden nach der Methode von Zuntz-Geppert ausgeführt. 

In entsprechenden Vorversuchen wurde bald erlernt, Stunden lang 
ruhig und gleichmässig bei geschlossener Nase, durch das zwischen 
Lippen und Kieferrand geschobene Gummimundstück mittels zweier 
leichtspielenden Ventile aus Kalbsdünndarm gegen die Gasuhr zu athmen. 
Die letzte Mahlzeit wurde um 12 oder 1 Uhr mittags am Tage vor dem 
Versuche genommen. Am nächsten Morgen wurde dann, um ungefähr 
8 Uhr, mit den Respirationsversuchen angefangen. Die Versuchsperson 
legte sich bequem auf einen Liegestuhl in absoluter Muskelruhe, mit 
einer wollenen Decke bedeckt in einem gut ventilirten Zimmer und be¬ 
gann bald darauf gegen die Gasuhr zu athmen. Die Nase wurde durch 
eine Klemme abgeschlossen. Die Vorversuche dauerten stets ungefähr 
15 Minuten und dann wurde mit der Probeentnahme begonnen. Der 
Hauptversuch dauerte 15—20 Minuten. 

Nachdem 1 oder 2 Nüchternversuche gemacht worden waren, wurden 
200 g Inulin in möglichst wenig heissem Wasser gelöst, abgekühlt und 
des faden und schlechten Geschmackes der concentrirten Inulinlösung 
wegen durch Magenschlauch eingenommen. Es wurden bis zum Abend 
jede 1 bis 2 Stunden Respirationsversuche gemacht. Es stellte sich 
regelmässig 4—6 Stunden nach der Einnahme eine ziemlich profuse 
Diarrhoe mit starker Gasbildung ein. 

Bei einem Controlversuch mit Hafermehl fand das nämliche in nicht 
so starkem Maasse statt. Es wird dadurch eine ziemliche Quote der 
Kohlehydrate unverdaut ausgeschieden. 

Versuchsperson A. G., 29 J., 75 kg (Gaswechsel-Tabellen I—VI). 

Es wurde im Urin niemals Inulin oder Zucker gefunden. 

Versuch IV wurde auf zweimal 24 Stunden ausgedehnt. 

Es geht aus diesen Versuchen hervor: 
er) Eine deutliche Erhöhung des R. Q. zum Zeichen, dass 
Kohlehydrate nach Inulinzufuhr mehr verbrannt werden. 
ß) Die Erhöhung des R. Q. ist zwar deutlich aber relativ 
gering und zieht sich in die Länge, was man wohl so 
interpretiren muss, dass die Umsetzung des Inulins im 
Stoffwechsel relativ langsam vor sich.geht. 
y) Deutlich ist auch die Erhöhung des 0 2 -Verbrauches, ein 
Zeichen der sogenannten Verdauungsarbeit. 

Bei Versuch II und V wurden die Fäces quantitativ auf Inulin unter¬ 
sucht. Die Fäces wurden mit Kohle abgegrenzt und unter Toluol be¬ 
wahrt. Sie wurden frisch verarbeitet. Der dünnflüssige Kot wurde ge¬ 
sammelt, gut gemischt und hiervon Proben entnommen. 

Versuch II: Gesammtgewicht der Fäces 2128 g. Die Doppelproben 
von ungefähr 50 g wurden 1 / i Stunde mit 100 ccm Wasser gekocht, dann 
heiss in einer kräftigen elektrischen Centrifuge scharf ausgeschleudert. 
Das Präcipitat wurde mit heissem Wasser ausgewaschen und dieses 
Wasser zum ursprünglichen Centrifugat zugefügt und nochmals heiss 
durch Kieselgur filtrirt. 


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Die Verwerthnng des Inulins im Stoffwechsel bei Ernahrungskuren. 321 


Dann wurden aliquote Theile dieser Proben mit HCl zersetzt, so 
dass das Ganze 7* pCt. HCl besass. 7« Stunde hydrolysirt und dann 
neutralisirt. Hierin wurde die Zuckerbestimmung nach Bertrand ge¬ 
macht. Die Resultate stimmten ziemlich miteinander überein. Es fand 
sich in der gesammten Menge Fäces im Mittel 37,7 g Lävulose = 
42,8 g Inulin = 24,1 pCt,. des eingeführten Inulins. 

In Versuch V fand ich bei 908 g Fäces 25,66 g Fructose = 29,2 g 
Inulin = 16,5 pCt. des eingeführten Inulins. 

Es steht also fest, dass bei diesen Respirationsversuchen der grösste 
Theil des Inulins verwerthet und verbrannt ist. Die Versuche, welche 
über den Einfluss des Inulins auf die Glykogenbildung angestellt sind, 
haben gezeigt, dass Inulin nicht als Glykogen deponirt wird, folglich 
muss alles verbrannt werden. Es bestehen nun verschiedene Möglichkeiten. 

1. Im Magen wird sämmtliches Inulin zu Lävulose gespalten. 

2. Das Inulin wird als solches resorbirt und gelangt mit dem 
Blute der Vena portae in den Kreislauf und wird im Körper 
weiter verbrannt. 

3. Das Inulin wird im Darm durch Bacterienwirkung zu ge¬ 
wissen Kohlehydratsäuren oxydirt und als solche resor¬ 
birt und assimilirt. 

ad 1. Dass ein Theil des Inulins durch die HCl des Magensafts ge¬ 
spalten wird, steht fest, aber dieses kann nur ein kleiner Theil sein, 
weil die Verweildauer des Inulins im Magen zu kurz ist und weil auch bei 
anaciden keine grösseren Mengen Inulin in den Fäces wiedergefunden haben. 

ad 2. Die 2. Hypothese ist diejenige von Koraanos; a priori 
scheint der 2. Theil dieser Hypothese unwahrscheinlich, weil im Orga¬ 
nismus kein Ferment bekannt ist, welches das Inulin spaltet, auch nicht 
in der Leber. Inulin, welches dann als solches resorbirt wird, würde 
dann gleichstehen mit intravenös injicirtem Inulin und ebenso wie Rohr¬ 
zucker unverändert mit dem Urin ausgeschieden werden. Dass aber das 
Inulin im Blute der Vena portae als solches aufgenommen werden kann, 
dagegen ist nichts einzuwenden, obschon die Beweise von Komanos 
nicht stichhaltig sind. 

Um diese Möglichkeit zu beweisen, stellte ich folgende Versuche an: 

2 Kaninchen hungerten 2 Tage. Eins bekam durch Magenschlauch 
30 g Inulin gelöst zugeführt. Von beiden wurde 5 Stunden nach dieser 
Fütterung das Blut der Vena portae vor und nach Spaltung mit HCl 
quantitativ auf Blutzucker untersucht. Als Blutzuckerbestimmungsmethode 
wurde die von Frank und Möckel 1 ) benutzt, welche sich mir gut be¬ 
währte. Der Salzsäuregehalt des zu hydrolysirenden enteiweissten Blutes 
war 7« pCt. Die Hydrolisirung dauerte 7« Stunde. Gefunden wurde J 

vor der Hydrolyse: 

beim Inulin-Kaninchen (1120 g) beim Control-Kaninchen (720 g) 

1,97 pM. 0,514 pM. 

nach der Hydrolyse: 

_ 2,32 pM. 0,514 pM. 

1) Frank und Möckel, Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. 69. 


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Bei 2 anderen Kaninchen fanden wir aber in beiden Fällen nach 
Spaltung weniger Reduction wie vor der Spaltung. Es würde wohl der Mühe 
werth sein, diese Versuche in grösserem Umfange weiter fortzusetzen. 

Man muss hierbei in Betracht ziehen, dass ein relativ grosses Quantum 
Inulin eingebracht wurde, sodass der Körper mit Inulin überschwemmt 
wurde. Abderhalden 1 ) hat ja eben auf diesem Princip eine Methode 
ausgearbeitet, gewisse Nahrungsmittel parenteral einzuverleiben. Er 
verfüttert grosse Mengen eines Nahrungsmittels, sodass der Tractus in¬ 
testinalis damit überschwemmt wird, welches dann ungespalten im Blute 
aufgenommen wird und so im Körper kreist. 

Bei der Diabetes-Therapie wurden relativ viel kleinere Mengen (100 g) 
über den ganzen Tag vertheilt zur Resorption geboten, sodass es mir nicht 
wahrscheinlich vorkommt, dass die Resorption des unveränderten Inulins 
in dem Vena portae-Blute der essentielle Modus der Aufnahme ist. 

Auch bei den Resorptionsversuchen, bei welchen 200 und 250 g 
Inulin auf einmal eingenommen wurden, war niemals Inulin im Urin 
nachzuweisen. Immerhin kann man die Hypothese der Aufnahme durch 
die Vena portae nicht mit absoluter Sicherheit ausschliessen. 

Es bleibt nun noch die dritte Möglichkeit zu discutiren. 

Es ist vornehmlich Klotz 2 ), der auf die Bedeutung dieser Kohle¬ 
hydratsäuren bei der Ernährung hingewiesen hat im Anschluss an die 
sehr interessanten Untersuchungen von G. Rosenfeld 3 ). 

G. Rosen fei d ist bekanntlich der Ansicht, dass das Fett nur „in der 
Flamme der Kohlehydrate“ verbrennt. Kohlehydratsäuren hingegen konnten 
die Verfettung der Leber beim phloridzindiabetischen Hungerhunde nicht 
verhindern, also die Verbrennung der Fette nicht bewirken. Er fand 
weiter, dass die orale Glykosezufuhr Glykogen bildet, die Leberverfettung 
verhindert und vom Diabetiker nicht oxydirt wird. Die intravenös 
gegebene Glykose dagegen bildet keine oder wenig Glykogen und ver¬ 
hütet die Leberverfettung nicht, dagegen wird sie vom Diabetiker 
grösstentheils verbrannt. R. nimmt zwei verschiedene Oxydationswege 
der Glykose an, eine transglykogene oder hepatische, eine glykogene 
oder anhepatische. 

Man müsste im Rahmen dieser Anschauung annehmen, 
dass, wenn man dem Diabetiker ein von ihm oxydirbares 
Kohlehydrat geben will, es ein solches sein muss, dass daraus 
kein oder wenig Glykogen gebildet wird. 

Aus Glykonsäure, Glykosamin, Zuckersäure etc. wird kein Glykogen 
gebildet. Die anhepatische Verbrennung der Glykose geht möglicher 
Weise über einen Weg, der nicht allzu weit von den Glvkonsäuren und 
Zuckersäuren vorbeiführt. 


1) Abderhalden, Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. 68. 

2) Klotz, Ergebnisse der inneren Medicin und Kinderheilkunde. Bd. 8. — Berl. 
klin. Wochenschr. 1911. No. 37. 

3) G. Rosenfeld, Berl. klin. Wochenschr. 1906. S. 978. - Ebenda 1907. 
S. 1663. — Ebenda 1908. S. 828. 


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Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 323 


Baer und Blum 1 ) fanden u. a., dass Glutarsäure und Zuckersäure voll¬ 
kommen verbrannt wurden und beim Hunde mit Pflorizindiabetes Ver¬ 
schwinden der Glykosurie und Acidosis und starkes Absinken der N-Aus¬ 
scheidung bewirkten. 

Klotz findet in diesen Versuchen eine Erklärung für das Resultat 
der Haferkuren. Er meint, dass im Gegensatz zu Weizenmehl, welches 
als Zucker in den intermediären Stoffwechsel eintritt, das Hafermehl auf¬ 
gespalten wird und so zum grössten Theil den anhepatischen Weg geht 
als Hexonsäure. 

Er fand entsprechend auch beim Hunde nach Haferverfütterung und 
Phloridzin Fettleber, ßaumgarten und Grund 2 ) fanden das Umgekehrte. 
Dies 3 ) beruht wohl darauf, dass sie ihre Hunde vorher mit Fleisch ge¬ 
füttert hatten. Diese Thiere haben eine exquisit proteolytische Darm¬ 
flora und können Hafermehl dann nicht vergähren. 

Weizenmehl ist schwerer bakteriell abzubauen als Hafer. 

(Doch fanden Blum 4 ), Baumgarten und Grund, Strauss 5 ) die 
Weizenkur ebenso wirksam wie die Haferkur.) 

Schon Naunyn 6 ) fand, dass bei erfolgloser Haferkur die Stuhl¬ 
bakterienmenge, gewogen nach der Methode von Strasburger, nicht 
vermehrt war, während bei gelungenen Haferkuren dieses wohl der 
Fall war. 

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist auch Inulin ein günstiger Nähr¬ 
boden für die amylolytische Darmflora. Es traten in allen meinen Inulin¬ 
versuchen intestinale Gährungserscheinungen auf in noch stärkerem Maasse 
wie beim Haferversuch. Lewis hat dies ebenfalls bemerkt. Manchmal 
traten auch bei den Kaninchen nach Inulin Diarrhoen auf. Dieser 
kräftigen Darmflora gelingt es dann möglicherweise, das Inu¬ 
lin über die Klippen der Lävulosestufe zu bringen und im 
Wesentlichen zu vergähren. Es lässt sich hierdurch auch unge¬ 
zwungen erklären, dass durch Inulin wenig oder kein Glykogen gebildet 
wird. Wie dem auch sei, jedenfalls meine ich bewiesen zu 
haben, dass wir im Inulin ein Kohlehydrat besitzen, das vom 
Menschen gut ausgenutzt und verbrannt wird und das ver¬ 
dient, bei der diätetischen Therapie des Diabetes eine grössere 
Rolle zu spielen, als dies bis jetzt der Fall ist. 

Herrn Dr. A. Bornstein bin ich für die gütige Unterstützung und 
Leitung bei meiner Arbeit zu grossem Danke verpflichtet. Herr Dr. Kauf¬ 
mann war so freundlich, mir bei den Respirationsversuchen zu helfen. 


1) Baer und Blum, Schmiedeberg’s Archiv. Bd. 65. 

2) Baumgarten und Grund, Deutsches Archiv f. klin. Med. 1911. Bd. 104. 

3) Klotz, Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 1911. No. 9. 

4) Blum, Münchener med. Wochenschr. 1911. No. 27. — Sem. M6d. 1911. 
No. 27. 

5) Strauss, Deutsche med. Wochenschr. 1912. No. 10. 

6) Li petz, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 56. 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



324 


A. Goadberg, 


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Anhang: Protokolle der Respirationsversuche. 
Tabelle I. 


2. 5. 1912. Zimmertemperatur 15°. 


No. 

Anfang 

les Versi 

Ende 

ichs 

Ventilation redu* 
cirt auf 0° und 
760 mm pro Min. 

C0 2 - 

Prod. 

i. d.Ven 

pCt. 

o 2 - 

Defic. 

iil.-Luft 

pCt. 

C0 2 - 

Prod. 

pro Ä 

ccm 

0 2 - 

Verbr. 

linute 

ccm 

Respirations¬ 

quotient 

Anmerkungen 

A. 

753 

8 01 

4,136 

3,99 

5,171 

165,0 

213,9 

0,7716 

NUchternwerth. 

B. 

917 

932'/j 

4,659 

3,92 

5,202 

182,64 

242,37 

0,753 

830 200 g 

C. 

IO 2 » 

1037 

4,932 

3,98 

4,908 

196,3 

242,06 

0,811 

Inulin. 

D. 

1137 

UM 

4,802 

4,23 

5,007 

203,43 

240,43 

0,845 


E. 

1222 

1236V» 

5,016 

3,745 

4,3755 

287,81 

219,5 

0,856 


F. 

145 

2 

4,842 

4,105 

4,938 

198,76 

239,1 

0,831 


G. 

255 

309 

5,0404 

3,805 

4,669 

191,6 

235,3 

0,815 


H. 

419 

434V, 

4,951 

3,92 

4,696 

194,1 

1 232,5 

0,835 


I. 

548 

6 04 V» 

4,878 

3,92 

4,734 

191,25 

232,02 

0,828 



Tabelle II. 

7. 5. 1912. Zimmertemperatur 15°. 


A. 

932 

949 

4,339 

3,90 

5,087 

169,2 

220,73 

0,7666 

830 190 g 

B. 

1136 

H51 

5,005 

3,995 

4,594 

199,97 

229,95 

0,8696 

Inulin. 

C. 

1236 

1252 

4,711 

4,035 

4,88 

190,09 

229,9 

0,8268 


D. 

233 

2 3 9% 

4,6218 

4,09 

5,164 

189,03 

238,68 

0,7917 


E. 

4 42 

458»/. 

4,619 

4,105 

5,077 

189,61 

234,52 

0,8085 


F. 

548 

603'/» 

4,766 

4,15 

5,116 

197,8 

243,85 

0,8112 


G. 

703 

718>/, 

4,765 

3,905 

4,605 

186,0 

219,45 

0,848 


H. 

813 

829 

4,688 

3,89 

4,849 

182,38 

227,34 

0,802 


I. 

902 

918 

4,260 

3,90 

4,663 

166,15 

19S,60 

0,8636 



Tabelle III. 

9. 5. 1912. Zimmertemperatur 15° R. 


I 

8 “ 

903 

3,914 

4,075 

5,421 

159,49 

212,13 

0,75187 

Nüchtern- 

II 

1017 

1033V, 

4,556 

3,71 

5,029 

169,02 

229,11 

0,737 

werth. 

III 

1121 

1137'/» 

4,56 

4,055 

4,863 

183,01 

222,22 

0,8235 

9io 200 g 

IV 

101 

116% 

4,403 

3,7# 

4,32 

164,66 

213,4 

0,7716 

Inulin. 

V 

325 

3<°V» 

4,837 

3,91 

4,597 

189,13 

222,49 

0,8506 


VI 

505 

520 »/. 

4,683 

4,105 

4,735 

192,24 

221,75 

0,8664 


VII 

621 

637 

4,679 

3,90 

4,638 

182,47 

217,0 

0,8402 


VIII 

713 

729V, 

4,692 

3,725 

3,698 

178,03 

173,5( ? ) 

1,0030) 



TabeUe IV. 

23. 5. 1912. Zimmertemperatur 15>/2°R. 


I 

759 

820 

4,056 

4,33 

5,135 

175,6 

208,3 

0,8432 

Sehr unregel- 

11 

827 

8“ 

4,079 

4,36 

5,269 

177,3 

214,9 

0,8275 

massig 

ab- 

III 

1030 

10«6 

4,585 

4,025 

4,807 

184,5 

220,4 

0,837 

gerollt. 

I u. 

IV 

1215 

12 3 °V, 

4,697 

4,165 

4,675 

195,6 

219,6 

0,8909 

11 Nüchtern- 

V 

345 

4 

4,851 

4,125 

4,882 

200,1 

236,8 

0,8449 

werthe. 

900 

VI 

630 

6 4 "V» 

4,197 

4,31 

5,282 

180,9 

221,7 

0,816 

250 g Inulin. 

VH 

833 

850V* 

4,244 

4,09 

5,183 

189,1 

220 

0,789 



VIII 

1028 

1044 

4,0796 

4,105 

5,024 

167,4 

205 

0,817 



IX 

1238 

1252 

4,556 

3,985 

4,742 

181,6 

216 

0,8403 

24. 4. 


X 

315 

330 

6,217 

4,14 

4,631 

257,4 

287,9 

0,894 

sehr unruhig. 

XI 

715 

732 

4,2498 

3,90 

4,77 

165,7 

202,8 

0,8175 



XII 

1220 

1237 

4,3372 

3,555 

4,792 

154,2 

207,9 

0,7417 



XIII 

12 40 

12 57 Va 

4,275 

3,795 

4,583 

162,2 

195,9 

0,828 




Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 325 


Tabelle V. 

12. 5. 1912. 


No. 

Anfang 

les Versi 

Ende 

ichs 

0 *0 ä 
*0 0 £ 

• 0* 

c ® 2 
.2 0 0 . 
♦Sv. „ 

- 2 8 
s - a 

S£§ 

C0 2 - 

Prod. 

i. d. Ven 

pCt. 

0 2 - 

Defic. 

;iI.-Luft 

pCt. 

C0 2 - 

Prod. 

pro 1 

ccm 

0 2 - 

Verbr. 

linute 

ccm 

Respirations¬ 

quotient 

Anmerkungen 

I 

8 “ 

901 

4,249 

3,97 

4,898 

168,7 

208,1 

0,8105 


11 

937 

9 ^/a 

3,9404 

3,84 

4,755 

151,3 

187,3 

0,8076 

(?) 

III 

1237 

1255 

4.363 

4,055 

5,116 

177 

228,2 

0,7926 

u 200 g 

IV 

230 

247 

4,5197 

4,06 

5,017 

183,5 

226,7 

0,8093 

Inulin- 

V 

440 

455 

4,631 

3,82 

4,526 

176,9 

209,6 

0,844 


VI 

625 

642 

4,2915 

4,10 

4,768 

175,9 

204,6 

0,8599 


VII 

8 

816 

4,444 

3,875 

4,575 

172,2 

203,3 

0,847 



Tabelle YI. 

18. 5. 1912. 


I 

853 

911 V« 

4,0737 

4,05 

5,086 

165 

207,2 

0,796 

Nüchtern- 

II 

105 

120 

4,963 

3,86 

4,642 

191,6 

230,4 

0,8315 

werth. 

III 

2 : '° 

3 M'k 

4,6379 

4,09 

4,448 

189,7 

206,3 

0,9195 

1112 150 g 

IV 

525 

542 

4,2817 

4,2 2 

5,129 

180,6 

219,5 

0,8226 

Hafermehl 

V 

714 

730 

4,140 

4,07 

5,411 

169 

224 

0,8362 

per os. 

VI 

820 

8 3 «‘/2 

4,362 

4,025 

4,877 

175,5 

212,7 

0,8253 


Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 


22 


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Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



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XVI. 

Aus der I. med. Klinik in Wien (Vorstand: Hofrath Prof. C. v. N o o r d e n). 

Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische 
Eigenschaften entfalten? 

Von 

Dr. Paul Saxl, 

Assistenten der Klinik. 


Seitdem die experimentelle Pathologie und im Besonderen die Er¬ 
forschung der Antikörperbildung im Organismus zahlreiche Factoren 
eigener Art aufgedeckt hat, die an den baktericiden Eigenschaften des 
Organismus theilnehmen, ist die Frage weniger oft gestellt worden: 
Welche Substanzen bezw. Vorgänge rein chemischer Natur haben an 
dem hohen antiseptischen Leistungsvermögen des lebenden Organismus 
Antheil? 1 ). Und doch hat diese Frage gewiss auch heute nicht an Be¬ 
rechtigung verloren. 

Ziegler schrieb in seiner Prorectoratsrede dem Rhodan in der 
Selbstdesinfection des Organismus eine grosse Rolle zu 2 ). Die An¬ 
schauung geht jedoch über theoretische Möglichkeiten nicht hinaus, und 
dies um so weniger, als sie auf der Voraussetzung stark antiseptischer 
Eigenschaften des rodanhaltigen Mundspeichels beruht. Diese wurde 
jedoch bei genaueren Untersuchungen vermisst [Sanarelli, Hungen¬ 
schmidt, Triolo 3 )]. 

Späterhin hat Clairmont 4 ) gezeigt, dass der menschliche Speichel, 
der bekanntlich relativ reich an Rhodanalkali ist (ca. 0,01 pCt.), nicht 
jene intensiv antiseptischen Eigenschaften besitzt, die ihm gemeiniglich 
zugeschrieben werden. Clairmont fand nur relativ geringfügige Ent¬ 
wicklungshemmung im Speichel. Und da wir eine derartige Entwick- 

1) Die antiseptischen Eigenschaften des Organismus hören mit dem Tode nicht 
völlig auf. Conradi (Hofmeisters Beitr. z. phys. u. pathol. Chemie, Bd. I) konnte 
in Autolysaten von Organen noch deutliche baktericide Eigenschaften nachweisen; in 
gemeinsam mit Leo Hess ausgeführten (unveröffentlichten) Versuchen konnten wir 
diese Beobachtungen Conradi’s bestätigen. Aus ihnen geht hervor, dass den 
structur^ll und chemisch destruirten Zellresten bezw. selbst den durch Tonkerzen zell¬ 
frei filtrirten Autolysaten baktericide Eigenschaften innewohnen. 

2) Aehnliche Vorstellungen sprechenEdinger(Deutsche med.Wochenschr. 1898), 
Martinotti (Centralbl. f. Bakteriol., 1896,*Bd. 19) und A. Müller (ebenda, 1895, 
Bd. 17) aus. 

3) Sanarelli, G., Centralbl. f. Bakteriol. 1891. Bd. 10. — Hungen¬ 
schmidt, A., Annales de Plnstitut Pasteur. 1896. — Triolo, Centralbl. f. Bak¬ 
teriologie. 1898. 

4) Clairmont, Paul, Wiener klin. Wochenschr. 1906. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische Eigenschaften entfalten? 327 


lungshemmung auch auf anderen Schleimhäuten und in Schleimsecreten 
(Vagina!) kennen, wo Rhodan in grösseren Mengen nicht nachweisbar 
ist, gehen wir wohl nicht fehl, die Beweisführung, dass der Speichel 
gerade dem Rhodanalkali seine antiseptischen Fähigkeiten verdankt, 
nicht für erbracht zu halten. 

Auch dem Mucin wurden antiseptische Eigenschaften zugeschrieben 
[Arloing 1 )]. Jedenfalls können auch sie nicht beträchtlich sein, denn 
das antiseptische Leistungsvermögen stark mucinhaltiger Secrete ist 
ebenso gering, wie das des Speichels. Ferner ist das chemische Ver¬ 
halten der Mucine nach dem heutigen Stande unseres Wissens so ver¬ 
schieden, dass man von einem Mucin auf andere keine Schlüsse ziehen 
kann. In früheren Zeiten hielt man die Galle für ein antiseptisches 
Agens. J. Leubuscher konnte jedoch keine entwicklungshemmenden % 

oder gar baktericiden Eigenschaften der Galle nach weisen. Dies wurde 
in der Folgezeit mannigfach bestätigt. Verwenden wir doch heute 
Gallenanreicherung für Nährböden! Hingegen konnte der genannte Autor 
feststellen, dass die Taurocholsäure und die Glycocholsäure in gesättigter 
Lösung antiseptisch wirken, ein Vorgang, dem eine Bedeutung für den 
lebenden Organismus kaum zuzuschreiben ist 2 ). 

Auch meine Untersuchungen galten der Frage, inwieweit 
ein im Organismus vorkommender Körper, nämlich der nicht 
oxydirte Schwefel des Cystins, antiseptische Eigenschaften 
entfalten könnte. Wir wissen, dass Substanzen, die unoxydirten 
Schwefel enthalten, ausgezeichnete Antiseptica sind. Ihr souveräner Ver¬ 
treter ist das Ichthyol und Tiophen, das allerdings wegen seiner 
Flüchtigkeit practisch nicht verwendbar ist. Auch aliphatische Körper 
gewinnen durch Eintritt von SH-Gruppen an antiseptischen Fähigkeiten 3 ). 

Die antiseptischen Eigenschaften des Cystins, das im Organismus 
bekanntlich allgemein verbreitet ist, sind an dem Cystin selbst nicht zu 
studiren, da Cystin in Wasser nicht löslich ist. Hingegen schien es 
mir von vornherein als sehr aussichtsreich, jenen Paarling des 
Cysteins 4 ), der nach Verfütterung von Chlor-, Brom-, Jodbenzol an Hunden 
oder Kaninchen auftritt, nämlich die betreffende Phenylmerkaptursäure 
auf ihre antiseptische Fähigkeit zu untersuchen. 

Ich habe für meine Untersuchungen die Bromphenylmercaptursäure 
verwendet: 

GH 2 . S . C 6 H 4 . Br 

II. C. NH. CO. CH 3 (Bromphenylacetyl-Cystein). 

COOH 

1) Arloing, oit. nach Clairmont. 

2) Leubuscher, G., Zeitschr. d. klin. Med. Bd. 17. 

3) Fränkel, S., Arzneimittelsynthese 1912. 

4) Das Cystin ist das Disulfid des Cysteins; letzteres kann sehr leicht aus 
ersterem durch Reduction gewonnen werden. 


Cystin: CH 2 —S—S- 

-ch 2 

Cyste in: CH,. SH 

1 

CH . NH 2 

1 

CH. NH 2 

j 

CH . NH 2 

| 

COOH 

| 

COOH 

COOH 



22* 

Digitized by QoCölC 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



328 


Paul Saxl, 


# 


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Der Kaninchen- und Hundeorganismus kann diese Synthese vom 
Brombenzol und Cystein vollziehen; die genannte Säure erscheint in an¬ 
sehnlicher Menge (mehrere Gramm), gepaart an Glyeuronsäure, im Harn 
wieder. Im Menschenharn tritt sie nicht auf. Ob deswegen, weil der 
menschliche Organismus die Synthese nicht vollzieht, oder aber, weil die 
Säure im Organismus zerstört, retinirt oder nicht im Harn ausgeschieden 
wird, lässt sich vor der Hand nicht entscheiden. 

Brombenzol ist ein schwaches Antisepticum. Es geht im thierischen 
Organismus eine Synthese mit Cystin ein, und unsere Fragestellung 
lautete daher: Gewinnt das Brombenzol durch diese Synthese 
mit Cystinschwefel, die der Organismus vollzieht, an anti¬ 
septischen Eigenschaften, womit erwiesen wäre, dass durch 
Eintritt von Cystein in einen aromatischen Körper antisep¬ 
tische Eigenschaften erzielt bezw. vorhandene gesteigert 
werden können? 

Es war daher zunächst zu untersuchen, ob die Bromphenylmercaptur- 
säure antiseptisch wirkt, und wie weit sie innerhalb des Organismus, in 
dem sie entstanden ist, antiseptische Eigenschaften entfalten kann. 

A. Untersuchung der Bromphenylmercaptursäure auf antiseptische 
Eigenschaften in vitro. 

Die Darstellung der Säure erfolgte aus Hundeharn, nach den An¬ 
gaben Friedmann’s. Nur wurde das Brombenzol mit der Schlundsonde 
gegeben x ). 

Hunde, die reichlich mit Fleisch gefüttert wurden, bekamen kurze 
Zeit nach der Mahlzeit 5 g Brombenzol in 5 ccm Oel. Die Hunde ver¬ 
trugen das Brombenzol gewöhnlich nur einige Tage. Späterhin er¬ 
brachen sie. 

Der Harn wurde gesammelt und mit Vio seines Volumens mit con- 
centrirter Salzsäure (spec. Gewicht 1,19) versetzt und 10 Tage stehen 
gelassen. Nach dieser Zeit wurde vom Bodensatz, der zum grössten 
Theile aus krystallinischer Mercaptursäure besteht, abgegossen. Die 
Krystalle werden im Becherglase durch wiederholtes Aufrühren mit 
Wasser gereinigt und das Decantiren fortgesetzt, bis die über den 
Krystallen stehende Flüssigkeit nur noch schwach gelb gefärbt ist, 
darauf im selben Gefässe mit 10 pCt. NH 3 in der Wärme zur Lösung 
gebracht, und die braune, heisse, ammoniakalische Lösung durch ein 
Thierkohlenfilter durchgesaugt. Nach dreimaligem Passiren des Thier¬ 
kohlenfilters in der Wärme ist die ammoniakalische Flüssigkeit nur noch 
schwach gelb gefärbt. Sie wird zur Krystallisation eingeengt. Das 
beim Erkalten auskrystallisirende Ammoniumsalz wird abgesaugt und 
scharf von der Mutterlauge abgepresst. Es ist in der Regel nur wenig 
gefärbt. Zur Abscheiduug der freien Mercaptursäure wird das Ammonium¬ 
salz in die 20 fache Menge heissen Wassers eingetragen. Nach erfolgter 
Lösung wird in der Wärme mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert. 
Der grösste Theil der Bromphenylmercaptursäure fällt sofort, der Rest 

1) Friedmann, Hofmeisters Beiträge. Bd. 4. 


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Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische Eigenschaften entfalten? 329 


nach zwölfstündigem Stehen im Eisschrank aus. Die freie Säure wurde 
von der Schwefelsäure scharf abgesaugt, abgepresst, mit etwas kaltem 
Wasser gewaschen und im Exsiccator getrocknet. 

Wenn nun auch die Ausbeute an Bromphenylmercaptursäure im 
Harn den Angaben E. Friedmann’s entspricht, so hatte ich dennoch 
insofern grosse Schwierigkeiten, als unsere Hunde das Brombenzol in 
Kapseln überhaupt nicht frassen, so wie frühere Autoren es angaben; 
ferner trat bereits nach 3—4tägiger Darreichung des Brombenzols in 
Oel mit der Schlundsonde Erbrechen und Nahrungsverweigerung auf, das 
oft lange Zeit anhielt. Ich habe daher die benöthigten Mengen von Brom¬ 
phenylmercaptursäure eigentlich nur schwierig gewonnen. 

E. Fried mann ist auch eine synthetische Darstellung der Brom¬ 
phenylmercaptursäure gelungen. Ich nahm jedoch von diesem Weg der 
Gewinnung der Säure Abstand, da die Ausbeute sehr gering ist. 

Die freie Säure ist in geringen Mengen in Wasser löslich. 1 g löst 
sich in der Wärme in 2000 g Wasser. Stellt man diese Lösung, ohne sie 
weiter erkalten zu lassen, in den Brutofen, so fällt sie erst nach einigen 
Tagen (theilweise) aus. Lösungen von 1 : 5000 und 1 : 10000 sind 
lange Zeit bei Brutofenteraperatur haltbar. 

Ich habe in derartige Lösungen, die auf Brutofentemperatur ge¬ 
halten wurden, Colibakterien und eine Mischung von Fäulnissbakterien x ) 
geimpft; es ergab sich, das Coli nach 2—8ständigem Brutofenaufenthalt 
in einer Verdünnung der Säure von 1 : 2000 und 1 : 3000 regelmässig, 
von 1 : 5000 nicht immer getödtet wurden; Lösungen von 1 : 10000 er¬ 
wiesen sich als unwirksam. Die Prüfung auf Sterilisation geschah durch 
Abimpfen in Bouillonröhrchen. — Die gleichen Bakterien arten wurden 
durch 0,6 proc. Carbolsäure getödtet, während 0,4 proc. sie noch nicht 
tödtete. Es wirkte demnach die Bromphenylmercaptursäure lOmal so 
stark baktericid wie Carbolsäure. 

Das Ammoniumsalz der Säure ist gut in Wasser löslich und tödtete 
Coli in 1 und 2 proc. Lösung (geprüft nach 24 Stunden Brutofenaufenthalt). 
Tiefere Concentrationen erwiesen sich als unwirksam. Bedenken wir, 
dass Natrium salicylicura garnicht antiseptisch wirkt, so ist das 
immerhin eine ansehnliche baktericide Leistung der Bromphenyl¬ 
mercaptursäure! 

Es sei ferner noch bemerkt, dass die Bromphenylmercaptursäure 
eine schwache Säure ist, dass sie sich in geringem Grade als lipoid¬ 
löslich und als deutlich eiweissfällend erweist. 

Diesen beiden letztgenannten Eigenschaften verdankt sie die Möglichkeit, 
unter besonders günstigen Bedingungen ihre antiseptischen Eigenschaften 
zu entfalten 1 2 ). 


1) Ich stellte mir ein Fäulnissgemisch in üblicher Weise dar, indem ich Rinds¬ 
leber in sodaalkalischer Reaction mehrere Tage im Brutofen faulen liess. Ich impfte 
eine Platinöse in die Lösung der Bromphenylmercaptursäure und verwendete eine 
Impfung in Wasser als Controle. 

2) Mayer und Gottlieb, Experimentelle Pharmakologie. 2. Aufl. 


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Paul Saxl, 


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B. Untersuchung der antiseptischen Eigenschalten der 
Bromphenylmercaptnrsänre im Organismus. 

Es erhob sich nun die wichtige Frage, ob die Broraphenyl- 
mercaptursäure im Organismus antiseptische Eigenschaften 
entfaltet. Nun ist zunächst zu bemerken, dass wir nur darüber unter¬ 
richtet sind, dass die Bromphenylmercaptursäure im Harne und zwar ge¬ 
paart an Glykuronsäure auftritt. Wo die Synthese des Brombenzols mit 
dem Cystein zur Mercaptursäure stattfindet, ist nicht bekannt. Der 
quantitative Nachweis der Mercaptursäure im Blut ist auch nicht leicht 
möglich; sodass wir nur mit Sicherheit wissen, dass eine grosse Menge 
der Säure im Harn auftritt, während wir von dem Gehalt der übrigen 
Körperflüssigkeiten und Gewebe an dieser Säure vorderhand nichts wissen. 

Es hatten sich auch, wie aus folgenden Mittheilungen hervorgeht, 
nur im Harne sehr bemerkenswerthe antiseptische Eigenschaften fest¬ 
stellen lassen. 

Einem weiblichen Hund von 15 kg Körpergewicht wurden 10 g Brombenzol in 
10 g Oel bei reichlicher Fleischfütterung mit der Schlundsonde gegeben. Er schied 
in den nächsten 18 Stunden 700 ccm Harn, die annähernd 2,5 g Bromphenyl¬ 
mercaptursäure enthielten, aus. Der Harn war schwach alkalisch. Diese alkalische 
Reaction tritt trotz reichlicher Fleischfütterung bei Hunden fast immer auf und ist 
zunächst nur ein Beweis für die Beimischung alkalischer Secrete der Harnwege, nicht 
aber von alkalischer Gährung. Der Ham erwies sich als nicht steril. In einer Probe 
wurde der Ammoniakgehalt (nach Spiro-Folin) bestimmt. Er betrug in 50 ccm Harn 
0,027 g. — Eine grössere Menge Harn wurde (verschlossen) auf 48 Stunden in den 
Brutofen gestellt. Der Harn war wieder nicht steril. Der Ammoniakgehalt betrug in 
50 ccm 0,020 g. Der Ammoniakgehalt hatte also abgenommen. Es lagen demnach 
keine Anhaltspunkte für eine ammoniakalisohe Gährung vor. — Der Hund erhielt am 
nächsten Tag nur Fleisch, kein Brombenzol. Der Ammoniakgehalt des Harns, unter 
gleichen Bedingungen wie oben geprüft, verzehnfachte sich in 48 Stunden. Es war 
demnach die ammoniakalische Gährung des alkalischen Hundeharns 
bei Bromphenylmercaptursäureausscheidung stark gehemmt worden, 
wenn sie nicht überhaupt als ausgeblieben zu betrachten ist. 

Einem anderen Hund (männlich, 13 kg) wurden 10 g Brombenzol und 200 g 
Fleisch um 1 Uhr Mittags in gleicher Weise wie oben gegeben. Er wurde um 6 Uhr 
Nachmittags und um 7 Uhr Morgens katheterisirt und zwar unter nicht sterilen Be¬ 
dingungen, da der Hund zu unruhig war. Die erste Harnportion war alkalisch (Ver- 
dauungsalkalesoenz), die zweite schwach sauer. Die erste (alkalische) Harnportion 
wurde in den Brutofen gestellt, in 50 ccm Harn wurde der Ammoniakgehalt bestimmt. 
Er betrug 0,017 g. Am nächsten Morgen wurde in Bouillon geimpft. Der Harn war 
nicht steril. Nach 48 Stunden war der Ammoniakgehalt 0,018 g. Eine nennens- 
werthe ammoniakalische Gährung hat nicht stattgefunden. — Die zweite saure Harn¬ 
portion wurde in sterilen Eprouvetten in den Brutofen gestellt. Nach 8 Stunden 
wurde eine Aussaat in Bouillon gemacht. Der Harn war steril. — Der Harn wurde 
weiterhin durch 8 Tage in den Brutofen gestellt. Die Reaction blieb deutlich sauer. 
Sehr zahlreich ausgeführte Controlen an Tagen, wo der Hund kein Brombenzol erhielt, 
ergaben, dass sauere (katheterisirte) Harnportionen längstens nach 36stündigem 
Brutofenaufenthalt stark alkalisch und nach 8 Stunden stets reichlich infioirt sind. 

Die gleichen Versuche wurden unter gleichen Bedingungen an zwei 
weiteren Hunden ausgeführt und führten stets zu dem gleichen Resultat, 
das ich hier resümire: 


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Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische Eigenschaften entfalten? 331 


Der durch nicht sterilen Katheterismus gewonnene Harn 
von Hunden, die 10 g Brorabenzol bekommen hatten, war 
frisch nicht steril; er erwies sich jedoch nach 8ständigem 
Brutofenaufenthalt als völlig steril; er zeigte selbst nach 
viel tägigem Aufenthalt im Brutofen keine ammoniakalische 
Gährung, während der Harn derselben Hunde, ohne vorherige 
Brombenzolfütterung stets inficirt gefunden wurde und inner¬ 
halb 1—2 Tagen im Brutofen stark vergährte. In einzelnen 
Harnportionen, die trotz Katheterismus alkalisch waren, 
Hessen sich wohl Bakterien nachweisen, der Ammoniakgehalt 
nahm jedoch bei 2tägigem Brutofenaufenthalt nicht zu; da 
Controlharne stets eine enorme Zunahme des Ammoniaks 
zeigten, hat demnach auch bei alkalischer Reaction des Harnes 
entweder eine starke Entwicklungshemmung von Bakterien 
oder aber eine Aufhebung ihrer Lebensthätigkeit stattgefunden. 

Es könnte nun der Einwand erhoben werden, dass die auffallend 
stark antiseptischen Eigenschaften des sauren Harns, der Bromphenyl- 
mercaptursäure enthält, und die dem alkalischen Harn unter sonst gleichen 
Bedingungen bedeutend überlegen sind, wenn sie auch diesem nicht fehlen, 
eben auf eine stark saure Reaction zurückzuführen sind. Diesem Ein¬ 
wand zu begegnen und um kein Alkali hinzuzufügen, habe ich den sauren 
Harn mit Wasser verdünnt. 

Ein Hund von 10 kg wurde, wie oben geschildert, um 1 Uhr mit Brombenzol 
gefüttert. Abends um 5 Uhr war der katheterisirte Harn alkalisch, am nächsten 
Morgen sauer. Dieser saure Harn war nach 8stündigem Brutofenaufenthalt steril. 
Ebenso seine 5- und lOfache Verdünnung. 

Demnach erwies sich der Harn noch in lOfacher Verdünnung, die 
blaues Lackmuspapier kaum röthete, als steril. Die antiseptische Kraft 
ist daher im Wesentlichen wohl von der sauren Reaction überhaupt, 
nicht aber von der Intensität derselben abhängig. 

In weiteren Versuchen ergab sich fernerhin, dass die 
sauren Harnportionen, die Bromphenylmercaptursäure ent¬ 
halten, auch im Stande sind, Coli- oder Fäulnissbakterien, 
die ihnen zugesetzt werden, abzutödten. 

Saure Harnportionen, die 4—18 Stunden nach der Brombenzol¬ 
fütterung durch nicht sterilen Katheterismus, wie oben beschrieben wurde, 
gewonnen wurden, wurden in sterile Eprouvetten eingefüllt (je 10 ccm) 
und mit 1 Oese Colibakterien oder Fäulnissbakterien geimpft. Nach 
8 Stunden Brutofenaufenthalt erwies sich der Harn als steril, während 
Controlen mit gewöhnlichem Hundeharn stets nicht steril waren. Diese 
Verhältnisse änderten sich auch nicht nach achttägigem Brutofenauf¬ 
enthalt. Die abgeirapften Bouillonröhrchen blieben stets steril. Die 
Bromphenylmercaptursäure tödtet demnach im sauren Harn 
des Thieres, in dem sie durch Synthese aus verfüttertem Brom¬ 
benzol entstanden ist, Coli- und Fäulnissbakterien. 

Ich prüfte nun, wie weit derartig baktericid wirkende Harne ver¬ 
dünnt werden können, ohne ihre baktericiden Eigenschaften zu verlieren. 
Dabei zeigte es sich im Allgemeinen, dass 5 fache Verdünnung die 


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Paul Saxl, 

baktericiden (nicht aber die entwicklungshemmenden) Eigenschaften auf¬ 
hob; einzelne Harne erwiesen sich jedoch bei öfacher Verdünnung noch 
als baktericid. 

Ein Zusatz von 1 g Bromphenylmercaptursäure auf 1 Liter normalen 
Menschenharn ergab, dass die Säure sich in ihm löste; der Harn erwies 
sich jedoch nach längerem Brutofenaufenthalt nicht als steril; hingegen 
hielt der Zusatz von 1 g der Säure auf 100 ccm Harn, wobei allerdings 
die Säure nur theilweise in Lösung geht, den Harn steril und tödtete 
ihm zugesetzte Colibakterien ab. — Der Zusatz der Bromphenylmercaptur¬ 
säure zum Harn ist jedoch mit dem Auftreten der Substanz nach Brom- 
benzolverfütterung nicht ohne Weiteres zu vergleichen, weil die Säure 
im letzteren Fall an Glykuronsäure gepaart auftritt, was ihre Löslichkeit 
sehr begünstigt. 

Erwies sich der bromphenylmercaptursäurehaltige Harn als stark 
baktericid, so bleibt noch die Frage offen: Wie wirkt die Säure im 
Organismus? — Mit Rücksicht auf die oben erwähnte Schwierigkeit bei 
der Beschaffung der Bromphenylmercaptursäure habe ich mich auf die 
Untersuchung des Blutes beschränkt, das Kaninchen und Hunden nach 
Brombenzolverfütterung, ferner nach Verfütterung der Broraphenyl- 
mercaptursäure entnommen wurde, ohne vorläufig die Wirkung der Brom¬ 
phenylmercaptursäure auf inficirte Thiere zu prüfen, für welchen Zweck 
grosse Mengen der Säure nothwendig gewesen wären. 

1. Versuchsreihe: Kaninchen von 1200—2000 g erhielten 1—2 ccm Brom¬ 
benzol in Olivenöl mit der Schlundsonde. 4 Stunden später wurde ihnen aus der 
Carotis Blut entnommen, defibrinirt, in sterile Eprouvetten eingefüllt und einzelne 
Portionen mit Coli- und Fäulnissbakterien geimpft. Die Blutproben wurden naoh 
8stündigem Brutofenaufenthalt und auch späterhin als nicht steril befunden. 

2. Versuchsreihe: Kaninchen von 1500 g erhielten 1 g, 3 g und 10 g des 
Ammonsalzes der Bromphenylmercaptursäure mit der Schlundsonde. Erstaunlicher 
Weise erwiesen sich diese grossen Dosen als nicht tödtend. Die Thiere blieben 
völlig frisch. 

Das Blut wurde ihnen nach 3 Stunden entnommen und wurde wie in der ersten 
Versuchsreihe behandelt. Dabei zeigte es sich, dass die Blutproben, die mit Bakterien 
geimpft wurden, nicht sterilisirt wurden; von den nicht geimpften hielten sich ein¬ 
zelne bis zu 10 Tagen der Beobachtung steril; Controlen mit normalem Blut waren 
nach 36 Stunden stets nicht mehr steril; doch ist dieser Befund natürlich zu dürftig, 
um aus ihm weitere Schlüsse zu ziehen. 

Bei Zusatz von freier Bromphenylmercaptursäure zu Blut fand ich nur eine 
geringe Löslichkeit derselben im normalen Blut; Zusatz des Ammonsalzes, das sich 
gut löst, wirkte in 2proc. Concentration stark eiweissfällend: ln keinem Fall war eine 
Sterilisirung des Blutes nach Bakterienzusatz durch das ßromphenylcystein zu 
constatiren. 

Demnach müssen wir leider auch hier bekennen, dass eine 
noch im Harn kräftig wirkende baktericide Substanz im Blut 
ihre Wirksamkeit nicht entfaltet. 

Kehren wir nun, am Schlüsse unserer Ausführung angelangt, zur 
Eingangs erwähnten Fragestellung zurück: Gewinnt das Brombenzol 
durch seine Synthese mit Cystein, die der thierische Organis¬ 
mus vollzieht, an antiseptischen Eigenschaften, womit er- 



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Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptiscbe Eigenschaften entfalten? 333 

wiesen wäre, dass durch Eintritt von Cystein in einen aroma¬ 
tischen Körper antiseptische Eigenschaften erzielt bezw. 
vorhandene gesteigert werden können? 

Wir müssen diese Frage dahin beantworten, dass durch 
Synthese des Cysteins mit dem Brombenzol aus dem schwachen 
Antisepticum Brombenzol ein kräftig wirkendes Antisepticum 
wird, das auch im Harne noch seine baktericiden Eigenschaften 
entfaltet, im Blute allerdings versagt. 

Damit ist erwiesen, dass dem Cysteinschwefel, wie jedem 
nicht oxydirten Schwefel, antiseptische Eigenschaften zu- 
komraen und dass der Organismus durch Synthesen desCysteins, 
wie in unserem Fall mit Brombenzol, hochwerthig baktericide 
Substanzen herstellcn kann. 

Dass die Bromphenylmercaptursäure im Blute nicht baktericid wirkt, 
ist kein Gegengrund für unsere Beweisführung. Dadurch ist nur er¬ 
wiesen, dass diese Substanz es nicht ist, die im Blute und in den Ge¬ 
weben an antiseptischen Eigenschaften Antheil hat, zum Mindesten nicht 
unter den Bedingungen, unter denen sie hier zur Prüfung kam. — Hier 
konnten wir eben nur den Beweis dafür erbringen, dass der 
Cysteinschwefel überhaupt als antiseptisches Agens aufgefasst 
werden darf. 


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XVII. 


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Aus der Königl. medicinischen Klinik in Kiel 
(Director: Prof. Dr. Lüthje). 

Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild. 

Von 

Priv.-Doc. Dr. H. Schlecht und Priv.-Doc. Dr. W. Weiland. 

(Hierzu Tafel III.) 


Einleitung. 

Der zum ersten Male von Biedl und Kraus 1 ) untersuchte anaphy¬ 
laktische Symptomencomplex beim Hunde stellt sich nach der 
Beschreibung der genannten Autoren folgendermaassen dar: 

Injicirt man bei einem Hunde, den man mit 3—5 ccm Pferdeserum 
intravenös vorbehandelt hat, nach Ablauf von 21 Tagen ebenfalls intra¬ 
venös 10 ccm desselben Serums, so stellt sich nach ungefähr 30 Secunden 
an dem gefesselten, nicht narkotisirten Thiere ein allgemeiner Erre¬ 
gungszustand ein, der mit starken Abwehrbewegungen, Brechreiz 
oder Erbrechen und unwillkürlichem Abgang von Koth und Urin 
einhergeht. Auf diese Phase der Erregung folgt alsdann eine allge¬ 
meine Apathie mit tiefer und normaler Athmung. Wurden die Thiere 
zu dieser Zeit abgebunden, so blieben sie wie gelähmt liegen. Als 
weiteres Symptom trat Anurie hinzu, ferner neben einer ausgesprochenen 
Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes eine charakte¬ 
ristische tiefe Senkung des Blutdruckes. Diese war nach Ansicht 
der Autoren begründet in einer Lähmung der peripheren vasomo¬ 
torischen Apparate; wenigstens wurde die bei den Thieren beobachtete 
lebhafte Darmperistaltik mit Entleerung flüssiger Stühle, sowie 
eine autoptisch feststellbare universelle Hyperämie mit zahlreichen 
Blutungen in die Baucheingeweide auf eine extreme Gefässerweitc- 
rung im Splanchnicusgebiet bezogen. 

Die schweren Darmerscheinungen anaphylaktischer Hunde 
sind in der Folge von Schittenhelm und Weichardt 2 ) genauer analysirt 
und als specifisches Krankheitsbild unter dem Namen der Enteritis 
anaphylactica beschrieben worden. Die Autoren beobachteten schwerste 
Darmerscheinungen, Durchfälle mit Blut, Tenesmcn und Erbrechen, 
in schweren Fällen floss aus dem Anus reines Blut ab. Bei der Autopsie 
fand sich der Darm angefüllt mit einer blutig-schleimigen Flüssigkeit. 
Die Darmschleimhaut und die darunter gelegenen Schichten zeigten 
zahlreiche miliare Hämorrhagien, die dem Darm ein geröthetes und 

1) Biedl und Kraus, Wiener klin. Wochenschr. 1909. No. 11. 

2) Schittenhelm und Weichardt, Deutsche med. Wochenschr. 1911. 


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Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild. 


335 


gesprenkeltes Aussehen verliehen. Die hämorrhagische Durchsetzung reichte 
auch aufwärts bis in das Mageninnere, auch abwärts bis in die Anal¬ 
gegend, bevorzugt war der duodenale Theil des Darmes. 

Im übrigen unterscheiden die genannten Autoren im Allgemeinen 
beim Hund zwei Grundformen des anaphylaktischen Symptomen- 
complexes. Bei der einen Gruppe verfallen die Thiere sehr bald nach 
der Reinjection in einen ausgesprochen soporösen Zustand mit verlang¬ 
samter, irregulärer Athmung, in dem sie auf äussere Reize nur wenig 
reagiren, und aus dem sie sich nach einiger Zeit erholen. Der zweite 
Typ geht mit Krämpfen einher und endet stets letal. 

Wir haben uns nun in den folgenden Versuchen die Aufgabe gestellt, 
die anaphylaktischen Erscheinungen am Magendarmcanal des Hundes 
in vivo mit Hülfe des Röntgenverfahrens zu analysiren resp. zu versuchen, 
ob es möglich ist, mit Hülfe dieser Methode genauere Aufschlüsse über 
den Ablauf etwaiger Erregungs- oder Lähmungszustände am Magendarra- 
tractus zu gewinnen. Soweit uns bekannt, sind derartige Untersuchungen 
in der Literatur bisher nicht veröffentlicht. 

Die Untersuchungen wurden des Weiteren auf Versuche am Meer¬ 
schweinchen ausgedehnt. Obwohl bei dem anaphylaktischen Shock 
des Meerschweinchens die Erscheinungen von Seiten der Athmungs- 
organe durchaus im Vordergrund des Krankheitsbildes stehen, so deuten 
doch schon die bisher beschriebenen klinischen Symptome: Abgang von 
Koth und Urin, die schon von Wolff-Eisner u. A. beobachtete und von 
uns oft gesehene Hyperämie des Darms daraufhin, dass auch eine 
specielle Einwirkung auf den Darm beim Meerschweinchen vielleicht vor¬ 
handen sei. Zudem ist von Schulz festgestellt worden, dass der isolirte 
Dünndarm anaphylaktischer Thiere stärker mit Contractionen reagirte bei 
Zusatz von Pferdeserum, als der normale. 

Gleichzeitig mit der Darmbewegung wurde bei den Meerschweinchen 
die Athmung resp. die Lungen- und die Zwerchfellbewegung 
genau beobachtet. Im Wesentlichen ist ja vor allem durch die Unter¬ 
suchungen von Auer und Lewis, Biedl und Kraus bekannt, dass im 
Mittelpunkt des ganzen anaphylaktischen Symptomencomplexes beim 
Meerschweinchen eine hochgradige, durch Contraction der Bron- 
chialmusculatur bedingte Lungenblähung steht. Der anaphy¬ 
laktische Shock wäre demnach eine durch locale Ursachen in den Lungen 
bedingte Erstickung. Unsere Beobachtung bezweckte, bei diesem Vor¬ 
gang insbesondere die Bewegung des Zwerchfells zu verfolgen. 

Unsere Untersuchungen geben natürlich nur Aufschluss über grobe 
Zustandsänderungen und Veränderungen des motorischen Geschehens 
im Shock selbst. Um uns über Veränderungen der Erregbarkeit und 
der Reactionsfähigkeit des Darms, sowie über den Einfluss der hemmenden 
und fördernden Darmnerven (Vagus und Splanchnici), sowie über die Rolle 
des Auerbach’schen Plexus beim Zustandekommen der veränderten 
motorischen Erscheinungen zu orientiren, haben wir Versuche am über¬ 
lebenden Dünndarm der verschiedenen Thierarten (Hund, Meerschweinchen, 
Kaninchen) begonnen, die aber noch nicht zu definitivem Abschluss ge¬ 
langt sind. 


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H. Schlecht und W. Weiland, 


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Methodik. 

Zu der ersten Versuchsreihe an Hunden verwandten wir 8 Thiere 
in 14 Einzel versuchen. Ein Theil derselben blieb den Beobachtungen 
des nach dem Verfahren von Biedl und Kraus (sensibilisirende Injection: 
5—10 ccm intravenös; Reinjection: 5—10 ccm intravenös) ausgelösten 
acuten Shocks Vorbehalten, ein anderer Theil diente zu Control versuchen 
und zur Beobachtung der Antianaphylaxie. Die Controlversuche erstreckten 
sich auf die Untersuchung nicht injicirter normaler Hunde und solcher 
Hunde, die nur eine einmalige Injection mit inactivirtem oder primär 
toxischem Serum erhalten hatten. 

Als Contrastmahlzeit verwandten wir bei Hunden constant eine 
Mahlzeit aus 50 g Kartoffelbrei, 50 ccm Wasser und 25 g Baryura sulfu- 
ricum puriss. (Merck). Diese Mengen entsprechen der Grösse der von 
uns gewählten mittelgrossen Thiere. Die Beobachtungen vor dem 
Röntgenschirm begannen, je nachdem wir den Magen, den Dünn- oder 
Dickdarm sichtbar machen wollten, entweder sofort nach der Füllung 
oder 2—4 Stunden später. Die Fütterung musste mit der Schlundsonde 
erfolgen, da die Hunde trotz vorherigen Hungers, den Brei meist nicht 
frassen. Die Füllung konnte in allen Versuchen als gut gelungen be¬ 
zeichnet werden. 

Bei den Meerschweinchen versuchen wurden die Thiere mit 
0,1—0,2 ccm intraperitoneal sensibilisirt. Die Reinjection erfolgte ent¬ 
weder intravenös (0,5—1,0 ccm) oder intraperitoneal (3—5 ccm) nach 
21 Tagen. Die Thiere frassen, nachdem sie 2—3 Tage gehungert 
hatten, einen Teig von Maizena und Baryumsulfat zu gleichen Theilen. 
Auch hier kam stets eine gute Magen- und Darmfüllung zu Stande. 
Nach dem Resultat der Untersuchungen am Hunde richteten wir beim 
Meerschweinchen unser Vorgehen so ein, dass alle Darmtheile gleichzeitig 
und gleichmässig gefüllt wurden (aber nicht zu stark) und beobachteten 
die Lungen und Zwerchfellveränderungen sowie die Aenderung der Darm- 
configuration gleichzeitig. 

Durch die Wahl von Baryumsulfat und Kohlehydratbrei als 
Contrastmahlzeit trugen wir der Beobachtung von Best und Cohn¬ 
heim 1 ) Rechnung, die bei Fistelhunden eine Verzögerung der Magenent¬ 
leerung bis zu 1 Stunde beobachteten und auch die Dünndarmpassage 
um ähnliche Zeiten verzögert fanden, wenn sie Bismut. subnitric. oder 
carbonic. anwandten. Baryumsulfat hat diese Wirkung nicht. Ferner 
bleibt nach den Untersuchungen derselben Autoren die Mischung zwischen 
Vehikel und Contrastsubstanz bei der Verwendung von Kohlehydraten 
am längsten gut erhalten, so dass man mit ihr die Fortbewegung der 
Nahrung im Verdauungscanal noch am sichersten beobachten kann 
(Magnus). 

Die Beobachtung der Veränderungen im anaphylaktischen Shock 
selbst wurde im Allgemeinen so vorgenommen, dass Schirm pausen 
oder auch photographische Platten aufgenommen wurden. Natur- 

1) Best und Cohnheim, Münch, med. Wochenscbr. 1911. 


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Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild. 


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gemäss eignet sich, da uns kinematographische Registrirung nicht 
möglich war, die fortlaufende Untersuchung hinter dem Schirm besser 
zum Studium des Ablaufs der Darmbewegungen; auf der Platte konnten 
nur Zustandsbilder der einzelnen Phasen fixirt werden. Die Beob¬ 
achtung wurde zeitlich solange fortgesetzt, bis die Thiere zum Exitus 
kamen oder die stürmischen Erscheinungen abgeklungen waren, nach¬ 
dem uns in den ersten Versuchen in Abständen von einer Stunde 
fortgesetzte Dauerbeobachtungen gezeigt hatten, dass Veränderungen im 
Ablauf der Darmbewegungen nicht mehr auftraten, wenn die initialen 
Erscheinungen längere Zeit vorüber sind. Die spätere Beobachtung der 
Hunde im Stall erstreckte sich auf die Feststellung blutiger oder schleimiger 
Durchfälle, während bei den Meerschweinchen fast ausnahmslos der 
Exitus eintrat. 

Da bei Katzen festgestellt ist, dass nach einer periodischen Röntgen¬ 
durchleuchtung des gefesselten, nicht narkotisircen Thieres eine längere 
Zeit dauernde Beeinflussung der Darmthätigkeit bestehen bleibt, so 
haben wir an demselben Thier eine ev. zweite Untersuchung immer erst 
nach Ablauf von 14 Tagen vorgenommen. 

Bezüglich der normalen Magen-Darramotilität im Röntgenbild ver¬ 
weisen wir auf die zusammenfassenden Arbeiten von Magnus 1 ). 

I. Versuche am Hunde. 

1. Magen. 

Der normale Hundemagen stellte sich uns in allen Versuchen seiner 
Form nach dar als eine runde bis längliche, in ihrer Querachse breitere 
Blase, an der meist einige Minuten nach der Füllung nicht sehr lebhafte, 
aber deutliche Peristaltik vom Fundustheile her einsetzte. Nach ca. 20 Mi¬ 
nuten erfolgte der erste Uebertritt von Speise in das Duodenum. Anti¬ 
peristaltik oder Abschnürung eines Sphincter antri pylori konnten wir 
in keinem Versuch erkennen. Die einzelnen peristaltischen Wellen waren 
nur wenig tief. Auch bei den anaphylaktischen Hunden überzeugten wir 
uns in den meisten Versuchen vor der Reinjection von dem Vorhandensein 
dieser typischen Form und Bewegung. 

Die normale Dünndarmfüllung stellte sich uns dar als ziemlich 
breite Bänder, an denen rhythmische Segmentationen hin und wieder zu 
beobachten waren, mit langsamer peristaltischer Fortbewegung des Inhalts, 
so dass nach 3 Stunden nach der maximalen Dünndarmfüllung etwa der 
Inhalt sich in das Colon entleert hatte. 

Am Colon sahen wir normalerweise während der Schirmbeobachtung 
keine deutliche Bewegung, vor allem keine antiperistaltischen Wellen, 
während der Inhalt sich innerhalb von 16 Stunden bis in die Ampulle 
hinein fortbewegt hatte. Die erste Entleerung eines baryumsulfathaltigen 
Stuhls erfolgte frühestens 24 Stunden nach der Füllung. 

Bei unseren Anaphylaxieversuchen war die Magenform auch 
beim Shock im allgemeinen von der Norm nicht sehr abweichend. Eine 

1) Magnus, Asher-Spiro VII. Verhaudl. d. Congr. f. innere Med. 1912. 


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H. Schlecht und W. Weiland, 


stärkere Abschnürung, wie man sie bei der Katze als Sphincter zu sehen 
gewöhnt ist, zeigte sich nicht. In einem Versuche mit reiner Magen¬ 
füllung erfolgte im mittelschweren Shock auf eine initiale etwa ^ständige 
Erhöhung der Peristaltik ein völliger Stillstand der Magenbewegung 
bis zu 1 Stunde und 18 Minuten, ohne dass Inhalt aus dem Magen in 
das Duodenum übertrat und ohne dass die geringste Peristaltik zu 
beobachten war. Bei zwei anderen Versuchen, bei denen der Shock 
schwerer war, fehlte die initiale Erhöhung der Peristaltik völlig, im 
Gegentheil war der Magen gleich nach der Reinjection völlig still und 
ohne Bewegung. Der erste Uebertritt von Nahrung in das Duodenum 
erfolgte 22 Minuten nach der Reinjection und 37 Minuten nach der 
Füllung. Bei einem dritten Versuche setzte fast unmittelbar nach der 
Reinjection ungefähr in der Mivte des Magens zunächst eine seichtere 
Einziehung an beiden Curvaturen ein, die 5 Minuten nach der Reinjection 
eine völlige Abschnürung des Magens in 2 Theile darstellte in der Form 
eines functioneilen Sanduhrmagens. Diese Contractur blieb etwa 
3 / 4 Stunden nach der Reinjection bestehen, ohne dass weitere Bewegungen 
am Magen wahrgenommen werden konnten. 12 Minuten nach der Re¬ 
injection waren fragliche Dünndarmschlingen zu sehen, 17 Minuten später 
war eine solche sicher zu erkennen mit starker rhythmischer Segmentation 
und späterem spastischen Stillstand. 

Bei einem vierten Hunde, bei dem eine vorherige Magen- und Darm- 
(üllung gemacht worden war, iraponirte vor allem die bald nach der 
Reinjection einsetzende völlige Stilllegung des Magens, welche über 
1 Stunde anhielt. 

2. Dünndarm. 

In acht Beobachtungen, die zum Theil an reinen Dünndarmfüllungen, 
zum Theil an gleichzeitigen Magen- oder Dickdarmfüllungen und nur theil- 
weisen Dünndarmfüllungen erhoben wurden, hatten wir vollständig über¬ 
einstimmende Resultate: Die beim gesunden, aufgebundenen Thier zwar 
auch sichtbaren, aber wenig deutlichen rhythmischen Segmentirungen ver¬ 
stärkten sich nach der Reinjection zu ausserordentlich lebhafter 
Intensität, wobei zeitweise grosse peristaltische Wellen sichtbar 
wurden. Dieser Zustand entspricht zeitlich ungefähr der Phase der leb¬ 
haften motorischen Unruhe der Thiere resp. der Krämpfe. Aehnlich wie bei 
der Beobachtung am Magen geringe Mengen der Contrastmahlzeit aus dem 
Magen in den Dünndarm übertraten, konnten wir mehrfach das Eintreten 
resp. Auftreten schattengebender Substanz in dem Dickdarm verfolgen, dem 
dann allerdings keine vorzeitige Füllung des ganzen Dickdarms oder seines 
proximalen Antheils folgte. Dies Stadium der gesteigerten rhyth¬ 
mischen Segmentirung und vermehrter Peristaltik war gefolgt von 
einem Zustand, in dem die Dünndarmschlingen als ganz feine dünne 
Schnüre erschienen und aufStrecken hin rosenkranzartig angeordnete, 
zum Theil durch längere Strecken dünner Schnüre von einander getrennter 
Baryumkugeln bildeten, während irgend welche Bewegung am Darm nicht 
mehr zu erkennen war, der Darm also motorisch vollständig still stand. 
Dieser Zustand der völligen Ruhigstellung in Contraction 
dauerte bis zu einer Stunde an. Dann erschienen die Dünndarmschlingen 


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Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild. 


339 


wieder als sich verbreiternde Bänder und fortlaufende Beobachtung ergab 
keine weitere Abweichung von der Norm. Die Abbildungen 1 a und 1 b 
repräsentiren eine normale Darmfällung und eine solche auf der Höhe 
des Oontractionszustandes. Bei Thieren, die zur Zeit des Shocks reine 
Magenfüllung hatten, ergab die spätere Beobachtung des Dünndarms zwar 
eine lebhafte rhythmische Segmentation, aber keine veränderte Entleerungs¬ 
zeit des Dünndarms. 

3. Dickdarm. 

Bei Thieren, deren Magen- und Dünndarmbewegungen im Shock 
verfolgt worden waren, zeigte sich im späteren Ablauf der Dickdarm¬ 
bewegung ebenfalls keine Abweichung von der Norm. Die Beobachtung 
des Dickdarms selbst im Shock ergab dagegen folgendes: Aehnlich wie 
am Dünndarm eine starke rhythmische Segmentirung einsetzte, beobach¬ 
teten wir auch am Dickdarm grosse Abschnürungen und stärkere 
haustrale Segmentirungen, doch traten diese gegenüber den peristal¬ 
tischen Phänomenen in den Hintergrund. Diese letzteren äusserten sich 
darin, dass der Darminhalt in den Pausen zwischen den einzelnen Durch¬ 
leuchtungen sich um grosse Strecken analwärts verschob und besonders 
in der Pars descendens bei der Durchleuchtung lebhafte peristaltische 
Wellen sichtbar wurden. Mehrfach beobachteten wir dabei, dass bei 
bestehender Descendensfüllung innerhalb der ersten 20 Minuten nach 
der erfolgten Reinjection der ganze Inhalt nach rückwärts transportir 
wurde und nach weiteren 10—20 Minuten wieder an der alten Stelle 
sich befand. Bei diesen Versuchen sahen wir nie antiperistaltische 
Wellen und nur ein einziges Mal (in einem anderen Versuch) hatten 
wir bei der Beobachtung am Leuchtschirm den Eindruck, als ob eine 
Zeit lang die Peristaltik im Descendens in entgegengesetztem Sinne 
verlief. Stuhlentleerungen traten bei unsern Dickdarmversuchen regel¬ 
mässig auf. Erfolgten sie nicht im Shock, so kamen sie der Norm ent¬ 
sprechend viel später, eine Thatsache, die den übrigen Beobachtungen, 
die wir auch am Dickdarm selbst machten, entspricht, dass nämlich 
nach Ablauf der schweren Shockerscheinungen eine beschleunigte Passage 
oder eine veränderte motorische Thätigkeit der betreffenden Darm¬ 
abschnitte nicht vorhanden ist. 

Dass es sich bei unseren Hunden um wirkliche anaphylaktische 
Shockzustände gehandelt hat, geht aus unseren Versuchsprotokollen 
mit Sicherheit hervor. Zwar konnten wir keine Temperaturmessungen 
und Blutdruckbestimmungen vornehmen, doch zeigten die Thiere alle 
sonstigen für den Shock charakteristischen Symptome: Krämpfe, motorische 
Unruhe, Würgbewegungen, Erbrechen, Thränen- und Speichelfluss, un¬ 
willkürlichen Abgang von Stuhl und Urin, Apathie, Ungerinnbarkeit des 
Blutes usw. 

Wir haben ausserdem bei den meisten unserer Versuchshunde 
unsere Aufmerksamkeit auf die Beobachtung etwaiger Veränderungen an 
den Thoraxorganen besonders des Zwerchfells gerichtet. Gesetz¬ 
mässigkeiten konnten wir nicht feststellen. Eine deutliche Lungen¬ 
blähung fehlte in allen Fällen; nur war die Art der Athmung resp. 


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340 


H. Schlecht und W. Weiland, 


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der Zwerchfellbewegung stets von der Norm abweichend, insofern 
als in einzelnen Fällen auffallend tiefe respiratorische Verschie¬ 
bungen des Zwerchfells Vorkommen, in anderen eine mehr krampfhafte 
Athmung, bei der das Zwerchfell nur geringe aber beschleunigte Ex- 
cursionen machte. In einem Falle wechselten tiefe Athemzüge mit einem 
intermittirenden Athemstillstand. Ob diese Verschiedenheiten im 
Verhalten der Schwere des Shocks parallel gehen, vermögen wir nicht 
zu sagen. 

II. Versuche an Meerschweinchen. 

1. Lunge und Zwerchfell. 

In 11 Versuchen verliefen die Erscheinungen beim anaphylaktischen 
Meerschweinchen an Zwerchfell und Lungen, soweit sie mit dem 
Röntgen verfahren zu controliren waren, völlig gleichartig und nur je 
nach der Schwere des Shocks graduell etwas verschieden. Unmittelbar, 
d. h. wenige Secunden nach der intravenösen Reinjection, bei intra¬ 
peritonealer zeitlich etwas später, wurden zunächst die Athembewe- 
gungen des Zwerchfells frequenter unter Kleinerwerden der ein¬ 
zelnen Excursionen. Schon zu dieser Zeit rückte das Zwerchfell im 
ganzen tiefer und es machte sich eine zunehmende Aufhellung 
der beiderseitigen Lungenfelder bemerkbar, die beiderseits deutlich 
an dem Weiterwerden der Complementärräume und der Zunahme der 
Helligkeit zu erkennen war. Der Herzschatten, der bis dahin dem Zwerch¬ 
fell nahe resp. aufgelagert war, rückte vom Zwerchfell ab, wurde unter 
der zunehmenden Aufhellung undeutlicher und weniger scharf abgesetzt. 
Unter Zunahme der Aufhellung und weiterem Tiefertreten des Zwerchfells 
setzte nun eine II. Phase ein, bei der das Zwerchfell abgeflacht 
erscheint und nur mehr einzelne krampfhafte, tiefe, zeitlich 
ganz unregelmässig aufeinanderfolgende und durch lange 
Pausen voneinander getrennte Inspirationsbewegungen machte. 
Diese werden immer seltener und kleiner und zuletzt sistiren sie 
völlig, sodass das Zwerchfell beiderseits in Inspirationsstellung 
unter vollständiger Abflachung stehen bleibt. Unter dem Ein¬ 
fluss der auxiliären Athemmuskulatur, insbesondere der Bauchpresse, wird 
dann das Zwerchfell als Ganzes zeitweise noch etwas nach oben in den 
Thoraxraum gehoben, ohne dass eine active Veränderung am Zwerchfell 
selbst zu beobachten wäre. In einzelnen Versuchen war die Blähung 
resp. Aufhellung der Lunge so stark, dass von dem Herzschatten kaum 
mehr etwas zu erkennen war. 

Bei den intraperitoneal reinjicirten Thieren waren die Erscheinungen 
weniger stürmisch. Frequente Athmung, Aufhellung und Abflachung des 
Zwerchfells waren aber auch hier constant festzustellen. 

Wenn die Thiere sich von dem Shock erholten (nur bei intraperito¬ 
nealer Reinjection!), was auch nach zeitweisem Zwerchfellstillstand noch 
eintreten kann, so setzte allmählich unter Rückgang der Aufhellung der 
Lungenfelder eine periodische Athmung wieder ein, die, anfangs verlang¬ 
samt, allmählich zum normalen Rhythmus zurückkehrte. 

Der Ablauf dieser Phänomene lässt sich natürlich am Schirm besser 


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Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild. 


341 


beobachten, als er auf der Platte fixirt werden kann. Immerhin dürften 
die Abbildungen 2a u. 2 b die Aufhellung und Abflachung des Zwerchfells 
deutlich illustrircn (2a vor der Reinjection, 2b im Shock). 

2. Darm. 

Wie bei den Hundeversuchen die rhythmischen Segmentirungen und 
Abschnürungen des Darminhaltes, sowie die intensive Contraction des 
Dünndarms im Vordergründe der Erscheinungen stehen, so fand sich 
auch beim Meerschweinchen ein ähnlicher Symptomencomplex. Auch 
beim Meerschweinchen wurde der Contractionszustand des ruhig 
gestellten Dünndarms deutlich, auch zeigten sich am Dickdarm 
vermehrte Abschnürungen und Vertheilungen des Inhalts, sodass marmo- 
rirte Schattenbilder zu Stande kamen und stärkere haustrale Segraen- 
tirungen auftraten. Hauptsächlich waren aber auch hier die Ver¬ 
änderungen des Dünndarms Zusehen: lebhafte rhythmische Seg- 
mentirung und darauffolgend enge, dünne, contrahirte Schlingen, 
mit zum Theil perlschnurartig aneinandergereihten Inhaltskugeln. Der Ge- 
sammteindruck des Darmbildes vor und nach der Reinjection lässt sich 
dahin zusaramenfassen, dass das vorher durch die starke Füllung und 
geringe Activität des Darms verwaschene Bild nachher durch die ver¬ 
mehrte Scgmentirung, die verstärkte Contraction der Darmwand um den 
Inhalt und zuletzt durch die motorische Ruhigstellung im Contractions¬ 
zustand viel schärfer und präciser wurde. (Vgl. Bild 2 a bis 3 b). 

Tödtet man ein solches Thier nach dem Schluss der Beobachtung, 
so findet sich das geschilderte Bild auch autoptisch, indem besonders 
am Dünndarm, aber auch am Dickdarm die hyperämische Darmwand 
eng um die einzelnen Kothkugeln herum contrahirt ist, die voneinander 
durch leere, auf ein geringstes Volumen zusammengezogene Darmstücke 
getrennt sind. 

III. Antianaphylaxie und Control versuche mit primär injicirten Thieren. 

Unsere Controlversuche im Stadium der Antianaphylaxie und bei 
vorher unbehandelten Thieren, welche intravenös nicht inactivirtes Pferde¬ 
serum erhielten, zeigten keine Reaction auf die Injection und keine 
Abweichungen der Magendarmform resp. -bewegung von der 
Norm. 

IV. Zusammenfassung. 

Die Röntgenuntersuchung anaphylaktischer Hunde und Meeschwein- 
chen führte zu folgenden Ergebnissen: 

1. Der Ablauf der Magen- und Darmbewegungen beim anaphylak¬ 
tischen Shock des Hundes gestaltet sich so, dass alle Darm¬ 
abschnitte in ähnlicher Weise von ihm betroffen werden; es treten 
vor allem Contractionszustände und Forraveränderungen auf, die 
sich in Abschnürungen und Vertheilung des Inhalts äussern. 
Hauptsächlich am Dünndarm, aber auch am Dickdarm ist eine 
lebhafte Zunahme der sogen. Pendelbewegungen zu beobachten, 
die im Röntgenbilde als rhythmische Segmentationen sichtbar 
werden. Eine Beeinflussung der zeitlichen Darmpassage ist mit 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd. qq 


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342 Schlecht u. Weiland, Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild. 


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Ausnahme einer Verzögerung der Magenentleerung nicht beob¬ 
achtet. Die veränderten motorischen Verhältnisse folgen zeitlich 
so aufeinander, dass eine kürzere Periode gesteigerter Bewegung 
gefolgt wird von einer längeren Phase des absoluten Stillstandes 
in Contraction. 

Beim Meerschweinchen scheinen ähnliche Veränderungen am 
Darm vorzuliegen, besonders der Dünndarm reagirt in ähn¬ 
lichem Sinne. 

2. Während beim Hunde gröbere Veränderungen des Athmungstypus 
und der Zwerchfellbewegung nicht constant auftreten, ist beim 
Meerschwein im anaphylaktischen Shock regelmässig ein charak¬ 
teristisches Athmungsbild im Röntgenbild vorhanden. Auch hier 
folgt auf eine Periode frequenterer, aber oberflächlicher Athmung 
(also vermehrter Motilität) unter gleichzeitiger Lungenblähung 
(d. h. Aufhellung), ein Tiefertreten des abgeflachten Zwerchfelles, 
das in Contraction inspiratorisch stehen bleibt. 

Eine theoretische Erklärung unserer Versuche oder eine Auseinander¬ 
setzung mit den bekannten Theorien über den Ablauf des anaphylakti¬ 
schen Shocks können wir so lange nicht geben, als unsere Untersuchungen 
an den überlebenden Organen nicht abgeschlossen sind 1 ). 

Kiel, den 6. Januar 1913. 


1) Es ist bekanntlich von den verschiedensten Seiten wiederholt auf die Aehn- 
lichkeit zwischen dem anaphylaktischen Symptomencomplex des Meerschweinchens 
und dem Asthma bronchiale des Menschen hingewiesen worden. In ähnlicher Weise 
dürften vielleicht die eigenartigen Veränderungen am Magendarmcanal, insbesondere 
die Enteritis anaphylactica im Verein mit den von uns dargelegten motorischen 
Störungen (vor Allem die spastische Contraction) in Analogie zu setzen sein mit jenen 
von Strümpell zuerst als „Darmasthma“ bezeichneten, bisher in ihrör Natur noch 
unbekannten Darmkrisen beim Menschen. 


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XVIII. 


Aus der I. inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses 
Charlottenburg-Westend (Prof. Dr. Umber). 

Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten 
mit besonderer Berücksichtigung der Lipoide. 

III. Mittheilung. 

Von 

Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger. 


Mehrfach ist das Blut Gegenstand chemischer Untersuchungen ge* 
wesen, die von dem Gedankengang geleitet wurden, Blut als bequem 
zugängliches Untersuchungsobject zum Studium von Gewebsveränderungen 
in Krankheiten heranzuziehen und dadurch die Erkenntniss des Wesens 
krankhafter Zustände zu fördern. Die Arbeiten, die bisher über diesen 
Gegenstand erschienen sind, kamen zum Theil zu sehr ungleichen Resul¬ 
taten. Zur Mittheilung der folgenden Untersuchungen halten wir uns 
deshalb berechtigt, weil sie in einigen Punkten Abweichungen von bereits 
Bekanntem und einzelne Ergänzungen bringen. Es lag uns nicht daran, 
den von berufener Seite bei den verschiedensten Krankheiten angestellten 
Gesammtanalysen des Blutes einige neue beizufügen; wir haben vielmehr 
frei von jedem Schema aus einer grösseren Zahl von Untersuchungen 
einige, die uns besonderes Interesse zu bieten schienen, vergleichend 
zusamraengestellt. Dabei wurde auch Rücksicht genommen auf die 
quantitativen Verhältnisse der Lipoide in Serum und Blutkörpern, 
deren Bedeutung für viele biologische Fragen man immer mehr ein- 
sehen lernt. 

Da bei den Untersuchungen die Wahl der Methodik wesentlich ist, 
setzen wir die den folgenden Befunden zu Grunde gelegte Technik an 
den Beginn unserer Mittheilungen. 

Das durch Aderlass gewonnene defibrinirte Blut wird in graduirten Gläsern 
1 Stunde lang centrifugirt (elektrische Centrifuge: 3000 Touren). Nach dieser Zeit 
ändert sich das Volumen der Blutkörperchen nicht mehr und der Volumquotient von 
Blutkörperchen zu Serum kann in einwandfreier Weise abgelesen werden. Das Serum 
und die dreimal mit physiologischer Kochsalzlösung gewaschenen Blutkörper werden 
in einem Faustischen Ventilationsapparat 24 Stunden bei 40° und weiter im Vacuum 
bis zur Gewichtsconstanz getrocknet. Das pulverisirte, mit Seesand gemischte Serum 
wird im Soxhlet’schen Apparat 48 Stunden mit Alkohol und 72 Stunden mit Chloro¬ 
form extrahirt. 

Die Extraction der pulverisirten Blutkörper erfolgte in der Kälte und zwar je 
7 Tage in Aether und Alcohol abs. Wir wählten die kalte Extraction wegen der 

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344 


H. Beumer und M. Bürger, 


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immerhin denkbaren Zersetzung der Lipoidsubstanzen, besonders des Lecithins, dessen 
ätherlösliche Säureradicale dann einen zu hohen Gehalt an Fettsäuren und einen zu 
geringen an Lecithin vorgetäuscht haben würden. Nach einer 14 tägigen kalten Ex¬ 
traction ergab eine einstündige Extraktion mit kochendem Chloroform immer noch 
geringe Extractmengen, die aber nur aus Farbstoffen bestanden und keinen nachweis¬ 
baren Lecithingehalt aufwiesen. Die Gefahr der Zersetzung bei heisser Extraction 
scheint nicht so gross zu sein. Wir arbeiteten aber deshalb in der Kälte, weil man 
auf diese Weise zu saubereren, durch Farbstoffe nicht verunreinigten Extracten kommt. 
Beim Serum ist eine Extraotion in der Kälte selbst bei langer Dauer nicht quantitativ. 
Liebermann hat schon gezeigt, dass sich auf solche Weise die Lipoide au£ dem 
Serum sehr sohwer herauslösen lassen. Die Trocknung der Extracte wurde wiederum 
im Faustischen Apparat und im Vacuum-Exsiccator vorgenommen. Der Lecithin¬ 
gehalt wurde aus der nach Neumann bestimmten P 2 0 5 -Menge durch Multiplication 
mit 11,4 berechnet und zwar wurden dabei neben den acetonfällbaren auch die aceton- 
löslichen Phosphatide berücksichtigt. In einem Theil des lecithinfreien Extracts 
wurde das freie Cholesterin als Digitonin-Cholesterid nach Windaus bestimmt, im 
alkoholischen Filtrat die Fettsäuren entweder direct oder nach Ausschüttelung mit 
Aether nach Titration mit Vio Normalnatronlauge und unter Zugrundelegung eines 
Moleculargewichts Von 284 berechnet. Der übrige Theil des Extractes wurde mit 
frisch bereitetem Natrium-Alkoholat energisch verseift und die Gesammtmenge des 
Cholesterins aus dem ungebundenen und den Cholesterinestern durch Digitoninfällung 
ermittelt. Als Multiplicationsfactor des Digitonin-Cholesterids wurde 0,25 nach den 
Vorschriften von Windaus genommen. Die Fettsäuien aus den Serumseifen wurden 
duroh Aetherextraction nach vorausgehender Spaltung mit’ 1 proc. salzsaurem Alkohol 
gewonnen, titrirt und den freien Fettsäuren zugerechnet. Die so extrahirte Substanz 
lieferte nach einer 24 ständigen Pepsinverdauung keine nennenswerten Extracte mehr. 
Das Eisen wurde nach Säuregemisch Veraschung jodometrisch, Stickstoff nach Kjel- 
dahl, bestimmt, der Gesammtsohwefel nach Veraschung mit Natriumperoxyd als 
Bariumsulfat gewogen. 

Das Eiweiss des Serums und der Blutkörper wurde aus den Stick¬ 
stoffzahlen berechnet, das Hämoglobin aus den Eiscnwerthen durch Multi¬ 
plication mit 238. 

Polyglobulie (1). 

Chemische Untersuchungen bei Polyglobulie sind bisher nur von 
Weintraud (la) angestellt. Eine gesonderte Untersuchung der Erythro- 
cyten wurde dabei nicht durchgeführt. Es zeigt sich gerade in diesem 
Fall, dass man dadurch in sonst schwer übersehbare Verhältnisse neue 
Einblicke gewinnen kann. 

Aus der Krankengeschichte: 63jähriger Ingenieur. Eigenartige blaurothe 
Farbe des Gesichts, der Ohren, Finger und Zähne. Sclerose der peripheren Arterien, 
Blutdruck (auscultatorisch bestimmt), Leber wenig vergrössert, unterer Milz¬ 
pol 2 cm unterhalb des Rippenbogens. Klagen über Athemnoth und Blutandrang zum 
Kopf. Im Urin wenig Eiweiss, einige rothe und weisse Blatkörper, keine Cylinder, ver¬ 
mehrtes Urobilin und Urobihnogen. Rothe Blutkörper: 9760000; weisse Blutkörper: 
12100 (an verschiedenen Körperstellen entnommen). Hämoglobin: = 175 pCt. 

(Sahli). Färbeindex 0,9. Blutbild: ohne Besonderheiten, Wassermann’sche Reaction 
negativ. Gestorben an intercurrenter Pneumonie. Aus dem Sectionsbefund: Enormer 
Blutreichthum aller Organe, Milz über das Doppelte vergrössert. Arteriosclerose, 
Nephritis chronica interstitialis, gelbes Knochenmark. 


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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc. 


345 


Volumquotient: 


188 Serum 
812 BlatkOrper 



1000 g Blut bestehen aus 
Blutkörpern | Serum 

1000 g 

Blutkörper 
bestehen aus 

1000 g 

Serum 

bestehen aus 

1000 g Ge- 
sammtblut 
bestehen aus 

Feucht . 

821,968 

178,032 

_ 

_ 

_ 

Trocken. 

234,664 

16,198 

285,491 

90,982 

250,862 

Wasser. 

587,304 

161,834 

714,509 

909,018 

749,138 

Eiweiss. 

208,338 

12,251 

253,453 

68,825 

220,589 

Hämoglobin. 

156,307 

— 

190,162 

— 

156,307 

Cholesterin. 

0,348 

— 

0,423 

— 

— 

Lecithin. 

1,334 

0,376 

1,609 

2,058 

1,710 

Fettsäuren. 

1,465 

0,449 

1,783 

2,499 

1,914 

Gesammtextract . . . 

4,505 

2,144 

5,408 

12,043 

6,649 

Total P-,0*. 

1,577 

1,353 

0,104 

1,918 

0,575 

1,681 

Total S0 8 . 

— 

1,647 

— 

— 

Lipoid P 2 0 6 . 

Eisen. 

0,117 

0,656 

0,033 

0,141 

0,799 

0,185 

0,150 


Die Zusammensetzung der rothen Blutkörper zeigt erheb¬ 
liche Abweichungen von der Norm. Es fällt auf, dass die rothen 
Blutkörper arm sind an Trockensubstanz und Eiweiss. Der 
durchschnittliche Eiweissgehalt der feuchten Blutkörper von sechs 
anämischen. Patienten betrug 32pCt., im Falle der Polyglobulie 25,3 pCt. 
= 79,3pCt. der Norm. 

Daraus liesse sich ohne Weiteres eine Eiweissverarmung und Wasser¬ 
anreicherung der einzelnen Zelle ableiten unter der Voraussetzung, dass 
das Volum der einzelnen Erythrocyten dem des normalen entspräche; 
dass dies nicht der Fall ist, lehrt folgende Berechnung: Nehmen wir 
mit Arronet (2) an, dass 47,88 pCt. des Blutvoluraens (defibrinirtes 
Blut des Mannes) durch die Blutkörperchenschicht ausgefüllt seien bei 
5000000 Erythrocyten, so würden bei 9760000 unseres Falles 


9760000 X 47,88 
5000000 


= 93,46 pCt. des Blutvolumens von den Rothen ein¬ 


genommen; wir fanden aber nur 81,26 pCt., daraus ergiebt sich, dass 
das Volumen des einzelnen Erythrocyten nur 87,14pCt. des 
Normalen beträgt. Wir können deshalb von einer Polymikro- 
cythämie sprechen. 

Dieser Befund ist nicht eine Eigenthümlichkeit unseres Falles. Das 
geht mit Nothwendigkeit daraus hervor, dass wiederholt Fälle von Poly- 
cythämien mit weit über 10000000 rothen Blutkörpern im Cubikmilli- 
meter beschrieben wurden. Bei normaler Grösse des einzelnen Erythro¬ 
cyten füllen 10000000 Zellen bereits nahezu lOOpCt. des Gesammt- 
volumens, ohne Raum für das Serum zu lassen. Man muss — die 
Richtigkeit der Zählungen vorausgesetzt — bei jedem Fall von Poly- 
cythämie mit über 10000000 rothen Blutkörpern im Cubikmillimeter — 
eine Volumsverkleinerung der einzelnen Zelle erwarten. Es soll nicht 
unerwähnt bleiben, dass schon Vaquez und sein Schüler Quisome sich 
mit der Grösse der Erythrocyten befassten. Der Leztere bemerkte schon 
bei Polycythämien im Höhenklima häufig Zellen mit einem Durchmesser 
von 5,5—5 fi. Es erhebt sich die Frage, ob die Zusammensetzung eines 


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346 


H. Beumer und M. Bürger, 


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rothen Blutkörperchens unter Berücksichtigung seines kleineren Volumens 
der eines gesunden entspricht. Auch das muss verneint werden. Während 
das Volum der rothen Blutkörper 87,14 pCt. der Norm entspricht, be¬ 
trägt der Eiweissgehalt nur 79,3 pCt. des Normalen. Daraus geht hervor, 
dass die einzelne Zelle nicht nur absolut, sondern auch relativ 
ärmer an Eiweiss als ein Normocyt ist. Auch das aus dem Eisen 
berechnete Hämoglobin ist erheblich vermindert, was mit dem herab¬ 
gesetzten Färbeindex gut übereinstimmt. Die Werthe für Cholesterin 
und Lecithin sind gleichfalls beträchtlich herabgesetzt, während der 
für das Gesammtextract gefundene an der unteren Grenze der Norm 
liegt. Hoch ist der Werth für die freien Fettsäuren der Blutkörper. 

Wir sehen in diesen Zahlen den Ausdruck einer gesteigerten 
Production von „rainderwerthigen“ Erythrocyten. Der Fall 
lehrt, dass auch ohne eine Metaplasie des gelben Markes in rothes eine 
gesteigerte Erythropoese vor sich geht; dass eine extramedulläre Blut¬ 
bildung in diesen Fällen eintreten kann, wurde von Hirschfeld (3) 
bereits gezeigt, der in der Milz Entwickelung myeloiden, erythroblastischen 
Gewebes beobachtete. 

Hervorheben möchten wir schliesslich noch, dass die von uns ge¬ 
fundene Zusammensetzung der Blutkörper bei Polycythämie sich stark 
derjenigen chlorotischer Blutkörperchen nähert. Dass mit der gesteigerten 
Bildung rother Zellen ein gesteigerter Zerfall einhergeht, lehrt der Befund 
vermehrten Urobilins im Harn. 

Die Betrachtung des Gesammtblutes lässt die abweichende Zu¬ 
sammensetzung der Rothen schwer erkennen. Es zeigt sich besonders 
in diesem Fall, dass die getrennte Untersuchung von Blutkörpern und 
Serum für vergleichende Betrachtungen allein zulässig ist. 

Das Serum ist normal concentrirt. Das erscheint uns be¬ 
sonders darum wichtig, weil für einige Formen der Polyglobulie eine 
Bluteindickung als erklärende Ursache herangezogen wird. Abder¬ 
halden (4) hat bewiesen, dass dieses Moment eine wichtige, vielleicht 
die ausschlaggebende Rolle spielt für die Formen der Polycythämie, die 
man im Höhenklima beobachtet. Er fand nämlich bei Thieren gleichen 
Wurfs, die er theils in der Ebene, theils längere Zeit in grossen Höhen 
hielt, zugleich mit einer relativen Polyglobulie der Gebirgsthiere in deren 
Serum einen höheren Gehalt an festen Stoffen und Eiweiss. Für unsern 
Fall können wir eine Eindickung des Blutes als Erklärung für das 
Krankheitsbild wegen des durchaus normal concentrirten Serums ab¬ 
lehnen. Nur die Zahl für das Gesaratextract ist bemerkenswerth hoch. 
Eine Erklärung dafür können wir nicht geben. Wir wollen nur darauf 
hinweisen, dass auch Weintraud (19) bei einem von ihm untersuchten 
Fall von Polyglobulie einen hohen Fettgehalt des Serums angiebt. 

Perniciöse Anämie (5). 

Fall XIII: 54jährige Frau mit äusserst blassen, welken Hautdecken, in sehr 
schlechtem Ernährungszustand. Völliger Schwund des Fettpolsters, keine Blutungen, 
keine Darmparasiten, Augenhintergrundsblutungen, Aetiologie unbekannt. Blutbild: 
Massige Poikilocytose. Keine Erythroblasten. Wenig neutrophile Leukocyten. W'cisse 


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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc. 


347 


2000. Rothe 360000. Hb weniger als lOpCt. (Sahli). Färbeindex nicht erhöht. 
Pathologisch-anatomische Diagnose: Atrophie der Magendaimschleimhaut. Rothes 
Knochenmark. Perniciöse Anämie. 

Fall XVI: 34jähriges, sehr blasses Mädchen. Guter Ernährungszustand, reich¬ 
liches Fettpolster. Continua bis 40° mit geringen Remissionen. Keine Blutungen, 
keine Darmparasiten. Augenhintergrundsblutungen. Im Urin reichlich Urobilin und 
Urobilinogen, kein Gallenfarbstoff. Aetiologie unbekannt. Erythrocyten 1000000. 
Leukocyten 3400. Hb lOpCt. (Sahli). Blutbild: Spärliche kernhaltige, rothe; starke 
Poikilooytose. Viele polychromatophile; viele basophil-getüpfelte Rothe. Pathologisch¬ 
anatomische Diagnose: Atrophie der Magendarmschleimhaut. Fettleber, Tigerherz. 
Rothes Knochenmark. Perniciöse Anämie. 

Die Blutentnahme wurde in beiden Fällen 20 Minuten post exitum 
gemacht und ergab 1500 resp. 2000 ccm Blut, das durch Rühren mit 
einem Glasstab defibrinirt und sofort weiter verarbeitet wurde. Für 
das Volumverhältniss zwischen rothen Blutkörperchen und Serum er¬ 
gaben sich folgende Werthe: 

1000 ccm Blut enthielten an Volumina in Cubikcentimetern 

I II normal 1 ) 

Blutkörperchen . . . 50,0 87,5 450,0 

Serum. 950,0 912,5 550,0 

Setzt man diese Zahlen mit den durch Zählung erhaltenen Blut- 
körperchenwerthen in Beziehung, so ergiebt sich für das einzelne Blut¬ 
körperchen in Fall I ein das normale 2 1 / 2 mal überschreitendes Volumen, 
während bei II das Volumen ungefähr der Norm entspricht. Eine 
Grössenzunahme der Erythrocyten wurde auch von Erben (6) bei der 
pernieiösen Anämie gefunden und darf für viele Fälle als Charaktc- 
risticum gelten, kann aber nicht für eine absolut scharfe Abgrenzung 
von pernieiösen und anderen Anämien verworthet werden. # 

Das stark herabgesetzte specifische Gewicht des Blutes von 1056 auf 1028 
resp. 1024 findet seine selbstverständliche Erklärung in dem verminderten 
Blutkörperchengehalt, zum Theil auch in dem sehr niedrigen specifischen 
Gewicht des Serums von 1024 resp. 1019 gegen 1029—30 der Norm. 

Die Ergebnisse der chemischen Untersuchung finden sich in folgender 
Uebersicht: 



1000 g Erythrocyten 
enthalten 

1000 g Serum enthalten 


XIII 

XVI 

XII1 

XVI 

Trockensubstanz .... 

340,126 

307,944 

77,493 

70,373 

Wasser. 

659,874 

692,056 

922,567 

929,627 

Eiweiss. 

322,780 

282,824 

57,743 

56,244 

Extrakt. 

5,585 

5,297 

6,834 

3,794 

Lecithin. 

0,999 

2,181 

0,806 

0,915 

Cholesterin. 

0,714 

0,952 

0,215 

0,221 

Cholesterinester .... 

— 

— 

0,510 

0,290 

Fettsäuren. 

0.643 

0,416 

0,361 

1,670 

Fe. 

1,064 

1,007 

— 

0,0144 

Total S0 3 . 

2,326 

2,350 

0,594 

— 

Total P 2 0 B . 

2,329 

2,030 

0,440 

0,435 


1) Für Frauen, bei Annahme von 4500000 Erythrocyten im Cubikmillimeter. 


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348 


II. Beumer und M. Bürger, 


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Aus diesen Zahlen möchten wir hervorheben, wie in Fall I bei einer 
so starken Verminderung der Blutkörperchenzahl auf 360 000 im Cubik- 
millimeter in der qualitativen Zusammensetzung der einzelnen Erythro- 
cyten bezüglich des Trocken- und Eiweissgehalts ganz an normalen 
Werthen festgehalten wird. Jacksch (7) und andere Untersucher haben 
sogar manchmal einen die Norm übersteigenden Eiweissgehalt der Blut¬ 
körperchen gefunden. Doch ist weder ein normaler Eiweissgehalt noch 
eine Erhöhung regelmässig zu finden, wie aus Fall II hervorgeht, ebenso 
wie ein erhöhter Färbeindex nicht unbedingt bei jeder perniciösen Anämie 
zu bestehen braucht Darauf weist auch Hürter hin. Immerhin scheint 
doch ein, wenn nicht erhöhter, so doch im Verhältniss zu der starken 
Herabsetzung der Erythroeytenzahl relativ hoher Trocken- 
und Eiweissgehalt bei der perniciösen Anämie im Gegensatz zum 
umgekehrten Verhalten des chlorotischen Blutes fast regelmässig vor¬ 
handen zu sein und die Werthigkeit des einzelnen Blutkörperchens — 
wenn Concentration als Qualitätsgrad gelten darf — nur wenig ge¬ 
schädigt, in anderen Fällen sogar erhöht zu sein.. Dass bei der 
perniciösen Anämie wirklich compensatorisch vollwertigere Erythro- 
cyten mit vergrösserter Sauerstoffcapacität Vorkommen, scheint aus den 
Gasanalysen hervorzugehen. Hiermit stimmt die Erfahrungsthatsache 
überein, dass perniciös anämische Kranke trotz enorm gesunkener Ery- 
throcytenzahl noch eine erstaunliche Leistungsfähigkeit zeigen können. 

Die Lecithinwerthe der rothen Blutkörper erscheinen erheblichen 
Schwankungen unterworfen. Erben fand in seinem Falle abnorm hohe 
Werthe von 4 pM. Im Gegensatz dazu ist der Lecithinwerth im Fall XIII 
mit 0,999 pM. als sehr stark herabgesetzt, im Fall XVI mit 2,18 pM. 
als annähernd normal anzusehen. Zweifellos hängt das von der mehr 
acuten oder chronischen Art des KrankheitsVerlaufs ab. Wir sehen in 
Fall XIII den Endzustand eines Organismus, der sehr lange der unbe¬ 
kannten, die perniciöse Anämie bedingenden Noxe ausgesetzt gewesen 
ist, die schliesslich zu einer derartigen Erschöpfung des Fett- und Lipoid- 
gchalts und Atrophie des ganzen Blutes führt. Die Regenerationsfähigkeit 
geht dabei allmählich verloren: trotz rothen Knochenmarks finden sich 
keine charakteristischen Zeichen einer Regeneration im Blut, auch die 
Erythrocytenzahlen sinken auf äusserst niedrige Werthe herab. Fall XVI 
hingegen zeigte einen viel acuteren Krankheits verlauf bei einer jungen, 
in gutem Ernährungszustand befindlichen Patientin mit einem deutlich 
regenerativen Blutbild. 

Das Serum erweist sich in beiden Fällen äusserst wasserreich unter 
starker Herabsetzung des Eiweiss- und Lipoidgehalts. Beide lassen 
an ihrer dunkelgelbgrünen stark dikroten Färbung den fast 
pathpgnomonischen, hohen Urobilingehalt erkennen, der einen 
erhöhten Blutkörperzerfall wahrscheinlich macht. In einem 
weiteren hier nicht angeführten Fall, der zur Autopsie kam, konnten wir 
ebenfalls Urobilin in reichlichen Mengen im Serum nachweisen. Die Be¬ 
funde erinnern an die von Syllaba(8), der aber über Bilirubinbefunde 
im Serum berichtet. Im gleichen Sinne spricht der Befund von 0,014 pM. 
Fe im Serum von Fall XVI, wie auch das vermehrte Auftreten von 
Urobilin und Urobilinogen im Harn. 


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Beitrag« zur Chemie des Blutes in Krankheiten eto. 


349 


Das daraufhin untersuchte Serum XVI 1 ) enthielt keine Auto- oder 
Isolysine, die überhaupt bei der perniciösen Anämie in vitro selten 
nachweisbar zu sein scheinen. Eisenberg konnte in einem Fall Auto- 
lysine feststellen, während diesKreibich und Ascoli nicht gelang. Faust 
und Tallquist (9) hatten in einem Fall von Bothriocephalus-Anämie un¬ 
sicheren Ausfall der Hämolyse. 

Die Aetiologie der idiopathischen perniciösen Anämie der Biermer- 
schen Krankheit ist noch durchaus unbekannt, wahrscheinlich giebt es ver¬ 
schiedene Ursachen. In gewissen Fällen hat man, gestützt auf entsprechende 
Befunde, den Bothriocephalus latus als Erreger angenommen, trotzdem auch 
dieser ätiologische Zusammenhang durch das Auftreten von Recidiven nach 
Abtreibung des Bothriocephalus wieder stark angezweifelt worden ist. Faust 
und Tallquist glaubten das anämisirende Princip bei diesen Anämien in 
dem aus der Leibessubstanz des Bothriocephalus extrahirbaren Cholesterin¬ 
ölsäureestern sehen zu müssen und konnten auch durch chronische Verab¬ 
folgung von Oelsäure bei Hunden Anämie erzeugen. Stark wirksame Hämo¬ 
lysine, die aus der Darmschleimhaut von perniciös anämischen Kranken 
extrahirt werden konnten, Hessen als Ursache auch der idiopathischen 
perniciösen Anämie an die Oelsäure denken, jedoch fanden diese Befunde 
keine weitere Bestätigung und die in gleicher Richtung gemachten thera¬ 
peutischen Versuche, die als hämolytische Ursache supponirte Oelsäure 
durch Glycerin oder Cholesterin abzusättigen, führten nicht zu einwandfreien 
günstigen Resultaten. Sehr bemerkenswerth sind die zur Klärung der Oel- 
säurewirkung vorgenommenen Untersuchungen Schmincke’s und Flury’s 
(10) über das Verhalten der Erythrocyten bei chronischer Oelsäurevergiftung. 

Flury fand, dass in den Erythrocyten des chronisch mit Oelsäure 
vergifteten Hundes das Cholesterin sich nicht als freies Cholesterin, 
sondern in Form schwer verseifbarer Verbindungen, also als Cholesterin- 
Ester vorfand. Daneben stellte er einen hohen Gehalt der Erythrocyten 
an freien Fettsäuren fest und sieht hierin die für Oelsäure charakte¬ 
ristischen Wirkungen auf die Erythrocyten. 

Falls nun bei den menschlichen perniciösen Anämien die Oelsäure 
wirksam ist, dürfte man erwarten, bei den menschlichen Erythrocyten 
ähnliche Abweichungen von der Norm zu finden wie sie Flury bei seinem 
experimentell mit Oelsäure anämisirten Hund feststellte. 

Die frühere Ansicht, dass die Lipoidsubstanz der Erythrocyten nur 
aus Cholesterin und Lecithin bestände, kann nach den Untersuchungen 
von Bang und Forssmann als widerlegt gelten. Auch wir fanden in 
allen Fällen geringe Mengen von Fettsäuro und Neutral fett. Bei dem 
Gehalt an freien Fettsäuren lag die Möglichkeit nahe, dass neben freiem 
Cholesterin auch Cholesterinester normaler Weise Vorkommen könnten. 
Unsere daraufhin bei normalen Erythrocyten angestellten Untersuchungen 
ergaben jedoch stets ein negatives Resultat oder so geringe Spuren, dass 
sie als innerhalb der Fehlergrenze liegend, nicht in Betracht gezogen werden 
konnten. Inzwischen veröffentlichte Röhmann (11) einige Befunde von 
Cholesterinestern bei Pferdeblutkörpern; jedoch wurden diese Unter¬ 
suchungen nicht an reinen Blutkörpern, sondern am Gesammtblut angestellt. 

1) Untersucht gegen gewaschene Blutkörper fünf gesunder Menschen (cf. auch 
M. Bürger über Isolysine etc. Diese Zeitschr. Bd. 10). 


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350 


II. Beumer und M. Bürger, 


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Bei Menschen-Erythrocytcn scheint nach unseren Erfahrungen die An¬ 
wesenheit von Cholesterinestern höchstens auf Spuren beschränkt zu 
sein. Unter pathologischen Umständen fand sich in ganz vereinzelten Fällen 
ein ausserhalb der Fehlergrenzen liegendes Vorkommen. Wir müssen 
dabei noch betonen, dass diese Feststellungen an einem sehr concentrirten 
Material, nämlich angetrocknetem, lipoidreichem Stroma gemacht wurden 1 ). 

Nach den vorliegenden Befunden Flury’s hatte es für uns ein ganz 
besonderes Interesse, ein etwaiges Vorkommen von Cholesterinestern auch 
an den Erythrocyten unserer beiden pemieiösen Anämien nachzuweisen. 
Wir bedienten uns dabei der Windaus’schen Methode der Cholesterin¬ 
fällung mittels Digitonin, der einzigen, die eine sichere Trennung von 
freiem Cholesterin und Cholesterinestern ermöglicht, da nur freies 
Cholesterin durch das Saponin gefällt wird. 

Eine gewogene Menge lecithinfreien Blutkörperextracts wurde in 2 gleiche Theile 
a und b getheilt. In a wurde in alkoholischer Lösung eine Digitoninfällung gemacht, 
ebenso in b nach erfolgter Verseifung. In b ist also das freie und das aus Cholesterin¬ 
estern — falls solche vorhanden waren — freigemachte Cholesterin gefällt. Die 
Differenz zwischen a und b ergiebt das durch Verseifung freigewordene Cholesterin. 
Wir führen eine Untersuchung als Beleg an: 

a) 0,0384 lecithinfreies Kxtract ergeben unverseift 0,12308 Digitonincholesterid 

= 0,03077 Cholesterin. 

b) 0,0384 lecithinfreies Extract ergeben verseift 0,12364 Digitonincholesterid 

= 0,03091 Cholesterin. 

Danach betrüge das Cholesterin aus Estern 0,00014 g, eine sicherlich 
innerhalb der Fehlerquellen liegende Zahl. 

Der gleiche Befund wurde im anderen Fall erhoben. Es lässt sich 
also mit Sicherheit sagen, dass Cholesterinester in unseren 
beiden Fällen nicht vorhanden waren. Was die freien Fettsäuren 
betrifft, so fanden wir in den durch Extraction in der Kälte erhaltenen 
Extracten 0,0643 und 0,0416 pCt. freie Fettsäuren bezogen auf feuchte 
Blutkörper. Diese Zahlen überschreiten nicht die Norm. Wir betonen 
die Extraction mit kaltem Aether und Alkohol, weil uns eine Zersetzung 
des Lecithins und dadurch Freiwerden von Fettsäuren bei längerem Kochen 
im Soxhlet durchaus nicht unmöglich erscheint. 

Aus diesen Untersuchungen lässt sich ein Parallelismus in den 
Befunden bei experimenteller Oelsäureanämie und pernieiöser 
Anämie in keiner Weise erkennen. Auch im Serum weist nichts 
auf eine Betheiligung der Oelsäure hin. Der Cholesteringehalt ist sehr 
niedrig, aber das Verhältnis des freien Cholesterins zu den Cholesterin¬ 
estern sicher nicht zu Gunsten der Cholestcrinester, die als Oelsäure- 
cholesterinester berechnet sind, verschoben 




100 g Serum 

enthalten 



i 

Cholesterin 

Cholcsterin- 

ester 

Fettsäuren 

Seifen als 
Fettsäuren 

Fall XIII. . . 

0,022 


0,051 

0,036 

0,044 

Fall XVI. . . 

0,022 


0,029 | 

0,1 G7 | 

— 


1) Cf. unsere II. Mittheilung im Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 71. 


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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc. 


351 


Wir halten daher die Auffassung, welche auch in dem neu erschienenen 
Handbuch der Pathologie von Krehl und Marchand von Paltauf ver¬ 
treten wird, dass jenes aus der Magendarmschleimhaut perniciös Anämischer 
(aber auch gesunder!) und aus Carcinomgeweben extrahirte coctostabile 
Lipoid für die schweren Anämien verantwortlich gemacht werden muss, 
noch nicht für ganz sicher gestellt. 

Wir führen hier noch eine Carcinomanämie an, die zu jenen Fällen ge¬ 
hört, bei denen die degenerative Veränderung des Blutbildes ganz im Vorder¬ 
grund steht und die klinische Differentialdiagnose oft bei nicht localisirbarem 
Tumor lange zwischen perniciöser Anämie und Carcinom schwanken kann. 

Diese Anämien finden sich ja am häufigsten bei Tumoren des 
Digestionstractus und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass 
hierbei neben chronischen Blutverlusten eine Resorption durch Fermente 
freigemachter toxischer Substanzen stattfindet, die zu einer so hoch¬ 
gradigen der perniciösen Anämie sehr ähnlichen Blutdegeneration führt. 
Es sei auf die grosse Uebereinstimmung in der Zusammensetzung des 
Blutes mit dem der perniciösen Anämie XVI aufmerksam gemacht. Wir 
fanden hier in den Erythrocyten eine geringe Menge von Cholesterin¬ 
estern. Es lässt sich weiterhin hier der von Erben bei perniciöser 
Anämie gemachte Befund erheben, dass man beim Versuch, die gefundene 
Eisenmenge in Hämoglobin umzurechnen, einen Werth erhält, der den 
für Eiweiss gefundenen erheblich überschreitet. 

Das Knochenmark zeigte bei diesem Fall ein nach A. Schmidt’s im 
Noorden’schen Handbuch gemachten Angaben bei Carcinom nicht regel¬ 
mässiges Verhalten einer theilweisen Umwandlung in rothes Mark. Das Fett¬ 
mark war von grossen Herden rothen Markes durchsetzt. Die Kranken¬ 
geschichte und die Ergebnisse der Blutuntersuchung dieses Falles waren 
folgende: 

50 Jahre alter Mann. Hochgradig reducirter Ernährungszustand. Aeusserste 
Blässe der Hautdecken. Sectionsbefund: Ca. oesophagi mit Drüsenmetastasen im 
Abdomen, die in den Magen eingebrochen sind. Exitus in Folge abundanter Magen¬ 
blutung. Knochenmark mit rothen Herden. 


, T . .. . 912,5 Serum 

Volumquotient: 



1000 g Blutkörper 
enthalten 

1000 g Serum 
enthalten 

Trockenrückstand .... 

305,733 

76,127 

Wasser. 

694,267 

923,873 

Eiweiss. 

286,615 

55,765 

Extract. 

5,451 

4,119 

Lecithin. 

3,157 

1,472 

Cholesterin. 

0,714 

0,229 

Cholesterinester .... 

0,028 

0,318 

Freie Fettsäuren .... 

0,320 

0,464 

Eisen. 

(Hämoglobin). 

1,415 

336,770 


Ein den perniciösen und secundären Anämien durchaus entgegen¬ 
gesetztes Verhalten zeigen die Blutkörperchen bei dem folgenden Fall 
von Chlorose. Dort starke Verminderung der Zahl, weniger der Dichte 
der einzelnen Blutzellen, hier das Umgekehrte, bei fast normalen Zahlen 


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352 


H. Beniner und M. Bürger, 


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der Blutkörperchen eine starke Vermehrung des Wassers und Abnahme 
des Trocken- und Eiweissgehaltes. Chlorose, Leukämie und Polyglobulie 
lassen gemeinsam auch in chemischer Hinsicht eine Störung der Blut¬ 
bildung erkennen. Die vorliegende Chlorose bot, wie aus der Kranken¬ 
geschichte hervorgeht, zunächst ein so schweres Bild, dass eine Zeit lang 
die Diagnose und Prognose schwanken konnte. Jedoch gab der durch 
Eisenraedication überraschend schnell und günstig beeinflusste Krankheits¬ 
verlauf der Diagnose Chlorose Recht. 

22jähriges Mädchen mit blass-grünlichem Teint. Unterhautzellgewebe wasser¬ 
reich. Anämische Herzgeräusche. 

Blutbild: 3600000 Erythrocyten, 

3200 Leukocyten 25/80 Hb (Sahli), 
herabgesetzer Hb Index. 

Starke Poikilocytose und Anisocytose. 

Keine kernhaltigen Roten. Iolysine im Serum. Wassermann —. 


Für 1000 g 

Trocken¬ 

gewicht 

Wasser 

Eiweiss 

1 Ei- 
tract 

Lecithin 

Cho¬ 

lesterin 

Cho¬ 

lesterin¬ 

ester 

Fett¬ 

säuren 

! 

Fe 

Blutkörper . 
Serum .... 

266,467 

80,783 

733,533 

919,217 

241,3^1 

60,587 

5,203 

8,585 

3,504 

1,489 

0,933 

0,394 

1,616 

0,449 

1,185 

1,013 


Der Voluraquotient der Erythrocyten ist kleiner als der Zahl der 
Erythrocyten entspricht, nämlich. Biernacki (12) hat diesen 
bei Chlorose gefundenen Zustand als Polyplasmie bezeichnet unter der 
Annahme, dass beim Centrifugiren der chlorotischen Blutkörperchen ein 
Plasmaaustritt erfolge. Wir können uns dieser Deutung, die auch von 
anderer Seite abgelehnt wird, nicht anschliessen und sehen in unserem 
Fall in der grossen Anzahl von Mikrocyten und Poikilocyten die Veran¬ 
lassung für diese Incongruenz zwischen Zahl und Volumen. 

Die Erythrocyten besitzen einen sehr erhöhten Wassergehalt, 
sind also hydropisch. Der Lecithingehalt ist hoch, der Cholesterin¬ 
gehalt normal. Das Serum zeigt ebenfalls erhöhten Wassergehalt 
unter Herabsetzung des Trocken- und Eiweissgehaltes, was nicht 
mit den gewöhnlichen Befunden übereinstimmt, die bei Chlorose eine 
ganz normale Zusammensetzung des Serums verlangen. Es ist aber nicht 
merkwürdig, das bei einer derartigen allgemeinen Hydropsic der Gewebe 
auch das Blutserum wasserreicher ist. 

Bei Umrechnung der Eisenwerthe in Hb ergiebt sich auch hier ein das 
gefundene Gesammteiweiss übersteigenderHb-Eiweisswerth, der grösser wird, 
wenn man das Stromaeiweiss noch in Rechnung zieht, das hier 14 g betrug. 

Es mag an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, wie oft und 
anscheinend ohne Beziehungen zu bestimmten Krankheitsgruppen der 
Eisengehalt der Blutkörpertrockensubstanz den möglichen Gehalt an 
Hämoglobineisen übersteigt. Um das zu illustriren haben wir in folgen¬ 
der Tabelle für 1 g Blutkörpertrockensubstanz aus unseren Unter¬ 
suchungen einige Zahlen zusammengestellt betreffend Eiweissgehalt aus N 
berechnet, Hämoglobin aus Fe berechnet, ausserdem wurden noch die 
Zahlen für Eisen (Fe) und für Gesammtschwefel (als S, der zum aller- 


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Beitrag* zur Chemie des Blutes in Kraukht?»t«ri <?>.*• 


353 


größten- Th.eiJ ma ‘ JüiwckssübwetVl besieht) bmndmiyi Da die Hämo- 
globino idaUv sriiWefflami* Kiweisskurper sind (Pferd 042 ; pCt., 
M o r h- 31 den ), rjie -Rlutki>t*|>er'ob-U 1 ine aber siets Hhwefejretcftär ^nd 
{ilbei* 1. pCl.), ho ist es denkbar, das» in häriioglobinarmen. Blurkörpern 
dupcK. •^HWetelrjß-i.eliierc. EiVefeskürper das Verhältnis von S : Fe ver- 
scböboTi wird (hei .Pferdehiut 0,42 ;0.38).. 

Jfi l £ Bhjtkorper - Trocken siit<:H:nu wurden gehindert:. 


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Chlorose- . . . . 

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22 

Pneumonie .... 

0.938 

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Oväm 

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24 

Diabetes .... 

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Pernieiose. Auaemn- . 

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Diabetes .... 

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0.831 

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0,0021 

3,47 


:üys. 


Inattitioü. Kachexie, 

KuH XXVI. Pitnkre^ati 0 jih< 6 . Blass aussohonder'. Mann- von- fö .lahreu., Nor- 
möjfer Ur^mbftfiindv Oedäroä der ; Unkrs«iienkeP Iw örih Spoieo kein 

Zriieköe. Nach Zuföht: ton 1ÖÖ g Dextrös# --j&toe' -ölyjkusiiri^!V'./_ 'lPös.itiV-e '^l<ö'tvi*sohe 
Renehm*. Im Smh] zaMröiohn nnverdaute ; Muskelfasern, reichlich Noutraffett und 
Fettsäuren;- Stuhl wird in vcvmolvrter Menge abgesondert' 

Aus mit zu ngsversuch (Auszug aas der• StolTweehsel-Tabel.h, Periode V)ü 
Von 5H$ft & öingcooniRtettöm ’. Nahrungs-hb wurden ■ '1?,7 g ;.ä 33,4 pCh im Kolb 
wieder# alunden.- 

• Von 33Vd g oirigenötinöeiiem Nahrung»-Fett würden 2f»4,0 g — 74,0 nCt, im 
Kolb wicdrrgplunden. 

Aus dem Se'ctionsi>efand: Hochgradige Paokröasatropiuo tritt zahlreichen 
Concremenien im puo.r. paruvte c Airoptui .sÄmartiicher Organe. Ascites, Oedeme. 


Sgafe 




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354 


H. Beumer und M. Bürger, 


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Es ist im Hinblick auf die vielen Arbeiten, den Magendarmstörungen 
eine ätiologische Bedeutung für das Zustandekommen der perniciösen 
Anämie beizumessen, von Interesse, das Blut dieses Falles kennen zu 
lernen. Hier bestand vollkommene Achylie des Magens und des Pankreas; 
das zugeführte Eiweiss und Fett wurde nur zum allergeringsten Theil 
resorbirt, so dass der Tod in Folge chronischer Unterernährung eintrat. 
Betrachten wir die in der Tabelle angegebenen Zahlen im Zusammenhänge 
mit dem Krankheitsbild, so könnte man den verminderten Trockenrückstand 
und Eiweissgehalt des Serums mit den Oedemen, die sich bei sinkender 
Herzkraft einstellten, in Beziehung bringen. Ein abnormer Wasserreichthum 
der Gewebe, der von einigen Autoren (Munk) bei unterernährten Tieren 
gefunden wurde, hat vielleicht eine analoge Bedeutung. Eine Wasser¬ 
anreicherung des Blutes liegt sicher auch in unserem Fall vor (Oertel 
wies schon 1884 in seiner allgemeinen Therapie der Kreislaufstörungen 
darauf hin, dass Circulationsstörungen das Blut wasserreicher machen), 
doch glauben wir, dass der äusserst niedrige Werth für N-Gehalt und 
Trockenrückstand des Serums damit nicht restlos erklärt wird. Wir 
meinen, dass die Unterernährung an sich wesentlich beigetragen hat zu 
der beschriebenen N-Verarmung, die in solchem Grade* bei einem Serum 
bisher nicht beschrieben wurde 1 ). Das Blut ist arm an Fett. Der Befund 
steht in einem gewissen Gegensatz zu der schon mehrfach beschriebenen 
Hungerlipäraie und zu der Vermehrung des Blutfetts, die Seo Y. (13) 
bei pankreaslosen Hunden fand. Wunderbar ist das nicht. Im Hunger 
wird das Fett aus den Depots auf dem Blutwege in die Verbrennungs¬ 
stätten transportirt. In unserem Falle waren die Depots leer. Auch 
die Untersuchung des gelben Marks, die später im Zusammenhang mit 
anderen besprochen werden soll, zeigt eine beträchtliche Fettverarmung. 
Die Blutkörperchen dagegen sind intact geblieben. Wenigstens entspricht 
der Eiweissgehalt der rothen Zellen ebenso wie der Trockenrückstand 
durchaus der Norm. Die Zahlen für Lecithin und Cholesterin! weichen 
von den Mittelwerten in keiner Weise ab. Dagegen wurde für das 
Gesammtextrakt der rothen Blutkörper ein relativ niedriger Werth fest¬ 
gestellt. Es gelang auch nicht, freie Fettsäuren darin nachzuweisen. 


1) Die Abhängigkeit des Serum-N-Gehalts von Ernährungs- und Resorptions¬ 
verhältnissen geht auch aus folgender Tabelle hervor, bei der sich deutliche Unter¬ 
schiede zwischen Uterus- und Rectum-Carcinomen einerseits, und Magen-Carcinomen 
andererseits finden: 


Anatomische Diagnose 

Volumen-Quotient 

N-Gehalt 

für 1000 g Serum 

Ca. uteri. 

563 BK 

437 Serum 

13,68 

Ca. port. uteri. 

562 „ 

438 . 

13,22 

Ca. pylori. 

460 „ 

540 „ 

11,97 

Ca. ventriculi. 

500 „ 

500 „ 

11,32 

Ca. recti, Metast. i. Hepar. 

313 „ 

687 

10,40 

Ca. ventriculi. 

187 , 

813 „ 

9,97 

Ca. ventriculi. 

360 „ 

640 . 

9,72 

Ca. ventriculi. 

200 „ 

800 „ 

8,26 

Ca. ventriculi. 

111 „ 

889 „ j 

7,98 


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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc. 


355 


Wenn somit eine gewisse Verarmung der Erythrocyten an physiologisch 
weniger wichtigen Lipoidkörpern zugegeben werden muss, so ist darauf 
hinzuweisen, dass eine Herabsetzung des Eiweissgehaltes der rothen 
Zellen sicher nicht vorliegt und dass, wo eine solche gefunden wird, 
andere Ursachen zur Erklärung herangezogen werden müssen als blosse 
Inanition, in den meisten Fällen wohl mangelhafte Bildung. 

Es seien im Anschluss an diesen Fall zwei Fälle von Carcinom- 
Anämien angeführt, von denen der eine Fall VII in der Zusammen¬ 
setzung dem besprochenen sehr ähnelt, während der zweite erhebliche 
Abweichungen aufweist. 


Fall VII. Carcinoma oesophagi mit starker Abmagerung in Folge Unter¬ 
ernährung; keine Metastasen. 


Rothe Blutkörper 
Weisse „ 
Hämoglobin . . . 

Volumquotient . 


3908000 

16800 

160 pCt. Sahli 
50 Serum 
50 Blutkörpor 


Spec. Gew. des Serums 1028,16 


Fall IX. Carcinose des kleinen Beckens, ausgehend von einem Portiocarcinom. 


Hochgradige Kachexie. 

Rothe Blutkörper . . . 2640000 Spec. Gew. des Serums 1026,16 

Hämoglobin. 25 pCt. Sahli 


Volumquotient 


72,5 Serum 
27,5 Blutkörper 


Der Fall VII verhält sich ganz wie der Fall XXVI: Hoher Eiweiss¬ 
gehalt der Blutkörper, bei niederem Eiweissgehalt des Serums. Ohne 
die Zahlen alle zu besprechen, wollen wir nur den relativ hohen 
Cholesterinwerth in den Blutkörpern VII hervorheben. Während hier 
eine Carcinomanämie nur angedeutet ist entsprechend einem der Masse 
nach wenig entwickelten kleinen Tumor, findet die durch den Sitz des 
Tumors im Oesophagus bedingte Inanition ihren Ausdruck im niedrigen 
Eiweissgehalt des Serums wie im Falle der Pankreasatrophie. 

Das Volumen der Blutkörper ist annähernd normal. Der Eiweiss¬ 
gehalt ist bedeutend reducirt. Dieser Befund steht im Gegensatz 
zu den Mittheilungen von Krokiewicz (14), — es lässt sich daraus 
schliessen, dass von einem gesetzmässigen erhöhten Eiweissgehalt der 
rothen Blutkörper Carcinomkranker nicht die Rede sein kann. 

Wenn gelegentlich ein höherer Gehalt an Eiweisskörpern bei Carci- 
nomblutkörpern gefunden wird, so müssen wir nach unseren Untersuchungen 
die Deutung K.’s, dass die Erythrocyten bei Magencarcinom sich durch 
ein besonderes Absorptions- und Assimilationsvermögen für Eiweiss- 
producte auszeichnen, ablehnen. Wir glauben gerade durch unsere Mit¬ 
tbeilungen dargethan zu haben, in wie weitgehendem Maasse die Zusammen¬ 
setzung der Blutkörper unabhängig ist von der des sie umgebenden Mediums. 

Auffallend hoch ist der Cholesteringehalt der rothen Blut¬ 
körper im Fall IX, der noch interessanter'wird durch den Nachweis 
von Cholestcrinestern in den Blutkörpern, die normal nicht 
gefunden werden. Es mögen in diesem Zusammenhänge die Befunde 


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356 


H. Beumer und M. Bürger, 


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Wacker’s (15) zum Vergleich herangezogen werden. W. fand „die Menge 
der sogenannten unverseifbaren Substanzen und damit auch des Chole¬ 
sterins im menschlichen Depotfett bei Carcinom stark vermehrt“, fügt 
aber hinzu, dass er den gleichen Befund bei chronischer Sepsis und bei 
Stoffwechselkrankheiten, wie Diabetes sowie im gelben Fett aller Per¬ 
sonen erhoben habe. Es ist wohl erlaubt, für W.’s Befunde von Chole¬ 
sterinvermehrung im Depotfett und die unseren an rothen Blutkörpern 
Carcinomkranker die gleichen Ursachen anzunehmen: der erhöhte Zell¬ 
zerfall bei grossen Carcinomen lässt vermehrte Mengen freigewordenen 
Cholesterins in das Blut gerathen; das Cholesterin wird in den Fettdepots 
und also auch im Knochenmark aufgespeichert und bei der Bildung neuer 
Blutkörper in vermehrter Weise herangezogen. (Vgl. auch Fall XXI, wo 
gleichfalls Cholesterinester in den Blutkörpern gefunden wurden.) 

Es braucht deshalb das Cholesterin des Serums garnicht merklich 
erhöht zu sein, da die Resorption des Zelldetritus in den schlecht von 
Gefässen versorgten Tumoren nur langsam vor sich gehen kann. Ist diese 
Anschauung richtig, so müsste man besonders bei Tumoren mit starken 
Einschraelzungsprocessen eine Cholesterinvermehrung der rothen Blut¬ 
körper erwarten. Die Fälle von Lebercarcinom zeigen den gleichen Befund. 

Das Serum des Falles IX zeigt im Gegensatz zu VII nahezu nor¬ 
malen Trockenrückstand und Eiweissgehalt. Gerade die Gegenüberstellung 
dieser beiden Fälle lehrt, dass für die Concentration des Serums weit 
mehr die Ernährungsverhältnisse ausschlaggebend sind als die zur Anämie 
führenden Umstände. Will man das Resultat dieser Betrachtungen auf 
eine kurze Formel bringen, so kann man sagen: Im Zustande der 
Inanition bleiben die Blutkörper intact an Zahl, Hämoglobin 
und Eiweissgehalt; das Serum hingegen wird arm an Trocken¬ 
substanz und Eiweiss, reich an Wasser. Bei der Kachexie tritt 
die Schädigung der Blutkörper in den Vordergrund: ihre Zahl ist 
immer herabgesetzt, die Zusammensetzung geändert, während 
die Serumzusammensetzung weniger geändert wird. In vielen 
Fällen wird beides zugleich eintreten und Blutkörper wie Serum weisen 
dann Veränderungen auf. 

Leukämie. 

46 Jahre alte Frau. Krankheit besteht seit 1 1 / 2 Jahren. Mehrfach mit Röntgen¬ 
strahlen behandelt, vorübergehende Besserung; grosser Milztumor, unterer Rand hand¬ 
breit unter dem Rippenbogen. Grosse Leber. Augenhintergrundsblutung. 

Rothe Blutkörper: 4430000. 

Weisse „ 270250. 

Hämoglobin: 37 pCt. 

Blutbild: Polynucleäre .... 53.25 pCt. Mastzellen .... 4,25 pCt. 

Eosinophile .... 5,75 „ 

Kleine Lymphocyten . 3,7 „ 

Grosse „ 0,7 „ 

Grosse Mononucleäre 0,5 „ 

Specifisches Gewicht des Bjutes 1046,8. 

„ „ „ Serums 1024,8. 

... ., . 625 Serum. 

Volumquotient - 3 ^- 5 ,-g- - 


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Myelocyten .... 11,7 „ 

Myeloblasten . . . 2,0 „ 

Kernhaltige Rothe. 1,0 „ 


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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc. 


357 


Im Harn vermehrtes P 2 0 ß ; in mehrwöchiger Untersuchung schwankt - 

P 2 U 5 

Harnsäure 

zwischen 4,7 maximal und 3,1 minimal (normal 5,0). —-zwischen 0,130 und 

0,237 (normal 0,333). 

Bei gleich bleibender Nahrungszufuhr schwankten die absoluten Werthe für Harn¬ 
säure zwischen 0,9 und 0,2, für P 2 0 ß zwischen 4,3 und 2,2 in der 24 ständigen Harn¬ 
menge. Die Werthe für P 2 0 ß lagen durchweg bei 3,0 bei einer Nahrung, die ungefähr 
4,0 P 2 0 ß enthielt. 

Die Zusammensetzung des leukämischen Blutes erinnert an die des 
chlorotischen, darauf hat schon Erben (6) hingewiesen. Die Blutkörper 
sind eiweiss- und hämoglobinarra und wasserreich. Wir untersuchten 
360 ccm Blut in 3 Fractionen. Einmal rothe Blutkörper und Leukocyten 
gemeinsam, dann in je einer weiteren Fraction Leukocyten und Erythro- 
cyten gesondert. 



1000 g 

Erythrocyten 
u. Leukocyten 
enthalten 

1000 g 

Erythrocyten 

enthalten 

1000 g 

Leukocyten 

enthalten 

Trockenrückstand . . 

209,420 



Eiweiss. 

149,720 

— 

— 

Totalextract. 

9,647 

4,322 

36,864 

Lecithin. 

— 

2,960 

24,970 

Cholesterin. 

— 

0,890 

4,818 

Cholesterinester . . . 

0 

0 

0 


Da wir bei unseren Untersuchungen auf Cholesterinester in den Blut¬ 
körpern gestossen waren, erschien es uns möglich, dass diese aus Leuko- 
cytenverunreinigungen stammten. Deshalb wurde in dem leukocytenreichen 
Blut dieses Falles versucht, die Frage nach dem Cholesterinestergehalt 
der weissen Zellen zu entscheiden. Die durch Centrifugiren abgetrennten 
Leukocyten wurden zuletzt in Wasser aufgeschwemmt, dabei wurden die 
letzten noch anhaftenden Rothen hämolysirt; es gelingt dann durch Fil¬ 
tration die Stromaverunreinigungen, die das Filter passiren (Abderhalden), 
von den zurückbleibenden Leukocyten sauber zu trennen. 

Im Uebrigen wurde in der üblichen Weise verfahren. Die Tabelle 
zeigt, dass die Leukocyten keine Cholesterinester enthalten. Der 
Gesamratextract der Leukocyten beträgt etwa das Neunfache des Werthes 
der Rothen. 

Das Verhältniss von Lecithin zu Cholesterin beträgt abgerundet bei 
den weissen 5 : 1, bei den rothen 3:1. Der grössere Gehalt der weissen 
Zellen an lipoiden Substanzen ist besonders deshalb bemerkenswerth, weil 
die Gesammtoberfläche der Leukocyten in 1000 g in Folge des grösseren 
Volumens und der grösseren Oberfläche des einzelnen Leukocyten eine 
beträchtlich kleinere ist; gleiche Dicke der „lipoiden Zellhülle u bei rothen 
und weissen vorausgesetzt, müsste demnach eine grosse Masse der Fett¬ 
körper bei den Leukocyten als Zelleinschlusslipoide vorhanden sein, das 
ist durch histochemische Untersuchungen schon längst wahrscheinlich 
gemacht. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 94 


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358 


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Das Serum besitzt einen Trockenrückstand und Eiweissgehalt, der an 
der unteren Grenze der Norm liegt; der Fettgehalt dagegen ist bedeutend 
erhöht; Erben hat in einem Fall von lymphatischer Leukämie den 
gleichen Befund erhoben, während der von ihm untersuchte Fall von 
myelogener Leukämie normale Extractzahlen zeigt. Eine zufällige Ver- 
dauungslipämie können wir ausschliessen; eine übermässige Fettzufuhr 
hat nicht stattgefunden: Es wurden täglich 155 g Fett aufgenommen. 

Die Erklärung für diesen relativ hohen Fettgehalt des Serums der 
Leukämischen ist schwer zu geben; der gesteigerte Leukocytenzerfall, 
den man dafür verantwortlich gemacht hat, reicht kaum aus, um die 
Werthe so anwachsen zu lassen: 1000 g Leukocyten liefern günstigsten 
Falls 40 g Fett, eine Menge, die im Verhältniss zu den täglich an¬ 
genommenen und assimilirten Fettmengen doch nur gering ist und die 
durch Zellzerfall an einem Tage wohl kaum frei wird. In unserem Falle 
ist diese Vorstellung schon deshalb abzulehnen, weil die Phosphatide und 
das Cholesterin nicht erhöht sind, trotzdem ein Zellzerfall aus den hohen 
Phosphorwerthen des Urins wahrscheinlich gemacht ist. 

Icterus und Cholämie (3 Fälle). 

Fall II. 55 Jahre alte Frau. Carcinom der Gallenwege, Gallengangsverschluss, 
Cholämie. Hb. 70/80. (Sectionsbefund.) Rothe Blutkörper 4570000, weisse 7600. 
W. L. R. negativ. 

Fall XXVL1. 48 Jahre alte Frau. Carcinom der Gallenwege, Cholämie. (Sec¬ 
tionsbefund.) 

Fall XXIII. 40 Jahre alte Frau. Sepsis, hämolytische Streptokokken nachge¬ 
wiesen. Icterus. (Sectionsbefund.) 



1000 g Serum enthalten 

1000 g Blutkörper enthalten 

11 

XXIIt 

XXVII 

11 

XXIII 

XXVII 

Freies Cholesterin. 

*) 

0,798 

2,469 

0,784 

0,926 

1,297 

Cholesterinester. 

*) 

0,257 

1,385 

*) 

0,187 

0,438 

Gesammtcxtract.. 

11,438 

10,237 

22,395 

7,253 

5.710 

5,235 

Lecithin. 

3.392 

2,577 

i 5,866 

1 

3,166 

2,551 

3,426 


*) Nicht untersucht. 


Da die Zahlen für Trockensubstanz, Eiweissgehalt von Blutkörperchen 
und Serum hier keine Besonderheiten bieten, soll in Folgendem nur von 
den Lipoiden des Serums und den rothen Blutkörperchen, die in diesen 
Fällen ein besonderes Interesse bieten, gesprochen werden. 

Der Icterus geht mit einer Erhöhung des Cholesterins im 
Blute einher. Das ist seit den Untersuchungen von Flint und anderen 
bekannt. Nimmt man an, dass die Leber das Ausscheidungsorgan für 
das Cholesterin ist, so ist ohne weiteres klar, dass behinderter Gallen¬ 
abfluss eine Rückstauung von Cholesterin im Blute zur Folge hat. Doch 
wird diese Anschauung bestritten. Weintraud sagt jm v. Noorden’schen 
Handbuch: „Nach unserer heutigen Kenntniss wird die Leberzelle weder 
als Bildungsstätte, noch überhaupt das Organ als Ausscheidungsort für 


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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc. 


359 


das im Blute dauernd vorhandene Cholesterin angesehen.“ Will man dem 
beipflichten, so sind die hohen Werthe für Cholesterin und Cholesterinester 
im Serum des Falles XXVII unverständlich. Normale menschliche Galle 
enthält im Mittel etwa lpCt. Cholesterin. Im Serum XXVII finden sich 
2,469 freies und 1,385 gebundenes Cholesterin (Cholesterinester). Der 
Gehalt des Serums an Cholesterin ist auf das 3 fache gestiegen. Nach 
Wein trau d stammt das Cholesterin der Galle lediglich von abgestossenen 
Epithelien der Gallenwege her. Wir müssten für unseren Fall danach 
die Annahme machen, dass 5—6 g so frei gewordenen Cholesterins in 
Folge der Gallenstauung ins Blut gerathen seien. Das ist schwer denk¬ 
bar. Es bleibt gerade für diese Fälle als einfachste Erklärung nur die, 
der Leber eine wesentliche Rolle im Cholesterin-Haushalt zu vindiciren, 
derart, dass das überschüssige Blutcholesterin zum Theil wenigstens durch 
dieses Organ über die Gallenwege aus dem Körper ausgeschieden wird 1 ). 
Behinderter Gallenabfluss ist somit eine der Hauptursachen der Cholesterin- 
Anreicherung im Blute. Das der Masse nach wenig entwickelte Carcinom 
dieses Falles ist nach unserer Erfahrung nicht im Stande, den Cholesterin¬ 
gehalt in dem beschriebenen Umfange ansteigen zu lassen, (cf. Fall XXVI.) 

Im Fall XXIII wurden bei schwerem Icterus normal gefärbte Stühle 
entleert. Hier hat der zwar eingeschränkte Gallenabfluss eine Hyper- 
Cholesterinämie nicht eintreten lassen. 

Bemerkenswerth erscheint uns der hohe Fettgehalt des Serums, 
den alle drei Fälle aufweisen 2 ). Es ist zwar schon von Becquerel und 
Rodier (17) auf den erhöhten Fettgehalt des Serums Icterischer hinge¬ 
wiesen worden, jedoch hat diese beraerkenswerthe Thatsache nirgends 
gebührende Beachtung gefunden. Alle Erklärungsversuche scheitern daran, 
dass wir über das Schicksal des Fettes jenseits der Darmwand unter 
physiologischen Bedingungen schlecht unterrichtet sind. Ein wichtiges 
Moment möchten wir nochmals hervorheben, da es uns als Fingerzeig 
dienen kann, in welcher Richtung wir weiter zu suchen haben: Nach 
jeder fettreichen Nahrung kann man eine sogenannte Verdauungslipämie 
beobachten, die sich durch eine milchige, mehrere Stunden anhaltende 
Trübung des Serums kenntlich macht. Das Gleiche findet sich, wenn 
aus anderen Ursachen das Serum fettreich wird, z. B. bei der diabeti¬ 
schen Lipämie. Das Fett ist dabei in Form einer sehr feinen Emulsion 
im Blut vorhanden und in Form von Häraokonien (Paltauf in Krehl und 
Marchand’s Handbuch) sichtbar. Anders liegen die Dinge bei der Cholämie; 


1) Ein Fall von acholurischem Icterus mit Splenomegalie schied die 10 fache 
Menge Coprosterin aus wie ein gleich ernährter Gesunder; die Ursache dafür ist die 
in diesen Fällen bestehende Polycholie. 

2) 4 weitere Fälle von schwerem Icterus zeigten folgende hohe Extraktzahlen 


für 1000 g Serum: 

Hypertrophische Lebereirrhose mit starkem Icterus . . 12,551 g 

Choledochusverschluss (Operation) . 9,893 g 

Schwerer katarrhalischer Icterus.16,701 g 

Cholangitis, Icterus chron. 11,479 g 


Im Gegensatz hierzu betrug bei dem acholurischen Icterus die Extraktmenge aus 
1000 g Serum nur 5,349 g. 

24* 


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360 


H. Beumer und M. Bürger, 


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hier wurde, obwohl das Serum einen Fettgehalt aufwies, der einer 
diabetischen Lipämie gleichkam, ein absolut klares, durch 
sichtiges Serum beobachtet. Nun hat die Galle fettlösende Eigenschaften, 
und es ist sehr wohl denkbar, dass sie, wie ira Experiment, eine Emulsions¬ 
bildung verhindert, wenn sie in reichlichem Maasse ins Blut Übertritt. Die 
Emulsion bedingt eine starke Oberflächenvergrösserung und bereitet den 
Zellfermenten, die sicher bei der Assimilation des Fettes irgendwo und 
irgendwann thätig sind, eine breitere Angriffsfläche. Fehlt die Emulsions¬ 
bildung, so würde durch die hier entwickelte Vorstellung die Assi¬ 
milation auch geringer Fettmengen wesentlich erschwert, und das Resultat 
ist die Lipämie. 

Im Fall XXVII kann man in Analogie mit den Beobachtungen bei 
Diabetes von einer cholämischen Lipämie sprechen. Dabei ist zu be¬ 
merken, dass das Serum absolut klar und durchsichtig und nicht das 
milchige Aussehen der diabetischen Lipämie zeigt. Diese Befunde sind 
um so auffallender, als die Fettresorption bei Gallenabschluss ja be¬ 
deutend herabgesetzt ist. In unseren Fällen wurde eine sehr fettarme 
Nahrung gereicht, sodass eine alimentäre Lipämie mit Sicherheit aus¬ 
geschlossen werden kann. Ausser bei Phosphorvergiftung ist über 
Lipämien in Folge Leber- oder Gallengangserkrankung wenig bekannt. 

Die Analyse der Blutkörperchen ergab nur geringe Abweichungen 
von der Norm. Vergegenwärtigt man sich die hohe hämolytische Kraft 
der gallensauren Salze (taurocholsaures Natron löst noch in Verdünnungen 
von 1 : 600), so ist das Ausbleiben einer Hämoglobinämie bei schwerem 
Icterus immer wieder auffallend. Es ist naheliegend, die Ursachen 
dafür in Veränderungen der rothen Blutkörperchen zu suchen. In der 
That weiss man, dass die osmotische Resistenz der rothen Blutzellen 
solcher Kranker erheblich erhöht ist, man ist aber nicht berechtigt, 
daraus auf einen erhöhten Schutz auch gegen die Gallensäuren zu 
schliessen, denn Hämolyse durch Hypotonie und durch gallensaure 
Salze 1 ) sind wesensverschiedene Vorgänge. 

Icterische Sera üben auch gegenüber normalen Blutkörpern keine 
hämolytische Wirkung in vitro aus. Demgegenüber muss darauf hin¬ 
gewiesen werden, dass es neuerdings gelungen ist, Kaninchen durch 
intravenöse Galleninjection hämoglobinämisch und hämoglobinurisch zu 
machen. So plötzliche Ueberschwemmungen mit gallensauren Salzen 
können aber nur durch das Experiment gesetzt werden, und die Ver¬ 
hältnisse der menschlichen Pathologie sind damit nicht ohne Weiteres 
zu vergleichen. Dass in Fällen höchstgradiger Cholämie der Schutz des 
Serums gegenüber den hämolytischen Wirkungen der Galle einmal ver¬ 
sagen kann, zeigt der Befund von geringen Mengen Eisen im Serum des 
Falles XXVII. 

Es verdient hervorgehoben zu werden, dass im Fall II und XXVII 
messbare Mengen von Cholesterinestern in den rothen Blutkörpern nach- 


1) Die Hämolyse durch gallensaure Salze scheint von der durch Lipoidlösungs¬ 
mittel verschieden zu sein, indem durch jene auch Eiweisskörper aufgelöst werden, 
cf. Höher (18). 


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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc. ’ 


361 


gewiesen werden konnten und daraus eine Vermehrung des Gesaipmt- 
cholesterins resultirt Ob man diesen Befund in Zusammenhang bringen 
darf mit den erwähnten Resistenzänderungen gegenüber hypotonischen 
NaCl-Lösungen, müssen wir vorerst dahingestellt sein lassen. Denkbar 
ist das um so eher, als bei einer Form des Icterus, die nach Oulraont 
und Boidin (19) mit Hypocholesterinämie einhergeht, die osmotische 
Resistenz jedes Mal vermindert ist, und dieser Erscheinung sogar eine 
pathognostische Bedeutung zugewiesen wird. 

Man kann daran denken, dass der hohe Fettgehalt mit der Er¬ 
krankung der Milz zusamraenhängt. Umber und Brugsch (20) zeigten, 
dass nächst dem Pankreas die Milz hochwirksame fettspaltende Fermente 
enthält; der Ausfall einer fettspaltenden Function der Milz könnte sich 
durch eine Vermehrung des Serumfettes geltend machen. Von anatomi¬ 
scher Seite (W.H.Schultze) (16) wird gleichfalls neuerdings dieVermuthung 
geäussert, dass physiologisch die Milz am Fettstoffwechsel Antheil hat. 
Andererseits wollen amerikanische Autoren gefunden haben, dass bei 
Anämien der Fettgehalt des Serums steigt; sie bringen diese Erscheinung 
mit einer mangelnden Oxydationskraft des anämischen Organismus in 
Zusammenhang. In dieser allgemeinen Fassung trifft die Behauptung 
sicher nicht zu, wie u. A. unsere Zahlen in den Fällen von perniciöser 
Anämie zeigen. 


Literatur. 

1) H. Hirschfeld, Polycythämie und Plethora (mit Literatur bis 19J2). Samml. 
zwangl. Abhandl. a. d. Geb. d. Verdauungs- u. Stoffwechselkrankh. Bd. 4. H. 2. 
W. Wp in trau d, Polyglobulie und Milztumor. Zeitschr.f.klin. Med. 1904. Bd.55. 
R. Pal tauf, Pathologie der rothen Blutkörperchen in Krehl und Marchand, 
Handb. d. allg. Pathol. 

2) Arronet, cit. nach Hammarsten. Lehrb. d. phys. Chemie. 

3) Hirschfeld, Med. Klinik 1906. Berl. klin. Wochenschr. 1907. 

4) Abderhalden, Zeitschr. f. Biolog. Bd. 43. 

5) Literaturbei Härter, Die pemiciöse Anämie. Beihefte z. Med. Klin. 1911. H.12. 

6) F. Erben, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 40. 

7) Jaksch, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 24. 

8) Syllaba, Arch. g6n. d. m6d. 1904. 

9) Faust und Tallquist, Archiv f. experim. Pathol. Bd. 57. 

10) Schminke und Flury, Archiv f. experim. Pathol. Bd. 64. 

11) F. Röhmann, Ueber die Cholesterase der Blutkörperchen. Berl. klin.Wochenschr. 
1912. Nr. 42. 

12) E. Biernacki, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 24. 

13) Seo Y., Archiv f. experim. Pathol. Bd. 61. Cit. nach Krehl u. Marchand. 

14) A. Krokiewicz, Wiener klin. Wochenschr. 1912. Bd. 25. No. 7. 

15) L. Wacker, Zeitschr. f. phys. Chemie. 1912. H. 6. 

16) W. H. Schultze, Verhandl. d. pathol. Gesellsch. 1912. 

17) Beoquerei und Rod ier, Untersuchung über dieZusammensetzung des Blutes etc. 
Uebers. vonDr. Eile mann. 

18) Höher, Physiologische Chemie der Zelle und der Gewebe. 

19) Oulmont et Boidin, Presse m6d. 1912. No. 20. 

20) F. Umber und Th. Brugsch, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1906. Bd. 55. 


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XIX. 


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Aus der I. inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses 
Charlottenburg-Westend (Prof. Dr. Umber). 

Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten 
mit besonderer Berücksichtigung der Lipoide. 

IV. Mittheilung: 

Diabetes und Lipämie. 

Von 

Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger. 


Sicher weit häufiger als früher angenommen wurde 1 ), findet sich in 
Fällen von schwerem Diabetes die als Lipämie bezeichnete Blutveränderung. 
Gewöhnlich ist sie allerdings nicht so hochgradig ausgeprägt, dass man 
sie direct beim Aderlass oder gar beim Augenspiegeln erkennt, sondern 
wird erst sichtbar, nachdem sich die Blutkörperchen durch Stehen oder 
Centrifugiren gesenkt haben und das Serum alsdann als völlig un¬ 
durchsichtige weisse Rahmschicht darüber steht. Es giebt Seren mit 
sehr hohem Fettgehalt wie z. B. Seren bei Icterus mit bis zu 22 pM. 
ätherlöslichem Extract, die völlig klar und durchsichtig sind. Bei der 
Lipämie — nicht bei alimentärer Lipämie — wird die Trübung ebenso 
wie bei den chylösen Exsudaten durch eine Lipoid-Eiweissverbindung 
hervorgerufen und das Serum lässt sich durch ein einfaches Ausschütteln 
mit Aether allein nicht klären. Chemisch charakterisirt sich die diabetische 
Lipämie durch eine Vermehrung nicht nur des Fettes, sondern auch der 
Lipoide Cholesterin und Lecithin, sodass dieser Zustand nach Kleraperer 
und H. Umber besser als Lipoidämie zu bezeichnen ist. Klemperer 
und H. Umber (1) fanden unter 9 Fällen von diabetischer Acidosis 
8 Fälle mit Lipämie. Auch wir konnten bei 7 Fällen von schwerem 
Diabetes fünfmal Lipämie constatiren, während ein jugendlicher Diabetes 
und ein im Coma zu Grunde gegangener Diabetiker keine Lipämie zeigte 
(s. Tabelle). Diese Befunde sprechen jedenfalls für ein sehr häufiges Zu¬ 
sammengehen von Acidosis und Lipämie und es scheint auch wirklich ein 
gewisses Abhängigkeitsverhältniss der Lipämie von dem Grade der 
Acidosis zu bestehen. XIX und XIV stellen solche Fälle dar, bei denen 


1) Wenn Regler an seinem Eppendorfer Material unter 180 Diabetesfallen nur 
2mal Lipämie findet (Münchener med. Wochenschr., 1913, No. 16), können wir uns 
das nur dadurch erklären, dass er bei seinen Fällen keine Trennung von Blutkörperchen 
undSerum vorgenommen hat, wodurch erst in leichteren Fällen die Lipämie zu Tage tritt. 


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Original fro-m 

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Diabetes und Lipämie. 
1000 g Serum enthalten l ): 


363 



ätherlös- 

lichen 

Extraet 

Lecithin 

freies 

Chole¬ 

sterin 

Chole¬ 

sterin¬ 

ester 

Fett¬ 

säuren 

Trocken¬ 

substanz 

Eiweiss 

Fe 

XIV. Leichter Alters¬ 
diabetes, 70 j ähr. Mann, 
Arteriosklerose 

7,070 

1,437 

0,357 

0,279 

— 

96,730 

74,182 

— 

XV.Coraadiabeticum,Aci- 
dosis,Lipämie, 17jähr. 
Mädch.,i.Coma gestorb. 

27,954 

3,251 

1,661 

3,146 

1 

2,196 

108,179 

56,205 

■ 

XIX. Schwerer Diabetes, 
Acidosis, 25jähr. Frau, 
keine Lipämie 

9,739 

4,514 

0,728 

2,338 

1,522 

83,246 

62,534 


XXIV. Schwerer Diabetes, 
Acidosis, Lipämie, 
30jährige Frau 1 2 ) 

33,376 

5,571 

1,441 

4,450 

1,452 

117,094 

68.851 


XXX. Mittelschwerer Dia¬ 
betes, keine Acidosis, 
Lipämie, 50jähr. Mann 

18,337 

3,460 

0,919 

3,204 

1,182 





1000 g Erythrocyten enthalten: 




XIV. Leichter Alters¬ 
diabetes, 70jähr. Mann, 
Arteriosklerose 

5,264 

1,939 

0,950 


0,157 

I 

361,164 

325,941 


XV.Comadiabeticum, Aci¬ 
dosis, Lipämie, 17jähr. 
Mädch., i. Coma gestorb. 

6,164 

2,669 

0,788 

Spuren 

0,514 

342,423 

326,587 

1,020 

XIX. Schwerer Diabetes, 
Acidosis, 25jähr. Frau, 
keine Lipämie 

4,400 

2,488 

0,640 

Spuren 

0,630 




XXIV. Schwerer Diabetes, 
Acidosis, Lipämie, 
30jährige Frau 

5,229 

3,529 

0,954 



375,769 

352,034 

1,325 


mit einer erheblichen Acidosis eine ausgeprägte Lipämie bestand. Bei 
XIX war nach drei Hafer- und einem Gemüsetag die Linksdrehung 
von 0,3 auf 0,0 (von 15,8 auf 0,0 ^-Oxybuttersäure) gesunken, zugleich 
die manifeste Lipämie verschwunden, das Serum vollkommen klar und 
die oben angeführten Zahlen zeigen nur einen wenig erhöhten Fettgehalt 
des Serums. Auffallend ist das Fortbestehen einer deutlichen Cholesterämie 
— die Cholesterinwerthe betragen das Dreifache der Norm — woraus 


1) Bezüglich der Untersuchungstechnik cf. unsere frühere Mittheilung. 

2) Mit Rücksicht auf die Rolle, dieWacker und Hueok (Zeitschr. f.phys. Chem., 
1913, Bd. 71) den Nebennieren im Cholesterinhaushalt vindiciren, mögen hier die 
Cholesterinwerthe der Nebennieren dieses imComa verstorbenen Falles angeführt werden: 

Gewicht der Nebennieren feucht 13,3 g 
trocken 4,096 g 
freies Cholesterin 0,017 g 
Cholesterin als Ester 0,113 g 

Die Zahlen entsprechen ungefähr der Norm, eine pathologische Verminderung, wie sie 
Kawamura (Die Cholesterinesterverfettung. Fischer. Jena 1911) in seinen Diabetes¬ 
fällen fand, liegt in diesem uncomplicirten Fall von Coma diabet. nicht vor. 


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364 


H. Beumer und M. Bürger 


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hervorgeht, dass sich der Körper entweder des Cholesterins und seiner 
Ester nur langsam und schwer entledigen kann — über die Ausscheidung 
des Cholesterins ist ja noch nichts Sicheres bekannt — oder aber es 
bleibt gewissermaassen eine verkappte Lipämie bestehen, die beim Steigen 
der Acidosis leicht wieder zur manifesten Lipämie führen kann. Bei XXIV 
wurde das Blut während der Lipämie untersucht, nach einer diätetischen 
Einstellung war die Acidosis sehr gesunken und auch zugleich die Lipämie 
verschwunden. 

Bei den engen Beziehungen zwischen Acidosis und Lipämie wurde 
häufig der Versuch gemacht, ihr Auftreten aus denselben Ursachen her¬ 
zuleiten, die eine Acidosis herbeiführen, oder sie mit den durch die Aci¬ 
dosis gegebenen Verhältnissen im Stoffwechsel in Zusammenhang zu 
bringen. Zumal die Auffassung, in der Lipämie nur den Ausdruck eines 
rückläufigen Fetttransportes aus den Fettdepots zu den Verbrennungs¬ 
stätten des Körpers zu sehen, nicht ausreichend und die reiche Vermehrung 
der Lipoidsubstanzen einen gleichzeitigen Zellzerfall zu fordern schien, 
lag es nahe, an einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Acidosis zu 
denken. Denn dass der acidotische Organismus zwecks Erschliessung 
neuer Zuckerquellen auch sein eigenes Eiweiss zugleich mit dem Fett 
angreift, scheint nach den neueren Anschauungen über die Zuckersynthese 
im Körper aus Fett und Eiweiss doch ziemlich wahrscheinlich. Der er¬ 
höhte Eiweisszerfall braucht dabei nicht nothwendiger Weise in der 
N-Bilanzin Erscheinung zu treten [partieller Eiweissabbau F. Uraber’s (2), 
Falta (3)]. Das noch nicht geklärte Auftreten von Kreatin im Urin, das 
auch in unseren Fällen sich zeigte, kann im Sinne erhöhten Zellzerfalls 
gedeutet werden. Der hohe Gehalt des Serums an Cholesterinestern 
macht ein vorausgehendes Freiwerden von Fettsäuren wahrscheinlich, 
wie dies auch bei anderen regressiven Veränderungen gefunden wurde 
(Atheromatose der Aorta). Klemperer und H. Umber berechnen 
alles gefundene Cholesterin als Ester. Aus unseren Zahlen geht hervor, 
dass ein nicht unbeträchtlicher Antheil in Form freien Cholesterins vor¬ 
handen ist. 

B. Fischer (4) fand, dass sich der Fettgehalt des lipämischen Blutes 
nach wochenlangem Stehen nicht änderte, dagegen nach Zusatz von 
normalen rothen Blutkörperchen eine erhebliche Verminderung erfuhr. 
Er glaubte daher die Ursache der Lipämie in einem erloschenen Fett¬ 
spaltungsvermögen des Blutes gefunden zu haben. Wahrscheinlich ge¬ 
macht wurden diese Befunde durch die Feststellung Konnstein’s und 
Michaelis’ (9), die ein lipolytisches Ferment der rothen Blutkörperchen 
gefunden zu haben glaubten, das also den Blutkörperchen bei der Acidosis 
fehlte. Klemperer und H. Umber konnten die Versuche Fischer’s, 
Konnstein’s und Michaelis’ (5) nicht bestätigen und führen sie auf 
Mitwirkung von Bakterien zurück. Auch wir konnten durch eine Versuchs¬ 
anordnung, bei der wir lipämisches Serum einerseits mit den dazu¬ 
gehörigen Blutkörperchen, andererseits mit den Blutkörperchen eines 
normalen Menschen 24 Stunden im Brutschrank digerirten, kein Schwinden 
des Fettgehalts constatiren. Ein Eingehen auf die Serolipase Hanriot’s, 


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Diabetes und Lipämie. 


365 


die auch zur Erklärung der Lipämie herangezogen wurde, erübrigt sich 
nach den Feststellungen Doyon’s und Morel’s (6). 

Soweit wir orientirt sind, gingen die in der Literatur niedergelegten 
Fälle von diabetischer Lipämie stets mit einer Acidosis einher, sodass 
Schwarz dies Verhalten sogar so formulirt hat: keine diabetische Lipämie 
ohne Acidosis. Dass dies nur bedingt richtig ist, zeigt unser Fall XXX, 
der einen mittelschweren Diabetes ohne eine Spur von Acidosis darstellt. 
Hier war das Serum ganz milchweiss und ist, wie die Tabelle zeigt, 
auch in seiner chemischen Zusammensetzung nicht von den anderen 
diabetischen Lipämien zu unterscheiden. Der Verdacht, es könne sich 
um eine alimentäre Lipämie handeln, wurde durch zwei Blutentnahmen 
in nüchternem Zustand am Morgen ausgeschaltet. Da der Mann zu¬ 
verlässig nur ein sehr mässiges Potatorium angiebt, ausserdem seit 
14 Tagen alkoholfrei gelebt hat, wäre die Annahme, im Potatorium die 
Ursache sowohl für den Diabetes, als auch für die Lipämie zu erblicken, 
nur sehr gezwungen. Es muss daher gesagt werden, dass, wenn auch 
die meisten diabetischen Lipämien von einer Acidosis begleitet sind, es 
doch auch seltene Fälle giebt, bei denen eine einwandfreie Lipämie ohne 
Acidosis besteht. Die Erklärung für das Zustandekommen der diabetischen 
Lipämie wird hierdurch nicht erleichtert. Eine weitere Stütze dafür, dass 
die diabetische Lipämie nicht unter allen Umständen an das Auftreten von 
Acetonkörpern im Urin gebunden ist, bot uns die Beobachtung eines schwer 
diabetischen Mannes mit ausgesprochener Acidosis, Kreatinurie und schwerer 
Lipämie. Es gelang durch diätetische Maassnahmen (kohlehydratfreie Ein¬ 
stellung, 100 g Hediosit pro die an 7 aufeinanderfolgenden Tagen), den 
Patienten für die Dauer von 5 Tagen zucker- und acidosefrei zu machen. 
Trotzdem war bemerkenswerther Weise am Morgen des 5. Tages noch 
eine schwere Lipämie vorhanden. Es ist das zugleich ein Beweis dafür, 
dass trotz der Zucker- und Acidosefreiheit des Urins schwere diabetische 
Stoffwechselstörungen weiterbestehen bleiben können. 

Auch das Verhalten der Blutkörperchen in einem so lipoidreichen 
Serum war uns von Interesse zu untersuchen. Aus der Tabelle ist er¬ 
sichtlich, dass der Lipoidgehalt der Blutkörperchen ziemlich unbeeinflusst 
geblieben ist. Sicher besteht keine Verminderung des Lecithingehaltes 
der Blutkörperchen, wie sie von Erben beschrieben worden ist. Mit 
anderen Untersuchern finden wir eine Eindickung der rothen Blut¬ 
körperchen, wie aus den hohen Trockensubstanzwerthen hervorgeht, die 
umsomehr für eine Eindickung sprechen, als der Volumquotient und die 
Zahl der Blutkörperchen im Sinne einer Anämie herabgesetzt waren. 
Also nehmen auch die Blutkörperchen an der bei Diabetes stattfindenden 
Wasserverarmung der Gewebe theil. 

Bei XIX und XXV wurden Spuren von Cholesterinestern in den 
Blutkörperchen gefunden. 

Das Verhalten dieser Blutkörperchen zeigt aufs Neue die schon von 
Hoppe-Seyler (7) hervorgehobene Thatsachc, in wie hohem Grade die 
Zusammensetzung der Blutkörperchen von dem des um¬ 
gebenden Serums unabhängig ist. Dies trifft sowohl für den Fett-, 


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366 


H. Beumer und M. Bürger, Diabetes und Lipämie. 


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Eiweiss- und Wassergehalt zu. Ein vermehrter Lecithin- und Cholesterin¬ 
gehalt des Serums braucht durchaus nicht mit einem Schwund und einer 
Verarmung an diesen Substanzen in den Blutkörperchen einherzugehen. 


Literatur. 

1) S. Klemperer und H. Umber, Arcb. f. klin. Med. 1908. 

2) F. Umber, Therapie der Gegenwart. 1901. 

3) Falta, Zeitschr. f. klin. Med. 

4) B. Fischer, Virchow’s Archiv. Bd. 172. 

5) Konnstein und Michaelis, Ergehn, d. Phys. 3. Jahrg. I. 

6) Doyons und Morel, Compt. rend. de la soc. biol. 1902. 

7) Hoppe-Seyler, Med.-chem. Unters. 1866. 


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XX. 


Aus der I. inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses 
Charlottenburg-Westend (Prof. Dr. Umber). 

Ein Beitrag zur Chemie des Knochenmarks. 

(V. Mittheilung der „Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten“.) 

Von 

Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger. 

An die in unseren ersten Mittheilungen veröffentlichten Blutunter¬ 
suchungen schlossen wir in einigen Fällen Untersuchungen über das 
Knochenmark an, da es bei den Beziehungen zwischen Blut und Knochen¬ 
mark nahelag, auch hier entsprechende Veränderungen in der Zusammen¬ 
setzung anzunehmen. In der Literatur finden sich über diesen Gegen¬ 
stand nur spärliche Angaben. Wenn wir von den Analysen Nerking’s 
über das rothe und gelbe Knochenmark beim Ochsen absehen, deren 
Werthe zur vergleichenden Pathologie des menschlichen Knochenmarks nicht 
geeignet sind, fanden wir nur noch von Glikin, Boll und Peritz Unter¬ 
suchungen vor, die sich hauptsächlich mit dem Lecithingehalt des 
Knochenmarks befassen. Glikin’s Untersuchungen geben ein anschauliches 
Bild von den physiologischen Veränderungen, denen das Knochenmark in 
seinem Lecithingehalt vom Kindes- bis zum Greisenalter unterworfen ist. 
Im Kindesalter enthält das an der Blutbildung noch lebhaft betheiligte 
Knochenmark ein reiches Lecithindepot, das aber in den ersten Lebens¬ 
jahren rasch verbraucht wird. Der ersten rapiden Abnahme folgt dann eine 
langsamere aber beständige bis zum Tode. Ueber die Hauptlebensepochen 
führen wir folgende Zahlen Glikin’s an, bei denen die Lecithinwerthe in 
Procenten des Knochenmarkfettes wiedergegeben sind. Im Alter von 
1372 Monaten enthielt das Knochenmarkfett 29 pCt. Lecithin, 

2 Jahren „ „ „ 13 „ „ 

v n ri n 3,3 „ „ 

88 „ „ „ 1,8 „ 

Als Durchschnittswerth für die mittleren Lebensjahre nimmt Glikin 
2,4 pCt. Lecithin an. 

Bei unseren eigenen Untersuchungen gewannen wir das Knochenmark 
aus den beiden Oberschenkelknochen, die eine Ausbeute von 15—20 g 
lieferten. Nach möglichst sorgfältiger Entfernung der beigemengten 
Knochenbälkchen wurde das frische Mark im Faust’schen Ventilations¬ 
apparat 24 Stunden, und im Vacuum weiter bis zur Gewichtsconstanz ge¬ 
trocknet. Die Trockensubstanz wurde einer 5 tägigen kalten Extraction 
mit Acther und einer ebenso langen mit Alkohol unterworfen unter 
täglichem Wechsel der Extractionsmittel. Nach dieser Behandlung lieferte 


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368 


H. Beumer and U. Bürger, 


eine Extraction mit kochendem Chloroform keinen 1 ) Extract mehr. Das 
so erschöpfte Mark diente zur N-Bestimraung mittels der Kjeldahl- 
Methode. Die Verarbeitung der Extracte erfolgte in der gleichen Weise, 
wie sie in der früheren Mittheilung bei den Extracten des Blutes be¬ 
schrieben wurde. Die Tabelle giebt die Resultate unserer Untersuchungen 
wieder. 


100 g Knochenmark enthalten: 


Krankheits¬ 

diagnose 

Gesunder Mann, 
durch Stur* 

tödtlich 

verunglückt 

30jäbr. Mann 

XIII. 

Perniciöse 
Anämie, rothes 
Knochenmark 

64jähr. Frau 

XVI. 

Perniciöse 
Anämie, rothes 
Knochenmark 

25jähr. Mädchen 

XXVI. 

Pankreas¬ 

atrophie 

65jähr. Mann 

XXI. 

Care, oesophagi, 
starke Anämie, 
Knochenmark 
mit rothen Inseln 

50jähr. Mann 

XXXI. 

Acute Leukämie, 
schwere Anämie, 
rothes Mark 

44jähr. Mann 

Trockensubstanz. 

81,286 

28,119 

21,626 

37,855 

42,822 

52,606 

Wasser. 

18,714 

71,881 

78,374 

62,145 

57,178 

47,394 

Eiweiss. 

7,133 

14,284 

14,944 

3,860 

4,541 

8,258 

Fett. 

65,187 

7,966 

0,997 

30,893 

34.803 

34,967 

Lecithin. 

2,152 

0,427 

0,719 

0,242 

0,963 

0,612 

Freies Cholesterin 

0,108 

0,024 

0,171 

0,102 

0,207 

0,185 

Cholesterinester . 

0,131 

0 

0,007 

0,109 

0,453 

! 0,441 

Fettsäuren .... 

3,944 

0,271 

0,533 

0,425 

1,022 

0,939 

Fe. 

0,051 

0,021 1 

0,0612 

0,019 

0,060 

0,033 

Bemerkungen . . 

— 

j 

2,005 P,0 5 

— 

— 

— 


— 

1 

1,120 CaO 

— 

— 

— 



In Procent des Rohfetts: 



Lecithin. 

3,007 

4,914 

29,183 

0,762 

2,570 

1,776 

Freies Cholesterin 

0,151 

0,276 

7,048 

0,353 

0,553 

0,529 

Cholesterinester . 

0,183 

0 

0,272 

0,346 

1,209 

1,261 

Freie Fettsäuren . 

5,514 

2,497 

21,929 

1,338 

2,728 

2,685 


Die bei unserem Normalfall gefundenen Werthe, die sehr gut mit 
den Glikin’schen Angaben sich decken, zeigen, dass das Röhrenmark 
des gesunden erwachsenen Menschen aus einem sehr fettreichen Gewebe 
besteht. Es zeichnet sich vor den anderen Fettgeweben des Körpers 
durch einen hohen Lecithingehalt aus. Der Cholesteringehalt ist nicht 
wesentlich von dem der anderen Gewebsfette verschieden. Es ist 
bekannt, dass die Umwandlung des gelben Röhrenmarks in rothes bei 
den meisten perniciösen Anämien und einigen anderen Blutkrankheiten 
vor sich geht und dieser Recurs auf eine verlassene Bildungsstätte der 
Erythrocyten eine reparatorische Anstrengung des Körpers bedeutet, um 
übermässige Verluste an Bluteleraenten wieder zu decken. Die den er¬ 
höhten Ansprüchen entsprechend gesteigerte Function findet ihren Aus¬ 
druck in der völlig veränderten Zusammensetzung, wie wir sie in den 
beiden untersuchten Fällen von perniciöser Anämie in gleicher Weise 
vorfinden. Das Fettmark ist verschwunden und ersetzt durch ein Gewebe, 
wie es der Zusammensetzung eines wasserreichen Protoplasmas zukommt, 
mit hohem Eiweiss- und Wassergehalt, stark herabgesetztem Fettgehalt, 
im Fall XVI unter I pCt. gegen 65 pCt. der Norm. Die Unterschiede 


1) Im Fall XXXI wurden auf diese Weise aus 10,0 frischem Mark noch 3 mg 
einer in feinen weissen Nadeln krystallisirenden Substanz gewonnen, die nicht näher 
analysirt werden konnte. 


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Ein Beitrag zur Chemie des Knochenmarks. 


369 


zwischen XIII und XVI erklären sich wohl dadurch, dass es sich im 
ersteren um eine alte Frau mit hochgradiger allgemeiner Atrophie des 
ganzen Organismus handelt, während XVI ein jugendliches Individuum 
darstellt, bei dem die Regenerationsfähigkeit noch in höherem Grade er¬ 
halten war. Bei Vergleichen der Lecithinzahlen in Procent des Fettes 
finden wir im Fall XVI 29 pCt. Lecithin, die gleiche Zahl, die Glikin 
für sein 13monatiges Kind anführt. Es würde also auch für die 
chemischen Verhältnisse das Bild Ehrlich’s vom Rückschlag in das 
Embryonale passen. Die hohen Zahlen von anorganischem P 2 O ß und CaO 
im Fall XVI zeigen an, dass das Knochenmark durch einige Knochen- 
bälkchen verunreinigt war, die aber auf die procentische Zusammensetzung 
keinen wesentlichen Einfluss haben. Das rothe Knochenmark eines Falles 
von acuter Leukämie mit schweren hämorrhagischen Haut-, Darm- und 
Nierenblutungen zeigt gleichsinnige Veränderungen wie in den Fällen von 
perniciöser Anämie: Die Reduction der Trockensubstanz und des Fett¬ 
gehalts einerseits, die Vermehrung des Eiweiss- und Wassergehalts anderer¬ 
seits charakterisiren die Umwandlung des Fettmarks in rothes Knochen¬ 
mark. Irgendwelche nur der Leukämie eigenthümliche chemische 
Veränderungen des Marks lassen sich nicht erkennen. 

Ganz anders als dieses rothe Knochenmark ist das rothe Knochen¬ 
mark der Thiere zusammengesetzt. Nercking fand beim Ochsen für das 
rothe Knochenmark 3—8 pCt. Wasser, 92 pCt. Fett. 

Zeigen diese beiden Fälle die hohe Regenerationsfähigkeit des Kör¬ 
pers, so sind die beiden übrigen XXI und XXVI charakteristisch dafür, 
in welchem Maasse das Knochenmark bei einer allgemeinen Degeneration 
des Körpers mit Antheil nimmt. 

Fall XXVI gehört einem 65jährigen Mann mit totaler Atrophie des 
Pankreas mit den entsprechenden Begleiterscheinungen einer völlig dar¬ 
niederliegenden Eiweiss- und Fettresorption, infolge deren er trotz aus¬ 
reichender Nahrung an einer regelrechten Inanition zu Grunde ging. Die 
Section ergab völligen Schwund des Fettgewebes. Das Knochenmark 
war von einer sulzigen gelatinösen Beschaffenheit und zeigte ein merk¬ 
würdig wässriges Fettgewebe, aus dem sich Wasser direct auspressen 
liess 1 ). Die Analyse lehrt eine starke Verminderung aller wichtigen Be¬ 
standteile des Eiweisses, Fettes und Lecithins, sodass an Stelle der 
geschwundenen Substanzen lediglich zur Anfüllung des leeren Raumes Wasser 
getreten ist. Bemerkenswerth ist, dass trotz der Verminderung des Fettes auf 
die Hälfte der Cholesteringehalt gegenüber dem normalen Knochenmark nicht 
vermindert ist. Das Cholesterin hat also den Fettschwund nicht mit¬ 
gemacht. Die Angaben in Procent des Rohfettes zeigen dementsprechend 
einen erhöhten Cholesteringehalt, also gewissermassen eine Concentration, 
eine Anreicherung des Cholesterins. 

Es scheint uns dieser Befund nicht unwichtig für die Frage, ob der 
erhöhte Cholesteringehalt der Fettgewebe bei Hungerzuständen und 
consumirenden Krankheiten bedingt ist durch erhöhten Zellzerfall oder 


1) cf. Sedlmair (Zeitschr. f. Biol., 1899, 37, 25) fand das Gleiche für den 
Hangerzustand. 


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370 H. Beamer und M. Bürger, Ein Beitrag zur Chemie des Knochenmarks. 

dadurch, dass das Fett eingeschmolzen wird und das Cholesterin zurück¬ 
bleibt. Im vorliegenden Fall hat jedenfalls die Erklärung die grösste 
Wahrscheinlichkeit für sich, dass das Cholesterin einfach zurückgeblieben ist. 

Das Knochenmark im Fall XXI einer schweren Carcinom-Anämie 
zeigt eine dem Fall XXVI sehr ähnliche Zusammensetzung. Auffallend 
ist der hohe Cholesteringehalt, wie ihn Wacker auch in den anderen 
Fettdepots für Carcinom und andere consurairenden Krankheiten als 
charakteristisch gefunden hat. 

Wir sehen also, dass in Krankheiten das Knochenmark eine voll¬ 
ständige Veränderung in seiner Zusammensetzung im Sinne einer Regene¬ 
ration und Degeneration erfahren kann. 


Literatur. 

Glikin, Ueber den Lecithingebalt des Knochenmark bei Thieren u. Menschen. 
Biochem. Zeitschr. 4. — Nerking, Zur Kenntniss des Knochenmarks. Ebenda. 10 . 
— Wacker, Zeitschr. f. phys. Chem. 1912. H. 6. — Bo 11, Biochem. Zeitschr. Bd. 24. 


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XXL 


Die Oxydasereaction unter Blausäurewirkung. 

(Erwiderung an H. Raubitschek, diese Zeitscbr., ßd. 12, H. 3.) 

Von 

Dr. Fr. Rabe, 

z. Z. Assistenten der roedicinischen Klinik in Marburg. 


Die Kritik der Klopfer’schen Arbeit über die W. H. Schultze’sche Oxydase¬ 
reaction durch H. Raubitschek in Bd. 12, Heft 3 dieser Zeitschr. hat mich veran¬ 
lasst, die Versuche Klopfens nachzuprüfen, die seiner Zeit unter meiner Mitwirkung 
angestellt waren. Da ich mich von der Richtigkeit der Einwände Raubitschek’s 
nicht habe überzeugen können, möchte ich ganz kurz die Protokolle einiger neuer Ver¬ 
suche mittheilen. 

1. Meerschweinchen von 360 g bekommt 2 Tropfen einer ganz frisch zubereiteten 
5proc. KCN-Lösung ins Maul geträufelt. Nach 2 Minuten Schwache der Hinterbeine, 
nach 12 Minuten allgemeine Krämpfe und Tod. 

Section und mikroskopische Untersuchung der unfixirten Oi'gane 6 Stunden nach 
dem Tode nach der v. Gierke’schen Technik. 

Befund: Die Nierenrinde ist schon makroskopisch deutlich gebläut, ebenso die 
Herzmusculatur, die mit Immersion sehr zahlreiche feine dunkelblaue Pünktchen in 
den Muskelfasern erkennen lässt. 

2. Meerschweinchen von 370 g bekommt subcutan 1 ccm einer ganz frisch zu¬ 
bereiteten 1 proc. KCN-Lösung. Nach wenigen Secunden allgemeine Krämpfe, Tod 
nach l 1 ^ Minuten. 

Section und mikroskopische Untersuchung der Organe 6 Stunden nach dem Tode. 
Befund wie bei 1. 

3. Meerschweinchen von 340 g bekommt rectal etwa 0,2 ccm einer frisch zu¬ 
bereiteten 5 proc. KCN-Lösung, die theilweise wieder entleert wird. Tod unter Krämpfen 
nach 3 Minuten. 

Section und Untersuchung der Organe 1 / 2 Stunde nach dem Tode. Befund wie 

bei 1. 

4. Meerschweinchen von 360 g bekommt intracardial 0,001 KCN in Ringer ver¬ 
dünnt. Tod unter Streckkrämpfen nach 10 Secunden. 

Untersuchung der Organe */ 2 Stunde nach dem Tode. Befund wie bei 1. 

Meine Versuche haben eine Erklärung der gegensätzlichen Befunde Klopfer’s 
und Raubitschek’s nicht finden lassen. Bei jeder Art der Zuführung von Blausäure 
mit so rasch folgendem Tode, dass eine andere Todesursache auszuschalten war, blieb 
in der Herzmusculatur und in der Nierenrinde die Oxydasereaction völlig erhalten, 
und ioh kam damit zu demselben Ergebniss wie Klopfer, dass die in vitro nach¬ 
weisbare Lähmung der oxydirenden Zellfermente an den Organen des vergifteten 
Thieres mikroskopisch nicht darzustellen ist. 

Wenn Raubitschek an unseren Versuchen den langsamen Verlauf der Ver¬ 
giftung bei hohen Dosen monirt und zu dem Schluss kommt: „Für jeden Eingeweihten 
ist es also ohne Weiteres klar, dass Klopfer mit einem zersetzten oder anderweitig 


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372 Fr. Rabe, Die Oxydasereaction unter Blausäurewirkung. 

verunreinigten Cyankalipräparat gearbeitet haben muss, und es ist nicht sichergestellt, 
ob er seine Versuchsthiere überhaupt mit KCN getödtet hat, so ist darauf zu erwidern: 

1. Ist nicht recht erklärlich, was ausser der Blausäure in einer KCN-Lösung ein 
Thier unter heftigen Krämpfen in einer Stunde tödten kann. Auch in einer älteren 
Lösung, die durch Zersetzung der Blausäure schwächer wirkt, können keine rasch 
tödtenden Gifte entstehen. Die Kaliwirkung kommt bei der Kleinheit der Dosen und 
der Kürze der Zeit nicht in Betracht. 

2. Es ist bekannt, dass das käufliche KCN immer reichlich mit anderen Salzen 
verunreinigt ist. Die von Raubitschek angegebene tödtliche Dosis von 0,001 g pro 
Kilogramm Thier bezieht sich auf reine Blausäure und ist für KCN, von dem, falls es 
rein ist, 2,5 Theile 1 Theil Blausäure entsprechen, bedeutend zu erhöhen. Ferner sind 
die verschiedenen Thierarten gegen Blausäure verschieden empfindlich. Raubitschek, 
der Klopfer’s Protokolle „dürftig“ findet, spricht in seiner Arbeit nur von den „ge¬ 
bräuchlichen Versuchsthieren w , die er benutzt hat. 

3. Es ist anzunehmen, dass eine Beeinträchtigung der Zelloxydasen, wenn sie 
überhaupt gelingt, am ehesten bei einer langsam verlaufenden Blausäurevergiftung 
auftritt, da bei sehr rascher Vergiftung die sofortige centrale Lähmung wahrscheinlich 
der Lähmung der Oxydasen zuvorkommt. Aus diesem Grunde arbeitete Klopfer mit 
einem schwach wirksamen Präparat. 

Auf Grund meiner Versuche kann ich also, wie Klopfer und im Gegensatz zu 
Raubitschek, das Ausbleiben der Schultze’schen Oxydasereaction nicht für ein 
Zeichen der Blausäurevergiftung ansehen. 


Druek von L. Schumacher i 11 Berlin N. 4 . 


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XXII. 

Aus der med. Poliklinik zu Rostock (Geh.-Rath Martins). 

Ueber Urobilin 

und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction 
des mit Kupfersulfat versetzten Harnes. 

Von 

Dr. Theodor Hausmann. 

(Mit 1 Abbildung ira Text.) 

Im Jahre 1868 entdeckte Jaf f6 (1) in Königsberg zuerst im Harne 
Fieberkranker, dann auch bei Leuten, die von Jaffö als gesund ange¬ 
sehen wurden, einen Farbstoff mit charakteristischen Absorptionsstreifen 
zwischen Grün und Blau. Diesen Farbstoff konnte Jaffe auch in der 
Galle nachweisen und nannte ihn deshalb Urobilin. Jaffe konnte auch 
feststellen, dass im frisch gelassenen Harne ein farbloses Chromogen 
enthalten sei, welches erst beim Stehen des Urins in das Urobilin über¬ 
gehe. Jaffe sprach die Verrauthung aus, dass das Urobilin resp. sein 
Chromogen sich in der Leber bilde. Jaffe fand dann auch, dass das 
Urobilin mit alkoholischer ammoniakalischer Chlorzinklösung eine grüne 
Fluorescenz giebt. Als dann Vanlair und Masius (2) einen Stoff im Koth, 
das Stercobilin, fanden, der auch mit Chlorzink die Fluorescenzreaction 
gab, und in seinen zwischen Grün und Blau gelegenen Absorptionsstreifen 
nur unwesentlich sich vom Urobilin unterschied, und als Maly (3) einen sehr 
ähnlichen Körper durch Reduction aus Bilirubin darstellte — das Hydro- 
bilirubin —, schien die Annahme berechtigt, dass das Urobilin resp. 
Stercobilin sich aus dem Bilirubin im Darm bilde. Zwar hatten Garrod 
und Hopkins (4) gefunden, dass Hydrobilirubin und Urobilin nicht voll¬ 
ständig identisch seien, da Hydrobilirubin 9 pCt. N und Urobilin 4 pCt. N 
enthalte, doch wurde dadurch die Annahme von der Urobilinbildung aus 
dem Bilirubin nicht aus der Welt geschafft, zumal von ihnen die voll¬ 
ständige Identität des Stercobilins und Urobilins hinsichtlich des N-Gehaltes 
nachgewiesen wurde. 

Vierordt(5) hat dann auf spectrophotometrischem Wege gefunden, 
dass der normale Ham kein Urobilin enthält und F. Müller (6), Hoppe- 
Seyler (7) u. A. stellten auf dem Wege der Fällung fest, dass der normale 
Harn nur Spuren enthält — nach Müller 20 mg pro die, nach Hoppe- 
Seyler ca. 80 mg —, die durch die klinische Reaction nicht nach¬ 
weisbar sind. 

So wurde es klar, dass das Auftreten grösserer klinisch nachweis¬ 
barer Urobilinmengen eine pathologische Erscheinung wäre. 

Gleichzeitig rückte die Lehre in den Vordergrund, dass das patho¬ 
logische Auftreten von Urobilin im Harn mit einer krankhaft veränderten 
Leberthätigkeit Zusammenhängen müsse. So constatirte Fudakowski (8), 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 25 


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374 


Theodor Hausmann, 


dass das Urobilin bei Leberkrankheiten und Icterus gleichzeitig mit dem 
Bilirubin im Harne auftrete und C. Gerhard (9) entdeckte den Urobilin- 
icterus, d. h. einen Icterus, bei dem' im Harn kein Bilirubin, wohl aber 
Urobilin auftritt und zwar bei Leberkrankheiten, die sonst mit Bilirubin- 
icterus verlaufen. Wenn auch später festgestellt wurde, dass bei dem 
Urobilinicterus im Blute echtes Bilirubin kreist, so wurde dadurch die 
Annahme eines engen Zusammenhanges zwischen Urobilinurie und Leber¬ 
erkrankungen nicht nur nicht geschwächt, sondern viel eher gestützt. 

Die Frage der Urobilinentstehung kam in eine neue Phase, als Dick(IO) 
bei Extrauteringravidität, und Bergmann (11) bei Hirnblutungen überhaupt 
Urobilin im Harn nachweisen konnten. Es entstand die Lehre, dass 
Urobilin sich auch im Körper direct aus dem Blutfarbstoff bilden könnte. 
Eine Stütze für diese Lehre schien der schon von Virchow erhobene 
Befund zu sein, dass das Hämoglobin in Blutextravasaten allmählich sich 
in Hämatoidin umwandelt, welches dieselbe Farbenreaction mit dem 
Gmelin’schen Reagens giebt, wie Bilirubin. Zum besseren Verständniss 
der zwischen Urobilin und Bilirubin einerseits und dem Blutfarbstoff 
andererseits bestehenden Beziehungen dient beifolgendes, von mir zu¬ 
sammengestelltes genealogisches Schema 1 ). 


tlaemog/oö/n 



Wir ersehen, dass ein genetischer Zusammenhang besteht zwischen 
dem Urobilin und dem Hämoglobin, derart, dass aus dem letzteren unter 
Eiweissabspaltung (Globin) das Hämochromogen (reducirtes Hämatin) ent¬ 
steht, aus dem Hämochromogen unter Eisenaustritt die drei nach Nencki 
und Sieber isomeren Körper Hämatoporphyrin, Hämatoidin und Bilirubin. 
Urobilin entsteht nach Nencki und Sieber leicht aus Hämatoporphyrin 
durch Reduction in vitro, aus dem Bilirubin entsteht es durch Reduction 
im Darm. Weiter kann nach Nencki und Sieber das Urobilin direct aus 
dem Hämochromogen resp. Hämatin durch stärkere Reduction in vitro 
entstehen, welcher Befund allerdings von Piloty (12) und H. Fischer 
(13) bestritten wird. (Das dem Urobilin sehr ähnliche Hydrobilirubin 
entsteht in vitro durch Reduction aus Bilirubin [Maly].) 

1) Die Literatur über diese Frage ist einzusehen in den Lehr- und Handbüchern 
der physiologischen Chemie. 


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lieber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 375 


Durch starke Reduction entsteht nach Nencki, Marschlewski und 
Zaleski aus dem Härnochromogen das Hämopyrrhol, welches ein Methyl- 
propylpyrrhol ist. 


H H 
y C = C 
NH( | 
\C = C 
H H 
Pyrrhol 


NH 


H 

>C = C — 

<o-A- 


H 


CH 3 

ch 2 ch 2 ch 3 


Methylpropylpyrrhol 


Nun ist das Hämopyrrhol auch ein Methylpropylpyrrholderivat des 
Chlorophylls, sofern aus dem letzteren durch Reduction Phyllocyanin 
entsteht und aus diesem durch Reduction Hämopyrrhol. Durch Oxydation 
des Hämopyrrhols aber haben Nencki und Sieber einen urobilinartigen 
Körper darstellen können, welcher aber nach den Untersuchungen von 
H. Fischer durch seine Löslichkeitsverhältnisse sich etwas vom Urobilin 
des Harns unterscheidet. Entscheidend für diese Frage ist aber das 
Experiment von Nencki und Zaleski, welche nach intravenöser In¬ 
jektion von Hämopyrrhol bei Kaninchen Urobilin im Harn haben auf- 
treten sehen. Nach Neubauer’s (14) Untersuchungen geben alle Hämo- 
pyrrholkörper die Ehrlich’sche Aldehydreaction, sowohl die vom Blut¬ 
farbstoff, als auch die vom Chlorophyll sich herleitenden. Jedenfalls 
steht das Urobilin in engerer chemischer Beziehung zum Chlorophyll. 

Uns ist aber hauptsächlich die Thatsache von Wichtigkeit, dass das 
Urobilin ein Derivat des Hämoglobins ist. 

So muss denn theoretisch die Möglichkeit zugegeben werden, dass 
im Körper aus dem Blutfarbstoff Urobilin durch reducirende Processe 
entstehen kann, zumal Ehrlich nachgewiesen hat, wie stark das Sauer- 
stoffbedürfniss, d. h. die Reductionskraft des Gewebes, besonders des 
Bindegewebes und Fettgewebes sei. Doch ist ein solcher Entstehungs- 
raodus des Urobilins weder klinisch noch experimentell nachgewiesen worden. 

Dagegen sprechen gewichtige Thatsachen für die Gesetzmässigkeit 
eines anderen Entstehungsmodus. 

Friedrich Müller, D. Gerhard (15), Beck (16), Riva (17) u. A. 
machten die Beobachtung, dass — während sonst die Bilirubinurie immer mit 
Urobilinurie vergesellschaftet ist, insbesondere auch die Bilirubinurie bei 
Choledochussteinen, wo sogar vor dem Auftreten der Bilirubinurie immer 
einige Zeit eine reine Urobilinurie zu beobachten ist und auch nach dem 
Schwinden der Bilirubinurie eine Urobilinurie kürzere oder längere Zeit fort¬ 
besteht — in Fällen von absolutem Choledochusverschluss die Urobilinurie 
fehlt. Müller hat in solchen Fällen den Kranken Galle innerlich verabreicht 
und dann Urobilin im Harn auftreten sehen. Er hat dann, ebenso wie 
auch D. Gerhard, experimentell beim Thiere absoluten Choledochus¬ 
verschluss erzeugt, und dann nach Einführung von Galle per os die 
Urobilinurie wieder auftreten sehen. Müller zog daraus den zwingenden 
Schluss, dass der Darm die Bildungsstätte des Urobilins wäre, wo letzteres 
aus dem Bilirubin durch reducirende Darrabakterien resp. nascirenden 
Wasserstoff entstände. Gelangt kein Bilirubin in den Darm, so kann 
auch kein Urobilin gebildet werden. Diese Auffassung wurde durch die 
Thatsache gestützt, dass nach F. Müller bei Neugeborenen Urobilin im 

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Theodor Hausmann, 


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Harn und nach Riva bei Neugeborenen das Stercobilin im Roth fehlt. 
Spätere Untersucher haben diese Lehren voll und ganz bestätigt, so 
Hildebrandt (18). Hildebrandt zog zur Stütze dieser Lehre auch die 
Thatsache heran, dass die Urobilinurie nach starken Abführmitteln und 
bei starken Durchfällen in Folge schneller Passage des Bilirubins durch 
den Darm schwindet. Huber (19) hat dann an Thieren experimentirt und 
ganz im Sinne dieser Lehre gefunden, dass bei absolutem Choledochusvcr- 
schluss die geschwundene Urobilinurie wieder auftritt nach Anlegung einer 
Gallendünndarrafistel. Kürzlich hat auch Fromhold (20) an einer Reihe 
von klinischen Fällen bestätigen können, dass bei absolutem Choledochus- 
verschluss eine Cbolecystenterostomie oder Gallefütterung Urobilin im 
Stuhl und im Harn wieder auftreten lässt, während aber in analogen 
Fällen nach interner Darreichung von Urobilin resp. Hydrobilirubin wohl 
Urobilin im Stuhl nachgewiesen werden konnte, im Harn aber nicht, 
während nach Darreichung des Chromogens Urobilin auch im Harn auftrat. 

Somit steht heute fest, dass die Bildungsstätte des Urobilins in den 
Darm zu verlegen ist, von wo es theilweise mit dem Koth ausgeschieden 
wird, theilweise aber von der Pfortader aufgenomraen wird. 

Das Schicksal des mit der Pfortader au (genommenen Urobilins ist 
nun ein verschiedenes, je nachdem die Leber normal functionirt oder 
nicht. Normaliter wird der grösste Theil des mit dem Pfortaderblut in 
die Leber gelangten Urobilins von den Leberzellen aufgenommen und 
theilweise an die Gallengänge abgegeben, theilweise zerstört, resp. in 
Bilirubin zurückgewandelt. Ein kleiner Theil bloss gelangt durch die 
Abführkanäle der Leber in den Kreislauf und daher sind im normalen 
Harn nur Spuren von Urobilin vorhanden, die dem klinischen Nachweis 
entgehen. 



Etwas anders würde sich das Schicksal des Urobilins in der Leber 
nach den Untersuchungen von Brugsch und Retzlaff (21) darstellen, sofern 
hiernach das Urobilin fast quantitativ in der Leber zu Bilirubin verwandelt 
wird und nur Spuren in den Blutkreislauf gelangen, in die Galle jedoch 


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Ueber Urobilin and seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction eto. 377 


kein Urobilin Übertritt. Die Autoren fanden nämlich in der vollständig 
frischen Galle kein Urobilin. 

Unter pathologischen Verhältnissen gestaltet sich nun der Urobilin¬ 
kreislauf folgendermaassen: Findet eine Gallenstauung statt in Folge Ver¬ 
engerung des Choledochus (Stein, Adhäsionen, Tumor) ohne vollständigen 
Verschluss, so gelangt noch genügend Galle in den Darm, um als Quelle 
für die Urobilinbildung zu dienen. Ein Theil dieses Urobilins wird durch 
die Pfortader der Leber zugeführt, aber die in Folge der Stauung ge¬ 
schädigten Leberzellen nehmen das Pigment nicht auf, resp. sie ver¬ 
wandeln es nicht in Bilirubin, sondern lassen es in die Lymphwege 
passiren, und so gelangt das Urobilin in den Kreislauf und in den Harn. 
Hauptsächlich aber dehnen sich die intracinösen Gallengänge, welche nach 
Eppinger’s (22) und Abramow’s (23) Untersuchungen bei Gallenstauung 
sich stark ausdehnen und bersten, worauf das Urobilin ebenso wie auch 
das Bilirubin in die Lymphbahnen sich ergiessen. Letzterer Vorgang kommt 
auch in Betracht in den Fällen, wo durch einen Tumor im Lebergewebe 
eine locale Gallenstauung zu Stande kommt, oder wenn bei Lebercirrhose 
intrahepatische Gallenwege durch Bindegewebsschrumpfung stenosiren. 
Beim absoluten Choledochusverschluss dagegen gelangt kein Bilirubin in 
den Darm, es fehlt im Darme die Quelle der Urobilinbildung, durch die 
Gallenstauung erweitern sich aber die Gallencapillaren und bersten. Es 
kommt zum Icterus ohne Urobilinurie. 

Bei Leberkrankheiten wiederum handelt es sich einmal um die Folge 
von Gallengangscompression durch Bindegewebsschrumpfung und weiter 
um lnsufficicnz des Leberparenchyms. Im letzteren Falle handelt es sich 
um die Unfähigkeit der erkrankten Leberzellen, das ihr von der Pfort¬ 
ader aus dem Darm zugeführte Urobilin aufzunehmen, den Gallenwegen 
weiterzugeben, resp. es zu Bilirubin zu verarbeiten. Das Urobilin ge¬ 
langt dann direct in die Lymphbahnen. Oft ist dann die Urobilinurie 
mit Bilirubinurie begleitet, wenn die Insufficienz der Leberzellen oder die 
Stauung einen hohen Grad erreicht hat. Immer beginnt es mit der 
Urobilinurie, um erst später mit Bilirubinurie sich zu vergesellschaften, da 
nach Hildebrandt’s teleologischer Auffassung das für die Niere schäd¬ 
lichere Bilirubin von den Leberzellen zuerst in Angriff genommen wird. 

Schliesslich muss auch des in das Körpergewebe extravasirten Blutes 
oder des in den Blutgefässen zerstörten Hämoglobins (Hämoglobinämie) 
als Ursprung der Urobilinurie gedacht werden. Bekanntlich hat Stadel¬ 
mann nachgewiesen, dass beim Thier subcutan eingespritztes Hämoglobin 
in der Leber zu Bilirubin umgewandelt wird. Stadelmann und andere 
Autoren (Affanassiew) haben das Gleiche beobachtet bei Vergiftungen mit 
blutkörperchenzerstörenden Substanzen (Toluidendiamin, Arsenwasserstoff), 
und neuerdings haben auch Brugsch und Joshimoto (24) festgestellt, 
dass Hämatin nach subcutaner Injection quantitativ in Bilirubin übergeht. 
Es entsteht dadurch eine Pleiocholie resp. Pleiochromie (Stadelmann) 
und als Folge derselben eine erhöhte Urobilinbildung im Darm. Schon 
dadurch kann erhöhte Aufnahme von Urobilin in die Pfortader, die Leber 
und den Kreislauf erfolgen und erhöhte Urobilinausscheidung im Harn. 
Doch das weit wesentlichere Moment beruht nach Hildebrandt auf 


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Theodor Hausmann, 


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einer relativen Insufficienz der Leberzellen. Durch die erhöhte lnan- 
spruchnahme der Leberzellen für die Zerstörung der Blutelemente und 
Umwandlung in Bilirubin (nach Fonfick kann die Leber bis zu Veo ^ er 
Gesammtmenge des im Körper circulirenden Hämoglobins in Bilirubin 
umwandeln) werden dieselben relativ insufficient für andere Aufgaben, 
so kommt es dann, dass zunächst das Urobilin als die für die Nieren 
unschädlichste Substanz von den Leberzellen sozusagen ignorirt wird und 
direct in die Lymphbahnen gelangt. Bei excessiver Inanspruchnahme der 
Leberzellen durch sehr grosse zu verarbeitende Hämoglobinmengen werden 
die Zellen insufficient für die Ausscheidung des Bilirubins in die Gallen¬ 
wege, dasselbe wird dann von den Lymphbahnen aufgenomraen, wozu 
auch der erhöhte Druck in den Gallencapillaren beiträgt, wenn, wie bei 
einigen Vergiftungen (Phosphor, Toluidendiamin) eine Thrombenbildung 
in den Gallencapillaren (Eppinger) stattfindet. Jedenfalls ist heute die 
seiner Zeit von Lieberraeister, Minkowski, Pick vertretene Lehre 
von der activen Rolle der Leberzellen beim Entstehen des Icterus auf¬ 
gegeben, nach welcher die Leberzellen anstatt die Gallenbestandtheile in die 
Gallencapillaren, dieselben activ in die abführenden Blutgefässe secerniren. 

Wie auch die Vertheilung des Urobilins in der Leber unter normalen 
oder pathologischen Verhältnissen sein möge, immer, nach der heute 
herrschenden Darstellung, ist zur Entstehung des Urobilins der Darm 
nöthig. Doch einzelne Autoren, wie Fischler (25), halten ausserdem noch 
eine Urobilinbildung in der Leber für möglich 1 )- Fischler hat bei abso¬ 
lutem experimentellem Choledochusverschluss mit Gallenfistel nach Phos¬ 
phorvergiftung auch dann Urobilin in der Galle auftreten sehen, wenn 
die Thiere am Auflecken der aus der Gallenblasenfistel heraustretenden 
Galle verhindert wurden, wogegen eine solche Erscheinung durch die 
einfache Thatsache erklärt werden könnte, dass auch in den Gallenwegen 
aus Bilirubin Urobilin entstehen kann, wenn die Gallenwege durch Bak¬ 
terien inficirt sind (D. Gerhardt, Hildebrandt). Gewöhnlich spielt 
sich dieser bakterielle Reductionsprocess im Darm ab, gelegentlich aber 
kann er eben auch in den inficirten Gallen wegen Platz haben. Ver¬ 
ständlich werden diese Verhältnisse bei Berücksichtigung der Thatsache 
(Huber), dass in Bouillonculturen von Bacillen das Bilirubin in Urobilin 
umgewandelt wird. 

Von anderer Seite [Herscher (27)] ist auch behauptet worden, dass 
Urobilin in den Nieren entstehen könne, da in einer Mischung von Nieren¬ 
brei und Bilirubin in vitro Urobilin entstand. Huber weist wohl mit 
Recht darauf hin, dass auch in diesem Versuch Bakterienwirkung in Be¬ 
tracht kommt. 

Wenn ich in dem Vorhergehenden von Urobilin geredet habe, so 
meine ich, sofern es den im Körper circulirenden Farbstoff betrifft, die 

1) Neuerdings haben die Untersuchungen von Fromhold und Nersessoff (26) 
festgestellt, dass bei Choledochusverschluss die Fütterung mit einer Galle, der durch 
Aether gewisse ätherlösliche Substanzen, zu denen auch das Urobilinogen gehört, 
entzogen werden, ebensowenig zur Urobilinurie führt, wie die Fütterung mit reinem 
Bilirubin. Sollte sich das bestätigen, so würde das eine Modification der heutigen 
Urobilinlebre involviren. 


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Ueber Urobilin und seinen Naobweis mit Hälfe der Chloroformextraction etc. 379 

Vorstufe des Urobilins, welches von Jaffö als Chromogen aufgefasst wurde, 
aus dem sich erst durch Lufteinwirkung das Urobilin bilde. Diese Vor¬ 
stufe ist aber eigentlich nach den Begriffen der Farbstoffchemie kein 
Chromogen, d. h. der farblose Stoff, der erst durch Verbindung mit Basen 
oder Säuren zum Farbstoff wird, sondern ein Leukofarbstoff, d. h. ein 
durch Reduction entfärbter Farbstoff. Saillet nannte diesen Leukofarbstoff 
Urobilinogen, von anderer Seite wird die Benennung Leukurobilin gebraucht. 

Das Urobilinogen ist farblos und hat beim Spectroskopiren keinen Ab¬ 
sorptionsstreifen. Nachdem Ehrlich (28) gefunden hat, dass gewisse Harne 
nach Zusatz einer salzsauren Lösung von Dimethylamidobenzaldehyd eine 
rothe Farbe annehmen, hat Neubauer nachgewiesen, dass diese Reaction 
allen Hämopyrrholkörpern zukommt, und im Harne durch die Gegenwart 
des Urobilinogens bedingt wird. 

Der mit dem Ehrlich’schen Reagens behandelte urobilinogenhaldge 
Harn zeigt beim Spectroskopiren neben dem Urobilinstreifen zwischen 
Roth und Grün noch einen Streifen zwischen Grün und Gelb. 

Somit könnte, besonders im frisch gelassenen Harn, der Urobilinogen- 
nachweis genügen. Doch da beim Stehen des Harnes ein grosser Theil 
des Urobilinogens in Urobilin übergeht (letzteres wird nach Charnas 
(29) allerdings bei alkalischer Gährung des Harnes zum Theil wieder in 
Urobilinogen zurückgewandelt), so ist für klinische Zwecke der Urobilin¬ 
nachweis wohl vorzuziehen. 

Bekanntlich hat Jaffe eine für Urobilin charakteristische Reaction 
angegeben, die er ganz zufällig gefunden hat, als er an einem Harn die 
Kreatininbestimmung nach Neubauer machte, bei welcher der Ham mit 
Chlorzink behandelt wird. Er beobachtete hiernach eine auffallende grüne 
Fluorescenz des Harnes und konnte an dem vorhandenen Absorptions¬ 
streifen zwischen Grün und Blau erkennen, dass die Fluorescenz von 
Urobilin herrührt. Jaffö empfahl darauf zum Urobilinnachweis eine 
alkalische, stark ammoniakalischc Chlorzinklösung. Ueber drei Jahrzehnte 
ist diese Jaffc’sche Urobilinprobe allgemein üblich gewesen, bis sie von 
der von 0. Schlesinger (30) empfohlenen alkoholischen Zinkacetatlösung 
verdrängt wurde, deren Vorzug darin besteht, dass einmal die Probe em¬ 
pfindlicher ist und zweitens keines Amraoniakzusatzes bedarf. Schlesinger 
empfahl den Harn zu gleichen Theilen mit einer lOproc. Lösung von 
Zincum aceticum in absolutem Alkohol zu versetzen und zu filtriren, 
worauf bei Urobilingegenwart eine Fluorescenzbemerkbar wird. 

Hildebrandt verbesserte diese Probe insofern, als er nicht die 
klare Lösung des mit lOproc. Zinkacetat versetzten Alkohols benutzte 
(in dieser Proportion löst sich das Zinkacctat nur theilweise in Alkohol), 
sondern die durchgeschüttelte lOproc. Suspension, wodurch die Zink¬ 
wirkung eine stärkere wird. 

Bei stark saurem Harn fällt die Probe oft undeutlich aus und dann 
ist es zweckmässig, 1—2 Tropfen Ammoniak zu der Mischung zuzu¬ 
setzen, doch wird die Probe meiner Erfahrung nach undeutlicher durch 
einen Ueberschuss von Ammoniak, oder durch den Ammoniakzusatz bei 
neutralem oder alkalischem Ham. Hildobrandt empfiehlt, die Mischung 
24 Stunden stehen zu lassen, da in dieser Zeit das Urobilinogen in 


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Theodor Hausmann, 

Urobilin übergeht, und oft dann erst eine Anfangs undeutliche oder 
schwache Probe deutlich und stark wird. 

Die Zinkacetatprobe hat sich heute allgemein eingeführt, doch ist es 
aus praktischen Gründen nicht immer angängig, 24 Stunden lang auf den 
Ausfall der Reaction zu warten. Bei deutlicher Fluorescenz ist dieselbe 
sofort und leicht zu erkennen, doch bei schwach ausgeprägter Fluorescenz 
wird dieselbe von einem nicht in diesen Diitgen versirten Auge nicht erkannt. 

Nach langjähriger Erfahrung empfehle ich aufs Wärmste eine andere 
Probe, die höchst einfach ist und so sicher, dass jede Täuschung un¬ 
möglich ist. Sie ist ursprünglich von Bogomoloff (31) angegeben, ist aber 
in klinischen und Aerztekreisen fast vollständig unbekannt geblieben und 
wird von den Lehr- oder Handbüchern der physiologischen Chemie oder 
Harnuntersuchung nicht genannt, bis auf das Buch von Neuberg „Der 
Harn a (1911), wo sie kurz erwähnt wird. Und selbst in Russland, in 
der Heimath des Autors, scheint die Methode in den Kliniken nicht be¬ 
kannt zu sein, wie aus der Moskauer Dissertation von Fromhold über 
Urobilin zu ersehen ist, wo sie ganz übergangen wird. Ich selbst bin 
mit der Bogomoloffschen Arbeit erst nach Abschluss meiner Versuche 
und dieser Arbeit bekannt geworden, als ich im Neuberg’schen Buch 
auf den Literaturhinweis gestossen war. Und so hätte auch ich beinahe 
die Bogomoloff’sche Arbeit hier übergangen. 

Bogomoloff fand, dassUrobilin in alkalischer Lösung durch Cuprum sulfuricum 
in eine neutrale übergeführt werde und aus dieser wird dann durch Chloroform ein 
carmoisinrother Farbstoff extrahirt mit einem für Urobilin charakteristischen Absorp¬ 
tionsstreifen. Bei saurer Reaction dos mit Kupfersulfat versetzten Harnes wird durch 
Chloroform ein röthlich-gelber Farbstoff extrahirt, der gleichfalls den Urobilinstreifen 
zeigt. Der Schaum des sauren mit Kupfersulfat versetzten Harnes ist braungelb, der 
Harn smaragdgrün. Der Schaum des alkalischen mit Kupfersulfat versetzten Harns ist 
carmoisinroth, und durch Chloroform wird aus demselben ein carmoisinrother Stoff 
ausgezogen. Bogomoloff verwandte zu seiner Reaction einige Cubikcentimeter reiner 
concentrirter Kupfersulfatlösung und glaubte, dass durch das Kupfersulfat das Urobilin 
aus einer Verbindung mit Phosphaten frei gemacht würde. Durch vorsichtige Titration 
von wässerigen Urobilinlösungen mit l j 100 Normalnatronlauge stellte Bogomoloff 
fest, dass Urobilin wie eine schwache Säure sich verhalte, deren Aciditätswerth noch 
schwächer wie der von Oxalsäure sei. 

Ich setze zu 10 oder besser 20 ccm Harn 20 resp. 40 Tropfen 
einer lOproc. Kupfersulfatlösung, wie sie zur Trommer’schen 
Zuckerprobe überall bei der Hand ist. Durch den Kupferzusatz 
wird auch der alkalische Harn sauer. Der Harn wird zunächst 
grün, und dann bildet sich meist ein geringerer oder stärkerer 
hellbräunlich-grünlicher Niederschlag, manche Harne geben 
aber nur schwache Trübung nach Kupfersulfatzusatz. Darauf 
gebe ich etwa 2 ccm Chloroform dazu und schwenke vorsichtig, 
ohne zu schütteln, das Röhrchen mehrere Male um. Das Chloro¬ 
form setzt sich zunächst in Tropfen ab, wird aber bald homogen. Die 
Homogenisirung kann beschleunigt werden durch vorsichtiges Schütteln des 
Bodens. Bei stärkerem Urobilingehalt ist schon an dem tropfenförmigen 
Chloroform eine charakteristische Färbung zu sehen, bei geringerem aber 
erst nach Homogenisirung. Gewöhnlich ist die Färbung eine rosa oder orange 


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Ueber Urobilin and seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraotion etc. 381 


oder kupferrothe. Bei starksaurem Harn ist die Färbung eine rein gelbe, 
bei alkalischem eine mehr ins Rosa spielende. Die Nuance der Färbung 
ist auch von der Sättigung des Chloroforms mit dem Farbstoff abhängig, 
je mehr Farbstoff in dem Chloroform gelöst, desto mehr tritt die gelbe 
Nuance hervor, und je weniger Farbstoff vorhanden ist, desto deutlicher 
tritt die rothe resp. rosa Nuance hervor. Wenn die Reaction eine mini¬ 
male ist, ist bloss ein schwacher rosa Schimmer zu bemerken, der leicht 
übersehen werden kann. Daher ist es in solchen Fällen zweckmässig, 
in ein zweites Röhrchen eine gleiche Menge Chloroform zu setzen 
und aus dem ersten Röhrchen den kupfersulfathaltigen Harn 
drüberzuschichten. Ein Vergleich der beiden Röhrchen zeigt dann, dass 
in dem einen Röhrchen das Chloroform vollständig farblos ist, während 
das Chloroform im danebengehaltenen anderen Röhrchen eine schwache 
Färbung zeigt. 

Harne, die schon ohne Kupferzusatz den Urobilinstreifen beim 
Spectroskopiren erkennen lassen, zeigen nach Kupferzusatz einen stärkeren 
Streifen und nicht selten wird der Streifen erst nach Kupferzusatz be¬ 
merkbar. Zur Aufhellung des kupferhaltigen Harnes ist es zweckmässig, 
einen Tropfen concentrirter Salzsäure zuzugeben, wonach der Harn gelb 
wird. In schönster Weise lässt der Chloroformauszug den Urobilinstreifen 
erkennen, letzterer fehlt nur bei sehr geringem Urobilingehalt des Harnes, 
also bei ganz schwach gefärbtem Chloroformauszug. 

Der über dem Chloroform stehende kupferhaltige Harn lässt noch 
einen deutlichen Urobilinstreifen erkennen, ein Zeichen, dass nicht der 
gesamrate Farbstoff in das Chloroform übergeht. Je saurer der Harn, 
desto mehr Farbstoff geht in das Chloroform über. Weitere Versuche 
haben ergeben, dass nach dem Filtriren des mit Kupfersulfat versetzten 
Harns das Filtrat einen Urobilinstreifen erkennen lässt und mit Chloro¬ 
form sich ausschütteln lässt. Der bräunliche Filterrückstand löst sich 
in alkalischem Wasser (}l 10 Normalnatronlauge), die Lösung zeigt einen 
schwachen Urobilinstreifen, welcher nach Ansäuern stärker wird, und lässt 
sich mit Chloroform erst nach dem Ansäuern ausschütteln. Beim Stehen 
bildet sich im zunächst klaren Filtrat eine Trübung resp. Fällung; wird 
wieder filtrirt, so zeigt das Filtrat wieder einen Streifen, der Rückstand 
löst sich wieder in Alkalien und enthält ebenfalls Urobilin, während das 
Filtrat wieder beim Stehen sich trübt u. s. w. So kann man immer wieder 
bei vielfacher Wiederholung der Procedur das Filtrat sich trüben sehen. 
Diese Trübung wird durch Phosphate und andere Salze bedingt, wie sich 
leicht nachweisen lässt. 

Somit bleibt nach Kupferzusatz ein Theil des Urobilins in Lösung, 
ein Theil haftet an dem gebildeten Niederschlag resp. ist gefällt worden. 

Das Filtrat des kupferbehandelten Harnes zeigt ein schwächeres 
Spectrum als der unfiltrirte Harn, und auch der Chloroformauszug ist 
schwächer gefärbt. Der bräunliche Filterrückstand löst sich zum grössten 
Theil beim Durchfiltrircn von säurehaltigem Wasser, besser noch in 
alkalischem Wasser und nur schwer in destillirtem Wasser. Das 
Filtrat lässt einen Urobilinstreifen erkennen und kann mit Chloro¬ 
form ausgeschüttelt werden, wobei das Chloroform sich charakteristisch 


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färbt. Demnach wird durch das Kupfer ein Theil des Urobilins gefällt, 
ein Theil bleibt in Lösung. Aus diesem Grunde darf zum Zwecke einer 
quantitativen Untersuchung der kupferversetzte Harn nicht filtrirt werden. 
Wohl aber darf man es thun zum qualitativen Urobilinnachweis (aller¬ 
dings nicht bei sehr geringem Urobilingehalt des Harnes), da das Chloro¬ 
form nach dem Filtriren reiner sich absetzt. 

Woher kommt es nun, dass nach Kupfersulfatzusatz der Urobilin¬ 
streifen stärker wird oder derselbe erst danach sichtbar wird? A priori 
schien es mir wahrscheinlich, dass das Urobilinogen durch Kupfersulfat 
sehr schnell in Urobilin übergeführt wird. Und thatsächlieh konnte ich 
finden, dass, wenn nach dem Kupfersulfatzusatz das Ehrlich’sche 
Reagens hinjugesetzt wird, keine Rothfärbung des Harnes er¬ 
folgt und kein Streifen zwischen Grün und Gelb erscheint, falls nur das 
Kupfersulfat in genügender Menge zugesetzt worden ist. Ist die Kupfer- 
sulfatmcnge relativ zu gering, so wird zwar ein schwacher verwaschener 
Streifen zwischen Grün und Gelb durch das Ehrlich’schc Reagens erzeugt, 
aber der Streifen schwindet in kurzer Zeit, nach 5—10—15 Minuten. Wir 
haben es also in der Hand, in kürzester Zeit das Urobilinogen in 
Urobilin überzuführen, und brauchen nicht, wie bei dem Hildebrandt- 
schen Verfahren, 24 Stunden zu warten 1 ). 

Wenn ich aber an dem Harne zuerst die Ehrlich’sche Reaction 
anstellte und nach positivem Ausfall (Rothfärbung des Harnes, 
Streifen zwischen Grün und Gelb) das Kupfersulfat zusetzte, 
so blieben die Rothfärbung des Harnes und der Streifen 
zwischen Grün und Gelb bestehen. Diese Erscheinung kann meiner 
Meinung nach auf einfache Weise erklärt werden. Es haben Nicolaier 
und unabhängig von ihm Pröscher (32) gefunden, dass in Harnen, 
welche die Ehrlich’sche Reaction geben (die Autoren kannten noch 
nicht die Thatsache, dass es das Urobilinogen ist, welches im Harn 
durch das Ehrlich’sche Reagens nachgewiesen wird), diese letztere 
Reaction negativ ausfällt, falls vorher Forrnaldchyd zugesetzt wurde 
und sic erklären dies so, dass das Formaldehyd nach einem drastischen 
Ausdrucke Ehrlich’s, die aldehydbindende Gruppe der betreffenden 
Substanz „verstopft“. Nun kann man sich sehr wohl vorstellen, dass 
auch das Kupfersulfat die Gruppe des Urobilins, welche mit ihm in 
Reaction treten soll, durch das Dimethylamidobenzaldehyd besetzt findet, 
und dass dann das Urobilinogen nicht in Urobilin übergoführt werden kann. 

Nun war es interessant, zu erfahren, wie sich das Urobilinogen dem 
Kupfersulfat gegenüber verhalten würde, wenn zu dem Harn vorher 
Formaldehyd zugesetzt wurde. Ich setzte zu der einen von 3 gleichen 
Portionen Harnes Formalin, zu der andern aber nicht, und versetzte 
dann beide mit Kupfersulfat, eine dritte Portion aber liess ich unbe¬ 
handelt. Darnach konnte ich beobachten, dass in der mit Formalin und 

1) Setzen wir zu einem Harn, dessen Urobelin nach dem Verfahren von Charnas 
durch alkalische Gährung in Urobilinogen übergeführt ist, Kupfersulfat bis zur sauren 
Reaction hinzu, so constatiert die gleich vorgenommene spectroskopische Untersuchung 
die bereits erfolgte Urobilinbildung, und das Ehrlich’sche Reagens giebt nunmehr 
keinen oder nur einen ganz schwachen Urobilinogenstreifen. 


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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction eto. 383 

dann mit Kupfersulfat versetzten Portion der Urobilinstreifen merklich 
schwächer war als in der nur mit Kupfersulfat versetzten Portion. Der unbe¬ 
handelte Ham zeigte annähernd den gleichen Streifen wie der Formalinharn. 
Dieser Versuch spricht dafür, dass thatsächlich durch das Formalin 
die Ueberführung des Urobilinogens in Urobilin verhindert wird. 

Da nun das Urobilin sich erst nach Entleerung des Harns an der 
Luft bildet, so dachte ich nun die Urobilinbildung vollständig hindern zu 
können, wenn die Miction in ein mit Formalin beschicktes Gefäss erfolgt. 
Diese Voraussetzung hat sich thatsächlich als richtig erwiesen. Wird 
der Harn theilweise in ein Formalin enthaltendes Gefäss und theilweise 
in ein leeres Gefäss entleert, so ist in dem formalinhaltigen Harn weder 
durch Stehen noch durch Kupfersulfat ein Urobilinstreifen hervorzurufen 
und auch der Chloroformauszug ist nicht urobilinhaltig, in dem formalin- 
freien Ham aber lässt sich durch Kupfersulfat Urobilin nachweisen. 

Es ist hierdurch klar, dass Harne, die auf Urobilin oder Uro- 
bilinogen untersucht werden sollen, nicht mit Formalin con- 
servirt werden dürfen, da durch das Formalin die Bildung des 
Urobilins aus Urobilinogen behindert wird. 

Dass hierbei eine specifische chemische Bindung und nicht etwa eine 
einfache reducirende Wirkung des Forraalins im Spiele, beweist einmal 
der Umstand, dass ein Formalinzusatz zu dem bereits mit Kupfer ver¬ 
setzten Harn keine Wirkung mehr hat, und zweitens, dass andere redu¬ 
cirende Substanzen (Natrium subsulfurosum, Pyrogallol, Traubenzucker etc.) 
die Kupferreaction nicht beeinflussen, wenn sie auch vor dem Kupfer 
dem Harne beigemengt werden. 

Bemerkenswerth ist, dass nach Kupferzusatz zum urobilin¬ 
haltigen Harn die Schlesinger-Hildcbrand , sehe Zinkacetatprobe 
keine Fluorescenz giebt, ebenso giebt das Chloroformextract eines so 
behandelten Harns keine Fluorescenz. Jedoch färbt sich das Chloroform¬ 
extract eines mit Kupfersulfat und alkoholischer Zinkacetatlösung be¬ 
handelten Harnes intensiv rosaroth und zwar viel stärker als das 
Chloroformextract desselben nur mit Kupfersulfat oder nur mit Zinkacetat 
behandelten Harnes. Es scheinen sich die Einwirkungen des Kupfersulfates 
und des alkoholischen Zinkacetates zu addiren, so dass dadurch eine 
grössere Menge Urobilin extrahirbar gemacht wird. 

Wird zu dem mit Kupfersulfat versetzten oder zu dem einen Urobilin¬ 
streifen zeigenden Harn eine schwache Kalihypermanganatlösung 
tropfenweise hinzugefügt, so wird der Urobilinstreifen immer schwächer 
und verschwindet schliesslich ganz. Auch der Chloroforraauszug ist dann 
farblos und zeigt keinen Streifen 1 ). Man könnte daran denken, daraus 

1) Man muss sieb hüten, zu viel und eine zu starke Permanganatlösung zuzu¬ 
setzen, denn eine stark roth gefärbte Kalihypermanganatlösung zeigt neben 7 Linien, 
die unter gewöhnlichen Umständen nicht weiter auffallen, ein breites, dunkles Band, 
welches das ganze grüne Feld einnimmt und von Unerfahrenen für einen starken 
Urobilinstreifen gehalten werden könnte. Bei der Verdünnung der Lösung wird das 
Band, ohne schmäler zu werden, immer heller, während ein breiter Urobilinstreifen 
in starken Urobilinlösungen bei Verdünnung der Lösung immer schmäler wird. Die 
spektralen Grundlagen des Permanganatstreifens und des Urobilinstreifens sind nicht 
ganz identisch. 


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eine Titrationsmethode zur quantitativen Urobilinbestimmung zu schaffen, 
doch enthält ja der Harn noch andere oxydable Substanzen, und dieser 
Umstand macht das Verfahren illusorisch. Uebrigens hat Ri va gefunden, 
dass Urobilin durch vorsichtiges Zuträufeln von Permanganatlösung zu 
Urochrom oxydirt wird, während nach Garrod reines Aldehyd das Uro- 
chrom in Urobilin überführt. Urochrom hat bekanntlich kein Spectrum 
und löst sich nicht in Chloroform. 

Auch das Wasserstoffsuperoxyd habe ich einerPrüfung unterworfen. 
Da Hildebrandt gefunden hat, dass das Urobilinogen durch Wasserstoff¬ 
superoxyd in Urobilin verwandelt wird, so war es zu erwarten, dass das 
Urobilin selbst der oxydirenden Wirkung des H 2 0 2 Stand halten wird. 
So war es auch. Weder der native urobilinhaltige Harn, noch der mit 
Kupfer versetzte verliert seinen Streifen, auch der Chloroformauszug färbt 
sich in gewohnter Weise, nur etwas schwächer als wie ohne H 2 0 2 -Zusatz. 

Es war nun zu erforschen, ob der Chloroformauszug das Urobilin 
in sich aufnimmt, wenn nach Kupfersulfatzusatz dem Harn Agentien 
zugesetzt werden, die das Kupfer fällen. 

Schwefelwasserstoff in kleineren Mengen zugesetzt, fällt nicht sämmt- 
liches Kupfer aus, und dann färbt sich das Chloroform, wenn auch 
schwächer, als wenn kein SH 2 zugesetzt wird. Ist aber durch SH 2 in grösserer 
Menge alles Kupfer ausgefällt, so bleibt der Chloroformauszug ungefärbt. 

Auch nach vollständiger Fällung des Kupfers durch Ferricyankalium 
geht das Urobilin nicht ins Chloroform über. 

Setzen wir weiter zum kupfersulfathaltigen Urobilinharn tropfenweise 
Ammoniak (resp. Kali- oder Natronlauge) zu, bis alles Kupfer als Kupfer¬ 
hydroxyd ausgefällt ist, so zeigt das Filtrat kein Spectrum und der 
Chloroformauszug desselben ist farblos. Der Filterrückstand löst sich aber 
vollständig in verdünnter Salzsäure; die Lösung zeigt dann das Urobilin- 
spectrum und ihr Chloroformauszug färbt sich in charakteristischer Weise. 
Es wird somit das Urobilin an den Kupferhydroxydniederschlag gekettet. 

Setzen wir dagegen Ammoniak im Ueberschuss hinzu, sodass sich 
ein Theil des Kupferhydroxyds zu einer blauen Flüssigkeit gelöst hat, so 
färbt sich der Chloroformauszug sehr schwach, und zwar mit einem vio¬ 
letten Schimmer, zeigt aber kein Spectrum. Nach weiterem Zusatz von 
Ammoniak in einer Menge, die säramtliches Kupferhydroxyd löst, färbt 
sich der Chloroformauszug nicht mehr. Die dunkelblaue Flüssigkeit eignet 
sich zur spectroskopischen Untersuchung nicht; nach entsprechender Ver¬ 
dünnung der blauen Lösung wird ein Absorptionsstreifen vermisst. Erklärt 
wird das Fehlen des Absorptionsstreifens und das Farblosbleiben des Chloro¬ 
forms dadurch, dass Lösungen des Urobilins in stark alkalischen Lösungen 
das Spectrum verlieren und dass das Urobilin aus alkalischen Lösungen 
durch Chloroform nicht extrahirt werden, wie folgende Versuche zeigen: 

Schütteln wir den gefärbten Chloroformauszug des mit 
Kupfersulfat versetzten Urobilinharnes mit 1 / 10 Normalnatron¬ 
lauge aus, so entfärbt sich das Chloroform und es färbt sich das 
alkalische Wasser entweder deutlich rosa oder, wenn der Chloroformauszug 
sehr stark urobilinhaltig war, gelb. Auch wird das aus ^ioo Normal¬ 
natronlauge bestehende Ausschüttelungswasser gelb und nicht rosa gefärbt. 


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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 385 


Setzt man zu einer gelb gefärbten alkalischen Urobilinlösung einige 
Tropfen Normalnatronlauge zu, so wird die Lösung ebenfalls rosa, das 
Gleiche geschieht, wenn wir die Lösung mit grössererMenge einer ^Normal- 
resp. Vioo Normalnatronlauge verdünnen. Es scheint also ein grosser Ueber- 
schuss an Alkali die gelbe Färbung hervorzurufen, während umgekehrt 
die rosa Farbe dann hervortritt, wenn der Ueberschuss ein geringer ist 
oder wenn Urobilin im Ueberschuss vorhanden ist. Andererseits aber ist 
die Färbung auch von dem Grade der Verdünnung der Urobilinlösung 
abhängig, denn eine gelbe Lösung in Alkali nimmt eine rosa Nuance an 
bei Verdünnung mit Wasser, dasselbe thut eine gelbe Chloroformlösung 
bei Verdünnung mit Chloroform. 

Pipettirt man oder dekantirt man diese alkalische Urobilinlösung ab, 
so färbt sich beim Ausschütteln derselben mit neuem Chloroform letzteres 
nicht mehr. Die deutlich alkalisch reagirende Urobilinlösung giebt das 
Urobilin also an das Chloroform nicht heraus, was zunächst wohl damit 
zusammenhängt, dass das Urobilin als Säure mit dem Alkali gebunden wird. 

An diesem alkalischen urobilinhaltigen Ausschüttelungs¬ 
wasser lassen sich nun die verschiedensten Versuche anstellen: 

1) Erstens war zu prüfen, ob in die alkalische Lösung Kupfer mit 
dem Urobilin aus dem Chloroformauszug übergeht, in welches es vielleicht 
als Kupferverbindung des Urobilins aus dem Harn Übertritt. Es erzeugte 
aber der Zusatz von Ferricyankaliura zu dem alkalischen Ausschüttelungs¬ 
wasser des urobilinhaltigen Chloroforms weder braune Fällung noch braune 
Färbung. Es ist in dem alkalischen Ausschüttelungswasser also 
sicher kein Kupfer enthalten. 

2) Salkowski (33) hat gefunden, dass wässerige Urobilinlösungen und 
urobilinhaltiger Harn die sogen. Biuretreaction geben, d. h. nach Zusatz 
von Alkali durch einige Tropfen verdünnter Kupfersulfatlösung sich rosa 
resp. rosa-violet färben. Ich habe nun die Biuretreaction an dem uro¬ 
bilinhaltigen alkalischen Ausschüttelungswasser an den verschiedensten 
Proben vielfach ausgeführt und dabei gefunden, dass sie nur in den 
seltensten Fällen positiv ausfällt, meistens aber resultatlos verläuft. Ob 
nun das alkalische Ausschüttelungswasser gelb gefärbt ist oder rosa, ob 
eine^oo-Normalnatronlauge oder^io-Normalnatronlauge zur Ausschüttelung 
verwandt, ob eine Wasserverdünnung und stärkere Alkalisirung vor der 
Probe vorgenommen wurde — meist war das Ergebniss das gleiche, 
nämlich ein negatives. Und woher es kommt, dass an vereinzelten 
Proben die Reaction gelang, vermag ich nicht zu sagen. Doch wenn 
sie gelang, bildete sich nach einigem Stehen ein ganz zart violeter Nieder¬ 
schlag, der sich beim Ansäuern mit gelblicher Färbung löste. 

3) Neutralisiren oder säuern wir das alkalische Ausschütte¬ 
lungswasser mit Schwefelsäure oder Salzsäure an, so lässt sich nunmehr 
das Urobilin daraus durch Chloroform extrahiren, letzteres färbt sich 
charakteristisch gelbroth oder gelb und lässt einen Urobilinstreifen er¬ 
kennen ; doch es geht nur ein Theil des Urobilins aus der sauren Lösung 
in das Chloroform über, derart, dass beide gefärbt sind. 

4) Auffallender Weise fehlt meist beim Spectroskopiren des 
alkalischen Ausschüttelungswassers der Urobilinstreifen, oder 


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es ist nur ein ganz schwacher verwaschener Streifen vorhanden, eine That- 
sache, die sich mit dem Befund anderer Autoren (Fromhold) deckt, dass 
Lösungen von reinem Urobilin in alkalisirtera Wasser oft den Urobilinstreifen 
vermissen lassen, und die im Widerspruch steht mit der allgemein verbreiteten 
und schon von Jaffd geäusserten Ansicht, dass Urobilin in alkalischen 
Lösungen gegenüber dem Urobilin in sauren Lösungen einen nach Roth 
hin gerückten Streifen zwischen E und b zeigt 1 ). Wird aber das alkalische, 
einen Urobilinstreifen vermissen lassende Ausschüttelungswasser vorsichtig 
mit Normalschwefelsäure bis zur eben sauren Reaction angesäuert, so 
tritt wieder der Urobilinstreifen auf. 

5) Das alkalische Ausschüttelungswasser lässt sich zur quantitativen 
titrimetrischen Urobilinbestimmung verwenden. Das Urobilin als Säure 
bindet das Alkali und aus der Menge der zur Neutralisation verbrauchten 
^jo-Normalschwefelsäure lässt sich berechnen, wieviel Alkali durch Uro¬ 
bilin gebunden war. Beispielsweise wäre eine bestimmte urobilinhaltige 
Chloroformmenge mit 10 ccm Vio - Normalnatronlauge ausgeschüttelt 
worden. Beim Titriren des Ausschüttelungswassers mit 7 10 -Normal¬ 
schwefelsäure ergiebt sich, dass die durch Phenolphthalein erzeugte rothe 
Farbe der Lösung nach Zusatz von 8 ccm einer bestimmten Menge 
Vio -Normalnatronlauge verschwindet, dann entspricht die Menge des im 
Ausschüttelungswasser vohandenen Urobilins einer Acidität von 2 auf 10 
oder von 20 auf 100 2 ). 

6) Setzen wir zum alkalischen Ausschüttelungswasser Phenolphtha¬ 
lein, so färbt es sich stark roth. Wenn wir dann spectroskopiren, so 
werden wir erfreut durch die Entdeckung, dass ein sehr starker und 
breiter Urobilinstreifen wieder erschienen ist. Doch unsere Freude wird 
zu Wasser, wenn wir in ein Vergleichsröhrchen reine 710 -Normalnatron¬ 
lauge thun und Phenolphthalein zusetzen, die stark rothe Lösung zeigt 
dann zu unserer grossen Enttäuschung ebenfalls einen schönen breiten 
Streifen im Grünen. Es handelt sich hier also nicht um einen Urobilin¬ 
streifen, sondern um eine Absorption der rothen alkalischen Phenolphthalein¬ 
lösung. 

7) Es war nun der Beweis zu führen, dass in dem alkalischen 
Ausschüttelungswasser thatsächlich Urobilin enthalten ist. War dieses 
eigentlich schon dadurch bewiesen, dass dasselbe nach Ansäuern einen 
deutlichen Urobilinstreifen erkennen und durch Chloroform sich extrahiren 
lässt, wobei letzteres sich gelb färbt und auch einen Streifen zeigt, so 
musste ich damit rechnen, dass der Eine oder der Andere den spectro- 
skopischen Befund noch nicht für genügend beweisend erachtet. Hat 
doch kein Geringerer als Gamgee (34) den Satz ausgesprochen aus Anlass 

1) Es lässt sich diese seit Jaffö vertretene Lehre von dem Absorptionsstreifen 
des Urobilins in alkalischer und dann in saurer Lösung auch nach den spectrophoto- 
metrischenUntersuchungen Chamas’ nicht mehr unbedingt aufrecht erhalten, welcher 
Autor gefunden hat, dass die Reaction der Lösung nicht gesetzmässig den Absorptions¬ 
streifen beeinflusst. 

2) Da geringe Mengen Alkali vom Chloroform zurückgehalten werden können, so 
ist es besser, die titrimetrische Urobilinbestimmung in der alkalischen Lösung des nach 
dem Verdunsten eines Chloroformauszuges zurückbleibenden Rückstandes vorzunehmen. 


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Ueber Urobilin and seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 387 


der Urobilinfrage, dass das spectroskopische Verhalten noch nicht genüge 
zur ldentificirung von chemischen Körpern. So musste an dem Aus¬ 
schüttelungswasser mit Hülfe einer anderen allgemein anerkannten Uro- 
bilinreaction gezeigt werden, dass diese Reaction am Ausschüttelungs¬ 
wasser positiv ausfällt. 

Ich machte also die Zinkacetatprobe nach Schlesinger-Hilde¬ 
brandt am alkalischen Ausschüttelungswasser. Eine lOproc. durch¬ 
geschüttelte Suspension von Zinkacetat in absolutem Alkohol wurde mit 
der gleichen Menge Ausschüttelungswasser vermischt und filtrirt. Das 
Filtrat zeigte weder Fluorescenz noch einen Absorptionsstreifen. Darauf 
säuerte ich das Filtrat mit H 2 S0 4 an, und wieder erhielt ich keine 
Fluorescenz, schliesslich stumpfte ich das Filtrat bis zur annähernd 
neutralen Reaction mit Ammoniak ab, doch auch das half nichts. 

Nach diesen Resultaten konnte es scheinen, dass der negative Aus¬ 
fall der Zinkacetatprobe darauf hinweise, dass eben kein Urobilin in dem 
Ausschüttelungswasser enthalten sei. Doch mir sagte nach allen meinen 
vorhergegangenen Versuchen dieses negative Resultat nur das Eine, dass 
eben die Zinkacetatprobe sehr capriciös sei und trotz Gegenwart von 
Urobilin in manchen Fällen versagen kann. Und ich probirte weiter. 
Ich säuerte die Mischung des Ausschüttelungswassers mit Zinkacetat¬ 
alkohol an und filtrirte erst nach dem Ansäuern. Wieder ein negatives 
Resultat! Und erst als ich die angesäuerte Mischung mit Ammoniak 
tropfenweise bis zur annähernd ueutralen Reaction abstumpfte und dann 
filtrirte, zeigte das Filtrat typische Fluorescenz. So war denn schliesslich 
auch durch die Zinkacetatprobe die Anwesenheit von Urobilin im alkali¬ 
schen Ausschüttelungswasser bewiesen, und ausserdem wurde es evident, 
wie sehr der positive Ausfall der Fluorescenzprobe von einer passenden 
Reaction der Urobilinlösung abhängt 1 ), und dass die passende Reaction 
nicht erst nach dem Filtriren der Mischung hergestellt werden darf, 
sondern vor dem Filtriren. 

8) Es wurde auch an dem alkalischen Ausschüttlungswasser die 
Ehrlich’sche Probe auf Urobilinogen angestellt und es zeigte sich, 
dass keine Spur von Urobilinogen drin enthalten ist. 

9) Nach Ansäuern des über dem entfärbten Chloroform stehenden 
alkalischen Ausschüttlungswassers geht beim erneuten Ausschütteln das 
Urobilin zum Theil in das Chloroform über, das sich nun gelb färbt, 
und wenn man dann die Flüssigkeit wieder alkalisirt, so geht der Farb¬ 
stoff wieder in die Flüssigkeit zurück. So hat man es in der Hand, durch 
Alkalisiren oder durch Ansäuern der zum Ausschütteln benutzten Flüssig¬ 
keit das Urobilin aus dem Chloroform in die Flüssigkeit zu treiben, und 
aus der Flüssigkeit in das Chloroform usw. 

Nach diesen Versuchen ist es ohne weiteres verständlich, wie sich 
der Chloroformauszug des mit Kupfersulfat versetzten Harnes beim Aus¬ 
schütteln mit aqua desti 11 ata oder mit Säuren verhalten muss. 

1) Bei öfteren Versuchen dieser Art gelang es mir nur in einem Theil der Ver¬ 
suche auf diese Art die Fluorescenz in dem alkalischen Ausschüttelungswasser des 
Urobilins zu erhalten, öfters gelang es nicht, da eben ein Zuviel von Ammoniak oder 
von Säure die Reaction nicht zu Stande kommen lässt. 


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Beim Ausschütteln mit destillirtem Wasser wird das urobilinhaltige 
Chloroform nicht entfärbt, ins Wasser gehen nur Spuren über, kenntlich 
an dem schwach-gelblichen Schimmer, wohl nicht mehr als den im 
Wasser gelösten geringen Mengen von Chloroform entspricht. Eine 
Zinkacetatprobe erzeugt auf keine Weise, auch nach Ansäuern und 
Wiederabstumpfung mit Ammoniak, eine Fluorescenz. Wohl aber färbt 
sich nach Ansäuern dieses rein wässrigen Ausschüttlungswassers und 
nach Ausschüttlung mit neuem Chloroform letzteres mit einem ganz 
schwachen gelbrothen Schimmer, ohne ein Spectrum erkennen zu lassen, 
ganz wie wenn wir einen nur ganz geringe Mengen Urobilin enthaltenden 
Harn nach Kupfersulfatzusatz mit Chloroform ausschütteln. Es beweist 
auch dieser Umstand, dass das durch Kupfersulfat freigemachte und 
durch Chloroform extrahirte Urobilin in so geringen Mengen ermittelt 
werden könne, kenntlich an der Färbung des Chloroforms, wie sie bei 
der Fluorescenzprobe leicht dem Nachweis entgehen. 

Wie gering die Menge des aus dem urobilinhaltigen Chloroform in 
das destillirte Wasser übergegangenen Urobilins ist, lässt sich durch Titration 
mit l h 00 Normalnatronlauge bestimmen. Während, wie oben berichtet, 
aus einer bestimmten Menge eines Chloroforraauszuges in 10 ccm einer 
Normalnatronlauge eine Urobilinmenge übergegangen war, die einer 
Acidität von 2,0 Vio Normalschwefelsäure entspricht, ging aus einer 
gleichen Portion desselben Chloroforraauszuges in 10 ccm von aqua 
destillata eine Urobilinmenge über, die einer Acidität von 0,04 l j 10 Normal¬ 
schwefelsäure entsprach. 

Aehnlich verhält sich der urobilinhaltige Chloroformauszug beim 
Ausschütteln mit angesäuertera Wasser, auch hier geht nur eine geringe 
Menge über, jedoch mehr als in destillirtem Wasser. 

Es muss noch einer Eigenthümlichkeit des urobilinhaltigen alkalischen 
Ausschüttlungswassers gedacht werden. Beim Stehen an der Luft, be¬ 
sonders wenn von Zeit zu Zeit wieder umgeschüttelt wird, entfärbt sich 
das rosa gefärbte Ausschüttlungswasser fast vollkommen in 
einigen Tagen, das gelb gefärbte Ausschüttlungswasscr dagegen ist be¬ 
ständiger und erst nach längerer Zeit blasst es stark ab, doch kann auch 
hier der Process durch häufiges Umschütteln beschleunigt werden. 

Im entfärbten Ausschüttlungswasser ist kein Urobilinstreifen vor¬ 
handen, und im Gegensatz zum gefärbten lässt sich der Streifen auch 
durch Ansäuerung nicht wieder hervorrufen. Beim Extrahiren mit neuem 
Chloroform färbt sich letzteres auch nach Ansäuern des Ausschüttlungs¬ 
wassers nicht. Eine Biuretraction ist am entfärbten Ausschüttlungs¬ 
wasser nie zu erzielen. Nach Zusatz von 10 proc. Kupfersulfatlösung 
färbt sich die entfärbte Flüssigkeit auch nach Ansäuern nicht grün, wie 
der Harn, sondern blau und lässt keinen Urobilinstreifen erkennen, das 
Chloroformextract aber bleibt farblos. Es ist ganz dasselbe Verhalten, 
wie es der urobilinhaltige Harn nach Zusatz von Kali hyperraanganicum 
zeigt. Thatsächlich lässt sich durch Kali hyperraanganicum der sonst 
langsam vor sich gehende Process der Entfärbung am alkalischen Aus¬ 
schüttlungswasser momentan bewerkstelligen. 

Es sind somit Oxydationsprocesse im Spiel, die das Urobilin in 


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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 389 

einen farblosen Körper überführen. Jedenfalls wird das Urobilin nicht 
in Urobilinogen zurückgewandelt, wie die am entfärbten Ausschüttlungs- 
wasscr stets negativ verlaufende Ehrlich’sche Reaction beweist.. Auf¬ 
fallend ist dagegen, dass sich das Chloroformextraot auch bei monate- 
langem Stehen nicht entfärbt, wohl weil das Urobilin durch das Chloro¬ 
form vor der Oxydation bewahrt wird. Es scheint nun möglich, dass 
ein urochromartiger Körper im entfärbten Ausschüttlungswasser vor¬ 
handen ist, wie er von Riva durch vorsichtiges Behandeln des Urobilins 
mit Kalihypermanganatlösung erhalten worden ist. Ich habe versucht, 
die entfärbte Lösung durch reducirende Agcntien wieder zu restauriren. 
Dieses ist mir nach dem von Charnas für Urobilinlösung, die ihren 
Absorptionsstreifen verloren hatten, angegebene Verfahren mittelst Zink¬ 
staub gelungen. 

Nun muss die Frage aufgeworfen werden, woher es kommt, dass 
durch Kupfersulfatzusatz zum Harne das Urobilin mit Chloroform 
extrahirbar wird. Neuberg giebt in seinem Buch „Der Harn“ anlässlich 
der Erwähnung der Bogomolofrsehen Arbeit kurz und ohne weitere 
Begründung an, dass eine Kupferverbindung des Urobilins entsteht, 
welche im Chloroform löslich ist, und im Spaeth’schen Buche „Die 
Analyse des Harns“ findet sich, ohne Erwähnung des Urobilinnachweises 
mittels Kupfersulfats, die kurze Bemerkung, dass das Kupfersalz des 
Urobilins in Chloroform löslich ist. Ich habe aber nirgens etwas über 
die thatsächliche Existenz oder die synthetische Darstellung eines Kupfer¬ 
salzes des Urobilins gefunden. Es müssen also die Angaben von 
Neuberg und Späth auf blosser Voraussetzung beruhen. 

Oben haben wir gesehen, dass in dem alkalischen Ausschüttlungs¬ 
wasser des urobilinhaltigen Chloroforms kein Kupfer nachzuweisen war. 
Es blieb aber noch die Aufgabe, den Chloroformextract auf Kupfer zu 
untersuchen. Zu diesem Zweck dampfte ich denselben bis zur Trockne 
ein. Ein Theil des Trockenrückstandes wurde mit Neumann’schem 
Säuregemisch 1 ) verascht und nach entsprechender Verdünnung der Asche¬ 
lösung mit den üblichen Reagentien auf Kupfer untersucht. Weder 
Ammoniak (nach entsprechender Neutralisirung) noch Schwefelammonium 
noch Ferrocyankalium gaben eine für Kupfer charakteristische Fällung 
resp. Färbung. Mit der anderen Portion wurden weitere Versuche an¬ 
gestellt, wobei es sich herausstellte, dass der Trockenrückstand in Säuren 
sich nur theilweise löst, vollständig aber'in Alkalien. Die alkalische 
Lösung wurde zum Kupfernachweis benutzt, doch mit vollständig negativem 
Resultat. Dann habe ich die trockne Veraschung des nach der Ver¬ 
dampfung des Chloroforms zurückgebliebenen Trockenrückstandes versucht. 
Bei dem Veraschungsversuch sublimirtc die Substanz, beschlug die oberen 
Partien der Wände des Veraschungstiegels und die untere Fläche des 
Deckels mit einem braunen glänzenden Belag, während der Boden und 
die unteren Partien der Tiegclwand vollkommen rein wurden. Die ganze 
Substanz hatte sich verflüchtigt. Der Belag löste sich weder in Chloro- 

1) Nach der Darstellung in Mohr-Beutemüller: Die Methodik der Stoflf- 
wechseluntersuchungen. 1911. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 


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form, noch Alkalien, noch Säuren, und konnte nur mechanisch entfernt 
werden. 

Auch Geheimrath Robert hat die Freundlichkeit gehabt, eine Portion 
des urobilinhaltigen Chloroformextractes und ein Theil des Trockenrück¬ 
standes, die ich ihm übergeben hatte, in seinem Institut auf Kupfer 
untersuchen zu lassen, doch ebenfalls mit vollständig negativem Erfolge. 

Somit ist es ausgemacht, dass in dem Chloroformextract des 
Urobilins keine Kupferverbindung desselben enthalten ist, was 
principiell wichtig ist, sofern wir dadurch veranlasst werden, eine andere 
Erklärung für den Umstand zu finden, dass das im Harne befindliche Urobilin 
durch Kupfersulfat in eine durch Chloroform leicht extrahirbare Form 
übergeführt wird 1 ). Dass nicht Ansäuerung des Harnes, welche ja gewiss 
durch Kupfersulfat als sauer reagirende Verbindung statthat, dieses zu 
Wege bringt, zeigt der Umstand, dass wir diese Extrahirbarkeit des Uro¬ 
bilins durch einfachen Zusatz von Säuren nicht erreichen. 

Auch scheint es mir fraglich, ob die Bogomoloff’sche Annahme 
richtig ist, dass das Kupfersulfat das Urobilin aus seiner Verbindung 
mit Phosphaten befreit, denn dann müssten andere wässerige Lösungen 
von Metallsalzen dasselbe bewirken, doch das ist, wie wir weiter unten 
sehen werden, bei den meisten nicht der Fall. 

Es ist aber sehr möglich, dass hier eine Katalyse durch die ge¬ 
lösten Kupferionen eine Rolle spielt, durch welche eine Umlagerung im 
Urobilinraolekül bewirkt wird, die dasselbe unlöslich in dem eine compli- 
cirte Salzmischung darstellenden Urin und löslich in Chloroform macht 
(dafür spräche die oft zu beobachtende Bildung eines das Urobilin ent¬ 
haltenden Niederschlages nach Kupferzusatz zum Urin), oder das Uro¬ 
bilinmolekül so verändert, dass sein LösungcoefGcient für Chloroform ein 
grösserer wird, als für den Urin. 

Bei der Frage über die Wirkung des Kupfers auf den urobilin¬ 
haltigen Harn muss die von Salkowski gefundene Eigenschaft von 
Urobilinlösungen erwähnt werden, bei alkalischer Reaction auf Zusatz 
von einigen Tropfen verdünnter Kupfersulfatlösung die sog. Biuretreaction 
zu geben, d. h. sich rosa bezw. rosa-violett zu färben. Diese Eigen¬ 
schaft hat Salkowski zunächst an urobilinhaltigen Harnen gefunden, 
dann aber auch an reinen Urobilinlösungen. Wir haben oben gesehen 
(S. 385), dass diese Reaction durchaus nicht immer zu erhalten ist, 
sondern sehr häufig in alkalischen Urobilinlösungen negativ ausfällt oder 
wenigstens so undeutlich, dass damit nichts anzufangen ist. An Harnen 
ist die Sache noch complicirter, da wegen der oft dunklen Eigenfarbe 
des Harns die zarte Biuretfärbung nicht bemerkbar wird. Also practisch 
ist mit der Biuretprobe an urobilinhaltigen Harnen nur selten etwas zu 
erreichen, und der Versuch, den Harn nach der Biuretprobe mit Chloro¬ 
form auszuziehen, misslingt vollständig, da, wie wir wissen, aus alka¬ 
lischen Urobilinlösungen der Farbstoff nicht ins Chloroform übergeht 
(s. S. 385). Wenn wir auch den Harn nach der Biuretreaction wieder 


1) Bei stark urobilinhaltigen Harnen gehen ganz geringe Mengen von Urobilin 
auch ohne Kupferzusatz ins Chloroform über. 


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lieber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 391 

ansäuern, so ist die Wirkung der Paar Tropfen verdünnter Kupfersulfat¬ 
lösung eine zu minimale, um das Urobilin in eine durch Chloroform 
extrahirbare Form überzuführen. Es ist somit die Salkowski’sche 
Biuretreaction von dem hier beschriebenen Verfahren, den Harn mit 
grösseren Mengen Kupfersulfatlösung zu behandeln, principiell verschieden, 
sofern hier das Urobilin so verändert wird, dass es durch Chloroform 
extrahirbar gemacht wird, und dort höchstens die Farbe der Lösung 
sich verändert, ohne vom Chloroform aufgenommen zu werden. Ich 
habe es für nöthig gehalten, hier darauf näher einzugehen, weil nach 
einem Vortrag mir eingewandt worden ist, die von mir empfohlene 
Kupferprobe wäre bekannt und in allen Lehrbüchern als Salkowski’sche 
Reaction beschrieben! 

Nun gelangen wir zur Frage, ob ausser dem Kupfersulfat auch 
andere Kupfersalze eine gleiche Wirkung auf das im Urin enthaltene 
Urobilin haben, d. h. ob sie letzteres so beeinflussen, dass es durch 
Chloroform extrahirbar wird. Ich habe eine 10 proc. Kupferacetat¬ 
lösung geprüft, und es erwies sich, dass auch dieses Kupfersalz eine 
solche Wirkung hat. 

Darauf musste untersucht werden, ob andere Metallsalze sich gleich 
verhalten. Ich prüfte Bleiacetat, Ferrum sulfuricum, Zincum aceticum 
(in wässeriger Lösung), Zincum sulfuricum, Sublimat, Phosphorwolfrara- 
säure und Ferricyankalium. 

Nach Zusatz von entsprechend starken, wässerigen Lösungen 
von Ferrum sulfuricum, Zincum aceticum, Zincum sulfuricum 
und Ferricyankalium zum Harn bleibt der Chloroformauszug 
ungefärbt. 

Durch Bleiacetat wird eine massige Fällung herbeigeführt. Beim 
Extrahiren mit Chloroform färbt sich letzteres und lässt einen Urobilin¬ 
streifen erkennen. Doch erstens ist es wegen des massigen, schmierigen 
Niederschlages des Chloroformauszuges schwer rein zu erhalten, und 
zweitens ist sowohl die Intensität der Färbung als auch des Streifens 
schwächer als nach dem Kupferzusatz. 

Durch eine Sublimatlösung erhalten wir eine die Extraction sehr 
störende, massige Fällung, doch ist immerhin eine, wenn auch schwache 
Färbung des Chloroforms zu constatiren. 

Durch Phosphorwolframsäure erhalten wir eine starke Fällung, 
die aber die Extrahirbarkeit des Harnes recht stört. Das Chloroform- 
extract ist gut gefärbt und lässt einen Urobilinstreifen erkennen. 

Somit haben wir keinen Grund, von dem Kupfersulfat abzugehen, 
welches sich sehr gut bewährt und ausserdem ein Reagens ist, welches 
in lOproc. Lösung auch in dem entlegensten Erdenwinkel bei jedem 
Arzt vorhanden ist, während z. B. die zur Noth brauchbare Phosphor- 
wolfrarasäure nicht einmal in allen Krankenhäusern zur Hand ist. Das 
Sublimat und das Bleiacetat aber sind wegen der massigen Fällung 
nicht geeignet 1 ). 

1) Das durch Ammonsulfat ausgesalzene Urobilin lässt sich gleichfalls mit 
Chloroform aufnehmen. Wird nach dem Verfahren von Charnas in alkalischer 
Gährung begriffener Harn, in welchem das Urobilin in Urobilinogen umgewandelt ist, 

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Theodor Hausmann, 


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Von Braunstein (35) ist eine modificirte Kupfersulfatprobe angegeben 
worden, die ich nicht für ganz einwandfrei halte. Er setzt zur Kupfer¬ 
sulfatlösung Salzsäure und Ferrum sesquichloratum, also corabinirt das 
Kupfersulfat mit dem Obermcyer’schen Reagens. Ganz abgesehen davon, 
dass durch das Obermeyer’sche Reagens bei Gegenwart von Indican der 
Chloroforraauszug sich blau färbt, wird erstens einmal bei Gegenwart 
von Jod im Urin (nach Jodraedication) der Chloroformauszug violettroth 
gefärbt, welche Färbung allerdings nach Zusatz eines Krystalls von 
Natrium subsulfurosura schwindet. Weiter färbt sich bei Gegenwart von 
Skatoxylschwefelsäure (aus dem im Darm gebildeten Skatol) der Chloro¬ 
formauszug durch das Oberracyer’sche Reagens röthlich, und diese 
Färbung verschwindet nicht nach Zusatz eines Krystalles von Natrium 
subsulfurosum, ganz ebenso, wie auch das durch Urobilin gefärbte 
Chloroform durch Natrium subsulfurosum sich nicht entfärbt. Dadurch 
werden unliebsame Complicationen in der Deutung der Reaction herein¬ 
gebracht. Etwas anderes ist es mit einem Zusatz von Salzsäure, welcher 
auch nach meiner Erfahrung ganz zweckmässig ist. 

Einmal löst die Salzsäure einen Theil des Niederschlages und klärt 
dadurch den Harn, wodurch die directe spectroskopische Untersuchung 
erleichtert wird. Weiter aber wird durch die Erhöhung des Säuregrades 
des Harnes das Urobilin mit Chloroform besser extrahirt. Jedoch mag 
die Acidität des Harnes auch noch so hoch sein, immer müssen wir 
vielfach mit frischen Chloroformmengen ausschütteln, um schliesslich das 
gesammte oder nahezu gesammte Urobilin aus dem Harn zu entfernen. 
Es wäre daher vortheilhaft, einen Modus zu finden, mit welchem wir 
schnell das gesammte Urobilin ausziehen könnten. 

Ich habe nun den mit Kupfer behandelten Harn mit gleicher 
Menge absolutem Alkohol versetzt und dann mit Chloroform 
extrahirt. Darnach nahm das Chloroform eine dunkelbraune Farbe an und 
liess einen überaus starken Urobilinstreifen erkennen, während der Harn 
keinen Streifen mehr zeigte. Ich schüttelte eine gewisse Menge des Chloro- 
formalkoholcxtractes eines bestimmten Harnes mit l j 10 Normalnatronlauge 
aus, es wurde ein viel grösserer Theil des Alkali gebunden als aus einem 
Chloroformextract des nicht mit Alkohol versetzten Harnes. (Der Acidität 
52 entsprechend in dem ersteren Falle und der Acidität 20 entsprechend in 
dem zweiten Fall. Bei der Berechnung muss man berücksichtigen, dass ein 
Theil des Alkohols sich mit dem zur Extraction benutzten Chloroform mischt 
und wieder theilweise in das alkalische Ausschüttlungswasser Übertritt.) 
Eine solche vollkommene Extraction des Urobilins wäre sehr willkommen, 
wenn in dem Chloroformalkoholgemisch weiter nichts als Urobilin ent¬ 
halten wäre. Doch das ist nicht der Fall. Ich habe das Extract ver¬ 
dunsten lassen und in reinem Chloroform aufgenommen. Dabei löste 
sich nur ein Theil des Rückstandes des Chloroforms, der andere Theil 

mit Weinsäure versetzt und mit Aether ausgeschüttelt, so geht das Urobilinogen bei 
Belichtung des Aethers in Urobilin über. Lassen wir nun den Aether verdunsten, so 
bildet sich ein zum Theil aus Nadeln, Crystaldrusen bestehender Rückstand, der sich 
nur zum Theil in Chloroform löst; es bleiben ungelöst Nadeln und Drusen, die unter 
dem Mikroskop sich als aus langen hellbraunen Nadeln bestehend darstellon. 



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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 393 


löste sich aber auch in grossen Chloroformmengen nicht, löste sich aber 
leicht in alkoholhaltigem Chloroform, reinem Alkohol, Alkalien und 
etwas schwerer in Säuren 1 ). Aus der sauren Lösung liess sich der Farb¬ 
stoff mit Chloroform nicht extrahiren, wohl aber nach Zusatz von Alkohol. 
Alle diese Lösungen des von reinem Chloroform nicht aufgenommenen 
Theiles des Rückstandes zeigten auch keinen Absorptionsstreifen, somit 
entsprach dieser Körper seinen Eigenschaften ganz dem Urochrom. 

Um letztere Annahme noch weiter zu stützen, löste ich den vom Chloro¬ 
form nicht angenommenen Rückstand in reinem Aldehyd, um nach dem 
Vorgang von Garrod das Urochrom in Urobilin überzuführen. Nach dem 
Verdunsten der Aldohydlösung blieb nun ein rosa-gelber Rückstand 
zurück, der sich in. Chloroform mit rosa Farbe löste, unter Zurücklasson 
eines geringen Restes 2 ). Die Chloroformlösung zeigte einen charakte¬ 
ristischen Urobilinstreifen und wurde dieselbe mit 1 / l0 Normalnatronlauge 
ausgeschüttelt, so ging der Farbstoff in die Ausschüttlungsflüssigkeit über. 
Letztere zeigte nach Ansäuern gleichfalls den Urobilinstreifen. 

Es sei hier noch bemerkt, dass es gelegentlich gelingt, auch auf folgende Weise 
das Urochrom in Urobilin überzuführen: Löst man den nach Verdunsten der Alkohol¬ 
mischung und nach Lösung der Urobilincomponente in Chloroform zurückbleibenden 
Rückstand in Alkohol und lässt ihn im Brutschrank bei 55° verdunsten, so löst sich 
jetzt wieder ein Theil des Trockenrückstandes in Chloroform, der andere Theil wird 
wieder in Alkohol gelöst und bei 55° verdunstet. Nun löst sich wieder ein Theil in 
Chloroform usw. Durch vielfache Wiederholung dieser Procedur kann man den grössten 
Theil des Urochroms in Urobilin überführen. Somit wirkt der Alkohol ähnlich, wenn 
auch nur sehr langsam auf das Urochrom, wie das Aldehyd. Doch gelingt dieses 
nicht jedesmal, was wohl von der Schnelligkeit der Verdunstung des Alkohols und von 
der Dauer seiner Einwirkung resp. der Einwirkung der Temperatur abhängig sein mag. 

Da das Urochrom zusammen mit dem Urobilin in das alkalische 
Ausschüttlungswasser übergeht, das Urochrom aber ebenso wie das Uro¬ 
bilin, wie sich leicht nachweisen lässt, Säurecharakter trägt und das # 
Alkali bindet, so wird durch Titration des alkalischen Ausschüttlungs- 
wassers mit y l0 Normalschwefelsäure die Menge des darin enthaltenen 
Urobilins nicht festgestellt. Das Urochrom muss daher vom Urobilin 

1) Der Umstand, dass in einem Alkohol-Chloroformgemisch auch Substanzen 
sich lösen, die sich in reinem Chloroform nicht lösen, raubt den Versuchen von 
H. Fischer die Beweiskraft. Fischer fand, dass das Stercobilin mit dem Urobilin 
nicht ganz identisch ist, da es ausser demN-haltigenPyrrbolderivat noch einen anderen 
Körper enthält (Gallensäure oder Stearin). Da Fischer in sein weitläufiges Dar¬ 
stellungsverfahren nicht eine Chloroformextraction eingeschoben hat, sondern mit 
Alkohol-Chloroform extrahirt, so kann der andere Körper durch Alkohol mitgerissen 
worden sein. 

2) Trotzdem eine gewisse chemische Verwandtschaft zwischen Urobilin und 
Urochrom besteht, sind sie doch genetisch voneinander verschieden, wie Klemperer 
(36) nachgewiesen hat. Denn in Fällen von absolutem Choledochusverschluss, in denen 
das Urobilin im Harn fehlt, ist Urochrom in normalen Mengen im Harn nachweisbar. 
Zudem ist das Urochrom schwefelhaltig. Und es ist anzunehmen, dass nach Uebcr- 
fübrung des Urochroms in Urobilin durch Aldehyd der in Chloroform unlösliche Rück¬ 
stand eben diese schwefelhaltigen Componente enthält, was zu bestätigen die Aufgabe 
weiterer Untersuchungen sein muss. 


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getrennt werden. Dieses habe ich in einfacher Weise so gemacht, dass 
ich die aus Chloroformalkohol bestehende Extractionsmischung verdunsten 
liess und den Rückstand mit Chloroform aufnahm. Dieses urobilinhaltige 
Chloroform liess ich wieder verdunsten und löste den Rüpkstand in einer 
bestimmten Menge */io Natronlauge und titrirtc dann mit VlO Norroal- 
schwefelsäure. Um einen concretcn Fall anzuführen, entsprach der Säure¬ 
grad von 10 ccm Chloroformalkoholextract 7,2 Vio Normalschwefelsäure. 
In einer anderen Portion von 10 ccm Extract betrug nach dem Verdunsten 
die Acidität des in Chloroform löslichen Theiles 3,4 7io Normalschwefel¬ 
säure und die Acidität des nicht in Chloroform löslichen, mit 1 / 10 Normal¬ 
natronlauge aufgenommenen Theiles Vio Normalschwcfclsäure, somit 
stimmte die Summe der beiden Aciditätsquoten fast vollständig mit der 
Acidität des Extractes überein. Es ist somit sehr wohl möglich, auf diese 
Weise titrimetrisch die Urobilinmenge im Harn zu bestimmen. 

Ich habe auch versucht, den kupferbehandelten Harn mit einer 
Aether-Chloroformmischung (2:1 Gewichtstheile), wie es von Garrod 
zur Extraction des durch Ammonsulfat ausgesalzenen Urobilins vor¬ 
geschrieben ist, zu extrahiren. Die Alkohol-Aethermischung lässt man 
verdunsten, der Rückstand wird in Chloroform aufgenommen (wobei ein 
geringer Theil des Rückstandes ungelöst bleibt), dann mit VlO Normal¬ 
natronlauge ausgeschüttelt und dann das Ausschüttlungswasser mit 
Vio Normalnatronlauge titrirt. Da in die Aether-Chloroformmischung 
sämmtliches Urobilin übergeht, so lässt sich auch durch eine solche 
Titration die Menge des Urobilins ira Harn bestimmen. 

Ich halte cs aber für das zwcckraässigste, eine bestimmte 
Menge des kupferbehandelten Harnes so lange mit immer wieder 
erneuertem Chloroform zu extrahiren, bis das Chloroform nicht 
mehr gefärbt erscheint beim Vergleich mit ungebrauchtem Chloroform. 
Die einzelnen Portionen des Chloroforms werden zusammengegossen und 
im Brutschrank bei 37° oder bei Zimmertemperatur auf eih kleineres 
Volumen eingeengt. Eine bestimmte Menge des eingeengten Chloroforms 
wird mit einer bestimmten Menge Vio Normalnatronlauge ausgeschüttelt 
und die letztere mit Vio Normalschwefelsäure titrirt. 

Nun muss festgestellt werden, welcher Urobilinmenge ein bestimmter 
Aciditätsgrad der Vio Normalschwefelsäure entspricht. 

Zu dem Zwecke wurden in zuvor genau gewogenen Porzellan¬ 
schälchen Chloroformextracte von Urobilin im Vacuura bis zur Gewichts- 
constantc verdunstet 1 )- Das so erhaltene Urobilin wurde in Vio Normal- 
natronlaugc gelöst und mit Vio Normalschwefelsäure titrirt. Es zeigte 
sich, dass 6,2 mg Urobilin einer Acidität von 1,0 Vio Normalschwefel¬ 
säure entspricht. Die Werthe schwankten zwischen 5,9—6,4. 

Somit multiplicirt man die Differenz des zur Lösung des Urobilins 
benutzten Quantums Vio Normalnatronlauge und der zur Neutralisation 
dieses Quantums verbrauchten Vio Normalschwefelsäure mit der Zahl 
0,0062, um die Urobilinmenge zu bestimmen, die in der Vio Normal- 


1) Dio Wägungen wurden im pharmakol. Institut vom Assistenten Dr. Sie bürg 
ausgeführt. 


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Uebor Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 395 


natronlauge gelöst ist. Aus der Menge des Urins und des beim Ausschütteln 
desselben verbrauchten Chloroformquantums ergiebt sich dann durch eine 
einfache Rechnung die Urobilinmenge im Urin. 

Was die quantitative Bestimmung des Urobilins für prak¬ 
tische Zwecke anbelangt, so empfehle ich folgende Methode: Der mit 
Kupfersulfat und 1 Tropfen concentrirter Salzsäure versetzte Harn wird so 
lange mit Wasser verdünnt, bis kein Urobilinstreifen mehr zu sehen ist. 
Aus dem Grad der Verdünnung wird die Urobilinmenge bestimmt. Der 
stärkste Urobilingrad, den ich beobachtete, war 48, während Huber als 
stärksten von ihm beobachteten Urobilingrad 32 angiebt, welche Zahl er 
durch Verdünnung des mit Zinkacetatalkohol behandelten Harnes bis zum 
Verschwinden der Fluorescenz erhielt. Ob das Zufall ist, oder ob viel¬ 
leicht auch hier die Kupferprobe als überlegen sich zeigt, will ich nicht 
entscheiden. 

Ich habe mir ein graduirtes Röhrchen 1 ) anfertigen lassen, bei dem 
der untere Theil zur Anpassung des Spectroskopes abgeplattet ist, welches 
mir zur spektroscopischen quantitativen Bestimmung des Urobilins geeignet 
erscheint. 

Ich kann Klinikern und Aerzten den Urobilinnachweis im Harn mit 
Kupfersulfat und Chloroformextraction angelegentlichst empfehlen. Den 
Klinikern, weil sie doch in erster Linie Lehrer der Aerzte sind, für 
Aerzte aber das Einfachste auch das Beste ist. Es ist die Kupfer¬ 
sulfatprobe einfacher als die Zinkacetatprobe, denn eine lOproz. Kupfer¬ 
sulfatlösung ist bei jedem Arzt zu finden, das Zinkacetat aber gehört 
nicht zu den verbreiteten Reagentien, und daher wird der so wichtige 
Urobilinnachweis von der grossen Masse der Aerzte kaum geübt. Und 
weiter ist die Färbung des Chloroforms für den nicht sehr Erfahrenen 
leichter zu erkennen, als eine geringe Fluorescenz, und zu den nicht sehr 
Erfahrenen gehören nicht nur die praktischen Aerzte, sondern auch die¬ 
jenigen, denen heute in Kliniken und Krankenhäusern die Harnunter¬ 
suchungen überlassen wird: die Famuli, Praktikanten und jungen 
Assistenten. Dass das Kupfersulfat energischer auf das Urobilin einwirkt 
als die Zinksalze, zeigt der Umstand, dass nach Zusatz einer wässrigen 
Zinkacetat- oder Ziuksulfatlösung zum Urobilinharn das zur Extraction 
benutzte Chloroform ungefärbt bleibt (siehe Seite 391). Dass aber die 
Extraction des durch Kupfersulfat freigemachten Urobilins mit Chloroform 
ein zuverlässigeres und weniger capriciöses Verfahren ist als die Fluores- 
cenzprobe mittels alkoholischer Zinkacetatsuspension, zeigen auf’s deut¬ 
lichste meine Versuche am alkalischen Ausschüttlungswasscr (siche S. 387). 
Wenn wir aber schon die Fluorescenzprobe anstellen wollen, so empfehle 
ich aufs dringlichste dort, wo die Probe nicht von vornherein zweifellos 
positiv ist, das Filtrat mit Chloroform auszuschütteln. Das sich ab¬ 
setzende hellgelblich gefärbte Chloroform zeigte bei meinen Versuchen 
bei geeignetem Lichtauffall oft noch deutliche grüne Fluorescenz, wo 
dieselbe am Filtrat nicht sicher nachgewiesen werden konnte. So aus¬ 
geführt kann die Fluorescenzprobe an Empfindlichkeit die Kupferprobe 


1) Das Röhrchen wird von E. Leitz in Berlin hergestellt. 


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deshalb erreichen oder gar übertreten, weil der Alkohol seinerseits auch 
Urobilin löst und mit dem Chloroform in gewisser Proportion sich 
mischend, in’s Extract bringt. Doch diese erhöhte Empfindlichkeit der 
Fluorescenzprobe kommt dadurch gegenüber der Kupfersulfatprobe in 
praxi nicht zu voller Geltung, dass durch das Kupfersulfat das Urobili- 
nogen in kürzester Zeit in Urobilin übergeführt wird (siehe Seite 382), 
was bei der Zinkacetatprobe nach Hildebrand erst nach 12 bis 14 stän¬ 
digem Stehen der Mischung erreicht wird, und nach Stokvis erst durch 
Zusatz von Lugol’scher Lösung. 

Die klinische Vergleichsprüfung der wie üblich ausgeführten Zink¬ 
acetatprobe mit der Kupferprobe und Extraction mit Chloroform ohne 
Alkoholzusatz hat ergeben, dass bei einer gleich genauen und durch Er¬ 
fahrung geschärften Ausführung, bei der die erstere an Empfindlichkeit 
die zweite oft nicht ganz erreicht. Es wurden dazu Fälle gewählt, wo, 
wie bei Pneumonie, acutem Gelenkrheumatismus, Korapensationsstörungen 
des Herzens nach Ausheilung des Anfalles die Urobilinurie von Tag zu 
Tag abnimmt, um ganz zu schwinden. Da konnte ich beobachten, dass 
in manchen Fällen der absolut negative Ausfall beider Proben am selben 
Tage zu constatiren war, in anderen Fällen eine freilich ganz schwache 
Färbung des Chloroforms bei der Kupferprobe noch ein, zwei oder mehr 
Tage je nach der Art des Leidens fortbestand, wo die Zinkacetatprobe 
ohne Chloroformextraction ein negatives Resultat gab. Das Umgekehrte 
habe ich nicht beobachtet. Durch längere Zeit hindurch bis zur vollen Ge¬ 
nesung durchgeführte Urobilinuntersuchungen an derartigen Kranken haben 
mich dahin belehrt, das entgegen der von Hildebrand geäusserten An¬ 
sicht auch ganz schwach ausfallende Urobilinproben mittels der genannten 
Reagentien keineswegs ins Bereich des Normalen verwiesen werden 
dürfen, sondern immer auf eine wenn auch unbedeutende Functionsstörung 
der Leber hinweisen. Denn sonst würde nach Abheilung des Leidens 
die schwache Urobilinprobe nicht meist nach kurzer Zeit ganz negativ 
werden, wie nach Pneumonie, Rheumatismus, erfolgreich behandelten 
Compensationsstörungen des Herzens u. s. w. Wenn bei Compensations- 
störungen die starke Urobilinurie in eine schwache oder ganz schwache 
übergegangen ist, so ist es ein Zeichen einer noch nicht vollständigen 
Wiederherstellung der Function, wenn die ganz schwache Urobilinurie 
fortbesteht. Das habe ich in Fällen gesehen, wo nach Wiederaufnahme 
der Beschäftigung in kurzer Zeit ein Rückfall der Herzstörung eintrat. 
Wenn wir an einem sonst gesund erscheinenden Menschen eine ganz 
schwache Urobilinurie constatiren, so dürfen wir natürlich nicht gleich 
irgend ein klassisches Leiden annehmen, aber eine, wenn auch passagere 
Functionsstörung der Leber — primärer oder secundärer Art — ist in 
dem Moment sicher da. Solche Leute dürfen wir nicht, in der Meinung, 
dass eine nur schwache Urobilinurie nichts Besonderes vorstellt, als voll¬ 
kommen gesund erklären, sondern müssen sie im Auge behalten, und 
von Zeit zu Zeit den Urin auf Urobilin untersuchen. Vielleicht ist dann 
die schwache Urobilinurie eine nur passagere, als Folge eines abusus 
spirituosorum oder einer anderen Intoxication resp. Autointoxication oder 


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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraotion etc. 397 


irgend einer anderen Schädlichkeit 1 ). Bleibt dieselbe aber nicht nur be¬ 
stehen, sondern nimmt bei längerer Beobachtung zu, dann steckt sicher 
ein vielleicht noch unconstatirbares organisches Leiden dahinter, das aber 
schliesslich doch, vielleicht nach Jahren an den Tag kommt. Ich ver¬ 
füge über eine Anzahl derartiger Erfahrungen. Doch auch eine passagere 
Urobilinurie ist nicht ganz bedeutungslos. Denn ein vollkommen gesunder 
Mensch kann sich noch so sehr betrinken, und er bekommt doch nicht 
die geringste Urobilinurie, und wenn sie bei einem anderen nach Alkohol¬ 
genuss auftritt, wie ich bei einigen Studenten habe constatiren können, 
so ist das doch ein Zeichen einer gewissen erworbenen oder constitutio¬ 
neilen Functionsuntüchtigkeit des Leberparenchyms. Eine schwache Uro¬ 
bilinurie beim Kranken darf doch wohl ebensowenig ignorirt werden wie 
eine schwache Albuminurie, und geben wir auf den Kranken sorgsam acht, 
der nur zeitweise eine schwache Albuminurie hat, so sollen wir dasselbe 
auch bei Kranken thun, die vorübergehende Urobilinurie haben, wenn auch 
eine zu Urobilinurie führende Erkrankung gerade nicht nachweisbar ist. 

Anmerkung: Nach Schluss meiner Arbeit bin ich bekannt geworden mit einer 
Arbeit Stokvis’: „Die Bedeutung der Biuretreaction im Menschenhand in der Zeit¬ 
schrift für Biologie, 1896, Bd. 34. Dass ich diese Arbeit bislang übersehen hatte, ist 
wohl zu entschuldigen, da Salkow'ski in seiner das gleiche Thema behandelnden 
Arbeit (1897) die Bogomoloffsche Arbeit auch nicht citirt. Stokvis hat, wie auch 
Salkowski, die Beobachtung gemacht, dass einige Harne die Biuretreaotion nach 
Zusatz von Alkali und einigen Tropfen verdünnter Kupfersulfatlösung geben, und 
kommt zum Schluss, dass es sich nie um Peptone, sondern immer um Urobilin handelt. 
Auch den von Bogomoioff angegebenen Modus, den Ham mit starker Kupfersulfat¬ 
menge ohne Alkali zu versetzen, hat Stokvis naohgeprüft und gefunden, dass so 
behandelte Harne trübe werden und einen grünbraunen Bodensatz geben. Das Filtrat 
zeigte nach Alkalizusatz eine carmosinrothe Farbe und nach Verdünnung ging sie ins 
Hellrothe über (Biuretreaction) und zeigte den Absorptionsstreifen des Urobilins. Der 
abfiltrirte Bodensatz war braungrünlich, löste sich in Kalilösung mit intensiver rosa 
Farbe und zeigte einen starken Absorptionsstreifen. Auch Stokvis meint fälsch¬ 
licherweise, dass es sich um eine Urobilinkupferverbindung handelt. Die wässerige 
Lösung des aus dem Urin durch Ammonsulfat gefällten Urobilins giebt, mit Kupfersulfat 
versetzt, einen Niederschlag, und die von dem Niederschlag abfiltrirte Flüssigkeit giebt 
beim Versetzen mit Kalilösung eine intensive dunkelblau violette Farbe, bei entsprechend 
starker Verdünnung wird sie rosa. Wird die vom Niederschlag abfiltrirte Flüssigkeit 
mit Kupfersultat und Chloroform versetzt, so färbt sich das Chloroform orangegelb, 
und giebt bei entsprechender Verdünnung auch eine Rosafärbung. Wenn auch nicht 
ganz leicht, so löst sich das Filtrat doch in destillirtem Wasser, an der sich die Biuret¬ 
reaction anstellen lässt. Die Kupferurobilinlösung giebt mit Zinkchlorid mit Ammoniak¬ 
zusatz keine Fluorescenz (vergl. das von mir auf Seite 373 Gesagte). Diese Angaben 
Stokvis’ decken sich nur zum Theil mit den meinigen. Stokvis hat zudem den mit 
Kupfersulfat versetzten Harn nicht direkt mit Chloroform ausgoschüttelt, und vertritt 
die wohl unhaltbare (vergl. S. 390) Meinung, dass es sich um eine Kupferverbindung 
des Urobilins handele. 

1) Ich habe in letzter Zeit 2 leichtere und 1 schwereren Fall von Nierenbecken- 
leiden und 1 Fall von Bursitis beobachtet, wo Urobilinurie vorhanden war, um nach 
kurzer Zeit mit der Besserung des Grundleidens zu schwinden. Es dürfte sich um 
eine toxisch-infectiöse Coaffection der Leber gehandelt haben. 


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Theodor Hausmann, 


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Zusammen Fassung. 

1. Die Untersuchung des Harnes auf Urobilin ist von hoher semi- 
otischer Bedeutung, auch wenn die nachgewiesene Urobilinmenge 
nur sehr gering ist. 

2. Zum qualitativen Nachweis eignet sich als einfachstes und 
sicherstes Verfahren die Chloroformextraction des mit conccn- 
trirter Kupfersulfatlösung versetzten Harnes, wobei das Chloro¬ 
form eine charakteristische Färbung annimmt und einen Urobilin¬ 
streifen erkennen lässt. 

3. Durch das Kupfersulfat in genügender Menge wird das Uro- 
bilinogen in kürzester Zeit in Urobilin übergeführt. 

4. Formaldehyd und Dimethylamidobenzoldehyd (Ehrlich’sches 
Reagens) behindern die Ueberführung des Urobilinogens in Urobilin. 

5. Zur quantitativen Bestimmung des Urobilins eignet sich für 
praktische Zwecke die Verdünnung des kupferbehandelten Harnes 
so lange, bis der Urobilinstreifen schwindet. Für klinische 
Zwecke eignet sich das Titriren mit 1 / 10 Normalschwefelsäure 
einer Lösung von Urobilin in VlO Normalnatronlauge, welches als 
Trockenrückstand nach dem Verdunsten des Chloroformextractes 
zurückbleibt. Die Mengendifferenz der zur Lösung benutzten 
Vio Normalnatronlauge und der zur Neutralisation benutzten 
Vio Normalnatronlauge wird mit 0,0062 multiplicirt, um die 
Urobilinmenge zu erhalten. 

6. Im Chloroformextract des kupferbehandelten Harnes ist keine 
Kupferverbindung, sondern das native Urobilin enthalten. 


Literatur. 

1) Jaffe, Virchow’s Archiv. 1869. Bd. 47. 

2) Vanlair und Masius, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1871. 

3) Maly, Ebenda. 1871. 

4) Garrod und Hopkins, Journ. of physiol. 1896. Vol. XX. 

5) Vierordt, Zeitschr. f. Biol. 1873. Bd. 9. 

6) F. Müller, Verhandl. d. schlesischen Gesellsch. f. vaterländ. Kultur. 1892. 

7) Hoppe-Seyler, Virchow’s Archiv. 1891. Bd. 124. 

8) Fudakowski, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1869. 

9) C. Gerhard, Wiener med. Wochensohr. 1877. — Berliner klin. Wochenschr. 
1878. S. 37. 

10) Dick, Archiv f. Gynäkol. 1884. Bd. 23. 

11) E. v. Bergmann, Volkmann’s Beiträge. 

12) Piloty, cit. nach Fischer. 

13) H. Fischer, Zeitschr. f. phys. Chemie. 1911. Bd. 73. 

14) Neubauer, Sitzungsber. d. Gesellsch. f. Morphol. u. Physiol. in München. 1903. 

15) D. Gerhard, Ueber Hydrobilirubin und seine Beziehungen zum Icterus. Diss. 
Berlin 1889. — Zeitschr. f. klin. Med. 1897. Bd. 32. 

16) Beck, Wiener klin. Wochenschr. 1895. No. 35. 

17) Riva, Policlinico. 1894. 14. 

18) Hildebrandt, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 59. — Münch, med. Wochenschr. 
1909. 14/15. 


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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 399 


19) Huber, Med. Klinik. 1910. 2. 

20) Fromhold, Ueber Urobilin. Diss. Moskau 1912 (russisch). 

21) Brugsch und Retzlaff, Diese Zeitschr. 1912. Bd. 11. 

22) Eppinger, Zieglers Beiträge. Bd. 31 u. 33. 

23) Abramow und Samoilowicz, Virchow’s Archiv. Bd. 177 u. 181. 

24) Brugsch und Joshimoto, Diese Zeitschr. Bd. 8. 

25) Fi sch ler, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 47. — Münch, med. Woobenschr. 
1908. 

26) Fromhold und Nersessoff, Diese Zeitschr. 1912. Bd. 11. 

27) Hersoher, Origine renale de Purobilinurie. These de Paris. 1902. 

28) Ehrlich, Die med. Woche. 1901. 15. 

29) Charnas, Bioohem. Zeitschr. 1909. Bd. 20. 

30) Schlesinger, Deutsche med. Wochenschr. 1903. No. 32. 

31) Bogomoloff, St.Petersburger med. Wochensohr. 1882. 

32) Pröscher, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 31. — Deutsche med. Wochenschr. 
1903. No. 49. 

33) Salkowski, Berliner klin. Wochenschr. 1897. 

34) Gamgee, Physiol. Chemie d. Verdauung. 1897. 

35) Braunstein, Zeitschr. f. Krebsforsch. Bd. 4. 

36) Klemperer, Berliner klin. Wochenschr. 1903. 


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XXIII. 


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Aus dem Institut für allgemeine Pathologie an der Kaiserlichen 
Moskauer Universität. 

Zur Frage nach den Veränderungen der Herzthätigkeit 
und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 

Von 

l)r. med. A. M. Kotowschtschikow, 

Ordinator am Jausa-Krankenbaus in Moskau. 

(Hierxu Tafeln IV-X.) 


I. Einleitung. 

Vorliegende Arbeit wurde zu dem Zweck unternommen, zur Auf¬ 
klärung der Ursachen und des Mechanismus des Zustandekommens des 
acuten Lungenödems nach Kräften beizutragen. Obgleich dieser im 
höchsten Grade gefahrdrohende pathologische Process bei Weitem keine 
Seltenheit ist, und sowohl klinische Beobachtungen als experimentelle 
Untersuchungen in Bezug auf diese Frage vorhanden sind, kann die 
Aetiologie und die Pathogenese des acuten Lungenödems beim Menschen 
für alle Fälle dieses Processes noch nicht als völlig aufgeklärt betrachtet 
werden. 

Wie bekannt, tritt das Lungenödem als acutes, chronisches oder 
periodisches auf. 

Beim acuten Oedem entwickeln sich die Krankheitserscheinungen 
sehr rasch, zuweilen so rasch, dass der Kranke, der sich bis dahin ganz 
wohl gefühlt hatte, im Laufe weniger Minuten erstaunliche Veränderungen 
gewahren lässt; es stellt sich plötzlich ein peinliches Gefühl von Brust¬ 
beklemmung und fortwährend anwachsende Athemnoth ein, das Gesicht 
wird blass oder cyanotisch, die Halsvenen schwellen an; oft bedeckt 
kalter Schweiss Gesicht und Körper. Die Athmung ist rasch und er¬ 
schwert, der Puls beschleunigt, gewöhnlich gross und voll, in anderen 
Fällen jedoch beschleunigt, aber schwach. Die Vesiculärathmung ist 
durch feuchtes, kleinblasiges Rasseln (pluie de räles fins der französischen 
Autoren) ersetzt, welches bald von grossblasigem, lautem Rasseln, das 
in den Bronchien entsteht, übertönt wird. Die Lungengrenzen sind er¬ 
weitert, bei der Percussion wird in Folge der starken Erweiterungen der 
Lungen ein etwas tympanitischer Ton erhalten (percussion paradoxale, 
Hertz, Huchard), der im weiteren Verlaufe gedämpft erscheint. Ein 
heftiger, anfänglich trockener und eigenthüralicher Husten wird im weiteren 
von reichlicher Seeretion einer schaumigen farblosen, oder rosa-rothen 
Flüssigkeit begleitet. Bei starker Hyperämie der Lungen sind Streifen 
von Blut derselben beigemischt. Die beim Oedem ausgehustete Flüssig- 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 401 


keit gerinnt beim Kochen und beim Zusatz von Salpetersäure; Essigsäure 
bewirkt leichte Trübung. Das Mikroskop zeigt in dem Auswurf eine 
grössere oder geringere Anzahl von rothen Blutkörperchen und wenige 
Leukocyten. Temperaturerhöhung wird nicht beobachtet 

In Fällen, welche mit Genesung endigen, wird das Secret, sobald 
es sich gebildet, ausgehustet, die Transsudation hört nach und nach auf, 
und nach einigen Stunden, zuweilen erst nach einigen Tagen, schwindet 
die Athemnoth, das Rasseln nimmt ab und der Kranke erholt sich. 

Bei tödtlichem Ausgang dagegen treten rasch Asphyxieerscheinungen 
ein: Delirium, Zuckungen in den Muskeln, Trachealrasselfi, unfreiwilliger 
Abgang von Fäces und Urin. 

Der Kranke stirbt unter Erscheinungen oberflächlichen schwachen 
Athmcns, wobei der Puls äusserst beschleunigt und schwach, der Körper 
kalt, und mit kaltem, klebrigem Schweiss bedeckt ist. 

Ein noch rascher eintretender Tod in Folge von Erstickung durch 
grosse Mengen sich in die Alveolen ergiessender Flüssigkeit wird Apoplexia 
pulmonum serosa genannt. 

Beim chronischen Lungenödem verlaufen die Erscheinungen viel 
massiger. Der Kranke klagt über ein Gefühl von Druck in der Brust 
und etwas Athemnoth, welche bei der Körperbewegung nachlassen oder 
sich auch steigern kann. Ein mehr oder weniger starker Husten ist von 
schaumigem Auswurf begleitet, oder auch nicht. Die bei der Auscultation 
und Percussion der Brust erhaltenen Erscheinungen sind den beim acuten 
Oedem auftretenden ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass die Dämpfung 
schärfer ausgedrückt, das Rasseln dagegen schwächer ist und weniger 
häufig vorkommt. 

Der chronische Verlauf wird zuweilen von Exacerbationen unter¬ 
brochen, welche unter Erscheinungen verstärkter, von Albuminurie be¬ 
gleiteter Diurese nachlassen. 

Unter periodischem Oedem versteht man eine Reihe acuter Anfälle, 
welche in gewissen Zwischenräumen, unter dem Einfluss irgend welcher 
Ursachen sich wiederholen. 

Ara häufigsten wird es bei Klappenfehlern der Aorta, bei Arterio¬ 
sklerose und chronischer Nephritis beobachtet. 

Verbreitetes acutes Lungenödem erstreckt sich gewöhnlich auf beide 
Lungen, ist aber zuweilen auch einseitig. 

In Bezug auf die Aetiologic des Lungenödems weisen die Autoren 
darauf hin, dass die Krankheitsprocesse, bei denen das Auftreten des 
acuten allgemeinen Lungenödems beim Menschen beobachtet wird, sehr 
verschiedenartig sind. Vor Allem verdienen Erwähnung die Krank¬ 
heiten des Herzens, sodann diejenigen der Gefässe, darunter die 
Arteriosklerose; besonders oft wird acutes Lungenödem bei Sklerose 
der Aorta beobachtet; im Weiteren kommen die Erkrankungen der 
Nieren, insbesondere Niercncirrhose, in Betracht. Auch Erkrankungen 
der Lungen und der Pleura geben Anstoss zur Entwicklung von Lungen¬ 
ödem; darunter wird durch Diplokokken, Streptokokken, öfters auch 
durch den Pestbacillus hervorgerufene Pneumonie, nicht selten von all- 


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A. M. Kotowsohtschikow, 

gemeinem acutem Lungenödem begleitet, in den zwei letzten Fällen ge¬ 
wöhnlich mit letalem Ausgang. Die Miliartuberculose, das Carcinom, 
der Echinococcus der Lungen, sowie Embolien der Lungenarterien können 
in ihrem Verlaufe zu Lungenödem führen. Sklerose der Lungen sowie 
Aktinomykose und Aspergillose derselben können die Veranlassung zu 
Anfällen von Lungenödem (in Gestalt nächtlicher asthmatischer Anfälle) 
werden. 

Zuweilen entwickelt sich Lungenödem im Verlaufe pleuritischer Ex¬ 
sudate. Es sind auch zahlreiche Fälle von Lungenödem nach der 
Punction pleuritischer Exsudate beschrieben worden. Seltener erscheint 
als Ursache von Lungenödem eine plötzliche Occlusion der grösseren 
Luftwege, wie z. B. acute Laryngitis bei Kindern, Diphtherie der oberen 
Luftwege, Keuchhusten, Eindringen von Fremdkörpern in die Luftröhre 
und die Bronchien — das sogen. Aspirationsödem. Uebrigens, da auf 
rasche Occlusion der Luftröhre oder der grösseren Bronchien gewöhnlich 
nur Hyperämie und Hämorrhagie der Lungen folgt, so müssen zur 
Bildung eines Oederas neben der Aspiration auch noch andere Umstände 
einwirken. Zuweilen entwickelt sich Lungenödem im Verlaufe von acuten 
und chronischen Lungenhyperämien, welche durch Beschädigung der Nerven¬ 
bahnen, z. B. Durchschneidung oder Quetschung der N. vagi, hervor¬ 
gerufen sind. 

Die französischen Autoren halten das Entstehen von Lungenödem 
in Folge von vasomotorischen Störungen refleetorischen Charakters für 
möglich. Zuweilen sind organische Erkrankungen des Nervensystems 
von Lungenödem begleitet, wie dies z. B. bei Tabes, im Verlaufe von 
aufsteigender subacuter Myelitis beobachtet worden ist, wobei als Ursache 
der Entstehung des Oedems in diesen Fällen eine directe Erkrankung 
des Centrums der Lungenvasomotoren angesehen wird. 

Im Bereiche der psychischen Erkrankungen entsteht Lungenödem 
nicht selten bei an Wasserscheu und Anfällen von Säuferwahnsinn leidenden 
Kranken, besonders wenn mit ihnen brutal verfahren wird, wenn sie z. B. 
mit Stricken gebunden werden. 

ZurZeit von Epidemien acuter exantheraatischer Krankheiten: 
Scharlach, Masern, Pocken, Rose u. A., kommen zuweilen schwere 
atypische Formen derselben mit wenig ausgeprägtem Ausschlag, aber 
mit schwerer Erkrankung der Atherawerkzeuge vor, die in Folge von 
Entstehung eines Lungenödems nicht selten mit dem Tode endigen. 

Es sind Fälle von acutem Lungenödem beschrieben worden, welches 
sich im Verlaufe von Abdominaltyphus, Cholera, besonders aber Grippe 
und Rheumatismus entwickelt hatte. In diesen Fällen wurde bei solchen 
Kranken auch ein Nierenleiden (interstitielle Nephritis) oder Erkrankung 
der Aorta beobachtet. 

Alkoholismus, Gicht und puerperale Erkrankungen erscheinen als 
prädisponirende, die Entstehung von acutem Lungenödem veranlassende 
Momente, da solche Kranke gewöhnlich auch Nierenleiden von chronischem 
Charakter aufweisen. Diesen letzteren und der sie begleitenden Druck¬ 
erhöhung in den Gefässen weisen die französischen Autoren eine der 
ersten Stellen im Zustandekommen des acuten Lungenödems an. 


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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 403 


Eine gewöhnliche Erscheinung ist das Lungenödem in der agonalen 
Periode bei chronischen Krankheiten verschiedener Art, sowie bei schweren 
allgemeinen Infectionen. 

Ein besonderes Interesse wird in letzter Zeit dem bei acuten Ver¬ 
giftungen sowohl localen als allgemeinen Charakters entstehenden Lungen¬ 
ödem zugewandt. Beobachtungen an Menschen und Versuche an Thieren 
haben gezeigt, dass das Einathmen von Chlordämpfen, Salpetersäure, 
Kohlenoxyd, Blausäure, Aether, Chloroform tödtliches acutes Lungenödem 
hervorrufen kann. Durch das Blut in die Lungen gerathenes Chloral- 
hydrat, Morphium, Muscarin, Jod, Ag NO s u. A. können auch die Ver¬ 
anlassung zum Zustandekommen von Lungenödem werden. Zu derselben 
Reihe von Intoxicationsödemcn ist das sogen, idiopathische Lungen¬ 
ödem zu rechnen, welches gleich dem acuten Oedcm der Stimmritze, 
dem Nesselfieber, dem umschriebenen Oedem der Haut und Schleimhäute, 
in den meisten Fällen ein Symptom entweder von exogener Intoxication 
oder von Autointoxication bildet. 

II. Kurzer Ueberblick über die Entwicklung der Ansichten Iiber die 
Pathogenese des acnten Lungenödems. 

Die bei weitem grösste Anzahl der experimentellen Arbeiten in 
dieser Frage gehören deutschen Forschern; die ersten Arbeiten, nament¬ 
lich die von Welch (1), Grossmann (2), zum Theil von v. Basch (3) 
schreiben den im kleinen Blutkreislauf entstehenden mechanischen 
Störungen die Hauptrolle im Zustandekommen des acuten Lungenödems 
zu. Der bekannte, in seiner unter Cohnhcira’s Anleitung ausgeführten 
und im Jahre 1878 erschienenen Arbeit beschriebene Versuch mit Zer¬ 
quetschung der Muskeln des linken Ventrikels leitete Welch zu der An¬ 
sicht, dass ein jedes acutes Lungenödem, sowohl ein idiopathisches, als 
auch ein bei irgend einem krankhaften Zustande des Organismus er¬ 
scheinendes, als Resultat einer Lähmung oder eines Schwachwerdens des 
linken Ventrikels bei unveränderter Kraft und Arbeit des rechten ent¬ 
steht; dieser Ansicht traten auch einige Kliniker, wie z. B. Fraentzel (4), 
Strümpell (5), Cantilcna-Paolo (6) u. A., bei. In einer Reihe seiner 
Arbeiten bestätigt Grossmann die von Welch gezeigte experimentelle 
Thatsachc, giebt ihr aber eine andere Deutung, zu welcher ihn seine 
Untersuchungen über das Muscarin geleitet haben. Indem er durch intra¬ 
venöse Injection dieses Mittels Lungenödem mit Stauungserscheinungen 
im Gebiete beider Hälften des Lungenkreislaufs erhielt, bemerkte er 
zugleich, dass das Muscarin krampfhafte Erscheinungen am Herzen, ins¬ 
besondere am linken Ventrikel, hervorruft. Daraus zog Grossmann 
den Schluss, dass in seinen Versuchen als Ursache der Entwicklung von 
Transsudation in das Gewebe und in die Luftwege der Lungen nicht die 
Lähmung des linken Ventrikels, sondern die Verringerung der Capacität 
desselben, und die dadurch hervorgerufene Stauung und Erhöhung des 
Blutdrucks in der linken Vorkammer, dio auf die entgegengesetzte Seite 
bis zum rechten Ventrikel selbst übertragen werden, d. h. im ganzen 
kleinen Kreislauf zu Tage treten, erscheinen. Auch in Bezug auf Welch’s 
Versuch hält Gross mann für die wahrscheinlichere Erklärung des dabei 


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zu Stande gekommenen Lungenödems nicht die Lähmung des linken 
Ventrikels, sondern auch eine zeitweilige Capacitätverringerung desselben, 
welche als Resultat der mechanischen Einwirkung auf die Ventrikelwände 
erscheint. Eine ähnliche Erklärung von Welch’s Versuche hatte vor 
Grossraann Sahli (7) vorgeschlagen; doch konnte Sahli selbst, bei 
der Benutzung von Welch’s Verfahren, Lungenödem bei Hunden nicht 
hervorrufen. Zur Anerkennung der Verringerung der Capacität der linken 
Herzkammern als Ursache des Lungenödems gelangte er auf Grund seines 
Versuchs mit theilweisem Zusammenklemmen des linken Vorhofs, eines 
Verfahrens, welches unter seinen Händen recht oft positive Resultate 
lieferte. 

Eine von Sahli in der Berner Klinik unternommene Untersuchung 
der Protokolle der Obductionen an Herzkrankheiten Gestorbener scheint 
den Gedanken, dass die Verringerung der Capacität der linken Herz¬ 
kammern zur Entwicklung von Lungenödem führt, bestätigt zu haben. 
In solchen Fällen von Herzkrankheiten — z. B. Insufficienz der Aorta¬ 
klappen, wenn in Folge von Blutüberfüllung des linken Ventrikels relative 
Insufficienz der ßicuspidalklappe eintrat und dafür zeugte, dass sogar 
eine erweiterte Herzkammer der in dieselbe eintretenden Blutmenge nicht 
genügt, wurde bei der Leichenöffnung Lungenödem constatirt. Dessen 
Zustandekommen schreibt Sahli in diesen Fällen dem Umstande zu, 
dass unter den gegebenen Bedingungen bei einer jeden Contraction des 
Herzens Regurgitation des Blutes in den linken Vorhof eintritt, was 
seinerseits zur Stauung und Druckerhöhung im Gebiete der Lungenarterie 
und darauffolgendem Lungenödem führte. Doch werden solche Be¬ 
dingungen jedenfalls nicht oft beobachtet, und folglich komme auch 
durch Stauung hervorgerufenes Lungenödem beim Menschen selten vor; 
in Uebereinstiraraung mit der von Welch ausgesprochenen Ansicht würde 
Sahli’s Meinung nach ein pathologisches Lungenödem niemals Vor¬ 
kommen. 

Bei seinen gelungenen Versuchen mit der Zerquetschung des linken 
Ventrikels beobachtete Löwitt (8) Zustandekommen von Lungenödem; 
ausserdem bestätigt er Sahli’s und Welch’s Angaben darüber, dass es 
in den Versuchen mit Zuklemmung der Aorta nur dann gelingt, Lungen¬ 
ödem zu beobachten, wenn Druckerhöhung sowohl in der Lungenarterie 
als im Atrium sin. erhalten wird, d. h. wenn Stauung, wie am Anfang, 
so auch am Ende des kleinen Blutkreislaufs und dabei für eine gewisse 
ziemlich lange Zeit sich einstellt. Trotz dieser Versuche entsteht nach 
Sahli’s und Löwitt’s Meinung Lungenödem beim Menschen meist als 
Resultat von Veränderungen der Gefässwände der Lunge, gleichviel, ob 
entzündlichen im weiteren Sinne dieses Wortes, toxischen oder bakteriellen 
Ursprungs. Dagegen sind die mechanischen Momente oder, anders ge¬ 
sagt, die dem Blutkreislauf entgegengestclltcn Hindernisse, mit deren 
Hülfe es in den Experimenten an Thieren gelungen ist Lungenödem 
hervorzurufen, so gross, dass es nicht nur Sahli und Löwitt’s, sondern 
auch Welch’s Ansicht nach unmöglich ist, in der Pathologie des Menschen 
etwas Aehnliches anzutrefTen. Sahli und Löwitt sind der Meinung, dass 
die Theorie der mechanischen Entstehung des acuten Lungenödems zurück- 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 405 


treten muss, und die toxisch-infectiöse in den Vordergrund gestellt zu werden 
verdient, nämlich die Vergiftung des Organismus durch Gifte endo- oder 
exogenen Ursprungs, welche zur oben erwähnten Veränderung der Gefäss- 
wände führt. Die kymographischen Daten der Versuche mit Injection 
von Essigäther gaben Löwitt Veranlassung zu der Behauptung, dass 
das mechanische Moment der Venenstauung an der Verursachung des 
Lungenödems keinen Antheil nimmt in diesen Fällen; nach der Injection 
von essigsaurem Aether fällt der Druck sowohl in der Art. pulmon. als auch 
im Atr. sin. und in der Aorta. Die von Sahli und Löwitt mit Muscarin 
angestellten Controlversuche unterscheiden sich scharf von den von 
Grossraann erhaltenen Thatsachen in Bezug auf das Vermögen dieses 
Giftes, Lungenödem hervorzurufen, und bestätigten auch in vielem nicht 
die von diesem Autor angegebenen hämodynamischen Bedingungen, die 
sich unter dem Einfluss der Muscarinvcrgiftung im kleinen Blutkreislauf 
entwickeln sollen; selbst das Vorhandensein einer Contractur des linken 
Ventrikel ist Löwitt’s Ansicht nach nicht sicher festgestellt. 

Die relativ unlängst erschienenen Arbeiten von Winkler (9) und 
v. Zeissl (10), die, wie auch Grossmann’s Arbeiten, aus v. Basch’s 
Laboratorium hervorgegangen sind, geben dieselben Schlüsse und An¬ 
sichten über die Pathogenese des acuten Lungenödems wie Grossraann’s 
Untersuchungen. 

Die Resultate ihrer Experimente sind den Thatsachen Grossmann’s 
so ähnlich, obgleich die Autoren mit ganz verschiedenen Substanzen 
experimentirten — Winkler arbeitete mit Amylnitrit, v. Zeissl mit 
Jodlösung in Natriumjodid —, dass nicht nur dieselben Druckverhältnisse 
im kleinen Blutkreislauf — Druckerhöhung im linken Atrium mit Uebcr- 
tragung derselben bis zum rechten Ventrikel — sondern auch dieselben 
Veränderungen im linken Ventrikel, dieselbe Contractur, welche die 
Autoren bei Versuchen per visum constatirten, erhalten wurden; nur fügt 
Zeissl zu Grossmann’s Deutung der Pathogenese des Lungenödems 
als begünstigendes Moment mögliche Veränderungen des Blutes und der 
Gefässwände unter dem Einfluss der Jodlösung bei. 

Somit kehrten Winkler und v. Zeissl, Letzterer mit dem soeben 
erwähnten Zusatz, zur mechanischen Theorie der Entstehung des acuten 
Lungenödems zurück. 

Unter den russischen Autoren gelangt Dr. Th. Alexandrow (11) 
auf Grund seiner Versuche, hauptsächlich mit Obturation der Cavität des 
linken Ventrikels, ebenfalls zu dem Schluss, dass als Ursache des all¬ 
gemeinen durch Stauung verursachten (mechanischen) Lungenödems die 
verminderte Kraft des linken Ventrikels erscheine; das verminderte Saug¬ 
vermögen dieses letzteren in Folge der Verkleinerung seiner Capacität 
stellt er der Ventrikelparese in Welch’s Sinne ganz gleich. Somit 
stimmt Alexandrow mit diesem Autor in seiner Deutung der Ent¬ 
stehung des Oedems überein. 

Während unter den deutschen Forschern die einen, sich auf ihre 
Versuche stützend, die Hauptrolle in der Entstehung des Lungenödems 
mechanischen Momenten, der Abschwächung des linken Ventrikels und 
der darauffolgenden Blutstauung in den Gefässen des kleinen Blut- 

Zeitaehrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 97 


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kreislaufs zuschreiben, die andern nicht nur die prävalirende Bedeutung 
dieser Factoren im Zustandekommen des Oedems, sondern zuweilen ihr 
Vorhandensein selbst ableugnen und für die Ursache desselben die Ver¬ 
änderung der Permeabilität der Gefässwände, hauptsächlich unter dem Ein¬ 
flüsse toxischer und entzündlicher Agentien, halten, geben die französischen 
Gelehrten eine andere Erklärung der Entstehung des acuten Lungenödems 
beim Menschen ab, welche sie hauptsächlich auf klinische Beobachtungen 
und anatomo-pathologische Thatsachen gründen, da sie über eine weit 
geringere Anzahl experimenteller Untersuchungen, mit denen sie ihre 
Ansichten stützen könnten, gebieten. 

Huchard (12) war der erste, der vom angioneurotischen Charakter 
des Lungenödems sprach, und die Entstehung dieses letzteren einem Ent- 
zündungsprocess in der Aorta, einer Periaortitis und basalen Pcricarditis 
zuschrieb. Indem diese Krankheitsprocesse den cardio-pulmonalcn Plexus 
reizen, und sogar entzündliche Veränderungen in dessen Verzweigungen 
hervorrufen, begünstigen sie das Zustandekommen eines reflectorischen 
Reizes der Lungenvasomotoren und dieser bedingt eine Gefässerweiterung 
von rascher Blutüberfüllung, welche zur Transsudation führt. Zugleich 
nimmt Huchard im Gegensatz zu den deutschon Forschern an, dass 
ausser der Erweiterung der Lungengefässe, welche als Folge vaso¬ 
motorischer Störungen auftritt, als zweites die Entstehung des Lungen¬ 
ödems begünstigendes Moment die Insufßcienz des rechten Herzens an¬ 
zusehen sei. „L’oedeme aigu du poumon est souvent precede par 
Pabaissement considörable de la tension aortique et par Penorme et 
subite augmentation de la tension pulmonaire. Contre celle-ci le ven- 
tricule droit lutte et s’hypertrophie, et tant qu’il peut lütter, Pinondation 
oedemateuse du poumon est prevenue; mais sa force vient-ellc ä faiblir 
subitement pour une cause ou pour une autre, alors Poedeme aigu du 
poumon survient avec une grande rapiditö. De sorte que co n’est pas 
Pinsuffisance du ventricule gauche, qu’il faut incriminer, mais celle du 
ventricule droit. a 

Jaccoud (13), Vinay(14), Tonnel (15), Brouardel 16), Debove 
(17), und besonders Dieulafoy (18) finden einen Connex zwischen Er¬ 
krankungen der Nieren und dem acuten Lungenödem, und schreiben 
letzteres der Toxämie renalen Ursprungs zu; als Bestätigung dieser 
Ansicht führen sie zahlreiche klinische Beobachtungen, aber keine einzige 
experimentelle Thatsache an. 

Welches ist nun der Mechanismus, mit dessen Hülfe die Intoxication 
das Lungenödem hervorruft? Tonnel (1897) hält letzteres für das 
Resultat „d’une simple inhibition vaso-motrice attribuable aux poisons qui 
ne sont pas eliminös hors de Porganisme. a 

Merklen (19) stellt das im Verlaufe einer chronischen interstitiellen 
Nephritis erscheinende Lungenödem in eine Reihe mit den urämischen 
Erscheinungen, z. ß. mit dem Gehirnödem. In dem von ihm beschriebenen 
Falle war mikroskopisch eine starke Veränderung des Myocardiums con- 
statirt worden. Die Entwicklung dieser Myocarditis sowie auch des 
Lungenödems schreibt Merkion einer Niereninsufficienz zu. ln Anbetracht 
dessen, dass im Verlaufe der ganzen Beobachtung bis zum Tode, welcher 


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Veränderung der Herztbatigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 407 


plötzlich während des dritten Anfalls von Lungenödem eintrat, Asystolie 
nicht entstanden war, hält er es nicht für möglich, dieser Myocarditis 
in der Entstehung des Lungenödems in diesem Falle irgend eine Be¬ 
deutung zuzuschreiben. 

Debove nimmt das Vorhandensein von Lungenödem bei Herz¬ 
kranken ohne Erkrankung der Nieren an und stimmt in seiner Erklärung 
des Mechanismus seiner Entstehung mit Huchard überein. Renault (20) 
spricht den Gedanken aus, dass „certains rögimes d’intoxication habituelle, 
d’autointoxication le plus souvent, mettent le Systeme vasculaire en 
imminence d’oedeme.“ 

Im Jahre 1900 schlugen Masius (21) und Teissier (22) auf dem 
internationalen medicinischen Congress in Paris eine gemischte Theorie 
der Entstehung des acuten Lungenödems vor. Vordem, im Jahre 1898, 
hatte Fouineau (23) in seiner der Lehre vom Lungenödem gewidmeten 
Dissertation auf die drei Momente hingewiesen, aus denen auch Teissier 
seine Theorie aufbaut, stellt aber zwischen ihnen keinen so engen zeit¬ 
lichen Connex auf, wie letzterer. Die von Masius aufgestellte Theorie 
zeichnet sich nicht durch eine so grosse Bestimmtheit, wie die von 
Teissier aus und betrachtet zugleich das Entzündungs- und das 
Stauungsödem, wobei Masius als Hauptmoment des Zustandekommens 
eines Lungenödems, welchen Ursprungs es auch sei, die Veränderung 
der Durchgängigkeit der Gefässwände ansieht. Bei Nierenerkrankungen 
hält er* ein Oedem für ein Stauungsödem, während ein toxisches Oedem 
seiner Ansicht nach nur im Bereiche des Experiments bekannt sei 
(ref. nach Chemery). 

Tcissier’s Theorie, der auf dem erwähnten Congress die meisten 
französischen Autoren beitraten, stellt die Synthese der bis dahin vor¬ 
handen gewesenen Deutungen der Pathogenese des Lungenödems vor. 
„L’oedeme aigu se concoit comme la consequence habituelle d’un pro- 
cessus pathogenique complexe, dans lequel Pinfection prepare le terrain; 
des desordres nerveux et mecaniques surviendraient en seconde ligne 
pour aboutir ä Pinondation sereuse extra- et intraalveolaire“, wie 
Teissier seine Ansicht über die Entstehung des Lungenödems formulirt. 
Er meint, dass eine Jnfection oder Intoxication eine nothwendige und 
prävalirendc Bedingung für die Entwickelung eines Lungenödems sei, 
wie das seiner Ansicht nach aus dem Vorkommen vieler Oedeme von 
toxischem raedicamentösem Charakter und auch aus den Experimenten 
.von Grossmann, Sahli, Chatin und Guinard (24) und Winkler 
erhellt. Eine Reihe anderer Versuche von Grossmann, WinkLer und 
auch von Welch, Basch, Löwit weist darauf hin, dass die Bedeutung 
auch des mechanischen Moments der Störung des Blutumlaufs im pulmo- 
cardialen Apparat, die von Veränderung der Gefässwände begleitet ist, 
zugelassen werden muss. Doch ausser diesen zwei Momenten ist nach 
Teissier noch ein drittes an der Entstehung des acuten Lungenödems 
theilnehmcndes in Betracht zu ziehen, nämlich Störungen nervösen 
Charakters und zwar reflectorische Reize, die meist vom Gebiet der 
Verzweigungen des N. pneumogastricus und des cardialen Plexus (oder 
automatischen Ganglien — des ganglions automoteurs), doch auch von 

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anderen Stellen, sogar von sehr weit vom pulmocardialen Apparat 
(Magen, Darm, psychische Sphäre) gelegenen ausgehen und auf das 
vasomotorische Centrum und auf die Vasodilatatoren der Lunge ein¬ 
wirken, in Folge dessen Blutüberfüllung der Lungengefässe und Trans¬ 
sudation stattfindet. 

Ausser den oben erwähnten Veränderungen der Gefässwände giebt 
Teissier auch Veränderungen Seitens des Blutes zu, wobei diese bei 
der Bildung von Transsudationen in das Lungengewebe und in die 
Alveolen vielleicht sogar eine beständige Bedingung sind. 

Teissier bekräftigt seine Theorie durch eine Reihe von Versuchen, 
die er gemeinschaftlich mit Guinard ausführte. In den Versuchen zum 
Beispiel mit der lnjection von salicylsaurem Methyl, welches starkes 
Lungenödem hervorrief, konnten Teissier und Guinard Constanz der 
Druckerhöhung im Atrium sin. während der Entwickelung des Oedems 
nicht constatiren. Zuweilen fiel hier sogar der Druck. Dagegen stieg 
er in der A. pulmon. dabei beständig. Das Fehlen von Druckerhöhung 
in den Kammern des linken Herzens und die Druckerhöhung in den¬ 
jenigen des rechten veranlassen Teissier und Guinard Grossmann’s 
Ansicht über den Spasmus des linken Ventrikels als eines die Ent¬ 
wickelung von Lungenödem begünstigenden Moments zu verwerfen und 
als solches im Verein mit Fraentzel und Welch die Insufficienz des 
linken Ventrikels anzunehmen. 

Im Jahre 1905 schlug Josuö (25) für einige Fälle von Lungenödem 
seine Theorie suprarenaler Vergiftung (Thöorie surrenale) vor. Sich 
darauf stützend, dass acutes Lungenödem am meisten solche Personen 
bedroht, bei denen der arterielle Druck erhöht ist, und die zugleich 
Erscheinungen von Atheromatose der Aorta oder interstitielle Nephritis 
oder beide Erkrankungen zugleich aufweisen, schreibt er sowohl die 
Druckerhöhung als auch die Atheromatoseerscheinungen und die Ent¬ 
stehung des Lungenödems der Hypersecretion der Suprarenaldrüsen zu. 
„L’autointoxication chronique par Padrenaline“, sagt Josue, „a une 
consöquence fonctionelie: Paugmentation de la tension arterielle et une 
eonsequence anatomo-pathologique: Pathörome arteriel.“ Josue’s eigene 
Versuche haben gezeigt, dass bei Kaninchen intravenöse lnjection von 
Adrenalin fast immer von einem typischen Anfall von Lungenödem 
gefolgt ist. 

ßouchard und Claude (26) bestätigen diese Thatsache. Diese 
Versuche erlauben Josuö, Bouchard und Claude den Schluss zu ziehen, 
dass das Lungenödem nicht mit dem Uebergang der Entzündungsprocesse 
der Periaortitis auf die Nervenfasern des Herzplexus verbunden ist, wie 
Huchard meint, sondern sowohl das Lungenödem (Paccident aigu, wie 
sich die Autoren ausdrücken), als auch die chronische Erkrankung (Athero¬ 
matose der Gefässe) Folgen einer und derselben Autointoxication sind. 
Nur ist im ersten Falle „la substance toxique est jetee dans la circu- 
lation ä dose massive“, im zweiten — d. h. bei der Entwickelung der 
Atheromatose — „ä petites doses souvent repetees“. „En resume, Phyper- 
tension, Pathörome, Poedcme aigu du poumon resultent d’une hyper- 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 409 

sccretion des capsules surrenales.“ Als Bestätigung dieser Ansicht kann 
die Hyperplasie der Nebennieren dienen, welche von Vaquez (27), 
Aubertin et Arnbard (28) bei solchen Kranken constatirt wurde und für 
eine erhöhte functionelle Thätigkeit derselben, für Hyperepinephrie, zeugt. 

Wiesel und Schier (29) constatirten Vorhandensein von Adrenalin 
im Blutserum an der Bright’schen Krankheit Leidender bei erhöhtem 
Blutdruck. Diese Steigerung der Function der Nebennieren wird nach 
der Meinung Josue’s und anderer französischer Autoren durch entzünd¬ 
liche Veränderungen in den Nieren veranlasst, welche vielleicht die anti¬ 
toxische Reaction der Suprarenaldrüsen gegen im Organismus zurück¬ 
gehaltene schädliche Stoffe steigern (Versuche von Dopter und Gouraud). 

Im Jahre 1906 erschien eine experimentelle Arbeit des deutschen 
Gelehrten Jo res (30) über Lungenödem nervösen Ursprungs. In seinen 
Thesen sagt Jo res, er habe den Beweis erbracht, dass partielles Lungen¬ 
ödem ausschliesslich unter dem Einfluss einer Reizung der Vasomotoren 
der Lungen entstehen kann, und meint, dass diese Thatsache zur Er¬ 
klärung solcher Lungenödeme beim Menschen dienen könne, welche ohne 
Antheilnahme von Blutkreislaufstörungen (Fehlen einer Stauung) und 
ohne irgend welche entzündliche Veränderungen entstehen, und auch zur 
Erklärung solcher toxischen Formen derselben, wo nicht alles und nicht 
immer durch Veränderungen der Gefässwände erklärt werden kann. Die 
Versuche dieses Autors bilden die experimentelle Bestätigung der oben 
angeführten Ansichten der französischen Autoren über die Rolle des 
Nervensystems in der Entstehung des acuten Lungenödems. 

Jores geht aber noch weiter und nimmt ein neuropathisches Lungen¬ 
ödem in dem Sinne an, dass ein solches ausschliesslich durch eine 
Störung des nervösen vasomotorischen Apparates der Lungen hervor¬ 
gerufen werden könne, wobei diese Störung die prävalirende, wenn nicht 
einzige Rolle spiele, und dass das toxisch-infectiöse und das mechanische 
Moment fehlen können. 

Im Jahre 1908 resumirte Chemery (31) in seiner Dissertation 
(welcher vieles des hier Erwähnten entnommen ist) zum Schluss seiner 
Analyse der Theorien und Ansichten über die Entstehung des Lungen¬ 
ödems seine Auffassung der Pathogenese dieses Processes folgender- 
maassen: Das acute Lungenödem wird durch plötzliche Erhöhung des 
Blutdruckes im Gebiet der Lungenarterie hervorgerufen; diese Druck¬ 
erhöhung ist ihrerseits die Folge entweder einer allgemeinen Erhöhung 
des Blutdruckes oder einer durch im Organismus zurückgehaltene Chloride 
verursachten Hydrämie, oder diejenige der durch Reizung der Lungcngcfässo 
seitens des centralen oder peripherischen Nervensystems hervorgebrachten 
vasomotorischen Erscheinungen, am öftesten jedoch das Resultat der Ein¬ 
wirkung aller dieser Momente. Bei den an Lungenödem erkrankten 
Personen werden vordem Erscheinungen arterieller Hypertension beob¬ 
achtet; dieselben leiden an ungenügender Ausscheidung der Chloride; 
irgend eine Reizung der Nerven giebt bei ihnen den Anstoss zu einem 
Anfall von Lungenödem. 

Ausser anderen Beweisen der anfänglichen Druckerhöhung in den 
Gefässen des grossen Blutkreislaufes führt Chemery noch den Umstand 


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an, dass ein Aderlass, der eine Verminderung des Gcsammtdruckes be¬ 
dingt, vortheilhaft wirkt, indem er die Entwickelung des Lungenödems 
hintanhält. Er theilt Josue’s Ansicht nicht, dass die Hypersecretion 
der Suprarenaldrüsen die Ursache des Lungenödems ist, da die Frage 
nach dem Verhältnis der arteriellen Hypertension zur Hyperplasie der 
Suprarenaldrüsen sich noch im Forschungsstadium befindet, und nicht 
alle geneigt sind, anzuerkennen, dass die Hyperplasie der Nebennieren 
die Ursache einer beständigen Druckerhöhung ist; es giebt Autoren 
(Gouget), welche im Gegentheil glauben, dass diese die Ursache jener 
ist, da zur Au frechterhaltung eines beständig erhöhten Tonus der Gefässe, 
wie er bei den an Nierensklerose Leidenden beobachtet wird, auch eine 
verstärkte Secretion der Suprarenaldrüsen nothwendig ist, was deren 
Hyperplasie nach sich zieht. Was die Rolle einer unregelmässigen Aus¬ 
scheidung der Chloride — deren Zurückhaltung im Organismus — an¬ 
betrifft, so muss Chemery’s Meinung nach darauf hingewiesen werden, 
dass in den letzten Jahren in der Lehre von den Oedemen im Allge¬ 
meinen grosse Veränderungen stattgefunden haben. Wenn für Cohnheim 
und Lichtheim sich darin alles auf Veränderungen in den Gefässwänden 
bezog, so halten die neueren Autoren Läufer, Am bard und Beaujard (32) 
die Druckerhöhung für die Ursache der Oedeme, und Thöaulon(-Lyon) (33) 
sieht dafür die Veränderung der osmotischen Verhältnisse zwischen Lymphe 
und Blut an. Widal und Claude (34) halten für die Ursache der Oedeme 
die Anhäufung von Chloriden (CINa) in den Geweben, welche in Folge 
der Verminderung der secretorischen Fähigkeit der kranken Nieren ent- • 
steht. Gegenwärtig treten Chemery’s Worten nach die meisten fran¬ 
zösischen Gelehrten Achard’s (35) Theorie bei, welcher den Schwerpunkt 
der Frage (die Bildung der Oedeme) in die gesetzten Veränderungen des 
Gewebes verlegt. Aus den Versuchen von Widal, Lemierre und 
Javal (36) folgt, dass ein jedes Oedem seine Entstehung der Zurück¬ 
haltung der Chloride in den Geweben verdankt, gleichviel ob sie in Folge 
einer Nierenkrankheit oder ohne eine solche auftritt. 

Ara Zustandekommen eines Oedems nehmen drei Momente Theil: 

1. Eine Veränderung der Secretionsorgane, hauptsächlich der Nieren, 

2. Störungen im Blutkreislauf und 

3. insbesondere Veränderungen in den Geweben. 

Das in den Geweben zurückgehaltene Natriumchlorid tritt mit den 
veränderten Eiweisskörpern derselben in Verbindung und zieht das für 
seine Auflösung nothwendige Wasser zu den Geweben hin (Versuche von 
Achard und Loeper). Diese Auffassung der Ursache der Oedeme über¬ 
haupt ist auch auf die Erklärung der Entstehung der localen Oedeme, 
zu denen auch das Lungenödem gehört, anwendbar, denn das Lungen¬ 
ödem tritt Chemery’s Ansicht nach im Laufe derjenigen Krankheiten 
auf, die fast immer von Zurückhaltung der Chloride begleitet werden. 

Es ist interessant, dass den von Vaquez und Digne (37) erhaltenen 
Thatsachen nach Zurückhaltung von Chloriden bei Herzkranken bei be¬ 
friedigender Compensation ihrer Krankheit und beim Fehlen von Asystolie 
beobachtet werden kann. Chemery, der Teissier’s Meinung über die 
prävalirende Rolle der lnfeetion im Zustandekommen des Lungenödems 


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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 411 

anfährt, will diese Rolle der Infection dahin erklären, dass sie die Zurück¬ 
haltung von Chloriden bedingt. 

Auch Hallion’s (38) Untersuchungen über den Parallelismus der 
Albuminurie und Chloridämie (choruremie) reden zu Gunsten der Ansicht, 
dass zur Entstehung eines Lungenödemanfalles die Zurückhaltung von 
Chloriden eine nothwendige Bedingung ist. Es ist möglich, sagt Hallion, 
dass ein Ueberschuss an Natriumchlorid im Blut den Eiweissstoff leichter 
filtrirbar macht und dessen Durchgang „ä travers la membrane secretante 
du rein“ erleichtert. Chemery führt eine Beobachtung Berge’s an, wo 
bei einem an Nierensklerose und Aorteninsufficicnz leidenden Greise zwei 
Stunden nach einer subcutanen Injection von Kochsalzlösung (7 : 1000) 
sich Erscheinungen von Lungenödem entwickelten. 

Diese klinische Beobachtung bestätigt die Versuche von Hallion 
und Carrion (39), Achard und Loeper, in denen die Autoren bei 
Thieren Lungenödem durch intravenöse Injection lproc. Kochsalzlösung 
sowohl bei kranken als bei gesunden Nieren hervorriefen. 

„Hypertension et retention marchent de pair; elles s’associent aussi 
pour determiner l’oedeme aigu, quand ä eile vient se joindre un dernier 
element, l’ölöment nerveux.“ 

Letzteres ist nach Chemery besonders nöthig, damit das plötzliche 
Eintreten einer unverhältnissmässig grossen Erweiterung der Lungengefässe 
ihre Erklärung finde. Bouveret (40) war der erste, der auf die Bedeu¬ 
tung einer Störung der vasomotorischen Innervation der Lungengefässe 
hinwies, und wird diese Bedeutung, Chemery’s Behauptung nach, jetzt 
von allen Autoren anerkannt. Diese Störung kann den centralen oder 
den peripherischen Theil des vasomotorischen Apparates treffen und 
directer oder reflectorischer Natur sein. Eine directe Störung des vaso¬ 
motorischen Centrums ist höchst selten, doch giebt es klinische Beob¬ 
achtungen [Jaccoud’s (41) Fall — acutes Lungenödem während diffuser 
Myelitis, Morel Lavallee’s (42) Fall — Oedem im Laufe einer Erkran¬ 
kung an Tabes u. A.], die eine solche beweisen; öfter kann die Wirkung 
toxischer Substanzen auf die Centren oder die Anfänge der Vasodilata¬ 
toren erkannt werden, z. B. in Fällen von Oedem bei Nephritikern. 
Bouchard fand sogar im Urin solcher Kraqken einen vasodilatatorisch 
wirkenden Stoff. 

Dieselbe Wirkung auf die Centren der Vasomotoren muss Chemery’s 
Ansicht nach beim Erscheinen von Lungenödem bei an infectiösen Krank¬ 
heiten Erkrankten anerkannt werden. Aber in den meisten Fällen ent¬ 
steht Lungenödem als Resultat einer Reizung des peripherischen Nerven¬ 
systems. Chemery sagt: „11 s’agit le plus souvent d’un röflexe dont le 
pneumogastrique constitue la voie centripete, et le sympathique la voie 
centrifuge“. Als Ausgangspunkt des Reflexes können die verschiedensten 
Organe, z. B. das Peritoneum [der Fall von Pinault (43), Jongla (44) 
nach einer Punction bei Ascites], der Uterus (Vinay’s Fall) u. A. dienen. 
Die Pathogenese des Lungenödems, sagt Chemery zum Schluss, wird 
sehr verschiedenartig erklärt und ist in Vielem noch dunkel. Im An¬ 
schluss an Teissier nimmt er die drei obenerwähnten Momente für die 
Entstehung desselben an. 


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„Si Pelement toxique prepare le terrain, met Porganisrae en iraminence 
d’oedeme, c’cst par Phypertension qui en resulte, par la retention des 
chlorures, qu’il deterraine. Le Systeme nerveux ne fait que provoquer 
le brusque afflux sanguin dans le domaine de Partere pulmonaire.“ 
Joseph Miller und S. Matthews (45), die die Veränderungen des 
Herzens und der Gefässe, welche man bei durch verschiedene chemische 
Agentien hervorgerufenem Lungenödem beobachtet, miteinander verglichen, 
bemerkten eine frappante Aehnlichkeit. 

In dem System der Aorta beobachtet man dabei Fallen des Blut¬ 
drucks, in den Lungenarterien Steigen des Drucks. Die rechte Hälfte 
des Herzens erweitert sich, die linke bleibt normal gross, oder, wie 
einige Autoren behaupten, contrahirt sogar. Die Druckveränderungen in 
der Lungenarterie werden durchaus nicht von ebensolchen Veränderungen 
im linken Vorhof begleitet; so kann Drucksteigerung in der Lungen¬ 
arterie gleichzeitig mit dem Fallen des Drucks im linken Vorhof und 
vice versa beobachtet werden. Auf Grund ihrer Versuche mit verschiedenen 
Substanzen und Verengerung der Bicuspidalklappe gelangen wir zu fol¬ 
genden Schlüssen: 

1. Beim Zustandekommen eines nach Einathmen von Stickstoffoxyd 
oder Ammoniakdämpfen eintretenden Lungenödems spielen mechanische 
Factoren gar keine Rolle; in solchen Fällen bemerkt man keine That- 
sachen, welche für einen Unterschied in der Arbeit der beiden Herz¬ 
hälften zeugen würden. Der Druck ist sowohl in dem System der Aorta 
als in der Lungenarterie vermindert. 

2. Durch Einathmen oder Injectionen von Essigäther hervorgerufenes 
acutes Lungenödem ist gewöhnlich mit klar ausgeprägter Unverhältniss- 
mässigkeit der Arbeit beider Herzhälften verbunden, die sich durch Fallen 
des Drucks im System der Aorta und entsprechendes Steigen desselben 
in dem System der Lungenarterie ausdrückt. Bei der Injection grosser 
Aetherdosen kann das Lungenödem jedoch ohne deutlich ausgeprägte 
Asynergie der beiden Herzhälften eintreten, d. h. nicht nur bei nicht ge¬ 
steigertem, sondern auch sogar bei vermindertem Druck auch in der 
A. pulmon., was ein Beweis ist, dass diese Erscheinung für die Ent¬ 
wicklung des Oedems keino wesentliche Bedeutung hat. Die mechanischen 
Factoren können offenbar nicht zur Erklärung der Entstehung dieser Art 
Oedem dienen. 

3. Bei durch Injection von Jodlösungen hervorgerufenem acuten 
Lungenödem beobachtet man anfänglich Drucksteigerung sowohl im 
System der Aorta als in demjenigen der Lungenarterie. Später fällt der 
Druck in der Aorta, bleibt aber hoch in der Lungenarterie. Somit ist 
hier ein Unterschied in der Arbeit der beiden Ventrikel vorhanden. 
Daher kann durch Jod hervorgebrachtes Oedem als ein durch mechanische 
Factoren entstandenes erklärt werden, wobei aber diesen eine ausschliess¬ 
liche Bedeutung nicht zugeschrieben werden kann, da ein directer toxischer 
Einfluss des Jods auf die Gefässwände auch möglich ist. 

4. Intravenöse Injection von salzsaurera Adrenalin nach voran¬ 
gegangener Unterbindung der Brustaorta ruft Lungenödem hervor. Dieses 
ist offenbar das Resultat einer grossen Druckerhöhung im System der 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 413 

Aorta, bei welcher der linke Ventrikel nicht mehr imstande ist, das in 
ihm enthaltene Blut auszuwerfen, infolgedessen Stauung und Druck¬ 
erhöhung in der Lungenarterie erfolgt. Möglicher Weise ist dies der 
Mechanismus der Entstehung des Lungenödems bei Nephritis mit erhöhter 
Spannung auch beim Menschen 1 ). 

Im Jahre 1911 analysirte Bokarius (47) 1200 Autopsieprotokolle, 
aus denen er zu seinen Schlüssen die Todesfälle durch Herzlähraung 
ohne Erkrankung der Lungen, Nieren oder Herzklappen, unter Bestehen 
von Lungenödem, auswählte und gelangte zu dem Schluss, dass in diesen 
Fällen von agonalem Oedem die Ursache dieses letzteren in der Lähmung 
des linken Ventrikels, die vor der Insufficienz des rechten eintrete, zu 
suchen sei. Somit tritt er in Bezug auf Lungenödem dieser Art der 
zuerst von Welch (s. oben) ausgesprochenen Ansicht bei. 

Somit ist das rein mechanische, vielleicht von einer Veränderung 
der Porosität der Gefässwände begleitete Moment, welches in den 
experimentellen Untersuchungen der früheren deutschen Autoren, die ihre 
aus diesen Experimenten gezogenen Schlüsse auch auf die Erklärung der 
Entstehung des acuten Oedems beim Menschen anwandten, die prävalirende 
Rolle spielte, in den Arbeiten der späteren deutschen Forscher in den 
Hintergrund getreten und wird sogar von manchen vollständig ab¬ 
geleugnet. Diese letzteren haben den Schwerpunkt der Frage in das 
Gebiet der Intoxication oder Infection (auch entzündlicher Processe), 
die eine Veränderung der Gefässe und des Blutes nach sich ziehen, 
verlegt. Veränderungen im Blutkreislauf lenken nicht mehr die Auf¬ 
merksamkeit auf sich; sie werden einfach ignorirt. Die neueren deutschen 
und französischen Forscher haben ihre Aufmerksamkeit einem Moment, 
welches bislang im Schatten geblieben war, nämlich dem Spiel des neuro- 
vasomotorischen Apparats der Lungen — dem vasomotorischen Centrum 
und den Vasomotoren der Lunge — zugewandt; daneben ziehen sie in 
die Erklärung der Pathogenese des Lungenödems auch das toxisch- 
infectiöse und sogar das mechanische Moment mit hinein. Doch wird 
letzteres aus dem Gebiete des kleinen Blutkreislaufs von den französischen 
Autoren in den allgemeinen arteriellen Kreislauf verlegt, wobei eine 
chronische Druckerhöhung in diesem für den mechanischen Factor an¬ 
gesehen wird, wofür in früherer Zeit die deutschen Forscher haupt¬ 
sächlich die Insufficienz oder die Contractur des linken Ventrikels hielten 


1) Im Jahre 1910 erschien eine Arbeit des Prof. Martin Fischer (46), in 
welcher der Autor auf Grund der physiko-chemischen Eigenschaften der einen Bestand¬ 
teil der Gewebe bildenden colloidalen Substanzen die Entstehung der Oedeme im 
Allgemeinen und des Lungenödems im Besonderen durch eine verstärkte Affinität der 
colloidalen Substanzen der Gewebe zu dem sie umgebenden Wasser und die successiv 
gesteigerte Durchtränkung der Gewebe mit Wasser erklärt. Eine solche Verstärkung 
der Affinität im Lungengewebe entstehe in solchen Fällen, wenn aus irgend einem 
Grunde eine Störung der Sauerstoffzufuhr zu demselben statthat. Prof. Fischers 
Arbeit ist sehr interessant, doch erlauben wir uns, uns auf diese kurze Erwähnung 
zu beschränken, da diese Frage noch zu neu ist, um einer allseitigen Betrachtung 
unterworfen werden zu können. 


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und tritt als Causa proxima des Lungenödems nicht die Veränderung der 
Gefässwände im Sinne ihrer vergrösserten Durchgängigkeit, sondern die 
Veränderung der Gewebe der in denselben stattfindenden osmotischen 
Processe und die Veränderung der osmotischen Eigenschaften des Blutes 
und der Lymphe in den Vordergrund. 

Die Erscheinungen seitens des Blutkreislaufs, wie sich dieselben durch 
den Blutdruck in diesen oder jenen Theilen des cardio-pulmonalen Apparates 
sowie in den Eigenschaften und dem Charakter des Pulses geltend 
machen, sind ganz in den Hintergrund gedrängt. 

Auf Grund experimenteller Untersuchungen, klinischer Beobachtungen 
und anatomo-pathologischer Thatsachen sind somit folgende Theorien der 
Entstehung des acuten allgemeinen Lungenödems vorgebracht und ver¬ 
treten worden: 1. eine mechanische (auf Stauung beruhende) von Welch, 
Grossmann, Winkler, Fraentzel, Strümpell u. a., 2. eine toxisch- 
infectiöse (Löwitt, Sahli, Dieulafoy, Debove, Brouardel u. a. 
französische Autoren, 3. eine angio-neurotische (Huchard, Landouzy), 
4. eine neuropathische (Jores), endlich 5. eine gemischte, welche die 
Elemente aller übrigen in sich schliesst (Teissier, zum Theil Zeissei, 
Sticker, Chemery u. a.) und gegenwärtig die meisten Anhänger zu 
haben scheint. 

Die ersten Fragen, die sich dem Arzte bei der Untersuchung eines 
an acutem Lungenödem leidenden Kranken zur Lösung aufwerfen, sind 
gerade die Fragen über dessen Entstehung, d. h. ob es ein Stauungs¬ 
ödem, ein toxisches oder vielleicht ein neuropathisches ist, und dann die 
Frage nach dem Zustand der Herzthätigkeit und der Blutcirculation. 
Sind beim Kranken ausser dem Lungenödem irgend welche Veränderungen 
in diesem Gebiete vorhanden? Ist letzteres der Fall, so folgt die Frage, 
ob diese Veränderungen beständige und für die verschiedenen Fälle 
typische sind, oder einen zufälligen Charakter haben, in welchem Ver¬ 
hältnis sie zur Entwicklung des Oederas stehen, ob sie die Ursache oder 
die Folge des Oedems sind, oder ob diese und jene von irgend einer 
allgemeinen Ursache abhängen? Um diese Fragen zu lösen, muss man 
mit Sicherheit sagen können: ob überhaupt Circulationsstörungen im 
kleinen Blutkreislauf die Entwicklung eines acuten Lungenödems nach 
sich ziehen können und worin diese Störungen bestehen, welches, wenn 
die Ursache des Oedems einen toxischen Charakter hat, der Mechanismus 
ihres Einflusses ist: ob sie das Oedem hervorruft, indem sie auf das Herz 
und die Blutcirculation im kleinen Blutkreislauf einwirkt oder nur auf 
die Porosität der Wände der Lungencapillaren, oder zugleich auf diese 
und jene Weise, oder endlich auf irgend eine andere Art. Sind neben 
dem Oedem auch noch Veränderungen der Herzthätigkeit und der Blut¬ 
circulation vorhanden, so muss noch die Frage beantwortet werden, ob 
man nach der Natur dieser Veränderungen die Entstehung des Oedems 
bestimmen, d. h. beurtheilen kann, ob es ein Stauungsödem ein toxisches 
oder ein nervöses ist. 

In dem Wunsch, zu der Aufhellung dieser Fragen beizusteuern und 
durch Experimente an Thicrcn manche von den Autoren erhaltenen, 
widerspruchsvollen Thatsachen zum Theil zu berichtigen, zum Theil auch 


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Veränderung der Ilerzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 415 

auf Grund persönlicher Beobachtungen eine bestimmte Ansicht über die 
Entstehung des acuten Lungenödems und über die dabei auftretenden 
Störungen der Herzthätigkeit und Blutcirculation zu gewinnen, führten 
wir eine Reihe von Versuchen mit Hervorrufung sowohl mechanischen 
als toxischen Lungenödems aus. 

II. Eigene Untersuchungen. 

Methodik. 

Die Versuche wurden hauptsächlich an grossen Hunden, welche ge¬ 
wogen wurden, angestellt. Die Thiere wurden mit Morphium (0,2 bis 
0,3 subcutan) und Chloroform (2,0—5,0—20,0) narkotisirt, wonach man 
die gewöhnlichen vorbereitenden Operationen: Abpräpariren der Gefässe, 
der Luftröhre, Einführung der Canülen u. dergl. vornahm. Bei allen 
Versuchen mit OefTnung des Thorax wurde das Thier curarisirt (Curare: 
lproc. Suspension in Portionen von 1— V/ 2 ccm bis zur Wirkung) und 
künstliche Athmung eingeleitet. Die künstliche Athmung geschah auf 
gewöhnliche Weise mit Hülfe eines Blasebalges. Im grossen Blutkreis¬ 
lauf wurde der Blutdruck in A. carot. oder A. femor., im kleinen 
in A. pulm. oder Ventr. dext., zu speciellen Zwecken im Ventr. sin. 
und Atr. sin. gemessen. Der Druck wurde gewöhnlich mit Hülfe mit 
Schwimmhölzchen versehener Quecksilbermanometer gemessen, wobei die 
Federn der Schwimmer die Druckcurven vermerkten; anfänglich wurde 
der O-Druck eingestellt und mit der Feder, welche die Abscisse aufzeichnete, 
vermerkt. Die Verbindungsröhren für die Arterien füllten wir mit einer 
gesättigten Magnesiurasulfatlösung (25 pCt.), die für die Herzkammern und 
Art. pulmon. bestimmten mit 1 proc. Natriumcitratlösung. Zur Messung 
des Druckes im rechten Ventrikel wurde in denselben durch die V. jugul. 
ext. dext. ein Metallkatheter mit Oeffnungen an den Enden eingeführt, der 
mit Natriumcitratlösung angefüllt und durch eine T-förmige Röhre mit 
dem Manometer verbunden war; durch einen Seitenast dieser Röhre 
wurde die eine oder die andere der zum Versuch dienenden Substanzen 
in die Herzkammer injicirt. In den linken Ventrikel, in die Aorta ascend., 
wurden der Katheter und die Obturatoren durch die rechte A. subclav. 
oder die A. carot. dext. eingeführt. Die A. pulm. verbanden wir 
in den ersten Versuchen mit dem Manometer durch eine in einen ihrer 
Aeste eingebundene Glascanüle, im weiteren aber durch eine gebogene, 
zugespitzte Metallcanüle, welche in einen Ast der Lungenarterie einge¬ 
stochen und während des ganzen Versuches in ihrer Lage mit der Hand 
gehalten wurde. In den linken Ventrikel wurden die Canülen und die 
Obturatoren durch das Aurieulura oder öfter durch eine der Lungenvenen 
eingeführt. 

Zuweilen wurde der linke Ventrikel nicht mit dem Quecksilbermano¬ 
meter, sondern mit einer besonderen Kapsel, welche mit einer Marey’schen 
Trommel verbunden war, in Verbindung gesetzt. Die Kapsel besteht aus 
zwei kleinen, ausgehöhlten, an den Rändern mit einander fest zusammen¬ 
gefügten Metallhalbkugeln (den Magdeburg’schen ähnlich); zwischen diese 
ist eine dünne Gummimembran gelegt; durch dünne, von beiden Hälften 


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der Kapsel abgehende Röhren war sie durch Gurarniröhre an einem Ende 
mit der Marey’schen Trommel, am anderen mit dem Gefäss oder der 
Cavität, in denen der Blutdruck registrirt werden sollte, verbunden. In 
solchem Falle wurde diese Hälfte mit Natriumcitratlösung gefüllt Die 
Kapsel wurde an einem Stativ auf der gewünschten Höhe befestigt. 

Behufs Registrirung der Athmungsexcursionen des Brustkorbes be¬ 
nutzten wir entweder ein kleines Guramipolster, welches mittels einer 
Binde an einer Seite des Thorax befestigt und mit der Marey’schen 
Trommel verbunden war, oder einen ThorÄkographen, welcher die gleich¬ 
zeitige Registrirung der Curven beider Seiten des Thorax gestattet. Zur 
Vermerkung der Athembewegungen des Diaphragma wurde ein speciellcr 
Phrenograph benutzt, dessen Stange durch einen Schnitt durch die Linea 
alba in die Bauchhöhle eingeführt und so eingestellt wurde, dass dessen 
Knopf unter der Controle des Fingers die Kuppel des Diaphragma 
etwas stützte. 

Die Curven, sowohl des Blutdruckes als der Athembewegungen, 
wurden auf dem berussten Papier eines durch einen elektrischen Motor 
in Bewegung gesetzten Kymographen vermerkt. 

Der Zutritt zur Brusthöhle wurde durch Resection einiger Rippen 
der linken Seite geschaffen, wobei vorher Ligaturen an dem oberen und 
unteren Ende der Rippen angelegt wurden, um Blutungen aus den Inter- 
costalgefässen zu verhüten. In den meisten Fällen wurden bei dieser 
Operation längs des Schnittes durch die Haut 1—2 ccm einer 4proc. 
Novocainlösung injicirt und die Hautwunde mit 5proc. Lösung desselben 
bestrichen. Nach der Oeffnung der Brusthöhle wurden, nachdem das 
Blut gestillt war, die Ränder der Wunde mit Watte belegt und die ganze 
Oeffnung mit warmen Compresscn bedeckt. 

Nach jedem Versuch wurde die Section vorgenommen, begleitet von 
der Feststellung der richtigen Lage der Instrumente und der Untersuchung 
des Zustandes der Organe, hauptsächlich der Lunge und des Herzens, 
ln vielen Fällen wurden Stückchen der Lunge zur mikroskopischen Unter¬ 
suchung genommen. 

Da unsere Hauptaufgabe darin bestand, möglichst genau zu be¬ 
stimmen, bei welchen Veränderungen der Blutcirculation, der Herzthätigkeit 
und der Athmung acutes Lungenödem eintritt, so schien es uns besonders 
wichtig, uns möglichst an normale Athembedingungen zu halten und 
nicht ein schon ganz zustandegekommenes Oedem, wie andere Autoren, 
sondern die ersten Anzeichen zu constatiren; zu diesem Zweck stellten 
wir, ausser den Versuchen mit Eröffnung der Bauchhöhle und künstlicher 
Athmung, auch, wo es nur möglich war, solche mit natürlicher Athmung 
an; um den Anfang des Oedems zu bestimmen, benutzten wir die Aus- 
cultationsmethode und auch einige andere Verfahrungsweisen: Messung 
des intrathorakalen Drucks, des Volumens der Lungen, die Registrirung 
der Lage des Diaphragma und der lateralen Seiten des Brustkorbes. 

Gewöhnlich ist es schwer bei Thieren (Hunden) durch Auscultation 
die ersten Anzeichen von Transsudation in die Lungenhöhle zu bemerken. 
Letzteres geschieht erst mit der Veränderung des normalen Athem- 
geräusches, welches härter wird, bald gesellt sich ein feuchtes gross- 


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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei aoutem Lungenödem. 417 


blasiges Rasseln hinzu, welches zuerst nur die Inspiration, später auch 
die Exspiration begleitet; oft wird dieses Rasseln auch von fern gehört 
(heiseres Athroen); sodann tritt mehr oder weniger gehäuftes feuchtes 
kleinblasiges Rasseln beim Einathraen und schliesslich beschleunigtes 
subcrepitirendes Rasseln, wobei gewöhnlich auch schaumige Flüssigkeit 
aus der Nase auszutreten beginnt, so dass la pluie de rales fins der 
französischen Autoren, mit denen sie das acute Lungenödem charakterisiren, 
am Ende des Versuchs und kurz vor der Ausscheidung einer schaumigen 
Flüssigkeit aus Nase und Mund eintritt. 

Die Bedeutung der Messung des intrathorakalen Drucks, des Volumens 
der Lungen, die Registrirung der Bewegungen des Brustkorbs und des 
Diaphragma besteht darin, dass die Zeit des Eintretens der Volum- 
vergrösserung der Lungen, welche das Eintreten des Oedems, gleichviel 
ob durch Stauung verursachtes oder toxisches, begleitet, bestimmt werden 
kann.. Nur in den Versuchen mit künstlicher Athmung war die Volum- 
vergrösserung der Lungen gewöhnlich weniger deutlich ausgedrückt, und 
zuweilen bestand die Veränderung bei ganz deutlich ausgeprägtem Oedem 
fast nur in einer Veränderung ihrer Consistenz bei Vorhandensein von 
Blutstauung und schaumiger Füssigkeit sowohl in den Schnitten als in 
dem Lumen der Bronchien. 

Unsere Versuche können in zwei Gruppen geordnet werden — in 
eine, in der wir uns bemühten, Oedem auf rein mechanischem Wege 
hervorzurufen, und in eine andere, wo zu demselben Zwecke einige 
chemische Agentien angewandt wurden. 

Mechanisches Stauungsödem. 

Wer zur* Aufklärung der Ursachen und der Pathogenese des acuten 
Lungenödems beitragen will, darf die Frage nach dem mechanischen 
Ursprung desselben nicht umgehen. Nicht nur solche Forscher, welche 
sich mit dem Lungenödem speciell beschäftigen, sondern auch Verfasser 
allgemeiner Handbücher halten eine Blutstauung im Lungenkreislauf, 
wenn nicht für die Hauptursache desselben, so doch für eine der 
wichtigsten. Andere Autoren weisen diesem Moment eine viel be¬ 
scheidenere Rolle zu, indem sie Veränderungen der Gefässwände oder 
vielleicht des Blutes selbst, sei es toxischen oder entzündlichen Ursprungs, 
als die häufigere Ursache des Zustandekommens allgemeinen acuten 
Lungenödems ansehen. Welch, der erste Forscher, der einen mechani¬ 
schen Ursprung des Lungenödems anerkannt, und eine hervorragende 
Arbeit über das Lungenödem veröffentlicht hat, weist auf die Methode 
der Zerquetschung der Muskeln des linken Ventrikels, als auf ein Ver¬ 
fahren hin, durch welches Lungenödem verursacht wird; dieser Versuch 
leitete ihn sogar zu dem Schluss, dass auch beim Menschen als Ursache 
des Lungenödems die herabgesetzte Kraft des linken Ventrikels zu halten 
sei. Grossmann bestätigt Welch’s Angaben auch noch auf einem 
anderen Wege, indem er eine, seiner Ansicht nach, ebensolche Herab¬ 
setzung der Thätigkeit des linken Ventrikels durch Muscarininjection 
hervorruft. Die späteren Autoren — Sahli und hauptsächlich Löwit — 
wollen jedoch die Richtigkeit dieser Thatsachen und Behauptungen 


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A. M. Kotowschtschikow, 

unbedingt nicht zugeben. Welch erhielt bei Kaninchen jedesmal 
Lungenödem, wenn er die Aortawurzel bei ihnen stenosirte. Sahli, der 
mit Hunden, und Löwit, der mit Kaninchen und Katzen expcrimentirte, 
haben eine solche Beständigkeit nicht bestätigt. Bei Sahli rief dieses 
Verfahren bei Hunden sogar niemals Oedem hervor. Löwit erhielt es 
zwar, doch nicht immer. Als auf ein sicheres Verfahren weist letzterer 
auf die Injection physiologischer Kochsalzlösung in den linken Vorhof 
hin, und für ein ebenso sicheres hält Grossmann neben der Zerquetschung 
des linken Ventrikels und Muscarinvergiftung die Obturation des linken 
Vorhofs. Doch sind beide Verfahrungsweisen nicht nachgeprüft worden. 
Auch die Wirksamkeit des von Dr. Alexandrow vorgeschlagenen Ver¬ 
fahrens — durch Obturation des linken Ventrikels mechanisches Oedem 
hervorzurufen — hat keine Bestätigung gefunden; zugleich spricht 
Dr. Alexandrow dem obenerwähnten Verfahren Welch’s jeden Werth 
ab. In Anbetracht alles dessen, was wir darüber gesagt, haben wir 
nicht für überflüssig gehalten, noch einmal den Einfluss mechanischer 
Hindernisse im Blutumlauf, nacheinander in allen Theilen des Gefäss- 
systems, wo diese Hindernisse Blutstauung und nachheriges Oedem in 
den Lungen hervorrufen können, auf das Zustandekommen von Lungen¬ 
ödem einem näheren Studium zu unterwerfen. 

Da es nothwendig war, die Resultate unserer Arbeit mit den in 
der Klinik gewonnenen Thatsachen zusammenzustellen, und da beim 
Menschen unter allen Factoren des Blutumlaufs vor allen andern der 
Puls untersucht wird, so richteten wir auch in unseren Versuchen unsere 
Aufmerksamkeit auf die mit dieser Untersuchung verknüpften Erschei¬ 
nungen: die Höhe des arteriellen Druckes, welcher auf die Spannung der 
Arterienwände hinweist, die Pulsfrequenz, die Stärke des Pülsschlags und 
andere Eigenthümlichkeiten des Pulses. Ueber alle diese Factoren er¬ 
halten wir beim Thierexperiment hinlänglich genaue Angaben durch die 
Anzeigen eines mit der A. carot. oder A. femor. verbundenen Hg-Manometers, 
weshalb wir in allen unseren Versuchen auf dieselben besonders Acht gaben. 

Unter den anderen Factoren des Blutumlaufs, welche bei natürlicher 
Athmung studirt werden können, schien uns die Messung der Höhe des 
Blutdrucks im rechten Ventrikel wichtig. Die Curve des intracardialen 
Drucks im rechten Ventrikel zeigte ausser der Druckhöhe auch die Ar¬ 
beit des Ventrikels. Ein Vergleich dieser letzteren mit der Arbeit des 
linken Ventrikels, welche wir entweder auf Grund der Schwankungen 
des arteriellen Drucks, oder, in manchen Versuchen, noch genauer auf 
Grund derjenigen des Drucks im linken Ventrikel selbst beurtheilen 
konnten, gestattete uns in vollem Maasse über die Thätigkeit der beiden 
Herzkammern ein Urtheil zu bilden. Nur in den Fällen, wenn es noth¬ 
wendig war den Druck in den Lungengefässen — in A. pulm., oder in 
der linken Vorkammer — zu messen, waren wir gezwungen, Thorax- 
Öffnung und künstliche Athmung anzuwenden. 

Wir untersuchten somit den Einfluss der Obturation des linken Vor¬ 
hofs, des linken Ventrikels, der aufsteigenden Aorta, denjenigen des Zu- 
klemmens oder der Stenosirung der Aortawurzel und der Embolie der 
Lungencapillaren auf den Blutumlauf. 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 419 


Es wurden im Ganzen 18 Versuche mit mechanischem Oedera an¬ 
gestellt, darunter durch: 


Infusion in den linken Vorhof 1, 

Obturation dos linken Vorhofs 6, 

„ „ „ Ventrikels 2, 

„ der aufsteigenden Aorta 2, 

„ „ absteigenden „ 2, 

Zuklemmen der Aortawurzel 3, 

Embolie der Lungencapillaren 2, 


wobei Oedem in 1 Fall erhalten wurde, 
„ ,, „ 4 Fällen „ „ 

” 77 77 0 n n v 

v n » 9 v „ rj 

« » 1 77 77 

7i 7i »7 ^ n n Ti 

9 

77 77 71 * 77 71 71 


Untenstehend geben wir die Protokolle nur derjenigen Versuche, in 
denen deutlicher ausgeprägtes Oedem erhalten wurde. 


1. Versuch. Obturation der linken Vorkammer bei einem curaresirten 
Hund unter künstlicher Athmung. Eröffnung des Thorax von der linken Seite. Messung 
des Blutdrucks in A. carot. und A. pulm. Durch die Vene des unteren Lappens der 
Lunge wurde in die linke Vorkammer ein Obturator mit einem Gummiballon am Ende 
eingeführt. Es wurden zuerst die Curven des normalen Drucks vermerkt. Nach der 
Füllung des Obturators, wobei die Obturation in mehreren Ansätzen verstärkt wurde, 
stieg der Druck stark und rasch ip der A. pulm. und fiel in der A. carot.; von 113 
bis 136 mm Hg vor der Obturation fiel der Druck in A. carot. bei der Obturation bis 
90—110—116, hielt sich dann nach einigen Schwankungen auf 85—104 mm, zuletzt 
auf 90 mm Hg. 15 Min. nach dem Beginn der Obturation fing der Druck infolge der 
Schwächung der Herzthätigkeit an zu fallen. In der A. pulm. stieg der anfängliche 
Druck von 24 mm Hg bei der Obturation um das Dreifache und erreichte 74—80 mm 
Hg; auf dieser Höhe hielt er sich, zeitweilig bis auf 24 mm Hg fallend, beinahe bis 
zum Ende des Versuchs. Puls vor der Obturation 99 in 1 Min., arhythmisch, nach dem 
Beginn der Obturation 129—135 in 1 Min. gleichfalls arhythmisch; die systolischen 
Elevationen in der Lungenarterie stiegen zugleich mit dem Steigen des Blutdrucks in 
derselben. 4 Min. nach dem Beginn der Obturation bei 80—104 mm Hg Druck in 
A. carot. und 44—50 mm Hg in A. pulm. (Puls 72—84 in 1 Min.) waren die systo¬ 
lischen Elevationen in der Lungenarterie sehr hoch, in A. carot. höher als bis dahin, 
der Puls wurde regelmässig. Die Curve A. carot. liegt auf der Curve A. pulm. Noch 
4 Min. später war Puls 87 in 1 Min., die systolischen Elevationen desselben waren 
kleiner geworden, Druck in A. carot. bis 90 mm Hg., in A. pulm. 70 mm Hg. Noch 
nach 3 Min. (am Ende des Versuchs) Puls bis gegen 200 in 1 Min., ziemlich regel¬ 
mässig, die systolischon Eiovationen in A. carot. (bei 90 mm Hg Druck) klein, die 
respiratorischen Schwankungen derDruckcurve schwach ausgedrückt, die Lungenarterie 
schrieb nicht mehr. Nach 2 1 / 2 Miu. fiel der Blutdruck vollständig (s. Fig. 1). In diesem 
Versuch hatte die Obturation 15Min. gedauert, und es wurde ein deutlich ausgeprägtes 
Oedem erhalten; der Druck fiel in den Arterien des grossen Blutkreislaufs um 20 bis 
15 pCt., stieg in der Lungenarterie um 190—230—109 pCt. (diese letzte Druckerhöhung 
hielt 10 Min. an). 

Obduction. Lungenödem. Die unteren Lungenlappen sind stark gestaut, 
von dunkler Farbe; die oberen rosafarben. Eine schaumige Flüssigkeit nicht nur in 
den Bronchien, sondern auch im unteren Theil der Luftröhre. In den unteren Lungen¬ 
lappen fliesst aus den durchschnittenen Gefässen flüssiges Blut. Links auf der Seite, 
wo alle Manipulationen vorgenommen worden waren, war das Oedem weniger scharf 
als rechts ausgeprägt. Ein derartiges, verhältnissmässig schwächer ausgedrücktes 
Oedem in der Seite, das verschiedenen Manipulationen unterworfen worden ist, wird 
häufig beobachtet. 

4. Versuch (analoger Versuch). Eine Hündin; Gewicht 15500 g. Es wurde 
der Druck in A. femor. und Ventr. dext. registrirt. Die Obturation dauerte 12—13 Min. 


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Vor dem Beginn derselben war der Druck inA.femor. 166 mm Hg, in Ventr.dext. 13mm 
Hg, Puls bis90inlMin., die systolischen Elevationen in der Arterie klein, im Ventr.dext. 
gut ausgeprägt gewesen. Nach 1 Min. 20 Sec. seit dem Beginn der Obturation war der 
Druck in A. femor. 126 mm Hg., imVentr. dext. 38 mm Hg., Puls bis 228 in IMin., in 
der Arterie fadenförmig, im Ventr.dext. sind die Elevationen wie anfänglich ausgedrückt. 
Nach 15—20 Sec. fiel der Druck rasch und hielt sich 2Min. lang ungefähr auf der Höhe 
98 mm Hg in A. femor. und 26 mm Hg in Ventr. dext. (Puls bis 102 in 1 Min.), die 
systolischen Elevationen in der Arterie wurden kleiner als am Anfang, im rechten 
Ventrikel zweimal grösser als anfänglich. Darauf wurde der Puh, ohne Verstärkung 
der Obturation, in der Arterie wieder kleiner, bis 204 in 1 Min., die Elevationen des 
rechten Ventrikels fielen bis zur früheren Höhe. Der Druck in A. femor. war 96 mm Hg, 
imVentr. dext. bis 34 mm Hg; dann im Laufe von 3 Min. graduelles Sinken des Drucks 
und am Ende dieser Zeit war er in der Arterie 70 mm Hg, im Ventrikel 18 mm Hg, 
Puls bis 96 in 1 Min., in der Arterie waren die Elevationen noch kleiner, im Ventrikel 
grösser als anfänglich. Im Laufe der nächsten 3 Min. 45 Sec. bei einmaliger Verstärkung 
der Obturation gegen das Ende dieser Periode fuhr der Druck in A. femor., bei be¬ 
ständiger Höhe im Ventr. dext., fort, wellenförmig zu fallen und war am Ende in der 
Arterie 46mm Hg, im Ventrikel 15 mm Hg, Puls bis 100 in IMin., in der Arterie faden¬ 
förmig, im Ventrikel mit ausgeprägten Elevationen; während der folgenden 2 Min. fiel 
der Druck vollständig, so dass in den letzten l 1 ^ Min. die Druckcurve in der Arterie 
in eine gerade Linie überging; im Ventrikel waren die Elevationen, wenn auch schwach, 
doch wahrnehmbar, der Druck verharrte auf derselben Höhe 14—15 mm Hg, Puls bis 
96 in 1 Min. Der Puls war die ganze Zeit regelmässig. Nach der Obturation waren 
die respiratorischen Schwankungen der Druckcurve weniger deutlich ausgeprägt (s. Fig.2). 
Der arterielle Druck war in diesem Versuch um 41—72 pCt. gefallen, im rechten Ven¬ 
trikel zuerst um 300 pCt., dann um 100—160 pCt. gestiegen, während der letzten 
5 Min. erreichte die Steigerung nur 37—15 pCt. 

Obduction. Grosses Oedem, auf beiden Seiten gleichmässig. Die Lungen 
sind vergrössert, gestaut; besonders die unteren Lappen, welche verdichtet und durch- 
gehends von violetter Farbe sind; die oberen Lappen sind in ihren oberen Theilen 
rosafarben, in den unteren violett, knistern beim Drücken; schaumige Flüssigkeit bis 
zum unteren Theil der Luftröhre; aus den Schnitten tritt eine grosse Menge theils 
schaumiger, theils einfacher brauner Flüssigkeit aus. 

Der Obturator lag in der linken Vorkammer, füllte sie aus und verschloss die 
atrio-ventriculäreOeffnung, der untere Theil desselben konnte aus dem linken Ventrikel 
mit dem Finger erreicht werden. Der linke Ventrikel ist leer, der rechte schlaff, aus¬ 
gedehnt. Keine Coagula. 

10 . Versuch. Zuklemmung der Aortenwurzel. Hund von 17,5 kg Ge¬ 
wicht. Nach der Eröffnung des Pericardiums an seinem oberen Theil wurde mittels 
einer langen gebogenen Pincette unter Controle des Fingers zwischen der Wurzel der 
A. pulm. und derjenigen der Aorta eine Ligatur geführt, um letztere geschlungen 
und im Graefe’schen Schlingenschnürer fixirt. Der Druck wurde in A. femor. und 
im rechten Ventrikel gemessen. Die Zuklemmung geschah vollständig und wurde nur 
einmal und auf kurzeZeit vermindert. Der Versuch dauerte vom Beginn der Zuklemmung 
an 21 Minuten. 

Druckcurven. Druok in A.femor. vor derZuklemmung 148mmHg, im Ventr. dext. 
14 mm Hg, Puls 72 in 1 Min., regelmässig, nicht gross, die systolischen Elevationen 
in der Arterie waren klein, im rechten Ventrikel massig gross. Nach der Zuklemmung 
war der Druck in A. femor. 84 mm Hg, dessen Curve ging in eine gerade Linie über, 
im Ventr. dext. 20mm Hg, die systolischen Elevationen waren doppelt kleiner geworden, 
Puls 174 in 1 Min. Am Ende der 4. Minute der Zuklennnung war der Druck in 
A. femor. 52 mm Hg, im Ventr. dext. 20mm Hg. Darauf stieg im letzteren der Druck auf 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 421 

einmal auf 35—36 mm Hg bei dem früheren Druck in A. femor. Darauf fiel im Laufe 
von 2 Min. 50 Sec. der Druck im Ventr.dext.bis auf 22 mm Hg. Der Puls war wie vor¬ 
her frequent, fadenförmig im rechten Ventrikel, A. femor. schrieb eine wellenförmige 
Linie. Darauf verharrte der Druck im Ventr. dext. während 3 Min. 20Sec. auf 30 mm Hg 
und fiel wieder bis auf 22—20 mm Hg bei 46 mm Hg in A. femor. Die systolischen 
Elevationen im Ventr.dext. wurden grösser, dessen Puls war 54 in IMin. Nach 2Min. 
15 Sec. fiel der Druck im Ventr.dext. bis zur anfänglichen Höhe 14 mm Hg. Puls des 
Ventr.dext.78 in 1 Min., der Druck in A.femor. 44 mm Hg. 3 Minuten später war der 
Druck im Ventr. dext. 22 mm Hg, in A. femor. 38 mm Hg, Puls 210 fast fadenförmig 
(sehr kleine Elevationen). Nach 3 Min. war der Druck im Ventr. dext. 12 mm Hg, in 
A. femor. 34 mm Hg. Im Laufe der folgenden 2 Min. 50 Sec. fiel der Druck vollständig. 
Die ganze Zeit bewahrte der Puls des Ventr. dext. einen regelmässigen Rhythmus. In 
diesem Versuch war der Druck in A. femor. um 65—74 pCt. gefallen, im Ventr. dext. 
um 43—157 pCt. gestiegen. 

Obduction. Grosses Oedem. Die Lungen sind vergrössert, gestaut, besonders 
in den unteren Lappen, die von violetter Farbe und verdichtet sind; die oberen Lappen 
haben rosa, zum Theil violette Färbung. Aus den Schnitten scheidet sich eine dunkel- 
rothe, zum Theil schaumige Flüssigkeit aus; eine gleiche wird in der Luftröhre wahr¬ 
genommen. In den kleinen Gefässen ist dunkles Blut. 

Im rechten Herzen sind einige Coagula, im linken rosafarbenes schaumiges Blut 
vorhanden. Die Oberfläche beider Ventrikel ist von Ecchymosen von unregelmässiger 
Form, erbsen- bis thalergross (3 cm im Durchmesser), eingenommen. Im rechten 
Ventrikel dringen die Ecchymosen durch die ganze Dicke der Wand, sind am Endo- 
cardium, in den papillären Muskeln, im linken am Epicardium sichtbar und nehmen 
die oberflächlichen Schichten der Muskelwand ein. Auch an den Vorhöfen sind 
Ecchymosen zu sehen. 

18. Versuch, Embolie der Lungencapillaren. Ein mittelgrosser Hund 
von 12600 g Ge wicht. Der Druck wurde in A. femor. und Ventr.dext. und dieExcursionen 
des Diaphragma wurden gemessen. Im Verlaufe von 35 Min. wurden 5 Injectionen einer 
undurchsichtigen Suspension von Lycopodiumsamen in warmer Kochsalzlösung, jedes¬ 
mal zu 25 ccm gemacht. Zwischen der ersten und zweiten Injection vergingen 8Min., 
zwischen der zweiten und dritten 7 Min., zwischen der dritten und vierten 14 Min. 
und zwisohen der vierten und fünften 5 Min. Nach der fünften Injection fiel der Druck 
vollständig; nun wurde, als das Pulsiren beider Ventrikel sehr schwach geworden 
war, Massage der Brust und künstliohe Athmung (Ziehen an der Zunge) vorgenommen, 
aber diese Maassregeln verlängerten die Athmung nioht, und nach einigen tiefen In¬ 
spirationen hörte sie ganz auf. Schon nach der dritten Injection trat aus Mund und 
Nase eine Flüssigkeit hervor. 

Druck- und Athemcurven. Der anfängliche Druck betrug in A. femor. 
120mm Hg, im Ventr.dext.5mmHg; nach der ersten Injection stieg der Druck ein wenig 
in der Arterie und mehr als um das Dreifache bis 18 mm Hg im rechten Ventrikel; 
nach der dritten Injection fiel der arterielle Druck von 130 bis 60 mm Hg, stieg aber 
bald wieder bis zur früheren Höhe; im rechten Ventrikel stieg er anfänglich von 
10 mm Hg bis 36—38 mm Hg, blieb dann, allmählich fallend, auf 18—20 mm Hg 
stehen. Nach der vierten Injection wiederholten sich dieselben Schwankungen des 
Drucks wie nach der dritten; Austreten von Flüssigkeit aus der Nase wurde bei 26 
bis 32 mm Hg Druck im Ventrikel und 64 mm Hg in der Arterie beobachtet; endlich 
nach der fünften Injection fiel der arterielle Druck definitiv von 118 mm Hg bis auf 
28 mm Hg, stieg im rechten Ventrikel für einige Secunden von 20 mm Hg bis 24 mm Hg, 
fiel dann wieder bis auf 20 mm Hg und hielt sich einige Minuten, bis ans Ende, auf 
dieser Höhe. Nachdem das Herz sich nach der Injection erholt hatte, fiel zwar der 
Druck im rechten Ventrikel im Vergleich zum ersten Moment nach der Injection, blieb 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 98 


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aber dennoch höher als der anfängliche; der Druck in A. femor. besserte sich nach 
den 4 ersten Injectionen, fiel nach der fünften vollständig. Puls 120 in 1 Min. vor 
der Injeotion, arbythmisch, die systolischen Elevationen klein, im rechten Ventrikel 
etwas grösser; nach der ersten Injection war der Puls ebenso, doch etwas regelmässiger. 
Nach der dritten Injection war Puls 180 in 1 Min., während derselben unregelmässig, 
später wieder regelmässig; dasselbe bei der vierten Injection. Das Austreten von 
Flüssigkeit aus der Nase wurde bei Puls 150 in 1 Min. beobachtet; in diesem Moment 
wurden die systolischen Elevationen im Ventr.dext.bedeutend grösser, nach IMin. aber 
wieder kleiner. Nach der fünften Injection war der Puls in der Arterie fadenförmig, 
im Ventrikel waren die Elevationen noch wahrnehmbar. Endlich ging die Druckcurve, 
die sich zu einer geraden gestaltet hatte, wieder in eine Curve mit seltenen Aufstiegen 
sowohl in der Arterie, als auch im Ventrikel über. Diese Erscheinung wiederholte 
sich im Laufe von 3 Min. — die Periode der Agonie — dreimal und endlich fiel der 
Druck definitiv. Der Moment des Auftretens von Wellen in den Druckcurven entspricht 
der Exspiration in der Diaphragmacurve, wobei diese sich von ihrer Abscisse entfernt, 
und die Exspiration giebt eine Reihe von Aufstiegen, die darauffolgende Inspiration 
zeigt fast gar keine Schwankungen; in diesem Moment geht die Curve in Absätzen 
nach unten; beide Perioden dauern 20—30 Sec. (s. Abb. 3). ln diesem Versuch fiel 
der arterielle nach der dritten Injection um 84 pCt., stieg der Druck im rechten Ven¬ 
trikel um 200—500 pCt. und noch mehr. Während der letzten 5 Min. verharrte er auf 
einer Höhe, die die anfängliche um 300 pCt. übertraf. 

Auf Grund unserer Versuche mit mechanischem Oedem gelangen 
wir zu folgenden Schlüssen: 

1. Experimentelles, mechanisches, acutes Lungenödem wird bei 
Hunden durch gewisse Manipulationen ziemlich leicht hervorgerufen. 

2. Die Stauung und die Druckerhöhung im Lungenkreislauf, be¬ 
sonders im System der Lungenarterie, ist dabei sehr gross (nicht weniger 
als 100 pCt. des anfänglichen Drucks in der Lungenarterie). 

3. Druckerhöhung bloss auf der venösen Seite des Lungenkreislaufs, 
wie bedeutend sie auch sei, genügt nicht, um Lungenödem hervor¬ 
zurufen. (Versuche 11, 12 u. a.) 

4. Die Versuche mit Embolie der Lungcncapillaren zeigen, dass 
eine Druckerhöhung bloss auf der arteriellen Seite des kleinen Blut¬ 
kreislaufs und im anfänglichen Theil der Lungcncapillaren genügt, damit 
ein starkes Lungenödem zu Stande komme. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung kann zeigen, wie gross dabei die Rolle der Veränderungen ist, 
welche die Gefässwände durch die Eintragung einer Menge Sera, lycopodii 
(Emboli) erfahren. 

5. Der arterielle Druck im grossen Blutkreislauf fällt, aber zu 
starkes und rasches Fallen des Drucks (mehr als 50 pCt. des anfäng¬ 
lichen) ist schon ein für das Zustandekommen von Oedem ungünstiges 
Moment, wahrscheinlich in Folge der ungenügenden Blutzufuhr zum rechten 
Herzen und der in Folge dessen ungenügenden Druckerhöhung im System 
der Lungenarterie. 

6. Künstliche und starke Hydrämie, mit Stauung combinirt, be¬ 
günstigt das Zustandekommen von Oedem (Versuch mit Infusion in die 
linke Vorkammer). 

7. In Folge der Erniedrigung des arteriellen Drucks ist bei mecha- 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 423 


nischera Oedem die Spannung der Arterienwände verringert, was bei der 
Untersuchung des Pulses beim Menschen in Fällen von Lungenödem von 
Bedeutung ist. 

8. Die Pulsschläge während der Entwickelung eines mechanischen 
Oedems können ihrer Frequenz, Stärke und ihrem Rhythmus nach ver¬ 
schieden sein. Oedem kann sich sowohl bei regelmässigem als bei 
arhythmischem Puls entwickeln. 

9. Steigerung der Energie der Arbeit des rechten Ventrikels ist fast 
eine beständige Bedingung bei der Entwickelung des mechanischen Lungen¬ 
ödems. 

10. Von einer Lähmung des linken Ventrikels in Welch’s Sinne 
kann man bei unseren Versuchen nicht reden; wohl zeigen die Curven, 
dass die gewöhnlich gesteigerte Thätigkeit des rechten Ventrikels die 
Arbeit des linken an Dauer übertraf; ganz am Ende des Versuchs 
zeigte während 1 — 2 Minuten die Arterie an ihrer Curve schon keine 
Schwankungen mehr, während Elevationen des rechten Ventrikels noch 
deutlich zu sehen waren; in diesem Moment trat im linken Ventrikel 
in der That schon Lähmung ein, im rechten noch nicht; nähme man 
jedoch Welch’s Ansicht über die Lähmung des linken Herzens als der 
causa efficiens des Oedcms an, so müsste man auch die Entwickelung 
dieses letzteren von diesem Moment herleiten, d. h. es für ein agonales 
halten; die Auscultation und die Besichtigung der Lungen während der 
Versuche haben aber gezeigt, dass das Lungenödem sich lange vor 
diesem Moment entwickelt, wenn ein Unterschied in der Thätigkeit der 
Ventrikel oder, richtiger, im Druck in diesem und jenem Blutkreislauf 
vorhanden ist, von der Lähmung des linken Ventrikels aber noch nicht 
die Rede sein kann. Das zu dieser Zeit beobachtete Fallen des Drucks 
in den Arterien des grossen Blutkreislaufs kann jedoch nicht einzig für 
das Resultat der Insufficienz des linken Ventrikels (z. ß. in Folge einer 
verschlechterten Ernährung desselben) angesehen werden; zum Theil muss 
das Fallen des Drucks der durch die mechanischen Hindernisse ver¬ 
ringerten Blutzufuhr in das arterielle System des grossen Blutkreislaufs 
zugeschrieben werden. 

11. Was somit den Blutabfluss aus dem kleinen Blutkreislauf auch 
hindern möge: Aorten Verengerung, Raum Verminderung des linken Vorhofs 
(z. B. in Folge von Druck seitens einer Geschwulst auf dieselben), 
acuter Verschluss einer grossen Anzahl von kleinen Zweigen der Lungen¬ 
arterien und Capillaren (fettige Embolie), Insufficienz des linken Ventrikels, 
insbesondere bei einer gewissen Combination von Störungen in der Com- 
munication der Höhlen des Herzens miteinander (combinirte Herzfehler 
beim Menschen nach Sahli, Versuche mit Beschädigungen des Herzens 
von Rosenbach (55), — sobald all diese Momente eine grosse Druck¬ 
erhöhung in der Lungenarterie herbeiführen, ist acutes Stauungsödem zu 
erwarten, insbesondere in den Fällen, wenn ein solcher Zustand des 
Organismus von verschlechterter Ernährung im Allgemeinen, Veränderung 
der Zusammensetzung des Blutes (z. B. Hydräraie), folglich auch von 
Veränderung in der Ernährung der Gefässwände begleitet ist. 

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Toxisches Oedem. 

Späteren Arbeiten gemäss, müssen die mechanischen Ursachen des 
acuten Lungenödems beim Menschen im Vergleich zu den toxischen und 
entzündlichen im weiteren Sinne des Wortes in den Hintergrund treten. 
Bei seinen Experimenten mit Aethern (Schwefeläther, Essigäther und 
Butteräther) gelangte Löwit auf Grund der von ihm erhaltenen kymo- 
graphischen Data zu dem Schluss, dass dabei von Stauung im Lungen¬ 
kreislauf nicht die Rede sein kann. Winkler dagegen bei seinen Ver¬ 
suchen mit Amylnitrit und v. Zeissl mit einer Jodlösung in Natrium- 
jodid constatirten beim Eintreten des Oedems, in Folge der Injection 
dieser Substanzen, starke Stauungserscheinungen in den Lungen mit 
Druckerhöhung im linken Vorhof und Entwickelung der sogenannten 
Lungenschwellung und Lungenstarrheit. Dasselbe hebt auch Grossmann 
in seiner Arbeit über durch Muscarin hervorgerufencs Lungenödem hervor. 
Teissier und Guinard waren nicht im Stande, durch Anwendung 
mechanischer Verfahrungsweisen Lungenödem hervorzubringen, erhielten 
es aber leicht durch Injection von Salicylmethyl in das Blut von Thieren 
sogar dann, wenn sie vorher keine mechanischen Störungen im Blut¬ 
umlauf der Versuchsthiere verursacht hatten; diese Autoren führen die 
Druckcurven an und behaupten, dass die Ursache des Entstehens des 
Oedems die toxischen Eigenschaften des Salicylmethyls sind, und dass 
die mechanischen Störungen des Blutumlaufs erst in zweiter Reihe 
kommen. Noch früher beobachteten Chanoz und Doyon bei ihren 
Versuchen mit Arayl - Salicyläthcr Lungenödem; sie führen aber keine 
Angaben über die Messungen des Blutdrucks an. 

Klinisch wurden schon oft Fälle von Lungenödem durch Einathmen 
von Chlor, Salpetersäure, Kohlensäure (Sticker), Chloroform und be¬ 
sonders Aether — Poppert, Morton und Saundby — constatirt. 

Carrion und Hallion, die eine concentrirtere Chlornatriumlösung 
(10:1000), Amblard, der eine lOproc. Rohrzuckerlösung, und Bouchard 
und Claude, die Adrenalin injicirten, riefen Lungenödem hervor, oder 
beobachteten solches; aber diese Forscher hatten nicht die Absicht, die 
Veränderungen des Blutdrucks dabei zu studiren, weshalb diese Seite 
der Frage in ihren Arbeiten unberücksichtigt blieb. Ganz unlängst (im 
Jahre 1909) erschien eine experimentelle Arbeit von Miller und Matthews, 
in dieser berichten die Autoren über eine Reihe von Versuchen sowohl 
mechanischen Charakters, als auch mit verschiedenen chemischen Sub¬ 
stanzen, welche in dieser Hinsicht theils schon untersucht worden waren, 
theils von den Autoren zum ersten Mal zum Zweck der Erforschung der 
Pathogenese des Lungenödems angewandt wurden. Zu den ersteren 
gehören: Essigäther, Jod in einer Jodkalilösung, Adrenalin; zu den 
letzteren: Stickstoffoxyddämpfe, Ammoniaklösung, Blausäure. Wie aus 
dem oben angeführten Referat dieser Arbeit ersichtlich ist, legen auch 
diese Autoren den mechanischen Ursachen in der Entstehung des Lungen¬ 
ödems eine verhältnissmässig weniger wichtige Bedeutung bei. 

Um eine klarere Vorstellung von den Veränderungen zu erhalten, 
welche im Blutkreislauf bei der Entwickelung eines toxischen Lungen- 


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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 425 


Ödems entstehen, leiteten wir eine Reihe von Versuchen mit toxischen 
Substanzen ein. Unter den verschiedenen in dieser Beziehung erforschten 
Giften und anderen Substanzen verursachen Lungenödem folgende: 
Argentum nitricum, Methylium salicylicum, Aether sulfuricus, Aether 
aceticus, Aether butyricus, Jodum, Araylnitrit, Adrenalin, Acidum hydro- 
cyanic., Chloralhydratura, Morphium, Aether amylosalicylicus, Stickstoff¬ 
oxyd, Ammoniaklösung, Arsen (letzteres durch Bildung von Coagula in 
den Lungenvenen und im linken Vorhof) und wahrscheinlich noch viele 
andere. In unserer Untersuchung studirten wir den Mechanismus des 
Zustandekommens des Lungenödems und die es begleitenden Störungen 
des Blutkreislaufs und der Athmung, indem wir durch Injection von 
Silbernitratlösungen, Methylsalicyl und Schwefeläther ins Blut Oedem 
hervorriefen. 


Versuche mit Silbernitrat. 

Die Zahl der Versuche mit Höllenstein betrug 36; in 34 Fällen 
wurde Oedem erhalten. Unter den verschiedenen Bezirken des Gefäss- 
systems maassen wir den Druck in A. feraor.,Ventr. dext., Atr. dext., A.pulm., 
Atr. sin., Ventr. sin. In einzelnen Versuchen registrirten wir ausserdem die 
Athmung (Thorax, Diaphragma), das Volum der Lungenlappen, den intra¬ 
pulmonalen, intraplcuralen und intrapericardialen Druck; prüften den Ein¬ 
fluss auf das Zustandekommen des Höllensteinödeme einer Injection von 
Adrenalin, Atropin, der Obturation der V. cav. inf., die Veränderung der Ge¬ 
rinnbarkeit des Blutes unter dem Einfluss des AgNO a . Wir geben hier 
die Protokolle nur folgender 5 Versuche: 

23 . Versuch. Der Blutdruck wird in A. femor. und imVentr. dext. ge¬ 
messen; ausserdem werden die Bewegungen des Thorax und des Dia¬ 
phragma registrirt. Mittelgrosser Hund. Gewöhnliche Narkose. Zuerst wurden 
die normalen Curven registrirt, dann durch einen in den rechten Ventrikel eingeführten 
Katheter mittels einer Spritze 2 ccm einer 2proc. Höllensteinlösung injicirt. 

Um der Fällung des Silbers aus der Lösung schon im Herz-Katheter, vor dem 
Eintritt ins Blut, vorzubeugen, wurde dasselbe vor der Injection der Silberlösung mit 
destillirtem Wasser angefüllt und nach der Injection, um jene weiterzuschaffen, noch 
etwas Wasser nachgeschiokt. Der Druck in A. femor. begann zu fallen, im Ventr. dext. 
zu steigen. Bei dor Auscultation des Thorax konnte kein Rasseln vernommen werden. 
Nach kurzdauernder Besserung des arteriellen Druckes begann er wieder zu fallen, und 
6 Min. nach der Injection der Silbernitratlösung verendete das Thier. 

Obduction. Lungenödem. Die Lungen sind stark vergrössert, von gelblich- 
rother Färbung, fallen nicht zusammen; aus der Trachea und den Bronchien sehr 
reichliche Ausscheidung schaumiger Flüssigkeit, wie auch aus den Schnitten des 
Lungengewebes. Mässige Blutanfüllung der Lungen. 

Es wurden 30—40 ccm der blassrothen, schaumigen Oedemtlüssigkeit gesammelt, 
abcentrifugirt und filtrirt. Salzsäure bewirkte einen schwachen Niederschlag, der in 
Ammoniakflüssigkeit (NH 4 OH) löslich und in Salpetersäure (IIN0 3 ) unlöslich war, 
somit wurde in der Oedemtlüssigkeit die Gegenwart von AgN0 3 constatirt. Unter dem 
Mikroskop wurde im anfänglichen Centrifugat nichts gefunden. 

Die Druckcurven und Curven der Athembewegungen. Der Druck in 
A. femor. fiel von der anfänglichen Höhe 112 m Hg in 1 J / 4 Min. bis auf 69 mm Hg; 
nach kurzer Besserung fiel er aufs neue und fuhr bis ans Ende fort zu fallen. 

Im Ventr. dext. war der Druck vor der Injection 7 mm Hg; nach l x / 4 Min. fing 


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er an zu steigen und erreichte in 1 l j 2 Min. 26 mm Hg; darauf begann er zu fallen 
und war nach 'S 1 /*—4 Min. (vom Beginne des Steigens gereohnet) niedriger als der 
anfängliche; die systolischen Elevationen in der Arterie wurden nach der Injection 
zwei Mal kleiner, im rechten Ventrikel waren sie die erste Zeit danach unverändert; 
als aber der Druck im Ventrikel geringer als der anfängliche geworden war — 5 Min. 
nach dor Injection —, wurden die systolischen Elevationen fast zwei Mal grösser. 

Die Curve der Diaphragmabewegungen entfernte sich gegen das Ende fast um 
anderthalb Mal weiter von der Abscisse, als es anfänglich der Fall war, die Excursionen 
aber wurden vier Mal kleiner; die Thoraxcurven entfernten sich von der Abscisse 
nicht und gingen aus einer gebogenen fast in eine gerade Linie über; diese Verände¬ 
rungen der Athemcurven drücken eine bedeutende Vergrösserung der Lungen und zu¬ 
gleich eine Verkleinerung ihrer Athembewegungen aus; auch die Section bestätigte 
die Vergrösserung der Lungen. — Vor der Injection war Puls 93 in 1 Min., nach der¬ 
selben 132, weniger voll, ziemlich regelmässig; die respiratorischen Schwankungen 
der Druckcurve sind wenig ausgeprägt. Der Puls bewahrte seinen regelmässigen 
Rhythmus bis ans Ende, wurde aber immer schwächer (die systolischen Elevationen 
werden immer kleiner). Am Ende des Versuchs war Puls 81 in 1 Min. (s. Fig. 4). 

24. Versuch. Derselben Art. Grosse Hündin von 27 kg Gewicht. Die Herz- 
thätigkeit ist schon von Anfang etwas arhythmisoh. Die Höllensteininjection wurde 
drei Mal vorgenommen: 1 com einer 3proc. Lösung, nach 8 Min. 2 ccm, nach 10 Min. 
noch 3 ccm. Starkes Rasseln bei der Auscnltation wurde 4—5 Min. vor Beendigung 
des Versuchs constatirt, als der Druck in A. femor. stark gefallen, im rechten Ventrikel 
dagegen auf der früheren Höhe geblieben war. Während des krampfhaften agonalen 
Hineinziehens des Diaphragma, dessen Excursionen zu dieser Zeit viel kleiner ge¬ 
worden waren, trat eine sehr starke Ausscheidung einer schaumigen Flüssigkeit aus 
der Nase ein. Der rechte Ventrikel fuhr fort, noch 2—3 Min. lang zu registriren, nach¬ 
dem der Druck in A. femor. vollständig gefallen war; auch krampfhafte Athem¬ 
bewegungen waren noch zu bemerken. 

Obduction: Oedem. Die Lungen sind stark aufgeblasen, fallen nicht zu¬ 
sammen, die oberen Lungenlappen haben röthlich-gelbe Färbung, die unteren sind 
dunkel, gestaut; sehr viel schaumige Flüssigkeit in der Trachea, den Bronchien und 
in den Lungenschnitten; aus den unteren Lungenlappen fliesst vom Schnitt eine 
grosse Menge dunkler, theils schaumiger Flüssigkeit; die oberen enthalten durchgängig 
eine schaumige, durchsichtige Flüssigkeit. Beim Druck knistern die Lungen; die 
unteren Lungenlappen sind dicht, und der Finger hinterlässt nur bei starkem Andrücken 
eine Spur. 

Die Herzmuskeln, besonders des linken Ventrikels, sind sehr dunkel (beinahe 
violett) gefärbt. 

Druck- und Athemcurven. Der Druck in A. femor. vor der Höllenstein¬ 
injection 98 mm Hg; nach der 1. und 2. blieb er wie vorher und begann erst nach 
der 3. rasch zu fallen. 

Im Ventr. dext. war der Druck vor der Injection 5 mm Hg, nach derselben fiel er 
sogar ein wenig, nur die systolischen Elevationen wurden etwas grösser. In den zwei 
letzten Minuten des Versuchs, als der Druck in A. femor. stark zu fallen begann, stieg 
er im Ventr. dext. bis 7—8 mm Hg und die systolischen Elevationen wurden kleiner. 

Die Athemcurven boten nach den 2 ersten Injectionen keine scharfen Verände¬ 
rungen, nur hart vor der 3. und besonders danach zeigten die Athemcurven dieNeigung, 
sich von der Abscisse zu entfernen, was von einer Volumvergrösserung der Lungen 
zeugte; zugleich wurde die Athmung langsamer, was besonders an der Diaphragma- 
curve sichtbar ist, deren Athempausen beinahe drei Mal länger geworden sind als 
vordem und deutliche Pulsschwingungen erhalten haben. In den letzten 2 Min. des 
Versuchs haben sich die Athemcurven bedeutend von ihrer Abscisse entfernt, der Athem 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 427 

ist unregelmässig und wieder frequenter geworden; der Druck in A. femor. ist gefallen, 
im Ventr. dext. gestiegen. 

Der Puls war vor der Injection 78 in 1 Min., regelmässig, nach der l.Injection 84, 
als Rasseln beobachtet wurde 93 in 1 Min. Dann wurde der Puls langsamer, und nur 
am Ende des Versuchs erreichte die Frequenz 135 in 1 Min. und er w r urde fadenförmig. 
Die Athemsohwankungen der Druckcurve wurden am Ende des Versuchs kleiner. 

34. Versuch. Silb er n i tr at und Messung des Druckos im linken Vorhof. 
Mittelgrosser Hund, 17200 g schwer. Der linke Vorhof war diesmal nicht mit einem 
Quecksilbermanometer, sondern mit einem elastischen, in der Form einer Metallkapsel, 
verbunden, welche aus 2 halbkugelförmigen, durch eine Gummimembran getrennten 
Hälften bestand. Die untere Hälfte der Kapsel war mit lproc. Natriumcitratlösung an¬ 
gefüllt und mit einer in den linken Vorhof eingesetzten Canüle, die obere mit einer 
Marey’schen Trommel verbunden. Injection von iy 2 ccm 2proc. AgN0 3 -Lösung in 
den rechten Ventrikel, nach 5 Min. eine zweite Injection einer gleichen Menge, nach 
16 Min. eine dritte von 3 ccm, nach welcher, 6 Min. später, das Thier verendete. Von 
der 1. Injection an dauerte der Versuch 28 Min., es wurden 6 ccm 2proc. Silbernitrat¬ 
lösung injicirt. Nach der zweiten Injection, kurz vor der dritten, gab ein aus dem 
oberen linken Lungenlappen resecirtes Stück beim Zusammenpressen ausser Blut 
auch schaumige Flüssigkeit von sich. 

Obduction: Oedem. Schaumige Flüssigkeit in der Trachea; trotz der künst¬ 
lichen Athmung sind die Lungen ziemlich voluminös, die unteren Lappen von violetter 
Farbe; am Schnitt in den unteren Lappen eine grosse Quantität brauner, zum Theil 
schaumiger Flüssigkeit; in den Gefässen schwarzes, flüssiges Blut. Keine Coagula in 
den Höhlen des Herzens. 

Druckcurven. Der anfängliche Druck in A. femor. 160 mm Hg, im Ventr. dext. 
12 mm Hg; nach der 1. Höllensteininjection fiel hier der Druck etwas, aber die systo¬ 
lischen Elevationen wurden grösser; der Druck in der Arterie blieb unverändert oder 
stieg sogar ein wenig; der Druck im Atr. sin. stieg, hielt so ungefähr 1 1 / 2 Min. an und 
kehrte dann zur früheren Höhe zurück; nach der 2. Injection fing der Druck im Ventr. 
dext. an zu steigen und erreichte 18 mm Hg bei 138 mm Hg des arteriellen Druckes 
(dieser war etwas niedriger geworden); der Druck im Atr. sin. begann zu fallen, zuletzt 
unter die Abscisse, zugleich wurden die Schwankungen aller drei Curven (die Eleva¬ 
tionen) kleiner. 

Gesteigerter Druck im Ventr. dext. hielt sich, bald steigend, bald fallend, bis zur 
3. Höllensteininjection; der Druck im A. femor. hielt sich ebenfalls (gegen 140mm Hg). 
Der Druok im Atr. sin. besserte sich, nachdem er 4 Min. unter der Abscisse sich ge¬ 
halten hatte. Nach der 3. Injection begann der arterielle Druck erst nach 3y 2 Min. 
stark zu fallen; der Druck im rechten Ventrikel fiel bis auf 10 mm Hg, dessen systo¬ 
lische Elevationen wurden wieder grösser, der Druck blieb bis ans Ende auf dieser 
Höhe; die Curve des linken Vorhofs, die schon vor der 3. Injeotion viel höher über 
ihrer Abscisse gestanden hatte als am Anfang des Versuchs, entfernte sich nach der 
Injection noch mehr von ihr und blieb bis zum Ende auf einer grösseren Entfernung 
von ihr als die anfängliche, wobei nach 3y 2 Min. die Aufstiege des Vorhofsdrucks 
viel kleiner wurden und endlich ganz schwanden. Puls war vor der Injection regel¬ 
mässig, 78 in 1 Min., blieb auch nachdem unverändert; man bemerkt eine Ver- 
grösserung der systolischen Elevationen des rechten Ventrikels. 2 x / 2 Min. naoh der 
2. Injection von AgN0 3 war Puls 138, klein (die systolischen Elevationen waren 
kleiner geworden), etwas arhythmisch, seine respiratorischen Schwankungen waren 
verschwunden. Die systolischen Elevationen des rechten Ventrikels hatten auch ab¬ 
genommen (der Druck im Ventrikel war gestiegen). S l / 2 Min. später nahm der Puls 
seine frühere Gestalt an, mit grossen respiratorischen Schwankungen, 66—60 in 1 Min., 


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noch deutlich arhythmisch. Nach der 3. Injection blieb der Puls langsam, 48 in 1 Min., 
nach 4y 2 Min. schwand er unter beständiger Abnahme vollständig. 

35. Versuch. Wie der vorhergehende, nur anstatt im Ventr. dext. 
wurde der Druck in der Lungenarterie gemessen. Mittelgrosse Hündin, Gew. 
18 kg. Der Druck wurde in A. femor. gemessen, ausserdem im Atr. sin. und in der 
Lungenarterie (zugespitzte Canüle). Normale Curven; dann wurden in den rechten 
Ventrikel 3 ccm 2proc. Höllensteinlösung injicirt. In der Lungenarterie begann der 
Druck stark zu steigen, gleichfalls in A. femor., im linken Vorhof zu fallen. Der 
frequent gewesene Pulsschlag wurde langsam, selten, wonach der Druck in A. femor. 
anfing zu fallen, im linken Vorhof zu steigen, in der Lungenarterie blieb er eine 
Zeitlang auf derselben Höhe; dann fing er an auch hier zu fallen, aber blieb im 
linken Vorbof bis zu Ende erhöht (die Feder zeichnete dann schon eine gerade Linie). 
Nach 10 Min. wurden weitere 2 ccm Höllensteinlösung injicirt, wonach der Druck in 
A. femor. und pulm. sogleich fiel. Der Versuch währte 12 bis 13 Min. 

Obduction: Oedem. Die Lungen sehen marmorirt aus, pastös, sind im 
Ganzen wenig vergrössert, im unteren Theil der Trachea und in den Bronchien 
schaumige Flüssigkeit; aus den Schnitten fliesst viel braune Flüssigkeit hervor. Im 
Lungenlappen mit einer unterbundenen Vene ist das Oedem geringer. Im rechten 
Herzen eine grosse Menge schwarzer Coagula, im linken wenig, ln den Aesten der 
Lungenarterie schwarzes Blut. 

Druckcurven. Vor der Injection war der Druck in A. femor. 98 mm Hg; die 
systolischen Elevationen ihrer Curve sind sehr klein; in der Lungenarterie 24 mm Hg, 
ihre systolischen Elevationen sind auch klein; im linken Vorhof 2—2 l j 2 mm Hg. 
Nach der Injection allmähliches Steigen des Drucks sowohl in A. femor. als in 
A. pulm., in ersterer bis 126 mm Hg, in letzterer bis 64 mm Hg; in beiden, besonders 
in A. pulm. sind die systolischen Elevationen grösser geworden; im linken Vorhof 
fiel der Druck unmittelbar nach der Injection um ein Drittel und blieb 2 Min. lang 
niedrig, kehrte dann zur früheren Höhe zurück und stieg sogar ein wenig, 3 Min. nach 
der Injection war er 4 mm Hg und blieb so gegen 2 Min. Zugleich begann der Druck 
in A. femor. zu fallen und war hier nur 66 mm Hg, während er im linken Vorhof, 
wie erwähnt, 4 mm Hg betrug, in A. pulm. gegen 50 mm Hg. Die systolischen 
Elevationen in den Arterien sind immer noch grösser als die anfänglichen, im linken 
Vorhof sind die Pulswellen deutlich zu sehen. 7 Min. nach der Injection beträgt der 
Druck in A. femor. 54 mm Hg, in A. pulm. 42 mm Hg, die Elevationen sind noch 
immer gross, im linken Vorhof 3—4 mm Hg, die Pulswellen sind schwächer aus¬ 
geprägt. Puls langsam, 60 in 1 Min. Darauf fiel der Druck während 3^2 Min. in 
A. femor. und pulm.; im linken Vorhof blieb er auf derselben Höhe, obgleich dessen 
Feder 2 Min. lang schon eine Gerade zeichnete. Jetzt wurde die 2. Injection gemacht, 
worauf der Druck sogleich definitiv fiel. 

43. Versuch. Durch AgN0 3 verursachtes Oedem. Messung des Drucks in 
A. femor., Ventr. dext. und Ventr. sin. Mittelgrosser Hund von 18,5 kg. Ein Katheter, 
ähnlich dem, welcher in den rechten Ventrikel eingeführt wurde, aber kürzer und 
enger, wurde durch A. subclav. dext. in den linken Ventrikel eingeführt. Für die 
Curve des linken Ventrikels wurde wegen ihrer Entfernung von den übrigen eine be¬ 
sondere Ahscisse geführt. Nach der Registrirung der normalen Curven wurden in den 
rechten Ventrikel 2 ccm oproc. Arg. nitr., nach 5 Min. andere 2 ccm derselben Lösung 
injicirt. Mittels Auscultation wurde der Moment des ersten Rasseins notirt. 20 Min. 
nach der 1. Injection Austritt einer schaumigen Flüssigkeit aus Mund und Nase. Bald 
darauf ging das Thier zu Grunde. 

Obduction. In den Lungen die gewöhnlichen Erscheinungen durch AgN0 3 
hervorgerufenen Oedems. Die Lage der Katheter in den Ventrikeln ist richtig. 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 429 

Druokcurven und Rasseln. Nach der 1. Injection wurden in den Druck- 
curven keine scharfen Veränderungen bemerkt ausser Arhythmie in der Herzthätigkeit 
und Tendenz zur Drucksteigerung im rechten Ventrikel; 3 Min. nach der 2. Injection 
bedeutende Verminderung der Elevationen des linken Ventrikels; in A. femor. eine 
sehr geringe Drucksteigerung und eine gleiche Verkleinerung der Zaoken der Curven; 
dagegen erreichten die Elevationen im Ventr. dext. fast das Dreifache der anfänglichen 
Höhe und übertrafen diejenigen des Ventr. sin., und der Druck stieg um das Doppelte, 
von 8—10 mm Hg bis 18—26 mm Hg. Nach einer Minute wuchsen die Elevationen 
des linken Ventrikels an, ohne die frühere Höhe zu erreichen und begannen nach 
2 Min. allmählich wieder kleiner zu werden und gingen bis VlO ihrer anfänglichen 
Höhe hinunter. Zugleich mit der Verkleinerung der systolischen Elevationen wurden 
auch die diastolischen Senkungen der Curvo des linken Ventrikels kleiner. Auch der 
Puls wurde in A. femor. kleiner, aber der Druok fing erst 7 Min. nach der 2. Hölien- 
steininjection an zu fallen, beständig progressirend. Im rechten Ventrikel vor dem 
Fallen des Drucks in A. femor. wurden verstärkter Druok und höherp Elevationen be¬ 
obachtet; seit diesem Moment kehrte der Druck im rechten Ventrikel zum anfänglichen 
zurück, die Elevationen aber waren trotzdem doppelt so gross, endlich wurden sie 
kleiner, obgleich der Druck sich noch hielt. Am Ende des Versuohs, vor dem 
definitiven Fallen des Drucks, waren die Curven des linken und des rechten Ventrikels 
einander sehr ähnlich, sowohl ihrer Grösse als ihrer Form nach. Der anfängliche 
Druck in A. femor. war 105 mm Hg. Mässiges feuchtes Rasseln stellte sich 3 Min., 
kleinblasiges 6 Min. nach der 2. Injection ein bei erhöhtem Druck in A. femor. bis 
120 mm Hg und bis 18 mm Hg erhöhtem Druck im Ventr. dext., subcrepitirendes Rasseln 
wurde constatirt, als der Druck in A. femor. bis auf 74 mm Hg gefallen war, dort 
und im linken Ventrikel waren die systolischen Elevationen sehr klein; im rechten 
Ventrikel kehrte der Druck zur anfänglichen Höhe, 8 mm Hg, zurück, und die 
systolischen Elevationen waren mehr als zweimal so gross wie im linken. 

Puls vor der Injection 99 in 1 Min., etwas arhythmisch, nach der Injection 90 in 
1 Min., die systolischen Elevationen des rechten Ventrikels waren grösser, obgleich 
der Druck durchschnittlich derselbe war, im linken Ventrikel waren die systolischen 
Elevationen etwas kleiner geworden. Nach 2 Min. 20 Sec. hatte die Pulsfrequenz zu¬ 
genommen und 162 in 1 Min. (27 in 10 Sec.) erreicht, die systolischen Elevationen 
aller drei Curven waren bedeutend kleiner geworden. Gleich nach der 2. Injection 
war Puls 75 in 1 Min., 2y a Min. nach derselben 90, die systolischen Elevationen des 
rechten Ventrikels denen des linken gleich; mässiges feuchtes Rasseln. Die systo¬ 
lischen Elevationen der A. femor. wurden kleiner, dann wieder grösser, entsprechend 
den systolischen Elevationen des linken Ventrikels, welche wieder dio des rechten an 
Höhe weit übertrafen. Nach 5 1 / 2 Min. wurden die Elevationen der Arterie kleiner, 
diejenigen des linken Ventrikels waren auch kleiner als die des rechten. Die Atbem- 
schwankungen der Curve waren fast verschwunden. 6 Min. nach der 2. Injection von 
AgNOg war Puls 120; kleinblasiges Rasseln constatirt. Der Druck im rechten Ventrikel 
ist erhöht. Der arterielle Druck fällt allmählich, die Elevationen der Arterie und des 
linken Ventrikels werden stark verkleinert; im rechten fällt der Druck ebenfalls, aber 
seine systolischen Elevationen verkleinern sioh nicht so scharf (9 Min. nach der 
Injection ist Puls 111 in 1 Min.). Massenhaftes feuchtes Rasseln. Noch nach 3 Min. 
Puls 150 in 1 Min., filiformis, die Elevationen des linken Ventrikels sind 1 1 / 2 mal 
kleiner als die des rechten. Nach 1 / 2 Min. schaumige Flüssigkeit aus Mund und 
Nase. Puls 27 in 1 Min., jetzt werden die seltenen systolischen Elevationen im linken 
Ventrikel und in der Arterie grösser als im rechten und endlich während 3 Min. wurde 
die Registration aller drei Curven sistirt. 

Die Versuche mit Höllenstein können in zwei Kategorien getheilt 
werden: eine, in welcher keine mechanischen Momente, die das 


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Zustandekommen des Oedems durch Steigerung des Blutdrucks im Lungen¬ 
kreislauf hätten fördern können, beobachtet wurden, und eine andere, 
in welcher diese Momente in einem gewissen, oft bedeutenden Grade, 
allein stets in der arteriellen Seite und nicht weiter als in den Capillaren 
des kleinen Blutkreislaufs, ausgeprägt waren. 

Die erste Kategorie umfasst 10 Versuche, darunter die oben¬ 
beschriebenen Versuche 24 und 34. Im ersteren begann der arterielle 
Druck nach der Höllensteininjection, gegen 0,007 auf jedes Kilo Körper¬ 
gewicht, in drei Ansätzen erst nach der 3. Injection zu fallen; im rechten 
Ventrikel fand nach den zwei ersten Injectionen Verminderung des Drucks 
mit Vergrösserung der systolischen Elevationen statt und stieg derselbe 
um 50 pCt. erst am Ende des Versuchs (nach der 3. Injection). 

Feuchtes Rasseln wurde in diesem Versuch 5 Min. vor dem Ende 
(25 Min. nach* Beginn des Versuchs) bei stark vermindertem Druck in 
der Arterie und fast unverändertem im Ventrikel, bei etwas beschleunigtem, 
doch regelmässigem Puls gehört. Die Athmungscurven entfernten sich 
von der Abscisse vor der 3. Injection, 8—10 Min. vor dem Eintritt des 
feuchten Rasseins; dabei wurde das Athmen langsam, in der Folge auch 
oberflächlich. 

In Versuch 34 erwiesen sich die Druckverhältnisse complicirter. 
Nach der 1. Höllensteininjection waren sowohl der arterielle Druck als 
der Druck im linken Vorhof l 1 /«* Min. lang etwas erhöht, kehrte dann 
aber zur Norm zurück; als Ursache des Steigens des arteriellen Drucks 
kann ein Reflex vom rechten Herzen, oder von den Aestcn der Lungen¬ 
arterie aus auf das vasomotorische Centrum, oder eine directe Reizung 
dieses Centrums angesehen werden. Zugleich mit dem Steigen des 
arteriellen Drucks wurde, wie gesagt, Druckerhöhung auch im linken 
Vorhof beobachtet, im rechten dagegen Fallen des Drucks. Nach der 

2. Injection fiel der arteriolle Druck um 12 pCt.; der Druck fiel im 
linken Vorhof (die Curve liegt unterhalb der Abscisse), stieg im rechten 
Ventrikel um 60pCt. Diese Druckverhältnisse dürften sich durch das Entstehen 
von Hindernissen in den Capillaren, oder in den feinen Verzweigungen 
der A. pulm. (den Anfängen der Venen) erklären lassen. Nach der 

3. Injection — das gewöhnliche Fallen des arteriellen Drucks, eine geringe 
Druckverminderung im rechten Ventrikel, im linken Vorhof dagegen, wo 
der Druck schon vor der 3. Injection höher als der anfängliche war, stieg 
er danach noch höher und blieb so bis zu Ende (nach 3 1 / 2 Min. wurde 
infolge eines Coagulums die Curve nicht mehr vermerkt, und nach 
weiteren 2 J / 2 Min. starb das Thier). 

Wodurch lässt sich die Drucksteigerung im Vorhof erklären? 
3V 2 Min. nach der 2. Injection wurde der Puls arhythmisch und langsam, 
mit grossen Schwankungen — Vaguspuls; nach der 3. Injection progressive 
dieser Charakter des Pulses, und lässt sich die Stauung und die Druck¬ 
steigerung im linken Vorhof eben durch diesen langsamen Puls mit 
grossen Diastolen und allmählich schwächer werdenden Systolen erklären; 
infolge der verminderten Blutzufuhr zum rechten Herzen fiel der Druck 
in diesem. Das mechanische Moment war in diesem Versuch schwach 
ausgedrückt und trat ausser einer zeitweiligen Druckerhöhung im rechten 


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Veränderung der Herzthatigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 431 


Ventrikel durch eine Vergrösserung der systolischen Elevationen desselben 
während der Druckerhöhung zu Tage. 

Die Quantität des angewandten Höllensteins betrug 0,007 pro Kilo 
Körpergewicht. 

Zur zweiten Kategorie gehören 26 Versuche, darunter Versuch 23. 
Nach der Höllensteininjection fiel der arterielle Druck (nach V/ 4 Min.) 
um 39 pCt., stieg im rechten Ventrikel in demselben Zeitraum um 
300 pCt. 1 ) und fiel, nachdem ersieh l x / 2 Min. gehalten hatte (unter den 
anfänglichen). 

43. Versuch. Nach der 2. Injection stieg der Druck im rechten 
Ventrikel um 125—150 pCt. und hielt sich solange, bis der Druck in 
der Arterie zu fallen begann (7 Min.). 3 Min. nach der 2. Injection wurde 
die Thätigkeit des linken Ventrikels bedeutend schwächer (Kleinerwerden 
der systolischen Elevationen), während die Thätigkeit des rechten Ven¬ 
trikels viel stärker wurde (die Elevationen desselben wurden grösser als 
die des linken Ventrikels), der Druck in demselben war, wie erwähnt, 
erhöht. Trotz des Schwächerwerdens der Contractionen des linken 
Ventrikels stieg auch der arterielle Druck etwas auf eine Zeitlang, in 
Folge der Beschleunigung seiner Thätigkeit. (0,006 Höllenstein auf 1 Kilo 
Körpergewicht.) 

Mittelstarkes feuchtes Rasseln wurde nach 3 Min. constatirt, klein¬ 
blasiges feuchtes 6 Min. nach der Injection bei erhöhtem Druck sowohl 
in A. femor. (um 14 pCt.) als auch besonders im rechten Ventrikel 
(um 100 pCt.) Subcrepitirendes Rasseln bei vermindertem Druck in der 
Arterie und dem anfänglichen im Ventrikel. Puls stieg von 99 Schlägen 
bis 120 bei verminderter Fülle; darauf wurde Puls noch schwächer. 
Unter Ausscheidung einer schaumigen Flüssigkeit aus der Nase wurde 
der Puls sehr langsam — 27 in 1 Min. mit ausgeprägten Elevationen, 
hoch aber leer. Zu dieser Kategorie gehört auch Versuch 35. 

Wieviel Zeit muss nach der Injection vergangen sein, damit sich 
ein Lungenödem entwickle? Aus Versuch 50 (Excision von Stückchen 
aus der Lunge) folgt, dass nach 2 Min. die. Anfüllung der Lungen mit 
Blut scharf ausgeprägt ist, dass nach 5 Min. alle Ocdemerscheinungen 
vorhanden sind, dass folglich 4—5 Min. genügen, damit bei der gehörigen 
Höllensteindosis, im gegebenen Fall 0,0026 pro Kilo, selbst bei künst¬ 
licher Athraung sich im Lumen der Bronchien Flüssigkeit zeige. 

Die von uns in den verschiedenen Versuchen pro Kilo Körpergewicht 
des Thieres angewandten Mengen salpetersauren Silbers betrugen: 0,002 
(bei dieser Menge war der arterielle Druck nach 45 Min. noch gut; be¬ 
hufs Beendigung des Versuchs musste zur Elektropunctur des Herzens 
geschritten werden), 0,003 (Ableben bei natürlicher Athraung unter 
Oedemerscheinungen nach 1 Stunde), 0,005 (Ableben nach 55 Min.), 
0,007 (Ableben nach 30 Min.). 

Auf Grund der Betrachtung unserer Höllensteinversuche gelangen 
wir zu folgenden Schlüssen: 


1) Der Procentsatz der Drucksteigerung wurde überall in runden (ganzen) Zahlen 
berechnet. 


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A. M. Kotowschtschikow, 


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Die Injection von Höllenstein in den rechten Ventrikel bewirkt in 
den meisten Fällen Druckerhöhung in demselben und in der Lungen¬ 
arterie, Druckerniedrigung im linken Vorhof und in der Aorta. In 
anderen Fällen fehlen diese Veränderungen des Drucks, und in einigen 
Versuchen beobachtet man anfänglich eine Steigerung des arteriellen 
Drucks, welche von der Reizung des vasomotorischen Centrums durch 
den Höllenstein abhängt. 

Die Herzthätigkeit ist beim Höllensteinödem gewöhnlich verändert; 
es entwickelt sich Asynergie der Herzkammern: die rechte contrahirt 
sich stärker, während in der linken sich im Gegentheil geschwächte Thätig- 
keit bemerkbar macht. Bei der Injection von Höllensteinlösung in den 
linken Ventrikel zum Zweck, die Veränderungen in der Thätigkcit beider 
Herzkammern beim unmittelbaren Eintritt dieser Substanz in die Coronar- 
gefässe zu bestimmen, wurde in beiden Schwächerwerden der Contrac- 
tionen beobachtet. 

In der Veränderung des Pulses nach der Höllensteininjection ist es 
schwer irgend eine Gesetzmässigkeit herauszufinden, doch constatirt man 
eine gewisse Beschleunigung der natürlichen Athrnung, bei verringerter 
Fülle desselben, und umgekehrt bei beschleunigtem Puls bei künstlicher 
Athrnung wird nach der Höllensteineinspritzung Neigung desselben zur 
Verlangsamung beobachtet. Bei wiederholten Injectionen wächst die 
Schwäche des Pulses allmählich an. In den letzten Minuten, wenn ge¬ 
häuftes Rasseln gehört wird, oder Flüssigkeit aus Mund und Nase aus¬ 
zutreten beginnt, nimmt der Puls den Charakter eines seltenen, lang¬ 
samen, mit hohen Aufstiegen an. 

Das Volum des Herzens wird auf Kosten der Erweiterung seiner 
rechten Cavitäten grösser; das Volum des linken Ventrikels wird im 
ersten Moment nach der Injection, besonders in dessen Höhle, kleiner, 
kehrt aber dann zur anfänglichen Grösse zurück. 

Die Zusammenstellung der erhaltenen Thatsachen leitet zu dem 
Schluss, dass die Ursache des Lungenödems bei der Höllensteininjection 
die toxische Wirkung des Silbernitrats auf die Wände der Lungencapillaren 
erscheint, und dass das Höllensteinödem ein vorherrschend toxisches 
Oedem ist. Die mechanischen Hindernisse der Fortbewegung des Blutes 
im kleinen Kreislauf, welche infolge von dessen Veränderung unter dem 
Einflüsse des Höllensteins entstehen und zur Verlegung eines Theils der 
Capillaren durch die zerfallenen rothen Blutkörperchen führen, und auch 
infolge der Zusammenpressung der Capillaren durch die Oedemflüssigkeit 
eintreten, können die Entwicklung eines Oedems nur begünstigen, siud 
aber nicht durchaus nothwendig, wie dies die Fälle von Höllensteinödem 
beweisen, die nicht von Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf be¬ 
gleitet sind. 

Was die Blutanfüllung der Lungen beim Oedem anbetrifft, so ist 
sie eine ungleiche in Abhängigkeit von der ungleichen Blutanfüllnng der 
Arterien und der Venen: die der Arterien nimmt zu, die der Venen wird 
geringer. 

Die Athembewegungen werden beim Höllensteinödem allmählich 
schwächer infolge der verminderten Dehnbarkeit der Lungen durch 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 433 

Schwellung, zum Theil infolge einer durch den Höllenstein bewirkten 
Lähmung des Athmungscentrums. 

Die Athemcurven weisen auf eine Volurazunahme der Lungen und 
auf eine Verringerung der Athemexcursionen lange vor dem Eintreten des 
feuchten Rasseins hin, welches von Transsudation in die Alveolen 
zeugt. Diese Volumvergrösserung der Lungen kann schon 2—3 Min. nach 
der Injection bemerkt werden. 

Die Versuche mit der Registrirung der Volum Veränderung eines 
Lungenlappens zeigen, dass die Entwicklung eines Oedems bedeutende 
Vergrösserung der Lunge verursacht, was wenigstens in einem Theil der 
Fälle hauptsächlich der Durchtränkung der Gewebeinterstitien mit Flüssig¬ 
keit und der Transsudation dieser in die Alveolen zuzuschreiben ist; denn 
in den angeführten Versuchen war Blutstauung und folglich Blutanfüllung 
der Lungen, dem Fehlen einer Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf 
nach zu ertheilen, bei Weitem nicht scharf ausgedrückt. 

Bei der Volum vergrösserung der Lungen infolge ihrer ödematösen 
Durchtränkung und zum Theil auch ihrer Hyperämie wird der intraalveolare 
Raum kleiner. 

Die Methode der Messung des intrapleuralen Drucks, welche ange¬ 
wandt wurde, um den Moment der Volumvergrösserung der Lungen, mit 
anderen Worten des Anfangs des Oedems zu registriren, gab unbeständige 
Resultate; dies ist auf Rechnung des Umstandes zu setzen, dass in 
einigen Fällen die Vergrösserung der Lungen so zu sagen nach unten, in 
der Richtung des Diaphragma stattfindet, dessen Lage verändert und auf 
den Stand des intrapleuralen Drucks einen sehr unbedeutenden Einfluss 
ausübt. 

Ein Höllensteinödem ist auch bei bedeutend vermindertem Blutzufluss 
zu den Lungen möglich; daraufhin darf‘man die Vermuthung aussprechen, 
dass ein Aderlass unter solchen Umständen keine verzögernde oder vor¬ 
beugende Wirkung haben kann. 

Eine Gruppe von Versuchen mit Aether. 

ln der Klinik ist man schon längst darauf aufmerksam geworden, 
dass die Aethernarkose nicht selten tödtliches Lungenödem beim Menschen 
hervorruft. Schon im Jahre 1877 wurden solche Fälle beschrieben 
(Morton, Saundby), doch hat man sich dafür erst in den letzten 10 
bis 15 Jahren im Allgemeinen interessirt und angefangen, sie umständlich 
zu beschreiben, hauptsächlich in England und Amerika, was dem zuzu¬ 
schreiben ist, dass in diesen Ländern die Aethernarkose bevorzugt wird. 

Auf die Eigenschaft des Aethers, experimentelles Lungenödem hervor¬ 
zurufen, hat Löwit hingewiesen; wir haben nur mit Schwefeläther und 
weder mit Essigäther noch mit Buttersäureäther gearbeitet., 

Wir stellten mit Aether im Ganzen 15 Versuche an, wobei in einem 
Fall kein Lungenödem erhalten wurde. Der Druck wurde in denselben 
Theilen des Gefässsystems gemessen wie in den Höllensteinversuchen. 
Es wurde die Athmung registrirt, in einigen Versuchen Auscultation an¬ 
gewandt. Auch die Wirkung des Aethers auf den intrapericardialen und 
intrapleuralen Druck sowie der Einfluss der Injection von Adrenalin auf 


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434 A. M. Kotowschtschikow, 

das Zustandekommen des Aetherödems wurden untersucht; desgleichen der 
Einfluss des Aethers auf die Gerinnbarkeit des Blutes. Wir geben die 
Protokolle folgender 4 Versuche. 

59. Versuch. Einwirkung von Aether. Eine mehr als mittelgrosse Hündin 
von 16700g Gewicht. A.femor.und Ventr.dext. zur Druckmessung; ein kleines Polster 
auf die linke Seite zur Registrirung der Athmung. Gewöhnliche Narkose. 0,5 ccm 
Aether sulf. in den rechten Ventrikel — Steigen der Athemcurve; dann noch 4 Injec- 
tionen in 5Min. langen Zwischenräumen von 1, 3, 5, 5 ccm und zuletzt die 6. Injection 
von 10 ccm, wonach starkes Fallen des Drucks in A. femor., weniger starkes im rechten 
Ventrikel erfolgte; die Athemcurve ging in eine gerade Linie über, d. h. die Athmung 
hatte aufgehört; das Thier agonisirte während 2 Min.; zu dieser Zeit traten einige 
Tropfen Flüssigkeit aus der Nase. 

Bei der Auscultation wurde kein Rasseln vernommen. Seit dem Moment der 
ersten Injection hatte der Versuch 30 Min. gedauert; es waren 24,5 ccm Aether ver¬ 
braucht worden. 

Obduction: Lungenödem. Die Lungen sind voluminös, die oberen Lappen 
hellrosa gefärbt, in den unteren sind hämorrhagische Herde zerstreut; die oberen 
fühlen sich weich, die unteren fester an, behalten Eindrücke, ausgeprägte Stauung in 
denselben gelingt es nicht wahrzunehmen. Die ganze Trachea und die Bronchien 
sind mit weisser schaumiger Flüssigkeit angefüllt; schaumige Flüssigkeit dringt auch 
aus den Schnitten, aber nur beim Zusammendrücken. 

Das Herz ist schlaff; der rechte Ventrikel, dessen Endocardium eine ziemlich 
lebhafte rosa Färbung zeigt, enthält keine Coagula. 

ln der Bauchhöhle gewahrt man kein Exsudat. 

Druck- und Athemcurven. Nach den ersten Injectionen stieg der arterielle 
Druck ein wenig und erreichte vor der 4. Injection 103 mm Hg gegen 81 mm Hg des 
anfänglichen, nur nach der 3. Gel er anfangs bis auf 79 mm Hg; nach der 4. Injection 
(5 ccm) fiel der arterielle Druck bis zur Hälfte des anfänglichen 44 mm Hg, besserte 
sich aber bald wieder; nach der 3. Injection stieg der Druck im rechten Ventrikel 
bis 7 mm Hg, wurdo nach der 4. zweimal grösser als der anfängliche, d. h. stieg von 
5 mm Hg bis 10 — 12 mm Hg. 

Die Athemcurve entfernte sich schon nach der 1. Injection von ihrer Abscisse 
um einen anderthalbmal grösseren Abstand als der anfängliche und blieb so fast bis 
ans Ende. Unmittelbar nach einer Injection wurden die Athemexcursioncn frequenter, 
grösser, und nahmen für einige Zeit einen regellosen Charakter an. Nachdem sich ihr 
Rhythmus gebessert hatte, wurden sie dann nach jeder Injection immer kleiner. Puls 
war vor der Aetherinjection 42 in 1 Min., regelmässig, mit deutlich ausgeprägten 
respiratorischen Schwankungen, nach der 1.Injection bis 51 in 1 Min., dann veränderte 
sich sein Charakter bis zur 3. Injection nicht, doch nach dieser und besonders nach 
der 4. veränderte er sich scharf, nämlich seine Frequenz erreichte 105 in 1 Min.; die 
systolischen Elevationen in der Arterie wurden viel kleiner, im Laufe 1 Min. waren 
sie auch im rechten Ventrikel verkleinert. Die respiratorischen Schwankungen der 
Druckcurve verschwanden (in der Arterie Gel der Druck, im Ventrikel stieg er). 

63. Versuch. Schwefeläther und Messung des Drucks im linken 
Ventrikel. Ein grosser Hund von 19 kg Gewicht. Gewöhnliche Narkose. Druck in 
A.femor., Ventr. dext. und Ventr. sin. (in diesen wurde ein Katheter durch A. subcl. dext. 
eingeführt). 1. Injection von 3 ccm Schwefeläther in den rechten Ventrikel — schnell 
vorübergehendes Sinken des Druckes, nach 4 Min. 2.Injection von 5 ccm; nach 10Min. 
noch 4 ccm, endlich nach weiteren 10 Min. die 4. und letzte Injection von 5 ccm, wo¬ 
rauf das Thier nach 3—4 Min. verendete. 2 Min. nach der 3.Injection wurde feuchtes 
Rasseln vernommen, sogleich nach der 4. massenhaftes kleinblasiges Rasseln. Der 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 435 


Versuch dauerte von der l.Injection an 30 Min. Es wurden 17 ccm Aether verbraucht. 
Feuchtes Rasseln 2 Min. nach der 3. und 16 Min. nach der 1. Injection. 

Obduction: Oedem. Die Lungen sind aufgebläht, füllen den Brustkorb aus, die 
oberen Lappen sind rosafarben, knistern, die unteren sind dicht, zumTheil von violetter 
Farbe. In der Trachea und den Bronchien Massen schaumiger Flüssigkeit, desgleichen 
in den Sohnitten; keine Thromben in den Lungengefässen, stellenweise fliesst aus den 
Venen dünnflüssiges Blut. Die Katheter liegen richtig. Im rechten Ventrikel dunkle 
lockere Coagula, im linken sind ihrer weniger und von rosigerer Färbung. Keine Be¬ 
schädigungen am Herzen. 

Druckcurven und Rasseln. Nach der 1. Injection waren die Druck Verände¬ 
rungen nicht scharf und dauerten nur einige Secunden; nach der 2. fiel der arterielle 
Druck fast bis auf l / h seiner Höhe, von 100 mm Hg bis auf 22 mm Hg. Die Elevationen 
des linken Ventrikels wurden 4mal kleiner, im rechten stieg der Druck bis 12 mm Hg, 
bis dahin hatte ein Theil seiner Curve unter der Abscisse gelegen; diese Veränderungen 
dauerten gegen 2 1 / 2 Min. Nach der 3. Injection-fiel der arterielle Druck, der fast seine 
frühere Höhe erreicht hatte, um das Doppelte, bis auf 38 mm Hg, die Elevationen, des 
linken Ventrikels wurden wieder viel kleiner, aber der vermehrte Druck im rechten 
stieg in 2 Min. bis 20 mm Hg, der arterielle Druck besserte sich bis zu diesem Moment 
und erreichte 96 mm Hg. Diese Periode der verkleinerten systolischen Elevationen 
sowohl auf der Curvo der Arterie als des linken Ventrikels und des erhöhten Drucks 
im rechten Ventrikel währte doppelt so lange als nach der 2. Injection; der arterielle 
Druck wurde, wie schon erwähnt, nach 2 Min. besser. Nach der 4. erfolgte der Tod 
unter denselben Druckerscheinungen, nämlich Sinken in den Arterien und Steigen im 
rechten Ventrikel. 

Feuchtes Rasseln vernahm man bei stark erhöhtem Druck im rechten Ventrikel, 
noch verkleinerten Elevationen des linken und beim Beginn einer Besserung des 
arteriellen Drucks, wobei die systolischen Elevationen von dessen Curve auch sehr 
klein waren (Resultat der Einwirkung des Aethers). 

Vor der Injection war Puls bis 90 in 1 Min., ziemlich regelmässig, mässig voll 
(die systolischen Elevationen nicht gross), mit ausgeprägten respiratorischen Schwan¬ 
kungen. Nach der 1. Injection wurden nach 35 Sec. die systolischen Elevationen, be¬ 
sonders des linken Ventrikels, viel kleiner (3—4mal), auch die diastolischen Abstiege des 
letzteren wurden kleiner, ihre Spitzen gingen nicht mehr unter die Abscisse hinunter 
wie vor der Injection und aufs neue nach der Besserung der Herzthätigkeit (der mittlere 
Druck im linken Ventrikel war übrigens zu dieser Zeit etwas schwächer). Der Puls 
wurde arhythmisch, obgleich ebenso frequent (90 in 1 Min.) wie vor der Injection. 
Die Elevationen im rechten Ventrikel statu quo. Nach der 2. Injection wurden die 
systolischen Elevationen der Arterie und des linken Ventrikels wieder kleiner, in 
ersterer um das Doppelte, in letzterem um das 5—-7fache, die Curve des linken Ven¬ 
trikels ging wieder nicht bis zu ihrer Abscisse — starke Verkleinerung der Diastolen; 
diese Veränderung währte 1 Min. 50 Sec. Die respiratorischen Schwankungen des 
Pulses sind verschwunden, er ist weniger arhythmisch als nach der 1. Injection, 102 
in 1 Min., 2 Min. nach dieser Injection ist Puls bis 51 in 1 Min., die systolischen 
Elevationen werden grösser, besonders im linken Ventrikel (der arterielle Druck bessert 
sich). Nach der 3. Injection aufs neue starke Verkleinerung der systolischen Elevationen 
besonders im linken Ventrikel; in Folge der Verkleinerung der diastolischen Abstiege 
reicht die Curve nicht bis zur Abscisse. In den ersten 2 Min. fehlten die respiratori¬ 
schen Schwankungen der Druckcurve, Puls, obgleich schwach, doch regelmässig, bis 
150 in 1 Min. (von dieser Injection bis 108 in 1 Min., arhythmisch). (Der Druck in 
der Arterie fiel, im Ventr. dext. stieg er.) 2—3 Min. nach der Injection besserte sich der 
Druck, die systolischen Elevationen wurden grösser, Puls aber war sehr arhythmisch; 
die Athemschwankungen der Druckcurve erschienen aufs neue. Vor der 4. Injection 


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A. M. Kotowschtschikow, 


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war Puls 125—135 in 1 Min., arhythmisch, die respiratorischen Schwankungen aus¬ 
geprägt, nach der lnjection starkes Fallen des Drucks in der Arterie, fadenförmiger 
Puls. Im linken Ventrikel sind die systolischen Elevationen kaum zu unterscheiden; 
im rechten Ventrikel hält sich in den ersten Minuten der Druck und die Elevationen 
sind deutlich sichtbar. Puls v. d. 126 in 1 Min.; die respiratorischen Schwankungen 
fehlen. 4 Min. nach der lnjection verendete das Thier (s. Fig. 7). 

66. Versuch. Schwefeläther mit Messung des Drucks im Atr. sin. 
Sehr grosser Hund von 28 kg Gewicht. Druck in Art. femor., Ventr. dext., Atr. sin. 

1. lnjection von 2 ccm Schwefeläther in den rechten Ventrikel, Sinken des Drucks 
in Art. femor., Steigen im Ventr. dext., unverändert im Atr. sin. Nach 5 Min. weitere 
2 ccm Aether, nach 12 Min. die dritte und letzte lnjection auch von 2 ccm Aether. 

2 — 3 Min. danach Sinken aller Curven und Tod des Thieres. Es wurden im ganzen 
6 ccm Aether verwandt. Seit dem Moment der 1. lnjection bis zum Ende des Versuchs 
waren 19—20 Min. vergangen. 

Obduction: Oedem. In der Trachea Schleim, stellenweise schaumige Flüssig¬ 
keit; bei leichtem Druck tritt aus den Bronchien schaumigo Flüssigkeit, in den unteren 
Lappen rosig gefärbt. Die oberen Lungenlappen sind rosa, die unteren dunkel violett 
gefärbt, stark gestaut, aus den Schnitten, besonders des linken unteren Lappens (dessen 
Vene war unterbunden), tritt aus den Venen dünnflüssiges Blut. Aus dem Parenchym 
der unteren Lungenlappen fliesst aus den Schnitten in grosser Menge eine braune 
Flüssigkeit, die oberen Lappen enthalten ihrer weniger, und sie ist schaumig, dabei 
sind die oberen Lappen ziemlich blutarm und ihre Schnitte im Vergleich zu den unteren 
trocken. 

Im rechten Ventrikel sind viele schwarze lockere Coagula, im linken ist an den 
Wänden etwas flüssiges Blut. 

Druckcurven: Anfänglicher Druck in der Arterie 132—164 mm Hg, im rechten 
Ventrikel 7—14 mm Hg, im linken Vorhof 6—10 mm Hg; nach der 1. lnjection in der 
Arterie 130—114 mm Hg; im rechten Ventrikel nach 35 Sec. 14 mm Hg; er hielt sich 
so bis zur 2. lnjection. Im linken Vorhof 5—6 mm Hg. Nach der 2. lnjection war in 
der Arterie 72 mm Hg, nach 3 Min. 104—110 mm Hg; im rechten Ventrikel 12 mm Hg, 
die systolischen Elevationen sind kleiner als nach der 1. lnjection, der Puls ist regel¬ 
mässiger als vordem; im linken Vorhof war sogleich nach der 2. lnjection 30 Sec. lang 
10—6 mm Hg, dann wieder 6—5 mm Hg, wobei dieser Druck sich hielt; vor der 3. In- 
jection war der Druck in der Arterie 70 mm Hg, im rechten Ventrikel und im linken 
Vorhof 4 mm Hg; nach der 3. lnjection Fallen des Drucks aller drei Kurven, ein 
schnelleres in der Arterie. 

Puls vor der lnjection 12 in 5 Sec., arhythmisch, mit respiratorischen Schwan¬ 
kungen, danach 15 in 5 Sec., regelmässig, die systolischen Elevationen in der Arterie 
und im Ventrikel sind kleiner geworden, die respiratorischen Schwankungen in der 
Arterie schwächer. Die Curve des rechten Ventrikels zeigt keine respiratorischen 
Schwankungen. Die systolischen Elevationen des Vorhofs sind auch kleiner geworden. 
Nur vor der 2. lnjection am Ende der 5. Min. nahm der Puls seinen früheren Charakter 
an: die systolischen Elevationen wurden grösser, es erschienen respiratorische Schwan¬ 
kungen. Dasselbe Bild nach der 2. lnjection; nach 3 Min. besserte sich der Puls, die 
Zahl der Schläge war 12 in 5 Sec. Vor der 3. lnjection (10 Min. nach der 2.) war 
der Puls 8 in 5 Sec. Gleich nach der 3. machte der Puls 7 Schläge in 5 Sec., die 
systolischen Elevationen sind fast von anfänglicher (vor der 1. lnjection) Höhe, dann 
wurde er rasch schwächer, der Druck wurde zu dieser Zeit 60 mm Hg in der Arterie, 

3— 4 mm Hg im rechten Ventrikel und im linken Vorhof (die Vorhofcurve läuft auf den 
unteren Enden der Curve des rechten Ventrikels). Unmittelbar vor der 1. und 2. In- 
jection hatte der Druck im rechten Ventrikel ganz denselben Charakter wie 20—25 Sec. 
nach der Beendigung der lnjection, d. h. in diesem Moment bemerkte man hier Druck- 


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Veränderung der Herzthatigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 43? 


erhöhung, im linken Atrium unmittelbar vor der Injection, während derselben (sie 
dauerte 20—25 Seo.) und 20 Sec. lang nach ihrer Beendigung trat auch Druck¬ 
erhöhung zu Tage, welche sogleich einer Druckerniedrigung Platz machte, als nach 
der Injection Druck erhöhung im rechten Ventrikel eintrat. Diese Druckerscheinungen 
im Ventrikel und im Atrium mögen das Resultat der Reizung des Herzens durch den 
Katheter und die injicirte Flüssigkeit während desManipulirens gewesen sein(s. Abb.8). 

68. Versuch. Aetherinhalation. Der Druok wurde in A. femor. and Ventr. 
dext. gemessen. Auf die rechte Seite kam behufs der Registrirung der Athem- 
bewegungen ein mit einer Marey’schen Trommel verbundenes kleines Gummipolster. 
Mehr als mittelgrosser kräftiger Hund von 24180 g Gewicht. 10 ccm 2proo. Morphium¬ 
lösung, auf dem Tische 1,5 ccm Chloroform. Durch einen kleinen Längsschnitt wurde 
ein kleines, durch ein Gummirohr mit der Spitze eines Richardson’schen Pulveri¬ 
sators verbundenes Glasrohr in die Trachea eingeführt. Die Flasche des Pulverisators 
enthielt 10 ccm Schwefeläther, die in die Lunge in staubförmiger Gestalt eingeführt 
wurden. Die Inhalation dieser Quantität war in 1—2 Min. beendet. Den Siedepunkt 
des Aethers, 35° C., und die Temperatur des Körpers des Hundes in Betracht ziehend, 
darf man annchmen, dass der Aether nicht in flüssiger, sondern in gasförmiger Ge¬ 
stalt in die Lungen geräth. Nachdem der gesunkene Druck in der A. femor. sich aus¬ 
geglichen hatte, wurde die nächste Inhalation von 10 ccm, dann die 3., 4., 5. und 6. 
vorgenommen. Während der letzten Inhalation erholte sich der Druck noch vor der 
Beendigung derselben. 

Die Inhalation dauerte 30 Min.; 3 Min. nach der letzten wurde der Hund, behufs 
Beendigung des Versuchs, durch intravenöse Injection von 15 ccm 2proc. Morphium¬ 
lösung und Elektropunctur des Herzens abgethan. Es wurden im Ganzen 60 ccm 
Aether verwandt. 

Obduction: Oedem. In der Trachea und den Bronchien grosse Mengen 
schaumiger, schwachrosa gefärbter Flüssigkeit; die Lungen sind gebläht, fallen nicht 
zusammen, knistern. Die oberen Lappen sind gelblich*rosa, die unteren, besonders 
der linke, hyperämirt, letzterer ist mit violetten Flecken besät, welche in die Masse 
des Lappens dringen und stark mit Blut durchtränkte Bezirke vorstellen. Aus den 
Schnitten dieser Stellen fliessen grosse Mengen einer braunen sohaumigen Flüssigkeit. 

In den oberen Lungenlappen ist Emphysem, sie sind nicht gestaut, das Oedem 
ist in ihnen weniger scharf ausgeprägt, einige Bezirke des Gewebes sind ganz ohne 
Oedem geblieben. 

Der rechteVentrikel enthält sehr wenige schwarze lockere Gerinnsel, der linkekeine. 

Druck- und Athemcurven: Der arterielle Druck fiel, besonders seit der 
3. Injection, aber besserte sich auch wieder rasch. Im rechten Ventrikel stieg der 
Druck nach der 4. mehr als um das Doppelte. Der anfängliche Druck in der Arterie 
war 126 mm Hg, im Ventr. dext. 8 mm Hg. 

Der Athem wurde nach den ersten 2 Inhalationen auf kurze Zeit schnell und 
regellos, nach den folgenden wurden die Excursionen der Curve bedeutend kleiner. 
Rasseln trat erst 15 Min. nach der ersten Inhalation ein bei etwas erhöhtem Druck in 
der A. femor. und normaler Athmungscurve. Die systolischen Elevationen der Curve 
des arteriellen Drucks wurden jedesmal nach der Aetherinhalation, besonders in der 
ersten Zeit, kleiner, was für die Wirkung des Aethers charakteristisch ist. Gewöhn¬ 
lich wurden währenddem die Athemweilen der Pulscurve kleiner oder verschwanden 
vollständig, was der Verkleinerung der Excursionen der Athmungscurve entsprach. 
Nach der ersten Inhalation fiel der arterielle Druck für l j 2 Min. auf 120 mm Hg, dann 
begann er sich zu bessern, im rechten Ventrikel stieg er bis 16 mm Hg. 

Vor der 4. Inhalation nahm die Curve des arteriellen Drucks ihre frühere Gestalt 
im Sinne der systolischen Elevationen und der Athemschwankungen des Pulses an 
und wurde sogar regelmässiger als am Anfang. Die Excursionen der Athmungscurve 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 29 


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waren zu dieser Zeit hoch und gleichmässig. Nach der 4. Inhalation stieg der Druck 
im rechten Ventrikel bis 20 mm Hg und hielt sich bis zum Ende des Versuchs ungefähr 
uuf dieser Höhe. 

Der arterielle Druck besserte sich, wie gesagt, leicht; vor dem Ende des Ver¬ 
suchs war er 135 mm Hg. 

Vor dem Beginn der Inhalationen war der Puls 90 in 1 Min., etwas arhythmiscb, 
mit scharf ausgeprägten Athemschwankungen. Während der 1. Inhalation war der Puls 
129 in 1 Min., stärkere Arhythmie (Puls Ventr. dext. 150 in 1 Min.). 

Nach der 3. Inhalation Puls 180 in 1 Min., regelmässiger als vordem, mit weniger 
deutlichen respiratorischen Schwankungen, die systolischen Elevationen in der Arterie 
und im Vent. dext. waren sehr klein (zweimal kleiner als vor der Inhalation). Während 
der Vermerkung grossblasigen feuchten llasselns war der Puls 114 in 1 Min., klein 
(die systolischen Elevationen sehr klein, besonders im rechten Ventrikel), aber regel¬ 
mässig, die respiratorischen Schwankungen sind schwach ausgeprägt (der arterielle 
Druck hoch); einen solchen Charakter behielt der Puls nach der 3. Inhalation 6 bis 
7 Min. lang. Dann nahm er wieder seine frühere Gestalt mit scharf ausgeprägten 
Athemschwankungen an, mit deutlichen systolischen Elevationen, 90 Schlägen in 
1 Min. (anfängliche Höhe des arteriellen Drucks). Nach der 4. Inhalation fiel der 
Druck in der Arterie um die Hälfte, der Puls war während l 3 / 4 Min. fast fadenförmig 
(mit sehr kleinen systolischen Elevationen, ohne Athemschwankungen); im rechten 
Ventrikel waren die Elevationen weniger verkleinert, Puls 178 in 1 Min. Danach 
fingen die respiratorischen Schwankungen der Curve an sich zu bessern, die immer 
noch kleinen systolischen Elevationen wurden etwas grösser, der Rhythmus des Pulses 
ziemlieh regelmässig. Nach der 5. Inhalation fiel der arterielle Druck für 1 1 / 2 Min., 
im Ventr. dext. blieb er hoch, die respiratorischen Schwankungen waren ausgeprägt, 
wenn auch weniger deutlich als am Anfang des Versuchs, der Puls fuhr fort, ziemlich 
regelmässig zu sein. Nach der G. Inhalation zeigte die Curve des arteriellen Drucks 
kurze Zeit (20 Sec.) keine respiratorischen Schwankungen, die systolischen Elevationen 
waren klein, der Druck in der Arterie fiel, erholte sich wieder, blieb erhöht im rechten 
Ventrikel. Es zeigen sich wieder deutliche respiratorische Schwankungen an der Druck- 
curve, der Rhythmus des Pulses ist regelmässig, er ist klein (die systolischen Eio¬ 
vationen sind klein) und schnell: 180 in 1 Min. Schliesslich Elektropunctur. 

In den Schwefelätherversuchen fehlt, wie in den Höllensteinversuchen, 
ein mechanisches Moment im Sinne der Entstehung von Hindernissen in 
dem Blutabfluss aus den Lungen auf der venösen Seite des kleinen Blut¬ 
kreislaufs, oder im linken Herzen, und auch am Vorderende des arteriellen 
Systems des grossen Blutkreislaufs. Aber die Veränderungen des Blutes, 
dessen erhöhte Gerinnbarkeit, die in einem speciellen Versuch — Unter¬ 
suchung von mit Aether vermischtem Blut — constatirt wurden, übten 
natürlich eine mechanische Wirkung aus, da sie die Fortbewegung des 
Blutes in den Capillaren oder in den kleinen Verzweigungen der Lungen¬ 
arterie erschwerten, indem sie Hindernisse schufen, die in einem ge¬ 
wissen Maasse den von der Einführung von Embolis in das Blut ge¬ 
botenen analog waren. 

Im 59. Versuch stieg der Druck im rechten Ventrikel sehr wenig, 
und erst nach der 4. Injection um das Doppelte (um 100pCt.), auch der 
arterielle Druck stieg etwas (um 23pCt. nach der 3. Injection), und fiel 
erst nach der 4. um 50pCt., was natürlich von der Menge der injicirten 
Flüssigkeit (diesmal 5 ccm Aether) abhing. 

In Versuch 63, mit Messung des Druckes im linken Ventrikel, fiel 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 439 


der arterielle Druck nach der 2. Injcction um 80pCt., nach der 3. um 
50pCt., stieg im rechten Ventrikel von 0—10 bis 3—22 mm Hg; die 
Druckcurve des linken Ventrikels zeigt, dass sowohl die systolischen Auf¬ 
stiege als auch die diastolischen Abstiege nach jeder Injection abnahmen — 
Verkleinerung der Ventrikelcavität (vergl. Grossmann) —, dabei war der 
mittlere Druck, der in demselben vermerkt wurde, wenn auch vermindert, 
so doch nur wenig. 

Aus Versuch 66 und anderen mit Messung des Druckes im linken 
Vorhof ersieht man, dass bei der gewöhnlichen Druckerniedrigung in den 
Arterien, wenn nicht nach der ersten, so doch nach den folgenden 
lnjectionen bis auf ca. 50pCt., der Druck im rechten Ventrikel eine 
sehr geringe Erhöhung zeigte — nur im beschriebenen Versuch stieg er 
zeitweilig um 100—70pCt. —, blieb er im linken Vorhof unverändert, 
oder stieg auf kurze Zeit sehr wenig und fiel bald darauf wieder. 

Versuch 68, mit der Aetherinhalation als Nachahmung der Aether- 
narkose, gab Folgendes: Fallen des arteriellen Druckes wurde seit der 
3. Inhalation (nach 30 ccm Aether) beobachtet, er besserte sich aber 
rasch. Von der 4. Inhalation an fing der Druck im rechten Ventrikel an 
zu steigen, wurde um 100—150 pCt. höher und blieb bis zum Ende er¬ 
höht. 2,5 ccm Aether auf 1 kg Körpergewicht des Thicres riefen beim 
Einathmen sehr starkes Lungenödem hervor; allein der Versuch wurde 
nach 33 Min. durch Elektropunctur beendet, sodass man über den natür¬ 
lichen Ausgang dieses Oedems sich kein Urthcil bilden kann. 

Was die Veränderungen des Pulses nach den Aetherinjectionen be¬ 
trifft, so muss vor Allem die bedeutende Verkleinerung der systolischen 
Elevationen in den Arterien des grossen Blutkreislaufs, dabei ohne 
Bildung von Coagula, hervorgehoben werden; die Curve hat oft das Aus¬ 
sehen einer Geraden 1 ) ohne respiratorische Schwankungen; sobald die 
Wirkung des Aethers verging, nahm die arterielle Curve ihre frühere 
Gestalt an. Zugleich wurde der Puls frequenter, obgleich in manchen 
Fällen starken Sinkens derselbe langsamer wurde; auf der Curve des 
linken Ventrikels war eine Verkleinerung der Systolen und Diastolen eben¬ 
falls deutlich ausgeprägt; im rechten Ventrikel war diese Wirkung des 
Aethers manchmal wahrnehmbar, manchmal nicht, aber, wie oben er¬ 
wähnt, die systolischen Elevationen wurden nach der Aetherinjection im 
rechten Ventrikel grösser, folglich mit oder ohne vorhergehende Verkleine¬ 
rung derselben. Was den Einfluss des Aethers auf den Rhythmus des 
Pulses betrifft, so kann eine namhafte Wirkung desselben in diesem Sinne 
nicht constatirt werden. Zwar wird nach einigen lnjectionen während des 
Sinkens des Druckes beginnende Arhythmie beobachtet, doch wird unter 
diesen Umständen auch Einstellen eines regelmässigeren Rhythmus beobachtet. 

Die Athmung wurde, wie nach der Injection, so auch nach der In¬ 
halation (die ersten zwei Inhalationen) auf kurze Zeit beschleunigt und 
regellos, doch ist diese Erscheinung hier viel schwächer als in den Ver¬ 
suchen mit salicylsaurem Methyl ausgedrückt. In einigen Versuchen 


1) Aehnliche Veränderungen in der Druckcurve wurden auch von Lüwit in 
seinen Versuchen mit Essigäther beobachtet. 

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A. M. Kotowscbtschikow, 


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(Versuch 71) setzte der Athem nach einigen Injectionen auf einige Secunden 
aus; während der Entwicklung des Oedems und der Volumzunahme der 
Lungen wurden die Athemexcursionen kleiner, die Zwischenräume grösser, 
und die Curve entfernte sich von der Abscisse. 

Feuchtes Rasseln wurde in Versuch 63, 17 Min. nach Beginn des¬ 
selben, 2 Min. nach der 3. Injection bei stark vergrössertem Druck im 
rechten Ventrikel und beginnender Besserung des arteriellen Druckes, ver¬ 
kleinerten Elevationen des linken Ventrikels, schwachem, sehr beschleu¬ 
nigtem, verhältnismässig regelmässigem Puls beobachtet. In Versuch 68 
machte sich Rasseln 15 Min. nach dem Beginn bei etwas erhöhtem Druck 
im rechten Ventrikel, unverändertem Druck in A. femor. und regelmässigem 
Athmen bemerkbar, der Puls war beschleunigt, klein, regelmässig. 

In Versuch 70, mit Messung des intrapleuralen Druckes, bemerkte 
man nach der 6. Injection (von 11) bei etwas erniedrigtem arteriellem 
Druck und sehr hohem (um 300pCt.) im rechten Ventrikel, bei regel¬ 
mässigem beschleunigtem Puls von anfänglicher Fülle feuchtes Rasseln. 

Wieviel Zeit ist zur Entwickelung eines Oederas unter dem Einfluss 
von Aethervergiftung nöthig? 

In den Versuchen 64 und 65 (mit künstlicher Athraung) konnte im 
ersten schon nach 6 Min. in den oberen Lungenlappen ein schwaches 
Oedem, im zweiten nach 4 Min. mässiges allgemeines Lungenödem con- 
statirt werden. Dies scheinen die Grenzen des schnellsten Zustande¬ 
kommens von Lungenödem durch Aether bei sehr mässigen, ins Blut 
eingeführten Dosen — je 0,26 ccm auf 1 kg Körpergewicht des Thieres — 
zu sein. 

Da eine Druckerhöhung im rechten Ventrikel und folglich in der 
Lungenarterie bei der Injection von Aether ins Blut nicht immer eintritt, 
und im Fall einer solchen diese auch nicht bedeutend sein kann, so muss 
bei der Erklärung des Zustandekommens des Lungenödems die toxische 
Wirkung des Aethers auf die Gefässwände und das Blut in erste Linie 
gestellt werden, wobei die Veränderungen dieses letzteren wahrscheinlich 
als das Moment oder wenigstens als eines der wichtigsten Momente, 
welche die Druckerhöhung im rechten Ventrikel bewirken, anzusehen sind. 

Kann auch die geschwächte Thätigkeit des linken Ventrikels in 
Grossmann’s und Sahli’s oder Welch’s Sinne als mechanisches 
Moment bei der Entstehung eines Oedems durch Aether auftreten? Der 
arterielle Druck fällt zwar auf eine gewisse (kurze) Zeit, wobei der innere 
Raum des linken Ventrikels kleiner wird, doch konnten wir eine 
einigerraaassen bedeutende Druckerhöhung im linken Vorhof, wie wir sie 
bei unseren Experimenten mit mechanischem Lungenödem beobachteten, 
nicht constatiren, und nur beim Vorhandensein von Druckerhöhung in 
demselben könnte man auch die Entwicklung einer umgekehrten Stauung 
bis zum rechten Ventrikel selbst zulassen. Ist aber im Atr. sin. keine 
Stauung vorhanden, so darf eine Druckerhöhung im System der Lungen¬ 
arterie nicht einer geschwächten Tätigkeit des linken Ventrikels zuge¬ 
schrieben werden, welche Veränderungen dieses letzteren wir für die 
Ursachen dieser Herabsetzung der Thätigkeit auch halten mögen. In 
Versuch 72 (Besichtigung des Herzens während der Entwicklung eines 


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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 441 


durch Aether hervorgerufenen Oedenos) wurde verstärkte Blutanfüllung 
des rechten Ventrikels und dessen Erweiterung constatirt, während der 
linke Ventrikel verkleinert und relativ leer war. Ein solcher Zustand 
dieses letzteren war das Resultat einer geringeren Blutzufuhr zu ihm. 
Dafür zeugt auch das Fehlen einer Druckerhöhung im linken Vorhof bei 
den Aetherversuchen, wie soeben erwähnt wurde. Somit kann diese 
Volumabnahme des linken Ventrikels nicht für eine Contractur desselben 
in Grossmann’s Sinne angesehen werden. Dagegen redet sowohl die 
Vertheilung des Blutes im kleinen Blutkreislauf — grösserer Blutinhalt 
im System der Lungenarterien, kleinerer im System der Lungenvenen — 
so auch die Consistenz des Herzmuskels: obgleich der linke Ventrikel 
kleiner ist als der rechte, bleibt er dennoch weich. 

Die Thätigkeit des rechten Ventrikels wurde nach der Aetherinjection 
oft energischer, sogar ohne vorhergehende Verkleinerung der Elevationen 
(was wieder zur Illustration einer gewissen Selbständigkeit beider Herz¬ 
hälften und beider Blutkreisläufe dienen kann); eine solche Verstärkung 
wurde auch in Versuch 72 constatirt. Die Thätigkeit des rechten Ven¬ 
trikels wurde, zuweilen Minuten lang, auf der Curve vermerkt, wenn 
A. femor. nur eine gerade Linie gab; aber in Anbetracht dessen, dass 
dieser Umstand erst in den letzten Momenten des Versuchs, wenn das 
Oedem sicherlich schon eine Zeit lang gedauert hat, beobachtet wird, 
zeugt derselbe nicht dafür, dass die Asynergie der Ventrikel im Sinne 
der herabgesetzten Arbeit des linken die Ursache des Lungenödems ist, 
sondern nur dafür, dass dessen Entwickelung von Druckerhöhung im 
System der Lungenarterie und erhöhter Arbeit des rechten Ventrikels 
(wenn auch nicht immer) begleitet ist, und dass während des Oedems der 
linke Ventrikel aus dieser oder jener Ursache, vielleicht in Folge von 
verminderter Blutzufuhr, wobei das Blut nicht genügend oxydirt ist, eher 
aufhört (gelähmt wird) als der rechte. 

Das Herz und die Athmung erholen sich bei mässigen, sogar wieder¬ 
holten Aetherinjectionen verhältnissmässig leicht und rasch. 

Alles Dargelegte resümirend, gelangen wir zu dem Schlüsse, dass 
das durch Aether hervorgerufene Lungenödem ein toxisches Oedem ist, 
welches seine Entstehung einer Veränderung der Gefässwände (der Capil- 
laren) und des Blutes verdankt. 

Die Asynergie der Ventrikel, welche bei der Entwickelung des Oedems 
beobachtet wird und sich durch die Erhöhung der Thätigkeit des rechten 
Ventrikels und eine gewisse Abschwächung derselben im linken äussert, 
ist ein Moment, das das Zustandekommen des Oedems nur begünstigt, 
da dieses auch ohne Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf, ohne Ver¬ 
stärkung der Thätigkeit des rechten Ventrikels bei unverändertem Druck 
in den Arterien des grossen Blutkreislaufs beobachtet werden kann. 

Die Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf und die verstärkte 
Arbeit des rechten Ventrikels an sich werden sowohl durch eine Verände¬ 
rung der Eigenschaften des Blutes als durch die Zusammendrückung der 
Capillaren und kleinen Gefässe durch die Oedemflüssigkeit bedingt (ver¬ 
gleiche das in den Schlüssen über das Höllensteinödem über diesen 
Gegenstand Gesagte). 


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A. M. Kotowsohtschikow, 

Eine Gruppe von Versuchen mit salicylsaurem Methyl. 

Auf das • salicylsaure Methyl wiesen Teissier und Guinard in 
ihren Versuchen als auf eine Bedingung toxischem Charakters hin, welche 
zugleich mit anderen Versuchsbedingungen das Zustandekommen von 
Lungenödem begünstigt. Wir stellten mit Methyl, salicylic. 6 Versuche an, 
wobei in allen Lungenödem erhalten wurde. 

74. Versuch. Einwirkung von salicylsaurem Methyl. Der Druck wird 
in A. femor. d., Ventr. dext. registrirt, behufs Vermerkung der Athmung kommt auf 
die linke Seite ein mit einer Marey’sehen Trommel verbundenes kleines Gurami- 
polster. Mittelgrosser Hund von 15 Kilo Gewicht. Gewöhnliche Narkose. Normale 
Curven. Um 4 Uhr 30 Min 1. Injection von 1 ccm salicylsauren Methyls in den 
rechten Ventrikel, der Druck in A. femor. und im rechten Ventrikel fiel zuerst, be¬ 
gann dann zu steigen, es stellten sich Krämpfe ein, das Thier stöhnte, die krampf¬ 
hafte unregelmässige Athmungscurve ging über den Rand der Trommel hinaus. 
Nachdem der Druck und die Athmung sich ausgeglichen hatten, wurde nach 9 Min. 
wieder 1 ccm salicylsauren Methyls injioirt, dann kam eine ebensolche 3. Injection, 
die 4. von 3 ccm und um 5 Uhr 20 Min. die 5. und letzte von 5 ccm, wonach der 
Druck sehr rasch fiel. Tod ohne Krämpfe, aber nach jeder Injection Stöhnen und 
Krämpfe; über die Druckveränderungen weiter unten. Von der 2. Injection an Schleim 
aus der Nase. Vor der 3. wurde feuchtes Rasseln bemerkt, aber nach 2—3 Min. war 
es nicht mehr hörbar und wurde durch vesiculäres Athmen ersetzt. Nach der 
3. Injection schaumige Flüssigkeit aus der Nase, ebenso nach der 4. Der Corneareflex 
war sehr schwach. Das Thier verendete um 5 Uhr 25 Min. Der Versuch hatte seit 
dem Moment der 1. Injection 55 Min. gedauert. Es wurden 11 ccm salicylsauren 
Methyls verbraucht. 

Obduction: Lungenödem. StarkerMetbylsalicylatgeruch aus der Brust. Die 
Lungen sind voluminös, fallen nicht zusammen. Die oberen Lungenlappen sind rosa¬ 
farben, knistern; die mittleren violett gefärbt, elastisch; noch dunkler violett, vergrössert 
und elastisch sind die unteren, sie behalten keine Eindrücke und knistern ein wenig. 
In den Schnitten Mengen theils schaumiger, theils einfach brauner Flüssigkeit, ln 
den kleinen Zweigen der Lungenarterie trifft man in allen Lungenlappen schwarze 
(wurmförmige) Coagula an. In der Trachea und in den Bronchien sehr viel schaumige 
Flüssigkeit. Im rechten wie auch im linken Vontrikel viele schwarze Coagula. Die 
Nieren cyanotisch, hyperämisch. 

Die Druck- und Athemcurven stellen ein sehr complicirtes Bild vor; 
gleich nach der Injection fällt der arterielle Druck, nach der 1. z. B. um das Doppelte: 
von 124 mm Hg bis auf 62 mm Hg für 1 Min.; zugleich fällt der Druck auch im 
Ventr. dext., nach 1 Min. erreichte er im rechten Ventrikel 6—8 mm Hg, in der Arterie 
die anfängliche Höhe; 16 Min. nach der 2. Injection beobachtete man feuchtes Rasseln 
bei 10 mm Hg im rechten Ventrikel und 110 mm Hg in der Arterie. 

Nach der 2. und 3. Injection stieg der Druck in den Arterien, der sogleich danach 
gefallen war, allmählich bis über die anfängliche Höhe und zugleich auch im rechten 
Ventrikel um das 5—6-fache: von 2 mm Hg am Anfang bis 10—12 mm Hg (Bei einem 
solchen Druck im Ventr. dextr. nach der 3. Injection war er in A. femor. gegen 
80 mm Hg.). Danach fiel der Druck im rechten Ventrikel beinahe bis auf die frühere 
Höhe, hielt sich aber in der Arterie. Während dieser Periode eines beständigen 
arteriellen Drucks wurde in den Pausen zwischen den Injectionen des salicylsauren 
Methyls aufs neue Druckerhöhung im Ventr. dext. beobachtet, worauf der Druck aber 
wieder normal wurde; zugleich beobachtete man eine Verkleinerung der Excursionen 
der Athemcurve. Nach der 4. Injection fällt der arterielle Druck, der höher als der 
anfängliche gewesen war, um mal, von 132 mm Hg bis auf 48 mm Hg, die systo- 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 443 

lischen Elevationen werden kleiner, der Druck im Ventr. dext. steigt schon in der 
Periode des Fallens des arteriellen bis 16 mm Hg, d. h. um 8 mal höher als der 
anfängliche, worauf er wieder fällt, die Elevationen der Curve des rechten Ventrikels 
sind auch klein, nach 2 Min. bessert sich der Druck in der Arterie und im rechten 
Ventrikel und der arterielle erreicht fast die Höhe, die er vor dieser Injection hatte, 
d. h. 122 mm Hg, im rechten Ventrikel dagegon steigt er colossal, bis 44 mm Hg, 
d. h. wird 20 mal höher als der anfängliche. Nach der 5. Injection, die in diesem 
Moment gemacht wurde, fiel der Druck fast momentan bis auf 0. 

Nach den 4 ersten Injectionen von salicylsaurem Methyl beobachtete man somit 
Erhöhung des Blutdrucks für l 1 /* Min., nach minutenlangen vorhergehendem Sinken 
desselben (besonders in A. femor.) oder status quo (besonders im rechten Ventrikel). 

Die Athemcurve stellte nach der 5. Injection eine Linie mit kleinen, seltenen 
Aufstiegen vor. Nach den ersten Injectionen, während der Krämpfe und des Stöhnens 
war die Athemcurve unregelmässig, ihre Excursionen waren hoch und gingen über 
das Papier hinaus. Nach der 4. Injection war diese Periode sehr kurz, die Excursionen 
der Curve wurden klein, und die ganze Curve entfernte sich von ihrer Abscisse, was 
die Erweiterung des Brustkorbs, folglich auch der Lungen und die Verkleinerung ihrer 
Athemexcursionen zeigte. Feuchtes Rasseln wurde zuerst 25 Min. nach der 1. Injection 
bemerkt. Der Puls war vor der Methylsalicylatinjection 99 in 1 Min., etwas arhyth- 
misch. Nach der I. Injection 144 in der Minute, sehr arhythmisch, konnte nur mit 
Mühe gezählt werden. 5 Min. nach der 1. Injection war Puls 66 in I Min. Während 
des feuchten Rasseins war Puls 99 in 1 Min., arhythmisch. Der Athem war ziemlich 
regelmassig, doch entfernte sich seine Curve von der Abscisse. Nach der 4. Injection 
war Puls 180, regelmässiger als früher, doch klein und sohwach (die systolischen 
Elevationen klein, der arterielle Druck niedrig). Oberflächliches Athmen. Dies dauerte 
eine Viertelstunde, bis zur 5. Injection, nach welcher 5 Min. später das Thier ver¬ 
endete. Das Herz erholte sich nach den Injectionen eher als die Athmung; so rief die 
2. Injection fast keine Druckerniedrigung hervor, aber die Unregelmässigkeit der 
Athmung war grösser als nach der 1. Injection (s. Fig. 9). 

75. Versuch. Methylium salicylicum und Messung des Drucks im 
linken Vorhof. Eine sehr grosse Hündin von 28800 g Gewicht. Gewöhnliche Nar¬ 
kose. Curare. Künstliche Athmung. Oeffnung des Brustkorbes auf der linken Seite. 
Der Druck wurde in A. femor., Ventr. dext., Atrium sin. (in dieses letzte durch die Vene 
des linken unteren Lungenlappens eine Canüle). Um 5 Uhr 55 Min. 1. Injection von 
salicylsaurem Methyl in den rechten Ventrikel, 1 ccm r der arterielle Druck fiel, auch 
im linken Vorhof fiel er, im rechten Ventrikel stieg er. Nach 5 Min. die 2. Injection, 
1 ccm, nach 5 Min. noch die dritte, 2 ccm, nach 1 l / 2 Min. fiel der Druck bis auf 0. 
Der Versuoh hatte von der 1. Injection an 11 Min. gedauert. Es wurden im Ganzen 
4 ccm salicylsauren Methyls injicirt. 

Obduction: Lungenödem. In der Trachea Spuren einer schaumigen 

Flüssigkeit, in dem Bronchus der rechten Lunge viel schaumige Flüssigkeit, im linken 
weniger. Die Lungen sind ziemlich voluminös, die unteren Lappen dunkelviolett, die 
mittleren mit violetten Flecken, die oberen rosa mit weniger violetten Bezirken, in den 
unteren ist in den Gefässen flüssiges Blut; in dem linken unteren Lappen mit der 
unterbundenen Vene ist die Stauung weniger scharf als in dem rechten ausgeprägt, 
vielleicht in Folge einer kleinen Blutung aus einem Riss in diesem Lappen, aus den 
Schnitten dieser Lappen viel theils schaumiger, theils einfach brauner Flüssigkeit; 
die oberen Lappen sind zwar relativ trocken, enthalten aber in ihren Bronchien viel 
schaumigo Flüssigkeit, weniger in ihren Schnitten. Keine Thromben in den Zweigen 
der A. pulm. Kein Knistern in den Lungen. Der rechte Ventrikel enthält Coagula, 
die sich bis in die Mündung der Lungenarterie erstrecken, der linke hat keine Coagula, 
nur flüssiges Blut. Die Nieren sind etwas cyanotisch, mässig hyperämisch. 


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A. M. Kotowschtschikow, 


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Druckcurven. Nach der 1. Injection stieg der arterielle Druok ein wenig nach 
kurzem Sinken, wobei die systolischen Elevationen der Curve die frühere Grösse 
hatten. Der Druck im rechten Ventrikel stieg auch ein wenig, von 14 mm Hg bis 
18 mm Hg; im linken Vorhof fiel er. Nach der 2. Injection fiel der Druck in der 
Arterie beinahe um das Dreifache, von 138 mm Hg bis auf 50 mm Hg, wobei die Ele¬ 
vationen ihrer Curve noch kleiner als früher wurden. Im Ventr. dext. machte sich 
eine bedeutende Erhöhung des Drucks, der sich seit dem Moment der 1. Injection auf 
einer grösseren als der anfänglichen Höhe gehalten hatte, erst 2 Min. nach der Injec¬ 
tion geltend, wobei er fast um das Doppelte stieg, bis 24 mm Hg. Zu dieser Zeit be¬ 
gann der arterielle Druck sich zu erholen. Die 3. Injection wurde bei 110 mm Hg des 
arteriellen Drucks ( 3 / 4 des anfänglichen) und bei vergrösserten systolischen Eleva¬ 
tionen desselben, während der Druck im rechten Ventrikel erhöht blieb, vorgenommen. 
Nach der 3. Injection fiel der Blutdruck in \ l / 2 Min. definitiv. Die Curve des linken 
Vorhofs zeichnete nach der 3. Injection besser als nach der 2., der Druck sank in 
demselben bis auf 6 mm Hg gegen den anfänglichen von 9 mm Hg, übrigens hatte er 
sich schon seit der 2. Injection auf dieser Höhe gehalten; der anfängliche Druck in 
A. femor. 138 mm Hg. 

Der Puls war vor der Injection des salicylsauren Methyls 108 in 1 Min., klein 
(die systolischen Elevationen sehr klein), sehr arhythmisch (im linken Vorhof 93 in 
1 Min.); nach der Injection war Puls 180, regelmässig, die systolischen Elevationen 
waren im rechten Ventrikel etwas vergrössert, im Vorhof verkleinert, in der Arterie 
von der früheren Grösse. Nach der 2. Injection war Puls 180, die systolischen Eleva¬ 
tionen waren noch kleiner als früher; im linken Vorhof waren die Pulswellen kaum 
wahrnehmbar, im rechten Ventrikel noch ausgeprägt. Nach 4 3 / 4 —5 Min., als die Ele¬ 
vationen der A. femor. noch sehr klein waren, wurden sie von Zeit zu Zeit auf 5 bis 
7 Sec. im rechten Ventrikel um 3—4 Mal grösser als am Anfang und wurden dann 
wieder von kleinen und dichten Systolen unterbrochen; dann nahm derPuls seinen an¬ 
fänglichen Charakter (vor der Injection des salicylsauren Methyls) auf allen 3 Curven 
an: 96inlMin., deutlich arhythmisch. Nach der 3.Injection starkes Fallen des Drucks 
in A. femor., weniger starkes im rechten Ventrikel und im linken Vorhof. Puls 100 
bis 120 in 1 Min., arhythmisch, sehr schwach, offenbar werden viele Contractionen 
des Herzens vom Puls nicht wiedergegeben (s. Abb. 10). 

77. Versuch. Methyl, salicylic. und Messung dos Drucks im linken 
Ventrikel. Ein mittelgrosser Hund von 18060 g Gewicht. Gewöhnliche Narkose. 
Druck in A. femor., Ventr. dext. und Ventr. sin. Normale Curven, Um 4 Uhr 30Min. 
1. Injection von 1 ccm salicylsauren Methyls in den rechten Ventrikel, nach 5 Min. 
die 2., iy 2 ccm, 6 Min. danach die 3. und letzte, ebenfalls l 1 / 2 ccm, wonach der 
Druck sich nicht besserte; nach 5 Min. ging das Thier zu Grunde. Vom Moment der 
1. Injection an hatte der Versuch 16 Min. gedauert; es wurden 4 ccm salicylsauren 
Methyls verbraucht. Die Auscultation zeigte kein Rasseln. 

Obduction: Lungenödem. Die Lungen sind mässig aufgebläht, die oberen 
Lappen rosa, die unteren an der Basis und an der Wurzel dunkelviolett, in den an 
den Rippen anliegenden Theilen ebenfalls rosa wie die oberen, die mittleren mit 
violetten Flecken bedeckt. Die oberen Lungenlappen knistern, die unteren sind elastisch 
und behalten einen Eindruck nur nach einem starken Druck. In der Trachea und den 
Bronchien viel schaumige Flüssigkeit, desgleichen in den Schnitten der Lunge, in den 
unteren Lappen ist sie braun gefärbt. Keine Thromben in den Lungengefässen. 

Im rechten Ventrikel und Vorhof ist eine nicht sehr grosse Menge lockerer Ge¬ 
rinnsel, im linken sind keine. Bei der Einführung des Katheters in den linken Ven¬ 
trikel wurde zufällig die Intima der Aorta verwundet und eine Klappe durchbohrt. 

Druckcurven. Nach der 1. Injection fiel der arterielle Druck, nach der 2. fiel 
er fast um das Doppelte, von 100 mm Hg bis auf 53 mm Hg, glich sich während 


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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 445 


6 Min. aus, um nach der 3. Injection im Laufe von 5 Min. gänzlich zu fallen. Der 
Druck im rechten Ventrikel wurde nicht grösser, er war anfänglich 6 mm Hg. Die 
Wirkung des salicylsauren Methyls auf den linken Ventrikel äusserte sich durch eine 
Verkleinerung der systolischen Elevationen in dessen Curve, was besonders deutlich 
nach der 3. Injection hervortrat. 

Vor der Methylsalicylatinjection war Puls 90—108 in 1 Min., regelmässig, nach 
der 1. Injection 105 in 1 Min., regelmässig, nach der 2. Injection 105 in 1 Min., nach 
der 3. 120 in 1 Min., wie früher regelmässig. 

Die Curve des linken Ventrikels zeigte nach der 2. Injection von Zeit zu Zeit, 
nach 5—7 Sec. grosse systolische Aufstiege und diastolische Abstiege; dementsprechend 
zeigte auch die Curve der A. femor. Fallen des Druckes. 

Zu den Versuchen mit salicylsaurem Methyl übergehend, finden wir 
Folgendes: 

In Versuch 74 fiel der arterielle Druck nach der Injection von Methyl, 
sal. um 50—60pCt., doch nicht nach einer jeden Injection und nur auf 
kurze Zeit (1 Min.), besserte sich dann und wurde für eine Zeitlang so¬ 
gar höher als der anfängliche, wonach er auf der anfänglichen oder einer 
etwas geringeren Höhe stehen blieb. Die Druckerhöhung dürfte zum 
Theil den Krämpfen zugeschrieben werden, von denen das Thier in dieser 
Zeit befallen wurde; erst nach der 5. Injection sank der Druck voll¬ 
ständig. Im rechten Ventrikel wurde bald nach der Injection auch 
einiges Sinken des Druckes bemerkt, doch kehrte er zeitweilig zur an¬ 
fänglichen Höhe zurück, stieg im Allgemeinen immer höher und erreichte 
am Ende des Versuchs bis 1000 pCt. des anfänglichen. Dabei trat diese 
Druckerhöhung zeitweilig in Gestalt breiter Wellen, die einige Zeit nach 
der Injection erschienen, zu Tage. Als Ursache davon dürfte ein er¬ 
schwerter Blutumlauf in den Lungen entweder infolge einer grösseren 
Zähigkeit (Verdichtung) des Blutes, oder der Bildung von Coagula, oder 
des Zusammendrückens der Capillaren durch die ödematöse Schwellung 
des Lungengewebes anzusehen sein. 

Feuchtes Rasseln wurde nach der 2. Injection (ungefähr nach 10 Min.; 
es waren im Ganzen 2 ccm Methyl, salicyl. eingeführt worden) bemerkt, 
bei um 400 pCt. vergrössertem Druck im rechten Ventrikel um 12 pCt. 
erniedrigtem Druck in den Arterien des grossen Blutkreislaufs und an¬ 
fänglichem Charakter des Pulses. 

Im Allgemeinen wurde der Puls in der ersten Zeit nach der Injec¬ 
tion viel frequenter (zuweilen um das Doppelte), seine Arhythmie nahm 
zu, die systolischen Elevationen nahmen ab; nach der Wiederholung der 
Injectionen wurde der Rhythmus des Pulses regelmässiger, aber die 
Schwäche desselben trat deutlicher hervor. 

Im 75. Versuch, wo zugleich mit dem arteriellen auch der Druck 
im rechten Ventrikel und im linken Vorhof gemessen wurde, fiel nach 
der 1. Injection der arterielle Druck wie im vorhergehenden Versuch auf 
kurze Zeit, stieg dann etwas höher als der anfängliche und wurde auch 
im rechten Ventrikel um 28 pCt. höher; nach der 2. Injection fiel der 
arterielle Druck um 64 pCt., stieg im rechten Ventrikel um 71 pCt.; 
nach der 3. Injection fiel der Druck definitiv; im linken Vorhof fiel der 
Druck schon nach der 1. Injection (um 33 pCt.) und stieg nicht wieder. 


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A. M. Kotowschtschikow, 


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Der Puls wurde nach der Injection schneller, nach der ersten wurde 
dessen Rhythmus sogar regelmässiger, nach der dritten wurde er arhythmisch 
und schwach. Die Thätigkeit des rechten Ventrikels wurde nach der 
1. Injection merklich kräftiger, nach der 2. Injection arbeitete er mit 
abwechselnder Kraft. Das Sinken des Drucks im linken Vorhof zeugt 
gegen das Vorhandensein von Stauung auf der venösen Seite des kleinen 
Blutkreislaufs, die mässige Druckerhöhung im rechten Ventrikel redet 
für die Existenz eines Hindernisses im Gebiet der Verzweigungen der 
Lungenarterie und in denjenigen der Lungencapillaren; die Erscheinungen 
seitens des Blutdrucks sind also denen, die in den Versuchen, wo wir 
Embolie der Aeste der Lungenarterie durch Injection von Lycopodium- 
saraen hervorbrachten, beobachtet wurden, analog, dabei war aber die 
Druckerhöhung im rechten Ventrikel weit geringer. 

In Versuch 77 blieb der Druck im rechten Ventrikel und auch dessen 
Arbeit nach der Injection unverändert; die systolischen Elevationen des 
linken Ventrikels wurden nach den Injectionen, besonders nach der 3., 
kleiner; der arterielle Druck fiel nach der 2. Injection um 50 pCt. und 
glich sich im Laufe von 6 Min. aus; nach der 3. Injection besserte sich 
der Druck nicht mehr. 

Der Puls wurde erst nach der 3. Injection schneller und blieb regel¬ 
mässig. 

Folgerungen. Aus dem soeben Dargelegten darf man den Schluss 
ziehen, dass das durch Methyl, sal. hervorgerufene Lungenödem auch 
ein toxisches Oedem ist, denn wenn das mechanische Moment auch eine 
gewisse Rolle spielt, so ist dessen Vorhandensein doch nicht direct noth- 
wendig. Die Druckerhöhung im rechten Ventrikel kann eine sehr be¬ 
deutende sein, kann aber auch ganz fehlen (s. Versuch 77). 

Wie lässt sich diese Druckerhöhung erklären? Der Versuch mit 
Einwirkung des salicylsauren Methyls auf das Blut zeigte eine deutliche 
Veränderung desselben mit Neigung zur Bildung von Coagula; es wurden 
solche in den Aesten der Lungenarterie und bei der Obduction in einigen 
Versuchen (Versuch 74, wo die grösste Menge salicylsauren Methyls — 
11 ccm — unter unseren Experimenten angewandt wurde) constatirt. 

Eine Erklärung der Druckerhöhung im rechten Ventrikel und in der 
Lungenarterie muss daher vor allem in den Veränderungen des Blutes 
gesucht werden; auch afi einen Spasmus der Lungengefässe reflectorischen 
Ursprungs könnte man denken; doch verschwindet dieser Effect nach 
Durchschneidung der Nn. vagi nicht. 

Ein beständiger und scharfer Unterschied in der Arbeit des rechten 
und linken Ventrikels ist in den Versuchen mit salicylsaurem Methyl 
nicht wahrzunehmen; in einigen Versuchen kann man vergrösserte Arbeit 
des rechten Ventrikels constatiren, in andern nicht; in den Arterien des 
grossen Blutkreislaufs hält der Druck sich lange, nach zeitweiligem Fallen 
bessert er sich wieder. In Versuch 74 hielt sich der Druck, nachdem 
er sich gebessert hatte, auf der anfänglichen Höhe während des Austritts 
einer schaumigen Flüssigkeit aus der Nase, folglich bei der vollständigen 
Entwicklung des Lungenödems. Zu dieser Zeit konnte folglich von einer 
Lähmung des linken Ventrikels keine Rede sein; der Druck im rechten 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 447 


Ventrikel war dabei enorm (verhältnissmässig) hoch. Asyncrgie der 
Ventrikel wird in den Versuchen mit salicylsaurem Methyl nicht selten 
beobachtet, doch ist nicht sie die Ursache der Entwicklung eines Oedems. 

Eine starke Wirkung übte das salicylsaure Methyl auf die Athmung 
aus, die sogleich nach der Injection einen regellosen Charakter annahm, 
was offenbar dem Einfluss dieses Mittels auf das Athmungscentrum zu¬ 
geschrieben werden muss. 

Mit der Entwicklung und Vergrösserung des Oedems ging die Athem- 
curve von ihrer Abscisse ab, was von der Volumzunahme der Lungen 
zeugte; zugleich wurden ihre Excursionen kleiner und wiesen auf die Be¬ 
schränkung des Erweiterungsvermögens der Lungen hin. Dieser Zustand 
der Lungen, welcher beständig auch in den Höllenstein- und Aether- 
versuchen bemerkt wurde, ist demjenigen, der in Grossmann’s, 
Winklers und v. Zeissl’s Arbeiten so oft als Lungenschwellung und 
Lungenstarrheit bezeichnet wird, sehr ähnlich, doch mit ihm nicht identisch, 
denn bei den genannten Autoren bedeutet er einen Zustand der Lungen, 
der durch Blutstauung hervorgerufen wird, und als vorläufiges oder, wie 
sie sich ausdrüeken, als erstes Stadium des Lungenödems auftritt; in 
unseren Versuchen dagegen ist die Starrheit und Schwellung der Lungen 
hauptsächlich eine Folge der Transsudation von Flüssigkeit in das Gewebe 
und die Alveolen derselben. 

Der Puls wurde nach der Injection von salicylsaurem Methyl frequenter 
und, was befremdlich erscheint, zugleich regelmässiger; bei befriedigendem 
Druck wurde er weniger voll. 

Gegen das Ende wurde zugleich mit dem Sinken des Drucks auch 
der Puls schwach. _ 


Wir beschreiben und besprechen unsere Versuche mit Lugollösung 
und Muscarin nicht, die ersten hauptsächlich nicht, weil die Zahl solcher 
eine zu geringe war, uro irgend einen Schluss zu gestatten, die zweiten, 
weil bei einer genügenden Anzahl und unter allen für diese Substanzen 
charakteristischen Erscheinungen das erhaltene Resultat im Sinne der 
Entwicklung von Oedem ein ganz negatives war. 


Was das neuropathische Lungenödem anbetrifft, so unterscheiden 
die Klinicisten zwei Formen desselben: eine, bei welcher Störungen der 
vasomotorischen Innervation, der Ansicht der Autoren nach, als nächste 
Ursache des Lungenödems beim Vorhandensein anderer organischer 
Störungen, die gewöhnlich bei Personen, welche Anfällen von Lungen¬ 
ödem unterworfen sind, beobachtet werden, anzusehen sind [die Fälle von 
Bouveret (48), Petren und Bergmark (49), J. Necas (50), Korn¬ 
feld (51), Müller (52); hierzu kann auch einer der zwei von Sticker (53) 
beschriebenen Fälle einseitigen Lungenödems gerechnet werden, welcher 
dem von Bouveret beobachteten sehr ähnlich ist, obgleich der Autor 
selbst von dem angioneurotischen Charakter dieses Falles nicht spricht]; 
und eine andere Form, wo ebensolche Störungen der Innervation der 
Lungcngefässe von den Autoren bei solchen Kranken beobachtet wurden, 
die kein Herz- oder Nierenleiden hatten, keiner Punktion der Pleura 


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A. M. Kotowschtschikow, 


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unterworfen worden waren, aber an Erkrankung functionellen oder 
organischen Charakters des Nervensystems im Allgemeinen litten [die 
Fälle von Fouineau, Levi (59), Morel-Lavallee und Amblard 
— im Ganzen 4 Beobachtungen, die ziemlich umständlich (aber ohne 
mikroskopische Untersuchung des Nervensystems) beschrieben sind und 
die wir in der iranzösischen Literatur (Fouineau’s und Chemery’s 
Dissertationen) gefunden haben. Ausserdem gehören noch hierher die 
in Necas’ Arbeit sehr kurz erwähnten Fälle von Prof. Thomayer und 
des französischen Autors Breschet]. 

Die erste Form wird von einigen Autoren für eine Angioneurose an¬ 
gesehen, auch ihrer Entstehungsart nach mit einem umschriebenen Haut¬ 
ödem nach Quincke-Gross verglichen. 

In der zweiten Form wird die Entwicklung des Lungenödems bald 
einer unmittelbaren Störung der vasomotorischen Centren, bald einer 
Reizung des Stammes des N. vagi (Amblard’s Fall) zugeschrieben. 

Um die Möglichkeit des Vorhandenseins von Nervenödemen auf¬ 
zuklären, leiteten wir eine Reihe von Versuchen an Hunden und Kaninchen 
nach Jores mit Reizung des Lungengewebes und auch ungleichzeitiger 
Durchschneidung der N. vago-syrapathici und Reizung des peripherischen 
Endes des vorher durchschnittenen Nervenstammes. In anderen Fällen 
fügten wir noch die Exstirpation des Gangl. cervicalc infer. hinzu; ein 
positives Resultat wurde jedoch nur einmal erhalten, wobei man an- 
nehraen kann, dass in diesem Fall der Aethcr, mit welchem die Kaninchen 
narkotisirt wurden, am Zustandekommen des Oedems theilgenommen 
hatte. Wir erhielten jedesmal Lungenödem, wenn wir zu der einseitigen 
Reizung der Nervenstämmo oder zu der Exstirpation des Gangl. cervicale 
infer. Höllensteininjcction gesellten; zwischen dem Oedem auf der Seite, 
wo der Nervenstaram gereizt worden war, und dem auf der anderen, wo 
kein Reiz ausgeübt wurde, konnte kein scharfer Unterschied wahr¬ 
genommen werden. 

In Anbetracht des Dargelegten wagen wir es nicht, uns zu Gunsten 
des Vorkommens eines Nervenödems auszusprechen. Wir glauben, dass 
bislang noch zu wenig experimentelle Gründe dazu vorhanden sind, 
obgleich, wie erwähnt, in der Literatur Fälle angeführt werden, die für 
die Möglichkeit eines Oedems nervösen Ursprungs reden. 

Schlnssbetrachtnngen. 

Nach näherer Bekanntschaft mit der einschlägigen Literatur und 
einer Reihe von Versuchen theils mechanischen Charakters, theils mit 
verschiedenen Substanzen, wollen wir versuchen, mögliche Schlüsse aus 
unserer Arbeit zu ziehen und auf Grund von uns und anderen Autoren 
erhaltener experimenteller Thatsachen unser Urtheil über die Frage der 
Pathogenese des acuten Lungenödems beim Menschen aussprechen. Zu¬ 
erst wollen wir einige Betrachtungen über den Werth der verschiedenen 
Methoden, die zur experimentellen Ilervorrufung von mechanischem 
acutem Lungenödem bei Thieren angewandt worden sind, dann über das 
Zustandekommen des toxischen Oedems anstellen. 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 449 


Welch’s Verfahren — Zerquetschung der Muskeln des linken Ven¬ 
trikels — wandten wir bei unsern Versuchen nicht an, einerseits weil 
wir mit Hunden experimentirten und wussten, dass, wie der Autor selbst 
erklärt, dieses Verfahren bei ihnen nicht zum Ziel führt, und ausserdem, 
weil es auch bei Kaninchen häufig misslingt. Dies bestätigen Sahli, 
Löwitt, Alexandrow. Nur Grossmann erhielt mit diesem Verfahren 
bei Hunden das gewünschte Resultat. 

Andererseits gestattet diese Methode in Folge ihres grob-mechani¬ 
schen Charakters weniger als andere mechanische Methoden irgend etwas 
Analoges in der Pathologie des Menschen herauszufinden. Wie dem auch 
sei, dieselbe wurde von zwei Forschern mit Erfolg angewandt, folglich 
erreicht sie zuweilen ihren Zweck; aber bei der Erklärung ihrer Be¬ 
deutung muss man sich natürlich der Meinung ihres Autors, nicht aber 
Sahlis oder Grossmann’s, anschliessen. Dieses Verfahren ist einer 
Lähmung des linken Ventrikels und nicht einer Capacitätverringerung 
desselben analog, da aus der Beschreibung der Versuche hervorgeht, dass 
die auf diese Weise gestörte Thätigkeit des linken Ventrikels nicht wieder¬ 
hergestellt wird und der Tod des Thieres unter Erscheinungen von Lungen¬ 
ödem sehr rasch, nach wenigen Minuten (2—3—4 Min.) eintritt, dass 
somit diese Form von Oedem der agonalen am nächsten steht; es ist 
sehr wahrscheinlich, dass in den von Bokarius mitgetheilten Fällen 
pathologo-anatomischer Beobachtungen das Lungenödem durch ein früheres 
Absterben des linken Ventrikels im Vergleich zum rechten entstanden 
war. Miller und Matthews, die bei ihren Versuchen mit künstlicher 
Stenosirung der Valvula mitralis Lungenödem beobachteten, schreiben dieses 
der herabgesetzten Thätigkeit des linken Ventrikels in Welch’s Sinne 
zu. Inwieweit es aber richtig ist das Fallen des Blutdrucks in der Aorta 
in Folge von verringerter Blutzufuhr zum linken Ventrikel dem durch 
die verminderte Kraft dieses letzteren verursachten Fallen gleichzustellen, 
werden wir weiter unten bei der Betrachtung des Einflusses der Obturation 
des linken Vorhofs auf das Zustandekommen von Lungenödem betrachten. 

Was die anderen Beweisgründe für die Bedeutung der Capacitäts- 
verringerung des linken Ventrikels für die Entstehung von Lungenödem 
anbetrifft, so können Grossmann’s Versuche mit Muscarin, auf welche 
der Autor sich hauptsächlich stützt, nicht für überzeugend gelten, da 
bei der Muscarinvergiftung Oedem, wenigstens makroskopisch wahrnehm¬ 
bares, weder von uns noch von Löwitt, Sahli oder Alexandrow er¬ 
halten wurde. 

v. Zeissl’s und Winkler’s Versuche, bei welchen diese Autoren sich 
per visum von einer ebensolchen Capacitätsverringerung (Contractur) des 
linken Ventrikels wie Grossmann bei den seinigen mit Muscarin überzeugt 
hatten, sind aus folgenden Gründen wenig überzeugend: zwar weist ersterer, 
der mit Amylnitrit, einer Substanz, welche unzweifelhaft die Zusammen¬ 
setzung des Blutes verändert, arbeitete, auf Druckerhöhung im linken Vorhof 
und in der Lungenarterie bei diesen Versuchen als auf einen Beweis hin, dass 
während denselben Stauung vorhanden war; doch führt er in Betreff der 
Lungenarterie wenig überzeugende Thatsachen an, denn er spricht nur 
von einer relativen Druckerhöhung in derselben, indem er dafür die Er- 


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haltung des anfänglichen Drucks oder sogar eine geringe Verminderung 
bei deutlich ausgeprägtem Fallen des Drucks in der A. carotis und einer 
gewissen Steigerung desselben im linken Vorhof ansieht; allein viele 
Autoren, wie z. ß. Löwitt, Miller und Matthews, wollen das Vor¬ 
handensein einer solchen relativen Druckerhöhung mit Recht nicht zu¬ 
geben und noch weniger ihr eine Bedeutung zuschrciben. Ausserdem 
haben sich Winkler’s Angaben bislang noch nicht bestätigt. Der zweite 
Autor, v. Zeissl, spricht selbst‘von dem Antheil, den die Veränderungen 
des Blutes und der Wände der LungengeCässe (Lungencapillaren) an dem 
Zustandekommen des Oedems in seinen Versuchen genommen haben. 
Auch die Tabellen der Druckgrössen bei gleichzeitiger Messung der¬ 
selben in der A. carot., in der Lungenarterie und im linken Vorhof 
bieten nicht den Parallelismus zwischen der Druckerhöhung in der Lungen¬ 
arterie und im linken Vorhof, von welchem v. Zeissl spricht. Somit 
ist es erlaubt, anzunehmen, dass in Winkler’s und v. Zeissl’s Ver¬ 
suchen das mechanische Moment im Sinne der Capacitätsverringerung des 
linken Ventrikels erst in zweiter Linie kommt, der toxische Factor da¬ 
gegen die erste Stelle einnimmt. Dies um so mehr, als in gewissen 
Momenten eines Versuchs der Druck in der Lungenarterie im Vergleich 
zum anfänglichen zwar stark (zuweilen um das Doppelte oder noch mehr) 
stieg, er in anderen Versuchen und im Durchschnitt ein relativ gemässigter 
und nicht so hoch war, wie es in den rein mechanischen Versuchen beob¬ 
achtet wird, wo der Druck, um Oedem hervorzurufen, nicht weniger als 
doppelt so hoch wie der anfängliche, oft noch viel höher (s. die Ver¬ 
suche mit mechanischer Stauung) sein und mehr oder weniger lange auf 
derselben Höhe bleiben muss. Eine Raumverringerung des linken Ven¬ 
trikels bei Jodvergiftung leugnen auch Miller und Matthews ab, die 
in ihren Versuchen mit der Lugol’schen Lösung v. Zeissl’s Angaben im 
Allgemeinen bestätigen mit Ausnahme dieses einen Punktes, auf den sie 
ihren Worten nach ihre besondere Aufmerksamkeit gerichtet hatten; sie 
erklären kategorisch, dass der Rauminhalt der linken Herzcavitäten un¬ 
verändert bleibt. 

Die Obturation des linken Ventrikels, welche gerade zur Be¬ 
stätigung von Sahli’s und Grossmann’s Ansicht über die Rolle einer 
Raumverringerung des linken Ventrikels im Sinne einer Contractur des¬ 
selben in der Pathogenese des Lungenödems hätte dienen können, gab 
uns diese Bestätigung nicht. Alexandrow wandte dieses Verfahren 
zwar mit Erfolg an, doch führt er weder die Messungen des Drucks 
noch die Curven dieser Versuche an, so dass wir, ohne die Thatsache 
des Entstehens von Lungenödem bei der Obturation des linken Ventrikels 
bei diesem Autor zu bezweifeln, dasselbe in Ermangelung der Druck- 
curven nicht erklären können. 

Welch rief Lungenödem bei Kaninchen, Sahli bei Hunden hervor, 
indem sie einen Theil des linken Vorhofs von bestimmter Grösse zuklemmten. 
Auch Löwit erhielt durch Infusion von Kochsalzlösung in den 
linken Vorhof bei Katzen oder Kaninchen Lungenödem; Grossmann 
endlich und wir riefen, an Hunden experimentirend, in den allermeisten 
Fällen Oedem hervor, indem wir durch Obturation des linken Vor- 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 451 

hofs Fallen des arteriellen Drucks bis zu einer gewissen Höhe be¬ 
wirkten. 

Es ist jedoch kaum möglich, die Obturation oder das Zuklemmen 
des linken Vorhofs einer Raum Verkleinerung des linken Ventrikels, wie 
Grossmann es thut, gleichzustellen. Wir müssen unser Augenmerk auf 
den Umstand richten, dass bei der Obturation des Vorhofs fast die ganze 
Blutmenge, die im Ventrikel Platz gefunden hätte, und ein Theil des 
Blutes aus dem Vorhof in den Lungenvenen bleiben, diese und folglich 
auch die Capillaren überfüllen und dadurch Verlangsamung der Blut-' 
Strömung und Druckerhöhung in denselben hervorrufen, d. h. gerade die 
Bedingungen schaffen muss, welche Transsudation begünstigen. Auch 
einer Lähmung oder Entkräftung des linken Ventrikels darf die Obtura¬ 
tion weder im experimentellen noch im klinischen Sinne gleichgestellt 
werden; der Blutdruck fällt dabei, aber nicht infolge von Herzschwäche, 
sondern von ungenügender Blutzufuhr; wird die Obturation vermindert, 
so steigt sogleich der arterielle Druck. Werden diese zwei Zustände 
nicht scharf von einander unterschieden, so sind falsche Schlüsse möglich: 
ein bei Druckerniedrigung eingetretenes Lungenödem kann einer Parese 
des linken Ventrikels zugeschrieben werden, während es in Wirklichkeit 
durch einen pathologischen Process im Gebiete des Vorhofs ohne irgend 
eine Veränderung seitens des linken Ventrikels entstehen konnte, da nicht 
nur eine experimentelle, sondern auch eine pathologische Rauraverkleine¬ 
rung des linken Vorhofs, wobei die Arbeitsfähigkeit des linken Ventrikels 
erhalten bleibt, möglich ist. Die herabgesetzte Thätigkeit (verminderte 
Leistung) dieses letzteren ist in diesem Fall eine infolge von verminderter 
Blutzufuhr erzwungene. 

Was die Obturation der Aortenmündung, die Zuklemmung 
der Aorta und um so mehr die Obturation der Aorta descendens 
anbetrifft, so ruft sie den übereinstimmenden Thatsachen aller Autoren, 
die dieses Verfahren angewandt, gemäss bei Hunden selten, öfter bei 
Kaninchen Lungenödem hervor; deshalb ist vom experimentellen Stand¬ 
punkt aus kein Grund vorhanden, ihr in der Pathologie des Menschen 
eine Bedeutung zuzuschreiben. Klinisch ist es ja bekannt, dass Er¬ 
krankungen der Aorta, insbesondere in Gestalt von Aortitis und Periaortitis 
häufig die Ursache von Lungenödem sind; darüber wurde schon genug in 
der Einleitung gesprochen und auch gezeigt, worin dabei die Rolle der 
Periaortitis besteht. 

Es giebt noch ein rein mechanisches Moment, welches allgemeines 
acutes Lungenödem beim Menschen verursachen kann, nämlich die 
Embolie der kleinen Verzweigungen der Lungenarterie und der 
Lungencapill aren, was durch die Versuche mit Lycopodiumsamen und 
Ribbert’s (56) Beobachtungen über die fettige Lungenembolie erwiesen 
worden ist. 

Der Mechanismus des Zustandekommens des Oedems in diesem 
Falle wird bei der Beschreibung der Versuche selbst erklärt werden. 

Wenn schon bei irgend einer anderen Entstehungsursache des Lungen¬ 
ödems eine Veränderung der Lungencapillaren schliesslich nicht ausbleiben 
kann, so ist letzterwähntes Verfahren, mechanisches Lungenödem hervor- 


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A. M. Kotowschtsch ikow, 


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zurufen, gerade darauf gerichtet, diesen im Sinne des Eintretens von 
Transsudation wichtigsten Theil des Gefässapparats zu treffen. 

Somit wirft sich die Frage auf, ob in der Pathologie des Menschen 
acutes allgemeines Lungenödem rein, oder wenigstens hauptsächlich 
mechanischen Ursprungs, d. h. durch alleinige Störung des Gleichgewichts 
im Blutumlauf verursachtes, zu Stande kommen kann? 

Auf Grund der obenbeschriebenen Versuche darf man die Möglich¬ 
keit eines solchen Oedems in den Fällen zulassen, wenn Hindernisse 
zum Blutabfluss aus den Lungen auf der Höhe des linken Vorhofs (nicht 
aber der linken atrio-ventricularen Ocffnung) entstehen, z. B. in Fällen 
eines raschen Zusammenpressens des linken Vorhofs durch irgend eine 
Geschwulst, eines Aneurysmas der Aorta oder Durchreissen derselben in 
den linken Vorhof, oder einer Thrombose des linken Vorhofs. 

Die acuten allgemeinen Lungenödeme im Laufe von Erkrankungen 
des Herzens oder der Lungen (z. B. bei bronchialem Asthma) zählen 
unter ihren Entstehungsursachen ausser den mechanischen Momenten ge¬ 
wöhnlich auch ein toxisches. 

Wenn man nicht zugeben kann, dass bei allen Lungenödemen 
mechanischen Ursprungs zuerst eine Lähmung oder Entkräftung des 
linken Ventrikels eintreten muss, damit das Oedem zu Stande kommen 
könne — später ist infolge der ungenügenden Oxydation des Blutes und 
der verschlechterten Ernährung des Herzmuskels die Thätigkeit des 
linken Herzens herabgesetzt — so darf man doch behaupten, dass die 
Thätigkeit des rechten Ventrikels dabei erhöht sein muss, damit Oedem 
entstehen könne, dies folgt sowohl aus den Versuchen anderer Autoren 
als aus den unsrigen. 

Ehe wir zum toxischen Oedem übergehen, seien noch einige Worte 
über die sogenannte Lungenschwellung und Lungenstarrheit gesagt. Es 
unterliegt keinem Zweifel, dass bei der Entwicklung von Oedem die 
Lungen an Grösse zunehmen, und dass ihre Ausdehnungskraft abnimmt, 
wie dies aus den Curven der Thoraxexcursionen und der Athembewegungen, 
und auch aus den Thatsachen der Obduction erhellt; doch wird ein 
solcher Zustand nicht immer von Stauung oder Blutüberfüllung begleitet 
und noch weniger dadurch hervorgerufen; beim toxischen Oedem hängen 
jene Erscheinungen ausser von der Hyperämie, die dort vorhanden ist, 
wo beim Oedem Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf beobachtet wird, 
offenbar zum Theil von der Durchtränkung der Lungen mit dem Trans¬ 
sudat, zum Theil von der vicariirenden Erweiterung der Bezirke der 
Lungen, welche von der Transsudation freigeblieben sind, ab. Bei 
mechanisch hervorgerufenem Lungenödem ist die Blutmenge in den 
Lungen natürlich erhöht und von Lungenschwellung und Lungenstarrheit 
in Basch-Grossmann’s Sinne noch vor dem Eintreten einer Trans¬ 
sudation in das Lungengewebe begleitet. Es sei hier bemerkt, dass ein 
der Basch-Grossmann’schen Lungenschwellung und Lungenstarrheit 
sehr ähnlicher, in der Klinik bekannter Zustand der Lungen bei an 
Mitralfehlern Leidenden angetroffen wird; doch entwickelt er sich hier 
langsam und hat einen chronischen Charakter. 


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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 453 


n. 

Was unsere Versuche mit toxischem Oedem und zwar mit dem 
durch Höllenstein, Aether und Salicylsäuremethyl hervorgerufenen anbe¬ 
trifft, so wurde das Zustandekommen des Lungenödems zum Theil von 
Druckerhöhung hauptsächlich, wenn nicht ausschliesslich, auf der arteriellen 
Seite des Lungenkreislaufs, begleitet, zum Theil nicht, so dass die An¬ 
sicht der französischen Autoren (s. Chemery), nach welcher Druck¬ 
erhöhung im Gebiet der Lungenarterie eine nothwendige Bedingung des 
Zustandekommens des acuten Lungenödems im Allgemeinen ist, ex¬ 
perimentell sich nicht bestätigt. 

In den meisten Versuchen mit salicylsaurem Methyl stieg der Druck 
im Gebiet der Lungenarterie (des rechten Ventrikels), was mit Teissier 
und Guinard’s Versuchen übereinstiramt; doch genügte in unsem Ver¬ 
suchen die blosse Einwirkung des salicylsauren Methyls ohne Beihilfe von 
Nervenreizungen, wobei wir im ganzen keine grösseren Mengen des ge¬ 
nannten Mittels verwandten als erwähnte Autoren. Das die Entstehung 
des Oedems begünstigende mechanische Moment wurde durch die Ein¬ 
wirkung des Mittels selbst bewirkt. An Lähmung oder Insuffizienz des 
linken Ventrikels kann auf Grund unserer Versuche nur als eine neben¬ 
sächliche Bedingung für das Zustandekommen von Oedem gedacht werden; 
zuweilen wurde vollständig entwickeltes Oedem sogar bei anfänglichem 
arteriellem Druck beobachtet (s. z. B. Versuch 74); erhöhte Thätigkeit 
des rechten Ventrikels war aber in den meisten Fällen vorhanden. 

In den Versuchen mit Aether wurde das Fehlen von Druckerhöhung 
im rechten Ventrikel öfter als in der vorhergehenden Serie von Ver¬ 
suchen beobachtet. 

Dabei muss bemerkt werden, dass besonders im linken Ventrikel 
(im rechten war dies weniger scharf ausgeprägt) zugleich mit dem Fall 
des arteriellen Drucks zeitweilig eine Art Spasmus entstand, welcher 
in der Verkleinerung der systolischen Elevation und des diastolischen 
Fallens seiner Curven seinen Ausdruck fand (s. Versuch 66). Noch 
schärfer oder wenigstens, infolge des vollständigen Fehlens solcher Ver¬ 
änderungen im rechten Ventrikel, frappanter war diese Erscheinung 
nach den Höllensteininjectionen ausgedrückt (s. Versuch 43). Doch muss 
sie der verminderten ßlutmenge im Ventrikel (dessen Verödung) zuge¬ 
schrieben werden, denn bei der Besichtigung des Herzens während der 
Entwicklung des Lungenödems nach einer Aetherinjection gewahrten wir 
Erweiterung der rechten Herzhälfte, konnten aber keine tonische Zu¬ 
sammenziehung — Contractur — des linken Ventrikels bemerken; in 
dieser Beziehung bestätigen unsere Beobachtungen Millers und Matthew’s 
Angaben. 

Die Höllensteinversuche haben besonders deutlich die Möglichkeit 
eines Zustandekommens von Lungenödem ohne Druckerhöhung im Ge¬ 
biete des kleinen Blutkreislaufs und sogar bei herabgesetztem Druck 
gezeigt. Andererseits aber stieg nicht selten der Druck im rechten Ven¬ 
trikel und im Gebiete der Lungenarterie, und sogar bedeutend, bei an- 
scheinlichem Fehlen aller ihn begünstigender Bedingungen, wie z. B. bei 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. €>q 


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A. M. Kotowsohtschikow, 


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der Obturation der V. cava inf., wenn der Blutzufluss zur rechten Herz¬ 
hälfte sehr beschränkt war. Am linken Ventrikel wurden zuweilen eben 
solche Veränderungen wie nach einer Aetherinjection constatirt. Es ist 
wichtig hervorzuheben, dass sie auch nach der Injection von Höllenstein 
in den rechten Ventrikel und auch in den linken selbst eintraten; aber 
im ersten Fall bewirkte diese Injection erhöhte Arbeit des rechten 
Ventrikels und Druckerhöhung in der A. pulm., im zweiten nahm zwar 
auch der rechte Ventrikel an dieser Erscheinung einen Antheil, doch 
einen viel schwächeren. 

In denVersuch mit Höllenstein, in welchem das Herz per visura be¬ 
obachtet wurde, wurde auch, wie in dem entsprechenden Versuch mit 
Aether Erweiterung des rechten Ventrikels, doch eine geringere als in 
letzterem Versuch constatirt; auch dessen erhöhte Arbeit während 1 bis 
P /2 Min. gerade zur Zeit der Entwicklung des Oedems (Veränderungen 
der Lunge: Volumzunahme, marmorirte Färbung und Starrheit), sowie 
eine verhältnissmässige Erweiterung der rechten Herzhälfte post mortem 
wurden bemerkt; Contractur des linken Ventrikels fehlte wie im Experiment 
mit Aether. 

Die zur Untersuchung der Wirkung von Höllenstein, Aether und 
salicylsaurem Methyl auf das Blut eingeleiteten Versuche zeigten Neigung 
zur Bildung von CoaguJa (erhöhte Gerinnbarkeit) und ein Versuch mit 
Höllenstein an einem durch Entblutung getödteten Thier bewies, dass 
dieses Mittel unzweifelhaft die Porosität der Gefässwände stark ver¬ 
ändert, nämlich dieselbe verstärkt; dabei geht es, wie aus den ersten 
Versuchen ersichtlich ist, zum Theil selbst in das Transsudat über. Be 
den Experimenten mit salicylsaurem Methyl gelang es einmal, Coagula in 
den Aesten der Lungenarterie zu sehen. 

Auch Teissier, Chatin und Guinard weisen auf eine Veränderung 
des Blutes in dem Sinne hin, dass unter dem Einfluss der Injectioncn 
von salicylsaurem Methyl die Löslichkeit der rothen Blutkörperchen 
grösser wird (Hämolyse). 

Obgleich wir keine systemischen Untersuchungen in dieser Richtung 
ausgeführt haben, besitzen wir dennoch Thatsachen genug, um sagen zu 
können, dass die Druckerhöhung im Gebiet der Lungenarterie in den be¬ 
schriebenen Versuchen von einer Veränderung des Blutes abhängt, welches 
in diesem veränderten Zustande in den Lungencapillaren verstärkten 
Widerstand und dadurch Druckerhöhung hervorruft. Die Veränderung der 
Gefässwände ist schon eine zweite Wirkung derselben Ursache, welche 
die Veränderung des Blutes bedingt; dieselbe führt zur Bildung des 
Lungentranssudats. 

Somit bedarf ein toxisches Oedem zu seiner Entwicklung keiner 
mechanischen Momente, und in einigen Fällen werden solche vom toxischen 
Agenten selbst im Lungenkreislaul hervorgerufen, wenigstens in den Be¬ 
dingungen des Experiments. 

Miller’s und Matthew’s Versuche mit der Einathmung von Stick¬ 
stoffoxyd- und Ammoniakdämpfen bestätigen unsere Ansicht, dass ein 
toxisches Lungenödem sich ohne die geringste Druckerhöhung im kleinen 
Blutkreislauf entwickeln kann. In ihren Versuchen mit diesen Substanzen 


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Veränderung der Herzthatigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 455 


beobachteten sie niemals Druckerhöhung in der Lungenarterie und be¬ 
merkten auch nichts Unverhältnissmässiges in der Arbeit beider Ventrikel. 
Irgend ein mechanisches Moment war in ihren Versuchen nicht vorhanden. 

Somit ist Grossmann’s an Sahli gerichtete Forderung, einen 
experimentellen Beweis dafür zu liefern, dass bei der Entwicklung von 
Lungenödem Stauung in den Lungen nicht vorhanden ist, sowohl von 
Löwit als von Miller und Matthews und von uns erfüllt worden. 

Lässt man sich somit von experimentellen Thatsachen leiten, so kann 
man auf Grund solcher zu folgenden Schlüssen gelangen: 

1. Die am. Häufigsten beobachtete Art des allgemeinen acuten 
Lungenödems muss das toxische Ocdem sein; viel seltener muss von 
Blutumlaufstörungen mechanischen Charakters bewirktes Oedem Vor¬ 
kommen; selbstständiges neuropathisches Oedem ist noch nicht bewiesen. 

2. Ein experimentelles, allgemeines, acutes Lungenödem mechanischen 
Ursprungs ist erwiesen und wird verhältnissraässig leicht durch Factoren, 
die den Blutabfluss aus dem kleinen Blutkreislauf auf der Höhe des 
linken Vorhofs hindern, sowie durch Verschliessung der Lungencapillaren 
hervorgerufen. 

3. Der Druck im Gebiet der Lungenarterie ist in solchen Fällen 
sehr erhöht, die Arbeit des rechten Ventrikels verstärkt, dagegen der 
Druck in den Arterien des grossen Blutkreislaufs herabgesetzt; eine be¬ 
deutende Druckerniedrigung im System der Aorta begünstigt das Zustande¬ 
kommen eines Oederas nicht, woraufhin man annehmen darf, dass eine 
lnsufficienz des linken Ventrikels im Anfangsstadium der Entwicklung dieses 
Prozesses in den angegebenen Fällen eine nebensächliche Bedeutung hat. 

4. Unter den erwähnten Bedingungen, d. h. bei einer’ Störung des 
Blutumlaufs im linken Vorhof im Fall eines raschen Drucks durch irgend 
eine Geschwulst, ein Aneurysma oder eine Neubildung in seinem Innern, 
z. B. durch eine Vorhofthrombose, kann auch beim Menschen Zustande¬ 
kommen acuten Lungenödems erwartet werden. 

5. Experimentelles toxisches Oedem wird leicht durch verschiedene. 
Gifte hervorgerufen; obgleich es am Oeftesten von Druckerhöhung im 
Gebiet der Lungenarterie und von starken Contractionen des rechten 
Ventrikels begleitet wird, kann es auch bei vollständigem Fehlen dieser 
Erscheinungen zu Stande kommen. 

6. Der Mechanismus der Entstehung des experimentellen toxischen 
Oedems lässt sich auf eine Vergrösserung der Porosität der Lungen¬ 
capillaren zurückführen, zu der sich in manchen Fällen wahrscheinlich 
noch Thrombose vieler Capillaren gesellt, welche die Fortbewegung des 
Blutes erschwert und Druckerhöhung in den Lungenarterien hervorruft. 
Das Oedem, welches beim Menschen nach einer Aetherinhalation entsteht, 
kommt wahrscheinlich auf dieselbe Art wie bei den Experimenten an 
Thieren zu Stande. 

7. Bei der Untersuchung eines an acutem Lungenödem Erkrankten 
ist der Zustand des Blutdrucks in den Arterien des grossen Blut¬ 
kreislaufs und folglich die Spannung der Gefässwände für das Verständniss 
des Mechanismus seiner Entstehung von grosser Wichtigkeit. 

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A. M. Koto wschtsch iko w, 


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Druckerniedrigung kann sowohl bei mechanischem als bei toxischem 
Oedem Vorkommen, Druckerhöhung oder normaler Druck dagegen nur 
bei letzterem. Der Puls bietet beim Oedem nichts Charakteristisches; 
er kann schnell und langsam, regelmässig und arhythmisch sein. Dessen 
Charakter — Frequenz, Regelmässigkeit, Stärke des Schlages — haben 
eine grössere Bedeutung für die Beurtheilung des Zustandes des Herzens 
selbst als für die Bestimmung des Mechanismus der Entstehung des 
Oederas. Beim mechanischen Oedem muss der Puls ceteris paribus der 
Erniedrigung des arteriellen Druckes entsprechend schwächer sein. 

8. Das sogen, neuropathische Oedem im Sinne einer selbstständigen 
oder symptomatischen Angioneurose der Lungen ist experimentell noch 
nicht dargethan; auch die Zahl der klinischen Beobachtungen genügt noch 
nicht das Vorkommen einer solchen Art von Oedem für festgestellt an¬ 
zusehen. 

9. Genauere pathologo-anatomische und experimentelle Untersuchungen 
der Frage über den Mechanismus des Zustandekommens des Lungen¬ 
ödems, insbesondere die Erforschung der Veränderungen des Gefäss- 
endothels und der osmotischen Processe im Lungengewebe beim Lungen¬ 
ödem werden unzweifelhaft zum vollen Verständniss der Pathogenese des 
Lungenödems beitragen. 

Auch eine sorgfältige klinische Untersuchung der Fälle von acutem 
Oedem beim Menschen, besonders alles dessen, was den Blutdruck und 
die Veränderungen des Blutes betrifft, ist zu diesem Zwecke nothwendig. 

Ich halte es für eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. A. J. Taljanzew 
sowohl für das mir angetragene Thema als auch für seine stete Leitung 
bei dessen Ausarbeitung meinen tiefsten Dank auszusprechen. 

Auch Herrn Prosector des Instituts Dr. raed. F. F. Venulet sage 
ich meinen innigsten Dank für seinen Beistand bei der Anfertigung der 
anatomischen und mikroskopischen Präparate. 


Erklärungen zu den Abbildungen auf Tafeln IV—X. 

1. V ersuch. Oedem. Nach dem Beginn der Obturation wird Fallen des 
arteriellen Drucks im grossen Blutkreislauf, übrigens kein bedeutendes, zeitweilig zur 
anfänglichen Höhe wiederkehrendes, beobachtet. Man bemerkt bedeutende Druck- 
orhöhung in der Lungenarterie, manchmal erreicht sie beinahe das Dreifache. Ausser 
der Druckerhöhung in der Lungenarterie sieht man auf ihrer Curve, besonders in dem 
Theil der Abbildung, wo ihre Spitze die Arteriencurve berührt, die enorme Vergrösse- 
rung der systolischen Elevationen derselben. Die Elevationen der A. carot. sind zu 
dieser Zeit ebenfalls vergrössert, aber relativ massig. Der Puls ist im grössten Theil 
der Curve arhythmisch. Diese Druckveränderung hält während der ganzen Dauer der 
Obturation des linken Vorhofs an. 

4. Versuch. Oedem. Nach der Obturation — allmähliches Fallen des Drucks 
in A. femor., wobei Puls von Zeit zu Zeit fadenförmig wird. In Ventr. dext. steigt 
der Druck sehr stark (am Ende des ersten Abschnitts der Curve um 300 pCt.); gleich¬ 
zeitig werden auch dessen systolische Elevationen grösser; darauf fällt der Druck im 
Ventr. dext. etwas, obgleich er sich noch immer auf einer im Vergleich zu der anfäng¬ 
lichen doppelten Höhe hält (2. Abschnitt der Curve). Am Ende des Versuchs fiel der 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 457 

Druck im Ventr. dext. beinahe bis zur Norm (3. Abschnitt, 2 Min. vor Ende des Ver¬ 
suchs). Seine systolische Elevationen sind deutlich ausgeprägt, sein Puls ist regel¬ 
mässig und hat im 3. Abschnitt die frühere Frequenz. Im 1. Abschnitt der Abbildung 
war der Puls nach der Obturation frequenter, in der 1. Hälfte des 2. Abschnitts war 
er weniger frequent, als anfänglich, in der 2. Hälfte desselben wieder frequenter. 

18. Versuoh. Oedem. Nach der 1. Lycopodiumsameninjection ist eine gewisse 
Druckerhöhung in A. femor. und eine (mehr als) dreifache im Ventr. dext. wahrnehm¬ 
bar, später ist hier die Druckerhöhung etwas weniger ausgeprägt (das Ende des 1. Ab¬ 
schnitts der Curve). Nach der 2.Injection kurze (weniger als IMin.) Druckerniedrigung 
in A. femor. bis auf die Hälfte des anfänglichen Drucks, dann besserte er sich; scharfe 
Druckerhöhung (bis zur 6— 7-fachen anfänglichen Höhe) im Ventr. dext., die, trotzdem 
sie geringer wurde, dennoch den anfänglichen Druck weit überstieg. Nach der 5. In- 
jection starkes Fallen des Drucks in A. femor. und eine gewisse Erniedrigung im 
Ventr. dext. im Vergleich zur vorhergehenden Periode. Der Puls ist dabei schwach, 
arhythmisch. Das Sinken des Blutdrucks progressiv. Von der 2., aber besonders von 
der 3. Injection an ist die Verkleinerung der Athemexcursionen des Diaphragma deut¬ 
lich wahrnehmbar, doch wird sie von Zeit zu Zeit von tieferen Inspirationen unter¬ 
brochen. Seit der 3. Injection hat die Diaphragmacurve sich im allgemeinen (sehr 
wenig) von der Abscisse entfernt, d. h. das Diaphragma selbst stand zu dieser Zeit 
etwas höher als früher. 

23. Versuch. Oedem. 1 J / 4 Min. nach der Höllensteininjection fiel der Druck 
in A. femor. fast bis auf die Hälfte des anfänglichen und begann sogleich sich zu 
bessern; zugleich stieg er im Ventr. dext. mehr als um das Dreifache, begann nach 
3 Min. zu fallen (4—4y 2 Min. nach der Injection wurde er niedriger als der anfäng¬ 
liche — dieser Theil des Versuchs ist nicht dargestellt), die systolischen Elevationen 
des Ventrikels begannen zu steigen. Die Excursionen der Curven des Brustkorbes und 
des Diaphragma begannen Min. nach der Injection kleiner zu werden und letztere 
Curve entfernte sich von der Abscisse (Ausdruck für die Volumvergrösserung der 
Lungen und für die Verkleinerung ihrer Athembewegungen). Der Puls war während 
der ganzen Dauer des Versuchs regelmässig. 

34. Versuch. Oedem. Nach der 1. Höllensteininjection unveränderter Druck in 
A. femor.; im Ventr. dext. etwas erniedrigter, wobei die systolischen Elevationen 
grösser geworden sind; im Atrium sin. ist der Druck erhöht (2. Absohnittder Abbildung). 
Nach der 2. Injection ist der Druck in A. femor. etwas gefallen, im Ventr. dext. all¬ 
mählich bis \ l / 2 mal des anfänglichen gestiegen, in Atrium sin. allmählich unter die 
Abscisse gefallen (3. Abschnitt der Curve). Die Elevationen der Curven des Ventr. dext. 
sind zur anfänglichen Höhe zurückgekehrt, diejenigen der anderen sind kleiner ge¬ 
worden. Die Curven des Atrium sin. werden mittels einer Marey* sehen Trommel 
vermerkt.) 

43. Versuoh. Oedem. Naoh der 1. Injection von AgNO s ist der Druck unver¬ 
ändert geblieben (eine geringe Druckerniedrigung in Ventr. dext. und Vergrösserung 
seiner systolischen Elevationen). Nach der 2. (2. Abschnitt der Curve) sind die 
systolischen Elevationen des Ventr. sin. kleiner, die diastolischen Abstiege ebenfalls, der 
mittlere Druck in ihm hat abgenommen. Der Druck in A. femor. ist etwas gestiegen 
und die Elevationen ihrer Curve gefallen; im Ventr. dext. ist der Druck um das 
Doppelte gestiegen und seine Elevationen sind so stark vergrössert, dass sie grösser 
als diejenigen des Ventr. sin. geworden sind. In dieser Periode wurde tnässiges 
feuchtes Rasseln auscultirt. Der letzte Abschnitt der Curve stellt das Endstadium des 
Versuchs vor, als massenhaftes suberepitirendes Rasseln vernommen wurde. Der 
Druck im Ventr. sin. und A. femor. ist stark gefallen; die systolischen Elevationen im 
Ventr. sin. sind kleiner als im Ventr. dext. Der Druck in letzterem ist zum anfäng¬ 
lichen zurückgekehrt, oder sogar etwas kleiner geworden. 


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63. Versuch. Oedem. Nach 3 Sch wefelätherinjectionen (2. Abschnitt der Curve) 
ist der Druck in A. femor. um das Doppelte gefallen, die systolischen Elevationen 
derselben sind viel keiner geworden, desgleichen die respiratorischen Schwankungen. 
Die systolischen Aufstiege und die diastolischen Abstiege der Curve des Ventr. sin. sind 
auch viel kleiner. Der Druck im Ventr. dext. ist im Vergleich zum anfänglichen stark 
gestiegen. 

66. Versuch. Oedem. Nach der 1. Aetherinjection ist der Druck in A. femor. 
etwas gesunken, im Ventr. dext. nach 35 Sec. etwas gestiegen, zugleich sind dessen 
systolische Elevationen etwas kleiner geworden, der Puls des Ventr. dext. ist regel¬ 
mässig und ohne respiratorische Schwankungen. Auch die respiratorischen Schwank¬ 
ungen in der A. femor. sind kleiner geworden. Im Atrium sin. ist der Druck, der im 
Moment der Injection gestiegen war, nach der Beendigung gesunken, seine Elevationen 
sind bedeutend kleiner geworden. 9 1 j 2 Min. nach der 2. Injection (2. Abschnitt der 
Curve) ist der Druck in A. femor. niedriger als der anfängliche. Vor und nach der 
3. Injection (3. Abschnitt der Curve) ist der Druck auf allen Curven erniedrigt, die 
Curve des Atrium sin. zieht am Rande der Curve des Ventr. dext. hin. 

74. Versuch. Oedem. Nach der Injection von 1 ccm Methyl, salicyl. sank 
der Druck ein wenig und auf sehr kurze Zeit in der A. femor., stiog dann höher als 
der anfängliche und hielt sich bis zur nächsten Injection durchschnittlich auf einer 
grösseren Höhe als anfänglich. Im Ventr. dext. stieg der Druck stark zugleich mit 
der Steigerung in der A. femor., hielt sich l^Min. und kehrte dann zur anfänglichen 
Höhe (im Durchschnitt) zurück. Zugleich mit der Druckerhöhung in der A. femor. 
und dem Ventr. dext. entfernte sich die Athemcurve (vom Brustkorb) weit von ihrer 
Abscisse und nahm eine sehr regellose Gestalt an (starke Reizung des Athemcentrums). 
Eine Zeitlang bemerkt man nach der Einspritzung auf den Curven der A. femor. und 
des Ventr. dext. starke Arhythmie (die aber eher verschwindet, als die Athemcurve 
sich ausgleicht). 

75. Versuch. Oedem. Nach der 1. Injection fiel auf eine Zeitlang der Druck 
in der A. femor., stieg dann höher als der anfängliche, wobei der Puls schneller und 
gleichmässiger wurde; im Ventr. dext. erreichte der Druck zu dieser Zeit auch eine 
l l / 2 mal grössere Höhe, und seine Curve erhielt dasselbe Aussehen wie die A. femor.; 
der Druck im Atrium sin. fiel, seine Elevationen wurden kleiner. 3 Min. nach der 
2. Injection (der 2. Abschnitt der Curve) zeigt die Curve der A. femor., die denselben 
Charakter wie nach der 1. behalten hat, ein bedeutendes Fallen des Drucks im arteri¬ 
ellen Kreislauf an; ihre Elevationen sind etwas kleiner geworden; der Druck im Ventr. 
dext. ist fast 2 mal höher als der anfängliche; im Atrium sin. ist er noch etwas ge¬ 
sunken. Vor der 3. Injection (5 Min. nach der 2.) erholt sich der Druck in A. femor. 
bedeutend, ohne jedoch den anfänglichen zu erreichen; im Ventr. dext. höher, im 
Atrium sin. niedriger als der anfängliche, aber der Charakter aller 3 Curven ist der 
anfängliche (wie vor den lnjectionen). Nach der 3. Injection fängt der Druck, den 
früheren Charakter behaltend, überall an stark zu fallen, am stärksten in der A.femor. 
(weniger stark im Atrium sin.). 


Literatur. 

1) Welch, Zur Pathologie des Lungenödems. Virchow’s Arch. 1878. Bd. LXXII. 
2a) Grossmann, Das Muscarin-Lungenödem. Zeitschr. f. klin. Med. 1887. Bd. XII. 
H. 5 u. 6. 

2b) Derselbe, Experimentelle Untersuchungen zur Lehre von der Lungenschwellung 
und Lungenstarrhoit und deren Beziehung zum acuten allgemeinen Lungenödem. 
Centralbl. f. klin. Med. 1888. IX. 18. 

2c) Derselbe, Experimentelle Untersuchungen zur Lehre vom acuten allgemeinen 
Lungenödem. Zeitschr. f. klin. Med. 1889. 


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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 459 

2d) Grossmann, Ueber die Stauungshyperämie in den Lungen. Klinische u. exp. 
Studien aus d. Laborat. von Prof. v. Basch. 1896. Bd. III. 

3) Vide Grossmann, 1. c. 1888. 

4) 5) 6) Vide Grossmann, 1. o. 1887. 

7a) Sahli, Zur Pathologie und Therapie des Lungenödems. Arch. f. experim. Pathol. 
u. Pharmakol. 1885. Bd. XIX. 

7b) Derselbe, Zur Pathologie des Lungenödems. Zeitschr. f. klin. Med. 1888. 
Bd. XIII. 

8) Löwit, Ueber die Entstehung des Lungenödems. Beitr. z. pathol. Anat. u. allgem. 
Pathol. 1893. Bd. XIV. H. 3. 

9) Winkler, Neue Beiträge zur Kenntniss des Amylnitrits. Zeitsohr. f. klin. Med. 
1898. Bd. XXXV. 

10) v. Zeissl, Ueber Lungenödem in Folge von Jodintoxication. Klinische u. experim. 
Studien aus d. Laborat. von Prof. v. Basch. 1896. Bd. III. 

11) Alexandrow, Ueber die Entstehung des Stauungsödems der Lungen. Dissert. 

Moskau 1892. • 

12) Huchard, L’oedeme aigu du poumon. Acad. de mdd. Söance du 27 avril et 
11 juin 1897. La semaine mäd. 

13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) u. 20) Vide Chemery. 

21) Vide Teissier. 

22) Teissier, De Poedeme aigu du poumon. La semaine med. (Rapport au 
XIII. congrds international ä Paris 1900.) 

23) Fouineau, De Poedeme du poumon. Thöse. Paris 1898. 

24) Teissier et Guinard, Nouvelles reoherches expöriment. sur la pathogön. de 
Poedeme aigu du poumon. Journ. de physiol. et de pathol. gönör. 1901. 

25) Josuö et Bloch, Action hypertensive de la couche corticale des capsules sur- 
r^nales. La semaine möd. 1907. No. 25. 

26) Bouohard et Claude, Recherches experimentales sur Padrönaline. Compt. rend. 
de sdances de PAcad. D. S. 1902. 

27) 28) 29) Vide Chemery. 

30) Jores, Ueber experimentelles neurotisches Lungenödem. Deutsch. Arch. f. klin. 
Med. 1906. Bd. LXXXVII. 

31) Chemey, Contribut. ä Pötude de Poedeme aigu du poumon et de sa pathogdnie 
en partioulier. These. Paris 1908. 

32) Ambard et Beaujard, Hypertension arterielle et rötention chlorur^e. Compt. 
rend. de la Soc. de Biol. 1904. 

33) 34) 35) 36) 37) 38) Vide Chemery. 

39) Carrion et Hallion, Contribution experimentale ä la pathog6nie des oederaes. 
Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1899. 

40) 41) 42) 43) 44) Vide Chemery. 

45) Miller and Matthews, The mechanical factors in experiment. aout pulmon. 
oedeme. Arch. of intemat. med. 1909. 

46) Martin Fischer, Das Oedem. Eine experimentelle und theoretische Unter¬ 
suchung der Physiologie und Pathologie der Wasserbindung im Organismus. (Ueber- 
setzung aus dem Englischen.) Dresden 1910. Verlag von Theod. Steinkopf. 

47) N. Bokarius, Zur Entstehung des Lungenödems. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. 
Med. u. öffentl. Sanitätswesen. 1911. Bd. XLI. 

48) Bouveret, Oedeme pulmonaire Brightique suraigu avec expectorat. albumineuse. 
Revue de m4d. 1890. T. X. 

49) Petzen u. Bergmark, Ueber«*das Vorkommen von acutem Lungenödem zu¬ 
sammen mit paroxysmaler Blutdrucksteigerung. Berliner klin. Woohenschr. 1909. 
No. 52. 

50) Necas, Pripad opetujiciho seprudköko oedemaplic. Casopis zekarin Ceskvas. 1909. 


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460 A. M. Kotowschtschikow, Veränderung der Herzthätigkeit etc. 

51) Kornfeld, Ueber kritisches Lungenödem bei croupöser Pneumonie. Centralbl. 
f. klin. Med. 1912. XII. 

52) Möller, Ueber paroxysmales angioneurotisches Lungenödem. Corresp.-Bl. f. 
Schweizer Aerzte. Jahrg. XXL No. 14. (Cit. nach Kornfeld.) 

53) Stioker, Lungenblutungen und Lungenödem usw. Specielle Pathol. u. Therapie 
von Nothnagel. 1900. Bd. XIV. 

54) Vide Cheraery. 

55) 0. Rosenbach, Ueber artificielle Herzklappenfehler. Arch. f. experim. Pathol. 
u. Pharmakol. 1878. Bd. IX. H. 13. 

56) Cit. nach Eppinger, Oedem, Infarct und Embolie der Lungen. Ergebnisse der 
speciell. Pathol., Morphol. u. Physiol. d. Menschen u. d. Thiere von Lubarsch 
u. Ostertag. 1896. 


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XXIV. 


Aus der propädeutischen Klinik der deutschen Universität in Prag 
(Prof. Dr. H. E. Hering). 

Ueber rhythmische Kammerbradysystolie 
bei Vorhofflimmern. 

Von 

Priv.-Doc. Dr. J. Rihl. 

(Hierzu Tafeln XI—XIII und 3 Corven ira Text.) 


Einleitung. 

Auf dem im April 1910 tagenden 27. Congress für innere Medicin 
hat H. E. Hering 1 ) in einer im Anschluss an den Vortrag von A. Hoff¬ 
man n: „Ueber anatrische Herzthätigkeit“ gemachten Discussionsbemerkung 
über klinische Beobachtungen berichtet, aus denen hervorgeht, dass es 
Fälle giebt, in denen sich die Vorhöfe im gleichen Zustande wie beim 
Irregularis perpetuus befinden, während die Kammern automatisch schlagen, 
und hat diesbezügliche Curven demonstrirt. 

In demselben Monat erschien im Quarterly Journal of Medicine eine 
Mittheilung von Thomas Lewis und Garwin Mack: „Coraplete heart 
block and auricular fibrillation“ 2 ), in der die beiden Autoren über einen 
Fall berichten, in welchem sie gleichfalls die Corabination v.on Vorhof¬ 
flimmern und Kammerautomatie nachwiesen. 

Seitdem durch diese beiden Publicationen, die unabhängig voneinander 
nahezu gleichzeitig erfolgten, das Vorkommen der erwähnten Combination 
von Vorhofflimmern und Kammerautomatie im Bereich der klinischen 
Beobachtung festgestellt worden war, haben dies Gerhardt, Falconer 
und Dean, Kahn und Münzer, A. Cohn und Th. Lewis, Taussig 
in weiteren Fällen beschrieben 3 ). 

1) H. E. Hering, Discussionsbemerkung vom 21. April 1910 zu A. Hoffmann: 
„Ueber anatrische Herzthätigkeit u . Verhandl. d. Congr. f. inn. Med. 1910. S. 626. 
Hering maohte in dieser Discussionsbemerkung — Bezug nehmend auf einen von 
Herxheimer und Kohl im Arch. f. klin. Med., Bd. 98, veröffentlichten Fall mit 
Dissociation — auch darauf aufmerksam, dass Kammerautomatie bei Vorhofflimmern bei 
Betrachtung des Venenpulses und Röntgenbildes den Anschein des Vorhandenseins 
einer atrioventriculären Bradycardie erwecken könne. 

2) Thomas Lewis und Garwin Mack, Complete heart block and auricular 
fibrillation. Quarterly Joum. of Med. April 1910. Vol. 3. No. 11. p. 273. 

3) Gerhardt, Ueber die Beziehung zwischen Arrhythmia perpetua und Dis¬ 
sociation. Centralbl. f. Herzkrankh. 1910. No. 10. S. 339. — Kahn und Münzer, 


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462 


J. Rihl, 


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In diesem Wintersemester gelangte auf der propädeutischen Klinik 
neuerdings ein Fall zur Aufnahme, bei dem während des Bestehens 
eines Vorhofflimmerns eine regelmässige Kamraerbradysystolie zu beob¬ 
achten war. 

Das eingehende Studium dieses Falles ergab gewisse Besonderheiten, 
die seine Veröffentlichung als wünschenswerth erscheinen lassen. Bei dieser 
Gelegenheit soll auch eine ausführliche Mittheilung desjenigen Falles er¬ 
folgen, welcher, bereits im Jahre 1905 auf der propädeutischen Klinik 
beobachtet, Prof. Hering zu seiner eingangs erwähnten Discussions- 
bemerkung auf dem 27. Congress für innere Medicin am 21. April 1910 
veranlasste. 

Fall L 

Auszug aus der Krankengeschichte. 

Aus der Anamnese: C. G., 69jähriger Bahnbediensteter; leidet seit Juli 1904 
an Athemnoth und Schwellungen der unteren Extremitäten, stoht seit October 1904 in 
Krankenhausbehandlung. Er ist angeblich vorher nie krank gewesen. 

Aus dem Untersuchungsbefund am Tage der Aufnahme zur Klinik 
(10. Mai 1905). Herzbefund: Percussion: Herzdämpfung verbreitert, nach oben bis 
zur 2. Rippe, nach links über die Mamillarlinie hinausreichend, nach rechts wegen Ver¬ 
breiterung der Leberdämpfung nicht gut abgrenzbar. Auscultation: Ueber der Herz¬ 
spitze ein erstes Geräusch, ein zweiter dumpferTon; über derPulmonalis ein schwaches 
erstes Geräusch, ein deutlich gespaltener zweiter Ton; über der Aorta ein erstes Ge¬ 
räusch, ein zweiter unreiner Ton. Herzspitzenstoss nicht sicht- und tastbar. 

Gefäs sbefund: Radialpuls gut gefüllt, stark gespannt (168 mm Hg Riva- 
Rocci-Recklinghausen); zeitweise regelmässig etwa 40 Pulse in der Minute, zeitweise 
unregelmässig, dabei frequenter. Temporalis undRadialis stark geschlängelt, sclerosirt. 
Halsvenen deutlich pulsirend. 

Lungenbefund: Ueber den Lungen allenthalben lauter Percussionsschall und 
reiohliche bronchitische Geräusche. 

Unterleibsbefund: Leber sehr vergrössert, hart, stumpfrandig. Milzdämpfung 
vergrössert; die Milz selbst nicht tastbar, ln den abhängigen Partien des Unterleibes 
freie Flüssigkeit. An den unteren Extremitäten Oedeme. 

Harnbefund: lm Harn Eiweiss; im Sediment hyaline und granulirte Cylinder, 
Leukocyten, zahlreiche Plattenepithelien. 

Aus dem Verlaufe: Pat. verblieb etwa 3Wochen unter klinischer Beobachtung, 
während der unter Theobrominmedication eine Abnahme der Oedeme eintrat. 


Ueber einen Fall von Kammerautomatie bei Vorflimmern. Centraibl. f. Herzkrankh. 
1912. No. 11. S. 361. — Falconer and Dean, Observations on a case of heart block 
associated with intermittent attacks of auricular fibrillation. Heart. 1912. Vol. 3. 
p. 247. — Dieselben, Observations on a case of auricular fibrillation with slow ven- 
tricular action. Heart. 1912. Vol. 4. p. 87. — Cohn and Lewis, Auricular fibril¬ 
lation and complete heart block including the post mortem examination. Heart. 1912. 
Vol. 4. p. 15. (Weiterer Bericht über den 1910 mit G. Mack publicirten Fall.) — 
In jüngster Zeit hat auch Taussig in einer mir bisher im Original nicht zugänglichen 
Mittheilung (Complete and permanent heart block, following the use of digitalis in auri¬ 
cular fibrillation. Arch. of intern, med. 1912. Vol. 10. p. 335.) einschlägige Fälle 
beschrieben. 


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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern. 


463 


Analyse der Arterien- und Venenpulscurven. 

Wie schon in dem vorstehenden Auszuge der Krankengeschichte 
angeführt wurde, war der Puls zeitweise ganz regelmässig, wobei die 
Pulsfrequenz etwa 37 betrug. Fig. 1, welche am Tage der Aufnahme zur 
Klinik von dem Patienten gewonnen wurde, zeigt eine gleichzeitige Auf¬ 
nahme des Cubitalarterien- und Jugularvenenpulses während einer Periode 
ganz regelmässiger Pulsfolge. 

Die Ausmessung der Curve des Cubitalpulses ergiebt, dass die 
Dauer der untereinander genau gleich langen Pulsperioden etwa 8 Fünftel- 
secunden beträgt. 

An der Venenpulscurve entspricht jedem Cubitalpuls eine mächtige 
Welle, die etwa 0,12 Sec. dem Beginn des Cubitalpulses vorangeht. Sie 
setzt sich deutlich aus zwei Erhebungen zusammen, deren erste bedeutend 
grösser ist. Der Beginn der zweiten Erhebung geht ein geringes Zeit- 
theilchen der dicroten Welle des Cubitalpulses voran. Nach den eben 
festgestellten zeitlichen Beziehungen der beiden Erhebungen zum Cubital¬ 
puls stellen sie sich uns als v k - und v,.f<i-Welle dar, welche den Aus¬ 
druck der Kammerthätigkeit im Venenpuls bilden. 

Es erhebt sich nun die Frage, was sich auf Grund des Venenpulses 
über das Verhalten der Vorhofthätigkeit aussagen lässt. Die Conßguration 
des Venenpulses giebt nicht den geringsten Anhaltspunkt zu der An¬ 
nahme, dass sich an derselben eine Vorhofwelle betheiligt. Auffällig ist, 
dass die Venenpulscurve da, wo sie während der Kammerpause an¬ 
nähernd horizontal verläuft, eine Anzahl kleiner Wellen zeigt. Berechnet 
man die Frequenz dieser Wellen, so gelangt man zu einer Zahl von jener 
Grössenanordnung (ca. 400), wie sie beim Irregularis perpetuus für die 
Frequenz der auf das Vorhofflimmern zu beziehenden Wellen festgestellt 
worden ist 1 ). 

Die Analyse des Venenpulses veranlasst demnach, an ein Flimmern 
der Vorhöfe zu denken. 

Fig. 2 zeigt eine gleichzeitige Aufnahme des Venen* und Arterien¬ 
pulses, während der Puls unregelmässig war. 

Man erkennt, dass die Pulsunregelmässigkeit durch das Auftreten 
von vorzeitigen Kammercontractionen bedingt ist. Die diesen vorzeitigen 
Kammercontractioncn angehörigen Kammerperioden sind, wie der Venen¬ 
puls anzeigt, nur wenig kürzer wie die normalen Kammerperioden, die 
den vorzeitigen Kammerperioden entsprechenden Pulsperioden deutlich 
kürzer als die übrigen. Die beiden letzten normalen Kammerperioden in 
Fig. 2 sind ein wenig länger als die erste normale Kammerperiode. 

Manchmal folgte jeder Kamraerperiode, die die Länge der Kammer¬ 
perioden bei regelmässiger Schlagfolge hat, ein vorzeitiger Schlag, sodass 
es zu einer mehr oder minder lang anhaltenden continuirlichen Bigeminie 
kam (Fig. 3). 


1) J. Rihl, Hochgradige Vorhoftacbysystolien mit Ueberleitungsstörungen und 
electiver Vaguswirkung. Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 1911. ßd. 9. S. 19. 


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464 


J. Rihl, 


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Die Länge der Kammerperiode bei regelmässiger Schlagfolge variirte 
an den zu verschiedenen Zeiten aufgenommenen Curven etwas. An ein¬ 
zelnen Curven betrug die Dauer einer Kammerperiode nur wenig mehr 
als 7 Fünftelsecunden, in anderen fast 9 Fünftelseounden. Bemerkens¬ 
werth ist, dass die Länge der einer vorzeitigen Kammercontraction ent¬ 
sprechenden Periode meist in demselben Sinne variirte, sodass eine einer 
vorzeitigen Kammercontraction entsprechende Periode meist ungefähr so 
lang war, als es der Periodenlänge der vorangehenden in regelmässigen 
Intervallen erfolgenden Kammerschläge entsprach. 

Aus dem Fehlen einer compensatorischen Pause nach den vorzeitigen 
Kammerschlägen erklärt sich auch, dass zur Zeit der Unregelmässigkeiten 
immer höhere Kammerfrequenzen festgestellt wurden als zur Zeit der 
regelmässigen Schlagfolge. 

Die Kammer zeigt demnach eine regelmässige Bradysystolie in der 
Höhe von 37—38 Schlägen in der Minute, unterbrochen von Extra¬ 
systolen mit nicht verlängerter Extraperiode, die gelegentlich in Form 
einer continuirlichen Bigeminie auftreten. 

Dieses Verhalten der Kammer hat schon im Jahre 1906 H. E. Hering 
veranlasst, in seiner Mittheilung „Ueber die häufige Combination von 
Kammervenenpuls mit P. i. p. u über den vorliegenden Fall folgende Be¬ 
merkung zu machen: 

„In dem zweiten Falle, in welchem eine Bradycardie von 37—38 Herz¬ 
schlägen bestand und die Extraperiode ebensolang oder sogar kürzer 
war als die Normalperiode, könnte es sich in Anbetracht der niedrigen 
Schlagzahl vielleicht um Kammerautomatie und ventriculäre Bigeminie 
gehandelt haben, es könnte aber auch auriculäre Bigeminie gewesen sein tt . 

In der Zwischenzeit haben experimentelle und klinische Unter¬ 
suchungen ergeben, dass der J. p. durch ein Flimmern der Vorhöfe be¬ 
dingt ist 1 ). 

Dafür, dass auch in dem vorliegenden Falle der Kammervenenpuls 
durch ein Flimmern der Vorhöfe bedingt ist, lässt sich anführen, dass, 
wie schon erwähnt, an seiner Venenpulscurve während der Kammerpause 
kleine Wellen zu sehen sind, die bezüglich Frequenz und Form voll¬ 
ständig jenen gleichen, die man beim J. p. auf das Flimmern der Vor¬ 
höfe bezieht; es scheidet daher die Annahme einer auriculären Bigeminie 
aus dem Bereich der Discussion. 

Nach experimentellen Erfahrungen geht das Flimmern der Vorhöfe 
meist mit einer vollständigen Unregelmässigkeit der Kammerschlagfolge 
einher, was dem Verhalten der Kammer beim J. p. entspricht 

Wenn nun in dem vorliegenden Falle das Vorhofflimmern nicht von 
jener Kammerirregularität gefolgt ist, so muss eine Erklärung dieser 
Erscheinung das Vorhandensein der automatischen Kammerschlagfolge 
zu ihrem Ausgangspunkt nehmen. 

1) Es fällt nicht in den Rahmen dieser Mittheilung, eine Darstellung der Ent¬ 
wicklung dieser Frage zu geben und ich verweise daher auf die Mittheilungen von 
II. E. Hering, Ueber den Pulsus irregularis perpetuus. Deutsches Arch. f. klin. Med. 
1908. 94. Bd. S. 185 und J. Rihl, Ueber das Flimmern der Vorhöfe beim Irregularis 
perpetuus. Frager med. Woehenschr. 1911. 36 Jahrg. No. 9. 


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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern. 


465 


Erwägen wir die verschiedenen Bedingungen, unter denen es nach 
Hering 1 ) zu heterotoper Automatic kommen kann, so kann für den 
vorliegenden Fall nur eine dauernde Aufhebung der Reizleitung vom 
Vorhof zur Kammer in Betracht kommen. 

Es zeigt demnach der vorliegende Fall eine Combination von Vorhof¬ 
flimmern mit vollständiger Aufhebung der Ueberleitung vom Vorhof zur 
Kammer. 

Fall II. 

Auszug aus der Krankengeschichte. 

Aus der Anamnese: A. K., 38jähriger Feldarbeiter, leidet seit 10 Wochen 
an Atheranoth, Magenbeschwerden, Auftreibung des Abdomens. Er steht — von einer 
kurzen Unterbrechung abgesehen — seit 6 Wochen in Krankenhausbehandlung. Als 
12jähriger Knabe hatte er einen Scharlach; mit 22 Jahren machte er einen schweren 
Gelenkrheumatismus durch, nach welchem bei ihm ein Herzfehler zurückgeblieben 
sein soll. Im December 1911 erkrankte er abermals an einer mit Fieber einhergehenden 
Schwellung der Gelenke. 

Aus dem Untersuchungsbefund am Aufnahmetag zur Klinik (29.0ct. 
1912). Herzbefund: Herzspitzenstoss im 5. Intercostalraum in der Mamillarlinie, 
bei linker Seitenlage im 6. Intercostalraum in der hinteren Axillarlinie. 

Herzdämpfung nach oben bis zur zweiten Rippe, nach rechts bis über die Ma¬ 
millarlinie hinaus verbreitert. 

Auscultation: Allenthalben ein erstes Geräusch und ein zweiter Ton; das 
Geräusch besonders deutlich über dem Sternum in der Höhe des Ansatzes der dritten 
Rippe; der zweite Ton über der Pulmonalis klappend, über der Aorta dumpf. (Im 
Verlaufe der weiteren Beobachtung wurde — jedoch nicht immer — über der Herz¬ 
spitze und dem Sternum ein diastolisches Geräusch gehört.) 

Herzschlagzahl 90, unregelmässig. 

Gefässbefund: Radialpuls gefüllt, nicht sehr gespannt (103 mm Hg, Riva- 
Rocci-Recklinghausen); 90 Schläge in der Minute, unregelmässig. 

Leber vergrössert, 4 Finger unter den Rippenbogen reichend. 

Sonst kein abnormer Befund. 

Aus dem Verlauf: Pat., der schon unmittelbar vorher unter Digitaliseinfluss 
stand, erhält am 30. und 31. 10. noch je 3 ccm Digalen; vom 1. bis 5. 11. täglich 
3mal 0,2 g Coff. natr. salicyl.; am 6. und 7. je 5 g Diuretin. Am 11. 11. wird zum 
Zwecke der Functionsprüfung der Vagi eine grössere Dosis Atropin verabreicht. Vom 
20. bis 29. 11. erhält Pat. Digitalisat. Golaz und zwar vom 20. bis 26. 11. je 2 ccm, 
die späteren Tage je 1 ccm. 

Die Herschlagfrequenz, die bei den täglichen Morgen- und Nachmittagvisiten 
festgestellt wurde, schwankte in der ersten Hälfte der Beobachtungszeit meist zwischen 
40—50 in der Minute, wobei die Herzaction oft längere Zeit hindurch ganz regel¬ 
mässig war. Gelegentlich wurden auch niedere Frequenzen (38) und höhere (60), am 
Aufnahmetage 90, beobachtet. Bei den höheren Frequenzen war die Herzaction stets 
unregelmässig. 

An den beiden dem Atropinversuch folgenden Tagen wurden unregelmässige 
Kammerfrequenzen bis gegen 80 beobachtet. 

Während der zweiten Hälfte des klinischen Aufenthaltes wurden die ganz 
niederen Kammerfrequenzen seltener beobachtet. 


1) H. E. Hering, Die Herzstörungen in ihren Beziehungen zu den specifischen 
Muskelsystemen des Herzens. Verhandlungen der Pathol. Gesellsch. 1910. 


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466 


J. Rihl 


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Analyse der Arterien- und Venenpulscurven. 

Fig. 4, welche am 4. 11. aufgenommen wurde, zeigt eine ganz 
regelmässige Cu bi talpulsreihe mit einer Frequenz von etwa 46 Pulsen 
in der Minute. 

Diese regelmässige Pulsfolge mit der genannten Frequenz war an 
allen an diesem Tage aufgenommenen Curven zu sehen. 

In Fig. 5, ebenfalls am 4. 11. aufgenommen, ist gleichzeitig mit 
dem Cubitalpuls der Jugularvenenpuls registrirt. Ich brauche im Hin¬ 
blick darauf, dass in Fig. 5 die Venenpulscurve ganz ähnliche Er¬ 
scheinungen zeigt wie in Fig. 1, in keine detaillirte Analyse dieser Curve 
hier einzugehen und kann mich mit der Feststellung begnügen, dass aus 
dem Fehlen der Vorhofwelle und dem Vorhandensein zahlreicher kleiner 
Erhebungen während der Kammerpause, die den im Venenpulse bei J. p. 
beobachteten, auf das Vorhofflimmern bezogenen kleinen Erhebungen ent¬ 
sprechen, auf ein Flimmern der Vorhöfe geschlossen werden darf. 

Fig. 6 wurde am 9. 11. aufgenommen. An diesem Tage bestand 
zwar auch grösstentheils eine ganz regelmässige langsame Pulsfolge; 
doch wurde dieselbe gelegentlich durch Unregelmässigkeiten unter¬ 
brochen, wie dies in Fig. 11 zu sehen ist. 

Man sieht, dass die Pulsunregelmässigkeit in dem Auftreten vor¬ 
zeitiger Pulse besteht. Im Allgemeinen ist die Vorzeitigkeit dieser Pulse 
nicht sehr erheblich, es handelt sich vielmehr meistens um sehr gering¬ 
gradige Vorzeitigkeiten. 

Sehr häufig treten die vorzeitigen Pulse gruppenweise auf, besonders 
oft sieht man, dass nach einer oder mehreren stärker verkürzten Puls¬ 
perioden, ehe es zu Pulsperioden von der bei der regelmässigen Schlag¬ 
folge bestehenden Dauer kommt, noch eine nur wenig verkürzte Puls¬ 
periode auftritt. Die Minutenfrequenz der regelmässigen Pulsfolge beträgt 
etwa 45. 

Wir hatten häufig die Beobachtung gemacht, dass bei bestehender 
regelmässiger Pulsfolge durch Muskelaction Unregelmässigkeiten ausgelöst 
werden konnten. 

Fig. 7 zeigt — aufgenommen an der rechten Cubitalarterie — das 
vorübergehende Auftreten von Pulsunregelmässigkeiten, nachdem der 
Patient mit der linken Hand einen kurzdauernden Druck auf ein Dynamo¬ 
meter ausgeübt hatte. 

Leider ist die Curve im Moment des Beginnes der Pulsunregel¬ 
mässigkeiten entstellt, da der Patient mit den Muskeln der linken Hand 
auch Muskeln des rechten Armes, dessen Brachialpuls registrirt wurde, 
mit innervirte. 

Bei Druck auf das Dynamometer beschleunigt sich die Frequenz 
des Pulses, die vorher etwa 45 betrug. Das Maxiraum der Beschleuni¬ 
gung, das einer Minutenfrequenz von etwa 86 entspricht, tritt erst etwa 
15 Secunden nach Beginn des Druckes auf. 

Der Puls wird dabei unregelmässig. Im weiteren Verlaufe wird die 
Zahl der vorzeitigen Pulse immer geringer, bis es schliesslich wieder zu 


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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern. 


467 


einer ganz regelmässigen Pulsfolge von nahezu derselben Frequenz wie 
vor dem Druck kommt. 

Ferner wurde die Beobachtung gemacht, dass häufig Pulsunregel¬ 
mässigkeiten auftraten, wenn man den Patienten nach einem Athem- 
stillstand forcirt athmen liess. 

Ein Beispiel dafür ist in Fig. 8 zu sehen. Solange der Patient 
ruhig athmet, sowie auch während des Athemstillstandes ist der Puls 
ganz regelmässig. Nach dem zweiten forcirten Athemzuge tritt die erste 
Unregelmässigkeit auf. Die Pulsunregelmässigkeiten zeigen keine Be¬ 
ziehungen zur Athemphase. Die Periodenlänge der einzelnen Pulse variirt 
ziemlich regellos, so dass ein Verhalten vorliegt, das einem P. i. p. ent¬ 
spricht. Die Durchschnittsfrequenz während der Zeit der unregelmässigen 
Pulsfolge ist wesentlich höher (ca. 60 pro Minute) als die während der 
vorhergehenden regelmässigen Pulsfolge beobachtete. 

Zur weiteren Analyse der Herzunregelmässigkeit des vorliegenden 
Falles wurde die Functionsprüfung des Vagus mit Hülfe des Vagusdruck¬ 
versuches und des Atropinversuches vorgenommen. 

Druck auf den rechten wie auf den linken Vagus hatte stets 
nur eine ganz geringfügige Verlangsamung zur Folge; nicht selten traten 
im Anschluss an einen Vagusdruckversuch, der zur Zeit regelmässiger 
Pulsfolge vorgenommen wurde, Unregelmässigkeiten auf. 

Der Atropinversuch wurde am 11. 11. vorgenommen. Patient 
zeigte an diesem Tage grösstentheils eiue langsame, regelmässige Puls¬ 
folge, nur gelegentlich von einigen, oft gruppenweise auftretenden, meist 
wenig vorzeitigen Pulsen unterbrochen. 

Um 4 Uhr 35 Min. wurde eine grössere Gabe Atropin verabreicht. 
Fig. 9 zeigt den Cubitalpuls unmittelbar vor der Atropininjection. Die 
Pulscurve zeigt nur an zwei Stellen je einen vorzeitigen Puls, ist sonst 
regelmässig, die Pulsfrequenz beträgt etwa 45 in der Minute. 

Nach der Atropininjection wurden in kurzen Intervallen der Cubital¬ 
puls, gelegentlich auch der Venenpuls, graphisch aufgenommen. Um die 
Zahl der zu reproducirenden Curven nach Möglichkeit einzuschränken, 
sollen hier nur einige wenige besonders charakteristische Curven wieder¬ 
gegeben werden. 

Schon um 4 Uhr 40 Min. war eine deutliche Beschleunigung der 
Pulsfolge vorhanden, dabei war der Puls vollständig unregelmässig 
wie bei P. i. p. Die Durchschnittsfrequenz beträgt etwa 75 in der Minute 
(Fig. 10). 

Fig. 11, um 4 Uhr 45 Min. aufgenommen, zeigt das Verhalten des 
Venenpulses. Es sind nur die der Kammerthätigkeit entsprechenden 
Wellen in der Venenpulscurve zu sehen. 

Arterien- und Venenpuls entsprechen vollständig einem Irregularis 
perpetuus. 

Fig. 12, um 5 Uhr 25 Min. aufgenommen, zeigt das Verhalten des 
Pulses auf dem Höhepunkt der Atropinwirkung. Die Minutenfrequenz 
beträgt 120. 


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Analyst des Kletiritcardiograminc«. 

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• Original frcm 

JNIVER5ITY OF MICHIGAN 

























































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J. Rihl, 


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Fig. 15 zeigt das Electrocardiogramra bei Ableitung III. DerR-Zacke 
geht eine kleine Zacke Q voran. R ist wie bei Ableitung 11 bedeutend 
grösser als T. Auch bei dieser Ableitung sind die auf das Vorhofflimmern 
zu beziehenden Erhebungen deutlich ausgeprägt. 

Es bestätigt also die Analyse des Electrocardiogramms den schon 
aus der Analyse der Venenpulscurven gezogenen Schluss, dass sich die 
Vorhöfe im Zustande des Flimmerns befinden. 

Bemerkungen zur Pathogenese der Herzunregelmässigkeit des Falles II. 

Was das Verhalten des Vorhofes in dem vorliegenden Falle anbclangt, 
so müssen wir auf Grund der Analyse der äusserst zahlreichen, zu den 
verschiedensten Zeiten des klinischen Aufenthaltes aufgenommenen Venen¬ 
pulscurven annehmen, dass der Vorhof andauernd — sowohl während der 
Perioden regelmässiger wie während der unregelmässigen Pulsfolge — 
flimmerte. 

Bei den Erörterungen über das Verhalten der Kammerthätigkeit 
dürfte es am zweckraässigsten sein, von den Ergebnissen des Atropin¬ 
versuches auszugehen. 

Unter dem Einfluss des Atropins stellte sich eine beschleunigte, 
unregelmässige Pulsfolge ein, deren Charakter vollständig einem P. i. p. 
entsprach. 

Da das Atropin bekanntermaassen den Vaguseinfluss herabsetzt bzw. 
beseitigt, so weist die eben angeführte Thatsache darauf hin, dass Vagus¬ 
erregung mit im Spiele ist, wenn in unserem Falle das Vorhofflimmern 
nicht mit der für den P. i. p. charakteristischen Kammerunregelmässigkeit 
einhergeht. 

Wir wollen nun zu erörtern versuchen, inwiefern sich von diesem 
Gesichtspunkte aus das in unserem Falle bestehende Verhalten der Kammern 
beim Vorhofflimmern verstehen liesse. 

Es liegt nahe anzunehmen, dass die regelmässige Schlagfolge der 
* Kammern auf eine heterotope Reizbildung zu beziehen sei. 

Wenn die Kammer regelmässig schlug, so bestand immer stets eine 
Bradvsystolie. Die Frequenz derselben schwankte innerhalb verhältniss- 
mässig enger Grenzen; nach den aufgenomraenen Curven betrug das 
Maximum 48, das Minimum 44. 

Durch das Vorhandensein einer Karamerbradysystolie unterscheiden 
sich diese Fälle von jenen Fällen von regelmässiger Herzthätigkeit bei 
Vorhofflimmern, die ich vor kurzem unter dem Titel „Ueber anfallsweise 
auftretende regelmässige Kammertachysystolie in Fällen von Irregularis 
perpetuus“ veröffentlicht habe. 

Die niedere Frequenz der regelmässig schlagenden Kammern in 
unserem Falle weist darauf hin, die Bedingungen für das Auftreten der 
heterotopen Automatic wesentlich in dem Umstande zu suchen, dass eine 
Störung der Reizleitung nach jener Stelle vorliegt, die nunmehr infolge 
dieser Störung den Ausgangspunkt für die heterotope Automatic abgiebt, 
nicht aber in einer gesteigerten Reizbildungsfähigkeit dieser Stelle. 

Diese Ueberlegung würde zu der Annahme einer Dissociation der 
Vorhof- und Kammerthätigkeit führen. Es ist nun aus dem Thier- 


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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern. 


471 


experiment bekannt, dass unter besonderen Umständen die Herzvagi 
bei entsprechender starker Erregung auch Dissociation hervorrufen 1 ). 

Für die Beurtheilung des vorliegenden Falles ist es wichtig, dass 
nach den im Institute ausgeführten Untersuchungen v. Tabora’s dem 
Digitalis eine wichtige Rolle beim Zustandekommen einer Dissociation 
in Folge Vaguswirkung zukommt; denn das Auftreten der regelmässigen 
Pulsfolge bei unserem Patienten wurde am häufigsten — wenn auch nicht 
ausschliesslich — beobachtet, als er unter Digitaliseinfluss stand. 

Ferner wurde im Institut die experimentelle Erfahrung gemacht, dass 
eine mechanische Schädigung der Bündelgegend, die für sich allein keine 
Dissociation bewirkte, das Auftreten einer Dissociation in Folge Vagus¬ 
erregung begünstigte. Erst in jüngster Zeit wurde wiederum in Hunde¬ 
experimenten, in denen ein Bündelabkleramungsversuch zwar zu Ueber- 
leitungsstörungen in Form von Kammersystolenausfall, aber nicht zu 
völliger Dissociation geführt hatte, beobachtet, dass Reizung des linken 
Vagus, welche vor diesem Eingriff bei geringer frequenzhemmender Wirkung 
auf den Vorhof lediglich Kammersystolenausfall bedingte, nach dem Ein¬ 
griff Dissociation machte. 

Bei unserem Patienten hat man einen gewissen Anhaltspunkt, eine 
unmittelbare Schädigung des Bündels zu vermuthen. 

Unser Fall zeigt ausserhalb der Perioden regelmässiger Pulsfolge, 
einen P. i. p. mit sehr langsamer Frequenz. Es liegen nun pathologisch¬ 
anatomische Untersuchungen 2 ) vor, nach denen in letzteren Fällen histo¬ 
logisch nachweisbare Veränderungen des Bündels gefunden wurden und 
man könnte daher auch in dem vorliegenden Falle solche vermuthen. 

Die vorstehenden Erörterungen machen es also wahrscheinlich, dass 
in dem vorliegenden Falle Umstände vorhanden sind, von denen auf 
Grund experimenteller Erfahrungen bekannt ist, dass sie das Auftreten 
einer Dissociation in Folge Vaguserregung begünstigen. 


Versuchen wir nun die bei unserem Patienten während des Bestandes 
der regelmässigen Kammerbradysystolie hie und da zu beobachtenden 
Unregelmässigkeiten der Kammer vom Gesichtspunkte der Annahme einer 
Autoraatie der Kammer zu betrachten, so wäre es möglich, dass die 
vereinzelt oder gruppenweise auftretenden Schläge, wie sie z. B. in Fig. 6 
abgebildet sind, Extrasystolen darstellen, die ihren Ursprung in der 
Kammer nehmen. 

Im Einklänge mit der Annahme steht die Thatsache, dass die einem 
oder bei einer Gruppe von vorzeitigen Pulsen dem letzten folgende Puls¬ 
periode ungefähr die Länge einer Pulsperiode zur Zeit der regelmässigen 
Pulsfolge hat. 

1) H. E. Hering, Die Reizleitungsstörungen des Herzens und ihre Erkennung in 
der Praxis. Zeitschr.f.ärztl.Fortbildg. 1910. 7,Jahrg. No. 24. S.8 d. Sep.-Abdrucks. 

2) Gerhardt, Ueber die Beziehung zwischen Arhythmia perpetua und Disso¬ 
ciation. Centralbl. f. Herzkrankh. 1910. Nr. 10. S. 3361. — Freund, Klinische 
und pathologisch-anatomische Untersuchungen über Arhythmia perpetua. Deutsches 
Arch. f. klin. Med. 1912. Bd. 106. S. 31. — Falconer-Dean, Observations on a 
case of auricular fibrillation with slow ventricular action. Heart. 1912. Vol. IV. p. 87. 

31* 


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47$ J. Rihl, 

Kommt es jedoch, wie z. B. in Fig. 7, nach einer Kraftprobe am 
Dynamometer oder in Fig. 8 ira Anschluss an forcirte tiefe Athmung zu 
einer länger dauernden Unregelmässigkeit, so lässt sich, trotzdem während 
einer solchen die meisten Pulsperioden kürzer sind als es der Länge 
einer Pulsperiode zur Zeit der regelmässigen Pulsfolge entspricht, nicht 
annehmen, dass es sich lediglich um vorzeitige in der Kammer ent¬ 
stehende Extrareize handelt, da eine solche Annahme die völlige Arhythmie 
der Extrareize nicht erklären würde. 

Man wird vielmehr dadurch, dass diese mehr oder minder lang 
andauernden Unregelmässigkeiten vollständig den Charakter des P. i. p. 
tragen, zu dem Schlüsse geführt, dass hier vorübergehend die Kammer 
auf die vom flimmernden Vorhof kommenden Reize hin in Erregung geräth. 

Wir haben oben ausgeführt, dass wir das Auftreten einer regel¬ 
mässigen Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern in unserem Falle wohl 
als eine durch Vaguserregung bedingte Erscheinung auffassen können. 

Es spricht sehr für diese Auffassung, dass wir bei Vorhandensein 
einer langsamen regelmässigen Pulsfolge eine mehr oder minder lang 
andauernde unregelmässige Pulsfolge unter solchen Umständen (kräftiger 
Händedruck, willkürlich verlängerte Athmung) auslösen konnten, unter 
denen eine Verbesserung der Ueberleitungsbedingungen durch Herab¬ 
setzung des Vagus- und Steigerung des Acceleranstonus angenommen 
werden muss. 

Inwieweit ira Falle der willkürlich vertieften Athmung ausser der 
durch die Muskelthätigkeit an und für sich ausgelösten Tonusänderung 
der extracardialen Herznerven noch eine durch die inspiratorische Er¬ 
weiterung der Lunge bedingte besondere Herabsetzung des Vagustonus 
mit in Betracht kommt, muss dahin gestellt bleiben. Die Thatsache, 
dass die Pulsunregelmässigkeit nicht mit der ersten tiefen Inspiration 
einsetzt, spricht nicht für eine sehr grosse Bedeutung dieses letzt er¬ 
wähnten Momentes. 

Der Umstand, dass wir zur Erklärung der eben besprochenen länger 
andauernden Pulsunregelmässigkeiten, durch welche gelegentlich die regel¬ 
mässige Pulsfolge unterbrochen wird, ein zeitweiliges Uebergehen der 
Erregung vom Vorhof auf die Kammer angenommen haben, ist Veran¬ 
lassung, die Frage zu discutiren, ob nicht auch die vereinzelt bezw. in 
kleinen Gruppen auftretenden vorzeitigen Kammerschläge vom Vorhof 
her ausgelöst sein könnten. 

Auf Grund unserer experimentellen Erfahrungen müssen wir ein der¬ 
artiges Verhalten als sehr wohl möglich bezeichnen. Erst vor kurzem 
hat Kure 1 ) aus dem Institut eine Curve veröffentlicht, an der eine durch 
rechtsseitige Vagusreizung bedingte Dissociation der Vorhof- und Kammer- 
thätigkeit zu sehen ist, wobei vereinzelte Vorhofserregungen auf die 
Kammer übergehen. 

Es wäre schliesslich noch die Frage zu erörtern, ob das Auftreten 
einer regelmässigen Kammerschlagfolge bei Vorhofsflimmern unter dem 


1) Ken Kure, Ueber die Pathogenese der heterotopen Reizbildung unter dem 
Einfluss der extracardialen Berznerven. Diese Zeitschr. 1913. Bd. 12. Fig. 32. 


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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern. 


473 


Einfluss einer Vaguserregung nicht auch in anderer Weise zu Stande 
kommen kann, als dadurch, dass es in Folge Dissociation zu automati¬ 
scher Kammerthätigkeit kommt. 

Da der Einfluss der extracardialen Herznerven auf die Kammerschlag¬ 
folge bei Vorhofsflimmern bisher noch nicht in entsprechender Weise ex¬ 
perimentell studirt ist, lassen sich über diesen Punkt nur Vermuthungen 
aussprechen. 

Mit Rücksicht auf die bekannte Thatsache, dass wir bei P. i. p. 
gelegentlich eine mehr oder minder lange Folge ganz regelmässiger 
Pulse beobachten, kann man wohl die Vorstellung nicht ausschliessen, 
dass es unter bestimmten Bedingungen beim Vorhofsflimmern dazu kommt, 
dass Vorhoferregungen in ganz regelmässigen Intervallen Kammersystolen 
auslösen. 

Insbesondere das Auftreten dieser Erscheinung unter Vagusein¬ 
fluss schiene nicht unverständlich. Wir wissen, dass vom Vorhofs- 
theil des Tawara’schen Knotens zahlreich Verbindungsfasern in die 
Vorhofsmusculatur ausstrahlen, durch die diesem von der flimmernden 
Vorhofsmusculatur Erregungen zukommen können. Die zeitliche Inter¬ 
ferenz dieser Erregungen würde die Unregelmässigkeit der Kammerschlag¬ 
folge erklären. Nimmt man nun an, dass in Folge einer durch den 
Vagus bedingten Ueberleitungsstörung innerhalb der die Vorhofsmusculatur 
mit dem Vorhofsthcil des Tawara’schen Knotens verbindenden Fasern 
diesem nicht mehr von mehreren Seiten zeitlich verschiedene Vorhofs¬ 
erregungen zukommen, sondern nur immer eine Vorhofserregung auf 
einer Bahn zufliesst, so würde das Auftreten einer regelmässigen Kammer¬ 
schlagfolge verständlich. 

Leider konnten keine Electrocardiogramme zur Zeit der unregel¬ 
mässigen Schlagfolge aufgenommen werden; der Vergleich dieser mit dem 
Electrocardiogramm aus der Zeit der regelmässigen Kammerschlagfolge 
hätte vielleicht gewisse Aufschlüsse über den Ausgangspunkt der Karamer- 
schläge geben können. 


Einschlägige Literatur. 

Wie schon in der Einleitung erwähnt wurde, ist seit der Feststellung 
des Vorkommens von Vorhofsflimmern und Kammerautomatie beim 
Menschen durch Hering und Lewis-Mack diese Combination in einer 
ganzen Reihe von Fällen beschrieben worden. 

Lewis-Mack und Kahn-Münzer, die über je einen Fall berichten, 
haben in ihren Fällen sowohl gleichzeitige Arterien- (bezw. Herzstoss-) 
und Venenpulsverzeichnungen als auch electrocardiographische Aufnahmen 
vorgenommen und veröffentlicht. Gerhardt belegt das Vorkommen 
einer rhythmischen langsamen Kammerschlagfolge bei Fehlen derVorhofscon- 
tractionen in seiner mehrere einschlägige Fälle anführenden Mittheilung: 
„lieber Beziehungen zwischen Arhythmia perpetua und Dissociation“ 
— obgleich er auch von Electrocardiogrammcn spricht — durch eine 
gleichzeitige Herzstoss- und Venenpulsaufnahme und verweist auf eine 
Arbeit von Magnus-Alsleben, in der gleichfalls eine solche Aufnahme 
zu finden ist; ebenso veröffentlichen Falconer-Dean in ihren beiden 


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474 J. Rihl, 

Fällen nur gleichzeitige Arterien- (bezw. Herzstoss-) und Venenpulsauf¬ 
nahmen. 

Was die Frequenz der rhythmischen Kammerbradysystolie bei Vor- 
hofsflimmern betrifft, so betrug dieselbe in dem Fall von Lewis-Mack 
gewöhnlich 30. Gerhardt spricht in dem einen seiner Fälle von einer 
Kammerfrequenz von ca. 40, in zwei anderen von ca. 50 in der Minute; 
die von einem vierten Falle raitgetheilte Curve weist eine Kammerfrequenz 
von 37,5 auf. Falconer-Dean beobachteten in ihrem ersten ein¬ 
schlägigen Falle, der während des Bestandes eines Herzblockes Anfälle 
von Vorhofflimmern zeigte, zur Zeit des einen Anfalles eine regelmässige 
Kammerfrequenz von 42—48, zur Zeit eines zweiten Anfalles eine solche 
von 26. In ihrem zweiten einschlägigen Falle bestand während der 
Periode ganz regelmässiger Schlagfolge eine Kammerfrequenz von 38. 
Kahn-Münzer’s Fall wies bei der Untersuchung am 8. Mai 1911 eine 
regelmässige Kammerfrequenz von 40—45, bei der am 9. Mai 1912 eine 
solche von 36 auf. 

Mit der Frage nach dem Ausgangspunkt der Kammercon- 
tractionen zur Zeit der regelmässigen Kammerschlagfolge bei Vorhofs- 
flimmern haben sich nur Lewis-Mack beschäftigt; sie schliessen aus 
der Form des Electrocardiogramms, dass „the ventricle comraences its 
contraction at the point, at which it is connected to the auricle a . 

In dem Fall von Lewis-Mack, in einem Fall von Gerhardt und 
in dem ersten Fall von Falconer-Dean wurde beobachtet, dass die 
regelmässige Kammerbradysystolie durch Extrasystolen unterbrochen 
wurde. In allen drei Fällen war im Allgemeinen die Länge der Kammer¬ 
extraperiode gleich der Länge einer Normalperiode. Lewis stellt fest, 
dass die Galvanoraetercurven der Extracontractionen „identical in every 
respect with the rhythmic beats“ sind und schliesst daraus, dass sie von 
einer Stelle ausgehen „near that frora which the ventricular rhythm of 
complete heart springs u . Gerhardt erwähnt nur, dass sich in einem 
Fall die Extrasystolen „im Electocardiogramm als ventriculäre documen- 
tirten a , ohne auf eine nähere Begründung einzugehen. 

Was das Verhalten der Herzthätigkeit vor dem Auftreten der hier 
besprochenen Combination von Vorhofsflimmern und rhythmischer Kammer¬ 
bradysystolie betrifft, so findet sich in dem Fall von Lewis-Mack und 
Kahn-Münzer kein Anhaltspunkt für eine Beurtheilung desselben. 

Gerhardt zeigt in seinen Fällen, dass der „P. i. p. wieder regel¬ 
mässig werden kann, auch ohne dass der Vorhof die Führung wieder 
übernimmt“; zwei von diesen Fällen (darunter, soweit man wohl aus der 
Mittheilung Gerhardt’s entnehmen kann, der bereits von Magnus- 
Aisleben angeführte Fall) zeichneten sich dadurch aus, dass der Puls 
auch schon zur Zeit der Arrhythmie auffallend langsam war. Magnus- 
Aisleben schreibt: „Die anfangs bestehende Arhythmia perpetua ging 
(unter Bettruhe und Digitalis) nach und nach durch ein Stadium der 
Pseudoregelmässigkeit hindurch in vollständig regelmässige Schlagfolge 
über, die Vorhofspulse blieben dauernd weg“. Gerhardt spricht in 
diesen Fällen von einem allmählichen Uebergang von Arhythmia per¬ 
petua in regelmässigen Puls ohne Vorhofsthätigkeit. 


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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern. 


475 


In dera einen Fall von Gerhardt, bei dem ein P. i. p. von einer 
Frequenz von etwa 100 bestand, trat die regelmässige Kammerbrady¬ 
systolie ganz plötzlich auf. Auf welche Weise dies durch die bei der 
Obduction festgestellten pathologisch anatomischen Veränderungen bedingt 
wird, muss dahingestellt bleiben; gegen die von Gerhardt geäusserte 
Vorstellung, dass das plötzlich entstandene Pericardialexsudat die schon 
vorher dilatirten und geschwächten Vorhöfe ganz comprimirt und da¬ 
durch ausser Function gesetzt hat, Hesse sich wohl Manches einwenden. 

Auch in dem zuletzt beschriebenen Falle von Falconer-Dean geht 
dera Stadium völlig rhythmischer Kammerbradysystolie bei Vorhofsflimmem 
eine unregelmässige Kammerbradysystolie mit Vorhofsflimmem voran. 

In dem einen Fall von Gerhardt (bereits 1910 in der Mittheilung 
„UeberRückbildung desAdams-Stokes’schen Complexes“ berücksichtigt) 
sowie in dem einen Fall von Falconer-Dean (I) waren schon vor 
dem Auftreten des Vorhofsflimmerns Ueberleitungsstörungen nachgewiesen 
worden. 

In diesem Fall von Gerhardt „wechselte oft normale Schlagfolge 
(mit verlängertem A-V Intervall), partieller und totaler Herzblock u , ehe 
„zu der seit lange bestehenden Ueberleitungserschwerung ein Versagen 
der regelmässigen Vorhofscontractionen hinzugekoramen ist. Und es ist 
interessant, dass das Vorhofsflimmem, das bei vorher normal schlagendem 
Herzen zu Arhythraia perpetua führt, in diesem Falle von bald totalem, 
bald partiellem Block zunächst einen regelmässigen Herzschlag zur 
Folge hatte.“ 

In dem zuerst mitgetheilten Fall von Falconer-Dean handelt es 
sich um einen „completen“ Block, der aber sieben Wochen vor dem 
Tode für einige Tage „incoraplet“ wurde. Währen d der Patient unter 
Beobachtung stand, wurden drei Attacken von Vorhofsflimmem beobachtet. 

„Düring two of these attacks, the heart block was complete and 
the slow and regulär; idioventricular action remained inaltered. On the 
third ocoasion the attack of auricular fibrillation was produced by ex- 
ercise while the heart block was incomplete. The ventricle then showed 
a slow irregulär bigeminal action exactly similar to that of an uncom- 
plicated case of auricular fibrillation under the action of digitalis“. 

Ein zur Zeit der ersten Attacke ausgeführter Atropin versuch hatte 
bei deutlicher Wirkung auf die Schleimhaut des Rachens und auf die 
Pupillen keinen Einfluss auf die Kammerfrequenz. 

Von besonderem Interesse sind für uns mit Rücksicht auf unseren 
zweiten Fall jene Fälle, in denen bei bestehendem Vorhofsflimmem ein 
Wechsel regelmässiger uud unregelmässiger Schlagfolge beobachtet wurde. 

Solche Beobachtungen verzeichnet Gerhardt in jenem seiner Fälle, 
bei dem das Vorhofsflimmem zu einer bereits vorhandenen Ueberleitungs- 
störung hinzutrat. „Nach einem einmonatigen Bestehen einer regulären 
Bradycardie wurde der Puls wieder rascher und nunmehr unregelmässig 
nach Art der Arhythmia perpetua. Und seither wechselte die Schlag¬ 
weise mehrfach zwischen langsamer Arhythmia perpetua (Pulszahlen von 
60—80) und langsamer regelmässiger Schlagfolgc. Von Vorhofsaction ist 
in beiden Stadien nichts wahrzunehmen.“ Ueber die Bedingungen, unter 


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476 J. Rihl, 

welchen die erwähnte Aenderung der Schlagweise beobachtet wurde, sagt 
Gerhardt nichts. 

Falconer und Dean beobachteten in ihrem zuletzt publicirten Fall, 
in dem bei flimmernden Vorhöfen eine Arrhythmie von meist 40—48 Pulsen 
per Minute bestand, bei der „der grössere Theil der Radialschläge in 
regelmässigen Intervallen auftrat, aber der Rhythmus niemals vollständig 
regelmässig war, dass während einer Digitalismedication der Puls für eine 
Zeitlang vollständig regelmässig wurde, wobei die Pulsfrequenz auf 38 in der 
Minute herabsank; schon am nächsten Tage war trotz weiterer Fortsetzung 
der Digitalismedication die frühere leichte Unregelmässigkeit vorhanden“. 

Gerhardt wie Falconer-Dean. fassen den Wechsel von regel¬ 
mässiger und unregelmässiger Schlagfolge bei bestehendem Vorhofsflimmern 
als einen Wechsel von totaler und partieller Ueberleitungsstörung auf. 
Gerhardt meint, dass möglicherweise „das Manifestwerden des Ventrikel- 
rhythraus bei der Arhythraia perpetua überhaupt eine grössere Rolle 
spielt, und dass es sich namentlich dann geltend macht, wenn mit der 
Besserung der Compensationsstörung die überstürzten (als Extrasystolen 
imponirenden) Schläge mehr und mehr verschwinden und die übrig- 
bleibenden kräftigen Schläge sich der Regelmässigkeit nähern. u 

Sectionsbefund mit entsprechender histologischer Unter¬ 
suchung liegen für den Fall von Lewis-Mack, geliefert durch Lewis- 
Cohn und in den beiden Fällen von Falconer-Dean vor. 

In dem Fall von Lewis, in dem während der ganzen Beobachtungs¬ 
zeit Kammerautomatie vorhanden war, fand sich eine vollständige Zer¬ 
störung des Bündels syphilitischen Ursprungs. In dem ersten Fall von 
Falconer-Dean, bei dem während seiner Beobachtung Stadien voll¬ 
ständiger Aufhebung der Ueberleitung mit solchen von Uebergang der 
Erregung von den Vorhöfen zu den Kammern wechselten, unmittelbar 
vor dem Tode eine vollständige Aufhebung der Ueberleitung festgestellt 
worden war, wurde gleichfalls eine vollständige Zerstörung des Haupt¬ 
stammes des Bündels aufgefunden, die zum Theil, wie aus dem Vorhanden¬ 
sein von „rein cellularen Elementen, Fibroblasten, Lymphocyten etc. a 
hervorging, ganz frischen Ursprungs war. In dem zweiten Fall von 
Falconer-Dean, der eine nur einmal eine längere Zeit währende un¬ 
unterbrochene Kammerbradysystolie, sonst eine unregelmässig verlangsamte 
Kammerschlagfolge aufwies, war eine ausgedehnte fibröse und cellulare 
Infiltration des A-V-Knotens und Bündels vorhanden. 

Schlusssätze. 

Auf Grund gleichzeitig aufgenoramener Arterien- und Venenpulscurven 
wird in zwei Fällen bei flimmernden Vorhöfen eine rhythmische Kammer¬ 
bradysystolie festgestellt, welche durch eine Ueberleitungsstörung bedingt ist. 

Im ersten Falle bestand eine dauernde Aufhebung der Ueberleitung 
und Kammerautomatie, häufig durch Kammerextrasystolen unterbrochen, 
die gelegentlich in Form einer continuirlichen Bigeminic auftraten. Die 
Extraperioden waren ebenso lang oder kürzer als die Norraalperioden. Die 
Frequenz der regelmässigen Kammerschlagfolge betrug 37—38, die der 
continuirlichen Bigeminie etwa 56. 


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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern. 


477 


Im zweiten Falle kam es nur zeitweise zum Auftreten einer rhythmischen 
Kammerbradysystolie, deren Frequenz zwischen 44 und 48 schwankte. 
Zur Zeit der unregelmässigen Schlagfolge bestand zumeist eine Kammer¬ 
bradysystolie von wenig höherer Frequenz, etwa 50 in der Minute. Auf 
Atropin wurde die Kammerschlagfolge ganz unregelmässig, wobei die 
höchste Frequenz 120 in der Minute war. Bestand regelmässige Schlag¬ 
folge, so konnte durch vertiefte Athmung oder Muskelanstrengung (Kraft¬ 
prüfung am Dynamometer) eine unregelmässige, beschleunigte Kammer¬ 
schlagfolge hervorgerufen werden. Während es dahingestellt bleiben muss, 
ob eine mechanische Läsion des Reizleitungssystems vorlag, geht aus 
dem Atropinversuch wie übrigens auch aus der inspiratorischen Acceleration 
bei vertiefter Athmung hervor, dass in diesem Falle der. Vagustonus 
einen Coefficienten für das Auftreten der rhythmischen Kammerbradysystolie 
darstellte. 


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XXV. 


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Aus dem Inst. f. allgem. u. exp. Pathologie (Vorst: Hofrath R. Paltauf) 
und der I. med. Abth. des Krankenhauses der Wiener Kaufmannschaft 
(Vorst.: Prim. Doc. H. Schur). 

Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung. 

ln welcher Weise beeinflusst der einseitige Pneumothorax das 
Entstehen tuberculöser Erscheinungen nach intravenöser 
und intratrachealer Infection? 

Von 

Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes. 

Im Laufe der Behandlung tuberculöser Patienten mit dem künst¬ 
lichen Pneumothorax stellte sich, je besser sich die Resultate gestalteten, 
ebenso wie bei allen übrigen Autoren auch bei uns das Bedürfniss ein, 
die Frage klarzustellen, welche Patienten wir mit Nutzen der Pneumo¬ 
thoraxbehandlung unterwerfen können. Gleich allen anderen Autoren 
konnten auch wir die eine Cardinalfrage nicht sicher beantworten, ob 
wir die Behandlung nur bei sonst aussichtslosen Fällen, wie es Forlanini 
im Beginne seiner Thätigkeit und wie es ganz speciell Brauer und 
Spengler gethan, anwenden sollten, oder ob wir auch bei der Pneumo¬ 
thoraxbehandlung den sonst in der Therapie üblichen Grundsatz, jede 
Krankheit möglichst in ihrem Beginne mit der zweckmässigsten Methode 
zu behandeln, befolgen sollten. 

Dass die Behandlungsmethode ihrer Prüfung an den schwersten 
Fällen standhielt, musste nothwendigerweise dazu führen, dass man ihren 
wohlthätigen Einfluss auch bei minder schweren Fällen nicht missen 
wollte und führte einzelne Autoren, wie Forlanini, dann Deneke, 
Wellmann und andere logischer Weise auch dazu, auch initiale Fälle 
der Pneuraothoraxbehandlung zuzuführen, besonders als sich zeigte, dass 
bei nicht zu lange dauernder Compression der Lunge nach Resorption 
des Stickstoffes vollständige Ausdehnung und Athemfähigkeit der be¬ 
handelten Lunge sich wieder einstellte, und als Forlanini auch zeigen 
konnte, dass bei doppelseitiger Tuberculose ohne Schaden die Pneumo¬ 
thoraxbehandlung hintereinander für beide Lungen angewendet werden 
konnte. Man konnte die Hoffnung hegen, bei leichteren Fällen mit einem 
kürzer dauernden Pneumothorax volle Wirkung zu erzielen und diese so 
ohne die Gefahr schwererer Complicationen zur sicheren vollständigen 
Ausheilung zu bringen. 

Von vorneherein mussten wir daran denken, diese klinische Frage 
durch klinische Beobachtungen zu beantworten. Aber bald kamen wir 
zu der Ueberzeugung, dass so leicht der Beweis klinisch zu erbringen 
war, dass die Pneumothoraxbehandlung Schwerkranken wesentlichen 


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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung. 


479 


Nutzen bringt, so schwer auf rein klinischem Wege der Nutzen für die 
initialen Fälle zu erbringen ist. Wenn Brauer und Spengler für ihre 
Fälle die statistische Beweisführung mit Recht verwarfen und lieber 
a fortiori aus dem günstigen Verlaufe fast sicher verlorener Fälle die 
günstige Wirkung des Pneumothorax erschlossen, so glauben auch wir 
wohl nicht daran zweifeln zu können, dass aus dieser Untersuchung die 
günstige Beeinflussung auch rainderschwerer Fälle, als die von Brauer 
und Spengler behandelten es waren, folgt. Ob aber bei der Complexität 
der schweren Phthise dieser Schluss auch für die leichten und beginnenden 
Fälle berechtigt ist, erscheint uns durchaus nicht erwiesen. Der Beweis 
a fortiori müsste durchaus nicht zutreffen und dies vor allem aus dem 
Grunde, weil wir über die Wirkungsweise des Pneumothorax trotz zahl¬ 
reicher Untersuchungen nichts Sicheres wissen. Die günstige Beeinflussung 
schwerer Fälle könnte durchaus Erscheinungen betreffen, die der leichten 
Tuberculose nicht zukommen. 

Der klinische Beweis für die leichteren Fälle könnte nur durch die 
directe klinische Beobachtung solcher erfolgen und müsste sich noth- 
wendigerweise auf die jetzt ganz unmögliche statistische Beweisführung 
stützen. Angesichts der vielen nicht ganz harmlosen Coraplicationen, 
die im Gefolge des Pneumothorax auftreten können, fanden weder die 
anderen Forscher noch wir selbst den Muth, eine genügende Anzahl 
leichter Fälle in Behandlung zu nehmen, die eine sichere Grundlage für 
eine statistische Beweisführung abgeben könnten. 

Thatsächlich haben die meisten Autoren die Indicationsstellung durch 
Würdigung der Complicationen als Contraindicationen mehr oder weniger 
auf schwerere Fälle beschränkt, aber wir können uns des Eindruckes 
nicht erwehren, dass diese Beschränkung ausserordentlich willkürlich ist 
und jedenfalls die Werthung der Schädigungsmöglichkeit in ganz anderer 
Weise erfolgen würde, wenn wir die unbedingte wissenschaftlich begründete 
Ansicht haben dürften, dass wir durch die Behandlung den Grundprocess 
ganz sicher günstig beeinflussen. 

Zunächst standen uns für die Beantwortung unserer Frage die An¬ 
sichten der Autoren über die Wirkungsweise des Pneumothorax und das 
diesen Ansichten thatsächlich zu Grunde liegende Material zur Verfügung. 

Forlanini, der Vater der Pneumothoraxbehandlung, und als solchen 
müssen wir ihn trotz einzelner schon früher erfolgter niemals durch¬ 
greifend durchgeführter Vorschläge bezeichnen, legt der Therapie eine 
ganz eigenartige Auffassung der Entstehung der Phthise zu Grunde. Er 
glaubt, „dass die caseöse Nekrose, welche die Phthisis zur Folge hat, 
nicht mit der Natur des Erregers direct verknüpft sei, sondern wenn 
nicht ausschliesslich doch wenigstens grösstentheils eine Erscheinung rein 
•mechanischer Natur, welche mit den besonderen anatomischen und func¬ 
tioneilen Verhältnissen der Lunge Zusammenhänge. „Der primäre 
tuberculose Knoten endet ohne Zweifel, sowohl in der Lunge wie irgend 
sonstwo, mit caseöser Entartung seiner ganzen Masse; im pathologisch- 
anatomischen Bilde der Lungenschwindsucht ist aber der genannte Knoten 
(mit seiner bekannten charakteristischen Structur) selten, — ja in ein¬ 
zelnen Fällen ganz selten — während der Haupttheil des Materiales, 


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Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes, 


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welches zusammen mit dem Lungenparenchym, in dem es sich befindet, 
der Verkäsung anheimfällt, pneumonistisches Material ist, welches die 
Alveolen ausfüllt. Die Ursache der für die Schwindsucht charakteristischen 
Zerstörung liegt in der Nekrose der erwähnten Herde, gleichgiltig, ob es 
sich um kleine zahlreiche zusammenfliessende oder um voluminöse Herde 
in Form einer Hepatisation, an welcher das occupirte Parenchym be¬ 
theiligt ist, handelt. 

Der Entstehungsmechanismus der Nekrose besteht darin, dass in 
diesen Herden, insofern dieselben aus Lungenparenchym und aus mit 
festem Material ausgefüllten Alveolen gebildet sind, die respiratorischen 
Bewegungen eine allmählich zunehmende Verarmung an Nährraaterial 
aller (Blut- und Lymph-) Nährwege bis zur völligen Ischämie bewirken 
mit der Folge einer Nekrose des Gewebes und des Materials, das in 
demselben localisirt ist. Ich will durchaus nicht ausschliessen, dass 
auch andere Factoren, z. B. Bakterienproducte, mitwirken können, bin 
aber der Ansicht, dass die soeben beschriebene mechanische Wirkung 
die Hauptrolle spielt und an und für sich genügt, um die Nekrose herbei¬ 
zuführen. 

Es liegt somit die Annahme nahe, dass ein Mittel, welches die 
Lunge immobilisirt, so z. B. ein Pleuraerguss oder eine Gasansammlung 
in der Pleura, der Ischämie Vorbeugen und das Eintreten der Nekrose 
hintanhalten wird. Dieses Mittel wird zwar keinen Einfluss auf den 
pathologisch-anatomischen Grundprocess ausüben, dieser wird aber nicht 
zur Phthisis führen, sondern wahrscheinlich mit der Resolution enden, 
während die bereits vorhandenen Continuitätstrennungen und Gewebs¬ 
zerstörungen durch das Collabiren des Organs in die geeignete Lage ge¬ 
bracht werden, um in der gewöhnlichen Art und Weise, d. h. durch 
Bindegewebsneubildung zu vernarben resp. verheilen 44 . 

In weiterer Verfolgung dieser seiner Ansicht führt Forlanini aus: 
„Nach meiner Auffassung wirkt der Pneumothorax weder auf die Erreger 
der Schwindsucht, noch auf die pathologisch-anatomischen Processe, 
welche sie direct hervorrufen; er übt eine einfache hemmende Wirkung 
auf den destructiven Process aus; er heilt nicht— ich meine hier seine 
wesentliche Wirkung — die Phthisis als solche, sondern verhindert, dass 
der Zerstörungsprocess vorschreitet, und befördert nebenbei die Vernarbung 
der bereits vorhandenen Destructionsherde. 44 

Die Einzelheiten dieser coraplicirten Theorie erscheinen uns trotz 
der Arbeit von Riva Rocci durchaus nicht erwiesen. Wir müssen 
es als direct unverständlich bezeichnen, in welcher Weise der Pneumo¬ 
thorax die Ischämie gerade in dem rund um die Tuberkel gelegenen 
Gewebe verhindern soll. Es will uns auch nicht einleuchten, auf welche 
Weise Forlanini den Beweis erbracht hat, dass der Pneumothorax 
nicht direct auf den tuberculösen Grundprocess Einfluss habe, und dies 
umsoweniger als Forlanini zur Bekräftigung seiner Ansicht Beobachtungen 
anführt, durch welche der directc Einfluss der Lungencompression auf 
das Entstehen des Tuberkels selbst erwiesen scheint. So z. B. wenn er 
Späth citirt, der einen Fall von Miliartubereulose mittheilt, bei dem 
bloss im Bereiche eines durch ein Pleuraexsudat comprimirten Lungen- 


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Experitnentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung. 


481 


lappens die sonst überall vorhandenen Miliartuberkel fehlten, oder Autoren 
wie Westenhöfer, Grätz, Deneke u. a., die direct betonen, dass sie 
im Bereiche der Corapression frische tuberculöse Herde vermissten. 
Thatsächlich wird sonst von keinem Autor diese Zweitheilung des tuber- 
culösen Processes als Grundlage der Pneuraothoraxwirkung anerkannt, 
sondern diese Wirkung ganz unabhängig von der Vorstellung Forlanini’s 
über die Entstehung der Phthise auf mehrere andere Momente bezogen, deren 
Wichtigkeit zum grösstenTheile freilich auch von Forlanini anerkannt wird. 

Da in den Anschauungen der Autoren in der Verwerthung dieser 
Momente im Grossen und Ganzen keine wesentlichen Unterschiede be¬ 
stehen, und wir es überhaupt mit keiner ausgebauten Theorie zu thun 
haben, möchten wir bei der Besprechung dieser von den durch That- 
sachen gestützten Vorstellungen selbst ausgehen. Im wesentlichen sind 
es folgende 5 Vorstellungen, die die einzelnen Forscher zur Erklärung 
der günstigen Wirkung des Pneumothorax benützen. Erstens die Ruhig¬ 
stellung der Lungen, zweitens die Corapression, drittens die Circulations- 
veränderungen, viertens die Bindegewebswucherung und fünftens die 
Verminderung des Sauerstoffgehaltes der Lunge. 

ad 1. Ruhigstcllung der Lunge war die Idee, von der Murphy 
bei der Anlegung des Pneumothorax ausging. Er dachte sich die günstige 
Wirkung in derselben Weise, wie die Ruhe bei Knochen- und Gelenks¬ 
erkrankungen heilsam wirke und wie überhaupt Schonung des erkrankten 
Organes auch bei Erkrankungen innerer Organe (z. B. Niere und Leber) 
therapeutisch Anwendung finde. Es ist klar, dass Murphy’s Idee in 
dieser Darstellung zwei voneinander unabhängige Factoren einschliesst: 
erstens die mechanische Ruhigstellung, deren günstige Wirkung bei Knochen- 
und Gelenkserkrankungen zweifellos oft gesehen wird, und durch Ver¬ 
meidung von Zerrungen auch bei Lungcnaffectionen nützlich sein könnte 
und zweitens in Verfolgung der Schonungsidee die Verhinderung der 
respiratorischen Function. Insofern diese Function in der Bewegung der 
Respirationsluft besteht, wäre ein solcher Nutzen wieder mechanisch 
erklärbar durch Verhinderung der aspiratorischen Verbreitungsmöglichkeit 
des Tuberkelbacillus innerhalb der theilweise erkrankten Lunge. Ganz 
unklar bliebe die Vorstellung, dass die Verhinderung der eigentlichen 
chemischen Function des Gasaustausches die physiologische Schonung 
des kranken Organs kat exochen nützlich sein könnte. Inwiefern die 
Folgen der Aufhebung der respiratorischen Function, der Sauerstoff¬ 
mangel der Lunge, für die Wirkung des Pneumothorax maassgebend 
sein können, soll später noch in einem eigenen Abschnitt besprochen 
werden. Auf die Verhinderung der aspiratorischen Verbreitungsmöglich¬ 
keit durch den Pneumothorax legt besonders Späth grossen Werth, und 
wir finden die Verwerthung dieser Idee bei allen späteren Autoren so vor 
allem bei Brauer, Saugmann, Klemperer und bei Forlanini selbst. 
Shingu führte auf Anregung von Brauer Versuche aus, die die Er¬ 
schwerung der Aspiration durch den Pneumothorax direct erweisen. Wenn 
er Kaninchen Russ inhaliren liess, denen er vorher einen einseitigen 
Pneumothorax angelegt hatte, fand er in der comprirairten Lunge wenig 
oder fast gar keine Russpartikelchen. 


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Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes, 


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ad 2. Auch auf die Compression als solche legte Brauer bei der 
Erklärung der Wirkung des Pneumothorax grosses Gewicht. Die Com¬ 
pression verkleinere die Hohlräume eventueller Cavernen und erleichtere 
die Ausheilung dadurch, dass sie das Zusamraensinken der erkrankten 
Wände ermögliche. Von vornherein erscheint diese Ansicht nicht ganz 
klar. Vom chirurgischen Standpunkt müssten wir uns bemühen, dem 
Secrete Abfluss zu verschaffen und ob durch die Compression des Ge¬ 
webes die Abflussbedingungen erleichtert oder erschwert werden, ist 
wohl kaum einheitlich zu beantworten. 

ad 3. Wohl in keinem Punkte, der uns hier interessirt, sind die 
Ansichten der einzelnen Autoren über die Wirkung des Pneumothorax 
so getheilt, als in der Frage der Veränderung der Blutcirculation durch 
den Pneumothorax. Vor der therapeutischen Anwendung des Pneumo¬ 
thorax war bis in die letzten Jahre die Lehre eigentlich allgemein, 
dass durch die Compression die Circulation in den Lungen begünstigt 
werde. Es stützte sich diese Ansicht vor allem auf die Versuche 
von Poiseuille, Quincke und Pfeiffer, Funke und Latschen¬ 
berger. Seit 1877 verlor sie durch die Untersuchungen d’Arson val’s, 
Lichthcim’s, deJager’s, Zuntz’, Heger’s und Spehl’s ihren wissen¬ 
schaftlichen Boden und 1903 konnte Tigerstedt in seiner zusamraen- 
fassenden Darstellung des Gegenstandes in den Ergebnissen der Physiologie 
sagen, dass es „nunmehr als endgültig festgestellt zu erachten sei, dass 
sich die Lungengefässe bei der natürlichen Inspiration erweitern und bei 
der natürlichen Exspiration verengern 44 . Freilich suchte Sakur dementgegen 
durch geistvolle indirecte Beweise die alte Lehre von Poiseuille wieder 
zu Ehren zu bringen, und Sauerbruch stützte auf diese Annahme eine 
Erklärung der hochgradigen Dyspnoe, die der Entstehung ^incs offenen 
Pneumothorax folgt, aber es schienen alle diese indirecten Beweise end- 
giltig widerlegt, als es Bruns gelang, direct nachzuweisen, dass der 
Blutgehalt der comprimirten Lungen ganz bedeutend herabgesetzt sei. 
Er bestimmte unter Einhaltung grosser Vorsichtsraaassregeln bei Kaninchen 
den Blutgehalt der durch offenen oder geschlossenen Pneumothorax com¬ 
primirten und der nichtcomprimirten Lunge und konnte nachweisen, dass 
der Blutgehalt der comprimirten Lunge bedeutend geringer sei als der 
Blutgehalt der nichtcomprimirten Lunge. Damit schien die Sache er¬ 
ledigt, zumal die aprioristische Vorstellung auch dafür sprach, dass bei 
der Compression der Lungen als Ganzes auch die Capillaren mit com- 
primirt werden müssten, wodurch einerseits der Blutgehalt der Lungen 
vermindert würde und andererseits dem Blutkreislauf ein grösserer Wider¬ 
stand entgegengesetzt werde. 

In jüngster Zeit nahm Cloetta die Frage wieder auf und beant¬ 
wortete sie auf Grund seiner Versuche wieder im entgegengesetzten 
Sinne. Nach ihm erscheine schon a priori die Idee wahrscheinlich, 
dass nach Wegfall des Zuges, der die normale Lunge ausdehne, die aus¬ 
gezogenen und in Folge dessen verengten Capillaren eine weitere Lichtung 
annehmen müssten. Durch Blutdruckmessungen konnte er nachweisen, 
dass, wenn er eine Lunge im Plethysmographen comprimirte, der Blut¬ 
druck in der Carotis steige, und er schliesst, dass dadurch erwiesen sei, dass 


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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung. 


483 


die Compression der einen Lunge das Durehfliessen des Blutes erleichtert 
habe, wodurch dem linken Herzen mehr Blut zugeströmt sei. Dieser 
Umstand sei die Ursache der Blutdruckerhöhung. Auch die Thatsache, 
dass die ausgedehnte Lunge im Plethysmographen geringere Puls¬ 
schwankungen zeigt als die collabirte, spreche dafür, dass die Durch¬ 
blutung der collabirten Lunge besser sei als die der ausgedehnten. Die 
Verminderung des Blutgehaltes der Lunge beweise nichts für eine Er¬ 
schwerung des Kreislaufes. Ausserdem konnte er sie in seinen Versuchen 
nicht finden. Wir müssen gestehen, dass die Experimente und Dar¬ 
legungen Cloetta’s wohl geeignet sind, die Beweiskraft der Unter¬ 
suchungen Bruns’ zu erschüttern, insoweit als er berechtigt zu sein 
glaubte, aus der Anämie der Lungen auf eine Erschwerung der Circu- 
lation zu schliessen, halten es aber doch für möglich, dass bei der 
hochgradigen Compression, die im geschlossenen Pneumothorax er¬ 
zielt wird, thatsächlich ein Circulationshinderniss geschaffen werde, doch 
müssen wir gestehen, dass diese Ansicht nicht bewiesen ist. Anderer¬ 
seits müssen wir aber die von Bruns gefundene Thatsache, dass beim 
geschlossenen Pneumothorax die comprirairte Lunge weniger Blut enthält 
als die andere, trotz der gegentheiligen Erfahrung, die Cloetta unter 
anderen Versuchsbedingungen machte, als sichergestellt anerkennen. Von 
noch grösserer Bedeutung als die Circulationsverhältnisse des Blutes er¬ 
scheint für die Auffassung der Wirkungsweise des Pneumothorax die 
Frage, ob der Lymphabfluss gestört sei. Nach allen aprioristischen Vor¬ 
stellungen über die fördernde Wirkung der Respiration auf den Lymph- 
strom, sowie namentlich auf Grundlage der Versuchsergebnisse von 
Shingu müssen wir wohl annehmen, dass der Lymphabfluss und damit 
die Resorption in den Lungen durch den Pneumothorax gestört sei. 
Shingu konnte nämlich nach weisen, dass eingeathmete Russpartikelchen 
in einer comprimirten Lunge viel länger im Gewebe zurückgehalten 
werden als in der nichtcomprirairten und führte diese Thatsache mit 
Recht auf den verlangsamten Lymphstrom zurück. Auch Meyerstein 
konnte in einer erst kürzlich erschienenen Arbeit den directen Nachweis 
erbringen, dass durch starke Compression der Lungen die Resorptions¬ 
bedingungen in denselben verschlechtert werden. Brauer verwendete 
diese Idee zu der Annahme, dass in der comprimirten Lunge die Re¬ 
sorption der Toxine gehemmt sei. Diese Hemmung der Resorption habe 
zwei Wirkungen: erstens die Wirkung auf den Gesammtorganismus, das 
Toxin gelange aus den kranken Herden nicht in den Kreislauf, die 
Schädigungen des gesammten Organismus sistiren in Folge dessen, Fieber, 
Schweisse, Appetitlosigkeit und Abmagerung hören auf und dadurch 
werde der ganze Kräftezustand des Organismus gehoben, in zweiter 
Linie rege das in der kranken Lunge angehäufte Toxin rund um die 
kranken Herde eine Bindegewebswucherung an, die diese einkapsle 
und der Heilung zuführe. Daus eombinirt diese Theorie Brauer’s mit 
der Lehre Auclaire’s, dass der Tuberkelbacillus 2 Toxine erzeuge: ein 
caseogenes und ein sklerogenes, und nimmt an, dass durch den Pneumo¬ 
thorax die Lebensbedingungen des Tuberkelbacillus dahin geändert werden, 
dass er mehr sklerogenes Toxin producire. — Brauer stützt seine Idee, 


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Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes, 


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abgesehen von den schon erwähnten Versuchen Sh in gu’s, auf die Resul¬ 
tate von durch zahlreiche Autoren mitgetheilten Obductionen. Späth, 
Pallasse, Westenhöfer, Saugmann und Hansen, Warneke, 
Galiard, Steinbach und noch viele Andere fanden, dass in den Fällen, 
wo eine Lunge durch ein Exsudat oder durch einen Pneumothorax com- 
prirairt wurde, in dieser Lunge massenhaft Bindegewebe um die Bronchien 
und um die Gefässe entstehen und vielfach war auch schon vor Forlanini 
geäussert worden, dass in diesen bindegewebigen Wucherungen ein Zeichen 
einer Ausheilungstendenz zu erblicken sei, zumal auch klinisch vielfach 
auffallende Besserungen der Lungentuberculose nach Ueberstehen einer 
exsudativen Pleuritis resp. natürlichen Pneumothorax beobachtet worden 
war (Stokes, Richter, Traube, Heitler, Lebert, Toussaint, 
Dräsche, Adams, Spengler, Bäumler und viele Andere). Die That- 
sache der Bindegewebswucherung steht ausser Zweifel, und es ist nur 
fraglich, ob sie auf dem Wege erfolgt, den Brauer annimmt oder auf 
einem anderen directeren Wege. Da die Entstehung dieser bindegewebigen 
Wucherungen beim Pneumothorax in ihrer Ursache nicht aufgeklärt ist, 
führen wir sie, um nicht in einer Richtung präjudiciren zu müssen, ein¬ 
fach als vierte wesentliche Folge des Pneumothorax an. 

ad 4. Maassgebend für diese unsere Anschauung waren folgende 
Thatsachen: Bruns war es in seinen Thierversuchen gelungen, durch 
einfachen Pneumothorax ohne tuberculöse Infection in den Lungen Pro¬ 
duction von Bindegewebe anzuregen. Dieselbe Thatsache beschreibt 
Kaufmann in einem Versuche am Hunde, bei dem ihm die Infection 
mit Tuberkelbacillen missglückt war, bei dem aber trotzdem bloss als 
Folge des Pneumothorax starke Bindegewebswucherung auftrat. Es er¬ 
scheint in Folge dessen sehr unwahrscheinlich, dass beim kranken 
Thier die Anregung zur Bindegewebswucherung von den Giften des 
Tuberkelbacillus herrühren sollte. Es hat die Auffassung in dieser Frage 
insofern eine wesentliche Bedeutung, als wir nach unserer Auffassung in 
der Bindegewebswucherung kein Zeichen der Heilungstendenz erblicken 
können. Es wäre aber wohl möglich, in ihr die Ursache der Ausheilung 
zu erblicken. Bruns führte die Bindegewebswucherung auf die geänderten 
Circulationsverhältnisse zurück, und thatsächlich können sowohl arterielle 
Anämie als venöse Stauung in den betroffenen Gebieten Bindegewebs¬ 
vermehrung hervorrufen (Tiegel). Wir halten diese Beziehung aber 
für sehr fraglich, weil einerseits die Aenderung der Circulations¬ 
verhältnisse nicht ganz feststeht und andererseits die Bindegewebs¬ 
wucherung von der Pleura ihren Ausgang zu nehmen scheint, ln unseren 
später zu beschreibenden Versuchen sahen wir fast durchweg nur an der 
Pleura bindegewebige Wucherung und müssen uns wohl vorstellen, dass 
eine directe Reizung der Pleura für diese Wucherung ätiologisch verant¬ 
wortlich ist. Es ist in dieser Beziehung ausserordentlich interessant, 
dass in sämmtlichen Fällen, die in der Literatur mitgetheilt sind, bei 
denen die Compression der Lunge zu einer starken Bindegewebswucherung 
geführt hat, eine exsudative Pleuritis meist sogar eitriger Natur voraus¬ 
gegangen war. Es sind das sowohl die autoptischen Befunde in den 
Fällen von spontanem Pneumothorax (Dräsche, Späth, Warneke u. A.), 


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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung. 


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als auch die Fälle, wo therapeutisch ein Pneumothorax angelegt worden 
war (Grätz, Saugmann, ßuckhardt, Kistler u. A.). 

ad 5. Schon von Späth ist auch auf den Sauerstoffmangel in der 
comprimirten Lunge hingewiesen worden, der als wesentliches Moment 
die günstige Wirkung der Compression erklären könnte, da durch ihn die 
Lebensbedingungen des Tuberkelbacillus wesentlich erschwert werden. 
Diese Idee erscheint ausserordentlich einleuchtend, da der Tuberkel¬ 
bacillus ein ganz ausserordentlich hohes Sauerstoffbedürfnis hat. Es 
könnte in dieser Beziehung auch der Umstand verwerthet werden, dass 
die sauerstoffreiche Lunge der Lieblingssitz tuberculöser Affectionen ist. 
Wenn andererseits auch zugegeben werden muss, dass auch andere 
Organe, die der atmosphärischen Luft nicht zugänglich sind, häufig an 
Tuberculose erkranken, so wäre es immerhin möglich, dass der Sauer¬ 
stoffgehalt der comprimirten Lunge ein wesentlich geringerer wäre als 
der jedes anderen Organes, da die Lungen ihr Blut zum grössten Theile 
aus dem mit venösem Blut gefüllten rechten Herzen beziehen. Obzwar 
Forlanini jede directe Beeinflussung des Tuberkelbacillus durch den 
Pneumothorax negirt, sehen wir doch, dass unter den späteren Autoren 
viele die Idee Späth’s in ihren Schlüssen verwerthen, wie Deneke, 
Saugmann. 

Wenn wir nun alle diese Vorstellungen und Thatsachen überblicken, 
so ergiebt sich, dass wir aus ihnen einen sicheren Schluss auf die 
Wirkung des Pneumothorax auf initiale Fälle nicht ziehen können. Viele, 
vielleicht wesentliche Punkte kommen nur für die Ausheilung schwerer 
Fälle in Betracht, wie z. B. die Compression der Cavernen, die Hebung 
des Allgemeinbefindens durch Verminderung der Toxinresorption, und es 
wäre durchaus möglich, dass die günstige Beeinflussung des Lungenherdes 
Folge dieser Besserung des Allgeraeinzustandes wäre, eine Vorstellung, 
die sich fast unabweislich aufdrängt, wenn wir sehen, dass auch der 
tuberculose Process an der nichtcomprimirten Lunge durch den Pneumo¬ 
thorax oft günstig beeinflusst wird. Aus der günstigen Beeinflussung 
schwerer Fälle folgt also durchaus nicht nothwendig eine ebenso günstige 
Beeinflussung initialer Fälle. Dagegen müsste man annehmen, dass 
z. B. die Unmöglichkeit der Aspiration auch in initialen Fällen ein 
Fortschreiten verhindern könnte, dass die Bindegewebswucherung auch 
den initialen Fall zur Ausheilung bringen könnte und dass vor Allem 
eine Beeinträchtigung der Lebensbedingungen des Tuberkelbacillus gerade 
im Beginn der Affection den grössten Nutzen stiften müsste. 

Jedoch alle diese Vorstellungen sind unbewiesen. Einen directen 
Beweis für den Einfluss der Lungencompression auf den frischen Process 
geben einzig und allein die pathologisch-anatomischen Befunde, in denen 
auf den Mangel frischer Herde in der comprimirten Lunge hingewiesen 
wird, und namentlich der interessante und mehrfach citirte Befund 
Späth’s, der bei einer allgemeinen Miliartuberculose nur in einem durch 
ein Pleuraexsudat comprimirten Lungenlappen das Auftreten miliarer 
Tuberkel vermisste. Ganz eindeutig sind aber diese Befunde für unsere 
Frage auch nicht. Abgesehen von der geringen Zahl der Fälle war in 
allen diesen Fällen das Gewebe durch die dauernde Compression so ver- 

Zeiteohrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 32 


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ändert, dass sie für die directe Wirkung des Pneumothorax auf frische 
Lungenherde von geringerer Beweiskraft sind. Immerhin regen sie zu 
der Verrouthung an, dass im bindegewebig veränderten Lungengewebe 
frische tuberculöse Affectionen nicht leicht entstehen. 

Alle diese Ueberlegungen riefen bei uns für die Behandlung leichterer 
Fälle eine enorme Unsicherheit in der Indicationsstellung hervor und 
weckten in uns das Bedürfnis, durch directe Untersuchungen im Thier¬ 
experiment Sicherheit über die Frage zu erlangen, ob der Pneumothorax 
auf den frischen tuberculösen Process eine directe Wirkung habe. Wir 
fühlten diese Nothwendigkeit umsomehr als sich trotz Forlanini’s 
gegenteiliger Ansicht die Vorstellung, dass der Pneumothorax direct auf 
die Lebensfähigkeit der Bacillen wirke, nicht unterdrücken liess und in 
uns grosse Hoffnungen auf die Leistungsfähigkeit der Behandlungsmethode 
erweckte. Directe Untersuchungen ähnlicher Art fanden wir in der 
Literatur nicht vor, dagegen existircn sehr interessante Thierexperimente 
von Rubel über die Einwirkung der Immobilisirung der Thoraxwand 
einer Seite auf die Lungentuberculose und ein missglückter Versuch von 
Kaufmann beim Hunde, der in der Anlage unseren Kaninchenversuchen 
glich, jedoch dadurch missglückte, dass das Thier sich für die Infection 
unempfänglich zeigte. 

Unsere Untersuchungen betrafen Kaninchen und wurden zunächst in 
folgender Weise ausgeführt: Wir erzeugten mit Hülfe eines kleinen 
Modells des gewöhnlichen Zweiflaschenapparates nach der Forlanini- 
schen Stichraethode mit dem stumpfen Salomon’sehen Katheter bei 
den Thieren gleich in der ersten Sitzung einen vollständigen Pneumo¬ 
thorax, was sehr leicht gelang, wie die radiologische Untersuchung zeigte 
und in einzelnen kurz nach der Einblasung eingetretenen Todesfällen die 
autoptische Untersuchung bestätigte, und inficirten dann die Thiere intra¬ 
venös von der Ohrvene aus mit einem halben Kubikcentimeter einer dichten 
Bacillenemulsion. Der Pneumothorax wurde durch Nachfüllungen bis zum 
Tode aufrecht erhalten. Zur Infection verwendeten wir kaninchenvirulente 
Bacillen vom Typus bovinus und humanus. Die histologische Unter¬ 
suchung der anatomischen Präparate erfolgte nach Färbung mit Eosin- 
Hämatoxylin, mit den Methoden von van Gieson und Weigert (Elastica- 
färbung) und nach Ziehl-Nielsen [Bacillenfärbung 1 )]. 

Die Resultate zeigen folgende Versuchsprotokolle: 

Versuche mit intravenöser Infection. 

I. Versuche mit Bacillus bovinus. 

Kaninchen I, 2325 g Gewicht, Pneumothorax am 8. 10. rechts mit 45 ccm 
Stickstoff, 1 Stunde nachher 1 / 2 ccm einer dichten Bacillenaufschwemmung. Nach¬ 
füllungen erfolgten am 10. 10. 51 ccm, am 13. 10. 52 ccm, am 16. 10. 53 ccm, 

am 18. 10. 53 ccm, am 21. 10. 58 ccm, am 24. 10. 48 ccm. 10 Minuten nachher 

Tod. Während der Behandlung magert das Thier ab und wiegt am 24. 10. 1750 g. 

1) Bei der Anlegung des Pneumothorax ist bei den zarten Thieren grosse Vor¬ 
sicht geboten, da bei etwas zu grossem Ueberdruck leicht auch die zweite Lunge 
comprimirt wird und die Thiere dann sofort zu Grunde gehen. Wir vermieden daher 
die Anwendung des Gebläses und liesscn den Stickstoff bloss durch Wasserüberdruck 
von mehreren Centimetern zulliessen. 


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Anatomischer Befund: Tuberculose beider Lungen. Gewicht der rechten 
Lunge 10,85 g. Gewicht der linken Lunge 9,75 g. 

Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: Vollständige Compression, zahl¬ 
reiche grosse Tuberkel mit starker Verkäsung und reichlichen Tuberkelbacillen, 
Bronchien mit eitrigem Sputum gefüllt, Pleura stark verdickt, sonst nirgends Ver¬ 
mehrung des Bindegewebes. — Linke Lunge ebenso mit grossen verkästen Tuberkeln 
durchsetzt, Pleura auch stellenweise, aber weniger verdickt, Bronchien weniger gefüllt. 

Kaninchen V, 1157 g Gewicht, bekommt am 8. 10. Pneumothorax links 41 ccm, 

1 Stunde später 1 / 2 ccm Tuberkelbacillenemulsion in die Ohrvenen. Weitere In- 
sufflationen am 10. 10. 35 ccm, am 13. 10. 33 ccm, am 16. 10. 30 ccm, am 18. 10. 
30 ccm, am 21. 10. 34 ccm, am 24. 10. 30 ccm, am 26. 10. 39 ccm, einige Stunden 
später Tod. Starke Abmagerung des Thieres bis auf 960 g. 

Anatomischer Befund: Tuberculose beider Lungen. 

Mikroskopischer Befund: Linke Lunge vollständig comprimirt, in beiden 
Lungen zahlreiche verkäste Tuberkel. In keiner Lunge Vermehrung des Binde¬ 
gewebes, keine Pleuraverdickung. In der comprimirten Lunge eine adenomartige An¬ 
häufung kleiner mit kubischem Epithel ausgekleideter Hohlräume, wie sie Warnecke 
in einem Fall von arteüciellem Pneumothorax auf der comprimirten Seite fand und 
wie sie von vielen Anatomen in kranken Lungen gesehen wurden. 

Zwei Thiere dieser Reihe (No. II und IV) verendeten sofort nach der intra¬ 
venösen Injection (offenbar an Luftembolie?), ein drittes Thier (No. VI) ohne nach¬ 
weisbare Ursache einige Stunden nach Anlegung des Pneumothorax. Bei diesemThier 
fand sich in der nichtcomprimirten rechten Lunge ein kleiner Infarkt, die linke Lunge 
war vollständig comprimirt. 

Die Kaninchen VII und VIII wurden als Controlthiere mit je J / 2 ccm Ba- 
cillenaufschwemmung inficirt. 

Thier VII, Gewicht 1565 g. Infection am 8.10., Tod am 1.11. Starke Gewichts¬ 
abnahme bis 1180 g. 

Anatomischer Befund: Reohte Lunge 5,51g. — Linke Lunge 3,70 g, 
beiderseits schwere Tuberculose. 

Mikroskopischer Befund: Viele epitheliale und verkäste Tuberkel in 
beiden Lungen, Bronchien frei, Pleura auf beiden Seiten zart. 

Thier VIII, Gewicht 1685g. Infection 8.10., Tod am 30.10. Geringe Gewichts¬ 
abnahme bis 1620 g. 

Anatomischer Befund: Beiderseits zahlreiche tuberculose Knoten. 

Mikroskopischer Befund: Zahlreiche grosse, verkäste Tuberkel mit 
massenhaften Bacillen. Bronchien frei, keine Pleuraverdickung. 

II. Versuchsreihe mit einem anderen Bovinusstamm. 

Thier IX, 1390g schwer, linksseitiger Pneumothorax am 22.10. 45 ccm. Sofort 
nachher Infection mit 1 / 2 ccm Bacillenemulsion. Weitere Insufflationen am 24. 10. 
38 ccm, am 26. 10. 35 com, am 27. 10. 35 ccm, am 28. 10. 35 ccm, am 29. 10. 
gestorben. Rechte Lunge 5,44 ccm, linke Lunge 2,17 ccm, beide Lungen anatomisch 
und histologisch normal. Linke Lunge vollständig comprimirt. 

Thier XI, 1000g schwer, wurde zunächst als Controlthier behandelt. Es wurde 
am 22. 10. intravenös inficirt (*/ 2 ccm). Vom 29. 11. an wurde es auf der rechten 
Seite mit Pneumothorax behandelt: am 29. 11. 50 ccm, am 2. 12. 40 ccm, am 4. 12. 
45 ccm, am 6. 12. 38 ccm, am 8. 12. 36 ccm, am 10. 12. 42 ccm, am 12. 12. 40ccm, 
am 14. 12. 39 ccm, am 16. 12. 43 ccm. 10 Minuten später Exitus. 

Obductionsbefund: Rechte Lunge (206g) in allen Lappen ziemlich grosse 
Knoten. Ober- und Mittellappen miteinander verlöthet. — Linke Lunge (3,13 g) frei. 

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Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge gut comprimirt, zahlreiche sehr 
grosse Tuberkel, Verkäsung. Pleura verdickt, in den Bronchien etwas zölliger Inhalt. 
— Linke Lunge: sehr viele, grosse Tuberkel, Pleura zart, Bronchien leer. 

Thier XIII, 1190g schwer, am 22. 10. linksseitiger Pneumothorax, nachher 
V 2 ccm Bacillenemulsion intravenös. Nachfüllungen am 24. 10. 30 ccm, am 26. 10. 
27 ccm, am 27. 10. 29 ccm, am 28. 10. 30 ccm, am 29. 10. Exitus. 

Obductionsbefund: Linke Lunge (1,52 g), rechte Lunge (3,12 g). Beider¬ 
seits anatomisch und histologisch keine Tuberculose, links stellenweise leichte 
Pleuraverdickung. Linke Lunge vollständig comprimirt. 

Thier XIV, 1070 g schwer. Am 22.10. rechts Pneumothorax mit 46 ccm. 
Hierauf intravenöse Injection von l / 2 ccm Bacillenemulsion. Die weiteren Einbla¬ 
sungen erfolgten am 24. 10. 43 ccm, am 26. 10. 33 ccm, am 27. 10. 35 ccm, am 
28. 10. 37 ccm, am 29. 10. 22 ccm, am 31. 10. 25 ccm, am 1. 11. 32 ccm, am 
3. 11. 30 ccm, am 6. 11. 34 ccm, am 8. 11. 42 ccm, am 10. 11. 45 ccm, am 12. 11. 
39 ccm, am 15. 11. 35 ccm. 1 / 2 Stunde nachher Tod. 

Obductionsbefund: Rechte Lunge (2,28g schwer) comprimirt, in allen 
Lappen zahlreiche Tuberkelknoten. — Linke Lunge (3,43 g schwer) zeigt im unteren 
Theil des Oberlappens 3 tuberculose Knötchen. 

Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge gut comprimirt, im Gewebe ohne 
deutliche Abgrenzung kleine Tuberkel mit beginnender Verkäsung und reichlichen 
Bacillen. Keine Bindegewebsvermehrung, geringe Verdickung der Pleura. In der 
linken Lunge ebensolche Tuberkel wie rechts, keine Vermehrung des Bindegewebes, 
keine Verdickung der Pleura. 

III. Versuchsreihe mit einem Humanusstamm. 

Thier IV, 1550g schwer, am 27. 12. linksseitig Pneumothorax 50 ccm, nachher 
intravenöse Infection. Nachfüllungen am 29.12. 38 ccm, am 31.12. 40 ccm, am 
1. 1. Tod. 

Obductionsbefund: Pericarditis exsudativa. Linke Lunge 4,14 g. — Rechte 
Lunge 8,45 g. Makroskopisch an den Lungen kein pathologischer Befund. 

Mikroskopischer Befund: Linke Lunge: Vollkommene Compression, keine 
Pleuraverdickung, keine Bindegewebsvermehrung, Bronchien leer. Oedem. Einzelne 
Tuberkel mit zahlreichen Bacillen. An anderen Orten Bacillen mitten im Gewebe 
ohne deutliche Tuberkelbildung. Zwischen den epitheloiden Zellen deutlich be¬ 
ginnende Verkäsung. In diesem Gewebe zerstreut vereinzelte bacillenbaltigo Lang- 
hans’sche Riesenzellen. — Rechte Lunge: Enorme Hyperämie, nicht gut abgegrenztes 
tuberkulöses Gewebe (wie links) mit Verkäsung, ferner zahlreichen Bacillen und 
Splittern. 

Thier XII, Gewicht 1500 g. Am 27. 12. Pneumothorax links 35 ccm, nachher 
intravenös inficirt. Weitere Einblasungen am 29. 12. 43 ccm, am 31. 12. 39 ccm, 
am 1. 1. 37 ccm, am 3. 1. 40 ccm, am 5. 1. 29 ccm, am 7. 1. 35 ccm, am 9. 1. 
38 ccm, am 11. 1. 40 ccm, sofort darauf Tod. 

Obductionsbefund: Auch im rechten Pleuraraum geringer Pneumothorax, 
doch ist die rechte Lunge nicht wesentlich comprimirt, schwimmt; die linke Lunge 
gut comprimirt, sinkt im Wasser unter. Im Mediastinum keine Verletzung sichtbar. 
Linke Lunge 2,73 g. — Rechte Lunge 7,93 g, auf keiner Seite Tuberculose zu sehen. 

Mikroskopischer Befund: Beide Lungen durchsetzt von miliaren, frischen 
Kpitheloidtuberkeln ohne Verkäsung mit reichlichen Bacillen. In den Bronchien 
beiderseits wenig Sputum. Pleura nirgends verdickt, Vermehrung des Bindegewebes 
nicht vorhanden. 

Thier XV, 750 g schwer, am 27. 12. intravenöse Infection. Am 18. 1. Tod. 
Controlthier. 


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Obductionsbefund: Linke Lunge 5,40g, rechteLunge 7,10g, in beiden Lungen 
schwere Miliartuberculose, im rechten Oberlappen einzelne grössere Knoten. 

Mikroskopischer Befund: Beide Lungen durchsetzt von miliaren, theilweise 
verkästen Tuberkeln, kein auffallendes Bindegewebe, Pleura an beiden Lungen zart. 
Tuberkel stellenweise dicht unter der Pleura. Zahlreiche Bacillen in den frischen und 
in den verkästen Tuberkeln. 

Die Kaninchen Nr. XIV und XVI gingen sofort nach der Infection zu Grunde. 

IV. Versuchsreihe mit Bacillus bovinus. 

Die Thiere der 4. Reihe (C) wurden wieder mit Bacillus bovinus (je 1 / 2 ‘ ccm 
einer Emulsion) inficirt (46 ccm N). 

Kaninchen IV, 2220 g schwer, Pneumothorax am 3. 1. links, nachher Infection. 
Nachfüllungen: am 5. 1. 40 ccm, am 7.1. 38 com, am 9.1. 42 ccm, am 12. 1. 41 ccm, 
am 15. 1. 37 ccm, am 17. 1. 30 ccm. Bald nachher verendet. 

Obductionsbefund: Linke Lunge (3,70 g) gut comprimirt, im Oberlappen ein 
tuberculöser Herd, rechte Lunge (6,65 g) ohne pathologischen Befund. 

Mikroskopischer Befund: Beide Lungen normal,Pleuren zart,Bronchien leer. 
Die histologischen Schnitte waren auf der linken Seite nicht durch den tuberculösen 
Knoten geführt worden. 

Thier X, Gewicht 1480 g, linksseitiger Pneumothorax am 3. 1. (50 ccm N), 
nachher Infection. Nachfüllungen von Stickstoff am 5. 1. 43 ccm, am 7. 1. 45 ccm, 
am 9. 1. 41 ccm, am 12. 1. 40 ccm, am 15. 1. 38 ccm, am 19. I. 42 com. Ver¬ 
endete am 20. 1. 

Obductionsbefund: Linke Lunge (3,0 g) gut comprimirt, zeigt besonders im 
Unterlappen Tuberculose in grösseren Knoten, aber auch nach Art der miliaren 
Knötchen. Pleurale Verdickungen. In der rechten Lunge (9,12 g) keine Tuberculose 
sichtbar. 

Mikroskopischer Befund: Links in Schnitten aus einem Knoten'viele miliare 
Tuberkel mit Bacillen meist in Riesenzellen, keine Bindegewebsvermehrung, Pleura 
stellenweise verdickt, rechts kein pathologischer Befund. 

Thier XVI, 2270 g schwer, am 3. 1. Pneumothorax rechts (45 ccm N), gleich 
nachher Infection. Nachfüllungen: am 5. 1. 32 ccm, am 7. 1. 38 ccm, am 9. 1. 
41 ccm, am 12. 1. 40 ccm, am 15. 1. 35 ccm, am 19. 1. 30 ccm. 5 Minuten 
nachher Tod. 

Obductionsbefund: Mediastinum stark nach links verdrängt. Linke Lunge 
(4,50 g): keine Tuberculose, rechte Lunge (2,94 g): im Ober-, Mittel- und Unterlappen 
spärlich kleine Herde. 

Mikroskopischer Befund: RechteLunge comprimirt, Pleura etwas verdickt, 
sonst beiderseits anscheinend normale Verhältnisse. Die makroskopisch gesehenen 
Herde waren in den Schnitten offenbar nicht getroffen worden. 

Alle diese Versuche ergeben übereinstimmend, dass der Pneumothorax 
das Auftreten der Tuberculose bei intravenöser Infection nicht zu ver¬ 
hindern vermag. Es zeigte sich sogar in den meisten Fällen, dass die 
Tuberculose in den comprimirten Lungen weiter vorgeschritten und aus¬ 
gebreiteter war als in den anderen. Dabei zeigte sich, dass nach intra¬ 
venöser Infection sehr oft auch eine ausgebreitete Phthise erfolgt. Auf¬ 
fallend ist auch in einzelnen Fällen das enorm frühzeitige Auftreten nach¬ 
weisbarer tuberculöser Veränderungen. Es ist nicht unmöglich, dass die 
stärkere Ausbreitung des tuberculösen Processes in den comprimirten 
Lungen auf die schlechtere Resorption (Shingu, Rubel) in den Lungen 
zurückzuführen ist. Unsere Thiere lebten meist nicht sehr lange, doch 


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konnten wir auch bei den Thieren, die bis zu 37o Wochen lebten, eine binde¬ 
gewebige Einkapselung der Herde nicht beobachten. Es war überhaupt 
in den comprirairten Lungen nur wenig Bindegewebswucherung zu be¬ 
merken, nur die Pleura war in fast allen Fällen an der Pneuroothorax- 
seite deutlich verdickt, oft waren pleurale Adhäsionen zu constatiren. Bei 
der Elasticafärbung zeigte sich keine Veränderung der elastischen Fasern. 
Auffallend war in fast allen Fällen der grosse Gewichtsunterschied 
zwischen der comprimirten Lunge und der nicht comprimirten. Ohne 
diesbezüglich genauere Untersuchungen gemacht zu haben, möchten auch 
wir in diesen Fällen den geringeren Blutgehalt der comprimirten Lunge 
dafür verantwortlich machen, wie es Bruns bei nicht inficirten nachwies. 
Das grössere Normalgewicht der rechten Lunge muss bei diesen Vergleichen 
natürlich immer berücksichtigt werden. 

Die vollständige Compression der Lunge war also nicht im Stande, 
das Auftreten schwerer Tuberculose nach intravenöser Infection zu ver¬ 
hüten. Die Idee, dass die Compression der Lunge die Lebensbedingungen 
des Tuberkelbacillus soweit erschwere, dass sie eine Erkrankung unmöglich 
mache, wurde durch die thatsächlichen Beobachtungen nicht bestätigt. 

Von wesentlicher Wichtigkeit für unser Grundthema erschien uns jetzt 
die Frage, ob die Verhinderung der Aspiration, die durch die Compression 
der Lunge herbeigeführt werden soll, soweit wirksam wäre, dass sie im 
Stande wäre, bei trachealer Infection die Erkrankung der comprimirten 
Lunge zu verhindern oder wenigstens zu mildern. Zur Beantwortung 
dieser Frage inficirten wir eine Reihe von Thieren nach Anlegung eines 
completen Pneumothorax durch lnjection eines halben Cubikcentimeters 
einer Bacillenemulsion in die Trachea (nach Blosslegung derselben). Zur 
Infection verwendeten wir so wie bei den venösen Infectionen Bovinus- 
und Huraanusstämme. Die Resultate ergeben folgende Protokolle: 

Versuche mit trachealer Infection. 

I. Versuchsreihe (Bacillus bovinus). 

Thier IIIA, Gewicht 1895 g, am 7. 11 rechts 40 ccm N, nachher tracheale 
Infection. Füllungen: am 8. 11. 57 ccm, am 10. 11, 58 ccm, am 12. 11. 48 ccm, 
am 15. 11. 50 ccm, am 17. 11. 35 ccm, am 19. 11. 40 ccm, am 21. 11. 50 ccm, 
am 24. 11. 52 ccm, am 26. 11. 55 ccm, am 29. 11. 35 ccm, am 2. 12. 35 ccm, 
am 4. 12. 40 ccm, am 6. 12. 40 ccm, am 8. 12. 36 ccm. Am 9. 12. Tod. 

Obductionsbefund: Rechte Lunge (3,93 g schwer): starke Compression, grosser 
tuberculöser Knoten im Mittellappen, Verdickung der Pleura. Linke Lunge (5,47 g) 
zeigt keine Tuberculose. Emphysem des Mediastinums. 

Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: in dem grossen Knoten diffuse 
Tuberculose mit Verkäsung und zahlreichen Bacillen, Bronchien massig gefüllt, 
Bindegewebe nicht vermehrt, Pleura stark verdickt. Linke Lunge: Emphysem, keine 
Tuberculose. 

Thier IVA, 2250 g schwer, am 7. 11. Pneumothorax links 50 ccm, am 8. 11. 
39 ccm, am 10. 11. 42 ccm, am 12. 11. 39 ccm, am 15. 11. 45 ccm, am 17. 11. 
36 ccm, am 19. 11. 40 ccm, am 21. 11. 43 ccm, am 24. 11. 43 ccm, am 26. 11. 
47 ccm, am 29. 11. 52 ccm, am 2. 12. 35 ccm, am 4. 12. 38 ccm, am 6. 12. 40 ccm, 
am 8. 12. 36 ccm, am 10. 12. 38 ccm und Tod. 

Obductionsbefund: Linke Lunge (3,37 g): im Unterlappen ein kleines 


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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung. 


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Knötchen. Mikroskopisch nichts Abnormes. Rechte Lunge makroskopisch und 
mikroskopisch normal. 

Thier V, Controle, Gewioht 1930 g, am 7. 11. Infection intratracheal. Erst am 
19. 1. wurde links ein Pneumothorax angelegt (57 ccm). Nachfüllungen: am 21. 1., 
24. 1., 26. 1., 29. 1., 2. 2., 4. 2., 6. 2., 8. 2., 10. 2., 13. 2., 16. 2., 19. 2. Ver¬ 
endete am 20. 2. 

Obductionsbefund: Linke Lunge 7,22 g, rechte Lunge 10,62 g schwer. 
Beiderseits schwere Infiltration, rechts schwerer als links, besonders stark im rechten 
Unter- und Mittellappen. Plouraverlötungen und Pleuraverdickungen an der linken Lunge. 

Mikroskopischer Befund: In beiden Lungen schwere Pneumonie, keine 
Tuberculose. 


Thier XXI, 1400 g schwer, am 3. 1. rechts Pneumothorax (36 ccm N), nachher 
tracheale Infection. Nachfüllungen: am 5. 1. 35 ccm, am 7. 1. 32 ccm, am 9. 1. 
28 ccm, am 12. 1. 31 ccm, am 15. 1. 34 ccm, am 19. 1. 32 ccm, am 22. 1. 36 ccm. 
Verendete am 24. 1. 

Obductionsbefund: Rechte Lunge (5,12 g): starke Compression. Infiltration 
besonders stark im kleinen Anhangslappen. Pleura etwas verdickt. Linke Lunge 
(3,25 g) zeigt normale Verhältnisse. 

Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: starke Anfüllung der Bronchien 
mit zelligem Inhalt sowohl im Anhangslappen als auch in den übrigen Lappen, doch 
nirgends sichere Zeichen von Tuberculose. Linke Lunge: normaler Befund. 

Thier XXII, Gewicht 1450 g, am 3. 1. rechtsseitiger Pneumothorax. Nach¬ 
füllungen am 5. 1. 35 ccm, am 7. 1. 38 ccm, am 9. 1. 32 ccm, am 12. 1. 34 ccm, am 
15.1. 36 ccm, am 19.1. 40 ccm, am 22.1. 29 ccm, am 26. 1. 32 ccm, am 29.1. 34 ccm, 
am 1. 2. 36 ccm, am 3. 2. 38 ccm, am 5. 2. 32 ccm, am 8. 2. 35 ccm. Sofort Exitus. 

Obductionsbefund: Frische Blutung im rechten Pleuraraum mit vielen 
Coagulis. Verletzung des Herzens. Rechte Lunge (1,80 g) stark comprimirt, zahl¬ 
reiche tuberculose Knoten. Linke Lunge (3,70 g): zahlreiche tuberculose Knoten, an¬ 
scheinend weniger als rechts. 

Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: zahlreiche verkäste Tuberkel, 
starke Verdickung der Pleura, keine Bindegewebsvermehrung, Bronchien leer. Linke 
Lunge: Emphysem, viele verkäste Tuberkel, Pleura zart, Bronchien leer. 

Thier XIX, 910 g Gewicht, tracheale Infection. Controlthier. Verendet am 16.2. 

Obductionsbefund: Rechte Lunge 2,52 g, linke Lunge 2,15 g. In beiden 
Lungen vereinzelte kleine tuberculose Knötchen. 

Mikroskopischer Befund; Rechte Lunge: neben einer Lymphdrüse Riesen¬ 
zellen, leichte Verkäsung in der Umgebung, Bacillen, keine Pleuraverdickung, keine 
Bindegewebsvermehrung. Linke Lunge: keine Tuberculose, Bronchien etwas gefüllt, 
keine Pleuraverdickung, keine Bindegewebsvermehrung. 

n. Versuchsreihe mit Bacillus humanus. 

Thier II (B), 2350 g Gewicht, rechts Pneumothorax am 27. 12. mit 54 ccm N. 
Nachfüllungen am 29. 12. 50 ccm, am 31. 12. 38 ccm, am 1. 1. 40 ccm, am 3. 1. 
46 ccm, am 5. 1. 38 ccm, am 7. 1. 41 ccm, am 9. 1. 40 ccm. Weitere Nachfüllungen 
am 11. 1., 13. 1., 17. 1., 20. 1., 23. 1., 26. 1., 29. 1., 1. 2., 5. 2., 8. 2., 11. 2., 
14. 2., 17. 2., 20. 2., 23. 2. Wurde erst am 5. 3. getödtet. 

Obductionsbefund: Linke Lunge (5,90 g): kleine tuberculose Knoten, rechte 
Lunge (17,60 g) weist schwerste käsige Pneumonie auf. 

Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: schwere käsige Pneumonie, zahl¬ 
reiche, fast ganz verkäste Tuberkel, Bronchien gefüllt, zahlreicheBaoillen,deutlicheBinde- 
gewebswucherung um die Bronchien, von der verdickten Pleura aus ins Lungengewebe 
ziehend. Linke Lunge: einzelne verkäste Tuberkel mit Bacillen, leichte Pleuraverdickung. 


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Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes, 


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Thier III (B), 2270 g schwer, rechts Pneumothorax am 27. 12. mit 56 ccm N. 
Nachfüllungen am 29.12. 46 ccm, am 31.12. 42 ccm, am 1.1. 38 ccm, am 3.1. 41 ccm, 
am 7. 1. 40 ccm, am 10. 1. 42 ccm. 

Obductionsbefund: Starke Vorwölbung der rechten Zwerchfellhälfte gegen 
das Abdomen und des Mediastinums nach links. Rechte Lunge (5,77 g): schwere 
Tuberculose in allen Lappen, linke Lunge (7,44g): nur im unteren Theil des Oberlappens 
tuberculöse Knoten. 

Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: diffuses tuberculöses Gewebe mit 
Riesenzellen und Tuberkelbacillen, daneben einzelneabgegrenzteTuberkelmit Verkäsung, 
keine deutliche Bindegewebsvermehrung, Pleura verdickt. In den Bronchien spärlicher 
Inhalt. — In der linken Lunge ein grosser Knoten, bestehend aus verkästen Tuberkeln, 
Pleura wenig verdiokt, keine Bindegewebsvermehrung. In den Bronchien wenig Inhalt. 

ThierVII (B), 2130g schwer, am 27.12. wurden 50 ccm Stickstoff in den rechten 
Pleuraraum injicirt, nachher inficirt. Nachfüllungen am 29.12. 50 ccm, am 31. 12. 
47 ccm, am 1.1. 40 ccm, am 3.1. 35 ccm. am 7.1. 37 ccm, am 10.1. 40 ccm, am 13.1. 
43 ccm, am 17. 1. 41 ccm, am 20 1. 38 ccm, am 23. 1. 37 ccm, am 26. 1. 35 ccm, 
am 29. 1. 33 ccm, am 1. 2. 32 ccm. Verendet am 3. 2. 

Obductionsbefund: Rechte Lunge (9,92 g) gut comprimirt, schwere Tuber¬ 
culose aller Lappen. Pleuraschwarten. — Linke Lunge (17,89g) sehr gross, emphyse¬ 
matos, im Unterlappen taubeneigrosser harter Knoten, auch sonst schwere Tuberculose. 

Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: zahlreiche confluirendeConglomerat- 
tuberkel mit weitgehender Verkäsung, alle Bronchien mit zelligem, bacillenhaltigem 
Inhalt gefüllt. Verdickung der Pleura, keine deutliche Bindegewebsvermehrung.— Linke 
Lunge ganz infiltrirt von confluirenden Tuberkeln mit Verkäsung. Bronchien gefüllt. 
Zahlreiche Bacillen in den Tuberkeln und im Bronchialinhalt. Keine deutliche Ver¬ 
mehrung des Bindegewebes. Pleura zart. 

Thier VIII (B), 1800 g schwer. Linksseitiger Pneumothorax am 27. 12. mit 
50 ccm N. Nachfüllungen am 29. 12. 50 ccm, am 31. 12. 42 ccm, am 1. 1. 48 ccm, 
am 3.1. 50 ccm, am 7.1. 51 ccm, am 10.1. 41 com, am 13.1. 48 ccm, am 17.1. 43ccm, 
am 20. 1. 40 ccm, am 23. 1. 45 ccm. Tod. 

Obductionsbefund: Linke Lunge(2,85g) gut comprimirt, Adhäsionen mit dem 
Pericard. Tuberculose in beiden Lappen. — Rechte Lunge (8,42 g): schwerste käsige 
Pneumonie des Oberlappens, vereinzelte Knoten in den anderen Lappen. 

Mikroskopischer Befund: Linke Lunge: vollständige Compression. Einzelne 
Tuberkel. Nicht ganz sichere Vermehrung des Bindegewebes um die Bronchien und 
Gefässe. Enorme Verdickung der Pleura. Grosse Menge von Bacillen in den Tuberkeln. 
Rechte Lunge: zahlreiche confluirendeCongl^omerattuberkel, enormeMenge von Baoillen. 

Thier X (B), Gewicht 1620 g. Pneumothorax am 27. 12. rechts mit 52 ccm N. 
Nachfüllungen am 29.12. 40ccm, am 31.12. 38ccm, am 1.1. 44ccm, am 4.1. verendet. 

Obductionsbefund: Rechte Lunge (3,85g): einzelne tuberculöse Knoten im 
Mittellappen. — Linke Lunge (5,10 g) ohne pathologischen Befund. 

Mikroskopischer Befund: Keine Veränderungen. 

Thier XIII (B), 1310 g schwer, Controle am 27. 12. tracheal inficirt. Verendet 
am 8. 2. 

Obductionsbefund: Beiderseits grosse tuberculöse Knoten. 

Mikroskopischer Befund: Zahlreiche Tuberkel in beiden Lungen. Keine 
Bindegewebsvermehrung. Keine Verdickung der Pleura. 

Aus allen diesen Versuchen ergiebt sich, dass bei Kaninchen durch 
Compression der Lunge auch die Verbreitung einer Aspirationstuberculose 
nicht wesentlich beeinflusst wird. In den meisten Fällen war die Tuber¬ 
culose (oft sehr schwerer Natur) auf beiden Seiten gleichmässig nach- 


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Experimentelle Stadien zur Pneumothoraxbehandlung. 


493 


zuweisen; nur in wenigen Fällen war eine Bevorzugung der nicht com- 
primirten Seite zu erkennen. Andererseits war in anderen Fällen die 
coraprimirte Seite stärker ergriffen. Es folgt daraus, dass selbst die voll¬ 
ständige Compression der Lunge, wie sie beim Menschen nur selten 
erreicht wird, auf die Ausbreitung des Processes nur wenig Einfluss hat., 
Auf den ersten Blick erscheint diese Thatsache ganz unverständlich, da 
der Wegfall der Aspiration eine Verbreitung der Bacillen unbedingt er¬ 
schweren muss. Wenn man aber beim Menschen am Röntgenschirme 
die Lunge im Zustande stärkster Compression beobachtet, so sieht man, 
dass sie durchaus nicht vollständig ruhig steht, sondern respiratorische 
Grössenschwankungen zeigt, freilich nur in geringem Maasse. Da aber 
auch die Maasse der Lunge selbst klein geworden sind, so genügen offen¬ 
bar die geringen Schwankungen, um eine Aspiration der Bacillen bis ins 
Lungengewebe zu ermöglichen. Eine stärkere Bindegewebsvermehrung 
konnten wir nur in einem unserer Fälle constatiren (Färbung nach van 
Gieson), trotzdem einzelne Thiere nach Anlegung des Pneumothorax 
mehr als 5 Wochen lebten. Es fand sich, wie bei den intravenös inficirten 
Thieren, meist nur mässige Verdickung der Pleura auf der comprimirten 
Seite. Die Elasticafärbung ergab durchwegs normale Verhältnisse. 

Unsere beiden Versuchsreihen haben also ein absolut negatives Re¬ 
sultat ergeben. Wir konnten eine Beeinflussung der Tuberculose durch 
den Pneumothorax nicht nachweisen. 

Die Aenderung der Beweglichkeit und Grösse der Lunge, ihrer 
Circulationsverhältnisse und ihres Luftgehaltes haben auf den beginnenden 
Process keinen Einfluss. 

Da wir in unseren Versuchen, wie erwähnt, nur einmal eine wesent¬ 
liche Bindegewebswucherung fanden, bleibt es noch fraglich, ob eine 
solche das Auftreten einer initialen Tuberculose beeinflusssn könnte. Die 
Ursache des Ausbleibens dieser Bindegewebsvermehrung dürfte darin ge¬ 
legen sein, dass die Thiere der Phthise zu bald erlagen, so dass es 
nur zu den beschriebenen Veränderungen der Pleura kam. 

Weitere Thierversuche, in denen wir derartige bindegewebige Ver¬ 
änderungen der Lungen durch längere Vorbehandlung mit dem Pneumo¬ 
thorax zu erzielen hoffen, sollen auf diese Frage Antwort geben. In 
wieweit das Resultat der mitgetheilten Thierversuche Einfluss auf die 
Indicationsstellung hat, soll anderwärts besprochen werden. 

Die 3 in den Protokollen mitgetheilten Heilversuche an überzähligen 
Controlthieren ergaben kein wesentliches Resultat und wurden nur der 
Vollständigkeit wegen in die Protokolle einbezogen. 

Wien, im März 1913. 


Literatur. 

Da erst vor kurzem in den Ergebnissen der inneren Medicin und Kinderheilkunde 
das ausgezeiohnete Referat Forlanini’s mit fast vollständigem Literaturverzeichniss 
erschienen st, sind in Folgendem nur die in vorliegender Abhandlung citirten Autoren 
verzeichnet. 

Adams, Lancet. April 1887. 
d’Arsonval, These de Paris. 1877. 


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494 Schur und Plaschkes, Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung. 


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Buckhardt, Deutsche med. Wochenschr. 1911. 

Cloetta, Arch. f. exp. Pathologie u. Pharmakologie. 1911. Bd. 65. 

Deneke, Deutsche med. Wochenschr. 1911. 

Daus, Therapie der Gegenwart. 1909. 

Dräsche, Wiener med. Wochenschr. 1899. 

Forlanini, vide Verzeichniss der Arbeiten in Ergebnissen der inneren Medicin und 
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Funke und Latschenberger, Arch. f. die gesamte Physiologie. 1877. 

Galiard, La sdmaine m^dicale. 1897. 

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Sackur, Virchow’s Archiv, Bd. 150 und Zeitschr. f. klin. Medicin. Bd. 29. 
Sauerbruch, Mittheilungen aus den Grenzgebieten. Bd. 13. 

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Aus dem pharmakologischen Institute der Universität Wien. 

Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 

(Beitrag zur Indlcationsstellung des Salvarsans.) 

Von 

Priv.-Doc. Dr. Friedrich Luithlen (Wien). 

(Hieran Tafeln XIY und XY.) 


In dieser Arbeit wird der Versuch gemacht, folgende zwei Fragen 
zu beantworten: 

1. Wirkt Salvarsan in gleicher Weise auf den Organismus 
wie Arsenik? 

2. Hat Salvarsan bei richtiger Dosirung und Anwendungs¬ 
weise schädliche Nebenwirkungen, oder treten diese 
nur unter besonderen, noch unbekannten Verhält¬ 
nissen auf? 

Die erste Frage habe ich in verschiedener Weise zu beantworten 
versucht. 

Zuerst sei die Toxicität des Salvarsans in Hinsicht auf den 
Arsenikgehalt besprochen. Die Giftwirkung dieses Mittels entspricht 
nicht der darin enthaltenen Menge Arsenik, sondern ist eine wesentlich 
geringere. Dies wurde schon von Kochmann (Münch, med. Wochenschr. 
1912, H. 1) bei seinen toxikologischen Versuchen an Hund und Kaninchen 
festgestellt. Er fand, dass bei Verabreichung des Salvarsans 34 mg Arsen 
die letale Dosis für Kaninchen darstelle, während bei Kalium arsenicosum 
der Tod schon bei 4,56—5,3 mg eintrete, einer ungefähr 7,5 Mal kleineren 
Gabe. Als tödtliche Dosis des Salvarsans ist hierbei 0,1 g pro Kilo an¬ 
genommen. 

Ich habe ähnliche Versuche angestellt, deren Resultate mit den Be¬ 
funden KochmaniTs recht gut übereinstimmen. 

Kaninchen No. 37, Körpergewicht 1600 g, erhält am 22. X. 12 0,045 Natrium 
arsenicosum in 20 ccm 0,9 proc. NaCl-Lösung intravenös; entspricht 28 mg pro Kilo. 

Kaninchen No. 27, Körpergewicht 1400 g, erhält am 22. X. 12 0,042 Natrium 
arsenicosum intravenös in der nämlichen Weise; entpricht 30 mg pro Kilo. 

Kaninchen No. 5, Körpergewicht 1950 g, erhält am 22. X. 12 0,45 Natrium ar¬ 
senicosum intravenös in der gleichen Weise; entspricht 24 mg Natrium arsenicosum 
pro Kilo. 

Alle drei Thiere starben unmittelbar nach der Injection, längstens innerhalb 
10 Minuten unter den Erscheinungen erschwerter Athmung, exspiratorischer Dyspnoe, 
Krämpfen. 


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Friedrich Luithlen, 


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30 rag Natrium arsenicosura enthalten ungefähr die gleiche Menge 
Arsenik wie 40 rag Salvarsan (30 rag Natrium arsenicosura enthalten 
13,2 rag As, 40 mg Salvarsan 13,7 rag As). Die Kaninchen vertragen 
eine Dosis von 40 rag Salvarsan pro Kilo ohne irgendwie Schaden zu 
leiden. Die tödtliche Dosis ist nach Kochmann 100 rag pro Kilo, 
34 rag Arsenik enthaltend, nach Hoke und Rihl 200 rag (Zeitschr. f. 
exper. Path. u. Ther. 1911). Bei Reichung von Natrium arsenicosum 
genügen bereits 10 mg Arsenik, um in kürzester Zeit den Tod eines 
Kaninchens herbeizuführen, während bei Salvarsan die 3—4 fache Menge 
nothwendig ist. 

Gleichartige Befunde erhält man bei Versuchen an weissen Mäusen. 

Bei durchschnittlichem Körpergewichte von 20 g ist die tödtliche 
Dosis für Salvarsan 4 mg, 1,37 mg As enthaltend; für Natrium arseni¬ 
cosum ist sie unter den gleichen Bedingungen 1 rag, 0,44 rag As ent¬ 
haltend. 

Sowohl die Versuche an Kaninchen als an weissen Mäusen ergeben, 
dass Salvarsan, auf seinen Gehalt an Arsenik bezogen, 3—4 Mal weniger 
giftig ist als das Natrium arsenicosura. 

Zu erwähnen ist hierzu noch, dass diese Dosen für die alkalischen 
intravenösen Injectionen gelten. 

Wesentlich anders verhalten sich in Bezug auf Toxicität die sauren 
Salvarsanlösungen. Schon Hering (1910) giebt als tödtliche Dosis für 
die saure Lösung für Kaninchen 5 mg, für Hunde 20 mg pro Kilo Körper¬ 
gewicht an, warnt auf Grund seiner Untersuchungen vor der Anwendung 
der sauren Lösungen beim Menschen, hebt hervor, dass Kaninchen die 
20 fache, Hunde die 10 fache Menge Salvarsan in alkalischer Lösung 
vertragen. Seine Angaben stimmen mit meinen Untersuchungen über die 
letale Dosis bei Verwendung saurer Salvarsanlösungen überein. 

In weiteren Versuchen habe ich die Dosis tolerata des Natrium 
arsenicosum für Kaninchen und weisse Mäuse ermittelt und mit der noch 
unschädlichen des Salvarsans in Bezug auf den As-Gehalt verglichen. 

Kaninchen No. 90, Körpergewicht 1550 g, erhält am 28. X. 12 0,015 Natrium 
arsenicosum intravenös in 0,9 proc. NaCl-Lösung; entspricht 10 mg pro Kilo. 

Kaninchen No. 45, Körpergewicht 1700 g, erhält am 28. X. 12 in der gleichen 
Weise 0,015 Natrium arsenicosum; entspricht 8,8 mg pro Kilo. 

Beide Thiere zeigten unmittelbar nach der Injection fibrilläre Muskelzuckungen 
in der Art, dass man beim Halten des Thieres das Gefühl hatte faradisirt zu werden. 
Das mit # der stärkeren Dosis behandelte Kaninchen starb in der nächsten Nacht, 
während das andere die Vergiftung überstand, sich vollständig erholte. 

Da 0,01 Natrium arsenicosura 4,4 mg As, 0,0088 Natrium arseni¬ 
cosum 3,8 mg As enthalten, liegt die Dosis tolerata für Natrium arseni¬ 
cosum beim Kaninchen unter 4 mg Arsenik pro Kilo. 

Weisse Mäuse vertragen bei durchschnittlichem Körpergewichte von 
20 g intravenös 0,2 bis höchstens 0,25 mg Natrium arsenicosura (0,1 mg 
As enthaltend) gut. 

Während Kaninchen Salvarsan in Gaben von 4 cg (13,6 mg As ent¬ 
haltend), ja 6 cg (20,5 mg As enthaltend) pro Kilo Körpergewicht be¬ 
rechnet, schadlos vertragen, genügt der 4.—5. Theil des in diesen Dosen 


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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 


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enthaltenen Arseniks, als Natrium arsenicosum zugeführt, um Vergiftungs¬ 
erscheinungen hervorzurufen. Bei weissen Mäusen ist der Unterschied 
noch grösser. Die Dosis tolerata für Salvarsan in alkalischer Lösung 
sind 3 rag bei ca. 20 g Körpergewicht; sie enthalten 1 mg As. Bei Zu¬ 
fuhr von Natrium arsenicosum vertragen die Mäuse bei gleichem Körper¬ 
gewichte nur 0,1 mg As, also nur den 10. Theil. 

Nach diesen Befunden entspricht die Toxicität des Sal- 
varsans nicht dem in diesem Körper enthaltenen Arsenik. 

Anschliessend an die Toxicität ist die Verschiedenheit der Wirkung 
der beiden Mittel, des Salvarsans und des Arseniks, auf die Körper¬ 
temperatur zu besprechen. Ich werde in dieser Arbeit nicht näher 
auf die Frage des „Salvarsanfiebers“ eingehen, da ich das Thema in 
einer eigenen Abhandlung behandelt habe 1 ). An dieser Stelle will ich 
nur den Unterschied in der Wirkung der beiden Medicamente hervorheben. 

Salvarsan macht unter Umständen Steigerung der Körpertemperatur, 
Arsenik zeigt diese Wirkung nicht in gleicher Weise. Grosse Dosen des 
Arseniks führen zu Temperaturabfall. In meinen Versuchen fand ich, 
dass 10 mg Natrium arsenicosum pro Kilo beim Kaninchen innerhalb 
12 Stunden zu Temperaturabfall bis 36°, dabei zum Tode führten. 4 mg 
pro Kilo bewirkten vorübergehende Erniedrigung, 2 mg pro Kilo keine 
beraerkenswerthe Aenderung der Körpertemperatur. Die Angabe, dass 
ganz kleine Dosen von Natrium arsenicosum, 0,1—0,3 mg Arsenik pro 
Kilo Fieber bewirken (Heubner), kann ich bestätigen. Ich bespreche 
diese Frage noch in der Arbeit über das Salvarsanfieber ausführlicher. 

Es besteht ein grosser Unterschied in der Wirkung der beiden Mittel 
auf die Körpertemperatur. Würde es sich beim Salvarsan um eine 
Arsenikwirkung handeln, so müsste eine Herabsetzung der Körpertempe¬ 
ratur eintreten. Dagegen zeigen 40 mg Salvarsan (13,6 mg As enthaltend) 
keine Einwirkung auf die Temperatur, während 4 mg Natrium arsenicosum 
(1,76 mg As enthaltend) bereits eine Herabsetzung der Temperatur bewirken. 

Auch höhere Dosen des Salvarsans führen, wenn sie nicht Collaps 
oder Tod bedingen, nicht zur Herabsetzung der Körpertemperatur. Es 
handelt sich also nicht um eine geringere Wirkung des im Salvarsan 
enthaltenen Arseniks, sondern um eine überhaupt vom Arsenik ganz 
abweichende Wirkung. 

Weiterhin verhalten sich Salvarsan und Arsenik auch verschieden in 
ihrer Wirkung auf das Gewebe, indem Salvarsan viel stärker ent¬ 
zündungserregend wirkt. Dies ergiebt sich sowohl aus den Thierversuchen 
als aus den Beobachtungen am Menschen. Injicirt man, wie ich es 
gethan, Kaninchen in die Ohrvene, so misslingt, besonders im Anfänge 
so lange man die Technik nicht vollständig beherrscht, recht häufig eine 
Injection in der Art, dass einige Tropfen in das Gewebe kommen. Es 
tritt eine Schwellung, Röthung der infiltrirten Gewebspartie ein, dann 
kommt es zur Mumification, zum Absterben dieser, schliesslich fällt sie 
aus. Die Kaninchen weisen dann am Rande der Ohren, entsprechend 
der Injection, halbkreisförmige, rundliche Defecte auf. Dabei scheinen 


1) Wiener klin. Wochenschr. 1913. 


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solch fehlerhafte Tnjectionen sehr schmerzhaft zu sein, die Thiere schreien 
in dem Momente, in dem etwas von der Injectionsflüssigkeit in das Ge¬ 
webe kommt. 

Aehnliches beobachten wir bei den Salvarsaninjectionen am Menschen. 
Als wir noch intrarausculär injicirten, hatten die Leute unerträgliche 
Schmerzen, die durch nichts zu beheben waren; dabei führen die Salvar¬ 
saninjectionen in das Gewebe, wie durch zahlreiche Befunde erwiesen ist, 
zum Gewebszerfall an der Injectionsstelle. So beschreibt neuestens 
Tommasi (Giorn. ital. d. mal. ven. e de la pelle. 1912) Massennekrose 
der Gewebe an allen Stellen, an denen Salvarsan zur Einwirkung kam. 

Bei Injection von Arsenik beobachtet man weder beim Menschen 
noch beim Thiere einen solchen Gewebszerfall. Auch bedingen Arsenik- 
injectionen, wie die alltägliche Erfahrung lehrt, nie stärkere Schmerzen. 

Wie Thierversuche, die ich angestellt habe, ergeben, hängt die zer¬ 
störende Wirkung des Salvarsans auf das Gewebe auch nicht von der 
stärkeren Concentration der zur Verwendung gelangenden Salvarsan- 
lösungen ab, sondern auch bei gleicher Stärke der Lösung wirkt Sal¬ 
varsan viel stärker entzündungserregend und das Gewebe zerstörend als 
Arsenik. 

Die Verschiedenheit der Wirkung des Salvarsans und des Arseniks 
auf das Gewebe tritt in der nächsten Versuchsreihe noch deutlicher zu 
Tage. Ich habe die beiden Mittel am Trendelenburg’schen Frosch¬ 
präparate geprüft. Bei dieser Methode wird die Flüssigkeit, deren 
Wirkung auf das Gewebe, die Gefässc man prüfen will, durch einen 
decapitirten Frosch in der Art durchgeleitet, dass man durch eine in 
die Aorta eingebundene Canüle die Flüssigkeit in den Körper einströmen, 
durch eine in die grosse Körpervene eingebundene Canüle abtropfen lässt. 
Aus der Tropfenzahl in einer bestimmten Zeit kann man schliessen, ob 
sich die Gefässe erweitern — Vermehrung der Tropfen, oder verengern — 
Verminderung der Tropfenzahl. Zuerst muss das Präparat eingestellt 
werden, d. h. die Tropfenzahl in der Minute muss für jene Flüssigkeit, 
in der die zu prüfenden Mittel gelöst sind, constant werden, was ge¬ 
wöhnlich in einigen Minuten erreicht ist. Dann erst lässt man die zur 
Prüfung gelangenden Mittel, in der ausgeprobten Flüssigkeit gelöst, durch- 
fliessen, zählt die Tropfen in der Minute. Als Lösungsmittel habe ich 
0,9 proc. NaCl-Lösung und Ringerlösung verwendet. Das Salvarsan 
wurde in 0,01—0,02 proz. Lösung, das Natrium arsenicosum in 0,0075, 
0,015 und 0,03proc. Lösung verwendet. Bei den Lösungen wurde auch 
stets der Gehalt an Säure oder Alkali in der Art berücksichtigt, dass 
die Lösungsflüssigkeit, Kochsalz- oder Ringerlösung, auch mit genau dem¬ 
selben Gehalte an Alkali oder Säure versetzt und geprüft wurde, den 
die Lösung der Mittel aufwies. Die Versuche wurden graphisch dar¬ 
gestellt, so dass man alles den Tafeln entnehmen kann. 

Versuch 1. Salvarsan, in alkalischer Lösung, bewirkt Sinken der 
Tropfenzahl, also Contraction der Gefässe (Curve 1). 

Versuch 2. Der Zusatz von Natronlauge, in der gleichen Menge 
wie im Salvarsan enthalten, bewirkt auch ein Sinken der Tropfenzahl. 
Nach Einstellung auf eine bestimmte Tropfenzahl bewirkt die Zuführung 


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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 


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von alkalischem Salvarsan ein nochmaliges Sinken, eine noch stärkere 
Contraction der Gefässe, stellt sich dann aber auf eine constante Zahl 
ein (CurVe 2). 

Die beiden Versuche zeigen, dass Salvarsan in alkalischer Lösung 
eine Contraction der Gefässe bewirkt. Diese ist zum Theil durch den 
Gehalt an Alkali bedingt, doch führt Salvarsan auch dann noch zu noch 
stärkerer Zusammenziehung der Gefässe. 

Versuch 3. Salvarsan in saurer Lösung bewirkt Sinken der Tropfen¬ 
zahl, also Contraction der Gefässe, die durch Auswaschen mit Kochsalz¬ 
lösung nicht gleich wieder aufgehoben wird (Curve 3). 

Versuch 4. Säurezusatz in der gleichen Menge, wie in der sauren 
Salvarsanlösung enthalten ist, führt zu leichter Erweiterung der Gefässe; 
Salvarsan bewirkt starke Zusammenziehung, die durch Zufuhr saurer 
Kochsalzlösung theilweise behebbar ist (Curve 4). 

Die beiden Versuche zeigen, dass Salvarsan als solches eine Con¬ 
traction der Gefässe bewirkt. Säure führt zur Erweiterung dieser, die 
durch Salvarsan aber aufgehoben wird. 

Versuch 5. Natrium arsenicosum führt trotz alkalischer Reaction 
zu Erweiterung der Gefässe. Die Wirkung des Natrium arsenicosum ist 
um so grösser, jo höher die Concentration der Lösung ist (Curve 5). 

Versuch 6. Die durch Alkalizusatz bewirkte Zusammenziehung der 
Gefässe wird durch Natrium arsenicosum aufgehoben (Curve 6). 

Versuch 7. Die durch Natrium arsenicosum bewirkte Erweiterung 
der Gefässe wird durch Salvarsan rasch aufgehoben (Curve 7). 

Die Versuche ergeben, dass Natrium arsenicosum Erweiterung der 
Gefässe bewirkt, trotz alkalischer Reaction, und dass Salvarsan auch dann 
noch eine Contraction der Gefässe bedingen kann. 

Die Versuche ergeben Folgendes: 

Alkali bewirkt Gefässzusammenziehung, Säure Gefässerweiterung. 
Salvarsan bewirkt, unabhängig von der Reaction der Lösung, am Frosch¬ 
präparate Zusamraenziehung der Gefässe, während Arsenik an dem näm¬ 
lichen Versuchsobjecte Erweiterung der Gefässe bedingt. 

Dieser Befund ist deshalb von Werth, weil er ebenfalls 
beweist, dass die acute Wirkung des Salvarsans auf Wirbel- 
thiere nicht auf dem Gehalte des Mittels an Arsenik allein be¬ 
ruhen kann, dass die Wirkung des Salvarsans nicht mit der 
des Arseniks gleich ist. 

Weiterhin seien an dieser Stelle noch von mir angestellte Unter¬ 
suchungen überWirkung des Salvarsans auf Blutdruck und Athraung, 
sowie onkometrische Untersuchungen am Herzen, Darm und Bein an¬ 
geführt. 

Der Blutdruck wurde aus der Carotis registrirt, die Athembewegungen 
des spontan athmenden Thieres wurden von einer in die Trachea ein¬ 
gebundenen Canüle durch eine Marey’sche Trommel auf das Kymographion 
übertragen. Die onkometrischcn Untersuchungen wurden in der allgemein 
üblichen Weise ausgeführt. 


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Versuch Nr. 1. Blutdruck und Athmung am Kymographion. 

Kaninchen, Körpergewicht 2000 g. Blutdruck bei Beginn des Versuche} 118 mm. 

10 Uhr. Injection von 4 cg alkalischen Salvarsans (2 cg pro Kilogramm) in 2 ccm 
0,9 proc. NaCl-Lösung in die freigelegte Vena jugularis externa. Infusionsdauer 
l 1 /o Minuten. Der Blutdruck sinkt unmittelbar nach der Injection auf 102 mm, die 
Regelmässigkeit der Athmung weist nur einzelne Schwankungen auf. 

10 Uhr 1 Min. 8 cg alkalisches Salvarsan (4cg pro Kilogramm) in 4ccm Lösung. 
Infusionsdauer 2 Min. Blutdruck unmittelbar nach der Injection 94 mm, Athmung bis 
auf einzelne Schwankungen nicht verändert, nicht verkleinert. 

10 Uhr 10 Min. Nochmals 8 cg alkalisches Salvarsan in der nämlichen Weise. 
Infusionsdauer 1 1 / 2 Min. Der Blutdruck sinkt sofort auf 70 mm, erholt sich aber rasch 
wieder auf 80 mm. Bei diesen wiederholten lnjectionen tritt Verkleinerung der von 
Anfang des Versuches an bestehenden Blutdruckschwankungen, der Traube-Heriog- 
schen Wellen auf. 

10 Uhr 15 Min. Noohmals 8 cg alkalisches Salvarsan in der nämlichen Weise. 
Infusionsdauer 1 1 / 4 Min. Der Blutdruck sinkt nicht weiter, bleibt auf 80 mm. Dagegen 
verschwinden die Wellen der Blutdruckcurve, die Pulse werden sehr klein. 

10 Uhr 21 Min. Der Blutdruck steht noch immer auf 80 mm. Die Curve ist ganz 
gleichmässig, weist sehr kleine Pulse auf. Die Athmung ist auch im Vergleiche mit 
dem Beginne des Versuches nicht verkleinert, zeigt nur einzelne plötzliche Schwan¬ 
kungen. Versuch abgebrochen. 

Das Thier hat im ganzen 28 cg alkalisches Salvarsan (14 cg pro Kilogramm) 
erhalten. 

Versuch Nr. 2. Blutdruck und Athmung am Kymographion. 

Kaninchen, Körpergewicht 1850 g. Blutdruck bei Beginn des Versuches 128 mm. 

9 Uhr. Injection von 11 mg sauren Salvarsans (6 mg pro Kilogramm) in 20 ccm 
0,9proc. NaCl-Lösung in die Ohrvene. Infusionsdauer 1 Min. 

Der Blutdruck sinkt in der ersten Minute auf 112 mm, nach 2 Min. auf 108 mm. 
Die Athmung zeigt um ! / 4 kleinere Ausschläge. 

9 Uhr 10 Min. Blutdruck 98 mm, die Athemausschläge werden immer kleiner. 

9 Uhr 16 Min. Nochmals Injection von 11 mg sauren Salvarsans in der näm¬ 
lichen Weise. Der Blutdruck sinkt unmittelbar nach der Injection von 94 mm auf 
86 mm, erholt sich aber gleich wieder auf die frühere Höhe. Die Athmung zeigt auf 
die neuerliche Infusion keine Veränderung. Im weiteren Verlaufe des Versuches wird 
die Athmung immer kleiner, der Blutdruck sinkt nicht weiter herab. 

9 Uhr 53 Min. Am Ende des Versuches Blutdruck 92 mm, die Athmung weist 
gegen den Beginn des Versuches Ausschläge auf, die kaum den 5. Theil der ursprüng¬ 
lichen Grösse erreichen. Die Pulse der Blutdruckcurve sind nur halb so gross als im 
Beginne. 

Das Thier erhielt 22 mg saures Salvarsan (12 mg pro Kilogramm). 

Versuch Nr. 3. Blutdruck und Athmung am Kymographion. 

Kaninchen, Körpergewicht 2300 g. Blutdruck bei Beginn des Versuches 140 mm. 

11 Uhr. Injection von 3 cg sauren Salvarsans (13mg pro Kilogramm) in 20ccm 
0,9proc. NaCl-Lösung in die Ohrvene. Infusionsdauer 1 Min. 

11 Uhr 2 Min. Der Blutdruck sinkt auf 130 mm, die Athmung zeigt unmittelbar 
nach der Injection etwa um 1 / 3 grössere Ausschläge als vorher. 

11 Uhr 12 Min. Athmung zeigt dieselbe Grösse wie im Beginne des Versuches. 

11 Uhr 16 Min. Blutdruck 118 mm. 

11 Uhr 20 Min. Blutdruck 110 mm, Athmung 1 j 3 kleiner als zu Beginn des 
Versuches. 


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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 


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11 Uhr 29 Min. Injection von 1,5 cg sauren Salvarsans (6,5 mg pro Kilogramm) 
in 5 ccm in die Ohrvene. Blutdruck 110 mm. Das Thier wird sofort unruhig, be¬ 
kommt leichte, sich in Abständen von x / 2 Min. wiederholende Krämpfe, die sich auch 
in den Schwankungen des Blutdruckes und der Athmung ausdrücken. Keine weiteren 
Veränderungen des Blutdrucks, Athmung klein. Die Pulse der Blutdruckcurve werden 
gegen das Ende des Versuches kleiner. Versuch 11 Uhr 38 Min. abgebrochen. 

Versuch No. 4. Herzonkometrie 1 ). 

Katze, Körpergewicht 3100 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Versuches 
62 mm, die Herzcurve schreibt 150 mm über der Absoisse. 

9 Uhr. Injection von 2 cg alkalischen Salvarsans (6,5 rag pro Kilo) in 2 ccm 
0,9proc. NaCl-Lösung in die Vena jugularis. Infusionsdauer 5 Sec. Keine Veränderung. 

9 Uhr 1 Min. Nochmals 2 cg alkalisches Salvarsan in der nämliohen Weise. 
Blutdruck 58 mm, Herzcurve schreibt 156 mm über Abscisse. 

9 Uhr 3 Min. Injection von 8 cg alkalischen Salvarsans in 8 ccm in der näm¬ 
lichen Weise. Infusionsdauer 1 Min. 10 Sec. Unmittelbar nach der Injection sinkt 
der Blutdruck auf 26 mm, die Herzcurve steigt auf 178 mm. Beide Curven kehren 
innerhalb der näohsten 2 Min. fast zur früheren Höhe zurück; Blutdruck auf 54 mm, 
Herzcurve auf 165 mm. 

9 Uhr 8 Min. Injection von Natronlauge (2 com einer Lösung von 20—15 proc. 
Natronlauge auf 20 com 0,9 proc. NaCl- Lösung. Die Menge entspricht ungefähr 
der bei Lösung von 5 cg Salvarsan verwendeten Natronlauge.) Im Momente der 
Injection sinkt der Blutdruck, steigt aber dann auf 84 mm. Die Herzcurve steigt zu¬ 
erst, dann geht sie auf 145 mm herab. Beide Curven laufen zusammen. 

9 Uhr 9 Min. Beide Curven horizontal. Blutdruck 68 mm, Herzcurve 158 mm, 
über der Abscisse. 

9 Uhr 14 Min. Injection von 8 cg alkalischen Salvarsans in der nämlichen Weise 
wie die früheren Male. Infusionsdauer 1 Min. Noch während der Injection steigt die 
Herzcurve in die Höhe, bis auf 188 mm über der Abscisse, der Blutdruck sinkt 
langsam ab, es tritt der Tod ein. Das Thier hat 20 cg alkalisches Salvarsan 
(6,5 cg pro Kilo) erhalten. 

Versuch No. 5. Herzonkometrie. (Curve No. 8.) 

Kaninchen, Körpergewicht 3550 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Ver¬ 
suches 58 mm, die Herzourve schreibt 104 mm über der Abscisse. 

9 Uhr 30 Min. Injection von 5 mg sauren Salvarsans in 1 ccm 0,9proc. NaCl- 
Lösung in die Vena jugularis. Infusionsdauer 30 Sec. Es tritt keine starke Verände¬ 
rung ein; das Herz schlägt eher etwas rascher, die Herzcurve schreibt 98 mm über 
der Abscisse, der Blutdruck beträgt 62 mm. 

9 Uhr 34 Min. Injection von 1 cg sauren Salvarsans (2,8 mg pro Kilo) in 1 ccm 
0,9 proc. NaCl-Lösung in die Vena jugularis. Die Herzcurve steigt rasch in die Höhe, 
schreibt auf 163 mm über der Abscisse. Der Blutdruck schwankt ein wenig, sinkt 
auf einen Moment bis 56 mm, steigt aber sofort wieder auf die frühere Höhe von 62 mm, 
auf der er auch verbleibt. Doch werden die Pulse wesentlich kleiner. Die Herzcurve 
kehrt nicht mehr zur Norm zurück, wenn sie auch langsam sinkt. Während sie im 
Anfänge des Versuches 104 mm, nach der ersten Injection 98 mm über der Abscisse 
schrieb, geht sie nur mehr bis 129 mm zurück. 

9 Uhr 42 Min. tritt ohne vorhergehende Veränderungen an beiden Curven unter 
Krämpfen plötzlich der Tod ein. 

Das Thier erhielt 15 mg saures Salvarsan (4,25 mg pro Kilo). 

1) Die in Millimetern angegebenen Ordinaten derOnkometercurven sind nur relative 
Werthe. Es wurde jedoch in allen diesbezüglichen Versuchen dasselbe Onkometer, 
derselbe Piston-Recorder und dieselbe Hebelvergrösserung verwendet. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 33 


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Versuch No. 6. Herzonkometrie. 

Kaninchen, Körpergewicht 2900 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Ver¬ 
suches 58 mm, Herzcurve schreibt 114 mm über der Abscisse. 

10 Uhr 30 Min. Injection von 1 cg sauren Salvarsans (3,4 mg pro Kilo) in 1 ccm 
0,9proc. NaCl-Lösung in die Vena femoralis. Infusionsdauer 30 Sec. Der Blutdruck 
wird kaum erniedrigt, 56 mm, die Herzcurve schreibt 118 mm über der Abscisse. 

10 Uhr 33 Min. Injection von 2 cg sauren Salvarsans (6,9 mg pro Kilo) in 2 ccm 
0,9proc. NaCl-Lösung in der nämlichen Weise. Infusionsdauer 1 Min. 30 Sec. Der 
Blutdruck sinkt auf 46 mm, die Herzcurve schreibt auf 122 mm über der Abscisse. 
Beide Curven bleiben auf dieser Höhe. 

10 Uhr 39 Min. Nochmals 2 cg saures Salvarsan in der nämlichen Weise. Die 
Herzcurve steigt rasch in die Höhe, bis 180 mm, der Blutdruck sinkt rasch ab, es 
tritt der Tod ein. 

Das Thier hat 5 og saures Salvarsan (17 mg pro Kilo) erhalten. 

Versuch No. 7. Herzonkometrie bei mit Uran vorbehandeltem Thiere. 

Kaninchen, Körpergewicht 2250 g. Erhält 4,5 cg Uran subcutan (2 cg pro Kilo) 
Zwei Tage später Herzonkometrie am decerebrirten Thiere. Blutdruck bei Beginn des 
Versuches 52 mm, die Herzcurve schreibt auf 130 mm über der Abscisse. 

9 Uhr. Injection von 2 mg alkalischen Salvarsans in 1 ccm 0,9proc. NaCl-Lösung 
in die Vena jugularis. Infusionsdauer 20 Sec. Keine Veränderung. 

9 Uhr 2 Min. Injection von 1 cg alkalischen Salvarsans in 1 ccm, unmittelbar 
darauf Injection von 2 cg in 2 ccm Lösung in der nämlichen Weise wie bei der ersten 
Injection. Infusionsdauer je 30 Sec. Der Blutdruck sinkt rasch ab, bis zur Abscisse, 
die Herzcurve steigt bis 158 mm über die Abscisse, es tritt der Tod ein. 

Das Thier hat 3,2 cg alkalisches Salvarsan erhalten (14 mg pro Kilo). 

Versuch No. 8 u. 9. Darmonkometrie. 

Katze, Körpergewicht 2500 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Versuches 
112 mm, die Darmcurve schreibt 94 mm über der Abscisse. 

10 Uhr. Injection von 1mg alkalischen Salvarsans in 1 ccm 0,9proc. NaCl-Lösung 
in die Vena jugularis. Infusionsdauer 20 Sec. Keine Veränderung. 

10 Uhr 2 Min. Injection von 6 mg alkalischen Salvarsans in 1 ccm in der näm¬ 
lichen Weise. Infusionsdaner 20 Sec. Keine Veränderung. 

10 Uhr 5 Min. Injection von 1 cg alkalischen Salvarsans in 1 ccm in der näm¬ 
lichen Weise. Infusionsdauer 20 Sec. Der Blutdruck sinkt einen Moment auf 104 mm, 
steigt gleich auf 112 mm, die Darmcurve schreibt auf 105 mm über der Abscisse. 

10 Uhr 8 Min. Injection von 5 cg alkalischen Salvarsans in 1 ccm in der näm¬ 
lichen Weise. Blutdruckcurve 108 mm, die Darmcurve steigt sofort auf 126, bleibt 
auf dieser Höhe durch 5 Min., sinkt allmählich. 

10 Uhr 21 Min. Darmcurve 95 mm über der Abscisse, Blutdruck 108 mm. 

Der Versuch ergiebt, dass bei Salvarsaninjection eine Zunahme desDarmvolumens 
stattfindet. 

Auch in einem 2. Versuche wurden die nämlichen Wirkungen beobachtet. 

Versuch No. 9 (Curve No. 9.) 

Katze, Körpergewicht 2300 g, decerebrirt. Während unmittelbar vor der Injection 
der Blutdruck auf 40 mm steht, die Darmcurve auf 115 mm über der Abscisse schreibt, 
sinkt nach Injection von 8 cg und 4 cg alkalischen Salvarsans in die Vena jugularis 
innerhalb 3 Min. 30 Sec. der Blutdruck auf 30 mm, die Darmcurve steigt bis auf 
170 mm, kehrt dann wieder zur früheren Höhe zurück. Es sinkt demnach der ohne¬ 
dies schon niedrige Blutdruck nur um 10 pCt., obgleich die Onkometercurve eine be¬ 
trächtliche Erweiterung der Darmgefässe anzeigt. 


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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 


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Versuch Nr. 10. Onkometrie eines Hinterbeines (Curve No. 10). 

Hund, K.-G. 9300 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Versuches 84 mm, 
die Curve des Beinonkometers schreibt 68 mm über der Abscisse. 

9 Uhr. Injeotion von 1 cg sauren Salvarsans in 1 ccm 0,9proc. NaCl-Lösung in 
die Vena jugularis. Infusionsdauer 20 Sec. Keine Veränderungen. 

9 Uhr 3 Min. Injection von 2 cg sauren Salvarsans (2,15 mg pro Kilo) in 1 ccm 
in der nämlichen Weise bewirkt keine wesentliche Veränderung des Blutdruckes, die 
Curve des Beinonkometers weist leichte Schwankungen auf. 

9 Uhr 6 Min. Injection von 5 cg sauren Salvarsans (5,37 mg pro Kilo) in 5 ccm 
0,9proc. NaCl-Lösung in der nämlichen Weise. Infusionsdauer 50 Sec. Der Blutdruck 
zeigt auch jetzt keine wesentliche Veränderung, die Onkometerourve schwankt zwischen 
78 mm und 62 mm über der Abscisse. 

9 Uhr 10 Min. Injection von 1 cg sauren Salvarsans in 1 ccm in der nämlichen 
Weise. Infusionsdauer 50 Sec. Während der Blutdruck auch nach dieser Injection 
keine wesentlichen Veränderungen aufweist, steigt die Curve des Bein¬ 
onkometers beträchtlich, bis auf 88 mm an, um nach etwa 2 Min. wieder auf 58 mm 
über der Abscisse zu sinken. Im weiteren Verlaufe des Versuches sinkt der Blutdruck. 

9 Uhr 29 Min. tritt der Tod ein. 

Die Versuche ergeben folgende Befunde: 

Salvarsan bewirkt bei intravenöser Injection eine Herabsetzung des 
Blutdruckes sowohl in saurer als in alkalischer Lösung, demnach unab¬ 
hängig von der Reaction der Injectionsflüssigkeit. Da Alkali eine Erhöhung 
des Blutdruckes bewirkt, ist die Blutdrucksenkung bei Infusion alkalischer 
Salvarsanlösungen nur auf die Wirkung des Salvarsans zu beziehen. 

Steigerung des Blutdruckes bei intravenöser Injection alkalischer 
Salvarsanlösungen erhält man beim Kaninchen, wie von mir angestellte 
Control versuche ergaben, nur dann, wenn man der Salvarsanlösung viel 
mehr Natronlauge zusetzt, als zur Lösung des Salvarsan nothwendig ist, 
sodass die Alkaliwirkung die des Salvarsans überwiegt. 

Die Herzonkometerversuche ergeben unzweifelhaft, dass Salvarsan 
eine Schädigung des Herzens bewirkt. Die Erweiterung des Herzens er¬ 
folgt bei intravenöser Salvarsaninjection, sowohl bei alkalischer als auch 
bei saurer Lösung. Intravenöse Infusion von Alkali allein bewirkt ebenso 
ein Steigen der Herzcurve, Erweiterung des Herzens, während Infusion 
von Säure ein Sinken der Curve, Verkleinerung des Herzens zur Folge 
hat. Aus diesen von mir angestellten Controlversuchen, zusamraengehalten 
mit den Befunden bei intravenöser Salvarsaninfusion, ergiebt sich, dass die 
Wirkung auf das Herz bei letzteren auf Salvarsan zu beziehen ist. 

Die bei der Herzonkometrie beobachtete Erscheinung, dass deutliche 
Herzwirkung eintritt, ohne dass sich der Blutdruck wesentlich ändert 
(Fig. 8), berechtigt zu der Annahme, dass es sich um eine primäre Herz¬ 
schädigung handelt, der Blutdruck später erst infolge dieser sinkt. 
Hierfür spricht auch, dass die Pulse der Blutdruckcurve im Verlaufe, 
gegen Ende der Versuche immer kleiner werden. Bestände eine primäre 
Gefässschädigung, Parese oder Lähmung, so müssten bei gleichbleibender 
Herzkraft die Pulse immer grösser werden. 

Auch von mir angestellte Untersuchungen am LangendorfCschen 
überlebenden Herzen, sowie am Bock-Hering’sehen verkleinerten Kreis¬ 
läufe ergeben, dass das Salvarsan eine starke Wirkung auf das Herz ausübt. 

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Der Tod bei Salvarsanvergiftung ist meinen Befunden nach daher 
ira Wesentlichen ein Herztod. 

Hauptsächlich auf Grund der Herzbefunde kann ich der Ansicht 
von Hoke und Rihl, dass es sich besonders um Beeinflussung der ner¬ 
vösen Centralorgane, weiterhin der Gefässinnervation handle, während 
eine direct herzschädigende Wirkung erst in letzter Linie in Betracht 
komme, nicht beistiramen. 

Freilich treten Veränderungen der Gefässe auf, wie auch meine Befunde 
bei der Onkoraetrie des Darmes und am Beinonkometer erweisen. Wie 
diese Befunde zeigen, bewirkt Salvarsan Schwankungen im Füllungszustande 
der Gefässe; die Beobachtung stimmt mit den Mittheilungen von Riker und 
Knape, die bei normalen Gefässen Schwankungen ira Füllungszustande 
der Mesenterialgefässe bei Salvarsaninjection feststellten, gut überein. 

Zum Schlüsse sei erwähnt, dass Herzonkometrie bei intravenöser 
Injection von 2 cg Natrium arsenicosum (decerebrirtes Kaninchen, Körper¬ 
gewicht 2300 g) keine Veränderung der Herzcurve wie bei Infusion von 
Salvarsan, sondern nur eine Veränderung des Blutdruckes ohne wesent¬ 
liche Herzschädigung ergab. Ebenso stimmen auch am Bock-Hering- 
schen Kreisläufe Salvarsan und Natrium arsenicosum nicht vollständig überein. 

Auch in dieser Versuchsreihe zeigt es sich, dass die acute Wirkung 
des Salvarsans und des Arseniks nicht die gleiche ist. 

Zum Schlüsse weise ich auf die ira zweiten Theile dieser Arbeit an¬ 
geführten Versuche über die Einwirkung des Salvarsans und des Arseniks 
auf einen vorbehandelten, mit Absicht geschädigten Organismus hin. Sie 
ergeben, dass auch in der Wirkung der beiden Mittel bei krankem 
Organismus wesentliche Unterschiede bestehen, indem Arsenik nicht die 
verderbliche Einwirkung wie das Salvarsan entfaltet, sondern auch von 
einem geschädigten Organismus gut vertragen wird. 

Fassen wir die Befunde der Versuche, die ich zur Beantwortung der 
Frage: „Wirkt Salvarsan in gleicher Weise auf den Organismus 
wie Arsenik?“ angestellt habe, zusammen, so müssen wir diese Frage 
verneinen. 

Denn nicht nur in der Toxicität, sondern auch in Bezug auf Beein¬ 
flussung der Körpertemperatur, Wirkung auf das Gewebe, die Gefässe, 
das Herz, sowie Folgen der Anwendung bei geschädigtem, erkranktem 
Organismus bestehen zwischen der Wirkung des Salvarsans und des 
Arseniks Unterschiede, zum Theil sogar directe Gegensätze. 

Es erscheint daher nicht möglich, die Einwirkungen des 
Salvarsans in den angeführten Richtungen, insbesondere die 
acute Salvarsanwirkung auf den Gehalt an Arsenik zurückzu¬ 
führen 1 ); es ist vielmehr die Annahme berechtigt, dass die acute 
Salvarsanwirkung nichts mit Arsenik zu thun habe, sondern 
durch den Complex, den Körper als solchen bedingt sei. 

1) Es sei erinnert an die analogen Beziehungen der acuten Erscheinungen bei 
Vergiftung mit Bleitriäthyl und den sich daraus erst entwickelnden Erscheinungen einer 
eigenartigen chronischen Bleiionenvergiftung. (E. Harnack, Arch. f. exp. Path. 
u. Pharm. Bd. 9.) 


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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 


505 


Bei Besprechung der zweiten Frage, ob die schädlichen Neben¬ 
wirkungen des Salvarsans nur durch besondere, vielleicht noch unbe¬ 
kannte Verhältnisse bedingt sind, müsste man nur jene schädlichen 
Wirkungen des Salvarsans in Betracht ziehen, die trotz richtiger Dosirung 
und entsprechender Anwendungsweise entstehen. Dies ist nicht so einfach, 
da besonders über den zweiten Punkt, die richtige Anwendung, die 
Meinungen sehr getheilt sind. Derzeit stehen sich zwei Ansichten gegen¬ 
über. Die eine Gruppe der Autoren betrachtet Salvarsan als ein ganz 
harmloses Mittel und erklärt die schlechten Folgen bei dessen Anwendung 
in allen Fällen d-urch Fehler in der Injectionstechnik, während die andere 
Gruppe der Autoren auf Grund der öfter beobachteten schädlichen Neben¬ 
wirkungen die Anwendung des Salvarsans als gefährlich ansieht. 

Da meine eigene Erfahrung mich zur Ueberzeugung gebracht hat, 
dass keine der beiden Ansichten uneingeschränkt aufrechterhalten werden 
kann, habe ich den Versuch gemacht, im Thierexperimente festzustellen, 
unter welchen Umständen Salvarsan schädliche Folgen entfaltet. 

Der Besprechung meiner Befunde muss ich die Angaben über die 
von mir angewendete Injectionstechnik vorausschicken. 

Ich habe Salvarsan meist in alkalischer, in einigen Fällen auch in 
saurer Lösung angewendet. Das Mittel wurde stets in einigen Cubik- 
centimetern destillirtem Wasser gelöst, bei alkalischen Injectionen wurde 
die Alkalescenz durch Zusatz von 15proc. Natronlauge erreicht, mit 
0,9proc. NaCl-Lösung die gewünschte Verdünnung hergestellt. 

Ich betone, dass ich stets frisch destillirtes Wasser zur Herstellung 
der stets frisch bereiteten NaCl-Lösung genommen habe, diese auch 
durch Kochen sterilisirt habe. Die Injectionsspritzen habe ich, um den 
weitgehendsten Forderungen zu genügen (s. R. Gonder, Arch. f. Schiffshyg. 
und Tropenhyg., 1912), stets mit destillirtem Wasser ausgekocht. 

Daher kann ich mit Sicherheit behaupten, dass ich den „Wasser¬ 
fehler“ vermieden habe, meine Befunde in dieser Richtung nicht anzu¬ 
fechten sind. Die Injectionen wurden in allen Fällen intravenös gemacht 
und zwar bei Kaninchen in 20 ccm Lösungsflüssigkeit in die Ohrvene, 
bei Mäusen in 1 ccm in die Schwanzvene. 

Die Anordnung meiner Versuche wurde durch folgende, der Klinik 
entnommene Ueberlegungen geleitet: 

Wir wissen, wie dies besonders Finger hervorgehoben hat, dass 
Salvarsan hauptsächlich in der Secundärperiode der Syphilis schädliche 
Einwirkungen entfalten kann. Thatsächlich betreffen die Todesfälle bei 
Salvarsananwendung meist Kranke in diesem Stadium der Syphilis. Es 
muss daher zu dieser Zeit ein besonderer Grund vorhanden sein, der die 
Wirkung des Mittels beeinflusst. Sowohl in der ersten Zeit nach der 
lnfection mit der Krankheit, vor dem Exanthem, so lange die Reaction 
nach Wassermann negativ, wirkt Salvarsan nicht so schädlich, ebenso 
auch wieder später nicht, wenn sog. tertiäre Erscheinungen vorhanden sind. 
Da das Salvarsan besonders in der Zeit der Verallgemeinerung der Er¬ 
krankung, der Ausbreitung über den Organismus so schädlich wirken 
kann, erscheint es berechtigt, dies mit den Spirochäten in Verbindung 


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zu bringen, die Ansicht zu vertreten, dass der Spirochätenzerfall zu dieser 
Zeit die schädliche Wirkung bedingen könne. 

Anschliessend hieran will ich die Befunde über den sog. „Wasser¬ 
fehler“ besprechen. Die von Wechselmann aufgestellte Annahme, 
dass Verunreinigungen des destillirten Wassers der zur Injection ver¬ 
wendeten Lösungen die Ursache der Salvarsanschädlichkeiten seien, hat 
viel Anklang und Anhang gefunden. Besonders seit Yakimoff und 
Kohl-Yakimoff in einer experimentellen Arbeit angaben, dass die 
Toxicität des Salvarsans durch die Anwesenheit von Endotoxinen wesentlich 
erhöht wird, werden von sehr vielen Autoren die schädlichen Folgen 
mit dem „Wasserfehlcr“ erklärt. 

Dabei stösst man immer wieder auf die Angabe, dass trotz'aller 
Vorsichtsmaassregeln (frisch destillirtes Wasser, frisch bereitete NaCl- 
Lösung), doch unangenehme Nebenerscheinungen, besonders Fieber, auf- 
treten, so dass sich schon hieraus ergiebt, dass der Wasserfehler 
nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann. Ich bin auf 
diesen Punkt noch in meiner Arbeit über das Salvarsanfieber zurück¬ 
gekommen. 

Ausserdem können die Befunde von Y akimoff und Kohl-Yakimoff 
mit ihren Schlüssen nicht vollständig auf die Klinik übertragen werden. 
Die Autoren erhielten das Endotoxin, indem sie 24ständige Bouillon- 
culturen von Bact. coli commune bei 70° C. im Verlaufe einer Stunde 
abtödteten. Ihre Lösungen enthalten sicher wohl erhaltene Endotoxine. 
Auf die Klinik ist dies nicht so direct zu übertragen. Wenn auch 
schon alte, selbst verunreinigte Lösungen verwendet werden sollten, so 
waren sie doch sicher frisch gekocht, wobei doch auch Toxine zerstört 
werden. 

Wenn ich auch der Ansicht bin, dass der Wasserfehler nicht für 
alle schädlichen Wirkungen des Salvarsans herangezogen werden kann, 
so stimme ich doch Wechselmann vollständig bei, dass man stets 
frisch bereitete Lösungen verwenden soll. Aus der Arbeit von Y'akimoff 
ziehe ich aber einen anderen Schluss. Die Autoren nehmen an, dass 
die Endotoxine der Bakterien die Toxicität des Salvarsans erhöhen. 
„Enthält also das Wasser irgend welche Bakterien, die irgend einen 
Einfluss auf die Toxicität von Salvarsan besitzen, so wird bei Salvarsan- 
injection in der Syphilistherapie die Reaction des menschlichen Körpers 
natürlich viel stärker sein, als bei Anwendung frisch sterilisirten, einwand¬ 
freien Wassers.“ 

Ich finde, dass man aus den Befunden von Yakimoff und Kohl- 
Y akimoff den Schluss ziehen muss, dass Einwirkung von Bakterien¬ 
toxinen auf den Organismus die Wirkung des Salvarsans steigern, zu 
einer schädlichen machen können, dass ein durch Toxine geschädigter 
Organismus bei Salvarsaninjection mit schwerer Schädigung reagiren kann. 

Zur Zeit der secundären Erscheinungen, der Ausbreitung der Krank¬ 
heit über den ganzen Organismus, kreisen sicher auch reichlich Virus 
und Toxine im Blute. Dass dies der Fall ist, dass sie Schädlichkeiten 
hervorrufen, sehen wir dadurch, dass Exantheme auftreten, die wir uns 
durch eine Einwirkung auf die Gefässe erklären müssen. 


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Die experimentelle Analyse der SalvarsanWirkung. 


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Es war in erster Linie die Frage zu beantworten, ob Salvarsan 
dann besonders schädlich wirkt, wenn die Gefässe geschädigt sind. Bei 
der Syphilis wären es die Toxine der Spirochäten, bei den Unter¬ 
suchungen Yakimoffs die absichtlich mit der Injection zugeführten 
Endotoxine. Ist diese Annahme richtig, so musste es gelingen, auch 
bei anderen Gefässschädigungen schädliche Wirkungen des Salvarsans 
hervorzurufen. 

In der ersten Versuchsreihe habe ich Mäuse mit Röntgen vor¬ 
behandelt. Dass Röntgen Gefässschädigungen macht, ist bekannt. Auch 
ich habe in einer kleinen Mittheilung „Ueber Entstehung von Gefäss- 
erweiterungen und abnormer Hautreaction“ (Dermatologische Wochen¬ 
schrift 1912) nachgewiesen, dass Röntgen zu dauernden Veränderungen 
der Gefässe führt, wobei eine sonst belanglose Schädlichkeit, Einwirkung, 
dann hochgradige, irreparable Gefässschädigung hervorruft. Auch in 
der neuesten Arbeit über Röntgenschädigungen (Iselin) wird die Gefäss- 
wirkung der Röntgenstrahlen betont. 

In der ersten Versuchsreihe wurden am 6. 11. 12 8 Mäuse mit Röntgen 
bestrahlt. 4 Mäuse durch 6 Minuten, 4 Mäuse durch 10 Minuten. 

Distanz 18 cm. 1 Milliampere. 7 Wh. Bauer 2—2,5. 

Am 16. 11., also 10 Tage später, wurden 4 mit Röntgen vor¬ 
behandelte Mäuse und 2 normale Mäuse mit alkalischem Salvarsan, 
2 mg in 1 ccm Lösung in die Schwanzvene injicirt. 2 Mäuse, Körper¬ 
gewicht 23 und 25 g, 10 Minuten röntgenisirt, sowie eine Maus, 
Körpergewicht 19 g, 6 Minuten bestrahlt, starben unmittelbar nach der 
Injection. Eine Maus, Körpergewicht 25 g, 6 Minuten röntgenisirt, lebte 
noch 24 Stunden nach der Injection. Die 2 Controlmäuse vertrugen die 
Injection ohne jeden Schaden, sind noch 2 Monate später ganz gesund. 
Ebenso sind 2 zur Controle erhaltene Röntgenmäuse zur selben Zeit 
frisch und munter, zeigen keine Spur irgend einer Schädigung. 

Um zu sehen, ob die mit Röntgen vorbehandelten Mäuse überhaupt 
keine Injection mehr aushalten, habe ich am 22. 11. eine dieser Mäuse 
mit 0,7 mg alkalischem Salvarsan injicirt, die Maus blieb gesund, ebenso 
die entsprechende Controlmaus. 

Ebenso vertrugen die Röntgenmäuse keine Reinjection. Die schon 
einmal injicirte Röntgenmaus, am 12. 12. mit 2 mg alkalischem Salvarsan 
reinjicirt, starb sofort. Die Controlmäuse, eine ebenfalls reinjicirte und 
eine nicht vorbehandelte, blieben gesund. 

Ich habe den Versuch mit den „Röntgenraäusen“ wiederholt. 

Am 27. 11. wurden Mäuse in fast gleicher Weise, wie das erste 
Mal, röntgenisirt: 18 cm Distanz, 1 Miliampere, 8 Wh., Bauer 3—4. 
Auch bei diesem Versuche vertrugen die Mäuse kleine Dosen ganz gut 
(1,5 mg). Eine am 9. 12. mit 3 mg Salvarsan injicirte Röntgenmaus 
vom 27. 11. war nach der Injection zuerst ganz frisch, nach kurzer Zeit 
wurde sie unruhig, begann nach einer Seite zu laufen, die eine Körper¬ 
hälfte erschien gelähmt, dann bekam sie Krämpfe, Athemkrämpfe, starb 
plötzlich. 

Zur Controle und zum Vergleiche der Salvarsan- und der Arsenik¬ 
wirkung wurde eine dritte Versuchsreihe an mit Röntgenstrahlen vor- 


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behandelten Mäusen angestellt. Am 3. 1. 1913 wurden Mäuse in ähn¬ 
licher Weise, wie die ersten beiden Male röntgenisirt: 18 cm Distanz, 

1—2 Milliampere, 8 Wh., Bauer 5—6. Am 14. 1. erhielt eine 12 Minuten 
bestrahlte Maus 3 mg alkalisches Salvarsan in der gewöhnlichen Weise; 
ebenso eine nicht vorbehandelte Maus. Während diese die lnjection 
schadlos verträgt, stirbt die „Röntgenmaus“ in kurzer Zeit. Eine 
6 Minuten mit Röntgen vorbehandelte Maus verträgt 2 mg alkalisches 
Salvarsan ziemlich gut, bekommt zwar einen Shock, von dem sie sich 
aber wieder erholt, bleibt nur die nächsten Tage matt. 

Zwei mit Röntgenstrahlen vorbehandelte Mäuse, Dauer der Ein¬ 
wirkung 6 und 12 Minuten, erhalten in 1 ccm 0,2 mg Natrium arseni- 
cosum intravenös. 

Wie ich schon früher angeführt habe, ist die Dosis tolerata für 
Mäuse bei einem Körpergewichte von ungefähr 20 g 0,2 mg Natrium 
arsenicosura. Bei Zufuhr von 0,25 habe ich schon Mäuse mit diesem 
Körpergewicht verloren. Beide „Röntgenmäuse“ vertrugen die lnjection 
mit Natrium arsenicosum tadellos, zeigten insbesondere keine Shock- 
wirkung, blieben gesund. 

Während mit Röntgenstrahlen vorbehandelte Mäuse durch Salvarsan- 
gaben, die von gesunden, nicht vorbehandelten Mäusen vollständig schadlos 
vertragen werden, zu Grunde gehen können, vertragen in der nämlichen 
Weise geschädigte Mäuse die höchste Dosis tolerata von Natrium arseni¬ 
cosum, ohne sichtbar Schaden zu leiden. 

Dies ist der Unterschied, auf den ich bei Besprechung der Ver¬ 
schiedenheiten der Wirkung des Salvarsans und des Arseniks im ersten 
Theile dieser Arbeit hingewiesen habe. 

Dass thatsächlich die Vorbehandlung mit Röntgenstrahlen, die dadurch 
bewirkten Veränderungen des Organismus, der Grund sind, warum die 
Thiere das Salvarsan schlecht vertragen, ergiebt sich daraus, dass die 
mit Röntgenstrahlen allein behandelten Mäuse weiter leben, dass die in 
meinen Fällen gegebene Dosis von 3 mg alkalischen Salvarsans von 
gesunden, nicht vorbehandelten Mäusen schadlos vertragen wird. Ich 
selbst habe eine ziemliche Anzahl von Mäusen mit 2—3 mg Salvarsan 
injicirt, habe diese Dosis für gesunde Thiere bei einem Körpergewicht 
von ungefähr 20 g als sicher unschädlich befunden. Ich habe bei In- 
jection von 3 mg alkalischen Salvarsans nur eine einzige Maus verloren. 
Bei der Obduction erschienen mir die Nieren besonders gross; die mikro¬ 
skopische Untersuchung ergab parenchymatöse Nephritis. Dass gesunde 
Mäuse 3 mg Salvarsan, meist auch höhere Dosen, schadlos vertragen, 
geht auch aus den Angaben anderer Autoren hervor. Yak im off und 
Kohl-Yakimoff geben an, dass die Dosis tolerata für Salvarsan intra¬ 
venös 1 ccm einer Lösung von 1 : 300 beträgt, also etwas mehr als 
3 mg. K. Beck (Münch, med. Wochenschr. 1912. S. 12) giebt an, 
dass er 3 mg Salvarsan in alkalischer Lösung gegeben, diese Dosis 
höchstens 3mal wiederholt habe. „Diese Mäuse, alle ca. 20 g schwer, 
vertragen diese Dosis sehr gut, sind nur innerhalb der ersten zwei Tage 
auffallend ruhig und fressen wenig. Hernach unterscheiden sie sich aber 
nicht von normalen.“ Dass nicht die lnjection als solche bei den 


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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 509 

röntgenisirten Mäusen so deletär wirkt, ergiebt sich daraus, dass mit 
kleineren Dosen Salvarsan behandelte Mäuse gesund bleiben. 

Meine Befunde bei Salvarsaninjectionen an röntgenisirten Mäusen, 
zusammengehalten mit den von anderen Autoren gemachten Erfahrungen, 
ergeben, dass mit Röntgen vorbehandelte Mäuse eine stärkere 
Empfindlichkeit gegenüber Salvarsan aufwoisen, sowohl bei der 
ersten als der zweiten Injection auf Salvarsangaben sterben, die von 
normalen Mäusen ohne jeden Schaden vertragen werden. Selbstver¬ 
ständlich behaupte ich nicht, dass jede mit Röntgenstrahlen behandelte 
Maus auf eine sonst unschädliche Salvarsandosis hin zu Grunde gehen 
muss; es besteht nur eine grössere Empfindlichkeit gegen Salvarsan, 
wahrscheinlich auf Grund irgend welcher durch die Röntgenisirung be¬ 
dingter Veränderungen. 

Die mikroskopische Untersuchung ergiebt folgende Befunde 1 ): 

Maus, Körpergew. 23 g. Am 6. 11. 10 Min. röntgenisirt, erhielt am 16. 2 mg 
alkalisches Salvarsan intravenös, starb sofort. 

Mikroskopischer Befund (Prof. Joannovics): Das Lebergewebe zeigt 
nicht sehr deutlich erhaltene Structur. Die Leberzellen oft ausserordentlich gross, mit 
dunklem Kerne, daneben auch mangelhaft gefärbte Leberzellen mit eigentbümlich 
wabigem Protoplasma. Grössere Gefässe blutreich. Die intraacinös gelegenen Gefässe 
erscheinen jedoch nicht hyperämisch. Die Niere zeigt Verquellung der Epithelien, 
namentlich in der Grenzschichte zwischen Rinde und Mark, ln der Milz das lymphati¬ 
sche Gewebe ausserordentlich reich entwickelt, so zwar, dass das Pulpagewebe hinter 
dieses fast vollständig zurücktritt. Lunge zeigt hochgradige Hyperämie mit reich¬ 
lichem Austritte rother Blutkörperchen in die Alveolen. 

Maus, Körpergew. 19 g. Am 6. 11. 12 6 Min. röntgenisirt, erhielt am 16. 2 mg 
alkalisches Salvarsan intravenös, starb sofort nach der Injection. 

Ausgesprochene Hyperämie der Leber, in der sich neben kernlosen, in Zerfall 
begriffenen Leberzellen reichlich auffallend grosse hypertrophische Leberzellen finden. 
Die Niere zeigt nur Hyperämie massigen Grades und Quellung des Epithels mit Aus¬ 
scheidung eiweisshaltigen Harnos. Lunge zeigt hochgradige Hyperämie. 

Maus, Körpergew. 23 g. Am 27. 11. 10 Min. röntgenisirt, erhielt am 9. 12. 
3 mg alkalisches Salvarsan intravenös. Leber zeigt starke Hyperämie und Quellung, durch 
die die radiäre Structur oft verwischt erscheint. Niere zeigt Hyperämie und Quellung 
des Epithels. Besonders hochgradige Hyperämie der Lunge. Herzbefund negativ. 
Milz zeigt deutlich erhaltene Follikel, während das Pulpagewebe ausserordentlich blut¬ 
reich erscheint. 

Anschliessend die Gehirnbefunde (Hofrath Prof. Dr. Obersteiner’s 
Neurologisches Institut an der Wiener Universität): 

Eine ,,Röntgenmaus“, die unmittelbar nach der Salvarsan injection (2 mg intra¬ 
venös) starb, ergab folgenden Befund (Prof. Marburg): Blutungen in die Rinde, in 
die Meninx und in den Ventrikel. Allgemeine starke Hyperämie. Das Gleiche im 
Corebellum, in der Pia der Medulla oblongata, in dieser selbst. Auch hier kleinste 
Blutaustritte. An den Pyramidenzellen der Rinde keine pathologischen Veränderungen, 
auch die grossen motorischen Zellen der Medulla oblongata sind nicht besonders ver¬ 
ändert. Vereinzelt erscheinen die Zellen auch abgeblasst. 

Eine ,,Röntgenmaus“, die nach der Salvarsaninjection noch 24 Stunden lebte 

1) Für die Erhebung der mikroskopischen Befunde bin ich den Herren Professor 
Joannovics und Professor Marburg zu Dank verpflichtet. 


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(ebenfalls 2 mg Salvarsan intravenös, Körpergew. 25 g), ergab folgenden Befund: 
Ausserordentliche Erweiterung sämmtlicher Gelasse der Meningen sowohl als der cen¬ 
tralen Theile des Gehirns. Dieses sieht beinahe wie ein Injectionspräparat aus. Die 
Rindenzellen sind blasser als normal, stellenweise deutliche Neuronophagie. In der 
Medulla oblongata sind die Zellen auch nicht so schön gefärbt als normaler Weise, sie 
sind sehr blass und zeigen Neuronophagie. 

Die „Röntgenmäuse“ der zweiten und dritten Versuchsreihe (9. 12. 12 und 
14. 1. 13), mit 3 mg alkalischem Salvarsan behandelt, zeigen ebenfalls starke Hyper¬ 
ämie des Gehirns sowohl in der Rinde als auch in den tieferen Partien mit einzelnen 
Blutaustritten in der Umgebung der Gefässe, nur Spuren von Oedem. 

Diese Befunde ergeben, dass Salvarsaninjectionen in sonst unschäd¬ 
lichen Dosen bei mit Röntgen vorbehandelten Mäusen schwere Verände¬ 
rungen an den inneren Organen, Leber, Lunge, Niere, besonders aber im 
Gehirn hervorzurufen im Stande sind. Am stärksten treten die Blutungen 
hervor, in zweiter Linie erst die Zellveränderungen. 

Röntgen allein bewirkt solche weitgehenden Veränderungen nicht, be¬ 
sonders nicht die Blutungen im Gehirne. Dies ergiebt sich daraus, dass 
der Gehirnbefund bei einer Maus der ersten Gruppe, die 10 Minuten 
röntgenisirt worden war, am gleichen Tage, an dem die anderen Mäuse 
die Salvarsaninjection erhielten, getödtet wurde, ein vollständig negativer 
war. (Befund des Collegen Prof. Dr. Marburg.) 

Salvarsan allein in den gewöhnlich verwendeten Dosen bewirkt auch 
keine so schweren Veränderungen. Diesbezüglich brauche ich mich nicht 
einmal allein auf meine Untersuchungen zu beziehen. Beck hat bei 
seinen Untersuchungen über die neurotoxische Wirkung des Salvarsans in 
17 Versuchsreihen nachgewiesen, dass bei intravenöser Injection von 3 rag 
alkalischem Salvarsan bei Mäusen nicht die geringste Degenerations¬ 
erscheinung in irgend einem nervösen Theil des Kopfes auftrete. ' 

Daraus ergiebt sich, dass die von mir bei röntgenisirten Mäusen 
auf sonst unschädliche Salvarsandosen hin beobachteten schweren Ver¬ 
änderungen der Organe, besonders des Gehirnes durch die Vereinigung 
beider Schädlichkeiten, wahrscheinlich durch die im Gefolge der Röntgeni¬ 
sirung auftretende Gefässbeschädigung bedingt sind. 

Die Befunde werden noch klarer, wenn man sie mit denen bei 
acuter Vergiftung mit Salvarsan vergleicht. 

Marschalko hat zuerst mitgetheilt, dass Kaninchen bei Salvarsan- 
vergiftung mit hohen Dosen (0,11—0,12 pro Kilo) bei Eintritt von Be¬ 
wusstlosigkeit und Krämpfen sterben, dass der Gehirnbefund punkt¬ 
förmige Hämorrhagien aufweise. Anschliessend theile ich Befunde mit, 
die damit gut übereinstimmen 1 ): 

Normale Maus No. 7, Körpergew. 19 g, erhält am 1. 12. 12 3,5 mg alkalisches 
Salvarsan intravenös. Tod unmittelbar nach Injection eingetreten. 

Mikroskopischer Befund (Prof. Joannovics): In der Leber ausserordent¬ 
lich hochgradige Quellung, zum Theil auch Verfettung der Leberzellen, wodurch die 
Structur und Anordnung zu Leberzellbalken verwischt wird. Vielfach finden sich in 

1) Ausführlichere Mittheilungen über Organveränderungen nach Salvarsan¬ 
injectionen werden demnächst aus der Klinik Finger vom Kollegen Docenten 
Dr. Mucha veröffentlicht werden. 


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Die experimentelle Analyse der Saivarsanwirkung. 


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der Leber auch ausgesprochen nekrotische Herde. Die Niere hyperämisoh, Epithelien 
gequollen, zum Theil kernlos. Im Lumen der Harnkanälchen geronnene Massen von 
Eiweiss. Lungenödem. 

Gehirnbefund (Prof.Dr. Marburg): Starkes Hirnödem, geringe Hyperämie. Im 
Kleinhirn Oedem und auch Blutungen. Auch in der Medulla oblongata Oedem und 
kleine Blutungen an der Grenze zwischen Kleinhirn und Medulla. 

Normale Maus No. 8, Körpergew. 23 g, erhält am 1. 12. 12 3,5 mg alkalisches 
Salvarsan intravenös. Tod sofort nach Injection eingetreten. 

Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Sehr geringe Hyperämie des Gehirns, 
Oedem, etwas stärker auf einer Seite entwickelt. 

Hund (Dachsei), Körpergew. 8000 g, erhält am 30. 11. 12 0,16 Salvarsan in 
20 ccm 0,9proc. NaCl-Lösung, 2 cg pro Kilo, intravenös in die Ohrvene. Sofort naoh 
der Injection wird das Thier sehr schwaoh, es macht den Eindruck, als ob es ohn¬ 
mächtig würde. Athmung und Herzthätigkeit werden immer schwächer; das Thier 
stirbt naoh ein Paar Minuten. 

Obductionsbefund: Negativ, nur das Herz sehr schlaff. 

Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Meninx hyperämisch. Hyperämie des 
ganzen Gewebes. Oedem, ohne dass es zu grösseren Lückenbildungen gekommen wäre. 
Auch in der Medulla oblongata Hyperämie und etwas Oedem, eine kleine Blutung. 

Kaninchen No. 63, Körpergew. 1650 g, erhält am 17. 12. 12 14 cg Salvarsan 
in alkalischer Lösung in 20 ccm intravenös. Ungefähr 4 Min. nach der Injection starb 
das Thier ganz ruhig, nur unter Erscheinungen erschwerter Athmung. 

Obductionsbefund (Prof. Joannovics): Negativ. 

Mikroskopischer Befund: Die Leber enthält Fett nur in den Kupffer’schen 
Sternzellen. Hochgradige Hyperämie der Leber. Die Leberzellen, die in den peri¬ 
pheren Antheilen der Acini noch recht gut erhalten sind, erscheinen in der nächsten 
Umgebung der Vena centralis wie hydropisch gequollen, aus ihrem Verbände gelöst. 
Zunächst erscheinen sie nur mangelhaft im Kerne gefärbt, weiterhin kernlos oder 
Reste pyknotischer Kerne führend, in Schollen von mehr hyaliner Beschaffenheit zer¬ 
fallend. Die Nieren sind frei von Fett, ebenfalls hyperämisch, zeigen nur etwas 
stärkere Transsudation in die Kapsel. Herz zeigt keine Veränderung. 

Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Starkes Oedem der Rinde und des 
Marks im Grosshirn; keine Hyperämie. Enorm starkes Oedem der Medulla oblongata 
und des Kleinhirns. 

Hält man die Befunde der nur mit Röntgen behandelten Maus, der 
vorbehandelten und dann mit sonst unschädlichen Salvarsandosen, der mit 
sogar höheren Salvarsanmengen injicirten Mäuse und schliesslich der mit 
diesem Mittel direct tödtlich vergifteten Thiere zusammen, so ist der 
Schluss berechtigt, dass die schweren Veränderungen durch den 
besonderen Zustand des Thieres, wahrscheinlich durch die in 
Folge der Röntgenisirung bedingte Gefässveränderung hervor¬ 
gerufen wurden. 

Dieser Befund, der vollständig einer Encephalitis haemor- 
rhagica entspricht, ist der erste an einem Thier und experi¬ 
mentell erhobene Hinweis, auf welche Weise beim Menschen 
auf sonst ungefährliche Dosen Salvarsan hin auftretende Todes¬ 
fälle mit hauptsächlicher Betheiligung des Nervensystems zu 
erklären sind. 

In einer zweiten Versuchsreihe habe ich Thiere mit Adrenalin vor¬ 
behandelt. Fünf Kaninchen im Gewichte von 1300—1500 g erhielten in 


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der Zeit vom 28. 10. bis 13. 11. 8 mal je 0,1 mg Adrenalin in 1 ccm 
0,9 proc. NaCl-Lösung intravenös. Die Thiere erhielten ab 24. 10. nur 
Hafer und destillirtes Wasser. 

Ich stellte diese Versuchsreihe an, um mich zu überzeugen, ob die 
bei länger fortgesetzter Adrenalinbehandlung oft eintretenden Gefäss- 
veränderungen auch von Einfluss auf die Wirkung der Salvarsaninjectionen 
sind. Der Befund dieser Versuchsreihe ist fast negativ 1 ). Ich erwähne 
sie hauptsächlich deshalb, da bei den mit Adrenalin vorbehandelten 
Thieren nach der Salvarsaninjection Thrombosen der injicirten Ohr¬ 
venen aufgetreten sind. Diese entwickelten sich am 4.—6. Tage nach 
der Injection, trotzdem sie fehlerlos ausgefallen war. Es sind dies fast die 
einzigen Fälle von Thrombenbildung, die ich bei meinen Versuchsthieren 
beobachtet habe. Da ich bei dieser Arbeit gegen 100 Kaninchen ver¬ 
braucht habe, weit über die Hälfte durch lange Zeit, z. Th. durch Monate 
in Beobachtung hatte, ist diese Beobachtung immerhin auffallend. Sie 
erscheint mir auch deshalb erwähnenswerth, da sie vielleicht einen Hin¬ 
weis ergiebt, in welcher Art die bei Leuten mit Gefässveränderungen 
beobachteten Thrombosen nach Salvarsaninjection aufzufassen sind. Solche 
Fälle wurden zuerst von Gaucher, Balzer und Martingay, Clinge- 
stein, Müller und Klausner mitgctheilt. Die Fälle sind zwar nicht 
ganz gleichartig, indem in einigen die injicirte Vene thrombosirte, in 
anderen eine „Fernthrombose“ entstand. Immerhin unterstützen meine 
Befunde die von den Autoren gemachte Annahme, dass die Thrombose 
durch Erkrankung der Gefässwand bedingt sein konnte. 

ln der nächsten Versuchsreihe wurden nicht nur Gefässschädigungen, 
sondern auch Nieren Veränderungen bei den Versuchsthieren hervor¬ 
gerufen. Zu diesem Zwecke habe ich Kaninchen Uran, das eine specifische 
Gefässläsion bedingt (R. Fleckseder), weiterhin zu Nierenveränderungen 
führt, in verschiedener Dosis subcutan verabfolgt, in verschieden langer 
Zeit danach Salvarsan in sonst unschädlicher Dosis injicirt. 

Ich habe folgende Versuche angestellt: 

Kaninchen No. 40, Körpcrgew. 2400g, erhält am 22. 11. 12 1 mg Uran sub¬ 
cutan (0,4 mg pro Kilo), am 2. 12. 12 (10 Tage später) — Körpergew. 2150 g, Körper- 
temp. 39,05 — 0,086 g alkalisches Salvarsan in 20 ccm 0,9 proc. NaCl-Lösung intra¬ 
venös (0,04 g pro Kilo). Fehlerlose Injection. Sofort nach der Injection bekommt 
das Thier Krämpfe, stirbt in 1—2 Minuten. 

Obduction (Prof. Joannovics): Kein eigentliches peritoneales Exsudat. Man 
findet nur reichlich z.T. geronnenes Blut zwischen den Darmschlingen, namentlich unter 
der Zwerchfellkuppe oberhalb der Leber. Blutaustritte in das Mesenterium und in das 
retroperitoneale Zellgewebe. Nieren ausserordentlich blutreich, ziemlich consistent. 
Blutungen in die Lunge. Leberhyperämie. 

Mikroskopischer Befund: Die Leber enthält Fett nur in den Kupffer- 
schen Sternzellen der Peripherie der Acini. Histologisch ist die Structur des Leber¬ 
gewebes erhalten. Die Leberzellen im Protoplasma auffallend hell, aber kein Fett ent¬ 
haltend. Einzelne der Leberzellen kernlos; Kern nioht färbbar. In der Niere enthalten 
Gruppen von Harnkanälchen Fett, herdförmig wie bei menschlicher Nephritis. Namentlich 

1) Nur ein Thier ging drei Wochen nach der Injection kachektisch zu Grunde. 
Obductionsbefund negativ. 


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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 


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findet sich die Verfettung an der Grenze zwischen Rinde und Pyramide. Histologisch 
findet man ausgesprochene Hyperämie. Die Epithelien erscheinen gequollen, durch 
die Einlagerung von Fett heller, sonst stärker gekörnt, unregelmässig begrenzt, ver¬ 
einzelte ohne Kernfärbung. Im Lumen der Harnkanälchen ausgefallenes Eiweiss. 
Lunge: keine Veränderung. 

Gehirnbefund [Hofrath Prof. Dr. Obersteiner’s Neurologisches Institut an 
der Wiener Universität (Prof. Dr. Marburg)]: Oedem. Hyperämie der meningealen 
Venen sehr stark. Di$ Medulla oblongata zeigt Oedem und Hyperämie. Ventrikel sehr 
dilatirt. Zellen ohne Veränderung. 

Kaninchen No. 45, Körpergew. 1650 g, erhält am 10. 1. 13 0,6 mg Uran sub- 
cutan (0,37 mg pro Kilo); am 18. 1. (Körpergew. 1200 g), 8 Tage später, 4,8 cg alka¬ 
lisches Salvarsan in 20 ccm Lösung (4 cg pro Kilo) intravenös. 

Das Thier stirbt am 20. 1. 

Die Obduction ergiebt keine für Uran charakteristischen Veränderungen. 
Lunge und Leber sehr blutreich. Blut nicht geronnen. (Obduction am 21. 1., Vor¬ 
mittags.) 

Kaninchen No. 37, Körpergew. 1800 g, erhält am 10. 1. 13 0,72 mg Uran sub- 
cutan (0,4 mg pro Kilo); am 14. 1. (Körpergew. 1750 g) 7 cg alkalisches Salvarsan in 
20 ccm Lösung (4 cg pro Kilo) intravenös. 

Das Thier stirbt am 25. 1. 

Bei der Obduction findet man das Blut nicht geronnen. Keine für Uran 
charakteristischen Veränderungen. 

Kaninchen No. 11, Körpergew. 2650g, Körpertemp. 39,1, erhält am 22. 11. 12 
2 mg Uran subcutan (0,7 mg pro Kilo). 

25. 11. Körpergew. 2400 g, Körpertemp. 38,7. 

26. 11. (4 Tage später) 0,1 g alkalisches Salvarsan in 20 ccm 0,9 proc. NaCl- 
Lösung intravenös. Körpergew. 2350 g, 0,042 pro Kilo. Fehlerlose Injection. 

27. 1. Körpergewicht 2350 g, Körpertemperatur 37,95. Injicirtes Ohr ganz 
normal, ohne Veränderung. — Abends gestorben. Tod also 24 Stunden nach der 
Salvarsaninjection eingetreten. 

28. 12. Obduction (Prof. Joannovics): Gravidität. Ausgedehnte retro- 
peritoneale Blutung in das Zellgewebe, Blutungen in die Lunge, Verfettung des Herzens, 
der Leber und Nieren. Milz klein. Die Nieren zeigen keine für Uran charakteristischen 
Veränderungen. 

Gehirnbefund (Prof. Marburg): Starke Verbreiterung der Meningen, aber 
nur stellenweise. Oedem, besonders der Partien um den Ventrikel. Ziemlich aus¬ 
gesprochene Neuronophagie, viele Rindenzellen ganz von Neuronophagen durchsetzt. 
Bei den grösseren Rindenzellen ist die Structur gut erhalten. Die Medulla oblongata 
zeigt etwas Oedem. Die Zellen zeigen nur stellenweise leichte Neuronophagie, die 
grösseren Zellen sind intact. Die Gefässe sind auffallend dickwandig. 

Kaninchen No. 90, Körpergew. 1700 g, Körpertemp. 39,5, erhält am 6. 12. 12. 
3,4 mg Uran subcutan (2 mg pro Kilo). 

11. 12. Körpertemp. 37,6, 37,5, Körpergew. 1600 g. Erhält Abends 0,064 g 
alkalisches Salvarsan in 20 ccm mit 0,9 proc. NaCl-Lösung intravenös (0,04 pro Kilo). 

12. 12. Vormittags 8 Uhr 30 Minuten gestorben. 

Obduction: Reichlich leicht blutig gefärbte Flüssigkeit in der Bauchhöhle. 
Nieren blass, geschwollen. Hydrotborax. Blut nicht geronnen. 

Gehirnbefund (Prof. Marburg): Der gleiche Befund wie bei den anderen 
Uranthieren, nur tritt in diesem Falle die Hyperämie stärker hervor als das Oedem, 
und findet man gelegentlich Blutaustritte. In der Medulla oblongata besteht mehr 
Oedem als Hyperämie, auch in diesem Falle auffallend dickwandige Gefässe. 


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Friedrich Luithlen, 

Kaninchen No. 21, Körpergew. 1550 g, Körpertemp. 39,1, erhält am 26. 11.12. 
0,02 g Uran subcutan (1,3 cg pro Kilo). 

30. 11. (4 Tage später): 0,06 g alkalisches Salvarsan in 20 ccm 0,9 proc. NaCl- 
Lösung intravenös (0,04 pro Kilo). Körpertemp. 38,6. 

1. 12. Körpertemp. 38,4. 

2. 12. Thier sehr matt, macht Eindruck schwerer Erkrankung, hat flüssig- 
schleimige StuhleDtleerungen. Körpertemp. Abends kaum 36. In der Nacht gestorben. 

3. 12. Obduction (Prof. Joannovics): In der Peritonealhöhle geringe 
Mengen einer gelblich-klaren Flüssigkeit. Hyperämie der Mesenterialgefässe. Nieren 
blass, ödematös durchtränkt. Keine Hyperämie der Leber. Blut in den Gefassen nicht 
geronnen, gerinnt erst längere Zeit nach Austritt aus den Gefässen. (Obduction nach 
11 Uhr, also ungefähr 10 Stunden nach dem Tode.) 

Mikroskopischer Befund: Die Leber enthält Fett nur an der Peripherie der 
Acini und ganz vereinzelt auch in den Sternzellen. Structur des Lebergewebes erhalten, 
Leberzellen gegen einander nur unscharf abgegrenzt, vacuolisirt, zeigen oft nur mangel¬ 
hafte Kernfärbung. Niere zeigt herdförmige Verfettung der Epithelien, die in ihrer Aus¬ 
dehnung etwa zwischen den Befunden bei Kaninchen No. 22 und No.40 steht. Ausser¬ 
dem findet man namentlich in den Pyramiden ausserordentlich reichlich hyaline Cylinder. 
Während aber hier die Epithelien allenthalben gut erhalten sind, erscheint das Epithel 
der Harncanälchen in der Rinde gruppenweise nekrotisch und desquamirt, wobei durch 
Verschmelzen des abgestossenen Epithels mit den Eiweissmassen zum Theil gekörnte 
Cylinder zu Stande kommen. Hyperämie besteht, ist aber nicht sehr hochgradig. 

Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Starkes Oedem des Gehirns, starke 
Hyperämie der Meningen, besonders der Venen. Im Gewebe selbst tritt die Hyperämie 
gegen das Oedem stark zurück. Die Medulla oblongata zeigt in gleicher Weise starkes 
Oedem. Die Ganglienzellen ein wenig geschrumpft, die pericellulären Räume sehr 
erweitert. 

Kaninchen No. 22, Körpergew. 1400 g, Körpertemp. 39,1, erhält am 26. 11. 12 
0,02 Uran subcutan (1,4 cg pro Kilo). 

28. 11. Körpergew. 1400 g, Körpertemp. 38,3. Harn abgepresst, entbältEiweiss. 
Erhält 0,06 alkalisches Salvarsan in 20 ccm 0,9 proc. NaCl-Lösung intravenös (0,04 
pro Kilo). Fehlerlose Injection. Körpertemp. 10 Uhr: 38,2. 

29. 11. Körpergew. 1400 g, Körpertemp. 37,98. Thier ganz frisch, Ohr ganz 
normal. Abends Körpertemp. 38,1. 

30. 11. Körpergew. 1450 g, Körpertemp. 10 Uhr: 37,7, 6 Uhr 30 Min.: 37,75. 

1. 12. Das Thier ist ganz frisch und munter, auffallend ist nur die etwas be¬ 
schleunigte Athmung. Körpertemp. 37,1. Nach 6 Uhr Abends gestorben. 

2. 12. Obduction (Prof. Joannovics): Reichliches hämorrhagisches Trans¬ 
sudat mit kleinen Blutaustritten in das Gewebe des Mesenteriums. Nieren ödematös 
durchtränkt, starke Hyperämie an der Grenze der Pyramide zur Rinde, die sich streifen¬ 
förmig auch in die Rinde erstreckt. Blutungen in die Lunge. Hyperämie der Leber. 

Mikroskopischer Befund: Die Leber, ausgesprochen hyperämiscb, enthält 
kein Fett, auch nicht in den Kupffer’schen Sternzellen. Die Structur gut erhalten. 
Die Leberzellen selbst gequollen, manchmal wie vacuolisirt, zeigen nicht selten eine 
mangelhafte Kernfdrbung. Die Niere enthält mehr Fett als bei Kaninchen No. 40. 
Die Fetteinlagerungen betreffen wiederum Gruppen von Harnkanälchen, jedoch nicht 
nur an der Grenze zwischen Rinde und Pyramide, sondern auch in grösserer Aus¬ 
dehnung in der Rinde. Auch die Hyperämie ist stark ausgesprochen. Die Schädi¬ 
gung erreicht weit höhere Grade als bei Kaninchen No. 40, indem vielfach die Epithelien 
der Harnkanälchen abgestossen sind, mit dem ins Lumen ausgeschiedenen Eiweiss zu 
gekörnten und hyalinen Cylindern sich vereinigen. Die Bowman’sche Kapsel abge- 


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Die experimentelle Analyse der SalvarsanWirkung. 


515 


hoben, zwischen ihr und den Glomerulis vielfach körnig-krümelig geronnene Eiweiss¬ 
massen. Lunge zeigt Oedem und Blutaustritte. 

Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Gehirn zeigt mehr Oedem als Hyper¬ 
ämie, die auch geringer als bei Kaninchen No. 21 ist. ln der Medulla oblongata die 
Hyperämie stärker. Der vierte Ventrikel ausgedehnt. Zellen normal. 

Kaninchen No. 7, Körpergew. 1550g. 

4.12.12 Körpertemp. 39,5. Blutgerinnung: 1' 45 Faden, V 50 geronnen. 

5.12. Körpertemp. 39,75, 39,5. Blutgerinnung: 1'45 Faden, 1'50 geronnen. 

6. 12. Erhält 0,016 Uran subcutan (0,01 Uran pro Kilo), drei Tage später 
Salvarsan. 

8. 12. Körpertemp. 38,9. Blutgerinnung: 2' 45 Faden. 

9. 12. Körpertemp. 38,5. Erhält 0,056 alkalisches Salvarsan in 20 ccm 
0,9proc. NaCl-Lösung intravenös (0,039 pro Kilo). Körpergew. 1450 g. Fehlerlose 
Injection. 

10. 12. 9 Uhr 30 Min. gestorben. 

Obduction (Prof. Joannovics): Geringe Mengen einer vollständig klaren 
Flüssigkeit im Abdomen. Nieren blass, stark ödematös. Blut flüssig. 

Mikroskopischer Befund: Die Leber enthält nur wenig Fett. Es findet sich 
in den peripheren Antheilen der Acini in Form feiner Tröpfchen innerhalb der Leber¬ 
zellen, sowie auch in KuplTer’schen Sternzellen. Im Uebrigen sind die Leberzellen im 
Allgemeinen gequollen, zeigen oft auch mangelhafte Kernfarbung, doch ist die 
Structur des Lebergewebes sonst gut erhalten. Nieren zeigen starke Veränderungen 
entsprechend der Uranvergiftung. 

Die Befunde ergeben, dass bei kleinen Urandosen, die vorwiegend 
das Gefässsystem schädigen, die nachfolgende Salvarsaninjection in ein¬ 
zelnen Fällen zu Blutungen führt, während bei Vorbehandlung mit grösseren 
Urandosen oder auch bei längere Zeit darauf folgender Salvarsaninjection 
das Krankheitsbild nicht mehr vom Salvarsan, sondern von der Uran¬ 
wirkung bestimmt wird. 

Trotzdem der Einwand zu machen wäre, dass mit Uran behandelte 
Thiere jedenfalls sterben, diese Salvarsanwirkung also nichts Besonderes 
wäre, sind die Befunde doch in mancher Richtung verwendbar. Erstens 
spricht der rasche oder in manchen Fällen sofort eintretende Tod nach 
der Salvarsaninjection bei Vorbehandlung mit kleinen Urandosen für eine 
besonders schädliche Wirkung auf die durch Uran geschädigten Gefässe, 
umsomehr als ausgedehnte Blutungen nicht zum Bilde der Uran Vergiftung 
gehören. Zu bemerken ist dabei, dass thatsächlich in einzelnen Fällen 
Veränderungen der Gefässe auch bei der mikroskopischen Untersuchung 
festgestellt wurden. Ob sie durch das Uran, bedingt oder nur eine zu¬ 
fällig bei den Versuchsthieren vorhandene Veränderung darstellen, kommt 
bei meinen Untersuchungen nicht in Betracht; hier genügt die Fest¬ 
stellung, dass in einzelnen Fällen von Salvarsantod auf sonst unschäd¬ 
liche Dosen Gefässveränderungen vorhanden waren. In ähnlicher Weise 
soll der gewiss auffällige Befund, dass das Blut der mit Uran vorbe¬ 
handelten, an Salvarsan zu Grunde gegangenen Thiere noch lange nach 
dem Tode nicht geronnen war, einfach mitgetheilt werden. 

Bezüglich der Verwerthbarkeit der Befunde ist zweitens anzuführen, 
dass im Gefolge der Uranvergiftung Nierenveränderungen auftreten, so- 
dass man den auf Salvarsan rascher, als zu erwarten war, eintretenden 


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Friedrich Luithlen, 


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Tod der Versuchstiere auch für die besonders schädliche Wirkung des 
Salvarsans bei bestehenden Nierenveränderungen heranziehen könnte. 
Hierfür spricht auch die früher mitgetheilte Beobachtung, dass die einzige 
Maus, die mir an 3 mg alkalischem Salvarsan zu Grunde ging, eine 
parenchymatöse Nephritis hatte. 

Während in den ersten zwei Versuchsreihen, Röntgen und Adrenalin, 
nur Gefässschädigungen, in der dritten ausser diesen auch Veränderungen 
der Nieren hervorgerufen wurden oder werden sollten, handelt es sich 
bei der vierten Versuchsreihe vorwiegend um Nierenschädigungen, bedingt 
durch Sublimat. Diese Versuchsreihe habe ich nicht nur angestellt, um 
die Wirkung des Salvarsans bei geschädigter Niere zu prüfen, sondern 
auch um die neuerdings aufgekomraene, besonders von Wechsel mann 
vertretene Ansicht experimentell zu untersuchen, dass Salvarsan bei com- 
binirter Behandlung, also im Verein mit Hg besonders schädlich wirke. 
Ara 22. 11. injicirte ich Mäusen 0,2 mg Sublimat in 1 ccm intravenös. 
Am 25. 11. injicirte ich einer dieser Mäuse 2 mg alkalisches Salvarsan 
intravenös, ebenso einer normalen Maus. Beide Mäuse blieben gesund. 
Ara 26. 11. injicirte ich einer der mit Sublimat vorbehandelten Mäuse 
3 rag Salvarsan (Körpergew. 24 g). Sie starb unmittelbar nach der In- 
jection; die Controlmaus (18 g Körpergew.) blieb gesund. Eine zweite mit 
Sublimat vorbchandelte Maus mit einem Körpergewicht von 33 g blieb am 
Leben. Sowohl die mit Sublimat allein vorbehandelten Mäuse als auch die 
Controlmäuse für Salvarsan allein sind 4 Wochen später am Leben, ganz 
gesund. Die stärkste der mit Sublimat vorbehandelten Mäuse hat einen 
Tag nach der Salvarsaninjection geworfen, blieb aber ebenfalls ganz gesund. 

Am 28. 11. injicirte ich 4 Mäuse mit je 0,4 mg Sublimat subcutan. 
Ara 1. 12. injicirte ich einer dieser 1,75 mg Salvarsan intravenös, ebenso 
einer normalen Maus. Diese blieb gesund, die Sublimatraaus bekam 
nach der Injection Krämpfe, starb in 3 Stunden (Maus No. 6). 

Zwei Sublimatmäuse, die eine höhere Salvarsandosis (3 mg) erhielten, 
starben sofort nach der Injection. Die mit Sublimat allein behandelte 
Maus starb erst am 18. 12., also fast 3 Wochen später. 

Anschliessend theile ich die pathologischen Befunde mit: 

Maus No. 6 erhält am 28. 11. 0,4 mg Sublimat subcutan (Körpergew. 23 g), am 
1. 12. 1,75 mg alkalisches Salvarsan intravenös. Sofort nach der Injection Krämpfe, 
bleibt aber über 3 Stunden am Leben. Die Leber im grossen und ganzen gut er¬ 
halten, nur erscheint die Structur durch Vergrösserung und Quellung der Leberzellen 
weniger deutlich. Fett findet sich namentlich in den peripheren Antheilen der Acini 
in grosser Menge. Hyperämie massigen Grades. Die Niere enthält Fett in geringen 
Mengen, vorwiegend in den gewundenen Harnkanälchen der Kinde. Selbst im histo¬ 
logischen Bilde eine schwere Schädigung des Epithels bis zur Nekrose und Des¬ 
quamation, sowie Bildung hyaliner Cylinder. Zwischen Glomerulis und Kapsel findet 
sich reichlich ausgefallenes körnig-krümeliges Eiweiss. Hyperämie deutlich ausge¬ 
sprochen. Hochgradigste Hyperämie der Lunge, leichter Grad von Oedem. 

Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Das Gehirn zeigt Hyperämie, aber 
noch mehr Oedem, sowohl in der Rinde als ganz besonders in der Nähe der Ventrikel. 

Maus No. 9, Körpergew. 23 g, erhält am 28. 11. 0,4 mg Sublimat subcutan, 
am 1. 12. 3 mg Salvarsan intravenös. Tod sofort nach Injection eingetreten. 


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Die experimentelle Analyse der SalvarsanWirkung. 51? 

Mikroskopischer Befand: Die Leber enthält reichlich Fett, das ziemlich 
gleichmässig über den ganzen Acinus in Form grosser Fetttropfen in den Leberzellen 
eingelagert sich findet. Die Leberzellen selbst sind durch die Einlagerung des Fettes 
oft schwer geschädigt, zeigen mangelhafte Kernfärbung. In den centralen Antheilen 
der Acini erscheinen sie auch nekrotisch. Niere ist eigentlich so gut wie fettfrei, nur 
ganz vereinzelt enthalten Harnkanälchen in ihren Epithelien Spuren von Fett in Form 
feinster Tröpfchen. Im histologischen Bilde prägt sich die Hyperämie deutlich aus. 
Ausserdem besteht eine Quellung des Epithels der Harnkanälchen, deren Lumen mehr 
oder weniger reichlich körnig geronnenes Eiweiss, sowie auch vereinzelte hyaline 
Cylinder enthält. Die Milz erscheint blutreich, in ihren Pulpazellen auch zellreich, 
wodurch die Follikel nur wenig deutlich hervortreten. In der hyperämischen Lunge 
hochgradiges Oedem. 

Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Viel stärkere Hyperämie und Oedem als 
bei Maus No. 8. Das Oedem überwiegt die Hyperämie. 

Betrachten wir die Versuchsreihe der mit Sublimat vorbehandelten, 
dann mit Salvarsan injicirten Mäuse, so finden wir, dass eine erhöhte 
Empfindlichkeit für Salvarsan besteht. Jene Mäuse, die nur Sublimat 
erhalten hatten, blieben 3 Wochen und länger am Leben, ebenso die nur 
mit Salvarsan injicirten Thiere, während die vorbehandelten und dann 
mit Salvarsan injicirten Mäuse sofort oder in kürzester Zeit zu Grunde 
gingen. Dieser Befund stimmt mit den Angaben anderer Autoren gut 
überein. 

Tokashi und Miyabe fanden bei mit Sublimat vorbehandeltem 
Kaninchen, dass Salvarsaninjection die klinischen Erscheinungen der 
Nephritis sehr steigere. Weiterhin stellten sie fest, dass Salvarsan allein 
der gesunden Niere wenig oder gar nicht schade. Schlasberg (Dermatol. 
Zeitschr. 1912) kommt auf Grund experimenteller Untersuchungen zu 
dem Schlüsse, dass eine einzelne intravenöse Salvarsaninjection in der 
Dosis von 2 cg pro Kilogramm beim Kaninchen gar keine Veränderungen 
der Nieren bedingen könne. Erst bei Wiederholung der Injectionen und 
bei höheren Dosen komme es zu pathologischen Veränderungen der 
Niere. Es erscheint daher die Annahme berechtigt, dass bei Thieren, 
die durch vorhergehende Hg-Behandlung geschädigt wurden, Salvarsan- 
dosen, die von normalen, gesunden Thieren ohne jeden Schaden ver¬ 
tragen werden, schädlich, wie meine Untersuchungen ergeben, oft direct 
tödtlich wirken. 

Auf Grund all dieser Befunde würde ich daher die Frage, ob die 
Combination von Hg und Salvarsan schädlich wirken könne, dahin beant¬ 
worten, dass Salvarsan in jenen Fällen eine schädliche Wirkung ent¬ 
falten könne und wahrscheinlich auch entfalten werde, in denen es in 
Folge der Hg-Wirkung bereits zu Schädigung der Nieren ge¬ 
kommen ist. Ohne Veränderung der Nieren dürfte Salvarsan aller Wahr¬ 
scheinlichkeit nach auch bei combinirter Behandlung keinen Schaden 
anrichten, besonders bei intravenöser Injection, da es bei dieser, wie 
bekannt, sehr rasch ausgeschieden wird. 

Meine Befunde geben mir daher nicht die Berechtigung, die com- 
binirte Behandlung für nicht angezeigt zu halten, die unter Umständen 
auftretenden Schädigungen durch die Combination als solche zu erklären, 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 34 


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sondern enthalten meiner Ansicht nach den deutlichen Hinweis, bei 
bereits mit Hg behandelten Fällen dem Zustande der Nieren die grösste 
Aufmerksamkeit zu schenken, bei Veränderungen dieser mit der grössten 
Vorsicht vorzugehen, eher auf eine Salvarsanbehandlung zu verzichten. 

Auf Grund meiner Befunde müsste ich die zweite Frage meiner 
Arbeit, ob die schädlichen Nebenwirkungen des Salvarsans nur durch 
besondere, bisher noch unbekannte Verhältnisse bedingt sind, dahin 
beantworten, dass die schweren Folgen des Salvarsans, richtige Dosirung 
und fehlerlose Injection vorausgesetzt, nicht durch das Mittel als solches, 
sondern durch krankhafte Veränderungen des Organismus bedingt sind, 
in Folge deren das Salvarsan eine besonders schädliche Wirkung entfaltet. 

Zur weiteren Unterstützung dieser Ansicht muss ich ausser den bei 
den Versuchen angeführten Controlthieren, die gesund blieben, noch an¬ 
führen, dass ich im Verlaufe dieser Arbeit, bei der ich seit Juni d. J. 
an 100 Kaninchen verbraucht habe, kein von mir nicht vorher absichtlich 
geschädigtes Thier durch Salvarsan verloren habe, von den beabsichtigten 
Vergiftungen natürlich abgesehen. Noch heute (Ende 1912) laufen in 
den Stallungen an 40 Thiere herum, die alle, zum grossen Theile vor 
Monaten, 4 cg Salvarsan pro Kilo erhielten. Verloren habe ich, um 
ganz genau zu sein, ein Thier im Anfänge der Arbeit durch Luft¬ 
embolie, ein Thier an Lungenseuche, eines an eitriger Peritonitis, dem 
beim Messen der Temperatur im Rectum der Darm durchgestossen 
worden war. Alle anderen Thiere, die ich, um ein Urtheil zu gewinnen, 
zum Theil seit dem Sommer im Futter habe, sind am Leben geblieben, 
was jedenfalls auch ein Hinweis ist, dass Salvarsan in mittleren Dosen 
bei gesunden Thieren keine besonders starke Schädigung bewirken kann 1 ). 
Ich bemerke hierzu, dass ich dies nur bezüglich der einmaligen Injection 
annehme, über Reinjectionen und deren Folgen in dieser Arbeit kein 
Urtheil abgeben will. 

Während Salvarsan in normalen Dosen bei gesunden 
Thieren fast unschädlich zu sein scheint, wirkt es bei Ver¬ 
änderungen der Gefässe, besonders der Capillaren, sowie bei 
Veränderungen der Nieren, ausserordentlich schädlich. 

Für die Klinik bieten meine Befunde die Erklärung für die Todes¬ 
fälle bei sonst normaler Weise gut vertragenen Salvarsandosen, sie geben 
die Berechtigung und Verpflichtung, das Salvarsan in jenen Fällen und 
in jenen Stadien der Syphilis von der Behandlung auszuschliessen, in 
denen wir Gefässschädigungen, besonders Capillarveränderungen, annehmen 
müssen, also bei der Syphilis in der secundären Periode, bei der schon 
die Exantheme auf Veränderungen der Gefässe hinweisen. Weiterhin 
enthalten sie die Mahnung, stets den Zustand der Nieren genau zu 
beachten, auch bei der combinirten Behandlung mit Hg und Salvarsan 

]) Anmerkung während der Correctur: Später ausgeführte mikroskopische 
Untersuchungen ergaben, dass auch bei diesen Thieren sich Organveränderungen ge¬ 
funden haben, deren mögliche Abhängigkeit von der Salvarsaninjection vom Collegen 
Doc. Dr. Mucha untersucht werden wird. 


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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 519 

dieses nur dann anzuwenden, wenn keine Veränderungen der Niere vor¬ 
handen sind. 

Meine Befunde sind wahrscheinlich auch geeignet, die in einzelnen 
Fällen aufgetretenen Thrombosen, die Richtigkeit der klinischen Auf¬ 
fassung des Entstehens dieser, zu bestätigen. 

Sie geben einen Hinweis, einzelne der bei Salvarsanbehandlung 
beobachteten Eigentümlichkeiten luetischer Exantheme, so der von 
Oppenheim zuerst beschriebenen Blutaustritte^ zu erklären. Sie stimmen 
auch in einem weiteren Punkte, der Erklärung der Herxheimer’schen 
Reaction mit der von Ricker und Knape gegebenen Erklärung überein, 
indem auch sie die Annahme eines vermehrten Blutzuflusses und einer Blut¬ 
stauung in den pathologisch veränderten Gefässen wahrscheinlich machen. 

Die experimentelle Analyse des Salvarsans, am gesunden und ge¬ 
schädigten tierischen Organismus durchgeführt, ergiebt folgende Befunde: 

1. Die acnte Wirkung des Salvarsans ist keine Arsen- 
Ionenwirkung, sondern die der ganzen complexen Ver¬ 
bindung; sie unterscheidet sich von jener wesentlich 
und ist ihr in mancher Beziehung geradezu entgegen¬ 
gesetzt. Bei chronischer Wirkung des Salvarsans dürfte in 
den Gewebszellen die eigentliche Arsen-Ionenwirkung 
unter Zerfall des Complexes zur Geltung kommen. 

2. Salvarsan ist in richtiger Dosirung und bei fehlerloser 
Injection ein relativ unschädliches Mittel. Jedenfalls 
weist es für seinen hohen Arsenikgehalt eine sehr 
geringe Toxicität auf. 

3. Die acute tödtliche Vergiftung des gesunden Organismus 
mit hohen Salvarsandosen ist auf Herzwirkung zurück¬ 
zuführen. Bei krankem Organismus, besonders bei 
geschädigtem Gefässsysteme, treten dagegen bereits 
auf Salvarsangaben, die keine wesentliche Schädi¬ 
gung des Herzens herbeiführen, durch Einwirkung auf 
die krankhaft veränderten Gefässe schwere Erschei¬ 
nungen, unter Umständen der Tod ein. 

So finden die schweren Folgen des Salvarsans, so weit 
sie nicht durch Fehler in der Dosirung oder Injection hervor¬ 
gerufen werden, ihre Erklärung in Veränderungen des Orga¬ 
nismus, namentlich des Gefässsystems und der Nieren. 

Diese experimentell erhobenen Befunde sind geeignet, die 
bisher ungeklärten Todesfälle nach Salvarsaninjectionen zu 
erklären, dadurch die Indicationsstellung des Mittels zu be¬ 
richtigen. 

Wird der Zustand des Organismus genügend berücksichtigt, 
dann wird es gelingen, die üblen Zufälle bei Salvarsanbehand¬ 
lung zu vermeiden, von den guten Wirkungen des Mittels 
vollen Nutzen zu ziehen. 


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XXVII. 


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Aus dem Laboratorium der II. med. Klinik in Berlin 
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. Kraus). 

Nebenniere und Zuckerstich. 

Von 

Adolf Jarisch. 

(Hierzu Tafeln XVI und XVII.) 


Die Entdeckung May er’s (20), dass beim Kaninchen die doppel¬ 
seitige Exstirpation der Nebenniere das Zustandekommen der Piqüre- 
glykosurie verhindert, welche später von Kahn (16) und Landau (18) 
bestätigt wurde, gab Anlass, der Nebenniere eine wichtige Rolle im 
Zuckerstichmechanismus zuzuweisen. Im Hinblick auf die von Blum (5) 
entdeckte glykosurische Wirkung des Adrenalins wurde angenommen, 
dass der in der Rautengrube gesetzte Reiz die Nebenniere veranlasse, 
ihr specifisches Marksecret, das Adrenalin, in den Kreislauf auszuschütten 
und dass dieses dann das Glykogen mobilisire. Die unmittelbare Wirkung 
der Piqüre sei eine Hyperadrenalinämie, die Hyperglykämie (bezw. die 
Glykosurie) eine secundäre Erscheinung. Zur directen Bestätigung dieser 
Annahme standen zwei Wege offen. Erstens galt es die Hyperadrenalin¬ 
ämie nachzuweisen. Während Watermann und Smit (32), Water¬ 
mann (33) den Adrenalingehalt des Blutes nach der Piqüre erhöht 
fanden, kamen Kahn (16), Brücke (6) Negrin y Lopez (22) zu einem 
negativen Resultate. Da jüngst Kahn zeigen konnte, dass die Ver¬ 
mehrung des Adrenalins im Blute bei der experimentellen Adrenalin- 
glykosurie nach Injection von 0,1—0,5 mg Adrenalin dem Nachweis mit 
den gebräuchlichen Methoden entgeht, kommt die Adrenalinbestimmung 
für den Beweis der Betheiligung der Nebenniere am Zuckerstichmecha¬ 
nismus nicht in Betracht. 

Den zweiten Weg beschritt Kahn: Er versuchte den Beweis auf 
mikrochemischem, d. h. histologischem Wege, zu erbringen. 

Ausgehend von der Vorstellung, dass die Intensität der Chrom- 
reaction, d. h. die Intensität der Chromaffinität der Markzellen ein Maass¬ 
stab des Adrenalingehaltes der Nebenniere sei, untersuchte er die Neben¬ 
nieren von Kaninchen, welche auf der Höhe der Piqüreglykosurie 
exstirpirt worden waren, histologisch auf die Intensität der Chrom¬ 
bräunung ihrer Markzellen. Dabei ging er so vor, dass er bald die 
linke, bald die rechte Nebenniere exstirpirte, hierauf den Zuckerstich 
ausführte, und, nachdem Zucker im Harn aufgetreten war, nach 2 x / 2 bis 
3 Stunden die rechte Nebenniere entfernte. Beide Organe wurden in 
Chromlösung fixirt, ganz gleich behandelt und die Präparate dann ver- 


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Nebenniere und Zuckerstich. 


521 


glichen. Hierauf untersuchte er, ob die Durchschneidung eines Splanch- 
nicus die eine Nebenniere vor dem vom Zuckerstich erwarteten Ein¬ 
flüsse schützt und drittens, ob die elektrische Reizung eines Splanchnicus 
eine Veränderung im Nebennierenmarke hervorruft. Das Resultat war 
folgendes: Die während der Zuckerstich Wirkung im Thiere verbliebene 
Nebenniere zeigte im Vergleich mit der vor dem Zuckerstich exstirpirten 
eine hochgradige Abnahme der Chrorairbarkeit des Markes. Die Durch¬ 
schneidung eines Splanchnicus schützt die von ihm versorgte Neben¬ 
niere vor der genannten Veränderung. Künstliche rhythmische Reizung 
eines Splanchnicus verursacht Glykösurie, ohne die Chromreaction des 
Markes zu beeinflussen. Kahn schloss daraus, dass die Nebennieren 
nach dem auf dem Splanchnicuswege ihr zugeleiteten Piqürereiz ihr 
Adrenalin aussehütten und dadurch die Glykosurie hervorrufen. 

Kahn konnte ferner zeigen, dass die im Sinne der Verminderung 
der Chromreaction veränderte Nebenniere, im Blutdruckversuch geprüft, 
auch einen geringeren Gehalt an vasoconstringirender Substanz aufwies, 
als die normale. 

Herr Professor Brugsch forderte mich auf, die Resultate Kahn’s 
betreffend, die durch den Zuckerstich bewirkte Veränderung des Neben- 
nierenraarkes nachzuprüfen. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Professor 
Brugsch für die Stellung des Themas meinen Dank sagen. 

Methodik. 

Der Zuckerstich wurde nach der Methode Eckhart’s (11), nachdem in einer 
vorbereiteten Operation die Membrana atlanto-occipitalis post, freigelegt und gespalten 
worden war, ausgeführt. Bei der Splanchnicotomie hielt ich mich an die Angaben 
Schul tze’s (28). Sämmtliche Operationen wurden streng aseptisch ausgeführt. 
Betont sei, dass die Thiere nur während der Eröffnung des Abdomens und während 
des Zuckerstiohes mit Aether narkotisirt wurden, um einer eventuellen Einwirkung 
der Narkose auf das Nebennierenmark [Schur und Wiesel (29)] zu entgehen. 
Ebenso wurden mit Rücksicht auf den bekannten Einfluss der Abkühlung und Fesselung 
auf den Kohlehydratstoffweohsel [Boehm und Hofmann (7)] die Thiere nach der 
Operation mit warmen Tüchern gewärmt und nur die unbedingt nötbige Zeit auf dem 
Operationsbrett gelassen. Sämmtliche Nebennieren wurden auf operativem Wege ge¬ 
wonnen und unmittelbar in die Fixirungsflüssigkeit gebracht, so dass auch die Ein¬ 
wirkung der Agone [Cevidalli und Leonoini (9)] ausgeschaltet wurde. Der im 
Harn aufgetretene Zucker wurde durch Reduction Fehling’scher Lösung naoh- 
gewiesen und die Quantität polarimetrisch bestimmt. 

Histologische Technik. 

Alle Nebennieren wurden in gleicher Weise, mit den gleichen Flüssigkeiten, 
während der gleichen Zeit behandelt. Die Fixirung der lebenswarmen Organe erfolgte 
in einem Gemisch, welches 90 ccm einer 3,5proc. Kaliumbicbromatlösung und lOccm 
des käuflichen 40proc. Fortnols enthielt. In dieser Lösung blieben die Nebennieren 
24 Stunden, dann wurden sie auf 48 Stunden in eine 3,5 proc. Kaliumbichromat- 
lösung gebracht und hierauf 48 Stunden in fliesseudem Wasser ausgewaschen. Dann 
wurden die Organe halbirt und z.T. ganz in Celloidin, z.T. die eine Hälfte inCelloidin, 
die andere in Paraffin eingebettet. Da es in Folge der homogenen Structur der Organe 
gelang, Celloidinschnitte von 5 gi Dicke zu erzielen, wurde die bedeutend schonendere 


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522 


Adolf Jarisch, 


Einbettung in Celloidin bevorzugt. Es wurden Schnitte von 5—20/r Dicke untersucht. 
Die Resultate sind auf der Tabelle verzeichnet. 


Nummer 

Datum 

Ge¬ 

wicht 

g 

Operation 

o 

o 

=J 

CS3 

g 

Exstirpation 
der anderen 
Nebenniere 
naeh 

linke Nebenniere 

rechte Nebenniere 

af *S 
t Z t 

Sk.:; 

1 

12. 11. 

— 

Exstirpation beider Neben¬ 
nieren 

- 

— 

dunkel chromirt 

| 

dunkel chromirt 

= 

2 

14. 11. 

— 

do. 

— 

Exstirpat. 

do. 

do. 

= 

3 

20. 11. 

— 

do. 

— 

Wider 

do. 

do. 

= 

4 

7. 1. 

2200 

do. 

— 

nieren 

mittelstark chromirt 

mittelstark chromirt 

= 

5 

22. 11. 

1600 

do. 

— 

nach 

dunkel chromirt 

dunkel chromirt 

= 

6 

27. 11. 

— 

Zuckerstich 

0,74 

4V 2 Std. 

do. 

do. 

= 

7 

10.12 

— 

do. 

0,8 

4 l / 2 * 

mittelstark chromirt 

mittelstark chromirt 

= 

8 

28. 2. 

1600 

do. 

0,65 

2 

dunkel chromirt 

dunkel chromirt 

= 

9 

16. 12. 

— 

Exstirpation d. linken Neben¬ 
niere, Zuckerstich 

1,09 

4 Std. 

do. 

schwach chromirt 

» 

10 

18. 12. 

— 

do. 

0,25 

4 „ 

do. 

sehr schwach chromirt 

» 

11 

27. 11. 

— 

do. 

0 

5 * 

do. 

keine Chromreaction >>> 

12 

2. 12. 

— 

do. 

0 

4«/. „ 

do. 

schwach chromirt 

» 

13 

2. 1. 

— 

Exstirpation d. linken Neben¬ 
niere 

— 

4 V, , 

do. 

etwas blässer wie die 
linke 

> 

14 

2. 1. 

— 

Exstirpation d. recht. Neben¬ 
niere 

— 

4*/4 , 

deutlich blässer wie 
die rechte 

mittelstark chromirt 

<A 

15 

10. 1. 

2200 

extraperitoneale Exstirpation 
der rechten Nebenniere 

— 

4»/. „ 

do. 

dunkel chromirt 

<< 

16 

13. 1. 

1500 

extraperitoneale Exstirpation 
der linken Nebenniere 

— 

5 1 / 2 T> 

dunkel chromirt 

sehr schwach chromirt 

>> 

17 

20. 12. 

1300 

Exstirpation d. linken Neben¬ 
niere, Eckhart’sche Op. 

— 

4 V 2 n 

i do. 

keine Chromreaction 

>» 

18 

3. 1. 

2300 

do. 

— 

4 „ 

mittelstark chromirt 

do. 


19 

17. 1. 

2300 

Exstirpation d. linken Neben¬ 
niere 

— 

2V 2 „ 

dunkel chromirt 

dunkel chromirt 


20 

28. 1. 

1750 

Exstirpation d. linken Neben¬ 
niere, Zuckerstich 
Exstirpation d. recht. Neben¬ 
niere, Zuckerstich 
Exstirpation d. linken Neben¬ 
niere, Eckbart’sche Op. 

0 

2V 2 * 

do. 

schwach chromirt 

i » 

21 

29. 1. 

1850 

0 

2 . 

schwach chromirt 

dunkel chromirt 

« 

22 

3. 2. 

1270 

— 

2 * 

dunkel chromirt 

schwach chromirt 

N> 

23 

5. 2. 

1800 

do. 

— 

9 

w V 

do. 

do. 


24 

25. 2. 

1600 

Splanchnicotomie links, Eck¬ 
hart’sche Op. 

— 

2 , 

do. 

do. 

» 

25 

11 . 3. 

1900 

do. 

— 

4‘/t » 

do. 

sehr schwach chromirt »' 

26 

7. 3. 

1650 

Exstirpation d. recht. Neben¬ 
niere, Splanchnicotomie 
links, Eckhart’sche Op. 


3 . 

do. 

dunkel chromirt 



No. 1—5. Zur Orientirung wurden 5 Paare von Nebennieren von 
Thieren, an welchen keinerlei Eingriff gemacht worden war, untersucht. 
Der Vergleich der Präparate ergiebt, dass die beiden Nebennieren eines 
Thieres den gleichen Grad der Chrombräunung zeigen, dass aber die 
einzelnen Paare sich von einander hinsichtlich der Chromreaction unter¬ 
scheiden. 

No. 5—8. Die Nebennieren wurden i l / 2 bezw. 2 Stunden nach erfolg¬ 
reicher Piqüre exstirpirt. Die Marksubstanz zeigte gute Chromirbarkeit. 

No. 9—12. Es wurde die linke Nebenniere exstirpirt, die Piqure 
ausgeführt und nach 4—5 Stunden die rechte Nebenniere gewonnen. 


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Nebenniere und Zuckerstich. 


523 


In zwei Fällen trat kein Zucker im Harn auf. Die rechte Nebenniere 
zeigte in allen Fällen nur schwache Chromreaction. 

Hierauf wurden die bei dieser Versuchsanordnung angewendeten 
Eingriffe in ihrer Wirkung auf das Nebennierenmark geprüft. 

No. 13—14. Die Exstirpation einer Nebenniere, per laparotomiam, 
bewirkt in 4*4 Stunden eine deutliche Verminderung der Chromaffinität 
des Markes der zurückgebliebenen Nebenniere. 

No. 15—16. Auch die Exstirpation vom Rücken aus, ohne Er¬ 
öffnung der Peritonealhöhle (durch Obduction controlirt), wirkt in bis 
57* Stunden in der angegebenen Weise. 

No. 17—18. Die Exstirpation einer Nebenniere bewirkt im Verein 
mit der Vorbereitungsoperation für den Zuckerstich (Eckhart) in 4 J /2 bis 
5 Stunden vollständiges Verschwinden der Chromreaction in der zurück¬ 
gebliebenen Nebenniere. 

Nun wurde untersucht, ob die erwähnte Veränderung schon in 2 bis 
2 1 / 2 Stunden zu erzielen sei. 

No. 19. Bei einem 2300 g schweren Kaninchen wirkte die Ex¬ 
stirpation einer Nebenniere nicht auf das Mark der anderen ein. 

No. 20—21. Zwei Piqüreversuche: ohne dass Zucker im Harn auf¬ 
getreten wäre, zeigen beide Nebennieren hochgradige Unterschiede. 

No. 22—23. Die Exstirpation einer Nebenniere bewirkt im Verein 
mit der Eckhart’schen Operation (ohne Zuckerstich) auch binnen zwei 
Stunden eine hochgradige Veränderung in der zurückgelassenen Neben¬ 
niere. 

No. 24—25. Nach der Durchschneidung des linken Splanchnicus 
und Eckhart’scher Operation zeigt sich die linke Nebenniere dunkel 
chromirt, während die rechte nur blassgelb erscheint. 

No. 26. Nach der Exstirpation der rechten Nebenniere und der 
Eckhart’schen Operation schützt die Durchschneidung des linken Splanch¬ 
nicus die linke Nebenniere vor dem Verlust ihrer Chromreaction. 

Aus den Versuchen geht hervor, dass ein Einfluss des Zuckerstiches 
auf das Mark der Nebenniere nicht nachweisbar ist. Die nach wirk¬ 
samem Zuckerstich exstirpirten Nebennierenpaare zeigen gute Chromirung. 
(Wenn ein Paar etwas blässer erscheint, so beweist dies nichts, da sich 
nicht alle Kaninchen-Nebennieren gleich intensiv mit Chrom bräunen 
lassen.) Die nach Exstirpation einer Nebenniere und Zuckerstich in der 
andern auftretende Veränderung ist nicht auf den Zuckerstich, sondern 
auf die zur Anwendung kommenden Eingriffe zu beziehen. 

Es bleibt die Frage zu beantworten, wodurch die Veränderung im 
Nebennierenmark entsteht. Eine com pensatorische Ausschwemmung des 
chromaffinen Secretes aus einer Nebenniere nach Exstirpation der anderen 
ist wahrscheinlich, doch spricht Versuch 19 dagegen, dass dieselbe mikro¬ 
chemisch nachweisbar wäre. 

Es ist bekannt, dass die Laparotomie, Aderlässe und andere chirur¬ 
gische Eingriffe bei Thieren Hyperglykämie bezw. Glykosurie hervorrufen 
[Rose (26), Winkler (35), Nishi (23), Redard (25), Minkowski (21)]. 
Es ist unwahrscheinlich, dass diese Hyperglykämien unter Betheiligung 


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524 


Adolf Järisch, 


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des Nebennierenraarkes entstehen (als Adrenalinglykämien), da Nishi 
zeigte, dass die Vermehrung des Blutzuckers nach Aderlässen auch nach 
beiderseitiger Nebennierenexstirpation zu Stande komme, dass somit der 
Mechanismus der in Rede stehenden Hyperglykämie unmittelbar in der 
Leber angreift. 

Die Thatsache, dass die Ausschwemmung des chromaffinen Secretes 
immer und intensiver als nach blosser Nebennierenexstirpation nach der 
Eckhard sehen Operation, welche mit der Eröffnung des Duralsackes 
verbunden ist, eintritt, weist darauf hin, dass die Reaction als Antwort 
auf den operativen Eingriff aufzufassen sei. Der durch die Operation 
erzeugte Reiz wird auf dem Wege des Splanchnicus zur Nebenniere ge¬ 
leitet und veranlasst diese zur Abgabe des chromaffinen Secretes, welches 
vielleicht reparatorisch eingreifen soll. 

Nachdem alle Versuche, welche eine Betheiligung der Nebenniere am 
Zustandekommen der Piqüreglykosurie beweisen sollten, unvollkommen 
sind, und da ferner nur beim Kaninchen die Nebennierenexstirpation die 
Piqüre unwirksam macht — bei der Katze und beim Hund kommen 
Kochsalzglykosurie [Mc. Guigou (13)] und Piqüreglykosurie [Wert¬ 
heimer und Battez (34)] trotz Epinephrectomie zu Stande — liegt kein 
Grund vor, der Nebenniere beim Zuckerstichmechanismus eine active Rolle 
zuzuschreiben. 

Da das Adrenalin pharmakologisch auf den peripheren Sympathicus 
cinwirkt, ist es nicht nöthig anzunehmen, dass der centrale Reiz neben 
dem directen Weg zum Leberglykogen noch den Umweg über das Ad¬ 
renalin macht Das Ausbleiben der Piqürewirkung nach der Epineph¬ 
rectomie beim Kaninchen dürfte sich aus den Verletzungen bei der Ope¬ 
ration erklären lassen. Der rechte Splanchnicus ist in Folge seiner Lage 
bei der Exstirpation der rechten Nebenniere nicht zu schonen und links 
kann sehr gut die Manipulation in unmittelbarer Nähe des Ganglion solare 
die glykogenolytischen Fasern des Splanchnicus schädigen. 

Die histologischen Erscheinungen. 

Vor der Beschreibung der feineren histologischen Veränderungen im 
Marke der Nebenniere nach den obengenannten Eingriffen sollen die 
Secretionserscheinungen unter physiologischen Verhältnissen dargestellt 
werden. Gelegenheit zu ihrem Studium bot die Untersuchung der 
25 normalen Nebennieren. 

Mikroskopische Befunde, welche mit der Thätigkeit des Nebennierenmarkes in 
Verbindung gebracht wurden, meldet die Literatur zahlreiche. Zwei Ansichten stehen 
einander gegenüber: Gottschau (12), Pfaundler (24), Biedel (2), Hultgren 
und Andersson(14), Scheel(27) u. a. (Lit. bei Hultgren u. Andersson) sprechen 
von morphologischen Secretionsproducten, Manasse (19) hingegen und Stoerk und 
v. Haberer (31) nehmen ein flüssiges Secretionsproduct an. Stoerk und v. Haberer 
fanden, dass die Granula der Markzellen das chromaffine Secret bereiten und dann von 
einer gewissen Secretionshöhe ab an das intergranuläro Plasma der Zellen abgeben. 
Wenn sich so die Zellen bis zu einem gewissen Grade mit chromaffinem Secret be¬ 
laden haben, beginnt die Diffusion in das Lumen der Gefässe, woselbst es nun nach¬ 
weisbar wird [Abb. bei Stoerk und v. Haberer und Biedel (3)]. Meine Präparate 


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Nebenniere und Zuckerstich. 


525 


bestätigen die Befunde von Stoerk und v. Haberer. Da sich ihre Angaben in der 
Hauptsache auf den Hund und die Katze beziehen, beim Kaninchen aber ganz charakte¬ 
ristische Erscheinungen auftreten, soll eine Schilderung der Secretionsvorgänge bei 
meinem Versuchstiere folgen,. 

Zur Untersuchung kamen, wie Eingangs erwähnt, Celloidinschnitte in der Dicke 
von 5—20sowie Gefrierschnitte. Von jedem Organ wurden Schnitte untersucht: 
a) im ungefärbten Zustande (dieselben zeigen die phäochrome Substanz nach der 
Chromfixirung in gelber Farbe), b) mit Hämalaun und Eisen-Alaun-Hämatoxylin, 
c) mit Hämalaun-Eosin, d) mit Farbstoffen für collagene Fasern, nach van Gieson, 
mit Eisenbämatoxylin als Kernfärbung, und Mallory’s Farbstoff, e) mit Giemsa’s Farb¬ 
lösung (auf 10 ccm Aqua dest. 10 Tropfen Farblösung, darin werden die Schnitte 
24 Std. gefärbt, hierauf mit l J 4 proc. Essigsäure 1—3 Min. differencirt, Alkohol, Xylol, 
säurefreier Balsam). Die phäochrome Substanz färbt sich folgendermaassen: mit Eosin 
braun, mit Eisenalaunhämatoxylin und Mallory’s Farbstoff dunkel blauschwarz, mit 
van Gieson’s Farbstoff burgundroth. — Bei der Giemsa-Färbung addirt sich derblaue 
Farbstoff zur gelben Chromfarbe des Secretes und ergiebt ein leuchtendes Grün, das 
Bindegewebe erscheint rosa (Abb. 1 und 2). 

Wenn man die ungefärbten Präparate bei schwacher Vergrösserung 
vergleicht, so findet man zwei verschiedene Bilder. Man sieht in einem 
Falle die gelb gefärbten Markzellen in Balken, Reihen und Gruppen, 
welche sich scharf von den ungechromten Gewebselementen abheben. 
Im zweiten Fall erscheint das Mark als unscharf begrenzter gelber Fleck 
mit einem zierlichen, braunen Netzwerk. Färbt man zwei derartige 
Präparate, so sieht man im ersten Falle (Abb. 1) die Balken und Gruppen 
der phäochromen Zellen schön chromirt. Zwischen den Zellgruppen 
findet man ein Bindegewebsnetz, Venen und sinuöse Räume, welche theils 
leer sind, theils mit Blutkörperchen untermischtes Serum enthalten. Im 
zweiten Falle (Abb. 2) erscheinen die Zellen selbst blasser; an Stelle des 
früher gesehenen Bindegewebsnetzes sicht man ein Netz in der Farbe, 
das das chromaffine Secret mit dem jeweils angewendeten Farbstoff er¬ 
giebt. Mit der gleichgefärbten Masse sind die Venen des Markes erfüllt. 
Die beiden Bilder entsprechen den von Stoerk und v. Haberer auf¬ 
gestellten Secretionsphasen, das erste der Secretanreicherung, das zweite 
der Secretausstossung. 

Beim Kaninchen spielt sich der Vorgang in allen Zellen eines be¬ 
stimmten Theiles des Markes zeitlich gemeinsam ab, sodass die oben 
beschriebenen verschiedenen Bilder zu Stande kommen. Entsprechend 
der von Ehr mann (10) gefundenen Thatsache der continuirlichen Ad- 
renalinsecretion findet man sowohl in verschiedenen Schnitten aus ver¬ 
schiedenen Theilen einer Nebenniere als auch oft in einem Schnitte beide 
Secretionsphasen (Abb. 1 zeigt im linken unteren Theil einige secret- 
erfüllte Venen — der Beginn der zweiten Secretionsphase). 

Entsprechend dem in Abb. 1 sichtbaren Netzwerk von Bindegewebsfasern, welches 
die einzelnen Gefässe verbindend, zwischen den Markzellgruppen liegt, ist ein System 
anastomosirender Capillaren anzunehmen, welche im leeren Zustande collabiren und 
als solides Netzwerk imponiren. Merkwürdiger Weise halten fast alle Autoren (Lit. 
bei Hultgren und Andersson) das bindegewebige Netzwerk für solide Scheide¬ 
wände, welche die einzelnen Markzellverbände scheiden, trotzdem Arnold (1) (1866) 
nach der Untersuchung künstlicher Injectionspräparate mit Berliner Blau zu folgendem 


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526 


Adolf Jarisch, 


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Resultate kam: „Ohne Prüfung von Injectionspräparaten wird man von der Anwesen¬ 
heit solcher Gefässe in den Septa sich kaum überzeugen können. — Man würde es 
nicht für möglich halten, dass ein ziemlich starkes Gefass sich in Falten legen und 
so der Beobachtung entziehen könnte“. Das Secretionsstadium II ergiebt ein physio¬ 
logisches Injectionspräparat. Dass dieses Kanalsystem mit dem Kreislauf offen cora- 
municirt, ergiebt sich sowohl aus der Angabe Arnold’s als auch aus der genauen 
Beobachtung nicht injicirter Präparate. Man entdeckt oft Stellen (Abb. 4), an denen 
man die Capillaren in die Gefässe einmünden sieht. Die Wände der Capillaren sind 
sehr zart, sodass man meinen könnte, die in den Capillaren enthaltenen Blutkörperchen 
lägen frei zwischen den Markzellen. Dementsprechend ist die Angabe, dass die Kerne 
der Markzellen in dem dem Gefäss abgewendeten Theile der Zellen liegen, nur auf 
die Zellen in der Umgebung der grösseren, mit einer Bindegewebsscheide versehenen 
Gefässe aufrecht zu erhalten. Häufig findet man in den Gefässen der Zona reticularis 
eosinophile Zellen. In manchen Fällen erscheinen die Capillaren völlig mit Eosino¬ 
philen angeschoppt — eine sehr bemerkenswerthe Erscheinung! 

Stoerk und v. Haberer sind der Ansicht, dass das chromaffine 
Secret von dickflüssiger, colloidaler, schleimartiger Consistenz sei. Ab¬ 
gesehen davon, dass eine specifische Schleimfärbung nicht zu erzielen ist, 
scheint einiges dafür zu sprechen, dass das Secret dünnflüssig sei und 
sich als solches leicht dem Serum beimengt bezw. in dasselbe diffundirt 
und dasselbe chromaffin macht: 1. Die oft zu beobachtende innige Ver¬ 
mengung der gechromten Massen in den Venen mit rothen Blutkörperchen; 
2) die verschiedene Intensität der Chrombräunung in den verschiedenen 
Gefässen; 3. an der Rindenmarkgrenze findet man regelmässig dort, wo 
sich das Mark im Stadium der Secretausstossung befindet, in den be¬ 
nachbarten Gefässen der Zona reticularis chromgelbe Massen, welche 
Peripheriewärts schnell blass werden und in das ungechromte Serum 
übergehen (Abb. 5). (Betont sei, dass dieser Befund auch an Neben¬ 
nieren erhoben wurde, welche mit der Umgebung möglichst rasch excidirt 
wurden und ohne berührt zu werden, in die Fixationsflüssigkeit gebracht 
wurden). Wenn die Markzellen mit der Secretausstossung noch nicht 
begonnen haben, findet sich die genannte Erscheinung nicht (Abb. 6). 

Wie Gottschau und Biedel angaben, konnte auch ich in dem aus 
der Nebennierenvene tropfenden Blute kleine lichtbrechende Körnchen finden. 
Es liegt nahe, dieselben, wie es Pfaundler gethan hat, mit den in den 
Venen und Capillaren sichtbaren Körnchen zu identificiren. Diese Körnchen 
(Abb. 4 und 7) finden sich in den verschiedensten Grössen bis zur Grösse 
eines rothen Blutkörperchens im Serum eingebettet. Eine Färbung dieser 
Körnchen wurde weder mit den oben angegebenen Farbstoffen, noch mit 
Sudan, Nilblausulfat oder Osmiurasäure an Gefrierschnitten erzielt. 

Im Markzellprotoplasma finden sich häufig Structuren, die ganz 
charakteristisch in peripheren Theilen der Markzellen angeordnet sind. 
Sie sind theils unregelmässig polygonal, theils birnenförmig, theils plump 
stäbchenförmig. Morphologisch stimmen sie mit analogen von Stoerk 
und v. Haberer beschriebenen Gebilden überein, nur konnte ich die 
von den Autoren angegebene Färbung nicht in befriedigender Weise er¬ 
zielen. Sie erscheinen darum in meinen Präparaten als Vacuolen. Be¬ 
merkenswerth ist, dass diese Gebilde oft nur spärlich, oft aber in 
grossen Mengen anzutreffen sind. So zeigt Abb. 8 ein Präparat der 


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Nebenniere und Zackerstich. 


527 


linken Nebenniere Nr. 5, in dem das Mark durch die zahlreichen Vacuolen 
fast ein schaumiges Aussehen erhalten hat. In einem anderen Gesichts-, 
felde desselben Präparates kann man hingegen nur vereinzelte Vacuolen 
sehen. Vielleicht handelt es sich da auch um einen Secretionsvorgang. 
Mit Sicherheit konnte der Austritt dieser Elemente der Markzellen in 
das Capillarlumen nicht nachgewiesen werden. 

Es können demnach nur die Secretionserscheinungen der chromaffinen 
Componente des Nebennierenmarksecretes als sichergestellt betrachtet 
werden. Letzteres wird von den Granulis der Markzellen erzeugt und 
diffundirt dann in das intergranuläre Plasma, um von demselben, sei es 
spontan, sei es auf centrale Einflüsse hin, in das Lumen der Blut¬ 
gefässe abgegeben zu werden, wo es sich mit dem Serum vermengt und 
dem Kreislauf zugeführt wird. 

Im ersten Abschnitte wurde gezeigt, dass man die Ausschwemmung 
des chromaffinen Secretes künstlich hervorrufen kann und dass dieselbe 
unter dem Einfluss des Nervensystems steht bezw. dass die Durch¬ 
schneidung des versorgenden Splanchnicus die künstliche Beeinflussung 
der Secretabgabe verhindert. Das Mark einer Nebenniere, welches nach 
dem im ersten Abschnitte präcisirten Eingriffe schon makroskopisch 
als blass und schwach chromirt erscheint, zeigt im mikroskopischen 
Bild oft vollkommenes Fehlen der Chromreaction. Eine Färbung mit 
Giemsa-Lösung lässt den grünen Farbenton vollständig vermissen (Abb. 3). 
In anderen Fällen ist das Mark scheckig, gechromte und ungechromte 
Zellgruppen wechseln mit einander ab. Sucht man sich eine gechromte 
Gruppe mit der starken Vergrösserung heraus (Abb. 7), so sieht man, 
dass auch hier nicht alle Zellen den gleichen Grad der Chromfärbung 
zeigen, und dass die Chromfärbung an die Granula des Plasmas ge¬ 
bunden ist, während das intergranuläre Plasma farblos ist. Die Ent¬ 
stehung beider Bilder dürfte davon abhängen, ob der Reiz die Mark¬ 
zellen im Stadium der Secretbildung oder der Secretausstossung trifft. 
Der Befund gechromter Granula im ungechromten Protoplasma der Mark¬ 
zellen einer gereizten Nebenniere deutet darauf hin, dass nur das dem 
intergranulären Plasma abgegebene Secret mobilisirungsbereit ist. 

Die auf der Höhe der Piqüreglykosurie exstirpirten Nebennieren¬ 
paare zeigen bei guter Chromirung hauptsächlich das Bild der Secret¬ 
ausstossung. Der Operationsreiz hat eben die Nebennieren zu stärkerer 
Secretabgabe angeregt. — Da der Reiz beide Nebennieren trifft, ist der 
Effect nicht so intensiv, wie nach einseitiger Nebennierenexstirpation, 
wobei noch die Manipulation im Abdomen die Wirkung verstärkt. 

Zusammenfassung. 

1. Die histologische Untersuchung des Markes der Nebennieren giebt 
keinen Anlass, beim Zustandekommen der Piqüreglykosurie neben 
der directen Sympathicuswirkung eine Betheiligung der Neben¬ 
nieren anzunehmen. 

2. Durch Exstirpation einer Nebenniere, besonders aber in Verbin¬ 
dung mit der Eckhart’schen Operation, lässt sich in der anderen 


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528 


Adolf Jarisch, 


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Nebenniere eine hochgradige Verarmung an chromaffiner Substanz 
erzeugen, welche 

3. von der Intactheit des Splanchnicus abhängig ist. 

4. Die chromaffine Componente des Nebennierenmarksecrets wird 
in den Markzellen producirt und dann in das Gefässsystem aus- 
gestossen. Beim Kaninchen erfolgen die einzelnen Phasen dieses 
Processes in den einzelnen Provinzen des Markes zeitlich getrennt. 

Erklärung der Abbildungen auf Tafeln XVI und XVII. 

Abbildung 1. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 17. Giemsa. Zeiss, 
Apochr. 8,0 mm. C. Ö. 6. Die Markzellen befinden sich im Stadium der 
Secretanhäufung, und erscheinen grün. Zwischen ihnen liegt ein Netz rother 
Bindegewebsfasern. Um die grösseren Gefässe stehen die Markzellen pallisaden- 
artig wie ein zweireihiges Cylinderepithel. Die Gefässe enthalten Serum, 
vermengt mit rothen Blutkörperchen (V 1 ). Im unteren Theil ist eine Vene 
mit blassgrünem (V 2 ), und eine mit dunkelgrünem Inhalt (V 3 ). (Beginn der 
Secretausstossung im Ursprungsgebiet). An drei Stellen der Rindenmark¬ 
grenze sieht njan Gefässe der Zona reticularis in das Mark eintreten. In 
dem Gefässe links unten sieht man die S. 526 beschriebene Erscheinung des 
Uebergangs gechromter Massen in ungechromtes Serum. Die blauen Zellen, 
welche inselartig im Mark eingesprengt sind, gehören zur Rinde; wie die 
Rindenzellen enthalten sie zahlreiche Fetttröpfchen. Oft lässt sich an Serien- 
sebnitten ihr Zusammenhang mit der Rinde feststellen. 

Abbildung 2. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 8. Giemsa. Zeiss, 
Apochr. 8,0 mm. C. 0. 6. Stadium der Secretausstossung. Die Zellen sind 
hell, in den Capillaren und Venen grünes Secret. Bei N der Querschnitt 
einer Nervenfaser. 

Abbildung 3. Aus der rechten Nebennniere des Kaninchens No. 10. Giemsa. Zeiss, 
Apochr. 8,0 mm. C. 0. 6. Die ganze chromaffine Substanz des Markes ist 
ausgeschwemmt. Das Protoplasma der Markzellen färbt sich nur blass-violett. 

Abbildung 4. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 15. Eisenhämatoxylin- 
van Gieson. Zeiss. Apochr. 3,0 mm. C. 0. 6. Um die grösseren Venen 
stehen Markzellen pallisadenartig. Zwischen den Zellreihen eine Capillare, 
welche rothe Blutkörperchen enthält und mit den Venen communicirt. 
Endothelkerne dunkel, in’s Lumen vorspringend. 

Abbildung 5. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 20. Hämalaun. Zeiss, 
Apochr. 3,0 mm. C.O. 4. Secretausstossung. Die Zellen sind hell, in den 
Venen und Capillaren gechromtes Secret, welches sich mit dem Serum in 
den benachbarten Venen der Zona reticularis vermengt. 

Abbildung 6. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 9. Hämalaun. Zeiss, 
Apochr. 3,0 mm. C. 0.4. Secretanhäufung. Markzellen dunkel chromirt. In 
den Gefässen des Markes und der Zona reticularis keine gechromten Massen. 

Abbildung?. Aus der rechten Nebenniere des Kaninchens No. 20. Hämalaun. 

Eine Gruppe gechromter Zellen, in dem sonst ungechromten Marke wurde 
mit starker Vergrösserung (Zeiss, Apochr. 2,0 mm. C.O. 12) herausgesucht. 
Nicht alle Zellen sind gleich intensiv gelb. Die Gelbfärbung ist an die 
Granula gebunden. Man sieht eine Capillare, welche in ein grösseres Gefäss 
mündet. In letzterem einige Secretkörnchen. 

Abbildung 8. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 5. llämalaun. Eosin. 

Zeiss, Apochr. 3,0 mm. C.O.6. In den peripheren Theilen der Markzellen 
zahlreiche verschieden grosse Vacuolen. 


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'Nebenniere und Zuckerstioh. 


529 


Literatur -V erzeichniss. 

1) Arnold, Beitrag zur feineren Structur und Chemismus der Nebennieren. Virchow’s 
Aroh. 1866. Bd. 35. S. 64. 

2) Bi edel, A., Beiträge zur Physiologie der Nebennieren. PflügePs Arch. 1897. 
Bd. 67. S. 443. 

3) Derselbe, Die innere Secretion. 1913. 

4) Biedel, A., und Wiesel, Ueber die functionelle Bedeutung der Nebenorgane 
des Sympathicus (Zuckerkandl) und der chromaffinen Zellgruppen. Pflüger’s 
Arch. 1902. Bd. 91. 

5) Blum, F., Ueber Nebennierendiabetes. Deutsches Arch. f. klin. Med. 1901. 
Bd. 71. 

6 ) Derselbe, Weitere Mittheilungen zur Lehre vom Nebennierendiabetes. Pflüger’s 
Arch. Bd. 90. S. 617. 

7) Boehm, R., und Hofmann, A., Fesselungs- und Abkühlungsdiabetes der 
Katzen. Arch. f. exp. Path. 1878. Bd. 8. S. 271. 

8 ) Brücke, E. Th. v., Zur Kenntniss der Piqüreglykosurie. Münch, med. Wochen¬ 
schrift. 1911. S. 1389. 

9) Cevidalli, A., und Leonici, F., cit. nach Centralbl. f.Biochemie u.Biophysik. 
1910. No. 219. 

10) Ehrmann, Zur Physiologie und experimentellen Pathologie der Adrenalin- 
secretion. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1906. Bd. 55. S. 39. 

11) Eckhart, C., Beiträge zur Anatomie und Physiologie. Giessen 1869. Bd.4. S. 11. 

12) Gottschau, Biol. Centralbl. 1884. Bd. 3. S. 565. 

13) Mc. Guigou, Americ. Journ. of Physiol. 1910. Bd. 26. p. 287. 

14) Hultgren, E., und Andersson, A., Studien zur Physiologie und Anatomie 
der Nebennieren. Leipzig 1899. 

15) Kahn, R. H., Zur Frage der inneren Secretion des chromaffinen Gewebes. 
Pflüger’s Arch. 1909. Bd. 128. S. 519. 

16) Derselbe, Zuckerstich und Nebenniere. Pflüger’s Arch. 1911. Bd. 140. S.209. 

17) Kahn und Starkenstein, E., Pflüger’s Arch. 1911. Bd. 139. S. 181. 

18) Landau, E., Experimentelle Nebennierenstudien. Dorpat 1908. 

19) Manasse, B., Ueber die Beziehungen der Nebennieren zu den Venen und dem 
venösen Kreislauf. Virchow’s Arch. Bd. 135. S. 263. 

20) Mayer, A., Sur le mode d’action de la piqüre diabötique. Compt. rend. soc. 
de Biol. 1906. p. 1123. 

21) Minkowski, 0., Untersuchungen über den Diabetes mellitus nach Exstirpation 
des Pankreas. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1893. Bd. 31. S. 85. 

22) Negrin y Lopez, J., Zur Frage nach der Genese der Piqüreglykosurie. Pflüger’s 
Arch. 1912. Bd. 145. S. 311. 

23) Nishi, M., Ueber den Mechanismus der Blutzuckerregulation. Arch. f. exp.Path. 
u. Pharm. 1909. Bd. 61. S. 186. 

24) Pfaundler, M., Anatomie der Nebennieren. Sitzungsber. d. Akad. d.Wiss. in 
Wien. 1892. Bd. 101. Abth. 3. S. 518. 

25) Redard, P., Revue de Chirurgie. 1886. p. 724. 

26) Rose, U., Der Blutzuckergehalt des Kaninchens, seine Erhöhung durch den 
Aderlass, durch die Eröffnung der Bauchhöhle und durch die Nierenausschaltung 
und sein Verhalten im Diuretindiabetes. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 50. 
S. 15. 

27) Scheel, Nebenniere—Secretkörnchen. Virchow’s Arch. Bd. 192. S. 494. 

28) Schultze, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1899. Bd. 43. 

29) Schur und Wiesel, Beiträge zur Physiologie und Pathologie des chromaffinen 
Gewebes. Wiener klin. Wochenschr. 1907. No. 40. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



530 


Adolf Jariscb, Nebenniere und Zuckerstich. 


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30) Schur und Wiesel, Ueber das Verhalten des chromaffinen Gewebes bei der 
Narkose. Wiener klin. Wochenschr. 1908. No. 8. 

31) Stoerk, 0., und Haberer, H. v., Beitrag zur Morphologie des Nebennieren¬ 
markes. Arch. f. mikrosk. Anatomie. 1908. Bd. 72. S. 481. 

32) Watermann, N., und Smit, H. J., Nebenniere und Sympathicus. Pflüger’s 
Arch. Bd. 128. S. 198. 

33) Watermann, N., Nebenniere und Zuckerstich. Pflüger’s Arch. 1911. Bd. 142. 
S. 104. 

34) Wert heim er, E., und Battez, S., Surles nerves glyco-s6cr£teurs. Arch. intern, 
de Physiol. 1910. Bd. 9. p. 363. 

35) Winkler, F., Arch. f. Physiol. 1911. Bd. 24. S. 311. 


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Original from 

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XXVIII. 


Aus dem serologischen Laboratorium der psychiatrischen 
und Nervenklinik der Kgl. Charite in Berlin. 

Ueber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen 

Körper. 

Von 

Frenkel-Heiden und E. Navassart 

(Mit 4 Curren im Text.) 


Wie bereits in einer „Vorläufigen Mittheilung“ 1 ) berichtet wurde, 
fanden wir ira Gegensatz zu den Angaben mancher Autoren, dass das 
As nach einer Salvarsan-Einverleibung wochen- und monatelang in dem 
Körper verbleibt. Einige Untersucher gaben die Zeit der Elimination 
des As auf 3,5 oder 10 Tage, höchstens 20 Tage, an, sowohl bei intra¬ 
venöser wie intramusculärer und subcutaner Anwendung. Wir haben an 
der citirten Stelle die Literatur angegeben. Dort hoben wir hervor, dass 
die gravimetrischen Methoden, das As als As 2 S 3 oder als Mg 2 As 2 0 7 zu 
bestimmen, sich für die vorliegenden Untersuchungen wegen der minimalen 
Quantitäten des Arsens nicht eignen. Versuche mit dieser Methode er¬ 
gaben uns nur für die ersten Tage eine wägbare Menge von As, während 
in den nächstfolgenden Tagen schon garnichts oder nur noch minimale 
Quantitäten gefunden wurden, sodass von einer gravimetrischen Be¬ 
stimmung abgesehen werden musste. 

Fischer und Hoppe haben das Arsen als Mg 2 As 2 0 7 (Magnesium- 
pyroarseniat) bestimmt, und sie fanden in den ersten Tagen in dem Harn 
Mengen von 0,0051—0,0792 g As, in den nächstfolgenden Tagen konnten 
sie nichts mehr nachweisen. 

So ausgezeichnet also die gravi metrische Methode, As als Mg 2 P 2 0 7 
oder als As 2 S 3 zu bestimmen, ist, so reicht sie eben zur Bestimmung 
von Mengen von unter 0,5 mg nicht mehr aus. Wir möchten hier be¬ 
tonen, dass wir in etwa 300 Einzelanalysen niemals in der 24stündigen 
Harnmenge mehr als 0,006 g As gefunden haben. 

Wie wir bereits in der „Vorläufigen Mittheilung“ berichteten, hat 
sich als Zerstörungsmethode am Besten eine Mischung von concentrirter 
Schwefelsäure und Salpetersäure bewährt. Die Tagesmengen Harn bezw. 
Fäces wurden nach Eindampfung im Wasserbade bis zur Trockene mit 
den wirksamen Mengen dieser Mischung (1 Vol. H 2 S0 4 zu 4 Vol. HNO s ) 
versetzt und so lange behandelt, bis keine rothen Dämpfe von N0 2 mehr 


1) Berliner klin. NVochenschr. 1911. No. 30. 


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532 


Frenkel-Heiden und E. Navassart, 


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entwichen. Dann wurde die Masse im Kjeldahl-Kolben über der Gas¬ 
flamme unter successivem weiteren Zusatz des Säuregemisches bis zur 
Farblosigkeit behandelt. Nachdem die Flüssigkeit frei von Salpetersäure 
und salpetriger Säure geworden war, wurde sie bis auf einen Gehalt von 
etwa 15 pCt. Schwefelsäure verdünnt. Auch andere Zerstörungsraethoden 
mit verschiedenen Oxydationsmitteln wurden versucht. Die sonst vor¬ 
treffliche Zerstörung mit Kaliumchlorat und Salpetersäure erwies sich 
als ungeeignet, wie auch Salkowski in einer eingehenden Arbeit 1 ) mit¬ 
theilt, da selbst Spuren von Chlor die Arsenwasserstoffentwicklung 
wesentlich hindern, und durch die zugesetzte Salpetersäure sich immer 
ein Verlust von As herausstellen wird, welches sich als Chlorid ver¬ 
flüchtigt. 

Wir haben daher durchweg mit einem Gemisch von Salpetersäure 
und Schwefelsäure als Zerstörungsmittel gearbeitet, ein Verfahren, das 
auch von Salkowski besonders empfohlen wird. 

Für die qualitative und quantitative Bestimmung diente der Arsen- 
Metallspiegel. In denjenigen 24 stündigen Harnmengen, wo reichlich 
Arsen vermuthet wurde, wie besonders aus den ersten Tagen einer intra¬ 
venösen Injection, haben wir Parallelversuche angestellt, in denen das 
Arsen als Mg 2 As 2 0 7 (Magnesiumpyroarseniat) bestimmt wurde. Wir 
erhielten mit der gravimetrischen Methode stets höhere Werthe wie mit 
Hülfe des Metallspiegels. Bei Anwesenheit von nur geringen Mengen 
wurde kein wägbarer Niederschlag gefunden, während der Arsenspiegel 
positiv ausfiel, sodass diese Fälle bei Anwendung der gravimetrischen 
Methode als arsenfrei imponirt hätten. 

Die nach Zerstörung der organischen Substanz des Harnes bezw. 
der Fäces zurückbleibende stark schwefelsäurehaltige krystallinische 
Masse wurde in Wasser aufgenommen und bis zu etwa 15 pCt. Schwefel¬ 
säuregehalt verdünnt, darauf successiv und vorsichtig in den March’schen 
Apparat gebracht. Man hat darauf zu achten, dass das entweichende 
Arsen-Wasserstoffgas vollständig verbrannt wird und nachdem die ganze 
zu untersuchende Substanz hinzugefügt ist, wird weiter noch etwa 
7 4 Stunde lang H 2 -Gas durchgeleitet. Die Operation wird dann unter¬ 
brochen und nach dem Erkalten das Arsenröhrchen an dem Theil, wo 
der Spiegel liegt, abgeschnitten und mit dem Spiegel abgewogen; darauf 
wird der Spiegel in Kaliumhypochlorit aufgelöst, das Röhrchen mit 
destillirtem Wasser, dann mit Alkohol und Aether ausgespült und bis 
zur Gewichtsconstanz getrocknet. 

Die Differenz ergiebt das Quantum des Spiegelmetalls. 

Man kann in dieser Weise mit Spiegeln bis l / l0 mg Arsengehalt ver¬ 
fahren. Für kleinere Mengen stellten wir aus mehreren Spiegeln eine 
Arsenspiegelscala her, sodass in dieser Weise auch die Mengen zwischen 
Vio—Vso mR einem minimalen Grenzfehler sehr gut berücksichtigt 
werden konnten. 

Die Feinheit der Reaotion im March - Berzelius - Apparat geht, 
wie bereits erwähnt wurde, viel weiter, so dass noch 0,0007 mg As mit 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 36. 


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Heber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper. 


53ä 


Sicherheit nachzuweisen sind; nach der Modißcation von Strzyzowsky 
sogar noch 0,0001 nag; auch von Lokemann wurde die Feinheit der 
Reaction so weit gebracht, dass Mengen wie 0,0001 mg sicher nach¬ 
zuweisen waren. 


Wir haben nicht nöthig, diese so minimalen Mengen zu berück¬ 
sichtigen, um so weniger, als die Frage, ob solche minimale Spuren von 
As nicht auch in normalen Geweben anwesend sind, nicht entschieden 
ist. (Nach Gauthier sollen normale Gewebe arsenhaltig sein.) Wir 
haben daher nur Mengen bis zu 1 / 30 mg berücksichtigt. Weder durch 
die Gutzeit-Hager’sche Reaction, noch durch die biologische Methode 
bekamen wir dort positive Reaction, wo die March’sche Probe negativ 
ausgefallen war, der March’sche Apparat hat aber ausserdem den nicht zu 
unterschätzenden Vorzug, dass man die Röhrchen auf bewahren und die Stücke 
des Arsenspiegels aus verschiedenen Röhren vergleichen resp. wägen kann. 

Wir geben hier die Protokolle unserer Versuche bei der Salvarsan- 
injection und beginnen mit der Ausscheidung des Arsens im Harn bei 
intramusculärer resp. subcutaner Application. 


Lfd. No. 

Patient 

Datum 

Harnmenge 
in 24 Std. 

ccm 

Arsenmenge 

mg 

Bemerkungen 

1 

Bött. 

16.10. 1910 

320 

0,08 

0,3 g Salvarsan am 



17. 10. 1910 

850 

0,7 

15. 10. 1910. 



18. 10. 1910 

270 

0,1 




19. 10. 1910 

540 

0,8 




20. 10. 1910 

410 

0,3 




21. 10. 1910 

250 

0,1 




22. 10.1910 

1210 

0,12 




23. 10. 1910 

1050 

0,60 




24. 10.1910 

1100 

0,50 


2 

Str. 

9.12. 1910 

520 

0,15 

Zweimal 0,6 g. Erstes Mal 



10. 12. 1910 

490 

0,075 

am 8.12.1910, zweites 



11.12. 1910 

1050 

0,4 

Mal am 11. 1.1911. 



15. 12. 1910 

1290 

0,6 




22. 12. 1910 

1010 

0,7 




4. 1.1911 

1200 

0,4 




8 . 1.1911 

1100 

0,1 




9. 1.1911 

1030 

0,5 




10. 1.1911 

1080 

0,4 




11. 1.1911 

1400 

1,3 




14. 1.1911 

1380 

1,8 




20. 1.1911 

1830 

0,5 




4. 2.1911 

1210 

0,7 




9. 2.1911 

1250 

0,5 




19. 2.1911 

1180 

0,3 




29. 2.1911 

1100 

0,2 




13. 3.1911 

680 

0,1 




14. 3.1911 

490 

0,08 




20. 3.1911 

810 

0,1 




7. 4.1911 

1250 

0,075 




23. 4. 1911 

1490 

0,075 


3 

Gas. 

18. 1.1911 

980 

0,3 

0,4 g am 18. 1. 1911. 



27. 1.1911 

470 

0,7 

Zweites Mal 0,4 g am 



22. 2.1911 

1600 

0,6 

1 . 2. 1911. 



7. 4.1911 

1020 

0,4 



Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 


35 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 








534 


Frenkel-töeiden und E. Navassart 


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6 

55 

Patient 

Datum 

Harnmenge 
in 24 Std. 

Arsenmenge 

Bemerkungen 











ccm 

mg 


4 

Ro. 

9. 

12. 1910 

1210 

0,9 

0,5 g am 9. 12. 1910. 



15. 12.1910 

870 

0,8 

Zweites Mal 0,5 g am 



17. 

12. 1910 

680 

0,5 

23. 12. 1910. 



23. 12. 1910 

1400 

1,3 




24. 12. 1910 

1080 

LI 




25. 12. 1910 

750 

0,8 


5 

E. Stt. . . . 

6 . 

5.1911 

490 

1,2 

0,3 g am 5. 5. 1911. 



7. 

5.1911 

800 

0,4 



8 . 

5. 1911 

1100 

0,6 




9. 

5.1911 

710 

0,8 




10 . 

5.1911 

740 

0,6 




11 . 

5.1911 

520 

0,4 




12 . 

5.1911 

1280 

0,8 


6 

Kn. 

2 . 

4.1911 

240 

0,5 

0,4 g am 1. 4. 1911. 



3. 

4.1911 

580 

0,075 



9. 

4. 1911 

520 

0,1 




10 . 

4. 1911 

310 

0,2 


7 

Leid. 

29. 

4.1911 

600 

1,5 

0,4 g am 28. 4. 1911. 



30. 

4. 1911 

1250 

0,08 



1 . 

5. 1911 

610 

0,8 




2 . 

5.1911 

525 

0,5 




3. 

5.1911 

1100 

1,0 




4. 

5. 1911 

1670 

0,4 




5. 

5.1911 

G20 

0,3 




6 . 

5.1911 

490 

0,3 




7. 

5.1911 

850 

0,8 




8 . 

5.1911 

1200 

0,5 




9. 

5.1911 

1440 

0,5 




10 . 

5. 1911 

1350 

0,5 




17. 

5. 1911 

1570 

0,3 




18. 

5. 1911 

1300 

0,4 




19. 

5. 1911 

1510 

! 0,1 


8 

Fr. Lo. . . . 

20 . 

5. 1911 

1400 

! 0,2 



1 21. 

5. 1911 

1470 

0,3 



; 22. 

5. 1911 

1450 

0,3 



! 23. 

5. 1911 

1120 

0,3 



! 24 - 

5. 1911 

1200 

0,2 



25. 

5.1911 

1810 

L2 

Menstruationstag. 


! 26. 

5.1911 

1120 

0,8 




27. 

5.1911 

700 

, 0,4 




28. 

5.1911 

1650 

0,3 




29. 

5. 1911 

920 

1 0,15 




30. 

5. 1911 

900 

0,2 




31. 

5. 1911 

1220 

0,2 



1 . 

6 . 1911 

1180 

0,15 



2 . 

6.1911 

1320 

0,1 



3. 

6 . 1911 

1620 

0,15 



4. 

6 . 1911 

1570 

0,10 



Man kann aus diesen Tabellen schliessen, dass die Ausscheidung 
des Arsens bei der intramusculären bezw. subcutanen Injection des 
Salvarsans fast constant sich vollzieht; in den ersten Tagen tritt meistens 
eine grössere Menge von Arsen auf, jedoch geschieht das nicht ohne 
Ausnahme; bei manchen Patienten fanden sich bei intra- 
musculärer bezw. subcutaner Injection eine Latenzzeit von 
1—2 Tagen, in welchen nur Spuren von Arsen im Harn nach- 


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Ueber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper. 


535 


weisbar waren. Die grösste Menge Arsen in 24 Stunden Barn be¬ 
trägt in der Tabelle 1,5 mg (L., No. 7). Bemerkenswerth ist es auch, 
dass an dem Tage des Menstruationsbeginns die Menge des Arsens sich 
beträchtlich vergrösserte. Nach Gauthier soll das normale Menstruations¬ 
blut As-haltig sein, ferner haben Marie und Julius Ries 1 2 ) in einer 
wichtigen Arbeit Arsen in der normalen Uterusschleimhaut nachgewiesen 
und gefunden, dass die prämenstruell geschwellte Schleimhaut den grössten 
As-Gehalt zeigt, während im postmenstruellen Stadium die Schleimhaut 
As-frei ist. 

Die Ausscheidung des Arsens bei dieser Art der Einverleibung geht 
aber im Ganzen gleichmässig vor sich, und beträgt im Mittel etwa 0,4 bis 
0,5 mg Arsen. 

Die folgende Tabelle hat den Zweck, über die Dauer und Schnellig¬ 
keit der Ausscheidung nach intramusculärer bezw. subcutaner Einspritzung 


Auskunft zu geben. 


© 

53 

2 

Patient 

Datum 

Stun¬ 

den 

Harn- 
menge 
in 24 Std. 

Arsen¬ 

menge 

Bemerkungen 

i-l 




ccm 

mg 


8 

Dr. L. . . . 

21. 3. 1911 

24 

1520 

0,08 

0,5 g Salvarsan 
August 1910. 

9 

Fr. Po. . . . 

14. 3. 1911 

24 

1300 

0,2 

0,5 g Salvarsan De- 



25. 4. 1911 

24 

1500 

0,1 

cember 1910. 



5. 5. 1911 

24 

1200 

0,05 


10 

Fr. Kühn. . 

12. 4. 1911 
8 V 2 Uhr Nachm. 

S‘/s 

550 

0,4 

0,4 g um 6 Uhr Nach- 



io»/» ■ » 

2 

260 

0,05 

mittags. 

11 

Ad. 

29. 3. 1911 
11—1 Uhr 

2 

150 

0,3 

Zweimal 0,4 g. Erstes 



1-3 * 

2 

100 

0,3 

Mal am 29. 3.1911 



3-5 , 

2 

220 

0,3 

um 11 Uhr Vorm., 



5-7 „ 

2 

225 

0,2 

zweites Mal am 



29./30. 3. 1911 



19. 5. 1911. 



7-1 Uhr 

18 

525 

0,15 




30.—31.3.1911 

24 

1725 

0,3 




8. 4. 1911 

24 

800 

0,1 




19. 5. 1911 

24 

480 

0,3 




20. 5. 1911 

24 

570 

0,3 




21. 5. 1911 

24 

840 

0.4 



Wir sehen, dass die Dauer der Ausscheidung mehrere Monate be¬ 
tragen kann, wie z. B. bei Patient No. 8 (Dr. L.); bei diesem wurde noch 
nach 7 Monaten 0,08 mg As in dem Harn nachgewiesen 3 ). 

Was die Schnelligkeit der Elimination anbetrifft, so können wir 
sagen, dass die Ausscheidung gleich mit der ersten Harn-Emission be¬ 
ginnt; sie giebt in den ersten Stunden bei manchen Patienten die maximale 
Menge des ausgeschiedenen Arsens, so dass in 150 ccm Harn, welcher 
innerhalb 2 Stunden ausgeschieden wurde, 0,3 mg As nachgewiesen werden 
konnten, während in den nächstfolgenden Tagen (2. Tag) selbst im 


1) Münchener med. Woohenschr. 1912. No. 20. 

2) Die Arbeit von Böttcher erwähnt die Untersuchungen Loeb’s, welober 
analoge Befunde angiebt. Med. Klinik. 1911. 

35* 


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Original fro-m 

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536 


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Frenkel-Heiden und E. Navassart, 


24 Stunden-Harn (1725 ccm) nicht mehr als 0,3 mg As eliminirt wurde 
(Pat. No. 11, Ad.). 

Die Resultate der Ausscheidung des Salvarsans nach intravenöser 
Injection sind aus nachfolgenden Tabellen zu ersehen. 


© 

s 

•J 

Patient 

Datum 

Harnmenge 
in 24 Std. 

ccm 

Arsenmenge 

mg 

Bemerkungen 

12 

Mey. 

5 Std. n. d. Inj. 

380 

5,1 

0,6 g am 3. 5. 1911. 



3.-4. 5. 1911 

420 

1,4 




5. 5. 1911 

790 

1 0,08 




6 . 5.1911 

820 

0,15 




7. 5. 1911 

950 

0,8 




8 . 5.1911 

890 

0,1 




9.5.1911 

1180 

0,3 




10.5.1911 

780 

0,1 




11.5.1911 

810 

0,05 




12. 5. 1911 

800 

0,2 




13. 5. 1911 

430 

0,15 




14. 5.1911 

770 

0,1 




15. 5.1911 

800 

0,07 


13 

0 . St. 

6 . 5. 1911 

300 

3,3 

Zweimal 0,6 g. Erstes Mal 



(12 Std.) 



am 5. 5. 1911, zweites 



7.5. 1911 

900 

0,8 

Mal am 29. 5. 1911. 



8 . 5.1911 

650 

0,4 




9. 5. 1911 

1100 

0,3 




10. 5. 1911 

1800 

0,5 




11.5.1911 

2000 

0,6 




12.5.1911 

850 

0,4 




13.5.1911 

1600 

0.5 




14. 5. 1911 

950 

0,7 




15. 5. 1911 

400 

0.09 




16. 5. 1911 

820 

0,2 




17. 5. 1911 

480 

0,3 




18. 5. 1911 

870 

0,1 




19. 5. 1911 

1240 

0,15 




20. 5.1911 

780 

0,15 




21.5. 1911 

1760 

0,2 




22. 5. 1911 

1200 

0,1 




23. 5. 1911 

1240 

0,08 




24. 5. 1911 

1200 

0,1 




25. 5. 1911 

520 

0,09 




26.5.1911 

1490 

0,09 




27.5.1911 

1190 

0,09 




28.5.1911 

1240 

0,075 




29.5.1911 

1200 

0,08 




30.5.1911 

1000 

1,8 




31.5. 1911 

310 

0,8 




1.6. 1911 

950 

0,2 




2.6.1911 

1280 

0,6 




3.6.1911 

1230 

0,2 




4. 6. 1911 

270 

0,4 




5.6. 1911 

380 

0,1 




6.6.1911 

l 1270 

0,5 




7.6.1911 

720 

0,4 




8/6.1911 

610 

0,2 




9. 6. 1911 

1000 

0,1 




10.6.1911 

1 1000 

0,3 




11.6.1911 

820 

0,2 




12.6.1911 

940 

Undeut). Spiegel 




13.6. 1911 

850 

0,15 




14.6.1911 

1 800 ! 

0,09 



Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Ueber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper. 


537 


o 

s 

Patient 

Datum 

Harnmenge 
in 24 8td. 

ccm 

Arsenmenge 

mg 

Bemerkungen 

13 

Noch: O.St. 

15.6.1911 

760 

Undeatl. Spiegel 

• 



16. 6.1911 

300 

„ „ 




17. 6. 1911 

400 

ff ff 




18. 6. 1911 

180 

ff J» [ 




1.7.1911 

500 

ff fl 


14 

Frl. v. M. . . 

29. 4. 1911 

720 

3,6 

0,36 g am 28. 4. 1911. 



30. 4.1911 

590 

0,08 




1.5. 1911 

540 

0,4 




2. 5.1911 

1050 

0,8 




3. 5.1911 

1700 

0,3 




4. 5. 1911 

1400 

0,4 




5.5.1911 

850 

0,3 




6. 5.1911 

1400 

0,4 




7. 5.1911 

850 

0,3 




8. 5.1911 

1400 

0,3 




9.5. 1911 

780 

0,07 




10.5.1911 

610 

0,05 




11.5.1911 

480 

0,1 




12. 5.1911 

1430 

0,15 




13. 5.1911 

610 

0,05 




14. 5.1911 

780 

0,05 




15. 5.1911 

920 

0,1 


15 

Fr. 

13. 4. 1911 

520 

5,6 

0,4 g am 12.4. 1911. 



14. 4. 1911 

800 

0,5 




15. 4. 1911 

490 

1,1 




16. 4. 1911 

520 

0,4 




17. 4. 1911 

650 

0,1 




18. 4. 1911 

890 

0,3 




19. 4. 1911 

480 

0,4 




20. 4.1911 

405 

0,4 




21.4.1911 

620 

0,08 




22. 4.1911 

575 

0,1 




23. 4. 1911 

1250 

0,3 




24. 4. 1911 

1390 

0,15 




25. 4. 1911 

950 

0,08 




26. 4.1911 

1120 

0,07 




27. 4.1911 

1490 

0,08 




28. 4. 1911 

1500 

0,08 




29.4.1911 

840 

0,1 




30. 4.1911 

500 

0,08 




1.5. 1911 

850 

0,05 




2. 5.1911 

740 

0,07 



Aus dieser Zusammenstellung ist der auffallende Unterschied zwischen 
intramusculärer bezw. subcutaner und intravenöser Injection zu ersehen. 
Während bei intramusculärer Anwendung niemals grössere 
Mengen wie 1,5 mg As pro 24 Stunden Harn gefunden wurden, 
ist bei intravenöser Injection die maximale gefundene Dosis 
5,6 mg Arsen. 

Bei dieser Art der Application scheidet sich mit der ersten Harn¬ 
menge am ersten bezw. zweiten Tag eine reiche Menge Arsen aus; dann 
folgt manchmal ein Latenzstadium von -1 Tag, wo nur Spuren Arsen 
eliminirt werden. Die Elimination in den ersten 10—14 Tagen beträgt 
im Mittel etwa 0,4 mg Arsen; in dieser Periode variirt die ausgescbiedene 


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Go igle 


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538 


Frenkel-Heiden und E. Navassart, 


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Menge Arsen. Nach dieser Zeit sinkt das Quantum des eliminirten 
Arsens pro 24 Stunden unter dasjenige, welches bei intramusculärer 
bezw. subcutaner Einspritzung ausgeschieden wird; es beträgt unterhalb 
0,1 mg Arsen, und bleibt für den Rest der Eliminationsperiode ziemlich 
constant. . 

Was die Dauer der Ausscheidung bei intravenöser Anwendung an¬ 
betrifft, so ist aus der Tabelle zu ersehen, dass noch nach 30 Tagen 
minimale Arsenspiegel in der 24 Stunden-Harnmenge zu finden sind. 

Die nächstfolgende Tabelle zeigt die Schnelligkeit der Ausscheidung 
und das Quantum des Arsens, welches in den ersten Stunden nach der intra¬ 
venösen Application ausgeschieden wird. 


ö 

Ä 

s 

Patient 

Datum 

Stundenzahl 

naeh 

der Injection 

Harn- 

menge 

ccm 

Arsen¬ 

menge 

mg 

Bemerkungen 





I. Menge 



16 

F. M. . . 

3. 5.1911 

4 

280 

5,1 

0,6 g am 3.5.1911 um 





II. Menge 


6 Uhr Abends. 



3.5.1911 

5 

100 

0,3 




4.5.1911 

24 

380 

1,4 


17 

Fr. K. . . 

12.4.1911 

'/» 

75 

5,4 

0,49 g am 12. 4. 1911 



13.4.1911 

12 

410 

0,15 

um 7 Uhr Abends. 

18 

Frl. v. M. 

28.4.1911 

1 

| 400 

1,9 

0,36 g am 28.4. 1911 



28.4.1911 

3 

40 

1,0 

um 6 Uhr Abends. 



29.4.1911 

9 

180 

0,7 


19 

Fr. R. . . 

19. 5.1911 

6 

720 

2,9 

0,6 g am 18. 5. 1911 







um 6 */* Uhr Abends. 

20 

Fr. Ko. . 

12. 5.1911 

3 

590 

0,5 

0,4 g am 12. 5. 1911. 



13.5.1911 

5 

150 

0,3 




14.5.1911 

24 

1030 

0,7 




15.5.1911 

24 

850 

0,5 


21 

E. Ein.. . 

13. 6. 1911 

2 

110 

0,7 

0,2 g am 13.6. 1911 



13. 6. 1911 

3 

120 

0,2 

um 2 Uhr Nachm. 



13. 6. 1911 

5 

80 

0,08 




14. 6. 1911 

10 

190 

0,1 




15. 6.1911 

24 

1100 

0,1 


22 

Dr. M. . . 

13. 6. 1911 

1 

350 

0,3 

0,2 g am 13. 6. 1911 



13. 6. 1911 

4 

110 

0,8 

um 2 Uhr Nachm. 



14. 6. 1911 

24 

490 

0,05 




15. 6. 1911 

24 

580 

0,35 


23 

Fal. . . . 

13. 6. 1911 

1 

90 

0,2 

0,2 g am 13. 6. 1911 



| 13.6.1911 

4 

140 

0,4 

um 2 Uhr Nachm. 



14.6.1911 

24 

790 

U 


24 

Frl. N.. . 

13.6.1911 

3 

320 

! 1,7 

0,3 g am 13. 6. 1911 


i 

14.6.1911 i 

1 1 

24 

890 , 

l 

0,5 

, 

um 2 Uhr Nachm. 


Wir ersehen aus diesen Tabellen, dass die Ausscheidung des Arsens 
im Harn bei intravenöser Injection sehr schnell beginnt, und schon nach 
einer halben Stunde haben wir bei einer Patientin in nur 75 ccm Harn¬ 
menge 5,4 mg Arsen gefunden. Auch in allen anderen Fällen sehen wir, 
dass die Ausscheidung schnell erfolgt, und dass das in den ersten Stunden 
ausgeschiedene Quantum Arsen ebenso gross oder noch grösser ist wie 
die Summe des in allen folgenden Tagen eliminirten Arsens. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Heber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper. 


539 


Die Ausscheidung des Salvarsans durch den Darm. 

Die Gesammtmenge Arsen, welche bei den behandelten Patienten 
mit dem Harn elirainirt wurde, ergiebt die befremdliche Thatsache, dass 
nur eine verhältnissmässig kleine Menge Arsen durch die Nieren aus¬ 
geschieden wird. Wir haben nun in einer Reihe von Untersuchungen 
bei verschiedenen Patienten die Mengen des Arsens in den Darment¬ 
leerungen bei intravenöser sowohl wie bei intramusculärer bezw. subcutaner 
Einspritzung quantitativ bestimmt. Die untenstehende Tabelle giebt die 
Menge Arsen, welche durch den Darm eliminirt wurde, und vergleicht 
dieselbe mit der Menge Arsen, die durch die Nieren ausgeschieden wurde. 


© 

55 

5 

Patient 

Datum 

Arsenmengen in 

Bemerkungen 

F ä c e s 

mg 

Harn 

mg 

25 

Fr. K. . . 

12. 5.1911 

4,6 

0,5 

0,4 g am 12. 5. 1911 intra- 



13. 5. 1911 

10,3 

0,3 

venös. 



14. 5.1911 

7,3 

0,7 




15. 5. 1911 

2,1 

0,5 




16. 5. 1911 

1,0 

0,4 




17. 5. 1911 

0,8 

0,6 




18. 5. 1911 

0,9 

0,4 




19.5.1911 

0,5 

0,1 


26 

Ein. . . . 

8 . 6.1911 

0.6 

0,15 

0,15 g am 17.6.1911 intra- 



9. 6. 1911 

Keine Fäces 

0,1 

venös. 



10. 6. 1911 

0,8 

0,08 

2 Mal 0,2 g am 13. 6. 1911 



11.6. 1911 

0,2 

0,05 

intravenös. 



14. 6.1911 

1,3 

u 




15.6. 1911 

0,15 

0,9 


27 

Ad. ... 

20. 5. 1911 

Undeutlicher 

0,3 

0,4 g am 19.5.191 lintramusk. 




Spiegel 


Stuhlverstopfg. u. ganz mini¬ 




0,05 

0,14 

male Menge ausgeschieden. 

28 

St. 

6.6.1911 

1,4 

0,5 

2 Mal 0,6 g am 29. 5. 1911 



1.7.1911 

0,05 

I ndeatl. Spiegel 

intravenös. 

29 

Ldg. . . . 

1.5.1911 

1,9 

0,8 

0,4 g am 28.4.1911 intra¬ 



18.5.1911 

0,8 

0,2 

muskulär. 



23.5.1911 

0,4 

0,15 




29. 5. 1911 

0,3 

! 0,10 


30 

Russ . . . 

19.5. 1911 

Keine Fiices 

2,9 

0,6 g am 18.5. 1911 intra¬ 



(Nach 6 Std.) 


1 

venös. 



20. 5. 1911 

Keine Fäces 

j 




21.5. 1911 

3,1) 




Es ergiebt sich aus der Tabelle, dass eine beträchtliche Menge Arsen 
durch den Darm ausgeschieden wird, und dass diese Menge grösser ist, 
als die mit dem Harn eliminirte; vielfach beträgt die Arsenmenge im Darm 
das 2 und lOfache des Harnarsens. Diese Beobachtung gilt sowohl 
für die intramusculäre wie für die intravenöse Application. 

Die nachstehenden Curven beziehen sich auf diejenigen Patienten, 
bei denen die Ausscheidung längere Zeit hindurch untersucht wurde, und 
bei denen ein relativ grosses Quantum Arsen innerhalb 24 Stunden 
im Harn entleert wurde. 

Die Curven No. 1 und 2 zeigen die Beziehungen zwischen intra¬ 
musculärer und intravenöser Application, und Curve 1 von Patientin L. 
(intramusculär) und von Patientin K. (intravenös); beide erhielten 0,4 g 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




540 


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Frenkel-Heiden und E. Navassart, 


Salvarsan. Die Curve No. 2 stammt von dem Patienten Stm. (intravenös) 
und von dem Patienten Str. (intramusculär); beiden wurde 0,6 g Sal¬ 
varsan injicirt. Curve No. 3 giebt den Vergleich zwischen Darm- und 
Nierenausscheidung beim Patienten K. bei intravenöser Einverleibung von 
0,2 g. Die Curve No. 4 zeigt die Beziehungen zwischen der grössten 



Kurve K°1- Patientin K, intravenös ( NP 15) 
Patientin L . intramuskulär ( N° 7 ) 
__ intramuskulär 


- . intravenös 



: Die Ausscheidung im Ham 
Ausscheidung in Fäces 




Kurve N°2 Patientin Stm intravenös ( NP 13) 

Patientin Str intramuskulär / S-2) 

._ . intramuskulär 

“ intravenös p. r Ahscisse gibt die Zeit, dir Crdinnten 

die Quactttatdes uusgrschtedenen Arsens. 


N?4, Vergleich zwischen dm zwetgröß 
ten Kurven der Korn- und Darmausscheidung. 
- . Ausscheidung in Poe es. Po* Ha (N*2S) 

_ Ausscheidung im Morn. Fht KOMIS) 

I beide r . intravenös) 


beobachteten Menge Arsen, welche in den Fäces, und der grössten Menge, 
welche in dem Harn beobachtet wurde. Sie stammen vom Patienten Ka., 
bei welchem durch den Darm in 24 Stunden 10,3 mg elirainirt wurden, 
und dem Patienten K., bei dem innerhalb 24 Stunden im Harn 5,6 mg 
ausgeschieden wurden. 

Zum Vergleich wurde auch in einigen Versuchen die Elimination des 
Arsens beim Thiere verfolgt, und zwar bei Hunden. Es wurde die Aus- 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper. 541 


Scheidung bei beiden Applicationsarten bestimmt, im Ham und in den 
Fäces; darüber giebt die beistehende Tabelle Auskunft. 


Hund No. 

Datum 

Arsenmengen 

Bemerkungen 

im Harn 

mg 

in Fäces 

rag 

1 . 

11.4. 1911 

Kein Harn 

Kein Koth 

0,2 g am 10. 4. 1911 intra- 


12. 4. 1911 

0,3 

1 Kein Koth 

musculär. 


13. 4. 1911 

0,1 

0,8 



14.4. 1911 

0,2 

0,4 



15. 4. 1911 

0,3 

Kein Koth 



16.4. 1911 

0,1 

0,5 


11. 

11.6. 1911 

Kein Harn 

Kein Koth 

0,1 g in schwach alkalisch. 


12. 6. 1911 

2,1 

1,4 

Lösung intravenös einge¬ 


13.6.1911 

0,3 

Kein Koth 

spritzt am 10. 6. 1911. 


14. 6. 1911 

0,5 

Kein Koth 



15. 6. 1911 

0,2 

Kein Koth 



16. 6.1911 

0,3 

U 



17. 6. 1911 

0,1 

0,7 



18.-23. 6. 1911 

0,5 

0,6 



10. 7. 1911 

0,05 

0,08 



Die Ausscheidung bei Hunden geschieht, wie ersichtlich, in ähnlicher 
Weise wie bei Menschen. Bei intramusculärer Application geht sie lang¬ 
samer vor sich, und zwar in Mengen von 0,1—0,3 mg täglich aus¬ 
geschiedenen Arsens. Nach intravenösen Injcctionen wird der grösste 
Teil Arsen bald nach der Operation ausgeschieden. Die Darmausscheidung 
bei beiden Verfahren ist sehr gross, ebenso die Dauer derselben. Noch 
einen Monat nach einer intravenösen Application sind Spuren von Arsen 
sowohl im Harn wie in den Fäces nachgewiesen worden. 

Auch bei Kaninchen und Ratten ist die Dauer der Salvarsanaus- 
scheidung, wie Blumenthal und Navassart angegeben haben, grösser 
als die anderer aromatischer Arsenverbindungen. Auch war die Affinität 
der Organe, besonders der Leber zu Salvarsan stärker als zu anderen Arsen- 
Präparaten. Es war uns nicht möglich, diese Verhältnisse, beim Menschen 
zu untersuchen mangels geeigneten Sectionsmaterials. Bornstein fand 
noch nach Monaten in den Organen, speciell in der Niere, Arsen und vermuthet 
daher, dass auch im Harn noch Monate lang Arsen anwesend sein müsste. 

Im Eiter aus Abscessen, die durch subcutanelnjectionen entstanden waren, 
fanden wir kein Arsen, allerdings verfügen wir nur über wenige Versuche. 

In den Haaren konnten bei zwei Patienten nach intramusculärer 
Application deutliche Spuren von Arsen nachgewiesen werden. Bei anderen 
Patienten waren die Ergebnisse negativ, so dass wir noch einige Versuche 
an Hunden ausführten zur Erledigung der Frage, ob das Arsen regel¬ 
mässig in den Haaren deponirt wird: Ein grosser Hund erhält am 10. 4. 1911 
0,1g Salvarsan subcutan, nachdem vorher in 11,5 g Haaren die Arsen¬ 
probe negativ ausfiel, am 18. 4. nochmals 0,2 g subcutan, am 28. 4. 0,25 g 
subcutan; am 8. 5. werden 5,2 g Haare abgeschnitten und auf Arsen 
untersucht. Resultat: Undeutlicher Spiegel. Am 28. 5. 9 g Haare 
untersucht. Resultat: Deutlicher Spiegel (0,05 mg). Es wird also eine 
minimale Menge Salvarsan in den Haaren deponirt. Dieses Ergebniss 
steht im Einklang mit den Befunden, welche M. Frenkel-Paris an Schafen 


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542 Frenkel-Heiden u. E. Navassart, Salvarsan im menschlichen Körper. 


erhoben hat aus der Gegend von La Bourboule, dem bekannten Badeort mit 
arsenhaltigen Quellen. Er fand in der Wolle nachweisbare Menge von Arsen. 

Die Ausscheidung des Salvarsans in dem Liquor cerebrospinalis wurde 
bei sechs Patienten geprüft in 10—15 ccm Flüssigkeit. Der March’sche 
Apparat wurde so klein als möglich gestaltet und die Entweichung des 
Wasserstoffgases sehr langsam eingerichtet. Es wurden nur bei zwei Patienten 
Arsenspuren gefunden. In einem Fall war die Diagnose Dementia para- 
lytica und in dem zweiten Fall Lues cerebrospinalis. Beide Patienten 
hatten 0,4 g intravenös erhalten. Die Punction fand eine Woche nach 
der Einspritzung statt. Bei den anderen vier Patienten war der Befund 
durchaus negativ bei gleicher Menge Medicament und gleicher Application. 

In welcher Form wird nun das Arsen nach Salvarsanapplication 
ausgeschieden? 

Zur Entscheidung der Frage, ob das Salvarsan als solches oder nach 
vorhergehender Spaltung aus dem Organismus im Harn und Fäces aus¬ 
geschieden wird, wird man sich erinnern müssen, dass das Salvarsan, wie 
andere Atoxylderivate, die Diazoreaction giebt, wie von uns bereits früher 
berichtet wurde. Diese Reaction bleibt bei etwas erheblicheren Mengen 
(0,6 g Salvarsan) 2—4 Tage lang im Harn positiv. Der Harn der ersten 
Tage, in dem eine grössere Menge Arsen vorausgesetzt werden konnte, 
wurde auf ein kleines Volum gebracht und filtrirt, das Filtrat in üblicher 
Weise diazotirt, indem in der Kälte die Lösung mit verdünnter HCl an¬ 
gesäuert, dann mit Natr. nitrit, und einer Lösung von 25 procentigem 
«-Naphtol gelöst in NaOH versetzt wurde. Der ausgeschiedene Farbstoff 
löste sich in überschüssiger Natronlauge. Zur Auscheidung wurde ver¬ 
dünnte Salzsäure zugesetzt, dann filtrirt und der Niederschlag mit 
destillirtem Wasser gewaschen und in absolutem Alkohol gelöst. Die 
alkoholische Lösung abgedampft, mit Wasser aufgenommen, in üblicher 
Weise oxydirt und auf Arsen geprüft. 

Die Resultate waren alle positiv. Wir konnten in allen Farbstoff¬ 
niederschlägen Arsen feststellen. Dieses Ergebniss beweist, dass es sich 
um eine Diazoverbindung des Salvarsans handelt, d. h. es wird dieses 
unverändert aus dem Organismus ausgeschieden. Im Filtrat des Farbstoff¬ 
niederschlages wurde ebenfalls eine minimale Menge Arsen nachgewiesen. 
Dieses Arsen konnte von einer nicht in Reaction getretenen kleinen Sal- 
varsanraenge herrühren, weil ja die Diazoreaction nicht quantitativ aus¬ 
fällt. Ob auch in den nächstfolgenden Tagen der Eliminationsperiode un¬ 
verändertes Salvarsan ausgeschieden wird, konnte bei den ganz minimalen 
Mengen Arsen in der späteren Ausscheidungsperiode nicht bewiesen 
werden. Es ist aber die Feststellung von Wichtigkeit, dass gerade in der 
ersten Zeit der Ausscheidung, wo die grösste Menge Arsen den Organismus 
verlässt, dieses in der Form des Dioxydiamidobenzols geschieht, d. h. in 
derselben Form, in welcher es dem Körper einverleibt worden ist. 


Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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