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ZEITSCHRIFT
FÜR
EXPERIMENTELLE PATHOLOGIE
UND
THERAPIE
HERAUSGEGEBEN
VON
L. BRIEGER (BERLIN), H. E. HERING (PRAG),
F. KRAUS (BERLIN), R. PALTAUF (WIEN*
J. POHL (BRESLAU).
DREIZEHNTER BAND.
MIT 17 TAFELN, 10 ABBILDUNGEN UND 14 CURVEN IM TEXT.
BERLIN 1913.
VERLAG VON AUGUST HIRSCHWALD.
NW. UNTEE DEN LINDEN 68.
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Inhalt.
(Heft 1: Ausgegeben am 24. April 1913.)
I. Aus der propädeutischen Klinik der deutschen Universität in Prag
(Prof. H. E. Hering). Klinische Beobachtungen über Verlängerung
der der Postextrasystole folgenden Vorhofperioden bei supraventri-
culären Extrasystolen nebst kritischen Bemerkungen über die Genese
der frequenzhemmenden Wirkung der Extrasystole auf automatisch
thätige Herzabschnitte. Von Priv.-Doc. Dr. J. Ri hl. (Hierzu Tafel I.) 1
II. Aus dem Kgl. med.-poliklin. Inst, der Univ. Berlin (Director: Geh.
Med.-Rath Prof. Dr. Gold sc hei der). Die Giftigkeit des Methyl- und
Aethylalkohols. Von Prof. Dr. Alexander Langgaard ... 20
III. Aus der med. Univ.-Klinik in Greifswald (Director: Prof. Dr. Steyrer).
Ueber den Ausgleich des arteriellen und venösen Druckes in aus der
Blutbahn ausgeschaltetenTbeilen des Gefässsystems. Von Dr. Frank.
(Mit 1 Curve im Text.). 37
IV. Aus der med. Poliklinik in Freiburg i. B. Ueber den Wirkungs¬
mechanismus des Arsenik bei Anämien. VonDr.S.Saneyoshi (Tokio) 40
V. Aus der Kgl. Univ.-Poliklinik für Lungenleidende zu Berlin (Director:
Geh.-Rath Prof. Dr. Max Wolff). Ueber die Wirkung desTuberculins
auf tuberculosefreie Meerschweinchen und den Ablauf der Tuberculose
am tubcrculinvorbehandelten Thier. Von Dr. Felix Klopstock,
Assistenten der Poliklinik. 56
VI. Aus der med, Klinik zu Greifswald (Director: Prof. Dr. Steyrer).
Klinische und experimentelle Untersuchungen über die Function der
Niere mit Hülfe der Phenolsulfophthaleinprobe. Von Dr. E. Behren-
roth und Dr. L. Frank, Assistenzärzten der Klinik. (Mit 1 Curve
im Text.). 72
VII. Aus der II. med. Univ.-Klinik der Königl. Charite zu Berlin. Fieber
und Chininwirkung im Fieber. Von Dr. med. Rahel Hirsch,
Assistentin der Klinik. (Mit 2 Abbildungen und 5 Curven im Text.) 84
VIII. Aus der II. med. Univ.-Klinik der Königl. Charitö zu Berlin. Trypa¬
nosomen -Wärmestioh - Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen. Von
Dr. med. Rahel Hirsch, Assistentin der Klinik.132
IX. Aus der II. med. Univ.-Klinik der Königl. Charitö zu Berlin. Adrenalin
und Wärmehaushalt. Von Dr. med. Rahel Hirsch, Assistentin der
Klinik ..142
(Heft 2: Aasgegeben am 26. Mai 1913.)
X. Aus der II. med. Klinik der Charit^ (Berlin). Die pathologische Physio¬
logie des Lungenvolumens und seine Beziehung zum Kreislauf. Von
Priv.-Doc. Dr. Johann Plesch (Berlin). (Hierzu Tafel II und 5 Ab¬
bildungen im Text.).165
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IV
Inhalt.
Seite
XI. Aus der med. Klinik in Lemberg (Director: Prof. Dr. A. Gluzinski).
Untersuchungen der Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von
Alkalien bei Gesunden und Kranken. Von Dr. Heinrich Sochanski 246
XII. Aus der med. Klinik in Göttingen. Die Löslichkeit der wichtigsten
Steinbildner im Harn. Von L. Lichtwi tz. (Mitl Abbildung imText.) 271
XIII. Aus dem pharmakol. Inst, derüniv. Breslau (Director: Geh.-Rath Prof.
Dr. J. Pohl). Ueber die Bindung des Arsen Wasserstoffes im Blut. Von
Dr. R. Meissner, Assistenten des Instituts. (Mitl Abbildung imText.) 284
XIV. Aus dem pharmakol. Inst, derüniv. Breslau (Director: Geh.-Rath Prof.
Dr.J.Pohl). Zur Wirkungsweise des Atophans. Von J o h. Biberfeld 301
XV. Aus dem physiol. Laboratorium (Leiter: Dr. A. Born stein) des All¬
gemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg. Die Verwerthung des
Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. Von A. Goudberg,
Arzt aus Rotterdam (Holland).310
XVI. Aus der I. med. Klinik in Wien (Vorst.: Hofrath Prof. C. v. No orden).
Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische Eigenschaften
entfalten? Von Dr. Paul Saxl, Assistenten der Klinik .... 326
XVII. Aus der Kgl. med. Klinik in Kiel (Director: Prof. Dr. Lüthje). Der
anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild. Von Priv.-Doc.
Dr. H. Schlecht und Priv.-Doc. Dr. W. Weiland. (Hierzu Tafel III.) 334
XVIII. Aus der I. inneren Abth. des städt. Krankenhauses Charlottenburg-
Westend (Prof. Dr.Umber). Beiträge zur Chemie des Blutes in Krank¬
heiten mit besonderer Berücksichtigung der Lipoide. III. Mittheilung.
Von Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger.343
XIX. Aus der I. inneren Abth. des städt. Krankenhauses Charlottenburg-
Westend (Prof.Dr.Umber). Beiträge zur Chemie des Blutes in Krank¬
heiten mit besonderer Berücksichtigung der Lipoide. IV. Mittheilung:
Diabetes und Lipämie. Von Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger . 362
XX. Aus der I. inneren Abth. des städt. Krankenhauses Charlottenburg-
Westend (Prof. Dr. Umber). Ein Beitrag zur Chemie des Knochen¬
marks. (V. Mittheilung der „Beiträge zur Chemie des Blutes in Krank¬
heiten“.) Von Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger.367
XXL Die Oxydasereaction unter Blausäurewirkung. (Erwiderung an
H. Raubitschek, diese Zeitschr., Bd. 12, H. 3.) Von Dr. Fr. Rabe,
z. Z. Assistenten der med. Klinik in Marburg.371
(Heft 3: Ausgegeben am 17. Juni 1913.)
XXII. Aus der med. Poliklinik zu Rostock (Geh.-Rath Martins). Ueber
Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction des
mit Kupfersulfat versetzten Harnes. Von Dr.Theodor Hausmann.
(Mit 1 Abbildung im Text.). 373 %
XXIII. Aus dem Institut für allgemeine Pathologie an der Kaiserl. Moskauer
Universität. Zur Frage nach den Veränderungen der Herzthätig-
keit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. Von Dr. med.
A. M. Kotowschtsohikow, Ordinator am Jausa-Krankenhaus in
Moskau. (Hierzu Tafeln IV—X.).400
XXIV. Aus der propädeutischen Klinik der deutschen Universität in Prag (Prof.
Dr. H. E. Hering). Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei
Vorhofflimmern. Von Priv.-Doc. Dr. J. Ri hl. (Hierzu Tafeln XI—XIII
und 3 Curven im Text.).461
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Inhalt.
XXV. Aus dem Institut für allgem. und exp. Pathologie (Vorstand: Hofrath
R. Paltauf) und der I. med. Abth. des Krankenhauses der Wiener
Kaufmannschaft (Vorstand: Prim. Doo. H. Schur). Experimentelle
Studien zur Pneumothoraxbehandlung. In welcher Weise beeinflusst
der einseitige Pneumothorax das Entstehen tuberculöser Erscheinungen
nach intravenöser und intratrachealer Infection ? Von HeinrichSchur
und Siegfried Plaschkes.
XXVI. Aus dem pharmakologischen Institut der UniversitatWien. Die experi¬
mentelle Analyse der Salvarsanwirkung. (Beitrag zur Indications-
Stellung des Salvarsans.) Von Priv.-Doc. Dr. Friedrich Luithlen
(Wien). (Hierzu Tafeln XIV und XV.).
XXVII. Aus dem Laboratorium der II. med. Klinik in Berlin (Director: Geh.-
Rath Prof. Dr. Kraus). Nebenniere und Zuckerstich. Von Adolf
Jarisch. (Hierzu Tafeln XVI und XVII.).
XXVIII. Aus dem serologischen Laboratorium der psychiatrischen und Nerven-
klinik der Kgl. Charitö in Berlin. Ueber das Schicksal des Salvarsans
im menschlichen Körper. Von Frenkel-Heiden und E. Navassart.
(Mit 4 Curven im Text.).
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I.
Aus der propädeutischen Klinik der deutschen Universität in Prag.
(Prof. H. E. Hering.)
Klinische Beobachtungen
über Verlängerung der der Postextrasystole folgenden
Vorhofperioden bei supraventriculären Extrasystolen
nebst kritischen Bemerkungen
über die Genese der frequenzhemmenden Wirkung der
Extrasystole auf automatisch thfitige Herzabschnitte.
Von
Priv.-Doc. Dr. J. Rihl.
(Hierzu Tafel I.)
Einleitung.
In meiner im Jahre 1906 erschienenen Mittheilung „Ueber Herz-
alternans beim Menschen“ 1 ) habe ich S. 283 bei der Analyse der extra¬
systolischen Herzunregelmässigkeiten des Falles IV (Pat. A. R.) als Be¬
sonderheit hervorgehoben, „dass nach Extrasystolen nicht selten eine
Verlängerung der der Extraperiode folgenden Periode zu Stande kam“.
Ich kam auf diese Beobachtung in der genannten Mittheilung nur
deshalb zu sprechen, weil ich ihrer zur Erklärung gewisser Abweichungen
im Verhalten des Alternans nach dem Auftreten einer Extrasystole be¬
durfte, und begnügte mich deshalb mit der eben citirten kurzen Be¬
merkung.
In der vorliegenden Mittheilung soll der schon damals in Kürze
registrirte Befund eine eingehendere Besprechung erfahren.
Curvenanalyse.
Sämmtliche hier raitgetheilten Curven wurden bei der Patientin A. R.,
welche in der oben citirten Mittheilung als Fall IV angeführt ist, ge¬
wonnen. Bezüglich der Krankengeschichte dieses Falles verweise ich
auf meine obengenannte Mittheilung.
Fig. 1 (14/3 06) zeigt eine gleichzeitige Aufnahme des Halsvenen¬
pulses und Cubitalpulses; Pulsfrequenz ca. 86 in der Minute. Etwa in
der Mitte der Figur sieht man einen vorzeitigen Cubitalpuls, dem an der
Venenpulscurve eine vorzeitige Vorhofwelle entspricht. Das Intervall, das
zwischen der vorzeitigen Vorhofwelle und dem vorzeitigen Cubitalpuls
besteht, ist deutlich länger als das Intervall Vorhofwelle—CubitalpuU der
normalen Herzschläge, wir haben es hier demnach mit einer auriculären
Extrasystole zu thun.
1) J. Rihl, Ueber Herzalternans beim Menschen. Diese Zeitschr. 1906. Bd. 3.
S. 274.
Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd. j
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2
J. Rihl,
Nimmt man eine genaue Ausmessung der Abstände der einzelnen
Vorhofwellen vor, so kann man feststellen, dass nicht nur die der
Vorhofextrasystole folgende Periode, die Extraperiode,
sondern auch noch die beiden nächsten Vorhofperioden gegen¬
über den übrigen Vorhofperioden verlängert sind. Die Extraperiode
ist nicht compensatorisch.
Die Verlängerung dieser beiden Perioden ist äusserst geringfügig,
doch immerhin deutlich nachweisbar.
Auf den in Fig. 1 bestehenden Alternans des Cubitalpulscs und der
C-Zacke des Vencnpulses sowie auf die Verstärkung dieses Alternans
nach der Extrasystole sei hier nur nebenbei hingewiesen; diese Er¬
scheinungen wurden seinerzeit in meiner Mittheilung „Ueber Ilerzaltcrnans
beim Menschen“ eingehend beschrieben und erörtert.
Sehr deutlich sieht man eine Verlängerung der der Postextrasystole
folgenden Periode in Fig. 2, die bei einer grösseren Umdrehungsgeschwindig¬
keit der Registrirfläche gezeichnet ist.
In dieser Figur sind so zahlreiche Extrasystolen, durchwegs auri-
culärer Natur, vorhanden, dass man nur aus einer einzigen Stelle einen
Anhaltspunkt für die Länge der Vorhofperiode des durch Extrasystolen
unbeeinflussten Vorhofrhythmus gewinnen kann.
An dieser Stelle folgen auf zwei auriculäre Extrasystolen vier normale
Herzschläge unmittelbar hintereinander: man hat hier also zwei einander
unmittelbar folgende Vorhofperioden, denen keine Extraperiode unmittel¬
bar vorangeht.
Vergleicht man nun mit der Dauer einer dieser beiden Vorhofperiodon
die Dauer der übrigen Vorhofperioden, so ist deutlich zu erkennen, dass
ersteren gegenüber nicht nur die Extraperioden des Vorhofes, sondern auch
noch die einer jeden Extraperiode folgende Normalperiode des Vorhofes,
die wir Postextraperiode nennen wollen, verlängert ist.
Berechnet man aus der Länge jener beiden Vorhofperioden, denen
keine Extraperiode unmittelbar vorangeht, die Minutenfrequenz des Vor¬
hofes, so ergiebt sich die Zahl 80. Aus den unmittelbar vor und un¬
mittelbar nach Fig. 2 aufgenommenen Curven, von denen die regelmässige
Schlagfolge längere Zeit durch keine Extrasystole unterbrochen wurde,
ergiebt sich jedoch eine Minutenfrequenz von 86, so dass der Schluss
gerechtfertigt erscheint, dass sich in Fig. 2 die nach den Extrasystolen
auftretende Verlängerung der Vorhofperiode, ausser bei der Extraperiode
und der Postextraperiode, auch noch bei den zw r ci nächsten Perioden
geltend macht.
Auch in dieser Figur hat die Verlängerung der Extraperioden, wie
man sich unter Berücksichtigung der Länge der Normalperioden leicht
überzeugen kann, nichts mit einer compensatorisehen Pause zu thun.
Die Erscheinung der Verlängerung der Postextraperiode war in
unserem Falle nicht stets nach supraventriculärcn Extrasystolen zu
beobachten.
Im Allgemeinen w r ar sie besonders nach Extrasystolen von grösserer
Vorzeitigkeit zu beobachten, während sie bei geringerer Vorzeitigkeit der
Extrasystole häufig fehlte.
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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole eto. 3
So sieht man in Fig. 4 (16/3 06) zwei auriculäro Extrasystolen, die
erste von grösserer, die zweite von geringerer Vorzeitigkeit; nur nach
der ersteren ist eine Verlängerung der der Postextrasystole folgenden
Vorhofperiode nachweisbar.
Fast immer war diese Verlängerung sehr deutlich nachweisbar, wenn
eine grössere Anzahl unmittelbar aufeinander folgender extrasystolischer
Schläge in nicht zu grossen Intervallen vorangegangen war.
Ein Beispiel hierfür bietet Fig. 5 (9/3 06). Im Anfang der Curve
sehen wir eine Gruppe von vier auriculären Extrasystolen, denen eine
deutlich verlängerte Extraperiode des Vorhofes und eine mit jener nahezu
glcichlange Postextraperiode folgen.
In allen Fällen, in denen sich eine Verlängerung der Postextraperiode
nachweisen liess, war noch immer eine Verlängerung der Extraperiode
vorhanden.
Im Hinblick auf die geringen Grössenunterschiede in der Perioden-
daucr, mit denen wir es hier bei der Verlängerung der Postextra¬
periode häufig zu thun hatten, muss besonders hervorgehoben werden,
dass bei unserer Patientin während Athcrastillstand bei regelmässiger
Herzthätigkeit die Länge der einzelnen Vorhofperioden nahezu garnicht
variirte.
Fig. 3 (18/3 06) zeigt eine Verlängerung der Postextraperiodo nach
zwei einander unmittelbar folgenden atrioventriculäron Extrasystolen
von nicht sehr grosser Vorzeitigkeit. Der atrioventriculäro Ursprung der
Extrasystolen geht aus der Verkürzung des Intervalles a—cb gegenüber
der Norm hervor. Die Postextraperiode ist hier fast genau so lang wie
die Extraperiode. Hier ist der Zeitwerth des ganzen Trigeminus nur sehr
wenig kürzer als der dreier Normalperioden.
Die Verlängerung der Postextraperiode kam auch stets an der Artericn-
pulscurvc deutlich zum Ausdruck; doch darf man eine solche nicht als
Indicator einer Verlängerung der Postextraperiode des Vorhofes auffassen,
da erstcrc, wie ich dies in meiner Mittheilung über den Herzalternans
auseinandergesetzt habe, auch dadurch zu Stande kommen kann, dass
das Intervall Herzstoss-Cubitalis bei der postextrasystolischen Systole be¬
sonders kurz, bei der ihr folgenden besonders lang ist.
Die hier mitgethcilten Beobachtungen lassen sich folgendermaassen
zusammen fassen:
Nach supraventriculären Extrasystolen war häufig eine Verlängerung
der Postextraperiode, event. noch der ihr folgenden Periode, nach¬
zuweisen.
Diese Verlängerung war stets mit einer Verlängerung der Extra¬
periode selbst verbunden, ohne dass es jedoch hierbei zu einer com-
pensatorischen Pause kam.
Die Verlängerung der Postextraperiode wurde besonders dann beob¬
achtet, wenn es sich um eine grössere Vorzeitigkeit der supraventri¬
culären Extrasystole handelte, ferner, wenn mehrere einander in nicht
zu grossen Intervallen unmittelbar folgende supraventriculäre Extra¬
systolen auftraten.
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4
J. Ri hl.
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Zar Erklärung der Verlängerung der Postexlraperioden.
Beobachtungen über Verlängerung der Postextraperiode automatisch
thätiger Herzabschnitte im Experiment am Warm- und Kaltblüter¬
herzen.
Die Erscheinung, dass nach auriculären Extrasystolen unter Umständen
eine Verlängerung der Postextraperiode des Vorhofes, gegebenenfalls auch
noch der ihr folgenden Vorhofperioden gegenüber der NormalperiQde auf-
treten kann, ist aus experimentellen Untersuchungen am Säugethierherzen
schon lange bekannt.
Cushny und Matthews äussern sich in einer im Jahre 1897 er¬
schienenen Abhandlung „On the effects of electrical Stimulation of the
mammalian heart ul ) bei Besprechung des Fehlens einer compensircnden
Pause nach auriculären Extrasystolen von grösserer Vorzeitigkeit folgender-
raaassen:
„Some times the next contraction“ (d. i. die der Postextrasystole folgende Con-
traction) „of the auricle falls at the ordinary interval and the heart rhythm therefore
becames again perfectly regulär. In other cases howewer the next pause after the
postcompensatory contraction is somewhat prolonged, and occasionally the next three
on four contractions are distinctly retarded.“
H. E. Hering hebt in seiner im Jahre 1900 erschienenen Mittheilung
„Zur experimentellen Analyse der Unregelmässigkeiten des Herzschlages“ 2 )
bei Besprechung des Effectes der am Vorhof angreifenden abnormen Reize
hervor, „dass die dem verkürzten Bigetninus folgenden Herzperioden etwas
verlängert sind, bis die normale Schlagfolge wieder eintritt“, und erwähnt
die gleiche Erscheinung auch bei Besprechung des Effectes der an der
Hohlvene angreifenden abnormen Reize.
Die Erscheinung der Verlängerung der Postextraperiode ist im Säuge¬
thierexperiment nicht nur an den auf die nomotopen Ursprungsreize hin
schlagenden Vorhöfen, sondern auch an den automatisch thätigen Kammcr-
und Brücken fasern beobachtet worden.
Beobachtungen über die Verlängerung der Postextraperiode in der
Kammer sind im Institut schon seit vielen Jahren bekannt, wie aus den zu
anderen Zwecken publicirten Curven hervorgeht, an denen die erwähnte
Erscheinung zu sehen ist; ich verweise z. ß. auf Fig. 7 der im Jahre 1907
publicirten Mittheilung von H. E. Hering „Ueber die Automatie des Säuge¬
thierherzens“ 3 ), oder aufFig. 6b meiner gleichfalls im Jahre 1907 erschienenen
Mittheilung „Ueber atypische Grössen Verhältnisse der Extrasystole“ 4 ).
Sehr ausführlich hat sich jüngst (1912) Cushny in einer im letzten
Juniheft des Heart erschienenen Mittheilung „Stimulation of the’isolated
ventricle, with special reference to the development of spontaneous
1) Cushny and Matthews, On the effects of electrical Stimulation of the
mammalian heart. Journ. of Phys. 1897. Vol. XXI. p. 213.
2) H. E. Hering, Zur experimentellen Analyse der Unregolmässigkeiten des
Herzschlages. PflügePs Arch. 1900. Bd. 82. S. 1.
3) H. E, Hering, Ueber die Automatie des Säugethierherzens. Pflüger’s Arch.
1907. Bd. 116. S. 143.
4) J. Ri hl, Ueber atypische Grössenverhältnisse der Extrasystole. Diese Zeit¬
schrift. 1907. Bd. 4. S. 255.
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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postcxtrasystole etc. 5
rhythm“ 1 ) mit der am automatisch thätigen Säugethierventrikel nach
frequenter künstlicher Reizung desselben zu beobachtenden, erst, allmählich
sich zurückbildenden Frequenzherabsetzung des spontanen Ventrikel/-
rhythmus beschäftigt, nachdem schon 1906 Hirschfelder und Erlanger 2 )
auf diese Erscheinung aufmerksam gemacht hatten.
Gleichzeitig etwa mit der soeben erwähnten Cushny'sehen Ab¬
handlung erschien eine Mittheilung von Rothberger und Winterber'g
„lieber Extrasystolen mit compensatorischer Pause bei Kammerautomatie
und über die Hemmungswirkung der Extrasystolen“ 3 ), in der sich Beob*
achtungen über die Verlängerung der Postextraperiode am Säugethierherzen
nach Extrasystolen bei atrioventriculärer und ventriculärer Automatie finden.
Was das Kaltblüterherz anbelangt, so heben F. B. Hofmann und
Jul. Holzinger in ihrer 1911 erschienenen (der Cushny’schen Mit¬
theilung zeitlich vorangehenden) Mittheilung „Ucber den Einfluss von
Extrasystolen auf die Rhythmik spontan schlagender Herztheile“ 4 ) für
den vom Sinus isolirten Frosch Ventrikel Folgendes hervor:
„Mitunter erstreckt sich ferner der Einfluss einer eingeschalteten
Extrasystole (Ventrikelreizung) noch über die Extraperiode hinaus auf die
nächste Spontanperiode, welche um ein geringes verlängert sein kann.“
Da in den Versuchen von Hofmann die Ursprungsstelle der Spontan¬
erregungen in der Atrioventriculargrenze zwischen Vorhof und Ventrikel lag,
so zählen seine Befunde unter die Beobachtungen über Verlängerung der
Extraperiode bei atrioventriculärer Automatie.
Hofmann bringt in seiner Mittheilung ausserdem noch Beobachtungen
über Verlängerung der Postextraperiode an den isolirten Kammern junger
Hunde.
Beobachtungen über die Länge der Extraperiode automatisch thätiger
Herzabschnitte am Kalt- und Warmblüterherzen.
Die Genese der Verlängerung der Postextraperiode an automatisch
schlagenden Herzabschnitten lässt sich nur im Zusammenhang mit deq
anderen in Folge einer Extrasystole an automatisch schlagenden Herz¬
abschnitten auftretenden Rhythmusänderungen discutiren; es erscheint
daher erforderlich, hier auch auf das Verhalten der Extraperiode an
automatisch thätigen Herzabschnitten einzugehen.
Was das Kaltblüterherz betrifft, so hat vor Allem Engelmann im
Jahre 1896 6 ) gezeigt, dass an den automatisch thätigen Hohlvenen nach
einer Extrasystole keine compensatorische Pause auftritt.
1) A. R. Cushny, Stimulation of tbe isolated ventricle with special reference
to tbe development of spontaneous rhythm. Heart. 1. Juni 1912. Vol. VII. No. 3.
p. 257.
2) Hirschfelder und Erlanger, Further studies on the physiology of heart-
hlock in mammals. Amer. Journ. of Phys. 1906. Vol. XV. No. 2. p. 153.
3) Pflüger’s Arch. Bd. 146. S. 385. 28. Juni 1912.
4) Hofmann und Holzinger, Ueber den Einfluss von Extrasystolen auf die
Rhythmik spontan schlagender Herztheile. Zeitschr. f. Biol. 1911. Bd. b7. S. 309.
5) Th. W. Engelmann, Ueber den Ursprung der Herzbewegungen und die
physiologischen Eigenschaften der grossen Herzvenen des Frosches. Pfluger’s Arch.
1896. Bd. 65. S. 109.
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6
J. Rihl,
Desgleichen beobachtete F. B. Hofmann und Jul. Holzinger 1911
an dem vom Sinus isolirten Froschventrikel, der auf an der Atrio-
ventriculargrenze zwischen Vorhof und Kammer entstehende Spontan¬
erregungen hin schlug, nach Extrasystolen, die an der Kammer ausgelöst
wurden, eine Verkürzung der compensatorischen Pause.
Der von F. B. Hofmann und Jul. Holzinger mitgethcilte Befund,
dass sie in einem Falle an dem vom Sinus isolierten Froschventrikel, der
deutlich vor dem Vorhof schlug, nach ventriculären Extrasystolen stets eine
compensatorische Pause nachweisen konnten, weist darauf hin, dass der auf
atrioventriculäreReize schlagendeFroschventrikel nicht immer nach ventricu¬
lären Extrasystolen eine Verkürzungdercompensatorischen Pause zeigen muss.
Engelmann konnte schon 1896 zeigen, dass zwar in den meisten
Fällen die Extraperiode der automatisch thätigen Hohlvenen genau so lang
ist wie eine Normalperiode, dass jedoch unter gewissen Bedingungen „die
erste auf eine Extrasystole der Venen oder des Sinus folgende Pause,
und zwar nur diese, merklich verlängert ist“.
F. B. Hofmann 1 ) bemerkte schon 1904: Wenn man in die Reize
der spontanen Contractionen des Vorhofes und des Ventrikels, die nach
Wegschneiden des Sinus auftreten, durch Reizung mit einem einzelnen
Inductionsstrom eine Extracontraction einschaltet, so folgt die nächste
spontane Contraction etwas verspätet. In seiner 1911 erschienenen Mit¬
theilung beschäftigt er sich sehr ausführlich mit der Verlängerung der
Extraperiode des unabhängig vom Sinus schlagenden Ventrikels nach
ventriculären Extrareizen.
Was das Säugethierherz anbelangt, so zeigten 1897 Cushny und
Matthews unabhängig von Engelmann, dass die Vorhöfe nach Reizung
der Hohlvenen stets eine compensatorische Pause aufweisen, nach Reizung
der Vorhöfe selbst jedoch gelegentlich bei nicht sehr vorzeitigen Reizen
eine völlige Compensation darbieten können.
Hering bestätigt 1900 im Wesentlichen die angeführten Befunde von
Cushny und Matthews, und erweitert sie, indem er hervorhebt, dass
nach Hohlvenenreizung die Extraperioden sehr häufig genau so lang,
nicht selten jedoch auch länger sind wie die spontanen Perioden, und
dass bei Vorhofreizung die Extraperiode um so länger ist, je früher der
Reizmoment in die erregbare Phase fällt.
Bezüglich der Extraperiodo des automatisch schlagenden Säuger¬
ventrikels machen schon 1897 Cushny und Matthews die Bemerkung,
dass sie an dem nach der Woolridge’schen Methode isolirten Ventrikel
nach Reizung desselben niemals eine vollständige Compensation beobachten
konnten.
Uebereinstiramend damit berichtet 1902 Woodworth, dass auf die
an der spontan schlagenden (nach Porter’s Verfahren isolirte und von
der versorgenden Arterie aus künstlich gespeisten) Herzspitze des Hundes
ausgelösten Extrasystolen keine compensatorische Pause folgt, ln seinen
Fällen war die Extraperiode zumeist etwas kürzer als die Normalperiode.
1) F. B. Hofmann, Die nourogene und myogene Theorie der Herzthätigkeit
und die Function der inneren Herznerven. Schmidt’s Jahrb. 1904. Bd. 291. S. 113
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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc.
7
Ira Jahre 1905 erbrachte H. E. Hering 1 ) den Nachweis, dass die
bei schlaglosen oder abgeschnittenen oder abgeschnürten Verhöfen schlagen¬
den Kammern des Säugethierherzens sich gegenüber Extrareizen ebenso
verhalten wie diejenigen Stellen des Herzens, von welchen normaler Weise
die Contractionen ausgehen u , woraus er den Schluss zieht, dass in diesen
Fällen „die Ursprungsreize in den Ventrikeln selbst oder in den Yer-
bindungsfasern entstanden sind u .
Da bei ventriculärcn Extrasystolen, die retrograd den Vorhof an¬
greifen, auch bei ventriculärer oder atrioventriculärer Automatie die
Kammerextraperiode nicht compensatorisch zu sein braucht, jedoch sich
unter diesen Umständen nicht auf die Länge der Normalperiodo verkürzen
kann, sah Hering den Nachweis der Karamerautomatie nur dann er¬
bracht, wenn die Extraperiode ebensolang, event. noch ein wenig kürzer
war als eine Normalperiode.
An Herzen, bei denen Karamerextraperiodcn von der Länge einer
Norraalperiode auftraten, konnte Hering auch immer Extraperioden beob¬
achten, die länger als die Normalperioden waren, eine Erscheinung, die
wohl nur als Analogon der Verlängerung der Extraperiode bei Reizung
der Hohlvenen der Vorhöfe des Säugethierherzens aufzufassen ist.
In der gleichen Mittheilung stellt H. E. Hering fest, dass in einem
Falle von atrioventriculärer Schlagfolge eines Hundeherzens, erwiesen durch
die Kleinheit bezw. das Fehlen des Intervalles A s -Vs bezw. V 8 -As, immer
die compcnsatorische Pause fehlte; in demselben kam es bei sehr vorzeitigen
ventriculären Extrasystolen, die nicht retrograd wurden, zu Interpolation.
Weitere Beobachtungen über das Verhalten bei atrioventriculärer
Automatie nach ventriculärcn Extrasystolen, die nicht auf den Vorhof
übergingen, bespricht Hering 19IO 2 3 * * ). Nach solchen Extrasystolen trat
ebenso wie nach auriculären Extrasystolen, die nicht auf die Kammer
übergingen, stets eine compcnsatorische Pause auf.
Nach retrograden ventriculären sowie nach auriculären Extrasystolen,
die auf die Kammer übergingen, wurde der bestehende atrioventriculäre
Rhythmus unterdrückt, um vorübergehend einer Schlagfolge mit normalem
Intervall Platz zu machen.
Die Erscheinung des Hervortretens der Schlagfolge mit normalem
Intervall unter den eben angegebenen Bedingungen worde von Roth-
berger und Winterberg 1912 8 ) bestätigt, wie auch das Vorhandensein
einer corapensatorischen Pause bei atrioventriculärer Automatic nach
Extrasystolen, die auf den Vorhof bezw. die Kammer beschränkt bleiben,
desgleichen die Verlängerung der Extraperiodo der automatisch schlagenden
Kammer nach ventriculären Extrasystolen.
1) H. E. Hering, Nachweis, dass das His’sche Uebergangsbündel Vorhof und
Kammer des Säugethierherzens functioneil verbindet. Pfliiger’s Arch. 1905. Bd. 108.
S. 267.
2) H. E. Hering, Ueber successive Heterotopie der Ursprungsreize des Herzens
und ihre Beziehung zur Heterodromie. Pflüger’s Arch. 1910. Bd. 136. S. 466.
3) Rothberger und Winterberg, Ueber Extrasystolen mit compensatorischer
Pause bei Kammerautomatie und über die Hemmungswirkung der Extrasystolen.
PQüger’s Arch. 28. Juni 1912. Bd. 146. S. 385.
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Rothberger und Winterberg bringen Beispiele dafür, dass bei
atrioventriculärer Automatie gelegentlich auch nach retrograden Extra¬
systolen eine compensatorische Pause beobachtet werden kann, wie wir
sie auch gelegentlich bei ventriculärer Automatie nach ventriculären
Extrasystolen gesehen haben.
Dass gelegentlich auch an automatisch thätigen Herzabschnitten
nach Extrasystolen compensatorische Pausen beobachtet werden, war uns
im Institut nicht unbekannt. Ich kann darauf verweisen, dass H. E. Hering
in seiner 1906 veröffentlichten Mittheilung „Experimentelle Untersuchungen
über Herzunregelmässigkeiten an Affen [1901U] in Fig. 4 Curven mit¬
theilt, aus denen diese Erscheinung für den Vorhof nach Hohlvenenreizen
hervorgeht.
Von den ira Vorstehenden angeführten, die Länge der Extraperiode
betreffenden Befunden, ist für den Zweck der vorliegenden Mittheilung be¬
sonders wichtig die gelegentlich zu beobachtende Verlängerung der Extra¬
periode automatisch thätiger Herzabschnitte.
Bezüglich dieser Erscheinung hebt Eigelmann 1 2 ) für die Hohlvenen
und den Sinus des Kaltblüterherzens Folgendes hervor:
„Diese Verlängerung, welcheübrigens niemals eine wirklich compensatorische
ist,. . . wird regelmässig beobachtet, wenn die Extrasystole sehr früh auf eine spontane
folgte.“
„Setzte die Extrasystole noch vor Ablauf einer Diastole ein, so war die Hemmung
fast immer deutlich nachweisbar.“
„Die Verlängerung kam schon bei frischen, rasch klopfenden Venen vor, häufiger
und wegen des absolut höheren Betrages auffälliger bei gesunkener Pulsfrequenz. Auch
nach Einschaltung mehrerer, in kurzen Intervallen sich folgender wirksamer Einzel¬
reize, sowie bei tetanischer Reizung wurde sie unter denselben Umständen beobachtet.“
„Ebenso ausnahmslos erwies sich ihre Grösse... abhängig vom Zeitpunkt der Extra¬
reizung. Sie war um so geringer, je später diese einsetzte. Der Zeitpunkt, von
welohem an die Dauer der Extraperiode der normalen gleich war, wurde in vielen
Fällen sohon sehr früh im Beginn der Pause erreicht, in anderen, und zwar oft gerade
bei sehr langer Dauer der spontanen Perioden, erst gegen das Ende hin oder am
Ende selbst.“
„Auch wenn die Extrasystole durch eine vom Sinus, event. von den Atrien her
zugeleitete antiperistaltische Reizwelle ausgelöst war, verzögerte sie den Eintritt der
nächsten spontanen Venensystole.“
„Und endlich war es für den Erfolg gleichgültig, ob die Versuche an unvergifteten
oder an stark atropinisirten oder curarisirten Fröschen angestellt wurden.“
Weiterhin legt Engelmann die principielle Verschiedenheit dieser
stets an das Auftreten einer Extrasystole gebundenen Heramungs-
erscheinung von Verlangsamungen des Rhythmus dar, die auch nach
Reizung des Sinus während seiner refractären Periode mit starken Einzel-
inductionsschlägen hervortreten.
F. B. Hofmann und Jul. Holzinger konnten 1911 die an den
Hohlvenen und dem Sinus des Kaltblüterherzens gemachten Befunde
1) H. E. Hering, Experimentelle Untersuchungen über Herzunregelmässigkeiten
an Affen. Diese Zeitschr. 1906. Bd. 2. S. 525.
2) 1. c. S. 145-147.
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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc.
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Engelmann’s auch für die unabhängig vom Sinus schlagenden Kammern
bestätigen. Von den Ergebnissen der von Hofmann vorgenommenen
weiteren Analyse der Hemmungswirkung der Extrasystole sei hervor¬
gehoben, dass dieselbe in keinem ganz festen Verhältnisse zur spontanen
Schlagfrequenz des Ventrikels steht, ferner, dass der Grad der Hemmungs¬
wirkung besonders hoch werden kann, wenn mehrere Extrasystolen in
kurzen Intervallen aufeinander folgen.
Für die Vorhöfe des Säugethierherzens wurde die von Engel mann
für die Hohlvenen und den Sinus des Kaltblüterherzens constatirte Ab¬
hängigkeit der Länge der Extraperiode von dem Grade der Vorzeitigkeit
der wirksamen Hohlvenenreizung zuerst von H. E. Hering im Jahre 1900
constatirt; H. E. Hering machte in dieser Mittheilung auch als erster
darauf aufmerksam, dass er bei seinen diesbezüglichen Versuchen den
Vaguseinfluss öfters durch Atropin ausschaltete, wodurch erst die Grund¬
lage zu einem unmittelbaren Vergleich der am Säugethier gewonnenen
Befunde und der am Froschherzen unter den gleichen Cautelen erhobenen
Befunde ermöglicht erscheint.
Ueber den Einfluss einer Serie durch Einzelinductionsschläge aus-
gelöster frequenter Extrasystolen auf den Rhythmus der in Polge einer
Bündelabklemmung automatisch schlagenden Kammer des natürlich durch¬
strömten Hundeherzens berichten Erlanger und Hirschfelder im
Jahre 1906:
„Upon the oessation of such Stimulation the ventricles stop beating for a longer
on shorter period of time. The duration of the stoppage depends largely upon the
rate and duration of the preceeding period of Stimulation. In addition, the duration
seems to be to some extent dependent upon the condition of the heart at the time
of Stimulation. Tbus such stoppages have as a rule increased in length toward the
close of prolonged experiments, when the inherent rhythmical power of the ventricles
judged by their constant rate, is slow.“
Die Erscheinung, dass an der automatisch schlagenden Kammer nach
einer Reihe in frequentem Rhythmus erfolgenden Extrasystolen eine lange
Pause auftritt, wurde im Institut wiederholt beobachtet, einen Beleg
hierfür bildet z. B. Fig. 15 meiner 1907 veröffentlichten Mittheilung „Ueber
atypische Grössen Verhältnisse der Extrasystole“; Fig. 15 ist an einem
mit Ringer’scher Flüssigkeit durchströmten Herzen gewonnen.
In seiner 1912 erschienenen sehr ausführlichen Untersuchung über
den Einfluss einer frequenten Reizung auf die automatisch thätigen
Kammern, ausgeführt an künstlich durchströmten Hunde- und Katzen¬
herzen, bestätigt Cushny zunächst die Bedeutung des Zustandes des
Herzens für die Länge der Pause, wobei er hervorhebt, dass sich be¬
sonders lange Pausen durch Abkühlung der Durchströmungsflüssigkeit
auf etwa 32—34 °, und durch Einschränkung des Sauerstoffgehaltes der
Durchströmungsflüssigkeit erzielen lassen, ferner die Bedeutung der
Frequenz und Dauer der Reizung für die Länge der Pause, insofern
letztere sich im Allgemeinen gleichsinnig mit der Frequenz und Dauer ändert.
Cushny erweist weiterhin die Unabhängigkeit der untersuchten Er¬
scheinungen von den inhibitorischen Nerven durch Zusatz von Atropin
zur Durchströmungsflüssigkeit und zeigt, dass während der nach der
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Reizung auftretenden Pause keine Herabsetzung der Anspruchsfähigkeit
für den künstlichen Reiz besteht.
Rothberger und Winterberg 1 ) theilen Befunde mit, aus denen
sie folgern, dass „der Hemmungseffect der Extrasystole auf die Rhythmik
spontan schlagender Herztheile von einem bestimmten Zustande abhängig
ist, der darin besteht, dass der hemmend beeinflusste Rhythmus schon
spontan im Erlöschen begriffen ist a .
Sie heben hervor, dass sie „regelmässige und ausgesprochene
Hemmungswirkungen der Extrasystole nur dann sahen, wenn die Fre¬
quenz der automatischen Schläge, zwischen welche Extrasystolen ein¬
geschaltet wurden, spontan in rascherem Absinken begriffen war, z. B.
„wenn der durch Acceleransreizung erzeugte atrioventriculäre Rhythmus
zu einer Zeit durch Extrasystolen unterbrochen wurde, zu der sich das
Abklingen des chronotropen Reizeffectes schon stärker accentuirte“, oder
z. B. wenn bei einer nach schwacher Strophanthinvergiftung erst durch
Acccleranzrcizung ausgelösten Kararaerautomatie „die Frequenz der
Kammerschläge rapide zu sinken begann“.
Die Ausführungen von Rothberger und Winterberg leiden an
einer gewissen Unklarheit dadurch, dass die beiden Autoren, wenn sie
von einer Hemmungswirkung sprechen, nicht immer die nämliche Er¬
scheinung meinen.
Hofmann und Holzinger verstehen, wie aus der Darstellung dieser
Autoren klar hervorgeht, unter Hemmung die Verlängerung der ersten,
nach der Extrasystole auftretenden Periode (Extraperiode), gegebenenfalls
auch der dieser folgenden Perioden gegenüber der Länge der Norraal-
perioden, die der Extrasystole vorangehen.
Rothberger und Winterberg gebrauchen nun den Ausdruck
„Hemmungswirkung“ nicht immer in dem Sinne von Hofmann und
Holzinger: so sagen sie z. B. auf S. 426:
„Während die Hemmungswirkung der Extrasystolen auf die durch
Acceleransreizung provocirten atrioventriculären Schläge . . . regelmässig
nachgewiesen werden kann, fehlt sie ebenso constant bei der nach
Strophanthinvergiftung spontan entstandenen Kammerautomatie. Wenigstens
sieht man (Tab. III und IV) . . . niemals eine Verlangsamung auch nur
des ersten postextrasystolischen Schlages.“
Betrachtet man die Tab. III und IV, so erkennt man, wie dies ja
übrigens schon zweifellos aus dem letzten Satze des eben citirten Ab¬
satzes der Mittheilung von Rothberger und Winterberg hervorgeht,
dass an dieser Stelle die Autoren unter Hemmungswirkung lediglich
eine Verlängerung der der Extraperiode folgenden Normalperioden, nicht
aber auch eine Verlängerung der Extraperiode selbst verstehen, denn
Tabelle 111 und IV bieten genügend Beispiele für Verlängerungen der
Extraperioden.
Auf derselben Seite in dem dem eben citirten Absatz vorangehenden
Absatz schreiben die beiden Autoren jedoch bei Besprechung der Fig. 9
ihrer Arbeit:
1) 1. c.
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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc.
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„In Fig. 9 und in den correspondirenden, schon in die Zeit der
rascher abklingenden AcceleransWirkung fallenden Experimenten der
Tabellen I und II bedingt die Hemmungswirkung stark vorzeitig vorüber¬
gehender Extrasystolen nicht nur annähernde (Fig. 9) oder vollständige
Scheincompensation, sondern überdies bleibende, in Fig. 9 allerdings noch
theilweise rückbildungsfähige Frequenzabnahme.“
Wenn die Autoren die annähernde Scheincompensation in Fig. 9 als
Folge einer Hemmungswirkung darstellen, so können sie doch hier nur
die Verlängerung der Extraperiodo als Hemmungswirkung bezeichnen,
obwohl sie gleich im folgenden Absatz, wie wir soeben gezeigt haben,
die Verlängerung der Extraperiode nicht als Hemraungswirkung be¬
zeichnen.
Noch in einem anderen Sinne erscheint das Wort „Hemraungs¬
wirkung“ von den beiden Autoren gleich auf der nächsten Seite ihrer
Mittheilung (S. 427) verwendet bei Besprechung der Fig. 16e: In dieser
Figur sieht man zwei Bigemini der automatisch schlagenden Kammern,
deren Zeitwerth um ein kleines Zeittheilchen (0,01") grösser ist als das
Zweifache der vorangehenden Normalperiode, und deren Extraperiode
deutlich verlängert ist; nach dem zweiten Bigeminus tritt eine gering¬
fügige aber persistirende Verlängerung der postextrasystolischen Systole
ein. Hier sprechen nun Rothberger und Winterberg von einer
„immerhin schon angedeuteten Hemmungswirkung“, die sie ausser „durch
die persistirende Verlängerung der postextrasystolischen Systole“ durch
die Verlängerung des Zeitwerthes des Bigeminus gegenüber dem
Zeitwerth der doppelten Normalperiode begründen.
Auf die soeben erwähnte Ausdrucksweise von Rothberger und
Winterberg soll hier nicht weiter eingegangen werden, da sie offenbar
durch die Vorstellung, die die genannten Autoren über das Zustande¬
kommen einer com pensatorischen Pause an automatisch thätigen Herz¬
abschnitten haben, bedingt ist, und diese Vorstellung uns noch später be¬
schäftigen wird.
Die Verlängerung der Postextraperiode und ihre Beziehung
zur Länge der Extraperiode.
Aus der Beschreibung, die Cushny und Matthews sowie Hering
von der Verlängerung der Postextraperiode und der ihr folgenden Perioden
des Vorhofes des Säugethierherzens nach Hohlvenen- und Vorhofextra¬
systolen gegeben haben, geht hervor, dass die Autoren die in Rede
stehende Erscheinung im Gefolge einer nicht compensatorischen Ver¬
längerung einer Extraperiode beobachtet haben, welch letztere jedoch
nicht immer die erwähnto Verlängerung der Postextraperiode und der ihr
folgenden Perioden nach sich zog.
Dieses Verhalten wurde auch von F. B. Hofmann und Ilolzingcr
an der vom Sinus unabhängig schlagenden Kammer des Froschherzens
nach ventriculären Extrasystolen beobachtet.
Rothberger und Winterberg 1 ) bringen Beobachtungen, aus denen
1 ) I. o.
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hervorgeht, dass nicht nur naeh verkürzten, sondern auoh nach com-
pensatorischen Pausen an automatisch thätigen Herzabschnitten eine Ver¬
längerung der Postextraperiode auftreten kann; ihre Feststellungen beziehen
sich auf atrioventriculäre oder ventriculäre Automatic des Hundeherzens.
Dass an automatisch thätigen Herzabschnitten die Verlängerung der
Postextraperiode nicht immer mit einer Verlängerung der vorhergehenden
Hand in Hand geht, ergiebt sich aus Beobachtungen von F. B. Hofmann
und Jul. Holzinger am isolirten Schildkröten- und Hundeventrikel, die
das Vorhandensein einer Verlängerung der Postextraperiodo ohne gleich¬
zeitige Verlängerung der Extraperiode erweisen, ln dem bei der Schild¬
kröte beobachteten Falle beschreibt Hofmann eine Verkürzung der
Extraperiode, einhergehend mit einer Verlängerung der Postextraperiode.
Ebenso beschreibt Cushny am automatisch schlagenden Säugethier¬
ventrikel als gewöhnliches Verhalten, dass „an extrasystole is not followed
by a pause, but in some cases the next spontaneous contraction may be
delayed a .
Was das Verhalten des automatisch thätigen Säugethierventrikels
unter dem Einfluss mehr oder minder lang andauernder frequenter Reizung
betrifft, so beschreibt Erlanger und Hirschfelder zwei Typen: „the
longest ventricular cycle may be the first following the cessation of
Stimulation, or the ventricular cycles may increase in length through a
few contractions.“
Aus den Cushny’schen Untersuchungen geht hervor, dass im All¬
gemeinen nach frequenten Reizungen automatisch thätiger Säugethier¬
ventrikel unter verschiedenen Bedingungen sich die Länge der unmittelbar
nach der frequenten Reizung auftretenden Pause gleichsinnig ändert
mit dem Grade der Frequenzherabsetzung der nächstfolgenden Kararaer-
schläge.
Bemerkungen über das Wesen des der Verlängerung der Extraperiode
und der ihr folgenden Perioden zu Grunde liegenden Processes.
Es ist nahe liegend, die Verlängerung der Extraperiode sowie die
Verlängerung der ihr folgenden Perioden an automatisch thätigen Herz¬
abschnitten auf die gleiche Ursache zurückzuführen.
Man wird hierzu um so mehr veranlasst, als,^ wie wir soeben ge¬
sehen haben, Befunde vorliegen, dass nach frequenten Reizungen die
Länge der Extraperiode und der Grad der durch die Länge der ihr
folgenden Perioden gegebenen Frequenzherabsetzung sich häufig gleich¬
sinnig ändern.
Dass unter Umständen die Verlängerung der Postextraperiode mit
keiner Verlängerung der Extraperiode einhergeht, schliesst die Annahme
einer gleichen Ursache für beide Erscheinungen nicht aus.
Hofmann und Holzinger meinen, dass in solchen Fällen „die
Hemmungswirkung der Extrasystole so gering ist, dass sie durch andere
gleichzeitig einwirkende Einflüsse auf das Herz verdeckt werden kann. u
Es erscheint nothwendig, bei weiteren Untersuchungen über diesen
Punkt auf Aenderungen im Ausgangspunkt der Postextrasystole zu achten.
Wie wir schon erwähnt haben, hat Hering zeigen können, dass bei atrio-
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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc. 13
ventriculärcr Automatic nach Extrasystolen unter Umständen ein Um¬
schlag in die nomotope Automatic erfolgen kann.
ßothberger und Winterberg haben am Hundeventrikol gezeigt,
dass auch innerhalb eines Herzabschnittes nach Extrasystolen eine
Aenderung des Ausgangspunktes der Automatic erfolgen kann.
Lewis 1 ) beschreibt einen klinischen Fall, bei dem nach Vorhof¬
extrasystolen die postextrasystolische Systole durch einen hcterotopen
Vorhofreiz ausgelöst wurde.
Es ist nun möglich, dass Verkürzungen der Extraperioden sowie die
von Erlanger und Hirschfelder beschriebene allmähliche Zunahme der
Periodenlängo der automatisch thätigen Kammer nach frequenter Reizung
derselben etwas mit dem Wirksam werden verschiedener Rcizbildungsstellen
in dem automatisch thätigen Herzabschnitt zu thun haben könnte.
DasVerhalten dcrRhythmusänderungnachExtrasystolen an automatisch
thätigen Herzabschnitten bot die erste Grundlage zur Aufstellung einer
Theorie über die Ursprungsreize, und es erscheint so verständlich,
dass die Frage, wie wir uns die Genese der Verlängerung der Extra¬
periode und der ihr folgenden Perioden vorzustellen haben, eng ver¬
knüpft ist mit der Frage, wie wir uns überhaupt den Vorgang der Ent¬
stehung des Herzrhythmus vorstellen.
Es bleibt uns erspart, an dieser Stelle einen kritischen Ueberblick
über den Stand dieser letzteren Frage zu geben, da H. E. Hering zu
derselben im Laufe der letzten Jahre wiederholt Stellung genommen hat,
zuletzt in einer soeben erschienenen Mittheilung 2 ).
In dieser Mitthcilung macht H. E. Hering darauf aufmerksam, dass
nur die Extrasystolen auf dem Wege des Leitungsreizes die nomotope
Reizbildung beeinflussen können, und entwickelt die Vorstellung, dass die
Ursprungsreize, die sich unabhängig von der Reactionsfähigkeit bilden,
sich rhythmisch entwickeln.
Geht man von der eben erwähnten Herztheorie Hering’s aus, so
wird man die Ursache der nach einer Extrasystole auftretenden Rhythraus-
störung nur in einer Störung der Reizbildung suchen.
Im Folgenden soll gezeigt werden, dass wir bisher keinen Anhalts¬
punkt haben, die erwähnten Rhythmusstörungen durch Acnderungen der
Reactionsfähigkeit zu verstehen, was gleichzeitig eine Stütze für die
Theorie Hering’s ist.
Es liegen Befunde von Trendelenburg an der Froschherz¬
spitze vor, nach denen unter besonderen Bedingungen „eine relative Ver¬
längerung der Refractärphase an der Extrasystole auftreten kann“ 3 ).
1) Lewis, Observations upon disorders of the bearts action. Heart. 1912.
Vol. III. S. 279.
2) H. E. Hering, Zur Theorie der natürlichen Reizbildung im Herzen und ihrer
Beziehung zur Reactionsfähigkeit. Pflüger’s Arch. 1912. Bd. 148.
3) W. Trendelenburg, Beziehungen zwischen Extrasystole und compen-
satorisoher Pause am Herzen. Rubner’s- Aroh. Jahrg. 1910. S. 148.
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Doch lehren die Untersuchungen Cushny’s über das Verhalten der
Erregbarkeit während der nach frequenter Reizung an der automatisch
thätigen Säugethierkammer auftretenden Pausen, dass für das Zustande¬
kommen dieser Pause eine Herabsetzung der-.Erregbarkeit nicht ver¬
antwortlich gemacht werden kann, dieses Moment also gerade in aus¬
gesprochenen Fällen von Hemmungswirkung nicht ^vorhanden ist.
Man darf selbstverständlich nicht übersehen, dass mit dem Nach¬
weis eines Fehlens einer Herabsetzung der Erregbarkeit für den Einzel-
inductionssehlag noch nicht der Nachweis eines solchen für den natürlichen
Reiz erbracht ist, da, wie H. E. Hering 1 ) gezeigt, sich die Reactionsfähigkeit
für den künstlichen und natürlichen Reiz nicht gleichsinnig zu ändern
braucht
Rothberger und Winterberg äussern sich. zur Frage der Störung
der Reactionsfähigkeit durch eine Extrasystole folgendermaassen:
„Legt man sich die Frage vor, ob durch die Extrasystole die Reiz¬
bildung oder nur die Reactionsfähigkeit des Herzens beeinträchtigt wird,
so lässt sich einwandfrei nur eine Herabsetzung der Reactionsfähigkeit
nachweisen. Denn wir haben Hemmungswirkungen in Form verlängerter
postextrasystolischer Perioden auch nach echten compensatorischen Pausen
gesehen. Da in diesen Fällen der Reizbildungspunkt von der Extra¬
erregung überhaupt nicht getroffen wird, so kann es sich nur um eine
Schädigung der Reactionsfähigkeit handeln. u
Hierzu möchte ich bemerken, dass ich darauf hin unser grosses
Material über die durch Extrasystolen an automatisch thätigen Abschnitten
des Säugethierherzens bedingten Rhythmusänderungen durchgesehen habe,
und in keinem Falle, in dem sich das Unbeeinflusstblciben des Reiz¬
bildungspunktes von der Extraerregung nachweisen liess, eine einwand¬
freie Verlängerung der Postextraperiode gesehen habe.
In manchen Fällen hatte es allerdings den Anschein, als ob eine
solche vorliege; doch man konnte sich in solchen Fällen immer überzeugen,
dass derartige Verlängerungen der Perioden auch unabhängig von einer
Extrasystole zu Stande kamen.
Rothberger und Winterberg verweisen leider an der citirten
Stelle auf keino Figur ihrer Mittheilung, und ich finde in derselben auch
kein Beispiel, aus dem hervorgehen würde, dass in Fällen, in denen der
Reizbildungspunkt von der Erregung nicht getroffen wird, eine Verlängerung
der Postextraperiode vorhanden ist. u
In allen Figuren ihrer Mittheilung, in denen eine Verlängerung der
Postextraperiode nach einer compensatorischen Pause bei atrioventri-
culärer Automatie zu sehen ist, ist die Extrasystole nicht auf jenen
Herzabschnitt, an dem sie applicirt wurde, beschränkt geblieben, sondern
die Extraerregung ist vom Vorhof auf die Kammer, oder von der Kammer
auf den Vorhof übergegangen.
Nun erwähnen Rothberger und Winterberg bei Besprechung
eines Falles von compcnsatorischer Pause bei atrioventrikulärer Automatie
1) II. E. Hering, Ueber die Unabhängigkeit der Reizbildung und der Reactions¬
fähigkeit des Herzens. Pflügers Arch. 1912. Bd. 143. S. 370.
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Klinische Beobachtungen über/Verlängerung der Postextrasystole etc.
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nach einer retrograden ventriculären Extrasystole (S. 398 ihrer Mittheilung),
sie seien zu der Erkenntniss gekommen, „dass die wirkliche Ursache
dieses im ersten Moment überraschenden Phänomens in der von Hof-
nann und Holzinger beschriebenen Hemmungswirkung der Extrasystolen
auf die spontane Rhythmik gelegen ist. u
Die Autoren vertreten also selbst die Meinung, dass eine compen-
satorische Pause bei atrioventriculärer Automatic nicht immer dadurch
bedingt sein muss, dass die Reizbildungsstelle von der Extraerregung
nicht getroffen wird, sondern dass bei Vorhandensein einer Beeinflussung
der Reizbildungsstelle die Verlängerung der Extraperiode genau soviel
gelegentlich betragen kann, wie die Verkürzung der ihr vorangehenden
Periode gegenüber der Länge einer Normalperiode.
Dies soll doch wohl auch in dem auf S. 425 ausgesprochenen Satze
zum Ausdruck kommen:
„Auf diese Weise kann ohne Berücksichtigung der Vorgänge in beiden
Herzabtheilungen sehr leicht eine echte compensatorische Pause nament¬
lich dann vorgetäuscht werden, wenn schon die nächste Spontanerregung
wieder normale Periodenlängen besitzt.* 4
Während wir zur Beurtheilung der Frage, ob in einem bestimmten
Falle von compensatorischer Pause bei atrioventriculärer Automatie eine
Beeinflussung der atrioventriculären Reizbildungsstelle stattgefunden hat,
in dem Verhalten des Rhythmus des nicht unmittelbar gereizten Herz¬
abschnittes (des Vorhofes bei ventriculären, der Kammer bei atrioventri¬
culären Extrasysrtolen) einen werthvollcn Anhaltspunkt haben, so fehlt
uns dieser selbstverständlich in Fällen von compensatorischer Pause bei
Kammerautomatie.
Da wir nun gesehen haben, dass wir aus dem Vorkommen einer
compensatorischen Pause an einem automatisch thätigen Herzabschnitt
nicht unbedingt den Schluss ziehen können, dass durch die Extraerregung
die Reizbildungsstelle nicht beinflusst wurde, so müssen wir uns nach
einem anderen Criterium umsehen 1 ).
Ein solches Criterium wäre das Vorhandensein eingeschobener Extra¬
systolen. Es würde jedoch, um einen Anhaltspunkt dafür, dass die
Reizbildungsstelle von der Extraerregung nicht beeinflusst wird, zu ge¬
winnen, genügen, wenn während einer ein Vielfaches der Normalperiode
der automatisch thätigen Kammer betragenden Pause im Auftreten der
automatischen Karamerschläge Extrasystolen der Art auftreten würden
dass die der letzten Extrasystole folgende Periode deutlich verkürzt ist
gegenüber der Länge der Normalperiode der automatisch thätigen Kammer,
vorausgesetzt, dass die Kammer in diesem speciellen Falle sonst keine
Neigung zum Auftreten verkürzter Extraperioden zeigt.
1) Es erscheint uns unverständlich, wie Rothbcrger und Winterberg im
Hinblick auf ihre Ausführungen auf S. 398 auf S. 418 sagen können, es gehe aus dem
Umstand, dass „bei bestehender Kammerautomatie auch vom Vorhof ausgehende Extra¬
systolen von einer vollständigen compensatorischen Pause gefolgt sein können 14 , hervor,
„dass diese Extrasystolen zum Unterschiede von jenen bei atrioventriculärer Automatie
den Ursprungsort der automatischen Herzreize auf ihrem Wege zu den Kammern nicht
passiren müssen“.
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Aus diesen Umständen muss man wohl schliessen, dass wenigstens
die letzte Extrasystole die Reizbildungsstelle bezw. die automatischen
Kammerschläge nicht beeinflusst hat, denn sonst könnte sich der auto¬
matische Reiz an dieser Stelle nicht in so kurzer Zeit nach der Extra¬
systole wieder geltend machen.
Dieser Schluss würde in Verbindung mit dem Umstande, dass die
Länge der zwischen zwei automatischen Kamraerschlägcn gelegenen Strecke
einem Vielfachen der Normalperiode der automatisch schlagenden Kammer
entspräche, darauf hinweisen, dass der Reizbildungsvorgang auch durch
die übrigen Extrasystolen unbeeinflusst geblieben ist.
Rothberger und Winterberg haben derartige Uebcrlegungen nicht
angestellt; doch findet sich in Fig. 12, vielleicht auch in Fig. 14 ihrer
Mittheilung ein Verhalten der automatischen Kammerschläge und der
Kamraerextrasystolen, das wenigstens annähernd dem eben postulirten
Verhalten gleicht, aus dem man einen Anhaltspunkt für das Unbeeinflusst¬
sein der Reizbildungsstelle der Kammer durch Extraerregungen derselben
schliessen kann.
Nun ist gerade in diesen Figuron eine Verlängerung der Postextra¬
periode nicht ausgesprochen, und lässt sich auch nicht aus jenen Angaben
der Tabellen III und IV von Rothberger und Winterberg entnehmen,
die sich auf eine Verkürzung der letzten Extraperiode bei vollständig oder
nahezu compensirender Pause beziehen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter darauf cingehen, welche
Anhaltspunkte bezüglich des Verhältnisses der Kammercxtrasystole zur
automatischen Reizbildung in der Kammer jene Fälle ergeben, wo an
der automatisch thätigen Kammer eine Reihe von Extrasystolen, auf
deren letzte eine verkürzte Extraperiode folgt, auftreten, jedoch die
Pause zwischen den beiden automatischen Kammerschlägen, innerhalb
welcher die Extrasystolen erscheinen, nicht den Werth eines Vielfachen
einer Normalperiode der automatisch thätigen Kammer beträgt.
Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass aus den hierher ge¬
hörigen Angaben in den Tabellen III und IV von Rothberger und
Winterberg auch für diese Fälle sich keine Verlängerung der Post¬
extraperiode nachweisen lässt 1 ).
Wir können demnach bisher das Auftreten von „HeraraungsWirkungen
in Form verlängerter postextrasystolischer Perioden“ in Fällen, in denen
„der Reizbildungspunkt von der Extraerregung überhaupt nicht getroffen
wird“, noch nicht für erwiesen ansehen.
Wir neigen eher im Hinblick auf die Thatsache, dass wir in letzteren
Fällen noch niemals eine Verlängerung der Postextraperiode gesehen
haben, der Anschauung zu, dass das Auftreten einer Verlängerung der
Postextraperiode nach compensatorischen Pausen an automatisch thätigen
1) Der Umstand, dass bei der Versuchsanordnung von Rothberger und
Winterberg durch einen Einzelinductionsschlag häufig mehrere Extrasystolen aus¬
gelöst wurden, macht diese Versuche zur Entscheidung der hier angeschnittenen
Fragen wenig geeignet, da sich die Wirkung derartig starker Ströme auf das Herz vor¬
läufig unserer näheren Einsicht entzieht.
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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc.
17
Herzabschnitten darauf hinweist, dass während dieser compensatorischen
Pause eine Beeinflussung der Reizbildungsstelle stattgefunden hat und
in Folge einer Hemraungswirkung auf die Reizbildung die Extraperiode
gerade um so viel verlängert als die ihr vorangehende Normalperiode
verkürzt ist 1 ).
So möchten wir auch bei Analyse der Fig. 15e von Rothberger
und Winterberg annehmen, dass die beiden etwas übercompensirenden
Pausen an der Kammer dadurch zu Stande gekommen sind, dass die
Extrasystolen die Reizbildungsstelle der Kammern beeinflusst haben und
eine starke Hemmungswirkung hervorgerufen haben, die sich vor allem
in einer Verlängerung der Extraperiode um 0,05 Secunden gegenüber der
Normalperiode äussert.
Rothberger und Winterberg sprechen hier jedoch nur von einer
eben angedeuteten Hemmungswirkung, was offenbar dadurch bedingt ist,
das sie in Fig. 15e ein Unbeeinflusstbleiben der Reizbildungsstelle der
Kammer annehmen und sich vorstellen, dass die Rhythmusstörungen un¬
abhängig von einer Reizbildungsstörung durch Aenderungen in der
Reactionsfähigkeit zu Stande kommen.
Wie man sich eine Hemmungswirkung der Extrasystole auf die Schlag-
folgc eines automatisch thätigen Herzabschnittes unabhängig von einer Be-
einflussung^ der Reizbildung lediglich durch die Reactionsfähigkeit denken
soll, setzen Rothberger und Winterberg nicht auseinander.
Cushny und Matthews haben darauf hingewiesen, dass man die
nicht compensatorische Verlängerung der Vorhofextraperiode nach Vorhof¬
extrasystolen dadurch vielleicht erklären könne, dass „the contraction
wave passes from the auricle to the great veins and therc sets up a
forced contraction, wich returning to the auricle causes the premature
systolc“.
In ähnlicher Weise erklärt auch Wenckebach 2 ) die nicht compen¬
satorische Verlängerung der Vorhofextraperiode des Säugethierherzens nach
Vorhofextrasystolen und meint, durch den Umstand, dass „je früher man
in der erregbaren Phase der Vorkammer reizt, desto träger der Reiz
durch die Muskelsubstanz weiter geleitet werden wird“, auch verständ¬
lich wird, „dass die Pause nach der Vorkammerextrasystole länger ist,
je nachdem der Reizmoment früher in die erregbare Phase der Vorkammer
fällt und schneller auf die vorangehende Systole folgt“.
Diese Erklärungsmöglichkeit der Verlängerung der Extraperiode ist
selbstverständlich nur in solchen Fällen zulässig, wo, wie beim Vorhof
1) Ein ähnlicher Gedanke soll wohl in dem mir nicht ganz verständlichen Passus
der Mittheilung von Rothberger und Winterberg auf S. 425 zum Ausdruck kommen:
„Bei geringer Vorzeitigkeit der Extrasystolen und bei Erscheinen einer echten
compensatorischen Pause kann sie ganz fehlen oder durch die Pause vollständig ver¬
schleiert werden, was sich natürlich objectiv nicht fcststellen lässt, sobald die erste
postextrasystolische Systole schon wieder die normale Periodendauer besitzt. Ist letz¬
tere aber verlängert, so kann man wohl mit Recht annehmen, dass die Hemmungs-
wirkung an der Pause einen gewissen, wenn auch nicht abgrenzbaren Antheil hat.“
2) K. T. Wenckebach, Ueber die Dauer der compensatorischon Pause nach
Reizung der Vorkammer des Säugethierherzons. Engelmann’s Arch. 1903. S. 57.
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 2
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18
J. Rihl,
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des Säugethierherzens, die Stelle, die gereizt und verzeichnet wird, sich
in einer gewissen Entfernung von der Stelle der Rcizbildung befindet.
Cushny selbst hat in seiner letzten Mittheilung darauf aufmerksam
gemacht, dass seine früher geäusserte Anschauung in vielen Fällen wegen
der allzu grossen Länge der Extraperiöde nur dann haltbar erscheint, „if
the impulse from the auricle not only discharges the pacemaker, but
also in certain conditions depresses it a .
Für das Verhalten der unabhängig vom Sinus schlagenden Frosch¬
kammern nach ventriculären Extrasystolen hat Hofmann und Holzinger
gezeigt, dass die Verzögerung der nachfolgenden Ventrikelsystole „nicht
etwa bloss auf einer Aenderung der Ueberleitungszeit der Erregung beruht“.
Aus den vorstehenden Ausführungen geht wohl zur Genüge hervor,
dass wir das wesentliche Moment für die Verlängerung der Extraperiode
und der ihr folgenden Perioden nicht in Aenderungen der Reactions-
fähigkeit zu sehen haben, was auch mit den im Beginn dieses Abschnittes
erwähnten theoretischen Erwägungen übereinstimmt.
Wir werden als Ursache der Verlängerung eine Störung der Rciz-
bildun gannehmen müssen, die darin bestehen kann, dass der Reizbildungs-
process, wenn er durch eine vorzeitige Systole vernichtet wurde, in diesen
Fällen langsamer vor sich geht oder später beginnt.
Auf nähere Vorstellungen über diesen Vorgang wollen wir uns nicht
einlassen. Cushny meint, dass man es mit einem Ermüdungsphänomen
zu thun habe.
Die Vorstellung, dass innerhalb eines Herzabschnittes Stellen, an
denen sich Ursprungsreize bilden können, unter Umständen nicht bei
jeder Systole vom Leitungsreiz zur Contraction angeregt werden müssen,
hat schon H. E. Hering 1911 in seiner Mittheilung „Zur Analyse der
paroxysmalen Tachykardie“ 1 ) sehr genau discutirt.
In einer gewissen Hinsicht gehört noch die Besprechung der von
Cushny und Matthews sowie Wenckebach geäusserten Ansichten über
die Genese einer compensatorischen Pause im Vorhof der Warmblüter
nach Vorhofextrasystolen hierher.
Denn beim Säugethier und Menschen stellt der Vorhof mit den Hohl¬
venen einen einheitlichen Herzabschnitt dar.
Cushny begnügt sich mit der Aeusserung: „The explanation of the
compensatory pause of the auricle seems to be the same as that of the
vcntricle, the first Stimulus from the veins reaches the auricle in a rc-
fractory period and it there fore remains quiescent until the next arrives“.
Wenckebach 2 ) entwickelt die Vorstellung, dass die compensatorische
Pause des Vorhofes käme so zustande, dass eine durch einen spät in der
erregbaren Phase des Vorhofes gesetzten Reiz ausgelöste Erregung die
Vena cava nicht erreicht, „bevor an diesem Orte der physiologische Reiz
wirksam geworden ist“.
Diese Vorstellung trifft für manche Fälle von compensatorischer
Pause des Vorhofes gewiss zu, doch wohl nicht für alle, da man auch
1) Münch, med. Wochenschr. 1911. No. 37.
2) 1. c.
Gck igle
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Klinische Beobachtungen über Verlängerung der Postextrasystole etc.
19
bei vorzeitigeren Extrasystolen gelegentlich eine compensatorische Pause
sieht und hier nicht gut eine so lange Leitungszeit der Erregung nach
der Vena cava annehmen kann.
In diesen Fällen muss man entweder annehmen, dass aus irgend
einer Ursache die vorzeitige Erregung nicht die Reizbildungsstelle an den
Hohlvenen ergriffen hat, und es können hier die in der zuletzt citirten
Arbeit von Hering auseinandergesetzten Erwägungen Platz greifen oder
man muss auch hier die Hemmungswirkung der Extrasystole zur Er¬
klärung heranziehen.
Zusammenfassung.
Es werden klinische Beobachtungen über das Vorkommen einer Ver¬
längerung der Vorhofpostextraperiode nach supraventriculären Extrasystolen
mitgetheilt.
Im Anschluss daran wird nach kritischer Besprechung der vorliegenden
experimentellen Befunde über die nach Extrasystolen an anatomisch
thätigen Herzabschnitten zu beobachtenden frequenzhemmenden Effecte
auscinandergesetzt, dass sich letzter nicht durch Störungen der Reactions-
fähigkeit erklären lassen, sondern wohl auf Störungen der Reizbildung
zurückzuführen sind.
2 *
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Original fro-m
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n.
Aus dem Kgl. medicinisch-poliklinischen Institut der Universität Berlin
(Director: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Goldscheider),
Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols.
Von
Prof. Dr. Alexander Langgaard.
Bekanntlich steigert sich die Wirkung bei den einatomigen Alkoholen
mit der Zunahme der Kohlenstoffatorae, d. h. der Propylalkohol wirkt
stärker als der Aethylalkohol, der Butylalkohol stärker als der Propyl¬
alkohol, der Amylalkohol stärker als der Butylalkohol. Eine Ausnahme
soll allein der Methylalkohol machen, welcher giftiger sein soll als der
Aethylalkohol. Wie unzureichend aber unsere Kenntnisse über die Giftig¬
keit des Methylalkohols waren, haben die Verhandlungen im Proeess
Scharmach gezeigt.
Ich habe seit Januar eine grössere Anzahl ausgedehnter vergleichender
Versuche über die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols gemacht,
deren Resultate ich kurz in No. 36 der Berliner klin. Wochenschrift mit-
getheilt habe. Nun will ich in Folgendem über die Ergebnisse-meiner
Untersuchungen ausführlich berichten.
Ich habe ausschliesslich Kaninchen benutzt und zunächst mit kleinen
Dosen (3 ccm pro Kilo Thier) begonnen, die täglich bis zum Eintritt des
Todes gegeben wurden. Ich habe dann die Dosen gesteigert auf 5, 6 und
8 ccm pro Kilo und habe schliesslich, um wirklich die einmalige letale
Dosis festzustellen, Dosen von 10, 12 und 14 ccm gegeben.
Als Methylalkohol kam der käufliche acetonfreie zur Anwendung,
der, mit der gleichen Menge Wasser verdünnt, den Thieren in den
Magen gegeben wurde. Ebenso wurde natürlich auch der Aethylalkohol
gegeben.
In Folgendem gebe ich die Versuchsprotokolle wieder. Ich will hier
gleich vorweg bemerken, dass ich die Protokolle der Versuche mit den
grossen Dosen 10 und 12 ccm nicht in ihrem ganzen Umfange wieder¬
gebe. Erstens, weil sie zu lang sind, sie erstrecken sich: Versuch 1 vom
2. 7. bis 27. 7., Versuch 2 vom 5. 7. bis 27. 7., Versuch 3 vom 8. 7. bis
27. 7., Versuch 4 vom 10. 7. bis 27. 7., Versuch 5 vom 15. 7. bis 27. 7.,
und zweitens, weil in dem weiteren Verlauf der Versuche keine Verände¬
rungen in dem Zustande der Thiere eintraten.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Die Giftigkeit dos Methyl- und Aethylalkohols.
21
Methylalkohol acetonfrei, 3 rem pro Kilo.
15. 3. 1912. Kaninchen, 1900 g.
11h 15. Erhält 5,7 ccm.
11 h 40. Reflexerrcgbark ei tgestcigcrt.
Unruhe. 1
11 h 43. Hüpft umher.
11h 45. Legt sich auf den Bauch.
11 h 46. Richtet sich wieder auf.
11 li 50. Sehr unruhig.
11h 55. Hat sich auf den Bauch gelehrt.
Resp. 87. Puls 240. j
12 h 00. Richtet sich auf. Sehr erregt. Ohr- .
gefässe stark erweitert. I
12 h 30. Legt sich auf den Bauch. Sehr |
benommen. Resp. 64. Puls 240. j
12 h 32. In den Schwanz gekniffen, springt
es sofort auf.
12 h 35. Hüpft umher. Sehr erregt.
12 h 38. Will sich an der Wand aufrichten,
fällt aber dabei um.
12 h 45. Puls 256.
12h 50. Sitzt aufrecht. Reflexerregbar-
keit gesteigert.
12 h 55. Leicht benommen.
1 h 00. Sitzt hockend, sehr benommen.
1 h 05. Richtet sich auf und hüpft fort.
1 h 10. Sehr unruhig.
1 h 15. Wird in den Käfig gesetzt.
16. 3. 1915
11 h 00. Sehr erregt. Erhält 5,7 ccm.
11h 10. Hat sich auf den Bauch gelegt.
Resp. 116. Kussmaul.
11h 15. Hat sich aufgerichtet.
11h 18. Legt sich wieder nieder.
11 h 30. Hat sich aufgerichtet.
11 h 32. Puls 257.
11 h 34. Legt sich auf den Bauch.
11 h 36. Richtet sich wieder auf und hüpft.
12 h 00. Legt sich wieder auf den Bauch.
18. 3. 1912
11 h 05. Sitzt, Vorderkörper aufgerichtet, j
Reflcxerrcgbarkcit ge¬
steigert.
11 h 15. Legt sich auf den Bauch. Resp. 66.
11 h 20. Ganz benommen. Puls 260.
11 h 40. Erhält 5,7 ccm.
11h 50. Legt sich auf den Bauch.
12 h 00. Richtet sich auf.
19. 3. 1912
11 h 00. Sitzt ruhig.
11 h 05. Legt sich auf den Bauch.
11 h 10. Richtet sich auf.
11 h 13. Puls 240. Resp. 64.
11 h 20. Sitzt ruhig.
11 h 30. Erhält 5,4 ccm. *
11 h 42. Liegt auf dom Bauche. Ohrgefässe
stark erweitert. Resp. 64, regel¬
mässig tief.
20. 3. 19:
11h 10. Sitzt ruhig. Ohrgefässe stark er¬
weitert.
11h 12. Legt sich plötzlich.
11 h 20. Puls 250. Resp. 74.
11 h 30. Erhält 5,4 ccm.
11 h 35. Hat sich gelegt.
11 h 37. Resp. 116.
11h 42. Richtet sich auf.
11 h 44. Reflexerregbarkeit ge¬
steigert. Resp. 58.
!. 1900 g.
12 h 20. Richtet sich plötzlich auf und
hüpft.
12 h 25. Sitzt, leicht benommen.
12 h 32. Resp. 47.
12 h 40. Hüpft umher.
12 h 43. Legt sich wieder auf den Bauch.
1 h 20. Liegt auf dem Bauche. Resp. 54.
1 h 28. Richtet sich auf.
1 h 30. Sitzt, Vorderkörper hoch aufge¬
richtet.
. 1900 g.
12 h 10. Hat sich wieder gelegt. Sehr müde.
12 h 20. Hat sich wieder aufgerichtet.
12 h 30. Hat sich wieder gelegt.
12 h 40. Richtet sich wieder auf. Puls 260.
Resp. 44.
12 h 45 Legt sich wieder auf den Bauch.
1 h 15. Wird in den Käfig gelegt.
1800 g.
12 h 20. Liegt auf dem Bauche. Benommen.
12 h 22. Resp. 50, regelmässig.
12 h 30. Puls 260.
12 h 38. Richtet sich plötzlich auf.
12 h 55. Hüpft umher.
I h 00. Fällt um, liegt auf der Seite.
1 h 15. Richtet sich wieder auf.
1800 g.
12 h 10. Nachdem das Thier sich wieder¬
holt gelegt und wieder aufge¬
richtet hat, liegt es sehr müde
auf dem Bauche.
12 h 25. Resp. 43.
12 h 30. Richtet sich auf und hüpft umher.
12 h 40. Hat sich wieder auf den Bauch
gelegt.
12 h 55. Sitzt aufrecht. Puls 272.
1 h 10. Legt sich auf den Bauch. Resp. 54.
1 h 30. Wird in den Käfig gelegt.
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22
Alexander Langgaard,
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21. 3. 1912.
11h 05. Sitzt ruhig. Ohrgefässe stark er¬
weitert
11h 10. Puls 240. Resp. 45.
11h 25. Erhält 5,4 ccm.
11h 30. Hat sich auf den Bauch gelegt. j
11 h 35. Reflexcrregbarkeit erhöht, j
12 h 00. Resp. 32. i
12 h 05. Richtet sich plötzlich auf. |
22. 3. 1912.
11h 10. Sitzt aufrecht.
11h 20. Legt sich auf den Bauch. Resp. 41.
Puls 200.
11 h 40. Erhält 5,4 ccm.
11 h 50. Liegt auf dem Bauche, miide.
11 h 55. Puls 230. Resp. 45.
12 h 00. Hat sich aufgerichtet, legt sich
aber gleich wieder nieder.
23. 3. 1912.
11 h 15. Sitzt aufrecht, Ohrgefässe er- |
weitert. Resp. 58. j
11 h 20. Sehr unruhig, hüpft umher.
11 h 30. Erhält 5,1 ccm.
11 h 40. Hat bis jetzt ruhig gesessen, legt
sich auf den Bauch. !
11h 45. Resp. 41, regelmässig. Starke ;
Peristaltik. |
25. 3. 1912.
12 h 30. Sitzt aufrecht. Ohrgefässe stark
erweitert. Puls 240. Resp. 44.
12 h 40. Erhält 5,1 ccm.
12 h 55. Sitzt hockend, sehr benommen.
26. 3. 1912.
11 h 05. Sitzt ruhig, leicht benommen.
11 h 10. Ohrgefässe stark erweitert.
Resp. 37.
11h 25. Erhält 5,1 ccm.
11h 30. Legt sich auf den Bauch. Sehr
benommen.
11 li 35. Puls 246. Resp. 39.
11 h 40. Hat sieh plötzlich aufgerichtet
und hüpft davon.
11h 45. Legt sich plötzlich wieder auf den :
Bauch.
27. 3. 1912.
11 h 40. Puls 240. Resp. 60.
11h 45. Erhält 5,4 ccm.
12 h 05. Legt sich plötzlich auf den Bauch.
12 h 35. Sitzt aufrecht. Ohrgefässe stark
erweitert.
12 h 37. Hüpft umher.
12 h 55. Legt sich plötzlich auf den Bauch.
12 h 57. Puls 240. Resp. 46.
28. 3. 1912.
12 h 00. Unruhig, hüpft umher. ;
12 h 20. Erhält 5,4 ccm.
12 h 30. Sitzt aufrecht. i
12 h 35. Legt .'sich auf den Bauch. Resp. 38. |
12 h 40. Richtet sich plötzlich auf und i
hüpft fort. !
12 h 45. Ohrgefässe stark erweit. Puls 246.
1800 g.
12 h 15. Sitzt sehr benommen.
12 h 30. Hüpft umher. Ohrgefässe stark
erweitert.
12 h 40. Sehr unruhig. Reflcxerregbar-
keit erhöht.
1 h 00. Hüpft fortwährend umher.
1 h 15. Sitzt ruhig.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1800 g.
12 h 30. Richtet sich auf. Reagirt auf
Zupfen der Spiirhaare. Corneal-
rcflex erhalten.
12 h 55. Hüpft umher.
1 h 20. Sitzt hockend müde.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1700 g.
12 h 00. Hat sich aufgerichtet.
12 h 15. Unruhig, hüpft umher.
12 h 25. Sitzt vorne hoch aufgerichtet,
12 h 55. Hat bis jetzt ruhig gesessen.
Hüpft umher.
1 h 25. Fortwährend umhergehüpft.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt,
1700 g.
1 h 10 — Hüpft fortwährend bis
11) 20 umher.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1700 g.
12 h 00. Hüpft munter umher.
12h 15. Sitzt hockend. Reflexcrrcg-
barkeit gesteigert.
12 h 22. Legt sich auf den Bauch.
12 h 24. Richtet sich wieder auf. Puls 250.
12 h 35. Hüpft umher.
12 h 40. Sehr unruhig. Hüpft fortwährend
umher.
1 h 05. Legt sich auf den Bauch.
1 h 15. Wird in den Käfig gesetzt.
1800 g.
1 h 00. Hat sich wieder aufgerichtet.
1 h 05. Legt sich plötzlich wieder auf
den Bauch.
1 h 17. Resp.26. Sehrbenommen. Reagirt
auf Zupfen der Spürhaare.
1 h 20. Sitzt hockend, ganz benommen.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1800 g.
1 h 00. Sitzt zusammengekauert, be¬
nommen. Resp. 40.
1 h 08. Richtet sich auf.
1 h 10. Sitzt aufrecht. Starke Kaube¬
wegungen.
1 h 12. Hüpft umher.
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Original fro-m
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Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols.
23
29. 3. 1912. 1800 g.
11h 00. Sitzt ruhig. Resp. 47. j 12 h 15. Hat sich auf den Bauch gelegt.
11h 48. Erhält 5,4 ccm. | Kaubewegungen. Resp. 44.
12 h 00. Sitzt aufrecht. Ohrgefässe stark 12 h 20. Liegt ganz benommen auf dem
erweitert. I Bauche.
11 h 45.
12 h 00.
12 h 25.
Erhält 5,1 ccm.
Sitzt benommen.
Hüpft umher.
30. 3. 1912. 1700 g.
11 h 20. Sitzt aufrecht. Resp. 56.
11h 30. Erhält 5,1 cm.
11h 40. Legt sich auf den Bauch.
11h 45. Richtet sich wieder auf.
11 h 48. Liegt auf dem Bauche, sehr
benommen.
12 h 30. Richtet sich auf und hüpft umher.
1. 4. 1912.
11 h 05. Sitzt ruhig.
11 h 30. Sehr unruhig. Hüpft umher.
11 h 35. Erhält 4,2 ccm.
11h 45. Liegt auf dem Bauche. Resp. 44.
11h 55. Sehr unruhig, hüpft umher.
12 h 00. Legt, sicli auf den Bauch.
12 h 10. Richtet sich plötzlich auf und
hüpft umher bis
2. 4. 1912.
11h 25. Sitzt ruhig. Resp.
11h 35. Erhält 4,2 ccm.
11h 30. Sehr matt.
43.
3. 4. 1912.
12 h 40. Resp. 56. Liegt auf dem Bauche.
Starke Peristaltik.
12 h 45. Richtet sich auf und hüpft davon.
12 h 55. Erhält 4,2 ccm.
1 h 10. Hat sich gelegt. Hintertheil
seitlich. j
5. 4. 1912. Todt im Käfig vorgefunden. 19 mal 3 ccm.
1 12 h
30.
12h
35.
| 12 h
43.
2. 1700 g
12 h
45.
12 h
50.
i 1 h
00.
i 1 li
05.
1 1h
i
30.
. 1400 g.
1 h
00.
1 h
12.
1 h
20.
1 h
30.
. 1400 g.
11 h
50.
1400
(r
o-
11 h
35.
. 1400 g.
1 h
15.
1 h
20.
1 h
30.
1 h
40.
Sitzt ruhig. Resp.
Sitzt ruhig, leicht
36.
benommen.
Vor¬
derpfoten gleiten aus.
Legt sich wieder auf den Bauch.
W ird in den Käfig gelegt.
davon.
Resp. 45.
Richtet sich auf.
Legt sich wieder.
Richtet sich auf. Sehr wackelig.
Wdrd in den Käfig gesetzt.
Aethylalkohol 3 ccm pro Kilo.
13. 4. 1912. Kaninchen 1500 er.
12 h 20. Erhält 4,5 ccm. I
12 h 30. Grosse Unruhe. I
12 h 40. Sitzt aufrecht.
1 h 00. Nachdem es fortwährend umher- i
gehüpft ist, setzt es sich plötz¬
lich hockend hin und sucht |
Stütze an der Wand.
15. 4. 1912.
11h 50. Sitzt ruhig.
11 h 55. Erhält 4,5 ccm.
12 h 00. Resp. 30. Sehr unruhig. Hüpft
fortwährend j
16. 4. 1912.
11 h 50. Erhält 4,5 ccm. i
11h 55. Hat sich auf den Bauch gelegt. ,
1 h 05. Richtet sich plötzlich an der
W T and hoch auf, fällt um, richtet
sich aber gleich wieder auf.
1 h 12. Grosse Unruhe, hüpft fortwäh¬
rend umher.
1500 g.
1 h 25. umher,
1 h 30. Wdrd in den Käfig gesetzt.
1500 g.
12 h 00. Richtet sieh auf.
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Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
24
Alexander Langgaard,
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12 h 00.
1 h 10.
1 h 15.
11 h 20.
11 h 25.
11 h 40.
12 h 00.
12 ii 35.
12 h 40.
11 h 25.
11 h .>0.
11 h 35.
12 h 00.
11h 10.
11 h 25.
11 h 50.
11 h 40.
12 h 10.
12 h 20.
11 h 00.
11 li 05.
11 li 25.
11 h 35.
12 h 20.
12 h 30.
11h 35.
11 h 42.
12 h 00.
12 h 30.
12 h 40.
11 li 20.
11 li 30.
11 li 35.
11 h 45.
11 h 55.
12 h 05.
12 h 10.
11 li 50.
12 h 00.
12 h 10.
12 h 25.
17. 4. 1912. 1500 g.
Resp. 26. Erhält 4,5 ccm.
18. 4. 1912. 1500 g.
Sitzt ruhig. | 1 h 30. Sitzt hockend, ganz benommen.
Erhält 4,o ccm. |
19. 4. 1912. 1500 g.
Sitzt hockend. Etwas erregt. | 12 h 50. Legt sich auf den Bauch.
Resp. 95. Kussmaul. 12 h 55. Richtet sich plötzlich auf und
Hüpft umher. 1 hüpft davon.
Erhält 4,5 ccm. | 1 h 00. Sitzt ruhig. Resp. 57.
Resp. 51. (ianz benommen. , 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
Hüpft umher.
20.4.1912. 1450 g.
Sitzt ruhig. ; 12 h 30. Sitzt benommen.
Erhält 4,3 ccm. 12 h 40. Hüpft umher.
Resp. 62. j 12 h 50. Benommen.
Unruhig, hüpft umher. | 1 h 00. In den Käfig gesetzt.
Hüpft umher.
Erhält 4,3 ccm.
Sitzt hockend.
22. 4. 1912. 1450 g.
12 h 15. Jagt plötzlich über den Tisch.
12 h 25. Sitzt hockend, ganz benommen.
23. 4. 1912.
Erhält 4,3 ccm.
Hat bis jetzt ruhig gesessen, .lagt
plötzlich über den Tisch.
Hüpft umher.
1450 g.
12 h 40. Hüpft beständig bis
1 h 00. umher.
1 h 65. Wird in den Käfig gesetzt.
24. 4. 1912.
Sitzt ruhig.
Erhält 4,3 ccm.
Sitzt ganz benommen.
Sitzt ruhig, ganz benommen.
Resp. 44.
Jagt plötzlich über den Tisch.
Hüpft umher. Kaubewegungen.
1450 g.
12 h 40. Sitzt hockend, ganz benommen.
12 h 45. Eichtet sich auf.
12 h 55. Hüpft umher.
1 h 00. Sehr unruhig.
1 h 10. Hüpft umher.
1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt.
25. 4. 1912.
Sitzt ruhig. Resp. 67. !
Erhält 4,2 ccm. !
Sitzt ruhig.
Sitzt hockend.
Hüpft davon.
26. 4. 1912.
Sitzt ruhig. 1
Erhält 4,2 ccm.
1400 g.
12 h 50. Sitzt ruhig.
1 h 00. Hüpft umher.
1 h 05. Sitzt hockend, benommen.
1 h 20. Hüpft umher.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1400 g.
11 h 50. Hüpft umher.
Erhält 4,2 ccm.
Sitzt, ruhig.
Hüpft, umher.
Sitzt ganz benommen.
< ornealreflex erhalten.
27. 4. 1912. 1400 g.
I 12 h 30. Sitzt hockend.
12 li 40. Hat sich aufgerichtet.
1 h 00. Sitzt hockend, ganz benommen.
Resp. 58. 1 h 20. Sitzt hockend, ganz benommen.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
29. 4. 1912.
Erhält 3,9 ccm.
Sitzt ganz benommen.
Unruhig, hüpft umher. |
Sehr unruhig, hüpft umher.
1300 g.
1 h 10. Während der ganzen Zeit unruhig
umhergehii] »ft.
1 h 20. Sitzt ruhig.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHtGAN
Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols.
25
30. 4. 1912.
11 h 20. Sitzt ruhig.
11 h 25. Resp. 62.
11h 38. Erhält 3,9 ccm.
11h 50. Wird unruhig, hüpft umher.
11 h 55. Legt sich anf den Bauch. Sehr
benommen.
1. 5. 1912.
11h 10. Sitzt ruhig, benommen. Resp. 59. I
11 h 25. Erhält 3,9 ccm.
11h 40. Ganz benommen.
12 h 45. Sehr unruhig. Hüpft fortwährend
umher.
2. 5. 1912.
11h 15. Sitzt ruhig. Resp. 42.
11h 30. Erhält 3,9 ccm.
12 h 00. Sitzt ganz benommen.
4. 5. 1912.
11h 15. Sitzt ruhig, stützt den Kopf auf
don Tisch.
11h 18. Resp. 41.
11 h 25. Erhält 3,6 ccm.
11 h 30. Sitzt zusammengekauert.
11 h 40. Hüpft davon.
12 h 00. Sitzt ganz benommen. ,
5. 5. 1912.
12 h 30. Sitzt zusammengekauert, ganz I
benommen. i
12 h 37. Resp. 40. |
12 h 50. Erhält 3,6 ccm. |
6. 5. 1912.
11h 20. Sitzt zusammengekauert. Resp. 35. |
7. 5. 1912.
10 h 50. Legt sich auf den Bauch.
10 h 55. Resp. 40.
11h 10. Erhält 3,3 ccm.
8. 5. 1912.
10 h 30. Sehr matt. Resp. 42.
10 h 45. Erhält 3,3 ccm.
10 h 50. Grosse Unruhe.
9. 5. 1912.
12 h 00. Sehr matt.
12 h 05. Resp. 36, leicht dyspnoisch.
12 h 15. Erhält 3 ccm.
10. 5. 1912.
1300 g.
12 h 15. Unruhe.
12 h 30. Hüpft umher
1 h 20. do. do.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1300 g.
1 h 00. Sehr erregt.
1 h 15. Sitzt zusammengekauert, ganz be¬
nommen.
1300 g.
12 h 20. Hüpft umher.
12 h 35. Sitzt ruhig, leicht benommen.
1200 g.
12 h 20. Hüpft davon.
12 h 25. Sitzt ruhig. Puls 240. Resp. 45.
1 h 00. Ganz benommen. Reflcxerregbar-
keit gesteigert.
1 h 20. Ganz benommen.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1200 g.
1 h 15. Liegt, auf dem Bauche. Ganz
benommen.
1 h 30. In den Käfig gesetzt.
1200 g.
11 h 30. Erhält 3,6 ccm.
1100 g.
12 h 00. Hat die ganze Zeit ruhig ge¬
sessen.
12 h 03. Hüpft davon.
1100 g.
11 h 00. Grosse Unruhe.
11 h 30. Hüpft umher.
12 h 00. Resp. 34.
1000 g.
12 h 25. Unruhe.
12 h 30. Sitzt ruhig. Resp. 38, dyspnoisch.
12 h 40. In den Käfig gesetzt.
23 mal 3 ccm pro Kilo.
Todt im Käfig vorgefunden.
Methylalkohol. Ursache der Vergiftung 3 ccm pro Kilo.
15. 3. 1912. Kaninchen, 1850 g.
11h 25. Erhält 5,6 ccm.
11h 40. Ohrgefässc stark erweitert. Legt
sich auf den Bauch.
11h 45. Resp. 38. Kussmaul.
11h 50. Liegt auf dem Bauche, sehr be¬
nommen. RcfIexerregbar-
keit erhöht.
11 h 52. Puls 257.
12 h 00. Sitzt hockend, ganz benommen.
12 h 20. Hat sich aufgerichtet.
12 h 23. Legt sich auf den Bauch. Starke
Pcris tal t i k.
12 h 28. Puls 260, Resp. 40.
12 h 35. Sitzt ganz benommen. Zuckt beim
Kneifen in den Schwanz zu¬
sammen, bleibt aber ruhig sitzen.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
26
Alexander Langgaard,
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15. 3. 191*2 Fortsetzung).
12 h 40. Sitzt ganz benommen. Rcsp. ganz i 12 b 55. Hat sich auf den Bauch gelegt.
n i jr i>. od
flach, 45.
12 h 42. Versucht zu hüpfen. Vorderpfoten
gleiten aus.
12 h 49. Hat sich auf den Bauch gelegt.
Puls 240.
12 h 52. Richtet sicli wieder auf.
Resp. 36.
1 h 05. Liegt ganz benommen auf dem
Bauche.
lh 10. Hat sich aufgerichtet und hüpftfort.
1 h 12. Sitzt hockend. Wird in den Käfig
gesetzt.
16. 3. 1912. 1800 ir.
11h 00. Erhält 5.4 ccm.
11 h 10. Sitzt hockend.
11 h 20. Legt sich auf den Bauch.
11h 22. Hat sich aufgerichtet.
11 h 24. Legt sich wieder auf den Bauch.
Hinterthcil seitlich.
11h 25. Rep. 44.
11 h 26. Richtet sich plötzlich auf.
11 h 32. Legt sich auf den Bauch.
11 h 34. Puls 250, Rcsp. 99.
1 11h 38. Hat sich aufgerichtet.
; 11 h 40. Legt sich auf den Bauch.
12 h 10. Richtet sich plötzlich wieder auf.
| 12 h 12. Legt sich wieder nieder.
, 12 h 18. Hat sich wieder aufgerichtet.
Hüpft umher.
12 h 34. Legt sich wieder.
12 h 35. Resp. 39.
1 h 25. Liegt auf dem Bauche. Resp. 39.
1 h 30. Richtet sich auf.
18. 3. 1912. 1800 g.
11h 10. Sitzt ruhig. 12 h 00. Legt sich auf den Bauch.
11 h 12. Legt sich auf den Bauch. 12 h 20. Hat sich aufgerichtet.
11 h 14. Starke Pcristal tik. Resp. 41. 12 h 30. Sitzt hockend, ganz benommen.
11h 18. Durchfall. Ohrgefiissc stark erweitert.
11h 20. Puls 247. 12 h 50. Puls 260, Resp. 37. Durchfall.
11 h 50. Erhält 5,4 ccm.
19. 3. 1912. 1800
11h 00. Sitzt ruhig.
11 h 15. Puls 260, Resp. 86.
11h 20. Legt sich auf den Bauch.
11h 40. Erhält 5,4 ccm.
11 h 50. Resp. 96.
12 h 15. Liegt ganz benommen auf dem
Bauche.
12 h 30. Puls 260, Resp. 43.
12 h 42. Sitzt hockend, sehr müde.
12 h 50. Legt sich auf den Bauch.
12 h 55. Hat sich augerichtet. Ohrgefässc
stark erweitert.
1 h 00. Sitzt hockend, sehr müde.
1 h 15. Legt sich auf den Bauch.
I 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
i
20. 3. 1912. 1800 g.
11h 10. Hat sich auf den Bauch gelegt. 12 h 30. Sitzt zusammgekauert.
11h 15. Puls 245, Resp. 80. j 12 h 40. Hat sich aufgerichtet,
11h 40. Erhält 5,4 ccm. 1 h 00. Puls 260, Resp. 57.
12 h 25. Resp. 80. Hat die ganze Zeit ruhig , 1 h 08. Liegt, auf dem Bauche.
gesessen, sehr müde. Vorder- j 1 h 15. Hat sich aufgerichtet,
pfoten gleiten aus. ; 1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt.
21. 3. 1912. 1800 g.
11 h 10. Sitzt ruhig.
11h 15. Legt sich auf den Bauch.
11h 20. Puls 220, Resp. 37.
11 h 30. Erhält 5.4 ccm.
12 h 03. Resp. 32. Hat sich auf den Rauch
gelegt,
12 h 10. Hat sich aufgerichtet.
12 h 40. Sitzt zusammengekauert, sehr
müde.
12 h 50. Sitzt hockend, sehr benommen.
1 h 05. Legt sich auf den Bauch.
1 h 28. Hat während der ganzen Zeit auf
dem Bauch gelegen. Resp. 42.
1 h 30. Wird in den Kälig gelegt.
22. 3. 1912. 1800 g.
11 h 10. Sitzt aufrecht.
11h 18. Legt sich auf den Bauch.
11h 30. Puls 260, Resp. 66. Kussmaul.
11h 50. Erhält. 5,4 ccm.
11h 55. Hat sich auf den Bauch gelegt.
12 h 00. Resp. 58, sehr flach.
12 h 30. Hat die ganze Zeit über auf dem
Bauche gelegen, sehr benommen.
12 li 40. Cornealreflcx erhalten. Rcagirt
auf Zupfen der Spürhaare nicht,
wohl aber auf Kneifen des
Schwanzes, versucht sich auf¬
zurichten, Vorderpfoten gleiten
aus.
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Die Giftigkeit des Methyl- und Aothylalkohols.
27
23. 3. 1912. 1800 c.
11 h 25. Liegt auf dem Bauche. Beim Be¬
rühren, um cs aus dem Käfig
zu nehmen, heftiger Opistho¬
tonus.
11 h 35. Liegt ganz ermattet auf der Seite.
12 h Oo } Tonische clonische Krämpfe.
12 h 15. Liegt auf der Seite, ganz schwach
athmend.
12 h 48. Tetanus. Athmung steht.
12 h 50. Athmet wieder ganz schwach.
12 h 55. Furchtbare Dyspnoe.
1 h 00. Athmung steht. Herz nicht zu
fühlen. Tod nach 7 mal 3 ccm.
Methylalkohol, acetonfrei, 5 ccm pro Kilo.
31. 5. 1912. Kaninchen, 2300 g.
1 h 05. 11,5 ccm. | 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1 h 20. Unruhig. Hüpft umher. I
1. 6. 1912.
12 h 10. 11 ccm. I
12 h 15. Ohrgefässe stark erweitert, legt •
sich auf den Bauch. Respiration (
fliegend. |
3. 6. 1912.
11h 15. 10,5 ccm.
11 h 45. Hüpft umher. I
11 h 50. Sitzt aufrecht. Leicht benommen.
11 h 55. Legt sich auf den Bauch. Sehr j
benommen. |
4. 6. 1912.
11 h 40. Hüpft umher.
11 h 50. 10 ccm.
12 h 00. Legt sich auf den Bauch. Hintcr-
theil seitlich.
5. 6. 1912.
11 h 40. 10 ccm.
12 h 02. Hat sich auf den Bauch gelegt.
Ganz benommen.
12 h 15. Richtet sich plötzlich auf und ’
hüpft davon. |
6. 6. 1912.
11h 15. Sitzt aufrecht. Leicht benommen.
11h 20. Hat sich auf den Bauch gelegt.
11 h 25. Resp. 48. Kussmaul.
11 h 40. 10 ccm.
11h 50. Hat sich auf den Bauch gelegt.
12 h 00. Richtet sich auf und hüpft.
Taumelt.
7. 6. 1912.
11h 25. 10 ccm.
11h 40. Liegt ganz benommen auf dem
Bauche. Ohrgefässe stark er¬
weitert.
11h 50. Hat sich plötzlich aufgerichtet
und hüpft umher.
12 h 15. Wankt, fällt um, richtet sich aber
gleich wieder auf. Schaumiges
N a s e n s e c r e t.
12 h 25. Sehr benommen. Leichte Dyspnoe.
12 h 20. Wankt, fällt um, richtet sich aber
gleich wieder auf.
2200 g.
12 h 40. Richtet sich auf und hüpft
umher.
12 h 55. Leicht benommen.
2100 g.
12 h 10. Hat sich aufgerichtet.
12 h 15. Hüpft umher.
12 h 25. Sitzt aufrecht. Leicht benommen.
12 h 50. Hüpft umher.
2000 g.
12 h 20. Richtet sich plötzlich auf.
12 h 30. Sitzt hockend.
12 h 45. Sitzt aufrecht.
2000 g.
12 h 40. Sucht Stütze an der Wand. Fällt
um. Hintcrtheil seitlich. Schau¬
miges Nasensccret.
2000 g.
12 h 10. Vorderpfoten gleiten aus. Ganz
benommen. Liegt auf dem
Bauche.
12 h 12. Richtet sich wieder auf und hüpft
davon.
2000 g.
12 h 40. Liegt auf dem Bauche. Hinter-
theil seitlich gelähmt. Star ko
Peristaltik.
12 h 50. Nach mehreren vergeblichen Ver¬
suchen ist cs ihm gelungen,
sich wieder aufzurichten.
12 h 55. Wankt.
1 h 00. Sitzt ganz benommen.
1 h 05. Respiration stossweise. Schau¬
miges Nascnsecret.
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28
Alexander Langgaard,
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8. 6. 1912.
12 h 15. Hüpft langsam umher. Starker
Haarausfall.
12 h 30. 9,5 ccm.
12 h 35. Wankt, legt sicli auf den Bauch.
1 h 00. Liegt ganz benommen auf dem
Bauche.
10. 6. 1912.
11 h 45. Hüpft umher. Leicht benommen.
11 h 50. 8,5 ccm.
Il!i55. Hüpft fort. Benommen. Ohr¬
gcfässc stark erweitert.
12 h 30. Ganz benommen.
1 h 10. Wankt, fällt auf die Seite.
1900 g.
1 h 05. Starke Peristaltik.
1 h 15. Hat sich aufgerichtet. Sehr be¬
nommen. Wankt, fällt auf die
Seite.
1700 g.
lh 15. Richtet sich plötzlich auf. Wankt,
sucht Stütze an der Wand.
Schaumiges Nasensccret.
1 h 20. Sitzt zusamengekauert. Kopf ge¬
stützt.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
11. 6. 1912. 1600 g.
11h 50. Sehr benommen. 12 h 40. Fällt um.
11h 55. 8 ccm. 12 h 45. Hat sich wieder aufgerichtet.
12 h 20. Sitzt ganz benommen.
12. 6. 1912. Todt im Käfig vorgefunden, 1500 g, nach 10 mal 5 ccm.
Aethylalkohol, 5 ccm pro Kilo.
31. 5. 1912. Kaninchen, 2000 g.
11h 30. 10 ccm.
11 h 40. Resp. 100, fliegend. Stützt den
Kopf.
1. 6. 1912.
11 h 20. Benommen. I
11h 30. 10 ccm. I
3. 6. 1912.
11 h 15. Benommen. Liegt auf dem Bauche, j
11 h 20. Resp. 200, fliegend. [
11 h 30. 10 ccm. |
11h 45. Liegt ganz benommen auf dem
Bauche. |
4. 6. 1912.
11h 40. 10 ccm.
11 h 50. Sitzt ruhig. Ohrgcfässc stark er¬
weitert.
5. 6. 1912.
11 h 50. 10 ccm.
12 h 15. Liegt auf dem Bauche, ganz be¬
nommen. I
6. 6. 1912.
11 h 20. Sitzt ruhig. Ohrgcfässc stark er- J
weitert. |
11 h 35. 9 ccm.
12 h 40. Resp. 37. Liegt auf dem Bauche.
Hintcrtheil gelähmt. Versucht
sich aufzurichten, fällt aber
immer wieder auf die Seite.
7. 6. 1912.
11 h 40. 9 ccm. i
11h 50. Sitzt hockend, ganz benommen. |
12 h 00. Sehr benommen. Liegt auf dem
Bauche.
1 h 05. Hat sich aufgerichtet und hüpft
davon.
2000 g.
11h 40. Resp. 63.
12 h 30. Sitzt ganz benommen. Wankt.
2000 g.
12 h 10. Desgleichen.
12 h 45. Desgleichen.
1 h 00. Hat sich aufgerichtet.
1 h 05. Sucht Stütze an der Wand.
2000 g.
12 h 00. Liegt auf dem Bauche. Hinter-
theil seitlich gelähmt.
12 h 50. Liegt ganz gelähmt.
2000 g.
1 h 00. Sitzt hockend.
1 h 10. Sitzt hockend, ganz benommen.
1 h 15. Wird in den Käfig gesetzt.
1S00 g.
1 h 08. Schläft tief. Resp. 43.
1 h 10. Hat sich aufgerichtet.
1 h 15. Wankt.
1 h 20. Fällt auf die Seite.
1 h 22. Richtet sich wieder auf, fällt aber
gleich wieder um.
1800 g.
12 h 10. Hat sich aufgerichtet.
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Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols.
29
8. 6. 1912.
11 h 30. 9,5 ccm.
12 h 10. Liegt auf dem Bauche, ganz be¬
nommen.
12 h 20. Hat sich aufgerichtet.
12 h 25. Sitzt zusammengekauert.
10. G. 1912.
11 h 50. 9,5 ccm.
12 h 10. Sitzt zusammengekauert, ganz j
benommen.
1900 g.
1 h 10. Hat sich aufgerichtet.
1 h 20. Hüpft umher.
1 h 25. Sitzt benommen. Sucht Stütze an
der Wand.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1900 g.
12 h 40. Sitzt zusammengekauert, ganz
benommen.
11. 6. 1912. 1900 e.
11 h 00. 9,5 ccm.
11h 30. Liegt ganz benommen auf dem
Bauche.
12 h 00. Liegt auf dem Bauche. Hinter-
theil gelähmt.
12 h 10. Hat sich aufgerichtet.
12 h 12. Fällt auf die Seite.
12 h 20. Richtet sich wieder auf.
12 h 22. Fällt auf die Seite, richtet sich
aber bald wieder auf.
12 h 30. Wankt.
12 h 50. Sitzt hockend. Ganz benommen.
12. 6. 1912.
11 h 45. 9,5 ccm.
12 h 00. Liegt auf dem Bauche.
12 h 30. Liegt auf der Seite. Ganz be¬
nommen.
1900 g.
12 h 50. Liegt auf der Seite. Hintcrtheil
gelähmt.
12 h 55. Hat sich aufgerichtet. Ganz bc-
nommen.Vorderpfoten gleiten aus
13. G. 1912. 1700 g.
11h 30. 8,5 ccm. ! 12 h 40. Resp. 46.
12 h 00. Liegt gelähmt auf dem Bauche. 1 h 00. Liegt gelähmt auf der Seite.
12 h 15. Liegt gelähmt auf der Seite. j
14. G. 1912. Todt im Käfig vorgefunden, nach 12 mal 5 ccm.
Methylalkohol, acetonfrei, 6 ccm pro Kilo.
19. 6. 1912. Kaninchen 1600 g.
12 h 05. 9,6 ccm.
12 h 20. Hat sich gelegt. Ilustenstösse. §
Kopf aufrecht.
12 h 30. Liegt ganz ruhig, benommen.
Schaumiges Nasensecret.
12 h 40. Beim Versuch sich aufzurichten
gleiten die Vorderpfoten aus.
Resp. 50.
12 h 45. Richtet sich auf, fällt aber gleich
wieder um.
12 h 47. Liegt auf dem Bauche. Hintcr¬
theil seitlich.
12 h 50. Hat sich aufgerichtet.
1 h 00. Sitzt ruhig, leicht benommen.
1 h 10. Sitzt ruhig, ' leicht benommen.
Resp. 41.
1 h 12. Richtet sich plötzlich vorne auf.
1 h 15. Sitzt ruhig.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
20. 6. 1912. 1500 g.
12 h 30. 9 ccm.
21. 6. 1912. 1400 g.
11 h 55. 8,4 ccm. I 12 h 40. Grosse Unruhe. Versucht sich
12 h 20. Liegt auf dem Bauche. | aufzurichten, aber vergeblich.
22. G. 1912. 1400 g.
11h 15. Liegt auf dem Bauche. Hinter- I 12 h 50. Liegt auf der Seite. Ganz be¬
theil seitlich. | nommen. Resp. 31.
11h 40. 8,4 ccm. 1 1 h 25. Bronchialrasseln. Dyspnoe.
12 h 20. Liegt auf dem Bauche. ; 1 h 30. Wird in den Käfig gelegt.
24. 6. 1912. 1300 g.
11h 20. Liegt auf dem Bauche. Ganz be¬
nommen. Schaumiges Nasen¬
secret. Leichte Dyspnoe.
11 h 30. Resp. 24.
11 h 36. Richtet sich auf.
11 h 45. 7,8 ccm.
11 h 55. Liegt auf der Seite, gelähmt.
T rach ca 1 rasscl n.
1 h 20. Desgleichen.
1 h 25. Wird in den Käfig gelegt.
25. G. 1912. Todt vorgefunden, nach 5 mal 6 ccm.
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30
Alexander Langgaard,
□ ifitized by
12 h 15.
12 h 30.
12 h 40.
12 h 50.
12 h 00.
12 h 20.
12 h 30.
11 h 15.
11 h 50.
12 h 10.
12 h 25.
12 h 35.
12 h 40.
12 h 45.
11 h 25.
11 h 32.
11h 50.
12 h 00.
12 h 20.
12 h 30.
12 h 40.
11 h 45.
12 h 00.
12 h 20.
12 h 10.
12 h 30.
12 h 35.
12 h 50.
11 h 05.
11 h 30.
11h 40.
11 h 25.
11 h 35.
12 h 00.
12 h 05.
Aethylalkohol, 6 ecm pro Kilo.
19.6. 1912. Kaninchen, 1900 g.
11,4 ccm.
Liegt auf dem Bauche. Ohrgefässc
stark erweitert.
Resp. 240.
Liegt gelähmt auf der Seite. In
den Schwanz gekniffen, springt
cs auf, fällt aber sofort wieder um.
12 h 55. Resp. 130.
1 h 00. Resp. 158. Liegt auf der Seite.
1 h 05. Versucht vergeblich sich aufzu¬
richten.
1 h 15. Resp. 133. Liegt auf der Seite.
1 h 30. Wird in den Käfig gelegt.
20. 6. 1912. 1700 g.
12 h 45. 10,2 ccm.
21. 6. 1912.
9 ccm. I
Sitzt ganz benommen. I
Hat sich aufgerichtet, wankt und
fällt um. j
22. 6. 1912.
Sitzt hockend. |
8,4 ccm. !
Hat sich auf den Bauch gelegt, j
Sitzt hockend.
Taumelt.
Fällt um.
Richtet sich auf. !
24. 6. 1912.
Sitzt ruhig. Resp. 53.
Hat sicli gelegt. Hintcrthcil seitlich.
8,1 ccm. I
Hat sich auf den Bauch gelegt, i
Sitzt ruhig, benommen.
Liegt auf der Seite.
Resp. 120. ;
25. 6. 1912.
Erhält 7,8 ccm. !
Liegt auf dem Bauche. Hinter- |
theil seitlich.
Versucht sich aufzurichten. Vor¬
derpfoten gleiten aus, legt sich
wieder auf den Bauch.
26. 6. 1912.
Erhält 7,8 ccm.
Sitzt hockend, ganz benommen.
Ohrgefässc stark erweitert.
Liegt ganz benommen auf dem
Bauche, Hintcrthcil seitlich ge¬
lähmt. Resp. 90.
Liegt völlig gelähmt auf der Seite.
1500 g.
12 h 35. Versucht fortzuhiipfen, fällt aber
immer wieder um.
12 h 40. Liegt auf dem Bauche.
1400 g.
1 h 00. Sucht Stütze an der Wand, legt
sich auf den Bauch, Hintcrthcil
seitlich.
1 h 20. Richtet sich plötzlich auf, fällt
aber gleich wieder um.
I h 30. Wird in den Käfig gelegt.
1350 g.
12 h 50. Hat sich aufgerichtet. Hüpft da¬
von. Wankt, taumelt und fällt um..
1 h 05. Richtet sich auf, versucht fortzu¬
hüpfen, die Vorderpfoten gleiten
aus, fällt auf die Seite.
1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt.
1300 g.
12 h 45. Liegt auf dem Bauche, Hintcrthcil
gelähmt.
1 h 20. Springt auf, fällt um.
1 h 30. Versucht vergeblich sich aufzu¬
richten, die Beine gleiten aus.
Wird in den Käfig gesetzt.
1300 g.
1 h 00. Versucht vergeblich sich aufzu¬
richten und fortzuhüpfen, fällt
immer wieder um.
1 h 20. Liegt gelähmt auf der Seite.
1 h 25. Sehr unruhig. Versucht fortzu-
hiipfen, fällt immer wieder um.
1 h 30. In den Käfig gelegt.
27. 6. 1912. 1300 g.
Erhält 7,8 ccm. 1 11 h 50. Vollständig gelähmt.
Sitzt ruhig hockend. 12 h 50. Vollständig gelähmt.
Liegt auf dem Bauche. Hinter- 1 12 h 55. Richtet sich auf, fällt aber so-
theil seitlich gelähmt. , fort um.
Legt sich auf den Bauch, streckt
die Hinterbeine weit aus.
Erhält 7,5 ccm.
Liegt auf dem Bauche. Versucht
sich aufzurichten. Wankt.
Liegt auf dem Bauche, Hinter¬
beine w T cit ausgestreckt.
28. 6. 1912. 1250 g.
12 h 20. Liegt auf der Seite vollständig
gelähmt.
12 h 30. Resp. 37.
12 h 50. Hat sich aufgerichtet.
12 h 55. Liegt auf dem Bauche.
1 h 00. Wird in den Käfig gelegt.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Die Giftigkeit des Methyl- und Actbylalkohols.
31
11h 20.
11h 50.
11h 55.
12 h 05.
12 h 10.
11 h 45.
11 h 55.
12 h 00.
12 h 05.
11 h 40.
11 h 45.
11 h 52.
11 h 53.
12 h 20.
11h 15.
11 h 30.
11 h 55.
11 h 50.
12 h 00.
12 h 15.
11 h 40.
11 h 48.
12 h 25.
11 h 25.
11 h 35.
11 h 45.
11 h 15.
11 h 20.
11 h 35.
Methylalkohol, 8 ccm pro Kilo.
27. 6. 1912. Kaninchen, 1600 g.
Erhält 12,8 ccm.
Liegt auf dem Bauche. Resp. 240.
Richtet sich auf.
Sitzt hockend.
Richtet sich auf. Hüpft davon.
12 h 20. Hüpft umher. Reflexcrregbar-
keit erhöht.
12 h 40. Sitzt ruhig, leicht benommen.
12 h 45. Hüpft umher.
12 h 50. Hüpft umher.
12 h 55. Sitzt leicht benommen.
28. 6. 1912.
Erhält 12,8 ccm. I
Liegt auf dem Bauche. Hinter-
theil seitlich.
Hat sich aufgeriohtet, hüpftdavon.
Legt sich auf den Bauch, richtet
sich aber bald wieder auf, hüpft
davon. Grosse Unruhe.
1600 g.
12 h 10. Hüpft fortwährend umher, sehr
erregt.
12 h 30. Hüpft fortwährend umher, fällt
häufig um, richtet sich aber so¬
fort wieder auf.
1 h 00. Wird in den Käfig gesetzt.
29. 6. 1912.
Liegt auf dem Bauche, leicht be¬
nommen.
Resp. 47.
Richtet sich auf.
Wankt, legt sich auf den Bauch.
Erhält 12,8 ccm.
1600 g.
12 h 30. Liegt gelähmt auf dem Bauche.
12 h 35. Nystagmus. Versucht vergeb¬
lich sich aufzurichten.
12 h 52. Hat die ganze Zeit über gelähmt
auf der Seite gelegen. Resp. 101.
1 h 20. Wird in den Käfig gelegt.
1. 7. 1912. Todt vorgefunden. 3 mal 8 ccm pro Kilo.
Aetliylalkohol, 8 ccm pro Kilo.
27. 6. 1912. Kaninchen, 1600 g.
Erhält 12,8 ccm. I 12 h 05. Liegt
Liegt auf dem Bauche, fliegende
Athmung. Resp. 300.
Liegt gelähmt auf dem Bauche. ;
Resp. 250. !
gelähmt auf der Seite.
Resp. 255.
12 h 35. Versucht vergeblich sich aufzu¬
richten.
12 h 40. Liegt völlig gelähmt auf der Seite.
Erhält 12 ccm.
Liegt auf dem Bauche,
Athmung.
Liegt auf dem Bauche
nommen.
28. 6. 1912. 1500 g.
12 h 55. Hat während der ganzen Zeit ruhig
auf dem Bauche gelegen.
1 h 00. Wird in den Käfig gelegt.
fliegende
ganz be-
29. 6. 1912.
Liegt auf dem Bauche, fliegende
Ath/nung.
Hat sich aufgerichtet.
Erhält 12 ccm.
1. 7. 1912
1500 g.
12 h 30. Fällt um.
12 h 35. Resp. 224.
1 h 20. Liegt gelähmt auf der Seite.
1 h 30. Wird in Käfig gelegt.
Todt vorgefunden. 3 mal 8 ccm pro Kilo.
Erhält 16 ccm.
Liegt ganz benommen auf dem
Bauche.
Resp. 73. Liegt auf dem Bauche.
Aethylalkohol, 10 ccm pro Kilo.
2. 7. 1912. Kaninchen, 1600 g.
11 h 55. Liegt völlig gelähmt auf der Seite.
12 h 15. Resp. 44. Liegt völlig gelähmt auf
der Seite.
1 h 20. Wird in den Käfig gelegt.
3. 7. 1912. Am Morgen todt vorgefunden.
Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo.
2. 7. 1912. Kaninchen, 1500 g.
Erhält 15 ccm.
Legt sich auf den Bauch.
Liegt gelähmt auf der Seite.
Zuckungen der Halsmusku¬
latur. Nystagmus.
11 h 40. Resp. 130, dyspnoisch.
11h 55. Rcflexerregbarkeit ge¬
steigert.
12 h 05. Resp. 150. Trachea!rasseln.
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
32
Alexander Langgaard
Digitized by
12 h 10.
12 h 25.
12 h 45.
12 h 00.
12 h 15.
12 h 20.
12 h 00.
12 h 10.
12 h 30.
11h 05.
2. 7. 1912 (Fortsetzung).
Grosse Unruhe, versucht vergeb¬
lich sich aufzurichten.
Versucht sich aufzurichten, fällt
aber stets wieder auf die Seite.
Liegt auf der Seite.
3.7. 1912.
Sitzt ruhig, leicht benommen. !
Resp. 77. |
Hüpft davon. j
1 h 05. Liegt auf der Seite. Zittern
und Zuckungen.
1 h 20. Desgleichen.
1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
1400 g.
1 h 15. Hat während der ganzen Zeit theils
ruhig gesessen und ist theils um¬
hergehüpft.
1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt.
4. 7. 1912. 1200 g.
12 h 40. Hüpft umher.
5. 7. 1912. 1200 g.
12 h 00. Ganz mobil. Hüpft umher.
0.7. 1912. 1300 g.
Ganz mobil, hüpft umher. 12 h 45. Hüpft umher.
Hüpft umher. 1 h 00. Wird in den Käfig gesetzt.
Sitzt ruhig.
8. 7. 1912. 1300 g.
Ganz mobil. | 12 h 05. Hüpft umher.
9. 7. 1912. 1250 g.
12h 00. Ganz mobil. Sitzt ruhig. Das Thier ist nicht eingegangen.
12 h 55.
1 h 05.
12 h 50.
1 h 00.
1 h 05.
1 h 10.
11 h 30.
11 h 50.
12 h 10.
11 h 05.
11 h 20.
11 h 50.
11 h 30.
12 h 15.
12 h 15.
11 h 30.
Aethylalkoho], 10 ccm pro Kilo.
5. 7. 1912. Kaninchen 1400 g.
Erhält 14 ccm. I 1 h 15. Liegt gelähmt auf der Seite.
Liegt ganz gelähmt auf demBaucho. |
6. 7. 1912. 1250 g. Todt vorgefunden.
Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo.
5. 7. 1912.
Erhält 15 ccm.
Hat sich gelegt.
Richtet sich auf, hüpft davon.
Grosse Unruhe, Reflexerre
barkeit gesteigert.
Kaninchen 1500 g.
1 h 15. Hüpft davon. W T ankt, fällt um
und rollt um die Längsachse.
1 h 20. Hüpft davon.
g-
Sitzt ruhig.
j Hüpft
umher.
6. 7. 1912. 1500 g.
I 12 h 13. Sitzt ruhig, leicht benommen.
I 12 h 45. Hüpft ganz munter umher.
8. 7. 1912.
Sitzt ruhig, leicht benommen. |
1300 g.
11h 15. Hüpft munter umher.
9.7.1912. 1250 g.
Ganz munter, hiipft umher. I 12 h 20. Hüpft umher.
Leicht benommen, hat sich gelegt. | 12 h 30. Hat sich gelegt.
10. 7. 1912. 1300 g.
Leicht benommen. 9 I 12 h 20. Richtet sich auf, wird in den
Liegt auf dem Bauche. Reflex- I Käfig gesetzt,
erregbarkeit erhöht. I
11. 7. 1912. 1300 g.
Sitzt aufrecht, leicht benommen. | 1 h 30. W y ird in den Käfig gesetzt.
15. 7. 1912. 1300 g.
Ganz munter, hüpft umher. | 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
Das Thier ist nicht eingegangen.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols.
33
Aethylalkohol, 10 ccm pro Kilo.
8. 7. 1912. Kaninchen 1300 g.
1 h 15. Erhält 13 ccm. | 1 h 30. Liegt gelähmt auf dem Bauche.
9. 7. 1912. 1200 g. Todt vorgefunden.
Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo.
8. 7. 1912. Kaninchen 1400 g.
1 h 10. Erhält 14 ccm.
9. 7. 1912. 1300 g.
11 h—lh 00. Hüpft fortwährend umher.
10. 7. 1912. 1300 g.
11h 30 — 12 h 15. Sehr unruhig, hüpft fortwährend umher.
15. 7. 1912. 1400 g.
Hüpft fortwährend umher.
16. 7. 1912. 1400 g.
11h 30. Hüpft umher. ! 12 h 30. Hüpft umher.
12 h 00. Sitzt ruhig, aufrecht. |
17.7.1912. 1350 g.
Ohrgefässe stark erweitert, hüpft umher. Das Thier ist nicht eingegangen.
Aethylalkohol, 10 ccm pro Kilo.
10. 7. 1912. Kaninchen 1300 g.
12 h 50. Erhält 13 ccm. 1 h 15. Liegt völlig gelähmt auf der
12 h 55. Liegt auf dem Bauche, ganz be- Seite,
nommen. Resp. 240.
11. 7. 1912. Todt vorgefunden.
Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo.
10. 7. 1912. Kaninchen 1400 g.
12 h 55. Erhält 14 ccm. 1 h 20. Liegt auf dem Bauche.
1 h 05. Sitzt hockend. Resp. fliegend. f 1 h 30. Wird in den Käfig gelegt.
11.7.1912. 1300 g.
11h 05. Liegt benommen auf dem Bauche. 1 1 h 00. Richtet sich auf. Sitzt ruhig.
11h 30. Hat sich aufgerichtet,hüpft davon. 1 h 30. Wird in den Käfig gesetzt.
12 h 30. Legt sich auf den Bauch. |
12. 7. 1912. 1200 g.
11 h 30—11 h 45. Hüpft munter umher.
13.7.1912. 1100 g.
11 h 30. Hat sich gelegt. 1 12 h 00. W T ird in den Käfig gesetzt.
11 h 50. Richtet sich auf und hüpft umher. |
16.7.1912. 1100 g.
Hüpft ganz munter umher. Das Thier ist nicht cingegangen.
Aethylalkohol, 10 ccm pro Kilo.
15. 7. 1912. Kaninchen 900 g.
12 h 25. Erhält 9 cem. 1 h 00. Liegt völlig gelähmt auf der
12 h 35. Sitzt ruhig. Kopf gestützt. Seite.
12 h 45. Liegt ganz benommen auf dem 1 h 30. Wird in den Käfig gelegt.
Bauche. Springt beim Kneifen j
des Schwanzes auf, fällt aber I
sofort wieder auf die Seite. j
16. 7. 1912. Todt vorgefunden.
Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo.
15. 7. 1912. Kaninchen 1000 g.
12 h 00. Erhält 10 ccm. I zes, versucht vergeblich, sich
12 h 45. Liegt völlig gelähmt auf der Seite. aufzurichten.
Reagirt auf Kneifen des Schwan- lh 10. Liegt auf der Seite. Resp. 40.
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. v
Difitized
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Alexander Langgaard
Digitized by
34
11 h 15.
11 h 30.
12 h 00.
12 h 15.
11 h 15.
11 h 40.
12 h 00.
12 h 25.
12 h 40.
12 h 30.
12 h 40.
Leicht benommen.
Hat sich gelegt.
Richtet sich auf.
Hüpft umher.
16. 7. 1912. 900 g.
12 h 30. Sitzt aufrecht.
1 h 00. Hüpft umher.
1 h 20. Wird in den Käfig gesetzt.
17. 7. 1912. 800 g.
Sitzt aufrecht. ! 12 h 50. Legt sich auf den Bauch.
Hüpft umher. j 1 h 00. Hüpft umher.
Sitzt ruhig, benommen. | 1 h 15. Wird in don Käfig gesetzt.
18.7.1912. 800 g.
Ganz mobil, hüpft umher. Das Thier ist nicht eingegangen.
Aetbylalkohol, 10 ccm pro Kilo.
4. 7. 1912. Kaninchen 1600 g.
Erhält 16 ccm. | 12 h 45. Liegt gelähmt auf der Seite.
Sitzt ruhig, ganz benommen. |
5. 7. 1912. 1500 g. Todt vorgefunden.
Methylalkohol, acetonfrei, 10 ccm pro Kilo.
4. 7. 1912. Kaninchen 1500 g.
Erhält 15 ccm. I 12h 50. Sitzt ruhig, benommen. Reflex-
Sitzt benommen. | erregbarkeit gesteigert.
5. 7. 1912. 1400 g. Todt vorgefunden.
Mischung aus gleichen Theilen.
Mischung aus gleichen Theilen Methyl- und Aetbylalkohol, 10 ccm pro Kilo.
18. 7. 1912. Kaninchen, 850 g.
12 h 50. Erhält 8,5 ccm.
1 h 00. Liegt auf dem Bauche. Resp. fliegend.
1 h 15. Liegt gelähmt auf der Seite.
19. 7. 1912. 700 g.
11 h 30. Sitzt ruhig, leicht benommen. | 12 h 15. Sitzt ruhig, ganz benommen.
11 h 40. Hüpft davon. | 12 h 20. Sucht Stütze an der Wand.
20. 7. 1912. 650 g.
11 h 50. Sitzt ruhig aufrecht. | 12 h 10. Hüpft umher.
22. 7. 1912. 600 g.
11h 40. Sitzt aufrecht. I 12 h 05. Richtet sich auf und hüpft davon.
12 h 00. Hat sich auf den Bauch gelegt. |
23. 7. 1912. 750 g.
11h 45. Ganz mobil. 1 12 h 15. Richtet sich auf und hüpft umher.
11h 50. Legt sich plötzlich auf den Bauch. |
25. 7. 1912. 600 g:
11 h 30. Hüpft munter umher. | 12 h 30. Hat sich auf den Bauch gelegt.
26. 7. 1912. 600 g.
10 h 40. Sitzt hockend. | 10 h 52. Hüpft umher.
Das Thier ist nicht eingegangen.
Methylalkohol, acetonfrei, 12 ccm pro Kilo.
17. 7. 12. Kaninchen. 900 e
12 h 20. Erhält 10,8 ccm.
12 h 30. Sitzt ruhig, leicht benommen.
12 h 40. Hüpft umher.
12 h 42. Wankt, fällt um.
12 h 45. Liegt auf dem Bauche.
12 h 50. Richtet sich auf, hüpft davon,
wankt, fällt um, richtet sich
aber gleich wieder auf.
I 12 h 55. Hüpft davon.
I 1 h 00. Liegt auf dem Bauche.
1 h 10. Versucht vergeblich sich aufzu-
richten. Hinterthcil gelähmt.
1 h 30. Wird in den Käfig gelegt.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols.
35
18. 7. 191*2. 900 g.
12 h 00. Leicht benommen. Sitzt ruhig, j 12 h 50. Sitzt ruhig, leicht benommen.
12 h 40. Hüpft davon. | 12 h 55. Hiipft ganz munter umher.
19. 7. 1912. 900 g.
11h 25. Hiipft ganz munter umher. | 12 h 00. Sitzt ruhig, leicht benommen.
20.7.1912. 800 g.
11 h 50. Sitz ruhig. | 12 h 15. Hiipft umher.
22. 7. 1912.
11h 40. Sitzt ruhig, aufrecht. | 12 h 30. Hat sich aufgerichtet. Sitzt leicht
llli 47. Legt sich auf den Hauch. j benommen.
23. 7. 1912. 1000 g.
11 h 40. Ganz mobil. j 12 h 10. Sitzt ruhig.
11h 45. Hiipft umher. | 1 h 05. Hüpft umher.
24. 7. 1912. 900 g.
11 h 45. Sitzt ruhig.
Das Thier ist nicht eingegangen.
Methylalkohol Ursache der Vergiftung, 12 ccm pro Kilo.
24. 7. 1912. Kaninchen, 900 g.
10 h 45. Erhält 10,8 ccm. I 11 h 35. Versucht vergeblich sich aufzu¬
ll h 20. Liegt gelähmt auf dem Hauche. I richten.
Starke Dyspnoe. ; 12 h 40. Völlig gelähmt auf dem Bauche.
11 h 30. Zuckungen. |
25.7. 1912. Todt aufgefunden. 800 g.
•
Methylalkohol, acetonfrei, 14 ccm pro Kilo.
22. 7. 1912. Kaninchen, 900 g.
1 h 30. Erhält 12,6 ccm.
23. 7. 1912. 950 g. Liegt völlig gelähmt auf der Seite.
11 h 25. Versucht vergeblich sich aufzu- 1 11h 55. Liegt völlig gelähmt auf dem
richten, schiebt sich nur auf Hauche.
dem Hauche vorwärts. | 12 h 40. Liegt völlig gelähmt auf der Seite.
24. 7. 1912. 750 g. Liegt völlig gelähmt auf der Seite.
25. 7. 1912. 750 g. Völlig gelähmt.
26.7. 1912. Todt vorgefunden.
Wie die vorstehenden Protokolle zeigen, ist der Tod eingetreten bei
3 ccm pro Kilo beim Methylalkohol, acetonfrei, nach 19 Gaben, beim
Aethylalkohol nach 23 Gaben, beim Methylalkohol Ursache der
Vergiftung nach 7 Gaben; bei 5 ccm pro Kilo beim Methylalkohol,
acetonfrei, nach 10 Gaben, beim Aethylalkohol nach 12 Gaben; bei
6 ccm beim Methylalkohol nach 5 Gaben, beim Aethylalkohol nach
9 Gaben; bei 8 ccm pro Kilo beim Methyl- und Aethylalkohol gleich¬
zeitig nach 3 Gaben. Bei 10 ccm wurden alle 6 Aethylthiere am
nächsten Tage nach der Eingabe todt vorgefunden, während von den
Methyhhicren nur ein einziges eingegangen ist. Auch 12 ccm Methyl¬
alkohol, acetonfrei, wirkten nicht tödtlich. Erst 14 ccm pro Kilo
wirkten tödtlich am 4. Tage nach Eingabe.
Bemerkenswerth ist, dass auch das Thier, welches 10 ccm einer
Mischung aus gleichen Theilen Aethyl- und Methylalkohol erhalten
hat, nicht eingegangen ist, ferner die gesteigerte Peristaltik und
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36 Alexander Langgaard, Die Giftigkeit des Methyl- und Aethylalkohols.
erhöhte Reflexerregbarkeit, dass aber Krämpfe wie nach dem be¬
schlagnahmten, nach dem acetonfreien Methylalkohol nicht beobachtet
wurden.
Das Resultat der Versuche ist kurz folgendes:
In kleinen, täglich wiederholten Dosen ist der Methylalkohol
giftiger als der Aethylalkohol, in einmaligen grossen Dosen ist der
Aethylalkohol bedeutend giftiger als der Methylalkohol.
In kleinen wiederholten Dosen gegeben, äussert der Methylalkohol
eine cumulative Wirkung, die wohl dadurch zu Stande kommt, dass, wie
dies bereits von anderer Seite (Harnack) ausgesprochen ist, er von ge¬
wissen Theilen des Centralnervensystems angezogen und dort langsam zu
Ameisensäure oxydirt wird.
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III.
Aus der medicinischen Universitätsklinik in Greifswald
(Director: Prof. Dr. Steyrer).
Ueber den
Ausgleich des arteriellen und venösen Druckes in aus
der Blutbahn ausgeschalteten Theilen des Gefässsystems.
Von
Dr. Frank.
(Mit 1 Curre im Text.)
Die Frage, ob in dem aus dem Blutkreislauf ausgeschalteten Theile
einer Extremität ein vollständiger Ausgleich des Druckes im arteriellen
und venösen Systeme stattfindet, ist wegen der Art der Versuchsanordnung,
wie sic zur Bestimmung des Hcrzschlagvoluraens öfter angewendet wurde,
verschiedentlich behandelt worden.
Wenn auch das Eintreten eines Druckausgleiches auf Grund der vor¬
liegenden anatomischen Verhältnisse sehr wahrscheinlich erschien, so
waren doch experimentelle Studien am Menschen hierüber noch nicht ge¬
macht worden. Vielleicht, weil bei oberflächlicher Betrachtung der Versuch
eines Nachweises schwer zu überwindende technische Schwierigkeiten
vortäuschte.
Normaler Weise überschreitet der Druck in den Venen des Armes
den Werth von 100—150 mm H 2 0 kaum; da nun der Druck in der
Arteria brachialis in der Diastole, denn nur mit diesem müssen wir ja
im vorliegenden Falle wegen der Ausschaltung des systolischen Druckes
rechnen, durchschnittlich 70—90 mm Hg beträgt, so wird man natürlich
bei einem Ausgleich des Druckes Werthe im Venensystem zu erwarten
haben, wie sie sich auch in pathologischen Fällen während der unbe¬
hinderten Circulation nie finden.
Die Entscheidung der angeregten Frage ist nun auf Grund folgender
Versuchsanordnung leicht zu treffen.
Man legt um den Oberarm eine Rccklinghausen’sche Manschette,
die unter Zwischenschaltung eines Druckreducirventiles sowohl mit einer
Marey’schen Trommel, als auch in directer Verbindung mit einem Queck¬
silbermanometer steht. Zur graphischen Registrirung des Druckes be¬
findet sich auf dem Quecksilbermanometer ein Schwimmer, der in *der
von Uskoff bei seinem Apparat zur unblutigen Blutdruckmessung an¬
gegebenen Weise die Aufzeichnung des in der Manschette herrschenden
Druckes vornimmt. Um den Unterarm wird nun eine zweite Binde an¬
gelegt und diese soweit aufgeblasen, dass sie sich dem Unterarm genau
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Frank,
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anscbraiegt ohne einen stärkeren Druck auf diesen auszuüben. Auch
diese Manschette wird unter Zwischenschaltung eines Druckreducirventiles
mit einer zweiten Marey’schen Trommel verbunden.
Die Aufzeichnungen der Schreibhebel finden auf einem berussten
(Curven-) Papierstreifen statt, der durch ein Uhrwerk gleichmässig vor¬
wärts bewegt wird, wie dies aus der unten abgebildeten Curve ersicht¬
lich ist.
Steigert man jetzt den Druck in der oberen Manschette bis über
den maximalen Druck in der Arteria brachialis und zwar so schnell,
dass vom Beginn der Compression der Venen und damit der Behinderung
des Rückflusses des Blutes aus dem Unterarm, keine oder nur eine bis
zwei Systolen ihr gefördertes Blutquantum in den Unterarm gelangen
lassen können, und lässt den Druck dann langsam unter Registrirung
der vorliegenden Druckverhältnisse wieder absinken, so gehen jetzt
folgende Veränderungen vor sich. Sobald der Druck in der oberen Binde
unter den systolischen Druckwerth der Arteria brachialis heruntergegangen
ist, wird mit jeder Systole eine bestimmte Menge Blut in den Unterarm
hineingeworfen, die bei den ersten durchschlagenden Pulswellen nur klein
ist, dann aber an Grösse zunimmt. Da nun zuerst aus dem Unterarm
ein Abfliessen der darin enthaltenen Blutmenge nicht möglich ist, nimmt
dieser an Volumen zu. Die in der unteren Manschette enthaltene Luft
erfährt nun, da der innere Gummimantel der Manschette dem Unterarm
fest anliegt, eine Compression, die sich auf das Druckreducirventil über¬
trägt und von da zur Marey’schen Trommel weitergegeben wird. Der
Schreiber derselben registrirt in Folge dessen eine ansteigende Volumcn-
curve des Unterarmes. Mit dem wachsenden Volumen nimmt natürlich
auch der Druck in den Gefässen zu, und es kommt jetzt darauf an, den
Druck zu ermitteln, der im Venensystem herrscht und der bei einem
Ausgleich der arteriellen und venösen Druckverhältnisse selbstverständlich
ein ausserordentlich hoher sein muss. Diesen Druck erfahren wir nun
auch, wenn wir die Volumencurve, die von der unteren Manschette ge¬
schrieben wird, verfolgen. Es zeigt sich nämlich dass die aufsteigende
Curve, nachdem sie während einer kurzen Zeit horizontal verlaufen, also
mit anderen Worten, das Volumen des Armes gleich geblieben ist, sich
nach abwärts wendet und damit eine Volumenabnahme des von der
freien Circulation abgesperrten Armtheiles anzeigt. Die Voluraabnahme
des Armes ist aber dadurch bedingt, dass jetzt wieder Blut aus diesem
in den allgemeinen Kreislauf zurückzufliessen vermag. Da das Blut durch
die Venen allein den abgeschnürten Theil des Armes verlassen kann,
muss in diesem Moment also der Venendruck den in der Oberarmman¬
schette herrschenden Druck übersteigen. Aus den vergleichenden
Messungen der blutigen und unblutigen Methoden wissen wir aber, dass
wir keine zu grossen Fehler begehen, wenn wir den Manschettendruck,
bei dem zum ersten Male Blut unter der Manschette hindurchdringt,
gleichsetzcn dem Drucke, der in dem zu messenden Gefässe besteht. Wir
können also auch in diesem Falle den Venendruck dem Manschetten¬
drucke gleichsetzen, bei dem eine Volumenabnahme des Armtheiles unter¬
halb der oberen Manschette erfolgt.
Google
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Es. bändelt sich hier um eine Patientift, dift an interstitieller Nephritis
leidet. Der systolische Druck 'beträgt IU2 mm Hg, der diastolische
1 20 mm.
Die obere ansteigende Curre zeigt die Volumenzunahnie des Dnter-
arraes an. Die Yolumcuabttahme und damit das Atisflüssntveau, zugleich
der Ürtiek. im Vonensystöm liegt bei 104 min Hg. .
Die Schlussfofgeriingon, die man 1 .bei' der angeführten Versuchsan-
ordnurig auf das mit jeder Systole geforderte Rlutquanturö, auf die Arbeit
des Herzens und auf die an den Gdessen bestehenden Verhältnisse machen
kann, sollen in einer ausführlicheren Arbeit abgchafttlolb werden.
Original fram
:higan
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IV.
Aus der medicinischen Poliklinik in Freiburg i. B.
Ueber den Wirkungsmechanismus des Arsenik
bei Anämien.
Von
Dr. S. Saneyoshl (Tokio).
Die Frage, wie der Arsenik bei Anämien wirkt, ist in letzter Zeit
mehrfach und eingehend discutirt worden. Die meisten Aerzte werden
wohl zugeben, dass dieses Metall in vielen Fällen schwerer Anämie, be¬
sonders bei den perniciösen Formen, eine Wirkung entfaltet, wie kein
anderes Medicament.. Bei dem ungemein wechselnden Verlaufe dieser
Krankheitszustände aber ist es natürlich schwer, diese Ansicht sicher zu
beweisen. Immerhin dürfte es doch sehr naheliegend sein, die jetzt so
häufigen Remissionen bei Biermer’scher Anämie zum Theil mit der wohl
allgemein geübten Arsenbehandlung in Zusammenhang zu bringen. Man
wird hierzu um so eher geneigt sein, als man diesen remittirenden Ver¬
lauf vor Einführung der Arsentherapie durch Byrom Bramwell 1 ) nicht
kannte oder doch wenigstens nur selten beobachtet hatte.
Die herrschende Anschauung über die Wirkung des Arsenik ist fol¬
gende: Der Arsenik wirkt nicht direct anregend auf die Blutbildung.
Sein Angriffspunkt ist nicht in erster Linie das Knochenmark selbst,
seine Wirkung ist vielmehr auf einen complicirteren Mechanismus be¬
gründet. Arsenik ist ein Blutgift. Er bewirkt einen Untergang rolher
Blutscheiben in der Peripherie. Und wie jeder Untergang von Blut von
vermehrter Blutbildung gefolgt ist, so soll es auch hier geschehen. Die
beschleunigte Blutbildung wäre also nichts Anderes, als eine Folge
der blutzerstörenden Wirkung des Arsenik. Principicll hätte man also
die anregende Wirkung dieses Metalls auf das Knochenmark in ähnlicher
Weise zu deuten, wie die einer mässigen Blutentziehung oder noch besser
die hämolytischer Sera. Versuche mit solchen Seris sind ja in den letzten
Jahren in Frankreich mehrfach, aber anscheinend ohne grossen Erfolg
zur Behandlung der Biermer’schen 2 ) Anämie gemacht worden.
Gegründet ist die eben skizzirte Anschauung von der Wirkung des
Arsenik, besonders auf zwei experimentelle Arbeiten. Die erste stammt
von Bettmann 3 ). Bettmann rief bei Kaninchen eine subacute Arsen-
1) Bramwell, cit. nach Naegeli, Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. 2.Aufl.
1912. S. 442.
2) z. B. Vaquez, Les etats anämiques. Arch. g6n. de m4d. Avril 1905.
3) Bettniann, Ziegler’s Beiträge zur pathol. Anatomie. 1898. Bd. 23.
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Ueber den Wirkungsmechanismas des Arsenik bei Anämien.
41
Vergiftung hervor, indem er ihnen täglich etwa 0,002 bis 0,01 Acidum
arsenicosum injicirte. Hierbei findet eine Abnahme der Zahl rother Blut¬
scheiben und des Häraoglobingehaltes statt. Es treten ferner kernhaltige
Erythrocyten im circulirenden Blute auf. Endlich wird auch die osmo¬
tische Resistenz der rothen und weissen Blutzellen vermindert. Bett¬
mann fand im unmittelbaren Anschluss an die Arseninjection oft eine
vorübergehende Steigerung der Erythrocytenzahl und ein Sinken ihrer
Resistenz, während einzelne Erythrocyten abnorm hohe Resistenzgrade
jiufwiesen. Diese auffälligen Schwankungen sowohl, wie auch das Auf¬
treten von Erythroblasten lassen sich am ungezwungensten durch be¬
schleunigten Uebertritt junger Zellen aus den blutbildenden Organen in
die Circulation erklären. Jede neue Arseninjection schädigt die Wider¬
standsfähigkeit der kreisenden Blutscheiben und bringt sie zum Zerfall.
Sobald dieser die Neubildung überwiegt, entsteht die Arsenanämie.
Auch durch histologische Befunde stützt Bettmann seine Anschauung.
Im Knochenmark arsenvergifteter Kaninchen findet sich, besonders wenn
man die Versuche mit kleineren Giftraengen (0,006 g Acid. arsenic. pro
die) berücksichtigt, eine Hyperämie; die Zahl der Erythroblasten ist,
namentlich in den inneren Partien des Markes, deutlich vermehrt. Daneben
treten aber auch Degenerationserscheinungen hervor, die um so ausge¬
prägter sind, je höher die Arsendosen waren, mit denen das Thier ver¬
giftet wurde. Aber auch in den Versuchen mit grossen Giftdosen lässt
sich eine Erythroblastenvermehrung im Knochenmark nachweisen.
Bettmann deutet diese Befunde durch Annahme eines peripher ge¬
steigerten Blutzerfalls durch Arsenik. Die Knochenmarkveränderungen
sind regenerative Reactionserscheinungen, soweit es sich dort nicht um
echte Degenerationsprocesse durch grosso Arsendosen handelt.
Aehnliche Anschauungen vertreten auch Kuhn und Aldenhowen 1 )
in einer experimentellen Arbeit aus neuerer Zeit. Sie experiracntirten an
Meerschweinchen. Fast jedesmal nach einer Injection von Atoxyl trat
zunächst eine Verminderung der rothen Blutkörperchen ein, die in einiger
Zeit verschwand. Auffallenderweise erreichte die Abnahme der Erythro¬
cytenzahl viel höhere Grade und blieb viel längere Zeit bestehen, wenn
man die Thiere Sauerstoff athmen liess. Es bleiben bei Sauerstoffathmung
nach Ansicht von Kuhn und Aldenhowen die Regenerationserschei¬
nungen aus oder treten doch erst später ein. Diese Beobachtungen er¬
klären sich am besten, wenn man Folgendes annimrat: Jede Arseninjec¬
tion ruft einen Zerfall circulirender rother Blutscheiben und damit einen
Sauerstoffmangel hervor. Sauerstoffmangel wirkt, wie man das ja auch
schon aus anderen Befunden ableiten kann, als Reiz auf die blutbildenden
Organe. Reichliche Sauerstoffzufuhr hemmt daher die reactivc Neubildung,
und die Arsenanämie kommt klarer zum Vorschein. Mithin wäre also
hiernach die Arsenwirkung gar nichts Besonderes oder Specifisches, son¬
dern nur ein Specialfall des allgemeinen Gesetzes: Sauerstoffmangel, wie
er auch hervorgerufen werden mag, ist ein gewaltiger Reiz, der die Neu¬
bildungsvorgänge im Knochenmark unterstützt.
1) Kuhn and Aldenhowen, Deutsche med. Wochenschr. 1909. No. 45.
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Diese Erklärung hat gewiss manches Bestechende. Doch lassen sich
immerhin einige theoretische Bedenken nicht unterdrücken, die besonders
von Türk 1 ) jüngst hervorgehoben wurden. Gewiss kann wohl kein
Zweifel darüber obw r alten, dass ein Zerfall von Blutzellen im Organismus
unter Umständen die Neubildung von Erythrocyten zu begünstigen ver¬
mag. Das ergiebt sich aus den experimentellen Untersuchungen von
Itami 2 ) und Ritz 3 ). Die Regenerationsperiode ist besonders kurz bei
hämolytischen Anämien, bei denen also rothe Blutzellen im Organismus
selbst zu Grunde gehen, erheblich länger bei Anämien durch Aderlässe.
Aber auch dort gelingt es, die Blutbildung zu beschleunigen, wenn gleich¬
zeitig Hämoglobin oder Zerfallsproducte rother Blutzellen dem Versuchs¬
thier intraperitoneal beigebracht werden. Das geht auch aus neueren
Beobachtungen von Hjess und Saxl 4 ) hervor.
Es mag zugegeben werden, dass Sauerstoffmangel ein blutbildender
Reiz ist, wenngleich ich diese Frage noch keineswegs als gelöst ansehen
möchte. Manche Erfahrungen der neueren Zeit über Höhenpolyglobulie,
die Krankheit Erythrämie u. s. w. mahnen dazu, mit dem Begriff des
Sauerstoffmangels nicht zu viel zu operiren. Immerhin liegt nichts vor,
was die Bedeutung des Sauerstoffmangels ausschliesst.
Selbst wenn man aber Alles das zugiebt, kann man einige Bedenken
nicht verhehlen. Zunächst kann der Sauerstoffmangel, den man durch
Arsen hervorruft, wohl nur sehr gering sein; denn es zerfällt doch nur
ein geringer Theil der circulirenden ßlutzellcn nach jeder Injcction. Das
Knochenmark müsste also in ungemein feiner Weise auf jene Aenderungen
reagiren. Das wird ja in der That auch von manchen Seiten an¬
genommen. Indessen sprechen dagegen doch einige experimentelle Be¬
funde von Reuseh 5 ). Derselbe schnürte bei Kaninchen ca. 2 Wochen
lang täglich 1 Stunde die eine Hinterextremität ab und verglich später
das Knochenmark von Femur und Tibia beider Extremitäten. Irgend¬
welche deutlichen Unterschiede waren nicht erkennbar. Mithin hatte die
so häufig wiederholte Unterbrechung der Circulation und der mit ihr
verbundene Sauerstoffmangel die Proliferation der Erythroblasten nicht
begünstigt. Ebenso wenig gelang es Reu sch durch Unterbinden der
Leberarterie extramedulläre Blutbildungsherde in der Leber hervorzurufen.
Man kann gewiss zugeben, dass diese Versuche nichts Sicheres gegen
die Bedeutung des Sauerstoffmangels beweisen. Immerhin sind sie der
Beachtung werth.
Zwingender scheinen mir aber die Darlegungen Türk’s gegen die
von Bettmann sowie Kuhn und Aldenhowen verfochtene Theorie der
Arsenwirkung zu sprechen: Bei der Biermergehen Anämie gehen stets
grosse Mengen rother Blutscheiben zu Grunde, und es besteht stets eine
starke, oft geradezu extreme Verminderung der Sauerstoffträger im
strömenden Blute. Ebenso ist das Material zur Neubildung von Erythro-
1) Türk, Klinische Hämatologie. 1912. Bd. 2. H. 2.
2) Itami, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. G2.
,')) Kitz, Folia haematol. Bd. 8. S. 186.
4) Hess und Saxl, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1912. Bd. 107.
5) Reusch, Sauerstoffmangel und Blutbildung. Inaug.-Diss. Freiburg 1911.
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lieber den Wirkungsmechanismus des Arsenik bei Anämien.
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cyten stets im Ueberschuss vorhanden. Man denke nur an die Hämo-
siderose der parenchymatösen Organe der Bauchhöhle! Trotzdem ist
allem Anscheine nach Arsenik auch in solchen Fällen oft von Nutzen.
Man kann sich nun aber ohne Zwang sehr schwer denken, dass ein
weiterer, durch die Arsengaben ausgelöster hämolytischer Zerfall der
circulirenden Blutscheiben die günstige Wirkung entfaltet; denn jene
gehen ja auch schon ohne Arseninjection in Masse zu Grunde. Eher
wäre an eine directe Wirkung auf das Knochenmark zu denken, wie das
auch den Anschauungen von Gottlieb und Meyer 1 ) und Heinz 2 ) ent¬
spricht.
Gegen die scheinbar recht beweisenden Sauerstoffinhalationsversuche
von Kuhn lässt sich ebenfalls ein Einwand erheben: es sprechen viele
Befunde dafür, dass eine veränderte Atheramechanik die Verkeilung der
Blutscheiben zu ändern vermag. Es sei hier an die Versuche von Bence y )
erinnert. Bence beobachtete ein Absinken der Erythrocytenzahl bei
Kranken mit Erythraemia rubra nach Inhalation von Sauerstoff. Er er¬
klärte diese Erscheinung durch die Annahme, bei diesen Kranken be¬
stände in Folge Abartung des Hämoglobins Sauerstoffmangel. Die Ver¬
mehrung der Erythrocyten sei die Abwehrreaction auf diesen Reiz.
Sorgt man für reichliche Sauerstoffzufuhr, so bedarf der Organismus
nicht mehr einer so grossen Blutkörperzahl, er kann sein Saucrstoff-
bedürfniss decken. Als Folge stellt sich eine Abnahme der Erythrocyten¬
zahl ein.
Nun weiss man aber durch neuere Untersuchungen 4 ), dass das
Hämoglobin der Kranken mit Erythrämie gar nicht minderwerthig oder
in seiner Aufnahmefähigkeit für Sauerstoff geschädigt ist. Es besteht
bei jenen Kranken also wahrscheinlich überhaupt gar kein Sauerstoff¬
mangel, und er wäre gezwungen, die Vermehrung der rothen Blutscheiben
als Abwehrreaction zu deuten. Offenbar haben hier die SauerstolT-
inhalationen nur die Vertheilung der rothen Zellen im Blutstrom geändert,
und es liegt nicht fern, Aehnliches auch für die Versuche Kuhn’s an¬
zunehmen.
Auch experimentelle Beobachtungen von Stockman und Chartcris 5 )
decken sich nicht ganz mit den Befunden Bettraann’s. Diese Autoren
sahen nach kleinen, häufig wiederholten Arseninjectionen im Knochen¬
mark keine deutliche Vermehrung der Erythroblasten, während die
myeloischen Elemente vermehrt erschienen. Eine Zunahme des Hämo¬
globingehaltes oder der Erythrocyten des strömenden Blutes trat nie
deutlich hervor. Grosse Arsengaben riefen Degenerationsstörungen in den
blutbildenden Organen hervor. Es trat peripher die schon von Bett¬
mann beobachtete Arsenanämie auf. Auf die Art der Arsenwirkung
lassen diese Beobachtungen keinen sicheren Schluss zu. Auch die Beob-
1) Gottlieb und Meyer, Experim. Pharm. 1911. 2. Aufl.
2) Heinz, Experim. Path. u. Pharm. Bd. 1. S. 442.
3) Bence, Deutsche med.Wochenschr. 1906. S. 1451.
4) z. B. Morawitz und Ilöhmer, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1908. Bd. 94.
— Senator, Monographie. Hirschwald, Berlin 1911.
5) Stockman and Charteris, Journ. of Path. and Bacteriol. 1903. p. 443.
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achtungen von Stockraan und Greig 1 ) mit kleinen Arsendosen, die
den therapeutischen entsprechen, sind nicht ganz eindeutig. Bei Kaninchen
ändert sich während der Behandlung Erythrocytenzahl und Hämoglobin-
gehalt des Blutes nicht wesentlich. Dagegen beobachteten die Autoren
eine gewisse Hyperämie des Knochenmarkes, die vielleicht für eine Reiz¬
wirkung sprechen könnte. Doch kann dieser Befund natürlich keinen
sicheren Aufschluss über die Art der Arsenwirkung geben.
Es erscheint hiernach erwünscht, die Frage des Mechanismus der
Arsenwirkung einer neuen experimentellen Bearbeitung zu unterziehen.
Die Versuche, über die im Folgenden berichtet werden soll, sind
zur Prüfung der von Bettmann und Kuhn aufgestellten Hypothese an¬
gestellt. Wenn es richtig ist, dass Arsenik rothe Blutzellen zerstört, so
kann man nicht mit Sicherheit bei mit Arsen behandelten Thieren eine
Aenderung der Blutkörperchenzahlen im strömenden Blute erwarten. Je
nachdem, ob der Untergang oder die Neubildung überwiegt, wird man
bald eine Abnahme, bald eine Zunahme erhalten können. Wenn endlich
die Neubildung dem Zerfall entspricht, bleibt die Zahl gleich. Auf dem
Wege der Zählung ist also schwerlich etwas Bestimmtes zu erfahren.
Wohl aber wird eine andere Aenderung nachweisbar sein müssen, wenn
jene Anschauung zu Recht besteht: Das Leben der einzelnen Blutscheiben
ist unter Arsenwirkung verkürzt, alle Vorgänge, die mit Neubildung und
Zerfall Zusammenhängen, laufen schneller ab, als in der Norm. Obwohl
also die Zahl der Blutscheiben gleich bleiben kann, ist sie unter Arsen¬
einwirkung doch die Resultante zweier quantitativ erheblich über das
normale Maass hinaus gesteigerter Vorgänge. Quincke 2 ) schätzt die
Lebensdauer eines Erythrocyten unter normalen Verhältnissen auf vier
Wochen. Der einzige Anhaltspunkt für die Beurtheilung giebt allerdings
die Menge des gebildeten Gallenfarbstoffs. Unter Arseneinwirkung müsste
sich die Lebensdauer verkürzen. Hat man nun irgend eine Möglichkeit
den beschleunigten Bluturasatz sicher zu erkennen?
Dafür besitzen wir in der That mehrere Anhaltspunkte: Der erste
wäre eine genaue morphologische Untersuchung des Blutes. Die An¬
wesenheit kernhaltiger oder polychromatischer Erythrocyten wäre für eine
beschleunigte Blutbildung zu verwerthen. Schon die früheren Untersucher
haben in den oben citirten Arbeiten auf das morphologische Blutbild ge¬
achtet, ohne freilich zu ganz sicheren Resultaten kommen zu können.
Nun besitzen wir aber seit den Untersuchungen von Morawitz u. Pratt,
Warburg, Itami 3 ) il A. eine andere Methode, die es mit noch grösserer
Sicherheit gestattet, eine beschleunigte Blutbildung zu erkennen. Das ist
die Methode der Sauerstoffzehrung. Wie die oben erwähnten Autoren
gezeigt haben, athmen die Erythrocyten des circulirenden Blutes unter
normalen Verhältnissen nicht oder doch nicht erheblich. Stellt man daher
normales Blut unter aseptischen Cautelen unter Luftabschluss in den
Brutschrank, so ändert es im Verlaufe vieler Stunden seine Farbe nicht.
1) Stockman and Greig, Journ. of Physiol. Bd. 23.
2) Quincke, Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 20, 25 u. 27.
3) Vergl. Morawitz u. Itami, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 1910. Bd. 100.
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Ueber den Wirkungsmecbanismus des Arsenik bei Anämien.
45
Wenn man es dann gasanalytisch untersucht, so ergiebt sich, dass nur
ein sehr geringer Antheil des an Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs
während mehrerer Stunden im Brutschränke verschwunden ist. Man ist
berechtigt, diese schon im normalen Blute beobachtete, aber quantitativ
nur sehr geringfügige Sauerstoffzehrung in der Hauptsache auf den Stoff¬
wechsel der Leukocyten zu beziehen. Ganz anders liegen die Dinge bei
Anämien. Dort kann in relativ kurzer Zeit der Haupttheil oder sogar
der gesammte Sauerstoff verschwinden. Das Blut ist dann völlig redu-
cirt, es erscheint dunkel. Statt des Sauerstoffes findet man eine dem
etwa entsprechende Menge Kohlensäure. Durch verschiedenartig variirte
Versuche konnte sicher festgestellt werden, dass diese Athmung des Blutes
Ausdruck ist des Gaswechsels junger Erythrocyten. Wir haben also in
der Methode der Sauerstoffzehrung ein Verfahren vor uns, das uns ge¬
stattet, die Anwesenheit junger, aber schon kernloser Erythrocyten im
Blute zu erkennen. Damit gewinnen wir einen Anhaltspunkt zur Beur¬
teilung der Intensität regenerativer Vorgänge. Es hat sich dabei gezeigt,
dass die Methode der Sauerstoffzehrung uns bisweilen noch gestattet, ge¬
steigerte Regenerationsvorgänge zu erkennen, wenn alle morphologischen
Kriterien versagen, wenn also weder kernhaltige, noch auch polychroma¬
tische Erythrocyten im Blute zu finden sind. Masing 1 ) hat aber gezeigt,
dass in diesem stark athmenden Blute Anämischer der organisch ge¬
bundene Phosphor vermehrt ist. Wahrscheinlich hat man darin einen
Ausdruck der Anwesenheit der Reste von Kernsubstanzen zu sehen, die
allerdings morphologisch nicht mehr wahrnehmbar sind.
Wenn Arsenik also wirklich einen beschleunigten Ablauf der Rcgene-
rations- und Degenerationsvorgänge im Blute veranlasst, bei dem unbe¬
dingt mehr junge Erythrocyten kreisen, als im normalen Blute, so ist zu
erwarten, dass man ihn mit der Methode der Sauerstoffzehrung wird auf¬
decken können. Man muss dann unter dem Einflüsse der Arsenwirkung
eine Zunahme der Sauerstoffzehrung erwarten.
Die dritte Möglichkeit, Einblicke in den Stoffwechsel des Blutes zu
erhalten, bietet, wie schon Quincke 2 ) zeigte, und wie später Hunter 3 )
und viele Andere bestätigten, die Bestimmung des Eisengehaltes in Leber
und Milz. Jeder Blutzerfall im Organismus führt, wenn er höhere Grade
erreicht, zur Häraosiderosis dieser Organe. Fehlt die Vermehrung des
Eisengehaltes, so wird man einen beschleunigten Blutzerfall als sehr
zweifelhaft ansehen müssen.
Ich habe, von diesen Ueberlegungen ausgehend, bei Hunden, die
unter Arsenwirkung gesetzt wurden, Folgendes untersucht:
1. Die morphologische Zusammensetzung ihres Blutes.
2. Die Sauerstoffzehrung des Blutes vor, während und nach der
Arsenwirkung.
3. Den Eisengehalt der Milz und Leber von Hunden, die unter Ar¬
senwirkung gestanden hatten. Mit den nöthigen Controlunter¬
suchungen an normalen Hunden.
1) Masing, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. GG. S. 71.
2) Quincke, 1. c.
3) Hunter, Severest anaemias. Vol. I. London 1900.
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Die Versuche wurden ausschliesslich an Hunden ausgeführt. Es
geschah das aus folgenden) Grunde: Zur Untersuchung der Sauerstoff¬
zehrung braucht man rund 10 ccm Blut. Da diese Untersuchungen, wie
die Tabellen zeigen, alle 3—5 Tage ausgeführt wurden, war der Blut¬
verlust der Thiere recht erheblich. Nun hat aber Itarai 1 ) nachgewiesen,
dass schon relativ kleine Blutverluste bei Kaninchen die Sauerstoffzehrung
des Blutes bedeutend steigern. Um diese Fehlermöglichkeit auszuschalten,
habe ich möglichst grosse Hunde gewählt. Indessen ist es mir auch auf
diese Weise nicht völlig gelungen, die Wirkung der kleinen, aber häufig
wiederholten Aderlässe ganz auszuschaltcn, wie später gezeigt werden soll.
Die Versuchsanordnung war folgende: Die Hunde A (17kg schwer) und B (27kg)
erhielten, nachdem ein genauer Blutstatus erhoben worden war, während 4—GWochen
subcutan steigende Dosen einer 1 proc. wässerigen Lösung von Acidum arsenicosum.
Der Blutstatus erstreckte sich auf den Hämoglobingehalt, die Zählung der rothen Blut¬
scheiben und auf mikroskopische Untersuchung einiger nach Lei sh man gefärbter
Präparate. Der Hämoglobingehalt wurde nach Sahli bestimmt, und zwar stets mit
demselben Hämoglobinometer. Ferner erstreckte sich die Blutuntersuchung auch noch
auf die Bestimmung der Sauerstoffzehrung, die genau nach dem von Morawitz u.
Itami ausführlich beschriebenen Verfahren ermittelt wurde. Es kann darauf ver¬
wiesen werden. Hier mag nur bemerkt sein, dass jeder für den Sauerstoff ermittelten
Zahl eine Doppelbestimmung zu Grunde liegt. Durchweg kam die Haldane-Bar-
croft’scbe Ferricyanidmethode zur Anwendung.
Ueber die Grösse der Arsengaben unterrichten die beiden Tabellen. Hier mag
nur bemerkt werden, dass im Laufe des Versuches trotz strengster Asepsis doch bei
beiden Hunden wiederholt Infiltrate an den Injectionsstellen auftraten, die zuletzt
sogar zur Bildung kleiner Abscesse führten. Diese Abscesse heilten erst nach Aus¬
setzen der Arseninjoctionen. Es erscheint auffallend, dass die Infiltrate und Abscesse
nur gegen Ende des Versuches bei hohen Arsendosen beobachtet wurden, obwohl ich
gerade mit Auftreten der Infiltrate die Asepsis viel sorgfältiger w-ahrnabm, als im
Anfang der Versuche. Die Heilung der Geschwüre nach Aussetzen der Arseninjectionen
ging auch ungemein schnell von Statten, während sie vorher sich als recht torpid er¬
wiesen hatten. Es ist nun recht wahrscheinlich, dass die chronische Arsenintoxication
für das Auftreten und Persistiren dieser Infiltrationen und Ulcerationcn bedeutungs¬
voll w r ar, und dass bakterielle Infection dabei keino Rolle spielte.
Mit Steigerung der Arsendosen verloren die Hunde ein wenig ihren Appetit,
nahmen an Gewicht ab und wmrden weniger munter. Alle Erscheinungen ver¬
schwanden schnell mit Aussetzen des Arsenik.
.Jeden 3. Tag wurde den Hunden je etwa 10 ccm Blut durch Punction der Vena
jugularis entnommen, und in der oben beschriebenen Weise untersucht.
Die Tabellen I und II unterrichten über den Ablauf dieser Versuche.
Die Deutung der beiden Tabellen bietet einige Schwierigkeiten.
Zunächst geht klar aus ihnen die Thatsache hervor, die schon durch
Bettmann und andere Untersucher festgestellt worden war: hohe Arsen¬
dosen rufen eine Anämie hervor, die Arsenanämic. Diese ist besonders
bei Hund A ausgesprochen. Die Zahl der Erythrocyten sank von rund 9
auf etwa l l / 2 Millionen gegen Ende des Versuches. In noch höherem
Grade nahm der Hämoglobingehalt ab. Er sank von rund 86 auf
etwa 65. Eine Erhöhung des Färbeindex der Erythrocythen, der sonst
1) Itami, Arcli. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. 62.
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lieber den Wiiliiitigsineobanismus <1<?s Arsenik bei A'läW'fn-
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.Original frcrri . A\
MvVP4>W OF MICHIGAN
48
S. Saneyoshi
Digitized by
Erscheinungen einer quantitativ nicht sehr erheblichen Polychromasie,
Erythroblasten wurden niemals gefunden.
Principiell ähnlich, wenn auch weniger ausgeprägt, sind die Ver¬
änderungen bei Hund B, der etwa die gleichen Arsendosen erhielt, aber
wesentlich schwerer war. Auch hier sehen wir unter dem Einflüsse
hoher Arsengaben eine mässige Anämie entstehen. Eine eindeutige
Aenderung des Färbeindex lässt sich nicht feststellen. Er bleibt un¬
gefähr normal. Die Sauerstoffzehrung steigt auch hier, wenn auch nur
in geringem Grade. Morphologisch fand sich hier eine mässige Poly¬
chromasie und, in den späteren Stadien des Versuches, vereinzelte Erythro¬
blasten.
Hiernach darf es wohl in Ucbereinstimmung mit älteren Beob¬
achtungen als sichergestellt angesehen werden, dass Arsen in grossen,
toxischen Gaben eine Anämie hervorruft. Die Anämie entsteht nicht
durch verminderte Knochenmarksthätigkeit. Im Gegentheil! Es treten
ziemlich lebhafte Regenerationserscheinungen hervor. In unseren beiden
Fällen machen diese sich zum Theil schon morphologisch bemerkbar.
Bei Hund B waren gegen Ende des Versuches stets spärliche Erythro¬
blasten, meist auch polychromatische Erythrocyten zu finden. Letztere
fanden sich auch bei Hund A. Wenn man auch, besonders bei Hunden
mit der Bewerthung dieser Zeichen einer beschleunigten Blutbildung, be¬
sonders mit der Polychromasie, recht vorsichtig sein soll, so kann man
sie hier um so unbedenklicher in diesem Sinne verwenden, als uns die
Sauerstoffzehrung den sicheren Beweis liefert, dass im Blute in der That
mehr junge Erythrocyten kreisen, als unter normalen Verhältnissen. Die
Arsenanämie bei hohen, toxischen Arsendosen geht also sicher
mit ziemlich lebhaften RegencrationsVorgängen einher. Sie ist
wohl als eine hämolytische Anämie zu deuten. Allerdings fehlte
in beiden Versuchen das Characteristicura der hämolytischen Anämie, eine
Erhöhung des Färbeindex. Bei B blieb der Index ungefähr gleich, bei A
war er sogar etwas herabgesetzt. Indessen glaube ich nicht, dass diese
Erscheinung an dem Gesammturtheil irgend etwas zu ändern vermag.
Soweit würden also meine Beobachtungen recht gut zu der von
Bettmann und Kuhn vertretenen Theorie der Arsenwirkung stimmen.
Aber es ist doch ein weiter Schritt von der Uebertragung der mit toxischen
Arsengaben gewonnenen Befunde auf Beobachtungen am Menschen, die
unter therapeutischen Arsengaben standen. Uns interessirt hier nicht
in erster Reihe, ob hohe Arsengaben eine Anämie hervorrufen können,
und wie sich die Regeneration dabei verhält. Vielmehr handelt es sich
um die Entscheidung der Frage, ob therapeutische Arsendosen, ohne
eine deutliche Anämie hervorzurufen, Blutuntergang und Blutbildung be¬
schleunigen, den gesammten Stoffwechsel der Erythrocyten in einem
schnelleren Tempo ablaufen lassen.
Eine Antwort hierauf ist aus den Tabellen viel schwerer zu geben.
Betrachtet man die ersten Tage und Wochen der Arsenversuche, in denen
eine deutliche Anämie noch nicht eingetreten war, so sieht man wohl,
dass die Sauerstoffzehrung mehrfach ziemlich hohe Werthe erreichte oder
erhebliche Schwankungen aufwies, die stärker sind, als sie nach Erfahrungen
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber den Wirkungsmecbanismus des Arsenik bei Anämien.
49
von Itami bei normalen Thieren Vorkommen. Man darf hierbei aber die
alle 3 Tage wiederholten Venaesectionen nicht aus dem Auge lassen. Es
erschien mir daher erwünscht, einen Control versuch in der Weise auszu¬
führen, dass ich bei einem Hunde, der kein Arsen erhielt, alle 3 Tage
in gleicher Weise einen kleinen Aderlass ausführte und alle übrigen Be¬
stimmungen genau in derselben Art ausführte, wie in den ersten Ver¬
suchen. Fanden sich auch hier dieselben Schwankungen der Sauerstoff¬
zehrung, so waren diese nicht auf die Arseninjectionen, sondern mit viel
mehr Berechtigung auf die so häufig wiederholten Aderlässe zu beziehen.
Die Tabelle 111 giebt das Resultat dieses Controlversuches wieder.
Tabelle III. Hund C, 17 kg.
Datum
Hb-Ge¬
halt in
pCt.
nach
Sahli
Rothe
Blut¬
körper¬
chen in
1 ccm
fMill)
Kern¬
haltige *
Rie¬
men te
in 1 cmm
Sauerstoffgehalt
in Vol.-pCt.
Sauer¬
stoff¬
zehrung
in pCt.
Kern¬
haltige
Rothe
Poly-
chro-
matoph.
Rothe
Volumen
des ent¬
nommen.
Blutes
frisch
nach ^ Std.
iin Ther-
imsiat.
15.
1.
59
5,8
4 900
16,675
16,035
3,8
10
13.
1.
59
5,5
11330
16,395
15,38
7,2
—
—
11
22.
1.
64
6,1
4 200
17,965
16,995
5,5
—
—
11
26.
1.
64
6,0
8 120
17,655
16,435
6,9
—
—
11
30.
1.
61
6,0
8 570
18,675
16,035
14,1
—
—
11
3.
2.
63
6,1
9 120
18,845
16,64
11,7
—
—
11
6.
2.
61
6,7
12 890
16,52
15,40
6,7
—
—
11
10.
2.
61
6,1
7 320
18,535
17,635
4,9
—
—
11
13.
2.
60
6,0
6 550
18,235
15,63
14,3
—
—
11
16.
2.
58
6,0
4 580
16,445
14,955
9,1
—
—
11
22.
2.
58
5,8
11410
18,625
14,95
19,7
—
—
12
Es finden sich, wie ein Ueberblick über den viertletzten Stab der
Tabelle zeigt, bei dem Controlthier C genau dieselben Schwankungen des
Sauerstoffverbrauches, wie bei A und B, obwohl das Thier kein Arsenik
erhielt und eine Anämie ‘nicht zur Ausbildung gelangte. Es liegt daher
sehr nahe, diese Schwankungen mit den kleinen, aber häufig wiederholten
Aderlässen in Zusammenhang zu bringen. Sio haben wahrscheinlich mit
einer Arsenwirkung nichts zu thun.
Um diese störende Wirkung der Aderlässe möglichst auszuschalten,
habe ich noch eine Versuchsreihe unternommen, bei der die Blutentnahme
nur alle 5 Tage stattfand. Zu dieser Versuchsreihe wurden Hund A, B
und das Controlthier C verwandt, nachdem etwa 1 Monat nach Abschluss
der ersten Versuchsreihe verflossen war. Die Tabellen IV bis VI geben
über diese Versuche Auskunft.
Bei keinem der drei Thiere ist eine Anämie aufgetreten. Im Gegen-
theil, Hämoglobingehalt und Blutkörperchenzahl hat sich im Durchschnitt
bei allen drei Thieren ein wenig gehoben. Das Ausbleiben der Arsen¬
anämie bei Hund A und B ist auffallend, denn es wurden grössere Dosen
Arsen injicirt, als in der ersten, nur etwa einen Monat zurückliegenden
Versuchsreihe. Es scheint hier also auch bei subcutaner Darreichung
eine gewisse Gewöhnung an Arsen eingetreten zu sein. Das würde nicht
in Einklang stehen mit den Anschauungen über Arsengewöhnung, die von
Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13 . Bd. 4
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
50
Digitized by
S. Sanevoshi,
Tabelle IV. Hund A, 17,2 kg.
Datum
Aeid.
arsc-
nicos.
in mg
Blut-
ent¬
nähme
in ccm
Hämo¬
globin
nach
Sahli
Erythro-
cytcn
in Mill.
Kern¬
haltige
Ele¬
mente
in 1 cram
Sauerstotfgchalt
in Vol.-pCt.
, . , nach
fn80h i 5 Std.
Sauer¬
stoff¬
zeh -
rung
in pCt.
Ery¬
thro¬
blasten
Poly¬
chro¬
masie
23.
1.
_
11
82,5
9,7
7 140
23,18
21,08
5,9
—
+
31.
1.
—
11
; 79,5
8,7
7 810
21,53
19,04
11,6
—
-4-
14.
2.
—
11
i 80
8,7
6 530
22.81
20,92
8,8
—
-i-
28.
2
2,0
11
85.5
8,94
10 500
22,43
20, Gl
8.1
—
4.
3.
3,25
10
84.5
9,13
6 700
24,29
•22,03
9.3
—
9.
3.
4.5
11
84,5
8.42
9 550
22,8G
21,71
5,0
--
15.
3.
5,0
; io
89
8,97
5 580
25,09
23,99
4,4
- j
—
20.
3.
7,0
i 10
85
8,78
5 230
24,09
21.93
8.9
—
i +
25.
3.
8,0
10
87,9
8,4 ,
1 6 G00
22,23 |
20,23
8,2
_
+
Tabelle V. Hund B, 27 kg.
24.
1.
_
11
72,5
7,0
10 150
20.57
19,32
6,1
+
_
1.
2.
—
11
, 78
1.0
18 000
21,75
19,21
11,7
—
—
15.
2,
—
11
78
7,88
10 810
22.85
21,39
4,4
—
—
29.
2.
2,25
12
82
7,5
12 800
21,83
20,19
7.5
+
4-
5.
3.
3,5
10
' 81
8,0
9 5 GO
23.G7
21,94
6,5
—
+
11.
3.
5,0
11
82.5
7,8
i 13 700
24,51
21,53
12,1
—
+
16.
3.
5,0
10
83
8,4
i 10 700
24,97
20.37
18,4
+
+
21.
3.
5,0
10
1 80,5
7,97
7 G00
23,94
21.31
11,1
+
4~
26.
3.
10,0
10
i *4
! 8,3
12 300
23,88
.22,81
4,4
+
i +
Tabelle VI. Hund C, 17 kg. Control versuch.
1. 3.
_
11
61.5 |
7.0
9 300
19,21
17,78
7,4 ;
_
_
6. 3.
—
11
G1
7.1
9 210
20,71
18,53
10,5 :
+
12. 3.
—
12
Gl
G.2S
10 900
19,52 i
17,76
9,0
18. 3.
—
10
G7
7,5
7 400
20,44
18,22
10,9
—
—
23. 3.
10
70,5
7,5
9 700
21,12 i
19.37
12.4
--
—
27. 3.
—
! io i
72,5
7,27
G IGO
21,00 |
19,09
9,1
— j
+
Cloetta 1 ) begründet worden sind. Weitere Untersuchungen über diese
Frage, die ich bereits begonnen habe, sind daher erwünscht.
Besonderen Werth möchte ich in dieser Versuchsreihe auf die Zahlen
für die Sauerstoffzehrung legen. Bei Hund A wird jede, auch noch so be¬
scheidene Steigerung des Sauerstoffverbrauchs völlig vermisst. Auch die
Anfangs regelmässig nachweisbare Polychromasie schwindet trotz schneller
Steigerung der Arsengaben mehr und mehr. Bei Hund A können wir in
diesem Versuche vermehrten Untergang und vermehrte Neubildung rother
Blutzellen unter Arsen Wirkung mit Sicherheit ausschliesscn.
Auch bei Hund B sind die Resultate, wie ich wohl sagen muss,
negativ. Ein einziges Mal findet sich eine geringe Erhebung des Sauer¬
stoffverbrauches über die bei dem Controlhund 0 beobachteten Werthc, um
aber alsbald, trotz Steigerung der Arsendosen, wieder herabzugehen. Auf
das Auftreten einiger Erythroblasten und polychromatischer Zellen ist
wohl kein sehr grosser Werth zu legen. Hund B hatte von Anfang an
stets einige Erythroblasten im Blute, wie man das ja bei Hunden oft
sieht. Hund B wurde am Ende dieses Versuches getödtet und seine
1) Cloetta, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 54. S. 1%.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber den Wirkungsmecbanismus des Arsenik bei Anämien.
51
Organe auf ihren Eisengehalt untersucht. Ueber diese Befunde wird später
berichtet werden.
Diese Versuchsreihe ergiebt* also Folgendes: Arsendosen, die
keine Arsenanämie nach sich ziehen, befördern den Stoffwechsel
des Blutes nicht. Man findet keine sicheren Anzeichen dafür, dass Neu¬
bildung nnd Verbrauch rother Blutscheiben unter Einwirkung von Arscn-
injectionen wesentlich gesteigert sind.
Nun habe ich endlich noch eine Versuchsreihe mit subcutaner In-
jcction von Atoxyl ausgeführt. Dieses Präparat hatte Kuhn und Alden¬
hoven zu ihren Versuchen an Meerschweinchen gedient.
Als Controlthier fand der Hund A Verwendung. Er hatte sich in
den 4—5 Wochen seit Abbrechen des letzten Arsen Versuches stets wohl
befunden. Als Versuchstiere dienten Hund C (17 kg) und Hund D
(10 kg). Die Tabellen VII—IX geben eine Uebersicht über den Versuch,
der genau so angelegt war, wie die früheren.
Die Anfangsdosis des Atoxyls betrug 0,01 g. Die Dosis wurde täglich um 0,01 g
gesteigert. Die Verabreichung geschah subc-utau. Bei Hund C betrug die Dauer des
Versuches 20 Tage, die höchste Dosis also 0,2 g. Hund D konnte nur 12 Tage im
Versuche behalten werden. Bei einer Dosis von 0,12 g Atoxyl trat Erbrechen ein. Die
Injectionen wurden ausgesetzt. Doch ging der Hund, ohne sich zu erholen, nach einer
Woche zu Grunde. Seine Organe wurden auf Eisen verarbeitet, ebenso die von Hund C,
der nach Abschluss des Atoxylversuches getödtet wurde. Das Atoxyl wurde stets
subcutan verabfolgt. Eine Blutuntersuchung wurde wöchentlich einmal vorgenommen.
Tabelle. VII. Hund C, 17 kg. Dauer der Atoxylbchandlung 23. 4. bis 14. 5.
Datum
i
Atoxyl
iß g
Blut¬
ent¬
nahme
in ccm
Hämo- j
globin-
gchalt
nach
Sah 1 i
Erythro-
cyten
im emm
Kern¬
haltige
Ele¬
mente
im emm
Saue rstoiTgeh alt
! nach .*> 8t.
frisch : im Thcr -
inos:at.
Sauer- 1
stoff- |
zeh- i
rung !
in pCt. |
1
Ery¬
thro-
blastcn
Poly¬
chro¬
masie
18. 4.
— 1
10
68 !
7,0
8 520
20,79
i 18,10
12.9 i
_
_
23. 4.
10
67
7,3
12 300
22,20
; 20,40
8,1 |
—
—
30. 4.
0,07
10
75
6,9 1
12 700
20,02
! 18,0
10,2 j
—
—
7. 5.
0,13 '
10
77,5
8,16
8 120
23,13
1 20,47
11,5
i
14. 5.
0,2
1 io
' 77
8,4
■ 14 840
22,77
! 20.89
8,3
i
21. 5.
—
10
1 83
1 7,49
9 150
25,03 j
1 23,2
7,3 |
—
—
Tabelle VIII.
Hund C, 10,15 kg. Dauer der Atoxylbchandlung vom
25 4. bis 7. 5.
114. 5.
25. 4.
_
10
i 83,5
7,3
9 660
22,77
20,84
8,5 1
_
; _
2. 5.
0,07
10
80,0
6,2
4 980
20,79
! 19,44
5,1 !
—
: —
9. 5.
—
10
75,5
7,39
18 060
22,70
' 19,83
12,6 |
—
+
Tabelle IX. Hund
A, 17,2 kg. Controlversuch.
27. 4.
_
10
82,5
8,8
8 180
24,23
22,95
5,8
_
4. 5.
—
10
91,5
9,0
4 980
25,26
23,68
6,2
—
—
11. 5.
—
10
87,5
8,5
9 760
24,77
20,89 1
8.3
—
—
20. 5.
—
10
85,5
8,3
7 200
24,85 |
23,14
6,9
—
—
Die in den vorstehenden Tabellen zusammengestellten Versuche lassen,
wie es scheint, noch klarere Schlüsse zu, als die früheren. Die Atoxvl-
injectionen haben keine Anämie hervorgerufen. Bei dem Hunde C ist
4*
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S. Saneyoshi,
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während der Atoxylbehandlung sogar eine massige Zunahme des Hämo¬
globins und der Erythrocyten eingetreten, ohne nennenswerthe Vermehrung
der Sauerstoffzehrung und ohne Aenderung des morphologischen Blutbildes.
Für einen beschleunigten Blutzerfall bei diesem Thier fehlen alle An¬
zeichen. Der Hund ertrug die hohen Atoxyldosen sehr gut, Intoxications-
erscheinungen waren nicht zu bemerken.
Auch bei Hund D sind deutliche Aenderungen des Blutbildes nach
dieser oder jener Richtung nicht vorhanden. Eine deutliche Arsenanämie
hatte sich nicht entwickelt, obwohl sonstige schwere Vergiftungssymptome
auftraten, die zu einem frühzeitigen Abbrechen des Versuches nöthigten.
Endlich habe ich noch durch Bestimmung des Eisengehaltes in
Leber und Milz Anhaltspunkte für einen beschleunigten Abbau des Hämo¬
globins während der Arsenintoxication zu finden gesucht. Es ist selbst¬
verständlich, dass man die Thicre nicht auf der Höhe einer mehr oder
weniger schweren Arsenanämie tödten und verarbeiten darf. Denn dass
die Arsenanämie eine hämolytische Anämie mit lebhafter Regeneration
ist, glaube ich oben gezeigt zu haben. Man wird nach den Erfahrungen
von Quincke und Hunter (1. c.) auch hier, wie bei den meisten hämo¬
lytischen Anämien, einen erhöhten Eisengehalt der parenchymatösen Organe
erwarten dürfen. Das hätte nichts Ueberraschendes. Richtig ist es viel¬
mehr, die Organe der Thiere nach Abschluss einer Arsenkur zu unter¬
suchen, bei der eine stärkere Anämie nicht entstanden war. Nur dann
können wir Aufschluss darüber erhalten, ob während einer solchen Be¬
handlung der Untergang rother Blutzellcn wirklich vermehrt und die
Neubildung gesteigert ist. Finden sich vermehrte Eisendepots, so wird
man die Anschauung von Bettmann und Kuhn, trotz der im Ganzen
dagegen sprechenden Untersuchungen am lebenden Thier, nicht abweisen
mögen. Im entgegengesetzten Falle gewinnt die Wahrscheinlichkeit einer
anders gearteten Wirkung des Arseniks sehr an Gewicht.
Die in der Literatur vorliegenden Angaben über den Eisengehalt von
Leber und Milz variiren sehr stark. Wahrscheinlich hängt das mit dem
wechselnden Blutgehalt jener Organe zusammen. Bunge 1 ) fand z. B. in
den blutfreien Lebern von Katzen und Hunden — es handelte sich meist
um junge Thiere — 0,01—0,355 pM. Eisen, auf die frische, mit 1 proc.
Kochsalzlösung durchspülte Lebersubstanz berechnet. Auf 10 kg Körper¬
gewicht berechnet, betrug die Eisenmenge der Leber 3,4—80,1 mg. Das
sind enorme Unterschiede bei einem und demselben Untersucher. Nach
Guillemonat und Lapicque 2 ) betrug die Eisenraenge möglichst blut¬
freier Lebern beim Manne etwas mehr, beim Weibe weniger als 0,20 pM.,
auf das frische, wasserhaltige Organ bezogen. Höhere Zahlen verzeichnet
Magnus-Le vy 3 ), der die Organe eines Selbstmörders untersuchte, nämlich
0,6 pM. in der Leber und 0,42 pM. in der Milz.
Für unseren Zweck sind die von Hunter (1. c.) angegebenen Zahlen
besonders interessant.
1) Bunge, eit. nach Ilammarsten, Physiol. Chemie. S. 361.
2) Guillemonat und Lapicque, cit. nach Albu und Neuberg, Mineral-
stoffwechsel.
3) Magnus-Levy. Biochem. Zeitschr. Bd. 24. 1910. S. 373.
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Uebor den Wirkungsmechanismus des Arsenik bei Anämien.
53
Die folgende kleine Tabelle giebt eine Uebersieht über diese Werthc.
Eisenwerthe pro 100 g feuchter Substanz.
Leber
Milz
Normal.
80 mg
90—230 mg
Blutverluste .
. 19 mg
23 mg
Hämolytische Anämie
^90 mg
—
Grosse Schwankungen waren
also zu erwarten.
Immerhin
Arsen wirklich schon in therapeutischen Dosen ein starkes hämolytisches
Gift ist, muss man wenigstens im Durchschnitt in Milz und Leber arsen¬
vergifteter Thiere grössere Eisenmengen finden, als bei normalen Control¬
hunden.
Verarbeitet wurden die Organe von Hund B, C und D, die unmittelbar
nach Abschluss eines Versuches getödtet wurden. Hund D starb spontan
eine Woche nach Abschluss der letzten Atoxylkur. Hund C wurde nach
Beendigung der Atoxyl-, Hund B unmittelbar nach der Arsensäurebehand¬
lung getödtet. Als Controlthiere dienten die normalen Hunde I und 11,
die kein Arsenik erhalten hatten.
Die Organe wurden von der Aorta abdominalis her mit Kochsalzlösung so lange
durchspült, bis sie ihre Blutfarbe verloren hatten. Bei der Milz gelang das freilich
nur unvollkommen. Die herausgenommene Leber wurde dann noch weiterhin von der
Pfortader her gründlich mit Kochsalzlösung durchgespült. Der wechselnde Wasser¬
gehalt rührt wohl von dieser Behandlung her. Organproben wurden feucht und trocken
gewogen.
Das fein zerhackte Organ wurde dann bei 60° getrocknet und genau abgewogene
Mengen nach der Neumann’schen Methode verascht. Die Eisenbestiramung geschah
jodometrisch nach den bei Hoppe-Seyler und Thierfelder gegebenen Vorschriften.
Dabei bediente ich mich der von Masing 1 ) vorgeschlagenen Verbesserungen. Jede
Bestimmung wurde doppelt, manche sogar vierfach ausgeführt. Die beiden kleiuen
Tabellen zeigen meine Resultate. 9
Milz.
Wassergehalt
in
Gew.-pCt.
Eisen in 100g
frisch^p Org.
mg
Gewicht
des ganz.
Organs
ganze Milz |
enthält Fc j
mg
auf 10 kg
Körper¬
gewicht Fc
in mg
Hund B .
76,29
27,59
53,1
14,65 I
5,42
Hund C .
81,25
16.86
29,1
4,9
2,29
Hund D .
—
20,72
| 29,2
6,05
5,9G
Controlhund 1 . .
—
1 24,79
| 30,2
7,48
—
Controlhund II .
—
1 21,54
1 27,0
5,81
—
Leber.
Wassergehalt
in
Gew.-pCt.
Fe in 100 g
feuchter
Substanz
Gewicht
des ganz, j
Organs
(frisch)
r , . , ' Fe auf 10 kg
e in er j Körpergewicht
ganzen Leber
i in mg
Hund B .
84,41
5,48
391 g
21,52 7,97
Hund C .
78,54
10,64
395 g
53,87 1 31, 68
Hund D.
—
10,26
340 g
34,88 ' 34,36
Controlhund I . .
71,79
i 27,58
3S4 g
105,90 ; —
1) Masing, Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. 98. S. 122.
Original from
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Sehr gute Uebcrcinstimmung zeigen die Eisenbestimmungen in der
Milz, obwohl es, wie erwähnt, nicht möglich ist, die Milz ganz oder
nahezu ganz blutfrei zu waschen. Die Milz enthält, wie ersichtlich, bei
Arsenthieren nicht mehr Eisen, als bei Normalthieren. Ein schwerwiegender
Einwand gegen die Lehre von der blutzerstörenden Wirkung des Arseniks
in therapeutischen Dosen! Denn, wie besonders Hunter zeigte, nimmt
der Eisengehalt der Milz bei allen toxischen experimentellen Anämien zu.
Nur bei der pernieiösen Anämie des xMenschen soll die Zunahme fehlen
oder doch unerheblich sein, da hier der Blutzerfall nach Hunter sich
vorwiegend im Pfortadergebiet abspielt.
Eine sehr schlechte Uebereinstimraung zeigen die Eiscnbestimraungen
in der Leber. Versuchsfelder kann ich ausschliessen, da ich manche
Bestimmungen viermal mit dem gleichen Resultat gemacht habe. Aber
auch hier liegen alle, an den Arsenthieren gewonnenen Werthe tiefer als
beim Normalhund. Von einer Anhäufung eisenhaltiger Zerfallsprodukte
rother Blutscheiben in der Leber kann also hier gar keine Rede sein.
Schwer ist aber die Frage zu entscheiden, warum die Werthe bei den
Arsenthieren nicht wenigstens etwa die Norm erreichen. Es ist wohl
möglich, dass die als Folge der Arsenintoxication besonders bei Hund B
aufgetretene mangelhafte Nahrungsaufnahme dafür verantwortlich gemacht
werden darf.
Jedenfalls scheint mir auch aus den Eisenbestimmungen sich kein
Anhalt für die von Bett mann und Kuhn vertretene Hypothese der
Arsenwirkung zu ergeben.
Zusammenfassun g.
Bettmann und neuerdings Kuhn haben folgende Hypothese der
therapeutischen Wirkung des Arseniks auf das rothe Knochenmark auf¬
gestellt: Arsenik wirkt nicht direkt reizend auf die blutbildenden Organe,
sondern es erzeugt eine periphere Hämolyse. Dadurch entsteht ein Sauer¬
stoffmangel, der seinerseits den eigentlichen Reiz für die Mehrleistung des
Knochenmarkes abgiebt.
Diese Hypothese ist einer experimentellen Prüfung unterzogen worden.
Ich habe an Hunden die Aenderungen des morphologischen Blutbildes
verfolgt und ferner die chemische Methode zur Erkennung der Blut¬
regeneration angewendet (Methode der Sauerstoffzehrung). Ferner habe
ich nach Abschluss der Versuche die Thiere getödtet, den Eisengehalt
der Leber und Milz bestimmt und mit dem normaler Hunde verglichen.
Es ergaben sich folgende Befunde: Arsen in hohen, toxischen Dosen
ruft eine massige Anämie hervor. Die Arsenanämic ist eine hämolytische
Anämie. Sie geht mit ziemlich lebhaften regenerativen Erscheinungen
einher, die besonders mit Hülfe der Methode der Sauerstoffzehrung deutlich
sichtbar gemacht werden können.
In kleineren Gaben, die aber die beim Menschen therapeutisch an¬
gewandten mehrfach erheblich überschritten, bewirkt Arsen keine Anämie.
Das Blutbild wird nicht wesentlich und nicht einheitlich verändert. Abnorm
schneller Blutkörperchenzerfall und abnorm beschleunigter Wiederersatz
lässt sich an der Hand der morphologischen Blutuntersuchung nicht er-
Gck igle
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Ueber den Wirkungsmechanismus des Arsenik bei Anämien.
55
weisen. Bekräftigt und gestützt werden diese Befunde durch die Resultate
der Sauerstoffanalysen. Es tritt in solchen Versuchen keine über die
Fehlergrenzen hinausgehende Zunahme der Sauerstoffzehrung ein. Das
ist ein sicheres Zeichen für das Fehlen grösserer Mengen junger Erythro-
cvtcn im strömenden Blute. Die Regeneration ist also bei massigen
Arsengaben nicht über das Maass des Normalen gesteigert. Daher kann,
da keine Anämie eintrilt, auch der ßlutkörperchenzerfall nicht be¬
schleunigt sein.
Demgemäss lässt sich auch bei Thieren, die unter Arsenbehandlung
standen, eine Hämosiderose von Leber und Milz nicht naehweisen. %
Diese Befunde sprechen im Ganzen gegen die Richtigkeit der oben
erwähnten Hypothese über die Wirkung des Arsens. Auch theoretisch
lassen sich gegen dieselbe schwerwiegende Einwändc erheben (Türk).
Es ist viel wahrscheinlicher, dass der Wirkungsmechanismus des Arseniks
ein anderer ist, den wir mit experimentellen Untersuchungen an normalen
Thieren nachzuahmen bisher nicht im Stande sind.
Es ist möglich — und manche anderweitigen Erfahrungen sprechen
in diesem Sinne — dass Arsen vorwiegend auf junge, stark proliferirendc
Zellen wirkt.
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V.
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Aus der Königl. Universitäts-Poliklinik für Lungenleidende zu Berlin
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. Max Wolff).
Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie
Meerschweinchen und den Ablauf der Tuberculose am
tuberculinvorbehandelten Thier.
Von
Dr. Felix Klopstock,
Assistenten der Poliklinik.
Ueber den Einfluss wiederholter Tuberculininjectionen auf tubereulose-
freie Thiere liegen bereits Untersuchungen vor. In den letzten Jahren ist
die Wirkung von Tuberculinreinjectionen insbesondere von dem Gesichts¬
punkte der Anaphylaxie studirt worden. Abgeschlossene Ergebnisse sind
keinesfalls vorhanden, zumal bei den zahlreichen Tubcrculin- und Tuberkel¬
bacillenpräparaten durch Wechsel in der Höhe der Dosis, dann des Inter¬
valls zwischen den einzelnen Injectionen, weiter durch verschiedene An¬
wendung des Tuberculins (subcutan, intravenös, intraperitoneal, in den
Herzmuskel und in die Orbita) und Ausführung an verschiedenen Thier¬
arten derartige Versuche mannigfach variirt werden können.
Ich selbst habe hierüber auf Veranlassung meines Chefs, Herrn Ge¬
heimraths Professor Dr. M. Wolff, Experimente an Meerschweinchen mit
Alttuberculin Koch angestellt, die auf den Juni 1910 zurückgehen und
über die ich bisher aus äusseren Gründen nicht berichtet habe. Sic sollten
in der Hauptsache klarstellen, ob sich bei fortgesetzter subcutaner Zufuhr
von Tuberculin, derjenigen Anwendungsform des Tuberculins, die wir dia¬
gnostisch und therapeutisch verwerthen, irgend welche Erscheinungen aus¬
bilden, die mit anaphylaktischen in Vergleich gesetzt werden können,
oder charakteristische Organveränderungen auftreten, und nebenher er¬
geben, ob bei monatelang tuberculinvorbehandelten Meerschweinchen der
Ablauf einer experimentellen Tuberculose ein anderer ist, als bei nicht
vorbehandelten Thieren.
I.
Die grosse Widerstandsfähigkeit gesunder Meerschweinchen gegen
einmalige hohe Tuberculindosen ist bekannt. Ich selbst bin in meinen
Versuchen bis zu einer Erstdosis von 5 ccm reinem Alttuberculin gc-
gegangen und habe, abgesehen von einem rasch wieder ablaufenden
Fieberanstieg und vorübergehenden leichten Allgemeinerscheinungen, wie
Unruhe und Verminderung der Fresslust, keine Folgen gesehen. Ruppel
und Rick mann berichten, dass „ein gesundes Meerschweinchen 8 bis
Gougle
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lieber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 57
10 ccm Alttuberculin ohne jede Allgemeinreaction verträgt und selbst
bedeutend grössere Mengen vertragen würde, wenn es nicht durch die
zufälligen, nicht specifischen Beimengungen des Tuberculins, wie z. B.
durch Peptone, Alburaosen und Glycerin, geschädigt werden würde“.
„Ein gereinigtes Tuberculin-Trockenpräparat, welches in einer Menge von
0,01g tuberculöse Meerschweinchen mit absoluter Sicherheit tödtete, wurde
von gesunden Meerschweinchen in Mengen von 0,5 g anstandslos ver¬
tragen. Diese Menge von 0,5 g unseres gereinigten Präparates entspricht
einer Menge von 50 ccm Alttuberculin.“
Trotz dieser Widerstandsfähigkeit gegen hohe Tubcrculindosen ist
die einen Temperaturanstieg auslösende Dosis auch bei gesunden Thieren
eine sehr kleine. Röpke berichtet, dass Meerschweinchen, wenn sie
über 350 g wogen, 0,1 ccm reactionslos vertrugen, unter diesem Gewicht
jedoch bereits nach 0,1 ccm einen Temperaturanstieg zeigten, und ge¬
sunde Thiere von 600 g Gewicht nach Einverleibung von 0,2 ccm Tu-
berculin fieberten. — Die Terapcraturcurve des Meerschweinchens
ist eben ausserordentlich leicht beeinflussbar und schwankt auch
bei gesunden Thieren um über 1 Grad (nach Novotny zwischen 37,6
und 38,9). Nach unseren Erfahrungen sind Ernährungszustand der Thiere,
körperliche Bewegung, Nahrungsaufnahme für die Temperatur von Einfluss.
Es sei auch darauf hingewiesen, dass 2 ccm steriler Nährbouillon subcutan
injicirt bei gesunden Meerschweinchen regelmässig Fieber bis zu 40 Grad
hervorruft (Röpke, Fraenkel und Bierotte)! Temperatursteigerungen
nach Tuberculininjectionen bei gesunden Meerschweinchen haben mit einer
echten Tuberculinübererapfindlichkeit nichts zu thun.
Nach einmaligen, direct in das Herz ausgeführten Injectionen von
0,5 ccm Tuberculin beschreibt Joseph ein dem anaphylaktischen Sym-
ptomencomplex sehr ähnliches Vergiftungsbild. Es steht zur Frage, wie¬
viel von den Erscheinungen der intracardialen Injection an sich, der
plötzlichen Einbringung einer Glycerinbouilloneiweisslösung in den Kreis¬
lauf zuzuschreiben, und wieviel als specifischc Tuberculinwirkung aufzu¬
fassen ist.
II.
Ich komme nun zu der Wirkung wiederholter Injectionen von
Tuberculinpräparaten. Es liegen hierüber Untersuchungen vor von Cal-
mette, Petit und Breton, Marie und Tiffenau, Nieolle und Abt,
Simon, Orsini, Baldwin, Wolff-Eisner, Krause, Kraus und Volk,
Schittenhelm und Weichardt.
Calmette, Petit und Breton bemerkten, dass die Einführung einer geringen
Dosis Tuberculin in die Randader des Ohres das gesunde Kaninchen gegen eine
16 Stunden später erfolgte Einträufelung von Tuberculin sensibilisire. Nach einem
Zeitraum von 48 Stunden verschwindet die Sensibilisirung.
Marie und Tiffenau sensibilisirten Kaninchen durch Einführung eines präcipi-
tirten Tuberculins gegen eine nachfolgende Injection der gleichen Substanz in das
Gehirn.
Nieolle und Abt konnten mit einem nach Vaughan hergestellten Bacillenprä¬
parat bei subcutaner oder intraperitonealer Einführung Meerschweinchen und Ka¬
ninchen gegen eine zweite intracerebrale Injection sensibilisiron.
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Felix Klopstock,
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Simon hat bei seinen Versuchen, eine active Tuberculinanaphylaxic zu erreichen,
Bacillenemulsion bei wechselnder Dosis und wechselndem Intervall benutzt. Neben
eigentümlichen, 5—8 Tage anhaltenden hohen Temperatursteigerungen hat er keine
Reaction gesehen.
Orsini hat an Meerschweinchen Versuche mit Reinjectionen angestellt und
hierbei Alttuberculin und eine Reihe anderer Tuberculinpräparate benutzt. Es zeigte
sich, dass eine erste intraperitoneale Einführung von Alttuberculin gegen eine zweite,
nach einem gewissen Zeitabstande erfolgende lnjection (80 Tage) sensibilisirto, sobald
die lnjection wieder in die Bauchhöhle erfolgte. Von 21 derartig behandelten Thieren
gingen 14 = G7 pCt. zu Grunde. Die Thiere, bei denen die Reinjection subcutan
erfolgte, blieben am Leben. Thiere, die in kurzen Zwischenräumen 5 Injectionen von
2ccm Alttuberculin intraperitoneal erhielten und dies gut vertrugen, gingen zu Grunde,
wenn nach Ablauf eines Monats eine erneute intraperitoneale lnjection von 2 ccm er¬
folgte.
Die wesentlichsten Ergebnisse Baldwin’s sind folgende: Eine charakteristische
Anaphylaxie kann bei Meerschweinchen durch die reine durch Wasser von 50 Grad
Celsius ausgezogene Eiweisssubstanz des Tuberkelbacillus hervorgerufen werden.
Intradurale toxische Injectionen durch das Foramen opticum erzeugen alle Zeichen
des anaphylaktischen Shocks mit Dyspnoe und Paralyse. Intravasculäre Injectionen
haben denselben EfTect; die Symptome sind jedoch weniger typisch. Intraperitoneale
Einspritzungen haben ein negatives Ergebniss. Eine einzelne lnjection von Tubcrkel-
bacilleneiweiss von 0,(XX)8gTrockengewicht genügt, um ein normales Meerschweinchen
zu sensibilisiren; wahrscheinlich ist eine geringere Dosis nothwondig. Sensibilisirte
Meerschweinchen, welche eine toxische lnjection überleben, bekommen eine zeitlich
beschränkte, erhöhte Resistenz gegenüber weiteren Injectionen. Die Temperatur ist
nach toxischen Injectionen nicht regelmässig erhöht oder herabgesetzt. — Die Sensi-
bilisirung ist sowohl mit dem filtrirten Bacillenauszug, als auch mit dem gewaschenen
Rückstand TR möglich. Injectionen von TO sind wirkungsvoller als mit dem Filtrat.
Alttuberculin giebt unsichere Resultate.
Wolff-Eisner berichtet über Versuche an Kaninchen mit Alttuberculin, zer¬
riebenen und abgetödteten Tuberkelbacillen. Bei seinen Experimenten mit Alttuber-
culin erhielten Kaninchen wiederholt in 8—14tägigen Abständen intravenös 0,1 g
Tuberculin. Deutliche Empfindlichkeit und Tuberculinreactionen traten erst nach
8 Injectionen auf. In seinen Schlusssätzen sagt er: „Es ist möglich, durch geeignete
Vorbehandlung gesunderThiore, zunächst Kaninchen, typische Tuberculinempfindlich-
keit hervorzubringen. Es gelingt, ohne lebende Tuberkelbacillen das typische Bild
der Tuberculose nebst der typischen Giftempfindlichkeit experimentell hervorzurufen.“
Seinen Versuchen muss jedoch entgegengehalten werden, dass genaue Versuchsproto¬
kolle nicht mitgetheilt sind und Versuche mit Alttuberculin nur an 2 Kaninchen an¬
gestellt zu sein scheinen, und die Darstellung seiner Resultate in den Schlusssätzen
weit über das hinausgeht, was als experimentelles Ergebniss mitgetheilt wurde.
Kraus und Volk machten die Beobachtung, dass gesunde Meerschweinchen, die
längere Zeit mit Alttuberculin vorbehandelt wurden, sich intracutan ebenso verhielten,
wie gesunde.
Allen K. Krause hat ausgedehnte Versuche angestellt, die eine Fortsetzung
der Versuche Baldwin’s bedeuten, und kommt zu folgenden Resultaten: Meer¬
schweinchen können gegen Tuberkelbacilleneiweiss auf jedem parenteralen Wege, auf
dem ihnen eine genügende Quantität zugeführt werden kann, sensibi 1 isirt werden.
Die Ueberernpfmdlichkeit kann mit gleicher Leichtigkeit auf dem Wege der Peritoneal¬
höhle, der Haut, des subcutanen Gewebes und des subduralen Raumes, wahrschein¬
lich auch auf intravenösem Wege erreicht werden. — xVcute Anaphylaxie kann durch
postorbitale und intravenöse lnjection ausgelöst werden. Bei genügend empfindlichen
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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Mwsohweinchen etc. 59
Meerschweinohen können intraperitoneale Einspritzungen eine graduelle starke latoxi-
cation hervorbringen. — Es ist wahrscheinlich, dass jedes der gewöhnlichen Derivate
des Tuberkelbacillus Meerschweinchen sensibilisiren kann. Experimente zeigen, dass
Wasserextract, die „Extractemulsion“, TR, Alttuberculin und der gekochte Glycerin-
extract gegen sich selbst und gegeneinander sensibilisiren können. Jedes der obigen
Derivate, das Eiweiss enthält, kann gleicherweise ein sensibilisirtes Thier vergiften.
Unfiltrirte Präparate sind für toxische Injectionen in der täglichen Arbeit die zweck-
mässigsten, aber auch der filtrirte Extract kann tödtliche acute Anaphylaxie bei ge¬
nügend empfindlichen Thieren auslösen. — UeberempGndlichkeit kann man durch
diejenige Menge Bacilleneiweiss erhalten, die 0,0005 g Trockengewicht entspricht.
Die geringste toxische Dosis (Extractemulsion) beträgt 0,0099 g Trockengewicht; die
geringste letale Dosis 0,016 g Trockengewicht. — Die kürzeste Incubationszeit betrug
6 Tage, die längstbeobaohtete Dauer der Ueberempfindlichkeit war 286 Tage. Es ist
wahrscheinlich, dass die Sensibilisirung das ganze Leben dauert, wie es bei der
Serumüberempfindlichkeit der Fall ist (Rosenau und Anderson). Die Incubations-
periode war am kürzesten, wenn das Thier durch postorbitale Injection sensibilisirt
war. — Vor dem 21. Tage nach dem Beginn der Behandlung ist die Sensibilisirung
ungleichmässig und unbeständig. Nach dieser Zeit nimmt sie mit grosser Regel¬
mässigkeit zu. Die Grösse der sensibilisirenden Dosis steht in keiner Beziehung zu
der Länge der Incubationsperiode.
Die geringe Empfindlichkeit nichttuberculöser Hunde gegen Tuberkelbacillen¬
ei weiss haben Schittenhelm uud Weichardt festgestellt. Es genügt nach ihrer
Auffassung die natürliche Cytolyse des Serums unvorbehandelter Hunde nicht, um
rasch eine grössore Menge des Giftes in Freiheit zu setzen. Versetzten sie jedoch
0,01 g zwischen Fliesspapier getrocknetes frisches Tuberkelbacilleneiweiss mit 0,1 ccm
Tuberculoseserum Höchst und 0,5 frischem Complementserum, so gewannen sie ein
Gift, das in der verwandten Dosis bei ihren Versuchsthieren unter Niedergang der
Temperatur und Leukocytenzahl soporöse Erscheinungen hervorrief.
Es ist mithin zusammenfassend zu sagen, dass es einer Reihe Unter¬
suchern geglückt ist, gesunde Meerschweinchen gegen Tuberculinpräparate
zu sensibilisiren und auch die Erscheinungen der acuten Anaphylaxie
auszulösen; insbesondere hat der intraperitoneale und intraorbitale Weg
ein positives Ergebniss gezeitigt. Ausgedehnte Untersuchungen über sub-
cutane Reinjectionen von Alttuberculin sind nicht vorhanden.
Ich habe an insgesammt 21 Meerschweinchen Versuche mit Alt¬
tuberculin angestellt und durch Wechsel der Grösse der Anfangsdosis,
der Höhe der weiteren Dosen, Höhe der Gesammtdosis, des Intervalls
zwischen den Dosen die Versuche mannigfach variirt. Bei 6 Thieren ist
eine Anfangsdosis unter 0,5 ccm Tuberculin gewählt worden (2, 4, 6, 26,
27, 28); wiederum bei 6 Thieren geht die Anfangsdosis über 1 ccm Tuber¬
culin hinaus (14, 16, 17, 23, 24, 25); bei etwa einem Drittel der Thiere
sind steigende Dosen gewählt worden, während bei den übrigen immer
die gleiche Dosis wieder injicirt wurde. Die Gesammtdosis schwankt
zwischen 2,9 und 26 ccm Tuberculin. Das Intervall zwischen den
Injectionen ist nur bei 3 Thieren unterhalb einer Woche, bei etwa
9 Thieren sind die Injectionen in regelmässig wöchentlichen Abständen
geschehen, bei dem Rest der Thiere ist ein Zwischenraum von 14 Tagen
und mehr gewählt worden. Es wurden zumeist kräftige, ausgewachsene
Thiere von über 500 g Gewicht verwandt. Es gelangte ausschliesslich
Alttuberculin der Höchster Farbwerke zur Verwendung.
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Bevor ich auf den Ablauf der Experimente im Einzelnen eingehe,
muss ich noch Einiges über die Zeichen sagen, die eine Einwirkung
des Tuberculins auf die Meerschweinchen anzuzeigen im Stande sind.
Als solche kommen in Betracht:
1. Veränderung des Allgemeinbefindens: Etwa anhaltende Unruhe,
Abnahme der Fresslust, Kauen, Putzen, Würgen, Lähmungserscheinungen,
schliesslich die Zeichen des ausgesprochenen anaphylaktischen Shocks.
2. Das Verhalten der Tempcraturcurve. Die Temperatur kann nur
in beschränktem Maasse herangezogen werden, einmal, weil, wie bereits
ausgeführt, auch bei gesunden, nicht vorbehandelten Meerschweinchen
bereits nach Injcctionen von kleinen Tuberculindosen Temperatursteige¬
rungen auftreten, zweitens, weil auch indifferente Stoffe den Meer¬
schweinchenkörper für eine Fieberreactiou auf Tuberculin sensibilisiren
können. Röpke hat gezeigt, dass Thiere, die subcutan 2 ccm Milch
und 2 ccm Kochsalzlösung und 24 Stunden später 0,1 ccm Tuberculin
erhielten, regelmässig einen hohen Temperaturanstieg aufwiesen. Novotny
beobachtete nach subcutaner Vorbehandlung mit 2 ccm Normalmeer¬
schweinchenserum und Reinjeciion von 0,2 ccm Alttuberculin Tempera¬
turen bis 40,1; dasselbe trat nach subcutaner Vorbehandlung mit normalem
Menschenserum und Reinjection von 0,2 ccm Alttuberculin ein. Ebenso¬
wenig wie beim Meerschweinchen Injection von Serum eines Tuberculösen
und nachfolgende Tuberculininjection eine geeignete Versuchsanordnung
zum Nachweis der passiven Anaphylaxie ist, sind etwa Fiebersteigerungen
bei fortgesetzten Tuberculininjectionen im Sinne einer wirklichen Tuber-
culinüberempfindlichkeit zu verwerthen. Ich habe unter diesen Umständen
von regelmässigen Temperaturmessungen abgesehen.
3. Das Verhalten der Gewichtscurve. Meine Thiere sind in 2- bis
4 wöchigen Abständen gewogen worden.
4. Locale Erscheinungen an der Injectionsstelle, die eventuell als
locale anaphylaktische Erscheinungen gedeutet werden könnten. Auch
sie sind bei der Verwendung von eonccntrirtem Alttuberculin kaum ver-
werthbar. Subcutane Injection grösserer Quantitäten von Alttuberculin
(über 1 ccm) rufen gewöhnlich eine gewisse traumatische Hautreaction
hervor, die zu einer umschriebenen Hautnekrose führen kann. Häufigkeit
der Injection in derselben Gegend, Oberflächlichkeit der Einspritzung und
Grösse der Dosis sind für das Entstehen der Nekrose raaassgebend.
5. Exitus und Sectionscrgebniss.
Der Ablauf meiner Experimente war im Einzelnen folgender:
Meerschweinchen 1. Gewicht 700 g.
Tag der Injection . .
. . 8. 6.
17. 6.
Höhe der Dosis . . .
0,5
0,5
Tag der Injection . .
. . 25. 7.
3. 8.
Höhe der Dosis . . .
1,0
1,0
Tag der Injection . .
. . 20. 9.
27. 9.
Höhe der Dosis . . .
2,0
2,0
22. 6.
29. 6.
5. 7.
10. 7.
18. 7.
0,5
0,5
0,5
0,5
1,0
10. 8.
17. 8.
25. 8.
4. 9.
12. 9.
1,5
1,5
1,5
1,5
2,0
10. 10.
18. 10.
25. 10.
2. 11.
2,0
2,0
2,0
2,0
Bemerkungen: Gewicht und Allgemeinbefinden unverändert.
Tuberculins nachweisbar.
Kein Einfluss des
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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 61
Meerschweinchen 2. Gewicht 675 g.
Tag der Injection .... 8.6. 11.6. 14.6. 17.6. 20.6. 23.6. 28.6.
Höhe der Dosis. 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1
Tag der Injection .... 4. 7. 8. 7. 18. 7. 25. 7. 3. 8. 10. 8.
Höhe der Dosis. 0,1 0,1 0,5 0,5 0,5 0,5
Bemerkungen: Exitus am 19. 8. nach etwa einwöchiger Kränklichkeit. — Section:
ln der Bauchgegend, entsprechend den Injcctionsstellen, ein kleiner subcutaner
Abscess. Haut stellenweise etwas borkig belegt. Milz leicht vergrössert, von
etwas weicher Consistenz, deutliche PulpaschwclluDg. Leber etwas vergrössert,
von gelbbrauner Färbung (mikrosk. Fettinfiltrat : on). Ucbrige Organe ohne Befund.
Meerschweinche
Tag der Injection ....
9. 6.
17. 6.
Höhe der Dosis.
0,5
0,5
Tag der Injection ....
25. 7.
3. 8.
Höhe der Dosis.
1,0
1,0
Tag der Injection ....
20. 9.
27. 9.
Höhe der Dosis.
2,0
2,0
3. Gewicht 750 g.
22. 6.
29. 6.
5. 7.
10. 7.
18. 7.
0,5
0,5
0,5
0,5
1,0
10. 8.
17. 8.
25. 8.
5. 9.
12. 9.
1,5
1,5
1,5
1,5
2,0
10. 10.
18. 10.
25. 10.
2. 11.
2,0
2,0
2,0
2,0
Bemerkungen: Gewicht und Allgemeinzustand unverändert,
culins nachweisbar.
Kein Einfluss des Tuber-
Mcerschweinchen 4. Gewicht 650 g.
Tag der Injection
.... 9. 6.
14. 6.
17. 6.
20. 6.
23. 6.
28. 6.
3. 7.
Höhe der Dosis .
. . . . 0,1
o,i
0,1
0,1
0,1
0,1
0,1
Tag der Injection
.... 8. 7.
13. 7.
18. 7.
25. 7.
3. 8.
10. 8.
17. 8.
Höhe der Dosis .
- 0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
1,0
1,0
Tag der Injection
.... 25. 8.
5. 9.
12. 9.
20. 9.
27. 9.
Höhe der Dosis .
.... 1,0
1,0
1,0
1,5
1,5
Bemerkungen:
Exitus am 7. 10
. nach langsam zunehmender Kränklichkeit und Gc-
wichtsabnahme. — Section: Schleimhaut des unteren Dünndarms und Colons
leicht geschwollen und geröthet. Deutliche Injection der Serosa. Die übrigen
Organe ohne Befund.
Meerschweinchen 5. Gewicht 660 g.
Tag der Injection
. . . . 11. 6.
17. 6.
22. 6.
29. 6.
5. 7. 10. 7.
18. 7.
Höhe der Dosis .
.... 0,5
0,5
0,5
0,5
0,5 0,5
1,0
Tag der Injection
.... 25. 7.
3. S.
10. 8.
17. 8.
25. 8. 5. 9.
12. 9.
Höhe der Dosis .
. . . . 1,0
1,0
1,5
1,5
1,5 1,5
2,0
Tag der Injection
.... 20. 9.
27. 9.
10. 10.
18. 10.
27. 10. '
Höhe der Dosis .
.... 2,0
2,0
2,0
2,9
2,0
Bemerkungen:
Auffallende Apathie und Abmagerung in den letzten zwei
Wochen.
Exitus am 28. 10. — Section: In der Bauchgegend entsprechend den Injections-
stcllen einige kleine Hautnekrosen, kein Abscess oder Phlegmone. Kleine Sugil-
lation am Peritoneum (Peritoneum durch eine der Injectionen offenbar verletzt).
In der Peritonealhöhle ein kleines Blutgerinnseichen. Serosa de9 Darms, beson¬
ders des unteren Dünndarms und Colon ascendens injicirt. Die übrigen Organe
ohne Befund.
Meerschweinchen 6. Gewicht 510 g.
Tag der Injection ....
11. 6.
14. 6. 17. 6. 20. 6.
23. 6.
28. 6.
3. 7.
Höhe der Dosis.
0,1
0,1 0,1 0,1
0,1
0,1
0,1
Tag der Injection ....
8. 7.
13.7. 18.7. 25.7. 3.8.
10. 8.
17. 8.
25. 8.
Höhe der Dosis.
0,5
0,5 0,5 0,5 0,5
1,0
1,0
1,0
Tag der Injection ....
5. 9.
12.9. 20.9. 27.9. 10.10.
17. 10.
25. 10.
2. 11.
Höhe der Dosis.
1,0
1,0 1,5 1,5 1,5
1,5
1,5
1,5
Bemerkungen: Allgemeinzustand unverändert.
Meerschweinchen 7. Gewicht 750 g
Tag der Injection
11.10. 18.10. 25.10.
2. 11.
10. 11.
Höhe der Dosis .
1,0 1,0 1,0
1,0
1,0
Tag der Injection
19. 11. 28. 11 6. 12.
14. 12.
23. 12.
Höhe der Dosis .
1,0 1,0 1.0
1,0
1,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
62
Felix Klopstock
Meerschweinchen 8. Gewicht 850 g.
Tag der Injection .... 11. 10. 18. 10. 25. 10. 2. 11. 10. 11.
Höhe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0
Tag der Injection .... 19. 11. 28. 11. G. 12. 14. 12. 28. 12.
Hohe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 9. Gewicht 600 g.
Tag der Injection ....
11. 10.
18. 10.
25. 10.
2. 11.
.10. 11
Höhe der Dosis.
1,0
1,0
1,0
1,0
1,0
Tag der Injection ....
19. 11.
28. 11.
6. 12.
14. 12.
23. 12
Höhe der Dosis.
1,0
1,0
1,0
1,0
1,0
Bemerkungen: Kein Einfluss
des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen
10. Gewicht 550 g
Tag der Injection . . . .
3. 11.
10. 11.
19. 11.
28. 21.
6. 12,
Höhe der Dosis.
1,0
1,0
1,0
1,0
1,0
Tag der Injection ....
14. 12.
23. 12.
2. 1.
10. 1.
18. 1.
Höhe der Dosis.
1,0
1,0
1,0
1,0
1,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 11. Gewicht 500 g.
Tag der Injection .... 3. 11. 10. 11. 19. 11. 28. 11. G. 12.
Höhe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0
Tag der Injection .... 14. 12. 23. 12. 2. 1. 10. 1. 18. 1.
Höhe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 12. Gewicht 500 g.
Tag der Injection .... 3.11. 10.11. 19.11. 28.11. 6.12.
Höhe der Dosis. 1.0 1,0 1,0 1,0 1,0
Tag der Injection .... 14. 12. 23. 12. 2. I. 10. 1. 18. 1.
Höhe der Dosis. 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 14. Gewicht 350 g.
Tag der Injection .... 15. 11. 29. 11. 15. 12. 30. 12. 17. 1. 31. 1.
Höhe der Dosis. 3,0 3,0 2.0 2,0 2,0 3,0
Bemerkungen: Kein Einflusss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 16. Gewicht 700 g.
Tag der Injection .... 25. 11. 10. 12. 23. 12. 17. 1. 31. 1.
Höhe der Dosis. 5,0 2,0 2,0 2,0 3,0
Bemerkungen: Exitus am 1. 2. 12 innerhalb 24 Stunden nach der Injection, ohne
vorangegangene charakteristische Erscheinungen. — Scction: Schleimhaut und
Serosa des unteren lleums und Colon dcscendcns stark injicirt. Dünndarm wie
Colon stark mit Kothmassen gefüllt. Alle übrigen Organe ohne Befund.
Meerschweinchen 17. Gewicht G50 g.
Tag der Injection .... 28. 12. 13. 1. 31. 1.
Höhe der Dosis. 2,0 2,0 3,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 23. Gewicht 450 g.
Tag der Injection .... 3. 2. 17. 2. 3. 3.
Höhe der Dosis. 1,0 2,0 2,0
Bemerkungen: 5.3. Thier kränklich und apathisch. Keine charakteristischen Er¬
scheinungen. 6.3. Exitus. — Section: Peritonitis fibrinopurulenta. Kein Ab-
scess oder Phlegmone an der Injectionsstellc. Peritoneum nicht durch die in die
Bauchdecken gegebene Injection durchbohrt.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 63
Meerschweinchen 24. Gewicht 460 g.
Tag der Injection .... 3. 2. 17. 2. 3. 3.
Höhe der Dosis. 1,0 2,0 2,0
Bemerkungen*. 5.3. Thier kränklich und apathisch. 6.3. Exitus. — Section:
Peritonitis librinopurulcnta (wie bei 23). Die übrigen Organe ohne Befund.
Meerschweinchen 25. Gewicht 450 g.
Tag der lnjcction .... 3. 2. 17. 2. 3. 3. 20. 3.
Höhe der Dosis. 1,0 2,0 2,0 2,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 26. Gewicht 3S0 g.
Tag der Injection .... 14. 4. 28. 4. 12. 5. 26. 5. 23. 6.
Höhe der Dosis. 0,2 2,0 2,0 2,0 2,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 27. Gewicht 390 g.
Tag der Injection .... 14. 4. 28. 4. 12. 5. 26. 5. 23. 6.
Höhe der Dosis. 0,2 2,0 2,0 2,0 2,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Meerschweinchen 28. Gewicht 400 g.
Tag der Injection .... 14. 4. 28. 4. 12. 5. 26. 5. 23. 6.
Höhe der Dosis .... 0,2 2,0 2,0 2,0 2,0
Bemerkungen: Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Die Ergebnisse meiner Versuche sind somit folgende:
1. Von 21 Thieren haben 15 Thierc fortgesetzte subcutane Tuber-
culinzufuhr gut vertragen. Allgemeinzustand der Thierc und
Gewicht sind unverändert geblieben; trotz monatelanger Behand¬
lung ist ein wesentlicher Einfluss nicht nachweisbar gewesen.
Bei G Thieren ist im Laufe der Behandlung der Exitus erfolgt
(2, 4, 5, 16, 23, 24). 2, 4, 5 gingen nach langsam zuneh¬
mender Abmagerung zu Grunde. 16, 23 und 24 starben inner¬
halb 3x24 Stunden nach der letzten Tuberculininjection.
Bei 2 ergab die Section eine leichte Schwellung der Milz,
Fettinfiltration der Leber, einige Hautstellen borkig belegt. — Bei
4, 5, 16 war das Sectionsergebniss ein ähnliches: leichter Darm¬
katarrh, auffallend starke Injection der Serosa, insbesondere des
unteren Dünndarmabschnittes und des Colons; die übrigen Organe
ohne Befund. — Bei 23 und 24 war ein überraschender Befund
vorhanden: eine serös-eitrige Peritonitis. Die Section konnte
eine Infection durch die Injection aussehliessen. Entsprechend
der Einstichstelle waren im subcutanen und intramusculären
Gewebe kein Abscess oder eine Phlegmone vorhanden. Das
Peritoneum war nicht durchbohrt.
2. Alle Thicre, die bei einem regelmässigen Intervall von einer
Woche mit gleicher Dosis behandelt wurden (10X1 ccm), sind
leben geblieben. Die zu Grunde gegangenen Thiere sind ent¬
weder solche, denen steigende Dosen injicirt worden sind (2, 4, 5),
oder solche, bei denen das Intervall mindestens 14 Tage betrug.
Die Mehrzahl aber auch dieser Thiere blieb unversehrt.
3. Unmittelbare Folgen wiederholter subcutaner Tuberculininjection
sind nicht beobachtet worden. Die Unruhe der Thicre nach einer
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64
Felix Klopstock
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Injection ging bald vorüber, irgend welche charakteristischen
Bewegungen oder Lähmungserscheinungen fehlten. Die Erschei¬
nungen des anaphylaktischen Shocks sind niemals zur Beobachtung
gelangt.
4. Als locale Folgen der Injection sind wiederholt umschriebene
Ilautnekrosen, mehrfach auch trotz aller Vorsicht Abscesse
beobachtet worden. Die localen Erscheinungen sind, wie bereits
betont, nicht im Sinne eines örtlichen anaphylaktischen Symptoms
verwerthbar.
Wesentliches Ergebniss ist somit die grosse Widerstands¬
fähigkeit der Thiere gegen wiederholte subcutane Tubereulin-
injectioncn und der Untergang einiger Thiere unter nicht
charakteristischen klinischen Erscheinungen.
Bei den im Laufe der Behandlung verstorbenen Thieren hat, wie
bereits betont, die Section dreimal einen übereinstimmenden Befund ergeben
(einen leichten Darmkatarrh und auffallend starke Injection der Serosa
des unteren Darmabschnittes). Die Todesfälle liegen zeitlich auseinander.
Es kann nicht eine gemeinsame Darminfection eine Rolle spielen. Bei
den nichtbehandelten Thieren des Stalles gelangten Darmerkrankungen
nicht zur Beobachtung. Das Sectionsergebniss bei diesen Thieren erinnert
wohl an Befunde, die man bei den an acuter Anaphylaxie verstorbenen
Thieren gehabt hat. Neben der Lungenblähung ist ja eine auffallend
starke Hyperämie der Bauchorgane ein Kennzeichen des Todes an Ana¬
phylaxie.
Wolf-Eisner beschreibt schon starke Hyperämie des Darms nach Injection von
artfremdem Eiweiss.
Rosenau und Andersen sahen bei Meerschweinchen nach dem anaphylakti¬
schen Shock Dünndarmgeschwüre auftreten.
Schittenhelm und Weichhardt sensibilisirten Hunde mit an und für sich
ungiftigem Eioreiweiss und sahen dann bei der Reinjection schwere intestinale Er¬
scheinungen. Die Hunde erbrachen unter heftigen Würgbewegungcn. Sie bekamen
Stuhldrang und setzten stark blutigen dünn 11 üssigen Koth ab. Bei der Section zeigte
sich der Darm angefüllt mit einer blutig schleimigen Flüssigkeit. An der Darm¬
schleimhaut und den darunter gelegenen Schichten fanden sich zahlreiche miliare
Hämorrhagien, die ihnen ein geröthetes gesprenkeltes Aussehen verliehen (Enteritis
anaphylactica).
Weitere Erfahrungen über das Auftreten von Darmerkrankungen nach
fortgesetzter parentaler Eiweisszufuhr sind meines Wissens nicht vorhanden.
Ich möchte die Möglichkeit eines Zusammenhangs der DarmalTection mit
den subcutanen Tuberculininjectionen bei den zu Grunde gegangenen
Thieren in einem solchen Sinne nicht ausschliessen.
Bei Thier 2 ist die Möglichkeit des Todes an irgend einer inter¬
kurrenten lnfection gegeben.
Thier 23 und 24 gingen schliesslich an einer acuten Peritonitis im
Anschluss an die letzte Injection von 2 ccm Alttuberculin zu Grunde.
Ein Zusammenhang der Peritonitis mit der subcutan und intramusculär
erfolgten Injection in die Bauchdecken konnte die Section nicht nach-
weisen. Es ist dies ein auffälliges und kaum erklärliches Resultat.
Gougle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 65
Eine Peritonitis nach Reinjectionen von artfremdem Eiweiss ist nicht
bekannt.
Es muss schliesslich hervorgehoben werden, dass man die Todes¬
fälle nicht ohne Weiteres dem Tuberculin selbst zuschreiben darf, sondern
nur berechtigt ist, sie auf ein Gemenge von Glycerin, Albumosen,
Peptonen, specißschen Bestandtheilen = Alttuberculin zu beziehen.
III.
Bei einer Reihe meiner Versuchsthiere (1, 3, 4, 5, 6) habe ich
geprüft, ob sich unter dem Einfluss anhaltender Tuberculinbehandlung
mittelst der Compleraontbindungsprobe nachweisbare Antikörper bilden.
Bei der Vornahme dieser Untersuchungen gebrauchte ich die übliche
Technik. Das zu untersuchende Serum wurde in der Menge von 0,1 ccm
verwendet. Als Tuberculinmenge wurde 0,025 und 0,05 gewählt. Cöm-
plement war 0,05 ccm frisches Meerschweinchenserura. Als hämolytisches
System diente x / 2 ccra einer 5proc. Hammelblutkörperchen-Kochsalzlösung
plus x / 2 ccm eines Kaninchenseruras, dessen Titer 1 :2000 betrug, in der
Verdünnung 1 : 750.
Versuche am 13. 8. 1910 (Serum der Meerschweinchen 4, 5, 6) und am 25. 10. 1910
(Serum der Meerschweinchen 1 und 3).
Tuberculin
Serum
Complement
Hämol. Syst.
0,025
—
0,05
1 ccm
Lösung
0,05
—
0,05
1 ,
,do.
0,025
0,1
0,05
1 „
do.
0,05
0,1
0,05
1 „
do.
—
0,1
0,05
1 „
do.
—
0,05
1 „
do.
In keinem der Fälle war eine Hemmung der Hämolyse nachweis¬
bar; Tuberculinbehandlung tuberculosfreier Meerschweinchen
führt nicht zu einer Bildung von Tuberculinantikörpern.
IV.
Ich komme nun zu der zweiten Frage, deren Beantwortung Aufgabe
meiner Experimente war. Hat bei Meerschweinchen eine lange fort¬
gesetzte Vorbehandlung mit Tuberculin einen Einfluss auf eine spätere
experimentelle Tuberculoseinfection?
Auch hierüber liegen bereits Untersuchungen vor.
Slatinöau und Danielopolu theilen mit, dass das Tuberculin die Meer¬
schweinchen gegen Tuberkelbacillen überempfindlich mache. Die mit Koch’schem
Alttuberculin vorbehandelten Thiere reagirten nach intracerebraler Einführung von
Tuberkelbacillen mit schweren Allgemeinerscheinungen und erlagen früher, als die
Controlthiere.
Deyke und Much haben sich bei ihren Versuchen zur Immunisirung gegen
Tuberculose nur zweimal des Alttuberculins bedient (achtmalige, kurz aufeinander¬
folgende Injectionen von 0,01 Tuberculin Höchst) und in beiden Fällen eine völlige
immunisatorische Unwirksamkeit des Alttuberculins erhalten. Ihre weiteren Versuche
sind mitTuberkelbacilleneinweissstoffen, Mischungen von Nastin undTuberkelbacillen-
eiweiss und Lecithinauflösungen von Tuberkelbacillen (Tb. L.) angestellt. Während
sich das Eiweiss immunisatorisch ohne Wirkung zeigte, haben sie mit jener Mischung
und mit Tb. L. bei einer grösseren Reihe , von Thieren eine Immunisirung erhalten.
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13 . Bd. 5
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Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
66
Felix Klopstock,
Digitized by
Much und Leschke haben durch Vorbehandlung mit Säureaufschliessungen
des Tuberkelbacillus eine weitgehende Immunisirung auslösen könnon.
Wolff-Eisner berichtet, dass seine vorbehandelten Thiere die Kraft erlangten,
Millionen injicirter todter Tuberkelbacillen bis auf ganz vereinzelte Exemplare schon
innerhalb 14 Tagen völlig aufzulösen.
Krause, über dessen Versuche ich ja bereits berichtet habe, hat folgende Er¬
gebnisse: Sensibilisirung nicht tuberculöser Meerschweinchen mit Tuberkelbacillen-
eiweiss verändert nicht ihre Resistenz gegen eine experimentelle Tuberculoseinfection.
Sensibilisirung und relative Immunität (vermehrte Resistenz) gegen eine Infection
können bei denselben Thieren Zusammentreffen. Die Resistenz gegen eine Infection
ist zu der Zeit, in welcher die Thiere unter dem Einfluss des anaphylaktischen Shocks
stehen, merklich herabgesetzt. Es handelt sich jedoch nicht bei seinen Experimenten
um fortgesetzt mit Alttuberculin behandelte Thiere.
Es sind von mir insgesammt 11 monatelang tuberculinvorbebandelte
Thiere einer Infection mit Tuberkelbacillen ausgesetzt worden. Die In¬
fection erfolgte durch subcutane Injection von 1 ccm einer Tuberkel-
bacillenaufschweramung, die sich bereits in anderen Versuchsreihen als
virulent erwiesen hatte, in die Gegend der Leistenbeuge. Sechs weitere
Meerschweinchen wurden als Controlthiere benutzt.
Meerschweinchen 1.
Vorbehandlung vom 8. 6. bis 2. 11. 1910. Gesammtdosis Tuberculin 24 ccm.
Infection am 9. 11. 1910. Exitus am 2. 1. 1911.
Seotion: In der rechten Inguinalfalte eine käsige Drüse, in der linken Inguinal¬
falte und der rechten Axilla mehrere geschwollene Drüsen mit käsigen Einsprengungen.
Milz stark vergrössert, mit geringen fibrinösen Auflagerungen, von leicht marmorirtem
Aussehen, mit einzelnen stecknadelkopfgrossen Herden. Leber von normaler Grösse,
braunroth mit wenigen gelbweissen miliaren Herden. Die Lungen weisen sehr zahl¬
reiche käsige Herde auf, die zumeist von miliarer Grösse sind.
Meerschweinchen 3.
Vorbehandlung vom 9. 6. bis 2. 11. 1910. Gesammtdosis Tuberoulin 24 ccm.
Infeotion am 9. 11. 1910. Exitus am 14. 3. 1911.
Section: In den über bohnengrossen Inguinaldrüsen käsige Herde. Milz ziem¬
lich stark vergrössert mit einigen infarctartigen Herden. Leber ganz durchsetzt von
käsigen Herden, die zum Theil gallig imbibirt sind. Das dazwischenstehende Leber¬
gewebe unregelmässig gefärbt und von unebener Oberfläche. Lungen mit einzelnen
stecknadelkopfgrossen bis miliaren weissen Knötchen.
Meerschweinchen 6.
Vorbehandlung vom 11. 6. bis 2. 11. 1910. Gesammtdosis Tuberculin 17,2 ccm.
Infection am 9. 11. 1910. Exitus am 8. 1. 1911.
Section: Inguinaldrüsen stark vergrössert, rechts bis zu Haselnussgrösse, mit
käsigen Herden. Milz ziemlich stark vergrössert mit einzelnen submiliaren Knötchen.
Leber leicht vergrössert, von braunrother Farbe mit feinen grauweissen Pünktchen
und fleckweise etwas blasser verfärbten Partien. Beide Lungen von sehr zahlreichen
grauweissen wie hyalinen Herden durchsetzt, die fleckweise zusammenstehen und in¬
einander übergehen. Dazwischen einzelne käsige Herde bis zu miliarer Grösse.
Meerschweinchen 7.
Vorbehandlung vom 11. 10. bis 23. 12. 1910. Gesammtdosis Tuberculin 10ccm.
Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 17. 2. 1911.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie Meerschweinchen etc. 67
Section: In der linken Bauchmusculatur oberhalb der Leistenbeuge ein etwa
bohnengrosser Abscess mit käsigem Eiter. Inguinaldrüsen bis Bohnengrösse mit kä¬
sigen Einsprengungen. Milz mässig stark vergrössert, von im Allgemeinen braun-
rother Farbe und mit einigen unregelmässig begrenzten infarctartigen Herden weiter
mit ganz vereinzelten, gerade sichtbaren Tuberkeln. Leber mit zahlreichen käsigen
hirsekorn- bis erbsengrossen Herden. Beide Lungen sind von dicht aneinander¬
stehenden, zumeist etwa hirsekorngrossen Tuberkeln durchsetzt.
Meerschweinchen 8.
Vorbehandlung vom 11.10. bis 23.12. 1910. Gesammtdosis Tuberculin lOccm.
Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 28. 1. 1911.
Seotion: Inguinaldrüsen stark vergrössert, mit stecknadelkopf- bis erbsen¬
grossen käsigen Herden. Milz stark vergrössert, dunkelroth mit infarctartigen Herden.
Leber dunkelbraunroth mit ziemlich dicht nebeneinanderstehenden stecknadelkopf¬
grossen käsigen Einsprengungen. Die Lungen weisen ganz vereinzelte, etwa miliare
hyaline Knötchen auf.
Meerschweinchen 9.
Vorbehandlung vom 11.10. bis 23.12. 1910. Gesammtdosis Tuberculin lOccm.
Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 10. 3. 1911.
Section: Inguinaldrüsen mit erbsongrossen käsigen Herden. Milz stark ver¬
grössert, mit ziemlich zahlreichen kleinen Tuberkeln und unregelmässigen Partien
hellerer Färbung. Die Leber weist mässig zahlreiche, käsige, gallig imbibirte Herde
bis zu Bohnengrösse auf. Die Lungen sind von dicht zusammenstehenden, stellen¬
weise confluirenden käsigen Herden wechselnder Grösse durchsetzt.
Meerschweinchen 10.
Vorbehandlung vom 3. 11. 1910 bis 18. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin
10 ccm. Infection am 26. 1. 1911. Exitus am 14. 3. 1911.
Section: Inguinaldrüsen beiderseits mit käsigen Einsprengungen. Milz mässig
vergrössert, frei von infarctartigen Herden, mit ganz vereinzelten feinen Tuberkeln.
Leber mit unregelmässiger Oberfläche von im Allgemeinen braunrother Farbe mit
etwas helleren, unregelmässig begrenzten Partien; ganz vereinzelte käsige Einspren¬
gungen und gerade sichtbare Tuberkel. Lungen von dicht zusammenstehenden steck¬
nadelkopf- bis kleinerbsengrossen weissen bis grauweissen Herden durchsetzt.
Meerschweinchen 11.
Vorbehandlung vom 3. 11. 1910 bis 18. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin
10 ccm. Infection am 26. 1. 1911. Exitus am 16. 3. 1911.
Section: Inguinaldrüsen beiderseits von über Kirschgrösse mit käsigen Herden.
Milz stark vergrössert, mit vereinzelten kleinen infarctartigen Partien. Leber von sehr
unregelmässiger, auf der unteren Fläche höckeriger Oberfläche mit gallig imbibirten
käsigen Einsprengungen. Die Lungen weisen nur vereinzelte, theils mehr hyaline,
theils mehr käsige Knötchen auf.
Meerschweinchen 12.
Vorbehandlung vom 3. 11. 1910 bis 18. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin
10 ccm. Infection am 26. 1. 1911. Exitus am 17. 3. 1911.
Seotion: Inguinaldrüsen theils verkäst, theils mit käsigen Einsprengungen.
Milz mässig vergrössert, mit grossen infarctartigen Herden, die die Hälfte der Ober¬
fläche einnehmen. Leber ganz durchsetzt von unregelmässig begrenzten, vielfach con¬
fluirenden, theils gelbweissen, theils gallig gefärbten Herden. In den Lungen nur
vereinzelte stecknadelkopfgrosse, theils hyaline, theils weiss erscheinende Tuberkel.
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Original fro-m
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68
Felix Klopstock,
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Meerschweinchen 14.
Vorbehandlung vom 15. 11. 1910 bis 31. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin
15 ccm. Infection am 10. 2. 1911. Exitus am 5. 10. 1911.
Section: Inguinaldrüsen mit nur wenigen käsigen Einsprengungen. Milz sehr
stark vergrössert, von dunkelbraunrotherFärbung, mit einzelnen weissen infarctartigen
Herden und ausserdem miliaren Knötchen. Leber von gelbbraunrother Farbe, leicht
höckeriger Oberfläche mit käsigen Herden durchsetzt, die sie theils fein gesprenkelt
erscheinen lassen, theils bis zu Kirschkerngrösse gehen und vereinzelt gallig imbibirt
sind. Lungen mit zahlreichen hyalinen Knötchen, die theilweise confluiron. Bronchial¬
drüsen mit käsigen Einsprengungen.
Meerschweinchen 17.
Vorbehandlung vom 28. 12. 1910 bis 31. 1. 1911. Gesammtdosis Tuberculin
7 ccm. Infection am 10. 2. 1911. Exitus am 12. 5. 1911.
Section: Rechte Inguinaldrüse von fast Pflaumengrösse, mit bröckligem, kä¬
sigem Eiter gefüllt. Die anderen Inguinaldrüsen und Axillardrüsen mit käsigen Ein¬
sprengungen. Milz mässig stark vergrössert, mit leicht marmorirtem Aussehen und
einzelnen deutlich abgrenzbaren grauweissen Knötchen. Mesenterium von kirschkern-
grossen käsigen Herden durchsetzt. Leber mit sehr zahlreichen submiliaren grau¬
weissen Knötchen. Lungen mit wenig zahlreichen, theils mehr hyaliuon, theils mehr
käsigen Tuberkeln von etwa miliarer Grösse.
Controlthiere: Meerschweinchen 13.
Infection am 9. 11. 1910. Exitus am 4. 2. 1911.
Section: Inguinaldrüsen bis zu Haselnussgrösse, verkäst. Milz stark ver¬
grössert mit miliaren und submiliaren Tuberkeln und grossen unregelmässig be¬
grenzten infarctartigen Herden. Leber von leicht höckeriger Oberfläche mit sehr zahl¬
reichen gelbweissen bis gallig grünen Herden von unregelmässiger Figur und
wechselnder Grösse. Lungen von miliaren Tuberkeln und käsigen Herden durchsetzt.
Meerschweinchen 18.
Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 13. 3. 1911.
Section: Inguinaldrüsen theils verkäst, theils mit käsigen Einsprengungen.
Milz stark vergrössert, mit mässig zahlreichen, feinen Tuberkeln. Leber mit theils
gelbweissen, theils gallig imbibirten Herden von wechselnder Grösse und unregel¬
mässiger Gestalt. Die Lungen sind von zahlreichen Stecknadelknopf- bis erbsen¬
grossen käsigen Herden durchsetzt.
Meerschweinchen 19.
Infection am 30. 12. 1910. Exitus am 18. 2. 1911.
Section: Inguinaldrüsen beiderseits bohnengross, verkäst. Milz sehr stark ver¬
grössert, von zahlreichen weissen infarktartigen Herden durchsetzt. Leber von hell-
braunröthlicher Färbung, dicht durchsetzt von weissen Herden, die Stecknadel¬
spitze- bis Hanfkorngrösse haben und stellenweise dicht zusammenstehen, Lungen
mit zahlreichen weissen Knötchen; im rechten Unterlappen unregelmässig geformte,
grössere käsige Herde, Lungengewebe ringsum derb, luftleer, marmorirt.
Meerschweinchen 20.
Infection am 26. 1. 1911. Exitus am 18. 3. 1911.
Section: Inguinaldrüsen von Bohnengrösse, theils verkäst, theils mit käsigen
Einsprengungen. Milz mit grossen infarktartigen Herden. Leber von zahlreichen kä¬
sigen Partien von ungefähr Erbsengrösse durchsetzt. Lungen mit mässig zahlreichen
theils mehr hyalinen, theils mehr käsigen Knötchen.
Gck igle
Original fro-m
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Ueber die Wirkung des Tuberculins auf tuberoulosefreio Meerschweinchen etc. 69
Meerschweinchen 21.
Infeotion am 26. 1. 1911. Exitus am 13. 3. 1911.
Section: Inguinaldrüsen von Bohnengrösse, verkäst. Milz von unregelmässig
geformten, weissen infarctartigen Herden durchsetzt, zwischen denen neben unverän¬
derten hämorrhagisch inficirte Partien stehen. Leber mit sehr zahlreichen, bis zur
Hanfkorngrösse gehenden weissen Einsprengungen. Beide Lungen von sehr zahlreichen
Tuberkeln durchsetzt.
Meerschweinchen 22.
Infection am 10. 2. 1911. Exitus am 4. 3. 1911.
Section: Inguinaldrüsen kirschkerngross, käsig. Milz leicht vergrössert, mit
zahlreichen submiliaren Tuberkeln. Leber von zahllosen meistStecknadelkopfgrösse auf¬
weisenden weissen Herden durchsetzt, die der Leber ein fein geflecktes Aussehen geben.
Lungen mit nur ganz vereinzelten subrailiaren Knötchen. Eine Bronchialdrüse verkäst.
Das Ergebniss dieser Versuche ist somit folgendes: Auch eine monate¬
lang fortgesetzte Tuberculinbehandlung gewährt keinen Schutz gegen eine
spätere experimentelle Tuberculoseinfection. Der Ablauf der Tuberculose
der vorbehandelten Thiere ist der gewöhnliche und nicht von dem der
Controlthiere verschieden. Das Sectionsergebniss, die Localisation der
Tuberculose und die Art der tuberculösen Erkrankung stimmt mit dem
der gewöhnlichen experimentellen Meerschweinehentuberculose überein.
Nur bei Thier 14 war der Ablauf der Tuberculose ein etwas verzögerter.
V.
Bei einer Reihe meiner Versuchsthiere habe ich weiterhin untersucht,
ob die Tuberculinvorbehandlung die Tuberculinempfindiiehkeit des inficirten
Thieres beeinflusst, d. h. ob die inficirten, vorbehandelten Meerschweinchen
die gleiche Tuberculinempfindiiehkeit besitzen, wie nicht vorbehandelte
tuberculoseinficirte Thiere. Ich habe mich hierbei der subcutanen Injection
von 1 ccm Alttuberculin bedient, die nach allen Erfahrungen bei tuber-
culoseinficirten Meerschweinchen als mehrfach tödtliche Dosis anzusehen ist.
Meerschweinchen 3.
Vorbehandlung vom 9. 6. bis 2. 11. 1910. Infection am 9. 11. 1910. Injection
von 1 ccm Tuberculin am 26. 11. 1910. Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Exitus am 14. 3. 1911 an allgemeiner Tuberculose.
Meerschweinchen 6.
Vorbehandlung vom 11. 6. bis 2. 11. 1910. Infection am 9. 11. 1910. Injection
von 1 ccm Tuberculin am 19. 11. 1910. Kein Einfluss des Tuberculins nachweisbar.
Exitus am 8. 1. 1911 an allgemeiner Tuberculose.
Meerschweinchen 8.
Vorbehandlung vom 11. 10. bis 23. 12. 1910. Infection am 30. 12. 1910. In¬
jection von 1 ccm Tuberculin am 27. 1. 1911. Exitus am 28. 1. 1911.
Meerschweinchen 11.
Vorbehandlung vom 3. 11. 1910 bis 18. 1. 1911. Infection am 26. 1. 1911. In¬
jection von 1 ccm Tuberculin am 15. 3. Exitus am 16. 3. 1911.
Meerschweinchen 14.
Vorbehandlung vom 15. 11. 1910 bis 31. 1. 1911. Infection am 10. 2. 1911.
Injection von 1 ccm Tuberculin am 28. 2. 1911. Kein Einfluss des Tuberculins nach¬
weisbar. Exitus am 5. 10. 1911.
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Felix Klopstock,
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Meerschweinchen 17.
Vorbehandlung vom 28. 12. 1910 bis 31. 1. 1912. Infection am 10. 2. 1911.
Injection von 1 ccm Tuberculin am 25. 3. Kein Einfluss des Tuberoulins nachweisbar.
Exitus am 12. 5. 1911.
Es haben somit 4 von 6 Thieren auf der Höhe der tuberculösen
Infection 1 ccm Tuberculin subcutan ohne wesentliche Reaction ver¬
tragen, d. h. sind nicht innerhalb 2 X 24 Stunden gestorben. Die Vor¬
behandlung mit Tuberculin hat bei einer Reihe von Thieren zu einer
Aufhebung der Tuberculinempfindlichkeit geführt, während die Resistenz
gegenüber den Tuberkelbacillen nicht verändert worden ist.
Herabsetzung der Tuberculinempfindlichkeit und Resistenz gegen
Tuberkelbacillen gehen nicht etwa parallel: Deyke und Much erhielten
durch Vorbehandlung mit Tb. L. ein Thier, das gegen Tuberculose immun,
aber in hohem Grade tuberculinempfindlich war. In gleicher Weise erzeugten
Much und Leschke durch Vorbehandlung mit den Säureaufschliessungen
des Tuberkelbacillus weitgehend immune, aber tuberculinhocherapfindliche
Thiere. Vorbehandlung mit Alttuberculin ruft dagegen Herabsetzung der
Giftempfindlichkeit, aber keine Immunität gegen Tuberculose hervor.
VI.
Letzter Gegenstand meiner Untersuchungen war, ob bei tuberculose-
inficirten tuberculinvorbehandelten Thieren complementbindende Stoffe im
Serum nachweisbar sind. Die Untersuchung erfolgte in gleicher Weise,
wie sie in III beschrieben worden ist.
Versuche am 2. 12. 1910 (Serum der Thiere 1 und 6) und am 13. 1. 1911
(Serum der Thiere 7, 8, 9).
Tuberculin
Serum
Complement
Hämolyt. Syst.
0,025
—
0,05
1 ccm
Lösung
0,05
—
0,05
1 ,
do.
0,1
—
0,05
1 ,
do.
0,025
0,1
0,05
1 .
do.
0,05
0,1
0,05
1 ,
do.
oa
0,1
0,05
1 „
do.
—
0,1
0,05
1 „
do.
—
—
0,05
1 ,
do.
Wiederum war in keinem Falle eine Bildung von Antikörpern nach¬
weisbar.
Ich kann die Resultate dieser Versuchsreihen wie folgt zusammenfassen:
1. Wiederholte subcutane Injectionen von Alttuberculin bei einer An¬
fangsdosis von 0,1 bis 5 ccm, bei einer Gesammtdosis bis zu 26 ccm,
bei einem Intervall von y 2 bis 4 Wochen rufen bei der überragenden
Mehrzahl der Meerschweinchen (15 von 21 Thieren) keine wesentliche
Reaction hervor. Bei einer Minderzahl (6 von 21 Thieren) erfolgte der
Exitus. Bei 3 von diesen Thieren ergab die Section einen leichten Darra-
katarrh und starke Injection der Serosa des unteren Darmabschnitts,
während bei 2 Thieren der Tod an einer Peritonitis erfolgte.
2. Auch monatelange Vorbehandlung mit Tuberculin erhöht nicht
die Resistenz gegenüber einer experimentellen Tuberkelbacilleninfection.
Gck igle
Original fro-m
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Ueber die Wirkung des Tuberoulins auf tuberoulosefreie Meerschweinchen etc. 71
Die vorbehandelten Thiere erliegen der Infection, ohne dass im Ablauf
der Tuberoulose und dem Sectionsergebniss ein Unterschied gegenüber den
Controlthieren bestände. Die Tuberculinempfindlichkeit der vorbehandelten,
später inficirten Thiere ist jedoch wesentlich herabgesetzt. 4 von 6 Thieren
vertrugen auf der Höhe der tuberculösen Infection subcutane Injection von
1 ccm Alttuberculin.
3. Wiederholte Tuberculingaben rufen bei gesunden Meerschweinchen
keine Antikörperbildung hervor. Tuberculinvorbehandelte tuberculose-
inficirte Meerschweinchen weisen keine mittels der Complementbindungs-
probe nachweisbare Antikörper auf.
Nachtrag.
In der Zeitschr. f. Hygiene, ßd. 70, H. 1, die erst nach Abschluss
meiner Arbeit erschienen ist, sucht Geibel aus dem Landmann’schen
Laboratorium den Nachweis zu führen, dass Tuberculin auch für den ge¬
sunden Organismus nicht gleichgültig ist. Er zeigt in der That, dass
die Landmann’schen Präparate Tuberculol B und C auf Meerschweinchen
eine Giftwirkung entfalten können, ist jedoch nicht berechtigt, von diesen
Präparaten, die nach anderer Methodik durch fractionirte Destillation
entfetteter, zerkleinerter TuberkeUwtcfllen hergestellt sind, irgend welche
Schlüsse auf die Giftwirkung von Alttuberculin Koch zu ziehen.
Literatur.
Baldwin, Studios from the Saranac laboratory for the study of tuberculosis. 1904
bis 1910.
Calmette, Petit und Breton, Compt. rend. soc. biol. 1907.
Deycke und Much, Beitr. z. Klinik d. Tuberc. Bd. 15.
Joseph, Beitr. z. Klinik d. Tuberc. Bd. 17.
Krause, Allen K., Studies from the Saränac laboratory for the study of tubercu¬
losis. 1911.
Kraus und Volk, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 6.
Marie und Tiffman, Compt. rend. soc. biol. 1908.
Much und Leschke, Beitr. z Klinik d. Tuberc. Bd. 20.
Novothny, Zeitsohr. f. Immunitatsforsch. Bd. 3.
Orsini, Zeitsohr. f. Immunitätsforsch. Bd. 5.
Röpke, Beitr. z. Klinik d. Tuberc. Bd. 18.
Rosenau und Anderson, Hyg. Labor. Bullet. Washington 1907.
Ruppel und Rickmann, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 6.
Schittenhelm und Weichardt, Deutsche med. Wochenschr. 1911.
Dieselben, Münch, med. Wochenschr. 1910. No. 34.
Dieselben, Centralbl. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Stoffwechsels. 1910.
Simon, Zeitsohr. f. Immunitätsforsch. Bd. 4.
Slatineau und Danielopolu, Compt. rend. soc. biol. 1909.
Wolff-Eisner, Folia serolog. 1910.
Derselbe, Centralbl. f. Bakteriol. 1904.
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
VI.
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Aus der medicinischen Klinik zu Greifswald
(Director: Prof. Dr. Steyrer).
Klinische und experimentelle Untersuchungen
über die Function der Niere mit Hülfe der
Phenolsulfophthaleinprobe.
Von
Dr. E. Behrenroth und Dr. L. Frank,
Assistenzärzten der Klinik.
(Mit 1 Curve im Text)
In der Reihe der Methoden, die zur Prüfung der Functionsthätig-
keit erkrankter Nieren in die Diagnostik eingeführt wurden, haben die
Untersuchungen über die Ausscheidung körperfremder Substanzen von
jeher einen breiten Raum beansprucht. Unter diesen sind es dann wieder
besonders die Farbstoffe gewesen, die eine gewisse Bedeutung erlangt
und behalten haben, wenn auch'im Wesentlichen nur in Verbindung mit
der Cystoskopie bezw. dem Uretercnkatheterismus.
Als ersten dieser Farbstoffe verwendeten Achard und Castaigne
1899 das Methylenblau, dessen Ausscheidung im Urin 1891 schon
Ehrlich und Guttmann beobachtet hatten. Absolut zuverlässige Re¬
sultate vermochte jedoch diese Probe nicht zu liefern. Der Hauptgrund
hierfür ist wohl darin zu suchen, dass das Methylenblau nur theilweise
als Farbstoff, zum Theil aber auch als farbloses Chromogen — Müller
fand zwei Leukobasen — im Urin ausgeschieden wird. Die Bedingungen,
unter welchen es zur Bildung dieser Leukoproducte kommt, Hessen sich
nicht sicher stellen. Dazu kommt die lange Ausscheidungsdauer des
Farbstoffes, die 1—2 Tage in Anspruch nimmt und deshalb ein Liegen¬
lassen des Ureterenkatheters ausschliesst. Berücksichtigt man dann noch,
dass gelegentlich Nierenreizungen beobachtet wurden (Bugge u. A.), so
ist es erklärt, warum die Methylenblauprobe eine wesentliche Bedeutung
nicht erlangen konnte.
Auch das Rosanilin, das besonders von Lepine und Dreyfus
als ein geeignetes Hilfsmittel für die functionelle Nierendiagnostik empfohlen
wurde, konnte sich keinen dauernden Eingang in die Praxis verschaffen,
obwohl die ausgeschiedene Farbstoffmenge eine colorimetrische Bestim¬
mung zuliess.
Wesentliche Vortheile vor den beiden erwähnten Farbstoffen bot das
Indigcarmin (indigoschwefelsaures Natrium), das seit seiner Einführung
durch Völker und Joseph (1904) weiteste Verbreitung und Anwendung
gefunden hat. Einmal wird es nahezu ausschliesslich durch die Nieren
Gck igle
Original fro-m
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Untersuchungen üb. die Function derNiere mit Hülfe derPhenolsulfophthaleinprobe. 73
ausgeschieden, denn Speichel, Schweiss, Galle und Stuhlgang bleiben un¬
gefärbt. Dann aber kommt es auch nicht, wie beim Methylenblau, zur
Bildung ungefärbter Derivate, der Farbstoff wird vielmehr nur als solcher
ausgeschieden. Und schliesslich hat sich das Indigcarmin als eine Sub¬
stanz erwiesen, die ohne ungünstige Nebenwirkungen vertragen wird und
auch nicht im geringsten reizend auf die Nieren einwirkt. R. Hei den-
hain, der übrigens schon 1878 diesen Farbstoff verwendete und seinen
Ausscheidungsmodus studirte, fand, dass die Glomeruli der untersuchten
Nieren ein ungefärbtes Secret lieferten, dass die Farbstoffausscheidung
demnach ausschliesslich von dem Epithel der Tubuli bestritten wurde.
In dieser Hinsicht würde sich das Indigcarmin ähnlich verhalten wie die
Harnsalze, und könnte man infolge dessen diese Methode der Functions¬
prüfung als eine physiologische bezeichnen, ein Umstand, durch den der
Werth der Methode naturgemäss noch wesentlich erhöht wird. Ohne auf
die günstigen Resultate der Indigcarminprobe hier näher einzugehen, sei
nur betont, dass sie das Beste bei einseitigen Nierenaffectionen, d. h. bei
einem Vergleich der Ausscheidungsfähigkeit beider Seiten (Ureterenkathe-
terismus, Chromocystoskopie) leistet. Wichtig ist, dass sie, wie die
früher erwähnten Prüfungen, auch eine Reihe von Fehlerquellen hat, wenn
auch in geringerem Maasse als diese (Veränderung der Farbe durch hoch-
gestellten Urin, durch Blutbeimengung, durch reflectorische Polyurie, Vor¬
aussetzung saurer Reaction des Urins), ja dass sie gelegentlich völlig
versagt (besonders Nephritis parenchymatosa, mitunter Pyelitiden u. a. m.).
Dazu kommt, dass sich der Farbstoff zur quantitativen Bestimmung nur
sehr wenig eignet.
Angesichts dieser Thatsachen musste es das grösste Interesse erregen,
als von Seiten amerikanischer Forscher ein Farbstoff empfohlen wurde,
der sich zur Functionsprüfung besser eignen sollte, als alle bisher an¬
gegebenen Substanzen. Es handelt sich um das Phenolsulfophthalein,
das zuerst von Remsen synthetisch dargestellt wurde.
C 6 h 4
c^<;
0
N co /
C 8 H 4 OH /C c H 4 OH
C^Otl / C —\C 6 H 4 0H
CeH« 0
x so/
Phenolphthalein. Phenolsulfophthalein.
Nach Sohon, dem Schüler Remsen’s, ist dasselbe ein rothes
krystallinisches Pulver, das sich in Wasser nur wenig, mehr in Alkohol
und sehr gut in Natriumcarbonatlösungen auflöst. In Aether ist der
Farbstoff unlöslich.
Eingehende Untersuchungen über das pharmakologische Verhalten des
Phenolsolofphthalein wurden von Abel und Rowntree angestellt. Sie fanden, dass
Subcutaninjectionen von Lösungen des Natriumsalzes reactiouslos vertragen wurden.
Der Farbstoff kann auch ohne nachtheilige Folgen per os verabfolgt werden, soll
dabei aber sehr bitter und unangenehm schmecken. Nach einer Gabe von 0,1—0,15 g
erscheint die Farbe im Verlaufe 1 oder \ l / 2 Stunden im Urin. Derselbe nimmt einen
gelbrothen bis gelben Farbton an, so lange er sauer ist; macht man den Urin alkalisch,
so erfolgt sofort der Umschlag zu einer prachtvoll purpurrothen Farbe, ähnlich der
des Phenolphthalein. Nach subcutaner Application in Mengen von 1,6 ccm einer
5 proc. Lösung erscheint die Farbe bei gesunden Menschen innerhalb von 10 Minuten
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74
E. Behrenroth und L. Frank,
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im Urin. Im Gegensatz zum Phenolphthalein und seiner Substitutionsproducte aus
der Halogengruppe, die ohne Rücksicht auf den Ort der Application durch den Darm
ausgeschieden werden, stellten die Autoren fest, dass nur Spuren des Farbstoffes
im Koth nachgewiesen werden konnten, dass der Farbstoff danach fast auschliess-
lich durch die Nieren den Körper verlässt. Sie nehmen wohl mit Recht an,
dass durch die Anwesenheit der S0 2 -Gruppe die Fähigkeit der Salzgruppe gegeben
ist und damit die Ausscheidungsmöglichkeit durch die Nieren. Untersuchungen
am Frosch haben ergeben, dass das Phenolsulfoph thalein wes entlieh nur
von den Epithelien der Tubuli ausgesohieden wird. Es würde sich demnach
vielleicht ähnlich verhalten wie das Indigcarmin in Heidenhains Versuchen. Durch
Untersuchungen an Hunden mit Gallenfisteln fanden sie nach Injection von 1 g des
Farbstoffes die Galle schon vor Ablauf von 2 Stunden tiefroth gefärbt. Da sich selbst
bei derartig hohen Dosen im Stuhlgang nur Spuren des Phenols finden, so muss eine
Resorption des mit der Galle ausgeschiedenen Farbstoffes innerhalb des Darmes er¬
folgen. An der Aufnahme scheinen den Versuchen zu Folge alle in Frage kommenden
Darmabscbnitte betheiligt zu sein. Die Frage, ob der Farbstoff einen ungünstigen
Einfluss auf die Nieren ausübt, konnten die Untersucher auf Grund ihrer Experimente
strikt verneinen. Allerdings wirkten hohe Dosen, intravenös angewendet, leicht diure-
tisch. Auf den äusserst günstigen Eigenschaften des Phenolsulfophthaleins fussend,
benutzten Rowntree und Geraghty diese Substanz als erste zur functioneilen Nieren¬
prüfung. Sie fanden die Angaben über seine Unschädlichkeit vollauf bestätigt, sahen,
dass sie mit Hilfe des angewendeten Farbstoffes weitgehende Schlüsse auf dieLeistungs-
fahigkeit der Nieren ziehen konnten und bemerkten ausserdem während ihrer Ver¬
suche, dass es sich sehr gut zu colorimetrischen Bestimmungen eignete.
Die von Rowntree und Geraghty auf Grund zahlreicher Unter¬
suchungen am Versuchsthier und am Krankenbett gewonnene Technik
der Probe ist kurz folgende. 20 Minuten bis 1 / 2 Stunde, ehe die Probe
angestellt wird, erhält der Kranke 300—400 ccm Wasser zu trinken, um
auf diese Weise eine genügende Urinausscheidung zu fefen. Dann
werden 0,00^ g <ks Farbstoffes in tüe Lumbalmusculatur injicirt und die
Zeit der Application genau bestimmt. Der Patient wird nun katheterisirt
und nach Abfluss des vorhandenen Urins ein Kölbchen vorgelegt, das
einen Tropfen 25 proc. NaOH-Lösung enthält. Die Zeit des ersten Auf¬
tretens wird wiederum notirt und der Katheter entfernt. Der Untersuchte
muss dann am Ende der ersten und der zweiten Stunde in besondere
Gefässe Urin lassen. Die einzelnen Urinportionen werden nach Menge
und specifischem Gewicht gemessen, danach mit 25 proc. NaOH-Lösung
alkalisch gemacht und auf 1 Liter aufgefüllt. Die nothwendige Menge
wird dann filtrirt und mit einer Testlösung verglichen. Als Standard¬
lösung verwendeten die Untersucher eine Lösung von 0,003 g des Farb¬
stoffes in 1 Liter Wasser, das mit wenigen Tropfen 25 proc. Natronlauge
alkalisch gemacht wird. Diese Lösung soll farbbeständig sein, so dass
sie für zahlreiche Versuche angewendet werden kann. Als Colorimeter diente
Rowntree und Geraghty das von Dubosq angegebene Instrument.
Da die Urinmengen, die nach einer Stunde ausgeschieden wurden, relativ
gering sind und somit die Verdünnung mit destillirtem Wasser eine
relativ grosse, so stört selbst hochgestellter Urin das Ablesungsresultat
kaum. Für den Fall, dass die Eigenfarbe des Urins stören sollte (wir
fanden das bei zahlreichen eigenen Versuchen nie) geben die Autoren
zwei bequeme Wege an, diese Schwierigkeit zu umgehen. Entweder be-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Untersuchungen üb. dieFunction derNiere mit Hülfe derPhenolsulfophthaleinprobe. 75
diene man sich einer Urinlösung des Farbstoffes als Standardlösung oder
man verwendet Bleiacetat, um die störenden Stoffe zu beseitigen. Durch
diese Fällung wird allerdings etwas Farbstoff gleichzeitig niedergeschlagen
und dadurch das Ablesungsresultat, wenn auch nur wenig, getrübt.
Normaler Weise werden bei Subcutaninjection von 6 mg Farbstoff
die ersten Spuren zwischen 5 und 11 Minuten ausgeschieden, beträgt die
procentuale Ausscheidung nach Ablauf einer Stunde 40—60 pCt. und
nach der zweiten Stunde 20—25 pCt., so dass beim Gesunden die Ge-
sammtausscheidung nach 2 Stunden zwischen 60 und 85 pCt. schwankt.
Dabei macht man die Erfahrung, dass kein Abhängigkeitsverhältniss be¬
steht zwischen ausgeschiedener Farbstoff- und Urinraenge, dass vielmehr
beim Nierengesunden der Urin um so mehr Farbe enthält, in je geringerer
Menge er ausgeschieden wird. Seit dem Bekanntwerden der Arbeiten der
amerikanischen Forscher sind nur wenige Nachprüfungen vorgenommen
Worden.
Wesentlich auf dem Boden der ursprünglich angegebenen Methode
steht Sehrt, der gute Resultate erzielte auch ohne die Patienten zu
katheterisiren. Insbesondere fand er die Angabe der Autoren bestätigt,
dass schon nach Ablauf zweier Stunden ein Urtheil über die Functions¬
tüchtigkeit einer oder beider Nieren abgegeben werden kann. Auch
Deutsch sieht vom Katheterisiren ab, doch dehnt er die Beobachtungs¬
zeit auf das Doppelte aus und verzichtet gleichzeitig auf die erste Be¬
stimmung, wann es zum Erscheinen des Farbstoffes im Urin kommt. Als
Injectionsort wählt er die tiefe Oberschenkelmusculatur. Die kurze Zu¬
sammenfassung seiner Untersuchungsergebnisse lautet: „Die anatomischen
und functioneilen Schädigungen entsprechen anscheinend den Störungen
in der Phthaleinausscheidung. Der Farbstoff vermag anzugeben, wie gross
die Gesammtfunction resp. die Einzelfunction der Nieren ist, was sie in
maximo leisten kann, und ist dadurch prognostisch und diagnostisch ver-
werthbar“.
In jüngster Zeit haben dann Fromme und Rubner die Angaben
Rowntree und Geraghty’s nachgeprüft. Sie empfehlen intravenöse An¬
wendung des Phenolsulfophthaleins und fordern eine dreistündige Beob¬
achtungszeit.
Verlängerung der Beobachtungsdauer hält auch Vogel für noth-
wendig, der die Methode besonders bei einseitig kranken Nieren an¬
wendete. Er bemisst die Zeit der maximalen Ausscheidung auf etwa
4 Stunden, will sich jedoch zu einer einwandfreien Beurtheilung der
Nierenarbeit nicht mit dem begnügen, was die Nieren innerhalb einer be¬
grenzten Zeit leisten, nach ihm ist allein die Menge der Gesamrat-
ausscheidung ausschlaggebend. Vogel ist der Meinung, dass die Haupt¬
frage nach der Arbeitsleistung jeder der beiden Nieren sowie nach der
Gesammtausscheidung durch die Methode in glänzender Weise gelöst
werden. Er hat sich deshalb bei der chirurgischen Therapie allein vom
Ausfall der Phonolprobe leiten lassen, ohne auch nur einen Misserfolg
verzeichnen zu müssen.
Nach Abschluss unserer gemeinsamen Untersuchungen haben dann
auch Autenricth und Funk noch ihre Resultate mitgetheilt. Bei selbst
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76
E. Behrenroth und L. Frank,
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ganz geringgradigen Nicrenveränderungcn finden sie eine erhebliche Minder¬
ausscheidung der erkrankten Niere innerhalb der ersten beiden Stunden.
Dehnten sie die Beobachtungsdauer aus, so konnten sie feststellen, dass
sich die Unterschiede mehr verwischten. Sie schliessen daraus wohl mit
Recht, dass 1—2 Stunden Dauer der Controle vollauf genügt; ja sie halten
für die leichteren Fälle 1 Stunde Beobachtungszeit für vollständig aus¬
reichend. Werthe, welche Autenrieth und Funk bei Nierenkranken
fanden, entsprechen wie die bei Gesunden berechneten absolut den An¬
gaben der Amerikaner.
Bei unseren eigenen Untersuchungen sind wir wesentlich der ursprüng¬
lich angegebenen Technik gefolgt und haben keinen Anlass gesehen, er¬
heblich von der Originalmethode abzugehen. Wir gehen jetzt in der Weise
vor, dass wir den Patienten 0,006 g Phenolsulfophthalein tief in die
Glutaealmusculatur injiciren. Nur in seltenen Fällen, wo eino starke
Oligurie ausgesprochen ist, verabreichten wir den Betreffenden Flüssig¬
keit vor dem Versuch. Da wir nur gröberen Schwankungen in dem Er¬
scheinen des Farbstoffes im Urin einige Bedeutung beiraessen, sehen wir
auch in der Regel von der Einführung eines Katheters ab, wenden den¬
selben vielmehr bei Frauen und solchen Kranken an, die in Folge psychischer
Hemmung Schwierigkeiten haben, in den geforderten Pausen zu uriniren.
Wir weisen die Kranken im Uebrigen an, nach 5, 8, 10, 12 Minuten
Urin zu lassen und führen den Katheter nur dann noch ein, wenn die
Farbstoffausscheidung verzögert ist. In das Uringlas oder die betreffende
Vorlage werden einige Tropfen 25proc. Natronlauge hineingegeben. Nach¬
dem das erste Erscheinen des Farbstoffes notirt ist, erhält der Kranke
zwei Gläser, in die er nach Ablauf der ersten und der zweiten Stunde
seinen Harn entleert. Menge und specifisches Gewicht werden dann be¬
stimmt und danach erst die Menge dos ausgeschiedenen Farbstoffes.
Hierbei wird darauf geachtet, dass nicht unnöthige Farbverluste eintreten
durch Benutzen der Vorlage, die die ersten Farbspuren enthält, durch
sauberes Abspülen des Schwimmers und der Gefässe mit destillirtem
Wasser. Die so erhaltenen beiden Flüssigkeitsquanten werden durch ge¬
nügend 25proc. Natronlauge alkalisch gemacht und nun beide Mengen
mit destillirtem Wasser auf 1 Liter aufgefüllt. Man hat dann zur colori-
metrischen Bestimmung dieser frischen Farbstofflösungen meist gar nicht
erst nöthig, zu filtriren, da Trübungen gewöhnlich später auftreten. Nöthigt
sehr starke Eigenfarbe des Urins zum Beseitigen derselben mit Bleiacetat,
so muss man das in saurem Urin thun, da sonst leicht wesentliche Ver¬
luste das Resultat beeinträchtigen. Ist man aus äusseren Gründen ver¬
hindert, innerhalb kurzer Zeit Bestimmungen vorzunehmen, dann lässt
man die Urinmengen am besten so stehen, falls dieselben sauer sind
(goldgelber oder orangefarbener Ton). Anderenfalls empfiehlt es sich,
wie auch Autenrieth und Funk betonen, den Urin anzusäuern (ver¬
dünnte Essig- oder Salzsäure). Lässt man die bereits zum Ablesen ver¬
wendbare Lösung stehen, so trübt diese sich sehr bald durch Ausfallen
von Phosphaten und der Farbstoff verliert dann leicht an Intensität. Zur
colorimetrischen Bestimmung bedienen wir uns des von Dubosq ange¬
gebenen Instrumentes, das auch Rowntrce und Geraghty benutzen.
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Untersuchungen üb. dieFunction derNiere mit Hülfe der Phenolsulfophthaleinprobe. 77
Die schon früher erwähnten Nachuntersucher verwendeten den Auten-
rieth-Königsberger’schen Apparat, der auf der Farbkeilraethode beruht.
Das Dubosq’sche Colorimeter hat den Nachtheil, dass es theuer ist; es
gestattet im Uebrigen aber sehr genaue Ablesungen, aus denen durch
eine leichte Berechnung die Procentzahl zu ermitteln ist. Steht z. B. die
Testlösung auf 10 und liest man auf der Vergleichsseite 25 ab, dann
ergiebt der folgende Bruch die gewünschte Zahl in Procenten 10 X 100:
25 = 40 pCt. Da man nun aber 0,006 g Farbstoff gegeben hat und die
Testlösung nur 0,003 g enthält, muss noch die Hälfte der gefundenen
Zahl genommen werden, also 20 pCt. Wir sind, wie erwähnt, mit der
geschilderten, der Originalmethode nahezu gleichenden Technik sehr gut
ausgekommen. Unnöthig erscheint uns insbesondere die intravenöse An¬
wendung des Phenolsulfophthaleins. Abgesehen von der Erschwerung der
Methodik, die durch das Aufsuchen der Vene, besonders bei Kindern,
gegeben ist, erscheint uns die unphysiologische plötzliche Ueberschwemmung
des Körpers mit dem Farbstoff absolut nicht gleichgültig, wenn Abel
und Rowntree auch erst bei höheren Dosen z. B. eine diuretische Wir¬
kung des Farbstoffes sahen. Auch zur Chromocystoskopie eignet sich
das Phenolsulfophthalein. Man ist allerdings, um den auftretenden Farb¬
stoff sichtbar zu machen, gezwungen, die Blase mit einer alkalischen
Flüssigkeit zu füllen. Sehrt empfiehlt zu diesem Zwecke 0,2proc. Soda¬
oder Boraxlösung.
Bei der Anordnung, die wir also unseren Versuchen zu Grunde legten,
sahen wir uns, wie schon oben erwähnt, in keiner Weise genöthigt, von
der von Rowntree und Geraghty angegebenen Methodik abzuweichen,
um klinisch brauchbare Resultate zu erlangen. Weder die Verlängerung
der Beobachtungszeit aul 3 Stunden, noch auch die auf selbst 24 Stunden
ergab für die Einzelnen Formen der Nephritiden irgend welche Vortheile
für die Feststellung der Diagnose und da die Farbstoffausscheidung nach
2 Stunden praktisch als vollendet angesehen werden kann, so erschien uns
denn auch diese Zeit ausreichend, um aus den in diesem Zeitabschnitt
gewonnenen Resultaten der Farbstoffausscheidung sichere Schlüsse auf
die Schwere und Ausdehnung der jeweilig vorliegenden Erkrankung zu
machen. Von dem Verhältnis der ausgeschiedenen Farbstoffmenge der
ersten Stunde zu dem der zweiten soll später noch ausführlicher ge¬
sprochen werden.
Die Resultate, welche bisher die experimentellen Untersuchungen
über die Function der einzelnen Theile der Nieren ergaben, haben noch
immer nicht für die Absonderung der verschiedenen Hambestandtheilo
zu sicheren Ergebnissen geführt. Auch die klinische Beobachtung konnte
in Folge dos so häufig gefundenen Missverhältnisses zwischen Function der
Niere und dem vorliegenden pathologisch-anatomischen Befunde weitere
Aufklärung in dieser Beziehung nicht bringen. Wenn wir hier die zur
Zeit herrschende Anschauung über die Function der einzelnen Nieren¬
abschnitte kurz anführen, so können wir Folgendes sagen: Die Aus¬
scheidung des Wassers wird meist den Glomerulis zugeschrieben, doch
muss hierbei sicher auch dem im Blutgefässsystem herrschenden Druck
für das quantitative Verhalten des Harnwassers eine wichtige Rolle zu-
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E. Behrenroth und L. Frank,
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erkannt werden. Nach den grundlegenden Arbeiten der Romberg’schen
Schule, vor Allem Schlayer’s und seiner Mitarbeiter, scheinen die Glo-
meruli es auch zu sein, welche für die Ausscheidung des Milchzuckers
Sorge zu tragen haben. Kochsalz wird nach der Ansicht dieser Autoren
ebenso wie Jodkali allein durch die Tubuli ausgeschieden, so dass sie aus
dem Grad der mehr oder weniger guten Ausscheidung des Salzes einen
directen Rückschluss auf den Umfang der bestehenden Tubulusschädigung
machen zu können glauben. Doch sprechen andere Autoren auch den
Gloracrulis einen Antheil an der Kochsalzausscheidung zu. Aehnliche
Ansichten herrschen auch über die Eliminirung des Harnstoffes und nur
für die Harnsäure wird jetzt wohl von den meisten der Untersucher der
Ausscheidungsort in die Tubuli verlegt.
Bei dieser so geringen Ausbeute der Nierenphysiologie lag es na¬
türlich nahe, zur weiteren Klärung dieser Verhältnisse experimentell Stoffe
zu verwenden, deren Ausscheidungsort man kennt und deren Ausschei¬
dungszeit gering ist und die ferner möglichst quantitativ ausgeschieden
werden. Einen solchen Stoff besitzen wir eben in dem Phenolsulfo-
phthalein.
Im Folgenden sollen nun auf Grund der klinischen Untersuchungen
die Resultate mitgetheilt werden, welche sich für die einzelnen Formen
der Nephritiden ergaben.
Beginnen möchten wir hier mit der chronischen interstitiellen
Nephritis. Bei der Reichhaltigkeit unseres klinischen Materials waren
wir in der Lage, gerade solche Fälle zur Untersuchung heranzuziehen,
die das klinische Bild der Schrumpfniere in aller Reinheit boten. Es
handelte sich um Patienten, die bei stark erhöhtem arteriellen Druck
reichliche Mengen eines nur wenig concentrirten Harnes ausschieden, in
dem sich Eiweiss in geringer Quantität bis zu 1 pM. und auch morpho¬
logisch-pathologische Elemente (hyaline, granulirte Cylinder, Nierenepi-
thelien) in gleichem Verhältnis fanden. Das orste Erscheinen des Farb¬
stoffes erlitt hier durchschnittlich eine* Verzögerung bis zu 22 Minuten.
Die Gesamratausscheidung dagegen war innerhalb der ersten 2 Stunden
so gering, dass ihre Menge nur ungefähr 5 pCt. der eingeführten Quan¬
tität betrug. Wir mussten also hiernach auf einen ausgedehnten Process
in den Nieren schlossen, der auch vor allen Dingen die Tubuli in stär¬
kerem Maasse betroffen hatte. Das klinische Bild und vor Allem der
weitere Verlauf der Erkrankungen bestätigten auch meist diese unsere
Annahme.
Ein wichtigeres diagnostisches Hilfsmittel wurde uns aber das Phenol-
sulfophthalein in den Fällen, in denen schwere Erscheinungen von De-
compcnsation des Herzens bei chronischer interstitieller Nephritis be¬
standen. Eine Gegenüberstellung der Resultate der functionellen Unter¬
suchung an zwei Patienten, von denen der eine sich im Stadium der
Decompensation als Zeichen einer primären Herzmuskelerkrankung be¬
fand, während der andere die gleichen Symptome infolge einer primären
interstitiellen Nephritis darbot, mögen dies beweisen.
I. 0. N., Schlosser, 48 Jahre alt, bot bei seiner Aufnahme in die Klinik das
Bild schwerster Herzdecompensation. Es bestanden Oedeme an beiden Füssen, Unter-
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Untersuchungen üb. dieFunction dcrNiere mit Hülfe derPbenolsulfophthaleinprobe. 79
Schenkeln, Abdomen und Händen, ebenso in der Gegend des Kreuzbeines. Das Herz
zeigte eine Verbreiterung nach links, der Puls war unregelmässig, klein, beschleunigt,
die Töne sehr leise. Gerausohe waren über dem ganzen Herzen hörbar, doch war in
Folge der Decompensation eine genauere Bestimmung der Diagnose eines etwa vor¬
handenen Vitiums nicht möglich. Im Abdomen und in der rechten Pleurahöhle war
Flüssigkeit nachzuweisen. Die Leber überragte um zwei Querfinger den rechten Rippen¬
bogen und war auf Druck schmerzhaft (Stauungsleber). Der Urin war in seiner Menge
und seinem specifisohen Gewicht stark wechselnd; die Menge schwankte zwischen 200
und 1000 ccm in 24 Stunden. Das specifische Gewicht zwischen 1008 und 1020. Im
Urin, der Eiweiss in massigen Mengen enthielt (bis zu 1 pM. nach Esbach), fanden
sich im Sediment vereinzelte granulirte Cylinder. Die functionelle Nierenuntersuchung
mit Phenolsulfophthalein ergab: erstes Erscheinen des Farbstoffes naoh 12 Minuten,
Ausscheidung in der ersten Stunde 62 pCt., in der zweiten Stunde 17 pCt.; Werthe,
die also nur bei Nierengesunden Vorkommen.
II. G. R., Landarbeiter, 43 Jahre. Bei seiner Aufnahme bestanden bei ihm
Oedeme an beiden Unterschenkeln, starke Dyspnoe, das Herz zeigt eine Verbreiterung
nach links, in massigem Grade auch nach rechts. Der Puls war beschleunigt,
schnellend, die Herztöne unrein, und auch hier wegen der Decompensation eine ge¬
nauere Bestimmung der eventuell vorliegenden Klappenveränderungen nicht möglich.
Die Gefässe zeigten ausserdem noch eine ziemlich starke Arteriosklerose. Im Bauch¬
raum war freie Flüssigkeit nachweisbar. Der Urin, dessen Menge zwischen 500 und
900 ccm in 24 Stunden schwankte, enthielt Eiweiss bis 1 pM. naoh Esbach und
granulirte und hyaline Cylinder. Die Functionsprüfung mit Phenolsulfophthalein ergab,
dass der Patient nach intraglutäaler Injection von 0,006 g messbare Mengen nicht
ausschied. Wir konnten daher bei diesem Patienten, der die ganz gleichen klinischen
Symptome wie der vorbesprochene zeigte, mit Sicherheit eine schwere Nierenschädigung
constatiren und mussten nach unseren anderen Befunden annehmen, dass es sich um
eine chronische interstitielle Nephritis handelte, die secundär zur Decompensation des
Herzens geführt hatte, denn nur diese Formen der Nephritiden zeigen eine derartig
geringe Ausscheidung. Die Diagnose wurde auch durch den bald darauf erhobenen
Autopsiebefund bei dem zweiten Patienten, der im Coma uraemioum starb, bestätigt.
Die Nieren fanden sich vergrössert und die Rinde stark verschmälert, die Kapsel theil-
weise adhärent. Auf dem Durchsohnitt überall Blutungen, keine Zeichen von Amyloid
der Niere.
Die ausserordentlich geringe Ausscheidung des Phenolsulfophthaleins,
die wir bei den chronischen Nephritiden feststellen konnten, Hess auch
in uns die Vermuthung entstehen, dass in diesen Fällen vielleicht ausser
einer Schädigung der Nieren auch noch die eines anderen Organs,
nämlich der Leber, vorhanden sein könnte. Ein Verdacht, der bereits
von Krehl in seiner pathologischen Physiologie bei der Besprechung der
chronischen Nephritis und Urämie geäussert worden ist. Wenn man sich
den Kreislauf des Phenolsulfophthaleins im Körper, wie er oben ge¬
schildert worden ist, noch einmal vergegenwärtigt, und die Rolle be¬
rücksichtigt, die die Leber hierbei spielt, so können wir das Verhalten
des Farbstoffes sehr wohl als eine Stütze der von Krehl geäusserten
Vermuthung ansehen.
Als ein Beispiel dafür, dass die Farbstoffausscheidung dem patho¬
logischen Geschehen in den Nieren, soweit wir das aus dem klinischen
Bilde schliessen dürfen, parallel geht, möge die nachfolgende Curve dienen.
Dieselbe wurde bei einem 21jährigen Schlächtergesellen M. B. aus Gr.
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80 E. Bobrenroth and L. “Frank,
gewonnen, der mit den Symtomen einer acuten schwereu Nephrite
1 üctiea in die Klinik aüfgenomtpep wurde, Er hatte Starke Qedemean
den E:aroimt;iten, im Gesicht, am Abdomen, weniger am Thorax Bei
Urinmemgen von 700 ecr» und einem speei fischen Gewicht von 3 030,
schied er 12*/,. pM. Eiweiss nach E.sb»c.h aus, Das ungewöhnlich
reichliche Sediineiit enthielt neben zahllosen Cyiindtin aller Art auch
Blutkiirpernliencyfindcr, neben massigen Mengen l^pf^ßji. vifel ßlüt;
Ausserdem fand sieh hei der Aufnahme eihe.,gariz’. : ty*dm Smunisk!erosrt
am l’etris, iudedentu .Drüäenschweüujignn in beiden Eeistoribe.igeri, efoe
mässtgn SchwrUujig der Milz .und eine Roseola m.i wn Grades an Brost
und- Bauch.. Tliter Milchdiät and spe-di-« iwr Behandlung gingen die
EiwCissmengtm von Wj» pM. auf imr mehr Spuren innerhalb von H Tagen
zurück. Vom Ih. Tage an war- der (. r nn,vhl!i> trei. Ihe l.'rimnengen
stiegen iidterhuHi um 8 Tagen yGVj ?uo auf t.kOO m m.sanken daun am. SO.,
,1t.. und 12. Togo wieder inif lüÖ'Ö".hid. 1 toU. Am 17. Tage. wurde eine
zweite polyurisehe. Zacke mit 2000 ccm erreichl, und erst vom 20. bis
21. Tage an stellten sich die Nieren wiederum auf constante und Durch-
sqhnittswecrhe ein. 'Würde man also die Gum bevverthen, wie Se Player
dies bei seinen e-cpcrimcDtelJen Nephritiden that, so hatte man nach einem
Stadium der veberempfiridlichkeit mit Polyurie am 8. Tage eine kurze
Phase der pseudononnalen Einstellung bezw. der beginnenden Enter?
Empfindlichkeit" arn 10, II. um! 12. Tage, der dann allerdings nicht die
Amme, sondern nach einem abermaligen polyunschön Anstieg am steh*
Ztdiriten Krankheitstage der normale Aiiyrherdungsmodus, die Reparation
Plana machte. Die. FarhsblTausseheidtaig betrog am ö, Krankluviislage
bei einer l rinmenge- von 1000 und 4 pMT Eiweiss, nur ■ 30,47 pCt. Web
Ablauf zweier Stunden. Eine Wiederholung der Probe am 21. Tage, zu
; etjtdt Zeit also, wo bei v Cd tigern Mmblbelindcff des tihretÄuchfeft die' Er*
scheinungen der Nephritis abgeklungen waren, ergab die . 'Gestimmt-'
ansse.beidijng 61,7 pG’. erreichte damit also kaum dm -untere Grenze,
dessen,was wir als normal anzusoben gewohnt sind. Dass die Nieren
zu dieser Zeit ketrmswvgs schon out er optnuntetj Bedingungen mbeiiefen,
zeigie. eine dritte- Prüfung, die 10 Tage spater vorgenoummn wurde und
tdneri A Hssrlteid ungswerth von 70,88 pCi. ergab.
h Go gle
Untersuchungen üb. die Function der Niere mit Hülfe derPhenolsulfophthaleinprobe. 81
•
Für die acuten parenchymatösen Nephritiden fanden wir
denn auch in allen übrigen Fällen den gleichen Modus der eben be¬
schriebenen Ausscheidung. Als besonders bemerkenswert!) für die Emp¬
findlichkeit der functionellen Prüfung mit Phenolsulfophthalein, die eine
Schädigung der Nieren bereits erkennen lässt, wenn noch alle klinischen
Symptome fehlen, möchten wir noch folgenden Fall anführen. Es handelte
sich um einen 14 jährigen Schüler L. B., der nach einem mittelschweren
Scharlach, obwohl im Urin weder Eiweiss noch morphologische Bestand¬
teile nachzuweisen waren, nur eine Ausscheidung von 40,4 pCt. zeigte,
also einen Werth, der bereits unterhalb der Grenze des Normalen stand.
Ausserdem fand sich auch ein Verhalten des Farbstoffes, das wir nur in
pathologischen Fällen zu beobachten Gelegenheit hatten. Es wurde näm¬
lich in der zweiten Stunde die gleiche Menge wie in der ersten aus¬
geschieden, während sonst in normalen Fällen die Ausscheidung der ersten
Stunde die der zweiten um 10, ja bis zu 30 pCt. übertrifft. Bei diesem
Knaben setzte dann ungefähr 8 bis 10 Tage später eine Scharlach¬
nephritis ein, die ungefähr 3 Wochen bestand. Leider standen keine
weiteren Fälle, bei denen ähnliche Beobachtungen möglich gewären wären,
zur Verfügung. '
Die Prüfung die wir mit Diureticis und deren Einfluss auf die
Ausscheidung des Farbstoffes Vornahmen, ergab an Nierengesunden keine
Vermehrung der Menge, in Bezug auf die Gesammtquantität der Aus¬
scheidung innerhalb 2 Stunden. Doch schien die Zeit des ersten Er¬
scheinens des Farbstoffes im Urin abgekürzt zu sein.
Herausheben möchten wir aus den übrigen parenchymatösen Nephri¬
tiden wegen ihres anderen pathologisch-anatomischen Befundes die Schar¬
lachnephritis. Untersuchungen, die in dieser Hinsicht an Scharlach¬
kranken vorgenommen wurden, Hessen jedoch eine Veränderung in der
Ausscheidung des Farbstoffes nicht erkennen, sondern auch hier ging die
Ausscheidungsmenge der Schwere der klinischen Erscheinungen parallel.
Eine sichere diagnostische Stütze war uns dann auch der Farbstoff
bei der functionellen Prüfung einseitiger Nierenerkrankungen mit
Hülfe des Ureterenkatheterismus. Wir verfuhren dabei so, dass wir die
Ureterenkatheter während zweier Stunden liegen Hessen, die ausgeschiedene
Urinportion jeder Niere wurde dann auf nur 500 ccm aufgefüllt und von
jedem Theile der darin enthaltene Farbstoff colorimetrisch bestimmt. Zur
Feststellung der Gesammtausscheidung wurden dann beide Mengen zu¬
sammengegossen und noch einmal die ausgeschiedenen Mengen mit dem
Dubosq’schen Apparat gemessen. Wir gelangten dann natürlich zu den
gleichen Werthen, wie wenn wir aus der Summe der beiden ersten
das arithmetische Mittel zogen. Aus dem ersten Resultat ersahen wir
dann nur das Verhältniss der Ausscheidungen der beiden Nieren zu
einander.
Wir prüften dann auch noch das Verhalten des Phenolsulfophthaleins
bei experimentell erzeugten Nephritiden und zwar an tubulären
wie auch an vasculären. In der Versuchsanordnung hielten wir uns an
die Methodik, wie sie von Schlayer und Takayasu in ihrer Arbeit
„Untersuchungen über die Function kranker Nieren“ angewandt worden ist.
Zeitschrift f. «xp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. g
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82 E. ßehrenroth und L. Frank,
Wir orientirten uns zuerst an einer grösseren Reihe von normalen
Kaninchen über den Procentgehalt der Farbstoffausscheidung innerhalb
der ersten zwei Stunden nach Injection in die Rückenmusculatur. Die
Werthe, die wir hierbei fanden, schwanken zwischen 40 und 50 pCt. des ge-
sammten injicirten Phenolsulfophthaleins, dessen Dosis wieder 6 mg betrug.
Die Thiere erhielten dann von einer 1 proc. Urannitratlösung 1 ccm pro
Kilogramm Thier intramusculär. Am darauf folgenden Tage war schon
eine starke Verminderung der Ausscheidungen einer neu eingeführten
Farbstoffmenge nachzuweisen. Vom zweiten Tage an war dann bei
Wiederholung des Versuches Farbstoffausscheidung überhaupt nicht mehr
zu erlangen. Wir sahen also auch hier in Uebereinstimmung mit unseren
klinischen Befunden die Ausscheidung parallel gehen mit der Schwere
der Tubulusschädigung, denn in allen diesen Fällen bestand eine aus¬
gedehnte tubuläre Nephritis, die schon am zweiten Tage äusserst hoch¬
gradig war. Was die vasculären Nephritiden betraf, so konnten wir zu
einem abschliessenden Urtheil nicht kommen, da die sehr starke Oligurie
oder Anurie die Wiedererlangung des Farbstoffs verhinderte. Die von
Schlayer und Takayasu angegebenen Dosen zur Erzeugung der vascu-
culären Nephritis scheinen auch etwas zu hoch genommen zu sein, denn
obwohl wir uns stets weit unter der oberen Grenze der von ihnen an¬
gegebenen Mengen hielten — es waren dies für Kantharidin bis zu 5,96 mg
pro Kilogramm Thier — für Arsen bis zu 7,6 mg pro Kilogramm Thier,
starb doch die Hälfte der Versuchstiere wenige Stunden nach der In¬
jection an den Folgen der schweren Allgemeinschädigung und vom zweiten
Tage nach der Injection Hess sich irgend welche Einwirkung des ein¬
geführten Arsens und Kantharidins auf die Farbstoffausscheidung nicht
mehr feststellen.
Zusammenfassung.
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen könnon wir kurz dahin zu¬
sammenfassen:
1. Gegenüber allen anderen Methoden der functionellen Nierendia¬
gnostik verdient die Untersuchung mit Phenolsulfophthalein wegen
ihrer Einfachheit und Zuverlässigkeit den Vorzug.
2. Während bei der Untersuchung normaler Nieren die in der ersten
Stunde ausgeschiedene Farbstoffmenge die der zweiten um ein
Beträchtliches übersteigt, werden in pathologischen Fällen die
Farbstoffmengen gleich, oder die Ausscheidung in der zweiten
Stunde ist sogar grösser, als die in der ersten.
3. Bei der Beurtheilung einseitiger Nierenerkrankungen leistet das
Phenolsulfophthalein gute Dienste, wenn man nach erfolgtem
Ureterenkatheterismus die von jeder Niere in zwei Stunden aus¬
geschiedenen Farbstoffmengen in Betracht zieht.
4. Es lassen sich Nierenschädigungen nachweisen, die klinisch in
Bezug auf Eiweissausscheidung und morphologische Bestandtheile
keinen pathologischen Befund bieten.
5. Die Annahme, dass bei chronischer Nephritis ausser der Schädigung
der Niere auch eine Leberschädigung vorhanden ist, wird durch
das Verhalten des Phenolsulfophthaleins wahrscheinlich gemacht
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Untersuchungen üb. dieFunction derNiere mit Hülfe derPhcnolsulfophthaleinprobe. 83
Literatur.
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No. 46. S. 2172.
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Die nierendiagnostische Methode von Rowntree und Geraghty, die Bestimmung des
Rhodans im Speichel etc. Münch, med. Wochenschr. 1912. No. 49. S. 2657.
18. Sehrt, Die Phenolsulfophthaleinmethode zur Bestimmung der Nierenfunction.
Centralbl. f. Chir. 1912. No. 33. S 1121.
6 *
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VII.
Aus der II. med. Universitäts-Klinik der Königl. Charit6 zu Berlin.
Fieber und Chininwirkung im Fieber.
Von
Dr. med. Rahel Hirsch,
Assistentin der Klinik.
(Mit 2 Abbildungen und 6 Cunren im Text.)
Einleitung.
Ehe ich auf die einzelnen historischen Daten der Stoffwechsel¬
pathologie des Fiebers eingehe, möchte ich einige Hauptgesioh ts-
punkte, auf die ich im Einzelnen noch zurückkommen werde, hervor¬
heben.
Während man bis auf Traube die Wärmesteigerung im Fieber
als Folge vermehrter Wärmebildung angesehen hatte, trat Traube 1 ),
der ursprünglich auch diese Anschauung vertreten, 1863 mit der Be¬
hauptung hervor, dass es sich beim Fieber im Wesentlichen nicht um
vermehrte Wärmebildung, sondern um verminderte Wärmeabgabe handle;
letztere komme durch Contraction der kleinen und kleinsten Hautgefässe
zu Stande. Traube ist auch einer der ersten Forscher gewesen, der ver¬
mehrte Harnstoffbildung im Fieber constatirt hat; sie ist aber nach
ihm nicht StolTwechsclproduct, sondern entsteht durch Oxydation albu-
minöscr Stoffe im Blute. Die Wärmeproduction wird dadurch wenig
oder gar nicht beeinflusst.
Diese neue Traube’sche Theorie entfesselte einen Sturm in der
wissenschaftlichen Welt und bildet den Ausgangspunkt zahlreicher Stoff¬
wechseluntersuchungen. Die Harnstoffvermehrung ist nämlich nach
Traube auch Ausdruck verminderter Oxydation in den Geweben.
Für die Wärmeproduction kommen neben den Kohlehydraten noch haupt¬
sächlich die Fette in Betracht. Wenn sich auch Traube’s Standpunkt
in der Verallgemeinerung nicht haltbar erwies, so liegt in der Anregung,
die er der wissenschaftlichen Welt geschenkt, allein schon grosses Ver¬
dienst.
Liebermeister 2 ) stellte dann auf Grund experimenteller Daten fest,
dass die Verminderung der Wärmeabgabe innerhalb einer halben
Stunde noch nicht ausreiche, die Gesamtkörperwärme in dieser Zeit um
1° zu erhöhen. Fieber ist nach Liebermeister ein Symptomencomplex,
1) Traube, Allgem. med. Centralztg. 1863, 1864. Ges. Abhandl. Bd. II.
S. 637, 679.
2) Liebermeister, Path. u. Therapie des Fiebers. 1875.
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
85
der durch veränderte Wärmeregulirung ausgelöst wird. Die Wärme-
production wird hierdurch über die Norm gesteigert, die Wärmeabgabe
zwar ebenfalls, aber nicht in dem Maasse wie die Production. „Zum
Wesen des Fiebers gehört, dass die Wärmeregulation gewissermaassen auf
einen abnorm hohen Temperaturgrad ,eingestellt 1 ist. Es existirt im
fieberkranken Körper die Tendenz, die Körpertemperatur auf einer abnorm
hohen Stufe zu erhalten.“
Traube’s Theorie, die hauptsächlich durch Liebermeister und
Leyden in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verdrängt
worden war, kam dann durch Senator in modificirter Weise wieder zu
Ansehen. Je nachdem man in der Folge dann Erhöhung oder Ver¬
minderung des Stoffwechsels im Fieber festgestellt und dabei gleichzeitig
vermehrte oder verminderte Wärmeabgabe constatirt hatte, sah man in
der Temperatursteigerung entweder das Primäre, die Ursache des nach
Maassgabe der vermehrten Harnstoffausscheidung erhöhten Stoffwechsels,
oder den Folgezustand erhöhten Eiweisszerfalles. Nachdem der erhöhte
Stoffumsatz für das Eiweiss allgemein beobachtet worden war, entbrannte
ein Kampf um das Verhalten der stickstofffreien Substanz im Fieber.
Liebermeister und Leyden vertraten auf Grund experimenteller
Forschungsergebnisse den Standpunkt, dass im Fieber auch die Kohlen¬
säureausscheidung vermehrt sei, was von Senator energisch bis an
sein Lebensende bestritten worden ist. Senator ging in seinen Aus¬
führungen so weit, dass er den Satz aufstellte, der Körper werde im
Fieber ärmer an Eiweiss und reicher an Fett.
Kraus 1 ), der zuerst beim fiebernden Menschen die Zuntz-
Geppert’sche Methode in die Klinik eingeführt und mit dieser Methode
die Frage der Kohlensäureausscheidung beim Menschen zu entscheiden
versucht hat, war auf Grund seiner eigenen Beobachtung und nach Würdi¬
gung der bis zum Jahre 1906 vorliegenden Untersuchungen zu folgendem
Resultate gelangt: „Dass der respiratorische Quotient durch den
fieberhaften Process bezw. durch die allgemeine Reaction der
Infccte an sich nicht beeinflusst wird und deshalb wie beim
Gesunden abhängig ist vom jeweiligen Ernährungszustand,
dem Körperbestand und dem jeweilig der Zersetzung anheim¬
fallenden Material.“
Meine eigenen experimentellen Beobachtungen haben nun, wie ich
vorwegnehmend gleich an dieser Stelle betonen möchte, zur Entscheidung
dieser Frage — ob Fettzerfall neben dem Eiweisszerfall wesentlich
in Betracht zu ziehen ist — werthvolles Material geliefert. Der fiebernde
Mensch, wie das fiebernde Thier verlieren zumeist nach kürzerer oder
längerer Fieberdauer den Appetit, die Nahrungsaufnahme verschlechtert
sich, und unter solchen Umständen kann man daher die Stoffwechsel¬
vorgänge nicht auf das Fieber allein zurückführen.
Auch Stähelin’s Fieberhund zeigte dies schon am ersten Krank¬
heilstage, er frass die Nahrung nicht mehr ganz auf. Auch „in den
1) Kraus, Fieber und Infection. v. Noorden’s Handbuch der Pathologie des
Stoffwechsels. S. 630.
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86
Rahel Hirsch,
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nächsten Tagen konnte er nur mit Mühe zum Fressen seiner Portion
gebracht werden“. Er hat als „Fieberhund“ 20 Tage gelebt. Mein
erster Fieberhund, ein Thier von 35 kg Körpergewicht, dessen Stoff¬
wechsel bei qualitativ und quantitativ gleicher Nahrung 2 Monate vor
dem Fieber beobachtet worden ist, hat 2 Monate lang gefiebert
und dabei dieselbe Nahrung wie in den gesunden Tagen qualitativ
und quantitativ selbst an den schwersten Krankheitstagen bis zum
Todestage mit einem Male aufgefressen. Das Thier ist, wie die Obduction
ergeben hat, lediglich an Fieberkachexie zu Grunde gegangen.
Nirgends waren entzündliche Processe zu constatiren. Ueberall war der
auffallende Fettschwund zu constatiren.
Wenn von diesem Thiere auch gar keine Stoffwechselversuche vor¬
lägen, so würde nach dem Obductionsbefund die Berücksichtigung der
Thatsache allein, dass täglich die vollständige Nahrungsaufnahme wie in
den gesunden Tagen mit derselben Fresslust zu beobachten gewesen,
schon genügen, um behaupten zu können, däss im Fieber die Fett¬
zerstörung neben dem Eiweisszerfall gleichwerthig eine Rolle spielt.
Die bei diesem Thiere beobachtete fettige Degeneration des Herzmuskels
und der Nieren kommt neben dem totalen Fettschwund des Unterhaut¬
gewebes gar nicht in Betracht.
Was die verminderte Wärmeproduction anbetrifft, so kann solche
auch nach meiner experimentellen Erfahrung „gelegentlich“ bei hoher
Fiebertemperatur Vorkommen, es handelt sich dabei aber sicherlich nur
um ein Stadium, um ein vorübergehendes. Die früher so oft
hervorgehobene unbedingte Abhängigkeit der Fiebercurve von
Stoffwechselvorgängen und umgekehrt dürfte nach meinen Chinin¬
versuchen als erledigt gelten. Die hohe Temperatur kann durch
Chinin ganz unbeeinflusst bleiben und der vorher bedeutend ge¬
steigert gewesene Stoffwechsel sich dabei auf normales Niveau
wieder einstellen.
Diese Divergenz der Erscheinungen deutet darauf hin, dass die
wärmeregulatorischen Mechanismen durch Chinin nicht beeinflusst werden.
Die Unabhängigkeit der Fiebercurve von dem Stoff- und Energie¬
umsatz stützt den von Liebermeister zuerst ausgesprochenen und von
Kraus stets propagirten Satz, dass der Fiebernde die Tendenz hat,
seine Temperatur auf abnorm hoher Stufe zu halten.
Kraft- und Stoffwechsel im Fieber.
Priestley und Lavoisier haben sich zuerst wissenschaftlich-experi¬
mentell mit der Frage der Eigenwärme beschäftigt und nachgewiesen,
dass die Athmung ein Verbrennungsprocess ist, dass Sauerstoff aufge¬
nommen und als Verbrennungsproduct Kohlensäure ausgeschieden wird.
„Drei Regulatoren beherrschen“, nach Lavoisier 1 ), „die thierische Maschine,
die Respiration, die Wasserstoff und Kohle verbraucht und Wärme
liefert, die Transpiration, die je nach Bedürfniss mehr oder weniger
Wärme fortschafft und dadurch die Temperatur sinken oder steigen
1) Lavoisier, Mera. de Facad. de Science. 1789.
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
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lässt, endlich die Digestion, welche dem Blute ersetzt, was es durch
Respiration und Transpiration verliert. Diese drei Cardinaisätze sind
dann der Ausgangspunkt zahlreicher Stoffwechseluntersuchungen im Fieber
gewesen.
Die Lehre vom febrilen Stoffurasatz wurde angeregt durch die
Beobachtung Traube’s 1 ), die er zusammen mit Jochmann gemacht
hatte: die Vermehrung der Harnstoffausscheidung im Fieber.
Dieser Befund wurde von vielen Autoren nachgeprüft und bestätigt, so
besonders von Huppert 2 ), Unruh 3 ), Senator 4 ) und Naunyn 5 ).
Naunyn hatte beim experimentell erzeugten Fieber des Hundes
constatirt, dass Steigerung des Eiweisszerfalles durch die Oxydations¬
vorgänge auftritt, ehe die Steigerung der Temperatur durch das Thermo¬
meter zu erkennen ist. Dieses Symptom des gesteigerten Eiweissumsatzes
löste dann die Frage aus, ob dieser erhöhte Eiweisszerfall Ursache
oder Folgezustand der gestörten Wärmeregulation sei. Naunyn und
v. Leyden sahen in der Störung der Wärmeregulation das wesentliche
Moment, während Senator dem erhöhten Eiweisszerfall besondere
Bedeutung zusprach.
Man schenkte dann weiterhin den stickstofffreien Substanzen im
Fieber nach Maassgabe der Kohlensäureausscheidung Aufmerksam¬
keit. Nach Auerbach 6 ) sollte letztere vermindert sein. Dasselbe
fanden Lehmann und Senator bei kleinen Thieren.
Von Bedeutung sind dann vor Allem die umfassenden Versuche von
v. Leyden 7 ), durch die er ebenso wie Lieberraeister 8 ) constatirt hat, dass
die Wärmeabgabe in sämmtliohen Stadien des Fiebers gesteigert ist, und zwar
ziemlich proportional der Temperaturerhöhung. Da v. Leyden keine ver¬
mehrte Wasserproduction dabei beobachtete, nahm er an, dass bei hohem
Fieber eine Wasserretention bestehe. Durch Unruh (1. c.) Hess v. Leyden
(1. c.) dann Untersuchungen über die stickstoffhaltigen Substanzen anstcllen
und beschäftigte sich selber mit respiratorischen Vorgängen im Fieber.
1) Traube und Jochmann, Zur Theorie des Fiebers. Deutsche Klinik. 1855.
No. 46.
2) Huppert und Ries eil, Ueber den Stickstoffumsatz im Fieber bei Febris
recurrens. Arch. f. Heilk. Bd. 7, 8, 10.
3) Unruh, Ueber die Stickstoffausscheidung bei fieberhaften Krankheiten.
Virch. Arch. Bd. 48.
4) Senator, Untersuchungen über den fieberhaften Process. 1873. — Beitrag
zur Lehre von der Eigenwärme nach dem Fieber. Virch. Arch. 1869. Bd. 48. —
Untersuchung über dio Wärmebildung nach dem Stoffwechsel. Reichert und du Bois-
Reymond’s Arch. 1872.
5) Naunyn, Reicheres und du Bois-Reymond’s Arch. f. Anat. u. Phys. 1870.
S. 159.
6) Auerbach, Erwägungen über die Ursachen der Fieberwärme. Deutsche
Klinik. 1864. No. 22 u. 23.
7) v. Leyden, Untersuchungen über die Respiration im Fieber. Deutsches
Arch. f. klin. Med. 1869. Bd. 7. S. 536. — Centralbl. f. d. med. Wisscnsch. 1868.
No. 47 u. 48.
8) Liebermeister, Pathologie und Therapie des Fiebers. Leipzig 1875.
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üm dieselbe Zeit ist Senator (1. c.) (1869) mit seiner ersten aus¬
führlichen Arbeit über verschiedene Fragen der Fieberlehre hervor¬
getreten. Dass der gesteigerten Harnstoffausscheidung eine vermehrte
Harnsäureausscheidung entsprach, hatten Bartels 1 ) und Senator
früher schon gefunden. Auch das Kreatinin und die absolute Menge
freier Säure sollten vermehrt ausgeschieden werden.
Nach v. Leyden’s Untersuchungen besteht eine unbedingte Abhängig¬
keit der Kohlensäureausscheidung von Teraperatursteigerungen im Fieber
nicht, obwohl die C0 2 -Production im grossen Ganzen darnach gesteigert
ist. Lehmann und Senator (I. c.) fanden bei kleineren Thieren eher
eine Verminderung der Kohlensäureausscheidung im Fieber.
v. Leyden hielt an seinem Untersuchungsergebniss, dass neben der
N-Ausscheidung die C0 2 -Production gesteigert ist, nach erneuten Fieber¬
untersuchungen mit A. Fränkel 1 ) fest. Sie fanden nämlich, dass bei
fiebernden und hungernden Hunden eine Steigerung der C0 2 -Ausscheidung
eintritt, während beim Hungern allein die C0 2 -Menge abnimmt. Das
Eiterfieber der Hunde zeigt nach v. Leyden und A. Fränkel zu Beginn
oder auf der Höhe des Fiebers eine exquisite Steigerung der C0 2 -
Production. Die Autoren betonen ausdrücklich, dass es sich nicht
um eine vermehrte Ausscheidung der im Körper vorhandenen
Kohlensäure, sondern um den Folgezustand gesteigerter Ver-
brennungsprocesse im Körper handelt.
Wertheim 3 ) hat nach wiederholt angestellten Versuchen beim
fiebernden Menschen ausnahmslos Verminderung der Kohlensäure¬
ausscheidung beobachtet. Die absolute Ausathmungsluftraenge war dabei
„fast jedesmal vermehrt“.
Senator hat im Respirations-Calorimeter an verschiedenen Hunden
Untersuchungen gemacht. Von den 7 Versuchsreihen zeigten 3 auch an
späteren Fiebertagen Verminderung der Kohlensäure. In den übrigen
Reihen tritt deutliche Vermehrung auf. Letztere bedeutet nach Senator
nur vermehrte Ausscheidung. Nach Senator entspricht selbst die
durchschnittliche Zunahme der C0 2 -Ausscheidung nicht der gleichzeitig
beobachteten Vermehrung des Harnstoffes. Der Eiweisszerfall ist stärker
im Eiterfieber als die Verbrennung von N-freien Substanzen bis zur Kohlen¬
säure, letztere erscheint sogar herabgesetzt. Daher wird nach Senator
der fiebernde Körper relativ fettreicher als der nichtfiebernde bei gleicher
Ernährung, und daraus erklärt Senator die häufige fettige Degeneration
der Gewebe. Die Wärmeabgabe ist nach Senator anfangs eher ver¬
mindert, niemals vermehrt. Senator zweifelt überhaupt daran, ob bei
länger dauerndem Fieber unter denselben Ernährungsbedingungen die
insgesammt producirte Wärmemenge grösser ist als sie in derselben
Zeit ohne Fieber gewesen wäre.
1) Bartels, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1875. Bd. 1. S. 13.
2) v. Leyden und Fränkel, Ueber den respiratorischen Gasanstansch im
Fieber. Virch. Aroh. 1879. Bd. 76. S. 136.
3) Wertheim, Gustav, Neue Untersuchungen über den Respirations - Gas¬
austausch im fieberhaften Zustande des Menschen. Med. Jahrb. d. k. k. Ges. d. Aerzte
in Wien. 1882.
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Fieber and Chininwirknng im Fieber.
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In diesen Anschauungen manifestirt sich der principielle Unterschied
zwischen der Theorie Senator’s und der von Liebe^meister und
v. Leyden vertretenen Anschauung. Eine Entscheidung der von Senator
aufgestellten Behauptung suchte dann zum ersten Male Kraus 1 ) beim
fiebernden Menschen zu treffen. Nach der Zuntz-Geppert’schen
Methode fand Kraus, dass Fieber vorhanden sein kann, ohne dass der
respiratorische Gaswechsel nennenswerthe Abweichungen von
der Norm aufweist. Da, wo Steigerung überhaupt nachweisbar ge¬
wesen, stand sie zur Höhe der Temperatur nicht in directem Ver-
hältniss.
Mit derselben Methodik stellte A. Loewy 2 3 ) dann fest, dass die ver¬
mehrte Körperwärme durchaus nicht immer mit einer Steigerung der
Verbrennungen im Körper parallel verläuft. Auch Loewy fand die
Unabhängigkeit einer vorhandenen Steigerung des Gaswechsels von der
Temperaturhöhe, sowie, dass auf der Höhe des Fiebers die Oxydationen
vollkommen normal sein können.
May 8 ) hat an Kaninchen, die mit Schweinerothlauf inficirt waren,
eingehende Untersuchungen angestellt; er fand erst am zweiten Fieber¬
tage Steigerung des Stoffumsatzes. Mit dem Abnehmen der Temperatur
sank auch der Stoffumsatz zur Norm ab.
Lilienfeld 4 ) constatirte ebenfalls beim hebernden Kaninchen er¬
höhte Kohlensäureausscheidung; dasselbe fand Finkler 5 ) beim fiebernden
Meerschweinchen.
Beim fiebernden Thiere hat Rosenthal 6 ) gefunden, „dass im
Stadium des Temperaturanstieges die Wärmeabgabe vermindert ist“, so
„dass wir daher berechtigt sind, die Temperaturerhöhung in diesen
Fällen als Folge der Wärmeretention anzusehen“. Beim fiebernden
Menschen kam Rosenthal zu ähnlichen Resultaten: Verminderung
der Wärmeabgabe im Fieberanstieg, Vermehrung auf der Höhe des
Fiebers.
Nebelthau 7 ) fand bei seinen calorimetrischen Untersuchungen an
hungernden Kaninchen im fieberfreien und fieberhaften Zustande vermehrte
Wärmeabgabe und vermehrte Kohlensäureausscheidung beim Ansteigen
der Körpertemperatur. Bei einigen Versuchen ist die Gesammtwärme-
abgabe im Fieberstadium vermindert, allerdings nur vorübergehend im
Fieberanstieg während einzelner Stunden.
1) Kraus, F., Respiratorischer Gasaustausch im Fieber. Zeitschr. f. klin. Med.
Bd. 18.
2) Loewy, A., Stoffweobseluntersucbungen im Fieber und bei Lungenaffection.
Virch. Arch. 1891. Bd. 126. S. 13.
3) May, Ueber Stoffwechsel im Fieber. Zeitschr. f. Biol. Bd. 30. S. 1.
4) Lilienfeld, Untersuchungen über den Gas Wechsel fiebernden Thiere.
Pflüger’s Aroh. 1883. Bd. 32. S. 293.
5) Finkler, Ueber das Fieber. Püüger’s Arch. Bd. 29. S. 198.
6) Rosenthal, DieWärmeproduction im Fieber. Berl. klin. Wochenschr. 1891.
No. 32. S. 785; und Festsohrift für Virchow. 1891. Bd. 1. S. 413.
7) Nebelthau, Calorimetrische Untersuchungen am hungernden Kaninchen im
fieberfreien und fieberhaften Zustande. Habil.-Schrift. R. Oldenburg, München 1894.
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Mit Rubner’s Caloriraeter haben Krehl und Matthes 1 ) an fiebernden
Meerschweinchen und Kaninchen langdauernde Versuchsreihen angestellt.
Der Temperaturanstieg erfolgte mit Ausnahme von 2 Fällen unter
Erhöhung der Wärmebildung. Im Mittel verhält sie sich zu der der
Norm wie 110 : 100.
Auch Krehl und Matthes finden, wie Kraus betont hat, dass
die erhöhte Wärmeproduction mit der Temperatursteigerung nicht parallel
verläuft. Sie finden, wie Rosenthal, dass im Allgemeinen bei dem
Temperaturanstieg das Thier seine Wärmeabgabe einschränkt. Auf der
Höhe des Fiebers wurde mit Ausnahme weniger Fälle eine Erhöhung
der Wärmebildung beobachtet. Maximale Steigerung = 160 : 100,
niedrigste = 107 : 100, das Mittel lag bei 119. Die Versuche sind durch¬
weg im Hungerzustand angestellt.
Dass bei fiebernden Menschen eine, wenn auch massige Steigerung
der Oxydationen vorkommt, fand Riethus 2 ), aber auch er constatirte
dies nicht als Regel. Ueber herabgesetzten Stoffwechsel im Fieber
liegen demgegenüber auch Untersuchungsergebnisse vor. So nach Robin
und Bin et 3 ) bei einem Fiebernden kurz vor seinem Tode. Aehnliche
Befunde beim fiebernden Menschen theilen Arlong und Laulanie 4 ) mit.
Sie fanden bei Diphtherie Abnahme der 0 2 -Aufnahme und der (^-Aus¬
scheidung. Ueber Beobachtungen bei mit Pyocyaneusculturen inficirten
Kaninchen berichtet Henrijean 5 ) dasselbe.
Beim Tuberculinfieber des Menschen fand Steyrer 6 ), dessen Beob¬
achtungen sich auf den Gesammtstoff- und Energieumsatz von 24 Stunden
beziehen, dass bei mässiger Temperatursteigerung und relativ kurzer
Dauer der Gesammtstoffwechsel nicht gesteigert zu sein braucht.
Stähelin 7 ) stellte am Hunde bei länger dauerndem Fieber den Ge-
saramtumsatz fest. In den ersten Tagen der Infection zeigte die Wärrae-
production ungefähr die normalen Werthe. Beim Fieberanstieg war sie
eher vermindert, was dem von Senator und von Rosenthal gefundenen
Resultat entspricht. Die Höhe des Fiebers zeigt nach Stähelin’s Unter¬
suchungen aber Steigerungen der Wärmeproduction um 45—47 pCt.
Carpenterund Benedict 8 ) fanden im Respirationscalorimeter nach
mehrtägigen Versuchen, Tag und Nacht, eine relativ geringe Erhöhung
der Kohlensäureauscheidung und der Sauerstoffaufnahrae.
Untersuchungen über Wirkungen der Infection beim Kaltblüter
1) Krehl und Matthes, Wie entsteht die Temperatursteigerung des fiebernden
Organismus? Arcb. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 38. S. 284.
2) Riethus, Gaswechsel kranker Menschen. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm.
Bd. 44.
3) Robin und Bin et, Arch. g6n. de mcd. 1896. Juin et Octobre.
4) Arlong und Laulanie, Semaine med. 1905.
5) Ilenrijean, Trav. du laborat. de L. Frödtfricq. 1887.
6) Steyrer, Leber Stoff- und Energieumsatz im Fieber. Diese Zeitschr. 1907.
Bd. 9. S. 729.
7) Stähelin, lieber Stoffwechsel und Eiweissverbrauch bei der Surraerkran-
kung. Arch. f. Hygiene. Bd. 49. S. 77.
8) Carpenter und Benedict, Amer. journ. physiol. 1909. Vol. 24. No. 11.
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
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haben Krehl und Soetbeer 1 ) gemacht. Die inficirten Frösche produ-
cirten auf der Höhe der Infection mehr Kohlensäure als nachher. Diese
Steigerung betrug über 100 pCt. bei einem Thiere, das keine Tempe¬
raturerhöhung zeigte. Im weiteren Verlaufe ging der erhöhte Umsatz
zurück und wich sogar einer deutlichen Herabsetzung der Wärme-
production. Bei grösseren Versuchsreihen einer grossen Zahl von
Patienten — vorwiegend Typhuskrankep — haben Schwenkenbecher
und Inagaki 2 ) genau das Verhältnis zwischen aufgenommenera und aus¬
geschiedenem Wasser geprüft. Danach liegt köine Wasserretention,
sondern Wasserverlust vor. Stähelin, der bei seinem fiebernden Hund
auch die Wasserbilanz berechnet hat, fand Werthe, die auch nicht für
Wasserretention sprechen. Die von Carpenter und Benedict (1. c.) im
Respirationscaloriraeter beim fiebernden Menschen angestellten Versuche
ergeben Vermehrung der Wasserdampfabgabe. Allerdings bezeichnen die
Autoren ihre Resultate nur als vorläufige. Dazu ist weiterhin zu bemerken,
dass es sich nur um geringfügiges Fieber bei Quecksilberintoxication ge¬
handelt hat.
Nach Lang 3 ) wächst die Hautwasserausscheidung nicht im
Fieber, ist sogar relativ vermindert. Zur Wasserretention kommt es aber
nur bei Niereninsufficienz oder bei abnormen Processen der Wasser¬
aufnahme in anderen Organen. Herz 4 ) vertritt letztere Anschauung.
Im Fieber sollen nach seiner Annahme eigenartige Quellungszustände in
den Zellen Vorkommen, die zur Wasserretention führen und in letzter
Linie die Fieberwärme selber erklären. Dass die Blutzellen im Fieber,
wie Herz angab, eine Schwellung zeigen, ist durch die Untersuchungen
von Th. Pfeiffer 5 ) nicht bestätigt worden.
Specielle Arbeiten über die Wasserretention im Fieber liegen
dann noch von Glax 6 ) vor. Nach diesen Untersuchungen würde im Fieber
Wasser im Organismus zurückgehalten und in der Reconvalescenz durch
vermehrte Harnfluth wieder ausgeschieden werden. Nur die Ausscheidung
des Wassers mit dem Urin ist bei dieser eingehenden Arbeit berücksichtigt.
Bei einem Falle von Typhus haben Riva-Rocci und Cavallero 7 ) zu
Anfang Retention, dann Wassergleichgewicht und endlich Entwässerung
des Organismus festgestellt.
Was den respiratorischen Quotienten im Fieber anbetrifft, so
haben verschiedene Autoren abnorm tiefe Werthe beobachtet, bis auf 0,6
1) Krehl und Soetbeer, Wärrneökonomie und Gaswechsel bei poikilothermen
Wirbelthieren. Arch. f. exper. Pathoi. u. Pharm. Bd. 40. S. 275.
2) Schwenkenbeoher und Inagaki, Ueber die Schweisssecretion im Fieber.
Aroh. f. exper. Pathoi. u. Pharm. Bd. 53. S. 365. — Schwenkenbecher, Med.
Klinik. 1907. No. 28 u. 29. Arch. f. klin. Med. Bd. 79. S. 56.
3) Lang, Beobachtungen über die Wasserausscheidung durch die Lungen und
Haut unter dem Einfluss des Fiebers. Arch. f. klin. Med. Bd. 79. S. 343.
4) Herz, M., Untersuchungen über Wärme und Fieber. Wien 1893.
5) Pfeiffer und Kraus, Fieber und Infection. v. Noorden’s Handbuch. Bd. I.
S. 637.
6) Glax, Festschr. f. Rollett. Jena 1893. Wasserretention im Fieber. Jena 1894.
7) Riva-Rocci und Cavallero, Rivista clinica. 1890.
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und 0,5. Regnard 1 ) hat zuerst darauf hingewiesen, dass im Ver¬
hältnis zum aufgenoramenen Sauerstoff weniger Kohlensäure aus¬
geschieden wird. Er folgert daraus, dass die Verbrennungen im Orga¬
nismus des Fiebernden unvollkommener als beim Gesunden sind. Aus
diesen ungenügenden Oxydationen sollen Zwischenproducte stammen, die
sich im Blute anhäufen und das Sinken des respiratorischen Quotienten
bedingen. Im Thierexperiment wurden diese niedrigen Werthe dann be¬
stätigt von Finkler, May, A. Loewy; niedrige Werthe für den respira¬
torischen Quotienten beim Menschen constatirte A. Loewy und Riethus.
Im Gegensatz hierzu stehen die Untersuchungsergebnisse von Kraus, der
beim fiebernden Menschen constatiren konnte, dass der respiratorische
Quotient durch den fieberhaften Process an und für sich nicht beeinflusst
wird und ebenso wie beim Gesunden von dem Ernährungszustand
zur Zeit der Untersuchung abhängig ist. Auffallend niedrige Werthe
fanden dann Rolly und Hornig 2 ) beim Typhuskranken. Nicht nur als
Nüchtern werthe zeigten sich diese abnorm tiefen Werthe, sondern auch
nach leichter Nährflüssigkeit trat keine Steigerung des respiratorischen
Quotienten ein. Die Autoren schliessen hieraus, dass durch abnorme
Körpereiweisszersetzung Sauerstoff im Organismus retinirt wird. Bei
fiebernden Lungenkranken, besonders im Stadium der Consumption, beob¬
achtete Grafe 3 ) sehr niedrige Werthe für den respiratorischen Quotienten.
Diese wurden theils auf den Inanitionszustand, theils auf die Infection
bezogen.
Da die vorliegenden Versuche sich fast ausschliesslich auf kurze
Untersuchungsdauer erstreckten, legte Grafe 4 ) bei seinen weiteren Be¬
obachtungen am fiebernden Menschen Werth darauf, stundenlang (5 bis
9 Stunden) die Versuche auszudehnen und konnte danach feststellen, dass
„nach dem respiratorischen Gaswechsel beurtheilt, die Umsetzungen im
Fieber qualitativ die gleichen sind wie in der Norm, und dass die kurz
dauernden Versuche zu falschen Vorstellungen über die thatsächlichen
Verhältnisse Anlass gegeben haben. u
Neuerdings haben Freund und Grafe 5 ) die Wirkung des asep¬
tischen Fiebers auf die Wärmeproduction und den Eiweissumsatz ge¬
prüft. Nach Injcction isotonischer Lösungen (NaCl, Ringer, Zucker,
Adrenalin) bei Kaninchen zeigte das auftretende Fieber die charakte¬
ristischen Merkmale des infectiöscn Fiebers: Steigerung der Wärmepro-
1) Regnard, Rech. exp. sur les variat. pathol. des combustions resp. These
de Paris. 1878 und Progres med. 1879.
2) Rolly und Hürnig, StolTvvechseluntersuchungen an Typhuskranken. Arch.
f. klin. Med. 1908. Bd. 95. S. 74.
3) Grafe, Gasvvecbseluntersuchungen bei fortgeschrittenen Erkrankungen der
Lunge. Arch. f. klin. Med. 1909. Bd. 95. S. 543.
4) Grafe, Untersuchungen über denStofT- und Kraftwechsel im Fieber. Deutsches
Arch. f. klin. Med. 1910. Bd. 101. S. 209. Zur Frage des Stoff- und Kraft Wechsels
im Fieber. Ebendas. 1911. Bd. 102. S. 213.
5) Freund und Grafe, StolTwechseluntersuchungen beim experimentellen Koch¬
salzfieber. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. 1911. Bd. G7. S. 55.
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
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duction und vermehrten Eiweissumsatz. Zu ähnlichen Resultaten gelangte
Verzar 1 ) bei seinen Studien über die Wirkung intravenöser Kochsalz¬
infusionen auf den Gaswechsel. Rolly 2 ) fand bei kurz dauerndem Koch¬
salzfieber keine deutliche Steigerung des Stickstoffumsatzes.
Was die Steigerung des Stickstoffurasatzes anbetrifft, so hat man,
sobald es sich um eine solche beim infectiösen Fieber handelt, von soge¬
nanntem „toxischen“ Eiweisszerfall gesprochen. Nun war aber beim
Menschen sowohl wie beim Thier experimentell schon lange festgestellt
worden, dass die Hyperthermie allein ebenfalls zur Steigerung des
Wärmeumsatzes führt [Bartels 3 ), Frey u. Heiligenthal 4 ), Schleich 5 ),
Naunyn 6 )]. Beim Aronsohn-Sachs’schen Wärmestich beim Kaninchen
hatten diese Autoren selber, sowie Girard 7 ), Senator und P. F. Richter 8 )
Steigerungen des Stickstoffumsatzes festgestellt. Einen prineipiellen
Unterschied zwischen der Hyperthermie (Wärmestich) und dem in¬
fectiösen Fieber sehen Hirsch und Rolly 9 ) in der Rolle, die das
Glykogen hierbei spielt: Sie finden einmal in Uebereiustiramung mit
P. F. Richter, dass durch die Temperaturerhöhung allein das Glykogen
der Organe abniramt. Andererseits sollen glykogenarme Thiere über¬
haupt nicht mehr auf den Wärmestich mit Temperaturerhöhung reagiren,
während inficirtc Thiere — ob glykogenarm oder nicht — stets die
charakteristische Temperatursteigerung zeigen. Diese letzteren Versuche
sind nun aber nicht bestätigt worden. Senator und P. F. Richter
fanden wohl graduelle Differenzen in der Grösse des Temperaturanstieges,
je nach dem Gehalte bezw. dem Fehlen von Glykogen, aber keinen
prineipiellen Unterschied.
Der Wasserstoffwechsel im Fieber hat besonders früher Würdigung
gefunden. Insbesondere spielte die von v. Leyden constatirte Wasser¬
retention eine Rolle. Senator hielt diese letztere nicht für ein charak¬
teristisches Merkmal des Fiebers. Garratt 10 ) stellte auf Grund sorg¬
fältiger klinischer Beobachtungen fest, dass die Wasserretention, soweit
nicht Nierenerkrankung vorlag, nur bei manchen Fiebererkrankungen zu
constatiren war.
1) Verzar, Die Wirkung intravenöser Kochsalzinfusionen auf den respiratori¬
schen Gaswechsel. Biochem. Zeitschr. 1911. Bd. 34. S. 41.
2) Rolly, Deutsche med. Wochenschr. 1911. No. 46 u. 47.
3) Bartels, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1875.
4) Frey und Heiligenthal, Die heissen Luft- und Damplbäder in Baden-
Baden. 1881.
5) Schleich und Topp, Ueber das Verhalten der Harnstoffproduction bei
künstlicher Reizung der Körpertemperatur. Arch. f. exper. Pathol. Bd. 4. S. 82.
6) Naunyn, Berl. klin. Wochenschr. 1889. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1870.
7) Girard, Arch. de physiol. 1888.
8) ' Senator und P. F. Richter, Ueber den Stoffwechsel bei Hyperthermie.
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 54. S. 16.
9) Hirsch und Rolly, Arch. f. klin. Med. Bd. 75. — Rolly, Ebendaselbst.
Bd. 78.
10) Garratt, Med. chir. trans. 1904. Vol. 87. p. 163.
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Chinin und Stoffwechsel.
Die ersten Untersuchungen über den Einfluss des Chinins auf den
Stoffwechsel verdanken wir H. Ranke 1 ) (1858). Ranke constatirte,
dass beim gesunden Menschen 1,2 g Chininsulfat die Harnsäure¬
ausscheidung um etwas über 20 pCt. vermindert, und zwar dauerte
dieser Einfluss ungefähr 48 Stunden. Ranke bezieht diese Verminderung
nicht auf verzögerte Ausscheidung, sondern auf verringerte Bildung.
Selbstversuche bei guter Gesundheit hat Kerner 2 ) gemacht. Er nahm
1,6 g Chinin, hydrochl. und untersuchte die Stickstoffausscheidungen
im Harn. Die Abnahme gegen vorher betrug 24 pCt. Die Schwefelsäure
verminderte sich um 39 pCt. Die Wassermenge des Harns war etwas
erhöht. Zuntz erzielte, nachdem er in ziemlich rasch auf einander¬
folgenden Dosen 1,8 g Chinin, hydrochl. genommen hatte, eine Verminde¬
rung des Harnstoffs um 39 pCt.
Nach Untersuchung von Binz 3 ) und anderen setzt Chinin die Körper¬
wärme im Fieber herab: 1. durch Lähmung der in den Organismus ein¬
gedrungenen fiebererregenden Fermente und 2. durch Einschränkung
normaler Verbrennung in den Zellen selbst. Lewizky 4 ) hatte Kaninchen,
an denen er seine Beobachtungen angestellt, in Watte gewickelt, um
die Wärmeabgabe zu verhindern. Trotzdem sank nach Chinininjection
die Temperatur der Thiere.
ln Aethernarkose durchtrennte dann Lewizky weiterhin das Rücken¬
mark zwischen dem 6. und 7. Halswirbel. Das Thier wurde wieder in
Watte gehüllt und in einen Wärmekasten gesteckt. Die Temperatur stieg
bis 40° an. Auch hier — nach Ausschalten der wärmeregulirenden Gehirn-
centren — zeigte sich die Temperatur erniedrigende Wirkung des Chinins.
Auf Liebermeister’s Anregung machte Buss 5 ) im Respirations¬
kasten Versuche an Typhuskranken. Jedesmal sank die Kohlensäure¬
ausscheidung um 32 pCt., auch wenn die Temperatur auf Chinin noch
nicht reagirt hatte. Ebenfalls verminderte Harnstoffausscheidung beim
gesunden Hunde hat v. Boeck 6 ) festgestellt, und zwar um 13 pCt.
Die Versuchsresultate von Kerner wurden dann noch am fiebernden
Menschen von Sassetzky 7 ), beim gesunden Menschen und gesunden
Hund von Prior 8 ) bestätigt. Prior fand am Selbstversuch und an
Hunden, dass Chinin specifisch hemmend auf den Stoffwechsel wirkt.
Mit Ranke und Kerner weist er darauf hin, dass nicht Verzögerung,
1) Ranke, Versuche über die Ausscheidung der Harnsäure bei Menschen.
München 1858.
2) Kerner, Arch. f. d. ges. Physiol. 1870. Bd. 3.
3) Binz, Vorlesungen über Pharmakologie. Berlin 1891. 2. Aufl. S. 446—528.
August Hirschwald. — Ueber die antipyretische Wirkung von Chinin und Alkohol.
Virchow’s Arch. Bd. 51.
4) Lewizky, Virchow’s Arch. Bd. 47.
5) Buss, Ueber Wesen und Behandlung des Fiebers. Stuttgart 1878.
6) v. Boeck, Zeitschr. f. Biolog. Bd. 7. S. 418.
7) Sassetzky, Vorles. üb. Pharmakol. Berlin 1886. S. 705. Verlag August
Hirschwald.
8) Prior, Arch. f. d. ges. Phys. Bd. 34. S. 237.
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
95
sondern Einschränkung vorliegt, weil die nachfolgende Ausscheidung
nicht die normale übersteigt.
Die Untersuchungen fast aller Autoren haben ergeben, dass das
Chinin den Eiweissumsatz herabsetzt [H. Ranke (1. c), v. Bosse 1 ),
Schülte 2 ), v. Boeck (1. c.), Rahnteau 3 ), Jerusalimsky 4 ) etc.]
Andere Untersuchungsergebnisse mit entgegengesetztem Resultat liegen
vor von: Redenbacher 5 ), Jansen 6 ) Bauer und Künstle 7 ), H. Oppen¬
heim 8 ). Kumagawa 9 ) hat dann bei Salkowski im Jahre 1888 ein¬
gehende Studien über verschiedene Antipyretica mit Bezug auf den
Eiweissumsatz angestellt und für die Salicylsäure, Antifebrin und die
Benzoesäure constatirt, dass der Eiweissstoffwechsel durch diese Mittel
„zweifellos“ gesteigert wird. Kumagawa hat insbesondere an demselben
Versuchstiere die Chinin Wirkung geprüft und die Angaben von Prior,
Kerner etc., dass das Chinin den Eiweissumsatz einschränke, bestätigt.
Ebenso fand Kumagawa eine Abnahme der Harnsäureausscheidung
durch Chinin um 13—50pCt.
1894 haben v. Noorden und Zuntz 10 ) in der Berliner Physiolo¬
gischen Gesellschaft „über die Einwirkung des Chinins auf den Stoff¬
wechsel des Menschen“ nach Selbstversuchen von Irisawa berichtet.
Nachdem in der Vorperiode das N-Gleichgewicht erzielt war, betrug
die durch Chininwirkung in 4 Chinintagen und den drei nachfolgenden
Tagen ersparte N-Menge insgesammt 10 g, bei einem zweiten Versuch
wurden 5—6 g N erspart. Die durch Richter 11 ) mit der Ludwig-
Salkowski’schen Methode ausgeführten Harnsäurebestimmungen zeigten
ebenfalls, wie andere Autoren schon gefunden, Verminderung der Harn¬
säureausscheidung.
Zuntz fand nach zahlreichen Respirationsversuchen, die er im An¬
schluss an die eben discutirten Untersuchungen von Irisawa an¬
gestellt hat, dass der Oxydationsprocess des gesunden Menschen
durch Chinin nicht beeinflusst wird, was im Einklang mit Beobachtungen
von Strass bürg 12 ), Arntz 13 ) steht. Andererseits liegen Mittheilungen
1) v. Bosse, Der Einfluss von Arzneimitteln auf die Ausscheidung der Harn¬
säure. Inaug.-Diss. Dorpat 1862.
2) Schülte, Inaug.-Diss. Bonn 1870.
3) Rahnteau, Bullet, de thörap. T. 20. p. 425.
4) Jerusalimsky, Ueber die physiologische Wirkung des Chinins. Berlin 1875.
5) Redenbacher, Zeitsohr. f. Physiol. 1858. Nr. 2. S. 384.
6) Jansen, Untersuch, üb. d. Einfluss des scbwefels. Chinins auf d. Körper¬
wärme und d. Stickstoffumsatz. Inaug.-Diss. Dorpat 1872.
7) Bauer u. Künstle, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 24.
8) Oppenheim, H., Pflüger’s Arch. Bd. 23. S. 446.
9) Kumagawa, Ueber dieWirkung einiger antipyretischer Mittel auf den Eiweiss¬
umsatz im Organismus. Virchow’s Arch. 1888. Bd. 113. S. 134.
10) v. Noorden u. Zuntz, Ueber die Einwirkung des Chinins auf den Stoff¬
wechsel. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1899.
11) Richter, P. F., Experimentaluntersuchungen über Antipyrese und Pyrese.
Virchow’s Arch. 1891. Bd. 123.
12) Strassburg, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 2. S. 334.
13) Arntz, Pflüger’s Arch. Bd. 31. S. 531.
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96 Rahel Hirsch,
von Gottlieb 1 ) vor, wonach Chinin die Wärmeproduetion bei gesunden
und fiebernden Kaninchen steigert.
Strassburg, Arntz, Henrijean 2 ) fanden bei gesunden Kaninchen
den Gaswechsel gar nicht oder wenig verändert, letzteres im Sinne der
Verminderung, was auch Livierato 3 ; beobachtet hat. Ara gesunden
Menschen fand Liepelt 4 5 ) ebenso Zuntz 6 ), dass Chinin die Sauerstoff-
aufnahrac und Kohlensäureausscheidung fast nicht beeinflusst. Stüh-
linger 6 ) beobachtete bei fiebernden Kaninchen, dass, sobald die Temperatur
durch Chinin herabgesetzt wird, mehr Wärme abgegeben und weniger
producirt wird; die „Einschränkung der Production ist die Hauptsache“.
„Ist das Chinin wirkungslos auf die Temperatur, d. h. bleibt diese
entweder nur stehen oder wächst sogar noch an — ein Vorkomraniss,
welches bei manchen Infectionskrankheiten des Menschen besonders im
Anfang öfter beobachtet wird —, so sind Wärmeabgabe und Wärme-
production bei Chinindarreichung gesteigert.“
Krehl und Matthes 7 ) haben an Kaninchen, nachdem das Halsmark
der Thiere durchschnitten war, Untersuchungen über die Wärmeproduetion
und. Wärmeabgabe bei 27° angestellt und dabei die Wirkung von Anti-
pyrin und Chinin geprüft. Während sich Antipvrin ohne Einfluss auf
den Wärmehaushalt erwies, setzte Chinin Wärmeabgabe und Wärme-
production deutlich herab (100: 84).
Eigene Versuche.
Meine Versuche über infectiöses Fieber sind an 2 Hunden durch¬
geführt worden und zwar zuerst im Sommersemester 1907. Der Hund
hatte ein Körpergewicht von 35 kg und war am 1. Juni 1907, nachdem
zuvor sein Stoffwechsel einschliesslich der Harnsäure- und Purin¬
basenausscheidung einen ganzen Monat hindurch bei der gleichen Er¬
nährung fcstgestellt worden war, mit 1 ccm Blut, das zahlreich Trypano¬
somen (Tsetse) enthielt, inficirt worden. Die Trypanosomenmaus, von
der das Blut stammte, war mir damals in dankenswerther Weise von Herrn
Geheimrat v. Wassermann überlassen worden. Den Hund hatte ich am
1. Juni geimpft, am 5. Juni war die Temperatur, die normal 38,3° be¬
tragen, auf 39,8° gestiegen; im Blute waren zahlreiche Trypanosomen
nachweisbar. Von da an war mit kurzen Unterbrechungen bis zum
Tode des Thieres, am 29. Juli 1907, ständig Fieber vorhanden.
1) Gottlieb, Calorimetrische Untersuchungen über die Wirkungsweise des
Chinins und Antipyrins. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharraakol. Bd. 28. S. 176.
2) Henrijean, Trav. du laborat. de L. Fr&iäricq. 1887.
3) Livierato, Annal. di chira. e di farmacol. 1885.
4) Liepelt, Ueber den Einfluss von Chinin und Antipyrin auf den Gaswechsel
des gesunden Menschen. Arch. f. exper. Pathol. 1900. Bd. 43. S. 151.
5) Zuntz, Arch. f. Anat. u. Phys. 1899.
6) Stühlinger, Ueber die Einwirkung einiger antipyretischer Mittel auf den
Wärmehaushalt gesunder und krankerThiere. Arch. f. exp. Path. 1900. Bd.43. S. 166.
7) Krehl u. Matthes, Wie entsteht die Temperatursteigerung des fiebernden
Organismus. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 38. S. 284.
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
97
Das Thier frass während der ganzen Fieberzeit, 2 Monate
lang, stets seine Nahrung wie in der gesunden Zeit vollständig
auf. Die Nahrung bestand täglich in 500 g Hundekuchen und 1500 ccm
Wasser. Dass dieses Quantum Hundekuchen und die Menge Wasser
die für dieses Thier geeignete Nahrungszufuhr darstellen, geht aus den
Gewichtsdaten der Voruntersuchung hervor:
am 25. März 1907 ... 35 kg
„ 3. April 1907 . . . 34,5 „
* 29. „ 1907 ... 35 „
Bei meinen thierexperimentellen Studien kam es mir nicht nur auf
die Fieberstudie als solche, sondern auch vor allem auf die Wir¬
kung des Chinins auf die Gesammtstoff- und Energiebilanz im
Fieber an.
Das Thierexperiment ist für solche Versuche sehr werthvoll, denn
die gleichraässige Nahrungszufuhr ist in dieser Weise so lange
Zeit hindurch beim gesunden Menschen undurchführbar, ge¬
schweige beim kranken und noch dazu fiebernden Menschen.
Untersucht habe ich bei dem Hund in der normalen Versuchs-
periode einen ganzen Monat hindurch:
1. die Stickstoffausscheidung,
2. die Kohlenstoffausscheidung im Urin und vielfach in der
Respiration,
3. die Harnsäureausscheidung,
4. die Purinbasenausscheidung,
5. den Urin und Koth calorimetrisch abwechselnd mit Chinin-
und ohne Chinindarreichung.
Während des 2 Monate lang dauernden Fiebers sind alle die ge¬
nannten Wcrthe und ausserdem noch die Harnstoffausscheidung
bestimmt worden. Ich habe stets die genannten Untersuchungen im vier¬
tägigen Urin und Koth vorgenommen. Je 4 Tage bilden eine
Periode der nachfolgenden Curven.
Der Hund frass bis zum Todestage die Nahrung auf einmal auf
und ist an demselben Tage, an dem er starb, obducirt worden. Die
Obduction ergab im Wesentlichen höchstgradige Abmagerung, totalen Fett¬
schwund im Unterhautbindegewebe und die charakteristische fettige De¬
generation des Herzens, der Niere, der Leber. Ausserdem Hypertrophie
und Dilatation des Herzens.
Dass ich über Versuche bei 2 Hunden berichten kann, die sich, in
einem Falle auf zwei volle Monate, im anderen auf einen Monat er¬
streckten, während welcher Zeit beide Thiere die Nahrung ebenso voll¬
ständig zu sich Rahmen wie in der Normalperiode, ist ein glücklicher
Umstand. Denn zumeist verweigern die Thiere bald nach dem Einsetzen des
Fiebers die Nahrung oder sie fressen sie nur unvollständig auf, wie ich
bei einer Reihe von Versuchsthieren constatiren musste; dann sind die
Berechnungen sehr ungenau.
Die vielen Widersprüche, denen wir in der Literatur begegnen, sind
theilweise auf diesen Factor zu beziehen, andererseits auch auf zu kurze
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. n
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Rahel Hirsch,
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Beobachtungsdauer des Fiebers. Dass nur die Versuche, welche
über den 24 stündigen Ablauf der Energie- und Stoffwechselvorgänge
längere Zeit hindurch fortgesetzt werden, Aufschluss geben können,
dafür dürften meine Versuche auch ein wichtiger Beleg sein.
I. Oie Gesammtstickstoffbilauz und Chinin in den normalen Vorperioden.
1. normale Periode.
Der Hund erhielt pro Periode mit der Nahrung 70 g Stickstoff
(4 Tage = eine Periode). Er schied mit dem Harn 55,5, mit dem Koth
6 g aus, so dass also eine positive Bilanz von 4- 8,5 g resultirt.
2. normale Periode.
In der 2. Vorperiode erhielt er täglich 1 g Chinin, bisulf. neben
der gewohnten Nahrung. Mit dem Urin wurden ausgeschieden 46,84 g,
mit dem Koth 6,3 g. Mithin bei 70 g N-Zufuhr eine positive Bilanz
von -f- 16,86 g.
Also etwas mehr als das Doppelte wurde vom Körper retinirt. Die
Ausnutzung der Nahrung war mit Bezug auf den N-Werth ungefähr
dieselbe geblieben. In der nachfolgenden Periode zeigt sich immer noch
dieser Einfluss, was auf die Nachwirkung des Chinins zu beziehen ist,
das bekanntermaassen nur allmählich ausgeschieden wird.
In der 4. und 5. Periode beträgt die positive Bilanz in beiden
Perioden + 13,38. Das Thier erhält dann nochmals 4 Tage lang je 1 g
Chinin, bisulf. und die Bilanz beträgt -)- 12,22 g, ist also entschieden
gegen vorher gesunken. Die Mehrausscheidung betrifft sowohl die im
Urin als die mit den Fäces. In dem diesem Abschnitt folgenden
2x4 tägigen Intervall steigt die N-Bilanz wieder höher an und beträgt
je + 15,43 g und + 16,8 g.
Wir sehen in diesen Versuchen die Bestätigung der früheren Beob¬
achtungen über die günstige Wirkung des Chinins auf den Stickstoff¬
umsatz. Die N-Bilanz des Hundes war, ehe er Chinin erhalten hatte,
niemals über + 9 g gestiegen. Unter dem Einfluss des Chinins, das in
Abständen von 8 Tagen zweimal je 4 Tage lang in der Dosis von 1 g
pro die verabreicht worden war, steigt die positive Bilanz auf das Doppelte
zweimal an und hält sich auch zwischendurch weit höher als in derZeit
ohne Chinindarreichung.
Harn säure-N.
Purinbasen-N
(Methode: Nach
Ilarnsäure-N
Purinbasen-N
Im Hundekuchen:
Harnsäure: 0
Krüger und Sch in i d)
g
g
Purinbasen-N: 0,0616 pCt.
1. Periode.
0,02864
0,1042
9
0,0201
0,1121
täglich 1 g Chinin, sulfur.
8. * .
0,0154
0,0666
4. „ .
0,0244
0,0448
5. .
0,0125
0,0678
täglich 1 g Chinin, sulfur.
6. „ .
0,0184
0,0654
7. « .
0,0167
0,0843
8. „ .
0,0125
0,0931
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
99
Ia. Harnsäure-Pnrinstoffwechsel nach Chinin normalerweise.
Der Hundekuchen enthält keine Harnsäure, dagegen Purin-
basen-N 0,0616 pCt., mithin wurden dem Thiere pro Periode, d. h. in
4 Tagen, 1,232 g Purinbasen-N zugeführt.
Wie die Tabelle lehrt, wurden in der normalen Periode ohne Chinin
Harnsäure-N 0,02864 g und 0,1042 g Purinbasen-N ausgeschieden.
Unter Chinin: 0,0201 g Harnsäure-N, 0,1121 Basen-N, in der Periode
nach der Chinindarreichung sank der N-Harnsäurewerth auf 0,0154, der
Basenwerth auf 0,0666 herab. Unter der erneuten Chinindarreichung
fiel dann der N-Werth der Harnsäure noch weiter ab: 0,0125 g. Diese
Beinilussung ist deshalb besonders bemerkenswerth, weil, wie wir später
sehen werden, im Fieber der Harnsäure-Purinstoffwechsel durch Chinin
gar nicht mehr beeinflusst wird.
Die Tabelle zeigt eine unverkennbare Beeinflussung des Harnsäure¬
stoffwechsels durch Chinin. Und wenn wir uns vorstellen, dass normaler¬
weise der Purinstoffwechsel fermentativen Processen unterworfen ist, so
könnte man auch hier sich denken, dass letztere durch Chinin gehemmt
werden. Ich habe experimentell mit Nierenbrei bei Zusatz von Harn
säure mit Chinin unter Vergleich des Control Versuches ohne Chinin
den Vorgang geprüft, aber auf diese Weise mit dem Organversuch
keine Differenz nachweisen können.
II. Die Kohlenstoffbilanz nnd Chinin bei dem gesunden Thiere.
In der ersten Periode ist die Kohlenstoffbilanz negativ: — 11,377 g.
Mit der Nahrung werden in 4 Tagen zugeführt regelmässig: 845,4 g, aus¬
geschieden: 856,77 g. Der Einfluss des Chinins auf den Kohlenstoff¬
wechsel ist noch weit bedeutender als auf den Stickstoffumsatz, die
negative Bilanz wird stark positiv: + 60,7 g.
In den Nachperioden tritt eine weitere Beeinflussung in diesem Sinne
nicht hervor: negative Bilanzen von — 6,9 g C und — 6,2 g C stellen
sich ein. Bei erneuter Chinindarreichung zeigt sich dann wiederum der
positive Ausschlag: + 28,69 g.
ln den nachfolgenden Perioden macht sich wiederum der negative
Ausfall mit — 9,8 g C bezw. mit — 18,9 g C geltend.
III. Die Calorienprodnction nnd Chinin in den normalen Vorperioden.
I. Periode.
Stickstoffbilanz.
N im Harn. 55,5 g
N „ Koth .... 6,0 g
Summe. 61,5 g
N in der Nahrung . . . . _ 70 g
N-Bilanz. -{- 8,5 g
Kohlenstoffbilanz.
C-Respiration. 774 g
C-Harn. 21,297 g
C-Koth. . . 50,0 g
C-Summe. 845,297 g
C-Nahrung .... . . 845,4 g
C-Bilanz.+ 0,103 g
Calorien der Nahrung . .
. . . 8792
Cal. retinirt für N.
. . . + 212
Cal.-Ausscheidung . . .
. . . 8580
pro d i e.
. . . 2145
„ Kilogramm in 24 Std. . .
. . . 61,28
„ Quadratmeter in 24 Std. .
. . . 1685
„ Kilogramm und Stunde
... 2,5
„ Quadratmeter und Stund .
... 70
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100
Rahel Hirsch,
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II. Periode.
Chinin täglich 1 g.
Stickstoffbilanz.
Cbininura bisulfuricum.
I Kohlenstoffbilanz.
N-Harn .
N-Koth .
N-Summe ,
N-Nahrung
N-Bilanz
46,84 g
6,3 g
53,14 g
70 g
+ 16,86 g
C-Respiration
C-Harn . .
C-Koth . .
C-Summe .
C-Nahrung
C-Bilanz .
720 g
21,297 g
43.4 g
784.697 g
845,4 g
+ 60.703 g
Cal. retinirt für N.-f- 421,50
, „ .0. . + 671,4
1092, 9
Cal.-Zufuhr. 8792
Cal.-Ansatz. 1093
Cal.-Production. 7699
Cal. pro die. 1924
„ „ Kilogramm in 24 Std. 63,7
„ „ Quadratmeter in 24 Std. 1488
„ „ Kilogramm und Stunde. 2,2 ,
* „ Quadratmeter und Stunde .... 62
III. Periode.
Stickstoffbilan
N-Harn.
N-Koth. . .
N-Summe.
N-Nahrung .... . .
N-Bilanz.
49,72 g
6.9 g
56,62 g
70 g
+ 13,38 g
Kohlenstoffbil&n
C-Respiration ....
C-Harn.
C-Koth. . .
C-Summe.
C-Nahrung .
C-Bilanz.
780 g
21,840 g
50,5 g
852,34 g
845.4 g
- 6,940 g
Cal. der Nahrung. 8792
Cal. retinirt für N.+ 334,5
Cal.-Deficit für C.— 83,87
Cal.-Ansatz.+ 250
Cal.-Production. 8541,37
Cal. pro die. 2136
* „ Kilogramm in 24 Std. 60,3
„ „ Quadratmeter in 24 Std. 1664
„ „ Kilogramm und Stunde .... 2,6
r „ Quadratmeter und Stunde. . . 69,2
IV. Periode.
Stickstoffbilanz.
Kohlenstoffbilanz.
N-Harn .
N-Koth .
N-Summe .
N-Nahrung
N-Bilanz
49,72 g
6.9 g
56,62 g
70 g
+ 13,38 g
C-Respiration
C-Harn . .
C-Koth . .
C-Summe .
C-Nahrung
C-Bilanz .
760 g
25,840 g
65,78 g
851,670 g
845,4 g
6,22 g
Cal. der Nahrung.
„ N-Retcntion.
„ C-Deficit.
Cal.-Ansatz.
Cal.-Production.
„ pro die.
Cal. pro Kilogramm in 24 Std.
„ „ Quadratmeter in 24 Std.
r „ Kilogramm und Stunde.
T „ Quadratmeter und Stunde . . . .
8792
-f 334,5
— 72
+ 262,5
8530,47
2132
60,9
1664
2,5
69,7
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101
Fieber und Chininwirkung im Fieber.
V. Periode.
Chinin täglich 1 g. Chininum bisulfuricum.
Stickstoffbilanz. Kohlen stoffbilanz.
N-Harn. 50,28 g C-Respiration. 725 g
N-Koth. 7.5 g C-Harn. 19,478 g
N-Summe. 57,78 g C-Koth. • • 72,27 g
N Nahrung. 70 g C-Summe.816,718 g
N-Bilanz.+ 12,22 g C-Nahrung .... • • 845.4 g
C-Bilanz.+ 28,698 g
Cal. der Nahrung. 8792
„ N-Retention. 305,60
„ C-Retention. 314,168
Cal.-Ansatz. 619,768
Cal.-Production.8172,24
Cal. pro die. 2043
„ „ Kilogramm in 24 Std. 59,2
„ ,, Quadratmeter in 24 Std. 1611
„ „ Kilogramm und Stunde ... 2,4
„ „ Quadratmeter und Stunde . . . 67,1
VI. Periode.
Stickstoffbilanz. Kohlenstoffbilanz.
N-Harn. 46,97 g C-Respiration. 775 g
N-Koth. 7,6 g C-Harn. 25,57 g
N-Summe. 54,57 g C-Koth. . • 74 - 63 8
N-Nahrung. 70 g C-Summe. 865,202 g
N-Bilanz.. . + 15,43 g C-Nahrung .... • • 846.4 g
C-Bilanz.— 9,802 g
Cal. der Nahrung. 8792
Cal. N-Retention.. 385,75
„ C-Deficit. 123
Cal.-Ansatz. 262
Cal.-Production. 8530
Cal. pro die . .. 2133
„ „ Kilogramm in 24 Std. 63,6
* „ Quadratmeter in 24 Std. 1726
„ „ Kilogramm und Stunde. 2,6
„ „ Quadratmeter und Stunde .... 76,9
VII. Periode.
Stickstoffbilanz. Kohlenstoffbilanz.
N-Harn. 45,20 g C-Respiration. 775 g
N-Koth. 8,0 g C-Harn. 16,03 g
N-Summe. 53,2 g C-Koth.• • 73 » 30 g
N-Nahrung. 70 g C-Summe. 864,33 g
N-Bilanz.. . + 16,8 g j C-Nahrung. • • 8*5,4 g
I C-Bilanz.— 18,93 g
Cal. der Nahrung. 8792
„ N-Retention.+ 420
„ C-Deficit.— 221
Cal.-Ansatz.+ 199
Cal.-Production. 8593
Cal. pro die. 2148
„ „ Kilogramm in 24 Std. 65,07
„ „ Quadratmeter in 24 Std. . . . 1755
„ r Kilogramm und Stunde .... 2,6
„ * Quadratmeter und Stunde . . 73
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102
Bahel Hirsch,
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Die Calorien sind nach den üblichen Rubner’schen Werthen (für
1 g N 25 Cal.; für 1 g C 12,3 Cal. nach Abzug des C-Werthes für N)
berechnet. Die Calorienproduction ist durch Chinin, wie ja ohne Weiteres
schon die Stickstoff- und Kohlenstoffbilanz erkennen lässt, variirt. Und
zwar ist während der beiden Chininperioden nicht nur die Wirkung auf
den Eiweiss-Harnsäurestoffwechsel zu beziehen, sondern die ohne
Chinin negative C-Bilanz wird stark positiv in der II. Chininperiode,
während in der ersten Chininperiode die Wirkung eine solche ist, dass
der C-Verlust ausgeglichen wird.
Der Hund hat in dem einen Monat 2 kg an Körpergewicht verloren.
Dass dies nicht auf Wasserverlust zu beziehen ist, geht aus der Wasser¬
bilanz hervor, die nur während der beiden Chininperioden negativ war.
In den chininfreien Perioden waren die Bilanzen:
-j- 154 ccm
+ 335 „
+ 362 „
+ 403 „
+ 575 „
Zu den Chininzeiten:
— 668 ccm
-702 „
Wenn man die negativen Bilanzen von den positiven Bilanzen ab¬
zieht, so bleibt für die ganze Zeit eine Wasserretention von 469 ccm.
Die Körpergewichtsabnahme ist also auf Fetteinschmelzung zurückzuführen,
die aber nur in der chininfreien Zeit aufgetreten sein kann.
Der Hund hat im Ganzen im Verlaufe von 28 Tagen 8 g Chinin
bekommen. Da wir aus zahlreichen Erfahrungen wissen, dass die Chinin¬
wirkung noch nach Tagen sich geltend macht, stehen die 28 Tage ent¬
schieden unter dem Einflüsse der Chinindarreichung. Im Abstande von
je 8 Tagen — um die Wirkung abklingen zu lassen — ist die Chinin¬
fütterung erfolgt.
Wir sehen, dass die Stickstoffbilanz unter Chinin stärker positiv
bleibt, während die C-Bilanz nur unter der unmittelbaren Wirkung positiv
wird. Dass die Chininwirkung nicht nur eine sparende ist, sondern
dass es auch zum Ansatz kommen muss, geht aus den Gewiohtsver-
hältnissen hervor, wie noch des Genaueren weiterhin zu erörtern ist.
Das Chinin gehört gerade zu den Mitteln, bei denen die richtige
Dosirung von wesentlicher Bedeutung ist. Man kann auch speciell beim
Chinin nicht, wie es in der Biologie üblich ist, vom Menschen auf das
Thier oder von einer Thierspecies auf die andere die Dosirung nach
kg-Gewicht übertragen. Ich habe bei einer Anzahl von Hunden von
annähernd demselben Körpergewicht von 10 kg die Erfahrung gemacht,
wie ungleich die Thiere auf dieselbe Dosis reagirten. Das erste Zeichen
der Chininschädigung ist die Störung in der Nahrungsaufnahme der Thiere,
sie lehnen sie vollständig ab, sobald die Dosis zu hoch gegriffen ist.
Daher muss man mit kleinen Dosen beginnend sich in den Organismus
einschleichen. Für meinen grossen Hund von 35 kg Gewicht war die
Gck igle
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Fieber und CbioiDWirUiir.g iiu Fi&}jer.
103
ttosis von 1 sr, per os auf ein Mal verabreicht, .gerade.die richtige. und
nicht nur in seinen gesunden Tugen, sondern auch auf der Hohe der
schweren Erkrankung.
Fieber.
I. Stickstoffbilanz.
Hiindin. Körpergewicht am 23. Mär/ lÖÖ7r : .kg,
am 3. April 1307:? M,*
am 29. A pri.l "l _ Sä, r
(irsammlsticksloffbilaiu. Zufuhr 70 g |»ro Periode,
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ein rnbe.il über. Su>ff*eeh.svlammj»liefl zu.-bilden, -geh?; i||rajpt .. aus der
FiolierstiekstofftabeUii .hervor. In den 5 ersten '•F'icbet|>en*jih*n <9 -Di;,
d, h. io den Ws!> n 20 Tugen dos Fiebers bei hohen Temperai ur ,-n
bis 4«.9° blieb. »Ji'e Stiv-.lvsl-vlThUan^ deutlieh ausgesprochen p-o.sii.iv,
ln diesen 20 Fiebertagen worden noe.lt insgesutonit Üt, 9i> g S ffeiiiMM;
Die Versiiehsresulfietü sind deshalb so überaus isislructtv, weil dr-
iiner, wie hiebt oli genug feeftfnt werden kann, taglieh au. h in den
schwersten Kränkheitstagen diu Nahrung ijminthaUv goiau .-'O mit ei nein
%T aufgefressen und did .gleiche- Wasscriuengo dabei getmolieo hat wie
in den gesunden Monaten.
wmm?*
Go gle
nallTEm,
OF' MICHIGAN
104
R&hel Hirsch,
Digitized by
Ia. Der Harnstoff im Fieber.
Da die vermehrte Harnstoffausscheidung, seitdem man überhaupt den
Stoffwechsel im Fieber berücksichtigt hat, eine solche Rolle spielt,
habe ich während der Dauer des Fiebers den Harnstoff- ebenso wie den
Purinstoffwechsel verfolgt. Die Harnstoffsteigerung geht der ver¬
mehrten Gesammtstickstoffausscheidung parallel.
Harnstoifbilanz im Fieber.
(Je 4 Tage = eine Periode.)
Methode nach Pflüger und Gumlich, Krüger und Schmid.
U-N
g
in pCt.
des Ges.-N
I. Fieberperiode ....
44,40
81,2
_
ii. „ —
50.40
88,8
—
in. . ....
54,97
81,8
—
IV. , -
55,10
82.2
—
V. , -
58,46
95,5
—
VI. , -
48,85
74,0
—
VII. „ -
50,18
75.0
—
VIII. „ -
50,0
70,0
—
IX. „ -
67,89
81,6
—
X. „ -
63,80
85,1
—
XI. , -
48.3H
83,4
täglich 1 g Chinin, bisulf. per os
Xll. „ -
43,40
81,0
täglich 1 g Chinin, bisulf. per os
XIII. „ -
56.44
82.4
—
XIV. „ ....
70.72
85,6
—
XV. , -
65,85
82,5
—
Der Purinstoffwechsel.
Quantitativ ist der Purinstoffwechsel im Fieber bisher noch
niemals studirt worden. Es ist überaus charakteristisch, dass speciell
die Harnsäureausscheidung vom Beginn der Fieberperiode an bedeutend
gesteigert ist, und zwar nach 8 Tagen schon um das 10 fache.
Harnsäure-N : Purinbasen-N im Fieber.
Harnsäure-N
Purinbasen-N
IX. Periode . . .
0,1465
0,0992
X. „ ...
0,1952
0,0689
—
XI.. „ ...
0,222
0,040
—
XII. , ...
0,2010
0.033
—
XIII. „ ...
0,2234
0.088
—
XIV. , ...
0.2489
0,1064
—
XV. „ ...
0.2042
0,060
—
XVI. „ ...
0.2358
0,0756
—
XVII. „ ...
0,3166
0,0942
—
XVIII. „ ...
0.2128
0.1837
—
XIX. „ ...
0,2116
0,0622
täglich 1 g Chinin, bisulf. per os
XX. „ ...
0,252
0,1001
täglich 1 g Chinin, bisulf. per os
XXI. „ ...
0,3136
0,224
—
XXII. „ ...
0,257
0,094
—
Diese vermehrte Harnsäure-Ausscheidung steigt mit der Dauer
der Krankheit an und bleibt bis zum Tode hoch.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
105
Fieber and Cbininwirkung im Fieber.
II. Chinin und Stickstoffumsatz im Fieber.
Ich habe dem Thiere erst Chinin gegeben, nachdem sich die
Stickstoffbilanz 20 Tage lang schon negativ eingestellt hatte und
steigend negativ geworden war: von — 0,6 g auf — 13,93 g gesunken
war. In diesen weiteren 5 Fieberperioden (=^ 20 Tagen) hatte das Thier
von seinem eigenen Körperbestand 42,14 g N eingebüsst. Obwohl das Thier
weiterhin täglich die Nahrung sofort auffrass, war das Allgemeinbefinden
am Ende dieser 10. Fieberperiode, also nach 40 Fiebertagen, sehr
schlecht. Der Hund erhielt dann in 2 Perioden, also 8 Tage lang, täglich
je 1 g Chinin, bisulf. Die Wirkung war eclatant. In diesen 8 Tagen
schlug die stark negativ gewordene N-Bilanz in die positive um.
In den ersten 4 Tagen -J- 5,76 g N, in den nächsten 4 Tagen -f- 11,86 g N.
Mithin ein Ansatz in der Chininwoche um 17,62 g N.
Das Allgemeinbefinden war ganz entschieden besser geworden, der
Hund war viel frischer als zuvor.
Noch in der nächstfolgenden Periode zeigt sich der Chinineinfluss,
die Bilanz ist wieder negativ, aber viel geringer als zuvor.
Die Stickstoffausscheidung steigt dann immer höher an und beträgt
in den nächsten 5 Perioden 92,73 g, d. h. 92,73 g stammen aus dem
Körpereiweiss des Thieres.
Harnstoff und Chinin im Fieber.
Die günstige Beeinflussung der N-Curve äussert sich naturgemäss
ebenso in der Harnstoffausscheidung.
Harnsäure und Chinin im Fieber.
Während bei dem gesunden Thiere die Chininwirkung auf Purin¬
stoffwechsel unverkennbar ist, bleibt sie während der Fieberperiode
ganz aus.
Die Harnsäure-Basenwerthe werden im Fieber durch Chinin
nicht beeinflusst.
Die Kohlenstoffbilanz im Fieber.
Der Hund konnte aus äusseren Gründen nur während 9 Fieber¬
perioden in der Pettenkofer’schen Respirationskammer beobachtet
werden, so dass nur von diesen Perioden, der ersten und zweiten,
fünften und sechsten, neunten, elften und zwölften, dreiund¬
zwanzigsten und vierundzwanzigsten Periode die ausgeathmete
Kohlensäure bestimmt werden konnte. Im Urin und Koth wurden
während sämmtlicher Fieberperioden C-Bestimmungen gemacht. Wie
die Curven zeigen, wird im Gegensätze zum N-Stoffwechsel die C-Bilanz
sofort ausserordentlich stark negativ. Bei einer Zufuhr von 845,4 g
pro Periode wird die Bilanz
negativ um — 703 g,
- 697 g,
— 582,36 g,
— 614 g.
- 735,4 g.
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Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
106
Kahel Hirsch,
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vcdmi Kami, zu domom-lriren in der Lag*’ liij).
Go gle
SÜNtVE?
OF MICH
Fieber und Chininwirkung im Fieber.
107
Bei diesem ersten Hunde lehrt die Gewichtstabelle, und zwar der
Werth der Gewichtsabnahme während der Fieberzeit, dass eine derart
hohe Fetteinschmelzung — nur um solche könnte es sich handeln —
nicht vorliegen kann. Das Thier hat nämlich eingebüsst in der
Fieberzeit 7500 g. Berechnet man den C-Verlust der beobachteten
Tage, so resultirt eine Summe von 3668,51 g.
Nehme ich während der 7 Fieberperioden, bei denen ich die Kohlen¬
säure der Respiration nicht feststellen konnte, den vorher niederst
beobachteten Werth von — 500 g C an, so habe ich den — 3668,51 g
noch 3500 g C hinzuzufügen = 7168,51 g, mithin hätte das Tier 7 kg
an Kohlenstoff allein aus seinem Körpergewichtsbestand producirt. Das
ist ganz unmöglich, da der Gesammtverlust an Körpergewicht während
des Fiebers nur 7 kg beträgt.
Die Kohlensäureausschweramung im Trypanosomenfieber ist
beim Hunde wenigstens eine Allgemeinerscheinung. Das bin ich wohl
berechtigt auszusprechen, nachdem ich es bei sämmtlichen Thieren mit
Hülfe der directen Calorimetrie beobachtet habe.
Bei Versuchen, wie meinen eigenen, bei denen sich im Fieber eine
Kohlensäureausschwemmung herausstellt, könnte man ohne directe
Calorimetrie die Wärmeproduction überhaupt nicht feststellen. Dass
es sich nicht um ausserordentlich stark vermehrte Kohlensäurebildüng,
sondern lediglich um Ausschwemmung handelt, beweist der Vergleich
der directen und indirecten Calorimetrie, und aus beiden kann man in
diesem speciellen Falle sogar die wirklich producirte Kohlensäure rechnerisch
feststellen, wie ich noch später detaillirt ausführen werde.
Senator’s alte Forderung, mit directer Calorimetrie festzustellen,
ob die so oft beobachtete vermehrte Kohlensäureausscheidung thatsächlich
vermehrter Production entspreche oder nicht, ist glänzend gerecht¬
fertigt. Allerdings sei schon jetzt darauf hingowiesen, dass im Uebrigen
Senator’s Auffassung bezüglich der Fettverbrennung im Fieber nicht
zu halten ist.
Für die Kohlensäureausschwemmung sprechen auch die C-Werthe der
letzten Woche, in welcher die Respirationskohlensäure festgestellt
worden ist. Diese Werthe sind weit geringer als die der sämmtlichen
übrigen Perioden, die Chininwerthe abgerechnet. Die Stickstoffmehraus¬
scheidung ist in diesen Tagen die höchst gesteigerte.
Die für diese beiden Perioden berechneten Kohlensäurewerthe stimmen
in den Controlen so gut überein: 802 zu 804 g C0 2 der Controle;
in der anderen Periode, der vorletzten, 950 zu 943 g C0 2 der Controle,
dass am der Richtigkeit der Werthe nicht zu zweifeln ist.
Diese auffallende Thatsache lässt sich wohl ohne Zwang dahin
deuten, dass der im Körper disponible, feicht abspaltbare Kohlensäure-
vorrath erschöpft gewesen sein muss, so dass erst dann im Schlussact
der letzten Fieberwoche die reine Mehrproduction von Kohlensäure
hervortritt.
Nur die Calorienproduction dieser letzten Woche und die der
Chininwoche während des Fiebers lässt sich einwandfrei discutiren.
In der vorletzten Fieberperiode haben wir eine Calorienproduction
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Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
108
Rahel Hirsch,
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von 11 595 Calorien, davon fallen 8792 Calorien auf die durch die Nah¬
rung zugeführten Calorien, 2339 Calorien auf die C-, d. h. Fettver¬
brennung und 464 Calorien auf N-Calorien. In der letzten Fieber¬
periode Gesammtcalorienproduction von 9793, davon 558,7 Calorien auf
den C-Werth, 442,4 Calorien auf den N-Werth, 8792 auf die Calorien-
Zufuhr.
Wärmeproduction — indirecte Calorimetrie.
Fieberhund (35 kg) März-Juli 1907. Calorien nach kg und qm Oberfläche berechnet.
Periode
Calorien
pro Pe¬
riode
= 4 Tg.
Calorien
pro die
Calorien
pro kg
24 Std.
Calorien
pro qm
24 Std.
Calorien
pro kg
u. Stde.
Calorien
pro qm
u. Stde
I.
8 580
2145
61,28
1685
2,5
70
täglich 1 g Chinin.
11 .
7 690
1924
53,7
1488
2,2
62
bisulf., d. h. 4 g
111 .
8 541,37
2135,3
60,3
1664
2,5
69,2
im Ganzen
IV.
8 530
2132
60,9
1675
2,5
69,7
V.
8172
2048
59,2
1611
2,4
67,1
do.
VI.
8 530
2133
63,6
1726
2,6
71,9
VII.
8 593
2148
65,07
1755
2,7
73
Fieber.
IX.
17 300,36
4325
134,5
3517
5,6
! 146,5
X.
17 175,34
4293
135 !
3595
5,6
149,7
XII.
25 860,18
6465
214,8
5621
6,8
234
XIV.
16 167
4042
135
3530
5,6
147
XVII.
18 258
4564
165
4211
6,8
175,4
XIX.
8 071
2018
67
1761
2,8
73,3
do.
XX.
7 983,7
1988
63,5
1682
2,6
70
do.
XXIII.
11 595
2898
109,7
2748
4,5
114,5
XXIV.
9 793
2448
94,15
2345
3,9
97,7
Die Calorienberechnung wird unter diesen bestimmten Be¬
dingungen fehlerhaft, wenn man nicht die Werthe der directen
Calorimetrie zum Vergleich heranziehen kann. Ich habe trotzdem
tabellarisch die Calorienproduction, wie sie sich unter diesen Be¬
dingungen herausstellt, geordnet, um sie vergleichsweise für die
Chininwirkung zu benutzen. Die Bedeutung des Chinins äussert sich
nämlich gerade hierbei sehr charakteristisch. Die Kohlensäurewerthe sind
nicht nur wieder positive, sondern fast normale geworden.
In der Chininwoche, und zwar in der ersten Hälfte, zeigte sich eine
Gesararatwärraeproduction von 8071 Cal., mithin eine positive Bilanz bei
Zufuhr von 8792 Cal. von -f- 721 Cal. Davon fallen auf N-Cal. -f- 144 Cal.,
auf C-Cal. + 576 Cal.
In der zweiten Hälfte der Chininwoche Gesammtcalorienproduction:
7933,71 Cal., positive Bilanz + 858 Cal. bei Zufuhr von 8792 Cal. Da¬
von sind zu beziehen: -f 297 Cal. auf N, -f- 561 Cal. auf C.
Während des Fiebers tet also der Kohlenstoffwechsel durch
Chinin noch günstiger als der Stickstoffwechsel sparend beeinflusst.
Die Wasserbilanz im Fieber.
Nach den Beobachtungen an diesem Hunde ist eine Mehrausschei¬
dung von Wasser unverkennbar. Ausser während der Chininwoche ist
stets eine Mehrausscheidung von Wasser zu constatiren, die manchmal
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHtGAN
Fieber und Chininwirknng im Fieber.
109
ziemlich beträchtlich ist. Während der Chinindarreichung ist eine Wasser¬
retention zu verzeichnen, die aber nicht auf die früher so oft discutirte
Wasserretention im Fieber zu beziehen ist, da sie noch niedrigere Werthe
als in den gesunden Tagen aufweist.
Wasserbilanz.
Fieber-Hund (März bis 31. Juli 1907).
Datum
4 Tage = 1 Periode
Zufuhr
Harn-
Wasser
Fäces-
Wasser
Resp.-
Wasser
Summe d.
Ausfuhr
Bilanz
I. Periode . . .
6000
4650
116
1080
5846
-f 154
11. „ • ...
6000
4450
118
1100
6608
— 668
(Täglich 1 g Chinin)
III. Periode . . .
6000
4450
120
1095
5665
+ 335
IV. *
6000
4450
152
1100
5702
- 702
(Täglich 1 g Chinin)
VI. Periode . . .
6000
4400
148
1090
5638
+ 362
VII. * ...
6000
4350
150
1097
5597
+ 403
VIII. „ ...
6000
4200
140
1085
5425
+ 575
Fieber.
IX.
Periode . . .
6000
4400
110
1703
6213
— 213
X.
6000
4200
115
1785
6100
— 100
XIII.
y* • • •
6000
4200
135
3316
7651
— 1151
XIV.
V • • •
6000
3800
120
2000
5920
— 180
XVII.
T> • • •
6000
4830
115
1656
6601
— 601
XIX.
* • • •
6000
4300
112
1088
5400
+ 500
XX.
T • • •
6000
4500
116
1094
5710
+ 290
XXIII.
r ...
6000
4200
125
1628
5953
+ 47
XXIV.
6000
3750
145
3200
7095
— 1095
Chinin und Temperaturcurve im Fieber.
Unabhängigkeit des Stoffwechsels von der Fiebertemperatur
und umgekehrt.
Die Temperaturcurve zeigt, dass bei dem Trypanosomenfieber
die Temperatur durch die Chinindarreichung nicht im Mindesten beein¬
flusst worden ist. Man erkennt daraus die Unabhängigkeit des Stoff¬
wechsels von der Fiebertemperatur und dass letztere hoch sein
und der Stoffwechsel dabei gleichzeitig aul ein niederes Niveau für die
Dauer von 8 Tagen gesunken sein kann.
Der zweite Fieber-Hund (März-April 1912).
Methodisches.
Diese Versuche sind mit directer und indirecter Calorimetrie
durchgeführt worden. Zur directen Calorimetrie diente das neue
Respirationscalorimeter, mit Hülfe dessen bestimmt werden kann:
1. die Sauerstoffzufuhr,
2. die Kohlensäureausscheidung,
3. das Wasser der Respiration,
4. die mit dem Pyrometer von Siemens & Halske registrirte
Wärmeproduction.
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
111
Auch dieser zweite Fieberhund ist mit Trypanosomen inficirt
worden. Das Material dafür, wie für alle späteren Versuche, über die
weiterhin noch berichtet werden soll, verdanke ich Herrn Prof. Dr. Morgen-
roth. Es handelt sich um Trypanosoma Brucei von Prowazek aus
dem Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten.
Auf dem letzten internationalen Hygienecongress in Berlin hatte
Rubner das Schema eines Apparatensystems ausgestellt, das die Ver¬
bindung seines Calorimeters mit dem Pettenkofer’schen Apparat zeigte
mit der Modification, dass es sich um ein geschlossenes System handelte,
bei dem nicht Luft, sondern Sauerstoff zugeführt wurde.
Diese Apparatur, wie sie uns der Mechaniker Hoffmeister lieferte,
erwies sich aber dann in der Folge praktisch als ganz ungeeignet.
Der Apparat bzw. das Apparatensystem, so wie ich es benutze, ist
in seiner jetzigen Gestaltung ein wesentlich anderes als das uns
damals gelieferte. Wenn man mit einem geschlossenen System ar¬
beitet, d. h. wenn dem Thiere in dem Calorimeter keine Luft von aussen,
sondern nur Sauerstoff aus der Bombe zugeführt wird, ist Vorbedingung,
dass Vorrichtungen vorhanden sind, die so functioniren, dass die aus-
geathmete Luft vollständig kohlensäurefrei zu dem Thiere zurückkehrt.
Das leistete der uns zu dem Zwecke gelieferte Natronkalkkasten absolut
nicht. Die Thiere konnten nur ganz kurze Zeit in dem Calorimeter ge¬
lassen werden, weil sich sehr bald Kohlensäureintoxication einstellte.
Die Thiere werden sehr schwer dyspnoisch, und was beraerkenswerth ist,
wenn sie nicht gleich aus dem Calorimeter entfernt werden, tritt am
ganzen Körper eine solche Transpiration ein, dass die Thiere wie
aus dem Wasser gezogen erscheinen. Es ist bekannt, dass Hunde sonst
nur durch die Athraung bei Dyspnoe mit herausgesteckter Zunge physi-*
kalisch reguliren. Bei allen Thieren, bei denen ich so Gelegenheit zur
Beobachtung der Kohlensäureintoxication hatte, war diese Thatsache zu
constatiren. Der ganze Körper war nass.
Also einmal war die Construction des Kastens für den Zweck,
dem er dienen soll, ungeeignet, andererseits entsprach er auch aus
anderem Grunde den Anforderungen nicht. Denn bei einem geschlossenen
System ist Voraussetzung für die Bestimmung des respiratorischen Stoff¬
wechsels die absolute Dichtigkeit. Die zahlreichen Verschraubungen
des uns gelieferten Kastens waren aus diesem Grunde schon unzweck-
mässig.
Der nach unserer Angabe von der Firma Paul Altmann-Berlin
gelieferte Natronkalkofen entspricht in jeder Weise den Anforde¬
rungen. Um die Luft vorgetrocknet dem Natronkalkofen zuzuführen, ist
ein Chlorcalciumthurm vorgeschaltet. Die Luft wird also von
einem durch einen Motor angetriebenen von der Firma Elster gelieferten
Gasmesser in Bewegung gesetzt, die Luft aus dem Thierraum wird
durch den Gasmesser nach dem Chlorcalciumthurm, von da nach dem
Natronkalkofen getrieben und kehrt kohlensäurefrei zu dem Thier¬
raum zurück. Da ein Theilstrom vom Hauptstrom zu Pettenkofer’schen
mit Barythydrat gefüllten Röhren mit Hülfe von Quecksilberpumpen ab¬
zweigt, dienen die Einströmungsröhren als lndicator für den Kohlen-
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112
Rahei Hirsch,
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Säuregehalt der einströmenden Luft. Die Trübung in den Einströmungs¬
röhren ist Signal, dass der Natronkalk mit Kohlensäure gesättigt ist,
und dass der Kasten mit frischem Natronkalk beschickt werden muss.
Im Chlorcalciumthurm sind zwei Fenster angebracht, durch die man
feststellen kann, wann das Chlorcalcium zu erneuern ist.
Die Sauerstoffzufuhr.
Von der Sauerstoff bombe gelangt der Sauerstoff nach einem Druck¬
regulirapparat mit Schwimmer. Durch letzteren wird das Ventil auto¬
matisch geschlossen und geöffnet, je nach dem Sauer- bzw. Kohlensäure¬
verbrauch. Circulirt z. B. mehr Sauerstoff im System, als das Thier
verbraucht, dann bleibt das Ventil geschlossen, so dass erst bei Bedarf
neuer Sauerstoff zufliessen kann. Von dem Regulirapparat aus passirt
der Sauerstoff eine Gasuhr, damit der Zufluss in jedem Moment controlirt
werden kann. Auf einer in dem Zimmer aufgestellten grossen analytischen
Wage wird die Bombe vor und nach dem Versuch gewogen.
Die Temperaturregulirung des Calorimeters.
Auch diese ist eine andere als die bei dem alten Apparat gebotene.
Das Contactthermometer, das ich seit fast l 1 ^ Jahren zur Constant-
erhaltung der Temperatur des Calorimeters benutze, hat sich sehr be¬
währt. Selbst im heissesten Sommer der letzten 100 Jahre —
im Sommer 1911 — hielt sich die Temperatur des Calorimeters
dauernd auf der Einstellung von 15,5°.
Die beigefügte Curve zeigt die Constanz der Temperaturcurve im
Wasserraume. Die Regulirung durch das Contactthermometer geht in
folgender Weise vor sich: Das Calorimeter ist das bekannte Rubner’sche.
Der Calorimeterraum ( R) dient zur Aufnahme der Wärmequelle und
ist nach aussen durch eine Thür (T) dicht abgeschlossen. Dieser Raum
wird umhüllt von dem Mantelraum (AI) und enthält die Luftraenge, deren
Wärme durch das mit dem Raume communicirende Pyrometer von
Siemens & Halske registrirt wird. Dieses ganze Luftcalorimeter
wird von einem zweiten Mantel umgeben, so dass der Isolirraum (!) ge¬
bildet wird. Das an dem Eingang in den Calorimeterraum gut verlötete
Mantelraumsystera ist in das grosse Wasserbad (IF), das ebenfalls mit
einem Pyrometer in Verbindung steht, versenkt. Der Apparat ist aus
Kupferblech angefertigt.
Die Decke des Calorimeters ist mehrfach durchbohrt zur Aufnahme
von auf 0,05° geaichten Thermometern, die dem Einstrom und Ausstrom
entsprechend ebenso im Calorimeter- und Wasserraura angebracht sind.
Dem Ein- und Ausstrom entsprechend führen Verbindungsrohre zu
den Pettenkofer’schen Barytröhren.
In den Wasserraum W taucht das Contactthermometer, das mit dem
elektrischen Anschluss im Zimmer verbunden ist, ein. Das Contact¬
thermometer ist auf bestimmten Grad (15,5°) eingestellt. Steigt nun
die Wärme in dem Wasserbad durch die unterhalb des Calorimeters an¬
gebrachten elektrischen Heizplatten an, so schliesst sich im Contact¬
thermometer der Strom, dadurch wird ein damit in Verbindung stehender
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
113
Hebel in Bewegung gesetzt, der ein Ventil öffnet, durch welches so lange
kaltes Wasser aus der Wasserleitung dem Wasserbade zufliesst, bis die
.Temperatur der eingestellten entspricht. Zu dem Zwecke ist oberhalb
des Calorimeters ein Wasserreservoirangebracht, das mit dem Zufluss
der Wasserleitung und dem Wasserbade (TT) in Verbindung steht.
Abb. 1.
Die Registrirung der von dem Thiere gelieferten Wärme.
Die alten Rubner’schen Volumeter habe ich durch die Pyrometer
von Siemens & Halske ersetzt. Diese Pyrometer registriren nur die
producirte Wärme und sind vom Drncke ganz unabhängig.
Ein Pyrometer ist in den Raum ( M ) versenkt, ein zweites in das
Wasserbad (TF). Ausserdem sind in dieselben Räume M und W amtlich
geaichte Thermometer zur Controle dos Pyrometers eingesetzt.
Für calorimetrfsche wissenschaftliche Zwecke ist der hierfür so
überaus gut brauchbare Apparat bisher noch nicht benutzt worden.
Der Fieber-Registrirapparat von Siemens & Halske beruht auf dem
physikalischen Phänomen, dass metallische Leiter, wie Platin, ihr elek¬
trisches Leitvermögen nach Maassgabe der Temperatur gesetzmässig ändern.
Die Formel, die dieses zum Ausdruck bringt, lautet:
Wt = Wo * (1 + 3 • 98 • 10- 3 • t — 5 • 88 • 10~ 7 * t 2 ).
Darin bedeutet Wo den Widerstand bei 0° C, Wt den Widerstand bei
t° C. Für mässiggradige Temperaturintervalle ist demnach die Wider¬
standsänderung der Temperaturänderung proportional, der Widerstand
nimmt im gleichen Sinne wie die Temperatur zu. Das Widerstands¬
element besteht aus einer zweckmässig eingekapselten, in Quarzglas ein¬
geschmolzenen Platinspirale, deren Zuleitungen in einem flexiblen, ver¬
nickelten Metallschlauch liegen und in zwei konischen Stöpseln mit
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 3
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Kabel Hirsch,
Uebcrfangmutter endigen. Das Widerstandselement ist in den Calori-
meterraum (M) versenkt, für den es speciell geaicht ist, ein zweites
eigens hierfür geaichtes Element taucht in das Wasserbad ein.
Die Temperaturregistrirung erfolgt mit Hülfe einer Messanordnung,
die auf dem Princip der Wheatstone’schen Brücke beruht. Die Brücken¬
schaltung enthält im Innern mehrere nach Art einer Wheatstone’schen
Brücke geschaltete Widerstandsspulen aus einem Drahtraaterial, das von
der Temperatur der Umgebung nicht beeinflusst wird. Die Widerstände
bilden mit der als Thermometer dienenden Platinspirale die Brücken¬
zweige. Die Brückenschaltung mit den Widerständen, den Regulirwider-
ständen und dem Umschalter sind in einem Holzkasten untergebracht.
Es sind nämlich, da die Spannung der Stromstärke — für diese
dient ein kleiner Accumulator — nicht constant bleibt, sondern mit all¬
mählicher Entladung des Accumulators langsam abnimmt, ein Prüfungs¬
widerstand, ein Umschalter und Regulirwiderstände vorgesehen. Mit dem
Umschalter wird entweder das Widerstandsthermometer in dem Calori-
meter oder der Prüfungswiderstand eingeschaltet. Für meine Zwecke
ist die Scala in ihrem Anfangsthcil auf 15° C, in ihrem Endpunkt auf
25° C geaicht. Die Schaltungswiderstände, die Spannung der Strom¬
quelle und die Stromempfindlichkeit des registrirenden Millivoltmeters sind
derart eingestellt, dass entsprechend einer Temperatur von 15° C der
Zeiger des Millivoltmesscrs in der Ruhelage am Anfang der Scala steht
und bei einer Temperatur von 25° C die ganze Scala bis zum Endstrich
durchlaufen muss. Jede dazwischen liegende Temperatur wird zu jeder
Minute durch den Ausschlag des Millivoltraessers registrirt.
Zur Controle sind in demselben Calorimeterraume, der die Platin¬
spirale als Widerstandselement enthält, ebenso im Wasserbade, auf 0,05°
geäichte Thermometer versenkt, so dass man jederzeit die Werthe
controliren kann.
Da die Spannung der Stromstärke im Accumulator nicht constant
bleibt, sondern mit allmählicher Entladung des Accumulators langsam
abniramt, muss vor Beginn jedes neuen Versuches der Prüfungswiderstand
eingeschaltet werden. Letzterer muss sich nach der Einschaltung genau
auf den Endpunkt der Scala einstellen. Ist das nicht der Fall, so ist
die Spannung der Stromquelle zu hoch oder zu niedrig, und man muss
das mit Regulirwiderständen ausgleichen. Dafür sind 2 Regulirwider¬
stände zur Grob- und Feinregulirung vorgesehen. Das eigentliche
Widerstandsthermometer, die Platinspirale, steht mit längerer Zuleitung
mit der Messschaltung in Verbindung.
Das Registrirmillivoltmeter ist nach dem Deprez-d’Arson valtyp
construirt. Das Messsystem besteht aus einem kräftigen permanenten
Stahlmagneten und einer im homogenen Felde dieses Magneten unter
der Strorawirkung sich drehenden, in Gestalt eines Rähmchens gewickelten
Drahtspule. Um hohe Empfindlichkeit zu erzielen, ist letztere an einem
Bronzebändchen aufgehängt und wird unten durch eine feine Metallspiralc
festgehalten. Bändchen und Spirale dienen einerseits als Stromzuführung
zur Drehspule, andererseits liefert ihre Torsionskraft das der elektro¬
magnetischen Richtkraft entgegenwirkende Drehmoment. Trotz der Gering-
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Rahel Hirsch,
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fügigkeit der Kräfte stellt sich der Zeiger mit grosser Präzision ein.
Diese Art der Befestigung der Drehspule hat zur Folge, dass das
Instrument nur in genau horizontaler Lage verwendet werden kann.
Deshalb besitzt das Registrirpyrometer verstellbare Fussschrauben, deren
Länge durch Drehen so lange verändert wird, bis die hinten auf dem
Instrument zwischen den beiden Anschlussklemmen angebrachte Libelle
anzeigt, dass der Apparat richtig steht.
Vorbedingung für die Brauchbarkeit des ganzen Apparatensystems,
speciell mit Bezug auf die Sauerstoffzufuhr und Kohlensäureausscheidung ist
die absolute Dichtigkeit, auf die vor Beginn jedes Versuches zu
achten ist. Die Undichtigkeit zeigt sich sofort beim Versuch durch den
grossen Sauerstoffverbrauch, den man sofort an der Gasuhr beobachten
kann. Während des 24ständigen Versuches wird jede Stunde Tag
und Nacht der Apparat controlirt, alle Thermometer werden stündlich
abgelesen. Ist der Apparat ganz in Ordnung, so hält sich die einmalige
Einstellung des Sauerstoffes auf bestimmten geringen Druck während der
ganzen Versuchszeit auf demselben Niveau.
Die Aichung des Apparates.
Die Aichung des Apparates geschieht mit den von Siemens & Halske
gelieferten Aichapparaten auf elektrischem Wege. Die Kerzenverbrennung,
die unter den bekannten bestimmten Cautelen vorzunehmen ist, zeigt
nach Maassgabe ihres calorischen Werthes mit der Verbrennung in der
Berthelot’schen Bombe gute Uebereinstimmung. Und was von grösstem
Werthe ist: die directe und indirecte Calorimetrie bei den Thierversuchen
stimmen überein, wie man es nicht besser erwarten kanu. Als.Verluste,
die bei der directen Calorimetrie berücksichtigt werden müssen, kommt
der Wärmeverlust durch die Circulation der Luft, der am Ein- und Aus¬
strömungsthermometer abgelesen werden kann, in Betracht.
Da das circulirende Luftquantum und der Druck genau bekannt sind,
wird der Wärmeverlust rechnerisch eruirt. Als zweiter Wärmeverlust ist
calorisch der respiratorische Wasserwerth zu berücksichtigen. Diese
beiden Werthe sind dem aus der Pyrometercurve sich ergebenden Wärme¬
werth hinzuzufügen. Die Curve wird mit geaichtem Centimeterraaass-
stabe ausgemessen. Das Wärmegleichgewicht stellt sich sofort im Ver¬
laufe der ersten Stunde auf der Curve her. Aus den normalen Hunde-
und Kaninchencurven, die ich beifüge, sieht man, wie gleichmässig die
Wärmeproduction verläuft. Bei den Hunden, die unmittelbar vor dem
Versuch gefüttert wurden, erkennt man die Verdauungsstunden an dem
leichten Anstieg der Curve. Das Kaninchen zeigt ganz ebenmässige
Curven. Während 24 Stunden bleibt der Kasten geschlossen. Die Thiere
werden vor und nach dem Versuche gewogen. Will man die Wirkung
irgend eines Mittels während der Versuchszeit beobachten, so muss man
etwa eine Stunde zuvor den Zufluss aus der Sauerstoff bombe absperren;
dann kann man ohne Verlust das Thier herausnehmen, das Mittel geben
und das Thier sofort wieder hineinsetzen; das kann so schnell geschehen,
dass die Wärmeunterbrechung auf der Curve kaum zu bemerken ist.
Uebt das Mittel früher oder später nach der Darreichung eine wärme-
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
117
steigernde oder wärmehemmende Wirkung aus, so zeigt das die Curve
deutlichst an. Hat man kein besonderes Interesse an der Beobachtung
des Verlaufes der Stickstoff-Kohlenstoffausscheidung, sondern lediglich an
der Feststellung der Gesammtwärmeproduction, so genügt diese directe
Calorimetrie vollständig.
Zweiter Fieber-Hund (März—April 1912).
Directe und indirecte Calorimetrie. Normales Körpergewicht
10 500 g.
Auch bei diesem zweiten Hund sind die Stoffwechselversuche, die
directe und die indirecte Calorimetrie deshalb einwandsfrei, weil
das Thier an allen Versuchstagen, bis auf die beiden letzten Tage im
Coma, die Nahrung — 150 g Hundekuchen, 400 ccm Wasser — sofort
mit einem Male vollständig aufgefressen hat. Nachdem das Thier vorher
schon an diese Nahrung gewöhnt worden war, wurde am 5. Mär2 1912 der
Versuch im Calorimeter begonnen. Das Thier war sehr geeignet für Calori-
meterversuche, da es von Anfang an vollständig ruhig im Kasten lag.
Durch directe Calorimetrie wurden am 5.—6. März 1912 ge¬
funden: 585 Calorien. Der rechnerisch mit Hülfe der Berthelot’schen
Bombe indirect ermittelte Werth ergab für diesen Tag: 583 Calorien.
Um die einzelnen Daten dabei näher zu discutiren: Bei den 585 direct
bestimmten Calorien ist — wie schon früher bei Besprechung der Methodik
erwähnt — neben dem Verlust mit der Ventilation der mit dem
Wasserdampf verloren gegangene calorische Werth berücksichtigt
worden. Bei der mit der indirecten Methode durch die Berthelot’sche
Bombe eruirten Wärmeproduction ergaben die mit Harn und Koth ver¬
loren gegangenen calorischen Werthe zusammen: 9 Calorien.
Ziehe ich von der täglichen Einnahme von 690 Calorien diesen Ver¬
lust von 9 Calorien ab, so bleiben 681 Calorien, die den Umsatz und
Ansatz repräsentiren. Angesetzt wurden nun an diesem Tage an N-Cal. 25,
an C-Cal. 123, mithin 148 Cal. Ansatz. Demnach Verbrauch: 681 weniger
148 Cal. = 533 Cal., dazu kommen noch 50 Cal. für den Wasserdampf.
Also Wärmeproduction insgesammt: 583 Cal. indirect, 585 Cal. direct
bestimmt.
Am 6.—7. März 1912 ergab die directe Calorimetrie 602 Cal.
Mit dem Harn und Koth wurden ausgesebieden (Berthelot’sche Bombe):
28 Cal. Nach Abzug dieses Werthes von der Cal.-Zufuhr von 690 bleiben
für Um- und Ansatz 662 Calorien. Für Stickstoff-Caloricnansatz kommen
an diesem Tage in Betracht: Cal.-N + 9,425, für Kohlenstoff: Cal.-C
4- 110,7, d. h. insgesammt wurden retinirt: 120,125 Cal. Bleiben für
den Calorienverbrauch 662 weniger 120 Cal. = 542 Cal., dazu müssen
addirt werden 50 Cal. für den Wasserdampf, zusammen 592 Cal. Directe
Calorimetrie 602 Cal., indirecte Calorimetrie 592 Cal.
13.—14. März 1912. Mit der directen Calorimetrie wurden fest¬
gestellt: 564 Calorien. Indirect gefunden im Harn -(- Koth: 27 Cal. Nach
Abzug dieses Werthes von 690 Cal. der Zufuhr bleiben 663 Cal. für Um¬
satz und Ansatz. Für Retention von N-Cal.: -(- 41,47, von C-Cal.: + 91,
mithin 132,47 Cal. Ansatz. Demnach Calorienverbrauch: 663 weniger
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Rahel Hirsch,
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132,47 = 530,53 Cal., dazu kommen für den Wasserdampf 33 Cal., zu¬
sammen 566,53 Calorien, d. h. also mit directer Calorimetrie: 564 Cal.,
mit indirectcr Calorimetrie: 566,53 Cal.
15.—16. März. Directe Calorimetrie: 651,63 Cal. Indirect er¬
mittelt mit der Bcrthelot’schcn Bombe im Harn und Koth: 30,48 Cal.,
bleiben für Um- und Ansatz abzüglich der Nahrung: 690 weniger 30,48
= 659,52 Cal. Davon gehen ab: für N-Ansatz 28,95 Cal., für C-Ansatz
49,2 Cal., zusammen 78,15 Cal. Ansatz. Demnach Verbrauch: 659,52 Cal.
weniger 78,15 Cal. = 581,37 Cal., dazu kommen noch 33,14 Cal. für den
Wasserdampf, zusammen 614,51 Cal., d. h. also mit directer Calorimetrie:
651,63 Cal., mit indirecter Calorimetrie: 614,51 Cal.
17.—18. März. Die Temperatur betrug an diesem Tage 39,9°.
Wie bei dem ersten Fieberhunde zeigte sich bei dieser Temperatur eine
starke Kohlensäureausschweramung. Da ich zum Vergleiche bei
diesem Thiere die directe Calorimetrie heranziehen kann, werde ich die
Kohlensäurewcrthe von diesem Tage an mit Hülfe der indirecten Calorimetrie
und Berücksichtigung der directen Calorimetrie rechnerisch eruiren.
Im Allgemeinen ist es unzulässig, den ausgeathmeten Kohlenstoff
auf einen bestimmten Nahrungsstolf zurückzuführen und auf diese Weise
rechnerisch zu fixiren. Nach Rubner erhält man nämlich als calorischen
Werth des Kohlenstoffs:
bei Rohrzucker.9,50
„ Muskelfleisch .... 10,20
„ Fett.12,31
Zur Bestimmung des Energieumsatzes sind diese Zahlen ungeeignet,
denn dies hätte zur Voraussetzung, dass 1 g exspirirtcr Kohlenstoff bei
den einzelnen Nahrungsstoffen sich calorisch gleich verhielte.
Hat man, wie ich, dieGesammtwärmeproduction direct ermittelt,
so kann nur unter diesen besonderen Bedingungen der rechnerisch
eruirte Kohlensäurewerth für die Beurtheilung herangezogen werden.
Mit Harn und Koth wurden vom 17.—18. März ausgeschieden: 48,51 Cal.,
mit dem Wasserdampf: 32 Cal., zusammen 80,51 Cal. Subtrahire ich diesen
Werth von den durch directe Calorimetrie festgestelltcn 702 Cal., so
bleiben 621,49 Calorien für die ausgeathraeto Kohlensäure.
Nach der Berechnung ergiebt sich für den Kohlenstoff der Respiration
C-Respiration.50,5 g
für C-Harn.3,73
„ C-Koth.. . 7,24
C-Zufuhr.
61,47
63,34
C-Bilanz.
• +
1,87
Calorien-Ansatz für C . . .
für N- Defizit.
. +
23,37
4,775 Cal.
Calorien-Ansatz.
Calorien der Nahrung.
Calorien-Umsatz.
•T
18,595
690
18,595
dazu Cal. für den Wasserdampf
671,405
32
703,405,
d. h. mit directer Calorimetrie 702,10, indirect 703,4.
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Fieber und Chininwirkung im Fieber.
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Diese übereinstimmenden Werthc zeigen, dass in diesem speciellcn
Falle der auf Fett bezogene rechnerische Werth des ausgeathmeten
Kohlenstoffs wohl der richtige sein dürfte.
19.—20. März.
Calorienverlust mit dem Harn 41,5
„ * „ Koth 8,66
„ „ * Wasser¬
dampf. . . 52,8
102,46
Die dirccte Calorimetrie ergab 770,39
für liespirations-Calorien . . 667,93 Cal.
Temperatur 40°.
danach C-Respiration . . . 54.3 g
C-Harn. 3,9705
C-Koth .... 7,28 g
C-Summe .... 65,5505
C-Nahrung . . . 63.34
C-Bilanz.— 2,2105 g
Calorien der Nahrung . . . 690
* für N retinirt. . . + 34,125
* „ C-Deficit . . . — 31,0
Calorien-Production .... 687
+ Calorien d. Wasserdampfes 52.34
739,34 Cal. indirecte Methode.
770,39 „ directe „
20.—21. März. Temperatur 40°.
Directe Calorimetrie: 730,07.
Calorienverlust mit dem Harn . 24,76
„ „ * Koth . 8,66
* „ Wasser¬
dampf .52
85,42
Mit directer Calorimetrie . . . 730,07
_ 85.42
Bleiben für Calorien der Respir. 644,65
mithin C-Respiration
für C-Harn .
für C-Koth .
C-Summe . .
C-Nahrung .
C-Bilanz
Calorien für Nahrung . . . 690
„ „ N-Ansatz . . . 4- 34,125
„ „ C-Verlust ... — 9,225
Calorien-Production .... 665
+ Calorien d. Wasserdampfcs_52
. 52,40 g
4,4077 g
■ 7,28 g
. 64,0877
. 63,34
. —0,7477
717 indirecte Calorimetrie
730,07 directe „
21.—22. März. Temperatur 40°.
Directe Calorimetrie: 672.
Verlust an Cal. mit dem Harn .
r f» r> v v Koth
Cal.-Verlust m. d. Wasserdampf
direkte Calorimetrie
22
8,66
50
80,66
672
80,66
demnach C-Rcspiration
C-Harn . .
C-Koth . .
C-Summc
C-Nahrung .
C-Bilanz. .
Calorien der Respiration . . . 591,34
. . 48
. . 2,6724
. . 7,28
. . 57,9524
, . 63,34
. . + 5,3876
Calorien der Nahrung . . .
„ „ N-Retention . .
„ „ C Retention . .
Calorien-Production . . . .
+-Calorien d. Wasserdampfcs
690
+ 48,625
+ 66,297
585,08
50
635,08 Cal. indirecte Methode
672 „ directe „
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Rahel Hirsoh,
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22.—23. März. Temperatur 39,5°.
Directe Calorimetrie: 583,85.
Verlust an Calorien m. d. Harn. . 21,90
* n t * *» Koth. . 8,66
Cal.-Verlust mit d. Wasser dampf 83
63,56
bleibt nach Abzug v. d. Gesammt-
production direct bestimmt . 583,85
_ 63,56
Cal. für die Respiration . . . 520,29
mithin C der Respiration. . 42,2 g
C im Harn .... 3,2976
C im Koth .... 7,28
C-Summe .... 52,7776
C-Nahrung . . . 63.34
C-Bilanz.+ 10,5624
Calorien der Nahrung
„ für N-Retention
w * C-Retention
Calorien-Production .
+ Cal. f. d. Wasserdampf
690
. + 36,625
. +129,28
533,095
33
Calorien-Production .... 566,095 in directe Cal.
585,85 directe Cal.
24.—25. März. Temperatur 39,7°.
Directe Calorimetrie: 785.44.
Verlust an Calorien m. d. Harn. . 44,66
» » „ » Koth. . 8,66
Cal.-Verlust mit d. Wasser dampf 36
89,32
directe Calorimetrie. 785,44
_ 89,32
bleiben für die Respiration . . 696,12
somit C der Respiration . . . 56,6
C des Harns .... 4,44
C des Kothes .... 7,28
C-Summe.68,32
C-Nahrung . . . . . 63,34
C-Bilanz.— 4,98
Calorien der Nahrung . . . 690
* * N-Retention . . + 25,625
„ des C-Deficits. . . — 36,65
Calorien-Production . . 699
+ Cal. d. Wasserdampfes_ 36
Calorien-Production . . 785 indirecte Methode
785 directe Methode.
25.—26. März. Temperatur 40,3°.
Directe Calorimetrie: 740,96.
Calorienvcrlust mit dem Harn . 44,66
„ * » Koth . 8,66
Cal.-Verlust mit d. Wasser dampf 46
99,32
directe Calorimetrie. 740,96
_ 99,32
bleiben für Cal. der Respiration 641,64
mithin C der Respiration . . 52,2
C im Harn. 4,49
C im Koth . . . . . 7,28
C-Summe.63,97
C-Nahrung . . . . . 63,34
C-Bilanz.— 0,63
Calorien der Nahrung . . .
Calorien-N-Deficit . . . .
Calorien-C-Deficit (nach Abzug
des C-Werthes für N). .
Calorien-Production . . . .
+ Calorien d. Wasserdampfes
690
— 49,625
— 1,749
741.32
46,
787.32 indirecte Methode
740,96 directe Methode.
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Fieber und Chinrowirkung im Fieber.
121
27.—28. März 1912. Temperatur 39,9°.
Direct bestimmte Wärmeproduction: 851,46 Calorien.
Indirekte Calorimetrie:
Calorien vertust mit deip Harn 61,2- Cal.
* * »• Koth 9,25
Cal.-Verl. m. d.Wasserdampf 55 _
. 125,45 Cal.
directe Calorimetrie . . . 851,46
— 125,45
bleiben für Resp.-Calorien . 726,01
Calorien-N-Deficit. 78,25
Calorien-C-Deficit (abzügl. des
Werthes für N) .... 88,025
Calorien der Nahrung . . . 690
+ 116,275
Calorien-Production .... 806,275
+ Calorien f. d. Wasserda mpf 55,4
861,675 indirecte Cal.
851,46 directe Cal.
mithin C der Respiration. . 59
C des Harnes . . . 2,6997
C des Kothes . . 5,59
Gesamrat-C .... 67,2897
C der Nahrung . 63,34
C-Bilanz.— 3,9497
1.—2. April. Temperatur 39,3°.
Directe Calorimetrie: 793,64.
Indirecte Calorimetrie:
Calorienverlust mit dem Ham . 66,9 d. h. für Respirations-C . . 53,6 g
„ » i Koth . 9,25 für Harn-C .... 2,5497
CaL-Verlust mit d. Wasser dampf 56,76 für Koth-C. . . . 5,49
132,91 Summe.61,63
directe Calorimetrie. . . . . 793.64 C der Nahrung . . 63,34
bleiben Calorien der Resp. . . 660,73 C-Bilanz.+ 1,71
Calorien der Nahrung . . . 690
Calorien-N-Deficit .... — 46,75
Calorien-C-Deficit (abzügl. des
Werthes für N) . . . . 20,91
Calorien-Production .... 757,6
+ Wasserdampf .... 56,76
814,86 indirecte Cal.
798,64 directe Cal.
3.—4. April 1912. Temperatur 39,3°.
Directe Calorimetrie: 1003,35.
Indirecte Calorimetrie:
Mit dem Harnverlust an Cal.. . 88,5 mithin C der Respiration . . 69,92
w * Kothverlust „ * . . 12,02 C des Harnes. . . . 3,288
Cal.-Verlust mit d. Wasser dampf 51 C des Kothes . . . 5,94
151,52 C der Summe . . . 78,428
directe Calorimetrie. 1003,35 c der Nahrung . . • 63,34
151,52 C-Bilanz.— 15,088
Calorien der Respiration . . . 851,83 1
Calorien der Nahrung . . . 690
„ des N-Deficits. . . 125
„ des C-Deficits (abzgl.
• des C-Werthes für N). . 169,73
Calorien-Production . . 984,73
+ Cal. des Wasserdampfes . +51
1085,78 indirecte Cal.
1008,85 directe „
Digitized by CjOuöie
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
122
Rahel Hirsch
Digitized by
8.-9. April 1912. Terap. 39,5°; 9.—10. April 1912. Temp. 40,5°.
Schlafzustand, nichts gefressen, nichts getrunken.
Directe Calorimetrie: 1297.
Calorienverlust mit dem Ham .
» » « Koth .
Cal.-Verlust mit d. Wasserdampf
180
24
70
mithin für Resp.-C . . .
für Haru-C . . .
für Koth-C . . .
. . 83 g
. . 3,5
. . 1,6
274
C-Summe — . .
. . 88,1
directe Calorimetrie ....
1297
274
Respirations-Calorien ....
1023
Calorien-N-Deficit.200
Calorien-C-Deficit (abzüglich des
C-Werthes für N) . . . . 1056,8
Calorien-Production. 1256.8
+ Cal. des Wasserdampfes . . 70
1326,8 indirecte Calorimetrie
1297 directe *
Die Zahlenergebnisse der directen und indirecten Calorimetrie
sind nicht nur eine werthvolle Bestätigung für die Rubner’schen Standard¬
zahlen, sondern sie demonstriren auch die Correctheit der Wärme-
curven des Siemens & Halske’schen Pyrometers. Wenn nicht die
Fragestellung die Feststellung der einzelnen Stoffwcchselcomponenten er¬
heischt, ist die Wärraecurve vollständig genügender Ausdruck der Stoff¬
wechselvorgänge. Sie ist jedenfalls das objectivste Maass der Wärme-
production.
Was nun die Wärmeproduction bei diesem Thiere im Fieber an¬
betrifft, so sehen wir, dass sich während der Tage des Fieberanstiegs
die Wärmeproduction wie in den gesunden Tagen verhält, d. h. in diesem
speciellcn Falle die Bilanz positiv sein kann. Und zwar ist sowohl
die Bilanz für Stickstoff wie für Kohlenstoff bis zu demselben
Tage positiv. Auch das Körpergewicht zeigt bis zum 15. März im Ver¬
hältnis zu dem Anfangsgewicht einen positiven Ausschlag. Dann wird
die Gesamtbilanz sowohl für Stickstoff wie für Kohlenstoff negativ
bei dem Fiebergrad von 39,9°. Dass man keine directe Parallele zwischen
der Temperaturerhöhung und dem Stoffwechsel ziehen kann, geht schon
aus der Thatsachc hervor, dass am 18. März die Temperatur fast normal
war (38,5°, 38,1°), und die Bilanz für Stickstoff und für Kohlenstoff
stärker negativ als die Tage zuvor zum Ausdruck kam.
Auch bei diesem Thiere tritt der Einfluss des Chinins auf die
Wärmeproduction unabhängig von der Temperatur zu Tage. Die
Temperatur des Hundes blieb unabhängig von der Chinindosis dauernd
hoch, schwankte zwischen 39,3—40,4° mit Ausnahme eines einzigen
Tages, an dem sie 38° betrug. Die Wirkung auf den Stickstoff¬
wechsel ist noch intensiver und nachhaltiger als auf den Kohlenstoff¬
wechsel. Als das Chinin 2 Tage ausgesetzt wurde, stieg die Stickstoff¬
ausscheidung stark an, und vom eigenen Körperbestand warden,
obwohl das Thier die normale Nahrung aufgefressen hatte, an N 5,38 g
an den beiden Tagen ausgeschieden. Auch die Kohlenstoffausscheidung
ist im Harne am 28.—29. Tage bedeutend gegen die Tage zuvor gesteigert,
Gougle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Fieber und Cbininwirkung im Fieber.
123
ebenso der calorische Verlust mit dem Harne, der 60,84 Cal. beträgt.
Das Thier erhält dann wiederum an den folgenden Tagen je 0,5 g
Chinin; auch jetzt noch, obwohl das Thier nun schon 14 Tage lang
ständig gefiebert hatte, stieg in den nächsten 3 Tagen das inzwischen bis auf
10250 g gesunkene Körpergewicht wieder auf 10400 g an. Die StickstofT-
bilanz blieb negativ, fiel aber um mehr als die Hälfte gegen die Tage
zuvor ab. Da ich in diesen Tagen aus äusseren Gründen den Hund nicht
im Calorimeter beobachten konnte, fallen die C-Bilanzen für diese Tage
weg. Der C-Werth des Harnes aber deutet auf Werthe hin, wie sie
nur in den Tagen positiver Bilanzen zur Beobachtung gekommen sind.
Dasselbe gilt für die calorischen Werthe des Harnes, die in diesen Tagen
wiederum nur 43,23 betragen haben. Die negativen Bilanzen für N und
C wachsen dann steigend bis zum Tode an. Der komatöse Zustand war
nicht, wie man zuerst vermuthen durfte, auf die Trypanosomenerkrankung
zu beziehen, sondern hing mit der doppeltseitigen Pneumonie, die zu
dieser Zeit unter den Charite-Hunden herrschte, zusammen. Auch bei
diesem Hunde zeigte sich, wie bei allen anderen, die Kohlensäure¬
ausschwemmung im Fieber.
Erhöhte Lungenventilation führt zu vermehrter Kohlensäure¬
abgabe, dadurch wird den Lungenalveolen wieder mehr Kohlensäure aus
den Geweben zugeführt. Folgezustand ist die Verarmung des Körpers
an Kohlensäure. Die Kohlensäuremenge in der Ausathmungsluft ent¬
spricht nur zum Theil neu gebildeter, ein Theil ist praformirt. Eine ge¬
wisse Menge von Kohlensäure ist in den Geweben und Säften locker
gebunden. Wie Loewy 1 ) ausführlich auseinandersetzt, ist „der Umfang
ihrer Ausscheidung wesentlich durch die Art der Athmung geregelt. Die
Kohlensäure des Venenblutes tritt in die Lungenbläschen über, aus denen
durch den Athmungsvorgang stets ein Theil nach aussen geschafft wird.
Ist die Athmung umfänglich und tief, so wird viel Kohlensäure aus der
Lunge entleert, das Blut kann viel abgeben, ist sie flach und gering an
Umfang, so bleibt in der Lunge viel Kohlensäure, und damit wird auch
in Blut und Geweben viel zurückgehalten. Es bilden sich so ver¬
schieden hohe alveolare Kohlensäurespannungen aus, aber stets kommt
es, wenn die Athmung längere Zeit gleichmässig verlaufen ist, zu einer
annähernden Constanz der C0 2 -Spannungen in der Lunge und damit
auch der Kohlensäureabgabe aus Blut und Geweben. Sobald das ein¬
getreten ist, entspricht die mit der Exspirationsluft ausgeschiedene
Kohlensäuremenge der in dem betreffenden Zeiträume gebildeten.“
Die Abhängigkeit der Kohlensäureausscheidung von der Umgebungs¬
temperatur ist wiederholt studirt worden. Voit fand, dass das Minimum
des Erhaltungsumsatzes beim Menschen bei 14—16° liegt, bei 26,7°
Aussentemperatur war schon vermehrte Kohlensäureausscheidung zu
constatiren, die bei 30° noch deutlicher hervortrat. Die Kohlensäure-
werthe verhielten sich für 6 Stunden in Gramm wie 155:160:171.
1) Loewy, Der respiratorische und der Gesamtumsatz. Oppenheimers Handb.
der Biochemie. 1908. 5. Lieferung. S. 161.
Digitized by Go gle
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
124
R&hel Hirsch,
Digitized by
Frank und Voit 1 ) finden nach ihren Versuchen an Hunden, dass für 1°
Temperaturdifferenz des Körpers eine Veränderung der Kohlen¬
säureausscheidung um 7 pCt. erfolgt.
Ob beim Fieber nicht ausser erhöhter Ventilation andere Momente
für die Kohlensäureausschwemmung in Betracht kommen, möchte ich
vorläufig dahin gestellt sein lassen. Ausdrücklich möchte ich aber
betonen, dass die Hunde —ich habe diese Kohlensäureausschwemmung
bei allen Hunden im Fieber constatirt — keineswegs dyspnoisch
waren, sondern im Calorimeter vollständig ruhig lagen, was man gut
beobachten kann. Auch Hund II, den ich täglich in seinem geräumigen
Käfig beobachtet habe, zeigte keine direct auffällige Aenderung der
Respiration; gemessen habe ich die Respirationsgrösse nicht.
Ru bn er’s Versuchspersonen schieden aus
pro Stunde bei 17,4°: 23,1 g C0 2 ,
„ 7) » 23,5° :30,5 g C0 2 ,
zweites Versuchs- f „ 23°: 27 g C0 2 ,
individuum \ „ 29° :32,4 g C0 2 .
Eine dritte Person zeigte bei 40° noch keine Kohlensäuresteigerung.
Alle drei Personen waren bekleidet.
Bei einem völlig nackten Manne und mittlerer Luftfeuchtigkeit
bezw. trockner Luft waren die Werthe, pro Stunde:
bei 25°.31,7 g C0 2 ,
„ 30°.34,5 g C0 2 ,
„38° .32,6 g C0 2 .
Die Körpertemperaturabnahme betrug bei 38° 0,1—0,9°.
Auch Rubner*) „vermuthet“, dass „eine Aenderung der Athem-
arbeit“ bei der Steigerung der Kohlensäure in Betracht zu ziehen ist.
Bei einer anderen Versuchsperson war speciell bei feuchter Luft die
C0 2 -Zunahme sehr stark ausgesprochen, die Körpertemperatur hatte
in 3 j /2 Stunden um 0,9° zugenommen.
Die Oberfläche ist nach der Meeh’schen Formel unter Anwendung
der Constante 11,9 berechnet worden, Da, wie Rubner (1. c. 22), aus¬
führlich auseinandergesetzt, die Constante bei starker Abmagerung sich
ändert, darf die Berücksichtigung der Oberfläche allein in solchen
Fällen nicht ausschlaggebend sein.
Bei beiden Fieberhunden ist die Wärmeproduction gegen die Normal¬
periode um 40—42,5 pCt. gesteigert, was in beiden Fällen durch Chinin
compensirt wird. Da die Nahrungsaufnahme genau dieselbe ge¬
blieben, sind die Zahlen einwandsfrei.
Die Mehrproduction im Fieber gegen die Norm beträgt bei dem
ersten Fieberhund, wenn ich die vorletzte Fieberperiode — bei der
lediglich die thatsächliche Production zum Vorschein kommt — zum
Vergleich heranziehe:
pro Kilogramm in 24 Stunden . . 40 pCt.,
„ Quadratmeter „24 „ . . 36 pCt.
1) Frank und Voit, Der Ablauf der Zersetzungen im thierischen Organismus.
Zeitschr. f. Biologie. 1901. Bd. 42. S. 309.
2) Rubner, Gesetze des Energieverbrauches. S. 210.
Gck igle
Original fro-m
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Fieber and Chininwirkang im Fieber.
125
Die Einschränkung der normalen Wärmeproduction durch
Chinin beträgt:
1. pro Kilogramm in 24 Stunden 10 pCt.,
„ Quadratmeter „24 „ lOpCt.;
2. pro Kilogramm „ 24 „ 6 pCt.,
„ Quadratmeter „24 „ 6,6 pCt.
Wie verhält sich nun Chinin zur vermehrten Wärmeproduction im
Fieber? Ich ziehe zur Berechnung wiederum die vorletzte Fieberperiode
heran:
1. pro Kilogramm in 24 Stunden 38,9 pCt. Sparung
„ Quadratmeter „24 „ 35,8 pCt. „
2. pro Kilogramm „24 „ 40 pCt. „
„ Quadratmeter „24 „ 39 pCt. „
Das heisst also, im Fieber kann durch Chinin bei hoher Fieber¬
temperatur die Wärmeproduction so günstig beeinflusst werden, dass
sie auf ihr normales Niveau zurückkehrt.
Bei dem zweiten Fieberhunde, bei welchem die Werthe durch
directe und indirecte Calorimetrie festgelegt sind, zeigt sich dasselbe:
Die gegen die Norm gesteigerte Wärmeproduction beträgt im Fieber:
pro Kilogramm in 24 Stunden . . 42,5 pCt.,
„ Quadratmeter „24 „ . . 41,7 pCt.
Ersparung durch Chinin (22.—23. März):
pro Kilogramm in 24 Stunden . . 46,7 pCt.,
„ Quadratmeter „ 24 „ . . 45 pCt.
Wärmeprodnetion. — Directe Calorimetrie.
Fieber-Hund März—April 1912, geimpft am 12. März.
Datum
Warme-
production
Cal.-
Zufuhr
Cal.-
Bilanz
Körper¬
temperatur
per rectum
Körper¬
gewicht
Chinin, bi$ulf.
Grad
8
g
5.— 6. März
585
690
+ 105
38,4
10 470
6 - 7. „
602
690
+ 88
38,2
10 600
—
Fieber.
13.—14.
n
564
14.-15.
7t
595,32
15.—16.
7t
651,63
17.—18.
n
702,10
19.—20.
rt
770,39
20.-21.
71
730,07
21.—22.
7t
672
22.-23.
7t
383,85
24.-25.
7t
785,44
25.-26.
7t
740,96
27.-28.
7t
851,46
1.— 2.
April
763,64
3.— 4.
7t
1003,89
5.— 6.
71
928,76
8. - 9- „ \
9. -10. „ /
Nichts gefressen
„ getrunken
1297
690
+ 126
38,6
690
+ 104,68
38,9
690
+ 38,37
38,9
690
— 12,10
39,9
C90
- 80,39
40
690
- 40.22
40
690
+ 18
40,3
690
+ 106,15
39,5
690
— 95,44
39,7
690
- 50,96
40,3
690
— 161,46
39,9
690
— 73,64
39,3
690
-313,89
39,3
690
— 238,76
39,3
—
— 1297
39.5
40.5
10 950
—
10 850
—
10 700
—
10 550
—
10 500
0,25
10 590
0,25
10 680
0,3
10 900
0,5
10 850
—
10 570
1,0
10 250
10 400
10,5 Morgens
/ 0,5 Nachmittags
10 150
—
10 050
—
8 600
—
8 300
—
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
126
Rahel Hirsch
Wärmeproduction. — Directe Calorimetrie.
Fieber-Hund (10,5 kg) März-April 1912.
Calorien nach Kilogramm und Quadratmeter Oberfläche berechnet.
Datum
1912
Cal.
in
24 Std.
Cal.
pro kg
in
Cal.
pro qm
in
Cal.
pro kg
und
Cal.
pro qm
und
Tempe¬
ratur
per rectum
Chinin.
bisulf.
24 Std.
24 Std.
Stunde
Stunde
Grad
g
5.— 6. März
585
I 55,88
1027
2,3
42,7
38,4
!
6.- 7. .
602
56,79
1049
2,3
1 43,7
38,2
Fieber (geimpft am 12. März).
13.-14. März
564
51,74
961
2,1
40
38,6
—
14.-15. „
595,32
54,68
1020
2,2
42,5
38,9
—
15.-16. .
651,63
60,90
1128
2,5
47
39,9
—
17.-18. ,
702
66,5
1227
2,7
51
40
—
19.-20. „
770,39
73,3
1350
3,0
56
40
0,25
20.-21. „
730,07
68,9
1272
2,9
53
40.3
0,25
21.-22. ,
672
62.9
1165
2,6
48,5
39,5
0,3
22.-23. „
583,85
53.5
984,6
2,2
41
39,7
0,5
24.-25. „
785,44
72,3
1243
3,1
51,7
40,3
—
25.-26. „
740,96
70
1342
2,9
55,5
39,9
1,0
27.-28. ,
851
83
1516
3,4
63
39,3
—
1.— 2. April
763,64
73,4
1347
3,0
56
39,3
( 0,5 Morgens
\ 0,5 Abends
3.- 4. „
1003,89
98,9
1800
4, 1
75
40,3
—
5.- 6. „
928,76
92
1676
3,8 I
69,8
40,3
—
8.- 9. „ \
9—10. „ \
1297
151
2613
6,3
108,8
40,5
Coma
Kohlenstoffbilanz.
Datum
C-Zufuhr
Harn-C
Fäces-
c
Respi-
rations-
C
Bilanz
Chinin.
bisulf.
Temp.
Körper¬
gewicht
1912
g
g
g
g
g
g
März
5.
-6.
63,34
2,32
5,91
45,0
+
10,11
—
38,4
10 470
6.
—7.
63,34
3,24
5,91
45,0
+
9,19
—
38,0
10 600
7.
-8.
63,34
4,09
5,91
—
—
—
—
8.
-9.
63,34
3,245
5,91
—
—
—
—
—
9.
— 10.
63,34
3,245
5,91
—
—
—
—
—
10.
— 11.
63,34
2,34
5,91
—
—
—
—
—
11.
-12.
63,34
3,10
5,91
—
—
—
—
—
geimpft
12.
-13.
63,34
2,748
7,24
42,0
+
11,35
— ■
38,2
10 950
13.
—14.
63,34
2,9
7,24
46,0
+
10,20
—
38,9
10 850
15.
-16.
63,34
2,748
7,24
49,2
+
5,56
—
38,9
10 700
16.
-17.
63,34
3,730
7,24
53,2
0,83
—
39,0
10 550
17.
— 18.
63,34
3,730
7,24
50,5
—
0,83
—
39,9
10 430
18.
—19.
63,34
5,40
7,24
54,3
—
3,60
0,25
38,5
10 500
19.
-20.
63,34
3,97
7,24
54,3
—
2,21
0,25
38,1
10 500
20.
-21.
63,34
4,407
7,28
52,4
+
0,74
0.25
40,0
10 590
21.
-22.
63,34
2,672
7,28
48,0
+
5,39
0.3
40,0
10 680
22.
-23.
63,34
3,297
7,28
42,2
+
10,47
0,5
39,5
10 900
23.
-24.
63,34
2,446
7,28
—
—
0,5
40,3
—
24.
-25.
63,34
4,446
7,28
56,6
—
2,98
—
39,7
10 750
25.
-26.
63,34
4,49
7,28
52,2
—
0,8
1,0
40,3
10 570
26.
-27.
63,34
6,136
5,59
—
—
40,4
10 570
27.
-28.
63,34
2,699
5,59
59,0
—
3,94
—
39,9
—
28.
-29.
63,34
6,699
5,59
—
—
0,5
39,8
10 250
29.
-30.
63,34
2,25
5,59
_ i
—
0,5
39,2
10 400
30.
-31.
63,34
2,25
5,59
i
—
—
40,1
—
Digitized by
Gougle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Fieber lind Chininwirkung im Fieber.
&.ohjenstöffbilaüz (tVtsetzuogJ,
127
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128
Rabel Hirsch,
Digitized by
Fieber-Hund. (März—April 1912.)
(24 Stunden-Versuche.)
Der respiratorische Quotient. — Directe Sauerstoffbestinmung.
Datum
co 2
Liter
0° 76 cm
0 2
Liter
0° 76 cm
R Q.
Temp.
Chinin,
bisul f.
Körpergewicht
K
März
5.-6.
76,3
107,0
0,7
38,4
—
10 470
6.-7.
78,9
111,4
0,7
38,2
—
10 600
13.—14.
82,9
117,8
0,7
38,2
—
10 850
15.—16.
92,2
128,5
0,71
88,6
—
10 550
17.—18.
100,0
140,0
0,71
38,9
—
10 430
19.-20.
110,0
148,0
0,73
89,9
—
10 500
20.—21.
101,1
142,7
0,7
40,2
0,25
10 590
21.-22.
92,6
132,1
0,7
40,3
0,25
10 600
22.-23.
81,7
111,0
0,73
38,3
0,3
10 680
24.-25.
109,2
152,7
0,71
39,5
0,5
10 900
25.-26.
97,7
142,7
0,68
40,3
0,5
10 570
27.-28.
112,8
159,0
0,7
40,3
1,0
10 250
April
1.-2.
100,9
139,8
0,71
39,3
0,5 (2X)
10 400
3.-4.
130,0
176,5
0,73
40,3
—
10 050
5—6.
110,7
156,3
0,72
40,3
—
10 000
8. -9. \
9. -10. /
155,8
202,5
0,76
40,5
—
8 300
nichts gefressen,
nichts getrunken
i
Wie schon bei dem literarischen Ueberklick erwähnt, sind in der
Literatur abnorm tiefe Werthe für den respiratorischen Quotienten wieder¬
holt gefunden worden. Zumeist handelte es sich dabei um mangelnde
Ernährungsverhältnisse, ähnlich wie beim Hungerstoffwechsel.
Ich habe den rechnerisch eruirten Werth für <lie Kohlensäure-
production in die Tabelle eingesetzt; danach ergeben sich für das Fieber
und für die Chininwirkung im Fieber keine nennenswerthen Ab¬
weichungen gegen die Norm: Ein Befund, der dem von Kraus (1. c.)
zuerst constatirten entspricht.
Die Wasserbilanz.
Die Wasserbilanz zeigt keine Werthe, die im Verhältniss zu den
normalen Tagen der Wasserbilanz sich so verhielten, dass man von
Wasserretention durch das Fieber sprechen könnte. Die Zahlen
sind — abgesehen von den beiden letzten Tagen des comatösen Zustandes
— keine solchen, dass danach überhaupt von nennenswerther Beeinflussung
durch das Fieber die Rede sein kann.
Was die Chininwirkung und die Wasserbilanz anbetrifft, so tritt
nur an 2 Tagen eine Bilanz hervor, die man als gegen die Norm ver¬
mehrte Retention deuten könnte.
Wir ersehen aus den beiden langdauernden Fieberversuchen, dass beim
Trypanosomenfieber die vermehrte Wärmeproduction schon in den
ersten Tagen des Fiebers auftritt, während der Fieberanstieg nicht mit
erhöhter Production einhergeht. Die in der Literatur vorliegenden Wider¬
sprüche — man constatirte theilweise normale, theilweise erhöhte und
sogar verminderte Wärmeproduction — sind vielleicht auf die verschie-
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Fieber and Chininwirkung im Fieber.
Wasserbilanz.
Fieber-Hund (März—April 1912).
129
Datum
Zufuhr
Urin
Koth
Respiration
i
Temp.
Chin.
bisulf.
Bilanz
ccm
ccm
g
g
g
März
5.-6.
400
160
13,45
83,86
normal
+ 140,0
6.-7.
400
220
13,45
83,86
—
+ 82,69
13.—14.
400
170
15,75
55,0
38,9
—
+ 159,25
14.-15.
400
180
15,75
55,0
38,9
—
+ 149,25
15.-16.
400
210
15,75
15,75
53,5
39,0
—
+ 130,75
17.—18.
400
200
87,2
38,5
—
+ 97,15
19.—20.
400
140
14,50
87,0
40,0
0,25
+ 158,50
20.-21.
400
180
3,86
83,0
40,3
0,25
+ 133,14
22.-23.
400
110
3,86
55,0
40,3
0,30
+ 231,14
24.-25.
400
100
3,86
60,0
40,3
0,50
+ 236,14
25.-26.
400
150
3,86
76,0
40,4
1,0
+ 170,74
27.-28.
400
180
3,86
92,3
39,9
+ 123,84
April
2.-3.
400
150
4,20
56,3
39,3
0,50 |
+ 189,50
3.-4.
400
175
4,20
85,0
40,3 |
—
+ 135,80
5.- 6.
400
190
4,20
76,6
40,3
—
+ 129,20
S.-9. Ij
9.-10.)
nichts
getrunken
318
4,20
116,6
40,5
—
— 438,80
denen Fieberursachen zu beziehen. Dafür sprechen zwei Versuche,
die ich mit directer Calorimetric mit Anaphylatoxin an Kaninchen
gemacht habe. Mit der Temperaturerhöhung sank die Wärme-
production.
Zusammen mit Herrn Dr. Leschke, Volontärarzt der II. med. Klinik,
dem ich das Anaphylatoxin verdanke, werde ich diese Versuche fort¬
setzen, um insbesondere auch den Eiweissstoffwechsel dabei zu ver¬
folgen.
Die Kohlensäureproduction war nämlich in dem einen Versuch
besonders stark eingeschränkt.
Beim Trypanosoraenfieber ist jedenfalls der Fettstoffwechsel
ebenso stark beim Umsatz während des Fieberverlaufes betheiligt
wie der Eiweissstoffwechsel, und sehr bcmerkcnswerth ist die stark
vermehrte Harnsäureausscheidung im Fieber.
Während der C- und N-Umsatz durch Chinin so günstig beeinflusst
wird, dass sich nach der Wärmeproduction, dem Eiweiss- und Fettstoff¬
wechsel gemessen, die normale Curve wiederherstellt, bleibt die vermehrte
Harnsäureausscheidung durch Chinin unverändert dieselbe.
Die Chininversuchc illustriren, dass Wärmeproduction und Temperatur-
curve unabhängig von einander und neben einander verlaufen können.
Während die Fiebercurve durch Chinin im Trypanosomenfieber
garnicht beeinflusst wird, ist die Wirkung auf den Gesammt-
umsatz eclatant.
Wie beim Diabetes mellitus die Zuckerausscheidung lediglich Symptom
und als solches von Bedeutung ist, so hat die Einstellung des Wärme¬
niveaus auf höheren Grad nur symptomatischen Werth. Ob von der
Peripherie aus durch infectiös-toxische Momente das Wärmegleichgewicht
gestört wird, ob Toxine anderer Art, wie z. B. bei der Fleischvergiftung,
Zeiuehrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bi ^ q
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
130
Rahei Hirsch,
Digitized by
Fieber auslösen, oder ob es sich um endogene Stoffe wie bei dem ge¬
legentlich auftretenden Menstruationsfieber handelt, stets kommt offenbar
die Verschiebung der Wärmeeurve auf dem Wege des Nervensystems zu
Stande.
Dafür sprechen auch meine Adrenalinversuche, auf die ich. in
der Fortsetzung dieser Arbeit weiter eingehen werde.
Man kann von der Peripherie aus durch Reizung bezw. Lähmung
des Sympathicus das Wärmegleichgewicht nach unten bezw. nach oben
hin verschieben.
Die Quelle der thierischen Wärme ist die Nahrung, ist der Stoff¬
wechsel. Das Contacttherraoraetcr, das regulatorische Princip — für
verschiedene Thierspccies verschieden hoch eingestellt — ist das Nerven¬
system, aller Wahrscheinlichkeit nach das sympathische System.
Die febrile Hyperthermie verläuft nicht einfach auf Grund erhöhter
Umsetzungen, sondern nach Maassgabe der Reaction unseres wärme¬
reg u lat ori sehen Princips.
Zusammenfassung.
1. Beim Trypanosomenfieber ist im Fieberanstieg die Wärmc-
bilanz noch positiv, wird aber am dritten Jnfectionstage bei einer
Temperatur von 39° (normal 38°) negativ.
2. Die erhöhte Wärmeproduction auf der Höhe des Fiebers beträgt
im Verhältnis zu den Normalw r erthen bei beiden Fieberhunden
40 bezw. 42,5 pCt.
3. An demselben Tage wird sowohl die Stickstoff- als auch die
Kohlenstoffbilanz negativ. Eiweiss- und Fettstoffwechsel sind
also bei der gesteigerten Wärmeproduction betheiligt. Die
C-Werthe des Eiweissumsatzes sind stets bei der Berechnung des
Fettzcrfalles in Abrechnung gebracht worden.
4. Mit dem Einsetzen des Fiebers tritt intensiv vermehrte Harn¬
säureausscheidung auf.
5. Bei Hunden mit Trypanosomenfieber zeigt sich sofort mit Ein¬
setzen des Fiebers Kohlensäureausschwemmung, daher beim
Fieber directe Calorimetrie zur Controle unerlässlich.
6. Wasserretention ist bei beiden Hunden im Fieber nicht nach¬
zuweisen.
7. Chinin wirkt nicht nur beim gesunden Thiere sparend auf den
Wärmehaushalt, sondern übt vor Allem während des Fiebers —
auf der Höhe des Fiebers — derartigen Einfluss auf den Gesammt-
umsatz aus, dass sich bei unverändert hoher Temperatur der
Stoffwechsel auf normales Niveau wieder einstellt. Die vor¬
her negative Bilanz wird wieder positiv.
8. Der Eiweiss- und der Fettstoffwechsel werden durch Chinin
in diesem Sinne günstig beeinflusst.
9. Im Fieber reagirt die stark vermehrte Harnsäureausscheidung
auf Chinin garnicht mehr, während beim gesunden Thiere auch
der Purinstoffwechsel durch Chinin eingeschränkt wird.
*
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Fieber und Cbininwirkung im Fieber.
131
10. Die Chininwirkung im Fieber zeigt, dass der Stoffwechsel,
dass die Wärmeproduction unabhängig ron der Temperatur-
curve verlaufen kann.
11. Beide Hunde hatten während des ganzen Fieberverlaufes die
normale Nahrung — quantitativ und qualitativ — vollständig
aufgefressen, daher sind die Vergleichswerthe eindeutig.
12. Der Stoffwechselversuch bei dem ersten, 35 kg schweren Hunde
ist deshalb besonders einzigartig in der Literatur, weil das Thier
durch 2 ganze Monate hindurch bei hohem Fieber wie in den
2 gesunden Monaten der Beobachtung qualitativ und quantitativ die¬
selbe Nahrung mit einem Male gefressen. Die Versuchsresultate
sind deshalb eindeutig in der Fieberperiode als Fieberwerthe
zu deuten. Die Obduction ergab auffallenden Fettschwund, das
Thier war an Fieber-Kachexie zu Grunde gegangen.
13. Das Pyrometer von Siemens & Halske, das bei meinem
Apparatensystem für die directe Cälorimetrie zum ersten Male
überhaupt verwendet worden ist, hat sich als äusserst brauchbar
für solche langdauernden Beobachtungen erwiesen.
9
*
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Digitized by
VIII.
Aus der II. med. Universitäts-Klinik der Königl. Charite zu Berlin.
Trypanosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfleber
beim Kaninchen.
Von
Dr. med. R&hel Hirsch,
Assistentin der Klinik.
In seiner Abhandlung „Fieber und Infection“ in v. Noorden’s
Handbuch weist Kraus 1 ) darauf hin, dass vorwiegend praktische
Gesichtspunkte den „ärztlichen Fieberbegriff“ aufrecht zu erhalten ver¬
mocht haben. Die Uebereinstimmung der Symptomengruppe, welche
den allgemeinen Fieberbegriff rechtfertigt, ist keine derartige, dass dadurch
das „Wesen der Einzeldefecte“ aufgeklärt wird. Insbesondere betont
Kraus, dass der Fiebertypus sowohl von der Specificität der fieber-
erregenden Substanzen, als auch von den Abwehrkräften des Organismus
abhängig ist. „Der Nutzen und Schaden“ der febrilen Temperaturerhöhung
lässt sich daher auch nicht unter „einen einzigen Gesichtspunkt bringen“.
Dasselbe gilt für die Stoffwechselvorgänge beim Fieberprocess
(Kraus).
Diese Gesichtspunkte sind speciell für die Wärracproduction, die
Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausscheidung der leitende
Gedanke bei den nachfolgenden Untersuchungen gewesen. Für das In-
fectionsfieber habe ich das Trypanosomenfieber gewählt, daneben
die Vorgänge beim Wärmestichfieber und dem durch Anaphylatoxin
erzeugten studirt. Als Versuchsthier diente das Kaninchen, speciell mit
Rücksicht auf die Wärmestichversuche. Die Wärmeproduction wurde
direct bestimmt, ebenso die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäure¬
ausscheidung während derselben Zeit festgestellt. Das Calorimeter ist
wie bei allen bisherigen Versuchen auf 15,8° eingestellt. Kaninchen
liefern eine sehr regelmässige Curve der Wärmeproduction, so dass bei
gleichmässiger Fütterung Thiere desselben Körpergewichts geradezu
identische Curven aufweisen.
Tabelle I.
Kaninchen, schwarz. Juni 1912. Körpergewicht 2170g.
(17 Stunden-Versuch.)
In 17 Stunden.78,2 Calorien
pro Stunde. 4,6 „
„ Kilogramm und Stunde. 2,0 *
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 362,2
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 21,3
1) Kraus, Fieber und Infeclion. v. Noordcu’s Handbuch.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Trypanosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen.
133
Kaninchen, schwarz (Tabelle 1), lieferte normalerweise bei einem
Körpergewicht von 2170 g pro Stunde 4,6 Calorien, pro Kilogramm und
Stunde 2 Calorien, pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde bezogen
21,3 Calorien. Der Versuch dauerte bei allen Thicren ununterbrochen
17 Stunden lang. Am 4. Tage nach der Injection von 1 ccm Trypa¬
nosomenblut, auf 10 ccm mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt,
stieg die Temperatur von 39,5 auf 40,6° an. Bei einem Körpergewicht
von 2320 g betrug die Wärmeproduction pro Stunde 8,8 Calorien, pro
Kilogramm und Stunde 3,8 Calorien, auf die Oberfläche berechnet .pro
Quadratmeter und Stunde 38,9 Calorien (Tabelle II).
Tabelle II.
Kaninchen, schwarz. Trypanosomenfieber. 10. Juni 1912.
Temperatur 40,6°. Körpergewicht 2320 g.
(17 Stunden-Versuch.)
In 17 Stunden.149,6 Calorien
pro Stunde . 8,8 „
„ Kilogramm und Stunde. 3,8 „
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 662,7 „
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 38,9 r
An einem anderen Normaltag mit 39,5° Temperatur und 2200 g
Körpergewicht lieferte dasselbe Thier pro Stunde 4,5 Calorien, pro
Kilogramm und Stunde 2 Calorien, pro Quadratmeter Oberfläche und
Stunde 20,6 Calorien (Tabelle III).
Tabelle III.
Kaninchen, schwarz. 15. Juni 1912. Normalversuch. Temperatur 39,5°. Körper¬
gewicht 2200 g.
(17 Stunden-Versuch.)
In 17 Stunden.76,5 Calorien
pro Stunde. 4,5 „
* Kilogramm und Stunde.. 2,0 *
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 351,1 „
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 20,6 „
An einem weiteren Fiebertage, 40,2 0 Temperatur, betrug die Wärme¬
production pro Stunde 5,4 Calorien, pro Kilogramm und Stunde 2,4 Ca-
lorien, auf die Oberfläche berechnet pro Stunde 24,2 Calorien (Tabelle IV).
Tabelle IV.
Kaninchen, schwarz. Trypanosomenfieber. 11. Juni 1912.
Temperatur 40,2°. Körpergewicht 2270 g.
(17 Stunden-Versuch.)
In 17 Stunden.91,8 Calorien
pro Stunde. 5,4 „
* Kilogramm und Stunde. 2,4 *
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 412,fi
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 24,2 „
Was nun die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausschci-
dung anbetrifft, so schied das normale Thier in 17 Stunden 50,5 g
bezw. 45,1 g Kohlensäure aus, die Sauerstoffaufnahme betrug
54,6 g bezw. 48 g, der respiratorische Quotient 0,86 bezw. 0,78, pro
Kilogramm und Stunde 1,13 g bezw. 1,1 g Kohlensäure, pro Kilo¬
gramm und Stunde für die Sauerstoffaufnahme 1,4 g bezw. 1,2 g
(Tabellen V und VI).
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
134
Rahel Hirsch
Digitized by
Tabelle V.
Kaninchen, schwarz. Juni 1912. Temperatur 39,5°. Körpergewicht 2200 g.
(Normalversuch.)
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 50,5 g 26,54 Liter
Sauerstoffaufnahmc in 17 Stunden.54,6 g 30,72 „
Respiratorischer Quotient.0,86
Kohlensäureausscheidung pro Stunde.2,9 g 1561,1 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3,2 g 1807,0 „
Kohlensäureausscheidung pro Kiiogr. und Stunde 1,13 g 709,5 „
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,4 g 821,3 „
• Tabelle VI.
Kaninchen, schwarz. 15. Juni 1912. Temperatur 39,5°. Körpergewicht 2200 g.
(Normalversuch.)
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 45,1 g 23,68 Liter
Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.48,0 g 30,25 „
Respiratorischer Quotient.0,78
Kohlensäureausscheidung pro Stunde.2,65 g 1393,0 ccm
Sauerstoffaufnahmc pro Stunde.2,8 g 1779,4 *
Kohlensäureausscheidung pro Kiiogr. und Stunde 1,1 g 633,1 *
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,2 g 808.8 „
An den Fiebertagen nun sind die entsprechenden Werthe für die
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden 62,22 g bezw. 51 g C0 2 ,
die Sauerstoffaufnahme im Fieber 65,0 g bezw. 53,5 g 0 2 , der
respiratorische Quotient 0,72 bezw. 0,70, pro Kilogramm und Stunde
COo 1,5 bezw. 1,3, pro Kilogramm und Stunde C0 2 1,65 bezw. 1,4
(Tabellen VII und VIII).
Tabelle VII.
Kaninchen, schwarz. Trypanosomenfieber. 10. Juni 1912. Temperatur 40,6°.
Körpergewicht 2320 g.
Kohlensäureausscheidungin 17 Stunden . . . 62,22 g 32,85 Liter
Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.65,0 g 46,50 „
Respiratorischer Quotient.0,72
Kohlensäureausscheidung pro Stunde.3,66 g 1932,0 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3,8 g 2735,2 „
Kohlensäureausscheidung pro Kiiogr. und Stunde 1,5 g 832,7 „
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,65 g 1189,2 „
Tabelle VIII.
Kaninchen, schwarz. Trypanosomenfieber. Temperatur40,2°. Körpergewicht 2270 g.
Kohlensäurcausscheidung in 17 Stunden .... 51,0 g 26,8 Liter
Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.. 53,5 g 38,2 „
Respiratorischer Quotient.0,70
Kohlensäureausscheidung pro Stunde.3,0 g 1576,4 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3,1 g 2247,0 *
Kohlensäureausscheidung pro Kiiogr. und Stunde. 1,3 g 716,5 *
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,4 g 1021,4 r
Ein zweites Kaninchen (braun) zeigte normalerweise bei einem
Körpergewicht von 3780 g folgende Werthe:
Tabelle IX.
Kaninchen, braun. 13. December 1912. Normalversuch.
Temperatur 38,3°. Körpergewicht 8780 g.
(17 Stunden-Versuch.)
In 17 Stunden.
pro Stunde .
„ Kilogramm und Stunde.
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde .
Gck igle
155,0 Calorien
9,0 „
2,4 „
496,0 „
29,1 „
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Trypanosomen-Wärmestich-Anapbylatoxinfieber beim Kaninohen.
135
An einem anderen Norraaltage bei 3900 g Körpergewicht (Tabelle X)
betrug die Wärmeproduction in 17 Stunden 158 Caloricn, pro Stunde
9,3 Calorien, pro Kilogramm und Stunde 2,3 Calorien, auf den Quadrat¬
meter Oberfläche für 17 Stunden berechnet 496,1 Calorien, pro Quadrat¬
meter Oberfläche und Stunde 29,1 Calorien.
Tabelle X.
Kaninchen, braun. 17. December 1912. Normalversuch.
Temperatur 38,3°. Körpergewicht 3900 g.
(17 Stunden-Versuch.)
In 17 Stunden.158,0 Caloricn
pro Stunde. 9,3 „
„ Kilogramm und Stunde. 2,3 *
* Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 495,1 „
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 29,1 „
Dasselbe Thier hatte bei 40,7° Körpertemperatur im Trypanosomen¬
fieber bei 3570 g Körpergewicht eine Wärmeproduction von 180 Calorien
in 17 Stunden, pro Stunde 10,5 Calorien und pro Kilogramm und Stunde
3 Calorien. Pro Quadratmeter Oberfläche beträgt das in 17 Stunden
598,3 Calorien, pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde 35,1 Calorien.
Tabelle XI.
Kaninchen, braun. 4. Januar 1913. Trypanosomenfieber. Temperatur 40,7°.
Körpergewicht 3570 g.
In 17 Stunden.180 Caloricn
pro Stunde.10,5 „
„ Kilogramm und Stunde 3 „
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 598,3 „
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 35,1 „
Die Kohlensäurewerthe für die beiden Normaltage betrugen für
17 Stunden je 59,5 g bezw. 61,2 g, die Sauerstoffaufnahme je 62,0 g
bezw. 64,2 g. Der respiratorische Quotient 0,7 an beiden Tagen.
Pro Kilogramm und Stunde die Kohlensäureausschcidung 0,9 und 0,9 g,
die Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde 0,97 und 0,94 g.
Tabelle XII.
Kaninchen, braun. 13. Dcccmbcr 1912. Temperatur 38,3°. Körpergewicht 3780 g.
(Normalversuch.)
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 59,5 g 31,31 Liter
Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.62,0 g 44,20 „
Respiratorischer Quotient.0,7
Kohlensäureausscheidung pro Stunde . . . . 3.5 g 1841,7 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3.6 g 2600,0 „
Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 0,9 g 497,7 „
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 0,97 g 702,7 „
Tabelle XIII.
Kaninchen, braun. 17. December 1912. Temperatur 38,3°. Körpergewicht 3900 g.
(Normalversuch)
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 61.2 g 32,456 Liter
Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.64,2 g 45,80
Respiratorischer Quotient.0,71
Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 3,6 g 1909,0 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.3,7 g 2694,1 r
Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 0,9 g 489,4 „
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 0,94 g 690,7 „
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136
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Rahel Hirsch,
Während des Fiebers nun wurde in 17 Stunden ausgeschieden 85 g
bei einer Sauerstoffaufnahme von 88 g. Der respiratorische Quotient 0,7,
pro Kilogramm und Stunde berechnet ergiebt sich für die Kohlensäure¬
ausscheidung 1,4 g und für die Sauerstoffaufnahme 1,4 g.
Tabelle XIV.
Kaninchen, braun. 4. Januar 1913. Körpergewicht 3570 g.
Trypanosomenfieber. Temperatur 40,7°.
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 85,0 g 44,74 Liter
Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden. 88,08 g 62,85 „
Respiratorischer Quotient.0,7
Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 5,0 g 2631,7 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.5,1 g 3697,0 „
Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 1,4 g 751,9 „
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,4 g 1056,2 „
Wir sehen bei beiden Thieren eine deutliche Steigerung der Wärme-
production im Fieberstadiura. Beim Kaninchen (schwarz) bei der Er¬
höhung der Körpertemperatur von 39,5 auf 40,6° betrug diese Mehr-
production gegen die Norm 48 pCt., bei geringgradigerem Fieber (40,2°)
14,3 pCt. Bei dem zweiten Thiere betrug die Mehrproduction 13,4 pCt.
Das Kaninchen reagirt also im Trypanosomenfieber im ersten
Fieberanstieg sowohl wie im Verlaufe des Fiebers mit erhöhter
Wärmeproduction wie der Hund.
Was die Wasserdunstung während des Fiebers anbetrifft, so
ist das Verhältniss zu der Wärmeabgabe durch Leitung und
Strahlung dasselbe wie an den fieberfreien Tagen. Die vermehrte
Wasserausscheidung entspricht der vermehrten Wärmeproduction.
Anaphylatoxinfieber (Normalversuche).
Das Kaninchen (gelb) von 3050 g Körpergewicht und normaler
Temperatur von 38,3° und 38,5° hatte in 17 Stunden eine Wärme¬
production von:
pro Stunde .
pro Kilogramm und Stunde . .
pro qm Oberfläche in 17 Stunden
pro qm Oberfläche und Stunde .
am 7. Nov. 1912
168 Calorien
9,8 „
3,2 „
620,2 „
36,4 „
28. Nov. 1912
170 Calorien
10 „
3,2 „
618,5 „
36,5 „
Tabelle XV.
Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3050g. 28. November 1912. Temperatur 38,3°*
In 17 Stunden.168 Calorien
pro Stunde. 9,8 v
„ Kilogramm und Stunde. 3,26 „
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 620,2
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 36,4
Tabelle XVI.
Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3117 g. 7. November 1912. Temp. normal 38,5°.
In 17 Stunden.170 Calorien
pro Stunde.10 *
„ Kilogramm und Stunde. 3,2
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 618,5
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 36,5
Gck igle
Original fro-m
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Trypanosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen. 137
Im Anaphylatoxinfieber bei Körpertemperatur von:
40,7° 40,3°
In 17 Stunden. 139,8 Calorien 136,0 Calorien -
pro Stunde. 8,2 „ 8,0 „
pro Kilogramm und Stunde .... 2,7 „ 2,6 „
pro qm Oberfläche in 17 Stunden . . 515,2 „ 507,5 „
pro qm Oberfläche und Stunde . . . 30,0 „ 29,8 „
Tabelle XVII.
Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3060 g. Temperatur 40,7°.
(Anaphylatoxinversuch.)
In 17 Stunden. 139,8 Calorien
pro Stunde. 8,2 *
* Kilogramm und Stunde. 2,7 „
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 515,2 „
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 30,0 „
Tabelle XVIII.
Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3000g. Temperatur 40,3°.
(Anaphylatoxinversuch.)
In 17 Stunden.136,0 Calorien
pro Stunde. 8,0 „
ff Kilogramm und Stunde. 2,6 „
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 507,5
ff Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 29,8 „
Also entschieden in beiden Versuchen eine ganz manifeste Ein¬
schränkung der Wärmeproduction: normal pro Kilogramm und
Stunde 3,2 Cal., im Anaphylatoxinfieber bei 40,7° 2,7 Cal., bei 40,3°
2.6 Cal. Pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde: normal 36,4 Cal. bezw.
36,5 Cal., bei 40,7° 30 Cal., bei 40,3° 29,8 Cal.
Diese herabgesetzte Wärmeproduction äussert sich auch in der
Kohlensäureausscheidung. Normaler Weise schied das Thier pro
Kilogramm und Stunde aus: 1,7 bezw. 1,6 g Kohlensäure bei 1,7 bezw.
1.6 g Sauerstoffaufnahme, bei 40,3° 1,1 g Kohlensäure und 1,2 g Sauer¬
stoffaufnahme, bei 40,7° nur Spuren ron Kohlensäure und 1,2 g Sauer¬
stoffaufnahme.
Tabelle XIX.
Kaninchen, gelb. 28. November 1912. Körpergewicht 3050g. Temperatur 38,3°.
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . .
87,54 g
46,0 Liter
Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.
90,57 g
64,2 „
Respiratorischer Quotient.
0,7
Kohlensäurcausscheidung pro Stunde ....
5,10 g
2700,0 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.
5,30 g
3776,0 „
Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde
1,70 g
900,0 „
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde .
1,70 g
1258,6 „
Tabelle XX.
Kaninchen, gelb. 7. November 1912. Körpergewicht
3117 g.
Temperatur 38,5°.
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . .
86,0 g
45,26 Liter
Sauerstoffaufnahme in 17 Stunden.
90.0 g
64,25 „
Respiratorischer Quotient.
0,7
Kohlensäureausscheidung pro Stundo ....
5,0 g
2662,3 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.
5,2 g
3779,4 .
Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde
1,6 g
858,8 .
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde .
1,6 g
1219,1 „
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llahel Hirsch,
Tabelle XXI.
Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3000 g. Temperatur 40,3°.
(Anaphylatoxinversuch.)
Kohlensäureausscheidung in 17 Stunden . . . 59,0 g 31,62 Liter
Sauerstoflaufnahme in 17 Stunden.64,0 g 45,05 „
Respiratorischer Quotient. 0,7
Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 3,4 g 1860,0 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde. 3,7 g 2650,0 r
Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 1,1 g 620,0 ,.
SauerstofFaufnahrae pro Kilogramm und Stunde . 1,2 g 883,3 *
Tabelle XXII.
Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3060 g. Temperatur 40,7°.
(Anaphylatoxinversuch.)
Kohlensiiureausschcidung in 17 Stunden: Nur Spuren von Kohlcnsäureausschcidung,
nicht titrirbar.
Sauerstoflaufnahme in 17 Stunden.62,4 g
pro Stunde. 3,6 g
pro Kilogramm und Stunde. 1,2 g
Besonders in dem ersten Falle bei 40,7° Temperatur war die ver¬
minderte Kohlensäureausschcidung eclatant. Die Barytlauge war nur
eben getrübt, so dass nicht messbare Mengen von Kohlensäure ausge¬
schieden worden waren. An der Wärmecurve war diese Einschränkung
auch sofort deutlich zu beobachten.
Zusammen mit Herrn Dr. Leschke werde ich beim Hunde diese Ver¬
suche fortsetzen, um besonderes Augenmerk dem Eiweissstoffwechsel
zu widmen. Erst dann nach eingehenderen Beobachtungen beim Hunde
und weiteren Studien beim Kaninchen wird man ein abschliessendes
Urtheil zu fällen berechtigt sein.
Wärmestichfieber.
Ueber den Gaswechsel vor und nach dem Wätmestich beim
Kaninchen liegen Untersuchungen von Aronsohn und Sachs 1 ) aus dem
Zuntz’schen Laboratorium vor. Danach ist, sobald die Körpertemperatur
durch den Wärmestich erhöht ist, die Sauerstoflaufnahme und die Kohlen¬
säureabgabe erhöht.
Durch directe Calorimetrie fanden Richet 2 ) und Richter 3 ) mit
Hülfe von Methoden, die allerdings modernen Anforderungen nicht ent¬
sprechen, nach dem Wärmestich orhöhte Wärmeproduction.
Von Gottlieb 4 ) liegen auch Versuche mit directer Calorimetrie mit
dem ersten Rubner’sehen Calorimeter vor. Dabei wurde die Wasser¬
verdampfung nicht berücksichtigt und die Versuche dauerten nur kurze
Zeit. „Die Wärmeabgabe ist danach beträchtlich herabgesetzt, im weiteren
Verlaufe aber auch die Production gesteigert. 44
Schultze 5 ) hat dann auf Krehl’s Anregung mit dem Rubner’schen
Calorimeter den Wärmehaushalt des Kaninchens nach dem Wärmestich
1) Aronsobn und Sachs, Pflüger’s Arch. Bd. 37. S. 277.
2) Hiebet, Arch. de physiol. 1885. p. 464.
3) Richter, Virchow’s Arch. Bd. 133. S. 138.
4) Gottlieb, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 28. S. 177.
5) Schultze, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 43. S. 193.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Trypanosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen.
139
eingehend untersucht und fand, dass „der erfolgreiche Wärmestich
zu einer starken Erhöhung der Wärmeproduction führt“.
Zwischen dem „Fieber“ und den „Folgen des Wärmestiches“ be¬
stehen nach Schultze insofern Unterschiede, als bei ersterem „eine weit¬
gehende Unabhängigkeit zwischen Höhe der Temperatur und Intensität
der Wärmeproduction“ besteht. Bei dem Wärmestich „ist im Vergleich
zu der erreichten Temperatur die Steigerung der Wärmebildung wesentlich
grösser als in der Regel bei den Fiebern des Kaninchens“.
Eigene Wärmestichversuche mit directer Calorimetrie.
Den Wärmestich der folgenden Versuche hat Herr Prof. Lewan-
dowski in dankenswerther Weise ausgeführt.
Kaninchen weiss.
Die normale Temperatur dieses Thieres von 2900 g Körpergewicht
betrug 38,3°.
Die normale Wärme-
Wärmestichfieber
production 38,3°
41,1°
In 17 Stunden.
141,0 Calorien
156,1 Calorien
pro Stunde .
8,3 „
9,1 „
pro Kilogramm und Stunde . . .
2,8 „
3,5 „
pro Quadratmeter Oberfläche in
17 Stunden.
538,3 „
632,9 „
pro Quadratmeter Oberfläche u. Stunde
31,6 „
37,2
Tabelle XXIII.
Kaninchen, weiss. 18. November 1912. Temperatur 38,3°. Körpergewicht: 2900g.
(Normalversuch.)
In 17 Stunden.141 Calorien
pro Stunde. 8,3 „
„ Kilogramm und Stunde. 2,8 „
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 538,3 „
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 31,6 r
Tabelle XXIV.
Kaninchen, weiss. Wärmestich. 16. November 1912. Temperatur 41,1°.
Körpergewicht: 2650 g.
In 17 Stunden.156,1 Calorien
pro Stunde. 9,1 „
„ Kilogramm und Stunde. 3,5 „
„ Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden 632,9
„ Quadratmeter Oberfläche und Stunde . 37,2 r
Bei einem weiteren Wärmestich versuch, der an Kaninchen gelb
ausgeführt worden ist, ergaben sich folgende Werthe:
*
Die normale Wärme-
Wärmestich fieber
production 39,5°
40,3°
In 17 Stunden.
170,0 Calorien
180,0 Calorien
pro Kilogramm und Stunde . . .
pro Quadratmeter Oberfläche in
3,2 „
3,3 „
17 Standen .
618,5 „
649,0 „
pro Quadratmeter Oberfläche u. Stunde
36,5 „
38,7 „
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140
Rahel Hirsch
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Tabelle XXV.
Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3160 g. Temperatur 40,3°.
, Wärmestich (17 Stunden-Versuch).
In 17 Stunden.180,16 Calorien
pro Stunde. 10,5 „
pro Kilogramm und Stunde. 3,3 „
pro Quadratmeter Oberfläche in 17 Stunden .... 649,0 *
pro Quadratmeter Oberfläche und Stunde.38,7
Tabelle XXVI.
Kaninchen, gelb. Körpergewicht 3160 g. Temperatur 40,3°. Wärmestich.
In 17 Stunden Kohlensäureausscheidung . . . 88,9 g 46,78 Liter
In 17 Stunden Sauerstoflaufnahme.84,0 g 60,0 *
Respiratorischer Quotient. 0,77
Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 5,2 g 2740,0 ccm
Sauerstoflaufnahme pro Stunde. 4,9 g 3529,2 *
Kohlensäureausscheidung pro Kilogr. und Stunde 1,6 g 787,0 *
Sauerstoflaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,5 g 1138,0 „
In beiden Fällen eine Steigerung der Wärmeproduction durch Wärme¬
stichfieber, im ersten Falle bei 41,1® um 17,6 pCt., im zweiten Falle
bei 40,3° um 4,9 pCt. Wenn ich zum Vergleich die erhöhto Wärme¬
production beim Trypanosomenfieber heranziehe, so war bei einer
Temperatur von 40,6° eine Mehrproduction von 48 pCt., bei 40,2° eino
solche von 14,3 pCt. zu beobachten.
Für das Trypanosomenfieber trifft also das nicht zu, was
Schultze (I. c.) für die anderen Fiebererkrankungen im Vergleich zum
Wärmestichfieber angeführt hat. Die vermehrte Wärmeproduction ist
beim Trypanosomenfieber weit grösser bei niedrigerer Temperatur
als beim Wärmestichfieber mit höherer Temperatur.
Bei Kaninchen gelb habe ich die drei verschiedenen Fieberformen
nebeneinander beobachtet, in solchen Zeitabständen, dass keine Beein¬
flussung der krankhaften Zustände untereinander möglich war.
Normal- Anaphyla- Trypano- Wärmestich-
versucb toxinfieber somenfieber lieber
38,5° 40,3° 40,3® 40,3»
In 17 Stunden . . . .170,0 Cal. 136,0 Cal. 198,0 Cal. 180,0 Cal.
pro Kilogramm und Stunde 3,2 „ 2,6 „ 3,7 „ 3,3 „
pro qm Oberfläche in 17 Std. 618,5 „ 507,5 „ 722,9 „ 649,0 „
pro qm Oberfläche u. Std. 36,5 „ 29,8 „ 42,52 „ 38,7 „
Dass bei genau derselben Temperatursteigerung die Wärmeproduction
bei den verschiedenen Fieberformen verschieden intensiv abläuft, geht
daraus ohne Weiteres hervor. Die Temperatur des Calorimeters,
die Luftventilation, war bei allen Versuchen dieselbe, so dass
die Verschiebung der Wärmeproduction nicht auf derartige äussere
Versuchsbedingungen bezogen werden kann. Die normale Wärmecurve
war bei diesem Thiere, wie auch bei den anderen stets dieselbe unter
den gleichen Ernährungsbodingungcn.
Was die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausscheidung
anbetrifft, so war dieselbe bei Kaninchen weiss ebenfalls gegen die Norm
gesteigert.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Trypatiosomen-Wärmestich-Anaphylatoxinfieber beim Kaninchen. 141
Bei Kaninchen weiss:
Normal bei 38,3° pro kg und Stunde C0 2 -Ausscheidung 1,1 g,
Wärmestich „ 41,1° „ „ „ „ „ 1,66 g,
Normal „ 38,3° „ „ „ n 0 2 -Aufnahme 1,8 g,
Wärmestich „ 41,1° „ „ „ „ „ 2,2 g.
Bei Kaninchen gelb:
Normal bei 38,3° pro kg und Stunde C0 2 -Ausscheidung 1,7 g,
n n ^6,6° „ n n n n 1,6 8,
„ „ 38,3° „ „ „ „ 0 2 -Aufnahme 1,7 g,
n n 40,3° „ „ n n „ 1,5 g.
Tabelle XXVII.
Kaninchen, weiss. 18. November 1912. Normale Temperatur 38,3°.
Körpergewicht: 2900 g.
(Normal versuch.)
In 17 Stunden Kohlensäureausscheidung . . . 60,3 g 30,51 Liter
,17 , Sauers tollaufnahme.61,60 g 43,40 „
Respiratorischer Quotient.0,70
Kohlensäureausscheidung pro Stunde .... 3,5 g 1794,7 ccm
Sauerstoffaufnahme pro Stunde.5,3 g 2553,0 „
Kohlensäureausscheidung pro Kilogramm u. Stunde 1,1 g 618,8 ,
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 1,8 g 880,0 „
Tabelle XXVIII.
Kaninchen, weiss. Wärmesticb. Temperatur 41,1°. Körpergewicht: 2650 g.
In 17 Stunden Kohlensäureausscheidung. . . . 75,4 g 39,6 Liter
,17 , Sauerstoffaufnahme.100,0 g 52,2 ,
Respiratorischer Quotient.0,76
Kohlensäureausscheidung pro Stunde.4,4 g 2329,4 ccm
Sauerstoffaufnahme. pro Stunde.5,8 g 3070,0 ,
Kohlensäureausscheidung pro Kilogramm u. Stunde 1,66 g 895,9 ,
Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm und Stunde . 2,2 g 1180,0 ,
Zusammenfassung.
1. Infectionsfieber, wie das durch Trypanosomen verursachte, ruft
auch beim Kaninchen erhöhte Wärmeproduction hervor.
2. Der Wärmestich bedingt ebenfalls Steigerung der Wärmeproduction,
die aber weit geringer ist als die beim Trypanosomenfieber beobachtete.
3. Beim Anaphylatoxinficber kann bei selbst hoher Temperatur
die Wärmeproduction beim Kaninchen weit unter die Norm
sinken.
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Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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ix.
Aus der II. med. Universitätsklinik der Königl. Charite zu Berlin.
Adrenalin und Wärmehaushalt
Von
Dr. med. Rahel Hirsch,
Assistentin der Klinik.
Auf dem Congress für innere Medicin in Wiesbaden 1911 habe ich
über Versuche berichtet, die den Einfluss des Adrenalins auf den Wärme¬
haushalt zum Gegenstand hatten. Ich hatte mittheilen können, dass,
wenn man Adrenalin von bestimmten Drüsen aus einwirken lässt, die
Temperatur des Thieres allmählich sinkt, in manchen Fällen bis unter
30°, dass die meisten Thiere im Laufe von 2x24 Stunden ihre normale
Körpertemperatur wieder erlangen, während andere, speciell Hunde, bei
der Wirkung vom Pankreas aus im Verlaufe von 24 Stunden zu Grunde
gehen. Zu den Drüsen, von welchen aus die Injectionen besonders
eclatant wirksam sind, gehören die Nebennieren, das Pankreas, die
Leber; in zweiter Linie stehen die Schilddrüse, die Nieren.
Nach subcutaner oder intravenöser Injection tritt die Temperatur¬
erniedrigung nicht auf, wie ich nach oft wiederholten Untersuchungen
festgestellt habe. In der Literatur liegen nämlich einander widersprechende
Ansichten über die Temperaturverhältnisse nach intravenöser Adrenalin-
injection vor.
Ich habe verschieden grosse Dosen intravenös injicirt, aber weder
bei kleiner noch grösster letaler Dosis nennenswerthe Temperaturbeein¬
flussung feststellen können. Auf die intraperitoneale Injection und die
Temperatur werde ich später zurückkommen.
I. Adrenalin nnd Wärmeregulation.
Injicirt man 1 ccm Adrenalin in die Nebennieren, das Pankreas
oder die Leber, so tritt im Verlaufe von 4—6 Stunden ein Temperatur¬
sturz ein, der sich bis auf 30° und darunter erstrecken kann. Nach
den Injectionen in die Nebenniere bleibt das Thier fast stets am Leben,
so dass man an derselben Nebenniere das Experiment wiederholen kann.
Geht die Temperatur bis unter 30° herab, so gehen die Thiere meist
innerhalb der nächsten 24 Stunden zu Grunde.
Während also, wie nochmals betont sei, die Injection von 1 ccm
Adrenalin in die Nebenniere von fast allen Thieren gut überstanden wird,
haben diejenigen, bei welchen ich in das Pankreas oder in die Leber
Gck igle
Original fro-m
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Adrenalin und W&rmebaushalt.
143
injicirt habe, den Eingriff zumeist nicht über 24 Stunden, überlebt. Da
bei djrecter Injection in das Leberparenchym starke Blutung auftritt, so
habe ich in die Pfortader unmittelbar vor ihrem Eintritt in die Leber injicirt.
1. Schilddrüse und Adrenalinhypothermie.
Bei der Injection in die Schilddrüse habe ich eine beträchtliche
Temperaturerniedrigung nur bei dem zuerst derart behandelten Hund be¬
obachtet, dem ich, wie die Tabelle I zeigt, in die rechte vcrgrösserte
Schilddrüso am 7. 11. 1908 5 mg salzsaures Suprarenin, .das ich
der Höchster Fabrik verdanke, injicirt hatte. Der Hund, dessen nor¬
male Temperatur 38,3° betrug, zeigte bald nach der Injection 34,5°, nach
2 Stunden war die Temperatur noch dieselbe 34,5°. 6 Stunden nach
der Injection 36,5°.
Tabelle I.
Hund. Körpergewicht: 8900 g. Versuche im November 1908.
Datum
Temperatur |
Grad
, Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
1 &
Bemerkungen.
23. 10. 08
7. 11. 08
Normal 38,3
Gleich nach
der Injection
34,5.
lühr 30 Min.:
34,5.
200
durchschnittl.
i
1
Vom 23. 10. 08 in Beob¬
achtung.
Am 7. 11. 08, II 1/2 Uhr,
5 mg salzsaures Suprarenin
(Höchst) in 1 ccm phys.
NaCl gelöst in die rechte
vergrösserte Schild¬
4 Uhr: 36,5.
180
1,2
2,16
drüse. Nahrung wird nur
allmählich im Laufe des
Tages aufgefressen.
8. 11. 08
9 Uhr: 37.7
6 Uhr: 37,5.
1G5
Spuren
—
—
9. 11. 08
9 Uhr: 37,8
6 Uhr: 37,5.
j 140
Spuren
Nahrungsaufnahme seit der
Injection verschlechtert,das
Thier liegt apathisch im
Käfig.
10.-13.11.08
Dauernd 37,3
37,5.
i
i
Spuren
Am 13. 11. 08 todt. Körper¬
gewicht 6800 g.
Beide Schilddrüsen sehr vergrössert, makroskopisch sonst ohne Besonderheiten.
Sehr bemerkenswerth ist nun, dass von dem Tage, der Stunde der
Injection an die Temperatur dauernd erniedrigt blieb und nie wieder
über 37,5° anstieg (normal 38,3). Die Nahrungsaufnahme war seitdem
verschlechtert, das Thier lag apathisch im Käfig, während es bis zur
Injectionsstunde sehr lebhaft gewesen war. Das Thier starb eine Woche
nach der Injection.
Nach dem ganzen Verhalten der Temperaturerniedrigung, dem ver¬
änderten apathischen Wesen des Thieres, hatte ich vermuthet, dass durch
das Adrenalin die Schilddrüse des Thieres zerstört worden sei und sich
so vielleicht ein myxödemähnlicher Zustand entwickelt habe. Die Ob-
duction ergab aber, davon abgesehen, dass beide Schilddrüsen vergrössert
waren, was man relativ häufig bei Hunden findet, nichts Pathologisches,
was auf die Injection hätte bezogen werden können.
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Rahal Hirsch
Einem xweifen Jltini! von 12000 g Kurjtfergewißhi habe leb im;
Februar 1UÖH' je l ccm» Adrenalin in beide Schilddrüsen injieiri
Dieses l'rnparat wie alle zumeist •späterhin angewandton verdanke ich
Parke <V f >.1 vie.s.
Die Teiftpeniiur sank nach 2 Stunden um 1,6° und war nach 6 Stunden-
wieder normst (Tabelle II).
Tabelle U.
. . Ff&Ü*k. 12)000 g. Vcrsuwlie im Felimar 1909.
Patkim TrtiipfijSttur, ll/rm»«-«#: »üukesc Glukose
Grad ij; ecra -i ) feCk • I-: e
Bffmerfcuugen
,m-£ M; .N’orWal 33.8,i
l&IMllt 2 S>Üd. :i
•i'i
;NacU <>■ SJ-4. o
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%% 2, 09 .:
1 wia Adn>ri»titt (Parte
•Vl)arte*iV'öi b> i d e. Schild •
(ttjlsen. ■ 2 ■
V/m dritter Hund vor, T000 g Kerpergesvudit (Tabelle ül) erhielt. anr
10. ft,;abends 0 t: !»r, l.,"> üig salzsaure.« Snprarem n tIfodistj
iji die recht»' .Se!)t Id timse. I>ie. norlnaje Temperatur bade 3#,#® bmmgen.
Am midisten Margen. am I!*.00. l/etrue. dm Tmüp- nun! *l<).I 0 tim * ! ! W
und um <» l.dit Ahemls -iO.’iOA iirn mo-bnien 30.5* und erst am Id. 51 Ob
wmder %f$l
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Hud» 3. Körpergewicht ? Wg. Verbucht* Von April bis Juni 1909.
0 3 ‘ ,
1 •
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'■ßii Ui. t-1 ’tiiäljfc %? Vp
$ 4 %jx Jf tr, ♦.hfr 'Xtiffügit
Einem jtmgen, 4 Moitaie alten. Hand yot» 2öO0 g Kurporgc-widit
hpjidrie v-.-U rum 25. N<>\emin r J t: 11 f je ] eem Adrenalin !Parke A Davies)
in beide Schilddrüsen. Eine halim Slundn spater wdr die nonnale Tewpe-
i."it(ir v-jii ;;u,5 uuC ;>7,5gesunken, und blieii den ganzen Tug über
auf 117,5'' stehen. Ani 26. U 10 war die. Temperatur wiederum auf
Adrenalin und tVärwehaushaH.
145
39,5 ® vorübergehend angestiegen, am 29. 11. 10 und 30. 11. 10 wäret!
wiederum nur 37,5 “ luw.;-3:7,0 0 zo uonstatiren. Am 30. 11/10 starb
das Thier (Tabelle IV).,
Tabelle IV.
FlriXfii, 4 Monat*? alt. ,Ji#rjibrg«vri*;htV 2&QÖVersuch im November 1910.
i ■ :r ; 1 ' : ’ ; •
l j V ■ ■ . •:
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| Act ' -
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Iti bi4iirJ5ftftii4*irüs€:h JC j i’cm
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|. . | .
.H- ]ti *
M. it m 1 : Äu
t.wtb-iÄL,• * i : • ' ■ f.
i : ; g|
i
Bei einem anderen 4 Monate alteit Hund (Tabelle V) biieb die
Temperatur durch dieselbe Dosis Adrenalin (Barke & Davies), in beide
.'Schilddrüse« injieirt, unbeeinflusst.
Tabelle V.
fliind, 4 Menal*} »11. kv»rpcrgo«rict>t: Süfklg. Versuch im■ Dece«nt*er 1910.
Dan*«! 1 Temperatur Tirifuneng'/ Ülukvse ; Glukose
| Grad i ecm j pt’t. ■ g
Bemerkungen.
1. 12. io
Jbwmal' 39,0
39,3
dauernd 39,1
39,0
39,3
’s> , J/'
160
\
Je 1 -ccm Adrenalin (Parke
& Davies) -in die ScfrihU
drüSftH- \ **’ -
■,.,,1,6:
Ich haho dann- ändern wis ayhüGbst Logoi'sehe Losung
*>•"•*/:Vi'i -h'&Jtcii-JiÄ fv . iV‘ ri'wy^ - & t. ./Tict^ i/i.-rA: A-'
einem ,12 000 g: $ö)ureren Hup-
je 2 ccm io beide SehüddrosM — ohne jedweden ElTeet (TäMlo Vi).
T»Mt* Vt :
Bund, K'i*t»erg»*<f»ofit: lä-.k^v
Am 3. & 1009. i& Uhr: Iti beide Schilddrüsen (o S ccm Lugolecher Lösung.
Normal m jeder Beziehung.
Dasselbe Thier,
Am 22. % lOlO; -IVnperatur durch 0,05 Murphiiim. nufht. verändert., 3S.s 0 vorher urd
öuehfor, Ädrenölin (Paria* & Davis**) je 1 com in beide ■Sftbitddrilsen. Tem-
• ^ratur vorher 38,8® nach 2 Std, 37,um 5 Uhr 88;*#
Am 23. 2.: 38,8\ 35Q eern Uriamongc: Auch nicht Spurweite (Biikos'ut4&
Am 24. 2.: 250 ccm Keine IteducUoo,
ZwUchriTt/. exp. PalhölQK^ a.‘Jherapi«. IT. 8 J. |Q
Go gle
■." K/AV:>ipäa'f
jlMVfEfä'Si#
Lai fretn
OF MICH
146
Rahel Hirsch,
»
Digitized by
Also auch bei diesem 12 kg schweren Thiere (Tabelle VI) ist eine
Temperaturerniedrigung von 1,6° durch Adrenalininjection in die Schild¬
drüse zu constatiren.
Diese Versuche zeigen also, dass das Wärmcgleichgcwicht von der
Schilddrüse aus durch Adrenalin gestört werden kann. Zumeist tritt
ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Temperatursturz ein, in einem
Falle nur Temperaturerhöhung (Tabelle III). In manchen Fällen blieb die
Temperatur Tage lang bis zum Exitus so geschädigt, dass sich die nor¬
male Curvc nicht wieder einstellte. Pathologisch-anatomisch war
die Schilddrüse durch die Injection nicht verändert.
2. Adrenalinwirkung vom Pankreas aus.
Ein Hund von 7000 g Körpergewicht reagirte am 19. 5. 1909 auf 5 mg
linksdrehendes Suprarenin (Höchst) ins Pankreas injicirt mit einem
Temperatursturz von 3,5 °. Normal 39,0 °, eine halbe Stunde nach der
Injection 35,4 °, nach 2 Stunden 35,4 °, nach 6 Stunden 36,0 °, die nächst¬
folgenden Tage 38,3 °. Am 25. und 26. 5. wieder normale Temperatur
von 39,0 0 bis 39,3 °. Erst allmählich erholte sich das Thier wieder.
Am 3. 6. 09 sank auf 5 mg salzsaures Suprarenin (Höchst) hin,
in das Pankreas injicirt, bei demselben Thiere nach 2 Stunden die Tem¬
peratur bis auf 35,9°, nach weiteren 6 Stunden bis auf 35,4°, am folgenden
Tage betrug die Temperatur 37,5 °. Das Thier starb am Tage darauf.
(Tabelle Vll.)
Tabelle VII.
Hund. Körpergewicht: 7000 g.
Datum
| Temperatur
Urinmenge
Glukose
Glukose
Bemerkungen.
j Grad
ccm
pCt.
g
19.
5.
09
10 Uhr*. 35,4
Um 9'/ 2 Uhr 5 mg links¬
12 Uhr: 35,4
drehendes Suprarenin in
6 Uhr: 36,0
das Pankreas.
20.
5.
09
38,3
200
3,5
7.0
20.-
25,
.09
38,3
25.
5.
09
39
—
—
—
Um 9 Uhr 2,5 mg salzsaures
26.
5.
09
39
150
2,4
3,6
Supraronin (Höchst) in das
Pankreas.
27.
5.
09
39,3
—
—
—
Frisst nicht, erholt sich erst
27.
3.
5.
6.
091
09/
39,3
allmählich wieder.
3.
6.
09
12 Uhr: 35,9
—
—
—
Um 10 Uhr 5 mg salzsaures
6 Uhr: 35,4
Suprarenin (Höchst) in das
Pankreas.
4.
G.
09
37,5
100
7,8
7,8
Exitus.
Ein Hund von 4 kg Körpergewicht erhält im März 1911 1 ccm
Adrenalin (Parke & Davies) in das Pankreas. Normalo Temperatur 38,2°.
2 Stunden nach der Injection 36,0 °, 4 Stunden nach der Injection 37,1 °,
am Tage nach der Injection 37,2 °. Das Thier stirbt im Verlaufe dieses
Tages (Tabelle VIII).
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Adrenalin und Wärmebaashalt.
147
Tabelle VIII.
Hund. Körpergewicht: 4 kg. Versuch im März 1911.
Datum
Temperatur j
Grad ]
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
23. 3. 11
Normal 38,2.
150
1,2
_
Um 10 Uhr Vormittags 1 ccm
12 Uhr: 36,0
Adrenalin (Parke & Davies)
4 Uhr: 37,1
ins Pankreas.
24. 3. 11
9 Uhr: 37,2
12 Uhr:
Exitus.
Kaninchen von 2000 g Körpergewicht reagirt auf 1 ccm Adrenalin
(Parke & Davies) mit Tempcraturabfall von 39,2 0 auf 34,0 0 im Verlaufe
einer Stunde am 8. 7. 1909. Zwei Stunden später 36 °. Am folgenden
Tag 38,3 o (Tabelle IX).
Tabelle IX.
Kaninchen. Körpergewicht: 2000g.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
8. 7. 09
12 Uhr (eine
In den
2,5
_
Um 11 Uhr 1 ccm Adre¬
Stunde nach
ersten
nalin (Parke & Davies) ins
d.Inject.): 34
entleerten
Pankreas.
1 Uhr: 36.
25 ccm
I
9. 7. 09
38,3
50
1
—
Ein Kaninchen von 1000 g Körpergewicht zeigt auf 1 ccm Adrenalin
(Parke & Davies), ins Pankreas am 8. 9. 1909 injicirt, ähnliche Verschiebung
des Wärmehaushaltes (Tabelle X). Normale Temperatur 38,3 °, eine
halbe Stunde nach der Injection 34,0 °, 1 Stunde später 36,0 °, 6 Stunden
später 37,5 °.
Tabelle X.
Kaninchen. Körpergewicht: 1000g. Versuch im September 1909.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
8. 9. 09
Normal 38,3
llUhr 30 Min.:
34,0
12 Uhr: 36,0
6 Uhr: 37,5
In den
ersten
entleerten
25 ccm
2,5
—
Um 11 Uhr 1 ccm Adre¬
nalin (Parke & Davies) ins
Pankreas.
9. 9. 09
38,3
50
1,0
—
Ein Kaninchen, bei dem, wie bei den anderen, die Injection von
Adrenalin in die Speicheldrüse ohne Effect mit ßezug auf die
Temperatur gewesen war, zeigte auf 1 mg salzsaures Suprarenin,
in das Pankreas injicirt, einen Temperaturabfall von 39,3° auf 35,6°
in einer Stunde, nach 8 Stunden auf 34,6 °. In der Nacht erfolgte der
Exitus (Tabelle XI).
io*
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
148
Digitized by
Rahel Hirsch,
Tabelle XI.
Kaninchen. Körpergewicht: 1 kg.
Datum
Temperatur
Grad
Urinraenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
10. 1.09.
39,3
60
1,9
—
Normale Temperatur 39,3°.
Am 10. 1. 09 1 mg salz¬
saures Suprarenin synth.
(Höchst) in die rechte
Speicheldrüse.
11. 1.09.
39,3
60
2,4
—
Dauernd normale Temp. 39,3.
17. 1.
10 Ubr: 35,6
Abends 34,6
1
1
Um 9 Uhr 1 mg salzsaures
Suprarenin in das Pan¬
kreas. Nachts: Exitus.
Denselben Effect hatte die Wirkung von 1 mg salzsaurem
synthetischem Suprarenin (Höchst) bei einem anderen Kaninchen von
2000 g Körpergewicht. Von 39,3° auf 34,5° im Verlaufe von 8 Stunden
(Tabelle XII).
Tabelle XII.
Kaninchen. Körpergewicht: 2000 g.
Datura
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
[ Glukose
j pCt.
Glukose
g
Bemeikungen
4. 5. 09
1 Stunde nach
Injection: 36
Abends: 34,5
Aus der
Blase 20
!
6
—
1 mg salzsaures synth. Supra¬
renin (Höchst) in d. Pan¬
kreas. Nachts todt.
3. Adrenalin Wirkung nach Injection in die Leber.
Ein 2000 g schweres Kanincheu, bei dem sich die Adrenalinwirkung
von 1 ccm Adrenalin in das Pankreas ebenso wie bei den vorher citirten
Fällen erwiesen (von 38,3 0 auf 34 °), und das diesen Eingriff sehr gut
überstanden hatte, erhielt 3 Monate später, am 23. 9. 1909, 1 ccm
Adrenalin in die Leber, die darauf hin stark blutete. Die Temperatur
sank von 38,3° nach einer Stundo auf 34,3° ab, nach 9 Stunden stieg
die Temperatur auf 35 °, am folgenden Tage war sic wiederum normal.
3 Tage später erfolgte der Exitus (Tabelle XIII).
Tabelle XIII.
Kaninchen: Körpergewicht 2 kg. Versuche vom Juni bis September 1909.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
Normal 38,3
38,5
—
—
—
—
8. 7. 09
Eine Stunde
nach der In¬
jection um
12 Uhr: 34,
um 1 Uhr: 36
In den
ersten
ent¬
leerten
25 ccm
2,5
Um 11 Uhr: 1 ccm Adrenalin
(Parke & Davies) in das
Pankreas.
9. 7. 09
k 38,3
50
1,0
—
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Adrenalin un4 SVänriebaüälia!f:
Datum I Temperatur :Oriömenge, Oiukese. j t^ukesc
i Qrad ! ccm ! flÖfe £
.llcmerlrrmgen»
| 15 Min. nach
wer lnjectien:
| 36,3:
| 1 Stunde da-
nac,h. 34,3,
; Nachnditagif
| 0 übf; 35.
j 33,3
r m#
Um 9 Uhr; i cc-m Adrervdm
(Parke k Davies) in die
Leber, blutet ^tark.
Bis zwm 25.9, 09 hat das Thier
keinen Urin entleert.
Etitiifc.
' - Shc 6 ccm Orth artf jUUtbÖä, <Jf& picht reWucirep.
Bin&m andren Kaninchen von 2300 g ■ Körpergewicht worden am
28, 3, 19H I ccD! Adnuvalm \t\ dir- ['fCirtAller, unmittelbar vor dorn
Eintritt in.‘die - Leber, injicirt. Von 39,3 ^ fiel die Temperatur bis aof
33.fi % ab (Tabelle Xi|J
Tabelle XIV,
■% ^0t> £,
4. Adrenalin und Nebenniere.
Von der Nebenniere aus ist die Wirkung des Adrenalins auf dif
Wänrieproduetktn fast $u*ts prompt zu erzielen; ohne dass die Tbiere
in der Folge datürnjj geschädigt werden, fiep TfcmpeminraßftU
39|0 0 ---» p&rm*0cr Temperatur — auf 3i 4) —35° ist dabei ganz typis&lk
So wio Tabelle XV sank bei dem 3200 g«.Kaninchen die Tem¬
peratur von 39,0 11 im Verlaufe einer Stunde auf 35,3° T nach 3“Sfündein
Tabelle XV.
• •,v>.ä.- v' : .\K £*• W. Aftfifo] •
?rv j • ■ .
Wwfrfcwmw
'«FmWv
jT -Uh; Vv^ff/iUt^v l
kdot&xlht jdVrbc £
■ U) AlU htrkf: >r*.'iV»;-inv)'cr c
Ulatet.
-.1 j 1 g&Otfic.
'.;WaVAroal^tri a*« 5 h tfot-
r «Je* Oaihvih - ' l fa^nl f^n
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Um 10 UUc V^-uiitUg!, X rein
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1-3 Uhr: fck? \:
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*il&l • V .
•• >..' K ,• '4
4 tflir 1,
<■■ Go. gle
Original from
UNJVERSfTY OF MICHIGAN
150
Kaliel Hiiscii.
betrug di«' tVropm'ur '3.6,'8!*,• nach 4 Stundem ;v?,l 0 am iViliromkn Tä$>v .
fh a; 2:.* l^f 1*J00,
Sei einem 3000 g schweren Kaombkm war der liiTWt von 0.5 eei«
Adrenalin (Parke. & Lfavies) in die iinb; NePe.nriierc- derselbe: v*>o
3 Kft u thirmnli>r TVirtiinr-tinr Siiir-/ n.if 34.7 '• ;irn 9, ? '■ jhftOJt, Vfim
holt, iTabelle XVI».
TaWlle XVI. '
Jian'inelirD. feerp^rgowietjt-: SOlKVg. 'V’jersjioit iio DWmber lOffir
Dal. um j
Temperatur
Grad
Ummicöge
rein
UljukMa :
pCu
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• r
Bemerk un^ou.
9. 12: Oft
X&ÜM 1 38,8
IM nach d.
; 54.7
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8 a v 8 V
Um JT Uhr : \V/ e.^rö Ad re *
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die Jiuke 'Vcbeo^vie,
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8.0 j
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RcsLn’.tion
/ • -. — - . t>4'7
n. 14 09
;;, -3M
!:- ?o
0,4 Unk»
r
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Urin riceht; Stark
; ' - *x
artig, rr». Eisen clilofity Rof (* -
-■• " •
j-
L j: r; •
i 4 V Vi ^ - *' r i
. Tär buö&4 .'"' 2•
12,12. Oft
■38,3
| 130
1 0.2 links
i* . v.■*■••.,
1
felu • Phetiulgpriieh irnjlir,
hr-iuv K-irKüVig,
t ;. 12 09
1 .33,8 '
$0
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; ' ;™’■
• : '—' ;;,
14.12 W
! . Os,8
m
i 0,1 liii&Ä
“
13 12 . 00
! 33,8
40
j 0,1 irnkH
1 •*•
Bis fcnm 54. 1^ Öy Spuren vun G 1 uk uf nii^uure
Bin Kaninchen- von 3200 g Körpergewicht .<eigt ebenso wie die
anderen enrien •Tempe.ralurst'urz von 3.8,^. auf .14,0'' in ‘i Slumien
(Tabelle 'S V li •
V\r 7 9
ä mii
Dasselbe Kanirj^bori wie TäUejfe XV.
: ■
ifj -
; .* * '■ *o 1 • w;Aj.‘
■
• ' ’ •' ' j ■ ;
• •! tfiwjfäJS jlfAL
. - *■
/ ‘*0 'I, f! r !i.t'TÜe. ÄiV-
’.U> tf •:
? •((»'; tö i y-v-ei
j
m )\ -l'n. '${$&’
■\m •
fk*i einem anderen Thierc von 20ÖO g ^m^nriiewieiii fiel die Tom-
t.t-raiur von 3K8 IV *>is auf 3<).4° ab und war luv ^itänä Abniul wieder
an^n<!li«'hvn. $t >i diesem Thier?, 70 h' am 21- 4. iPIO 1 com Ad-
rrnniir, m du* linke Nebenniere injimr*,. .hatte kh damalsau eh die
Adrenalin and Wärmehaushalt.
151
Temperaturen zwischen den Leberlappen und in der Nebennierengegend
gemessen, dieselbe zeigte, ebenso wie per rectum vor der lnjection 38,6°
(Tabelle XV11I).
Tabelle XVIII.
Kaninchen, schwarz. Körpergewicht 3200 g.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukoso
g
Bemerkungen.
14. 12.09
Vorher: 38,3
25
0,2 links
Um 10 Uhr morgens: 1 ccm
D. 1 Std.: 35,3
(kein Ei-
Adrenalin (Parke & Davies)
n. 2 * : 34,0
weiss)
in die linke Nebenniere. —
Abends 6 Uhr:
Der entleerte Urin reducirt
■
i 37,1
erst nach längerem Kochen.
15. 12.09 j
| 38,4
40
—
—
Urin reducirt nicht.
Die Tabellen XIX, XX und XXI zeigen genau dasselbe wie die
vorhergehenden.
Tabelle XIX.
Kaninchen. Körpergewicht 2000 g. Versuche im April 1910.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmonge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
21. 4. 10
Normal38,8,
vor derLapa-
50
—
—
Um 11 Uhr Morgens: 1 ccm
Adrenalin (Parke & Davies)
rotomie 38,8, nach der
Laparotomie im Rectum
38,6, zwischen d. Leber¬
lappen 38,6, in d. Neben¬
nierengegend 38,6. Gleich
nach der Bauchnaht im
Rectum 37,8, nach 15 Min.
37,0, n. weiteren 15 Min.
36,4. Um 2 Uhr 37,4, um
4*/2Ühr 38, um 7 Uhr 38,5.
i
Tabelle X
i
X.
in die linke Nebenniere.
Kaninchen. Körpergewicht: 2480 g. Versuche im Februar 1911.
14. 2. 11
vor d. Inj. 40,4
12 Uhr: 37,5
4 Uhr: 35,4
80
keine Glu¬
kosurie
—
—
Um 10 UhrVormittags 1 ccm
Adrenalin in die linke
Nebenniere.
15. 2. 11
1
9 Uhr: 38,2
12 Uhr: 38,8
60
keine Glu¬
kosurie
Dauernd, dann normale Tem¬
peratur.
Tabelle XXI.
Kaninchen. Körpergewicht: 2630 g. Versuche im Februar 1911.
23. 2. 11
Normal 39,3
12 Uhr: 35,5
4 Ubr: 34,0
50
keine Glu¬
kosurie
—
Um 9 Uhr Vormittags 1 ccm
Adrenalin (Parke & Davies)
in die linke Nebenniere.
24. 2. 11
.
9 Uhr: 38,4
12 Uhr: 38,5
G Uhr: 39,3
60
keine Glu¬
kosurie
Dann dauernd normal.
Digitizer! by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
152
R&hel Hirsch,
Digitized by
5. Adrenalin und Niere.
Die Wirkung des Adrenalins auf das Wärmegleichgewicht von der
Niere aus ist ähnlich der von den anderen Drüsen aus erzielten, nur
ist sic nicht so stark ausgesprochen wie nach Injection in die Neben¬
niere und in das Pankreas. Die Tabellen XXII—XXVIII illustriren dieses.
Tabelle XXII.
Kaninchon. Körpergewicht: 2S50 g. Versuch im Februar 1911.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
7. 2. 11
Normal: 39,0
10 Uhr: 36,1
11 Uhr: 35,8
12 Uhr : 35,3
2 Uhr: 35,0
4 Uhr: 32,1
6 Uhr: 32,0
Um 9 Uhr: 1 ccm Adrenalin
in die linke Nebenniere.
Blutdruck 60 mm Hg.
Exitus in der Nacht.
Tabelle XXIII.
Kaninchen. Körpergewicht 2500 g. Versuche im October und November 1909.
12. 10. 09
13.10. 09
23. 11.09
24. 11.09
Normal 38,3
38,5
15 Min. nach
der iDjcetion:
36.8
1 Stunde nach
der Injection:
37.8
Abends 6 Uhr:
39,3.
Dauernd nor¬
male Wcrthe
38,3
38,5
vor der Inject.
Nach 1 Std.
38,3
Abends 6 Uhr:
38,7.
38,3
38,5
20
1 ccm Adrenalin (Parke
& Davies) in die linke Niere
(extraperitoneal).
40
Nach einer
Stunde:
20
Vormittags 1 ccm Adrenalin
(Parke & Davies) subcutan.
40
0,4
—
—
Tabelle XXIV.
Kaninchen. Körpergewicht: 3200 g. Versuche im November 1909.
23. 11.09
Normal: 38,3
u. 38,5.
1 Std. nach d.
Inject.: 37,4.
—
—
—
Um 11 Uhr vormittags: 1 ccm
Adrenalin (Parke 4 Davies)
in die linke Niere. Der
nach 1 Std. entleerte Urin
Nachm. 6 Uhr:
38,1
60
enthält keinen Zucker.
Spuren von Eiweiss, rothe
Blutkörperchen. Das nach
1 Std. untersuchte Blut
enthält 0,135 g Kohlehy¬
drate (normaler Werth für
d. Kaninchen).
24.11.09
38,5
100
! —
—
—
Google
Original fro-m
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Adrenalin und Wärmehaushalt.
153
Tabelle XXV.
Kaninchen, gelb.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
12. 10. 09
Normal: 38,3.
15 Min. nach
derlnjection:
36.8.
1 Stunde nach
der Injection:
37.8.
Abends: 39,3.
1 ccm Adrenalin (Parke &
Davies) in die linke Niere.
20 ccm Urin, kein Zucker.
13.10. 09
39,5.
—
—
—
40 ccm Urin, keine Glukose.
23.11.09
1 Stunde nach
der Injection:
38,3.
Abends: 38,7.
1 ccm Adrenalin subcutan.
Temperatur vorher: 38,3.
Urin nach 1 Stunde ent¬
hält keinen Zucker.
24.11.09
—
40
0,4
—
—
Tabelle XXVI.
Kaninchen. Körpergewicht: 2000 g.
4. 3. 11
Normal 39,8
Vormittags 1 ccm Adrenalin
12 Uhr: 87,0
(Parke & Davies) in die
6 Uhr Abends:
linke Niere.
36,8
Nachts Exitus.
Tabelle XXVII.
Kaninchen. Körpergewicht: 2500 g.
4. 3. 11
Vor der In¬
jection : 40,0.
1 ccm Adrenalin (Parke &
Nach der In¬
jection Mittags
12 Uhr: 36,0.
Nachmittags
6 Uhr: 34,0.
!
Davies) in die linke Niere.
Nachts Exitus.
Tabelle XXVIII.
Kaninchen. Körpergewicht: 2300g. Versuch im Februar 1911.
16. 2. 11
Normal 39,2
12 Uhr: 37,2
6 Uhr: 38,2
50
keine Spur
von Glu¬
kosurie
—
—
Um 10 Uhr Vormittags 1 ccm
Adrenalin (Parke & Davies)
in die linke Niere.
17. 2. 11
39,2
—
—
—
Dann dauernd norm. Temp.
6 . Adrenalin intravenös injicirt.
Bei einem Kaninchen von 1500 g Körpergewicht injicirte ich am
21. 4. 1910 0,5 ccm Adrenalin (Parke & Davies) in die Ohrvene. Tempe¬
ratur vorher 39,1°, unmittelbar danach 39,1°. Bald darauf starb das
Thier unter Convulsionen, ohne dass die Temperatur sich verändert
hatte (Tabelle XXIX).
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Gck igle
Original fro-m
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154
Rahel Hirsch,
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Tabelle XXIX.
KaniDchen. Körpergewicht: 1650 g. Versuch im April 1910.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
21.4. 10
Normal 39,1.
Unmittelbarn,
der Injection:
i 39,1
1 39,1
1 39,1
1
t
|
i
0,5 ccm Adrenalin (Parke &
Davies) in die Ohrvene.
Im Käfig gleich Zuckungen;
nach wenigen Min. Exitus.
Ein anderes Thier von 2345 g Körpergewicht, dem ich am 26. 4. 1910
2 Tropfen Adrenalin (Parke & Davies) in die Ohrvene injicirt hatte, zeigte
gleich nach der Injection einen Temperaturanstieg von 39,3° normaler Tem¬
peratur auf 40,2°, nach 3 Stunden war die Temperatur auf 39,8° gefallen
(Tabelle XXX).
Tabelle XXX.
Kaninchen. Körpergewicht: 2345 g.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukoso
g
Bemerkungen.
26. 4. 10
Gleich nach d.
Inject.: 40,2
10V 2 Uhr: 40,2
ll®/ 4 Uhr: 40,0
1 Uhr: 39,8
2 Uhr: 39,8
4 Uhr: 39,7
6 Uhr: 39,7
Um 10 l /4 Uhr: 2 Tropfen
Adrenalin (Parke & Davies)
in die Ohrvene.
27. 4. 10
10 Uhr: 39,5
—
—
—
—
7. Adrenalin intraperitoneal injicirt.
Ein Kaninchen von 3500 g zeigt nach intraperitonealer Injection eine
Temperaturdifferenz von 0,9°: 39° normal, nach 2 Stunden 38,1 °. Bei Wieder¬
holung des Versuches eine Woche später am 29. 3. 1910 (Tabelle XXXI)
sank dagegen die Temperatur von 39° auf 35,6° nach 4 Stunden ab.
Tabelle XXXI.
Kaninchen. Körpergewicht: 3500 g. Versuch im März 1910.
Datura
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
22. 3. 10
Normal 39,0
Unmittelbar
n. d. Inj.: 39,0
2 Uhr: 38,1
4 Uhr 30 Min.:
39,0
7 Uhr: 39,2
1
Um 11 Uhr 1 ccm Adrenalin
(Parke & Davies) in die
Bauchhöhle.
23. 3. 10
39,0
—
—
—
—
29. 3. 10
1 Stunde nach
der Inj.: 36,2
2 Uhr: 35,6
Nachmittags
6 Uhr: 38,9
1
1
Um 10 Uhr 1 ccm Adrenalin
(Parke & Davies) in die
Bauchhöhle.
30. 3. 10
39,0
| —
—
—
—
31. 3. 10
. Dauernd 39,0
i "
—
l ccm physiol. NaCl in die
Bauchhöhle.
Geh igle
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Adrenalin and Wärmehausbalt.
155
Bei einem Thiere von 2300 g Körpergewicht war die Temperatur
durch intraperitoneal injicirtes Adrenalin nicht verändert (Tabelle XXX11).
Tabelle XXXII.
Kaninchen.
Datum
Temperatur
Grad
Urinraenge
ccm
Glukose j
pCt. ]
Glukose
g
Bemerkungen.
7. 6. 10
vorher 38,5
nachher stets
unverändert
—
—
0,2 ccm Adrenalin in die
Ohrvene.
10 . 6. 10
38,3
38,5
unverändert
1 ccm in die Bauchhöhle.
Andere physiologische Stoffe and die Wärmewirkung.
Pituitrin, Thyreoidin.
Pituitrin (Parke & Davies) zeigte keine Wirkung in dieser Be¬
ziehung. Auf Thyreoidin (Freund & Redlich) hin, in die Nebenniere
injicirt, trat 8 Stunden nach der Injection ein Temperaturabfall von 1,3°
auf, das Thier starb dann in der Nacht (Tabelle XXXIV).
Tabelle XXXIII.
Kaninchen. Körpergewicht: 8000 g. Versuch im März 1910.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
9.3.10
Normal 38,8.
Dauernd 38,8.
50
—
—
1 ccm phys. NaCl in die
linke Nebenniere.
22. 3. 10
Dauernd 38,8.
40
1 ccm Pituitrin (Parke &
Davies) in die linke Neben¬
niere.
Tabelle XXXIV.
Kaninchen. Körpergewicht: 2500g. Versuch im März 1910.
29. 3. 10
1
Normal: 38,3
Um 11 Uhr 1 ccm Thyreoidin-
UVi Uhr: 38,3
2 Uhr: 38,3
4Va Uhr: 38,0
extrakt (Freund & Redlich)
in die linke Nebenniere.
Nachts Exitus.
7 Uhr: 37,0
Andere Mittel wie: 1. physiologische Kochsalzlösung, 2. Pilocarpin,
3. Morphium, 4. Atropin, 5. Nikotin, 6. Jodjodkalium, 7. Cyankalinm.
Weder physiologische Kochsalzlösung intraperitoneal, von der Neben¬
niere aus, noch Pilocarpin, noch Morphium, noch Atropin zeigten
etwas Bemerkenswerthes in dieser Beziehung. Auf das Nikotin werde
ich später zurückkommen. Cyankalium in der nicht tödtlichen
Menge von 0,5 mg in 1 ccm H 2 0 gelöst ins Pankreas injicirt, hatte
einen eclatanten Temperatursturz von 39,3° auf 35,4° im Verlaufe
einer Stunde zur Folge, am Tage danach am 2. 12. 1908 war die Tempe¬
ratur wieder normal (39,3°) (Tabelle XXXV).
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Go igle
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156
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Rabel Hirsch,
Tabelle XXXV.
Kaninchen. Körpergewicht: 2500g. Versuch im December 1908.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
1. 12. 08
Normal: 39,3.
Unmittelbarn,
d. Inject.: 37,6.
Nach 1 Std.:
35,4.
—
—
—
0,5 mg KCN in 1 ccm H 2 0
gelöst in das Pankreas.
2. 12. 08
89,3.
40
1 ”
—
—
Jodjodkalium zeigte von der Nebenniere aus sehr bedeutende
Störung der Wärmebildung. Von 39,5° normaler Temperatur fiel die
Temperatur steil ab bis auf 33° innerhalb von 9 Stunden und blieb noch
2 Tage gestört (Tabelle XXXVI).
Tabelle XXXVI.
Kaninchen. Körpergewicht: 3200 g. Versuch im November 1912.
Datum
!
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen
12.11.12
13.11.12
14. 11. 12
15. 11. 12
Normal: 39,5
10 V 2 Uhr: 37,7
11 Uhr: 36
6 Uhr: 33
Morg. 8 Uhr:
37.2
Nachm. 6 Uhr:
38.2
Morg. 8 Uhr:
36.2
Nachm. 6Uhr:
38
39,5
dann dauernd
normal
Um 10 Uhr: 1 ccm Jodjod¬
kalium in die linke Neben¬
niere.
II. Die Glykosnrie nach diesen Injectionen.
Die Schilddrüse und Glykosurie nach Adrenalininjection.
Der 8900 g schwere Hund (Tabelle I) schied am Tage der Injection
2,16 g Glukose aus und auch die folgenden Tage war noch spurweise
diese Glykosurie zu bemerken. Bei einem anderen Hunde (Tabelle II)
war keine Zuckerausscheidung zu constatiren, dagegen schied der Hund
von 7000 g Körpergewicht (Tabelle III) an beiden Tagen der Injection
(am 28. 4. 1909 und 10. 5. 1909) 1,8 g Glukose bezw. 2,64 g Glukose aus.
Dasselbe gilt von dem Hund von 2500 g, der 1,6 g Glukose nach der
Injection in die beiden Schilddrüsen ausgeschieden hat (Tabelle IV) und
noch Spuren am Tage darnach. Ebenso ergab bei dem zweiten jungen
4 Monate alten Hunde von 3000 g Körpergewicht die Injection in beide
Schilddrüsen Glykosurie von 1,6 g. Bei diesem letzten Thiere war
die Temperatur nicht modificirt gewesen.
Gck igle
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Adrenalin und Wärmehausbalt.
157
Dagegen trat bei dem 12 kg schweren Hunde (Tabelle VI) keine
Glykosurie auf.
Bei 2 Versuchen von 6 war also die Wirkung mit Bezug auf die
Glykosurie negativ. Jedenfalls sind aber die 4 positiven Resultate sehr
bemerkenswert!).
Pankreas und Glykosurie durch Adrenalin.
Vom Pankreas aus war die Injection, wie zu erwarten war, stets
stark positiv mit Bezug auf die Glykosurie:
Hund 4000g Körpergewicht . . 1,8 g Glukose (Tabelle VIII)
Kaninchen 2000 g Körpergewicht 2,5pCt. Glukose (25 ccm Urin)
(Tabelle IX)
Kaninchen 1000 g Körpergewicht 2,5 pCt. Glukose (25 ccm Urin)
(Tabelle X)
Kaninchen 1000 g Körpergewicht 2,4pCt. Glukose (60 ccm Urin)
(Tabelle XI)
Dieses Thier zeigte übrigens auch von der Speicheldrüse aus
bei normaler Temperatur durch Adrenalin eine Glykosurie von
1,9 pCt.
Kaninchen 2000 g: Die aus der Blase direct gewonnenen 20 ccm
Urin des Thieres enthielten 6 pCt. Glukose (Tabelle XII).
Kaninchen 2000 g: am Tage der Injection in 25 ccm Urin 2,5pCt.
Glukose, in den am folgenden Tage entleerten 50 ccm Urin 1 pCt.
Glukose.
Leber- und Glykosurie nach Adrenalininjection, auch nicht spurweise
Glykosurie.
Nebennieren und Glykosurie nach Adrenalin.
Nur vereinzelt Glykosurie, bei Kaninchen von 3200 g Körpergewicht
in den ersten 20 ccm nach der Injection entleerten Urins 0.8 pCt., in
den weiteren 25 ccm 3,2 pCt. und in den am nächsten Tage entleerten
25 ccm 2,0 pCt. Glukose (Tabelle XIV).
Bei 3 Thieren (Tabellen XVI, XVII und XVI11) wurde Glukuron-
säure ausgeschieden, die Drehung betrug in dem einen Fall maximal 0,4°
links, und diese Linksdrehung dauerte mehrere Tage an. Ich hatte diese
Glukoronsäureausscheidung dann noch weiter zu verfolgen beabsichtigt,
aber bei allen anderen Thieren war die Injection in die Nebenniere mit
Bezug auf diese linksdrehende Substanz ebenso negativ wie im Allge¬
meinen mit Bezug auf die Glykosurie.
Niere und Glykosurie.
Auch hier nur vereinzelt Glykosurie nicht höher als 0,4pCt.
(TabelleXXV). Auch das eine Stunde nach der Injection untersuchte
Blut zeigte keine Hyperglykämie (Methode Reicher und Stein).
Von der Niere aus entstehen also im Allgemeinen weder Hyperglykämie
noch Glykosurie nach Adrenalininjection.
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158
Rahel Hirsch,
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Die pathologische Anatomie der mit Adrenalin behandelten Drüsen.
Die mikroskopische Untersuchung der Drüsen, die Herr Dr. raed.
Tugend reich so gütig war am pathologischen Institut der Universität
Berlin für mich auszuführen, ergab ira Wesentlichen beim Pankreas
und bei der Niere in allen Fällen Kalkablagerungen in der Nähe
der Injectionsstelle, auch in den Fällen, wo, wie speciell beim Pankreas,
die Thiere bald nach der Injection gestorben waren.
Die Infarctbildung in der Niere war nur einmal zu beobachten
gewesen, und im Ucbrigen zeigten die Nieren, auch Monate lang nach
der einmaligen Injection untersucht, nichts anderes als am ersten Tage
nach der Injection. Der Process bleibt also auf die unmittelbare Injections-
wirkung beschränkt.
Sehr bemerkenswert ist, dass die Nebennieren auf die ihnen adaequate
Substanz nicht die mindeste pathologisch-anatomische Veränderung auf¬
weisen. Auch die Schilddrüse blieb unverändert. Die Kalkablagerung
trat typisch beim Pankreas und der Niere auf.
Die Deutung uud Bedeutung der Adrenalin-Hypothermie.
Der nächstliegende Gedanke bei der Wahrnehmung des Phänomens
von der Nebenniere aus war der, dass 1. die Nebenniere durch Adrenalin
zerstört und damit ebenso wie bei der Exstirpation der Nebenniere
der Temperaturabfall zu erklären sei; 2. dass die der Blutdrucksteigerung
folgende Senkung nach Adrenalininjection den Temperatursturz erkläre.
Beide Hypothesen erwiesen sich alsbald als hinfällig. Wie schon ge¬
zeigt, bleiben die Nebennieren morphologisch vollkommen intakt.
Und was die Blutdruckwirkung anbetrifft, so geht ihr die Erniedrigung
der Temperatur erstens voraus und zweitens ist sie ihr der Inten¬
sität nach weit überlegen und drittens ist der Druck schon wieder
normal, während die Temperatur noch Stunden lang weiterhin abfällt.
Betonen möchte ich ferner, dass ich beim Aufspannen der
Thiere heisse Krüge zu beiden Seiten der Thiere gelegt und von oben
durch Glühlichtbirnen für starke Erwärmung gesorgt habe, um auf
diese Weise der Abkühlung der Kaninchen vorzubeugen. Hervorheben
möchte ich, dass Hunde die Adrenalinhypothermio ebenso zeigen.
Kaninchenversuche allein wären nicht von diesem Werthe, da sie über¬
haupt wärmelabil sind.
Ausserdem betone ich, dass die Kaninchen sofort ihregewohnte kauernde
Stellung, vermittelst welcher sie ihre Wärme zum Theil reguliren, wieder
einnehmen, dass auch das Einwickeln in warme Tücher und Unterbringen
neben der warmen Heizung den Temperaturabfall nicht zu hemmen vermag.
Die Erklärung der Hypothermie musste also eine andere sein: Die
Adrenalinhypotherraie ist vielleicht Sympathicuswirkung. Zu
dieser hypothetischen Deutung führte mich die Ucberlegung, dass speciell
die Drüsen des sympathischen Systems, wie Nebenniere und
Pankreas, das Phänomen so eclatant zeigten. Um dies zu beweisen,
injicirte ich einmal Adrenalin direct in eines der sympathischen
Ganglien der Bauchhöhle, andererseits träufelte ich Adrenalin auf
Gck igle
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Adrenalin nnd Wärmeh&nshalt.
159
das Ganglion oder in dessen Nähe. Auch daraufhin trat Temperatur¬
senkung ein, von 39° auf 37°, im andern Falle von 39,2° auf 35°.
Da ich in dieser Adrenalinhypothermie die Möglichkeit der
Sympathicusreizung sah, durfte ich folgern, dass Sympathicus-
lähmung das Gegentheil, Temperatursteigerung, ergeben werde. Zu
diesem Zwecke machte ich nun folgende Versuche: Bekanntlich
hemmt der Sympathicus die Darmperistaltik; um nun das Gegen¬
theil zu erzielen, wählte ich Nikotin.
• Ein Tropfen unverdünnter Nikotinlösung auf den unversehrten
Darm gebracht, löste intensivste Darmperistaltik mit sofortigem
Temperaturantieg auf 40° aus, auch die Verdünnung 1:10000 hatte bei
1 Tropfen auf den Darm sehr starke Peristaltik zur Folge. 1 ccm Nikotin
dieser Verdünnung in die Nebenniere injicirt, ruft sofort starken Krampf
des Darmes hervor, das Thier starb gleich darauf unter colossalem
Speichelfluss bei 40° X em P era tur (normale Temperatur 38,9°).
Ich stellte mir dann eine verdünnte Lösung von 1: 30000 her und
versuchte, ob noch ein Tropfen dieser Verdünnung aufgeträufelt auf den
Darm Peristaltik auslöse. Da das nicht mehr der Fall war, injicirte
ich 0,3 ccm dieser Lösung in die Nebenniere; zuerst sank darauf die
Temperatur von 38,8° (normal) auf 37° und stieg im Verlaufe des Nach¬
mittags, also 8 Stunden nach der Injection, auf 40° an.
Wie man sich die Wirkung des Adrenalins auf die Nerven denken
kann, illustriren Versuche von Lichtwitz 1 ), der nach Analogie der
Beobachtung von Hans Meyer und Ramsom, dass Tetanus- und
Diphtherietoxin im Nerven wandert, durch das Froschexperiment ge¬
zeigt hat, dass Adrenalin ebenfalls im Nerven wandert.
Tabelle XXXVII.
Kaninchen. Körpergewicht: 3400 g. Versuch im November 1912.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
13. 11. 12
Normal 39,3
12 Uhr: 37,8
2 Uhr: 36,5
4 Uhr: 35,0
6 Uhr: 34,0
i
—
Um 11 Uhr 0,2 ccm Adrenalin
in das ßauchganglion.
14.11. 12
Normal 39,3
—
—
—
Tabelle XXXV 11 I.
Kaninchen. Körpergewicht: 3250 g. Versuche im November 1911.
Datum
Temperatur
Grad
Urinmenge
ccm
Glukose
pCt.
Glukose
g
Bemerkungen.
15.11.12
Normal 39,5
12 Uhr: 38,0
2 Uhr: 37,5
6 Uhr. 37,0
—
—
—
Um 10 Uhr 1 ccm Adrenalin
in die Nähe des Ganglion
sympath. der Bauchhöhle
unmittelbar aufgeträufelt.
17.11.12
Normal 39,5
—
—
—
1) Lichtwitz, Ueber Wanderung des Adrenalins im Nerven. Arch. f. oxp.
Path. Bd. 58. S. 221.
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Go igle
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160
Rahel Hirsch,
Digitized by
Dass es sich bei diesem Temperatursturz um plötzlich ge'hemrate
Wärmeproduction handelt, geht aus meinen Beobachtungen der
directen Caloriraetrie bei der Adrenalinhypothermie hervor. So
hatte ein Kaninchen während dieser Adrenalinhypothermie eine Wärme¬
production von nur 0,78 Cal. pro Stunde; pro Kilogramm und Stunde
nur 0,4 Cal.
Tabelle XXXIX.
Kaninchen. Körpergewicht: 1570 g. Versuch am 25. April 1912.
Directe Calorimetrie. .
Datum
Temperatur
Grad
Calorien
pro Std.
Calorien
pro kg u. Std.
Bemerkungen
25. 4.12
Normal 39,3
1 Std. nach der
Injcction 35,8
Normal 6,0
Während dci
hypoth
0,78
3,8
r Adrenalin-
ermie:
0,4
1 ccm Adrenalin in die linke
Nebenniere. Temperatur nach
einer Stunde 35,8°.
Das Thier zeigt nach 24 Stunden
normale Werthe.
Die Kohlensäureproduction war so gering, dass die Barytlauge
nur gerade eben getrübt war. Dasselbe Thier hatte normaler Weise eine
Wärmeproduction von 6,0 Cal. pro Stunde; 3,8 Cal. pro Kilogramm und
Stunde. Die Kohlensäureproduction betrug normaler Weise 4 g pro
Stunde, die Kohlensäureproduction unter Adrenalin 0 g pro Stunde.
Ein zweites Thier von ungefähr demselben Körpergewicht entwickelte
unter Adrcnalinwirkung (Tabelle LX) pro Stunde 0,78 Cal., pro Kilogramm
und Stunde 0,53 Cal. Die Kohlensäureproduction war ebenfalls
negativ. Die normalen Werthe sind annähernd dieselben wie beim vorher¬
gehenden Thiere.
Tabelle XL.
Kaninchen. Körpergewicht: 1600 g. Versuch am 24. April 1912.
Directe Calorimetrie.
Datum
Temperatur
Grad
Calorien
pro Std.
Calorien
pro kg u. Std.
Bemerkungen
24. 4. 12
Normal 39,2
1 Std. nach der
Injection 36,1
Normal 6,5
Während dei
hypoth
0,78
Normal 3,7
r Adrenalin-
ermie:
0,53
1 ccm Adrenalin in die linke
Nebenniere. Temperatur nach
einer Stunde: 36,1°.
Das Thier lebt danach nur noch
8 Stunden. Kohlensäure¬
production nur in Spuren
nachweisbar. ,
Da sich die Wärmeproduction nach Abklingen der Wärme¬
gleichgewichtsstörung wieder vollständig auf normales Niveau
einstellte, kann nur von Einschränkung der Production die Rede sein.
Ein drittes Kaninchen, das normal 8,9 Cal. pro Stunde producirtc
und 3,3 Cal. pro Kilogramm und Stunde, hatte unter Adrenalin eine Wärme¬
production von 6,2 Cal. pro Stunde und 2,3 Cal. pro Kilogramm und
Stunde. Der Temperaturabfall war in diesem Falle nicht so stark aus¬
gesprochen, die Kohlensäureproduction fast normal geblieben.
Google
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Adrenalin und Wärmehaushalt.
161
Bei einem weiteren Kaninchen, das normaler Weise pro Stunde 11 Oal.
und pro Kilogramm und Stunde 3 Cal. producirt hatte, betrug die Wärme-
production in der Zeit der Adrenalinhypothermie pro Stunde 6,2 Cal. und
pro Kilogramm und Stunde 2 Cal.
Die Einschränkung der Wärmeproduetion bei der Adrenalinhypothermie
ist damit festgelegt. Dass man bei intraperitonealer Injection in einem
Falle Adrenalinhypothcrmie erzielt, im anderen nicht, hängt wohl
davon ab, ob man in die Nähe eines der sympathischen Ganglien
injicirt oder nicht.
Die Jodjodkaliumwirkung.
Zur Prüfung der Jodwirkung hatte mich die Ueberlegung geführt,
dass bei Basedow-Kranken, die, wie Kraus 1 ) zuerst und schon lange
betont hat, an Systemerkrankung — Schilddrüse, Adrenalinsystem
— leiden, unter Jodwirkung alle Krankheitssymptome in erhöhtem
Maassc hervortreten. Ich habe mehrere Basedow-Kranke in Beobachtung
gehabt, bei denen durch die falsche Jod-Medication das typisch
klassische Bild erst ausgelöst worden war. Da nun das sym¬
pathische System bei diesen Kranken zumeist eine bedeutende Rolle
spielt, zog ich bei der Prüfung auf Sympathicuswirkung das Jodjod-
kalium heran und konnte sehen, dass, wenn man nur in die Nähe des
Ganglion Jodjodkalium einwirken liess oder es in die Nebennieren direct
injicirtc, die Wirkung eine Hypothermie war. Betonen möchte ich,
dass von der Schilddrüse aus der wiederholte Versuch mit Jodjod¬
kalium stets negativ ausgefallen ist.
Vielleicht ist die Jodwirkung, über die wir bisher — abgesehen
von ihrer Bedeutung bei der Syphilis — so gut wie nichts wissen, in
dieser Weise öfter zu deuten.
Aus eigener Erfahrung konnte ich mich z. B. davon überzeugen, dass
bei älteren Leuten mit arteriosklerotischen Darmbeschwerden, die sich
theils in Koliken, theils in profusen Diarrhöen äusserten, die einzige
wirksame Behandlung die der rectalen Jodkaliumtherapie war. Es
wäre denkbar, dass auch hierbei Sympathicuswirkung eine Rolle spielen
könnte. Die ungünstige Jodwirkung bei Basedow-Kranken erklärt sich ohne
Weiteres, wenn man sieht, dass Jod Sympathicusrcizerscheinungon
auslösen kann.
Die Glykosnrie nach der Wirkung des Adrenalins von den Drusen aus.
Nur vereinzelt trat nach den zahlreichen Beobachtungen nach
Injection des Adrenalins in die Nebennieren Glykosuric auf und dann
nur mässig. Da die Glykuronsäureausscheidung auch nur ein ver¬
einzeltes Phänomen war, verliert sie an Bedeutung. Sehr auffallend
ist die Thatsache, dass nach Injection des Adrenalins in die Leber
auch nicht spurweise Glykosurie zu constatiren ist. Betonen möchte
ich, dass die Thiere alle gut gefüttert waren. Auch die In-
1) Kraus, Ueber Kropfherz. Deutsche med. Wochenschr. 1906. No. 47. Ueber
die Wirkung der SchilddrüsenstotTo. Berl. klin. Wochenschr. 1908. No. 38. Die
Pathologie der Schilddrüse. Verhandl. d. 23. Congr. f. innere Med. München 1906.
Zeitsehrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd.
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Rahel Hirsch,
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jection in die Nieren war vollständig negativ in dieser Richtung.
Um Hyperglykämie ohne Glykosurie handelte es sich nicht, wie
die Blutuntersuchung auf Kohlenhydrate nach der Methode Reicher-
Stein ergeben hat. Besonders stark reagirte das Pankreas, und
danach die Schilddrüse mit Glykosurie. ' Offenbar handelt es sich
hierbei um Ferment Wirkungen, die auf Adrenalin gesteigert einsetzen,
bezw. um Nerveneinfluss, der unter Adrenalin die specißsche Drüseu-
thätigkeit anregt. Dass es der Nervenimpuls ist, der dabei die Haupt¬
rolle spielt, geht z. B. daraus hervor, dass cs nicht gelingt, ausser¬
halb des Organismus durch den Organversuch den Zuckerabbau oder
die Glykolyse durch Adrenalin irgendwie zu beeinflussen. Zahl¬
reiche Versuche, die ich in der Beziehung mit grösseren und kleineren
Dosen gemacht hatte, verliefen alle negativ. Auch Lichtwitz konnte
nur bei dem lebenden Frosch die Pupillenerweiterung durch die
Wanderung des Adrenalins auf dem Nervenwege erzielen.
Zusammenfassung.
1. Adrenalin (Parke & Davies) ebenso Suprarenin (Höchster Farb¬
werke), das racemische ebenso wie das synthetisch dargestellte links¬
drehende Präparat (Höchster Farbwerke) rufen eclatante Hypo¬
thermie hervor und zwar am meisten ausgesprochen von folgenden
Drüsen aus:
1. Nebennieren,
2. Pankreas,
3. Leber,
etwas weniger intensiv:
4. von der Niere und
5. von der Schilddrüse aus.
2. Aehnliche Wirkung erzielt man nach Adrenalin-lnjection in eines
der sympathischen Bauchganglien oder in die Nähe eines solchen.
3. Die Adrenalin-Hypothermie ist vielleicht Sympathicus-
Reizwirkung.
4. Andere physiologische Stoffe wie Pituitrin, Thyreoidin zeigen diese
Wirkung nicht.
5. Jodjodkalium hat dieselbe Wirkung von der Nebenniere aus wie
Adrenalin. Vielleicht ist die bisher in Dunkel gehüllte Jod Wirkung
— abgesehen bei der Syphilis — wenigstens bei manchen Krank¬
heiten in dieser Richtung als Wirkung auf den Sympathicus zu
suchen. Die ungünstige Beeinflussung der Jodmedication beim
Basedow — die geradezu ein Kunstfehler ist — dürfte hierher ge¬
hören als Sympathicusreizmittel.
6. Die Injection von Adrenalin in die Drüsen ruft nur beim Pankreas
und der Niere Kalkablagerung — sofort — hervor. Alle anderen
Drüsen, so insbesondere die Nebennieren, bleiben morphologisch
vollkommen intact.
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Adrenalin und Wärmehaushalt.
163
7. Die Kalkablagerung in der Niere bleibt auf die Injectionsstelle be¬
schränkt, die Degeneration schreitet nicht weiter fort.
8. Glykosurie tritt nach diesen Injectionen nur von dem Pankreas
und der Schilddrüse aus auf. Die Adrenalinwirkung ist auch hier
als Reiz der Nerven-Fermentthätigkeit aufzufassen. Beim Organ¬
versuch ausserhalb des Organismus hat Adrenalin auf den Zucker¬
abbau keinen Einfluss. Die entsprechenden Fermente werden viel¬
leicht durch das sympathische System unter der Reizwirkung be¬
einflusst.
9. Die Wärmeproduction ist bei der Adrenalinhypothermie ein¬
geschränkt, wie meine Versuche mit meiner directen calorimc-
trischen Methode zeigen.
10. In extremsten Fällen ist die Wärmeproduction fast aufgehoben,
ebenso wie die Kohlensäureproduction dann fast Null ist.
_ ^ ■ jflL. _
Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
c *tS5 ^
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X.
Aus der II. medicinischen Klinik der Charit^ (Berlin).
Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens
und seine Beziehung zum Kreislauf.
Von
Priv.-Doc. Dr. Johann Plesch (Berlin).
(Hierzu Tafel II und 5 Abbildungen im Text.)
I. Allgemeines über die Bedentnng der Lnngenvolnmina.
Wir sind gewöhnt, die Respiration lediglich als eine Function zu
betrachten, welche den Lungen hauptsächlich Luft züzuführen hat, um
das in den Alveolen befindliche venöse, ausgenutzte Blut zu arterialisiren.
Wenn auch diese Aufgabe der Athmungsthätigkeit die wichtigste ist, so
ist sie doch nicht die alleinige, und wir möchten in dem Folgenden an
der Hand von Experimenten darauf hinweisen, dass die Lunge nicht
nur Luft, sondern auch Blut athmet, und dass sich die Respiration
vor Allem der Circulation anpasst. Wir werden in der Respiration einen
der wichtigsten corapensatorischen Factoren der Circulation kennen lernen.
Die engen Beziehungen, die zwischen Respiration und Circulation bei Ge¬
sunden und Kranken bestehen, werden wir an der Hand eines ausgiebigen
Versuchsthatenmaterials beleuchten und versuchen, aus den physiologischen
und pathologischen Aenderungen des Athemmechanisraus die Respiration
als ein functionelles Maass für die Circulation zu betrachten.
Es ist selbstverständlich, dass wir nicht sämmtliche Aenderungen
der Respiration auf eine circulatorische Ursache zurückführen dürfen.
Denn bei einer selbstständigen Function, wie der Athmung, können natur-
gemäss Verhältnisse obwalten, die eine Abweichung für sich zur Folge
haben müssen. Bei den engen Beziehungen, die zwischen Respiration
und Circulation bestehen, werden aber auch solche von den Respirations¬
organen ausgehenden Veränderungen, auf die Circulation zurückwirken.
Das Umgekehrte wird der Fall sein, wenn die Circulation geschädigt ist,
und die Respiration als circulatorischer Compensations- und Hülfsfactor
in Thätigkeit tritt. Im Grossen und Ganzen werden wir uns mit zwei Haupt¬
gruppen von respiratorischen Functionsänderungen zu beschäftigen haben:
1. Respirationsstörungen bei behinderter Athemmechanik,
a) bei Hemmung der Athembewegungen:
<*) Lähmungen, Defecte der Athemmusculatur,
ß) Behinderung der Skelettbewegungen (Bechterew’sche Krank¬
heit, Verknöcherung der Knorpel und der Gelenke des Thorax).
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 12
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Johann Plesch,
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b) Verkleinerung der respiratorischen Oberfläche:
a) Pneumonie, Tuberculose, Tumoren, Bronchiektasie, Carnification,
Retraction, Höhlenbildung.
ß) Compression der Lunge von aussen (Hydro-, Sero-, Pyo-,
Pneumothorax, Pleuralgeschwülste).
c) Erschwerung des Luftzutrittes durch Verengung der Luftwege:
Glottiskrampf, Trachealgeschwülste, das Asthma bronchiale, Com¬
pression der Trachea oder der grossen Bronchien von aussen her
(Struma retrosternalis, Mediastinalgeschwülste, Aneurysmen).
2. Respiratorische Veränderungen bei erschwerter Circulation:
a) Klappenfehler, die das rechte Herz in Mitleidenschaft ziehen,
b) Myocarderkrankungen,
c) Emphysem mit Verödung zahlreicher Lungencapillaren.
Die nächste Frage, die sich bei der näheren Feststellung der patho¬
logischen Beziehungen zwischen Respiration und Circulation aufwirft, ist
die, inwiefern zwischen diesen beiden lebenswichtigen Functionen physio¬
logisch ein Zusammenwirken besteht. Wie sehr wir auch mit der arte¬
riellen Blutbeförderung im Klaren sind, so ist die Bewegung des venösen
Stromes, besonders entgegen dem hydrostatisch wirkenden Drucke,
weniger ausreichend erklärt. Es müssen bei der venösen Blutbeförderung
Kräfte mitwirken, die unabhängig von der centralen Treibkraft, vom
Herzen, der Circulation zu Hülfe kommen. Wir wollen hier nicht über
das „periphere 44 Herz, die vis a tergo, den Einfluss der Muskelcontraction,
auf die Blutströmung in Erwägung ziehen, sondern uns vor Allem mit
den Druckverhältnissen im Thoraxinnern beschäftigen.
Die Lungen könnten, wenn sie nicht durch die während der Athmung
in sie eindringende Luft entfaltet würden, nicht den in Inspirations¬
stellung sich befindenden vergrösserten Thoraxraum ausfüllen. Der Pleural-
„raum“ ist als luftleer zu betrachten, sodass er unter normalen Verhält¬
nissen eigentlich gar keinen Raum bildet, da die endothelbedeckten beiden
pleuralen Blätter, die Pleura visceralis und parietalis, dicht einander an-
liegen und sich bei der Respiration nur übereinander verschieben. Dieses
Aneinanderkleben wird dadurch möglich, dass von aussen her auf die
Pleura parietalis und von innen her auf die Pleura visceralis derselbe
atmosphärische Druck wirkt. Von innen her herrscht aber nicht
voll der atmosphärische Druck, sondern diesem Drucke wirkt
die elastische Kraft des Lungengewebes entgegen, welche die
Tendenz hat, das gespannte elastische Gewebe in den Zustand
der völligen Entspannung zu bringen. Es wird also ein Theil des
von innen wirkenden Druckes von der elastischen Kraft der Lunge ver¬
braucht werden, und es wird dem zu Folge im Pleuralraum und in
der Lunge eine Druckdifferenz bestehen, die von dem Spannungs¬
zustand des Lungengewebes abhängig ist; sie muss somit bei der
Inspiration grösser sein als bei der Exspiration. Es ist selbstverständ¬
lich, dass dieser Druck selbst bei der tiefsten Exspiration nicht total ver¬
schwinden wird, da eine gewisse Lungenspannung vermöge der Residual¬
luft und der gefüllten Gefässe stets vorhanden sein wird; er beträgt bei
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
167
forcirtester E^piration noch immer 5 mm Hg. Wir haben also während
der beiden respiratorischen Phasen stets eine Druckdifferenz zwischen
Thoraxinnenraura und Aussenluft, doch wird diese Differenz je nach
inspiratorischer oder exspiratorischer Stellung des Thorax verschieden
sein. Diese Druckdifferenz ist zum ersten Male von Donders be¬
schrieben und auch gleich in seiner Bedeutung für die Circulation
erkannt worden.
Der Donders’sche Druck ist ein mächtiger Hilfsfactor der Circu¬
lation. Durch die ständig bestehende Differenz zwischen Alveolen- und
Atmosphärendruck werden die Wandungen des Brustkorbes, sowie alle
nicht im Pleuralsack sich befindlichen Organe unter höherem Druck
stehen, als in den Alveolen vorhanden ist. Die Wirkung dieser Druck¬
differenz wird nun um so grösser sein, je geringer der elastische Wider¬
stand der Gewebe ist, auf welche dieser Druck einwirkt. Wir bemerken
deshalb an dem knöchernen Skelett des Brustkorbes kaum Veränderungen,
während an den von Weichtheilen gebildeten Intercostalräumen mit jeder
Inspiration, also bei jeder Vergrösserung des Donders’schen Druckes,
Einziehungen zu beobachten sind. Dasselbe gilt vom Zwerchfell. Dieses
wird inspiratorisch also auch gegen den Donders’schen Druck arbeiten
müssen. Bei Diaphragmalähmungen kommt deshalb eine paradoxe Be¬
wegung zu Stande. Absolut analog verhalten sich sämmtliche Organe,
die im Thoraxraum ausserhalb der Pleuralsäcke sich befinden, insbe¬
sondere das Herz, die grossen Gefässstämme und Lyraphbahnen. Der
negative Druck wird alle Organe in einer gewissen Spannung halten.
Diese muss theils proportional der Druckdifferenz, theils proportional der
Elasticität des Gewebes sein, auf welche sie einwirkt. So wie wir an
dem Knochenskelett vermöge seines grossen elastischen Widerstandes
keine Deformation wahrnehmen können, und an den weichen Aussen-
wänden des Brustkorbes die Druckdifferenz auffallende Veränderung
hervorruft, so wird auch eine der Wandelasticität entsprechende Diffe¬
renz entstehen zwischen den Veränderungen der Ventrikel und der Vor¬
höfe des Herzens, sowie auch zwischen den elastischen Arterien und den
Venen. Je weniger elastisch das Gewebe ist, um so stärker muss die
dehnende Wirkung des negativen Druckes sein, und somit um so aus¬
giebiger die saugende Kraft. Auf diese Weise ist zu verstehen, dass die
dünnwandigen Venen das Blut aus der Peripherie ansaugen, dass sich
die Vorhöfe ohne active Bewegung füllen. Es wäre aber falsch, wenn
wir glaubten, dass diese Saugwirkung nur in der Inspiration besteht.
De facto ist dies von einigen Forschern angenommen worden. So be¬
hauptete zum Beispiel Tigerstedt, dass die Saugwirkung bei fixirtem
Brustkörbe nicht bestehen kann, weil eine dauernde Kraftwirkung durch
eine statische Stellung unmöglich ist. Wir können gegen diese
physikalisch richtige, aber für den lebenden Organismus nicht
anwendbare Behauptung einwenden, dass der Donders’sche
Aspirationsdruck deshalb stets wirksam bleiben muss, weil
durch die Herzbewegung stets die angesaugten Blutmassen
weiter befördert werden, und deshalb immer frische Blut¬
massen an deren Stelle aspirirt werden müssen. Die Blutbe-
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wegung ist es, welche eine statische Einstellung unmöglich
macht.
Es wird also durch die im Thorax herrschenden Druckdifferenzen
im lebenden Körper stets ein Ansaugen von Blut erfolgen, und zwar in
einer Intensität, die von der respiratorischen Phase abhängt. Das ist
der Punkt, bei dem unsere physiologisch-pathologischen Betrachtungen
einsetzen müssen.
Der Donders’sche Druck wird auf den kleinen Kreislauf durch die
Vena pulmonalis, und auf den grossen Kreislauf (soweit diese zwei Be¬
griffe eben zu trennen sind) durch die Venae cavae bezw. durch die
entsprechenden Vorhöfe einwirken. Die Wirksamkeit muss, da, wie
soeben gezeigt, der Donders’sche Druck continuirlich wirkt, von
der Höhe der Druckdifferenz bei mittlerer Respiration, also von der
respiratorischen Mittellage, und auch von dem Ausschlag der
Druckdifferenz, also von dem respiratorischen Volumen abhängen.
In beiden Fällen, also sowohl bei der Einstellung der Mittellage, wie bei
der Grösse des respiratorischen Volumens wird die Entfaltung des intra-
thoracalen negativen Druckes von der Elasticität des Lungenparenchyms
und von der Elasticität der Venenstämme und der Vorhöfe abhängen.
Auf einen hypertrophischen Vorhof wird die Saugwirkung geringer sein,
als auf einen schlaffen Vorhof, und der Donders’sche Druck wird bei
derselben Mittellage grösser sein bei einer elastischen Lunge, als bei
einem Emphysem.
Unter physiologischen Verhältnissen werden durch den Donders-
schen Druck die Venae cavae und die anderen im Thoraxraum befind¬
lichen Venen in einer gewissen ständigen Spannung gehalten. Der rechte
Vorhof mit seinen nachgiebigen Wänden wird, wenn auch nicht in so
hohem Maasse wie die dünnwandigen Venen, auch gespannt. Diese
Spannung kann aber nur bei erschlafftem, d. h. bei einem sich in der
diastolischen Phase befindlichen Vorhofe, merklich vorhanden sein. In
der Systole wird natürlich der nur wenige Millimeter betragende Druck
nicht genügen, um die Vorhofswand gespannt zu erhalten. Immerhin
hat die Muskelcontraction gegen den Druck anzukämpfen. Je grösser
aber der Donders’sche Druck ist, um so mehr muss von der systo¬
lischen Vorhofsarbeit zu seiner Bekämpfung verwendet werden, und wir
sehen aus diesem Mechanismus, dass zwei der Circulation dienende
Factoren, der Donders’sche Druck und die Vorhofsarbeit, sich im ge¬
wissen Sinne hemmen. Wir können es nun stets im Haushalt des Körpers
beobachten, dass jede Compensation ihre Kosten hat, und dieses Gesetz
sehen wir auch hier — je grösser die circulatorische Hülfsarbeit der
Respiration, um so grösser die Arbeit des Vorhofes. Natürlich ist der
Nutzeffect des Donders’schen Druckes grösser als die Kosten der Herz¬
arbeit, sonst würde man doch von einer Hülfseinrichtung nicht reden
können, doch sind pathologische Fälle möglich, wo eben die Schwäche
des Vorhofes vorwiegt, und wo der Donders’sche Druck nicht fördernd,
sondern hemmend einwirken kann. Im Allgemeinen können wir
wohl sagen, dass in Fällen, wo der Donders’sche Druck aus
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
169
irgend einem Grunde gesteigert ist, eine Hypertrophie der
Vorhöfe eintreten muss.
Verfolgen wir die Circulation von dem rechten Vorhof weiter, den
Einfluss des Donders’schen Druckes berücksichtigend, müssen wir sagen,
dass auch die Contraction des rechten Ventrikels von demselben beeinflusst
wird (cf. S. 211). Der Druck in der Arteria pulmonalis beträgt ungefähr
zwei Drittel des Aortendruckes, also ca. 60 mm Hg. Der Donders’sche
Druck erreicht in der normalen Inspiration 10 mm, so dass zur Bewäl¬
tigung dieses Druckes der rechte Ventrikel den sechsten Theil seiner
Arbeit verwenden muss. Es ist ausserdem noch zu erwähnen, wenn es
auch nicht wesentlich in Betracht kommt, dass die Ventrikel durch ihre
Contraction die intrathoracale Druckdifferenz erhöhen. Dies ist leicht
verständlich, wenn wir bedenken, dass durch die systolische Zusammen¬
ziehung an und für sich und durch die dadurch hervorgerufene Austrei¬
bung einer gewissen Blutmenge der Thoraxraum vergrössert wird, wodutch
die Lungen sich zu dehnen gezwungen sind und dadurch den Donders-
schen Druck erhöhen. Auf die Arteria pulmonalis wird zwar die intra¬
thoracale Druckdifferenz wirksamer sein, als auf die viel elastischere und
dickwandigere Aorta, aber diese Wirkung wird auf die Circulation keinen
wesentlichen Einfluss ausüben. Ganz besonders aber wird der negative
Druck auf die Capillaren der Alveolen wirken; je grösser der Drucb-
unterschied, um so mehr werden sich die Capillaren ausdehnen müssen,
um so geringer ist der Widerstand, und um'so mehr wird die Leistung
des rechten Herzens geschont. Wir werden also in allen Fällen, wo
das rechte Herz geschädigt ist, als Compensation eine hohe
Mittellage und ceteris paribus grosses Athemvolum zu er¬
warten haben. Aber wir wollen schon hier betonen, dass eine hohe
Mittellage oder ein vergrössertes respiratorisches Volumen kein unbedingtes
Maass für die Erhöhung des Donders’schen Druckes ist, denn bei
einem weniger elastischen Lungenparenchym wird weder die Er¬
höhung der Mittellage, noch das vergrösserte Athemvolumen im Stande
sein, den Donders’schen Druck entsprechend zu erhöhen.
Die Rückströmung des Blutes von der Lunge nach dem linken Vor¬
hof wird bei vergrösserter intrathoracaler Druckdifferenz am meisten be¬
fördert. Hier wird einerseits bei breiten Lungencapillaren die vis a tergo
vom rechten Ventrikel her noch recht wirksam sein, andererseits ist die
Spannung der dünnwandigen Vena pulmonalis eine continuirliche und er¬
giebige, und auch die Saugwirkung auf die in der Diastole erschlafften
Wände des linken Vorhofes ist eine relativ grosse. Die wirksamste
Kraft für die weitere Beförderung des Blutes in der Vena pulmonalis
wird, wie wir später noch näher auseinandersetzen müssen, in der Ex¬
spiration zu suchen sein. Den geringsten Einfluss übt der Donders’sche
Druck auf die Weiterbeförderung des Blutes aus dem linken Ventrikel.
Eine Zusammenfassung des Gesagten ergiebt, dass also die Lunge
nicht nur Luft, sondern auch Blut athmet, dass die Erhöhung
des Donders’schen Druckes bei elastischem Lungengewebe
eine Erleichterung für die Circulation darstellt, und dass
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wir in der intrathoracalen Druckdifferenz einen wesent¬
lichen Hilfsfactor für die Circulation besitzen. Dass dieser
circulatorische Hilfsfactor auch com pensatorisch wirksam ist, dafür
sprechen nicht nur die thatsächlichen Aenderungen der respiratorischen
Mittellage, d. h. die höhere elastische Spannung des Lungengewebes in
Fällen, in denen eine Entlastung der Herzarbeit durch pathologische Ver¬
änderungen nöthig geworden ist, sondern auch solche unter physiologischen
Verhältnissen dort, wo es sich darum handelt, an den Körper gestellte
Mehrforderungen zu decken, also bei der Muskelarbeit. Aus den hier
mitgetheilten Versuchen geht klar hervor, dass, sobald der Körper Arbeit
zu leisten hat, sofort sowohl die respiratorische Mittellage, wie auch das
Athemvolum zunimmt. Es ist natürlich die Frage schwer zu entscheiden,
ob bei dieser respiratorischen Functionsänderung noch anderen Bedürf¬
nissen des Körpers eine grössere Rolle zukommt, als die der Erleichte¬
rung der Circulation. Jedenfalls liegt hierin ein Factor, von welchem
aus wir, wie ich glaube, nutzbringend die Wechselbeziehungen zwischen
Circulation und Respiration betrachten können.
Es ist selbstverständlich, dass wir bei der Erhöhung der respirato¬
rischen Mittellage unter Zunahme des Athemvolumens bei grösseren kör¬
perlichen Anstrengungen die Vergrösserung der respiratorischen Oberfläche,
die absolute oder relativ erhöhte alveoläre Sauerstofftension und somit
die besseren Bedingungen für die Sauerstoffzufuhr und Kohlensäureabgabe
nicht unterschätzen dürfen. Für die meisten pathologischen Fälle aber
wird diese Forderung gewiss gegenüber der circulatorischen Compensation
in den Hintergrund treten.
Wir müssen demnach ganz allgemein zwei Fragen auseinanderhalten:
1. Wie verhält sich der Donders’sche Druck bei Veränderungen des
Circulationsapparates und 2. wie verhält sich die Circulation bei Verän¬
derungen des Respirationstractus? Die erste Frage haben wir im Vor¬
hergehenden im Allgemeinen erörtert. Specieller wollen wir bei der
systematischen Besprechung der einzelnen Krankheiten darauf eingehen.
YVas die zweite Frage anbelangt, so müssen wir diejenigen Krankheits¬
gruppen, bei denen eine Respirationsveränderung durch Einschränkung
der respiratorischen Oberfläche verursacht wird, trennen von denjenigen,
bei welchen der Luftzutritt bei sonst normalem Lungengewebe behindert
ist, dann von solchen, bei denen die Lungenspannung zugenoramen hat
(Asthma bronchiale), ferner von denen, bei welchen die Lungenelasticität
abgenommen hat, und endlich von solchen, bei denen durch Versteifung
des knöchernen Thorax die Athembewegungen gehemmt sind.
Bei Verengerung der Luftwege unterscheiden wir zwei Grade, eine
absolute und eine relative. Relativ eng wird der Respirationsweg, wenn
der Luftbedarf allzu gross wird, also z. B. bei hochgradiger Arbeits¬
dyspnoe. Wir sehen in beiden Typen neben allen anderen äusseren
Zeichen des dyspnoischen Athmens bei jeder Inspiration die Intercostal-
räume sich einziehen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass durch die forcirte
und im Gegensatz zur Norm nicht allmählich sich verstärkende Muskel-
thätigkeit die Inspirationsmuskeln fast momentan und mit äusserster An¬
strengung in Function treten. Durch diese plötzliche inspiratorische Ein-
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
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Stellung des Thorax tritt auch momentan die höchste intrathoracale
Druckdifferenz auf, und es muss die Strömungsgeschwindigkeit der aspi-
rirten Luft eine viel grössere werden als beim ruhigen Athmen. Dieser
Typ der Athmung hat aber zur Folge, dass die Venen leer gepumpt
werden, und dass es zu einer arteriellen „Stauung“ kommt, als deren
Ausdruck wir thatsächlich eine Erhöhung des Blutdruckes beobachten.
Wenn wir einem Versuchsthier die Trachea mit einer Klemmschraube
verengen, so finden wir eine Blutdrucksteigerung, die bis 10 mm betragen
kann. Wir finden in klinischen Fällen von hochgradiger Stenose der
Luftwege, wie es bei der Diphtherie, bei croupösen Erkrankungen des
Respirationstractus vorkommt, leere Venen und ein eigentümliches Haut-
colorit, welches man als arterielle Cyanose bezeichnen könnte; es scheint
doch durch die mangelhafte Lüftung des Blutes hervorgerufen zu sein.
Das Herz und besonders die Vorhöfe und grossen Venenstämme sind
überfüllt, auch die Lungen, wie die Obduction dieser Fälle zeigt, sehr
blutreich. Die circulatorischen Veränderungen müssen hier als directe
Folgen des respiratorischen Hindernisses angesehen werden. Das Primäre
ist eben der Sauerstoffhunger. Gegenüber diesen Fällen konnten wir
Kranke beobachten, bei denen weder in den Lungen eine Einschränkung
der respiratorischen Oberfläche vorhanden war, noch in den luftzuleitenden
Wegen eine Stenose die Athmung gehindert hat, und doch die inspira¬
torische Einziehung, sowie angestrengteste Thätigkeit der Auxiliärmuscu-
latur sich fand, mit einem Worte, der Typ der Stenosenathmung, und
nicht etwa derjenige der cardialen Dyspnoe in Erscheinung trat. Bei
solchen Kranken war stets eine sehr hochgradige Herzschwäche vorhanden.
Die Entstehung dieser Art von Respirationsstörung ist am ungezwungensten
durch die Annahme zu erklären, dass hier die Athmung einfach als circu-
latorischer Hilfsfactor in stärkere Action zu treten gezwungen ist. Dass
diese Voraussetzung richtig ist, beweist, dass bei solchen Kranken nicht
eine oberflächliche dyspnoische Athmung bei höchstgradiger inspiratorischer
Einstellung des Thorax besteht, sondern dass das Athemvolumen mit¬
unter sehr gross ist, und dass die respiratorischen Bewegungen des
Thorax sehr ausgiebige sind. In diesen Fällen finden wir natur-
gemäss keinen absolut hohen Blutdruck, sondern, als einen Beweis für
die Richtigkeit unserer Annahme, sehr hohe respiratorische Blutdruck¬
schwankungen.
Beim Asthma cardiale sind die Verhältnisse diesem letztbeschrie¬
benen Zustand ähnlich. Das Asthma cardiale nur als den Ausdruck
einer Circulationsstörung des kleinen Kreislaufes anzusehen, wäre falsch.
Wenn wir den Lufthunger bloss durch reflectorische Vorgänge erklären,
welche durch die Kohlensäureüberladung des Blutes in Folge der mangel¬
haften Blutbewegung central ausgelöst sind, so ist damit das Wesen der
cardialen Dyspnoe nicht erschöpft. Die cardiale Dyspnoe ist nicht
nur ein nebenherlaufender Reflex, sondern auch die Com-
pensation für die Schwäche sowohl des Herzens, als auch
des ganzen Circulationssystems. Die kräftigsten normalen Be¬
förderer der venösen Blutbewegung fehlen, und da tritt wiederum die
Respiration ein: die Mittellage wird erhöht, die elastische Spannung
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172
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des Lungenparenchyms ist ständig grösser, der Donders’sche Druck
demzufolge auch höher eingestellt. So geschieht die Aspiration des
Blutes von der Peripherie zum Herzen leichter und ausgiebiger. So¬
lange noch das linke Herz fähig ist, das ihm zugeführte Blut weiter
zu befördern, ist das circulatorische Gleichgewicht angenähert erhalten;
sobald aber das linke Herz erlahmt, wird die Compensation durch
den Donders’schen Druck zur Schädlichkeit, — es kommt zur
Stauung im kleinen Kreislauf: in den durch die hohe Mittellage er¬
weiterten Capillaren wird die Circulationsgeschwindigkeit gering, und es
droht schliesslich Lungenödem.
Bei Affectionen, wo die respiratorische Oberfläche wesentlich einge¬
schränkt ist, wie solche die Pneumonien (die acuten oder chronischen),
die Lungenturaoren, Cavernen, Abscesse, Mycosen, der Pneumothorax,
die Flüssigkeitsansammlungen im Thorax etc. darstellen, ist ein solches
Verhalten der Respiration natürlich, welches die Sauerstoffzufuhr in ge¬
nügender und verhältnissmässig leichter Weise vor sich gehen lässt. Es
werden hierzu die respirirenden Lungentheile gedehnt, also in starker
inspiratorischer Stellung gehalten, dadurch wird die respiratorische Ober¬
fläche vcrgrössert, ebenso auch der Donders’sche Druck. Die Capillaren
im respirirenden Gebiet werden weit und durch das Zusammenwirken
dieser Factoren das Leben erhalten. In den Lungenpartien aber, die nicht
respiriren, wirkt der Donders’sche Druck nicht, demzufolge wird im noch
respirirenden Gewebe das meiste Blut angesaugt werden. Aus den Versuchen
von Loewy und v. Schroetter, die durch einen Tamponkatheter eine
Lunge aus der Respiration aus einem anderen Grunde ausgeschaltet haben,
geht hervor, dass die Sauerstoffaufnahme des Körpers in der Minute
durch die Reduction der respiratorischen Oberfläche nicht um die Hälfte
geringer wurde. Es ist dies nur so möglich, dass durch die respirirende
eine Lunge zweimal so viel Blut in der Zeiteinheit strömt wie unter
normalen Verhältnissen. Auch deshalb wird in diesem Falle durch die
gesunde Lunge eine grössere Menge Blut durchgeflossen sein als in der
Norm, weil der Donders’sche Druck in der abgesperrten Lungenhälfte
sogar grösser sein musste, als in der athmenden Lungenhälfte. Es hat
sich also die Circulation im kleinen Kreislauf dem Sauerstoffbedürfniss
angepasst. In den Fällen aber, wo die Alveolen entweder zu Grunde
gegangen sind, oder mit irgend einem entzündlichen Produkt ausgefüllt
sind, oder wo die Compression der Lunge von aussen her erfolgt ist,
herrscht keine intraalveoläre Druckdifferenz, die Circulation muss in
diesem Gewebe eine viel geringere sein, als in den respirirenden Lungen-
theilen. Für die gesunden Lungentheile wird aber die Circulation, wie
in den Versuchen von Loewy und v. Schroetter, sich nach dem Sauer¬
stoffbedürfniss des Körpers einstellen, es wird um so viel mehr Blut
durch die athmenden Lungenpartien fliessen müssen, je grössere Lungen¬
flächen ausgefallen sind. Für diese Blutroengen werden aber selbst die
erweiterten Capillaren eine relative Enge darstellen, die durch das rechte
Herz bewältigt werden muss. Das ist der eine Grund, warum das rechte
Herz hypertrophirt. Ein anderer liegt eben darin, dass der Donders’sche
Druck auf die im krankhaften Gewebe eingebetteten Capillaren nicht
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wirken kann, diese letzteren sich nicht anpassen können und so einen
erhöhten Widerstand für die Circulation bilden, wenn auch nach den
Gesetzen der Stromvertheilung unter diesen Verhältnissen nicht allzu viel
Blut durch die Göfässe der gepressten Lungentheile strömen wird. Das
Blut fliesst natürlich nach dem Orte des geringeren Widerstandes, weniger
nach den durch die Respiration unbeeinflussten engen Capillaren des
kranken Gewebes. Zu alledem kommt, dass über der verdichteten Stelle
die Inspirationsbewegungen des Thorax eingeschränkt oder sogar total
aufgehoben sind, so dass ein respiratorischer Druckunterschied gar nicht
resultiren kann.
Das Zustandekommen des sog. Rauchfuss’schen Dreiecks in Fällen
von Pleuritis exsudativa ist ungezwungen ebenfalls durch die intrathoracalen
Druck Verhältnisse zu erklären. Wir wissen, dass das Vorhandensein des
Rauohfuss’schen Dreiecks als differential-diagnostisches Moment in Frage
kommt bei der Diagnose der Flüssigkeitsansammlung im Thorax gegen¬
über der pneumonischen Infiltration der Lunge. Das Dreieck ist bei
Pleuritiden an der gesunden Seite rückwärts neben der Wirbelsäule zu
finden, und zwar so, dass die Basis des Dreieckes nach unten in der
Höhe des Ursprunges des Diaphragma, die Spitze mit der Höhe des
Exsudates der anderen Seite abschneidet.
Der Donders’sche Druck wird bei Ausschaltung eines Lungenflügels
grösser sein als in der Norm; denn den Ungeschädigten Partien obliegt
allein die Aufgabe der Sauerstoffversorgung. Die gesunde Lunge wird
eine höhere Mittellage einnehmen, das Lungengewebe wird besser ge¬
spannt, der Donders’sche Druck wächst. Nun haben wir gesehen, dass
dieser Druck auf alle im Innern des Thorax sich befindenden Organe
wirkt, und so natürlich auch auf das Mediastinum (anticum) und be¬
sonders auf den unteren Theil desselben. Das Mediastinum bewegt sich
gleichzeitig wie eine Thür in den Angeln und wie ein Pendel. Hinten
ist es, wie Experiment und pathologische Erfahrung lehren, unbeweglich.
Auch im oberen Theil, wo sich die retrahirte Lunge befindet, wird noch
durch den vorhandenen Lungen „stumpf“ gewissermaassen das Gleich¬
gewicht gehalten, in den Partien aber, von denen die Lunge abgehoben
ist, wird er wirksam sein. Die Wirkung wird von dem gestützten Punkt,
also von dem unteren Rand des Exsudates abwärts immer grössere
Dislocation geben, und es wird demzufolge durch die percussorische
Projection des Mediastinum anticum, der Flüssigkeit und des mitver¬
lagerten Herzens auf die rückwärtige Thoraxwand das beschriebene
Dreieck entstehen. Wir dürfen uns das etwa vorstellen wie beim Pendel:
mit der Entfernung von dem Ausgangspunkt wächst auch die Entfernung
von der Mittellinie. Der Stützpunkt für das Mediastinum ist eben die
Stelle, wo die Lunge noch das Gleichgewicht hält. Dieser Auffassung
entsprechen auch die Versuche von Steirer und Siegel, die regel¬
mässig gefunden haben, dass bei Injection von Gelatine in dem Inter-
thoracalraum der einen Seite die Gelatine in die unbeschädigte Thorax¬
hälfte hinüber wanderte, als ein Zeichen des Ueberwiegens des Aspirations¬
druckes in der gesunden Lungenhälfte.
Es ist natürlich, dass bei der Pneumonie eine Verschiebung des
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Mediastinums nicht zu Stande kommen kann. Bei der Pneumonie liegen
die pleuralen Blätter aneinander, das pneumonische Gewebe ist wenig
elastisch und kann somit selbst durch den vergrösserten Don de rs'sehen
Druck in der functionirenden Lungenhälfte wenigstens nicht merklich
gezerrt werden.
Wie ändern sich die Verhältnisse beim Pneumothorax? Tritt Luft
in den Pleuralraum resp. besteht eine freie Communication zwischen
Pleuralraum und Aussenluft, so kann natürlich keine Druckdifferenz be¬
stehen bleiben, das elastische Lungengewebe wird nicht in Spannung
gehalten und nimmt die Ruhestellung ein — die Lunge retrahirt sich
gegen ihren starrsten Punkt, den Hilus zu. Die Capillaren werden sich
in dem Lungenstumpf zusammenziehen, und die Blutversorgung wird
spärlich. Dem gegenüber wächst durch die vergrösserte Mittellage die
intrathoracale Druckdifferenz in der respirirenden Seite und es werden
alle Organe des Thorax gegen die respirirende Hälfte gezogen. Wir
haben es also in diesen Fällen nicht mit einer Verdrängung,
was doch physikalisch garnicht verständlich wäre, sondern
mit einer Heranziehung zu thun. Auch in diesen Fällen beobachten
wir die Verschiebung des Mediastinums, aber diese Verschiebung ge¬
schieht in toto, weil hier ein Stützpunkt oben fehlt, ohne den ein Dreieck,
ähnlich dem Rauchfuss’schen bei der Pleuritis, nicht zu Stande kommen
kann.
Wenn bei der Entstehung des Pneumothorax es nicht zum Ver¬
schlüsse des Ventils kommt, so gelangt mit jedem Athemzug — so sagt
es die herrschende Lehre — Luft in den Thoraxraum. Diese Ansicht
ist jedoch sicher falsch. Es kann im Thoraxraum nur zu einem mässigen
Ueberdrucke gegenüber dem atmosphärischen Druck kommen. Das blos
gegen den Thoraxraum durchlässige Ventil kann nur so lange Luft
hereinlassen, als in der inspiratorisch maximal gedehnten Thoraxhälfte
der Druck mit dem atmosphärischen Druck gleich ist. Schliesst das
Ventil nach aussen ab, so kann nur exspiratorisch ein positiver Druck
herrschen, inspiratorisch ist weder ein negativer, noch positiver Druck
vorhanden. Bei einer stabilisirten Dislocation des Mediastinums sind wir
also gezwungen, nach einem constant wirkenden Grunde zu fahnden, und
dieser ist in dem erhöhten negativen Druck der gesunden Seite gegeben,
so dass wir in jedem Falle vom Pneumothorax nicht von einer
Verdrängung, sondern wiederum von einem Ansaugen sprechen
müssen. Auch beim Pneumothorax wird die Circulation derartig verändert,
dass dem rechten Herzen eine grössere Arbeit auferlegt wird, denn es muss
doch durch die gesunde Lunge zweimal so viel Blut fliessen; also selbst
bei der durch den Donders’schen erhöhten Druck bedingten Erweiterung
der Capillaren wird wegen der grösseren Blutmenge, die durch die Lunge
getrieben werden muss, eine relative Enge der Gefässe bestehen, es wird
der Druck im kleinen Kreislauf höher werden, und es muss das rechte
Herz demzufolge stärker arbeiten. Wir finden auch entsprechend diesen
Verhältnissen bei den in Frage stehenden Fällen stets ein hypertrophisches
bezw. erlahmtes rechtes Herz als den Ausdruck der Ueberanstrengung
dieses Herzabschnittes. Venöse Stauungen können beim Pneumothorax
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fehlen, ja wir finden sogar sehr häufig eine „arterielle Stauung“. Machen
wir einem Hunde einen künstlichen Pneumothorax, so entsteht im ersten
Moment eine Drucksenkung, als ein Zeichen, dass das Blut nach dem
Thorax gesaugt und in den Venen aufgestapelt worden ist; dieser Druck¬
senkung folgt alsbald die Drucksteigerung als ein Zeichen der Ueberfüllung
der Arterie.
Bei sämmtlichen Krankheiten, wo ein Theil der Lunge zur Aufnahme
von Luft unfähig wird, ist der intrathoracale Druckunterschied gesteigert.
Wir finden, dass das Atheravolumen selbst in Fällen, wo die eine Lunge
total ausgeschaltet ist, nicht abnimmt. Das ist nur möglich, wenn die
gesunde Lunge mehr athraet, also wenn die Lunge stärker gespannt ist.
Es ist deshalb bei tuberculösen Destruetionen, bei Pneumonie, bei Tu¬
moren und Abscessen der Lungen stets der Donders’sche Druck ver¬
mehrt, und es ist aus den bereits erörterten Gründen das rechte Herz
stets über die Norm in Anspruch genommen.
Genau wie die zu geringe intrathoracale Druckdifferenz hat auch
die übergrosse ihre Gefahr. Sehen wir uns den Habitus phthisicus
an, so ist bei diesem das Lungenorgan im Verhältniss zum Herzen
gross. Das Tropfenherz ist ein integrirendes Symptom des asthenischen
Habitus. Alle compensatorischen Circulationseinrichtungen müssen bei
einer derartigen constitutionellen Schwäche in Action treten, und nicht
zum mindesten wird der Donders’sche Druck der Circulation zu Hilfe
eilen.
Soviel als Einleitung über allgemeine Gesichtspunkte zur Rechtferti¬
gung des Interesses, welches wir der Respiration als circulatorischem
Hilfsfactor entgegenbringen müssen. Selbstverständlich sind in unserer
Arbeit die Verhältnisse nicht ausser Acht gelassen worden, die sonst
noch bei der Respiration in Betracht kommen. Viel liegt über diese
wichtige Frage in der Literatur noch nicht vor, und wenn wir auch die
älteren Untersuchungen einer Revision unterzogen haben, so geschah dies,
weil die früheren Befunde mit einer oft mangelhaften Methode gewonnen
wurden, die einer scharfen Kritik nicht mehr Stand halten können. Ich
meino damit nicht etwa die Spirometrie, die sich doch lediglich nur mit
der Feststellung der Vitalcapacität beschäftigt, sondern besonders die
Residualluftbestimmung, die durch die verfeinerte und die vereinfachte
gasanalytische Methodik nunmehr kein den Physiologen reservirtes For¬
schungsgebiet bildet, sondern in der Klinik ohne Weiteres anwendbar ist.
Wenn meine Arbeit nicht eine die ganze Pathologie umfassende Schilderung
der respiratorischen Verhältnisse enthält, so muss dies durch den Um¬
stand entschuldigt werden, dass hier zum ersten Male versucht wurde,
diese wichtige physiologische und pathologische Frage systematisch zu
erforschen.
Zur Beantwortung der von uns gestellten Fragen mussten wir mit
einer speciellen Methodik die respiratorischen Volumina, d. h. die Resi¬
dual-, Complementär- und Reserveluft feststcllen, um dadurch die Vital-,
Mittel- und Totalcapacität ermitteln zu können. Bevor wir auf unsere
Versuchsergebnisse näher eingehen, wollen wir die von uns gebrauchte
Methodik näher beschreiben.
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II. Untersuchnngsmethodik.
Die Methodik der Lungen volumenmessung stammt von Hutchinson 1 ),
der zu diesem Zwecke ein gewöhnliches Glockengasometer, welches mit
Wasser abgedichtet und durch ein Gegengewicht äquilibrirt war, benutzt
hat. Diese primitive Form der Messung wurde später auch von
Wintrich 2 ), Panum 3 ), Arnold 4 5 ) u. A. angewendet. Die mit diesem
Instrument, welches schon von Hutchinson den Namen Spirometer er¬
hielt, gewonnenen Zahlenwerthe leiden alle an dem grossen Fehler, dass
sie ohne Angaben des Druckes und der Temperatur veröffentlicht wurden.
Da es sich bei den spirometrischen Untersuchungen um Messungen han¬
delt, die festzustellen suchen, wie gross das respirirte Luftvolumen in
den Lungen, also bei Körpertemperatur, ist, so muss, um richtige und
den thatsächlichen Verhältnissen entsprechende Werthe zu bekommen,
stets das Versuchsergebniss auf die Körpertemperatur bei dem herrschen¬
den Drucke reducirt werden. Die Vernachlässigung dieser Factoren kann
Fehler bis zu 20 pCt. des Werthes (bei aussergewöhnlichen Verhältnissen
noch mehr) verursachen. Es ist Loven 6 ) gewesen, der als Erster das
Spirometer so verbessert hat, dass eine Reduction der gewonnenen
Werthe vorgenoraraen werden konnte.
Der klassische Spiroraeterversuch von Hutchinson war Folgender:
Das Individuum athmete bei zugeklemmter Nase durch ein passendes
Mundstück und wurde aufgefordert, so tief wie möglich aus- und dann
an dem Spirometer einzuathmen. Hutchinson theilte die so gewonnenen
Resultate in folgende Theile ein und gab ihnen die noch heute gebräuch¬
liche Benennung: 1. Zurückbleibende (Residual-) Luft, die selbst
bei tiefster Exspiration in den Lungen bleibt und nicht entfernt werden
kann, 2. die zurückgehaltene (Reserve-) Luft, welche zwar aus¬
getrieben werden kann, aber doch bei gewöhnlichem Athmen in der
Lunge bleibt, 3. die geathmete (Breathing-) Luft, welche bei der
gewöhnlichen Athmung bewegt wird, 4. die ergänzende (Comple-
mentär-) Luft, welche noch bei forcirter Inspiration aufgenoramen
werden kann. Die Athmungscapacität (Vital Capacity) ist die
Summe von Reserve-, geathmeter und Complementär-Luft, im Gegensatz
zur Lungencapacität, die alle 4 Grössen zusamraenumfasst.
Die Aenderungen der Mittellage sind zuerst von Loven (1. c.) unter¬
sucht worden. Bei seinem Verfahren athmete das Versuchsindividuum
durch einen Klappenventilapparat und zwar so, dass das Inspirations¬
und Exspirationsventil von resp. zu je einem Spirometer führte. Beide
Spirometer, die je ein Fassungsvermögen von 12 Litern hatten, schrieben
ihre Bewegungen auf eine rotirende Trommel auf. Da die Volumina der
1) Hutchinson, Medico-Chirurg. Transact. 1846. Vol. 29. p. 137; übersetzt
von Samosch, Braunschweig 1849.
2) Wintrich, Krankheiten der Athmungsorgane in Virchow’s Handbuch.
1857. Bd.4.
3) Panum, Pflüger’s Archiv. 1868. Bd. 1. S. 150.
4) Arnold, Ueber die Athemgrösse des Menschen. Heidelberg 1857.
5) Tigerstedt, Arbeiten von Uhr. Lov6n. Leipzig 1906.
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Spirometer bekannt waren, Hess sich aus den Diagrammen die Luft¬
menge berechnen, die während der Zeiteinheit ein- rcsp. ausgeathmet
wurde. So konnte Lovön die Aenderungen in der Lungenfüllung be¬
obachten und die Einwirkung der verschiedenen Körperstellungen auf die
respiratorische Mittellage studiren. Die geringe Grösse des Spirometers
stand einer Ausdehnung der Versuchszeit hindernd im Wege, und wir
wissen heute, dass die Aenderungen der Mittellage sich nicht immer
sofort, sondern erst nach längerer Zeit einstellen, so dass wir aus diesem
Grunde die Lovön’schen Versuche für nicht vollgiltig betrachten können.
Das Lovön’scbe Verfahren Hesse abor, selbst wenn es eine Vervoll¬
kommnung erfahren würde, nur Differenzen in der Mittelcapacität er¬
kennen, die durch momentane Einwirkungen hervorgerufen werden; Ver-
gleichswerthe für die Mittellageänderungen durch langsam wirkende
Eingriffe oder nach dem Auftreten pathologischer Veränderungen könnten
sie nicht liefern.
Das von uns gebrauchte Spirometer ist in Fig. 1 abgebildet und im
Wesentlichen nach den Principien von Bohr gebaut, erfuhr aber einige
Verbesserungen, die besonders dazu dienen, um den Spirometer für
Residualluftbestimmungen brauchbarer und genauer zu gestalten. Das
in unserer Klinik gebrauchte Spirometer zeigt die Fig. 3. Der auf
regulirbaren Schrauben ruhende Metallcylinder hat eine äussere Wand a
und eine innere Wand b, so dass eigentUch zwei Cylinder concentrisch
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in einander angeordnet sind. In dem äusseren Raum kann sich eine
oben geschlossene Metallglocke d bewegen, die durch das in c befindliche
Wasser abgedichtet ist. Diese Metallglocke hängt an einer Kette K und
ist grob durch das Gewicht g äquilibrirt, in dem die Kette sich in der
Mulde eines Rades R bewegt. Die feinere Aequilibrirung, die durch
den in verschiedenen Höhen verschieden grossen Auftrieb des beweg¬
lichen Cylinders nöthig ist, wird durch kleine Gewichte, die sich an der
Kette befinden, bewerkstelligt. Der Cylinder bewegt sich mittelst der
Räder r und rj2 an den Stangen des Metallrahmens S, an welchem
übrigens auch das Rad R angeordnet ist. In dem Cylinder ist ein
Thermometer angebracht, das die Temperatur der in dem Cylinder be¬
findlichen Luft anzeigt. Von aussen führt ein 2,5 cm breites Rohr n
in das Spirometer, welches am Boden des inneren Cylinders b mündet.
Die Fortsetzung dieses Rohres bildet quasi das Rohr n, welches den
sonst überall geschlossenen und den Raum des Cylinders b fast voll¬
kommen ausfüllenden Cylinder e durchbohrt und ebenfalls einen Durch¬
messer von 2,5 cm hat. Wenn die Glocke total heruntergedrückt ist,
so befindet sich aussen in den schädlichen Räumen (die Zuleitungsröhre,
das Rohr n, der Zwischenraum zwischen e und b , der oberste gewölbte
Theil der Glocke und derjenige Theil der Glocke, der von der Wasser¬
dichtung in c nicht gefüllt ist) keine Luft. In dieser Stellung zeigt der
Zeiger Z an der Scala T den Nullpunkt. Die Scala zeigt die Füllung
des Spirometers mit 100 ccm Genauigkeit an. Das Rohr m hat ein
T-förraiges Ansatzstück, welches nach aussen communicirt. Der Luft¬
weg kann mittelst des T-Hahnes H so verändert werden, dass er das
eine Mal die an der Maske M geathmete Luft in das Spirometer leitet
und so die äquilibrirte Glocke hebt und das andere Mal die Luft nach
aussen geathmet werden kann.
Diese Einrichtung genügt zur Bestimmung der Complementär-Reserve-
luft resp. der Vitalcapacität. Der Versuch gestaltete sich dann folgender-
maassen:
Das Versuchsindividuum athmet an der Maske. Die Maske ist so
construirt, dass sie die Nase und den Mund fast und an das Gesicht
luftdicht in der Weise schliesst, dass der durch einen weichen, aufbläh-
baren oder noch besser mit Glycerin gefüllten Gummischlauch
gebildete Rand mittelst einer Schnalle an das Gesicht gepresst wird. Die
Athmung wird durch die Maske nicht gehemmt, und es kann damit so¬
wohl durch die Nase als durch den Mund geathmet werden. Wenn wir
einige Male durch den nach aussen communicirendcn Hahn haben athmen
lassen, so stellt sich bald der reguläre Athmungstyp ein. Ist die Athmung
normal, so drehen wir den Hahn um, und jetzt respirirt die Versuchs¬
person in die Glocke, wobei wir die Athemmenge an der Scala durch
den Zeiger Z ablesen können. Wir können die Athemmenge und gleich¬
zeitig den Athmungstyp registriren, indem ein Schreibhebel an dem Zeiger
angebracht wird, und wir vor dem Zeiger ein berusstes Blatt Papier an
der Kymographiontrommel rotiren lassen. Die Hülle der Athmungswellen
ist gleich der Menge der geathraeten Luft, gemessen an der geaichten
Scala T.
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Ist die Athemmenge in 2 oder 3 Respirationsbewegungen festgestellt,
so lassen wir die Person maximal exspiriren und maximal inspiriren,
wodurch die Reserve- bezw. die Complementärluftmengen aufgeschrieben
werden, beide zusammen ergeben dann die Vitalcapaeität. Wenn die
Temperatur an dem Thermometer des Spirometers abgelesen und der
Barometerdruck bekannt ist, so ist ohne Weiteres das Luftvolumen,
welche die respirirte Luft in den Lungen, also bei 37° Körpertemperatur
eingenommen hat, zu berechnen. Die Reduction der Gasvolumina geschieht
nach folgender Formel:
Volumen bei 37° = v (p - e) (37 -1) (1+ a)
p — e,
wobei v = abgelesenes Gasvolumen, p = Barometerstand in mm Hg, e =
Wasserdarapftension bei abgelesener Temperatur, a = der Ausdehnungs-
coefficient der Gase, t = die abgelesene Temperatur, ej = die Wasser¬
dampftension bei 37° bedeutet.
Wenn wir die respiratorische Mittellage genau bestimmen wollen, so
ist es unumgänglich nöthig, auch die Residualluft genau abzumessen.
Die ersten Residualluftmessungen sind an Leichen vorgenomraen
worden. Es ist klar, dass eine Compression der Lungen in der Leiche
in so vollkommener Weise, wie sie durch die active Exspiration geschieht,
nicht ausgeführt werden kann, dazu kommt noch, dass bei der Exspiration
sicher noch die Musculatur der Bronchien eine Rolle spielt. Es ist nach
den bei Gesunden gefundenen Zahlen sehr wahrscheinlich, dass sich im
Lebenden die Alveolen vollkommen entleeren können und die Residual¬
luft nur diejenige Luftmenge darstellt, die die starren klaffenden grösseren
Bronchien ausfüllt. Jede Angabe der Residualluft, die an Leichen ge¬
wonnen wurde, verdient aus diesem Grunde keine Beachtung, und die
Untersuchungen Godwyn’s, die bereits im Jahre 1788 in London und
1790 in Leipzig erschienen sind, sowie die Messungen von Jacobson 1 )
(1888) haben nur höchstens historisches Interesse.
Die indirecten Methoden der Residualluftbestimmung lassen sich in
zwei grosse Gruppen theilen: 1. In die pneumatometrische und 2. in die
sogen. Gasmischungsmethode.
Harlesz 2 ) gab eine Methode zur Residualluftbestimmung an, die auf
dem Boyle-Mariotte’schen Gesetz beruht. Er lässt das Versuchsindi-
viduum aus einem starrwandigen, mit einem Manometer versehenen Gefäss
einathmen. Da verhält sich der im Gefäss vor dem Athmen vorhandene
Druck p zu dem nach der Athmung vorhandenen Drucke p — d p wie das
durch das Einathmen vergrösserte Thoraxvolumen v + d, zum Original¬
volumen des Thorax v. Wenn, bei der Inspiration aus dem Gefässe, der
Thorax nur die Residualluft enthielt, kann diese nach der Gleichung:
v = — ^ p ,~ berechnet werden. Ueber die Resultate, die mit dieser
dp
Methode gewonnen wurden, kann nichts gesagt werden, da sie meines
Wissens niemals praktisch angewendet wurde.
1) Jacobson, Pflüger’s Archiv. 1888. Bd. 43. S. 236.
2) Harlesz, Münch. Gelehrte Anzeigen. 1854. Bd. 93.
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Ein dem Harlesz’schen ähnliches Verfahren hat Gad 1 ) ausgearbeitet.
Gad stellte die Versuchsperson in einen luftdichten Kasten. Während
der Patient nach tiefster Exspiration an einem, mit dem Kasteninneren
communicirenden Manometer inspirirte, registrirte der ebenfalls mit dem
Kasten in Verbindung stehende Volumschreiber die Thoraxerweiterung.
Aus der Druckabnahme und Volumenzunahme lässt sich die Residualluft
berechnen. Die Methode ist theoretisch sicherlich richtig, aber praktisch
haften ihr grobe Fehler an, die durch die Inconstanz der Kastentemperatur
und durch die mit in Berechnung gezogene Aenderung der Darmgase
bedingt sind.
P.flüger 2 ) wollte die Residualluft bestimmen, indem er nach tiefster
Exspiration ein bestimmtes Luftquantum ansaugte und gleichzeitig die
dadurch entstandene Druckerniedrigung im Lungenraum beobachtete. Die
von Kochs 3 ) publicirten Werthe sind viel zu klein und sicher falsch,
was auch bei näherer Ueberlegung nicht überraschen kann, da diese
Methode nur für einen starrwandigen Raum Anwendung finden kann, aber
nicht für Raumbestimmungen brauchbar ist, bei welchen die Wand
elastisch ist und von einer absoluten Ruhigstellung keine Rede sein kann.
Die Gasmischungsmethode ist zuerst von Davy 4 5 ) 1803 entdeckt
worden. Davy ging von der tiefsten Exspirationsstellung aus, und liess
sieben Mal hinter einander schnell in einem mit Wasserstoff gefüllten
Gasometer aus- und einathmen, und schloss den Versuch in äusserster
Exspirationsstellung. Grehant 6 ) hat diese Methode verfeinert und aus¬
gearbeitet. Herrmann und Berenstein 6 ) haben eine Methode zur Be¬
stimmung der Residualluft angewendet, die von der Davy-Grehant’schen
Methode nur darin abweicht, dass sie zwei Spirometer verwendet hatten.
Der eine war mit Wasserstoff gefüllt, und daraus athmete die Versuchs¬
person mehrmals hin und her. Bei tiefster Exspirationsstellung wurde der
mit bekanntem Luftvolumen gefüllte andere Spirometer eingeschaltet und
auch daraus athmete der Patient mehrmals ein und aus. Aus dem Wasser¬
stoffgehalt der beiden Gasometer wurde sodann die Residualluft berechnet.
Allen und Pepys 7 ) haben, auf dasselbe Princip basirend, als erste
den Wasserstoff durc h Sauerstoff ersetzt und die Residualluft aus dem in
den Lungen zurückbleibenden verminderten Stickstoffgehalt berechnet.
Die Methode wurde von Durig 8 ) ausgearbeitet und in einigen Fällen
angewendet. Die Durig’schen Versuche ergaben, dass diese Methode
mit der Wasserstoffmethode völlig übereinstimmende Resultate ergab.
Wollen wir mit dem oben beschriebenen Spirometer die Residualluft¬
bestimmungen ausführen, so bedarf es noch gewisser Modificationen, die
1) Gad, 54. Naturforscher-Versammlung. Salzburg 1881.
2) Pflüger, Pflüger’s Archiv. 1882. Bd. 29. S. 244.
3) Kochs, Zeitschr. f. klin. Med. 1884. Bd. 7. S. 487.
4) Davy, cit. nach Boruttau. Handbuch d. Physiologie. Braunsohweig 1905.
Bd. 1. S. 19.
5) Grehant, Journ. de l’anatom. et de la phys. 1864. T. 1. p. 527.
6) Herrmann und Berenstein, Pflüger’s Archiv. 1891. Bd. 50. S. 363.
7) Allen und Pepys, Physiol. transact. London 1809. p. 404.
8) Durig, Centralbl. f. Physiol. 1903. Bd. 17. S. 248.
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ich daran angebracht habe. Wir können nämlich die Residualluft so be¬
stimmen, dass wir zu einem bekannten Luftvoluraen Wasserstoff oder
Sauerstoff mischen und nach einer forcirten Exspiration in das Spirometer
athmen lassen. Die procentischen Veränderungen der Zusammensetzung
des respirirten Gases zeigt uns dann das Residualvolumen an. Die
Residualluftbestimmung kann auf die angedeutete Weise mittels der so¬
genannten Sauerstoff- oder Wasserstoffmethode mit gleich gutem Resultat
angewendet werden.
Die Sauerstoffmethode wird ausgeführt, indem in den Spirometer,
der mit Luft gefüllt ist, Sauerstoff zugeleitet wird, wodurch nicht 80 pCt.
Stickstoff in dem Spirometergase enthalten sind, wie es bei der Füllung
mit gewöhnlicher Luft der Fall ist, sondern entsprechend weniger. Die
Ableitung der Berechnungsformel ist dann folgende:
In der Lunge befinden sich als Residualluft x ccm Luft mit einem
N-Gehalt von 80 pCt. Im Spirometer sind v ccm Gas mit Na pCt.
Stickstoff. Wenn wir jetzt in den Spirometer nach einer angestrengtesten
Ausathmung athmen lassen, so findet $ich im Spirometer und in der Lunge
= v x Na -{- 80 x.
Nach der Athraung findet sich im Spirometer Nn pCt. Stickstoff, also:
v x Na + 80 x = (v -f- x) Nn
v Na -f- 80 = Nn v + Nn x
80 x — Nn x = Nn v — Na v; daraus
Residualluft x = .
Die Ueberlegung, wenn wir die Residualluft mittels Wasserstoff be¬
stimmen wollen, ist noch einfacher. Wir bestimmen nach Zuleitung von
Wasserstoff in dem mit Luft gefüllten Spirometer den procentischen
Wasserstoffgehalt. Die absolute Menge Wasserstoff erhalten wir, wenn
wir das Volumen der in dem Spirometer enthaltenen Luft kennen. Die
Versuchsperson atbmet nach maximaler Exspiration in das Spirometer so
lange ein und aus, bis wir sicher sind, dass die Spirometerluft mit der
in den Lungen befindlichen Luft durchgemischt ist. Nach vielfachen
Versuchen ist festgestellt, dass durch 4 bis 8 Athemzüge sich die Lungen¬
luft mit der Spirometerluft gleichmässig mischt. Nach beendetem Ver¬
suche stellen wir wiederum den procentischen Gehalt der Spirometerluft
an Wasserstoff fest. Wir erfahren also durch diese zwei Analysen, um
wieviel der zugeleitete Wasserstoffgehalt der Spirometerluft während der
Respiration procentisch abgenommen hat, oder mit anderen Worten, wieviel
Wasserstoff in den Lungen, d. h. in der Residualluft aufgenommen wurde.
Aus diesen Daten berechnet sich die Residualluft nach folgender Gleichung:
x : 100 = v : p
x — 100 v
— P
wobei v die absolute Differenz der Wasserstoffmenge vor und nach der
Athraung bedeutet; p die procentische Wasserstoffmenge in der Spirometer¬
luft nach dem Versuch ist. Wenn wir diese gefundene Gasmenge nach
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. j 3
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den bereits geschilderten Gesichtspunkten mit Hilfe der bekannten Tempe¬
ratur- und Luftdruckangaben reduciren, so erhalten wir die wirkliche
Menge der Residualluft. Die vom Blute aufgenommene Wasserstoffmenge
ist füglich zu vernachlässigen. Wir arbeiten meistens mit einem Wasser-
stoflfgehalt von 12 bis 15 pCt., so dass bei einer Versuchsdauer von
J / 2 Minute ungefähr 6 bis 8 ccm Wasserstoff durch das Blut aufgenommen
werden kann, das ist eine Menge, die für unsere Feststellungen nicht in
Betracht kommt.
Die Analyse des Wasserstoffes wird durch Verbrennung ausge¬
führt. Wir gebrauchen dazu ein an den Haldane’schen Analysen¬
apparat angeschlossenes Verbrennungsgefäss von der hier abgebildeten
Form.
Die Capillare l wird mit dem Gasanalysenapparat verbunden. Durch
die entsprechende Stellung des Dreiwegehahnes » kann die Communication
zwischen dem Gasmessrohr und dem Grisoumeter hergestellt oder mit der
Aussenluft verbunden werden. Das cylindrische Gasgefäss u wird von
unten mit einer Glaskappe verschlossen, welche mit einem breiten Schliff
sich luftdicht an den cylindrischen Theil anpasst. In die Glaskappe s
sind zwei Platinelektroden e eingeschmolzen. Die Elektroden sind mit
einer feinen 0,1 mm dicken Platinspirale p verbunden und reichen fast
bis zum capillaren oberen Ende des cylindrischen Gefässes. Ausserdem
besitzt s noch eine Communicationsröhre, mit welcher sie mit dem Druck-
gefäss r in Verbindung steht. Das Cylindergefäss u besitzt eine ca. 2 ccm
fassende kugelige Erweiterung o, und trägt an der Capillare zwischen
o und u die Marke t. Diese Vorrichtung dient zur Verringerung der
Explosionsgefahr bei Wasserstoffanalysen. Wenn nämlich das Gasgemisch
über 15 pCt. Wasserstoff enthält, so kann es leicht passiren, dass das
Analysengefäss bei der Verbrennung des Gases durch die Explosion zer-
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schlagen wird. Wir leiten bei der Analyse das Gas von der Messbürette
durch Heben des Quecksilberdruckgefässes in den mit von r aus bis zur
Marke t gefüllten Grisoumeter. Wenn wir vorsichtig das. Gas nur so
lange überleiten, bis die Spirale frei von Wasser ist, so wird sich zunächst
das zu analysirende Gas mit der in den Capillaren und iij der Kugel o
befindlichen Luft vermischen, wodurch selbst ein hoher H 2 Procentgehalt
herunter gedrückt wird. Dadurch erreichen wir, dass auch Gase von
mehr als 15 pCt. Wasserstoff analysirt werden können und dass die
Explosionsgefahr vermindert wird. Die nachgetriebenen Gasmengen werden
immer durch das, durch Verbrennung wasserstollfrei gemachte Gas ver¬
dünnt. Indem die Spirale vor der capillaren Mündung steht, so muss
das hin- und hergetriebene Gas stets die glühende Spirale passiren und
der Wasserstoff muss mit dem in der Luft befindlichen Sauerstoff zu
Wasser verbrennen.
Wie aus dieser Beschreibung ersichtlich, ist zur Feststellung der
Residualluft die genaue Kenntniss des Spirometerinhalts nöthig. Wir
müssen also auch die Grösse des schädlichen Raumes, welcher auf der
Aichungstafel nicht angezeigt ist, kennen. Die Volumbestimmung des
schädlichen Raumes kann auf dieselbe Weise ausgeführt werden, wie
die Residualluftbestimmung. Wir leiten eine abgemessene Menge Wasser¬
stoff in den mit Luft gefüllten Spirometer und untersuchen dann das
Gasgemisch auf seinen Wasserstoffgehalt. Aus diesen Daten lässt sich
dann der absolute Luftgehalt resp. der schädliche Raum des Spirometers
leicht berechnen.
Die grosse Schwierigkeit, bei zugeleiteten Gasen eine richtige Ana¬
lyse zu bekommen, liegt darin, dass sich das zugeleitete Gas nur sehr
schwer mit der ira Spirometer befindlichen Luft gleichmässig vermischt.
An dieser Schwierigkeit leiden die meisten Spirometer, die zur Residual¬
luftbestimmung benutzt werden. Um nun eine gleichmässige Mischung
des Spiroraeterinhaltes durchführen zu können, habe ich einen Gummi¬
sack g an den Spirometer angebracht, der durch eine Capillare mit dem
Spirometerinneren communicirt und mittels des Hahnes h verschliessbar
ist. Erst wird das Gas und dann die Spirometerluft durch die Capillare^'
in den Gummisack gedrückt. Nachdem die Luft einige Male in den
Sack gepresst und wieder in den Spirometer gesaugt worden ist, ist die
Mischung eine vollkommene. Um eine Gasdiffusion durch den Gurarai-
sack zu vermeiden, ist der Sack mit etwas Paraffinöl beschickt. Diese
einfache Ergänzung und Modification behebt Fehler, die bei einer anderen
Apparatur nur sehr schwierig zu vermeiden sind.
Als Beispiel der vollkommenen Berechnung einer functioneilen Respi¬
rationsprüfung diene folgende Annahme:
Die Analyse des Spirometergases vor der Residualluftbestimmung
ergiebt 14 pCt. H 2 .
Der Spirometer enthielt sammt dem schädlichen Raum 4870 ccm
bei 13,5° C und 7590 mm Hg Barometerstand. Nach der Respiration
im Spirometer war der procentische Wasserstoffgehalt ^auf 11,2 pCt. ge¬
sunken. Es war also vor der Athmung 678 ccm und nach der Atbmung
13*
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184 Johann Plesch,
545 ccm H 2 im Spirometer enthalten. Die Differenz beträgt also 133 ccm H 2 .
100 138
Dementsprechend war die Residualluft =—-j—— = 1190 ccm, davon
ist zu subtrahiren das Volum des Zuleitungsschlauches von 100 ccm, somit
war die Residualluft 1090 ccm bei den angegebenen Druck- und Temperatur¬
verhältnissen. Wollen wir dieses Volumen für die Körpertemperatur be¬
rechnen, so setzen wir diese Zahl in die früher angegebene Formel:
1090 (757 - 11,7) (37- 13,5) (1 + a) __ 124g ccm
159 — 50
Die Reserveluft von 1460 und die Complementärluft ebenfalls in
dieser Weise umgerechnet ergiebt 1670 ccm bezw. 2085 ccm bei 759 mm
Hg Druck und 37°.
Die Vitalcapacität war also 1672 + 2085 = 3757; die Total-
capacität, d. h. die Summe von Residual-, Complementär- und Reserve¬
luft war 5005 ccm, und die Mittelcapacität, d. h. die Summe von
Residual- und Reserveluft war 2920 ccm.
III. Der Ventilationscoefflcient.
Der Ventilationscoefflcient zeigt uns die Zahl der Athemzüge an,
durch welche das gesammte, in den Lungen befindliche Luftvolumen
erneuert wird. Wir erhalten also den Ventilationscoefficienten, wenn wir
die Mittelcapacität mit dem Respirationsvolumen dividiren. Wir können
als Mittelwerth der Mittelcapacität 3000 ccm annehmen, und für die
mittlere Atheratiefe 500 ccm: daraus resultirt dann als mittlerer Venti-
lationscoefficient die Zahl 6, d. h. es wird sich die Lungenluft mit sechs
Athemzügen erneuern.
Dieser Coefficient ist nicht ganz richtig, denn thatsächlich werden
mehr Athemzüge nöthig sein, um die Lungenluft zu erneuern, zumal der
schädliche Raum der Luftwege nicht mit in Berechnung gezogen ist. Da
aber der schädliche Raum eine constante Grösse ist, so können wir diese
Zahl vernachlässigen, denn es kann dies unsere Betrachtung nicht beein¬
flussen. Für andere Fragen, z. B. für Tensionsberechnungen, kann aber
der erwähnte Umstand von grosser Wichtigkeit sein, und deshalb sei es
zur Correctur vieler physiologischer Abhandlungen, welche auf diesen
Umstand nicht Rücksicht nehmen, erwähnt.
Es fragt sich, welche Bedeutung dem Ventilationscoefficienten für
die Beurtheilung der respiratorischen Verhältnisse zukommt* Functionell
müssen wir sagen, mit je geringerem Stoffverbrauch und je kräftigerer
Arbeit der Organismus arbeitet, um so günstiger ist die Leistung. Dem
Organismus stehen hauptsächlich zwei Wege zur Verfügung, um den
Lungen das nöthige Quantum Sauerstoff zuzuführen: Einmal die tiefere
Athmung, das andere Mal die Frequenz der Athemzüge, wobei die nöthige
Luft in mehrere Portionen vertheilt, in die Lungen gelangt. Nun ist es
klar, dass bei der Constanz des schädlichen Raumes, bei demselben
Individuum die häufige Athmung nicht proportional die Tiefe der Athmung
ersetzt, sondern es besteht bei der hohen Athemfrequenz eine Arbeits¬
verschwendung. Es sollen 10 Liter Luft mit 10 Athemzügen zugeführt
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
185
werden, dann muss pro Athemzug, den schädlichen Raum zu 140 ccm
angenommen, 1400 ccm, also 11 400 ccm geathmet werden; wenn da¬
gegen dasselbe Luftvolumen in 20 Athemzügen geliefert werden soll, so
muss das betreffende Individuum 640.20 = 12 800 ccm Luft athmen.
Aus diesen Darlegungen folgt also, dass je niedriger der Ventilations-
coefficicnt ist, um so günstiger ist es ceteris paribus für die
Arbeitsökonomie der Athmung.
In der That sehen wir (s. Generaltabelle) bei unseren kräftigsten Ver¬
suchspersonen (1, 2, 3), die stark trainirte Menschen waren, den niedrigen
Ventilationscoefficienten von 2,2, 2,5 und 3,2. Für die gesunden Fälle ist, wie
wir sehen, die functionelle Bedeutung der niedrigen Ventilationscoefficienten
klar. Wir finden aber diese niedrigen Werthe nicht nur bei Gesunden,
sondern auch bei Kranken, und da ist die Erklärung nur an der Hand
der einzelnen Fälle zu geben. So zeigt der Fall 4 den Coefficienten von
2,1 bei einer nicht allzu hohen Respirationsfrequenz von 18. Der Fall
betrifft einen 15 jährigen jungen Menschen mit vorgeschrittener Bronchi-
ektasie. Im Allgemeinen sehen wir ja bei unseren Versuchspersonen,
dass der niedrige Coefficient bei jugendlichen Individuen ganz besonders
hervortritt, und es ist dafür ein diese Thatsache genügend erklärender
Grund in der grösseren Lungenelasticität der jungen Leute zu finden.
Selbst bei dem 15 jährigen Kranken mit einem, die eine Thoraxhälfte
ganz ausfüllenden Empyem, wo also die ganze Respirationsarbeit mit
einer Lunge bewältigt worden ist (No. 12), ist der Ventilationscoefficient
nicht höher wie 2,9 und steigt sogar nach der Operation, also nach der
Befreiung der comprimirten Lunge, kaum an (3,2).
Im Allgemeinen zeigen die Bronchiektasien mit diehöchsten Ventilations¬
coefficienten, wie dies die Fälle 7 (10,0), 8 (7,8), 5 (5,9) etc. beweisen.
Nicht so die an reinem Bronchialasthma leidenden Kranken. Hier sehen
wir die niedrigsten Zahlen (Fall 10 = 2,3, Fall 4 = 2,1) als einen Aus¬
druck der ungeschädigten Elasticität des Lungenparenchyms.
Für die niedrigen Werthe von 2,2 und 2,6 im Falle (No. 20) von
Bechterew’scher Erkrankung müssen wir die Arbeitsökonomie, besonders
des Zwerchfells, verantwortlich machen. Eben dieser Fall war es, bei
welchem die Krankheit nicht nur die Steifheit der Wirbelsäule hervor¬
gerufen hatte, sondern sogar zu einer knöchernen Anchylose der Wirbel-
Rippengelenke geführt hat. Die ganze Athmung wurde somit vom
Zwerchfell besorgt, und wir sehen nicht nur in den niedrigen Ventilations¬
coefficienten, sondern auch in der sehr geringen Athmungsfrequenz den
Ausdruck für eine, durch die Krankheit erforderte zweckmässige Sparsam¬
keit in der Arbeit des Diaphragmas. Wir können in dieser Beziehung
den Fall (No. 22) mit fortschreitender Muskelatrophie bei der Frage des
Ventilationscoefficienten nicht ohne Weiteres in Parallele stellen. Hier
ist der Coefficient so zu sagen normal, denn er beträgt 4,9. Der Grund
für diese Zahl liegt sicherlich nicht etwa in einer Verminderung der
Lungenelasticität, sondern einfach in der musculären Schwäche.
Wie sehr der Ausfall der Zwerchfellsbewegung als dehnende Kraft
den Ventilationscoefficienten emporschnellen lässt, zeigt uns der Fall 26
mit seiner einseitigen Diaphragmalähmung. Es findet sich hier der hohe
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186
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Werth von 9,2, allerdings bei einem 45jährigen Manne. Es mag wohl
der Umstand mitspielen, dass der bedeutende Ausfall der einen Lungen¬
seite nicht durch sehr tiefe Athembewegungen der anderen Seite com-
pensirt werden kann. Wenn nämlich die Compensation, so wie wir es
bei dem erwähnten Patienten mit Empyem oder bei den untersuchten
übrigen an Pleuritiden leidenden Menschen, die alle keinen Ventilations-
coefficienten haben (Fall 17 = 3,1; Fall 14 = 6,2), sehen, dadurch er¬
folgt, dass die gesunde Lungenseite tiefer athmet, so erhöht diese tiefere
Athmung den Donders’schen Druck, der aber bei der Diaphragmalähmung
wegen der paradoxen Bewegung unzweckmässig wäre.
Die Fälle 40 bis 55, also diejenigen, welche Kranke mit Herzmuskel¬
oder Herzklappenfehlern betreffen, zeigen Ventilationscoefficienten, die
alle an der oberen Grenze der Norm liegen oder den Normalwerth
übertreten. Es ist dies aus zwei Gesichtspunkten zu erklären. Das
eine Mal ist durch die grössere Schwankung des Donders’schen Druckes
der Rückfluss nach dem Herzen erleichtert, andererseits ist die Sparsam¬
keit der Organarbeit bei Herzkranken, als besonders zweckmässig, zu
erwarten.
Wenn wir auch nicht durchwegs in Fällen, wo aus irgend einer
Ursache eine Hämoglobin Verarmung vorhanden war, einen hohen Ven¬
tilationscoefficienten nachweisen könnon, so zeigt doch die Mehrzahl
dieser Patienten (31, 32, 33, 35), dass bei der bestehenden Hydrämie,
mag sie bei secundärer Anämie oder bei Nephritis aufgetreten sein, die
Beschleunigung der Circulation auf die Hülfe der Athmung nicht ver¬
zichten kann. Die Anämischen müssen nach meinen zahlreichen ander¬
weitigen Feststellungen ihre Circulationsdauer einschränken, um den
Organismus mit dem nöthigen Sauerstoff versorgen zu können, und die
Circulation wird, wie wir sehen, in diesem Bestreben durch die Athmung
unterstützt.
IV. Die Residnalluft.
Welche Bedeutung der Residualluft im gesunden und kranken Menschen
zukommt, ist bisher wenig discutirt worden.
Der Begriff der Residualluft war schon den Physiologen des 19. Jahr¬
hunderts bekannt, und die ersten Bestimmungen reichen bis zu Godwyn
(1786) zurück. Die Bezeichnung „Residualluft“ stammt von Hutchinson.
Die Residualluft füllt bei Gesunden die nicht zusammendrückbaren offenen,
starrwandigen Bronchien aus. Die Luftmenge, die vom Nasen- resp.
Mundeingang bis zur Bifurcation der Bronchien vorhanden ist, wird im
Allgemeinen als schädliche Luftmenge und der Raum als schäd¬
licher Raum bezeichnet. Anatomisch ist dieser Raum durch seinen
Bau stets klaffend und durch keine musculäre Vorrichtung in nennens-
werthem Maasse veränderlich. Daraus folgt, dass unter allen Umständen
eine Residualluftmenge in den Lungen resp. den Luftwegen Zurückbleiben
muss, die zum mindesten so gross ist, wie die schädliche Luftmenge.
Nun sind aber die Bronchien bis zu einer Lumenweite von 1 mm mit
Knorpel versehen und wenn auch die Ringform der Knorpel bei den
Bronchien 4. Ordnung nicht mehr vorhanden ist, so ist unter normalen
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens eto.
187
Verhältnissen anzunehmen, dass auch die Plättchen der Bronchiolen einer
völligen Compression Widerstand leisten werden. Es muss also in allen
Bronchien eine gewisse Luftmenge Zurückbleiben, die den grössten An-
theil der Residualluft bildet. Nach den Messungen von Jakobson 1 ) an
Todten im Vergleich zu den von zahlreichen Forschern nunmehr vorlie¬
genden Messungen am Lebenden ist es wahrscheinlich, dass die Com-
pressibilität durch den activen, lebendigen Exspirationsact eine viel voll¬
kommenere ist, als wir es an der Leichenlunge künstlich durch Nach¬
ahmung der tiefsten Exspiration ausführen können. Die an Lebenden
und Gesunden angestellten Experimente deuten vielmehr darauf hin, dass
die Luft aus den Lungenalveolen zum grössten Theil ausgepresst werden
kann und dass nur diejenige Luftmenge, die eben die nicht compressi-
blen Luftwege ausfüllt, in den Lungen als Residualluft zurückbleibt. Die
alveoläre Wandspannung wird durch die active Compression des Brust¬
raumes auf ein Minimum sinken, der negative intrapulmonale Druck wird
einem 30—40 mm Hg betragenden positiven Druck Platz machen, wobei,
eine genügende Elasticität der Alveolen vorausgesetzt, diese sich voll¬
kommen entleeren. Damit das tiefste Lungenluftvolumen erreicht wird, wird
es nicht nur auf die ausgiebige Exspirationsbewegung, sondern auch auf
eine Elasticität des Lungenparenchyms ankommen, welche es befähigt,
bei positivem intrapulmonalen Druck nach der absoluten Ruhelage zu¬
rückzukehren. Es wird also die Residualluft ceteris paribus der Ausdruck
der Lungenelasticität sein. In der That finden wir bei den von Bohr
untersuchten trainirten Gesunden die Residualluft zwischen 0,70 und
1,50 Litern schwanken, wir können also im Durchschnitt die Residual-
luft bei einer mittleren Körperhöhe von 175 cm auf rund 1000 ccm an¬
schlagen. Bedenken wir, dass bei dieser Körperhöhe der schädliche Raum
allein 150 ccm beträgt, so müssen wir sagen, dass sich gewiss nur ein
äusserst geringer Theil der Residualluft in den Alveolen befinden kann.
Noch eclatanter als die Bohr’schen Fälle sind die von mir untersuchten
Fälle 1, 2, 3, die ebenfalls sehr kräftige, sporttrainirte, jugendliche Militair-
unterärzte betreffen. Bei dem einen (2) war die Residualluft als Mittel
zahlreicher Untersuchungen 568 ccm und bei dem anderen (1) 578 ccm.
Die von Berenstein 2 ) u. A. gefundenen Werthe sind ähnlich den
Bohr’schen und meinen Befunden. Berenstein fand bei seinen Fällen
als Minimum 0,56, als Maximum 1,25 Liter. Diese bei Gesunden ge¬
fundenen Werthe bestätigen unsere Annahme, dass das Residualvolumen
sich nur auf die Füllung der grösseren Luftwege beschränkt. Wir wenden
uns nun der Frage zu, wie sich die Residualluft unter physiologisch
veränderten und unter pathologischen Verhältnissen verhält.
Bohr fand, dass während und nach der Muskelarbeit die Mittel-
capacität der Lunge höher ist, als in der Ruhe. Diese Untersuchungen
sind durch einen Fehler getrübt, den ich hier richtigstellen möchte. Bohr
1) Jakobson, Beiträge znr Frage nach dem Betrage der Residnalluft. Dissert.
Königsberg 1887.
2) Berenstein, Beitrag zur Bestimmung der Residualloft. Dorpat 1891. (Cit.
nach Bohr.)
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hat nämlich bei seinen Arbeitsversuchen nicht besonders die Residualluft
bestimmt, sondern nur die Vitalcapacität und hat, um die Menge der
Mittelcapacität festzustellen, die in der Lunge gefundene Menge der Re¬
sidualluft einfach zu der in der Arbeit festgestellten Reserveluftmenge
hinzuaddirt. Meine Versuche zeigen, dass diese Art der Feststellung un¬
genau ist, weil sich während der Arbeit auch die Residualluftmenge
ändert. Ich habe die Residualluft bei folgenden in der Tabelle No. 1
zusammengestellten Fällen unter verschiedenen physiologischen Bedin¬
gungen untersucht:
Tabelle 1.
Fall No.
Residual luft in ccm
Ruhe
Arbeit
stehend
liegend
1
578
817
2
568
795
—
—
20
—
—
530
608
29
1697
1640
—
—
54
689
817
—
—
Wir sehen, dass sich, mit Ausnahme des Falles 29, auf welchen ich
gleich zu sprechen komme, bei allen Versuchspersonen nach der Arbeit
die Residualluft vermehrt hat und zwar im Falle 1 um 41, im Fall 2
um 40 und im Fall 53 um 19 pCt. Das sind wohl Aenderungen, die
nicht zu vernachlässigen sind. Ich muss noch hierbei betonen, dass
diese Aenderungen sicherlich nur Minimumwerthe darstellen, und zwar
deshalb, weil einerseits die ersten 2 Fälle absolut gesunde, kräftige,
sporttrainirte Leute waren, andererseits, und das sei hier besonders betont,
athmeten die Versuchspersonen während der körperlichen Arbeit
reinen Sauerstoff. Der Zweck der Sauerstoffathmung war, ein Experi-
raentum crucis der Bohr’schen Versuche anzustellen. Bohr konnte
nach seinen Experimenten nicht entscheiden, ob die Einstellung einer
höheren Mittellage während der Arbeit eine bessere Durchblutung der
Lunge bezweckt, oder aber dazu dient, die respiratorische Oberfläche zu
vergrössern. Das Experiment wurde so ausgeführt, dass an das Spiro-
raeterzuleitungsrohr dort, wo es bei entsprechender Hahnstellung mit der
Aussenluft communiciren kann, ein mit reinem Sauerstoff gefüllter Sack
angebracht war, dem noch ein Natronkalkturm vorgeschaltet wurde. An
diesem Sack athmete das Versuchsindividuum. Sobald der Patient er¬
müdete, wurde der Hahn bei tiefster Exspiration nach dem Spirometer
umgestellt und sofort im Anschluss oder während der Arbeit die Residual¬
luft bestimmt. Auf diese Weise konnte selbst bei unveränderter Athem-
oberfläche (die Arbeit bestand aus Kniebeugen, wobei der Aufrechtstellung
durch Niederdrücken an den Schultern Widerstand entgegengestellt wurde)
kein Sauerstoffmangel entstehen. Wenn also bei dieser Versuchsanordnung
die Residualluft zugenoramen hat, so spricht dies dafür, dass die
höhere Residualluftfüllung der Lunge einen circulatorischen
und keinen respiratorischen Reflex darstellt. Das Herz muss,
um den Sauerstoffverbrauch des Körpers zu decken, kräftiger arbeiten,
die Blutströmung ist eine viel geschwindere, der Donders’sche Druck kann
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
189
keinen Moment entbehrt werden und die Residualluft nimmt deshalb zu.
Auch Durig 1 ) hat in zwei Fällen gefunden, dass die Residualluft nach
grossen körperlichen Anstrengungen ansteigt und sich eine Zeit lang auf
einem höheren Niveau hält. Die Zahl der untersuchten Fälle reicht nicht
aus, um diesen Satz verallgemeinern zu dürfen. Die Ruhewerthe der
Residualluftmengen in den Durig’schen Versuchen lassen den Verdacht
aussprechen, dass zu den Versuchen Individuen verwendet wurden, deren
Lungenelasticität nicht mehr als normal anzusehen ist. In solchen Fällen
ist es denkbar, dass das Lungenparenchym während der langen Arbeit
(es handelt sich um Hochtouren) durch die reflectorisch erhöhte Mittellage
bereits gedehnt war und seine ursprüngliche Ruhelage nur langsam zurück¬
gewinnt. Wir werden also diese Art der Lungenvergrösserung nicht mehr
als reflectorische betrachten, sondern als einen Ausdruck pathologischer
Veränderung der Lungenelastica. Wir fühlen uns zu dieser Annahme auf
Grund unserer Untersuchungen berechtigt. Wir fanden, wie aus der
Tabelle 2 ersichtlich, die Residualluft eine Stunde nach der Arbeit zur
Norm zurückkehren.
Tabelle 2.
Versuch No.
Residualluft in ccm
in der Ruhe
l Std. nach
der Arbeit
1
2
578
590
605
568
Die gefundenen geringen Differenzen sollen innerhalb der Fehler¬
grenzen liegen. Anders liegen die Verhältnisse ira Falle 29. Hier
handelt es sich um eine hochgradige Polycythämie mit über 10 Millionen
rothen Blutkörperchen. Wir fanden hier ebenfalls nach einer ermüdenden
Arbeit, bei Sauerstoffeinathmung keine Steigerung, sondern im Gegentheil
eine geringe Verminderung der Residualluft. Ich möchte dieser geringen
Abweichung keine grössere Bedeutung zumessen. Wir können aber sicher
annehmen, dass die Residualluft in diesem Falle, im Gegensatz zu den
anderen Fällen, nicht zugenommen hat. Bemerkenswerther wird dieser
Befund noch dadurch, dass auch die Pulsfrequenz keine Zunahme durch
die Anstrengung erfuhr, sondern im Gegentheil von 92 auf 88 ab-
genoramen hat. Es ist keine Frage, dass hier der Sauerstoffreichthum
des Blutes ausgereicht hat (die Patientin hatte 30 Vol.-pCt. Sauerstoff-
capacität mit meinem Kolbenkeilhäraometer gemessen) den vermehrten
Sauerstoffverbrauch während der Arbeit ohne eine Vermehrung der circu-
latorischen Factoren zu decken. Dieser Fall beweist also auch, dass,
wenn keine circulatorische Mehrarbeit geleistet wird, die Residualluft
nicht vergrössert wird. Alle diese angeführten Thatsachen
sprechen dafür, dass die Vergrösserung der Residualluft einen
circulatorischen und keinen ventilatorischen Hilfsfactor dar¬
stellt. Diese Annahme wird durch den Fall No. 53 ebenfalls unter¬
stützt. Die Arbeit erfolgte auch hier in Sauerstoffatmosphäre, und wir
1) Durig, Centralbl. f. Physiol. 1903. Bd. 17. S. 206.
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sehen, dass die Residualluft bei dem mit einer congenitalen Pulmonalis-
insufficienz behafteten Individuum nach der Arbeit einen Zuwachs von
ca. 20 pCt. erfahren hat.
Im Anschluss an den Fall 20 möchte ich darauf hin weisen, dass
die Untersuchungen Bohr’s bezüglich der Aenderung der respi¬
ratorischen Mittelcapacität bei verschiedenen Körperlagen,
weder der Richtung nach, noch zahlenmässig stimmen. Er hat,
genau so wie bei den diesbezüglichen Untersuchungen während körper¬
licher Anstrengung, nur aus der Aenderung der Reserveluft auf die Aenderung
der Mittellage geschlossen, ohne dabei die Residualluft bestimmt zu haben.
Nun sehen wir bei unserem Falle die Residualluft im Liegen um 15pCt. an-
steigen und die Reserveluft von 800 auf 220 ccm sinken. Wir bekämen
also ohne Berücksichtigung der Residualluftänderung das eine Mal eine
Mittelcapacität von 1330 und das andere Mal 752 statt 830. Weitere Be¬
trachtungen möchte ich an diesen Fall nicht anknüpfen, da wir mit einem
pathologischen Fall von Bechterew’scher Krankheit zu thun haben. Er¬
wähnen möchte ich hier nur, dass wir bei allen Fällen von Bechterew’schcr
Krankheit eine geringere Residualluft gefunden haben. Es ist dies eines-
theils mit der Lungenelasticität der jüngeren Individuen zu erklären,
andererseits durch den Umstand, dass bei diesem Kranken der Thorax
in tiefster Exspirationsstellung knöchern fixirt ist, und die sehr aus¬
giebigen Zwerchfellsbewegungen die Lungen so vollkommen comprimiren,
dass nur ein sehr kleines Residualvoluraen in den Lungen zurückbleibt.
Was die Residualluft bei den verschiedenen Krankheiten anbelangt,
so lässt sich aus unseren Untersuchungen folgendes, manches Interessante
enthaltendes, entnehmen.
Wie ich schon Eingangs erwähnte, spielt bei der Grösse der Residual¬
luft das Alter eine grosse Rolle, und wir können aus unserer tabellarischen
Zusammenstellung sehen (cf. Generaltabelle), dass ceteris paribus mit dem
Alter die Residualluft proportional wächst. Es ist keine Frage, dass
dies mit der, mit dem Alter zunehmenden Rigidität der Luftwege zu-
saramenhängt, die selbst bei der forcirtesten Exspiration die Compression
der starren Bronchien verhindert. Die chronischen Katarrhe der Bronchien,
sowie die Bronchiektasien sind ähnlich zu beurtheilen und in der That finden
sich unter unseren Zahlen die höchsten Residualluftwerthe bei den chro¬
nischen Bronchitikem und noch grössere bei den mit Emphysem Behafteten.
Der 68 jährige Bronchiektatiker (No. 11) hat eine Residualluft von 2510;
der 58 jährige ebenfalls Bronchiektatiker (No. 8) eine solche von 2111 und
der jugendliche Fall No. 4 mit Bronchiektasie nur 871 ccm Residualluft.
Bei den an Emphysem Leidenden trägt allerdings zu dem hohen
Residualwerth noch die verminderte Elasticität der Lungenalveolen bei.
In diese Kategorie gehören noch ausser den erwähnten die Fälle 5, 6, 7,
mit 1987, 1408 und 1192 ccm Residualluft. Bei reinem Asthma
bronchiale kann man demgegenüber keine Erhöhung der Residualluft
finden, wie dies die Fälle 9 mit 1274 und 10 mit 930 ccm Residualluft zeigen.
Bei starker Einschränkung der respiratorischen Oberfläche finden
wir zwar eine Erhöhung der Residualluft, aber diese ist im Allgemeinen
nicht so hoch, dass wir daran eine besondere Betrachtung anzuschliessen
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolnmens etc.
191
berechtigt wären. Dem gegenüber finden wir sehr hohe Werthe dort, wo
die Athmung aus irgend einem Grunde gehindert ist. Diese Beobachtung
besteht sowohl in den Fällen, wo die Thoraxbewegung gehemmt ist (mit
Ausnahme von Bechterewkranken, wo der Thorax in Exspirationsstellung
fixirt ist), wie in Fällen, bei welchen die Zwerchfellathmung unvollkommen
wird. Der ßesidualluftzuwachs ist in den letzten Fällen noch bedeutender.
Die Fälle 14 und 15 betreffen Pleuritiden mit hohem serösen Exsudat.
Das Zwerchfell war an der kranken Seite gelähmt und wir finden dem¬
zufolge die Residualluft zu 1508 bezw. 1470 ccm erhöht. Eine einseitige
Diaphragmalähmung hatte 1226 ccm (No. 26) und die Eventeratio
diaphragmatica (Fall 25) 1828 ccm Residualluft. Zu derselben Gruppe
gehören die Fälle 15, 28 und 40. Die ersten beiden litten an grossem
Ascites und der Fall 40 war im achten Monat gravid. Bei allen
diesen Patienten zeigt sich eine Erhöhung der Residualluft, wenn auch
nicht absolut, so doch relativ, denn wir müssen z. B. bei der 22 Jahre
alten und 153 cm grossen Graviden eine Residualluft von 1070 als
wesentlich erhöht betrachten. Durch die progressive Muskelatrophie
(in Fall 27) war auch die Athembewegung geschädigt und wir sehen
bei diesem Kranken dementsprechend die Residualluft bis 1538 ccm an¬
gestiegen.
Sehr lehrreich ist diesbezüglich der Fall 23. Es hat hier ein starrer,
in extremer inspiratorischer Stellung fixirter Thorax bestanden.
Die respiratorischen Excursionen des Thorax waren minimal, wie dies ja
auch das Diagramm zeigt. In diesem Zustande untersucht, zeigt der
Patient eine Residualluft von 1680 ccm. Nachdem bei dem Kranken
die Rippen durchgeschnitten und der Thorax auf diese Weise wenigstens
partiell mobilisirt wurde, sank das Restluftvolumen auf 1250 ccm.
Anders, wie wir es bisher gethan haben, sind zu beurtheilen die
durchwegs hohen Residualluftwerthe bei den Anämischen. Diese Kranken
können keinen Moment die circulatorische Hilfe der grossen Lungenluft¬
füllung entbehren, denn das hämoglobinarme Blut ist in der Volumen¬
einheit nur abnorm geringe Sauerstoffmengen zu transportiren im Stande,
und es muss bei den Anämischen die Concentrationserniedrigung des
Hämoglobins durch die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit des Blutes
compensirt werden. Das Herz hat also eine viel grössere Arbeit zu
leisten wie in der Norm, und es muss zur Erleichterung der Circulation
die Residualluft und damit die Mittellage erhöht werden. Alle unsere
Fälle beweisen die Richtigkeit dieser Anschauung. Es hatten die Anä¬
mischen folgende Residualluftwerthe:
Tabelle 3.
Versuch No.
Residualluft
in ccm
in pCt. der
Totalcapacität
in pCt. der
Mittelcapacität
31
1737
37,4
46,2
32
1547
39,6
58,3
33
1248
25,0
43,0
34
1930
36,6
56,7
35
2210
44,8
75,9
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Was die Herzkrankheiten betrifft, fanden wir die Werthe, die in
Tabelle 4 angegeben sind.
Tabelle 4.
Versuch No.
Residualluft
in ccm
in pCt. der
Mittelcapacität
in pCt. der
Total capaci tat
40
1226
85,0
40,7
41
761
46,1
20,4
42
1941
65,1
50,5
43
2140
81,7
60,6
44
1634
61,2
34,3
45
2150
63,1
46,5
46
1286
56,3
37,0
47
2156
73,0
39,2
48
1250
50,7
41,8
49
1470
71,4
39,4
50
992
49,6
30,8
51
1528
62,7
31,8
52
1567
49,0
33,4
53
1180
64,0
32,4
54
689
20,2
11,1
55
2305
61,1
33,4
Wie sehr die Herzschwäche zur Erhöhung der Residualluft beiträgt,
zeigen die Fälle mit Myodegeneration des Herzens. Wir finden in diesen
Fällen (Tab. 4) 1941 (No. 42), 2140 (No. 43) und 1634 (No. 44) ccm
Residualluft. Die Klappenfehler gehören zwar auch in diese Kategorie,
zeigen uns aber diese Gesetzmässigkeit in nicht so auffallender Weise,
wie die Myocarditiden, weil bei den Klappenfehlern, besonders im Stadium
der Corapensation, gar keine circulatorische Incompetenz zu bestehen
braucht. Wir finden bei Mitralinsufficienzen 2150 (No. 45), 1286 (No. 46
von 148 cm Körperhöhe!) und 2150 (No. 47) ccm. Der Fall mit Mitral-
insufficienz + Stenose hatte 1250 und der mit Mitralstenose + Aortcn-
insufficienz 1470 ccm Residualluft. Die Pulmonalstenosen (No. 52 u. 53)
hatten 1567 resp. 1180, die Pulmonalinsufficienz fast den kleinsten Werth
von 689, doch sei bemerkt, dass dieser Fall ein trainirter Turner war
und von Seiten des Circulationssystems keinerlei functionellen Störungen
Vorlagen. Die Diagnose wurde klinisch, röntgenologisch, elektro-
cardiographisch und endlich mit meiner 1 ) gasanalytischen Methode Jest-
gestellt.
Einen der höchsten Werthe weist der Fall 55 mit 2305 ccm auf, der
an einen Pulsus irregularis perpetuus litt, aber dabei kräftig war
und seinen Militärdienst in der Zeit der Untersuchung, wenn auch schwer,
aber doch zur leidlichen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten leistete.
Für die ziemlich hohen Werthe, die ich bei den vier untersuchten
Basedow-Kranken gefunden habe (1730, 1319, 1430, 2044), kann keine
eindeutige Erklärung gegeben werden, es werden hier sicherlich nervöse
und circulatorische Einwirkungen im Spiele sein.
1) J. Plesoh, Eine neue Methode zur Diagnose congenitaler Vitien. Berliner
klin. Wochenschr. 1908.
Gck igle
Original fro-m
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
193
V. Die Reserveluft.
Unter Reserveluft verstehen wir diejenige Luftmenge, die durch for-
cirteste Exspiration ausgepresst werden kann.
Die biologische Bedeutung der Reserveluft liegt einerseits darin, die
Lungen in einer, der Respiration und Circulation günstigen Spannung zu
halten, andererseits für die momentanen Schwankungen des Stoffwechsels
eine Sauerstoffmenge von genügend hoher Tension in den Lungen vorräthig
zu haben, um das Hämoglobin arteriell sättigen zu können und die pro-
ducirte Kohlensäure auf eine so tiefe Tension zu verdünnen, dass die
Kohlensäureabgabe aus dem Blute ungehindert vor sich gehen kann. Da
aber alle diese Momente nicht ausschliesslich durch die Reserveluft be¬
dingt werden, sondern auch von der Residualluft, so wollen wir darauf
näher nur bei der Besprechung der respiratorischen Mittellage eingehen
und uns hier nur mit den Mengenvariationen unter verschiedenen physio¬
logischen Bedingungen und in pathologischen Fällen, soweit solche ge¬
sondert von der Mittellage zu besprechen sind, beschäftigen.
Ein richtiges Bild über die Reserveluftverhältnisse werden wir, so
wie bei den anderen Componenten der Lungenfüllung, nicht durch die
Betrachtung der absoluten Zahlen bekommen, denn die Reserveluft ist
mit keinem Factor der übrigen Körperfunctionen oder Eigenschaften pro¬
portional. So finden wir unter den von Bohr untersuchten gesunden
Fällen bei annähernd gleicher Körpergrösse, bei gleich hohem Körper¬
gewicht, bei demselben Geschlecht und in demselben Alter, das eine Mal
eine Reserveluftmenge von 3000 und das andere Mal von 1560 ccm.
Wollen wir uns ein wahres Bild über die Reserveluftverhältnisse ver¬
schaffen, so müssen wir die Reserveluft im Verhältniss zu den anderen
FüllungsVolumina der Lungen betrachten. Die Reserveluft ist einerseits
in Beziehung zu bringen mit der Vitalcapacität, und das andere Mal mit
der Totalcapacität. Wenn wir aus den von Bohr mitgetheilten dies¬
bezüglichen Befunden das Mittel ziehen, so ergiebt sich, dass die Reserve¬
luft beim Gesunden ca. 40 pCt. der Totalcapacität und 46 pCt. der Vital¬
capacität ausraacht.
Unsere Krankheitsfälle weichen recht erheblich von der Norm ab.
Durch Muskelarbeit sehen wir sowohl bei dem gesunden Menschen in
Fall 2 den Quotienten von 35 auf 43 gesteigert, wohingegen
in dem Fall von Polycythämie (No. 29) von 59,5 auf 53,4 gesunken.
Aus den Bohr’schen Angaben berechnete ich bei seiner Versuchsperson VII
ein Ansteigen des Antheils der Reserveluft an der Vitalcapacität von 54
auf 60 pCt. und bei der Versuchsperson VIII ein Sinken von 45 auf 33.
Bei der Versuchsperson II steigerte sich der Quotient von 41 nach einem
Lauf auf 42 und nach einem zweiten Lauf sank er auf 33. Wir sehen
also ein recht schwankendes Verhalten des Quotienten während oder nach
der Arbeit, aber wir müssen auf Grund der Ueberlegungen, die wir ver¬
schiedentlich im Laufe dieser Abhandlungen schon gemacht haben und
noch anstellen werden, als das Zweckmässige eine Steigerung des Quo¬
tienten während körperlicher Anstrengung betrachten, denn für die Circu-
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Go igle
Original fro-m
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194
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Johann Plesch,
lation ist die Erhöhung der Mittellage in der Arbeit erwünscht. Dem¬
entsprechend muss dann eben die Reserveluft auf Kosten der Complementär-
luft zunehmen. Das Sinken des Quotienten kann ebenfalls als Compensation
gedeutet werden in den Fällen von grosser Anstrengung, wie dies der
citirte Fall II von Bohr zeigt. Hier ist das fortgesetzte Laufen für das
Herz eine so grosse Arbeit gewesen, dass eine Entleerung der Lunge
selbst für einen Moment nicht erfolgen konnte. Es wäre falsch, wenn
wir aus der grossen Betheiligung der Reserveluft an der Vitalcapacität
auf eine hohe Mittellage schliessen würden, denn es kann selbstverständlich
bei einer hohen Mittellage die Reserveluft sehr klein sein. Dies weist
dann aber auf eine Schwäche der Circulation hin, da selbst auf
die Dauer des Spirometerversuches die Circulation keinen grösseren
Widerstand ertragen kann. Wir finden in der That die niedrigsten Zahlen
in Fällen mit hoher Mittelcapacität, also bei Patienten, die an einer
relativen oder absoluten Schwäche des Herzens gelitten haben. So finden
wir die Reserveluft zu 11,8 pCt. der Vitalcapacität in dem Fall No. 40:
Stokes'sehen Kragen, bedingt durch eine Debilität des Herzens bei be¬
stehender Kyphoskoliose. Mit der Besserung nahm der Antheil der
Reserveluft an der Vitalcapacität auf 30,1 pCt. zu. Bei dem Fall 28
mit Ascites und Cirrhose der Leber sehen wir die Zahl 21,4. Die
Herzkranken zeigen wohl mit geringen Ausnahmen durchwegs niedrige
Werthe. Interessant ist der Befund bei den Nephritikern. Hier finden
wir ebenfalls sehr niedrige Zahlen. Eine Erklärung hierfür können wir
nicht geben, denn wir finden diese Verhältnisse sowohl bei den Fällen
mit niedrigem, wie bei solchen mit sehr hohem Blutdruck. Grosse
Reserveluftmengen finden wir bei Emphysematikern mit Bronchiektasien.
Besonders zeichneten sich die Fälle 4, 5 und 7 mit 60,6, 47,7 und 54,8 pCt.
darin aus. Die höchsten Werthe finden wir bei dem Fall 31 mit hoch¬
gradigster Anämie (71 pCt.) und beim Fall 48, wo eine Mitralinsuffi-
cienz und Stenose bestand (69,4 pCt.).
Viel deutlicher wird die functionelle Bedeutung der Reserveluft wider¬
gespiegelt in den Zahlen, die uns zeigen, wie gross der procentische An¬
theil der Reserveluft an der Totalcapacität ist.
Bei der Arbeit sehen wir auch hier den Werth in einem Fall von
31,9 auf 37,9 steigen, auch hier finden wir den niedrigsten Werth von
6,8 pCt. statt 40 pCt. der Norm bei dem Fall 38. Deutlicher aber präsen-
tiren sich hier die niedrigen Werthe und wir können den früher ausge¬
sprochenen Satz bestätigt finden, dass ceteris paribus ein kleines Reserve¬
volumen auf einen circulatorischen Defect hinweist.
Die Tabelle No. 5, die die Befunde bei Herzkranken enthält, beweist
uns zur Evidenz, dass bei den Herzerkrankungen im weiteren Sinne des
Wortes die Entleerung der Lungen erschwert ist, denn wir finden diese
niedrigen Zahlen bei hohen Werthen der Residualluft. Bei den Bron-
chitikern und den Emphysematikern sind die Verhältnisse ähnlich; der
Grund hierfür ist ebenfalls, wie wir dies später noch des Näheren be¬
sprechen werden, in circulatorischen, aber auch respiratorischen Momenten
zu suchen.
Gougle
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Die pathologische Physiologie des Lungenrolumons etc. 195
Tabelle 5.
Versuch No.
Reserveluft
in ccm
in pCt. der
Totalcapacität
in pCt. der
Vitalcapacität
40
228
6,8
11,8
41
890
23,8
30,1
42
1041
27,2
54,8
43
480
13,6
34,6
44
1032
21,7
33,6
45
1250
27,4
40,6
46
990
28,5
45,7
47
795
14,2
23,2
48
1210
40,3
69,4
49
590
15,9
26,6
50
987
31,5
45,1
51
907
18,9
27,8
52
1628
34,5
52,1
53
1090
29,5
43,4
54
2701
43,4
49,1
55
1816
25,8
39,0
Wie sehr die Entleerung der Lunge durch mechanische Momente be¬
einflusst werden kann, beweisen die Fälle 12 und 23. Im ersteren be¬
stand ein Emphysem und die Reserveluft betrug 18,7 pCt.; nachdem das
Emphysem operirt wurde, fanden wir 25 pCt. Im Fall No. 23 war vor
der Operation des starren Thorax die Reserveluft 27,7 pCt. und nach der
Mobilisirung des Brustkorbes hob sich der procentische Antheil der
Reserveluft an der Totalcapacität bis zu 44,3 pCt.
VI. Die Complementärluft.
Die biologische und functionelle Bedeutung der Complementärluft
kann unabhängiger von den übrigen Füllungcomponenten der Lunge be¬
handelt werden. Unter Complementärluft wird schlechthin diejenige
Luftmenge bezeichnet, die bei normaler Athemstellung durch angestrengte
Inspiration noch eingeathmet werden kann. Die Lunge wird also durch
die Complementärluft ad maximum gedehnt resp. gefüllt. Wir können
sagen, dass je grösser die complementäre Luftmenge, um so grösser ist
bei sonst gleichen Bedingungen die Dehnbarkeit der Lunge, um so aus¬
giebiger ist die inspiratorische Bewegung des Thorax. Wir haben dem¬
nach in der complementären Luft ein directes Maass für die jeweilig
vorhandene Accommodationsbreite der Lunge. Es ist klar, dass je grösser
die Dehnbarkeitsreserven der Lungen sind, um so günstiger ist dies für
die Leistungsfähigkeit des Körpers zu beurtheilen. Wir werden also
grosse Complementärluftzahlen als functionell günstig an-
sehen, kleine Zahlen für eine Einschränkung der An¬
passungsfähigkeit d. h. für eine functionelle Minderwertig¬
keit halten.
Als normale Grösse der Complementärluft ist bei Heranziehung der
von Bohr für Gesunde festgestellten Werthe die Mittelzahl von 2740 ccm
anzusehen, allerdings bei einer mittleren Körpergrösse von 174 cm. Im
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196
Johann Plesch,
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Allgemeinen können wir es für normal halten, wenn die Complementär-
luft 50 pCt. der Totalcapacität beträgt.
Dass die Complementärluft eine Reserve für den Organismus dar¬
stellt, wird durch den Arbeitsversuch bewiesen, wir sehen in diesen
Versuchen, dass sowohl während, wie nach der Arbeit die Complementär¬
luft abnimmt, und dies ist auch der Fall, wenn die Arbeit in Sauerstoff¬
atmosphäre geleistet wurde. In unserem Arbeitsversuche No. 2 sinkt
die Complementärluft von dem Ruhewerth von 58,7 auf 49,5 pCt. der
Totalcapacität. Das Steigen der Complementärluftmenge bei dem Falle
von Polycythämie lässt auf eine eigenthümlich modificirte Compensation
der Mehrarbeit des Herzens durch körperliche Anstrengung schliessen,
aber wir wollen die Antwort auf diese Frage erst bei der Besprechung
der Mittelcapacität zu geben versuchen.
Wir sehen die Grösse der Complementärluft von der Dehnbarkeit
der Lunge abhängen und so werden wir am Besten bei den Fällen von
Bronchiektasie mit Emphysem dieselbe beurtheilen können. Wir finden
in der Tabelle No. 6, die eine Zusammenstellung der Emphysemfälle
enthält, Werthe, die bis zur Hälfte der normalen Zahlen reducirt sind.
Tabelle 6.
Complementärluft
Versuch No.
in ccm
in pCt. der
Totalcapacität
4
454
26,6
5
624
23,9
6
1282
29,7
7
1362
32,5
8
1930
35,8
11
1712
32,6
Beim reinen Bronchialasthma liegen die Werthe höher, sic be¬
tragen in unseren Fällen No. 9 und 10 44,2 resp. 37,8 pCt.
Wird die eine Lungenhälfte von der Athmung ausgeschaltet, wie
dies bei dem Kranken No. 12, der an einem halbseitigen Empyem er¬
krankt war, der Fall ist, so bewältigt die gesunde Lunge den respirato¬
rischen Bedarf des Organismus und wir können als Folge dessen beob¬
achten, dass von der Complementärluft nur recht wenig übrig blieb, sie
betrug nur 23,7 pCt. der Totalcapacität; nachdem das Empyem operirt
worden, steigt die Complementärluft wieder bis zu dem Werthe von
38,8 pCt. an. Auch in andren Fällen, bei welchen die eine Lunge an
dem respiratorischen Geschäft nicht betheiligt war, sehen wir ähnliche
Verhältnisse. Insbesondere zeigen dies die Kranken No. 14 und 17, die
an einer hochstehenden, einseitigen Pleuritis exsudativa gelitten hatten.
Die Complementärluft beträgt in diesen Fällen 28,8 und 20,9 pCt. der
Totalcapacität. Analog verhalten sich die Fälle No. 15 und 16, bei
denen das Lungenvolumen durch ausgebreitete Tumoren eingeschränkt
wurde. Der Fall No. 15 hat eine Complementärluft von 32,7 pCt. der
Totalcapacität und der Fall No. 16 nur 90 pCt.
Die Fälle von Bechterew zeigen zwar geringere Zahlen als der
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Die pathologische Physiologie des Lnngenvolumens etc.
197
Norm entspricht, aber die Differenz ist hier nicht so in die Augen
fallend, wie bei den vorher besprochenen Kranken. Der Unterschied ist
wohl auf die geringere thoracale Dehnbarkeit, die bei diesen Patienten
durch die Verknöcherung der Rippenwirbelgelenke bedingt ist, zurückzu¬
führen. Interessant ist bei dem Fall No. 20 die Differenz, die zwischen
der liegenden und der stehenden Stellung besteht. Im Stehen beträgt
die Coroplementärluft 42,3 und im Liegen 37,8 pCt. Dieser Befund ist
abnorm, denn es geht aus den Versuchen von Bohr hervor, dass bei
Gesunden eben im Liegen die Complementärluft grösser wird. Wir
können die Volumenänderungen der Lungen gerade auf Grund
dieser Befunde nicht etwa, wie Bohr dies thut, auf die
Function der Bauchmuskeln, sondern wohl auf die thoracale
Starre beziehen. Wir haben gesehen, dass die Reserveluft beim Ge¬
sunden im Stehen grösser ist wie im Liegen, und zwar ist diese Differenz
so gross, dass, trotzdem die Complementärluft im Liegen grösser wird,
die Vitalcapacität doch kleiner ist im Liegen wie im Stehen. Wir neigen
der Auffassung zu, dass im Liegen die Beweglichkeit der Rippenwirbel¬
gelenke, und damit die Ausbreitung des Brustkorbes gehindert ist, die
Rippen in tiefer Exspirationsstellung eingestellt sind und dass das die
Ursache der Verringerung der Reserveluft ist. Wenn durch forcirte
Inspirationsbewegungen der Widerstand voll und ganz be¬
wältigt werden kann, dann erweitert sich der Brustkorb und
die Complementärluft wächst an. Der fehlende Rest der Vital¬
capacität kann durch die unvollkommene Bauchmuskelwirkung im Liegen
bedingt sein. Beim Bechterew fällt eben die Aendcrung der Complementär-
und Reserveluft im Sinne des Gesagten auf das Conto der Bauch- resp.
Zwerch fellathmung.
Nach Mobilisirung des inspiratorisch starren Thorax im Falle 23
trat eine Verringerung der Complementärluft ein. Während vor der
Operation die Complementärluft 33,5 pCt. der Totalcapacität betragen
hat, ist der procentische Antheil nach der Operation nur 25,8 pCt. Der
Befund bei diesem Falle ist von besonderem klinischen Interesse, weil es
nns doch darüber einen Aufschluss geben kann, ob eine Mobilisirung des
Thorax bei einer sogen. Freund’schen Thoraxstarre von wirklich
greifbarem Nutzen ist. Es sei hier bemerkt, dass bei der Operation nur
die vorderen Rippenenden durchschnitten wurden. Es entstand dem zu
Folge eine paradoxe Athembewegung des Thorax, indem er sich nicht
exspiratorisch, sondern inspiratorisch einzog. Die Einziehung manifestirte
sich selbstverständlich um so mehr, je tiefer der Patient geathmet hat.
Da mit der Tiefe des Athemzuges der negative intrathoracale Druck
zunimmt, so konnten die mpbilisirten Rippen der Druckdifferenz keinen
Widerstand leisten und die Rippen zogen sich ein. Sei die respiratorische
Mittellage bei diesen Fällen wie immer (wir kommen noch später darauf
zurück), eines geht mit Gewissheit aus unseren Zahlen hervor, dass bei
dieser Operation der Donders’sche Druck sich nur beschränkt wird ent¬
falten können, und mag auch die Operation für den Ruhezustand
nützlich sein, die Compensationsbreite für die Arbeit ist da¬
durch eingeschränkt. Man könnte daraus folgern, dass, wenn eine
Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd.
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198
Johann Plesch,
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Mobilisirung der Rippen durchgeführt wird, diese an den hinteren
Rippenenden zu erfolgen hätte. Der Effect wäre für die Beweglichkeit
derselbe, und wir gewännen dadurch, dass die paradoxe Einziehung
des Thorax schwerer zu Stande kommt, weil die Rippen erstens hinten
weniger elastisch sind, zweitens, weil die musculäre Fixation der Rippen
an ihrem hinteren Ende eine viel stärkere ist, als vorne. Ich würde
mich auf Grund dieses einzigen Falles nicht auf so weitläufige Schluss¬
folgerungen* eingelassen haben, wenn nicht von anderer Seite her die¬
selben Befunde erhoben worden wären. So hat Strauch 1 ) bei seinen
Fällen folgende in der Tabelle 7 enthaltenen Werthe gefunden.
Tabelle 7.
Versuch
Alter
Länge
Gewicht
Compleroentär-
luft
Reserveluft
Vitalcapac.
Residualluft
Mittelcapac.
Total capac.
Mitteleap.inpCt.
d. Totalcapae.
B C.
— «
's 3
ZZ o
3 H .
*3 j
&<■£
No. 1.
17
184
1 69,0
1,86
1,21
3,07
2,96
4,17
6,03
69,2
49,1
No. 2 (7 Mon. post oper.) .
51
170
59,0
1,41
1,56
! 2,97
3,31
4,87
6,28
77,4
52,6
No. 3 (ante oper.) . . . \
£7
67
1,69
1,19
2,88
4,65
5,84
7,53
77,7
61,8
No. 4 (8 Mon. post oper.) )
1,31
1,09
2,40
4,08
5,17
6,48
1 79,6
62,8
Wir schon also, dass die Resultate der Freund’schcn
Operation nur mit der grössten Reserve beurtheilt werden
dürfen.
Die Fälle von progressiver Muskelatrophie, Eventeratio
diaphragmatica, Cirrhosis hepatis und Diaphragraalähmung
zeigen bezüglich der Complementärluft keine Besonderheiten, sie haben
alle eine normale oder etwas geringere Grösse.
Was die Anämischen betrifft, so sind die Befunde sehr variabel,
sie schwanken zwischen 17,8 und 41,7 pCt. Der Mittelwerth unserer
Fälle 30—35 beträgt 32,9, also einen Werth, der ca. um ein Drittel
niedriger als der Normalwerth ist. Bei der Nephritis scheint keine
Abweichung von der Norm der Complementärluft zu bestehen, wir finden
nämlich Werthe von 37,5, 43,6, 40,7, 56,4 pCt.
Bei der Myocarditis sehen wir in den schweren Fällen mit grosser
Dyspnoe die Complementärluft auf 22,3 (No. 42) resp. 25,8 (No. 43) ge¬
sunken. Bei dem Fall von Myocarditis mit grosser Stauung und Kypho¬
skoliose ist die Menge sowohl während der Decompensation, wie nach
der Behebung derselben sogar übernormal gross, sie betrug 52,5 resp.
55,8 pCt. Die Deutung dieses Befundes ist recht schwierig. Am nächst¬
liegendsten ist hierfür die Kyphoskoliose heranzuziehen. Für die Mehr¬
zahl der Herzkranken wird jedenfalls die Complementärluft recht tief
stehen, das zeigt uns schon der bei Asthma cardiale in tiefster Inspirations¬
stellung fixirte Thorax. Analog liegen die Verhältnisse bei Herzklappen¬
fehlern. Mit Ausnahme der Fälle 47 (46,6 pCt.), 49 (44,7 pCt.) und 51
(49,3 pCt.) ist die Complementärluft bei allen tief und wir können wohl
1) Strauch, Therapie der Gegenwart. October 1909.
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
199
sagen, dass mit der Schwere des Herzfehlers proportional die Complementär-
luft abnirarat. Bei den Basedow-Kranken finden wir wechselnde,
zwischen 28 und 37 pCt. liegende Werthe, dieselben können deshalb
keine besondere pathologische Bedeutung haben.
VII. Die Totalcapacität.
Unter Totalcapacität verstehen wir diejenige Luftmenge, die uns
anzeigt, wie viel Luft die Lungen bei tiefster Inspiration in sich auf¬
nehmen können.
Eine grössere Bedeutung kommt der Totalcapacität sicherlich nicht
zu. Die Grösse des Thorax ist etwas fix Gegebenes, welche durch
Krankheit, Accommodation etc. nach beendeter Entwickelung kaum eine
nennenswerthe Vergrösserung erleiden kann. Es wird selbstverständlich
Fälle geben, bei denen durch Uebung das Totalvolumen der Lungen zu-
genoramen hat, doch müssen wir von diesen Individuen absehen, da es
sich hier um einen speciellen Training der Athmungsmusculatur handelt.
Wie leicht durch Uebung das Totalvolumen um einige hundert Cubik-
centimetcr vergrössert werden kann, ist seit der Erfindung des Spirometers
von Hutchinson allen Forschern, die Vitalcapacitätsbestimmungen aus¬
geführt haben, bekannt. Das Totalvolumen kann uns nur über die Grösse
und ev. Constitution des Patienten Aufschluss geben. Bei pathologischen
Veränderungen kann die Lungencapacität kleiner, aber kaum grösser
werden. Das Kleinerwerden können wir beobachten in Fällen, in welchen
die respirirende Oberfläche durch ausgebreitete Entzündung (Pneumonie)
oder Destruction wesentlich verringert ist, dann in Fällen, bei denen die
Lungen comprimirt sind (Sero-Pyo-Pneumothorax) oder wo die Respirations¬
muskel gelähmt sind. Eine Vergrösserung des Totalvoluraens ist dagegen
nur in sehr beschränktem Maasse zu erwarten. Bei dem in starrer
Inspirationsstellung fixirten Thorax ist das Totalvolumcn auch nicht
grösser als bei einem trainirten Gesunden, denn selbst solche Kranke
haben noch eine complementäre respiratorische Bewegung, und es liegt
deshalb gar kein Grund vor, dass diese Personen ihr Totalvolumen ver-
grössern.
Wenn wir also hier auf das Totalvolumen näher eingehen, geschieht
dies lediglich aus physiologischem Interesse. In der Pathologie ist dieses
Maass sicher zu entbehren.
In der Tabelle No. 8 ist unser Versuchsmaterial nach der Grösse
des Totalvolumens geordnet. Wir wollen an der Hand dieser Tabelle
versuchen festzustellen, ob eine Abhängigkeit zwischen dem Totalvolumen
und anderen Individualconstanten des Körpers bestehen. Diejenigen
Fälle, die in der Tabelle mit einem Kreuzchen versehen sind, sind bei
den einzelnen Betrachtungen auszuschliessen, da bei diesen Kranken,
durch die bei ihnen bestehende pathologische Veränderung die Lungen
in ihrer totalen Entfaltung behindert wurden.
Was das Alter anlangt, so können wir im Allgemeinen sehen, dass
zwischen 20—30 Jahren die Lungenvolumina die grössten sind. Dies
ist aber durchaus nicht immer der Fall, denn wir sehen z. B. bei dem
22 jährigen gesunden Versuchsindividuum No. 1 ein Totalvolumen von
14*
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Jobann Piosch,
Tabelle 8 .
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
201
Capacität der Lungen zu haben, Wenn wir auch in den ersten Reihen
recht hohe Körpergewichte verzeichnet sehen, die den Körperhöhen durch¬
aus proportional sind, so finden wir doch in den unteren Reihen Gewichte
verzeichnet — ganz abgesehen von den hydropischen Patienten — die
sogar theilweise diejenigen übertreffen, die das grösste Totalvolumen auf¬
weisen.
Eine auffallende Gesetzmässigkeit zeigt die Relation zwischen Körper¬
grösse und Totalcapacität. Je höher das Individuum, umso grösser ist
das Luftquantum, welches von den Lungen aufgenommen werden kann.
Es ist selbstverständlich, dass die Tabelle Fälle enthält, bei welchen
diese Gesetzmässigkeit nicht nachweisbar ist, aber diese Fälle zeigten
alle Veränderungen, die eine vollkommene Füllung der Lungen unmöglich
machten, und wir müssen annehmen, dass die Zahlen nicht den maxi¬
malen Füllungsgrad der Lungen darstellen. Noch eclatanter wird der
Zusammenhang, wenn wir die Totalcapacität im Verhältniss zur Distantia
jugulo-pubica betrachten. Dieses Maass ist für unsere Zwecke ent¬
sprechender, weil die Distanz zwischen dem Jugulum und dem Scham¬
bein die wirkliche Grösse des Rumpfes anzeigt im Gegensatz zu der
Körperhöhe, die doch in sehr beträchtlichem Maasse von der Länge der
Beine abhängig ist. Die Distantia jugulo-pubica verhält sich zur Körper¬
grösse in der Norm wie 1:3. Eine absolute Proportionalität können
wir selbstverständlich auch hier nicht erwarten, aber wir sehen doch
ganz deutlich, dass, je grösser die Körperhöhe bezw. je grösser die
Distantia jugulo-pubica ist, umso grösser ist die Totalcapacität der
Lungen. Die Länge der Brustwirbelsäule, sowie die Länge des Sternums
könnte auch ein Maass für die Grösse des Thorax abgeben. Diese Werthe
enthält die Tabelle ebenfalls. Auch hier können wir sagen, dass eine
gewisse Proportionalität zwischen der Länge des Sternums bezw. der
Brustwirbelsäule und dem Lungentotalvolumen besteht.
Der TaillenumfaDg und der Lennhoffindex ist für unsere Frage nicht
von Belang. Fettleibigkeit, Ascites etc. beeinflussen den Taillenumfang,
und wir können nur bei normal gebauten und genährten Menschen aus
dem Lennhoffindex einen Schluss ziehen.
Im Grossen und Ganzen können wir sagen, dass die Körpermaasse
keinen berechtigten Schluss auf das Totalvolumen der Lunge erlauben,
wenn auch eine gewisse Abhängigkeit von Körpergrösse, Thoraxbreite,
Rumpflänge und Brusthöhe besteht.
Ich glaube, dass es berechtigt ist, aus den angeführten experimen¬
tellen Zahlen, um zu einem Normalmaass zu gelangen, die Mittelwerthe
zu berechnen. Wir finden dann:
Unter pathologischen Zuständen können wir — wie bereits gesagt —
kaum eine Aenderung im Sinne einer Vergrösserung erwarten.
Demgegenüber finden wir unter unseren Patienten eine beträchtliche
Zahl, bei welchen das Totalvolumen kleiner erscheint. Wir können sagen,
dass sämmtliche Zustände, die die Athmung auf irgend eine Weise
hindern, auch das Totalvolumen verkleinern. So sehen wir z. B. im
Fall 28 bei einer Körpergrösse von 178 cm nur eine Totalcapacität von
4,8 Litern. Der Taillenumfang von 106 cm bei dem sonst mageren
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Johann Plesch,
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Lebercirrhotiker mag uns einen Begriff von der Ascitesmenge geben,
die sich in der Bauchhöhle angesammelt hat. Ein grosser Ascites ist
sicherlich ein grosses Athemhinderniss, denn es werden durch die ge¬
hemmten Diaphragraaexcursionen eben diejenigen Lungenpartien sich
nicht entfalten können, die für das Lungenvolumen ausschlaggebend sind.
— Genau so ist zu beurtheilen der Fall No. 26 mit einer einseitigen
Diaphragmalähmung und der Fall 43 mit Höhlenhydrops bei Myocarditis
(Taillen umfang 111 cm!).
Sehr lehrreich ist der Fall No. 23, bei welchem ein typisches Bild
der starren Dilatation des Thorax mit Emphysem vorlag. Das Total¬
volumen von 4330 ccm bei einer Körperlänge von 174 cm müssen wir
als klein bezeichnen. Wir sehen also, dass selbst das chronische Volumen
pulmonum auctum keine Vergrösserung, sondern eine Verringerung des
Totalvolumens aufweist. Diese Verhältnisse finden wir auch bei den
anderen angeführten Emphysemfällen. Ein weiteres Interesse gewinnt
dieser Fall dadurch, dass nach der Mobilisirung der Rippen das Total¬
volumen nicht zunahm, sondern im Gegentheil, auf 4180 ccm sank. Ein
weiterer Beweis dafür, dass durch die paradoxe Athmungsexcursion der
freigemachten Rippenenden die Lungen sich noch schwerer entfalten
können.
Es ist selbstverständlich, dass in Fällen, wo Lungenpartien durch
Destructionen ausgeschaltet sind, das Lungenvolumen abnimmt. Die
Fälle 15 und 16 mit Lungentumor zeigen diese Verhältnisse genau so
deutlich, wie die Fälle 18 und 17 von Tuberculose. Zu dieser Gruppe
können wir auch die Fälle von Pleuritis (17) und Empyem (12) rechnen
und es kann wohl berechtigt der Satz aufgestellt werden, dass die Ab¬
nahme der Totalcapacität ein Maass für die Grösse der aus¬
geschalteten Lungentheile abgiebt.
VIII. Die Mittellage.
Unter respiratorischer Mittellage verstehen wir diejenige Füllung der
Lunge, die sich, genau ausgedrückt, aus der Residual- und Reserveluft
und dem halben respiratorischen Volumen zusammensetzt. Es bildet also
die Mittellage den mittleren Füllungsgrad der Lunge. Durch diese exacte
Begriffsbestimmung erscheint die Mittellage von der respiratorischen Ex-
cursionsänderung unbeeinflusst, im Gegensatz zu den bisherigen Defini¬
tionen, nach welchen die Mittellage aus der Residual- und Reserveluft
bestehen soll (Bohr). Acceptirten wir diese Definition, so würde eine
Mittellage bei jeder Aenderung des Respirationsvolumens sich schon
ändern müssen, und wir würden bei der Berücksichtigung dieser Verhält¬
nisse einen Fehler begehen. Aus unseren ermittelten Daten wird sich
also auch ohne Weiteres die Mittellage ergeben.
Untersuchungen über die Mittellage liegen nicht viel vor. In neuester
Zeit hat hauptsächlich Bohr die Aufmerksamkeit der Physiologen und
Kliniker auf diesen Begriff gelenkt. Er untersuchte hauptsächlich die
Aenderungen der Mittellage unter den verschiedensten physiologischen
Bedingungen, im Stehen, Sitzen, Liegen, nach kurzer oder länger dauernder
Arbeit, und bemühte sich, zu ermitteln, ob die Grössenänderungen der
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolamens etc.
203
Mittellage von der Circulation oder Respiration oder von beiden ausgelöst
werden. Seine biologischen Versuche ergänzte er durch Versuche an
Emphysematischen und kam zu dem Schluss, dass sowohl die Aende-
rungen unter geänderten physiologischen Bedingungen, als auch beim
chronischen substantiellen Emphysem einen zweckmässigen Reflex dar¬
stellen, durch den im normalen Organismus durch functioneile Inanspruch¬
nahme resp. bei den Kranken den Functionsstörungen entgegengewirkt
wird. Wollen wir die Versuchsergebnisse prüfen resp. den Folgerungen
Bohr’s nachgehen, so müssen wir zunächst die Fragen beantworten: ob
die Mittellage ein Reflex ist, durch welche Bedingungen dieser Reflex
ausgelöst wird, endlich welche Rolle der Mittellage in allgemeinen und
in den compensatorischen Einrichtungen des Organismus zukommt.
Nach unseren Untersuchungen müssen wir zu dem Schluss kommen,
dass die Mittellage wirklich einen Reflex darstellt, an dessen Zweckmässig¬
keit unter physiologischen und den meisten pathologischen Bedingungen
nicht zu zweifeln ist. Alle Functionen, die sich aus irgend einem Grunde
ohne Beeinflussung des Willens ändern, können im breiteren Sinne des
Wortes als Reflex aufgefasst werden. Nach Maassgabe des vorliegenden
Materials ist es sichergestellt, dass die Mittellage keine constante, sondern
eine sich den jeweiligen Ansprüchen anpassende variable Grösse darstellt,
und dass in den Aenderungen eine gewisse Gesetzmässigkeit besteht;
deshalb sind wir gezwungen, für die Einstellung der Mittellage einen Re¬
flexmechanismus verantwortlich zu machen. Da in der Biologie kaum
ein unzweckmässiger Reflex bekannt ist, so können wir schon aus diesem
Grunde a priori behaupten, dass wir es hier mit einem zweckmässigen
Reflex zu thun haben. Dieser Schluss ist per analogiam gewonnen, und
wir wollen auch inductiv die Richtigkeit dieses Satzes zu begründen
suchen. Leider ist die Lehre von der Mittellage noch sehr jung, und
wir werden Lücken in unserer Begründung offen lassen, die durch weitere
Forschung ausgefüllt werden müssen. Wir werden aber auch sehen, dass
die Frage der Arbeit lohnt, denn sie bildet das Verbindungsglied in der
Kette der correlativen Functionen zwischen Circulation und Respiration.
Um die Frage der Mittellage systematisch abhandeln zu können,
müssen wir die physiologische Bedeutung derselben uns klar zu machen
suchen. Die Lunge wird durch die mittlere Luftfüllung in einer gewissen
constanten Spannung gehalten, welche das Aequivalent lür den Donders-
schen Druck darstellt. Wäre keine Lungenfüllung da, so würde der
Donders’sche Druck auf 0 herabsinken. Da wir die Bedeutung der
intrathoracalen Druckdifferenz für die Circulation im Sinne von Donders
erkannt haben, so sind wir gezwungen, in der Mittellage zunächst einen
circulatorischen Hilfsfactor zu suchen. In .der That werden wir in den
folgenden Ausführungen finden, dass sich die Mittellage dem circulato¬
rischen Bedarf anpasst. Wie jede physiologische Function durch das
Zusammenwirken der anderen Organe unterstützt resp. bis zu einem ge¬
wissen Grade ersetzt werden kann, so wird auch die Mittellage nicht
allein als Behelf für die Circulation in Betracht kommen, sondern nur
einen circulatorischen Hilfsfactor darstellen. Die Zweckmässigkeit dieser
Einrichtung werden wir besonders in pathologischen Fällen erfahren, in
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welchen eben die Leistungsfähigkeit der Lunge herabgesetzt ist, oder wo
die Lungen zunächst ihrer unersetzlichen Aufgabe der Sauerstoffaufnahme
und Kohlensäureabgabe gerecht werden müssen und, dieser Aufgabe un¬
geachtet, ja sogar zum Schaden ihrer secundären circulatorischen Hilfs¬
aufgabe wird entsprechen müssen. Mit einem Worte, es würde zu grund¬
falschen Speculationen führen, wenn wir die Mittellage aus einem einzigen
Gesichtspunkt betrachten würden. Es muss nachdrücklichst und wieder¬
holt darauf hingewiesen werden, dass wir die Mittellage, genau so wie
andere Körperfunctionen, von einem umfassenderen Gesichtspunkte aus
anzusehen gezwungen sind.
Es erscheint als eine Luxusfunction des Organismus, dass die Mittel¬
lage nicht allein von der Residualluft gebildet wird, sondern dass noch
ausserdem die Lungen von der Reserveluft gedehnt werden. Dem ist
aber nicht so. Ich habe schon bei der Besprechung der Residualluft
darauf hingewiesen, dass sich die gesunden Lungen bis auf einen ganz
geringen Rest entleeren können, und dass die Residualluftmenge recht
eigentlich nur diejenigen Wege füllt, die durch ihren anatomi¬
schen Bau nicht zu comprimiren sind. Da aber der Don de rs'sehe
Druck nur durch die Bekämpfung des elastischen Widerstandes der Lunge
aufrecht erhalten wird, muss noch eine Luftmenge in der Lunge vor¬
handen sein, um die Lungen in Spannung zu halten, so dass die er¬
wähnte scheinbare Luxusfunction durch diese Erklärung eine Bedeutung
gewinnt.
Es wäre falsch, wenn wir aus der Füllung der Lunge auf deren
Spannung resp. auf die Höhe des Donders’schen Druckes scbliessen
würden. Selbst bei demselben Individuum kann dieser Schluss nur mit
einer gewissen Reserve gezogen werden. Es ist zu bedenken, dass die
elastische Spannung nicht proportional verläuft, und es wird demgemäss
einer bestimmten Volumenzunahme nicht eine entsprechende Spannung
folgen. Hat die Elasticität des Lungenparenchyms abge¬
nommen, so wird natürlich einer grossen Lungenfüllung nur
eine relativ kleine Druckdifferenz entsprechen. Die Grösse der
Mittelcapacität allein kann uns also nicht ohne Weiteres über die intra-
thoracalen Druckverhältnisse Aufschluss geben, sondern wir werden stets
noch andere Momente mit in Erwägung ziehen müssen.
Unabhängig von dem Donders’schen Druck verläuft der respira¬
torische Gasaustausch. Der Bedeutung der alveolären Gasfüllung ist von
jeher eine besondere Würdigung der Physiologen zu Theil geworden, und
wir müssen sagen, dass der Einfluss der Gasspannungen in den Alveolen
bezüglich der Sauerstoffversorgung recht gut durchgearbeitet ist, wenn
auch die einschlägigen Fragen durchaus nicht als gelöst anzusehen sind.
Wir kennen für den Sauerstoff sehr genau die Dissociationscurve des
normalen Blutes, und es ist uns auch zur Genüge bekannt, welchen
Tensionen des Sauerstoffes in der geathmeten Luft es bedarf, um das
Blut mit Sauerstoff zu sättigen. Ebenso stehen die niedrigsten Spannungs¬
grenzen fest, die eine Oxydation des Hämoglobins noch zulassen. Theo¬
retisch wird also die Mittellage nur solange sich vergrössern lassen, bis
die alveoläre Sauerstofftension durch das Hinzutreten der Athmungsluft
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens eto.
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wieder so hoch wird, dass eine Sättigung des Hämoglobins möglich wird.
Wir wollen uns dies zahlenmässig überlegen. Nehmen wir an, die Mittel¬
lage betrüge 2000 ccm mit einer alveolären Sauerstoffspannung von 16 pCt.;
es wäre dann in den Lungen 320 ccm 0 2 vorhanden mit einer Tension
von 114 mm Hg. Würde der Organismus seinen Sauerstoffbedarf ohne
Athemzüge eine Minute lang decken, so bliebe nach einer Minute nur
noch 70 ccm 0 2 zurück mit einer alveolären 0 2 -Spannung von 3,5 pCt.
gleich 12,5 mm Hg 1 ). Da die Eohlensäureproduction proportional der
Sauerstoffaufnahme verläuft, wäre bei dieser niedrigen Sauerstoff- und
entsprechend hohen Eohlensäurespannung weder eine Sättigung des Hämo¬
globins mit Sauerstoff, noch eine Eohlensäureabgabe möglich. Um das
Leben zu erhalten, muss sich ein dynamisches Gleichgewicht
zwischen Sanerstoffverbrauch, Sauerstoffzufuhr und alveolärer
Sauerstofftension einstellen. Bleiben wir bei unserem Beispiel, so
wird sich das Gleichgewicht dann eingestellt haben, wenn durch die
Athmung 250 ccm Sauerstoff entsprechend 1250 ccm Luft so zugeführt
wird, dass die alveoläre Sauerstofftension auf 114 mm Höhe gehalten
wird. Thatsächlich athmet ein Fall mit Werthen, wie sie das angeführte
Beispiel hat, 16 Mal 500 ccm pro Minuto = 8000 ccm. Rechnen wir
den schädlichen Raum etwa so hoch, wie die höchsten gefundenen Werthe
von Siebeck dies zeigen, also für 200, so müssen 16 Mal 200 = 3200 ccm
von dem Athemvolumen abgezogen werden. Es kommen also von den
8000 ccm nur 5000 ccm nach den Lungenalveolen. Damit dieses Luft-
vplumen bis auf 16 pCf. seinen Sauerstoff verliert, wird von dem Blut
5 pCt. = 250 ccm aufgenommen werden. Führen wir dieses Beispiel
fort, und nehmen wir nur eine Mittelcapacität von 1000 an, so würde
dje in 16 Athemzügen zu ersetzende Sauerstoffmenge auch nur 5000 ccm
betragen, um dieselbe alveolare Tension zu erhalten. Für die Sauer-
sfcoffversorgung ist es also bei gleichen sonstigen Bedingungen
auf die Dauer gleichgiltig, zu welcher Mittelcapacitätsmenge
sich die eingeathmete Luft hinzumengt. Würde das Athemvolumen
kleiner, so muss bei gleichbleibendera Sauerstoffbedarf und alveolarer
Sauerstofftension die Mittellage ebenfalls kleiner werden, um eine bessere
Ausnützung des Sauerstoffes zu ermöglichen. Hat sich also ein dyna¬
misches Gleichgewicht einmal eingestellt, so ist es gleichgiltig, wie
gross die Mittellage ist, zu welcher sich die Athemluft hinzu¬
mengt. Genau so steht es mit der Eohlensäureabgabe. Hat sich auch
hier ein dynamisches Gleichgewicht eingestellt, so ist die Grösse der
Mittellage für die Abgabe der Eohlensäure irrelevant.
Ganz anders ist es aber unter Verhältnissen, in denen sich die Noth-
wendigkeit eines grösseren Sauerstoffaufnahme- und Eohlensäureabgabe-
bedarfes einstellt. In diesem Falle wäre die Sauerstoffversorgung sogar
bei einer Verminderung der alveolären Sauerstofftension bis zu 70 mm Hg
nicht gestört, und doch ändert sich die Mittellage. Des Sauerstoffes
wegen müsste sich die Mittelcapacität selbst bei zweimal so grossem
1) In dieser Berechnung ist der Einfachheit halber die Wasserdampfspannung etc.
vernachlässigt.
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Sauerstoff verbrauch nicht ändern und bei Verdoppelung der Athemtiefe
und maximalster Sauerstoffausnützung der alveolaren Sauerstofftension
könnte schon das Vierfache des Ruhesauerstoffbedarfes verbraucht werden.
Genau so steht es mit der Kohlensäureabgabe.
Aus respiratorischen Rücksichten braucht sich also die
Mittellage, selbst bei momentan einsetzender und sehr grosser
Arbeit, nicht zu ändern. Es scheint noch Manches darauf hinzudeuten,
dass die Grösse der Mittellage eher davon abhängt, die Abgabe der Kohlen¬
säure nur bis zu einem gewissen Grade zu gestatten. Der Kohlensäuregehalt
des arteriellen Blutes ist nur wenig gewürdigt und es liegt doch nahe, dass
es für die Function des Organismus, auch abgesehen davon, dass er den
Athemreiz bildet, von fundamentaler Bedeutung ist, dass das arterielle Blut
durch übermässige Lüftung nur bis zu einem gewissen Grade seine Kohlen¬
säure verliert; andererseits ist es ebenso lebenswichtig, die überschüssige
Kohlensäure abzugeben. Es ist klar, dass bei einer hohen Mittellage eine
grössere Kohlensäureabgabe nöthig ist, ohne den procentischen Gehalt der
alveolären Kohlensäure wesentlicher zu erhöhen, als bei einer geringen
Füllung der Lunge, oder mit anderen Worten, es werden bei einer Ab¬
gabe von 100 ccm Kohlensäure in einem Raum von 1000 — 10 pCt.,
in einem Raum von 2000 nur 5 pCt. betragen. Das alles hat jedoch
ebenfalls nur für die ersten Minuten Bedeutung; sobald sich wieder
das dynamische Gleichgewicht eingestellt hat, ist es ziemlich gleichgiltig,
ob die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe in einer hohen oder
niedrigen Mittellage erfolgt. Für den Gasaustausch wird einzig und
allein die Tiefe und Frequenz der Athmung in Betracht kommen. Kurz
gefasst, können wir also sagen, dass die Mittellage weder auf
die Kohlensäureabgabe, noch Sauerstoffaufnahme einen Ein¬
fluss hat, mit Ausnahme derjenigen wenigen Minuten, die nach
der Aenderung der Mittelcapacität verstreichen. Die Mittel¬
lage ist nöthig, damit beim Athmungsstillstand, wenn auch
nur auf kurze Zeit, die Oxydation nicht leidet, und die Kohlen-
säureabgabc nicht momentan unmöglich wird. Es darf allerdings
nicht ausser Acht gelassen werden, dass für die Diffusion der Gase die
Flüssigkeitsschicht ganz besonders wichtig ist. Die Diffusion wird aus
den gespannten Alveolen leichter vor sich gehen, als bei einer wenig
gespannten Lunge mit contrahirter elastischer Textur.
Wenn also die einmal eingestellte Mittellage für den Stoffaustausch
auf die Dauer nicht mehr in Betracht kommt, so wirft sich unwillkürlich
die Frage auf, welche Bedeutung sie eigentlich bei dem Athmungsgeschäft
hat. Wir haben gesagt, dass die Anpassungsfähigkeit der Athemfunction
von der Complementärluft und von der Frequenz der Athmung abhängt.
Da die Totalcapacität des Individuums eine nur relativ wenig ver¬
änderliche Constante ist, so können wir sagen, dass, je geringer die
Mittelcapacität, um so grösser ceteris paribus die Anpassungsbreite der
Athmung sein wird. Bedenken wir weiterhin, dass die Ventilation der
Lungen im Wesentlichen von der Tiefe der Athmung, und diese wieder
von der Complementärluft in beträchtlichem Maasse abhängt, so haben
wir in der Grösse der Mittellage ein functionelles Maass für
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens eto.
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die Tüchtigkeit der Lungen. Wollen wir die Function eines Organes
prüfen, so kommt es nicht allein darauf an, dass wir sehen, ob es den
Anforderungen entsprechen kann, sondern auch darauf, ob die Inanspruch¬
nahme zweckmässig und mit einer möglichst grossen Oekonomie erfolgt.
Ich selbst möchte die Ausathmung nicht für eine rein passive
Function halten. Es gab, wie bekannt, Forscher, die annahmen, dass
die Exspiration einfach durch die Zusammenziehung der gespannten,
elastischen Gewebe und der sich in ihre Ruhelage zurücksehnenden
Rippen erfolgt. Ich glaube gezeigt zu haben, dass auch die Exspiration
gleich der Inspiration eine gewisse active Muskelthätigkeit beansprucht.
Das ruhige Athmen wird hauptsächlich von dem Diaphragma und
den Intercostalmuskeln besorgt. Bei keiner Muskelfunction war eine so
diametral entgegengesetzte Meinungsdifferenz zwischen den Forschern wie
eben bei den Intercostalmuskeln. Schon Hamberger hat im Jahre 1727
und 1748 geglaubt, dass die äusseren Rippenrouskeln die Rippen heben
und die inneren die Rippen senken, und schon zu jener Zeit äusserte
Hamberger die Meinung, dass bei der Inspiration auch ein Theil der
Intercostales interni wirksam sein müsse, weil diejenigen Muskelbündel,
welche zwischen den Knorpeln liegen — die M. intercartilaginei — bei
ihrer Verlaufsrichtung und bei der Krümmung der Knorpel nach oben,
dieselbe Bewegung, d. h. die Hebung der Rippen hervorrufen müssen wie
die Intercostales extemi. Manche, wie Volkmann 1 ) und Budge, halten
den ganzen M. intercost. int. für einen Inspirationsmuskel, der die
Rippen hebt. Volkmann hat mit W. A. Freund einen Fall beobachtet,
bei welchem ein Defect der 3. und 4. Rippe bestand, und zwar dort, wo
Knochen und Rippen zusammenstossen. Der Knorpel- und Knochen-
defect nahm also die Stelle ein, wo nach Wegnahme des grossen Brust¬
muskels beide Lagen der intercostalen Muskeln, innere wie äussere, zu
Tage liegen, indem die Intercostales externi nicht über die Grenzen der
knöchernen Rippen hinausgingen und die weiter nach vorne liegenden
Interni unbedeckt liessen. Bei diesem Falle konnte Volk mann direct
beobachten, dass bei langsamen und tiefen Inspirationen die äusseren und
inneren Intercostalmuskeln gleichzeitig in Action waren. Dass die
M. intercostales Inspiratoren sind, glauben noch Gad, Rosenthal 2 3 ),
Bergendal und Bergmann 8 ) u. A. m. Gad und Fick haben bei
einem Modell die Intercostalmuskeln mit Froschmuskeln nachgeahmt,
und nach deren Reizung die Hebung der parallel beweglichen Hebel
nachweisen können.
Martin und Hartwell haben ein Stück der Intcrcostalmuskel los-
präparirt und darauf geachtet, dass der Muskel seinen nervösen Zu¬
sammenhang intakt behalte. Sie fanden synchron mit der Exspiration
eine Bewegung im Muskel, und geben als Resultat ihrer Arbeit an, dass
die M. intercostales interni bei Hunden und Katzen auch exspiratorische
1) Volkmann, Zur Theorie der Intercostalmuskel. Arch. f. Anat. u. Physiol.
Bd. 2. S. 315.
2) Rosenthal, Herrmann’s Handb. d. Physiol. Bd. 4. S. 193.
3) Bergendal und Bergmann, Skand. Arch. f. Physiol. 1897. Bd.7. S.187.
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Thätigkeit entfalten, allerdings geschieht dies bei Hunden nur bei
forcirter Athnaung. Masoin und R. du Bois-Reymond 1 ) haben die
Versuche von Martin und Hartwell wiederholt und kamen zu dem
Ergebniss, dass die Zwischenknorpelmuskeln synchron mit dem Zwerchfell
arbeiten, also Inspiratoren sind, die aber nur bei angestrengter Athmung
thätig sind, bei normaler Athmung keine Bewegung zeigen. Sie fanden
ferner, dass nach dem Stillstände der Athmung im Zustande der Apnoe
die Zwischenrippenmuskeln später als das Zwerchfell mit ihrer Arbeit ein-
setzen. Dem gegenüber haben Weidenfeld 2 ), v. Ebner, Henle 3 ) u. A.
keine Betheiligung der Intercostalmusculatur bei der Respiration experi¬
mentell feststellen können.
Wenn wir bei mageren Individuen oder bei Menschen mit Pectoralis-
defecten die Zwischenrippenmusculatur abtasten, so finden wir bei ruhiger
Athmung de facto keine respiratorische Bewegung und ich glaube, dass
die M. intercostales externi und interni bei der normalen Athmung kaum
theilnehmen, aber ihre Thätigkeit bei forcirter Athmung zu leugnen, ist
man nicht berechtigt. Es gab Forscher, welche die Intercostalmuskel
nur als eine Füllung der Intercostalräumo betrachtet haben und die
ganze Function dieser Muskel darin erschöpft sahen, dass sie glaubten,
die Intercostalmuskeln haben die Aufgabe, die Lungen vor dem Druck
der Atmosphäre zu schützen. Wir wollen diese Aufgabe nicht leugnen,
aber wir finden diese Erklärung gerade so einseitig, wie die, welche den
Intercostalmuskeln nur inspiratorische Thätigkeit zuschreibt. Die er¬
wähnten Versuche mit dem parallelbeweglichen Hebel haben unstreitbar
ihre Richtigkeit, die schräg verlaufenden Muskelfasern iu der Anordnung
der M. intercostales interni müssen bei der Fixation der darüberliegenden
Rippe die Rippen heben, den Rnochen-Enorpelwinkel der Rippen gerade
strecken und somit den Thorax erweitern und das Sternum nach vorne
stossen, aber dann ist es auch ebenso richtig, dass, wenn die untere
Rippe fixirt ist, und die Contraction von oben nach unten
erfolgt, die Rippen die entgegengesetzte Bewegung ausführen
müssen. Nun sehen wir bei der Respiration, dass beim Ein-
athmen die Ausbreitung des Thorax quasi in einer peristatischen
Welle erfolgt, die sich von oben nach unten fortpflanzt. Es
wird bei der Inspiration die erste Rippe fixirt, und die Rippen
fixiren sich eben als Function der Intercostales der Reihe
nach. Bei der Exspiration verläuft aber diese Welle in um¬
gekehrter Richtung und es werden durch die Bauchmuskeln
jetzt die untersten Rippen fixirt, die darüberstehende Rippe
wird ebenfalls durch die Intercostalmusculatur angezogen.
Jeder Muskel kann die Richtung seiner Zusammenziehung von seinen
beiden Enden aus ändern — der Effect bleibt derselbe, ob ich bei fixirtem
Unterarm durch Contraction des Biceps den Oberarm nähere, oder um-
1) P. Uasoin und R. du Bois-Reymond, Zur Lehre von der Function der
Musouli intercostales interni. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1896. S. 85.
2) Weidenfeld, Sitzungsber. d. Kais. Academie. Wien 1894. Bd. 103. S. 24;
und Centralbl. f. Physiol. Bd. 10. S. 253.
3) Henle, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1880. S. 185.
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 209
gekehrt, wenn ich bei fixirtem Oberarm und Schulter, durch die Con-
traction des ßiceps den Unterarm hebe. Genau so verhält cs sich bei
dem Intercostalmuskel. Ist der Fixationspunkt oben, so werden
die unteren Rippen gehoben, und es entspricht dies der In¬
spiration, ist hingegen der fixe Punkt unten, so werden die
oberen Rippen herunter gezogen und es entsteht die Exspiration.
Ich glaube, dass diese Deutung sich ungezwungen aus der Be¬
obachtung, die jeder an sich selbst ausführen kann, ableiten
lässt und der tatsächlichen Function der Intercostalmuskel
entspricht. Die inspiratorische Zusammenziehung des Zwerchfells ge¬
schieht tetanisch. Bei der Zusammenziehung wird das kaum active
Centrum tendineum, ähnlich wie ein Zeltdach gezogen und abgeflacht,
und die musculösen Randtheile gerade gezogen. Dieses Geradestrecken
zeigen insbesondere die seitlichen Partien, bis die vordere Portio stemalis
ihrer Kürze und Schwäche wegen die Form Veränderung nur wenig be¬
einflusst. Das Zwerchfell wird sich bei einer derartigen Bewegung von
der Thoraxinnenwand abheben. Dieser Bewegung folgen auch noth-
gedrungen die Lungen, die mit ihrer Pleura visceralis an die Pleura
parietalis des Zwerchfells dicht anliegen und es wird der durch das Ab¬
heben des Zwerchfells entstandene sogenannte Complementärraum bei jeder
Inspiration ausgefüllt, und die Lungenränder verschieben sich nach unten.
Sobald die Contraction des Muskels aufhört, wird einerseits durch
den stets im Thoraxraum herrschenden Donders’schen Druck, anderer¬
seits durch das Hinauftreiben der Bauchorgane und den Tonus der
Bauchmusculatur das Diaphragma seine Wirkung nach oben zurück er¬
langen und dadurch die Luft aus den Lungen pressen. Es wirkt also
demnach das Zwerchfell passiv als ein mächtiger Exspirationsmuskel.
Sei dem aber wie ihm wolle, eines ist unstreitbar, dass* die In¬
spiration eine viel grössere Muskelthätigkeit bedingt als die Exspiration.
Es muss bei der Beurtheilung der Athmungsökonomie hauptsächlich die
Einathmung ins Auge gefasst werden. Die Mittellage bedingt gewisser-
maassen eine constante Inspirationsstellung des Thorax, und zwar müssen
die Inspirationsmuskeln ständig in einem Tonus gehalten werden, der
Gleichgewicht mit dem elastischen Zug der Lungen und Rippen zu halten
fähig ist. Nun ist es uns aus der Muskelphysiologie bekannt, dass die
Arbeit des Muskels an der Grenze ihrer Contractilität um das Vielfache
wächst, und es wird deshalb bei hoher Mittellage derselbe Ventilations¬
effect mit grösserer Muskelanstrengung erfolgen, als bei niedriger Mittel¬
lage. Wenn wir noch bedenken, dass der höhere Muskeltonus bei höherer
Mittellage an und für sich einen grösseren Energiebedarf bedeutet, so
ist es klar, dass die Athemarbeit mit der Höhe der Mittellage proportional
zunehmend ist. Mit anderen Worten: es wird einer hohen Mittel¬
lage ein vergrösserter Stoffwechsel entsprechen, was für Kranke,
die an irgend einer Störung der Sauerstoffversorgung leiden, schon aus
dem Grunde eine nicht zu unterschätzende oxydative Mehrleistung bedeutet,
weil sie ausserdem noch eine erschwerte Athmungsarbeit nach sich zieht.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass, je höher die Mittellage ist,
um so oberflächlicher die Athmung bei derselben Athemarbeit werden
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210
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muss. Wir dürfen bei diesen Betrachtungen noch eines nicht vergessen:
dass bei dem Integral von elastischen Membranen, wie es wohl die ganze
Lunge darstellt, um denselben Volumenzuwachs zu erreichen, eine vielfach
grössere Kraft nöthig ist, wenn die Spannung der Membran an der
Grenze, als wenn sie am Anfang ihrer Dehnbarkeit erfolgt. Es wird
also für dasselbe respiratorische Volumen ein verschiedener Kraftaufwand
nöthig sein bei wenig und bei stark gespannter Lunge.
Nach diesen Erörterungen wird der Satz einleuchtend, dass es für
die Arbeitsökonomie des Körpers vortheilhaft ist, wenn die
Mittellage klein ist. Dasselbe gilt für die Ventilation der
Lunge. Formuliren wir das Criterium einer kräftigen Athemfunction,
so können wir sagen, dass eine tiefe, nicht frequente Athmung,
mit geringer Mittellage das Günstigste ist. Die Atherafrequenz
spielt insofern eine Rolle bei der functioneilen Beurtheilung der Lunge,
weil wir doch mit jedem Athemzuge mit einer unnützen Luftraenge zu
rechnen haben, die im sogenannten schädlichen Raum zurück bleibt. Je
oberflächlicher und je frequenter die Athmung ist, um so häufiger wird
diese Luxusarbeit betrieben. Bei tiefer Athmung sind grössere Kräfte
nöthig, als bei oberflächlicher Athmung, und so weist eine grosse
Respirationstiefe auf einen grösseren Kraftaufwand des Athembewegungs-
apparates hin. Wenn also ein Individuum in der Muskelarbeit den Sauer¬
stoffmehrbedarf durch frequente und oberflächliche Athemzüge zu
decken sucht, müssen wir dasselbe für minderwerthig ansehen
im Gegensätze zu denen, die mit tiefen und seltenen Athem-
zügen den Sauerstoff ihrem Lungenblute zuleiten. Wir haben
hier wieder eine Analogie mit der Herzfunction. Auch bei dieser sahen
wir, dass Leute, die mit kräftigen, grossen Herzschlägen und selteneren
Contractionen das Blut im Umlauf halten, besser daran sind als solche, die
in der Arbeit nicht das Schlagvolumen, sondern ihre Pulsfrequenz erhöhen.
Die Mittellage muss eine besondere Bedeutung als circulatorischer
Hilfsfactor haben. Die intrathoracale Drucknegativität aspirirt das in
den Venendepots befindliche Blut in das rechte Herz, und es wird die
Aspiration proportional der Grösse des Donders’schen Druckes erfolgen.
Da eine gewisse Lungenspannuug durch die Mittellage stets vorhanden
ist, so ist auch die Zuströmung des Blutes zum Herzen gesichert. Die
Respiration ruft Schwankungen des intrathoracalen Druckes hervor und
es wird demgemäss in der Inspirationsphase der Athmung mehr Blut zu-
fliessen können als in der Exspiration, d. h. während des Sinkens des
Donders’schen Druckes. Die Bedeutung der intrathoracalen Druck¬
differenz für die Circulation ist zuerst von Donders erkannt worden,
und wir können uns noch heute voll und ganz seinen hier folgenden
Ausführungen anschliessen.
Die ausser dem Thorax liegenden Venen unterliegen dem Druck
einer Atmosphäre, während die Gefässe in der Brusthöhle von aussen
nur durch einen Druck belastet sind, der um die interthoracale Druck¬
differenz geringer ist. Dem herrsehenden Luftdruck wirkt die Elasticität
der Lunge entgegen. Dieser elastische Widerstand beträgt bei einer
normalen Exspiration 7,5 mm Hg, nach einer gewöhnlichen Inspiration
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
211
9 mm Hg und kann sich beim tiefsten Inspirium bis 30—40 mm Hg
steigern. Dieselbe Druckdifferenz wird also auf die in dem Thorax be¬
findlichen Gefässe wirken. Die Druckdifferenz kann durch den Müller-
schen und Valsal va’schen Versuch, d. h. bei abgeschlossenem Mund und
abgeschlossener Nase und höchster inspiratorischer Anstrengung der
Musculatur bis zu 36—74 mm sinken und beim umgekehrten Versuch,
d. h. boi angestrengter Exspiration, während die Glottis geschlossen ist,
bis 82—100 mm steigen.
Es handelt sich also unter normalen Verhältnissen um einen nega¬
tiven Druckunterschied im Brustraum von 9 mm. Für die Strömung des
Blutes ist dies von hoher Bedeutung, es bildet aber andererseits keinen
nennenswerthen Widerstand gegen die systolische Zusammenziehung des
Herzens. Der Donders’sche Druck wird ja im Wesentlichen nur auf die
dünnwandige Arteria pulmonalis, auf die Capillaren der Lunge, auf die
Venenwandungen und sicher auch auf das diastolisch erschlaffte Herz
wirken, und kaum die elastischen Arterien oder das voluminöse Herz¬
fleisch der linken Kammer beeinflussen. Das rechte Herz muss sich
also gegen den 8 mm Hg negativen Druck zusamraenziehen. Der gesaramte
Druck des rechten Herzens beträgt nach sehr ungenauen Schätzungen,
wie dies die Versuche von Tigerstedt jun. darstellen, im Mittel des
Druckes, im linken Herzen, also rund 40 mm Hg. Wenn gegen diesen
Druck 8 mm wirken, so sind das 25 pCt. der gesammten Druckleistung
des rechten Herzens. Der negative Druck kann sich aber bei ange¬
strengtem Inspirium bis zu 40 mm steigern, d. h. es müsste das Herz,
um den normalen Druck im kleinen Kreislauf aufrecht zu erhalten, circa
zweimal so stark arbeiten. Diese Ueberlegung stimmt deshalb nicht,
weil der Donders’sche Druck doch auch auf die Lungencapillaren wirkt.
Wenn aber die Capillaren gedehnt werden, so wird der gegen die Herz¬
arbeit wirkende periphere Widerstand geringer, und es muss
bei geringerem absoluten Blutdruck mehr Blut umlaufen
können, als in der Norm. Für den kleinen Kreislauf bildet also die
respiratorische Mittellage einen regulircnden Factor, der quantitativ sicher
viel höher anzusetzen ist, als die neuerdings durch Weber bestätigte
Annahme der vasomotorischen Regulation der Lungengefässe. Mit dieser
Ueberlegung, die teleologisch leicht verständlich ist, stimmen die That-
sacben überein, die wir experimentell festgcstellt haben. Wir können
das Gesagte kurz dahin zusammenfassen, dass die Mittellage
einen circulatorischen Hilfsfactor darstellt, der sich mit den
Anforderungen, die an den kleinen Kreislauf gestellt werden,
ändert. Die pathologischen Veränderungen der Mittellage müssen auch
von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet werden, denn nur auf diesem
Wege werden die anscheinend bizarrsten Erscheinungen verständlich. Die
Mittellage ist also (gleiche elastische Verhältnisse der Lunge voraus¬
gesetzt) ein Spiegelbild der vorhandenen Verhältnisse des
rechten Herzens und der Blutfülle der grossen Körpervenen,
d. h. ein functionelles Maass für den kleinen Kreislauf. Was
die factischen Aenderungen der Mittellage unter veränderten körperlichen
Bedingungen anbelangt, und wie sich diese bei den krankhaften Processen
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verschiedenster Art verhält, haben wir in einer Reihe von Fällen unter¬
sucht; die Ergebnisse sind in der beiliegenden Generaltabelle übersicht¬
lich zusammengefasst und in Tafeln diagraphisch dargcstelit.
Die Mittellage ist, so wie alle anderen respiratorischen Grössen, sehr
variabel. Ein bestimmter Zusammenhang mit Körpergrösse, Gewicht,
Alter etc. lässt sich nur gezwungen finden. Als relativer Werth schwankt
die Mittellage zwischen 50—60 pCt. der Totalcapacität. Die Abweichungen
nach unten weisen auf die Tüchtigkeit des Kreislaufes hin, wogegen das
Anwachsen der Mittelcapacität einen sicheren Schluss auf die Schädigung
des kleinen Kreislaufes erlaubt.
Sowohl die von Loven, wie von Bohr und von mir angestellten
Untersuchungen konnten die Annahme Panum’s, dass sich die Mittellage
beim Uebergang von sitzender zu stehender Stellung erhöht, nicht be¬
stätigen. Beim Liegen hingegen sind recht beträchtliche Differenzen
vorhanden. Sowohl die Vitalcapacität, wie die Mittellage wird kleiner
im Liegen und grösser im Stehen. Die von Bohr angeführten dies¬
bezüglichen Versuche haben leider keine absolute Beweiskraft, weil die
Mittellage von Bohr nicht exact bestimmt wurde. Bohr vernachlässigte
nämlich, die Residualluft in jeder Körperstellung zu untersuchen, er nahm
die Residualluft als eine constante Grösse an und addirte die mit dem
Spirometer in verschiedenen Stellungen ermittelte Residualluftmenge, zu
der einmal festgestellten Residualluftmenge. Auf die Unzulänglichkeit
dieser Versuche hat bereits Hasselbach hingewiesen. Corrigiren wir
die Bohr'sehen Untersuchungen dementsprechend, so wird die Richtung
der Bohr’schen Versuchsausschläge dennoch unverändert bleiben, denn
im Liegen verringert sich sowohl die Residualluft, wie auch die Reserve¬
luftmenge, dies gilt aber nur für Untersuchungen, die bei Gesunden aus¬
geführt werden. Bei Untersuchungen an pathologischen Fällen darf die
Feststellung der Residualluft nicht unterbleiben, denn es kann Vorkommen,
dass bei mangelhaften respiratorischen Bewegungen im Liegen eventuell
die Bauchmusculatur eine kleine Reserveluft auszupressen fähig ist und
ein grosses Residualluftvolumen zurückbleibt.
Werfen wir die Frage auf, weshalb die Mittellage im Liegen ab¬
nimmt, so käme bei der Beantwortung zunächst der verminderte Stoff¬
wechsel in Betracht, dann die Behinderung der Athembewegungen und
die Blutvertheilung in den Lungen. Bohr hat durch seine Untersuchungen
die Verminderung des Stoffwechsels als Ursache ausschliessen können.
Ich will einen solchen Versuch hier wegen seiner Instructivität anführen.
Tabelle 9.
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£
3
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pro kg und
Minute
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v x
<
Versuch II: stehend.
4,70
2,48
2,22
209
250
3,19
0,84
72
5,1
20 Min. liegend.
Versuch IX: liegend 45 Min.
4,35
1,75
2,60
239
248
2,81
0,96
58
4,6
lang.
3,81
1,28
2,53
215
263
3,28
0,82
56
11,3
sitzend 15 Min. später .
4,01
1,91
2,10
213
261
3,71
0,82
64
13,7
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
213
Es geht aus diesen Untersuchungen deutlich hervor, dass die für
die liegende Stellung charakteristische Aenderung der Mittel-
capacität, wie auch die Aenderungen des Pulses und der Respirations¬
zahl keine directen Folgen des herabgesetzten Stoffwechsels
sind.
Die Behinderung der Athembewegungen würde die Mittellage nicht
herabdrücken können, da sie nur auf die Reservoluft einen Einfluss aus¬
üben kann. Eine Ursache für die Aenderungen der Mittellage können
wir, wie ich meine, nur in den veränderten circulatorischen Verhältnissen
finden, die sofort bei der Lageänderung eintreten muss. Das venöse
Blut muss gegen seine Schwerkraft nach dem Herzen strömen. Wenn
auch durch die in den Venenröhren befindlichen Klappen der Rückfluss
des Blutes gehindert ist, so besteht doch ein gewisser hydrostatischer
Druck, der der Strömung entgegen wirkt. Theilweise zur Bekämpfung
dieses Widerstandes dient der Donders’sche Druck, d. h. die Mittellage.
Sobald durch das Liegen der hydrostatische Druck in den
Venen wegfällt, wird zur Beförderung des Venenblutes eine
geringere intrathoracale Druckdifferenz genügen und die Mittel¬
lage wird kleiner. Ob noch andere circulatorische Momente hier eine
Rolle spielen, sei dahingestellt, wir können aber in den geschilderten
Aenderungen einen weiteren Beweis dafür erblicken, dass in der
That die Mittellage in erster und hauptsächlichster Linie dem
Kreislauf dient und sich nach den Anforderungen, die vom
Organismus an den Kreislauf gestellt werden, reflectorisch
einstellt.
Bei angestrengter Thätigkeit, also bei grossem Sauerstoffverbrauch,
nimmt die Mittellage zu. Dieser Satz wird sowohl durch die Unter¬
suchungen von Bohr wie durch meine Untersuchungen bestätigt. Auch
bei diesen Versuchen, ebenso wie bei den anderen, beging Bohr den
Fehler, die Residualluft nicht bestimmt zu haben. Dass die Residualluft
ebenfalls Aenderungen aufweist, zeigen meine Versuche, wie ich diese
im entsprechenden Capitel angeführt habe. Bohr führt Aenderungen
der Mittelcapacität durch körperliche Anstrengung auf zwei Momente
zurück, das eine Mal auf die durch die Vergrösserung der Athemarbeit
bedingte Vergrösserung der respiratorischen Oberfläche, das andere Mal
auf circulatorische Momente. Bohr sucht diese doppelte Ursache durch
Versuche zu unterstützen, die er ausgeführt hat, um zu sehen, wie sich
die Mittellage nach Einathmung von kohlensäurereichen und sauerstoff¬
armen Gasgemischen gestaltet. Er fand, dass bei der Einathmung von
kohlensäurereichen Gemischen, wie auch bei der Athmung sauerstoffarmer
Atmosphäre die Mittellage schnell grosse Höhen erreichte. Aus diesen
Versuchen schloss er, dass die Vergrösserung der Athemoberfläche den
Gasaustausch wesentlich fördert. Ich kann seineq Ausführungen nicht
beistimmen und bin der Meinung, dass die Aenderung der Mittellage
durch Muskelanstrengung gleichfalls lediglich einen circulatorischen Reflex
darstellt, und mit der Respiration kaum etwas zu thun hat. Bohr
musste auf Grund seiner Theorie der activen gassecretorischen Thätigkeit
der Lungen die Ansicht vertreten, dass es für die Lunge, dieselbe als
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. , 5
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Drüse gedacht, von Bedeutung ist, wenn sich ihre Oberfläche ver-
grössert. Die gassecretorische Theorie haben sogar schon die Schüler
Bohr’s (Krogh u. A.) aufgegeben. Es wird also misslich erscheinen,
noch Argumente gegen diese Theorie anzuführen, doch möchte ich
selbst zu den vielen noch besonders eine Thatsache hinzufügen und
zwar die, dass bei geringen Sauerstofftensionen die Sättigung des
venösen Blutes genau so wie es in vitro geschieht, den Gesetzen
der Dissociationscurve erfolgt. Für den Gasaustausch, wie ich oben
klarzulegen versuchte, kommt nur die Ventilation der Lunge, also die
Athemfrequenz und die Athemtiefe in Betracht. Die Aenderung der
Mittellage würde nur für die ersten Athemzüge den Gasaustausch,
verbessern; sobald sich das dynamische Gleichgewicht hergcstellt hat,
hört dieser Vortheil wieder auf. Wenn also die Mittelcapacität während
der ganzen Dauer einer geleisteten Arbeit in einer bestimmten erhöhten Lage
verharrt, ja sogar, wenn diese sich mit der zu leistenden Arbeit — man
könnte sagen — proportional vergrössert, so bleibt zur Erklärung dieses
Phänomens nichts Anderes übrig, als die Bedürfnisse der Circulation.
Wir hätten Bohr falsch verstanden, würden wir nicht hervorheben, dass
Bohr ebenfalls die circulatorische Bedeutung der Mittellage erkannt hat,
aber er hat sie nicht in dem Maasse gewürdigt, wie wir es thun. Wir
müssen die Ansicht Bohr’s, wonach die erhöhte Mittellage die Circulation
in den Lungen begünstige, erweitern. Der Donders’sche Druck wird
nicht nur auf die Lungen-, sondern auch auf die ganze Circu¬
lation einen beschleunigenden nnd erleichternden Einfluss
ausüben, und dieser Hilfe ist die Circulation bedürftig. Durch unsere
hämodynamischen Arbeiten zieht sich gewissermaassen wie ein rother
Faden der Gedanke, dass die Circulation durch den Sauerstoffverbrauch
gesteuert wird. Die circulatorische Grundregel ist, dass zwischen Blut¬
zufuhr und -Abgabe nur auf kurze Zeit geringe Differenzen bestehen
können, für die Dauer muss sich ein Gleichgewicht einstellen. Es obliegt
bezüglich der Blutbeförderung dem rechten Herzen die gleiche Grössen¬
aufgabe wie dem linken Herzen. Das viel schwächere rechte Herz wird
sich nur so seiner gesteigerten Arbeit entledigen können, wenn sich die
Widerstände im kleinen Kreislauf verringern. Wenn wir von der bis zur
Evidenz bewiesenen Thatsache absehen, dass die Lungengefässe auch
von Vasomotoren beeinflusst werden, so ist für eine Steigerung der Cir¬
culation im kleinen Kreislauf die Compcnsation in der Herabsetzung der
Widerstände in dem Lungenkreislauf gegeben d. h. es muss als Folge
die Mittellagc erhöht werden. Eine weitere Aufgabe der erhöhten Mittel¬
lage wird es sein, das nöthige, vom linken Herzen beförderte Blut-
voluraen in das rechte Herz zurück zu saugen.
Um Bohr’s Annahme, dass es sich bei der Erhöhung der Mittellagc
vorwiegend um einejj respiratorischen Reflex handelt, weiter zu entkräften,
habe ich in den Fällen 1, 2, 29, 54 sehr angestrengte körperliche
Arbeit in reinem Sauerstoff leisten lassen und dabei durch eine
geeignete Vorrichtung die producirte Kohlensäure absorbirt. Es konnte
also weder Sauerstoffmangel noch Kohlensäureanhäufung während des
Versuches eintreten. Diese Versuche haben nun ergeben, dass sich die
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Die pathologische Physiologie des etc#
215
Mittellage in Sauerstoffatmosphäre genau so ändert, wie es bei normalen
Arbeitsbedingungen der Fall ist. Wäre also von einem respirato¬
rischen Reflex die Rede, so hätte sich die Mittellage bei der
Einathmung von reinem Sauerstoff nicht zu ändern brauchen,
und so beweist auch dieser Versuch, dass die Erhöhung der
Mittellage nur circulatorisch hervorgerufen wird. Weitere Ver¬
suche Bohr’s zeigten, dass die Mittellage sowohl bei Sauerstoffmangel
wie bei Kohlensäurereichthum der Inspirationsluft, sich höher einstellt.
Hohe Sauerstofftension hat auf die Mittellage keinen Einfluss.
Trotzdem es sehr verlockend scheint, diese Erscheinungen als respirato¬
rische Reflexe aufzufassen, können wir einer solchen Ansicht nicht bei¬
stimmen, sondern erblicken in der Erhöhung der Mittelcapacität nur
einen circulatorischcn Reflex. Bohr sagt, dass bei Einathmung sauer¬
stoffarmer Luft zwar der Stoffwechsel nicht gesteigert wird, dass aber
auf andere Weise grössere Forderungen an die Arbeit der Lungenzellen
gestellt werden, indem die Concentration des Sauerstoffes um die Zelle
abnimmt. Er meint also, dass bei einer besseren Entfaltung der Lunge
die active Sauerstoffaufnahme durch die Alveolarzelle besser erfolgen
kann. Wir haben es bereits hervorgehoben, dass Bohr den respirato¬
rischen Gasaustausch nicht als eine den physikalischen Gesetzen folgende
Diffusion, sondern als eine active Zellthätigkeit ansieht. Ich möchte zu
den bereits angeführten Gegenbeweisen ein weiteres Argument zur Be¬
kämpfung dieser Theorie heranziehen. Ich meine meinen Saekversuch,
der, wie ich glaube, geeignet ist, nicht nur die Gassecrctionstheorie,
sondern auch die Theorie, wonach die grösste Menge aufgenomraenen
Sauerstoffs in den Lungen verbraucht wird, zu entkräften. Bei meinem
Sackversuch wird aus einem mit reinem Stickstoff gefüllten Sack ein-
und ausgeathmet. Es wird sich nach einer Weile im Sack Sauerstoff
und Kohlensäure befinden und zwar in einer Menge, die mit dem Blute
im rechten Herzen im Gleichgewicht steht. Das Punctum saliens des
Versuches ist, dass auch Sauerstoff abgegeben wird. Es ist im Organis¬
mus keine Zellthätigkeit bekannt, die nach doppelter Richtung zu functio-
niren im Stande ist, jede Zelle ist polarisirt. Wäre die Theorie Bohr’s
richtig, so wäre die alveolare Zellthätigkeit für den Sauerstoff resorptiv,
aber nicht secretorisch, wie es bei meinem Sackversuch anzunehmen
wäre; andererseits, wenn die Oxydation oder der grösste Theil derselben
in den Lungen stattfände, würden diese den Sauerstoff behalten und
nicht in einer Menge abgeben, die dem physikalischen Gleichgewicht —
wie dies meine directen Versuche beweisen 1 ) — entspricht.
Wenn wir also die Erhöhung der Mittellage aus dem Gesichtspunkt
des Gasaustausches betrachten, so kommen wir zu Fehlschlüssen, nehmen
wir aber die Veränderung der Mittellage als einen circulatorischen Reflex
an, so wird die Erklärung einfach und einleuchtend.
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass sich die Circulation
je nach dem Sauerstoffbedürfniss des Organismus regulirt und so
können wir auch hier sagen, dass, wenn die Oxydation des Venen-
1) Piesch, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1910.
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blutes nicht vollkommen vor sich geht, der Sauerstoffmangel nur durch
circulatorische Mehrarbeit compensirt werden kann, ln der That finden
wir folgende Versuchsergebnisse (Tabelle 10) in der erwähnten Arbeit
Bohr’s angeführt.
Tabelle 10.
Vital-
capacität
Reserveluft !
1
Compleraentir*
ln ft
Mittel-
capacität
pro kg und
Minute
C0 2
Puls
C0 2
Produc.
0*
Verbr.
0 2
Versuchsperson IX:
Stehend atmos. Luft.
4,13
2,06
2,07
3,74
159
187
0,81
66
Stehend 11,3 pCt. 0 2 .
4,08
2,18
1,90
3,91
238
248
0,96
73
„ Arbeit 11,3 pCt. 0 2 . . .
4,03
2,24
1,79
4,02
504
465
1,08
93
Stehend atmos. Luft.
4,14
2,06
2,08
3,73
—
—
—
76
Versuchsperson VII.
Sitzend atmos. Luft.
4,82
2,41
2,41
4,44
268
329
0,82
—
Sitzend 7,9 pCt. 0 2l 6 Min. lang .
4,92
2,89
2,03
4,82
371
, 289
1,28
—
„ 7,9 „ 0 2 , 16 „ lang.
1.71
0,69
1,02
5,83
—
! —
—
—
Versuchsperson 11:
Liegend atmos. Luft.
4,49
1,74
2,75
2,66
—
—
—
—
Liegend 60pCt. 0 2 , 10 Min. . . .
4,43
1,66
2,77
2,64
—
—
—
—
Liegend atmos. Luft, 16 Min. . .
4,35
1,56
2,79
2,62
—
—
—
—
Versuchsperson IX:
Liegend atmos. Luft.
3,67
1,06
2,62
3,20
209
242
0,86
55
Liegend 4,5 pCt. C0 2 .
3,47
1,53
1,94
3,87
213
241
0,88
58
Liegend atmos. Luft, 10 Min.. . .
3,58
0,92
2.66
3,15
—
—
—
55
Sitzend atmos. Luft.
3,99
1,97
2,02
3,79
189
225
0,84
73
Sitzend 7,6 pCt. C0 2 , 5 Min.. . .
4,04
2,83
1,21
4,60
—
209
—
80
Sitzend atmos. Luft, 5 Min.
4,11
1,87
2,24
3,57
—
—
—
78
Aus den Zahlen geht ohne Weiteres hervor, dass bei einer Sauer¬
stofftension, bei der die arterielle Sauerstoffsättigung noch vollkommen
oder annähernd vollkommen erfolgen kann, die Mittellage nicht zunimmt;
die Zunahme wird nur dann eclatant, wenn die Sauerstoffspannung in
dem respirirten Gase so tief sinkt, dass die Arterialisirung des Blutes
nur mangelhaft ist. Nun muss der Sauerstoffmangel durch eine erhöhte
Circulation ausgeglichen werden, und wir sehen, entsprechend diesem
corapensatorischcn Erforderniss, die Mittellage anstcigen. Dass dem so
ist, beweist, wie schon erwähnt, die Thatsache, dass bei erhöhter Sauer¬
stofftension der respirirten Luft die Mittellage nicht beeinflusst wird.
Genau dieselbe Ueberlegung, wie wir sie jetzt für den Sauerstoff¬
mangel ausgeführt hatten, gilt für den Kohlensäurereichthum in der
Atmosphäre. Das Blut muss den überschüssigen Theil der producirten
Kohlensäure abgeben und dies kann es nur durch Vermehrung der Circu-
lationsarbeit. Die Kohlensäure bildet den directen Athemreiz, und wir
sehen am deutlichsten eben in den Versuchen mit erhöhter Kohlensäure¬
tension die Wechselbeziehungen zwischen Circulation und Respiration in
Erscheinung treten. So zeigt uns die Tabelle bei 4,5 pCt. C0 2 -Gehalt
in der Inspirationsluft die Mittellagc zu 3,87 Liter und den Puls zu 58,
und bei 7,6 pCt. C0 2 -Gehalt wächst die Mittellage zu 4,6 Liter und der
Puls zu 80 heran. Nach diesen Versuchen kann man doch ohne weiteres
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
217
sagen, dass die Erhöhung der Mittellage nicht für die Respiration, sondern
für die Circulation eintritt.
Ganz anders ist aufzufassen die grössere Mittelcapacität bei Stenosen
der Luftwege. In diesen Fällen wollen wir einen respiratorischen Reflex
zugestehen. Die Lungenventilation wird selbstredend auch vom negativen
intrathoracalen Druck abhängen, da doch die Strömung der Luft bei
gleich weitem Zuführungsgang schneller ist bei grösserer als bei kleinerer
Drucknegativität. Die Mittellage stellt sich also bei Veränderung der
Athemwege deshalb höher ein, um nicht denselben oder kleineren Athem-
bewegungen grössere inspiratorische und exspiratorische Druckdifferenzen
zu schaffen, und sucht auf diesem Wege die Verengerung zu paralysiren.
Dass diese Aenderung naturgemäss mit einer Veränderung des Athemtyps
einhergehen muss, versteht sich von selbst. Das Interessante ist bei
diesem Vorgänge, dass die Circulation secundär gleichfalls in Mitleiden¬
schaft gezogen wird. Wir finden nämlich in solchen Fällen eine geringe
Ausnutzung des Venenblutes, ein erhöhtes Schlagvolumen und einen sehr
frequenten Puls. Bezüglich der Veränderung der Mittellage bei apnoischer
oder dyspnoischer Athmung kann ich Bohr auch nicht ganz bei¬
stimmen, weil ich keine Abhängigkeitsbeziehung zwischen den Volum¬
verhältnissen und der respiratorischen Arbeit der Lunge erblicken kann.
Die diesbezüglichen Versuche sind sehr leicht auszuführen und zeigen
deutliche Ausschläge. Wir wissen, dass nach forcirter Athmung und
ausgiebiger Lungenlüftung eine Athempause eintritt, die wir apnoischen
Zustand nennen; im Gegensatz dazu kennen wir den dyspnoischen Zu¬
stand, der sich dann einstellt, wenn wir längere Zeit den Athem ange¬
halten hatten. Es zeigte sich bei den Bohr’schen Versuchen, die ich
vollständig bestätigen konnte, dass in der Apnoe die Mittel¬
capacität ab- und bei der Dyspnoe die Mittellage zunimmt.
Während der forcirten Atmung ohne vermehrten Sauerstoffverbrauch muss
die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes zunehmen, das Blut kehrt wenig
ausgenützt von den Geweben in das Herz zurück und enthält auch in
den Arterien abnorm wenig Kohlensäure, weil es überventilirt wurde. In
diesem Falle ist die Verminderung der Mittellage und damit die Herab¬
setzung des Donders'sehen Druckes das zweckmässige Mittel, die circu-
latorische Strömungsgeschwindigkeit herabzusetzen. Nur so kann der
Sauerstoff bis auf den normalen Spiegel ausgenützt werden und die
Kohlensäure auf das richtige Niveau gebracht werden. Beim dyspnoischen
Zustand besteht das Umgekehrte. Da muss die Circulationsgeschwindig-
keit durch die grosse Mittellage erhöht werden, um die angesammelte
Kohlensäure abgeben zu können und den verminderten Sauerstoffgehalt
des Blutes zu ersetzen.
Wir sahen aus den bisherigen Ausführungen, dass für
physiologische Verhältnisse die Mittellageänderungen als eine
rein circulatorische Hilfseinrichtung aufzufassen ist, und wir
wollen jetzt an der Hand unseres Versuchsmaterials dazu
übergehen, zu untersuchen, ob in pathologischen Zuständen
der Mittellage auch eine andere Bedeutung zukommt. Am
nächstliegendsten ist die Untersuchung der Mittelcapacität bei dem
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218 Johann Plesch,
Emphysem, also bei einem Zustand, bei dem die Lungen gross und ge¬
bläht sind.
Bezüglich der Entstehung des Emphysems habe ich meinen Stand¬
punkt in den Charite-Annalen 1912, und als Ergänzung zu diesen in
einem Aufsatz in der Deutschen raed. Wochenschr., 1913, klargelegt.
Das Resumö dieser Arbeit gipfelt darin, dass das Volumen pulmonum
auctum sowohl anatomisch, wie auch vom pathologischen Gesichtspunkte
aus keine Vorstufe des Emphysems bildet, weil beim Volumen pulmonum
auctum die Lungentextur unbeschädigt ist, und beim Emphysem schwere
Schädigungen des Lungengewebes zu beobachten sind. Bei dem Zustande
eines Volumen pulmonum auctum kommen die inspiratorischen Kräfte,
und damit der Freund’sche starrdilatirte Thorax in Betracht, wogegen
das Emphysem durch forcirte exspiratorische Kräfte (Husten) zu Stande
kommt. Das Volumen pulmonum auctum ist als ein Reflex im Sinne
Bohr’s aufzufassen, das Emphysem ist eine Krankheit sui generis. Die
Entstehung des Emphysems an Prädilectionsstellen findet seine Erklärung
in dem Umstand, dass der Exspirationsdruck, der in der ganzen Lunge
derselbe sein muss, diejenigen Lungentheile am meisten dehnen wird,
die durch den knöchernen Thorax nicht unterstützt werden, ähnlich wie ein
Gummiballon beim Aufblasen sich dort vorwölbt resp. platzt, wo in dem
den Ballon umgebenden Netz eine Masche losgelöst ist, d. h. wo der
Ballon weniger gestützt ist. Dass neben dem Volumen pulmonum auctum
resp. dem starrdilatirten Thorax meistens auch Emphysem zu finden ist,
erklärt sich dadurch, dass das Emphysem nur in Lungen zu Stande
kommt, deren elastischer Widerstand minderwerthig ist; und dass eine
in ihrer Elasticität geschädigte Lunge eine höhere Spannung besitzen
muss, um denselben Donders’schen Druck aufrecht zu erhalten wie die
gesunde Lunge. Diese dauernde inspiratorische Spannung der Lungen
führt secundär durch Inactivität zur dauernden Fixation der Rippen¬
gelenke und -knorpel i. e. zum Freundachen starrdilatirten Thorax.
Kommt zu diesem Zustand noch ein chronischer Katarrh der Luftwege,
so wird durch das Husten sich ein Emphysem entwickeln.
Wenn wir nun auf die Zahlen übergehen, die wir bei den Emphysem-
kranken experimentell festgestellt haben, so finden wir durchwegs in
Uebereinstimmung mit anderen Forschern die Mittellage vergrössert.
Wir sehen in der Tabelle No. 11, die die von uns untersuchten
Fälle von Emphysem enthält, Werthe, die weit über den Normalwerthen
liegen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass wir es beim chronischen
Emphysem mit einer reflektorischen Einstellung der Mittelcapacität zu
thun haben, die nicht anders als aus circulatorischen Rücksichten ent¬
standen, zu deuten ist. Dieses Phänomen respiratorisch zu erklären, ist
nicht richtig, denn es ist doch durch gar kein pathologisches Moment
gerechtfertigt, dass die Lungen Luftvolumina enthalten, die beim Ge¬
sunden, selbst bei angestrengtester Thätigkeit nicht vorhanden sind. Von
einer weiteren Vergrösserung der respiratorischen Oberfläche kann wohl
bei den ohnedies krankhaft erweiterten Lungenalveolen keine Rede sein.
Es bleibt nur das circulatorische Moment, welches dieses Verhalten der
Lungenfüllung bestimmt. Durch die Spannung der Alveolarsepta sind
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219
die Capillaren verengt; um diese durchgängig zu machen, muss der
Donders’sche Druck die Capillaren entfalten und es wird nun beim
Emphysematosen ein grösserer Donders’scher Druck herrschen
müssen, um denselben Effect auf die Erweiterung der Gefässe
auszuüben, als bei Gesunden, — das Lungengewebe wird inspira¬
torisch noch mehr gespannt werden. Die Vergrösserung des capillaren
Widerstandes in der Lunge hat zufolge, dass das rechte Herz hyper¬
trophisch wird. Die Hypertrophie des rechten Ventrikels ist stets
proportional dem capillaren Widerstand in den Lungen. Dass beim
Asthma bronchiale ohne Emphysem, solange keine Bronchitis oder
andere secundäre Erscheinungen aufgetreten sind, also bei der reinen
Form die Mittellage keine Abweichung von der Norm besteht, zeigen
unsere Fälle No. 9 und 10. In beiden ist die Mittellage der Norm ent¬
sprechend. Vielleicht ist bei dem Fall 10 schon ein geringgradiges
Emphysem da, beim Fall 9 aber ist ein solches, abgesehen von dem
negativen klinischen Befund sicher auszuschliessen.
Tabelle 11.
Versuch
No.
Respiratori¬
sches
Volumen
Residual¬
luft
Reserve¬
luft
Mittel¬
capacität
Mittelcapacität
in pCt.
der Totalcapacität
4
621
831
421
1252
76,8
5
840
1408
567
1978
76,0
6
624
1987
1042
3029
70,3
11
828
2510
1050
3560
67,8
7
284
1192
1645
2837
67,5
8
430
2111
1305
3416
63,6
Bei dem Fall No. 12 war ein die ganze Thoraxhälfte ausfüllendes
Empyem vorhanden. Die Untersuchung des Patienten in diesem Zustand
ergab eine Mittelcapacität von 76,7 pCt. der Totalcapacität. Wenn es
sich auch um einen 15jährigen Knaben handelt, so beweisen die abso¬
luten Zahlen von 821 ccm Mittelcapacität und 1071 ccm Totalcapacität,
dass hier nur eine Lunge geathmet hat. Die gesunde Lunge hat sich,
um eben die circulatorische Hilfsarbeit richtig leisten zu können, in eine
nahezu extreme Mittellage eingestellt. In diesem Falle ist die Mittellage
noch anders zu werthen, als in den Fällen von Emphysem, denn hier
stellt die Untersuchung eine grosse Spannung einer jugendlich elastischen
Lunge, beim Emphysem hingegen eine kleine oder normale Spannung
einer in ihrer Elasticität geschädigten Lunge fest. Wenn nämlich der
Empyemfall eine hohe Mittellage zeigt, so können wir daraus auf eine
geradezu colossale Zunahme des Donders’schen Druckes schliessen, wohin¬
gegen der hohen Mittelcapacität beim Emphysem durchaus kein hoher
Donders’scher Druck zu entsprechen braucht. Nun wurde dieser Fall
operirt, das Empyem abgelassen und die retrahirte und comprimirte
Lunge athmete wieder. 21 Tage nach der ersten Untersuchung wurde
die zweite Untersuchung vorgenommen und wir sehen die Daten in der
Generaltabelle im Versuch No. 19 angeführt. Post operationem stieg die
Mittelcapacität von 821 auf 1259. Das wäre anscheinend eine Ver-
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schlcchterung, bedenken wir aber, dass die Totalcapacität von 1071 auf
2048 zugenommen hat und die Alittelcapacität jetzt nunmehr 61,5 pCt.
beträgt, so sehen wir, dass wir es hier mit einem zahlenmässig abmess¬
baren günstigen therapeutischen Effect zu thun haben, denn die Luft¬
füllung vertheilte sich im Gegensatz zum Zustand vor der Operation auf
beide Lungen. Dies beweist die Abnahme der Athemzahl von 44 auf 27,
und die Zunahme der Atheratiefe von 280 auf 418. Der Fall ist in
jeder Beziehung sehr lehrreich, denn er demonstrirt nicht nur den Effect,
den wir durch die Entfaltung der comprimirten Lunge erzielt haben,
sondern er zeigt uns noch als viel Interessanteres, inwiefern die eine
Lunge die Function beider Lungen nicht nur respiratorisch, sondern auch
circulatorisch zu ersetzen im Stande ist. Mutatis mutandis zeigen uns
noch dieselben Verhältnisse die Fälle No. 14 und 17. Beim Fall 17,
einem 29jährigen kräftigen Manne, bestand eine bis zum 5. Wirbel hinauf¬
reichende pleuritische Exsudation, und wir finden dementsprechend eine
Mittelcapacität von 71,8 pCt. der Totalcapacität. Auch hier finden wir
die geringen absoluten Werthe von 3841 ccm Totalcapacität bei einer
Höhe von 172 cm mit als einen Beweis dafür, dass fast das ganze
Athemgeschäft nur von der einen Lunge geleistet wurde. Einen der
extremsten Werthe liefert der Fall 17 von 79,1 pCt. Mittelcapacität. Bei
diesem Kranken complicirte sich noch die Pleuritis mit Myocarditis und
Pericarditis. Dass bei all diesen gravirenden Momenten, wobei nicht das
Alter von 55 Jahren zu vergessen ist, der grösstmöglichste Mittellage¬
werth sich zeigt, ist leicht nach den obigen Auseinandersetzungen zu
erklären.
Nicht ganz klar sind die Befunde bei den zwei Kranken mit Lungen¬
tumoren in den Versuchen No. 16 und 17. In beiden sind zwar die
Lungenvolumina klein, als Beweis für die Einschränkung der respira¬
torischen Oberfläche, aber in keinem der beiden Fälle waren die Tumoren,
die sowohl klinisch wie röntgenologisch und beim Fall 17 auch durch
Section festgestellt wurden, so gross, dass sie das Lungengewebe in einer,
die hohen Mittelcapacitätswerthe rechtfertigenden Weise coraprimirt hätten.
Hier sind gewiss noch andere Momente im Spiel, die wir jetzt nicht
übersehen können. Von einer höhergradigen circulatorischen Schädigung
war zur Zeit der Untersuchung auch noch keine Rede. Beim Fall 18,
wo durch tuberculöse Processe ein Oberlappen zu Grunde gegangen war,
ist der Werth von 70 pCt. durch die circulatorische Schwäche, die bei
dem Patienten entschieden vorhanden ist, erklärt. Die tuberculöse
Infiltration der Lunge schädigt das Herz theilweise dadurch, dass
sie einen grossen Widerstand für den Kreislauf bildet, theils schädigt
die Tuberculöse als solche das Myocard. Das Zusammenwirken
dieser beiden Factoren ruft dann reflectorisch die Erhöhung der Mittel¬
lage hervor.
Aus den mannigfachsten Gesichtspunkten ist der respiratorische Be¬
fund bei den Bechterew-Kranken bemerkenswerth. Beim Gesunden
besitzt die Lunge einen ausreichend grossen Spielraum für die circula¬
torische Anpassung der Lunge, beim BechterewKranken sehen wir diesen
Spielraum sehr eingeengt, und darin liegt die Bedeutung der respi-
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221
ratorischen Grössenverhältnisse für diese Kranken. Sie sind
einer grösseren, körperlichen Anstrengung nicht fähig, weil
sie durch Erhöhung ihres Donders’schen Druckes der Circu-
lation nicht zu Hilfe kommen können. Vielleicht ist noch ein
Umstand, der erschwerend mitspielt. Die Lunge athraet nämlich in diesen
Fällen nur vermöge der ausschliesslichen Zwerchfellrespiration in ihren
unteren Abschnitten. Hier werden durch die Inspiration die Lungen¬
alveolen dermaassen gedehnt, dass das ßlut, das diesem Mechanismus
entsprechend hierher in grösseren Massen strömt, vollkommen arterialisirt
wird. In den oberen, wenig gedehnten, ja sogar comprimirten
Theilen müssen die Verhältnisse für die Aufnahme und die
Diffusion der Gase viel ungünstiger liegen, denn es wird erstens
zu den oberen Lungenabschnitten weniger Blut fliessen, zweitens
wird diesen Theilen weniger Luft zugeführt und drittens wird
die Gasaufnahme und -Abgabe durch die wenig gespannten
Alveolarsepta erschwert sein. Lauter Factoren, die zu einer respi¬
ratorischen Insufficienz, wie wir sie bei diesen Kranken thatsächlich stets
finden können, führen müssen. Da sich sämmtliche respiratorische
Grössen gleichmässig verringern, finden wir selbstverständlich in den
Verhältnisszahlcn der einzelnen Componenten zu den anderen keine Ver¬
schiebung gegen die Normalzahlen. Wir finden also das Verhältnis der
Residualluft zu der Vital-, Total- und Mittelcapacität normal und ebenso
steht es mit der Relation der Mittelcapacität zur Totalcapacität und der
Reserveluft zur Vitalcapacität.
Da sich die Patienten im Liegen schlecht fühlen und im Sitzen und
Stehen freier athmen, so war es ganz interessant, die respiratorischen
Verhältnisse in verschiedenen Körperlagen zu studiren. Es ergaben sich
bei dieser Untersuchung bei den zwei Fällen No. 20 und 19 folgende
Werthe:
Tabelle 12. (Fall 20.)
Respiratorisches
Volumen
Comple-
mentärluft
Reserve¬
luft
Vital¬
capacität
Sitzend ....
650
900
800
1700
Stehend....
580
900
800
1700
Liegend....
550
800
220
1020
Tabelle 13. (Fall 19.)
Respiratorisches
Volumen
Comple-
mentärluft
Reserve¬
luft
Vital¬
capacität
Sitzend.
600
810
770
1580
Stehend .
680
850
800
1650
Liegend.
350
1070
510
1580
In der Arbeit stehend . . .
700
—
—
—
Nach der Arbeit stehend. .
550
750
600
1350
Besonders ist, wie wir sehen, die Reserveluft im Liegen verringert.
Wenn wir in Betracht ziehen, dass auch das respiratorische Volumen im
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Liegen kleiner wird, so können wir als sicher annehmen, dass im Liegen
die Exspiration nur unvollkommen erfolgen kann, was uns bei dem be¬
schriebenen Athmungsmechanismus des starr in Exspirationsstellung
fixirten Thorax nicht wundern kann.
Die Bechterew-Kranken zeigen uns, in welchem Maassc das Zwerchfell
allein die respiratorische Function versorgen kann. Es war also weiterhin
interessant zu erfahren, wie die Verhältnisse liegen, wenn das Zwerch¬
fell von der Athmung ausgeschaltet ist und nur der Thorax
allein die Athmungsbewegung ausführt. Wir waren in der Lage,
den Antheil der thoracalen und der Zwerchfellathmung an der Respiration
bei demselben Individuum zu untersuchen. Es zeigte sich ein Mann
in unserer Klinik, der durch langjährige Uebung es erlernt hatte, seine
Muskeln gesondert, willkürlich zu contrahiren. Dieser Mann konnte das
eine Mal sein Zwerchfell absolut ruhig stellen und nur mit dem Brust¬
korb athmen, das andere Mal seinen Thorax ruhig halten und nur mit
dem Zwerchfell athmen. Die Versuchsergebnisse waren in diesem Falle
folgende:
Tabelle 14.
Normal
I
Zwerch¬
fell¬
athmung
11
Thorax-
atbmung
Summa
von
i + ii
Bei Zwerch-
fellathmung
in pCt.
der Summe
Bei thoracaler
Athmung
in pCt.
der Summe
Complementär’
Iuft ....
2600
980
1400
2380
41
59
Reserveluft . .
1600
600
1080
1080
35
65
Vitalcapacität.
4200
1580
2480
4060
38
62
Die Normalwerthe entsprechen bei diesem Fall Zahlen, die wir beim
gesunden mittelgrossen Manne zu finden pflegen. Die Wertho bei der
Zwerchfellathmung entsprechen im Grossen denjenigen, die wir bei den
Bechterew-Kranken ermittelt haben, in äusserst prägnanter Weise. Wie
wir aus der Zusammenstellung ersehen können, ist die reine thoracale
Athmung leistungsfähiger als die Zwerchfellathmung. So sehen wir,
dass bei der Zwerchfellathmung die Complementärluft 41, die
Reserveluft 35 pCt. der Athmung bei Functionen sämmtlicher
Athmungsmuskeln ausmacht, dass also der Bechterew-Kranke be¬
züglich der Respiration schlechter daran ist, als ein Kranker mit totaler
Lähmung des Diaphragmas.
Zu ähnlichem Resultate ist Huttkranz 1 ) gekommen, der einen
Menschen in ein starrwandiges Gefäss setzte und die respiratorischen
Ober- und Unterleibbewegungen durch luftdichtes Abschliessen isolirt
registrirte. Diese Versuche zeigten, dass von 490 ccm Respirations¬
volumen 300 ccm auf die Thoraxerweiterung und 170 ccm auf die
Zwerchfellathmung fallen; also es besteht ein Verhältniss von 66:34
gegen unsere Feststellungen der Vitalcapacität von 62 : 38.
1) Huttkranz, Med. Centralbl. 1890. S. 226.
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223
Was den respiratorischen Stoffwechsel bei der Wirbel- und
Rippenversteifung anlangt, so finden wir die Ergebnisse der beiden Kranken¬
untersuchungen in der Tabelle 15 zusammengestellt.
Tabelle 15.
Bechterew
Dystrophia
musculorum
progressiva
Fall 20
am
10. 2. 1910
Fall 21
am
23. 2.1911
Fall 19
Atemvolumen pro Min.
5905
3638
4440
6903
C0 2 -Production pro Min.
C0 2 -Production pro Min. nach
kg
152,4
175,1
131,0
183,0
Körpergewicht.
2,82
3,40
2,27
2,03
0 2 -Verbrauch pro Min.
0 2 -Verb rauch pro Min. nach
kg
188,4
184,9
168,0
219,0
Körpergewicht.
3,49
3,59
2,89
2,43
Respiratorischer Quotient . . .
0,808
0,947
0,785
0,836
0 2 in der AusathmuDgsluft . . .
17,74
15,88
17,15
17,79
Wir können aus der Tabelle zunächst entnehmen, dass das Athem-
volumen gegen 6 bis 8 Liter der Norm mit 5,9 resp. 3,6 und 4,4 Litern
wesentlich geringer ist. Auffallend ist bei dem Fall 20, dass während
eines Jahres mit fortschreitender Krankheit das Athemvolumen um
fast ein Drittel abgenommen hat, was in dem Sinken der alveolaren
Sauerstoiftension ihren besonderen Ausdruck findet. Auffallend ist
weiterhin, dass diese Yolumabnahme sich bei annähernd gleichem
SauerstolTverbrauch des Körpers eingestellt hat. Wir finden einen
Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Minute von 3,49 und nach
einem Jahre von 3,59 ccm. Auf die Veränderungen der Kohlen-
säureproduction hier näher einzugehen, fällt aus dem Rahmen unserer
Betrachtungen und wir beschränken uns hier nur auf die kurze Be¬
merkung, dass es sich wohl in unserem Versuch vorwiegend um Kohle-
bydratverbrennung handelt, worauf der hohe respiratorische Quotient von
0,9 hinweist. Eine nähere Besprechung erheischt hingegen der verhältniss-
mässig geringe Sauerstoffverbrauch, der in Fall 19 noch mehr ausgeprägt
ist. Die Frage des normalen Sauerstoffverbrauchs ist wenig geklärt.
Sicher ist es, dass wir bei durchaus normalen Individuen einen Sauer¬
stoffverbrauch finden können, der sogar noch kleiner sein kann, als wir
es in unseren Fällen gefunden haben. In meinen diesbezüglich unter¬
suchten Normalfällen (1. c.) fand ich in Uebereinstimmung mit anderen
Forschern einen mittleren Sauerstoffverbrauch von 4,2 ccm pro Kilogramm
Körpergewicht. Menschen, die unter 4 ccm pro Kilogramm verbrauchen,
sind Ausnahmen. Wenn wir also constant niedrige Zahlen und im
Fall 19 sogar die Zahl von 2,89 ccm pro Kilogramm Körpergewicht finden,
so müssen wir dafür einen Grund suchen. Dieser Grund ist nicht schwer
zu finden, wenn wir. mit Zuntz annehmen, dass der Sauerstoffverbrauch
mit der Muskelmasse des Individuums in engem Zusammenhänge steht.
Bei der Bechterew’schen Krankheit werden theils durch die knöcherne
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Fixation des Rückgrates diejenigen Muskeln ausser Thätigkeit gesetzt
resp. einer Inactivitätsatrophie verfallen, die sonst die Wirbelsäule in
verschiedenen Lagen fixiren, theils aber werden auch Muskeln der Atrophie
anheim fallen, die durch die Compression resp. Entzündung der dazu
gehörigen Nerven eine trophische Störung erleiden. Auch durch die ver¬
änderten statischen Verhältnisse des Körpers werden im Gebiete der
contracturirten Gelenke die antagonistischen Muskelgruppen atrophiren.
Eine weitere Reduction der Muskelmasse wird durch die Fixation des
Thorax zu Stande kommen müssen. Die Thoraxmusculatur finden wir
in jedem Falle von ßechterew’scher Erkrankung bis auf ein Minimum
geschwunden. Die Atrophie der Muskelmasse können wir also un¬
gezwungen zur Erklärung des geringen Sauerstoffbedürfnisses
des Organismus heranziehen. Aber es kommt noch ein wesent¬
licher Factor hinzu, der diese Verhältnisse unserem Verständnisse näher
bringt. Ich konnte zeigen, dass die Athmungsarbeit beim gesunden
Menschen 15 mkg pro Minute ausmacht. Nun sehen wir gerade die
Athmungsarbeit bei unserem Kranken auf ein Minimum re-
ducirt; reducirt in der Thätigkeit der Respirationsmuskeln,
reducirt in dem Athemvolumen und schliesslich reducirt be¬
züglich der Respirationsfrequenz. Es ist somit, wie wir sehen,
für die Einschränkung des Sauerstoffbedürfnisses bei der Bechterew’schen
Erkrankung eine ausreichende Erklärung gefunden. Zur weiteren Er¬
örterung dieser Annahme habe ich in dem letzten Stab der Tabelle 15
noch einen Fall angeführt (No. 27), der als Pendant zu der Bechterew¬
schen Krankheit in dieser Beziehung dienen kann. Es handelte sich um
einen Fall von Dystrophia musculorum progressiva. Die Krankheit
war bei dem Versuchsindividuum bereits in einem sehr vorgeschrittenen
Stadium, die grössten Muskeln des Oberkörpers waren schon in binde¬
gewebige Massen verwandelt. Auch in diesem Falle war der Sauerstoff¬
verbrauch, wie wir es garnicht anders erwarten konnten, minimal, er
betrug 2,43 ccm pro Körperkilogramm.
Tabelle 16.
Fall 20
am
10. 2.1910
Fall 21
am
23.2. 1911
Fall 19
Alveoläre Sauerstoffspannung in mm Hg.
117,1
95,9
109,0
Sauerstoffcapacität des Blutes in Vol.-pCt.
13,6
17,6
15,1
Sauerstoffgehalt des Arterienblutes in Vol.-pCt.. .
13,2
17,0
14,8
Sauerstoffspannung des venösen Blutes in mm Hg
37,5
31,55
38,32
Kohlensäurespannung des venösen Blutes in mm Hg
42,78
42,93
41,54
O a -Gehalt des venösen Blutes in pCt. d. 0 2 -Capacität
60
50
63
0 2 -Gehalt des venösen Blutes in Vol.-pCt.
8,11
8,8
9,51
0 2 -Verbrauch des Körpers pro Min.
188,4
184,9
168,0
Blut-Minutenvolumen in ccm.
3679
2254
3168
Blut-Minutenvolumen in pCt. des Körpergewichts
0,68
0,51
0,54
Herzschlagvolumen in ccm.
61.3
32,2
46,5
Herzschlagvolumen in pCt. des Körpergewichts . .
1,13
0,62
0,80
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Die pathologische Physiologie des Longenvolamens etc. 225
An der Hand der Tabelle 16 wollen wir die circulatorischen
Verhältnisse bei unseren Kranken einer näheren Besprechung unter¬
ziehen.
Die Sauerstoffcapacität wurde mit meinem Kolbenkeilhämo¬
globinometer bestimmt. Sowohl der Fall 20 wie der Fall 21 zeigen
ira Vergleich zur Normalzahl von 18,5 Vol.-pCt. 0 2 -Capacität einen nie¬
drigeren Werth. Auffallend ist, dass die Sauerstoffcapacität bei dem
Fall 20 während eines Jahres, in welcher Zeit sich der Krankheitszustand
wesentlich verschlimmert hatte, von 13,6 auf 17,6 gestiegen ist. Auf
die Bedeutung dieser merkwürdigen Thatsachen müssen wir noch zurück¬
kommen. Was die Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes anlangt, so
war diese entsprechend der alveolären Sauerstofftension zu 98 pCt. der
Sauerstoffcapacität erfolgt, nur bei der letzteren Untersuchung des Falles
(21) ergab die Sättigung 96 pCt.
Der Sauerstoffgehalt des venösen Blutes ist durchweg kleiner als bei
Gesunden, ja er ist so niedrig, dass wir kaum bei einer anderen Krank¬
heit ähnlich tiefe Zahlen finden können. Wir finden einen Sauerstoffgehalt
im venösen Blute, der nur 60 resp. 50 und 63 pCt. der Sauerstoffcapa¬
cität beträgt. Es besteht bei der Bechterew’schen Krankheit kein ein¬
ziger Hinweis für eine Veränderung des Chemismus des Blutes. Sowohl
morphologisch, wie biologisch und chemisch konnte bisher die Unter¬
suchung des Blutes solcher Kranken keine Veränderung zeigen, und wir
müssen deshalb die Zahlen des Blutsauerstoffgehaltes, die laut der Disso-
ciationscurve auf Grund der experimentell festgestellten Werthe für die
Sauerstoff- und Kohlensäurespannung gefunden wurden, als richtig gelten
lassen. Die Sauerstoff- und Kohlensäurespannung im venösen Blute ist
mittels meiner Sackmethode bestimmt worden. Es handelt sich bei diesem
Verfahren kurz um Folgendes: Es wird in einen mit reinem Stickstoff
gefüllten, 15 Liter fassenden Gummisack geathmet. Durch die ersten
Athemzüge wird die Lunge mit Stickstoff ausgewaschen, und nun wird
nach starker Inspiration durch einen Dreiweghahn der grosse Gummisack
aus- und ein kleiner, 3 Liter fassender, zunächst leerer Gummisack ein¬
geschaltet, in den nunmehr der Stickstoff ein- und ausgeathmet wird. In
diesem kleinen Sack wird sich nach einer Weile nicht nur Stickstoff,
sondern auch Kohlensäure und auch Sauerstoff befinden, welch’ letztere
Gase von dem, den Lungen zuströmenden Mischblute des rechten Herzens
abgegeben werden. Diese Abgabe des Sauerstoffes und der Kohlensäure
kann nur so lange erfolgen, bis Spannungsgleichgewicht zwischen den
Gasen im ßespirationssack und dem Lungenblute eingetreten ist. Wir
werden also aus der Analyse der Sackluft auf Grund der Dissociations-
curve des Sauerstoffes für das Hämoglobin den Gasgehalt des venösen Misch¬
blutes ohne Weiteres feststellen können. Gegen dieses Verfahren sind
nur von der v. Noorden’schen Schule Bedenken ausgesprochen worden.
Ich habe in einer Erwiderung 1 ) auf die Ein wände geantwortet und kann
zu meiner Genugthuung erwähnen, dass die v. Noorden’sche Schule
1) Plesch, Deutsches Arch. f. klin. Med. 1910.
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226 Johann Plesch,
seither selbst meine Methode in zwei grösseren Arbeiten benutzt hat 1 ).
Wir können also heute die auf Grund der geschilderten Untersuchungs¬
methode gewonnenen Werthe als zuverlässig betrachten. Sei dem aber
wie ihm wolle, eines ist sicher, dass die bei den Bechterewschen
Kranken gefundenen Werthe um ca. 25 pCt. niedriger liegen als in der
Norm. Der Gesunde zeigt eine Sauerstoffausnutzung des arteriellen Blutes
von 30 pCt. und wir finden in unseren Fällen eine solche von 40 und
50 pCt. Es weist dies darauf hin, dass hier die circulatorischc Ge¬
schwindigkeit sehr abgenommen hat. Das Blut verweilt längere Zeit in
den Capillaren, so dass die Gewebe mehr Sauerstoff aus dem Blute auf¬
nehmen, als bei gewölmlicher oder beschleunigter Circulation. Da wir
bei fortschreitender Krankheit den Sauerstoffgehalt des venösen Blutes
von 60 auf 50 pCt. abfallen sehen, so muss für diese Veränderung die
Krankheit selbst verantwortlich gemacht werden, und wir müssen in den
übrigen Krankheitserscheinungen dafür den Grund finden. Die respira¬
torischen Verhältnisse weisen deutlich darauf hin, dass die Ausdehnung
resp. Entfaltung der Lunge nur sehr mangelhaft vor sich geht und somit
der Donders’sche intrathoracale Druck weder die Höhe, noch die Aus¬
breitung finden wird, wie bei der normalen Athcmfunction. Daraus folgt
aber, dass das venöse Blut nur schwer nach dem rechten Herzen gesaugt
wird. Es muss demzufolge eine Stauung im venösen Abschnitte der
Gefässe und des Herzens rcsultiren, als dessen Folge die Strömungs¬
geschwindigkeit abnehmen wird. Da jeder Ausfall eines circulatorischcn
Factors das Einsetzen von compensatorischen Einrichtungen nach sich
zieht, so werden wir diese auch in unserem speciellen Fall finden müssen.
Wir finden die gesaramte Circulation in den Fällen von Wirbel¬
versteifung eingeschränkt, denn nur so ist es möglich, dass das
Herz seiner Aufgabe, den Organismus mit Sauerstoff zu versorgen, ent¬
sprechen kann. Sowohl das Minutenvolumen wie das Herzschlag-
volumon nimmt bei den Kranken ab.
Wir berechnen das Minutenvolumen auf einfache und, wie ich glaube,
einwandfreie Weise aus folgenden drei Factoren: 1. aus dem Sauerstoff¬
gehalt des arteriellen Blutes; 2. aus dem Sauerstoffgehalt des venösen
Blutes; 3. aus dem Sauerstoffverbrauch des ganzen Körpers. Die Diffe¬
renz zwischen dem Sauerstoffgehalt des arteriellen und venösen Blutes
ist gleich demjenigen Quantum Sauerstoff, das durch die Respiration ersetzt
wird. Kennen wir also das pro Zeiteinheit verbrauchte Sauerstoffquantum
und diejenige Menge Sauerstoff, die nöthig ist, um ein bestimmtes Vo¬
lumen venösen Blutes zu arterialisiren, so werden wir aus diesen Daten
durch einfache Proportion die in der Zeiteinheit uragelaufene Blutmenge
berechnen, d. h. das Minutenvolumen ermitteln können. Ist M = Minuten¬
volumen des Blutes, D = die Differenz an Sauerstoffgehalt • des arte¬
riellen und venösen Blutes in Volumprocenten ausgedrückt und S = der
1) Vergl. P. Porges, A. Leimdörfer und E. Markovici, Ueber die Regu¬
lation der Athmung in pathologischen Zuständen. Wiener klin. Wochenschr. 1910.
No. 40. S. 1406 u. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 73. H. 5 u. 6.
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
227
Sauerstoffverbrauch des Körpers pro Minute, so verhält sich M : S =
100 : D, d. h. M = s jJ 00
Wenn wir das Minutenvolumen durch die Zahl der Pulsschläge divi-
diron, so erhalten wir das Herzschlagvolumen.
Der Fall 20 zeigt bei der ersten Untersuchung ein Minutenvo¬
lumen von 3679 und bei der zweiten Untersuchung ein solches von
2254. Der Fall 19 zeigt ebenfalls die niedrige Zahl von 3168. In der
Norm finden wir die Zahl von 4300 ccm. — Es ist somit das Minuten-
voluraen bei den Bechterew’schen Kranken um 1 / i und mehr verringert.
Aehnlich liegen die Verhältnisse' bezüglich des Herzschlagvolumens.
Auch hier finden wir niedere Werthe von 61,3 bezw. 32,2 und 46,5 ccm.
Die Erleichterung der circulatorischen Arbeit des Herzens kann von
jedem einzelnen Factor, von dem die Grösse des Minuten- bezw. des
Herzschlagvolumens bestimmt wird, erfolgen. Je geringer der Sauerstoff¬
bedarf des Organismus ist, um so kleiner wird ceteris paribus die in der
Minute umgesetzte Blutmenge zu sein brauchen. Je grösser die Sauer¬
stofftransportfähigkeit des Blutes ist, in um so kleinerem Volumen wird
der nötige Sauerstoff zu den Geweben transportirt werden können. Je
besser die Ausnützung des arteriellen Sauerstoffes in den Geweben er¬
folgt, ein um so geringeres Blutquantum wird genügen, um den Sauer¬
stoffbedarf des Körpers zu decken. Wir finden bei unseren Kranken
einen Sauerstoffbedarf des Körpers, der als minimal zu bezeichnen ist,
und eine Sauerstoffausnützung des venösen Blutes, welche die Werthe
aufweist, wie sie tiefer kaum bei einer anderen Krankheit zu finden sind.
Es ist schwer zu sagen, ob wir es hier mit einer Compensation oder
mit einer Folge der Erkrankung zu thun haben. Nach unseren Aus¬
führungen werden wir eher geneigt sein, das Letztere anzunehmen, und
es ist gar kein Zweifel, dass sowohl die tiefere Sauerstoffausnützung des
arteriellen Blutes, wie die Einschränkung des Sauerstoffverbrauches theil-
weise durch die Krankheit bedingt sind, aber es weisen die Zahlen, die
wir bei dem Fall 20 gefunden haben, darauf hin, dass hier auch Com-
pensationen eine gewisse Rolle spielen. Besonders zeigt dies die Zu¬
nahme der Sauerstoffcapacität von 13,2 auf 17,6 Vol.-pCt. Wir wissen,
dass bei jeglicher Einschränkung der respiratorischen, sowie der circu¬
latorischen Function eine compensatorische Hyperglobulie entsteht. Es
ist gezeigt worden, dass mit dem Fortschreiten der Krankheit sowohl die
Respiration, wie auch die Circulation gelitten hat, und wir können somit
die Zunahme der Sauerstoffcapacität des Blutes als eine Compensation
betrachten.
Die geschilderten Circulations- und Respirationsverhältnisse erklären
uns zur Genüge, warum die Patienten bei vollkommen ausgebildeter
Krankheit nicht an ihrer eigentlichen Krankheit, sondern an deren
Folgezuständen zu Grunde gehen, dass die letzte Ursache ihres
Todes die Imcompetenz der Athmung und des Kreislaufes ist.
Die Ausführungen zeigen uns auch die Wege, die wir bei einer rationellen
Therapie einzuschlagen haben. Unser Bestreben muss sein, die Fixation
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228
Johann Plesch,
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des Thorax zu verhindern, oder bei bereits starrem Thorax für die
Mobilisirung der Rippen, eventuell auf operativem Wege durch Resection
der hinteren Rippenenden, zu sorgen. Vor der Hand besitzen wir noch
kein Verfahren, dass diesen Anforderungen gerecht wird, und deshalb ist
die Prognose dieser Krankheit in Anbetracht des progredienten Verlaufs
schlecht.
Der Fall von Eventeratio diaphragmatica (25), wobei die linke
Thoraxhälfte zum grossen Theil mit Eingeweiden ausgefüllt war, zeigt
trotz der wesentlichen Einschränkung der respiratorischen Oberfläche nur
geringe Zunahme der Mittelcapacität.
Der Kranke No. 26 hatte eine totale rechtsseitige Zwerch¬
fellslähmung. Man sah am Röntgenschirm die charakteristische para¬
doxe Bewegung des Zwerchfells. Die Mittellage ist hier als normal gross
zu betrachten, sie beträgt 56 pCt. des Totalvolumens. Wir müssen in
diesem Falle annehmen, das hier die Einstellung der Mittellage von zwei
Momenten beeinflusst worden ist. Das eine Mal muss die Mittelcapacität
die Tendenz besitzen, zuzunehmen, um die ausgefallene Zwerchfellsbewegung
zu compensiren, andererseits dürfte die Mittellago gezwungen sein, abzu¬
nehmen, um nicht durch den erhöhten inspiratorischen Donders’schen
Druck das Zwerchfell noch höher zu ziehen und so die Circulation zu
hindern.
Die Dystrophia musculorum progressiva (No. 27) zeigt eher
eine kleine Mittelcapacität, sie beträgt 47 pCt. des Totalvolumens. Wenn
wir den Grund dieser kleinen Mittellage suchen, so könnten wir es wohl
auch auf circulatorische Verhältnisse zurückzuführen, indem wir einfach
behaupten würden, die Circulation bezw. der kleine Kreislauf hatte eine
höhere Einstellung nicht nöthig. Dem ist aber nicht so, schon dem
Alter von 57 Jahren entspräche eine höhere Mittellage und ausserdem
bestand noch eine gewisse Kreislaufschwäche bei dem Patienten, der
übrigens ein Jahr nach der Untersuchung wegen Kreislaufinsufficienz in
der Klinik gepflegt wurde. Wir haben schon kurz erwähnt, dass die
Einstellung einer respiratorischen Mittellage eine gewisse inspiratorische
Thoraxstellung beansprucht, die durch einen Muskeltonus der Respirations-
musculatur aufrecht erhalten wird. Je höher die Mittellage ist, um so
mehr muss der inspiratorische Muskeltonus dem elastischen Zug des
Thorax Widerstand leisten. Wir werden also bei einer erhöhten Mittel¬
lage mit einer erhöhten Muskelarbeit zu rechnen haben. Nun hat aber
die Muskelatrophie bei dem in Frage stehenden Kranken schon auf die
Respirationsmusculatur übergegriffen, und so geschah, was zu erwarten
war, dass sich die Mittelcapacität verringert hat. Es ist natürlich sehr
schwer zu sagen, ob die Herzschädigung im directen Zusammenhang
mit dem Grundleiden des Kranken steht, oder ob die Herzmuskel¬
schwäche eine dirccte Folge der respiratorischen accommodativen In-
sufficienz ist.
Bei der Cirrhosis hepatis wäre von vorne herein eine hohe Mittel¬
capacität zu erwarten gewesen, da man doch für die Stauung in dem
Bereich der unteren Hohlader eine grössere Ansaugung für günstig er¬
achten muss. Demgegenüber zeigt uns die ermittelte Zahl von 51,5 pCt.
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc. 229
ein Volumen, welches in unserer ganzen Versuchsreihe mit die kleinste
ist. Der Ascites wirkt allerdings in der Weise, dass die Baucheingeweide
gegen das Zwerchfell gehoben werden, daraus resultirt ein Hochstand
des Diaphragmas, was wieder seinerseits die Compression der Lungen
nach sich zieht. In der That finden wir bei dem sehr hohen Manne von
178 cm Höhe nur ein Totalvolumen von 4823 ccm. Wir müssen die
Frage offen lassen, ob in diesem Falle die Compression der Lungen die
kleine Mittellage verursacht hat, oder ob eben die kleine Mittelcapacität
auch hier eine reflectorische ist.
Der Fall 29 von Polycythämie zeigt recht eigenartige Verhältnisse.
Die Untersuchung erstreckte sich sowohl auf den Ruhezustand, wie auch
auf die Verhältnisse nach ausgiebiger Muskelarbeit (Tab. 18). Auffallend ist
in diesem Falle die grosse Mittelcapacität von 75pCt. der Totalcapacität,
ein Werth der wohl nahe der oberen Grenze der von uns ermittelten
Werthe liegt. Einen Grund für diese hohe Zahl können wir in einer
Herzschwäche nicht finden. Es bestand von Seiten der Circulation kein
klinisches Symptom, welches auf eine Schwäche des Herzens hingedeutet
hätte. Wir müssen also für diesen Fall eine andere Ursache des so ge¬
waltig erhöhter^ Donders’schen Druckes suchen und, wie ich glaube,
können wir dafür die Viscosität des Blutes verantwortlich machen. Für
die Rückströraung des Blutes aus den Capillaren wie es aus der, in
meinen hämodynamisehen Studien ausführlich erörterten Formel hervor¬
geht, ist die Viscosität des Blutes von grosser Bedeutung.
Tabelle 17.
Puls
Athem-
volumen
l
Residualluft |
Reserveluft
Comple-
mentärluft
Mittel¬
capacität
Total¬
capacität
Vital-
capacität
Mittel¬
capacität in
pCt. der
Total¬
capacität
Ruhe.
92
80
500
680
1697
1640
1620
1600
1100
1400
3317
3240
4417
4640
2720
3000
75,1
65,5
Arbeit. ....
Die Formel, nach welcher wir die translatorische Strömungsgeschwin¬
digkeit berechnen können, lautet: v = —— 7r , in welcher das
Secundenblutvolumen, Z den Zeitantheil der Systole an einer Herzrevo¬
lution und Q den Gefässquerschnitt bedeutet. Es ist klar, dass die
Strömungsarbeit mit der Verengerung der Gefässlumina zunehmen muss.
Durch Untersuchungen von Bence 1 ), Münzer 2 ), Umber 3 ) wissen wir,
dass das Blut der Polycythämiker eine bis zum Vierfachen gesteigerte
Viscosität besitzt. Die dunkelrothe Färbung der Polycythämiker ist nicht
auf eine Plethora vera zurückzuführen; die von mir untersuchten Fälle
zeigen zwar theilweise eine Zunahme des Blutvolumens, aber diese ist
nicht erheblich, und ich fand bei viel erheblicheren Blutmengeuzunahmen
1) Bence, Zeitschr. f. klin. Med. 1906. Bd. 58.
2) Münzer, Münch, med. Wochenschr. 1908.
3) Umber, Deutsobe med. Wochenschr. 1909. No. 48. S. 247.
Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd. jq
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230
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keine ähnliche Färbung. Unser Fall hatte übrigens eine Blutmenge
von 5,2 pCt., also eine Menge, die kaum die normale Höhe erreicht, und
die Patientin hatte trotzdem eine sehr auffallende Erythrose. Senator
giebt für diese Erscheinung in seiner Monographie keine Erklärung. Ich
glaube, dass wir es hier mit einer Erweiterung der Capillarcn zu thun haben,
die als eine Compensation für die erschwerte Blutströmung aufzufassen ist.
Nur in diesem Sinne können wir auch die so erheblich vergrösserte Mittellage
unseres Falles erklären. Die Capillaren des kleinen Kreislaufes wurden durch
die erhöhte intrathoracale Druckdifferenz erweitert, um auf diese Weise die
Strömung im kleinen Kreislauf zu erleichtern. Wir haben es also in diesem
Falle wieder mit einem zweckmässigen Reflex zu thun, der aber hier einer¬
seits dazu dient, die Rückströmung des Blutes aus den Capillaren zu er¬
leichtern, andererseits die Blutströmung im kleinen Kreislauf zu fördern.
Die paradoxe Aenderung der Mittelcapacität nach körperlicher Arbeit
bei demselben Falle No. 29 (Tab. 17) von Polycythämie steht scheinbar mit
dem Gesagten in Widerspruch. Wir finden, dass sich die Mittelcapacität
nach Muskelanstrengung — statt sich, so wie dies bei Gesunden der Fall ist,
zu vergrössern — im Gegentheil verkleinert; sie fiel von 75,1 pCt. auf
65,5 pCt. Es ist dies nicht das einzige paradoxe Symptom, denn z. B.
fiel auch der Puls von 92 auf 88 in der Minute. Es ist hier nicht der
Platz, auf die circulatorischen Einzelheiten bei der Polycythämie einzu¬
gehen. Ich habe dies ausführlich an anderem Orte gemeinsam mit v. Berg¬
mann 1 ) ausgeführt, hier sei nur darauf hingewiesen, dass auch dieser
Befund bei näherer Betrachtung nicht unseren früheren Erörterungen
widerspricht. Es giebt gewisse Leute mit Polyglobulie, die ihren arteriellen
Sauerstoff nur wenig ausnützen — und unsere Patientin gehört zu dieser
Gruppe —, denn das arterielle Blut wird nur zu 18 pCt. gegen 30 bis
35 pCt. der Norm während eines Kreislaufes ausgenützt. Bei körper¬
licher Anstrengung kann somit der Sauerstoffmehrbedarf einfach dadurch
gedeckt werden, dass der arterielle Sauerstoff mehr ausgenützt wird,
ohne die Herzthätigkeit in irgend einer Weise in Anspruch zu nehmen.
Dieser Umstand reicht nicht aus, um unseren Befund zu erklären, wenn
wir nur den proccntischcn Antheil der Mittelcapacität an der Total-
capacität für unsere Betrachtungen als Richtschnur nehmen. Wenn wir
hingegen die einzelnen Werthe der Lungen Volumina betrachten,
so klärt sich der Widerspruch auf, denn wir finden auch in der Arbeit
durchaus Werthe, die mit den Ruhezahlen übereinstimmen. Eine Aus¬
nahme macht die Complementärluft, die um 300 ccm zugenommen hat.
Dadurch allein verschiebt sich das Verhältniss zwischen Mittel¬
und Totalcapacität. Der Werth der Mittelcapacität ist eigent¬
lich in beiden Untersuchungen annähernd derselbe geblieben, und
zwar aus Gründen, die wahrscheinlich mit der besseren Ausnutzung des
arteriellen Sauerstoffes in Zusammenhang stehen.
Die Tabelle No. 18 umfasst die Fälle, bei denen eine Anämie bestand.
Wir wollen zunächst die Gründe, die zur Anämie führten, unbeachtet lassen.
1) v. Bergmann und Plesch, Ueber Polycythämie. Münch, med. Wochen¬
schrift. 1911. No. 35.
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
231
Tabelle 18.
Versuch No. !
i
Puls
Sauerstoffcapacit.
des Blutes
in Vol.-pCt.
Rothe Blutkör¬
perchen in Mill.
Respiratorisches
Volumen
Residualluft
Reserveluft
Complementär-
luft
Mittelcapacität
Vitalcapacität
Totalcapacität
Mittelcapacität
in pCt. der
Totalcapacität
31
92
4,0
_
429
1737
2030
835
3767
2865
4652
80,8
32
112
4,8
1,6
454
1547
1115
1251
2662
2366
3913
68,0
33
72
7,3
2,65
847
1248
1672
2085
2920
3757
5005
58,0
34
102
13,0
1,8
383
1930
1460
1960
3390
3420
5350
63,4
35
108
10,0
2,03
878
2210
700
2020
2910
2720
4930
59,0
Alle Fälle sind durch eine vergrösserte Mittelcapacität charakterisirt.
Es ist von vielen Autoren der Versuch gemacht worden, eine Er¬
klärung dafür zu geben, wie die Oxydation im anämischen Organismus
vor sich geht. Kraus 1 ) wies wohl als Erster darauf hin, und dieser
Versuch wurde von späteren Untersuchern vielfach bestätigt [Magnus-
Lcvy 2 ), Bohland und Meyer 3 ), Thiele und Nehring 4 ) etc.], dass die
an Hämoglobinarmuth leidenden Kranken, nicht, wie man a priori anzu¬
nehmen geneigt ist, einen verringerten Stoffwechsel haben, sondern dass
der Sauerstoffbedarf der Anämiker ein grösserer ist, als bei Gesunden.
Im Durchschnitt fand ich bei meinen Untersuchungen, dass die Anä¬
mischen um 20 pCt. grösseren Sauerstoffbedarf haben, als die
Gesunden. Es wurde von vielen Autoren untersucht, wie es das hämo-
globinarrae Blut fertig bringt, dem Organismus den Sauerstoff zuzuführen.
So stellte Mohr 5 ) Versuche an, ob nicht etwa das Hämoglobin der
Anämischen eine grössere Sauerstoffbindefähigkeit besitzt, als das normale
Hämoglobin. Mohr konnte in einigen Fällen eine grössere Sauerstoff¬
bindefähigkeit des Hämoglobins nachweisen, doch finden wir selbst in
Mohr’s Zahlen «keine strenge Proportionalität, d. h. es hat nicht immer
das anämische Hämoglobin die grössere Bindefähigkeit gezeigt. Die Be¬
funde Mohr’s konnte ich 6 ) nicht bestätigen. Morawitz und Röhmer 7 )
gingen bei ihren Untersuchungen von dem Gedanken aus, dass vielleicht
der arterielle Sauerstoffgehalt des Blutes bei den Anämischen besser aus¬
genutzt wird und dadurch die Compensation für die Hämoglobinarmuth
gegeben ist. Auch diese Untersuchungen fielen negativ aus. Nun konnte
ich durch meine Untersuchungen den Modus zeigen, durch welchen es
möglich wird, dass bei der Anämie der Verbrennungsprocess ohne Störung
der Sauerstoffzufuhr vor sich gehen kann. Es stellte sich heraus, dass es
1) Kraus, Die Ermüdung als Maass der Constitution. Bibi. mcd. D. I. H. 3.
2) Magnus-Levy, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 60.
3) Bohland und Meyer, Berl. klin. Wochenschr. 1893.
4) Thiele und Nehring, Arcb. f. klin. Med. Bd. 30. S. 41.
5) Mohr, Diese Zeitschr. Bd. 2. S. 435.
6) Plesch, 1. c. S. 147.
7) Morawitz und Röhmer, Ueber die Sauerstoffversorgung bei Anämie.
Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 94. S. 540.
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das vergrösscrte Minutenvoluraen ist, welches den Mangel an Hämoglobin
ersetzt. Konnte ich damals sagen, dass es nichts in der klinischen
Pathologie giebt, was mit dieser experimentellen in einer sehr grossen
Anzahl von Fällen festgestellten Thatsache in Widerspruch steht, so findet
dieser Satz durch das hier vorliegende experimentelle Material eine weitere
Unterstützung.
Die vergrösscrte Mittelcapacität, die wir durchwegs bei jedem einzelnen
Falle beobachten konnten, weist mit Sicherheit darauf hin, dass wir es
mit einer gesteigerten Circulationsarbeit zu thun haben. Auch hier hat
der erhöhte Donders’sche Druck einem doppelten Zwecke zu dienen;
das eine Mal der Beförderung des venösen Blutes zum Herzen, das andere
Mal der Erleichterung der Arbeit des rechten Herzens. Die ebenfalls
in allen Fällen deutliche Steigerung der Pulszahl weist auf eine erschwerte
und schwache Circulation hin und mit diesem Symptom parallel zeigt
die Mittellage, dass es die Circulation ist, die compensatorisch für die
Hämoglobinarmuth eintritt. In neuester Zeit hat Pütter diese meine
Ansicht bekämpft und auf Grund orthodiagraphischer Ausmessungen
Dietlen’s nachzuweisen versucht, dass es unmöglich ist, das Herz
leiste bei der Anämie oder in der Arbeit mehr, sondern dass der Sauer¬
stoff zum grössten Theil so, wie dies von Bohr angenommen wurde, in
den Lungen verbraucht wird und nicht vom Blute im Organismus ver¬
theilt wird. Es wäre gar kein Grund für die Erhöhung der Mittellage,
wenn dies der Fall wäre. Ich habe doch Eingangs dieses Capitels ge¬
zeigt, dass für die Oxydation und die Kohlensäureabgabe die Grösse
der Mittellage gleichgültig ist; für den Gasaustausch kommt hauptsächlich
das respiratorische Volumen resp. der Ventilationscoefficient in Betracht.
Wir haben bisher den gesetzraässigen Zusammenhang zwischen
Circulation und Mittellage feststellen können und wir werden dieses
Gesetz auch in unseren weiteren Ausführungen zu begründen suchen, so
dass wir selbst auf Grund der Analogie hier auch annehmen müssen,
dass die bei den Anämien gefundene grössere Mittelcapacität im engen
Zusammenhang mit der circulatorischen compensirenden Mehrarbeit des
Herzens steht. Die Richtigkeit dieser Annahme wird noch dadurch be¬
stätigt, dass die Aenderung der Mittellage nicht etwa von der Art der
Erkrankung, sondern von dem Grad der Anämie bestimmt wird.
Es ist selbstverständlich ausgeschlossen, eine absolute Proportionalität
zwischen der Höhe der Mittelcapacität und der Hämoglobinarmuth fest¬
zustellen, denn es wird sich doch die Mittellage auch nach der Herzkraft
reguliren. Bei einer acut aufgetretenen Anämie mit gut erhaltener Herz¬
kraft, wie es bei Anämien nach profusen Blutungen Vorkommen kann,
braucht die Mittellage selbst bei geringem Hämoglobingehalt nicht so
sehr zu steigen wie bei chronischen Anämien mit bereits geschädigtem,
ermüdetem Herzen. Es wird sich also nicht wie in einer mathematischen
Progression die Mittellage proportional der Hämoglobinarmuth oder Ab¬
nahme der rothen Blutkörperchenzahl kaum vergrössem. Am besten
zeigt das der Fall 34, der mit 13,0 Vol.-pCt. Sauerstoffcapacität eine
Mittellage von 63,4 pCt., gegen den Fall 33 mit 7,3 Vol.-pCt. Sauerstoff¬
capacität und 58 pCt. Mittelcapacität aufweist. Was wir auf Grund
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolamens etc.
233
unseres Zahlenmaterials sagen können, ist, dass die Mittellage ceteris
paribus mit der Verminderung des Hämoglobingehaltes pro¬
portional wächst und auch bei den Anämien das Gesetz der
Correlation zwischen Mittellage und Circulation besteht.
Die Lungenvolumenverhältnisse bei Nephritiden wurden bei 4 Fällen
untersucht und die Versuchsergebnisse sind in der Tabelle 19 zusammen¬
gestellt.
Tabelle 19.
Versuch No. |
Blutdruck
Respiratorisches
Volumen
3
75
3
HO
a>
«
Reserveluft
Complementär-
luft
Mittelcapacität !
i
Vitalcapacität
Totalcapacität
Mittel¬
capacität in
pCt. der
Total¬
capacität
Mini¬
mum
Maxi¬
mum
36
168
300
283
1900
1137
1816
3037
2953
4853
62,6
37
163
161
587
1110
511
1250
1621
1761
2871
56,4
38
74
118
578
1070
703
1220
1773
1923
2993
59,2
39
94
136
688
1340
598
2482
1946
3080
4428
43,0
Es sind in dieser Tabelle zwei Fälle, bei denen der arterielle Blut¬
druck hoch ist, und zwei Fälle, bei welchen der Blutdruck niedrig ist.
Wollten wir die Mittellage mit dem Blutdruck in Beziehung bringen, so
würde dies nur sehr gezwungen gelingen, denn wir sehen sowohl bei dem
Fall mit 300 mm Hg maximalem Blutdruck eine Mittellage von 62,6 pCt.,
wie auch bei dem Fall mit nur 118 mm Hg eine hohe Mittelcapacität
von nahezu 60 pCt. Theoretisch betrachtet, liegt sowohl bei der Ne¬
phritis parenchymatosa, wie auch bei der interstitiellen Nierenentzündung
kein Grund für eine Aenderung der Mittellage vor. Ist der Druck niedrig,
so ist der Kreislauf eo ipso nicht geschädigt und es wird somit die
Mittellage als circulatorischer Hilfsfactor nur in gleichem Maasse wie
beim Gesunden in Anspruch genommen. Besteht Hochdruckstauung, so
ist die Vis a tergo, wie dies gewissermaassen durch den minimalen Druck
seinen Ausdruck findet, selbst nach der Passage durch die Capillaren
noch genügend wirksam, um den venösen Strom in seinem Rückfluss
ohne besondere Beihilfe des Donders’schen Druckes zu fördern. Wenn
wir also bei den Nephritiskranken so differente Werthe erhalten, wie in
unseren Fällen, so sind die ermittelten Grössen der respiratorischen Vo¬
lumina nicht durch die Nephritis sensu strictiori zu erklären, sondern
werden höchstwahrscheinlich stets durch andere bei dem betreffenden In¬
dividuum bestehende Umstände bedingt sein. Auf Grund unseres Ver¬
suchsmaterials können wir keinen directcn Einfluss der Nephritis
auf die Grösse der Mittelcapacität feststellen.
Eine specielle Besprechung erfordert die Beeinflussung der Mittcl-
capacität durch die Schädigung des Herzens. Wir worden sehen, dass
hier eine generelle Betrachtung nicht möglich ist; wir müssen vielmehr
die Erkrankungen der einzelnen Herzabschnitte gesondert abhandeln, ja
sogar die einzelnen Phasen der Erkrankung in Erwägung ziehen, um eine
klare Vorstellung über die Bedeutung der circulatorischen Hilfsfunction der
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234
Johann PJesch,
Respiration zu bekommen. Eine übersichtliche Zusammenstellung der von
uns untersuchten Fälle ist in der Tabelle 20 gegeben.
Tabelle 20.
o
55
xS
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Krankheit
JS
c6
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01
Blut¬
druck
x
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S H
40
Myocarditis, decompens.
120
100
154
32
410
1276
228
1708
1504
1928
3204
47,0
41
Derselbe, corapensirt
—
—
—
—
535
761
890
2090
1651
2980
3741
55,5
42
Myocarditis
56
66
110
32
454
1941
1044
863
1 2985
1907
3848
77,3
43
do.
160
103
150
36
572
2140
480
915
2620
1395
3535
74,3
44
Myocard. + Arterioskler.
92
110
147
24
436
1634
1032
2040
2666
3072
4706
71,4
45
Mitralinsufficicnz
104
132
180
26
561
2150
1250
1210
3400
2460
4610
74,3
46
do.
84
114
150
24
475
1286
990
1190
2276
1 2186
3466
65,6
47
do.
68
96
154
36
465
2156
795
2630
; 2950
, 3425
5580
50,9
48
Mitralinsufl. + Stenose
96
92
118
24
431
1250
1210
545
2460
! 1755
j 3005
82,0
49
Mitralstenose + Aorten-
insufficicnz
108
70
103
24
452
1470
590
1670
i
1
| 2060
, 2260
3730
i 5ö,3
50
Aorten- + Mitralinsuff.
100
85
147
24
658
992
987
1203
: 1979
2190
3182
62,2
50,8
51
Aorteninsufficienz
100
103
154
24
544
1528
907
! 2365 ! 2435
3272
4800
52
Pulmonalstenose
76
68
148
28
857
1567
1628
1500
1 3195
3128
4695
6S,0
53
do.
75
82
120
20
511
1180
1090
i 1418
2270
2508
3688
61,5
54
Pulmonalinsufficienz
72
80
126
—
964
689
2701
1 2837
; 3390
5538
, 6227
54,8
55
Puls, irreg. perpet.
64
92
132
13
580
2305
1816
j 2837
4111
4653
| 6958
59,2
Die Diagnostik der Herzkrankheiten beschränkt sich fast ausschliess¬
lich auf das linke Herz. Für die functionelle Diagnostik des rechten
Herzens kommt im Wesentlichen die Venenpulsschreibung, die Venen¬
druckmessung, die percutorische und röntgenologische Grössenbestimmung
und die Auscultation der Herz- und Gefässklappen in Betracht. Manche
dieser Methoden haben nur einen sehr bedingten Werth und wir können
— wie ich glaube — mit Recht behaupten, dass unser heutiges dia¬
gnostisches Können nur diejenigen Erkrankungen resp. Veränderungen
diagnosticiren können wird, die als consecutive Erscheinungen der Er¬
krankung des linken Herzens auftreten. Aber selbst hier stützen wir
uns nicht etwa auf objective Befunde, sondern, mit Ausnahme der Venen¬
pulsschreibung, auf Speculation. Es ist, trotz der vielseitigen Bestre¬
bungen, keine Frage, dass, sobald sich die Erkrankung auf das rechte Herz
localisirt, wir nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose werden stellen können.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass wir im Gegensatz zu unserem dia¬
gnostischen Können bezüglich der Erkrankungen im grossen Kreislauf
nicht einmal richtige Vorstellungen über die Verhältnisse im kleinen
Kreislauf besitzen.
Das Studium der Mittelcapacität erlaubt uns einen Einblick in die
Verhältnisse des kleinen Kreislaufs, und wenn wir auch weit davon ent¬
fernt sind, zu glauben, dass mit den Mittelcapacitätsbestimmungen unser
Wissensdurst befriedigt sein kann, so haben wir doch schon bisher zeigen
können, dass wir in der functioneilen Diagnostik des rechten Herzens
einen Schritt weiter gekommen sind. Die von uns festgestellten Ergeb¬
nisse bei Herzkranken erhärtet noch mehr diese Annahme.
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Original fro-m
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
235
Wenn wir die Tabelle 20, die nur Herzkranke betrifft, durchsehen, .
so finden wir, dass es sich hier nicht etwa, so wie bei den Emphysem¬
kranken, um eine einheitliche Aenderung der Lungenvolumenverhältnisse
handelt, sondern wir finden alle Zahlen von unter normal bis zu den
höchsten Werthen vertreten, und so sind wir gezwungen, dio Fälle einzeln
einer Besprechung zu unterziehen.
Der Fall 40 betraf einen Kyphoskoliotiker, bei welchem ein nicht
aufgedecktes Hinderniss im Planum venosum super, eine Stauung im
Gebiete der oberen Hohlader verursacht hat, als dessen Folge eine höchst-
gradige Cyanose unter sogenanntem Stokes’schen Kragen bestand; ausser¬
dem war auch eine allgemeine Stauung in Folge von Herzrauskeldegene-
ration vorhanden. In diesem Falle finden wir eine unter der Norm
liegende Mittellage. Nachdem das Hinderniss für den venösen Abfluss
der Vena cava superior verschwand, hob sich die Mittellage von 47 auf
55 pCt. Dieser Fall ist sehr schwer zu deuten. Es ist wahrscheinlich,
dass die kleine Mittellage durch die hochgradige Kyphoskoliose bedingt
ist. Weshalb aber nach ungehindertem Blutabflusse und gebessertem
Herzen die Mittellage zunimmt, dafür fehlt uns eine positive Vorstellung.
Die einzige Erklärung wäre, dass im Gebiete der Vena pulmonalis eben¬
falls durch den Tumor der Abfluss gegen das Herz gehindert war und
so durch den Exspirationsdruck, der bei kleiner Mittellage doch wirk¬
samer sein muss als bei hoher Mittellage, die Beförderung des Blutes
nach dem linken Herzen erleichtert wurde. Wenn wir uns die Fälle 42,
43 und 44, die alle ebenfalls an Myocarditis gelitten haben, des Näheren
betrachten, so finden wir hier durchwegs hohe Werthe für die Mittellage,
wie 77,3, .74,3 und 71,4 pCt. Einen besonderen Zusammenhang zwischen
Blutdruck und Mittellage zeigt der Fall 42, bei welchem wir die höchste
Mittellage und den niedrigsten Blutdruck als einen Ausdruck der Ver¬
minderung des Widerstandes sowohl im kleinen wie im grossen Kreislauf
und als Compensation der verminderten Herzkraft beobachten konnten.
Sonst haben wir kein Abhängigkeitsverhältniss zwischen Mittellage und
Blutdruck constatiren können. Wir sehen aber als ein Zeichen der vor¬
handenen cardialen Dyspnoe in allen Fällen eine sehr hohe Athem-
frequenz und ein grosses respiratorisches Volumen. Meine Untersuchungen
bezüglich des Gasgehaltes des venösen Blutes haben ergeben, dass bei
Herzkranken mit cardialer Dyspnoe das Blut überventilirt ist. Die
frequente und tiefe Athmung der Herzkranken kann also nicht als
respiratorischer, sondern nur als circulatorischer Reflex aufgefasst werden.
Die tiefen und frequenten Athemzüge variiren den intrapulmonalen
Druck in rascher Folge. Der negative Druck wird durch die hohe
Mittellage erhalten und wird Blut zum rechten Vorhof saugen, wie
auch den Widerstand für den rechten Ventrikel erniedrigen; für die
Weiterbeförderung des Blutes aus den Lungencapillaren nach dem linken
Vorhof sorgt der während des Exspiriums herrschende positive Druck.
Um diesen positiven Druck zu erhöhen, sehen wir nicht selten in
stark ausgeprägten Fällen ein reflectorisches Schliessen der Glottis
während der Exspiration, welches sich durch ein Stöhnen bemerk¬
bar macht. Durch das Stöhnen wird ein exspiratorischer
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Jobdtnn Plus oli
Widerstand ir*;• >:<>t >:fder nur diifgh • anges! rotie ierf» Muskcl-
fcbädigkeit über wunden wdrci>*o k.rno, Vodoiw | |g ( i - «i c r Ter intra-
pulmonal? Druck gcsu-ige-rr ,v |ul verhindert- die Exspiration
«ne Sfauörtgf klciaptih Ktvü^a.uf. und #$|ki auf sdtese Weise ;
bei den Myocardorkrankungen, losp. hoi allen Kr;jnkii*;iren, bei denen
die -Triebkraft des IJerxens vermindert 'ist, 'als/- 'der
Oirculatirtiu
Ute Verhältnisse bei der Muralinsuftioienr. haben nir '.ei :i Fidlen
Untersucht :• sie. fiel reifen' die Vcrsu-he 4b, 40 und 47. Der- bol'und ist
nicht finin-iilieh, denn wir linden die AluUdeapaeuä! v-u H.Oe und
ai? {><. !.. Diese linken-Zahlen sind au .-ich ürtversiamiin-li. verfolgen wir
alter die Kraukenge.sahicliteif näher,' .so -scium wir, »jm-.s •■> .sich um
Daticutert in verschiedene» ,'Stadien det Erkrankung hajuidffh Sowohl
der Fall dä wie 46 war ein rumpon-me eine m- rkln.be >• hwUebw der
C'lieidatnin j.ae nicht fetandcu, ,jr Blutdruck -Wjtr. crhuSiv», ja sogar
hoch.. die respiratorische Frequeit/. mehr in den? Maassc erjiido. dass
man von einer beträchtlichen Dyspnoe blute reden {Dinnen. Itj diese»
beiden .Fidlen finden wir eine recht höbe Miiieibua. und es ist die.-?»;-als
ein zweckmässiger Relles-• an?ost-heß.. ; Wie .sollen wn aber d>m Fnii t <
deofeti, bei welchem eine hbUhsfgru'iik*? Decompt hmiimn mit Dyspnoe,
Oedemen und Stauqirgc-n vorhanden waren, die den Patienten acht Tilge
tlä$i der ITrtcrsuc.liung- zum Tode brachten liier finden wir eine ganz
kleine Mufollage um äO,U p* "i,. die jtih-r.üncs zum weitaus grössten
Thetl, l'A pf'i., aus der Hesnluaihilf' best and,. )i> liegen l'niersucbrmgwu
der MitteJIägp um Ruiyowf> uny die hmipisaelilich jMilraliiis.ulfieieitzen
be-ndlcn. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind, wie* aus dm
Tabeile hl ersieht lieb, auch sehr Wcobseirtd.: Als Anmerkung ist beiden
vier letzten Versuchen „schwerer Fall.', hei den drei ersten mit der
kleinen Mit teleapuoität „teichin- Fall“ zu: -Icsom. Ich konnte die Oeuiz-
mässigkeit des Anstiege«? der Mdwllage proportional der Schien' der
Erkrankung, so wie Rubow sie fand, allerdings mein, nachweison.
- . . - TVbeHr 2’t, -. ;
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.Ägi, fldMSs,®
■W&S für mich aus de» Kubow'schon Zählen besonders hemcrke.ii?-
werth erschein», ist, dass wir Ehjlu • von. ncgaiiiseher Herzkrankheit. linde»
!. tuihftvr,; A'reh. i, him. Mihi f»d; X'. eu.
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
237
(es sind das besonders Mitralinsufficienzen), bei welchen eine kleine
Mittelcapacität besteht. Vergegenwärtigen wir uns den veränderten
Circulationsmechanismus bei der Mitralinsufficienz, so kann der Vorgang
kurz folgendermaassen geschildert werden: Es wird mit jeder Systole
eine gewisse Blutmengo nach dem linken Vorhof zurückgeworfen, die
klappenlose Vena pulmonalis wird somit einen positiven Venenpuls zeigen,
und es wird in der Diastole des Vorhofes eine Drucksteigerung von dem
Ventrikel her erfolgen, bei genügend grosser Communication bezw. In-
sufficienz der Mitralklappe kann sich sogar dieser Druck bis . zur Höhe
des arteriellen Blutdruckes steigern. Da aber die durch die Insufficienz
offen gelassene Spalte stets kleiner sein wird wie die Abflussöffnung der
Aorta, so wird auch der nach dem Vorhofe wirkende Druck laut dem
Kirchoff’schen Vertheilungsgesetz entsprechend kleiner sein. Eines aber
steht fest, dass das rechte Herz dem Blute einen Druck ertheilen muss,
der über die Lungencapillaren hinaus, gegen den Druck des linken Ven¬
trikels, das Blut nach dem linken Vorhofe diastolisch zu pressen fähig
ist. Solange das rechte Herz Kräfte besitzt, das Blut mit diesem Drucke
zu befördern, werden die normalen corapensatorischen Einrichtungen ge¬
nügen, die Circulation im kleinen Kreislauf aufrecht zu erhalten, wenn
aber das rechte Herz dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen ist, dann
kann das Blut nur durch den erhöhten intrathoracalen Druck aus den
Lungen befördert werden und für diesen Mechanismus sind durch eine
kleine Mittellage günstigere Verhältnisse geschaffen. Ob hier noch andere
Factoren eine Rolle spielen, können wir, wenn auch eine grosse Wahr¬
scheinlichkeit dafür spricht, heute noch nicht überblicken. Vor Allem
sei hier die experimentelle Thatsache festgestellt, dass es
Fälle von schwerster Circulationsstörung giebt (cf. Fall No. 40,
41 und 47), bei welchen die Mittellage klein ist.
Die höchste Mittelcapacität unter allen von uns untersuchten Fällen
zeigt der Fall No. 48, bei welchem gleichzeitig eine Insufficienz und
Stenose des Ost. ven. sinistr. bestand. Es ist aus dem Mechanismus
dieser Erkrankung klar, dass es dabei zu dem höchsten Grade der
Stauung in dem Lungenkreislauf führen muss. Dieser Umstand ist im
Zusammenhänge mit der Mittellage deshalb so scharf zu betonen, weil
immer wieder Meinungen laut werden, die behaupten, dass eine grosse
Blutfüllung eine grosse Luftfüllung ausschliesst. Bei einem todten, starr-
wandigen, absolut gefüllten Gefäss wäre diese Anschauung selbstver¬
ständlich, aber für die lebendigen Lungen kann das keine Geltung
haben, weil doch bei den Lungen eine complementäre Füllung
möglich ist und somit die Blut- und Luftfüllung einander gar nicht
zu beeinflussen brauchen, zumal eine complementäre Füllungsmöglich¬
keit noch vorhanden ist. De facto finden wir auch neben dem
colossalen Werthe von Mittelcapacität und neben der sicher grossen
Blutstauung in den Lungen (wie übrigens durch Röntgendurchleuchtung
festgestellt worden ist) in unserem Falle eine minimale Complcmentärluft
von 545 ccm.
Der Fall, wo die Mitralstenose mit einer Aorteninsufficienz
complicirt war, zeigt durchaus normale Verhältnisse, nicht nur in Bezug
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238
Johann Plesch,
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auf die Mittelcapacität, sondern auch bezüglich der Lungenvolumina. Wir
werden auch bei diesem Vitium mit einer grösseren Stauung in den
Lungen zu rechnen haben, ist doch der Abfluss des Blutes nach den
Ventrikeln erschwert, und nur durch eine angestrengte Contraction des
Abb. 3.
hypertrophsten linken Vorhofes möglich. Der Vorhof hat aber gegen
die Lungenvenen zu keine Klappen, so dass der systolische Druck nicht
nur gegen den Ventrikel, sondern auch gegen die Lunge zu wirken wird.
Gegen diesen erhöhten Druck muss das rechte Herz sein Blut durch die
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Johann Plesch,
Ventrikels, anderseits, um so schwerer die Arbeit des rechten Herzens
sein wird. Es scheint offenbar, dass die Capillaren einen kleineren
Widerstand leisten, als wenn das Herz bei erweiterten Capillaren gegen
den Stauungsdruck des linken Ventrikels anzukämpfen hat und dem¬
zufolge bleibt die Mittellage klein. Es ist aber neben diesen Factoren
noch naheliegend anzunehmen, dass die Mitteleapacität auch aus dem
Grunde klein bleibt, um den venösen Zufluss nach dem linken Herzen
in der beschriebenen Weise zu fördern.
Bei dem Fall von Aorten- und Mitraiinsufficienz liegt die Mittel-
capacität etwas höher als in der Norm. Für diesen Fall gelten die Aus¬
führungen, wie wir sie bei den Fällen von reiner Mitraiinsufficienz ange¬
bracht haben. Die Aorteninsuffieienz hat auf die Mittellage keinen
Einfluss, wie dies der Fall 51 mit einer Mittelcapacitätsgrösse von 50,8 pCt.
zeigt. Bei diesem Klappenfehler pflegt ja auch, wenn keine besonderen
Complicationen eintreten, das rechte Herz und somit die Circulation im
kleinen Kreislauf kaum in Mitleidenschaft gezogen zu werden.
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Abb. 5. (Schluss.)
Die zwei Fälle von Pulraonalsienose zeigen eine höhere Mittcl-
lage von 68 resp. 61,5, die Differenzen können aber als von der Norm
nicht erheblich abweichend betrachtet werden. Diese Steigerung lässt
sich nur schwer erklären, wenn wir die alte Annahme bezüglich der
Anämie der Lungen bei dieser Erkrankung gelten lassen. Nach meinen
Untersuchungen ist der Sauerstoffverbrauch bei diesen Kranken um fast
das Doppelte erhöht aus Gründen, die mit der hochgradigen Cyanose
und (trotz der gegentheiligen Anschauung Senator’s, 1. c.) dem damit
verbundenen grösseren Wärmeverlust Zusammenhängen. Wenn auch bei
den meisten dieser Kranken eine corapensatorische Hyperglobulie besteht,
so ist das Schlagvolumen normal oder nicht wesentlich weniger wie in
der Norm. Es muss also durch die Lunge in der Zeiteinheit genau so
viel Blut flicsscn, als durch die Aorta — von einer Anämie der Lungen
ist also gar keine Rede, es ist sogar nach den Durchleuchtungen sehr
wahrscheinlich, dass in der Lunge dieselbe hochgradige cyanotische
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Die pathologische Physiologie des Lungenvolumens etc.
241
Stauung besteht, wie in den übrigen Organen. Für diese und gegen die
alte Anschauung sprechen auch die Mittelcapacitätswerthe.
Der Fall No. 54 betrifft eine Pulraonalinsufficienz. Der betreffende
Patient wurde durch seine Trommelschlägerfinger auf seine Krankheit auf¬
merksam gemacht. Er hatte gar keine Beschwerden, konnte mit seinen
Kameraden an allen sportlichen Leistungen theilnehmcn. Die physikalische
und die elektrocardiographische Untersuchung hat ein angeborenes Vitium
und zwar eine Pulmonalinsufficienz erkennen lassen. Wenn wir bei
diesem Fall normale Mittelcapacitätswerthe feststellen konnten, so ist
das ein weiterer Beweis dafür, dass dieser Herzfehler eben gut com-
pensirt war.
Die geringe Erhöhung der Mittellage bei dem Fall mit Pulsus
irreg. perpetuus kann durch ein schlechtes Herz bedingt sein, wissen
wir doch, dass bei derartigen Irregularitäten der Herzmuskel stets für
minderwerthig gefunden wurde.
Die vier von uns untersuchten Fälle von Basedow-Kranken zeigen
lt. der Tabelle No. 22 ganz verschiedene Werthe.
Tabellle 22.
Versuch No. |
Alter
Puls
Respirator. |
Frequenz j
i
Residualluft j
Reserveluft
Comple-
mentärluft j
Mittel¬
capacität
Vital-
capacität |
1
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capacität
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Mittel¬
capacität in
pCt. der
Total-
capacität
56
32
128
24
1730
1380
1210
3110
2590
4320
72,0
57
23
152
24
1319
694
1524
2013
2218
3539
56,8
58
26
104
20
1430
987
1135
2417
2122
3552
68,1
59
19
75
19
2044
1794
2270
3838
4064
6108
63,0
Es ist bei diesen Fällen weder zwischen dem Alter, Pulszahl,
Respiration oder Blutdruck einerseits und zwischen der Mittelcapacität
andererseits ein Zusammenhang zu finden. Diese Kranken zeichnen sich
eben durch eine Schädigung der regulatorischen Functionen aus und es
ist auch nicht wunderbar, wenn wir so verschiedene Werthe finden, die
sicher nicht als Ausdruck einer zweckmässigen reflectorischen Einstellung
aufzufassen sind. Dieser Auffassung entspricht auch der Umstand, dass
bei den wiederholten Untersuchungen die Werthe nicht so wie bei den
anderen Fällen übereinstimmende Resultate lieferten, sondern sehr grosse
Abweichungen vorkamen. Die publicirten Werthe stellen nur Mittelwerthe
aus den wiederholten Untersuchungen dar.
Als Schlussergebnisse unserer Untersuchungen lässt sich
sagen, dass die respiratorische Mittellage sich ganz unabhängig
von dem respiratorischen Gasaustausch, lediglich als regula¬
torischer und compensatorischer Hilfsfactor reflectorisch ein¬
stellt und dass die Grösse der vitalen Mittelcapacität der Lunge
ceteris paribus ein functionelles Maass für den kleinen Kreis¬
lauf darstellt.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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Aus der med. Klinik in Lemberg (Director: Prof. Dr. A. Gluzinski).
Untersuchungen der Harnaciditätsverhältnisse nach
Verabreichung von Alkalien bei Gesunden und Kranken.
Von
Dr. Heinrich Sochanski.
Seit langer Zeit war es bekannt 1 ), dass die Verabreichung von
Alkalien die Harnacidität herabmindert, man beschäftigte sich jedoch aus
Mangel genauer Methoden zur Bestimmung derselben keineswegs näher
mit dem eigentlichen Wesen ihrer Wirkung. Erst seit der Einführung der
Methoden Naegeli’s, Sahli 7 s und Anderer sind wir im Stande, die
Wirkung verabreichter Basen genau zu prüfen.
Mit der Untersuchung eben jener Wirkung beauftragte mich mein
sehr geehrter Herr Professor und Chef Dr. A. Gluzinski.
Wie bekannt, hängt die Harnreaction von sehr vielen Factoren ab.
Beim Menschen ist sie gewöhnlich sauer, obwohl dies in verschiedenem
Grade von verschiedenen Ursachen abhängt. Während der Fleischdiät, im
Fieber, im Hungerzustande, kurz gesagt in allen jenen Fällen, in denen
eine grössere Eiweissmenge der Zersetzung anheimfällt, und hierdurch
eine grössere Anzahl saurer Verbindungen sich bildet, wächst die Harn¬
acidität auffallend; in Fällen von Diabetes mellitus tritt zu dem früher
erwähnten gesteigerten Eiweisszerfall auch die lebhafte Production von
Säuren in Folge von ungenügender Fettoxydation hinzu; bei der Harn-
säurediathese ist die hohe Acidität durch die verminderte ßlutalkalescenz
bedingt, da ihre Basen zur Harnsäurebindung zwecks Entstehung von Uraten
verbraucht werden. Andere Ursachen, wie z. B. anstrengende Muskelarbeit
[Fustier, Blanc, Klüpfel, J. Hoffmann, Ringstedt, Oddi, Turulli 2 * * * * )],
1) In Sydenhams Werke: „Tractatus de podagra“ lesen wir den günstigen
Einfluss der Alkalisation des Harns bei der Harnsäurediathese; der Verfasser räth in
jenen Fällen Pflanzenlatwerge zu gebrauchen, die er Herbae excalefacientes nennt.
Garrod stellt ebenfalls die alkalisirendeWirkung von Pflanzenlatwergen am höchsten;
diese Wirkung schreibt er den in grosser Menge in ihnen befindlichen Alkalisalzen zu.
2) Nur wenigo Verfasser sind entgegengesetzter Meinung. Einige von ihnen
(wie z. B. Sawicki) behaupten, dass Muskelarbeit auf die Harnacidität keinen Einfluss
ausiibe, die Anderen dagegen (z. B. Aducco) sehen stets nach langen Märschen eine
Abnahme der Acidität. Die Literatur über den Einfluss der Muskelarbeit auf die Harn¬
acidität finden wir in Maly’s Jahresberichten, No. 14—24, vor. Hoffmann’s Arbeit
über den Einfluss des Schwitzens auf die Harnacidität wurde in Maly’s Jahresberichten,
No. 14, veröffentlicht. Sassccki vide St. Petersb. med. Wochenschr. 1879. No. 2.
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Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 247
Secretion von alkalischem Pankreassafte [Edel 1 )], langes Stehen [Edel (1. c.)]
bewirken ebenfalls eine grössere Harnacidität, jedoch haben diese Factoren
bereits eine geringere Bedeutung
Eine Abnahme der Harnacidität beobachten wir dagegen: 1. bei der
Pflanzendiät in Folge dessen, dass in den Organismus organische Ver¬
bindungen gelangen, die nach ihrer Verbrennung basisch wirkende Carbonate
entstehen lassen; 2. bei der Verabreichung von Basen; 3. in allen jenen
Fällen, in denen der Organismus eine gewisse Menge seiner Säure ver¬
loren hat, so z. B. nach Erbrechen sauren Mageninhaltes, bei starkem
Schwitzen [Sassecki (1. c.), Hoffmann], vorübergehend dagegen beider
Verdauung, besonders der eiweissreichen Nahrungsmittel (reichliche Aus¬
scheidung von HCl!), ferner in Fällen, wo durch Resorption alkalischer
Flüssigkeiten Basen in grösseren Mengen ins Blut gelangen (Exsudate,
Transsudate, Blut aus Extravasaten), ferner aus geringfügigeren Ursachen,
wie z. B. zu langen Liegens [Edel (1. c.)], weiter in Folge vorgeschrittenen
Alters [Mondhorst 2 )] oder Schwächung [Barabaszi 8 ), bei Frauen
[Mondhorst (1. c.)], und endlich in Folge von Harnveydünnung 4 ) (Urina
1) Edel, Ueber die Ursache der Aciditätsabnahme nach der Nahrungsaufnahme
und die Bedingungen, welche Einfluss auf die Ausscheidung von Alkalien im Harn
und auch des Kochsalzes haben. (Die Therapie der Gegenw., 1904, No. 9.) Der Ver¬
fasser beobachtete, dass die Ausscheidung von Alkalien im Harne in liegender Stellung
eine grössere sei als in sitzender. Ausserdem stellte er auf dem Höhepunkte der Ver¬
dauung eine Zunahme der Acidität fest, und erklärt dies auf diese Weise, dass in Folge
der mit der Verdauung gleichzeitig erfolgenden Ausscheidung alkalischen Pankreas¬
saftes eine grosse Menge von Basen verbraucht wird (P awlow). Erst um vieles später
nimmt die Harnacidität ab. Ich allein beobachtete eine deutliche Abnahme derselben
in 5—6 Stunden nach dem Mittagessen; in Fällen von Hyperaciditas digestiva erfolgte
die Abnahme schneller als beim Gesunden.
2) Mondhorst, Zur Diagnose und Behandlung der Gicht. Verhandl. d.X.Congr.
f. innere Med. zu Wiesbaden, Ref. im Centralbl. f. innere Med. 1890.
3) Barabaszi, Die Acidität des Harns und die Körperschwäche. Gazetta degli
ospedali e delle cliniche. 26. 1. 1911.
4) Ueber die Möglichkeit des Bestehens von schwach saurem oder sogar amphoterem
Harne trotz der Ausscheidung von grossen Mengen Säuren während des Tages lesen
wir in Auerbach’s und Friedenthal’s Arbeit: Ueber die Reaction des mensch¬
lichen Harns. Engelmann’s Arch. 1903. S. 397. Um eine derartige Aciditätsabnahme
zu erhalten, ist die Verabreichung von Alkalien nicht unbedingt nothwendig, es reicht
hin, dem Untersuchten viel Wasser zum Trinken zu geben, denn die auf diese Weise
erlangte Harnverdünnung bewirkt von selbst eine Aciditätsabnahme. Ein typisches
Beispiel dafür ist der von mir selbst beobachtete Fall des Diabetes insipidus(Tab.IlI,2),
bei dem, trotz der grossen täglichen Mengen von NH S , die Reaction des Harns eine
amphotere blieb. Selbstverständlich ist für den Untersuchten die Verabreichung von
Basen in kleineren Mengen angenehmer; dio Wirkungist dieselbe wie von grossen Mengen
Wassers. Wenn man aber die beiden Arten miteinander verbindet, so kann man da¬
durch eine äusserst starke alkalische Hamreaction hervorrufen (Tab. III, 2); deshalb
ist es auch verständlich, dass das Trinken alkalischer Wässer so stark die Acidität
verringert. Dass das Nervensystem auf die Qualität des Harns einen Einfluss hat, be¬
weisen die Untersuchungen Cazeneuve’s und Livon’s, die bei ihren an Hunden
durchgeführten Experimenten durch die Durchschneidung des Rückenmarkes eine
äusserst starke Ausscheidung alkalisch reagirenden, schwach gefärbten Harns von ge¬
ringem specifisohen Gewichte hervorriefen.
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spastica, Diabetes insipidus), da das Wasser auf die hier gebrauchten
lndicatoren (aus der II. Gruppe) nach der Classification von Glaser 1 )
oft wie eine schwache Base wirkt, und auch in Folge geringeren Procent¬
gehaltes saurer Stoffe im verdünnten Harn. Es versteht sich hierbei von
selbst, dass bei der Untersuchung der Harnreaction wir mit der Aciditäts¬
abnahme in Folge der Ammoniakfcrraentation oder auch wegen Hinzu-
gelangens von alkalischen Ausscheidungen aus den Harnwegen rechnen
müssen.
Was die mittelbare Ursache der sauren Harnreaction anbelangt, so
hängt sio nicht von der freien Säure, sondern von sauren Salzen 2 ) ab.
lndicatoren, die nur bei Anwesenheit der freien Säure ihre Farbe wechseln,
wie z. B. Alizarinroth, thun dies nicht, sobald sie mit Harn gemischt
werden, dagegen wechseln sie augenblicklich ihre Farbe im Magensafte,
der freie Salzsäure enthält. Früher schrieb man hauptsächlich den sauren
Phosphaten (wenn sie nach Lieblein und Ott über 35 pCt. aller Phosphate
bilden) der sauren Harnreaction zu. Die neueren Forschungen (Koztowski,
Serkowski, Kraszewski) gestatten uns anzunehmen, dass ausser den
Phosphaten auch andere saure Salze eine gewisse Bedeutung haben, und
zwar thun dies Salze vielbasischer Proteinsäuren [Koztowski 3 )]. ln
Wirklichkeit wird die Abhängigkeit der Acidität von den sauren Phosphaten
in jenen Fällen geringer, in denen sich eine grosse Menge Proteinsäuren
im Harne findet. Ich selbst beobachtete dies in einem Fieberfalle
(Tab. IV, 3; VI, 5). Als die beste der zur Bestimmung der Harnacidität
1) Glaser, lndicatoren der Acidimetrie und Alkalimetrie. C. W. KreidePs Ver¬
lag, Wiesbaden 1901. — Alizarinroth gehört, wie Lackmus, zur II. Gruppe, steht
aber der I. Gruppe naher als jener. Die lndicatoren der I. Gruppe benöthigen Hinzu-
fügung von 0,6 ccm 1 / 10 n H 2 S0 4 zu einem Liter Wasser, damit dieses nicht basisch
auf sie einwirke. Auf die lndicatoren der 111. Gruppe übt das Wasser eine saure
Wirkung aus. Wir können nämlich das Wasser als eine Verbindung von basischem
und saurem Ion betrachten. Die lndicatoren der I. und II. Gruppe empfinden in dem¬
selben den basischen, die III. Gruppe dagegen den sauren Bestandtheil.
2) Die Behauptung Huppert’s (Arch. d. Hcilk., Bd. 8), als ob NagSoOg nur
bei der freien Säure (nicht bei den sauren Salzen) Schwefel ausscheide, war unrichtig.
Davon überzeugte sich Hammarsten (Maly’s Jahresber., No. 3), der trotz positiver
Proben Huppert’s niemals freio Säure im Harn finden konnte. Die Einführung des
Alizarinroths (Natriumsalz der Alizarinsulfonsäure) durch Naegeli (Zur Aciditäts¬
bestimmung des Urins. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 30. H. 3—5), dass bei einer
äusserst minimalen Quantität einer freien Säure seine Farbe in eine gelbe umwechselt,
gestattete leicht, sich von der Richtigkeit der Betrachtungen Hammarsten’s zu über¬
zeugen. Sogar ein Harn von maximaler Acidität ändert niemals die Farbe des be¬
sprochenen Indicators (ausgenommen er enthält viel Ammoniak), ebenfalls thun dies
keineswegs Lösungen der sauren Salze (z. B. NaH 2 P0 4 ), mit Ausnahme der sauren
Ammoniumsalze. Dies alles beweist, dass die Harnacidität keineswegs von freien Säuren
abhängt.
3) Koztowski, 0 stosunkach zasad mineralnych do kwasöw w prawidlowym
moczu ludzkim. Nakl. Akad. Um. Krakow. — Serkowski i Kraszewski, Badanie
stopnia kwasnosci moczu i stosunek kwasnych zwiazköw do zasadowyeb. Z lab. chem.-
bact. Dr. Serkowskiego w Warszawie.
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Untersuchungen d. Harnaoiditätsrerhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 249
gebrauchten Methoden erwies sich die von Naegeli-Sahli 1 ), sie über-
trifft an Genauigkeit nicht nur alle früheren Methoden — 1) das einfache
Titriren mit x / 10 n NaOH bis zur neutralen Reaction 1 ), 2. die Methode
Neumeister-Maly 2 ), die Methode Jäger’s 8 ) —, sondern auch die
Friedenthal’s 4 ), welche auf einer äusserst complicirten Bestimmung der
Wasserstoffionen im Harne beruht (normal 0,004 mg H in 1 Liter), also
40 g in 10 Millionen Liter (Höher und Röhrer, Pflüger’s Arch., Bd. 86).
Naegeli und Sahli bestimmen in 10 ccm Harn die Basenmenge oder
die gebundene Säure, mit VlO n NC1 so lange titrirend, bis die rothe
Farbe des Alizarinroths in eine gelbe umgewandelt ist. In anderen 10 ccm
Harn die Säuren (die freien Säureionen saurer Salze) mit l / l0 n NaOH
titrirend, bis eine durch das früher hinzügefügte Phenolphthalein hervor¬
gerufene rosige Färbung bemerkbar wird. Nach der Addirung beider
Werthe erhalten wir die ganze Acidität des untersuchten Harnes, die die
Summe der freien, auf den Lackmus einwirkenden, und der gebundenen
Acidität ist.
Bei der Bestimmung der Acidität bediente ich mich der erwähnten
Methode von Naegeli-Sahli, der ich der vollständigen Genauigkeit
wegen gewisse Modificationen der Moritz-Methode 5 ) hinzufügte.
Es war mir dabei daran gelegen, 1. damit die neutralen Ammonium¬
salze, die sich in grösseren Mengen in dem viel Ammoniak enthaltenden
Harne befinden, keine derartige Wirkung, wie saure Verbindungen, auf
Phenolphthalein üben, 2. dass auf dasselbe nicht eben die sauren Carbonate
der Alkalien, die sich im Ham während der Verabreichung von Carbonaten
1) Naegeli, Zur Aciditätsbestimmung des Urins. Zeitschr. f. phys. Chemie.
Bd. 30. H. 3—5. — Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 1909.
S. 739-742.
2) Neumeister-Maly, Zeitschr.f.anal.Chem. 15—147. Diese Methode beruht
auf der Entfernung der Phosphate durch VlO n NaOH und BaCU, und dem Titriren des
mit einigen Tropfen einer Phenolphthaleinlösung gefärbten Titrates mit 1 / 10 n NaOH bis
zur Entfärbung. Ursprünglich bestimmte man die Acidität des Harns, indem man zu
50 ocm Harn Vio n NaOH bis zur neutralen Reaction hinzufügte (1 ocm Vio n NaOH —
0,0063 g C 2 H 2 0 4 auf 50 ccm.)
3) Jaeger, Arch. f. klin. Med., Bd.80, H.5 u.6, fügt dem Harne Vio n HCl und
BaCl 2 zu und titrirt das Filtrat mit Vio n NaOH. Die Quantität (ccm Vio n HCl) zeigten
an, wieviel nöthig ist, um alle Phosphate in saure umzuwandeln; NaOH (ccm Vio n)
dagegen, welche Basenquantität zur Umformung der Phosphate in basische noth-
wendig ist.
4) Friedenthal, Bestimmung der Reaction einer Flüssigkeit mittels Indicatoren
(Zeitschr. f. Elektrochemie, 1904). Nach Röhrer’s Forschungen enthält das Wasser
0,0001 rag H-Ionen in 1 Liter und ebenso viel OH, oder vielmehr H in OH-Ionen; im
Harne entfällt auf 0,004 mgWasserstofTionen durchschnittlich 0,006—0,008 mg pro die
weniger als 0,0001 mg OH im Liter, Blut enthält im Liter0,0001 mgOII und0,0001 mg II
auf 1 Liter. Diese Unterschiede in Ionenconcentration (OH und H) sind nach Fried en-
thal keineswegs gross. Alle Flüssigkeiten des Organismus, mit Ausnahme des Magen¬
saftes, der ausserordentlich viel Wasserstoff enthält, und des Pankreassaftes, der viel
OH-Ionen besitzt, kann man nach Friedenthal für neutral halten.
5) Moritz, Ueber das Titriren der Flüssigkeiten, die ausser der Phosphorsäuro
Erdalkalien- und Ammoniumsalze enthalten. Arch. f. klin. Med. Bd. 70. H. 5 und 6.
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befinden, sondern erst die neutralen Carbonate alkalisch einwirken, 3. um
keine erscheinende Zunahrae der Acidität in Folge der Ausfällung einer ge¬
wissen Menge der Calciumsalze zu erlangen.. Die zwei ersten Fälle erreichte
ich leicht durch die Verminderung der Dissociation, indem ich dem Harn
Stoffe, die ihr leicht anheimfallen, hinzufügte, und zwar NaCl (15 ccm ge¬
sättigter Lösung NaCl auf 10 ccm Harn), den dritten durch die Hinzufügung
von 4 ccm 1 / 2 n Natriumoxalat 1 ), und zwar zwecks Verdrängung der Calcium¬
salze und Ersetzung des Calcium durch Natrium in den Phosphaten.
Bei demTitriren mit Salzsäure und Alizarinroth alslndicatoren versuchte
ich ebenfalls denFarbenuraschlag des Alizarinrothes durch saure Ammo^ium-
salze auf diese Weise unmöglich zu machen, dass ich dem Harne zwecks Ver¬
ringerung der Dissociation ebenfalls eine gesättigte NaCl-Lösung hinzufügte.
Ausser der Bestimmung der Harnacidität nach obiger Methode be¬
rechnete ich dessen Reaction mittels Lackmus, bestimmte die ganze
Menge von P 2 0 5 , die sauren Phosphate (im Filtrate nach Hinzufügung
von BaCl 2 zum Harne, wobei ich zur erhaltenen Ziffer 3 pCt. zwecks
Ausgleichens des durch das Aufhalten von 3 pCt. saurer Phosphate in
dem durch BaCl 2 2 ) erhaltenen Niederschlage entstandenen Fehlers hinzu¬
fügte), ferner Ammoniak, und in Fällen von Diabetes mellitus procent-
mässig den Zuckergehalt und qualitativ Aceton und Acetessigsäure.
Der Verlauf meiner Untersuchungen gestaltete sich folgendermaassen:
Ich verabreichte die Alkalien in Pulverform, und zwar zu verschiedenen
Tageszeiten in Mengen, die auf den folgenden Tabellen ersichtlich sind.
Die Untersuchten wurden während der ganzen Dauer jener Experimente
auf gleicher Diät gehalten. Den Harn sammelte ich in 3, 6 und 8 Stunden
nach der Verabreichung jener Mittel ab und untersuchte ihn sofort.
Ich wählte Metallsalze, deren Oxyde einzig und allein nur basisch
sind, demnach also Natrium, Kalium, Lithium, Calcium und Magnesiura-
salze; von den Salzen verwendete ich beinahe ausschliesslich Carbonate,
und zwar deshalb, um in den Organismus zugleich mit der Base nur eine
schwache Säure einzuführen, und so die Wirkung der Basen nicht zu
schwächen. Von den Oxyden konnte ich nur Magnesiumoxyd verab¬
reichen, weil alle anderen eine ätzende Wirkung üben. Die übrigen Salze
der angeführten Metalle, wie Phosphate und Chloride, verwendete ich nur
zum Vergleich zwecks genauer Prüfung der Carbonatwirkung.
Meine Beobachtungen, was die Wirkung der einzelnen verabreichten
Basen anbelangt, werde ich nunraöglichstgenau vorzubringen trachten, den ge-
ehrtenLeser bitte ich die Tabellen, der Einzelheiten wegen, genau zu beachten.
1) Auf dieselbe Weise trachtet neben Moritz auch Fol in (Amer. Journ. of
Physiol. Vol. 9) den Fehler, der durch die Ausfällung der Calciumsalze beim Titriren
mit Aetznatron entsteht, zu beseitigen.
2) Die Bestimmung des Verhältnisses aller Phosphate zu den sauren hielt ich
nur für eine Hülfsrechnung; seit der Zeit nämlich, wo festgestellt wurde, dass die
Harnacidität nicht allein von der Menge saurer Phosphate abhängt, kann man sich
nicht allein an die Methode Freund’s (Centralbl. f. d. med.Wissensch., 1902) und
Lieb lein’s (Zeitschr. f. d. phys. Chem., Bd. 20, H. 1 u. 2) halten, die den Aciditäts¬
grad allein aus der Quantität der sauren Phosphate im Verhältnisse zum ganzen P 2 0 5
bestimmen.
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Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 251
Ich beginne mit dem Natriumbicarbonate, weil jenes am häufigsten
verwendet wird.
Es enthält 27,5 pCt. Na und reagirt alkalisch. Das Moleculargewicht
der Verbindung beträgt 84 (H = 1).
Auf nüchternen Magen verabreicht, wird es rasch resorbirt 1 ), und
vermindert bereits nach 3 Stunden in starkem Grade die Harnacidität.
Seine Wirkung nimmt sodann ziemlich rasch ab, in 6 Stunden nach der
Verabreichung ist sie bereits geringer, 8 Stunden hernach verliert sie
noch mehr an Stärke, und am nächsten Tage verschwindet sie gewöhnlich
gänzlich. Die Menge des Harnes wächst ebenso wie die der Phosphate.
Die Totalacidität, d. i. die Summe der auf den Lackmus einwirkenden
und der gebundenen Acidität, nimmt in Folge der reichlichen, durch die
eingeführte Base ausgeschiedenen Säuren aus dem Organismus zu. Freie
Säureionen finden wir in kleineren Mengen, und deshalb braucht man,
um eine Rosafärbung des Phenolphthaleins zu erhalten, eine kleinere
Quantität von */io n NaOH. Die relative Menge der sauren Phosphate
nimmt ebenfalls, wie die Tagesraenge, von Ammoniak ab.
Auf dem Höhepunkt der Verdauung verabreicht wirkt das besprochene
Mittel gerade so, wie bei der Verabreichung auf nüchternen Magen 2 ).
Kleine Mengen, nach dem Mittagessen eingenommen, bewirken ebenfalls
eine Aciditätsabnabme, jedoch in stärkerem Grade, wie dies beim alleinigen
Resorbiren der verabreichten Basen möglich wäre. Die Abnahme der
Acidität hat hier eine andere Ursache. NaHC0 3 bewirkt nämlich, dass
der Magen Salzsäure, und zwar in grösserer Quantität als die durch
dieses gebunden werden kann, ausscheidet, und eine Folge dessen ist
nun die Harnaciditätabnahme, die nur ein höherer Grad der physiologischen
Verdauungsabnahme ist 3 ). Dass dem auch thatsächlich so ist, bezeugt
1) Jaworski, Versuche über die relative Resorption der Mittelsalze im mensch¬
lichen Magen. (Zeitschr. f. Biol., 1884, Bd.19.) Aus Versuchen des Verfassers ersieht
man, dass NaHC0 3 zu den am schnellsten im Magen resorbirten Mineralsalzen gehört.
Während nach J. die angegebene Verbindung, was die Schnelligkeit der Resorption
im Magen anbelangt, an 2. Stelle steht, kann man NaH 2 P0 4 erst an der 5., und NaCi
an der 8. Stelle nennen.
2) Ralfe, Beneke und Parkes (The Lancet, 1878, II, 19; Centralbl. f. med.
Wissensch., 1879, S.391) nahmen nach der Verabreichung vonNaHC0 3 auf nüchternen
Magen eine Zunahme der Harnacidität, nach dem Mittagessen dagegen eine Abnahme
derselben wahr. Ich allein konnte niemals nach Verabreichung von Natriumbicarbonat
auf nüchternen Magen eine Zunahme, dagegen jedoch immer eine Abnahme der Aoidität
beobachten.
3) Dass kleine Dosen von NaHCO a den Magen zur Ausscheidung von HCl an¬
regen, bemerkte schon im Jahre 1883 W. Jaworski. 3 Jahre später untersuchte er
dies näher. Dieselben Forschungen führte im Jahre 1892 Neshil mit demselben
Resultat (Deutsche med. Wochenschr., 1892, No. 49), und im Jahre 1895 Houchard
(Journ. des Pratic. 1895, No. 5) ebenso durch. Nur Reichmann (Therap. Monatsh.,
1895, No. 3) spricht dem Natriumbicarbonate keine andere Wirkung ausser der alkali-
sirenden zu. Was den Einfluss der Magenverdauung auf die Harnacidität anbelangt,
so bemerkte bereits Bence Jones (Philosophical. Transact., 1879, p. 235) eine Ab¬
nahme derselben in 3 Stunden nach dem Frühstück, oder 5—6 Stunden nach dem
Mittagessen, und erklärte dies auf diese Weise, dass durch die HCl-Ausscheidung in
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die starke Alkalisation des Harnes in Folge von nur geringen Dosen von
NaHCO a bei Personen mit einer sehr empfindlichen Magenschleimhaut
(Tab. II), wie auch das Vergleichen von NaHCO a mit KHCO a und LiHCO a
in entsprechenden kleinen Mengen gebraucht (Tab. V, 3).
Ihre alkalisirende Wirkung verdanken die Natriumbicarbonate jenem
Umstande, dass ihr saurer Theil um vieles schwächer als der basische
ist. Wenn man nämlich grosse Mengen von Kochsalz verabreicht, das
eine Verbindung von gleich starker Säure und Base ist, trotzdem dass
theoretisch 58 g NaCl ebenso viele Basen wie 84 g NaHCO a enthält,
kann man eine derart minimale Aciditätsabnahrac 1 ) wahrnehmen, dass
ein Vergleichen von NaCl mit NaHCO a äusserst schwierig wird.
Das Binatriumphosphat Na 2 HP0 4 übt eine schwächere Wirkung als
NaHCO a aus, dagegen aber eine um vieles grössere als NaCl (Tab. IV, 1, 2).
Mit einer kleinen Zugabe von CaCO a gebraucht, alkalisirt es beinahe
ebenso stark wie das Bicarbonat (Tab. IV, 1); über die Ursache jener
letzteren Erscheinung werde ich später berichten.
Zuletzt will ich noch bemerken, dass die Harnacidität bei Fieber¬
kranken durch NaHCO a eine grosse Abnahme erfährt, trotz der Zunahme
der Phosphatmenge (bei Beibehaltung des vorigen Verhältnisses gesammter
Phosphate zu den sauren Phosphaten). Dies beweist, dass hier eine
Acidität gebunden wird, die ihr Entstehen nicht nur den sauren Phosphaten,
sondern auch anderen Stoffen verdankt [Tab. IV, 3 2 )].
den Magen eine Menge Säure verloren geht. Nur Roberts (A practical treätise of
urinary and renal diseases, 2 nd ed., 1872, p. 48) sieht darin einen Beweis für die
Basenresorption aus den eingenommenen Nahrungsmitteln, alle übrigen stimmen voll¬
ständig mit Bence Jones überein. Zu diesen gehören Quincke (Correspondenzbl.
f. Schweizer Aerzte, 1874; Zeitschr. f. klin. Med., 7. Bd., Suppl.-H.); Stein (Jahres¬
berichte d. Thierchemie, 4. Bd., S. 241, Arch. f. klin. Med., 1876, 17. Bd.); Maly
(Liebig’s Ann., 73.Bd.; Hermann’s Handb.d.Physiol., 2.Th., 1881, ö.Aufl.), Görges
(Arch. f. exp. Pathol., Bd. 11); und in der letzten Zeit auch Sticker und Hübner
(von der Klinik RiegePs), Zeitschr. f. klin. Med., 12. Bd., die Beweise vorführten, dass
bei den Hungernden beinahe keine Schwankungen der Acidität Vorkommen, ln den
Fällen der Gastrosuccorhoea bei Gastrektasie in Folge von Pylorusstenose, in denen
eine grosse Menge HCl in den Magen gelangt und nicht resorbirt wird, nahmen
Gluzinski und Jaworski (Sitzungsprotokoll d. IV. Congr. d. poln. Naturforscher u.
Aerzte v. 20. 6. 1881, Posen) eine starke alkalische Reaotion des Harns (ein Beweis für
die Abhängigkeit der Acidität von dem ausgeschiedenen HCl) und eine beinahe gänz¬
liche Abwesenheit von Chlor wahr. Üeber eine gleiche Chlorabwesenheit in ähnlichen
Fällen berichtet Gluzinski in der Berl. klin. Wochenschr., 1887, No. 52. Hieraus
folgt, dass die Abwesenheit von Chlor und die alkalische Harnreaction in einem ge¬
wissen Zusammenhänge miteinander bleiben.
1) Eine etwas stärkere Wirkung von NaCl bei der Fett-Fleisch- wie bei der ge¬
mischten Diät (Tab. IV, 2ß) kann man sich auf diose Weise erklären, dass bei der
letzten durch das Kochsalz eine grössere Menge von Kalium ausgeführt wird (Bier-
nacki, Söl kuchenna a przemiana potasu. Tygodnik lekarski. 1910. Nr. 17.— Koch¬
salz und Kaliumwechsel. Med. Wochenschr. 1910. No. 17).
2) Im Gegensätze zu NaIICO a verringert bei Fieberkranken CaCO a die Menge
von P 2 0 6 , indem es hierbei keineswegs eine Abnahme der Harnacidität herbeiführt,
als Beweis dessen, dass die hohe Acidität in jenen Fällen von jenen Stoffen abhängt,
welche von Erdalkalien schwerer als von Alkalien gebunden werden.
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Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 253
Der Reihe nach werde ich nun die Wirkungen der Kalium- und
Lithiumbicarbonate besprechen.
Das erste, dessen Moleculargewicht 100 beträgt, enthält 39pCt. Kalium
und wirkt alkalisch.
10 g KHC0 3 neutralisirt eine gleich grosse Säuremenge wie 8,4 g
NaHCO s . Verabreicht verursacht es nicht nur eine Ausscheidung der
eingeführten Kaliumsalze, sondern auch der Natriumsalze aus dem
Organismus. Die Mehrheit der Basen verlässt den Organismus auf dem
Wege des Harns. In Folge dessen ist die Alkalisation eine stärkere.
Das Kaliumbicarbonat besitzt eine ähnliche Wirkung wie NaHCO a , jedoch
in etwas stärkerem Grade. Die Alkalisation hängt hier nicht allein von
dem grösseren Procentgehalte an Basen in der Verbindung, sondern auch
von der Natur der Basen selbst ab, denn eine einfache Dosis von KHC0 8
übertrifft an Stärke sogar eine doppelto von NaHC0 8 (Tab. V, 2).
Kleine Mengen, auf nüchternen Magen eingenommen, verringern die
Acidität in etwas stärkerem Grade als dies NaHCO s thut, auf dem Höhe¬
punkte der Verdauung dagegen alkalisiren sie schwächer als NaHCO s ,
als Beweis dafür, dass sie in geringerem Grade als jene Verbindung die
Magenschleimhaut zur Erzeugung von HCl beeinflussen.
Das Lithiumbicarbonat, dessen Moleculargewicht 68 beträgt, enthält
10,3 pCt. Lithium (6,8 g ist gleich 10 g KHCO s oder 8,4 g NaHC0 8 ). Wirkt
äusserst stark, stärker sogar als KHC0 8 . Kleine Quantitäten, auf nüchternen
Magen verabreicht, alkalisiren stärker, nach dem Essen dagegen deutlich
schwächer als KHC0 8 (schwache Beeinflussung des Magens zur Secretion
von HCl).
Die grosse Alkalisationskraft von LiHC0 8 (wir wollen nicht von den
kleinen am Höhepunkt der Verdauung verabreichten Dosen sprechen)
kann dadurch erklärt werden, dass nach der Einführung des oben ge¬
nannten Salzes in den Organismus nicht nur Lithium, sondern auch
Natrium- und Kaliumsalze ausgeschieden werden, wodurch eine grosse
Menge von Basen in den Harn gelangt.
Besprechend die Wirkung der Calcium- und Magnesiumverbindungen
werde ich zuerst über das Magnesiumoxyd mich äussern, und zwar deshalb,
weil seine Wirkung für die ganze Gruppe äusserst charakteristisch ist.
MgO ist ein in Wasser unlösliches Pulver, dessen Moleculargewicht 40
beträgt; Magnesium enthält es 60pCt., 2 g binden ebenso viel Säure wie
8,4 g NaHC0 8 . Durch den leeren Magen geht es unberührt, in den Ge¬
därmen verwandelt es sich unter der Wirkung des Natriumcarbonats in
Magnesiumcarbonat. In den niedriger gelegenen Theilen des Verdauungs¬
apparates, in denen bereits eine stärkere Fermentation mit der Erzeugung
von Säuren 1 ) vor sich geht, bindet es diese Säuren, verhindert ihre
Resorption ins Blut (Magnesiumcarbonat wird schwer resorbirt), und macht
auf diese Weise die nöthige Anzahl von Basen frei. Ein Theil der ent-
1) Schwache Wasserlösungen der Fettsäuren entwickeln sich bei der Berührung
mit Magnesium- oder Calciumcarbonaten bei der Temperatur von mehr als 20 0 C,
C0 2 -Lösungen der Mineralsäuren thun dies bereits bei bedeutend niedrigerer liem-
peratur.
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standenen Verbindungen wird dennoch, obwohl mit Schwierigkeiten resorbirt,
hierauf in Magnesiumphosphat umgewandelt, welch letzterer nur in ge¬
ringer Menge mit dem Harn ausgeschieden wird, meistens aber in den
Darm zurückkehrt und als Mg(NH 4 )P0 4 (durch die Berührung mit NH 3
entstanden) zusammen mit dem Koth ausgeschieden wird.
Nur ein geringer Theil der Phosphate wird durch den Harn aus-
geschieden. In Folge dessen entfällt auf sie eine grössere Anzahl Basen,
die Menge der sauren Phosphate wird dadurch geringer, und in der
Folge nimmt die Harnacidität ab, aber nicht nur die freie auf den
Lackmus einwirkende, sondern auch die Totalacidität, deren Abnahme
wir in Folge der Ausscheidung kleinerer Mengen Phosphate wahrnehmen.
Ammoniak wird in kleineren Mengen ausgeschieden; diese Abnahme
ist jedoch niemals so stark wie nach der Verabreichung von Alkalisalzen.
Da für die Wirkung von MgO die Anwesenheit von Säuren im Darm
nothwendig ist, und da dies erst in den niedriger gelegenen Theilen
desselben stattfindet, in denen bereits eine starke Fermentation vor sich
geht, so erscheint demzufolge auch die Alkalisation des Harnes, und
die gleichzeitige Abnahme der P 2 0 6 -Menge, bedeutend später und zwar
mehr weniger in 8 Stunden; in der Frühe des nächsten Tages nach der
Verabreichung ist sie am stärksten. Die Stärke der Alkalisation läset
sich keineswegs mit der grossen alkalischen Kraft der Alkalisalze ver¬
gleichen, da ja nur eine verhältnissmässig kleine Menge der eingeführten
Substanz in die Blutbahn 1 ) gelangt.
Reicht man MgO am Höhepunkt der Verdauung, so bindet es HCl,
wodurch dem Organismus eine grosse Menge Säure entzogen wird; ein
Theil des entstandenen MgCI 2 wird resorbirt, worauf er dasselbe Schicksal
wie die oben erwähnten Magnesiumsalze erfährt; der übrige Theil wird
im Darm in Carbonat umgewandelt, und beginnt nun seine normale
Wirkung. Da MgO schon im Magen eine bedeutende Säurenmenge trifft,
mit der er gebunden wird, tritt dabei dieHarnalkalisation bedeutend schneller,
wie bei der Verabreichung auf nüchternen Magen, hervor. Dieselbe beginnt
bereits in ungefähr 3 Stunden, nach 6 Stunden erreicht sie das Maximum
ihrer Wirkung, und macht hierauf der gewöhnlichen Aciditätsabnahme, die
nach 8 Stunden beginnt, Platz. Die ganze Wirkung dauert nun in Folge
dessen bedeutend länger, als bei der Verabreichung auf nüchternen Magen.
Kleine Quantitäten von MgO beeinflussen keineswegs den Magen zur
Secretion, sie binden nur die Salzsäure, wodurch die bei der Verdauung
wahrnehmbare Abnahme der Acidität begrenzt wird.
Das Magnesiumcarbonat MgC0 3 , Moleculargewicht 84, dessen 4,2 g
gleich 2 g MgO bezw. 8,4 g NaHC0 3 entsprechen, alkalisirt, auf nüchternen
Magen verabreicht, ebenso wie MgO, am Höhepunkt der Verdauung da¬
gegen verabreicht, schwächer als dieses, und zwar in Folge der Aus¬
scheidung der C0 2 (bei der Berührung mit HCl), die die Magenschleim¬
haut zur Erzeugung von HCl anregt. Kleine Dosen, nach dem Mittag¬
essen eingenommen, üben keine Wirkung auf die Harnreaction aus.
1) Bei den Pflanzenfressern, die einen längeren Verdauungsapparat als die Fleisch¬
fresser und Menschen besitzen, ist die Resorption von Ca und Mg viel stärker als bei
den letzteren. (Buchheim und Korber.)
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse naoh Verabreichung von Alkalien etc. 255
Das Calciumcarbonat CaCO s , Moleculargewicht 100 (5 g entspricht
2 g MgO) verhält sich ebenso wie MgC0 3 . Die Oxalsäure (0,3 g pro die)
vergrössert keineswegs seine Alkalisationskraft, was man hoffen könnte,
falls man den positiven Einfluss dieser Säure in den Fällen der Calcali-
urie 1 ) berücksichtigt.
Dass die Wirkung der Calciumsalze auch auf der geringeren Aus¬
scheidung von H 3 P0 4 durch den Harn 2 ) beruht, überzeugte ich mich,
indem die von mir verabreichten gleich grossen Dosen von Ca 3 (P0 4 ) 2
(Tab. VI, 3) um Vieles schwächer als CaC0 3 wirkten, wie es scheint,
durch die gleichzeitige Neutralisirung dieser entfernenden Ca-Wirkung
durch die eingeführte Phosphorsäure. Andererseits übt das zu Na 2 HP0 4
hinzugefügte NaHC0 3 eine ähnliche Wirkung wie NaHC0 3 , indem es ver¬
hindert, dass die ganze Menge der gebrauchten Phosphorsäure in den
Harn gelangt (Tab. IV, 1).
Ausser den einzelnen Basen verabreichte ich auch verschiedene
Mischungen derselben. Im Allgemeinen kann ich behaupten, dass die
Combination der Alkalisalze (Na, K und Li) zwar energischer, als jede
derselben einzeln, wirken; ihre Alkalisationskraft wächst jedoch an¬
schaulich, sobald man ihnen Ca-, Mg-Salze oder deren Combinationen
hinzufügt, die keineswegs höher als die einzelnen Basen stehen, nur müssen
sie in entsprechend grossen Dosen verabreicht werden (Tab. VII, 1, 2, 3).
Die Titrirung der Phosphate erklärt diese Erscheinung durch die Abnahme
ihrer Menge, wodurch die verabreichten Alkalien leichter die zurück¬
gebliebene Phosphorsäure sättigen können. Ferner muss ich bemerken,
dass die Wirkung von Ca und Mg spät hervortritt, und zwar dann, sobald
die Alkalien auf die Harnacidität zu wirken aufgehört haben; die Folge
ist dann eine bedeutende Verlängerung der Wirkung. Als die besten er-
1) Tritsohler (Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 44) räth in Fällen der Calcaliurie,
die die Ursache einer der Arten der aseptischen Phosphaturie und eine Folge der ver-
grösserton Calciotropie der Nieren ist, die Verabreichung von 0,3 g C 2 H 2 0 4 pro die in
gesättigter NaHC0 3 -Lösung. Die Oxalsäure bewirkt hier eine Verringerung der Nieren¬
acidität für Calcium, wodurch ein Thoil von Ca den Organismus durch den Darm ver¬
lässt. In Folge dessen, dass sich Calcium im Organismus hauptsächlich mit der
Phosphorsäure bindet, kann man hier eine Vergrösserung der Ausfuhr von P 2 0 ß im
Koth erhoffen, und in der Folge eine Harnaciditätsabnahme. Dass in den Fällen der
Phosphaturie die Oxalsäure eine vortreffliche Wirkung übt, ersieht man aus den Ziffern,
die G. Kl em per er in seiner unter dem Titel: Ueber Phosphaturie, Beitrag zur
Prophylaxe der Nierensteine (Die Therapie d. Gegenw., 1908, Bd. 1) herausgegebenen
Arbeit anführt ; bei anderen Leuten ruft jedoch die C 2 H 2 0 4 -Verabreichung Wirkungen
hervor, die Grotowin in seiner Arbeit: Ueber die Behandlung der Nierensteinkrank¬
heit (Petersb. med. Wochenschr., 1891, No. 48) angiebt, eine Folge dessen ist eine
Schwächung der Wirkungsstärke der Erdalkalien, was ich bei meinen Beobachtungen
stets bestätigen konnte (Tab. VI, 3).
2) Voit und Förster bewiesen, dass von den60—70pCt. der im Darm resorbirten
Calciumsalze nur eine geringe Menge im Organismus verbleibt, der übrige Theil
scheidet sich durch die Dickdarmschleimhaut aus, und nur 5—10 pCt. gelangen in
den Harn. In Folge dessen, dass sich Ca hauptsächlich mit H 3 P0 4 verbindet, scheidet
es eine grosse Menge dieser Säure durch den Darm aus, und gestattet ihr eben da¬
durch nicht, in solchen Mengen in den Harn zu gelangen, in welchen sie sich aus-
soheiden würde, wenn man nicht Calciumsalze verabreichen wurde.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
256
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Hoinrioh Sochanski,
wiesen sich Mischungen mehrerer Alkalisalze mit den Erdalkalisalzen
(z. B. die Mischung No. 4 und 5 der Tab. VIII).
Alle jene oben besprochenen Basen verabreichte ich — wie aus den
Tabellen ersichtlich — in verschiedenen Fällen, und ich kann behaupten,
dass, wiewohl ihre Wirkung qualitativ immer dieselbe blieb, ihre Wirkungs¬
stärke hauptsächlich von der im Organismus enthaltenen Säurenmenge
abhängig war, wiewohl auch andere Factoren, wie z. B. eine starke Harn¬
verdünnung (Tab. III, 2), oder auch gewisse individuelle Eigenschaften
des Organismus [Tab. VIII (die Wirkung der Mischung No. 4 in Fällen
der R. W.)] nicht ohne Bedeutung waren.
Was den Zuckergehalt an belangt, so war seine Menge keineswegs
von den von mir verabreichten Alkalien abhängig. Aceton und Acet-
essigsäure schieden sich gewöhnlich sofort nach der Verabreichung reich¬
licher aus (die Periode der Ausscheidung aus dem Organismus), um nicht
lange darauf, in den von mir beobachteten Fällen, gänzlich zu ver¬
schwinden (Tab. VII, 1; Tab. VIII, Experimente mit der Mischung Nr. 4
im Falle von M. R.).
Auf Grund meiner Untersuchungen gelangte ich zu folgenden Schlüssen:
1. Alkalisalze wirken rasch, kräftig aber vorübergehend. Dies hängt
wenig davon ab, ob sie am Höhepunkt der Verdauung oder auf
nüchternen Magen gereicht wurden, kleine Dosen ausgenommen.
2. Lithium- und Kaliumsalze übertreffen an Wirkungsstärke die
Natriumsalze.
3. Geringe Dosen von Natriumbicarbonat, während der Verdauung
verabreicht, vergrössern die Ausscheidung von HCl, in ge¬
ringerem Grade thun dies entsprechende Gaben von KHCO s , in
noch geringerem LiHCO s .
4. Erdalkalisalze alkalisiren schwach, langsam, jedoch andauernd,
auf dem Höhepunkt der Verdauung verabreicht, gewinnen sie an
Kraft und andauernder Wirkung.
5. Sowohl Alkalien als auch Erdalkalien wirken am stärksten in
Gestalt von Oxyden oder Bicarbonaten, bei weitem schwächer
in Gestalt von Phosphaten oder Chloriden.
6. Die tägliche Ammoniakraenge vermindert sich erheblicher nach
dem Gebrauch von Alkaliensalzen als nach dem der Erd alkalisalze.
7. Mischungen von Erdalkali- und Alkalisalzen rufen eine starke und
andauernde Alkalisation hervor, am stärksten bewirken dies
Mischungen von Carbonaten.
8. Die Wirkung der einzelnen Basen ist qualitativ in allen Fällen
dieselbe, quantitativ hängt sic hauptsächlich von der im Organismus
enthaltenen Säurenmenge ab, obwohl auch andere Factoren nicht
ohne Bedeutung bleiben.
9. Auf die Zuckermenge (in Fällen von Diabetes mellitus) haben
jene Basen keinen deutlichen Einfluss.
Zum Schlüsse fühle ich mich verpflichtet, meinem hochverehrten
Chef Herrn Professor Dr. A. Gluzinski meinen aufrichtigen Dank für
seine Aneiferungen und werthen Winke bei dieser Arbeit auszudrücken.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Tabelle I. Die Wirkung des Natriumbicarbonats beim normalen Menschen.
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Tabelle 11. Die Wirkung des Natrium bicarbonicum bei einem Menschen mit Hyperaeiditas digestiva.
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Tabelle III. Die Wirkung des Natrium bicarbonicum.
Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc. 259
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Tabelle IV. 1. Die Vergleichnng der Wirkung von NaHC0 3 , Na 2 HP0 4 nnd Na(T beim normalen Menschen. (Siehe Tabelle 1.)
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Tabelle IV (Fortsetzung). 2. Die Vergleichung der Wirkung von XaHCO a , Na 2 HP0 4 und NaC'l heim Diabetiker.
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268
Heinrich Sochanski,
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Tabelle VIII. Die Wirkung von Mischungen der Alkaliensalze/)
Untersuchungen d. Harnaciditätsverhältnisse nach Verabreichung von Alkalien etc.
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270 Heinrich Sochanski, Untersuchungen der Harnaciditätsverhältnisse etc.
Tabelle VIII (Fortsetzung).
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40
alkalisch
31
5
36
1,50
0,2
0,8
+
schwach alkal.
19
12
31
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14
14
28
1,580
0,34
0,8
+
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sauer
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36
1,6576 |
1,0156
0,6
+
stark sauer
16
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1,20
1
0
. schwach alkal.
35
25
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amphoter
29
29
58
2,20
0,78
0,1
0
schwach sauer
26
29
55
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31
52
1,98
0,896
1
0
sauer
22
34
56
stark sauer
20
41
61
2,2972
1,10
0,5
0
M. R., Diabetes mellitus.
1700
2100
10 g d.Miscb.V
verabreicht.
2050
1650
1026
1021
1021
1021
Nach 3 Std.
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Vormittags
Abends.
R. W., Diabetes mellitus.
1200
1600
10 gd. Misch. V
verabreicht.
1350
1280
1025
1022
1018
1029
Nach 3 Std.
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Vormittags
Abends.
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0,99
0,91
0.85
0,845
0,85
0,801 '2
0,77
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Zusammensetzung der Mischungen.
Die Mischung I: Kalii bicarbonati . 10,0 (3,9 K)
Lithii bicarbonati. 6,8 (0,68 Li)
Magnesiae ustae . 2,0 (1,2 (Mg)
Calcii carbonatii . 5,2 (2 Ca)
10 g der Mischung enthält: 4,2 KHC0 3 (1,638 K)
3,0 LiHCOa (0,31 Li)
0,8 MgO (0,48 Mg)
2,0 CaC0 3 (0,8 Ca)
10,0 3,228
Die Mischung II: KiIC0 3 .10 (3,9 K)
LiHCOs. 6,8 (0,68 Li)
MgC0 3 . 4,2 (1,197 Mg)
Ca 3 (P0 4 ) 2 . 5,2 (2 Ca)
10 g der Mischung enthält: 3,3 KHC0 8 (1,287 K)
3,0 LiHC0 3 (0,31 Li)
1,4 MgC0 3 (0,399 Mg)
2,0 Ca3(P0 4 ) 2 (0,8 Ca)
2,796
Die Mischung III: KHC0 3 8,4 NaHC0 3 (2,31 Na)
6,8 LiHC0 3 (0,68 Li)
2,0 MgO (1,2 Mg)
5,0 CaCO s (2 Ca)
10 g der Mischung enthält: 4 NaHC0 3 (1,1 Nal
3 LiHCQa (0.31 Li
0,8 MgO (0.48 Mi
2 CaCO s (0.8 Cai
2,69
Die Mischung IV: . . . . 10 KHC0 3 (3,9 K)
10 LiHCOa (1.03 Li)
10 MgO (6 Mg)
10 CaC0 3 (4 Ca)
10 g der Mischung enthält: 2,5 KHCO a (0,97 K 1
2,5 LiHCOa (0,257 Li
2,5 MgO (1,5 Mi
2,5 CaC0 3 (1,0 Cv
3,737
Die Mischung V: NaHC0 3 , KHC0 3 , LiHCO s , MgO, CaC0 3 äa 10 0 (= 2,75 Na, 3,9 K, 1,03 Li, 6,0 Mi
4,0 Ca). 10 g der Mischung enthält NaIlC0 3 , KIIC0 3 , LiIlC0 3 , MgO, CaC0 3 aa 2 (= 0,55 Na, 0,78 K, 0,206 L>
1,2 Mg, 0,8 Ca. Zusammen 3,486).
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XII.
Aus der medicinischen Klinik in Göttingen.
Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn.
Von
L. Lichtwitz.
(Mit 1 Abbildung im Text.;
1. Die Löslichkeit der Harnsäure nnd des sauren harnsauren Natriums.
His und Paul 1 ) und Gudzent 2 ) haben bekanntlich die Löslichkeit
der Harnsäure und ihrer Salze im Wasser ermittelt Gudzent 3 ) hat
sodann das Verhalten der Harnsäure und ihrer Salze im Blut und Serum
untersucht und an einem künstlichen Serum, in Uebereinstiramung mit
der Berechnung von Henderson und Spiro und den Experimenten von
Bechhold und Ziegler, den Nachweis geführt, dass die Harnsäure im
Blut nur als saures Natriumurat existiren kann, dessen Löslichkeit
gegenüber der im Wasser durch die Anwesenheit anderer Salze, die
Natriumion abspalten, stark vermindert wird. Beim Schütteln von Mono¬
natriumurat mit undialysirtem Pferdeserum* fand er etwa die gleiche
geringe Löslichkeit wie im „künstlichen Serum u . Die in diesen Versuchen
erreichte Concentration des Mononatriumurats im Blute ist in vielen Fällen
kleiner als die Harnsäurewerthe, die im Blut des Gichtkranken gefunden
werden, und Gudzent zieht daraus den Schluss, dass das Gichtikerblut
zu gewissen Zeiten eine übersättigte Uratlösung darstellt. Diesem Schluss,
der das Auftreten der Urate bei der Gicht dem Verständnis nahezubringen
scheint, ist gern beigestimrat worden, obwohl Bechhold und Ziegler 4 5 )
mit grosser Entschiedenheit darauf hingewiesen haben, dass inactivirtes
Rinderserum sehr grosse Mengen Harnsäure (52 mg pro 100 ccm) zu
lösen und in Lösung zu halten vermag. Schon vorher hatten W. Pauli
und Sam ec 6 ) gezeigt, dass schwerlösliche Salze und auch Harnsäure in
elektrolytfreien Serumalbuminlösungen weit besser löslich sind als in Wasser.
Diese Feststellungen — die Herabminderung der Löslichkeit des
Mononatriumurats durch anwesende Natriumsalze und die Erhöhung der
Löslichkeit durch die Eiweisskörper — müssen in gleicher Weise be¬
rücksichtigt werden, wenn man die Frage entscheiden will, ob eine
1) Zeitschr. f. phys. Chemie. 1900. Bd. 31. S. 1 und 65.
2) Ebenda. 1909. Bd. 60. S. 25.
3) Ebenda. 1Ö09. Bd. 63. S. 455.
4) Bioohem. Zeitschr. 1909. Bd. 20. S. 189. - 1910. Bd. 24. S. 146.
5) Ebenda. 1909. Bd. 17. S. 235. (Ihre Werthe für die Löslichkeit der Harn¬
säure im Wasser sind auffallend hoch.)
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
272
L. Lichtwitz,
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Körperflüssigkeit in Bezug auf Harnsäure oder saures Natriuraurat ge¬
sättigt ist. Ein Vergleich der Concentration mit der in reinem Wasser
wird in keinem Falle ein brauchbares Ergebniss liefern.
Für die Gicht wie für alte Ablagerungen von Salzen und anderen
Körpern im Organismus sind diese doppelten Beziehungen von grosser
Bedeutung. Den besten Einblick gewährt das Studium der Löslichkeit
und Niederschlagsbildung ira Harn.
Die Concentration der Harnsäure und ihrer Salze (des Urations) ira
Harn ist bereits ira Vergleich zu der Löslichkeit im reinen Wasser eine
ausserordentlich hoho. Diese Thatsache ist so bekannt, dass es über¬
flüssig ist die Zahlen hier anzuführen. Durch die saure Reaction des
Harns müsste, wenn es sich um reine wässerige Lösungen handelte, die
Löslichkeit der Harnsäure, durch die beträchtliche Concentration an
Natriumionen die Löslichkeit des Mononatriumurats kleiner sein als im
Wasser. Der Grund dieser abnormen Löslichkeit liegt, wie ich früher
ausgeführt habe, in der colloidalen 1 ) Structur des Harns. Es wurde
festgestellt, dass die Löslichkeit der Harnsäure und des Mononatriumurats
abhängig ist vom Lösungszustand der Harncolloide.
Das Ausfallen eines Sediments erfolgt durch eine Verschlechterung
der Verkeilung (Ausflockung) der Colloide, die reversibler oder irreversibler
Art sein kann.
Es ist aber zweifellos, dass die Acidität auf diesen Vorgang einen
begünstigenden Einfluss haben kann. Otto Neubauer 2 ) hat ihr sogar
die grösste Rolle zugesprochen. Er findet in Harnen mit Sedimenten
von Harnsäure regelmässig so hohe Wasserstoffionen-Concentrationen, wie
sie beim Normalen — gleiche Kost vorausgesetzt — nicht Vorkommen.
Dieselbe Meinung mit der Einschränkung, dass die Ionenacidität einer
der Factoren ist, die das Ausfallen der Harnsäure bedingen, vertritt Erich
Meyer 3 ). Er bemerkt aber, dass, wenn man die Menge der ausfallenden
Harnsäure in Beziehung zur Grösse der Acidität in den einzelnen Fällen
betrachtet, man zu dem Schlüsse gelangt, dass für das Ausfallen noch
andere Factoren in Betracht kommen müssen. Die tägliche Erfahrung,
dass beim starken Ansäuern von Harn nur ganz ausnahmsweise ein
Niederschlag von Harnsäure entsteht, ist mit dieser hohen Bewerthung
der Harnacidität schwer in Einklang zu bringen, und es erhebt sich die
Frage, ob die in der Niere entstehende saure Reaction eine andere
biologische Bedeutung hat als die Acidität, die in dem entleerten Harn
durch Hinzufügen von Säure erzeugt wird. Die Möglichkeit einer solchen
Differenz besteht. Der Process der Harnbereitung, und besonders die
Schaffung der höheren molecularen Concentration 4 ) geht einher mit und
durch Zustandsänderungen im Zellinhalt 4 ). Speciell für die Harnsäure
1) Zeitschr. f. phys. Chemie. 1910. Bd. G4. S. 144. Vgl. auch G. Klempcrer,
Verhandl. d. Congr. f. innere Med. Wiesbaden 1902. S. 219.
2) Verhandl. d. Congr. f. innere Med. Wiesbaden 1911. S. 160.
3) Ebenda. S. 162.
4) L. Lichtwitz, Die Concentrationsarbeit der Niere. Verhandl. d. Congr. f.
innere Med. Wiesbaden 1910. S. 758. — Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1911. Bd. 65.
S. 128.
Gck igle
Original fro-m
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Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn.
273
ist durch die an Vögeln und Säugethieren durchgeführten Untersuchungen
von Meissner 1 ), Ebstein und Nikolaier 2 ) und Minkowski 3 ) sicher¬
gestellt, dass sie als Sphärolith in der Tubuluszelle ausfällt, also mit
einem Colloidgerüst in den festen Zustand übergeht, und in diesem in
das Canälchen abgegeben wird. Dieser Sphärolith ist unter normalen
Verhältnissen im Harnwasser löslich. Dem Gesetz der wässerigen Löslich¬
keit folgt ein solches Harnsäuretheilchen nicht; seine Löslichkeit wird
bestimmt durch die Löslichkeit der Colloide, die mit ihm zusammen in
den Niederschlag eingetreten sind. Bekannte Beispiele für einen solchen
Vorgang sind die Löslichkeit des ganz wasserunlöslichen Cholesterins in
Wasser, wenn man es zusammen mit Lecithin aus einer Benzollösung zur
Trockne gebracht hat (Overton), und die Löslichkeit colloidalen Silbers
bei Gegenwart eines Schutzcolloids (Collargol).
Diese Anreicherung der Harnsäure in der Zelle geschieht unter Con-
centrirung von Wasserstoffionen, da aus dem Mononatriumrat des Blutes
Harnsäure, und aus dem Dinatriumphosphat des Blutes das sauer
reagirende Mononatriumphosphat gebildet wird. Die Concentration der
Wasserstoffionen ist aber, wie wir wissen, von grossem Einfluss auf den
Lösungszustand von Colloiden, und es ist sehr wohl möglich, dass bei
bestimmten Aciditäts- und Colloidverhältnissen in der Nierenzelle, über
die wir etwas Gewisses nicht aussagen können, ein Harnsäuretheil
(Sphärolith) gebildet wird, der nach seiner Ausstossung in den Tubulus¬
canal von dem Harnwasser nicht gelöst wird, weil sein Colloidgerüst
in Folge der besonderen, durch die Reaction in der Zelle verschuldeten
Verhältnisse irreversibel gefällt ist.
Ein solcher Vorgang, der physicalisch-chemisch möglich, aber einer
experimentellen Beweisführung nicht zugänglich ist, wird es verständlich
machen, dass eine saure Reaction, die am Orte der Harnsäureausscheidung
entsteht, auf die Löslichkeit von anderem Einflüsse ist als die Säure, die
aus anderen Theilen der Niere kommt oder nachträglich zugesetzt wird.
Die Angabe von 0. Neubauer, dass eine Wasserstoffionenacidität
von 1—2 X 10 im normalen, d. h. von Harnsäuresediment freien Harn
nicht vorkommt, kann in dieser Allgemeinheit nicht bestätigt werden.
In einem Falle von Coma diabeticum habe ich bei einem Werthe von
lXlO -5 einen völligen Bestand der Harnsäurelöslichkeit durch mehrere
Tage beobachtet, und Erich Meyer hat zweimal bei dem gleichen
Werth Harnsäure nur in unbestimmbaren Spuren im Sediment gefunden.
Die Bedeutung der Ionenacidität für die Harnsäurelöslichkeit ist also
eine sehr begrenzte, und es ist sehr wohl möglich, dass dort, wo sie
überhaupt vorhanden ist, ihre Wirkung durch den Einfluss auf die
schützenden Colloide vermittelt wird.
Die Bedeutung dieser Colloide braucht nicht mehr unter Beweis ge¬
stellt zu werden. Ein immer wiederkehrender Versuch der Erklärung
der abnormen Löslichkeiten in den Körperflüssigkeiten beruht auf dem
1) Zeitschr. f. ration. Med. 1868. Bd. 31. S. 162.
2) Virohow’s Arch. 1896. Bd. 143. S. 337.
3) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1898. Bd. 41. S. 375.
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274
L. Lichtwitz,
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bequemen Princip der Uebersättigung. Es ist bekanntlich möglich,
Lösungen herzustellen von höherer Concentration als dem Sättigungs¬
punkt entspricht, und es ist sicher, dass auch die Harnsäure und ihre
Salze zu solchen Uebersättigungen neigen. So hohe Uebersättigungen,
wie sie im Harn Vorkommen, sind bei künstlicher Darstellung nicht zu
erreichen. Man kann Lösungen machen, die 3- bis 4mal so stark sind
als gesättigte; aber der Harn übertrifft die Concentration einer gesättigten
wässerigen Harnsäurelösung oft um das 20- und Mehrfache.
Aus der Phasenregel von Gibbs ergiebt sich mit mathematischer
Nothwendigkeit, dass eine übersättigte Lösung nicht beständig ist bei
Gegenwart der gelösten Stoffe in fester Form. Durch Hinzufügen derselben,
durch die sogenannte Impfung, kann man ein oft plötzliches Aus-
krystallisiren hervorrufen. Im Allgemeinen wird die Schnelligkeit der
Krystallisation abhängig sein von der Zahl der anwesenden Krystalle, die
als Krystallisationspunkte wirken. Der Process führt zu einem Gleich¬
gewicht, das dann erreicht ist, wenn die Lösung den Concentrationspunkt
der Sättigung erlangt hat.
Wenn also der Harn eine einfache übersättigte Lösung ist, so muss
bei Gegenwart eines Sediments nach ausreichender Zeit (24—48 Stunden)
eine gesättigte wässerige Lösung übrig bleiben.
Dies geschieht, wie folgende Beobachtungen lehren, nicht.
Eine Patientin 1 ) mit myeloischer Leukämie hatte in einem stark sauren Harn
stets ein reichliches Sediment von Harnsäure in Wetzsteinform. Es wurde die Gesammt-
harnsäure und die Harnsäure des Filtrats (gelöste Harnsäure) bestimmt. (Methode von
Krüger und Schmid.)
Datum
Harnmenge
U g in 24 Std.
U mg in 100 ccm
13. 10. 09
1160
0,6354
14,5
14. 10. 09
1329
0,6279
22,4
15. 10. 09
1440
0,7357
28,3
16.10. 09
1380
1,0201
19,0
17. 10. 09
1095
0,7917
22,2
In 100 ccm Wasser sind bei 18° 2,54 mg Harnsäure löslich. Bei
der sauren Reaction, die nicht gemessen ist, würde der Sättigungspunkt
noch unter diesem Werthe liegen.
Das gleiche Resultat, aber ohne Berücksichtigung der Zeit, die bis
zum Beginn der Analyse verstrichen ist, geben die Untersuchungen von
Erich Meyer, der gleichzeitig die Ionenacidität gemessen hat.
Bei (H+)-Werthen von 1X10 “ 5 bis 3 x 10 “ 7 , aber unabhängig von ihnen, beträgt
die Concentration der in Lösung verbliebenen Harnsäure 8,2—51 mg in 100 ccm. Nur
in 2 Analysen ist der theoretische Werth der wässrigen Löslichkeit erreicht (1,92 bis
2,3mg in lOOccm bei (H^) = 4—5 X 10 “ 6 ), bei einem extrem dünnen Harn von 1001,7
bezw. 1001,3 specifischem Gewicht.
Ebenso liegen die Verhältnisse in den Harnen, in denen ein Sedi-
mentum lateritium ausgefallen ist.
1) Lichtwitz, 1. c.
Gck .gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Ham.
275
Datum
mg gelöstes saures Natrium-
Datum
mg gelöstes saures Natrium
urat in 100 ccm
urat in 100 ccm
17. 11.09
72,0
21. 11.09
90,2
18. 11. 09
71,5
22. 11.09
101,9
19. 11.09
92,0
23. 11. 09
83,4
20. 11.09
36,4
Der Kochsalzgehalt dieser Harne, der in der hier wiedergegebenen
Periode nicht, aber bei derselben Kost unmittelbar vorher längere Zeit
bestimmt wurde, lag zwischen 0,885 und 1,695 pCt. Er betrug im
Durchschnitt 1,083 pCt.
Bei 18° Und einem NaCl-Gehalt von 0,814 pCt. beträgt nach
Gudzent die Löslichkeit des. sauren Natriumurats in 100 ccm Wasser
18,4 mg (Lactamform) bezw. 8,3 mg (Lactimform).
Dasselbe Resultat hatten folgende Untersuchungen:
mg gelöstes Mononatriumurat
in 100 ccm
(H + )
Titrations¬
acidität
pCt. NaCl
72,3 8 X 10~ 6 54,5 1,55
60,2 3X10-« 63,2 1,64
In allen diesen Fällen bleibt die Lösung weit concentrirter als deu
Verhältnissen der wässerigen Löslichkeit entspricht. Sie strebt zum
Mindesten dem normalen Gleichgewicht mit so grosser Langsamkeit zu,
dass die Annahme einer einfachen Uebersättigung nicht statthaft ist.
Dass die Harnsäure im Urin in echter Lösung und nicht in colloidaler
enthalten ist, habe ich früher durch die sogenannte Compensationsdialyse
festgestellt.
2. Die Löslichkeit des oxalsauren Kalks.
Nach Kohlrausch ist bei 18° in 100 ccm Wasser 0,56 mg oxal-
saurer Kalk löslich. In 1500 ccm Harnwasser (Tagesmenge) könnten
also 8,4 mg gelöst bleiben. Die durchschnittliche tägliche Oxalsäure¬
ausscheidung von 20 mg = 32 mg Calciumoxalat ergiebt also etwa das
Vierfache des Werthes der wässerigen Löslichkeit. Diese Löslichkeits¬
überschreitung kann noch weit übertroffen werden. So berichtet Umber 1 )
über einen Fall von Oxalsäurevergiftung, der an einem Tage in 530 ccm
sauren Harns 126,1 mg Oxalsäure in gelöstem Zustande ausschied. Erst
nach einigem Stehen traten Oxalatkrystalle auf. Diese 126,1 mg Oxal¬
säure entsprachen 202 mg Calciumoxalat. Der Harn enthielt also 38 mg
oxalsauren Kalk bei ca. 37° in 100 ccm gelöst, d. i. 68 mal so viel als
in der gleichen Menge Wasser bei 18 0 möglich ist.
Würde es sich im Harn um eine reine wässerige Lösung handeln, so
müsste die Löslichkeit in Folge der Anwesenheit von Calciumionon im
Ueberschuss kleiner sein als im Wasser.
Die Reaction ist auf Lösung und Ausfallen des oxalsauren Kalks
sicher ohne Einfluss. In starken Mineralsäuren ist Calciumoxalat löslich,
aber Reactionen von dieser Stärke kommen im Harn nicht vor. Es ist
eine alltägliche Beobachtung, dass die typischen Krystalle im sauren,
neutralen und alkalischen Harn zu finden sind, und es ist von be-
sonderem In teresse, dass sich nicht selten Sedimente von Harnsäure und
1) Lehrbuch der Ernährung und der Stoffwechselkrankheiten. Berlin-Wien 1909.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
276
L. Lichtwitz,
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oxalsaurera Kalk, von Mononatriumurat und oxalsaurem Kalk, von Calcium¬
phosphat und Calciumoxalat finden. Nur bei der letzten Combination
kann die Ursache in einem Moment chemischer Natur, in einer hohen
Concentration von Calciumionen liegen; zwischen der Löslichkeit der
Harnsäure (und ihrer Salze) und des Calciuraoxalats besteht gar keino
chemische Beziehung. Wenn diese Körper zusammen ausfallen, so kann
der Grund nur in einer Aenderung der Constitution des Lösungsmittels
liegen, d. h. in einem Mangel an Schutzcolloiden.
Nicht selten finden wir bei einem Individuum die Neigung zu Harn¬
sedimenten als constante Erscheinung, wechselnd aber die Art des
Sedimentes, die dann gewöhnlich durch extreme Aenderungen in der
Harnreaction bedingt ist. Auch hier ist die Störung im colloidalen
Milieu die gemeinschaftliche Ursache der Niederschlagsbildung.
Bei dem Ausfallen des oxalsauren Kalks im Harn geht häufig, wie
bei dem Urat, die Concentration der zurückbleibenden Lösung nicht auf
den Werth zurück wie in der wässerigen Lösung.
Nach Klemperer und Tritschler 1 ) findet sich 1,61—2,5 mg in
100 ccm Harn gelöst bei einem reichlichen Oxalatsediment.
Diese Autoren haben sich mit der Löslichkeit des oxalsauren Kalks
beschäftigt und sind zu dem Resultat gekommen, dass die Löslichkeit
abhängt von der Concentration der Oxalsäure, dem Magnesiumgehalt des
Harnes, und besonders von dem Quotienten CaO : MgO.
Dass Neutralsalze die Löslichkeit schwerlöslicher Stoffe positiv oder
negativ beeinflussen können, ist sicher. Dass aber so geringe Differenzen
in der Concentration, wie sie für das Magnesiumion im Harn möglich
sind, einen Einfluss haben, ist in der chemischen Analyse ohne Beispiel.
Die Analysen von Klemperer und Tritschler berechtigen nicht
dazu, von einer Wirkung der Magnesiumsalze zu sprechen. Zu einer Be¬
urteilung der Frage können von den zahlreichen Untersuchungen nur
die wenigen angewandt werden, in denen bei Anwesenheit eines Sediments
die gelöste Oxalsäure bestimmt worden ist, da es nicht darauf ankommt,
ob Oxalat ausgefallen, sondern wie viel gelöst geblieben ist. Nur die
Tabelle auf S. 360 giebt darüber Aufschluss. Ich habe aus der Gesammt-
oxalsäure und der Oxalsäure des Sediments die Concentration des gelösten
Oxalats berechnet, und gebe die Tabelle in dieser Form wieder:
Datum
mg gelöste Oxal¬
säure in 100 ccm
Sediment von
Calciumoxalat
pCt. CaO
pCt. MgO
CaO
MgO
*26./27.
0,84
i
~r
0,0360
0,0201
1 : 0,56
27./2S.
1,92
+
0,0280
0,0207
1 :0,74
2S./29.
2,34
0,0325
0,0252
1 : 0,77
29./30.
1,76
+
0,0367
0,0229
1 : 0,62
30./31.
< 1,44
+
0,0297
0.0187
1 : 0^63
31./I.
2,6
—
0,0282
0,0269
1 : 0,95
2-/3.
2,38
+
0,0297
0,0168
1 :0,57
3./4.
< 1,76
+
0,0217
0,0155
1 : 0,71
4./5.
1,44
—
0,0170
0,0138
1 : 0,81
1) Zeitschr. f. klin. Med.
1902. ßd. 44.
S. 3S7.
Gck igle
Original fro-m
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Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn.
277
In dieser Reihe sind die Quotienten CaO: MgO relativ klein, aber
untereinander doch hinreichend verschieden, um deutlich zu machen, dass
zwischen ihnen und der Concentration der gelösten Oxalsäure gar keine
Beziehung besteht.
Die Analysen der Harne, in denen keine Oxalsäure ausgefallen ist, können
für einen Einfluss der Magnesiumionen nichts beweisen, da man nicht weiss,
ob die Harne in Bezug auf ihren Gehalt an Calciumoxalat gesättigt sind.
Aus den Tabellen von Klemperer und Tritschler auf Seite 362
und 363 geht aber hervor, dass etwa eine normale Oxalsäureconcentration
beständig ist
bei sehr variirendem
CaO: MgO
und sehr verschiedener
Harnreaction.
So z. B.:
Harnreaction
Oxalsäure
CaO
Sediment
in
100 ccm
MgO
S. 362 3. Tag
schwach sauer
1,12
1 : 1,2
0
S. 363 1. Tag
alkalisch
1,1
1 :0,54
Phosphate
S. 363 4. Tag
sauer
1,4
1:0,65
0
Rlemperer und Tritschler haben diesen die Löslichkeit be¬
fördernden Einfluss der Magnesiumsalze auch an reinen wässerigen
Lösungen untersucht und gefunden. Aus den mitgetheilten Versuchen
geht aber nicht hervor, dass die Magnesiumsalze an sich diese Wirkung
haben, sondern nur bei Gegenwart von saurem Calciumphosphat (d. h.
bei saurer Reaction), das aber in der angewandten Concentration, wie
die Autoren selbst finden, schon an sich die Löslichkeit des oxalsauren
Kalks erhöht. Diese Versuche von Klemperer und Tritschler geben
aber zu Bedenken gegen die Methodik Anlass. Es wurde das Oxalat
gewichtsanalytisch bestimmt, aber anscheinend der Fällungsmodus nach¬
geahmt, der im Harn vor sich geht, d. h. bei Zimmertemperatur gearbeitet.
Es ist aber jedem Analytiker bekannt, dass der oxalsaure Kalk bei
niedriger Temperatur gefällt, fast immer in so feinem Korn ausfällt, dass
er von keinem Filter zurückgehalten wird. Bei den relativ kleinen Mengen
(4—10 rag), die zur Wägung kamen, würden auf diese Weise entstandene
kleine Verluste bereits einen sehr grossen Fehler ergeben.
Ich habe daher, zusammen mit Herrn cand. med. H. Buch holz, der
darüber ausführlicher in einer Dissertation berichten wird, die Frage noch
einmal untersucht.
Wir haben zuerst mit Normallösungen von Calciumchlorid, Magnesium¬
sulfat und Natriumoxalat gearbeitet und das Oxalat im Ueberschuss an¬
gewandt. Die Lösungen wurden in den in der Tabelle verzeichneten
Mengen zusammengegossen, dann gewartet, bis der Niederschlag bei
Zimmertemperatur absetzte, die darüberstehende Flüssigkeit vorsichtig
dekantirt, und in einem ^messenen Theile des klaren Filtrats mit
Permanganat die überschüssige Oxalsäure zurücktitrirt.
Natrium¬
Magnesium¬
Calcium¬
Wasser
Calcium¬
oxalat
sulfat
chlorid
permanganat
29 com
0 ccm
10 ccm
10 ccm
9,78 ccm
29 „
0 „
10 „
10 „
9,78 „
29 „
10 „
10 „
0 „
9,80 „
29 „
10 „
10 „
0 „
9,79 „
ichrift f. exp.
Pathologie u. Therapie.
13. Bd.
19
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
278
L. Lichtwitz,
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Mit und ohne Gegenwart von Magnesiumsulfat war also genau die
gleiche Menge Oxalsäure gelöst geblieben.
Derselbe Versuch wurde bei Anwesenheit einer -Lösung von Mono-
natriumphospat (und zwar 10 ccm derselben in einem Gcsammtvolumen von
59 ccm) vorgenommen mit dem Resultat, dass die verbrauchte Menge Per¬
manganat 1—2 Tropfen mehr betrug, also eine Zunahme der Löslichkeit von
etwa Yo pCt. ergab, die für unsere Frage praktisch nicht in Betracht kommt.
Sodann haben wir mit einem Ueberschuss von Kalk gearbeitet.
0,9 g Natriumoxalat (roh gewogen) und 30 g CaCI 2 wurden in je 100 ccm
Wasser gelöst. Von Magnesiumchlorid wurde eine gesättigte Lösung dar¬
gestellt. Je 20 ccm der Lösungen wurden zusammengegeben, bei Zimmer¬
temperatur 24 Stunden stehen gelassen, ßltrirt, gewaschen, verascht, ge¬
glüht und als CaO gewogen. Bei diesem Verfahren waren, wie voraus¬
zusehen, Verluste nicht zu vermeiden, da der Niederschlag durch die
Filter ging. Die Resultate sind dementsprechend schlecht. Aber bei
Gegenwart von Magnesium waren (wohl zufällig) die CaO-Gewichtc ein
wenig höher. In einem Versuch wurde in einem Theilc des decantirten
klaren Filtrats die Oxalsäure mit Permanganat titrirt. Diese Titration
ergab völlig übereinstimmende Resultate. Die Anwesenheit von Magnesium
hatte nichts ausgemacht. Obwohl es peinlich ist, die schlechten Ge¬
wichtsanalysen mitzutheilen, sei dieser Versuch hier wiedergegeben:
Oxalsaures
Natrium
CaCI 2
MgCl 2
h 2 o
CaO
KMn0 4
20 ccm
20 ccm
0 ccm
20 ccm
72,0 mg
0,35
20 „
20 „
20 „
0 „
77,0 „
0,35
20 „
20 „
20 „
0 „
75,2 „
0,35
Behandelt man die Niederschläge nach den Regeln der Analyse,
d. h. mit mehrstündigem Erwärmen auf dem kochenden Wasserbade, so
kommt man, unabhängig vom Magnesiumgehalt, zu ganz übereinstimmen¬
den Werthen.
Lösungen wie oben:
ohne Zusatz von Magnesiumchlorid . 77,4 mg CaO
®it n . ^>4 77
„ „ „ 5 ccm MgCI 2 -Lösung-f- 15 ccm H 2 0 77,5 „ „
In diesen Versuchen waren die Conccntrationen der Stoffe in den¬
selben Verhältnissen, aber etwa 30 mal so hoch wie im Harn, gewählt.
Will man die Löslichkeit des oxalsauren Kalks in den natürlichen
Harnconcentrationen untersuchen, so kann man sich mit qualitativen
Reactionen begnügen. Wir haben die Ionen des Harns zu löslichen
Salzen gruppirt, und von diesen 3 mal so starke Lösungen hergestellt,
als sie im Harn Vorkommen. Wir haben #ann gleiche Volumina der
Lösungen von Natriumoxalat, Calciumchlorid und eines dritten Harnsalzes
zusammengebracht, und das Auftreten des Niederschlags beobachtet.
Weder Magncsiumsalze, noch irgend ein anderes Salz hatten einen gesetz-
raässigen Einfluss auf Lösung und Niederschlagsbildung, ebenso wenig wie
Harnstoff und einzelne Combinationen mehrerer Lösungen.
Einen Verzug der Niedcrschlagsbildung konnten wir gelegentlich bei
Gck igle
Original fro-m
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Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Ham.
279
Anwesenheit von Magnesiumion beobachten, aber auch bei Gegenwart
von Kochsalzlösung. Hier handelt es sich nicht um eine specifische
Salzwirkung, sondern um Uebersättigungserscheinungen, die von zu¬
fälligen, nicht näher controlirbaren Umständen abhängen.
Aus allen diesen Versuchen geht mit Sicherheit hervor, dass die
Magnesiumsalze in den untersuchten Concentrationen auf die Löslichkeit
des oxalsauren Kalks ohne Einfluss sind.
Für das Verständniss der abnormen Löslichkeit des oxalsauren Kalks
im Harn ist bisher das wichtigste Moment die Existenz der gemischten
Sedimente, die auf eine Aenderung im colloidalen Milieu hinweisen.
Darauf wird am Schluss dieser Mitteilung noch zurückgekommen werden.
3. Die Löslichkeit des phosphorsanren Kalks.
Von den Calciumphosphaten kommen für die Harnsedimente das
sccundäre Salz (CaHP0 4 , Dicalciumphosphat) und das normale oder ge¬
sättigte Salz [Ca 3 (P0 4 ) 2 , Tricalciuraphosphat] in Betracht. Das primäre
Calciumphosphat [Ca(H 2 P0 4 ) 2 , Monocalciumphosphat] krystallisirt erst aus
Lösungen von einer so starken Acidität, wie sie im Harn nicht mög¬
lich ist.
Das tertiäre Salz entsteht, wenn man die Lösung eines normalen
Calciumsalzes mit einer alkalischen Natriumphosphatlösung vermengt, als
ein anfangs amorpher Niederschlag, der sich beim Stehen allmählich in
glänzende Krystalle von Dicalciumphosphat umlagert. Das tertiäre Salz
ist in Wasser fast unlöslich. Das Dicalciumphosphat löst sich in Wasser,
aber nicht ohne Veränderungen. Die Lösung wird trübe und nimmt
dabei an Acidität zu. Der Niederschlag ist amorph und nähert sich in
seiner Zusammensetzung dem normalen Salze. Die beiden Salze gehen
also bei Berührung mit Wasser ineinander über. Es handelt sich um
ein mit Temperatur und Concentration verschiebbares Gleichgewicht, das
durch folgende Formel wiederzugeben ist 1 ):
3 Ca++ + 2 H P0 4 " ^ Ca 3 (P0 4 ) 2 + 2 H+.
Wir finden im Harn sowohl das amorphe tertiäre Salz wie das schön
krystallinischc Dicalciumphosphat und Gemische beider Formen. Da
beide Salze in verdünnten Säuren löslich sind, so wird die Löslichkeit
im Ham, die die wässerige weit übertrifft, auf die saure Reaction des
Harns bezogen.
Und doch werden Sedimente von Calciumphosphat (sogenannte
Phosphaturie) im sauren Harn nicht selten beobachtet. Leo 2 ) hat diese
Erscheinung so zu deuten versucht, dass es sich um Harne handelt, die
hintereinander mit verschiedener Reaction seccrnirt worden sind. Ein
schneller von Stunde zu Stunde sich vollziehender Wechsel der Harn-
reaction (der lonenacidität) ist, wie ich aus eigenen Beobachtungen weiss,
nicht selten. Aber wenn der Mischharn eine normale saure Reaction und
ein Sediment von phosphorsaurem Kalk hat, so müsste daraus geschlossen
1) Vgl. W. Ostwald, Grundlinien der anorganischen Chemie. Leipzig 1904.
S. 541/42.
2) Arch. f. klin. Med. Bd. 73. S. 604. 1902.
19 *
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280
L. Lichtwitz,
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werden, dass diese saure Reaction wohl im Stande ist, das Salz in Lösung
zu halten, aber einen Niederschlag nicht zu lösen vermag.
Ich habe in einigen solchen Harnen die Ionenacidität (nach dem
Verfahren von Henderson) bestimmt.
Pat. K. hatte nach dem Abklingen einer Albuminurie von ortho-
statischem Typus im sauren Mischharn ein reichliches Sediment von
krystallinischem Dicalciumphosphat. An einigen Tagen wurden die stünd¬
lichen Harnmengen gesondert aufgefangen. Es zeigte sich, dass bei einer
Wasserstoffionen-Concentration von 5 X 10 -7 (gegen Lackmus amphoter
bis ganz schwach sauer) Sedimente häufig waren, aber auch bei viel
stärkerer Acidität vorkamen. So wurden sogar in einer Harnportion,
deren Reaction bei 2—5 X 10 -6 lag (gegen Lackmus stark sauer), sehr
schöne Rosetten von phosphorsaurem Kalk gefunden.
Bei einer Acidität von 1 x 10 _6 wurden bei diesem und anderen
Kranken öfter Phosphatsedimente beobachtet.
Das Verhalten des Harns eines Pat. R. veranschaulicht folgende
Tabelle:
Datum
Sediment
Häutchen
j Reaktion gegen
Lackmus
Titrations¬
acidität
Ionenacidität
12. XII. 12
amorph
+
alkalisch
+ 3,00
__
13. XII. 12
V»
—
' schwach sauer
+ 23,00
5 . 10-7
14. XII. 12
w
—
sauer
+ 23,25
1 . io-ß
15. XII. 12
0
—
Tf
+ 35,2
5.10-«
Für das Ausfallen des phosphorsauren Kalks spielen die Concen-
trationen der beteiligten Ionen nur eine untergeordnete Rolle. Das
Sediment kann bei normalem Gehalt entstehen und bei höherem aus-
bleiben. Auch das Verhältniss CaO : P 2 0 6 , das vielfach untersucht
wurde, ist ohne jede Bedeutung und muss es sein, da in diesem
Quotienten die Reaction, die die Löslichkeit bedingen soll, nicht ent¬
halten ist. Die Reaction kann mit einiger Annäherung an die Verhält¬
nisse des Harns in dem Quotienten:
Mononatriumphosphat -f- Dinatriumphosphat
Dinatriumphosphat
eingeführt werden.
Es ist also zu untersuchen, wie sich Gemische von wässerigen Mono-
und Dinatriumphosphatlösungen bei gleichem, der Harnconcentration ent¬
sprechendem Phosphorgehalt in Bezug auf ihre Reaction und beim Zusatz
von gleichen, der Harnconcentration entsprechenden Lösungen von Calcium¬
chlorid in Bezug auf die Niederschlagsbildung verhalten.
V ersuch.
Es werden 6,7 g NaH 2 P0 4 -|- 1 H 2 0 in 750 com destillirtem Wasser gelöst und
in einer gleichen Menge 17,22 g Na 2 HP0 4 -j- 12H 2 0. Jede Lösung enthält also
1,5 g P (durchschnittliche Tagesmenge im Harn). Dann werden 3 Lösungen von
CaCl 2 in je 750 ccm Wasser bereitet.
Gck igle
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Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn.
281
Lösung I enthält 1,60 g CaCI 2 = 0,81 g CaO (obere Grenze der Harn-
concentration).
„ II „ 0,90 g „ = 0,454 g „ (massige Concentration).
n III „ 0,65 g „ = 0,328 g „ (untere Grenze der Harn-
concentration).
Die Mengen der vermischten Lösungen und das Resultat sind aus der Tabelle
zu ersehen.
NaH 2 P0 4 -
NajHPCV
Reaction
Lösung
ccm
Lösung
gegen
Lackmus
(H+)
ccm
4,5
0,5
5.10-6
4,0
1,0
> sauer
2.10-6
3,5
1,5
l
1.5.10-6
3,0
2,0
3.10-7
2,5
2,5
amphoter
4.10-7
2,0
3,0
| alkalisch
—
1,5
1,0
3,5
4,0
I
0,5
4,5
—
5 ccm CaCl 2 -Lösung
No. I
No. II
No. III
Nach einigen Stunden Krystalle
Nach 6 Min.
Krystalle
sofort
Niederschag
Nach 20 Min.
Krystalle
Nach 20 Min,
Krystalle
} sofort Nieder¬
schlag
Opalescenz,
bald Nieder¬
schlag
( Nach einigen
Minut. gering.
Bodensatz
I Anfangs Opa¬
lescenz. Nach
einig. Minuten
feinflockiger
Niederschlag
Bei saurer Reaction sind die Niederschläge ganz krystallinisch, bei stärker alka¬
lischer amorph, bei amphoterer gemischt.
Diese Versuche zeigen, dass bei den Concentrationen von Phosphat
und Calcium, wie sie im Harn Vorkommen, und bei normal sauren Harn-
reactionen zum mindesten eine völlige Löslichkeit des phosphorsauren
Kalks nicht besteht.
In den Harnen mit saurer Reaction und Phosphatsediment bestand
also eine normale Unlöslichkeit wie in Wasser. Für alle anderen Harne
reicht die Reaction als einzige Erklärung der Löslichkeit des phosphor¬
sauren Kalks nicht aus.
Untersuchungen von Harnen bei sogenannter Phosphaturie l ) haben
ergeben, dass der alkalisch secernirte Harn ein ätherlösliches Colloid
enthält, das wie viele andere hydrophile Colloide oberflächenactiv ist,
sich an der Grenzfläche Harn-Luft ansammelt, dort gerinnt und zu
dem bekannten schillernden Häutchen führt. Nicht selten trifft man nun
Harne, die klar mit alkalischer Reaction entleert werden und sich erst
nach einiger Zeit unter Häutchen- und Niederschlagsbildung verändern.
Wenn man einen solchen Harn mit Aether ausschüttelt, so entsteht die
Phosphattrübung sofort, während die unbehandelte Controle erst nach
einiger Zeit (oft nach Stunden) trübe wird.
Die folgende Abbildung veranschaulicht den Vorgang. Durch die
Ausschüttelung mit Aether ist dem Harn ein colloidaler Stoff entzogen,
der, wie die Niederschlagsbildung zeigt, die abnorme Löslichkeit aufrecht
erhalten hat. Den gleichen Verlust erleidet der Harn durch die Ge¬
rinnung der Colloide an der Oberfläche, die der Sedimentbildung syn-
1) L. Lichtwitz, Verhandl. des Congr. f. innere Med. Wiesbaden 1912.
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Go igle
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L. I.fidt Iwitz
.chron isj oder seitlich vorruijiriii in diesem Fülle ist rj;Zustands-
iintleruHp der Sd.iuUi'idJpitfo,.. ,die Jb« eiert I Vutscdimemen durch dir:
fies-nrnmume der Goldzalil war. eine kt Uosscr .Bc»rachiu»g
sinn fällige. lF-'V-iietriurig,
'•Me ArtlKint'üktHi der iiwii'thi*«». . de! Freie oder Pho.vpha,lj9 vom
ertlienFHen Zu.-.mm1 d<> tinrns mt w a Irren d die Boweisführ'oog
fi>r fFt.s i'aimiinmsuläti Fkhör nur eine ltidiretA«, isi.
Man kann mm ftjr die ?, SfeurkiHinef den eemomsrhuü.imheü N'aeii-.
«ms der f’edemimg der C'dloide für ihre .[.o.-iiehked. im Haüt khrn
dadurch, dass ihän dureii Dialyse die Kr\Mai leide von den Colloidtn in-rim
Zur PialvMT habon wir erdF'diornMioke verwandt, die ich spältf nach
einem. Hallt, den ich fFern Wilhelm Kilt/, vmlaßiU% durch einen in
der Mentluan erzeugten S>i|er-.-hiag von . I'frru«-yf»nkgediehie)
M f frciln'-«' gv^hütielUT Harn
Iktbchaixic tl Cr ) I uUr
luthe -a -.mV s .Mb -i iFm--.. ü| i|||| eni 'geringere.?*
Hnic'.c Mkir i;^c- tynrmium \V?ivä>r ii »;♦f »' t Jji# \ «‘n*iüigie»i
Aussenweiden auf i\VaV*M»u«J da- nn£.‘*w,nidie Harn-
yolumen CMj»« r a;'4>ihVj.i|Y., imii dH in der mimitwziw (Hdsvu^aH vorhamlesven
Sodunniar miniKopis*’ ii und fliOjrnSF'h m;« iiTMiHifv
Nur mn TIhm! i 1«'» Versuche <M'cab cm \\ c- KcsulUU, £)ft waren
«In- M» inInanivn chm «kn Ni<*ler^chIavoii tainvnyaukü)>lar t auch wenn
Hu kein Iiövli haltern för OoHouH (lins Aussenwasscr
n.ölicndaln (loKllnsVh^ v.-hui/le: ity oud/äit-ij Fällen scdinieniirle der ^ur
( -ontrolo. anlkewahnr Hank yyda^ da- lH.-uira! werlh.h.ns wurde, und
uicln -Hirn wucie.cn Ikd'epil/.r !(tv so«h<s eine eindeutisre !>cur-
•\heilu.n? nicht mehr war.
Die Löslichkeit der wichtigsten Steinbildner im Harn.
283
Doch ist die Zahl der einwandsfreien Versuche gross genug. In
diesen fällt in dem eiugedampften Wasser ein Sediment aus, das in
einigen Fällen aus den drei Steinbildncrn Harnsäure, Calciumoxalat und
Calciumphosphat bestand. Am regelmäsjpgsten war das Ausfallen von
oxalsaurem Kalk, das ja auch von der Reaction am unabhängigsten ist.
Mit diesen Versuchen ist die Bedeutung der Colloido auch für die
Löslichkeit des. Calciumoxalats dargethan.
Es entsteht aber die Frage, warum nicht auch im Harn von mittlerer
Ionenacidität Niederschläge ausfallen, die diese drei Körper zugleich ent¬
halten, da ja bei dieser Reaction, wenn der Colloidschutz fehlt, Harn¬
säure und phosphorsaurcr Kalk unlöslich sind. Ein Sediment, das Urate
und Calciumphosphate zugleich enthält, ist aber wohl noch nie beob¬
achtet worden.
Mehr als eine hypothetische Erklärung ist für dieses Verhalten vor¬
läufig nicht zu geben. Es wurde schon kurz darauf hingewiesen, dass
die Concentrirung in der Nierenzelle als ein Vorgang zu deuten ist, der
sich durch Zustandsänderungen des colloidalen Zellinhalts vollzieht.
Dafür spricht u. A. die Wirkung der Diuretica, die alle (die salzartigen,
die Purine, das Calomel) den Lösungszustand der Colloide energisch
beeinflussen.
Von dem Zellinhalt gelangt bei der Secretion (z. B. in den Sphäro-
lithen) ein Theil in den Harn, ba, wie wir wissen, in einer sonst
gesunden Niere die Concentrirung eines einzigen Stoffes geschädigt sein
kann, so' ergiebt sich die Vorstellung, dass in einer Zelle sehr ver¬
schiedene, der Concentrirung dienende Colloide enthalten sind, von denen
jeder zu secernirende Stoff ein bestimmtes beansprucht. In dem Auf¬
treten eines im sauren Harn nicht aufzufindenden, ätherlöslichen Colloids
im alkalisch secernirten Harn ist vielleicht eine Stütze dieser Auffassung
zu sehen. Die Ausscheidung der Harnsäure und des sauren Natrium¬
phosphats sind nun von der Excretion der meisten anderen Stoffe
principiell dadurch verschieden, dass sie der Nierenzelle nicht als solche,
und dass die Ionen, aus denen sie zusammentreten, nicht in äquivalenten
Mengen angeboten werden, sondern dass durch einen Vorgang, der in
einigen Oberflächenreactionen ein Analogon hat, das entsprechende Anion
mit dem im Blut in sehr geringer Menge vorhandenen Wasserstoffion
vereinigt wird. Es ist denkbar, dass so complicirte Processe auch ge¬
sonderte Mechanismen haben, und dafür spricht, dass bei der Gicht die
Niere in ihrer Harnsäureausscheidung geschädigt ist, während sie das
Phosphat in normaler Weise concentrirt. Es ergiebt sich also die Vor¬
stellung, dass diese Stoffe ihre Concentration mit Hülfe von Colloiden
verschiedener Art vollziehen, von denen dann Theile in den Harn ge¬
langen, und die in ihrem Lösungszustand, von dem die Schutzwirkung
abhängt, ihren eigenen Gesetzen gehorchen.
Göttingen, 5. Januar 1913.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
XIII.
Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. J. Pohl).
Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut.
Von
Dr. R. Meissner,
Assistenten des Instituts.
(Mit 1 Abbildung im Text.)
In den letzten Jahrzehnten sind die hämolytischen Gifte ausser¬
ordentlich häutig zu biologischen Untersuchungen herangezogen worden;
eines der interessantesten derselben, ArsenwasserstolT, aber blieb in dieser
Richtung meist ausgeschaltet. Abgesehen von rein casuistischen Fällen
und einigen Veröffentlichungen, die sich mit Feststellung der letalen und
toxischen Dosen dieses Gases befassten, waren es besonders die Arbeiten
von Stadolmann 1 ): Ueber die Arsenwasserstotfvergiftung, von Naunyn
und Minkowski 2 ): Ueber Icterus nach Polycholie und von Friedrich
Kraus 3 ): Ueber die Alkalescenz des Blutes, in denen Arsenwasserstoff
methodisch zu biologischen Forschungen verwendet wurde. Die nicht
häufige Wahl dieses Giftes zu pharmakologischen Studien hat zum Theil
ihre Begründung in der Seltenheit der Arsenwasserstoffvergiftungen,
hauptsächlich aber beruhte sie wohl auf dem bisherigen Mangel eines ver¬
lässlichen, quantitativenVerfahrens zur Arsenwasserstoffbestimmung. Nach¬
dem nun Reckleben, Lockeroann und Eckardt 4 ) diesen Mangel, man
darf wohl sagen, in einer glücklichen Weise beseitigt haben, ist es jetzt
möglich, näher auf die Charakteristik der Arsen Wasserstoff Vergiftung ein¬
zugehen, von der man bisher in Bezug auf das Blut kaum mehr wusste,
als dass sie eben Hämolyse erzeugt.
Die hämolytischen Gifte wirken hauptsächlich in zwei Richtungen,
entweder durch Störung des endosmotischen Gleichgewichts (z. B. Quellung,
Schrumpfung der rothen Blutkörperchen), oder durch Lösung der Lipoide
unter Aenderung der Oberflächenspannung. Ob damit alle Möglichkeiten
erschöpft sind, ist ebenso unsicher, wie die Einreihung der Arsenwasser¬
stoffhämolyse unter einen dieser beiden Gesichtspunkte.
Ich hatte mir nun die Aufgabe gestellt zu prüfen, wo eigentlich
Arsenwasserstoff im Blutkörperchen angreift und rechnete hierbei mit
der Möglichkeit, dass AsH s ähnlich wirke wie Aether und Chloroform,
also lipoidlösend.
1) Arcb. f. exp. Path. u. Ther. Bd. 16. S. 221.
2) Ebenda. Bd. 21. S. 1.
3) Ebenda. Bd. 26. S. 186.
4) Zeitschr. f. analytische Chemie. Bd. 46. S. 671.
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Uebt'i dia Bindung des Araanwassarstoffes im Blut. 285
Ehe: iöb auf die Ergebnisse meiner Untersychaögen. .eingehe, will ich
zuvörderst die Darstellung und rjuantitative Bestimmung des AsH 3 be¬
schreibe«, kvie: ich' sie für biotogisaho Zwecke unter Anlehnung an
Recklebe» und Lookemann dttfcMübrt».
I, Entwsefeinrig und Aufbewahrung des bases.
Zu diesem Zweck wurde folgendes Verfahren 'ungeschlagen:
Ein etwa 800 ccm. fassendes, nach Art der Nitrometer eonsfruirtes
und oben Ui- ein dickwandiges Cspillarrpfar auslaufendes Reservoir A
dient ais Gasometer, es wird .bei Jf- «nt dem Kifeaugefäss C durch einer,
ungefähr \ cu langen Gitmniikgklauch und bei JE» mit einer 1Ö0 ccm ent-
bsdfcgQdwtj dickwandigen FiltrirtVasehd durch eiti kurzes :'§t/ädk; SeHlauch
verbunden, in das bei E emT-Kohr eitigelugt ist Der dritte Amvdies.es
T-Rohn-s trägt durch Gunmiisohlaueh verbunden ein Stück Giasrohr, das
i« amiJianiskäiisühe 1% liiikwaMdtge Filtrir-
Üaatke verschJlesj-t dbcu einkihfaeh ''durnblächerter (»utömistbjjfgin, düfßh
dessen Bohrung ein ca. 20 n.-m lassender ScheidetriclUer geht. In diese zur
Gasentwicklung dunertde mul ifi Rkwasskr gekühlte flasche bringt' «b»i un¬
gefähr I?- - gOg granulirtes Zink und -etwag dostiiürtcs Wasser, in de».Scheide*
brißhteb lajigefähr bis war. Hälfte): eine in diuncentrirlcr ^fzstinre hdrsS ge¬
sättigte Lüsung von ;A$ ? Oj v Zum -luftdichte» Abschluss dos «luorert Abfluss¬
rohres dosGasomcf.ersvj verwendet man ijietmtsprechcndcAfengeöoecksilber.
Zur Füllung des jR«tox<tv<>irs wurde felgendermaasseu verfahren: Man
klemmt hei .ff-ab,.'. «Mfnet den Mahn 8 und stellt das mit concentrirter
Go gle
286
R. Meissner,
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Kochsalzlösung gefüllte Niveaugcfäss hoch. Sobald der über dem Queck¬
silber befindliche Raum des Gasometers und des Capillarrohres mit
NaCl-Lösung gefüllt ist, schliesst man O und stellt C tief. Jetzt kann
mit der Entwicklung begonnen werden. Man gibt 2—3 ccm der
Arseniklösung aus dem Scheidetrichter zu dem Zink; die Entwicklung
setzt erst langsam ein; durch das T-Rohr und die ammoniakalische Silber¬
lösung gehen erst einige Gasblasen, die hier keine Verfärbung hervor-
rufen, es ist Luft -f- Wasserstoff. Nach einiger Zeit jedoch färbt sich die
Silberlösung schwarz; jetzt geht AsH 3 -f- H 2 über, und nun klemmt man
bei H ab und öffnet darauf rasch bei F , so dass das Gasgemisch in den
Gasometer strömt. Durch allmähliches Hinzufügen der As 2 0 3 -Lösung
zu dem Zn hält man die Gasentwicklung gleichmässig und nicht zu
schnell im Gange, bis der Gasometer gefüllt ist. Darauf klemmt man
doppelt bei F und einmal bei J ab, öffnet bei U und schneidet zwischen
F und J den Gummischlauch durch. Die letzten Spuren des sich ent¬
wickelnden Gases werden so wieder von der Silberlösung absorbiert; im
Abzug oder an freier Luft kann man nach einiger Zeit die Gasentwick-
lungsflaschc vorsichtig öffnen. Der mit dem tiefstehenden Nivcaugefäss
in Verbindung bleibende Gasometer wird in einem genügend grossen
Glasgefäss (Glaswanne 35 cm hoch, 26 cm lang, 16 cm breit) völlig
unter Wasser gesetzt; zu seiner Sicherung wurde ein mit Pb-Stücken
beschwertes und in der Mitte ausgehöhltes Brett auf den Boden des
Glasgcfässcs gesenkt und der untere abgerundete Theil des Glasbchälters
in die nach ihm geformte Ausbuchtung des Brettes eingeführt. Uebcr
das ganze Glasgefäss wurde, um die im Licht allzu rasch erfolgende
Zersetzung des AsH 3 zu hemmen, ein schwarzer Pappkarton gestülpt.
II. Bestimmuug des AsH 3 -Gehalts in dem Gasgemisch.
Bei allen Versuchen blieb der Gasometer unter Wasser.
Man leitet ungefähr 50 ccm des Gasgemisches durch Gummischlauch-
und Capillarrohrverbindung in eine graduirtc, von einem Wassermantel
umgebene und umgekehrt (die Spitze nach oben) montirte Glashahn-
Bürette ( L ). Diese ist mit einem Niveaugcfäss verbunden, und beide
sind mit einer genügenden Menge concentrirter Kochsalzlösung gefüllt.
Durch Tiefstellung des Niveaugefässes und Oeffnen der Verbindungshähne
bewirkt man den Uebertritt des Gases. Es ist nöthig, dann einige Zeit
vergehen zu lassen, damit sich die Temperatur des Gases und des Wassers
ausgleichcn kann. Darauf presst man durch Heben des Niveaugefässes
eine genau abgelesene Menge des Gasgemisches aus der Bürette in ein
Kugelrohr N, das an seinem horizontalen Schenkel durch Gummischlauch
mit der Bürette verbunden wurde. Das Kugelrohr ist vorher mit einem be¬
stimmten Volumen titrierter ammoniakalischer Silbernitratlösung beschickt.
Es ist vortheilhaft, nur soviel AsH 3 überzuleiten, dass die Flüssigkeit nicht
ganz aus der oberen Kugel getrieben wird und das Kugelrohr vorsichtig
zu schütteln, ehe man die Verbindung mit der Bürette löst. Auf diese
Weise wird leicht aller übergeleitete Arsen Wasserstoff von der Silbcrlösung
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut.
287
absorbirt. Das Kugelrohr wird nun eine Stunde lang in einem hohen
Becherglase, wo seine beiden Kugeln vom Wasser umspült werden, auf
dem Wasserbade erhitzt. Dann wird von dem grauglänzenden Silber¬
rückstand iiltrirt, gut nachgewaschen, das Filtrat mit HNO s angesäuert
und das nicht gebundene AgNO s mit ^ KCNS zurücktitrirt.
Nach Reckleben und Lockemann geht diese Reaction in folgender
Weise vor sich:
H s As + 8 (AgNH 8 ) N0 3 + 3 NH 4 OH + H 2 0 = 8 Ag + (NH 4 ) 3 As0 4
+ 8 NH 4 N0 3 .
Es gelingt nach einiger Uebung leicht, gut miteinander überein¬
stimmende Wcrthe auf diese Weise zu erzielen.
Ein Beispiel zur Berechnung des AsH 3 im Gasgemisch sei ausführ¬
lich wiedergegeben:
15 ccm AsH 3 -Gasgemiseh werden in das Kugelröhrchen N geleitet,
das mit 20 ccm einer ammoniakalischcn Silberlösung beschickt ist. Diese
enthält in 120 ccm: 100 ccm 3 proc. AgNO s -Lösung und 20 ccm offici-
nellc Ammoniakflüssigkeit.
20 ccm der ammoniakalischen Silbcrlösung entsprechen 28,5 ccm
\H A S N °3-
Nach dem Erwärmen des Kugclröhrchens wird filtrirt, nachgewaschen
und nicht gebundenes Silbernitrat mit KCNS zurücktitrirt.
Gefunden 24,5; somit gebunden 4,0 ccm,
15 ccm AsH 3 banden also 4 ccm ~ AgN0 3 ,
10 „ „ „ „ 2,67 „ i AgN0 3 .
Es wurden jedesmal drei bis vier solcher Bestimmungen gemacht.
Nach der oben angegebenen Gleichung, die den Vorgang bei der
Bindung von AsH 3 und ammoniakalischer Silbernitratlösung darstellt,
entspricht:
1 AsH 3 (78)= 8 AgN0 3 (8 • 170)
i 0 -78 AsH 3 = 8-17 g AsH 3
AsH 3 = 17 g = 1 Liter i AgNO s
0,00097 g AsH 3 = 1 ccm i AgNO s -L'ösung.
Folglich waren in 10 ccm des obigen Gasgemisches 2,67 • 0,00097
= 0,00259 g AsH 3 enthalten.
III. Bestimmung der Absorptionsgrösse verschiedener Flüssigkeiten
für AsH 3 .
Die eigentliche Aufgabe bestand nunmehr in der Feststellung der
Absorptionsenergie der einzelnen im Blute vorhandenen Stoffe.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
288
R. Meissner,
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Zu diesen Versuchen wurden nur Lösungen, Emulsionen oder in
einem flüssigen Agens suspendirte Substanzen verwendet. Mit einer
solchen Flüssigkeit wurde eine 150—200 ccm fassende Hempelsche
Bürette durch Ansaugen mit der Wasserstrahlpumpe gefüllt und alsdann
durch ein zweimal gebogenes Capillarrohr und durch Gummischlauch mit
dem Capillarrohr des im Wasser befindlichen Gasometers verbunden.
Dann stellt man das Niveaugefäss G des Gasometers hoch, öffnet den
Hahn bei G und den Hahn der Hempel-Bürette, und ebenso viele
Cubikcentimeter Gas strömen in die Bürette, als Flüssigkeit aus ihr
ausfliesst, die in einem Cylinder gemessen wird. Hat man die ge¬
wünschte Anzahl ccm Gas eingeleitet, so klemmt man den Gummi¬
schlauch an dem Capillarrohr doppelt ab, liest am Cylinder ab, bringt
die Hempel-Bürette in eine Schüttelmaschine und schüttelt eine bestimmte
Zeit. Dann verbindet man die Bürette mit einem Kugelrohr M (Fig. 3),
das als Schaumfänger dient, und dieses mit einem Kugelrohr N, das mit
einem bestimmten Volumen ammoniakalischer Silberlösung gefüllt ist.
Die Niveaukugel dieses Systems wird durch Gummischlauch mit der
Hempelschen Bürette bei 0 verbunden und mit Wasser gefüllt. Alle
Hahnverbindungen sind zunächst geschlossen. Um ein Zurücksteigen
einiger Tropfen Silberlösung in den Schaumfänger zu verhindern, ist es
sehr wichtig, die doppelten Klemmen an der Bürette nicht eher zu ent¬
fernen, bevor man den Hahn des Schaumfängers geöffnet hat. Dann
lockert man sehr vorsichtig (!) die Klemmen an der Bürette, und jetzt
treibt der Wasserdruck aus dem hochgestellten Niveauglas das Gas durch
den Schaumfänger in die Silberlösung. Durch mehrmaliges Heben und
Senken des Niveaugefässes kann man sämmtlichen AsH 3 überleiten und
durch Schütteln der Silberlösung im Kugelrohr (N) den letzten Rest Gas
absorbiren. Die im Kugelrohr ( N) gebundene Silberlösung wird genau
so bestimmt wie oben beschrieben.
Wollte man z. B. erfahren, wieviel von 45 ccm des Arsen-
wasscrstoffgcmisches durch 105 ccm einer 0,2 proc. FeS0 4 -Lösung ab-
sorbirt werden, so musste man die 45 ccm Gas mit den 105 ccm Lösung
in einer Hempelschen Bürette eine bestimmte Zeit schütteln (s. u.) und das
nicht Gebundene in 20 ccm der obigen ammoniakalischen Silbernitrat¬
lösung leiten. Von dieser Silberlösung wurden 4,7 ccm gebunden. Da
45 ccm Gasmenge 2,67 • 4,5 = 12,0 ccm AgNO s entsprechen, so wurden
von der Eisensulfatlösung 12,0 — 4,7 = 7,3 ccm AgN0 3 ^ = 60,8 pCt.
des verwendeten AsH 3 = 7,3 • 0,00097 = 0,0070 g AsH 3 gebunden.
Ich gehe nun zur Beantwortung der oben gestellten Frage über:
Wo greift der AsH s im Blute an?
Zunächst machte ich einige orientirende Vorversuche mit 1. Wasser,
2. physiologischer Kochsalzlösung, 3. den Blutbestandtheilen, die für diese
Untersuchungen in Frage kommen, und 4. mit einigen Lipoiden.
Gck igle
Original fru-m
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Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut.
289
AsH 8 -
Concentration
desselben pro
10 ccm gleich
Schüttel¬
dauer
Gebunden
Substanz in ccm
Gemisch
in ccm
AgNO,f 0
in ccm
pCt.
103 Aqua dest.
47
3,1 AgN0 3 ".
10 Min.
8,5
58,0
105 Aqua dest.
45
2,8
10 „
8,0
63,2
81 NaCl (0,9 pCt.).
69
2,3
5 ,
8,4
53,0
112 NaCl (0,9 pCt.).
38
1,43
5 „
3,2
59.4
120 NaCl (0,9 pCt.).
30
9,0
5 *
12,15
45,0
84 Pferdeserum (völlig klar) . .
66
1,78
r>
3 „
4,9
42,0
79 Rinderserum (Hb-haltig) . .
71
1,6
5 ,
6,4
56,5
107 Rinderserum (Hb-haltig) . .
43
1,6
5 „
3,9
57,1
1 g Stromabrei in 102 NaCl
(0,9 pCt.) susp.
47
2,2
n
5 .
4,8
46,2
10 g Stromabrei in 110 NaCl
(0,9 pCt.) susp.
40
2,2
V
5 »
3,9
48,2
106 Blutkörperchenbrei, mit wenig
NaCl versetzt.
84
1,78
3 „
10,7
71,0
81 reine Pferdehämoglobinlösung,
7,05 pCt. Hb, d. h. 1/2 des
normal. Hb-Gehalts enthaltend
69
2,25
*
6 .
12,7
82,0
86 methämoglobinhaltige Hb Lö¬
sung, die 3,5 pCt., d. h. l / 4 des
normalen Hb-Gehalts enthält.
64
2,25
r>
3 „
10,8
75,2
140 Gänseblut.
50
2,15
2,15
V
5 Std.
10,8
100,0
112 Schweineblut.
38
w
V 2 „
8,2
100,0
93 Rinderblut.
97
1,4
„
5 Min.
11,5
84,7
121 Rinderblut.
69
1,65
r
5 »
9,3
81,1
133 Pferdeblut.
57
1,86
n
3 „
10,6
91,56
87 mit phys. NaCl verdünnte Ei¬
dottermischung .
63
2,2
V
20 „
12,4
89,1
128 reines Olivenöl.
62
2,2
w
20 „
13,6
100,0
98 unverdünntes Hühuereiweiss .
52
2,2
n
20 „
7,6
66,8
Aus diesen Zahlen geht vorerst hervor, dass vergleichbare Werthe sich
nur bei denselben Versuchsbedingungen erzielen lassen: es müssen die
zu vergleichenden Lösungen oder Suspensionen mit gleich starkem AsH s
versetzt und gleich lange geschüttelt werden. Auch auf das Ueberleiten
des nicht gebundenen AsH 3 muss man möglichst die gleiche Zeit ver¬
wenden. Unter solchen Voraussetzungen genügt es dann, das procentuale
Verhältniss zwischen den zu vergleichenden Flüssigkeiten zu berechnen.
Im übrigen ergiebt sich aus den obigen Zahlen, dass sowohl Hämo¬
globin wie Lipoide in concentrirter Form grosse Affinität zu AsH s haben.
Um die Verhältnisse so, wie sie im Blute vorliegen, zu bestimmen, ging
ich von der Vertheilung der Blutbestandtheile aus, wie sie Abderhalden J )
angiebt. Ich arbeitete damals mit Pferdeblut. Es enthalten 1000 Theile
desselben:
Serum ungefähr 2/3 Theile = 670 (abgerundet)
Hämoglobin a) 166,9
Cholesterin
b) 125,8 „
a) 0,346 „
b) 0,576 „
}= 141,3
}=
(im Durchschnitt)
0,46
1) Lehrb. der physiol. Chemie. 1. Aufl. S. 592.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
290
R. Meissner,
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Lecithin
a) 2,913 Theile^
b) 2,982 „ / “
2,948 (im Durchschnitt)
Fett
a) 0,535 „ i
b) 0,611 „ /-
1,146 „
Fettsäuren
=
0,395 „ 77
Hiernach verglich ich zunächst die Bindungsfähigkeit zwischen den
Lipoiden und AsH s .
In eben genannter Menge gelöst oder suspendirt ergeben sich
folgende Verhältnisszahlen zwischen ihnen und ihren Lösungen oder Sus¬
pensionsflüssigkeiten. Es binden:
la) reiner Aether.=92 pCt.
b) Aether + Cholesterin-j-Lecithin 4 -Fettsäure-f Fett =91 „
2 a) reines Chloroform.
b) Chloroform + Lecithin.
c) + Cholesterin.
3a) Suspension von arabischem Gummi.
b) „ „ „ „ + Lecithin . .
e) n n 7) n + Cholesterin .
4a) Physiologische Kochsalzlösung .......
b) „ „ + Menschenhirnbrei
= 87,2
= 88,8
= 83,4
= 71
= 71
= 64
= 63
= 65
77
77
77
77
77
77
77
77
Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dass die Lipoide in der Quantität,
wie sie im Blute Vorkommen, die Arsenwasserstoffbindung gar nicht
zu beeinflussen vermögen. Selbst das Gehirn, ein Organ, das bekanntlich
sehr reich an Lipoiden ist, vermochte nicht mehr zu binden als seine
Suspensionsflüssigkeit.
Auch Stroma in den verschiedensten Conccntrationen ergab im Ver¬
hältnis zu seiner Suspensionsflüssigkeit im Maximum nur 4- 5 pCt.
Diese liegen noch innerhalb der Fehlergrenze der Methode.
Ferner banden:
geschüttelt übergeleitet
120 ccm NaCl (0,9 proc.) -f- 30 ccm AsH 3 -Gemisch 5 Min. 10 Min. 43,03 pCt.
120 „ einer 67 proc. Serumlösung in NaCl (0,9 proc.)
-|- 30 ccm desselben AsH 3 -Gemisches . 5 „ 10 „ 44,34 „
Also auch hier war keine Differenz in der Bindung zu erzielen.
Ganz anders lauteten die Resultate, als ich Hämoglobin prüfte:
geschüttelt übergeleitet
120 ccm rein physiol. NaCl. -j- 30 ccm AsII 3 . . . 5 Min. 10 Min. 43,68pCt.
120 „ einer 14,1 proc. Pferdehämoglobinlösung
in NaCl -j- 30 ccm desselben AsH 3 . . 5 „ 10 „ 81,75 „
Dieses letzte Ergebniss, das bei wiederholten Versuchen immer wieder
sicher gestellt wurde, beantwortet die ganze Frage. Es kann demnach
als erwiesen angenommen werden, dass von allen Blutbestandtheilen, die
hier in Frage kommen, das Hämoglobin allein den Arsenwasserstoff
energisch zu binden vermag.
Das zu diesen und den früheren Versuchen verwendete Stroma wurde
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber die Bindung des AssenwasserstofTes im Blut.
291
theils nach Hoppe-Seyler, Picttrc und Vila 1 ), theils nach Sachs-Ehr-
lich und Pascucci 2 ) bereitet, das Hämoglobin nach E. Letsche 3 ) dar¬
gestellt (3 Mal umcrystallisirt) oder von E. Merck bezogen. Nur solches
Hämoglobin kam bei den Analysen zur Verwendung, das, frei von Methämo-
globin, ein reines Hämoglobinspectrum zeigte. Das Stroma war einige Male
graubraun, einige Male aber auch rotbraun gefärbt, und dieser rotbraune
Ton, der wahrscheinlich von Spuren fest eingeschlossenen Hämoglobins her¬
rührte, änderte sich auch trotz vielen Waschens nicht. Man muss bei
dem Stroma deshalb mit kleinen Hämoglobinverunreinigungen rechnen.
Die Frage lag nahe: Ist es das geschlossene Molekül des Hämo¬
globins als solches, oder ist es auch hier, wie z. ß. bei der Kohlenoxyd¬
vergiftung, der Hämatinkern, der den AsH s bindet? Ich stellte, um mir
hierüber Klarheit zu verschaffen, Hämatin nach Küster 4 ) und das ihm
sehr nahestehende Rohhärain nach Schalfejefl 5 ) in der Modification nach
Nencki und Zaleski rein dar. Vom Hämin erhielt ich völlig gleich-
massige, scharfkantige Krystalle, vom amorphen Hämatin eine Lösung mit
typischem Spectrum. Ich löste beide Präparate in verdünnter Lauge
(1 : 500), und nun banden unter sonst gleichen Bedingungen mehr AsH 3
als ihr Lösungsmittel:
Hämin in 0,15 procentiger Lösung . . . . + 14 pCt.
Hämatin „0,8 „ „ . . . . + 17 „
* „ 0,15 „ „ .... +22 „
t ) v 0,1 * „ . . . . + 26 „
Diese letzten Zahlen besonders sprechen für ein starkes Bindungs¬
vermögen zwischen AsH 3 und Hämatin.
Noch auf eine andere Weise versuchte ich die Frage zu lösen, ob
AsH 3 sich mit dem Hämatin des Hämoglobins verbindet. Es ist bekannt,
dass Kohlenoxyd sich am Hämatintheil des Hämoglobins anfügt. Wenn
AsH 3 auch das Bestreben zeigte, sich an dieser Stelle zu verankern,
so müsste in einem mit CO möglichst gesättigten Blute für AsH 3 viel
weniger Platz sein als in einem normalen, d. h. die Bindungsfähigkeit
zwischen einem stark CO-haltigen Blute und AsH 3 müsste geringer sein
als die mit einem CO-freien Blute. Und das ist nun thatsächlieh der Fall,
wie folgende Versuche zeigen:
la) 110 ccm Blutkörperchenmischung (1 + 19 NaCl, 0,9proc.) + 40 ccm AsH 3 .
5 Min. geschüttelt, 10 Min. in Berührung: Gebunden 38.8 pCt.
lb) 110 ccm Blutkörperchenmischung (1 + 19), die möglichst viel CO absorbirt
enthielt, + 40 ccm AsH 3 .
5 Min. geschüttelt, 10 Min. in Berührung: Gebunden 24,6 pCt.
2a) 120 ccm reines, unverdünntes Ochsenblut + 30 AsH 3 .
5 Min. geschüttelt, 10 Min. übergeleitet: Gebunden 64,48 pCt.
1) Compt. Rend. Bd. 143. S. 787.
2) Hofmeisters Beiträge. Bd. 2. S. 129 und Bd. 6. S. 543.
3) Abderhalden, Handb. der biochem. Arbeitsmethoden. Bd. 5. S. 203.
4) Ebenda. Bd. 2. S. 622.
5) Ebenda. Bd. 2. S. 613.
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292
R. Meissner,
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2b) 120 ccm unverdünntes, stark CO-haltiges Ochsenblut -j- 30 AsH 3 .
5 Min. geschüttelt, 10 Min. übergeleitet: Gebunden 46,27 pCt.
Nach diesen Erfahrungen müsste auch die Hämolyse zwischen reinem
Blut + AsH 3 gegenüber CO-haltigem Blut -f- AsH 3 eine Veränderung er¬
leiden, und auch dies lässt sich im Versuch demonstriren:
1. Kaninchenblut.
Je 5 ccm einer 5procentigen, gewaschenen Blutkörperchenmischung wurden
steigenden Quantitäten einer NaCl- + AsH 3 -Lösung zugesetzt, die 8,1 mg AsH 3 in
120 ccm enthielt. Vor dem Blutzusatz wurden die Volumina duroh physiologische
Kochsalzlösung auf 10 ccm ergänzt. (Das I bedeutet den Eintritt der Hämolyse.)
1, 4, 7, 10 1,0, 1,5; ± 2 , 3, 5, 7 , 10
Tropfen com
NaCl + AsH 3
1, 4, 7, 10 1,0 , 1,5, 2, 3, 5, 7; ± 10
Tropfen ccm
NaCl -f AsH 8
a) CO-freies Blut:
b) CO-haltiges Blut:
a) CO-freies Blut:
b) CO-haltiges Blut:
2. Kaninchenblut. Dieselbe NaCl- -f- AsH 3 -Lösung.
1, 4, 7; I 10 1 ,0, 1,5, 2, 3, 5, 7 , 10
Tropfen ccm
1, 4, 7, 10 1,0, 1 ,5, 2, 3 ; I 5, 7, 10
Tropfen ccm
3. Rinderblut. Dieselbe NaCl- -|- AsH 3 -Lösung.
1, 4, 7, 10 T 1,0, 1,5, 2, 3, 5, 7, 10
a) CO-freies Blut: -J—-- ■
Tropfen ccm
1, 4, 7, 10 1,0, 1,5, 2, 3, 5, 7;
b) CO-haltiges Blut: -1—^- ’ ’
Tropfen com
10
Es zoigen somit diese Versuche, dass das CO-Blut eine erschwerte
Hämolyso durch AsH s erleidet. Dass letztere schliesslich doch eintritt,
möchte ich als Verdrängungserscheinung durch Massen Wirkung grosser
AsH 3 -Dosen deuten.
Es lässt sich also mit Sicherheit annehmen, dass es die Hämatin-
componente des Hämoglobins ist, die Arsenwasserstof bindet.
Auf diesem einmal betretenen Wege versuchte ich noch einen Schritt
vorwärts zu kommen und festzustellen, ob die Gegenwart des Eisens
im Hämatin es bedingt, dass die Bindung von AsH s hier so intensiv
erfolgt. Ich griff zurück auf die Erfahrungen, die Reckleben und
Lockemann in Bezug auf Absorption von AsH s durch Eisensalze gemacht
hatten. Diese Autoren stellen folgende Beziehungen fest: „ Ferrisalze.
Eine neutrale Lösung von Eisenchlorid wirkte sehr langsam. Nach ein-
stündigem Schütteln erlitt ein 25 procentiges Gas nur eine Abnahme
von 1 1 / 2 pCt. In saurer Lösung war die Absorption bedeutend schneller,
aber nach vierstündigem Schütteln immer noch nicht quantitativ. Eine
alkalische Ferritartratlösung zeigte nur eine ganz geringe Gasabsorption
und eine dunklere Färbung der Lösung“.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut.
293
Auch ich versuchte mit verschiedenen Ferri- und Ferrosalzen eine
Bindung zu erzielen, und erhielt dabei die nachstehenden Werthe:
Im Vergleioh zu seinem Lösungsmittel (NaOH in H 2 0 1 :500)
absorbirt 1,5 proo. Ferratin Schmiedeberg (frisches Präparat) 2 pCt.
n
0,15
n
i' H ii
11 ...
0
ii
n
0,24
n
FeS0 4 -Lösung.
•
4 “ 1
ii
n
2,4
ii
ii .
• • e e
+ 3
n
n
0,2
ii
Liq. Ferri oxyd. dialysat. (Schering)
= 0,01 Fo .
0
n
ii
2,0
ii
ii ii n ii ii
= 0,1 Fo .
+ 4,8
ii
7)
20,0
ii
n ii u ii
= 1,0 Fo .
0
ii
Sowohl Eisensulfat wie Liq. Ferri oxydati dialysati konnten nur in
saurer Lösung geprüft werden, da schon bei neutraler Reaction das Eisen
fällt. Ich versuchte ferner mit einigen ganz ungiftigen Cyan-Eisenverbin¬
dungen Erfolg zu erzielen und schüttelte 5 Minuten:
1) 130 ccm 2 1 /,proc. Kal. Ferricyanid in H 2 0 -f- 20 ccm AsH s . Gebunden: 56 pCt.
2)130 „
2^2 proc. „ Ferrocyanid „ „
+ 20 „ „
„ 42 pCt.
3) 130 „
2^2proc. Berl. Blau (Suspension) +20 „ „
„ 58,4 pCt.
4)130 „
H 2 0 dest.
Dagegen ergab
+ 20 „ „
„ 52,0 pCt.
5) 130 „
2 x / 2 Nitroprussidnatrium
+ 20 „ ,,
„ 99,6 pCt.
Beim Schütteln dieses letzten Präparates mit Arsenwasserstoff fiel ein
fester Körper aus, in dem durch qualitative Analyse sowohl As wie
Fe nachgewiesen werden konnte. Ich lasse es nun völlig dahingestellt,
ob die starke Bindung im Nitroprussidnatrium durch das Fe allein oder
auch durch die NO-Gruppen erfolgte (weitere Untersuchungen in dieser
Richtung habe ich noch nicht ausgeführt). Ein eigenes Bewenden muss
es doch mit dem Bluteisen haben, das zeigt deutlich folgender Vergleich:
Ich hatte oben vom
Hämin: C 34 H 82 0 4 N 4 FeCl in alkalischer Lösung -|- 14pCt. Bindung,
Hämatin: C 84 H 88 0 6 N 4 Fe „ „ „ -j-26pCt. „
im Vergleich zum Lösungsmittel erhalten. In demselben Lösungsmittel
löste ich nun Hämatoporphyrin C 84 H 88 0 6 N 4 , das ich mir frisch nach
Esch bäum 1 ) in einwandfreier Weise bereitet hatte, und verglich beide
Lösungen. Es band:
Hämatoporphyrin in lproc. Lösung (gelöst in NaOH 1 : 500) -(- 3pCt.
„ n 1 proc. _ „ » n n 1 • 500) 0
n n0,l proc. ,, 7 i n 7) 1 * 500) 4pCt.
„ „0,lproc. „ „ „ „ 1:500)4- 3pCt.
Es lässt sich also zwischen dem eisenfreien Hämatoporphyrin und
dem eisenhaltigen Hämatin ein Unterschied in der Bindungsfähigkeit bis
zu 26pCt. erzielen.
Ich folgere aus alledem: AsH 8 bindet sich mit der Hämatincompo-
ncnte des Hämoglobins; der Eisengehalt derselben ist bei dieser Bindung
von entscheidender Bedeutung.
Das Bindungsvermögen verschiedener Blutarten gegenüber AsH s ist
nicht sehr differirend. Das zeigen folgende Zahlen:
1) Apotheker-Ztg. 1909. Nr. 45.
Zeitschrift f. erp. Pathologie o. Therapie. 13. Bd. oq
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Gck igle
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294
R. Meissner,
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Blutart in ccm
AsII 3
in ccm
Concentration
des AsH s
Scbütlel-
dauer
Gebunden
120 Hundeblut'.
80
| 10 ccm AsH 3 =
3 Min.
84,6 pCt.
120 Kaninchenblut.
30
3 ,
76,0 „
120 Pferdeblut ~.
30
J 4,1 ccm" 0 AgNO s
3 r>
76,0 ,
C5 Pferdeblut -f 65 NaCl (0,9 pCt.)
20
1 10 ccm AsII 3 —
5 „
75,8 „
65 Rinderblut + 65 NaCl (0,9 pCt.)
20
J 9,5 ccm^j AgNOj
6 •
71,6 „
Galle band etwas mehr wie physiol. Kochsalzlösung, aber weniger
wie Blut. Bei gleicher Concentration des AsH s , gleichen Mengen des¬
selben und der zu prüfenden Lösungen und gleicher Schütteldauer ergab
sich für Kochsalzlösung: 45pCt., frische Rindergalle-f-NaCl (0,9pCt.)
aä: öfipCt. und Rinderblut + NaCl (0,9pCt.) ää: 72pCt.
Die Concentration der Galle spielt aber bei dieser Analyse eine
wichtige Rolle.
IV.
Ich ging sodann zu Versuchen über, durch die ich eine Entgiftung
des AsH 3 im Blute herbeiführen wollte. Auf drei Wegen versuchte ich
hier vorwärts zu kommen. Zunächst rechnete ich mit der Möglichkeit,
dass Cholesterin, welches die Saponinhämolyse zu hemmen vermag, hier
vielleicht die grosse Bindungsfähigkeit zwischen Blut und AsH a herab¬
drücken könnte, obgleich es selbst AsH 3 nicht bindet. Eine früher ge¬
fundene, oben angegebene Zahl, in der Cholesterin in Aether gelöst,
weniger als reiner Aether den Arsen Wasserstoff bindet, rieth zu diesem
Versuche. Ein Erfolg war aber auf diese Weise nicht zu erzielen.
Ferner war es von Interesse, zu erfahren, ob geeignete, oxydirendcMittel,
von denen eine schnelle Ueberführung des AsH 3 in As 2 0 3 anzunehmen und
somit auf diesem Wege eine Entgiftung zu erwarten war, den Arsen Wasserstoff
energisch binden würden. (Die hier in Frage kommenden Mengen As,O s sind
im Vcrhältniss zu den entsprechenden Dosen AsH 3 als beträchtlich weniger
giftig zu bezeichnen.) Frühere Versuche von Walko über „Entgiftung durch
oxydirende Agentien“ x ) ergeben als bestes derselben die Jodsäure. Da diese
zu biologischen Zwecken nicht in Betracht kommen konnte, hielt ich als
Vertreter der Jod verbindungen Jodipin als besonders geeignet. Aber Jodipin
und AsH 8 haben keine grosse chemische Affinität zu einander, wie aus
folgenden, unter gleichen Bedingungen gewonnenen Zahlen zu ersehen ist:
1) 130 ccm einer Jodipincmulsion lOproc. (20,0 Jodipin, 10,0 Gummi ad 200,0 ONaCl
0,9proo.)
-j- 20 ccm AsH 3 : Gebunden 77,3 pCt.
2) 130 ccm einer Emulsion aus 20 g Sesamöl, 10,0 Gummi ad 200,0 NaCl 0,9proc.
-f- 20 ccm AsH 3 : Gebunden 87,9 pCt.
Schliesslich suchte ich noch Substanzen, die, gleichviel auf welcher
Basis, AsH 3 mindestens ebenso stark oder noch stärker zu binden ver¬
mochten als das Blut. Reckleben und Lockemann hatten die grösste
Bindungsfähigkeit zwischen den Schwermetallen und AsH 8 bei Ag und
Hg gefunden. Sie benutzten aber anorganische Verbindungen, in denen
1) Arcb. intern, du Pharniakodynamie. Bd. IV. S. 311.
Gck igle
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Ueber die Bindung des Arsen Wasserstoffes im Blut.
295
das Metall als Ion vorhanden war. Anschliessend hieran versuchte ich
einige neuere organische Silberpräparate, die ich für eventuelle thera¬
peutische Verwerthung geeignet hielt, und zwar: Novargan, Protargol und
Collargol, und stellte folgende Bindungsverhältnisse fest:
geschüttelt in Berührung gebunden
105 com Aq. dest. —)— 45 ccm AsH s 10 Min. 20 Min. 57,7pCt.
105 „ 2proc. Novarg.-|-45 „ „ 10 „ 20 „ 100,0pCt.
105 „ 2proo. Protarg. -f- 45 „ „ 5 „ 10 „ 100,OpCt.
105 „ 2proc. Collarg. -j- 45 „ „ 5 „ 10 „ 100,0 pCt.
Novargan schied aus, da sich in dem von mir geprüften Präparate
noch die Schwefelwasserstoffreaction von ionisirtem Silber nach weisen
liess. Protargol zeigte keine Spur von ionisirtem Metall, verursachte
aber bei intravenöser Injection — und nur eine solche Medication ver¬
spräche bei dem so schnell und heftig wirkenden Gase Aussicht auf Er¬
folg — hämorrhagische Nephritis. Dieses Silberpräparat musste deshalb
auch aufgegeben werden. Dagegen hatte ein frisches (sehr wichtig!)
Collargol alle Eigenschaften, die für die Möglichkeit einer Bindung im
Thierkörper in Betracht kommen: Es enthält 1. kein ionales Ag, 2. reisst
es AsHg heftig an sich, 3. das Product zwischen dem colloidalen Collargol
und AsH s ist wieder eine colloidale Substanz, aus der sich keine Spur
Niederschlag abscheidet und die somit eine Emboliegefahr völlig aus-
schliesst, und 4. vertragen die Thiere (Kaninchen) Collargol in verhält-
nissmässig grösseren Dosen recht gut. Die Resultate, die ich bei drei
Versuchen erhielt, zeigten aber die Unmöglichkeit der vitalen Arsen¬
wasserstoffentgiftung auf diesem Wege.
3. 7. 12.
I. 1 Kaninchen 1900 g bekommt intravenös
12 ocm 2proc. Collargollösung = 0,24 g Collargol and
51 „ NaCl (0,9pCt.), in denen 0,0032 g AsH 3 suspendirt sind.
II. Das Controlthier bekam auch 51 ocm der AsII 3 -Lösung = 3,2 mg AsH s
ohne Collargol.
Verlauf der Versuche:
Tbi er IO
r
r h i e r
HD
A9H 3 -Lösung ]
Collargollösung
Hämolyse
AsHg-Lösung
Hämolyse
Injicirt
nach
ccm
Injicirt
nach
ccm
nach
Injicirt
nach
ccm
nach
1 Min.
1
1 Min.
10
10
2
1 Min.
0
1 Min.
10
1 Min.
0
18 ,
10
30 „
2
22 n
0
18 .
10
18 „
0
53 „
11
56 „
2
43 ,
0
42 .
11
42 „
0
73 ,
10
74 „
1,5
62 „
0
64 ,
10
64 „
+=)
94 ,
10
95 ,
2,0
83 .
+ 2 )
84 „
10
94 ,
+
105 ,
1,5
97 ,
+
■ I I I I III
Exitus am 4. 7. früh 10 Uhr 20 Min. Exitus am 5. 7. früh gegen 8 Uhr.
1) Harn frei von Albumcn. — 2) Blut im Harn.
20 *
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296 H. Meissner,
Bei der Section zeigten die Nieren das Bild schwerster hämorrhagi¬
scher Nephritis. Auffallend war, dass zweimal das mit Collargol be¬
handelte Thier früher einging als das Controlthier. Ein Nutzen ist somit
von Collargol nicht zu erwarten.
Nächst dem Silber bindet das Quecksilber nach ßeckleben und
Lockemann den Arsen Wasserstoff am besten. Für unsere Versuche
scheiden aber die meisten Hydrargyrumverbindungen von Anfang an
schon aus, da sie intravenös wegen ihrer Giftigkeit oder Unlöslichkeit
nicht zu brauchen sind. Nur ein neueres, milder wirkendes Hg-Präparat,
das Calomelol, kam in Frage. Es enthielt aber, wie die SH 2 -Probe
ergab, freie Hg-Ionen, und so erübrigten sich weitere Versuche mit dieser
Substanz.
Ich füge hier noch einige Zahlen ein, die das Absorptionsverhältniss
des Arsen Wasserstoffes mit folgenden Verbindungen angeben:
1. Aqua dest.
. 54,2 pCt., ,
-jj ! 2. Lithiurachlorid (lOpCt.) . .
. 57,3
n
*"o 1 3. Aluminiumsulfat (10 pCt.) .
. 58,2
7 ?
g 1 4. Zinksulfat (lOpCt.) . . .
. 62,3
n
5. Cadmiumchlorid (lOpCt.) .
. 86,2
f
77 •
a J 6. Natriumsulfat (10 pCt.) . .
. 50,0
77
1 7. Calciumchlorid (10 pCt.) . .
. 63,0
77
12 [ 8. Magnesiumsulfat (10 pCt.) .
. 64,0
77
S) \ 9. Chloralhydrat (10 pCt.) . .
. 65,0
17
Theilweise waren diese Substanzen gewählt in der Absicht, sie
physiologisch zu vcrwerthen, theilweisc aus rein chemischem Interesse.
Das grösste Bindungsvermögen zeigte hier das Cadmiumsalz. Dieses
kommt aber therapeutisch nicht in Frage. Die übrigen Verbindungen
wiesen im Vergleich mit der Absorptionszahl des Wassers nur Unter¬
schiede innerhalb der Fehlergrenze auf.
Wirklich brauchbare Bindungswerthe zeigte von den Körpern, die
für pharmakologische Prüfungen in Frage kommen, nach meinen Er¬
fahrungen nur das Collargol. Gelang es mir auch nicht, mit diesem
Silbersalz eine Entgiftung des AsH 3 im Thierkörper* durchzuführen, so
reicht eine neutrale 40proc. (NH 3 -freie) AgN0 3 -Lösung sehr wohl aus,
als Prophylacticum zu dienen.
A. 7. 8. 12. Kaninchen, 1800 g. Das tracheotomirte Thier athmet durch
ein Müller’sches Ventil aus einer vorgelegten Flasche, in der sich NaCl (0,9pCt.)
und darin gelöst AsH 3 in bestimmter Menge befindet. Zwischen dem Müller-
schen Ventil und der AsH 3 -Lösung werden noch 2 Flaschen mit 40proo. AgN0 3 -
Lösung eingeschaltet. Die verbindenden Glasröhren tauchen nur ganz wenig in die
Lösungen ein, sodass das Thier ganz leicht durch dieses System von 4 Flaschen athmet.
12. 8. 12. Thier lebt, war die ganze Zeit über munter. Harn wird spontan ent¬
leert, frei von Albumen.
B. Controlthier. 7. 8. 12, 6 Uhr 30 Min. Abends. Kaninchen, 1870 g. Das
tracheotomirte Thier athmet die gleiche Menge Asll 3 wie das vorige, aber die Arsen¬
wasserstoff + NaCl enthaltende Flasche ist direct mit dem Müller’schen Ventil ver¬
bunden; die Silberlösungen sind ausgeschaltet. Beide Thiere athmen 10 Minuten
durch das System.
Gck igle
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Ueber die Bindung des Arsenwasserstoffes im Blut.
297
8. 8., früh 8 Uhr 30 Min. Thier sitzt ruhig im Käfig, es hat nicht gefressen;
kein Tropfen Harn ist auszupressen.
10 Uhr 15 Min. Thier zeigt Schwächeerscheinungen. Leichto Bewegungen des
Kopfes nach einer Seite. Es kann sich nur schwer im Gleichgewicht halten.
10 Uhr 30 Min. Dyspnoe. 10 Uhr 45 Min. Exitus.
Section: Völlige Anurie, kein Tropfen Harn oder Blut in der Blase. Nieren
tief schwarz verfärbt; Zeichnung völlig verstrichen. Blut dünn, lackig.
Der so auffallende Unterschied zwischen der starken Bindung von
Collargol und AsH s in vitro und dem völligen Versagen einer Collargol-
entgiftung in vivo bei Arsen Wasserstoffvergiftung legt die Frage nahe,
ob es nach Eingabe von AsH 3 ins Blut sich dort dauernd überhaupt um
freien AsH 3 handelt, oder ob man es hier mit anderen As-Verbindungen
zu thun hat.
Die folgenden Versuche gaben hierüber Aufklärung:
19. 7. 12. 1. 120 ccm Kaninchenblut werden mit 30 ccm AsH s 10 Minuten ge¬
schüttelt; nach 15 Minuten wurde das nicht gebundene Gas in Silbernitrat geleitet,
sofort durch das Blut ein Kohlensäurestrom geschickt, um jede nachträgliche Oxy¬
dation zu verhindern und in einer mit Silbernitrat vorgelegten Dreohsel’schen Flasche
geprüft, ob eine Schwärzung der Silberlösung erfolgt. Die Lösung blieb völlig klar
und unverändert, ein Beweis, dass freier AsH 3 nicht mehr vorhanden war. Auch ein
mit 50proc. AgN0 3 -Lösung befeuchtetes Stück Fliesspapier, das über ein dieses Blut
enthaltendes Becherglas gelegt wurde, zeigte nicht die Gutzeit’sche Reaction.
2. 120 com physiol. Kochsalzlösung + 30 ccm AsH 3 , ebenso behandelt wie
obiges Blut. Es entsteht hier in der Silberlösung der Vorlage ein dicker, schwarzer
Niederschlag; die Gutzeit’sche Reaction ist hier sofort stark positiv.
Versetzt man nun das Kaninchenblut von Versuch 1 mit Zn-f HCl,
so tritt jetzt auch die Gutzeit’sche Probe stark positiv auf. Diese Er¬
scheinungen besagen, dass beim Zusammentreffen von Blut und AsH s
sehr bald eine Oxydation des AsH 3 erfolgt oder eine Umwandlung in
eine Verbindung, die durch ein reducirendes Mittel (H 2 ) wieder in AsH 3
übergeführt wird. Man nimmt dasselbe Schwinden freien Arsenwasser¬
stoffs wahr, wenn man ein Kaninchen mit AsH s vergiftet, sofort verblutet
und das Blut direct anschliessend in der eben beschriebenen Weise prüft.
Ich lasse es völlig dahingestellt, ob es sich bei diesem veränderten
(oxydirten) Arsenwasserstoff um eine Complexverbindung, um Arsensäure,
um arsenige Säure oder eine sonstige Zwischenstufe handelt. Sicher ist,
dass eine Oxydation vor sich geht. Hierdurch erklärt sich auch die Er¬
gebnislosigkeit aller meiner Entgiftungsversuche. Ich habe Arsenwasser¬
stoff im Thierkörper entgiften wollen und hatte cs garnicht mehr mit
Arsenwasserstoff zu thun.
Aus diesen Beobachtungen lässt sich schliessen:
Aufnahme und Bindung des AsH 3 im Blute erfolgen sehr schnell
aufeinander, und zwar Letztere zu einer Substanz, die entweder eine
oxydative Stufe oder eine Complexverbindung darstellt.
Diesen ganzen Vorgang will ich als 1. Phase der AsH 3 -Vergiftung
bezeichnen.
Die 2. Phase dieser Intoxication geht langsam vor sich und endet
mit der Hämolyse.
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Go igle
Original fro-m
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298
R. Meissner,
Digitized by
Die Hämolyse nach AsH 3 zeigt zweierlei interessante Merkmale:
Erstens: sie geht sehr langsam vor sich;
Zweitens: an ihrer Scala lassen sich drei Gruppen unterscheiden:
a) bei Zusatz ganz geringer Mengen AsH 3 tritt weder Hämolyse noch Ver¬
färbung des Blutfarbstoffes ein;
b) bei Zusatz etwas grösserer Mengen tritt Hämolyse theils ohne, tbejls mit
Verfärbung des Blutfarbstoffes ein;
c) bei Zusatz noch grösserer Mengen tritt keine Hämolyse ein. Der Blut¬
farbstoff wird jetzt gefällt und braun bis graugrün verfärbt.
Bezüglich des ersten Punktes möchte ich bemerken, dass man beim
Schütteln von Blut mit physiologischem NaCl + AsH s nie sofort eine
Lyse erhält. Erst nach zwei bis drei Stunden tritt dieselbe ein; nimmt
man gewaschene Blutkörperchen, so geht die Lyse manchmal etwas
schneller vor sich; s / 4 —1 Stunde vergeht aber auch hier. Vergiftet
man ein Thier mit einer sicher tödtlichen, aber nicht übermässig con-
centrirten Dosis AsH 3 und entnimmt darauf nach je 5 Minuten eine Blut¬
probe aus einer Carotis und centrifugirt dieselben jedesmal gleich nach
der üblichen Verdünnung, so erhält man noch nach 30 Minuten über
einem scharf abgesetzten Sediment eine wasserhelle Flüssigkeit, keine
Lyse. Setzt man mit anderen gleichzeitig entnommenen Blutproben in
derselben Verdünnung eine hämolytische Scala an, so erhält man zu¬
nächst lauter trübe Mischungen, nach zwei bis drei Stunden aber lässt
sich feststellen, dass schon in der Probe, die 10 Minuten nach der Ver¬
giftung entnommen wurde (manchmal noch früher), Hämolyse eingetreten
ist. Auch in den Sedimenten der oben erwähnten Centrifugirglasproben
beginnt nach zwei bis drei Stunden eine Lyse. Diese Beobachtungen
lehren, dass die Hämolyse im Blutkörperchen sehr bald nach der Ver¬
giftung vorbereitet wird, dass aber bis zum Austritt des Hämoglobins
eine gewisse Latenzzeit vergeht.
Was den zweiten Punkt der AsH 3 -Hämolyse an betrifft, so sei noch
erwähnt, dass das Spatium von AsH s -Concentrationen in der hämo¬
lytischen Scala, das Hämolyse erzeugt, nicht sehr umfangreich ist. In
dieser Scala nimmt man, wie oben schon erwähnt, beim Zusammentreffen
mit grösseren Mengen AsH s eine Verfärbung des Blutfarbstoffes zu Braun
bis Graugrün wahr. Auch beim Schütteln grösserer Mengen AsH s be¬
sonders mit arteriellem Blute in der Hempelbürette sieht man, wie AsH s
momentan eine sehr starke Dunkelfärbung hervorruft. Der Uebergang
des Blutfarbstoffes in Graugrün erinnert an die Verfärbung, die beim
Einwirken von SH 2 auf Blut sich bildet. Man nennt den hierbei ent¬
standenen Körper Sulf-Methämoglobin; dieser zeigt ein typisches Spectrum.
Eine Veränderung des Blutspectrums nach Einwirkung von AsH 3
konnte bisher noch nie beobachtet werden. Auch .ich erhielt bei meinen
ersten Versuchen in dieser Richtung, wenn ich Blut mit Arsenwasserstoff
schüttelte und einen Tropfen des Blutes sodann vorsichtig mit aus¬
gekochter physiologischer Kochsalzlösung mischte, stets ein reines Oxy-
hämoglobinspectrum. Die obigen Versuche hatten nun gezeigt, dass
AsH 3 schon ganz kurze Zeit nach der Berührung mit Blut sich als
Gck igle
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Ueber die Bindung des ArsenwasserstofTes im Blut.
299
solches nicht mehr nachweisen lässt, vorausgesetzt, dass das Blut im
Ueberschuss vorhanden ist. In einem derartigen Blute, wie es bei foren¬
sischen Fragen z. B. fast immer vorliegt, lässt sich folglich auch ein Arsen-
wasserstoffspectrum nicht erwarten. Will man die Existenz eines solchen
überhaupt in Erwägung ziehen, so konnte man sein Erscheinen nur
dann erhoffen, wenn AsH s und Blut im Augenblick ihres Zusammen¬
treffens beobachtet werden können oder wenn ein Ueberschuss von AsH 3
vorhanden ist. Unter solchen Bedingungen lässt sich nun thatsächlich
ein constantes Spectrum erzielen. Am einfachsten erhält man es,
wenn man einen Tropfen Blut mit ungefähr 5—10 ccm einer physiolo¬
gischen Kochsalzlösung mischt, die reichlich Arsen Wasserstoff absorbirt
enthält. Hierbei erfolgt momentan eine Verfärbung der Flüssigkeit zu
einer trüben schokoladenbraunen bis graugrünen Mischung, ausserdem
sieht man dann einen starken Streifeh (ähnlich dem des reducirten
Hämoglobins) in Grün und einen deutlichen an der Grenze von Roth und
Gelb. Dieser letztere Streifen ist immer im Spectrum zu sehen, wenn
AsH 3 mit Blut (verschiedene Blutarten wurden darauf geprüft) oder mit
einer Hämoglobinlösung zusammentrifft. Lässt man eine solche Mischung
ruhig stehen, so ist noch nach 24 Stunden dasselbe Spectrum vorhanden;
schüttelt man jedoch die Flüssigkeit mit Luft, so treten an Stelle des
einen starken grünen Streifens zwei dünnere, scheinbar Oxyhämoglobin¬
streifen. Der rothe Streifen bleibt deutlich bestehen.
Bläst man aus einer physiologischen NaCl-Lösung, die AsH 3 stark
absorbirt hat, dieses Gas völlig aus und stellt dann mit Blut eine spectro-
skopische Prüfung an, so sieht man reines Oxyhämoglobinspectrum. Die
jetzt noch in dieser Natriumchloridlösung enthaltene As-Verbindung (Oxy¬
dationsstufen oder Complexverbindungen) vermag also nicht im Roth
einen Streifen zu erzeugen; dieser hängt von der Anwesenheit des freien
AsH s ab.
Er verschwindet sofort, wenn man NH 3 zur Blutmischung giebt
(die beiden Oxyhämoglobinstreifen sind noch schwach sichtbar); bei
Zusatz von (NH 4 ) 2 S wird der Streifen im Roth schwächer, aber er ver¬
schwindet nicht ganz; im Grün ist der Streifen des reducirten Hämo¬
globins sichtbar. Einige Male erschien nach Zusatz von KOH der Streifen
des reducirten Hämatins im Grün, aber nicht regelmässig. Es ähnelt
dieses Spectrum also in mancher Hinsicht dem des Sulfmethämoglobins.
Ob unser Spectrum auf eine entsprechende Weise sich bildet, oder ob
es als Zersetzungsproduct des Hämoglobins aufzufassen ist, lasse ich
dahingestellt. Sicher ist, dass es constant eintritt. In allen 6 Blutarten,
die ich daraufhin untersuchte, war es jedesmal deutlich zu sehen.
Ich fasse meine Ergebnisse in folgende Worte zusammen:
1. Von allen Blutbestandtheilen bindet allein das Hämoglobin den
Arsenwasserstoff energisch; die Hämatincomponente des Hämo¬
globins ist an dieser Bindung stark betheiligt. Wahrscheinlich
ist das Eisen des Hämatins bei dieser Bindung von entscheidender
Bedeutung.
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300 R. Meissner, Ueber die Bindung des Arsen Wasserstoffes im Blut.
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2. AsH s wird im Blut sehr bald oxydi’rt oder in eine Complex-
verbindung verwandelt und lässt sich ganz kurze Zeit nach der
Aufnahme im Blute nicht mehr nachweisen.
3. Die Zersetzung des Blutes durch Arsenwasserstoff erfolgt in
2 Phasen: Die erste Phase besteht in Aufnahme, Bindung und
Bildung einer Oxydationsstufe oder einer Complexverbindung.
Die zweite Phase beansprucht längere Zeit; sie endet mit der
Hämolyse.
4. Die Hämolyse durch AsH s in vitro tritt erst nach längerer Zeit
ein; sie ist zum Theil von einer Entfärbung des Blutfarbstoffes
begleitet.
5. Es lässt sich extra corpus beim Zusammentreffen von AsH 3 und
Blut ein constantes Spectrum nachweisen. Dieses zeigt eine
gewisse Aehnlichkeit mit dem des Sulfmethämoglobins.
Gck igle
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XIY.
Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. Pohl).
Zur Wirkungsweise des Atophans.
Von
Joh. Biberfeld.
Die Anschauungen über den Mechanismus der Atophanwirkung sind
gegenwärtig noch nicht geklärt. Um die wichtigsten Aeusserungen hierüber
anzuführen 1 ), so vertritt Weintraud die Ansicht, dass die Vermehrung
der Harnsäureausscheidung durch eine Aenderung der Nierenthätigkeit zu
Stande komme; Atophan lasse das Nieren-„Filter“ durchlässiger werden.
Eine Zunahme der im Körper vorhandenen Harnsäure bewirke das Mittel
nicht; Starkenstein hält umgekehrt gerade eine solche Zunahme für
die Hauptsache; Atophan beschleunigt nach ihm den Purinstoffwechsel
derart, dass unter seiner Einwirkung Nucleinmaterial, das zum Zerfall
reif ist, schneller zum Abbau und zur Ausscheidung kommt.
Die weitere experimentelle Bearbeitung der strittigen Frage ist nun
am Thiere ohne Weiteres nicht gut ausführbar, da wir ja durch die
Wiechowski'sehen Arbeiten den principiellen Unterschied im Purinstoff¬
wechsel zwischen Mensch und Thier kennen gelernt haben und beim
Thiere eine Steigerung der U-Ausscheidung durch Atophan nicht vorhanden
ist; jedes an den gewöhnlichen Versuchsthieren gewonnene Resultat ist
daher für die Erklärung der therapeutischen Wirkung nur beschränkt
werthvoll. So verschieden aber auch der Nucleinstoffwechsel ist, die
Function der Niere ist beim Thiere sicherlich nicht principiell anders
als beim Menschen; deshalb habe ich eine Reihe von Versuchen an
Thieren angestellt, hauptsächlich nur in Beziehung auf die Frage, ob
Atophan die Niere specifisch beeinflusse; daran habe ich einige Versuche
über das Schicksal der Phosphorsäure unter Atophanwirkung angeschlossen.
I.
Selbst wenn man mit Weintraud dem Atophan eine „specifische“
Beeinflussung der Niere zuschreiben will, so wird man doch noch nicht
ohne Weiteres bereit sein anzunehmen, dass diese Beeinflussung nur den
einen Purinkörper, die Harnsäure, treffe; man wird vielmehr erwarten
dürfen, dass auch andere zugeführte Purinsubstanzen unter Atophan
schneller ausgeschieden würden. Die Auswahl unter diesen ist aber
wegen ihrer eigenartigen und wechselnden Umwandlungs- und Ausschei-
1) Eine Zusammenstellung der meisten in Betracht kommenden Publicationen
hat ganz kürzlich Schittenhelm (diese Zeitschr. Bd. XI, S. 360) gegeben.
Digitized by
Go igle
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302
Joh. Biberfeld,
Digitized by
dungsverhältnisse für quantitative Untersuchungen nicht gross 1 ). Ich habe
deshalb das Hydroxycaffein gewählt, das, wie Starkenstein 2 ) vor
einigen Jahren gezeigt hat, im Gegensatz zu anderen Methylxanthinen
von Mensch und Thier unverändert und fast vollständig im Harn wieder¬
erscheint. Da das Präparat, das uns von der Firma Böhringer in Wald¬
hof bei Mannheim in freundlichster Weise überlassen worden ist, ungiftig
ist, war es mir möglich, den Thierversuchen einen solchen am Menschen
anzuschliessen 3 ). — In einem Vorversuche stellte ich fest, dass Hydroxy¬
caffein allein eine massige Diurese hervorrief; Atophan neben dem
Hydroxycaffein verfüttert, verminderte die Harnmenge (vgl. Tabelle I).
Wie die Tabellen II und III zeigen, beschleunigt Atophan die Hydroxy-
caffeinausscheidung nicht nur nicht, sondern bewirkt eher eine gewisse
Hemmung; im Versuch II werden ohne Atophan ca. 64 pCt. des injicirten
Hydroxycaffeins innerhalb der ersten 7 Stunden eliminirt, mit Atophan
in derselben Zeit nur ca. 45 pCt. Nach deutlicher war die Hemmung
im Versuch IV; hier wurden von dem innerlich gegebenen Hydroxycaffein
ohne Atophan im Ganzen fast 60 pCt., mit Atophan nur ca. 35 pCt.
durch den Harn ausgeschieden.
Weiterhin habe ich noch einen Versuch darüber angestellt, wie die
Secretion subcutan beim Hunde eingeführter Harnsäure durch Atophan
geändert wird. Frank und Bauch 4 ) haben gefunden, dass die beim
gichtkranken Menschen sonst sehr verzögerte und auch unvollständige
Ausscheidung intravenös injicirter Harnsäure durch Atophan sehr gefördert
wird. Ich habe ähnliche Versuche am Hunde angestellt. Wenn wir
auch wissen, dass beim Thier Harnsäure zu Allantoin abgebaut wird, so
scheidet doch jedes Thier neben der grossen Menge des Endproductes,
des Allantoins, stets schon in der Norm auch eine kleine Quantität
Harnsäure aus, und durch Zufuhr grosser Massen von Harnsäure gelingt
es die Grenzen der uricolytischen Capacität des Hundeorganismus zu
überschreiten, und ihn zu zwingen, reichlich Harnsäure auszuscheiden.
Das Ergebniss eines solchen Versuches zeigt Tabelle XV; durch eine
gleichbleibende reichliche Ernährung mit Fleisch war es gelungen, eine
Harnsäureausscheidung zu erzielen, deren Betrag nur in engen Grenzen
schwankte 5 ); das Thier schied täglich 42—52 mg Harnsäure aus. Von
subcutan injicirten 2 g Na. uricum erschienen am Tage der Injection ca.
130 mg (180—50 mg endogener Harnsäure), an dem nächsten Tage noch
ca. 60 mg. Als das Thier sich von der durch die Harnsäureinjection
1) Fauvel (Compt. rend. de Pacad. des Sciences. 1907, Bd. 144, S. 933) hat
die Wirkung von Salioylsäure auf die Theobrom in ausscheidung untersucht. Da er
die Umwandlung des Theobromins im Organismus und seine keineswegs constante
Ausscheidung gar nicht in Rechnung zieht, sind seine Zahlen unvollkommen und nach
keiner Richtung brauchbar.
2) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 57. S. 27.
3) DieBestimmung geschah nachdervonStarkenstein ausgearbeiteten Methode.
4) Berl. klin. Wochenschr. 1911. No. 32.
5) Hier, wie in allen Versuchen, wurden die einzelnen Harnportionen durch
Katheterismus der colpotomirten Thiere gewonnen. — Die Harnsäure wurde einige¬
mal nach Ludwig-Salkowski, sonst stets nach Krüger-Schmid bestimmt.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Zur Wirkungsweise des Atophans.
303
erzeugten leichten Intoxication (einem bald entstandenen Abscess) erholt hatte,
stellte es sich unter der gleichen Fütterung wie bisher auf einen endogenen
Harnsäurewerth von ca. 60 mg täglich ein. Die Injection von wiederum 2 g
Na. uricum lässt jetzt diesen Werth nur um ca. 110 mg steigen, obschon
vorher 1 g Atophan eingespritzt worden war, und auch an den nächsten
Tagen war keine Vermehrung der Harnsäuremenge zu sehen. — Es ist zuzu¬
geben, dass das Ergebniss dieses Versuches nicht eindeutig ist, doch scheint
er mir sicherlich nicht dafür zu sprechen, dass Atophan die Entfernung
harnfähiger Harnsäure, die ja hier in grossen Mengen kreiste, befördere. —
Weintraud hat, um eine specifischc Nierenwirkung des Atophans
plausibler zu machen, an das Phlorhizin erinnert, das ja zweifellos
durch eine Aenderung der Nierenthätigkeit Glykosurie hervorruft. Es
ist jedoch nicht zuzugestehen, dass die Verhältnisse in beiden Fällen
gleich liegen. Durch Phlorhizin wird die Niere in irgend einer Weise
derart verändert, dass sie einen Stoff, den Traubenzucker, für den sie
unter normalem Blutzuckergehalt absolut undurchlässig ist, secernirt.
Durch Atophan dagegen soll die Niere für eine Substanz, die sie auch
in der Norm und in dem Bedürfniss des Organismus entsprechenden
Mengen leicht absondert, plötzlich noch durchlässiger werden, und zwar
nur für diese eine, nicht für andere ähnliche. Hierfür haben wir bisher
noch kein Analogon. Trotzdem habe ich versucht, ob sich vielleicht
eine Wirkung des Atophans auf die Phlorhizinglykosurie nachweisen
Hesse. Auch hier war wieder das Ergebniss der Versuche (vgl. Tab. V,
VI, VH) umgekehrt wie erwartet 1 ); statt einer Förderung durch Atophan
zeigte sich eine Hemmung. Besonders deutlich war diese in dem auf
Tabelle VI und Vll geschilderten Versuche: ohne Atophan werden von
dem constant gefütterten Hunde auf 1,5 g Phlorhizin im Ganzen mehr
als 32 g Zuckerausgeschieden; dieselbe Dosis Phlorhizin plus 2 g Atophan
Hess nur 20,9 bezw, 22,5 g Zucker erscheinen 2 ).
II.
Wie schon von den Entdeckern der Atophan Wirkung, Nikolaier
und Dohm, erkannt und später von Anderen bestätigt worden ist, lässt
Atophan den Phosphorsäurestoffwechsel unbeeinflusst. Diese Thatsache
ist gegen die Auffassung verwerthet worden, es sei die Atophanwirkung
im wesentlichen eine Beschleunigung des normalen Nucleinabbaues. Denn,
wenn dem so wäre, müsste nicht nur die aus der Nucleinsäure ent¬
stehende Harnsäure, sondern auch die Phosphorsäure in vermehrter
Menge erscheinen. — Sehr beweiskräftig ist aber diese scheinbar ein¬
leuchtende Deduction nicht. Schon aus dem einfachen Grunde, dass die
allenfalls mehr entstehende Phosphorsäure an Menge zu wenig ausmacht,
um analytisch wiedergefunden zu werden. Denn wenn beispielsweise
unter dem Einfluss des Atophans 0,5 g Harnsäure mehr als vorher aus¬
geschieden wird — höhere Werthe wurden selten beobachtet —, so kann
1) Naohweis des Zuckers nach Bang.
2) Da das Atophan keine Polyurie erzeugt, kann man das Resultat nicht darauf
beziehen, dass unter seiner Wirkung das Phlorhizin schneller aus dem Körper entfernt
worden sei.
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
304
Job. Biberfeld,
Digitizer! by
aus der Nucleinsäure, die dieses Plus an Harnsäure liefert, noch nicht einmal
ebensoviel P 2 0 6 entstehen x ). Da nun die tägliche Phosphorsäureaus¬
scheidung mehrere Gramm mit Tagesschwankung von Decigrammen be¬
trägt, so kann ein Plus von weniger als 0,5 g sich leicht einem sicheren
Nachweise entziehen. — Ferner kämen noch von vorneherein als Möglich¬
keiten in Betracht, dass der kleine P 2 0 6 -Zuwachs vorläufig retinirt oder
aber umgekehrt sehr schnell, innerhalb weniger Stunden, durch die Niere
ausgeschieden wird; wenn dann dieser Mehrleistung des Organs, wie so
oft, eine Verminderung folgt, so ist es nicht wunderbar, dass in der
Tagesmenge kein Plus an P 2 0 B gefunden wird. Um hierin, zu klareren
Vorstellungen zu kommen, habe ich einige Versuche mit ionalem Phosphat
(secund. Na. phosphoric.) und käuflichem Natr. glycerinophosphoric. (mit
ca. 20 pCt. P 2 0 6 ) gemacht. Wie die Tabellen VIII, IX und XIII zeigen,
ist thatsächlich eine Beschleunigung der Phosphorsäureelimination durch
Atophan nicht zu verkennen; so werden ohne Atophan in den ersten
10 Stunden nach der Injection von Glycerinphosphat 983,5 mg P 2 0 6 ,
mit Atophan in den ersten 9 Stunden bereits 1378,6 mg ausgeschieden.
— Eine Retention ist demnach sicher auszuschliessen und vielleicht be¬
schleunigt Atophan auch beim Menschen die Phosphorsäureelimination;
Versuche, in denen bestimmt wäre, wie die P 2 0 5 -Ausscheidung sich in
den ersten Stunden nach der Atophandarreichung verhält, sind noch
nicht angestellt worden.
Wenn in den Versuchen der verschiedenen Autoren beim Hunde die
Harnsäuremengen unter Atophan nicht wachsen, so konnte dies an einer
toxischen Wirkung 1 2 ) der stets verwendeten relativ grossen Mengen
(1 g und mehr) liegen. Ich habe deshalb die in den Tabellen X, XI, XII
dargestellten Versuche ausgeführt; es war aber bei den kleinen Dosen
(0,5—0,2 g Atophannatrium subcutan) keine Aenderung im Purinstoff¬
wechsel zu erkennen.
Aus meinen Versuchen erhellt, dass es nicht möglich ist, eine
specifische Beeinflussung der Niere durch Atophan an einem anderen
Purin (als Harnsäure) oder an dem sicher specifischen Product der
Phlorhizinwirkung nachzuweisen. Trotzdem wird man vorläuög, besonders
angesicht der ausgezeichneten therapeutischen Wirkung und der Versuche
mit Nucleinfütterung am gichtkranken Menschen, eine Nierenwirkung
nicht von der Hand weisen dürfen. Dass diese jedoch das allein in
Frage Kommende ist, erscheint wenig plausibel; denn dann müsste man,
um die Harnsäurevermehrung beim Gesunden zu erklären, auch bei
diesem ein Harnsäuredepot voraussetzen — eine Voraussetzung, für die
bisher noch kein überzeugender Beweis geführt ist. — Die Phosphat¬
ausscheidung wird, wenigstens beim Hunde, durch Atophan beschleunigt.
1) Nach Steudel (Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 49. S. 409) enthält Nuclein¬
säure etwas mehr als 30 pCt. Purinbasen, aus denen ca. 28 pCt. Harnsäure entstehen
können; P 2 0 6 ist aber nur zu etwa 20 pCt. in der Nucleinsäure enthalten.
2) Ich habe einmal — allerdings nur dies eine Mal — einen Hund, der zweimal
je 5 g Atophan mit mehrtägigem Intervall per os bekommen hatte, an einer sehr
schweren Leberdegeneration eingehen sehen.
Gck 'gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Zar Wirkungsweise des Atophans.
305
Belege.
I. Hündin, 11000g. 29. 1. 1912.
Z
e i t
Harn-
menge
Reaction
Bemerkungen
29. 1.
10 Uhr — Min.
_
_
_
1,0 g Hydroxycaffein + 1,0 g NaHC0 3
+ 50 W. subcutan.
12
138
ccm
alkalisch
3
„ 30
107
TT
do.
J
6
—
71
TT
do.
>981 ccm in 24 Stunden.
30. 1.
6
tt
360
do.
1
10
305
TT
do.
/
31. 1.
10
TS
TT
500
TT
—
1,0 g Hydroxycaffein + 1,0 g NaHC0 3
+ 50 W. subcutan; 1,0 g Atophan
mit 100 W. per os.
12
, 20
TT
37
TT
schwach sauer
3
. 15
TT
14
TT
do.
|
6
» 30
T»
28
TT
do.
> 610 ccm in 24 Stunden.
1. 2.
6
TT
320
TT
neutral
I
10
TT
r*
200
TT
schwach sauer
/
2. 2.
10
TT
TT
540
TT
do.
1,0 g Atophan + 100 W. per os.
3
* 30
TT
38
TT
—
6
TT
TT
36
TT
—
3. 2.
10
340
—
4. 2.
10
TT
TT
300
TT
—
ii.
Hündin
9000 g.
10.
4. 1912.
Z
e i t
• Harn¬
menge
Hydroxy-
caffein
Bemerkungen
10. 4.
10 Uhr 20 Min.
_
_
Kätheterisirt; 1,2 g Hydroxycaffein mit
120 ccm W. per os.
\
12
. 20
78
ccm
0,2696 g
5
, 30
TT
360
TT
0,5032 g
| 1,0314 g.
11.4.
10
. 30
670
0,2586 g
12. 4.
10
> 30
TT
700
TT
1,2 g Hydroxycaffein + 120 W. und
nach wenigen Minuten 1,0 g Atophan
+ ca. 150 ccm W. per os.
1
12
„ 30
TT
18
0,1134 g
5
, 30
TT
120
0,4352 g
[ 0,9738 g.
13. 4.
10
. 30
TT
370
TT
0,4252 g
HI.
Hündin, 9000 g.
19.
4. 1912.
19. 4.
11 Uhr
Min.
Katheterisirt; 1,0 g
Hydroxycaffein
(150 W.) per os.
2
T*
—
TT
130 ccm
0,339 g
5
TT
30
TT
140
verloren
20. 4.
11
—
550
0,267 g
21. 4.
10
—
1000
—
22. 4.
10
TT
—
TT
—
—-
1,0 g Hydroxycaffein +1,0 Atophan
+ 300 W. per os.
1
TT
—
TT
108
ccm
0,1598 g
i
6
TT
—
TT
38
TT
0,3702 g
J 0,8752.
23. 4.
10
TT
—
TT
220
0,3452 g
J
24. 4.
10
TT
—
TT
—
—
Katheterisirt; 1,0 g
Hydroxycaffein
per os.
1
6
TT
—
TT
TT
100
220
TT
TT
0,319 g
0,4234 g
} 0,7424.
25. 4.
10
TT
—
TT
480
TT
Spur
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
306
Digitized by
Joh. Biberfeld,
IV. A. R., 23 Jahre alt.
Zeit
Harn¬
menge
Hydroxy-
caffein
Bemerkungen
15. 5. 7 Uhr — Min.
10 „ - „
1 , - ,
4 „ - „
7 „ - „
16. 5. 7 , - „
18. 5. 6 „ 30 „
7 „ - „
10 , - ,
1 „ - .
4 „ - ,
290 ccm
240 ,
285 ,
320 „
615 ,
410 ,
205 ,
215 „
0,4524 g
0,2865 g
0,1014 g
0,3718 g
0,1152 g
0,0643 g
1,5 g Hydroxycafiein innerlich.
0,8463 g. — In der nächsten Harn-
[portion nur Spuren.
1,0 g Atophan.
1,5 g Hydroxycafiein eingenommen.
0,5513 g. — In d. nächsten lfernportion
V. Hündin, 10
500 g. 2
Tage Hunger.
kein Hydroxycafiein mehr nachzuweis.
Harn-
Zucker
Zeit
menge
(nach Bang)
Bemerkungen
8. 6. 9 Uhr — Min.
_
_
Katheterisirt; 1,0 g Phloridzin subcut.
12 , - „
110 ccm
57 mg in
1 ccm = 6,27 g
3 „ - „
140 *
Trommer negativ (? ?). Dann Futter
(250 g Fleisch + einer Semmel).
Ebenso am 9. Am 10. u. 11. Hunger.
12.6. 10 „ 30 „
—
—
1,0 g Phloridzin subcutan.
10 „ 45 ,
—
—
2,0 g Atophan per os.
11 , 30 „
20 ccm
1,030 g
12 „ 30 ,
14,2 „
1,596 g
1 , 30 ,
8,0 „
0,864 g
3 » 30 ,
16,0 „
1.568 g
6 „ 30 „
i 16,0 ,
1,536 g
13.6. 8 „ — *
38,0 „
Trommer
schw. positiv
12 „ - »
42,0 „
do.
6 n »
56,0 „
do.
Am 14. Hunger.
15.6. 8 „ 30 B
—
—
1,0 g Phloridzin subcutan.
9 , 30 „
16,0 ccm
1,632 g
10 , 30 ,
17,0 ,
1,734 g
11 , 30 ,
19,0 „
1,976 g
12 * 30 „
16,0 .
1,600 g
3 , 30 .
33,0 „
3,564 g
Dann Futter.
VI. Hündin, 11000 g. 18. und 19. 7.
1 Semmel. 21. 7. ebenso. Wasser ad libitum.
1912 Hunger. 20. 7. 250 g Fleisch +
Zeit
Harn¬
menge
Zucker
Bemerkungen
22. 7. 9 Uhr — Min.
_
1,5 g Phloridzin subcutan (in Carbonat
12 „ - „
58 ccm
5,462 g
[gelöst).
3 „ — „
60 „
5,760 g
Futter wie vorher.
6 * — T
116 „
6,960 g
23.7. 6 * — „
362 „
12,497 g
12 ,, — n
23 „
0,445 g
6 „ - „
250 ,
0,308 g
24.7. 6 „ — „
236 „
1,345 g
In der nächst. Harnportion kein Zucker
i
32,777 g
mehr. 25. u. 26. 7. Futter wie bisher.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Zur Wirkungsweise des Atophans.
307
Noch: VI. Hündin, 11 000 g. 18. und 19. 7. 1912 Hunger. 20.7. 250g.
Fleisch + 1 Semmel. 21. 7. ebenso. Wasser ad libitum.
Z
e i
t
Harn¬
menge
Zucker
Bemerkunge n
27. 7.
9
Uhr
Min.
1,5 g Phloridzin subcutan und 2,0 g
12
*
—
»
88 ccm
3,645 g
Atophan per os.
3
y>
—
T»
38 „
3,98 g
6
rt
—
»
120 „
6,01 g
28. 7.
6
n
—
T
180 „
5,31 g
12
»
30
Ji
160 „
1,08 g
6
*
—
»
350 „
0,938 g
29. 7.
6
—
V
124 ,
kein Zucker
20,963 g
VII. Hündin von Tabelle VI. In der dort folgenden Woche Futter wie bisher
5:8.1912. 10200 g. _
5. 8 . 10 Uhr — Min.
1,5 g Phloridzin subcutan und 2,0 g
i » - .
72 ccm
2,276 g
Futter. [Atophan per os.
5 T> V
192 „
5,664 g
7 „ 15 ,
77,5 ,
3,526 g
6 . 8 . 6 „ — „
118 „
9,558 g
0,832 g
10 „ - „
45 „
2,0 g Atophan per os.
1 . - ,
101 ,
0,171 g(?)
Trommer nur ganz schwach positiv.
4 , - „
37 .
22,027 g
Trommer negativ.
VIII. Hündin,
10000 g.
19. 8 . 1912 Hunger.
19. 8 . 11 Uhr — Min.
3 „ — »
7 „ - ,
20 . 8 . 6 , - ,
9 . - „
11 . - .
4 , — „
6 , - »
21 . 8 . 6 , - „
9 . - .
IX. Hündin, 9
255 ccm
232 ,
950 .
320 .
ca. 5 „
440 „
60 „
145 „
220 „
000 g. 13.
300,9 mg
264,8 *
1045 „
74,8 *
1465,2 „
168,6 *
333,5 ff
298,3 *
9. 12 Hunger.
Katheterisirt (in 50 ccm 12,5 mg P 2 0 6 ).
10 g Na. phosphor. per os.
\ } 565,7 mg
11685,5 mg
1 3 g Atophannatrium subcutan.
10 g Na. phosphor.
1 11688,8 mg
\ 2265,6 mg
Zeit
Urin¬
menge
P 0 U 5
Bemerkungen
13. 9. 11 Uhr 15 Min.
1 Uhr 15Min. bis
—
—
Katheterisirt; 5,0 g Na. phosphor. in
1 [100 ccm W. subcutan.
2 Uhr 15 Min.
6 . - ,
145 ccm
112 *
406 mg
251 *
} 657
14.9. 6 „ - „
9 , - »
615 ,
148 „
381 .
79.9 „
Spontan entleert.
11 . 25 „
71 .
17.7 „
1135,6 mg
15.9. 11 , - ,
468 „
435,2 mg
16.9. 9 „ - „
1120 „
—
2,0 g Atophannatrium subcutan.
9 . 30 ,
—
—
5,0 g Na-Phosphor in 100 ccm Wasser
12 „ 30 „
3 . 30 ,
6 , 30 ,
400 ,
32 ,
110 ,
724 .
218 „
144,1 „
J [subcutan.
17.9. 6 , - „
755 ,
824,65 .
9 „ 30 ,,
i
112 „
l 1
142,8 „
1451,55 mg
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Digitized by
308 Joh. Biberfeld,
X. Hündin a. 9700 g. 21. und 22.9. 1912 Hunger. Am 23.9. 1 Liter Milch;
Durchfall. 24.9. 9 Uhr katheterisirt, 11 Uhr 500 ccm W. 25.9. 9 Uhr 635 ccm Ham.
— Am 26.9. 2 mal 0,2 Atophannatrium subcutan.
Zeit
Menge
u
Allan toin
24.—25. 9. 9 Uhr
635 ccm
36,08 mg
168,09 mg
26.9. 9 „
182 „
3?,2 „
146,2 „
27.9. 9 „
93 „
36,9 „
67,2 „
XI. Hündin b. 8700 g. Am 21. und 22.9.1912 Hunger. Am 23.9. 1 Liter
Milch; Durchfall. 24.9 9 Uhr katheterisirt. 11 Uhr 500 ccm W. — Das Thier ist in
Folge des Hungers sehr elend. — Am 26. 9. 0,25 Atophannatrium subcutan.
24.—25. 9.
9 Uhr
530 ccm
34,67 mg
104,9 mg
26. 9.
9 „
228 „
36,04 „
127,5 „
27. 9.
9 ,
178 „
74,25 „
144,2 „
XII. Hündin, 8700 g. Constantes Futter (375 g Fleisch, 1 Semmel).
Z e i
t
Harn¬
menge
ü
Bemerkungen
8.—9. 10.
9 Uhr
610 ccm
240 mg (?)
Urin stark alkalisch.
10. 10.
9 „
570 „
83 „
Urin schwach alkalisch.
11. 10.
9 „
380 „
67 „ 1
0,2 g Atophannatrium subcutan.
12. 10.
9 „
450 „
74 „
XIII. Hündin, 9000 g. Constantes Futter: 375 g Fleisch und 1 Semmel Mittags
1 Uhr. Wasser ad libitum.
Zeit
Harn¬
menge
p 2 o 5
Bemerkungen
19.10. 9 Uhr—Min.
410 ccm
1545,7 mg
Von 9-9 Uhr.
20.10. 9 , - „
380 „
1512,4 „
21.10. 9 „ - „
—
10 g kaufl. Natrium glycerino-phos-
1 , - ,
38 ccm
835.5 mg
nach Veraschen
952.5 mg
\ [phoricum subcutan (75 W.).
7 „ - „
105 „
16,0 „
nach Veraschen
31 mg
> 983,5 mg.
22.10. 9 , - „
350 „
2404,5 rag
nach Veraschen
2424,0 mg
23.10. 9 „ — „
485 „
1527,7 „
nach Veraschen
1522,0 mg
24.10. 9 „ - „
265 ,
1820 *
25.10. 9 „ — „
360 „
1638 w
26. und 27. 10. Futter wie bisher.
28.10. 9 „ — „
—
—
Katheterisirt; 1,0 g Atophannatrium
1 „ - ,
22 ccm
538.7 mg
nach Veraschen
667.8 mg
\ (10 W.) u. 10 g Natrium glycerino-
§ phosphoricum (75 W.) subcutan.
6 , - .
37 „
789,9 „
nach Veraschen
782,55 mg
> 1378,6 mg.
29.10. 9 , - „
287 „
1549,8 „
nach Veraschen
1602,0 mg
30.10. 9 „ - „
680 „
1504,0 *
1443,7 „
31.10. 5 „ 25 „
525 „
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Zur Wirkungsweise des AtophanS. 309
XIV. Hündin, 9000 g. Constantes Futter (375 g Fleisch, 1—2 Semmeln).
Datum
1912
Hara-
menge
Gesammt-
N
N
Bemerkungen
24.11.
410 ccm
10,079 g
47,6 mg
42,8 „
Die Harnmenge ist von 9 Uhr bis 9 Uhr
25.11.
340 „
—
vormittags gemessen.
26.11.
385 „
9,32 g
44,2 „ |
27.11.
580 ,
9,75 g
48,7 „
52,6 „
28.11.
430 „
9,86 g
29.11.
800 , (!)
11,68 g
181,4 „
Am 29. um 12 Uhr 1.0 g Na uric. (Kahl-
30.11.
525 „ (!)
9,26 g
70,3 „
bäum) mit einigen Tropfen NaOH in der
1. 12.
—
—
—
Wärme in 400 ccm W. (ca. 45°) gelöst;
2.12.
265 „
12,27 g
97,4 „
eine geringe Menge geht bei d. subcutanen
3.12.
295 ,
7,37 g
45,4 „
Injection verloren; um 3 Uhr nochmals
4.12.
330 „
8,4 g
85,1 „
1,0 g in 400 ccm Wasser injicirt; kein
5.12.
360 „
10,9 g
72,2 „
Verlust. — Der Harn vom 29. (300 ccm)
6.12.
385 „
9,81g
48,7 „
ist ganz schwach alkalisch und enthält
7.12.
365 „
9,4 g
56,6 B
sehr reichliches, beim Kochen sich
9.12.
350 „
10,08 g
76,8 „
lösendes Sediment.
10.12.
560 „
H,07g
73,92 ,
1. 12. Durchfall; Urin mit Koth verun¬
11. 12.
390 „
11,97 g
70,8 „
reinigt.
12.12.
430 „
10,4 g
82,1 .
2. 12. Thier hat einen grossen Abscess.
13.12.
370 ,
Urin vom 8. 12. nicht bestimmt.
14.12.
835 ,
10,19 g
—
10. 12. Thier hat viel Wasser getrunken.
15.12.
450 „
9,54 g
42,0 „
16.12.
420 n
8,7 g
72,2 „
17.12.
325 ,
10,3 g
53,8 „
18.12.
—
18. 12. mit Koth verunreinigt.
19.12.
370 „
9,5 g
46,7 „
20.12.
865 „
10,6 g
20. 12. Abscess fast vollständig geheilt.
21. 12.
800 „
10,8 g
58,5 „
22. 12.
290 „
11,6 g
65,5 „
23.12.
285 „
11,3 g
64,5 „
Am 23. 12. 2 x 1,0 g Na uric. zu der¬
24.12.
825 „
7,78 g
168,0 ,
selben Zeit wie am 29.11.; vorher (lOUhr
25.12.
460 „
7,15 g
45,2 ,
30 Min.) 1,0 g Atophannatrium subcutan.
26. 12.
410 „
—
—
Urin vom 24. 12. schwach trüb; Reaction:
27.12.
370 „
8,4 g
50,9 „
bläut rothe9, röthet blaues Lakmuspapier.
28.12.
360 „
9,6 g
77,5 ,
Urin vom 26. 12. stark ammoniakalisch.
Am 27. grosser Abscess.
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd.
21
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
XV.
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Aus dem physiologischen Laboratorium (Leiter: Dr. A. Bornstein)
des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg in Hamburg.
Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel
bei Ernährungskuren.
Von
A. Goudberg, Arzt aus Rotterdam (Holland).
Inulin ist ein im Pflanzenreich viel vorkommendes Kohlehydrat, das
der Stärke sehr nahe steht.
Es wurde zuerst dargestellt aus den Wurzeln der Inula Helenium
Topinambur von Val Rose im Jahre 1804; es erhielt deswegen den
Namen Inulin. Später wurde es von Anderen aus verschiedenen Pflanzen
dargestellt unter verschiedenen Benennungen, wie z. B. Dahlin (Pajcn),
Menyanthin, Ailantin (Trommersdorf), Helenin (John), Sinistrin etc.
Als Fundort des Inulins sind besonders stark vertreten 1 ) die Familien
der Compositen, Campanulaceen, Lobeliaceen, Gordeniaceen, bei denen
es sich in den unterirdischen Organen findet.
So findet sich u. a. das Inulin in den Wurzeln von Inula Helenium,
von Angelica Archangelica, Artemis Pyreticus, Colchicum autumnale,
Leontodon taraxacum, Cichorium intybus; in den Wurzelknollen von Dahlia
primata, Helianthus tuberosus; in den Stengeln von Solanum dulceraara,
Menyanthes trifoliata (Trommersdorf), in der Lerp manna, Eucalyptus
dumosa u. s. w.
K. Prantl 2 ), welcher das Inulin besonders in der Familie der Com¬
positen, ausserdem noch in Campanula ranunculoides fand, hebt die Ver¬
schiedenheit der Pflanzen an Inulingchalt in den verschiedenen Jahres¬
zeiten hervor, indem dasselbe bei einigen Pflanzen sein Maximum im
Herbst erreicht, während bei anderen ganz andere Verhältnisse auftreten.
Dies findet seine Ursache darin, dass bei den meisten Pflanzen das
Inulin die Function eines Reservenahrungsstoffes hat, ebenso wie das
Stärkemehl. Die Pflanze bildet unter Einfluss der chemischen Licht¬
strahlen mit Hülfe von Chlorophyll Fructose und polymerisirt dieses zu
Inulin. Dieses findet sich dann im gelösten Zustande im Zellsaft. Nachts,
wenn die Assimilation ruht, wird das Inulin nach den Reservelagern
1) Das Nähere siehe z. B. Dragendorff, Materialien zu einer Monographie des
Inulins. St. Petersburg 1870. — K.Prantl, Das Inulin. München 1870. — H.Fischer,
Ueber Inulin. Cohn ? s Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 1902. Bd. 8. 53. — Abder¬
halden, Biochem. Handb. Bd. II.
2) K. Prantl, 1. c.
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Die Verwertbang des Inulins im Stoffwechsel bei Brnährungskuren. 311
in den Wurzeln transportirt als Reservestoff für spätere Wachsthums¬
vorgänge oder für die erste Ernährung der Nachkommen. In unseren
Kräutern, Sträuchern und Bäumen wird alljährlich gegen Ende einer
vegetativen Periode, wenn das Wachsthura keinen Verbrauch mehr be¬
dingt und die assimilirenden Flächen ihre grösste Ausdehnung und Leistungs¬
fähigkeit erlangt haben, der Ucberschuss an Assimilaten am stärksten,
welche dann in speciellen Reservestoffbehältern aufgespeichert werden.
Dieser Transport kann nur in gelöster Form geschehen. Dabei
werden die Stärkekörner durch Diastase wieder zu Glucose gespalten und
in den Behältern wieder aufgebaut. Obschon das Inulin im gelösten Zu¬
stande vorkoramt, ist es wahrscheinlich, dass es bei dem Transport durch
ein Ferment „Inulase“ in Lävulose verwandelt wird und später wieder re-
construirt wird. Als Zwischenproduct entsteht dabei vielleicht Laevuline
und Inuloid 1 ).
Diese Vorgänge finden im Herbst statt, sodass zu dieser Zeit die
Pflanzen am reichsten an Inulin sind.
Inulin ist ein weisses Pulver, geruchlos, mit fadem Geschmack. Es
ist leicht löslich in heissem Wasser, schwer in kaltem, unlöslich in ab¬
solutem Alkohol und Aether, löslich in heissem, verdünntem Alkohol 2 ).
Es ist löslich in Kupferoxydammoniak ohne Aufquellung 3 ) und all¬
mählich in Nickeloxydammoniak 4 5 ).
Inulin dreht im Polarimeter links [«]d = — 38,8° in 0,5proc. wäss¬
riger Lösung 6 ), unabhängig von der Concentration und der Temperatur,
[cr] D = — 39,5 für die wasserfreie Substanz 6 ). Die raolekuläre Ver¬
brennungswärme für Inulin (C 3fl H 6 20 31 ) = 4,0921 Cal. 7 ). Durch 40stün-
diges Erhitzen auf 100° erfolgt Hydrolyse 8 ), noch leichter bei 110—120° 9 ).
Das Maximum der Fructose entsteht dabei nach 15—20 Minuten 10 ).
Inulin giebt bei der Hydrolyse mit Säuren nach Tanret 11 ) 12 Theile
der Fructose auf 1 Theil der Glucose. Nach den älteren nur Fructose.
Mit Mineralsäuren entstehen bei der Hydrolyse auch Reversionsproducte,
während Oxalsäure scheinbar ohne Bildung von dextrinartigen Zwischen-
producten spaltet 12 ).
1) 0. Kellner, Landwirtsch. Versuchsstation. 1881. Bd. 30. S. 42. —
S. Stein, Chem.-Ztg. 1908. 32. 426.
2) A. Richaud, Compt. rend. de la Soc. de Biologie. 1900. T. 52. p. 416.
3) Sachs, Botan. Zeitung. 1864. Bd. 22. S. 77.
4) Tanret, Bulletin de la soc. China. 1893. (3) 9. 227.
5) H. Kilian, Annalen der Chemie und Pharmacie. 1880. 205. 147.
6) v. Butschli, Verband des naturwissensch. med. Vereins zu Heidelberg.
1893. 5. 59.
7) C. Tanret, Compt. rend. de l’Acadßmie des Sciences. 1893. 116 . 514.
8) Lescoeur et Morelle, Compt. rend. de PAcad&nie des Sciences. 1879.
87. 216.
9) Böohamp, Bulletin de la soc. chim. 1893. (3) 9. 213.
10) Hohmann u. Langbein, Joum. f. prakt. Chemie. 1885. (2). 45. 305. —
Berthelot et Vieille, Annal. de Chimie et de Physique. 1887. (6). 10. 460.
11) Tanret, Compt. rend. de la soc. chim. 1893. (3). 9. 227.
12) Dubrunfault, Compt. rend. de l’Acad&nie des Sciences. 1856. 42. 805.
— Crockewit, Annal. der Chemie u. Pharmacie. 1843. 45. 184.
21 *
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312
A. Goudberg,
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Kaliumpermanganat in saurer Lösung erzeugt Kohlensäure, Ameisen¬
säure und Wasser 1 ). Salpetersäure oxydirt zu Ameisensäure, Oxalsäure,
Traubensäure und Glycolsäure 2 3 ).
Inulin ist leicht löslich in Kalilauge und alkalischen Flüssigkeiten,
in Barytwasser. Inulinlösung löst in der Wärme Bleioxyd auf 8 ). Die
Lösung giebt mit neutralem oder basischem Bleiacetat keine Fällung, nur
in Gegenwart von Ammoniak 4 ). Mit Barytwasser auf 80° erhitzt,
giebt Inulin Gährungsmilchsäure 5 ).
Mit Jod giebt es keine Farbenreaction. Die Trom-mer’sche Probe
ist negativ. Wohl reducirt Inulin ammoniakalische Silberlösung und
Goldchlorid 5 ).
Es giebt mit Orcin und Salzsäure tief orangerothe Färbung 6 ). Auch
die Sclimanoff-Probe ist positiv.
Bakterien verarbeiten Inulin häufig 7 ), u. A. auch Bact. coli com¬
mune (Ducamp, Maly, 1907, p. 952); viele Schimmelpilze, u. A.
Aspergillus niger. Viele andere Pilze besitzen auch die Fähigkeit, Inulin
zu spalten. Das Temperaturoptimura des Inulin spaltenden Enzyms,
Inulase, ist 55°. Die Wirkung ist am grössten in sehr schwachsaurem
Milieu, etwa 1 hoooo N-Säure. Höhere Acidität oder Alkalescenz sind
schädlich, und 1 / 100 N • H 2 S0 4 oder KOH hemmen ganz die Wirkung
der Bakterien-Inulase. Bei höheren Pflanzen geschieht die Resorption
auch durch die Inulase, wobei Fructose entsteht.
Durch gewöhnliche Hefe wird Inulin nicht oder jedenfalls nur unter
besonders günstigen Umständen vergohren. Viele Oberhefen vergähren
Inulin, manche sogar leicht. Einige Bacterien, z. B. Bacillus ortho-
butyricus, bewirken auch Gährung. Clostridium Pasteurianum sowie
andere nicht näher bekannte Spaltpilze liefern Buttersäure. Einige Milch¬
säurebildner verarbeiten ebenfalls Inulin. Einige Schimmelpilze können
auch Inulin vergähren, z. B. Aspergillus niger, Amylomyces a, fi, y und /u,
Monilia sitophila.
Im Pankreas von Helix Pomatia wurde ein Ferment nachgewiesen,
welches Inulin in Fructose hydrolysirt 8 ).
Auszüge von lebenden und getrockneten Kreuzspinnen, von Scorpionen,
Maikäfern, Ascariden besitzen eine meist schwache Enzymwirkung auf
1) H oh mann u. Langbein, Journ. f. prak. Chemie. 1885. (2). 45. 305. —
Berthelot et Vieille, Annal. de Chimie et de Physique. 1887. (6). 10. 460.
2) Lescoeur et Morelle, Compt. rend. de PAcad4mie des Sciences. 1879.
87. 216.
3) G. Düll, Chem.-Ztg. 1895. 19. 166.
4) P. Claesson, Journ. f. prakt. Chemie. 1879. (2). 20. 1.
5) Lescoeur et Morelle, Compt. rend. de PAcadämie des Sciences. 1879.
87. 216.
6) H. J. Tenton and M. M. Gostling, Journ. Chem. Soc. 1901. 79. 361.
7) Bourquelot, Compt. rend. de la Soo. Biol. 1893. T. 653. — Derselbe,
Compt. rend. de PAcad^mie des Sciences. 1893. p. 116. — Moissan, Compt. rend.
de PAcadömie des Sciences. 1891. T. 116. — Dean, Botan. Gaz. 1903. Bd. 35.
8) Bierry, Compt. rend. de PAcademie des Sciences. T. 150.
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Die Verwertbung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 313
Inulin 1 ). Bei höheren Thieren scheint dagegen kein specifisches Enzym
vorzukommen.
Die Verwerthung des Inulins zu Stoffwechselkuren rührt von
Bouchardat 2 ) her, der uns auch das erste Ersatzbrod, das Glutenbrod,
geschenkt hat. Er empfahl als Erster die Topinambur im Jahre 1851.
Die ersten, sehr genauen Stoffwechseluntersuchungen mit Inulin hat
Külz 3 ) ausgeführt. Er hat Versuche mit reinem Inulin angestellt und
dabei beobachtet, dass es von seinen Diabetikern restlos verbrannt wurde,
da es in den Fäces nicht zurückzufinden war.
Obschon er wiederholt dringend empfahl, Nachprüfungen anzustellen,
Hessen diese ziemlich lange auf sich warten und wurden auch dann nur
in kleinem Umfange vorgenommen. Dies hat wahrscheinlich seine
Gründe darin, dass es sehr schlecht gelingt, ein geniessbares Brod aus
Inulin darzustellen und ferner, dass der Preis des Inulins zu hoch ist
(30—36 Mk.). Külz selbst hat übrigens nur kleine Mengen Inulin an¬
gewandt. Er stellte auch Versuche über die Physiologie der Verdauung
des Inulins an. Er fand ebenso wie Frerichs, dass Speichel keine
Einwirkung auf Inulin äussert, obschon Dragendorff dem Speichel bei
Blutwärme eine geringe saccharificirende Wirkung auf das Inulin zu¬
schreibt. Unwirksam fand er in Uebereinstimmung mit Dragendorff
den Pankreassaft und die Galle. Külz Hess einem Kranken mit Magen¬
ektasie früh nüchtern den Magen mit destillirtem, lauwarmem Wasser
gehörig ausspülen, wobei das abfliessende Wasser stark sauer reagirte.
Dann wurde durch die Magensonde eine Inulinlösung von 40° eingeführt
und dann noch 15' und 20' ausgehebert. Es soll dabei kein Inulin
gespalten gewesen sein. Wahrscheinlich war bei diesem Patienten der
HCl-Gehalt herabgesetzt, und ist auch die Verweildauer zu kurz, um ein
positives Resultat aufzuweisen. K. schliesst daraus, dass Magensaft
keine spaltende Wirkung auf Inulin ausübe.
Schliesslich Hegen noch 5 Versuche von E. Külz 4 5 ) bei Kaninchen
vor über den Einfluss von Inulin auf die Glykogenbildung, wovon zwei
schwach positiv zu deuten sind. K. notirt die constant auftretenden
Durchfälle.
Frerichs 6 ) hat 3 Versuche über Glykogenbildung durch Inulin an¬
gestellt mit einem schwach positiven Erfolge; auch hier constant starke
Diarrhoe, während Finn 6 ) in 5 Versuchen keine Glykogenbildung fand.
Miura 7 ), ein Schüler Külz’, hat 19 Versuche angestellt, wovon 6 deut-
1) Kobert, Arobiv f. d. ges* Phys. 1899. Bd. 116.
2) Bouchardat, Le Diaböte sucr6. Paris 1851.
3) E. Külz, Beitr. z. Path. u. Ther. des Diab. Marburg 1874.
4) Külz, Ueber den Einfluss einiger Substanzen auf die Glykogenbildung in
der Leber. Sitzungsber. d. Ges. z. Beförd. d. ges. Naturwissensch. zu Marburg.
1876. Nr. 5. S. 95 r
5) Frerichs, Zur Glykogenbildung in der Leber. Dissert. Würzburg 1876.
6) Finn, Experimentelle Beiträge zur Glykogen- und Zuckerbildung in der
Leber. Arb. a. d. Phys. Labor. Würzburg 1877.
7) Miura, Wird durch Zufuhr von Inulin beim Pflanzenfresser die Glykogen-
bildunign der Leber gesteigert. Zeitschr. f. Biolog. Bd. 32. S. 255.
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314
A. Goudberg,
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lieh negativ und die übrigen auch nur schwach positiv ausfielen, gar-
nicht zu vergleichen mit den stark positiven Zahlen nach Lävulose-
darreichung. Er schliesst aus diesen Versuchen, dass das eingeführte
Inulin entweder nur zum Theil in Lävulose übergeführt wird oder zu
langsam, als dass die resorbirten Zuckerraengen eine Glykogenanhäufung
in der Leber bewirken könnten. Komanos 1 ) fand bei einem Kaninchen,
dem er Inulin nach 5 tägigem Hungern verabreichte, 0,835 g Glykogen,
was er als positiv deutet. Schliesslich haben Mendel und Nakaseko 2 )
bei 7 Kaninchen ein zweifelhaftes Resultat gefunden.
Keiner dieser Versuche wurde nach der Pflüger’schen Methode
ausgeführt.
Man kann aus diesen Versuchen mit Lafayette Mendel schliessen,
dass das Inulin nicht zu den exquisiten Glykogenbildnern gerechnet
werden kann.
Komanos hat auf Veranlassung von Leyden, unter Leitung von
Hoppe-Seyler, den Stoffwechsel des Inulins erforscht. Er fand, dass
Speichel und Pankreassaft keine Wirkung auf Inulin ausüben.
Auch Bierry 3 ) und Bicrry und Portier 4 ) kommen bei Hunden
und Kaninchen, Richaud 5 ) beim Ochsen, Schwein, Meerschweinchen und
Ente zu diesen Schlüssen. Letztere fanden, dass auch Darmsaft ebenso
versagte. Da die Versuche aller dieser Autoren nur an Thieren angestellt
waren, das Verhalten der Menschen aber für klinische Zwecke am
Meisten interessirte, so habe ich Untersuchungen beim Menschen in der
gleichen Richtung unternommen. Es wurde bei einer Frau mit Achylie
Duodenalinhalt mittels der Gross’schen Duodenalsonde gewonnen und
mit Inulin versetzt. Auch nach 24 ständigem Stehen ira Brutschrank
war keine Zersetzung des Inulins, erkennbar an der Reduction alkalischer
Kupferlösung, wahrzunehmen. Ebenso verlief ein Versuch, den ich mit
einer Frau anstellte, die an Hyperacidität litt. Zum gleichen Resultate
gelangte ich bei Versetzen des Inulins mit Pankreatin Rhenania in lprom.
NagCOg-Lösung.
Den Magensaft fand Komanos inactiv. Dazu extrahirte er die
Magenschleimhaut eines frisch geschlachteten Schweines mit 2 prora. HCl
und behandelte mit diesem künstlichen Magensaft eine Inulinlösung ohne
Resultat. Auch mit Taubenraagensaft erhielt er keine Spaltung.
Komanos verabreichte einem Diabetiker der Leyden’schen Klinik
grössere Mengen Inulin. Tags darauf hatte der Patient Indigestions¬
beschwerden und Erbrechen. Im Erbrochenen wurde Inulin gefunden.
Möglicherweise waren die Indigestionsbeschwerden eine Folge der diabe¬
tischen Acidosis und war die Acidität des Magensaftes herabgesetzt.
Auch weist der Befund von Inulin im Erbrochenen am folgenden Tage
1) Komanos, Ueber die Verdauung des Inulin und seine Verwendung bei Dia¬
betes mellitus. Dissert. Strassburg 1875.
2) Mendel und Nakaseko, Americ. Journ. of Physiol. 1900. Vol. 4. p. 245.
3) Bierry, Compt. rend. de l’Acad6mie des Sciences. T. 150. p. 117 und
Compt. rend. de la Soci6t6 Biol. T. 59. p. 256.
4) Bier re et Portier, Compt. rend. de la Societe Biol. T. 52. p. 423.
5) Richaud, Compt. rend. de la Soci<$t£ Biol. T. 52. p. 416.
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Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 315
auf eine schwere Motilitätsstörung hin. Kosmanos meinte, dass die an¬
gebliche Unfähigkeit des Magensecretes, trotz seines Gehaltes an freier
HCl, das Inulin zu hydrolysiren, daran lag, dass die freie HCl des
Magensaftes procentisch nicht hinreicht, um die Umwandlung zu bewirken.
Nach seinen Versuchen wäre dazu ein Gehalt von wenigstens 0,5 pCt.
HCl nöthig.
Dagegen ist einzuwenden, dass die Acidität des reinen Magensaftes
0,5 pCt. HCl ist und nicht 2,17 pM., wie Kosmanos meint. Zweitens ist
schon eine 2 prom. HCl-Lösung im Stande, die Spaltung hervorzurufen.
Wenn man Reagenzröhrchen mit 10 ccm 2 prom. HCl und 100 mg
Inulin beschickt und in den Brutschrank bei 37° stellt, findet man nach
2 Stunden schon deutliche Reduction, und nach 8—10 Stunden ist schon
Alles hydrolysirt. Im Wasserbade bei 40° unter fortwährendem
Schütteln geht der Process noch viel schneller. Zusatz von Pepsin zeigt
keinen Einfluss.
Um zu zeigen, dass die HCl nicht nur in vitro so wirkt, sondern
auch im Magensaft, stellte ich die folgenden Versuche an. Magensaft
eines Patienten mit Hypersecretion und Pylorusstenose Morgens nüchtern
ausgehebert, nachdem Abends vorher der Magen gut ausgespült war,
hatte die gleiche Wirkung wie eine HCl-Lösung von gleicher Stärke (3,2 pM.).
Auch fand ich im Mageninhalt eines Mannes mit normalen Aciditäts¬
verhältnissen des Magensaftes, der eine Stunde nach Verfütterung einer
Lösung von 20 g Inulin ausgehebert wurde, deutliche Reduction.
Zu denselben Resultaten, dass der Magensaft mittelst seines Gehaltes
an HCl im Stande ist, einen Theil des Inulins in Fructose umzuwandeln,
kamen auch Bierry, Bierry und Portier, Richaud u. A.
Komanos hat schliesslich an 9 Kaninchen und an einen Hund
Inulin verfüttert. 7 Kaninchen, welche vorher 2—5 Tage gehungert
hatten, bekamen am nächsten Tage 10—15 g Inulin mit Pferdefleisch.
Sie wurden dann ungefähr 6—15 Stunden nach der Fütterung getödtet.
Die Resultate waren immer dieselben. Es fand sich im Tractus inte¬
stinalis Inulin in wechselnden Mengen bis in das Coecum. Die Leber, in
2 Fällen untersucht, enthielt kein Inulin, der Urin auch nicht, er war
ausserdem stets zuckerfrei.
Beim 8. und 9. Kaninchen und bei einem Hunde wurde das Pfort¬
aderblut untersucht. Komanos will hierin deutlich Inulin nachgewiesen
haben. Tödtung b l / 2 Stunden nach der Fütterung. Das frische Blut
mit Wasser verdünnt wurde 1 / 2 — 3 /4 Stunden auf dem Wasserbade ge¬
kocht, heiss abfiltrirt und das Filtrat auf die Hälfte eingeengt. Dieses
Filtrat reducirte das Kupferoxyd auch nach Behandlung von Diastase
nicht, dagegen nach Zusatz von ein paar Tropfen HCl und Erwärmen
zeigte cs ganz deutlich Reduction. Wahrscheinlich war die beschriebene
Enteiweissung bei der schwach alkalischen Reaction des Blutes nicht
vollständig und es sind durch die Ansäuerung mit HCl die letzten Eiweiss¬
körper, welche anfänglich die Zuckerreaction verhindert haben, ausgefällt,
so dass diese Reduction Komanos einen positiven Inulinbefund hat Vor¬
täuschen können. Jedenfalls muss die Technik der Versuche nicht voll¬
kommen gewesen sein, da er sonst eine Reduction durch den immer im
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316
A. Goudberg,
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Blute vorhandenen Blutzucker hätte erhalten müssen, ln der Vena
cava fand Komanos stets Zucker, aber nie Inulin. Hieraus schliesst
Komanos, dass Inulin unverändert in den Chyius und das Blut über¬
gehe und dass es in der Leber assimilirt werde.
Zum Beweise dafür hat Komanos bei 2 Kaninchen eine concentrirte
Inulinlösung in die Vena portae eingespritzt und diese abgebunden.
Beide Thiere starben bald an Peritonitis. Er fand weder im Blut noch
in der Leber oder in der Peritonealflüssigkeit Inulin. Komanos giebt
selbst an, dass „solche Versuche nicht als maassgebend angesehen wer¬
den können“.
Inulin in die Vena cruralis eingespritzt fand er ebenso wie Külz,
der es intraperitoneal einspritzte, unverändert im Urin zurück.
Sandmeyer 1 ) hat in seiner bekannten Arbeit „Ueber die Folgen
der Pankreasexstirpation beim Hunde“ auch das Inulin geprüft. Er exstir-
pirte bei einigen Hunden den grössten Theil der Pankreasdrüse und liess
einen kleinen Theil in Situ. Derselbe verödete dann nach längerer oder
kürzerer Zeit. Dieser Zeitpunkt wurde charakterisirt dadurch, dass der
Diabetes, welcher vorher nur sehr leicht war, plötzlich einen sehr ernsten
Charakter annahm. Die Hunde magerten jetzt rasch ab, zeigten
bedeutende Glykosurie und Stickstoffverluste und hatten sehr oft
Verdauungsstörungen, besonders Diarrhoen, wie sie nach Wegfall der
Pankreasfunction leicht Vorkommen können.
So ging ungefähr die Hälfte der N-Ausfuhr mit den Fäces ver¬
loren. Die Hunde gingen dann auch langsam ein.
Beim 2. Hunde wurden nun 127,5 g Amylum verabreicht und es
fanden sich 21,75 pCt. wieder in den Fäces zurück (wie untersucht, ist
nicht angegeben). Hierbei hatte das Thier Diarrhoe. Beim selben Thier
wurden 80 g Inulin gegeben und es fanden sich 46,1 g in den Fäces wieder
(auch hier keine Methode der Bestimmung angegeben).
Bei den Versuchen mit Kaninchen der vorigen Untersucher, die mit
relativ kleinen Mengen Inulin angestellt wurden, hatten sehr oft die
Thiere Diarrhoe. Bei meinen eigenen Versuchen an mir selbst mit
200 g Inulin angestellt, einer relativ kleinen Dosis, stellte sich immer
eine ziemlich heftige Diarrhoe ein, wodurch eine beträchtliche Menge
Inulin ausgeschieden wurde. Infolgedessen glaube ich, dass bei den
pankrcaslosen Hunden Sandmeyer’s um so eher Darmstörungen auf¬
getreten sind, obschon S. es nicht besonders in den Versuchsprotokollen
vermerkt hat.
Auf diesen einzigen Versuch bei einem pankreaslosen Hunde gründet
Sandmeyer sein abfälliges Urtheil über das Inulin in der Therapie des
Diabetes beim Menschen und hierauf stützt sich auch Laf. Mendel,
wenn er die Ausnützung des Inulins im Organismus in Zweifel zieht.
Ich verweise weiter auf Strauss 2 ), bei dessen Versuchspersonen ich
selbst bei Verabreichung von Inulin zu der Nahrung keine nemmenswerthe
Mengen Kohlehydrat in den Fäces zurückfinden konnte.
1) Sandmeyer, Zeitschr. f. Biologie. 1894. Bd. 31. S. 12.
2) Strauss, Berlin, klin. Wocbenschr. 1912. No. 26.
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Die Verwertbang des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährnngskaren. 317
Bemerkenswert!) hierbei ist, dass gerade in einem Fall mit Anacidität
bei Achylia gastrica die Werthe der Kohlehydrate in den Fäces am
höchsten sind, dagegen normale Werthe bei einem Patienten mit Anaci¬
dität in Folge Carcinoma ventriculi. Es wurden jeden Tag 100 g Inulin
verabreicht. Külz 1 ) sowie Socyn 2 3 ), Neubauer 8 ), Frerichs fanden
ebenfalls in den Fäces ihrer Patienten kein Inulin.
Naunyn 4 5 ) liess durchseinen Schüler Socyn an einem einzigen Fall
den Einfluss der Verabreichung eines Topinamburmehls bis zu 150 g mit
78 pCt. Inulin während längerer Zeit verfolgen und kam dabei zu einem
wenig günstigeren Urtheil.
Mendel 6 ) warnt vor dem Inulin, da er annimmt, dass das Inulin
nicht assimilirt wird wegen Mangels eines specifischen Enzyms. Er meint,
dass es mit den Fäces wieder ausgeschieden wird. Was das letzte be¬
trifft, so verweise ich auf die obigen Bemerkungen und meine eigenen
Untersuchungen.
Mitchel und Mendel 8 ) fanden, dass parenteral eingeführtes Inulin
unverändert und beinah quantitativ wieder ausgeschieden wird, was auch
Külz und Komanos schon gefunden haben. Dies ist auch zu erwarten,
denn diesp Eigenschaft hat das Inulin mit den meisten anderen Polyhexosen
gemein wie Saccharose, Amylum 7 ) usw.
Guis Teyxeira 8 ) empfiehlt das Inulin als Brotzusatz. Strauss
hat aber mit verschiedenen Sorten Inulinbrot stets Misserfolge gesehen,
in Fällen, wo sich das Inulin wohl bewährte.
A. Persia 9 ) hat mit Inulin auch gute Erfahrungen gemacht und
hebt u. a. hervor, dass er in den Fäces niemals grosse Mengen wieder¬
gefunden hat.
Strauss 10 ) gebührt das Verdienst, dass Inulin, welches durch das
abfällige Urtheil von Naunyn, Lafayette Mendel und Sandmeyer
in Misscredit gekommen war, wieder bei der Therapie des Diabetes in
Ehren gebracht zu haben. Bei einer grösseren Serie Diabetiker wurde
es systematisch erprobt und beinahe ausnahmslos mit ausgezeichnetem
Resultate besonders in schweren Fällen. Wie schon erwähnt, wurde von
mir in den Strauss’schen Fällen keine nennenswerthe Mengen Inulin in
den Fäces aufgefunden. Strauss hebt den unverkennbaren günstigen
Einfluss der Inulindarreichung auf die Acidosis hervor und sieht darin
m. E. mit Recht einen Beweis für die Resorption des Inulins.
1) Külz, 1. c.
2) Sooyn, Inaug.-Dissert. Strassbarg 1894.
3) Neubauer, Münch, med. Wochenschr. 1905. No. 32.
4) Naunyn, Der Diabetes mellitus. Wien 1906.
5) Mendel, Centralbl. f. d. ges. Phys. u. Path. des Stoffw. 1908. Bd. 3. No. 17.
6) Mitohel u. L. Mendel, Americ. Journ. of Physiol. 1900. Bd. 4. S. 245.
7) Claude Bernard, Legons sur de Diabete. Paris 1874.
8) Guis Teyxeira, Boll. Chim. Farm 43. nach Maly. 1905. S. 822.
9) A. Persia, Beitrag zur Kur des Diabetes. Nuova Rev. Chimoterapeutica 8.
1905. nach Maly. 1905. S. 822.
10) H. Strauss, Therapie der Gegenwart. 1911, Aug. Deutsche med. Zeitsohr.
1911. No. 52. Bert. klin. Wochenschr. 1912. No. 26.
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318
A. Goudberg
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Ganz neuerdings, als meine eigenen Versuche, schon im Wesentlichen
abgeschlossen waren, stellte Lewis 1 ), ein Schüler Lafayette, B.Mendel’s,
bei sich selbst Ausnützungsversuche mit Inulin an und fand dasselbe
nicht in den Fäces wieder. Er beobachtete eine bemerkenswerthe
intestinale Gährung. Er constatirte, dass die Acidität des Magensaftes
eines Hundes, dem Inulin mittels Magenschlauchs verabreicht war, genügte,
um schon nach */ 2 Stunde einen Theil des Inulins zu hydrolysiren.
Hieraus schliesst Lewis 1. dass ein Theil des Inulins im Magen hvdro-
lysirt wird abhängend von der Verweildauer der lngesta im Magen und
den individuellen Eigenschaften des Magens, 2. dass das Inulin, welches als
solches unverändert den Magen verlässt, der Ausnützung entgeht und dem
bacteriellen Zerfall zum Theil anheimfällt, welche nicht zu einer Abspaltung von
Kohlehydraten führt. Ein letzter Theil, der der bacteriellen Action ent¬
geht, wird mit den Fäces ausgeschieden. Hierauf hin stellt Lewis den
Nährwerth des Inulins in Frage. Seine Befunde stimmen mit den meinigen
überein. Seiner 2. Schlussfolgerung kann ich aber nicht beiflichten,
denn die Producte der bacteriellen Vergährung sind für den Stoffwechsel
doch nicht verloren. Ich werde später hierauf zurückkommen bei der
Besprechung meiner Versuche. %
Meine eigenen Versuche w T urden mit einem Inulin angestellt, das mir
die Firma Bayer & Cie. in Elberfeld zur Verfügung gestellt hat. Es be¬
stand aus 13 Paketen ä 100 g. Weil die Fabrik mit der Anfertigung des
Präparates aufgehört hat, war das unser ganzer Vorrath. Die 1300 g
wurden zusammengethan und gut gemischt.
Zunächst wurden einige Trockenbestimmungen gemacht Die Proben
wurden während 24 Stunden im Thermostat auf 100° erwärmt, dann im
Exsiccator im Vacuum über Chlorcalcium abgekühlt und sofort gewogen.
1,4161 g gab 1,2573 g Trockensubstanz = 88,786 pCt.,
1,0073 g „ 0,8943 g „ = 88,780 „
Weil Inulin hygroskopisch ist und seinen Wassergehalt ziemlich fest¬
hält, kann man sagen, dass die Trockensubstanz um 90 pCt. herum
schwankt. In Berlin fand ich bei einigen Analysen einen Trockengehalt
von 90,53 pCt. im Mittel. Das „Inulin“ löste sich beinahe vollständig
in heissem Wasser, es bleibt nur ein geringer flockiger Niederschlag übrig.
z\uf 7,6335 g Inulin = 6,7773 Trockensubstanz betrug dieser Nieder¬
schlag, auf dem Filter bis zur Gewichtssubstanz getrocknet, 9,1 mg =
0,134 pCt.
Eine kleine Probe des Inulins wurde zur Untersuchung auf Stick¬
stoff mit Na in ein trockenes Reagensröhrchen gebracht und erhitzt.
Nach Verbrennung des Inulins wurde es in einen kleinen Erlenmeierkolbcn
mit 30 ccm aq. dest. gefüllt, getaucht, wobei das Reagensröhrchen zer¬
sprang. Dann wurde filtrirt. Das Filtrat wurde mit Ferrichlorid und
Ferrosulfat versetzt, erwärmt und dann IICl in Ueberschuss zugefügt.
Es entstand hierbei keine blaue Farbe, cs hatte sich kein CN gebildet.
Das Präparat ist also frei von organischen N-Verbindungen.
Mit CuO gab unser Inulin keine Reduction.
1) II. B. Le wis, Journ. of the Americ. rned. Association. 1912. S. 1176.
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Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 319
Wenn das Präparat in heissem Wasser gelöst ist, ist es sehr schwer,
dasselbe durch Kälte völlig aaszufällen, sogar nach mehreren Tagen ist
immer noch ein kleiner Theil gelöst, der mit Alkohol eine Fällung giebt.
Durch Alkohol kann inan das Inulin schon vollständiger fällen, aber ein
Filtrat bekommt man immer, sei es auch ein sehr geringes Präcipitat
durch Ueberschuss von Aether, worin Inulin absolut unlöslich ist.
Am geeignetsten und bequemsten kam es uns vor, die Bestimmung
des Inulins durch Reduction nach Spaltung mit HCl vorzunehmen. Die
HCl-Lösung muss eine sehr verdünnte sein, weil durch einen stärkeren
Gehalt an HCl die entstehende Lävulose, im Gegensatz zu Dextrose,
vernichtet wird.
Zur Aichung dieser Methode gingen wir so vor, dass eine bestimmte
Menge Inulin in heissem Wasser gelöst und mit Wasser auf 100 ccm auf¬
gefüllt wurde. Von dieser Stammlösung, welche nur einen halben Tag
haltbar ist, weil nachher das Inulin auszufallen begann, wurden bestimmte
Mengen mit HCl in bestimmter Concentration zersetzt, so dass die Menge
Flüssigkeit stets 100 ccm war, und dann im kochenden Wasserbade
eine wechselnde Zeit am Rücklauf kühler erwärmt, so dass während der
Procedur die Concentration der Salzsäurelösung annähernd gleich blieb.
Dann wurde mit NaOH genau neutralisirt, auf 250 oder 200 ccm auf¬
gefüllt, und hiervon wurde dann die Zuckerbestimmung nach G. Bertrand 1 2 )
gemacht. Als Grundlage zur Berechnung der Lävulose wurde die Tabelle
für Invertzucker genommen, weil für Lävulose keine angegeben ist.
Es wurde V« pCt. HCl als Säureconcentration benutzt, stets wurden
Doppeltbestimmungen gemacht.
In einer Lösung, die 338,41 mg Inulin (Trockensubstanz) enthielt,
fand ich nach einer Stunde 267,5, nach 1 / 2 Stunde 281,25 mg Lävulose
resp. 77,96 pCt. und 83,11 pCt.
In einer Lösung von 1,0486 mg fand sich
nach P /2 Std. 0,9225 mg Lävulose = 87,97 pCt.
n V 2 n 0,8975 „ n = 85,59 „
n V 4 n 0,9256 „ n = 87,27
In einer Lösung von 0,5243 mg Inulin fand ich nach 1 / 2 Stunde
0,4387 mg Lävulose = 85,59 pCt.
In einer Lösung von 0,8625 mg Inulin nach 1 / i Stunde 0,75625 mg
Lävulose = 87,69 pCt.
In einer Lösung von 0,43129 mg Inulin nach 1 / i Stunde 0,3825 mg
Lävulose = 89,28 pCt.
Wie man sieht, ist diese Methode nicht ganz genau und liefert
nur approximative Werthe, aber es geht doch schon hieraus hervor, dass
nach 1 / 4 Stunde Erwärmung die besten Resultate zu bekommen sind.
Dies stimmt mit den Befunden von Honig und Schubert-) überein,
dass beim Kochen mit verdünnten Mineralsäuren das Maximum an Fruc¬
tose binnen 15 bis 20 Minuten gebildet wird, wobei als Zwischenproducte
der Hydrolyse dextrinartige Stoffe auftreten.
1) G. Bertrand, Bull, de la soc. Cbim. 3. Serie. 1906. T. 35. p. 1285.
2) Monatsh. f. Chemie. 1882. Bd. 8. S. 1529.
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320
A. Goudberg,
Ueber Respirationsversuche mit Inulin ist nichts bekannt. Diese
Versuche wurden nach der Methode von Zuntz-Geppert ausgeführt.
In entsprechenden Vorversuchen wurde bald erlernt, Stunden lang
ruhig und gleichmässig bei geschlossener Nase, durch das zwischen
Lippen und Kieferrand geschobene Gummimundstück mittels zweier
leichtspielenden Ventile aus Kalbsdünndarm gegen die Gasuhr zu athmen.
Die letzte Mahlzeit wurde um 12 oder 1 Uhr mittags am Tage vor dem
Versuche genommen. Am nächsten Morgen wurde dann, um ungefähr
8 Uhr, mit den Respirationsversuchen angefangen. Die Versuchsperson
legte sich bequem auf einen Liegestuhl in absoluter Muskelruhe, mit
einer wollenen Decke bedeckt in einem gut ventilirten Zimmer und be¬
gann bald darauf gegen die Gasuhr zu athmen. Die Nase wurde durch
eine Klemme abgeschlossen. Die Vorversuche dauerten stets ungefähr
15 Minuten und dann wurde mit der Probeentnahme begonnen. Der
Hauptversuch dauerte 15—20 Minuten.
Nachdem 1 oder 2 Nüchternversuche gemacht worden waren, wurden
200 g Inulin in möglichst wenig heissem Wasser gelöst, abgekühlt und
des faden und schlechten Geschmackes der concentrirten Inulinlösung
wegen durch Magenschlauch eingenommen. Es wurden bis zum Abend
jede 1 bis 2 Stunden Respirationsversuche gemacht. Es stellte sich
regelmässig 4—6 Stunden nach der Einnahme eine ziemlich profuse
Diarrhoe mit starker Gasbildung ein.
Bei einem Controlversuch mit Hafermehl fand das nämliche in nicht
so starkem Maasse statt. Es wird dadurch eine ziemliche Quote der
Kohlehydrate unverdaut ausgeschieden.
Versuchsperson A. G., 29 J., 75 kg (Gaswechsel-Tabellen I—VI).
Es wurde im Urin niemals Inulin oder Zucker gefunden.
Versuch IV wurde auf zweimal 24 Stunden ausgedehnt.
Es geht aus diesen Versuchen hervor:
er) Eine deutliche Erhöhung des R. Q. zum Zeichen, dass
Kohlehydrate nach Inulinzufuhr mehr verbrannt werden.
ß) Die Erhöhung des R. Q. ist zwar deutlich aber relativ
gering und zieht sich in die Länge, was man wohl so
interpretiren muss, dass die Umsetzung des Inulins im
Stoffwechsel relativ langsam vor sich.geht.
y) Deutlich ist auch die Erhöhung des 0 2 -Verbrauches, ein
Zeichen der sogenannten Verdauungsarbeit.
Bei Versuch II und V wurden die Fäces quantitativ auf Inulin unter¬
sucht. Die Fäces wurden mit Kohle abgegrenzt und unter Toluol be¬
wahrt. Sie wurden frisch verarbeitet. Der dünnflüssige Kot wurde ge¬
sammelt, gut gemischt und hiervon Proben entnommen.
Versuch II: Gesammtgewicht der Fäces 2128 g. Die Doppelproben
von ungefähr 50 g wurden 1 / i Stunde mit 100 ccm Wasser gekocht, dann
heiss in einer kräftigen elektrischen Centrifuge scharf ausgeschleudert.
Das Präcipitat wurde mit heissem Wasser ausgewaschen und dieses
Wasser zum ursprünglichen Centrifugat zugefügt und nochmals heiss
durch Kieselgur filtrirt.
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Die Verwerthnng des Inulins im Stoffwechsel bei Ernahrungskuren. 321
Dann wurden aliquote Theile dieser Proben mit HCl zersetzt, so
dass das Ganze 7* pCt. HCl besass. 7« Stunde hydrolysirt und dann
neutralisirt. Hierin wurde die Zuckerbestimmung nach Bertrand ge¬
macht. Die Resultate stimmten ziemlich miteinander überein. Es fand
sich in der gesammten Menge Fäces im Mittel 37,7 g Lävulose =
42,8 g Inulin = 24,1 pCt,. des eingeführten Inulins.
In Versuch V fand ich bei 908 g Fäces 25,66 g Fructose = 29,2 g
Inulin = 16,5 pCt. des eingeführten Inulins.
Es steht also fest, dass bei diesen Respirationsversuchen der grösste
Theil des Inulins verwerthet und verbrannt ist. Die Versuche, welche
über den Einfluss des Inulins auf die Glykogenbildung angestellt sind,
haben gezeigt, dass Inulin nicht als Glykogen deponirt wird, folglich
muss alles verbrannt werden. Es bestehen nun verschiedene Möglichkeiten.
1. Im Magen wird sämmtliches Inulin zu Lävulose gespalten.
2. Das Inulin wird als solches resorbirt und gelangt mit dem
Blute der Vena portae in den Kreislauf und wird im Körper
weiter verbrannt.
3. Das Inulin wird im Darm durch Bacterienwirkung zu ge¬
wissen Kohlehydratsäuren oxydirt und als solche resor¬
birt und assimilirt.
ad 1. Dass ein Theil des Inulins durch die HCl des Magensafts ge¬
spalten wird, steht fest, aber dieses kann nur ein kleiner Theil sein,
weil die Verweildauer des Inulins im Magen zu kurz ist und weil auch bei
anaciden keine grösseren Mengen Inulin in den Fäces wiedergefunden haben.
ad 2. Die 2. Hypothese ist diejenige von Koraanos; a priori
scheint der 2. Theil dieser Hypothese unwahrscheinlich, weil im Orga¬
nismus kein Ferment bekannt ist, welches das Inulin spaltet, auch nicht
in der Leber. Inulin, welches dann als solches resorbirt wird, würde
dann gleichstehen mit intravenös injicirtem Inulin und ebenso wie Rohr¬
zucker unverändert mit dem Urin ausgeschieden werden. Dass aber das
Inulin im Blute der Vena portae als solches aufgenommen werden kann,
dagegen ist nichts einzuwenden, obschon die Beweise von Komanos
nicht stichhaltig sind.
Um diese Möglichkeit zu beweisen, stellte ich folgende Versuche an:
2 Kaninchen hungerten 2 Tage. Eins bekam durch Magenschlauch
30 g Inulin gelöst zugeführt. Von beiden wurde 5 Stunden nach dieser
Fütterung das Blut der Vena portae vor und nach Spaltung mit HCl
quantitativ auf Blutzucker untersucht. Als Blutzuckerbestimmungsmethode
wurde die von Frank und Möckel 1 ) benutzt, welche sich mir gut be¬
währte. Der Salzsäuregehalt des zu hydrolysirenden enteiweissten Blutes
war 7« pCt. Die Hydrolisirung dauerte 7« Stunde. Gefunden wurde J
vor der Hydrolyse:
beim Inulin-Kaninchen (1120 g) beim Control-Kaninchen (720 g)
1,97 pM. 0,514 pM.
nach der Hydrolyse:
_ 2,32 pM. 0,514 pM.
1) Frank und Möckel, Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. 69.
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322
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Bei 2 anderen Kaninchen fanden wir aber in beiden Fällen nach
Spaltung weniger Reduction wie vor der Spaltung. Es würde wohl der Mühe
werth sein, diese Versuche in grösserem Umfange weiter fortzusetzen.
Man muss hierbei in Betracht ziehen, dass ein relativ grosses Quantum
Inulin eingebracht wurde, sodass der Körper mit Inulin überschwemmt
wurde. Abderhalden 1 ) hat ja eben auf diesem Princip eine Methode
ausgearbeitet, gewisse Nahrungsmittel parenteral einzuverleiben. Er
verfüttert grosse Mengen eines Nahrungsmittels, sodass der Tractus in¬
testinalis damit überschwemmt wird, welches dann ungespalten im Blute
aufgenommen wird und so im Körper kreist.
Bei der Diabetes-Therapie wurden relativ viel kleinere Mengen (100 g)
über den ganzen Tag vertheilt zur Resorption geboten, sodass es mir nicht
wahrscheinlich vorkommt, dass die Resorption des unveränderten Inulins
in dem Vena portae-Blute der essentielle Modus der Aufnahme ist.
Auch bei den Resorptionsversuchen, bei welchen 200 und 250 g
Inulin auf einmal eingenommen wurden, war niemals Inulin im Urin
nachzuweisen. Immerhin kann man die Hypothese der Aufnahme durch
die Vena portae nicht mit absoluter Sicherheit ausschliessen.
Es bleibt nun noch die dritte Möglichkeit zu discutiren.
Es ist vornehmlich Klotz 2 ), der auf die Bedeutung dieser Kohle¬
hydratsäuren bei der Ernährung hingewiesen hat im Anschluss an die
sehr interessanten Untersuchungen von G. Rosenfeld 3 ).
G. Rosen fei d ist bekanntlich der Ansicht, dass das Fett nur „in der
Flamme der Kohlehydrate“ verbrennt. Kohlehydratsäuren hingegen konnten
die Verfettung der Leber beim phloridzindiabetischen Hungerhunde nicht
verhindern, also die Verbrennung der Fette nicht bewirken. Er fand
weiter, dass die orale Glykosezufuhr Glykogen bildet, die Leberverfettung
verhindert und vom Diabetiker nicht oxydirt wird. Die intravenös
gegebene Glykose dagegen bildet keine oder wenig Glykogen und ver¬
hütet die Leberverfettung nicht, dagegen wird sie vom Diabetiker
grösstentheils verbrannt. R. nimmt zwei verschiedene Oxydationswege
der Glykose an, eine transglykogene oder hepatische, eine glykogene
oder anhepatische.
Man müsste im Rahmen dieser Anschauung annehmen,
dass, wenn man dem Diabetiker ein von ihm oxydirbares
Kohlehydrat geben will, es ein solches sein muss, dass daraus
kein oder wenig Glykogen gebildet wird.
Aus Glykonsäure, Glykosamin, Zuckersäure etc. wird kein Glykogen
gebildet. Die anhepatische Verbrennung der Glykose geht möglicher
Weise über einen Weg, der nicht allzu weit von den Glvkonsäuren und
Zuckersäuren vorbeiführt.
1) Abderhalden, Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. 68.
2) Klotz, Ergebnisse der inneren Medicin und Kinderheilkunde. Bd. 8. — Berl.
klin. Wochenschr. 1911. No. 37.
3) G. Rosenfeld, Berl. klin. Wochenschr. 1906. S. 978. - Ebenda 1907.
S. 1663. — Ebenda 1908. S. 828.
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Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 323
Baer und Blum 1 ) fanden u. a., dass Glutarsäure und Zuckersäure voll¬
kommen verbrannt wurden und beim Hunde mit Pflorizindiabetes Ver¬
schwinden der Glykosurie und Acidosis und starkes Absinken der N-Aus¬
scheidung bewirkten.
Klotz findet in diesen Versuchen eine Erklärung für das Resultat
der Haferkuren. Er meint, dass im Gegensatz zu Weizenmehl, welches
als Zucker in den intermediären Stoffwechsel eintritt, das Hafermehl auf¬
gespalten wird und so zum grössten Theil den anhepatischen Weg geht
als Hexonsäure.
Er fand entsprechend auch beim Hunde nach Haferverfütterung und
Phloridzin Fettleber, ßaumgarten und Grund 2 ) fanden das Umgekehrte.
Dies 3 ) beruht wohl darauf, dass sie ihre Hunde vorher mit Fleisch ge¬
füttert hatten. Diese Thiere haben eine exquisit proteolytische Darm¬
flora und können Hafermehl dann nicht vergähren.
Weizenmehl ist schwerer bakteriell abzubauen als Hafer.
(Doch fanden Blum 4 ), Baumgarten und Grund, Strauss 5 ) die
Weizenkur ebenso wirksam wie die Haferkur.)
Schon Naunyn 6 ) fand, dass bei erfolgloser Haferkur die Stuhl¬
bakterienmenge, gewogen nach der Methode von Strasburger, nicht
vermehrt war, während bei gelungenen Haferkuren dieses wohl der
Fall war.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist auch Inulin ein günstiger Nähr¬
boden für die amylolytische Darmflora. Es traten in allen meinen Inulin¬
versuchen intestinale Gährungserscheinungen auf in noch stärkerem Maasse
wie beim Haferversuch. Lewis hat dies ebenfalls bemerkt. Manchmal
traten auch bei den Kaninchen nach Inulin Diarrhoen auf. Dieser
kräftigen Darmflora gelingt es dann möglicherweise, das Inu¬
lin über die Klippen der Lävulosestufe zu bringen und im
Wesentlichen zu vergähren. Es lässt sich hierdurch auch unge¬
zwungen erklären, dass durch Inulin wenig oder kein Glykogen gebildet
wird. Wie dem auch sei, jedenfalls meine ich bewiesen zu
haben, dass wir im Inulin ein Kohlehydrat besitzen, das vom
Menschen gut ausgenutzt und verbrannt wird und das ver¬
dient, bei der diätetischen Therapie des Diabetes eine grössere
Rolle zu spielen, als dies bis jetzt der Fall ist.
Herrn Dr. A. Bornstein bin ich für die gütige Unterstützung und
Leitung bei meiner Arbeit zu grossem Danke verpflichtet. Herr Dr. Kauf¬
mann war so freundlich, mir bei den Respirationsversuchen zu helfen.
1) Baer und Blum, Schmiedeberg’s Archiv. Bd. 65.
2) Baumgarten und Grund, Deutsches Archiv f. klin. Med. 1911. Bd. 104.
3) Klotz, Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 1911. No. 9.
4) Blum, Münchener med. Wochenschr. 1911. No. 27. — Sem. M6d. 1911.
No. 27.
5) Strauss, Deutsche med. Wochenschr. 1912. No. 10.
6) Li petz, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 56.
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324
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Anhang: Protokolle der Respirationsversuche.
Tabelle I.
2. 5. 1912. Zimmertemperatur 15°.
No.
Anfang
les Versi
Ende
ichs
Ventilation redu*
cirt auf 0° und
760 mm pro Min.
C0 2 -
Prod.
i. d.Ven
pCt.
o 2 -
Defic.
iil.-Luft
pCt.
C0 2 -
Prod.
pro Ä
ccm
0 2 -
Verbr.
linute
ccm
Respirations¬
quotient
Anmerkungen
A.
753
8 01
4,136
3,99
5,171
165,0
213,9
0,7716
NUchternwerth.
B.
917
932'/j
4,659
3,92
5,202
182,64
242,37
0,753
830 200 g
C.
IO 2 »
1037
4,932
3,98
4,908
196,3
242,06
0,811
Inulin.
D.
1137
UM
4,802
4,23
5,007
203,43
240,43
0,845
E.
1222
1236V»
5,016
3,745
4,3755
287,81
219,5
0,856
F.
145
2
4,842
4,105
4,938
198,76
239,1
0,831
G.
255
309
5,0404
3,805
4,669
191,6
235,3
0,815
H.
419
434V,
4,951
3,92
4,696
194,1
1 232,5
0,835
I.
548
6 04 V»
4,878
3,92
4,734
191,25
232,02
0,828
Tabelle II.
7. 5. 1912. Zimmertemperatur 15°.
A.
932
949
4,339
3,90
5,087
169,2
220,73
0,7666
830 190 g
B.
1136
H51
5,005
3,995
4,594
199,97
229,95
0,8696
Inulin.
C.
1236
1252
4,711
4,035
4,88
190,09
229,9
0,8268
D.
233
2 3 9%
4,6218
4,09
5,164
189,03
238,68
0,7917
E.
4 42
458»/.
4,619
4,105
5,077
189,61
234,52
0,8085
F.
548
603'/»
4,766
4,15
5,116
197,8
243,85
0,8112
G.
703
718>/,
4,765
3,905
4,605
186,0
219,45
0,848
H.
813
829
4,688
3,89
4,849
182,38
227,34
0,802
I.
902
918
4,260
3,90
4,663
166,15
19S,60
0,8636
Tabelle III.
9. 5. 1912. Zimmertemperatur 15° R.
I
8 “
903
3,914
4,075
5,421
159,49
212,13
0,75187
Nüchtern-
II
1017
1033V,
4,556
3,71
5,029
169,02
229,11
0,737
werth.
III
1121
1137'/»
4,56
4,055
4,863
183,01
222,22
0,8235
9io 200 g
IV
101
116%
4,403
3,7#
4,32
164,66
213,4
0,7716
Inulin.
V
325
3<°V»
4,837
3,91
4,597
189,13
222,49
0,8506
VI
505
520 »/.
4,683
4,105
4,735
192,24
221,75
0,8664
VII
621
637
4,679
3,90
4,638
182,47
217,0
0,8402
VIII
713
729V,
4,692
3,725
3,698
178,03
173,5( ? )
1,0030)
TabeUe IV.
23. 5. 1912. Zimmertemperatur 15>/2°R.
I
759
820
4,056
4,33
5,135
175,6
208,3
0,8432
Sehr unregel-
11
827
8“
4,079
4,36
5,269
177,3
214,9
0,8275
massig
ab-
III
1030
10«6
4,585
4,025
4,807
184,5
220,4
0,837
gerollt.
I u.
IV
1215
12 3 °V,
4,697
4,165
4,675
195,6
219,6
0,8909
11 Nüchtern-
V
345
4
4,851
4,125
4,882
200,1
236,8
0,8449
werthe.
900
VI
630
6 4 "V»
4,197
4,31
5,282
180,9
221,7
0,816
250 g Inulin.
VH
833
850V*
4,244
4,09
5,183
189,1
220
0,789
VIII
1028
1044
4,0796
4,105
5,024
167,4
205
0,817
IX
1238
1252
4,556
3,985
4,742
181,6
216
0,8403
24. 4.
X
315
330
6,217
4,14
4,631
257,4
287,9
0,894
sehr unruhig.
XI
715
732
4,2498
3,90
4,77
165,7
202,8
0,8175
XII
1220
1237
4,3372
3,555
4,792
154,2
207,9
0,7417
XIII
12 40
12 57 Va
4,275
3,795
4,583
162,2
195,9
0,828
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Die Verwerthung des Inulins im Stoffwechsel bei Ernährungskuren. 325
Tabelle V.
12. 5. 1912.
No.
Anfang
les Versi
Ende
ichs
0 *0 ä
*0 0 £
• 0*
c ® 2
.2 0 0 .
♦Sv. „
- 2 8
s - a
S£§
C0 2 -
Prod.
i. d. Ven
pCt.
0 2 -
Defic.
;iI.-Luft
pCt.
C0 2 -
Prod.
pro 1
ccm
0 2 -
Verbr.
linute
ccm
Respirations¬
quotient
Anmerkungen
I
8 “
901
4,249
3,97
4,898
168,7
208,1
0,8105
11
937
9 ^/a
3,9404
3,84
4,755
151,3
187,3
0,8076
(?)
III
1237
1255
4.363
4,055
5,116
177
228,2
0,7926
u 200 g
IV
230
247
4,5197
4,06
5,017
183,5
226,7
0,8093
Inulin-
V
440
455
4,631
3,82
4,526
176,9
209,6
0,844
VI
625
642
4,2915
4,10
4,768
175,9
204,6
0,8599
VII
8
816
4,444
3,875
4,575
172,2
203,3
0,847
Tabelle YI.
18. 5. 1912.
I
853
911 V«
4,0737
4,05
5,086
165
207,2
0,796
Nüchtern-
II
105
120
4,963
3,86
4,642
191,6
230,4
0,8315
werth.
III
2 : '°
3 M'k
4,6379
4,09
4,448
189,7
206,3
0,9195
1112 150 g
IV
525
542
4,2817
4,2 2
5,129
180,6
219,5
0,8226
Hafermehl
V
714
730
4,140
4,07
5,411
169
224
0,8362
per os.
VI
820
8 3 «‘/2
4,362
4,025
4,877
175,5
212,7
0,8253
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd.
22
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Digitized by
XVI.
Aus der I. med. Klinik in Wien (Vorstand: Hofrath Prof. C. v. N o o r d e n).
Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische
Eigenschaften entfalten?
Von
Dr. Paul Saxl,
Assistenten der Klinik.
Seitdem die experimentelle Pathologie und im Besonderen die Er¬
forschung der Antikörperbildung im Organismus zahlreiche Factoren
eigener Art aufgedeckt hat, die an den baktericiden Eigenschaften des
Organismus theilnehmen, ist die Frage weniger oft gestellt worden:
Welche Substanzen bezw. Vorgänge rein chemischer Natur haben an
dem hohen antiseptischen Leistungsvermögen des lebenden Organismus
Antheil? 1 ). Und doch hat diese Frage gewiss auch heute nicht an Be¬
rechtigung verloren.
Ziegler schrieb in seiner Prorectoratsrede dem Rhodan in der
Selbstdesinfection des Organismus eine grosse Rolle zu 2 ). Die An¬
schauung geht jedoch über theoretische Möglichkeiten nicht hinaus, und
dies um so weniger, als sie auf der Voraussetzung stark antiseptischer
Eigenschaften des rodanhaltigen Mundspeichels beruht. Diese wurde
jedoch bei genaueren Untersuchungen vermisst [Sanarelli, Hungen¬
schmidt, Triolo 3 )].
Späterhin hat Clairmont 4 ) gezeigt, dass der menschliche Speichel,
der bekanntlich relativ reich an Rhodanalkali ist (ca. 0,01 pCt.), nicht
jene intensiv antiseptischen Eigenschaften besitzt, die ihm gemeiniglich
zugeschrieben werden. Clairmont fand nur relativ geringfügige Ent¬
wicklungshemmung im Speichel. Und da wir eine derartige Entwick-
1) Die antiseptischen Eigenschaften des Organismus hören mit dem Tode nicht
völlig auf. Conradi (Hofmeisters Beitr. z. phys. u. pathol. Chemie, Bd. I) konnte
in Autolysaten von Organen noch deutliche baktericide Eigenschaften nachweisen; in
gemeinsam mit Leo Hess ausgeführten (unveröffentlichten) Versuchen konnten wir
diese Beobachtungen Conradi’s bestätigen. Aus ihnen geht hervor, dass den
structur^ll und chemisch destruirten Zellresten bezw. selbst den durch Tonkerzen zell¬
frei filtrirten Autolysaten baktericide Eigenschaften innewohnen.
2) Aehnliche Vorstellungen sprechenEdinger(Deutsche med.Wochenschr. 1898),
Martinotti (Centralbl. f. Bakteriol., 1896,*Bd. 19) und A. Müller (ebenda, 1895,
Bd. 17) aus.
3) Sanarelli, G., Centralbl. f. Bakteriol. 1891. Bd. 10. — Hungen¬
schmidt, A., Annales de Plnstitut Pasteur. 1896. — Triolo, Centralbl. f. Bak¬
teriologie. 1898.
4) Clairmont, Paul, Wiener klin. Wochenschr. 1906.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische Eigenschaften entfalten? 327
lungshemmung auch auf anderen Schleimhäuten und in Schleimsecreten
(Vagina!) kennen, wo Rhodan in grösseren Mengen nicht nachweisbar
ist, gehen wir wohl nicht fehl, die Beweisführung, dass der Speichel
gerade dem Rhodanalkali seine antiseptischen Fähigkeiten verdankt,
nicht für erbracht zu halten.
Auch dem Mucin wurden antiseptische Eigenschaften zugeschrieben
[Arloing 1 )]. Jedenfalls können auch sie nicht beträchtlich sein, denn
das antiseptische Leistungsvermögen stark mucinhaltiger Secrete ist
ebenso gering, wie das des Speichels. Ferner ist das chemische Ver¬
halten der Mucine nach dem heutigen Stande unseres Wissens so ver¬
schieden, dass man von einem Mucin auf andere keine Schlüsse ziehen
kann. In früheren Zeiten hielt man die Galle für ein antiseptisches
Agens. J. Leubuscher konnte jedoch keine entwicklungshemmenden %
oder gar baktericiden Eigenschaften der Galle nach weisen. Dies wurde
in der Folgezeit mannigfach bestätigt. Verwenden wir doch heute
Gallenanreicherung für Nährböden! Hingegen konnte der genannte Autor
feststellen, dass die Taurocholsäure und die Glycocholsäure in gesättigter
Lösung antiseptisch wirken, ein Vorgang, dem eine Bedeutung für den
lebenden Organismus kaum zuzuschreiben ist 2 ).
Auch meine Untersuchungen galten der Frage, inwieweit
ein im Organismus vorkommender Körper, nämlich der nicht
oxydirte Schwefel des Cystins, antiseptische Eigenschaften
entfalten könnte. Wir wissen, dass Substanzen, die unoxydirten
Schwefel enthalten, ausgezeichnete Antiseptica sind. Ihr souveräner Ver¬
treter ist das Ichthyol und Tiophen, das allerdings wegen seiner
Flüchtigkeit practisch nicht verwendbar ist. Auch aliphatische Körper
gewinnen durch Eintritt von SH-Gruppen an antiseptischen Fähigkeiten 3 ).
Die antiseptischen Eigenschaften des Cystins, das im Organismus
bekanntlich allgemein verbreitet ist, sind an dem Cystin selbst nicht zu
studiren, da Cystin in Wasser nicht löslich ist. Hingegen schien es
mir von vornherein als sehr aussichtsreich, jenen Paarling des
Cysteins 4 ), der nach Verfütterung von Chlor-, Brom-, Jodbenzol an Hunden
oder Kaninchen auftritt, nämlich die betreffende Phenylmerkaptursäure
auf ihre antiseptische Fähigkeit zu untersuchen.
Ich habe für meine Untersuchungen die Bromphenylmercaptursäure
verwendet:
GH 2 . S . C 6 H 4 . Br
II. C. NH. CO. CH 3 (Bromphenylacetyl-Cystein).
COOH
1) Arloing, oit. nach Clairmont.
2) Leubuscher, G., Zeitschr. d. klin. Med. Bd. 17.
3) Fränkel, S., Arzneimittelsynthese 1912.
4) Das Cystin ist das Disulfid des Cysteins; letzteres kann sehr leicht aus
ersterem durch Reduction gewonnen werden.
Cystin: CH 2 —S—S-
-ch 2
Cyste in: CH,. SH
1
CH . NH 2
1
CH. NH 2
j
CH . NH 2
|
COOH
|
COOH
COOH
22*
Digitized by QoCölC
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
328
Paul Saxl,
#
Digitized by
Der Kaninchen- und Hundeorganismus kann diese Synthese vom
Brombenzol und Cystein vollziehen; die genannte Säure erscheint in an¬
sehnlicher Menge (mehrere Gramm), gepaart an Glyeuronsäure, im Harn
wieder. Im Menschenharn tritt sie nicht auf. Ob deswegen, weil der
menschliche Organismus die Synthese nicht vollzieht, oder aber, weil die
Säure im Organismus zerstört, retinirt oder nicht im Harn ausgeschieden
wird, lässt sich vor der Hand nicht entscheiden.
Brombenzol ist ein schwaches Antisepticum. Es geht im thierischen
Organismus eine Synthese mit Cystin ein, und unsere Fragestellung
lautete daher: Gewinnt das Brombenzol durch diese Synthese
mit Cystinschwefel, die der Organismus vollzieht, an anti¬
septischen Eigenschaften, womit erwiesen wäre, dass durch
Eintritt von Cystein in einen aromatischen Körper antisep¬
tische Eigenschaften erzielt bezw. vorhandene gesteigert
werden können?
Es war daher zunächst zu untersuchen, ob die Bromphenylmercaptur-
säure antiseptisch wirkt, und wie weit sie innerhalb des Organismus, in
dem sie entstanden ist, antiseptische Eigenschaften entfalten kann.
A. Untersuchung der Bromphenylmercaptursäure auf antiseptische
Eigenschaften in vitro.
Die Darstellung der Säure erfolgte aus Hundeharn, nach den An¬
gaben Friedmann’s. Nur wurde das Brombenzol mit der Schlundsonde
gegeben x ).
Hunde, die reichlich mit Fleisch gefüttert wurden, bekamen kurze
Zeit nach der Mahlzeit 5 g Brombenzol in 5 ccm Oel. Die Hunde ver¬
trugen das Brombenzol gewöhnlich nur einige Tage. Späterhin er¬
brachen sie.
Der Harn wurde gesammelt und mit Vio seines Volumens mit con-
centrirter Salzsäure (spec. Gewicht 1,19) versetzt und 10 Tage stehen
gelassen. Nach dieser Zeit wurde vom Bodensatz, der zum grössten
Theile aus krystallinischer Mercaptursäure besteht, abgegossen. Die
Krystalle werden im Becherglase durch wiederholtes Aufrühren mit
Wasser gereinigt und das Decantiren fortgesetzt, bis die über den
Krystallen stehende Flüssigkeit nur noch schwach gelb gefärbt ist,
darauf im selben Gefässe mit 10 pCt. NH 3 in der Wärme zur Lösung
gebracht, und die braune, heisse, ammoniakalische Lösung durch ein
Thierkohlenfilter durchgesaugt. Nach dreimaligem Passiren des Thier¬
kohlenfilters in der Wärme ist die ammoniakalische Flüssigkeit nur noch
schwach gelb gefärbt. Sie wird zur Krystallisation eingeengt. Das
beim Erkalten auskrystallisirende Ammoniumsalz wird abgesaugt und
scharf von der Mutterlauge abgepresst. Es ist in der Regel nur wenig
gefärbt. Zur Abscheiduug der freien Mercaptursäure wird das Ammonium¬
salz in die 20 fache Menge heissen Wassers eingetragen. Nach erfolgter
Lösung wird in der Wärme mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert.
Der grösste Theil der Bromphenylmercaptursäure fällt sofort, der Rest
1) Friedmann, Hofmeisters Beiträge. Bd. 4.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische Eigenschaften entfalten? 329
nach zwölfstündigem Stehen im Eisschrank aus. Die freie Säure wurde
von der Schwefelsäure scharf abgesaugt, abgepresst, mit etwas kaltem
Wasser gewaschen und im Exsiccator getrocknet.
Wenn nun auch die Ausbeute an Bromphenylmercaptursäure im
Harn den Angaben E. Friedmann’s entspricht, so hatte ich dennoch
insofern grosse Schwierigkeiten, als unsere Hunde das Brombenzol in
Kapseln überhaupt nicht frassen, so wie frühere Autoren es angaben;
ferner trat bereits nach 3—4tägiger Darreichung des Brombenzols in
Oel mit der Schlundsonde Erbrechen und Nahrungsverweigerung auf, das
oft lange Zeit anhielt. Ich habe daher die benöthigten Mengen von Brom¬
phenylmercaptursäure eigentlich nur schwierig gewonnen.
E. Fried mann ist auch eine synthetische Darstellung der Brom¬
phenylmercaptursäure gelungen. Ich nahm jedoch von diesem Weg der
Gewinnung der Säure Abstand, da die Ausbeute sehr gering ist.
Die freie Säure ist in geringen Mengen in Wasser löslich. 1 g löst
sich in der Wärme in 2000 g Wasser. Stellt man diese Lösung, ohne sie
weiter erkalten zu lassen, in den Brutofen, so fällt sie erst nach einigen
Tagen (theilweise) aus. Lösungen von 1 : 5000 und 1 : 10000 sind
lange Zeit bei Brutofenteraperatur haltbar.
Ich habe in derartige Lösungen, die auf Brutofentemperatur ge¬
halten wurden, Colibakterien und eine Mischung von Fäulnissbakterien x )
geimpft; es ergab sich, das Coli nach 2—8ständigem Brutofenaufenthalt
in einer Verdünnung der Säure von 1 : 2000 und 1 : 3000 regelmässig,
von 1 : 5000 nicht immer getödtet wurden; Lösungen von 1 : 10000 er¬
wiesen sich als unwirksam. Die Prüfung auf Sterilisation geschah durch
Abimpfen in Bouillonröhrchen. — Die gleichen Bakterien arten wurden
durch 0,6 proc. Carbolsäure getödtet, während 0,4 proc. sie noch nicht
tödtete. Es wirkte demnach die Bromphenylmercaptursäure lOmal so
stark baktericid wie Carbolsäure.
Das Ammoniumsalz der Säure ist gut in Wasser löslich und tödtete
Coli in 1 und 2 proc. Lösung (geprüft nach 24 Stunden Brutofenaufenthalt).
Tiefere Concentrationen erwiesen sich als unwirksam. Bedenken wir,
dass Natrium salicylicura garnicht antiseptisch wirkt, so ist das
immerhin eine ansehnliche baktericide Leistung der Bromphenyl¬
mercaptursäure!
Es sei ferner noch bemerkt, dass die Bromphenylmercaptursäure
eine schwache Säure ist, dass sie sich in geringem Grade als lipoid¬
löslich und als deutlich eiweissfällend erweist.
Diesen beiden letztgenannten Eigenschaften verdankt sie die Möglichkeit,
unter besonders günstigen Bedingungen ihre antiseptischen Eigenschaften
zu entfalten 1 2 ).
1) Ich stellte mir ein Fäulnissgemisch in üblicher Weise dar, indem ich Rinds¬
leber in sodaalkalischer Reaction mehrere Tage im Brutofen faulen liess. Ich impfte
eine Platinöse in die Lösung der Bromphenylmercaptursäure und verwendete eine
Impfung in Wasser als Controle.
2) Mayer und Gottlieb, Experimentelle Pharmakologie. 2. Aufl.
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
330
Paul Saxl,
Digitized by
B. Untersuchung der antiseptischen Eigenschalten der
Bromphenylmercaptnrsänre im Organismus.
Es erhob sich nun die wichtige Frage, ob die Broraphenyl-
mercaptursäure im Organismus antiseptische Eigenschaften
entfaltet. Nun ist zunächst zu bemerken, dass wir nur darüber unter¬
richtet sind, dass die Bromphenylmercaptursäure im Harne und zwar ge¬
paart an Glykuronsäure auftritt. Wo die Synthese des Brombenzols mit
dem Cystein zur Mercaptursäure stattfindet, ist nicht bekannt. Der
quantitative Nachweis der Mercaptursäure im Blut ist auch nicht leicht
möglich; sodass wir nur mit Sicherheit wissen, dass eine grosse Menge
der Säure im Harn auftritt, während wir von dem Gehalt der übrigen
Körperflüssigkeiten und Gewebe an dieser Säure vorderhand nichts wissen.
Es hatten sich auch, wie aus folgenden Mittheilungen hervorgeht,
nur im Harne sehr bemerkenswerthe antiseptische Eigenschaften fest¬
stellen lassen.
Einem weiblichen Hund von 15 kg Körpergewicht wurden 10 g Brombenzol in
10 g Oel bei reichlicher Fleischfütterung mit der Schlundsonde gegeben. Er schied
in den nächsten 18 Stunden 700 ccm Harn, die annähernd 2,5 g Bromphenyl¬
mercaptursäure enthielten, aus. Der Harn war schwach alkalisch. Diese alkalische
Reaction tritt trotz reichlicher Fleischfütterung bei Hunden fast immer auf und ist
zunächst nur ein Beweis für die Beimischung alkalischer Secrete der Harnwege, nicht
aber von alkalischer Gährung. Der Ham erwies sich als nicht steril. In einer Probe
wurde der Ammoniakgehalt (nach Spiro-Folin) bestimmt. Er betrug in 50 ccm Harn
0,027 g. — Eine grössere Menge Harn wurde (verschlossen) auf 48 Stunden in den
Brutofen gestellt. Der Harn war wieder nicht steril. Der Ammoniakgehalt betrug in
50 ccm 0,020 g. Der Ammoniakgehalt hatte also abgenommen. Es lagen demnach
keine Anhaltspunkte für eine ammoniakalisohe Gährung vor. — Der Hund erhielt am
nächsten Tag nur Fleisch, kein Brombenzol. Der Ammoniakgehalt des Harns, unter
gleichen Bedingungen wie oben geprüft, verzehnfachte sich in 48 Stunden. Es war
demnach die ammoniakalische Gährung des alkalischen Hundeharns
bei Bromphenylmercaptursäureausscheidung stark gehemmt worden,
wenn sie nicht überhaupt als ausgeblieben zu betrachten ist.
Einem anderen Hund (männlich, 13 kg) wurden 10 g Brombenzol und 200 g
Fleisch um 1 Uhr Mittags in gleicher Weise wie oben gegeben. Er wurde um 6 Uhr
Nachmittags und um 7 Uhr Morgens katheterisirt und zwar unter nicht sterilen Be¬
dingungen, da der Hund zu unruhig war. Die erste Harnportion war alkalisch (Ver-
dauungsalkalesoenz), die zweite schwach sauer. Die erste (alkalische) Harnportion
wurde in den Brutofen gestellt, in 50 ccm Harn wurde der Ammoniakgehalt bestimmt.
Er betrug 0,017 g. Am nächsten Morgen wurde in Bouillon geimpft. Der Harn war
nicht steril. Nach 48 Stunden war der Ammoniakgehalt 0,018 g. Eine nennens-
werthe ammoniakalische Gährung hat nicht stattgefunden. — Die zweite saure Harn¬
portion wurde in sterilen Eprouvetten in den Brutofen gestellt. Nach 8 Stunden
wurde eine Aussaat in Bouillon gemacht. Der Harn war steril. — Der Harn wurde
weiterhin durch 8 Tage in den Brutofen gestellt. Die Reaction blieb deutlich sauer.
Sehr zahlreich ausgeführte Controlen an Tagen, wo der Hund kein Brombenzol erhielt,
ergaben, dass sauere (katheterisirte) Harnportionen längstens nach 36stündigem
Brutofenaufenthalt stark alkalisch und nach 8 Stunden stets reichlich infioirt sind.
Die gleichen Versuche wurden unter gleichen Bedingungen an zwei
weiteren Hunden ausgeführt und führten stets zu dem gleichen Resultat,
das ich hier resümire:
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptische Eigenschaften entfalten? 331
Der durch nicht sterilen Katheterismus gewonnene Harn
von Hunden, die 10 g Brorabenzol bekommen hatten, war
frisch nicht steril; er erwies sich jedoch nach 8ständigem
Brutofenaufenthalt als völlig steril; er zeigte selbst nach
viel tägigem Aufenthalt im Brutofen keine ammoniakalische
Gährung, während der Harn derselben Hunde, ohne vorherige
Brombenzolfütterung stets inficirt gefunden wurde und inner¬
halb 1—2 Tagen im Brutofen stark vergährte. In einzelnen
Harnportionen, die trotz Katheterismus alkalisch waren,
Hessen sich wohl Bakterien nachweisen, der Ammoniakgehalt
nahm jedoch bei 2tägigem Brutofenaufenthalt nicht zu; da
Controlharne stets eine enorme Zunahme des Ammoniaks
zeigten, hat demnach auch bei alkalischer Reaction des Harnes
entweder eine starke Entwicklungshemmung von Bakterien
oder aber eine Aufhebung ihrer Lebensthätigkeit stattgefunden.
Es könnte nun der Einwand erhoben werden, dass die auffallend
stark antiseptischen Eigenschaften des sauren Harns, der Bromphenyl-
mercaptursäure enthält, und die dem alkalischen Harn unter sonst gleichen
Bedingungen bedeutend überlegen sind, wenn sie auch diesem nicht fehlen,
eben auf eine stark saure Reaction zurückzuführen sind. Diesem Ein¬
wand zu begegnen und um kein Alkali hinzuzufügen, habe ich den sauren
Harn mit Wasser verdünnt.
Ein Hund von 10 kg wurde, wie oben geschildert, um 1 Uhr mit Brombenzol
gefüttert. Abends um 5 Uhr war der katheterisirte Harn alkalisch, am nächsten
Morgen sauer. Dieser saure Harn war nach 8stündigem Brutofenaufenthalt steril.
Ebenso seine 5- und lOfache Verdünnung.
Demnach erwies sich der Harn noch in lOfacher Verdünnung, die
blaues Lackmuspapier kaum röthete, als steril. Die antiseptische Kraft
ist daher im Wesentlichen wohl von der sauren Reaction überhaupt,
nicht aber von der Intensität derselben abhängig.
In weiteren Versuchen ergab sich fernerhin, dass die
sauren Harnportionen, die Bromphenylmercaptursäure ent¬
halten, auch im Stande sind, Coli- oder Fäulnissbakterien,
die ihnen zugesetzt werden, abzutödten.
Saure Harnportionen, die 4—18 Stunden nach der Brombenzol¬
fütterung durch nicht sterilen Katheterismus, wie oben beschrieben wurde,
gewonnen wurden, wurden in sterile Eprouvetten eingefüllt (je 10 ccm)
und mit 1 Oese Colibakterien oder Fäulnissbakterien geimpft. Nach
8 Stunden Brutofenaufenthalt erwies sich der Harn als steril, während
Controlen mit gewöhnlichem Hundeharn stets nicht steril waren. Diese
Verhältnisse änderten sich auch nicht nach achttägigem Brutofenauf¬
enthalt. Die abgeirapften Bouillonröhrchen blieben stets steril. Die
Bromphenylmercaptursäure tödtet demnach im sauren Harn
des Thieres, in dem sie durch Synthese aus verfüttertem Brom¬
benzol entstanden ist, Coli- und Fäulnissbakterien.
Ich prüfte nun, wie weit derartig baktericid wirkende Harne ver¬
dünnt werden können, ohne ihre baktericiden Eigenschaften zu verlieren.
Dabei zeigte es sich im Allgemeinen, dass 5 fache Verdünnung die
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332
Paul Saxl,
baktericiden (nicht aber die entwicklungshemmenden) Eigenschaften auf¬
hob; einzelne Harne erwiesen sich jedoch bei öfacher Verdünnung noch
als baktericid.
Ein Zusatz von 1 g Bromphenylmercaptursäure auf 1 Liter normalen
Menschenharn ergab, dass die Säure sich in ihm löste; der Harn erwies
sich jedoch nach längerem Brutofenaufenthalt nicht als steril; hingegen
hielt der Zusatz von 1 g der Säure auf 100 ccm Harn, wobei allerdings
die Säure nur theilweise in Lösung geht, den Harn steril und tödtete
ihm zugesetzte Colibakterien ab. — Der Zusatz der Bromphenylmercaptur¬
säure zum Harn ist jedoch mit dem Auftreten der Substanz nach Brom-
benzolverfütterung nicht ohne Weiteres zu vergleichen, weil die Säure
im letzteren Fall an Glykuronsäure gepaart auftritt, was ihre Löslichkeit
sehr begünstigt.
Erwies sich der bromphenylmercaptursäurehaltige Harn als stark
baktericid, so bleibt noch die Frage offen: Wie wirkt die Säure im
Organismus? — Mit Rücksicht auf die oben erwähnte Schwierigkeit bei
der Beschaffung der Bromphenylmercaptursäure habe ich mich auf die
Untersuchung des Blutes beschränkt, das Kaninchen und Hunden nach
Brombenzolverfütterung, ferner nach Verfütterung der Broraphenyl-
mercaptursäure entnommen wurde, ohne vorläufig die Wirkung der Brom¬
phenylmercaptursäure auf inficirte Thiere zu prüfen, für welchen Zweck
grosse Mengen der Säure nothwendig gewesen wären.
1. Versuchsreihe: Kaninchen von 1200—2000 g erhielten 1—2 ccm Brom¬
benzol in Olivenöl mit der Schlundsonde. 4 Stunden später wurde ihnen aus der
Carotis Blut entnommen, defibrinirt, in sterile Eprouvetten eingefüllt und einzelne
Portionen mit Coli- und Fäulnissbakterien geimpft. Die Blutproben wurden naoh
8stündigem Brutofenaufenthalt und auch späterhin als nicht steril befunden.
2. Versuchsreihe: Kaninchen von 1500 g erhielten 1 g, 3 g und 10 g des
Ammonsalzes der Bromphenylmercaptursäure mit der Schlundsonde. Erstaunlicher
Weise erwiesen sich diese grossen Dosen als nicht tödtend. Die Thiere blieben
völlig frisch.
Das Blut wurde ihnen nach 3 Stunden entnommen und wurde wie in der ersten
Versuchsreihe behandelt. Dabei zeigte es sich, dass die Blutproben, die mit Bakterien
geimpft wurden, nicht sterilisirt wurden; von den nicht geimpften hielten sich ein¬
zelne bis zu 10 Tagen der Beobachtung steril; Controlen mit normalem Blut waren
nach 36 Stunden stets nicht mehr steril; doch ist dieser Befund natürlich zu dürftig,
um aus ihm weitere Schlüsse zu ziehen.
Bei Zusatz von freier Bromphenylmercaptursäure zu Blut fand ich nur eine
geringe Löslichkeit derselben im normalen Blut; Zusatz des Ammonsalzes, das sich
gut löst, wirkte in 2proc. Concentration stark eiweissfällend: ln keinem Fall war eine
Sterilisirung des Blutes nach Bakterienzusatz durch das ßromphenylcystein zu
constatiren.
Demnach müssen wir leider auch hier bekennen, dass eine
noch im Harn kräftig wirkende baktericide Substanz im Blut
ihre Wirksamkeit nicht entfaltet.
Kehren wir nun, am Schlüsse unserer Ausführung angelangt, zur
Eingangs erwähnten Fragestellung zurück: Gewinnt das Brombenzol
durch seine Synthese mit Cystein, die der thierische Organis¬
mus vollzieht, an antiseptischen Eigenschaften, womit er-
Qriginal frorn
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Kann der Cystinschwefel im Organismus antiseptiscbe Eigenschaften entfalten? 333
wiesen wäre, dass durch Eintritt von Cystein in einen aroma¬
tischen Körper antiseptische Eigenschaften erzielt bezw.
vorhandene gesteigert werden können?
Wir müssen diese Frage dahin beantworten, dass durch
Synthese des Cysteins mit dem Brombenzol aus dem schwachen
Antisepticum Brombenzol ein kräftig wirkendes Antisepticum
wird, das auch im Harne noch seine baktericiden Eigenschaften
entfaltet, im Blute allerdings versagt.
Damit ist erwiesen, dass dem Cysteinschwefel, wie jedem
nicht oxydirten Schwefel, antiseptische Eigenschaften zu-
komraen und dass der Organismus durch Synthesen desCysteins,
wie in unserem Fall mit Brombenzol, hochwerthig baktericide
Substanzen herstellcn kann.
Dass die Bromphenylmercaptursäure im Blute nicht baktericid wirkt,
ist kein Gegengrund für unsere Beweisführung. Dadurch ist nur er¬
wiesen, dass diese Substanz es nicht ist, die im Blute und in den Ge¬
weben an antiseptischen Eigenschaften Antheil hat, zum Mindesten nicht
unter den Bedingungen, unter denen sie hier zur Prüfung kam. — Hier
konnten wir eben nur den Beweis dafür erbringen, dass der
Cysteinschwefel überhaupt als antiseptisches Agens aufgefasst
werden darf.
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XVII.
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Aus der Königl. medicinischen Klinik in Kiel
(Director: Prof. Dr. Lüthje).
Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild.
Von
Priv.-Doc. Dr. H. Schlecht und Priv.-Doc. Dr. W. Weiland.
(Hierzu Tafel III.)
Einleitung.
Der zum ersten Male von Biedl und Kraus 1 ) untersuchte anaphy¬
laktische Symptomencomplex beim Hunde stellt sich nach der
Beschreibung der genannten Autoren folgendermaassen dar:
Injicirt man bei einem Hunde, den man mit 3—5 ccm Pferdeserum
intravenös vorbehandelt hat, nach Ablauf von 21 Tagen ebenfalls intra¬
venös 10 ccm desselben Serums, so stellt sich nach ungefähr 30 Secunden
an dem gefesselten, nicht narkotisirten Thiere ein allgemeiner Erre¬
gungszustand ein, der mit starken Abwehrbewegungen, Brechreiz
oder Erbrechen und unwillkürlichem Abgang von Koth und Urin
einhergeht. Auf diese Phase der Erregung folgt alsdann eine allge¬
meine Apathie mit tiefer und normaler Athmung. Wurden die Thiere
zu dieser Zeit abgebunden, so blieben sie wie gelähmt liegen. Als
weiteres Symptom trat Anurie hinzu, ferner neben einer ausgesprochenen
Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes eine charakte¬
ristische tiefe Senkung des Blutdruckes. Diese war nach Ansicht
der Autoren begründet in einer Lähmung der peripheren vasomo¬
torischen Apparate; wenigstens wurde die bei den Thieren beobachtete
lebhafte Darmperistaltik mit Entleerung flüssiger Stühle, sowie
eine autoptisch feststellbare universelle Hyperämie mit zahlreichen
Blutungen in die Baucheingeweide auf eine extreme Gefässerweitc-
rung im Splanchnicusgebiet bezogen.
Die schweren Darmerscheinungen anaphylaktischer Hunde
sind in der Folge von Schittenhelm und Weichardt 2 ) genauer analysirt
und als specifisches Krankheitsbild unter dem Namen der Enteritis
anaphylactica beschrieben worden. Die Autoren beobachteten schwerste
Darmerscheinungen, Durchfälle mit Blut, Tenesmcn und Erbrechen,
in schweren Fällen floss aus dem Anus reines Blut ab. Bei der Autopsie
fand sich der Darm angefüllt mit einer blutig-schleimigen Flüssigkeit.
Die Darmschleimhaut und die darunter gelegenen Schichten zeigten
zahlreiche miliare Hämorrhagien, die dem Darm ein geröthetes und
1) Biedl und Kraus, Wiener klin. Wochenschr. 1909. No. 11.
2) Schittenhelm und Weichardt, Deutsche med. Wochenschr. 1911.
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Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild.
335
gesprenkeltes Aussehen verliehen. Die hämorrhagische Durchsetzung reichte
auch aufwärts bis in das Mageninnere, auch abwärts bis in die Anal¬
gegend, bevorzugt war der duodenale Theil des Darmes.
Im übrigen unterscheiden die genannten Autoren im Allgemeinen
beim Hund zwei Grundformen des anaphylaktischen Symptomen-
complexes. Bei der einen Gruppe verfallen die Thiere sehr bald nach
der Reinjection in einen ausgesprochen soporösen Zustand mit verlang¬
samter, irregulärer Athmung, in dem sie auf äussere Reize nur wenig
reagiren, und aus dem sie sich nach einiger Zeit erholen. Der zweite
Typ geht mit Krämpfen einher und endet stets letal.
Wir haben uns nun in den folgenden Versuchen die Aufgabe gestellt,
die anaphylaktischen Erscheinungen am Magendarmcanal des Hundes
in vivo mit Hülfe des Röntgenverfahrens zu analysiren resp. zu versuchen,
ob es möglich ist, mit Hülfe dieser Methode genauere Aufschlüsse über
den Ablauf etwaiger Erregungs- oder Lähmungszustände am Magendarra-
tractus zu gewinnen. Soweit uns bekannt, sind derartige Untersuchungen
in der Literatur bisher nicht veröffentlicht.
Die Untersuchungen wurden des Weiteren auf Versuche am Meer¬
schweinchen ausgedehnt. Obwohl bei dem anaphylaktischen Shock
des Meerschweinchens die Erscheinungen von Seiten der Athmungs-
organe durchaus im Vordergrund des Krankheitsbildes stehen, so deuten
doch schon die bisher beschriebenen klinischen Symptome: Abgang von
Koth und Urin, die schon von Wolff-Eisner u. A. beobachtete und von
uns oft gesehene Hyperämie des Darms daraufhin, dass auch eine
specielle Einwirkung auf den Darm beim Meerschweinchen vielleicht vor¬
handen sei. Zudem ist von Schulz festgestellt worden, dass der isolirte
Dünndarm anaphylaktischer Thiere stärker mit Contractionen reagirte bei
Zusatz von Pferdeserum, als der normale.
Gleichzeitig mit der Darmbewegung wurde bei den Meerschweinchen
die Athmung resp. die Lungen- und die Zwerchfellbewegung
genau beobachtet. Im Wesentlichen ist ja vor allem durch die Unter¬
suchungen von Auer und Lewis, Biedl und Kraus bekannt, dass im
Mittelpunkt des ganzen anaphylaktischen Symptomencomplexes beim
Meerschweinchen eine hochgradige, durch Contraction der Bron-
chialmusculatur bedingte Lungenblähung steht. Der anaphy¬
laktische Shock wäre demnach eine durch locale Ursachen in den Lungen
bedingte Erstickung. Unsere Beobachtung bezweckte, bei diesem Vor¬
gang insbesondere die Bewegung des Zwerchfells zu verfolgen.
Unsere Untersuchungen geben natürlich nur Aufschluss über grobe
Zustandsänderungen und Veränderungen des motorischen Geschehens
im Shock selbst. Um uns über Veränderungen der Erregbarkeit und
der Reactionsfähigkeit des Darms, sowie über den Einfluss der hemmenden
und fördernden Darmnerven (Vagus und Splanchnici), sowie über die Rolle
des Auerbach’schen Plexus beim Zustandekommen der veränderten
motorischen Erscheinungen zu orientiren, haben wir Versuche am über¬
lebenden Dünndarm der verschiedenen Thierarten (Hund, Meerschweinchen,
Kaninchen) begonnen, die aber noch nicht zu definitivem Abschluss ge¬
langt sind.
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H. Schlecht und W. Weiland,
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Methodik.
Zu der ersten Versuchsreihe an Hunden verwandten wir 8 Thiere
in 14 Einzel versuchen. Ein Theil derselben blieb den Beobachtungen
des nach dem Verfahren von Biedl und Kraus (sensibilisirende Injection:
5—10 ccm intravenös; Reinjection: 5—10 ccm intravenös) ausgelösten
acuten Shocks Vorbehalten, ein anderer Theil diente zu Control versuchen
und zur Beobachtung der Antianaphylaxie. Die Controlversuche erstreckten
sich auf die Untersuchung nicht injicirter normaler Hunde und solcher
Hunde, die nur eine einmalige Injection mit inactivirtem oder primär
toxischem Serum erhalten hatten.
Als Contrastmahlzeit verwandten wir bei Hunden constant eine
Mahlzeit aus 50 g Kartoffelbrei, 50 ccm Wasser und 25 g Baryura sulfu-
ricum puriss. (Merck). Diese Mengen entsprechen der Grösse der von
uns gewählten mittelgrossen Thiere. Die Beobachtungen vor dem
Röntgenschirm begannen, je nachdem wir den Magen, den Dünn- oder
Dickdarm sichtbar machen wollten, entweder sofort nach der Füllung
oder 2—4 Stunden später. Die Fütterung musste mit der Schlundsonde
erfolgen, da die Hunde trotz vorherigen Hungers, den Brei meist nicht
frassen. Die Füllung konnte in allen Versuchen als gut gelungen be¬
zeichnet werden.
Bei den Meerschweinchen versuchen wurden die Thiere mit
0,1—0,2 ccm intraperitoneal sensibilisirt. Die Reinjection erfolgte ent¬
weder intravenös (0,5—1,0 ccm) oder intraperitoneal (3—5 ccm) nach
21 Tagen. Die Thiere frassen, nachdem sie 2—3 Tage gehungert
hatten, einen Teig von Maizena und Baryumsulfat zu gleichen Theilen.
Auch hier kam stets eine gute Magen- und Darmfüllung zu Stande.
Nach dem Resultat der Untersuchungen am Hunde richteten wir beim
Meerschweinchen unser Vorgehen so ein, dass alle Darmtheile gleichzeitig
und gleichmässig gefüllt wurden (aber nicht zu stark) und beobachteten
die Lungen und Zwerchfellveränderungen sowie die Aenderung der Darm-
configuration gleichzeitig.
Durch die Wahl von Baryumsulfat und Kohlehydratbrei als
Contrastmahlzeit trugen wir der Beobachtung von Best und Cohn¬
heim 1 ) Rechnung, die bei Fistelhunden eine Verzögerung der Magenent¬
leerung bis zu 1 Stunde beobachteten und auch die Dünndarmpassage
um ähnliche Zeiten verzögert fanden, wenn sie Bismut. subnitric. oder
carbonic. anwandten. Baryumsulfat hat diese Wirkung nicht. Ferner
bleibt nach den Untersuchungen derselben Autoren die Mischung zwischen
Vehikel und Contrastsubstanz bei der Verwendung von Kohlehydraten
am längsten gut erhalten, so dass man mit ihr die Fortbewegung der
Nahrung im Verdauungscanal noch am sichersten beobachten kann
(Magnus).
Die Beobachtung der Veränderungen im anaphylaktischen Shock
selbst wurde im Allgemeinen so vorgenommen, dass Schirm pausen
oder auch photographische Platten aufgenommen wurden. Natur-
1) Best und Cohnheim, Münch, med. Wochenscbr. 1911.
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Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild.
337
gemäss eignet sich, da uns kinematographische Registrirung nicht
möglich war, die fortlaufende Untersuchung hinter dem Schirm besser
zum Studium des Ablaufs der Darmbewegungen; auf der Platte konnten
nur Zustandsbilder der einzelnen Phasen fixirt werden. Die Beob¬
achtung wurde zeitlich solange fortgesetzt, bis die Thiere zum Exitus
kamen oder die stürmischen Erscheinungen abgeklungen waren, nach¬
dem uns in den ersten Versuchen in Abständen von einer Stunde
fortgesetzte Dauerbeobachtungen gezeigt hatten, dass Veränderungen im
Ablauf der Darmbewegungen nicht mehr auftraten, wenn die initialen
Erscheinungen längere Zeit vorüber sind. Die spätere Beobachtung der
Hunde im Stall erstreckte sich auf die Feststellung blutiger oder schleimiger
Durchfälle, während bei den Meerschweinchen fast ausnahmslos der
Exitus eintrat.
Da bei Katzen festgestellt ist, dass nach einer periodischen Röntgen¬
durchleuchtung des gefesselten, nicht narkotisircen Thieres eine längere
Zeit dauernde Beeinflussung der Darmthätigkeit bestehen bleibt, so
haben wir an demselben Thier eine ev. zweite Untersuchung immer erst
nach Ablauf von 14 Tagen vorgenommen.
Bezüglich der normalen Magen-Darramotilität im Röntgenbild ver¬
weisen wir auf die zusammenfassenden Arbeiten von Magnus 1 ).
I. Versuche am Hunde.
1. Magen.
Der normale Hundemagen stellte sich uns in allen Versuchen seiner
Form nach dar als eine runde bis längliche, in ihrer Querachse breitere
Blase, an der meist einige Minuten nach der Füllung nicht sehr lebhafte,
aber deutliche Peristaltik vom Fundustheile her einsetzte. Nach ca. 20 Mi¬
nuten erfolgte der erste Uebertritt von Speise in das Duodenum. Anti¬
peristaltik oder Abschnürung eines Sphincter antri pylori konnten wir
in keinem Versuch erkennen. Die einzelnen peristaltischen Wellen waren
nur wenig tief. Auch bei den anaphylaktischen Hunden überzeugten wir
uns in den meisten Versuchen vor der Reinjection von dem Vorhandensein
dieser typischen Form und Bewegung.
Die normale Dünndarmfüllung stellte sich uns dar als ziemlich
breite Bänder, an denen rhythmische Segmentationen hin und wieder zu
beobachten waren, mit langsamer peristaltischer Fortbewegung des Inhalts,
so dass nach 3 Stunden nach der maximalen Dünndarmfüllung etwa der
Inhalt sich in das Colon entleert hatte.
Am Colon sahen wir normalerweise während der Schirmbeobachtung
keine deutliche Bewegung, vor allem keine antiperistaltischen Wellen,
während der Inhalt sich innerhalb von 16 Stunden bis in die Ampulle
hinein fortbewegt hatte. Die erste Entleerung eines baryumsulfathaltigen
Stuhls erfolgte frühestens 24 Stunden nach der Füllung.
Bei unseren Anaphylaxieversuchen war die Magenform auch
beim Shock im allgemeinen von der Norm nicht sehr abweichend. Eine
1) Magnus, Asher-Spiro VII. Verhaudl. d. Congr. f. innere Med. 1912.
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H. Schlecht und W. Weiland,
stärkere Abschnürung, wie man sie bei der Katze als Sphincter zu sehen
gewöhnt ist, zeigte sich nicht. In einem Versuche mit reiner Magen¬
füllung erfolgte im mittelschweren Shock auf eine initiale etwa ^ständige
Erhöhung der Peristaltik ein völliger Stillstand der Magenbewegung
bis zu 1 Stunde und 18 Minuten, ohne dass Inhalt aus dem Magen in
das Duodenum übertrat und ohne dass die geringste Peristaltik zu
beobachten war. Bei zwei anderen Versuchen, bei denen der Shock
schwerer war, fehlte die initiale Erhöhung der Peristaltik völlig, im
Gegentheil war der Magen gleich nach der Reinjection völlig still und
ohne Bewegung. Der erste Uebertritt von Nahrung in das Duodenum
erfolgte 22 Minuten nach der Reinjection und 37 Minuten nach der
Füllung. Bei einem dritten Versuche setzte fast unmittelbar nach der
Reinjection ungefähr in der Mivte des Magens zunächst eine seichtere
Einziehung an beiden Curvaturen ein, die 5 Minuten nach der Reinjection
eine völlige Abschnürung des Magens in 2 Theile darstellte in der Form
eines functioneilen Sanduhrmagens. Diese Contractur blieb etwa
3 / 4 Stunden nach der Reinjection bestehen, ohne dass weitere Bewegungen
am Magen wahrgenommen werden konnten. 12 Minuten nach der Re¬
injection waren fragliche Dünndarmschlingen zu sehen, 17 Minuten später
war eine solche sicher zu erkennen mit starker rhythmischer Segmentation
und späterem spastischen Stillstand.
Bei einem vierten Hunde, bei dem eine vorherige Magen- und Darm-
(üllung gemacht worden war, iraponirte vor allem die bald nach der
Reinjection einsetzende völlige Stilllegung des Magens, welche über
1 Stunde anhielt.
2. Dünndarm.
In acht Beobachtungen, die zum Theil an reinen Dünndarmfüllungen,
zum Theil an gleichzeitigen Magen- oder Dickdarmfüllungen und nur theil-
weisen Dünndarmfüllungen erhoben wurden, hatten wir vollständig über¬
einstimmende Resultate: Die beim gesunden, aufgebundenen Thier zwar
auch sichtbaren, aber wenig deutlichen rhythmischen Segmentirungen ver¬
stärkten sich nach der Reinjection zu ausserordentlich lebhafter
Intensität, wobei zeitweise grosse peristaltische Wellen sichtbar
wurden. Dieser Zustand entspricht zeitlich ungefähr der Phase der leb¬
haften motorischen Unruhe der Thiere resp. der Krämpfe. Aehnlich wie bei
der Beobachtung am Magen geringe Mengen der Contrastmahlzeit aus dem
Magen in den Dünndarm übertraten, konnten wir mehrfach das Eintreten
resp. Auftreten schattengebender Substanz in dem Dickdarm verfolgen, dem
dann allerdings keine vorzeitige Füllung des ganzen Dickdarms oder seines
proximalen Antheils folgte. Dies Stadium der gesteigerten rhyth¬
mischen Segmentirung und vermehrter Peristaltik war gefolgt von
einem Zustand, in dem die Dünndarmschlingen als ganz feine dünne
Schnüre erschienen und aufStrecken hin rosenkranzartig angeordnete,
zum Theil durch längere Strecken dünner Schnüre von einander getrennter
Baryumkugeln bildeten, während irgend welche Bewegung am Darm nicht
mehr zu erkennen war, der Darm also motorisch vollständig still stand.
Dieser Zustand der völligen Ruhigstellung in Contraction
dauerte bis zu einer Stunde an. Dann erschienen die Dünndarmschlingen
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Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild.
339
wieder als sich verbreiternde Bänder und fortlaufende Beobachtung ergab
keine weitere Abweichung von der Norm. Die Abbildungen 1 a und 1 b
repräsentiren eine normale Darmfällung und eine solche auf der Höhe
des Oontractionszustandes. Bei Thieren, die zur Zeit des Shocks reine
Magenfüllung hatten, ergab die spätere Beobachtung des Dünndarms zwar
eine lebhafte rhythmische Segmentation, aber keine veränderte Entleerungs¬
zeit des Dünndarms.
3. Dickdarm.
Bei Thieren, deren Magen- und Dünndarmbewegungen im Shock
verfolgt worden waren, zeigte sich im späteren Ablauf der Dickdarm¬
bewegung ebenfalls keine Abweichung von der Norm. Die Beobachtung
des Dickdarms selbst im Shock ergab dagegen folgendes: Aehnlich wie
am Dünndarm eine starke rhythmische Segmentirung einsetzte, beobach¬
teten wir auch am Dickdarm grosse Abschnürungen und stärkere
haustrale Segmentirungen, doch traten diese gegenüber den peristal¬
tischen Phänomenen in den Hintergrund. Diese letzteren äusserten sich
darin, dass der Darminhalt in den Pausen zwischen den einzelnen Durch¬
leuchtungen sich um grosse Strecken analwärts verschob und besonders
in der Pars descendens bei der Durchleuchtung lebhafte peristaltische
Wellen sichtbar wurden. Mehrfach beobachteten wir dabei, dass bei
bestehender Descendensfüllung innerhalb der ersten 20 Minuten nach
der erfolgten Reinjection der ganze Inhalt nach rückwärts transportir
wurde und nach weiteren 10—20 Minuten wieder an der alten Stelle
sich befand. Bei diesen Versuchen sahen wir nie antiperistaltische
Wellen und nur ein einziges Mal (in einem anderen Versuch) hatten
wir bei der Beobachtung am Leuchtschirm den Eindruck, als ob eine
Zeit lang die Peristaltik im Descendens in entgegengesetztem Sinne
verlief. Stuhlentleerungen traten bei unsern Dickdarmversuchen regel¬
mässig auf. Erfolgten sie nicht im Shock, so kamen sie der Norm ent¬
sprechend viel später, eine Thatsache, die den übrigen Beobachtungen,
die wir auch am Dickdarm selbst machten, entspricht, dass nämlich
nach Ablauf der schweren Shockerscheinungen eine beschleunigte Passage
oder eine veränderte motorische Thätigkeit der betreffenden Darm¬
abschnitte nicht vorhanden ist.
Dass es sich bei unseren Hunden um wirkliche anaphylaktische
Shockzustände gehandelt hat, geht aus unseren Versuchsprotokollen
mit Sicherheit hervor. Zwar konnten wir keine Temperaturmessungen
und Blutdruckbestimmungen vornehmen, doch zeigten die Thiere alle
sonstigen für den Shock charakteristischen Symptome: Krämpfe, motorische
Unruhe, Würgbewegungen, Erbrechen, Thränen- und Speichelfluss, un¬
willkürlichen Abgang von Stuhl und Urin, Apathie, Ungerinnbarkeit des
Blutes usw.
Wir haben ausserdem bei den meisten unserer Versuchshunde
unsere Aufmerksamkeit auf die Beobachtung etwaiger Veränderungen an
den Thoraxorganen besonders des Zwerchfells gerichtet. Gesetz¬
mässigkeiten konnten wir nicht feststellen. Eine deutliche Lungen¬
blähung fehlte in allen Fällen; nur war die Art der Athmung resp.
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H. Schlecht und W. Weiland,
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der Zwerchfellbewegung stets von der Norm abweichend, insofern
als in einzelnen Fällen auffallend tiefe respiratorische Verschie¬
bungen des Zwerchfells Vorkommen, in anderen eine mehr krampfhafte
Athmung, bei der das Zwerchfell nur geringe aber beschleunigte Ex-
cursionen machte. In einem Falle wechselten tiefe Athemzüge mit einem
intermittirenden Athemstillstand. Ob diese Verschiedenheiten im
Verhalten der Schwere des Shocks parallel gehen, vermögen wir nicht
zu sagen.
II. Versuche an Meerschweinchen.
1. Lunge und Zwerchfell.
In 11 Versuchen verliefen die Erscheinungen beim anaphylaktischen
Meerschweinchen an Zwerchfell und Lungen, soweit sie mit dem
Röntgen verfahren zu controliren waren, völlig gleichartig und nur je
nach der Schwere des Shocks graduell etwas verschieden. Unmittelbar,
d. h. wenige Secunden nach der intravenösen Reinjection, bei intra¬
peritonealer zeitlich etwas später, wurden zunächst die Athembewe-
gungen des Zwerchfells frequenter unter Kleinerwerden der ein¬
zelnen Excursionen. Schon zu dieser Zeit rückte das Zwerchfell im
ganzen tiefer und es machte sich eine zunehmende Aufhellung
der beiderseitigen Lungenfelder bemerkbar, die beiderseits deutlich
an dem Weiterwerden der Complementärräume und der Zunahme der
Helligkeit zu erkennen war. Der Herzschatten, der bis dahin dem Zwerch¬
fell nahe resp. aufgelagert war, rückte vom Zwerchfell ab, wurde unter
der zunehmenden Aufhellung undeutlicher und weniger scharf abgesetzt.
Unter Zunahme der Aufhellung und weiterem Tiefertreten des Zwerchfells
setzte nun eine II. Phase ein, bei der das Zwerchfell abgeflacht
erscheint und nur mehr einzelne krampfhafte, tiefe, zeitlich
ganz unregelmässig aufeinanderfolgende und durch lange
Pausen voneinander getrennte Inspirationsbewegungen machte.
Diese werden immer seltener und kleiner und zuletzt sistiren sie
völlig, sodass das Zwerchfell beiderseits in Inspirationsstellung
unter vollständiger Abflachung stehen bleibt. Unter dem Ein¬
fluss der auxiliären Athemmuskulatur, insbesondere der Bauchpresse, wird
dann das Zwerchfell als Ganzes zeitweise noch etwas nach oben in den
Thoraxraum gehoben, ohne dass eine active Veränderung am Zwerchfell
selbst zu beobachten wäre. In einzelnen Versuchen war die Blähung
resp. Aufhellung der Lunge so stark, dass von dem Herzschatten kaum
mehr etwas zu erkennen war.
Bei den intraperitoneal reinjicirten Thieren waren die Erscheinungen
weniger stürmisch. Frequente Athmung, Aufhellung und Abflachung des
Zwerchfells waren aber auch hier constant festzustellen.
Wenn die Thiere sich von dem Shock erholten (nur bei intraperito¬
nealer Reinjection!), was auch nach zeitweisem Zwerchfellstillstand noch
eintreten kann, so setzte allmählich unter Rückgang der Aufhellung der
Lungenfelder eine periodische Athmung wieder ein, die, anfangs verlang¬
samt, allmählich zum normalen Rhythmus zurückkehrte.
Der Ablauf dieser Phänomene lässt sich natürlich am Schirm besser
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Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild.
341
beobachten, als er auf der Platte fixirt werden kann. Immerhin dürften
die Abbildungen 2a u. 2 b die Aufhellung und Abflachung des Zwerchfells
deutlich illustrircn (2a vor der Reinjection, 2b im Shock).
2. Darm.
Wie bei den Hundeversuchen die rhythmischen Segmentirungen und
Abschnürungen des Darminhaltes, sowie die intensive Contraction des
Dünndarms im Vordergründe der Erscheinungen stehen, so fand sich
auch beim Meerschweinchen ein ähnlicher Symptomencomplex. Auch
beim Meerschweinchen wurde der Contractionszustand des ruhig
gestellten Dünndarms deutlich, auch zeigten sich am Dickdarm
vermehrte Abschnürungen und Vertheilungen des Inhalts, sodass marmo-
rirte Schattenbilder zu Stande kamen und stärkere haustrale Segraen-
tirungen auftraten. Hauptsächlich waren aber auch hier die Ver¬
änderungen des Dünndarms Zusehen: lebhafte rhythmische Seg-
mentirung und darauffolgend enge, dünne, contrahirte Schlingen,
mit zum Theil perlschnurartig aneinandergereihten Inhaltskugeln. Der Ge-
sammteindruck des Darmbildes vor und nach der Reinjection lässt sich
dahin zusaramenfassen, dass das vorher durch die starke Füllung und
geringe Activität des Darms verwaschene Bild nachher durch die ver¬
mehrte Scgmentirung, die verstärkte Contraction der Darmwand um den
Inhalt und zuletzt durch die motorische Ruhigstellung im Contractions¬
zustand viel schärfer und präciser wurde. (Vgl. Bild 2 a bis 3 b).
Tödtet man ein solches Thier nach dem Schluss der Beobachtung,
so findet sich das geschilderte Bild auch autoptisch, indem besonders
am Dünndarm, aber auch am Dickdarm die hyperämische Darmwand
eng um die einzelnen Kothkugeln herum contrahirt ist, die voneinander
durch leere, auf ein geringstes Volumen zusammengezogene Darmstücke
getrennt sind.
III. Antianaphylaxie und Control versuche mit primär injicirten Thieren.
Unsere Controlversuche im Stadium der Antianaphylaxie und bei
vorher unbehandelten Thieren, welche intravenös nicht inactivirtes Pferde¬
serum erhielten, zeigten keine Reaction auf die Injection und keine
Abweichungen der Magendarmform resp. -bewegung von der
Norm.
IV. Zusammenfassung.
Die Röntgenuntersuchung anaphylaktischer Hunde und Meeschwein-
chen führte zu folgenden Ergebnissen:
1. Der Ablauf der Magen- und Darmbewegungen beim anaphylak¬
tischen Shock des Hundes gestaltet sich so, dass alle Darm¬
abschnitte in ähnlicher Weise von ihm betroffen werden; es treten
vor allem Contractionszustände und Forraveränderungen auf, die
sich in Abschnürungen und Vertheilung des Inhalts äussern.
Hauptsächlich am Dünndarm, aber auch am Dickdarm ist eine
lebhafte Zunahme der sogen. Pendelbewegungen zu beobachten,
die im Röntgenbilde als rhythmische Segmentationen sichtbar
werden. Eine Beeinflussung der zeitlichen Darmpassage ist mit
Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 13. Bd. qq
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342 Schlecht u. Weiland, Der anaphylaktische Symptomencomplex im Röntgenbild.
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Ausnahme einer Verzögerung der Magenentleerung nicht beob¬
achtet. Die veränderten motorischen Verhältnisse folgen zeitlich
so aufeinander, dass eine kürzere Periode gesteigerter Bewegung
gefolgt wird von einer längeren Phase des absoluten Stillstandes
in Contraction.
Beim Meerschweinchen scheinen ähnliche Veränderungen am
Darm vorzuliegen, besonders der Dünndarm reagirt in ähn¬
lichem Sinne.
2. Während beim Hunde gröbere Veränderungen des Athmungstypus
und der Zwerchfellbewegung nicht constant auftreten, ist beim
Meerschwein im anaphylaktischen Shock regelmässig ein charak¬
teristisches Athmungsbild im Röntgenbild vorhanden. Auch hier
folgt auf eine Periode frequenterer, aber oberflächlicher Athmung
(also vermehrter Motilität) unter gleichzeitiger Lungenblähung
(d. h. Aufhellung), ein Tiefertreten des abgeflachten Zwerchfelles,
das in Contraction inspiratorisch stehen bleibt.
Eine theoretische Erklärung unserer Versuche oder eine Auseinander¬
setzung mit den bekannten Theorien über den Ablauf des anaphylakti¬
schen Shocks können wir so lange nicht geben, als unsere Untersuchungen
an den überlebenden Organen nicht abgeschlossen sind 1 ).
Kiel, den 6. Januar 1913.
1) Es ist bekanntlich von den verschiedensten Seiten wiederholt auf die Aehn-
lichkeit zwischen dem anaphylaktischen Symptomencomplex des Meerschweinchens
und dem Asthma bronchiale des Menschen hingewiesen worden. In ähnlicher Weise
dürften vielleicht die eigenartigen Veränderungen am Magendarmcanal, insbesondere
die Enteritis anaphylactica im Verein mit den von uns dargelegten motorischen
Störungen (vor Allem die spastische Contraction) in Analogie zu setzen sein mit jenen
von Strümpell zuerst als „Darmasthma“ bezeichneten, bisher in ihrör Natur noch
unbekannten Darmkrisen beim Menschen.
Gck igle
Original fro-m
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XVIII.
Aus der I. inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses
Charlottenburg-Westend (Prof. Dr. Umber).
Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten
mit besonderer Berücksichtigung der Lipoide.
III. Mittheilung.
Von
Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger.
Mehrfach ist das Blut Gegenstand chemischer Untersuchungen ge*
wesen, die von dem Gedankengang geleitet wurden, Blut als bequem
zugängliches Untersuchungsobject zum Studium von Gewebsveränderungen
in Krankheiten heranzuziehen und dadurch die Erkenntniss des Wesens
krankhafter Zustände zu fördern. Die Arbeiten, die bisher über diesen
Gegenstand erschienen sind, kamen zum Theil zu sehr ungleichen Resul¬
taten. Zur Mittheilung der folgenden Untersuchungen halten wir uns
deshalb berechtigt, weil sie in einigen Punkten Abweichungen von bereits
Bekanntem und einzelne Ergänzungen bringen. Es lag uns nicht daran,
den von berufener Seite bei den verschiedensten Krankheiten angestellten
Gesammtanalysen des Blutes einige neue beizufügen; wir haben vielmehr
frei von jedem Schema aus einer grösseren Zahl von Untersuchungen
einige, die uns besonderes Interesse zu bieten schienen, vergleichend
zusamraengestellt. Dabei wurde auch Rücksicht genommen auf die
quantitativen Verhältnisse der Lipoide in Serum und Blutkörpern,
deren Bedeutung für viele biologische Fragen man immer mehr ein-
sehen lernt.
Da bei den Untersuchungen die Wahl der Methodik wesentlich ist,
setzen wir die den folgenden Befunden zu Grunde gelegte Technik an
den Beginn unserer Mittheilungen.
Das durch Aderlass gewonnene defibrinirte Blut wird in graduirten Gläsern
1 Stunde lang centrifugirt (elektrische Centrifuge: 3000 Touren). Nach dieser Zeit
ändert sich das Volumen der Blutkörperchen nicht mehr und der Volumquotient von
Blutkörperchen zu Serum kann in einwandfreier Weise abgelesen werden. Das Serum
und die dreimal mit physiologischer Kochsalzlösung gewaschenen Blutkörper werden
in einem Faustischen Ventilationsapparat 24 Stunden bei 40° und weiter im Vacuum
bis zur Gewichtsconstanz getrocknet. Das pulverisirte, mit Seesand gemischte Serum
wird im Soxhlet’schen Apparat 48 Stunden mit Alkohol und 72 Stunden mit Chloro¬
form extrahirt.
Die Extraction der pulverisirten Blutkörper erfolgte in der Kälte und zwar je
7 Tage in Aether und Alcohol abs. Wir wählten die kalte Extraction wegen der
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344
H. Beumer und M. Bürger,
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immerhin denkbaren Zersetzung der Lipoidsubstanzen, besonders des Lecithins, dessen
ätherlösliche Säureradicale dann einen zu hohen Gehalt an Fettsäuren und einen zu
geringen an Lecithin vorgetäuscht haben würden. Nach einer 14 tägigen kalten Ex¬
traction ergab eine einstündige Extraktion mit kochendem Chloroform immer noch
geringe Extractmengen, die aber nur aus Farbstoffen bestanden und keinen nachweis¬
baren Lecithingehalt aufwiesen. Die Gefahr der Zersetzung bei heisser Extraction
scheint nicht so gross zu sein. Wir arbeiteten aber deshalb in der Kälte, weil man
auf diese Weise zu saubereren, durch Farbstoffe nicht verunreinigten Extracten kommt.
Beim Serum ist eine Extraotion in der Kälte selbst bei langer Dauer nicht quantitativ.
Liebermann hat schon gezeigt, dass sich auf solche Weise die Lipoide au£ dem
Serum sehr sohwer herauslösen lassen. Die Trocknung der Extracte wurde wiederum
im Faustischen Apparat und im Vacuum-Exsiccator vorgenommen. Der Lecithin¬
gehalt wurde aus der nach Neumann bestimmten P 2 0 5 -Menge durch Multiplication
mit 11,4 berechnet und zwar wurden dabei neben den acetonfällbaren auch die aceton-
löslichen Phosphatide berücksichtigt. In einem Theil des lecithinfreien Extracts
wurde das freie Cholesterin als Digitonin-Cholesterid nach Windaus bestimmt, im
alkoholischen Filtrat die Fettsäuren entweder direct oder nach Ausschüttelung mit
Aether nach Titration mit Vio Normalnatronlauge und unter Zugrundelegung eines
Moleculargewichts Von 284 berechnet. Der übrige Theil des Extractes wurde mit
frisch bereitetem Natrium-Alkoholat energisch verseift und die Gesammtmenge des
Cholesterins aus dem ungebundenen und den Cholesterinestern durch Digitoninfällung
ermittelt. Als Multiplicationsfactor des Digitonin-Cholesterids wurde 0,25 nach den
Vorschriften von Windaus genommen. Die Fettsäuien aus den Serumseifen wurden
duroh Aetherextraction nach vorausgehender Spaltung mit’ 1 proc. salzsaurem Alkohol
gewonnen, titrirt und den freien Fettsäuren zugerechnet. Die so extrahirte Substanz
lieferte nach einer 24 ständigen Pepsinverdauung keine nennenswerten Extracte mehr.
Das Eisen wurde nach Säuregemisch Veraschung jodometrisch, Stickstoff nach Kjel-
dahl, bestimmt, der Gesammtsohwefel nach Veraschung mit Natriumperoxyd als
Bariumsulfat gewogen.
Das Eiweiss des Serums und der Blutkörper wurde aus den Stick¬
stoffzahlen berechnet, das Hämoglobin aus den Eiscnwerthen durch Multi¬
plication mit 238.
Polyglobulie (1).
Chemische Untersuchungen bei Polyglobulie sind bisher nur von
Weintraud (la) angestellt. Eine gesonderte Untersuchung der Erythro-
cyten wurde dabei nicht durchgeführt. Es zeigt sich gerade in diesem
Fall, dass man dadurch in sonst schwer übersehbare Verhältnisse neue
Einblicke gewinnen kann.
Aus der Krankengeschichte: 63jähriger Ingenieur. Eigenartige blaurothe
Farbe des Gesichts, der Ohren, Finger und Zähne. Sclerose der peripheren Arterien,
Blutdruck (auscultatorisch bestimmt), Leber wenig vergrössert, unterer Milz¬
pol 2 cm unterhalb des Rippenbogens. Klagen über Athemnoth und Blutandrang zum
Kopf. Im Urin wenig Eiweiss, einige rothe und weisse Blatkörper, keine Cylinder, ver¬
mehrtes Urobilin und Urobihnogen. Rothe Blutkörper: 9760000; weisse Blutkörper:
12100 (an verschiedenen Körperstellen entnommen). Hämoglobin: = 175 pCt.
(Sahli). Färbeindex 0,9. Blutbild: ohne Besonderheiten, Wassermann’sche Reaction
negativ. Gestorben an intercurrenter Pneumonie. Aus dem Sectionsbefund: Enormer
Blutreichthum aller Organe, Milz über das Doppelte vergrössert. Arteriosclerose,
Nephritis chronica interstitialis, gelbes Knochenmark.
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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc.
345
Volumquotient:
188 Serum
812 BlatkOrper
1000 g Blut bestehen aus
Blutkörpern | Serum
1000 g
Blutkörper
bestehen aus
1000 g
Serum
bestehen aus
1000 g Ge-
sammtblut
bestehen aus
Feucht .
821,968
178,032
_
_
_
Trocken.
234,664
16,198
285,491
90,982
250,862
Wasser.
587,304
161,834
714,509
909,018
749,138
Eiweiss.
208,338
12,251
253,453
68,825
220,589
Hämoglobin.
156,307
—
190,162
—
156,307
Cholesterin.
0,348
—
0,423
—
—
Lecithin.
1,334
0,376
1,609
2,058
1,710
Fettsäuren.
1,465
0,449
1,783
2,499
1,914
Gesammtextract . . .
4,505
2,144
5,408
12,043
6,649
Total P-,0*.
1,577
1,353
0,104
1,918
0,575
1,681
Total S0 8 .
—
1,647
—
—
Lipoid P 2 0 6 .
Eisen.
0,117
0,656
0,033
0,141
0,799
0,185
0,150
Die Zusammensetzung der rothen Blutkörper zeigt erheb¬
liche Abweichungen von der Norm. Es fällt auf, dass die rothen
Blutkörper arm sind an Trockensubstanz und Eiweiss. Der
durchschnittliche Eiweissgehalt der feuchten Blutkörper von sechs
anämischen. Patienten betrug 32pCt., im Falle der Polyglobulie 25,3 pCt.
= 79,3pCt. der Norm.
Daraus liesse sich ohne Weiteres eine Eiweissverarmung und Wasser¬
anreicherung der einzelnen Zelle ableiten unter der Voraussetzung, dass
das Volum der einzelnen Erythrocyten dem des normalen entspräche;
dass dies nicht der Fall ist, lehrt folgende Berechnung: Nehmen wir
mit Arronet (2) an, dass 47,88 pCt. des Blutvoluraens (defibrinirtes
Blut des Mannes) durch die Blutkörperchenschicht ausgefüllt seien bei
5000000 Erythrocyten, so würden bei 9760000 unseres Falles
9760000 X 47,88
5000000
= 93,46 pCt. des Blutvolumens von den Rothen ein¬
genommen; wir fanden aber nur 81,26 pCt., daraus ergiebt sich, dass
das Volumen des einzelnen Erythrocyten nur 87,14pCt. des
Normalen beträgt. Wir können deshalb von einer Polymikro-
cythämie sprechen.
Dieser Befund ist nicht eine Eigenthümlichkeit unseres Falles. Das
geht mit Nothwendigkeit daraus hervor, dass wiederholt Fälle von Poly-
cythämien mit weit über 10000000 rothen Blutkörpern im Cubikmilli-
meter beschrieben wurden. Bei normaler Grösse des einzelnen Erythro¬
cyten füllen 10000000 Zellen bereits nahezu lOOpCt. des Gesammt-
volumens, ohne Raum für das Serum zu lassen. Man muss — die
Richtigkeit der Zählungen vorausgesetzt — bei jedem Fall von Poly-
cythämie mit über 10000000 rothen Blutkörpern im Cubikmillimeter —
eine Volumsverkleinerung der einzelnen Zelle erwarten. Es soll nicht
unerwähnt bleiben, dass schon Vaquez und sein Schüler Quisome sich
mit der Grösse der Erythrocyten befassten. Der Leztere bemerkte schon
bei Polycythämien im Höhenklima häufig Zellen mit einem Durchmesser
von 5,5—5 fi. Es erhebt sich die Frage, ob die Zusammensetzung eines
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346
H. Beumer und M. Bürger,
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rothen Blutkörperchens unter Berücksichtigung seines kleineren Volumens
der eines gesunden entspricht. Auch das muss verneint werden. Während
das Volum der rothen Blutkörper 87,14 pCt. der Norm entspricht, be¬
trägt der Eiweissgehalt nur 79,3 pCt. des Normalen. Daraus geht hervor,
dass die einzelne Zelle nicht nur absolut, sondern auch relativ
ärmer an Eiweiss als ein Normocyt ist. Auch das aus dem Eisen
berechnete Hämoglobin ist erheblich vermindert, was mit dem herab¬
gesetzten Färbeindex gut übereinstimmt. Die Werthe für Cholesterin
und Lecithin sind gleichfalls beträchtlich herabgesetzt, während der
für das Gesammtextract gefundene an der unteren Grenze der Norm
liegt. Hoch ist der Werth für die freien Fettsäuren der Blutkörper.
Wir sehen in diesen Zahlen den Ausdruck einer gesteigerten
Production von „rainderwerthigen“ Erythrocyten. Der Fall
lehrt, dass auch ohne eine Metaplasie des gelben Markes in rothes eine
gesteigerte Erythropoese vor sich geht; dass eine extramedulläre Blut¬
bildung in diesen Fällen eintreten kann, wurde von Hirschfeld (3)
bereits gezeigt, der in der Milz Entwickelung myeloiden, erythroblastischen
Gewebes beobachtete.
Hervorheben möchten wir schliesslich noch, dass die von uns ge¬
fundene Zusammensetzung der Blutkörper bei Polycythämie sich stark
derjenigen chlorotischer Blutkörperchen nähert. Dass mit der gesteigerten
Bildung rother Zellen ein gesteigerter Zerfall einhergeht, lehrt der Befund
vermehrten Urobilins im Harn.
Die Betrachtung des Gesammtblutes lässt die abweichende Zu¬
sammensetzung der Rothen schwer erkennen. Es zeigt sich besonders
in diesem Fall, dass die getrennte Untersuchung von Blutkörpern und
Serum für vergleichende Betrachtungen allein zulässig ist.
Das Serum ist normal concentrirt. Das erscheint uns be¬
sonders darum wichtig, weil für einige Formen der Polyglobulie eine
Bluteindickung als erklärende Ursache herangezogen wird. Abder¬
halden (4) hat bewiesen, dass dieses Moment eine wichtige, vielleicht
die ausschlaggebende Rolle spielt für die Formen der Polycythämie, die
man im Höhenklima beobachtet. Er fand nämlich bei Thieren gleichen
Wurfs, die er theils in der Ebene, theils längere Zeit in grossen Höhen
hielt, zugleich mit einer relativen Polyglobulie der Gebirgsthiere in deren
Serum einen höheren Gehalt an festen Stoffen und Eiweiss. Für unsern
Fall können wir eine Eindickung des Blutes als Erklärung für das
Krankheitsbild wegen des durchaus normal concentrirten Serums ab¬
lehnen. Nur die Zahl für das Gesaratextract ist bemerkenswerth hoch.
Eine Erklärung dafür können wir nicht geben. Wir wollen nur darauf
hinweisen, dass auch Weintraud (19) bei einem von ihm untersuchten
Fall von Polyglobulie einen hohen Fettgehalt des Serums angiebt.
Perniciöse Anämie (5).
Fall XIII: 54jährige Frau mit äusserst blassen, welken Hautdecken, in sehr
schlechtem Ernährungszustand. Völliger Schwund des Fettpolsters, keine Blutungen,
keine Darmparasiten, Augenhintergrundsblutungen, Aetiologie unbekannt. Blutbild:
Massige Poikilocytose. Keine Erythroblasten. Wenig neutrophile Leukocyten. W'cisse
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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc.
347
2000. Rothe 360000. Hb weniger als lOpCt. (Sahli). Färbeindex nicht erhöht.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Atrophie der Magendaimschleimhaut. Rothes
Knochenmark. Perniciöse Anämie.
Fall XVI: 34jähriges, sehr blasses Mädchen. Guter Ernährungszustand, reich¬
liches Fettpolster. Continua bis 40° mit geringen Remissionen. Keine Blutungen,
keine Darmparasiten. Augenhintergrundsblutungen. Im Urin reichlich Urobilin und
Urobilinogen, kein Gallenfarbstoff. Aetiologie unbekannt. Erythrocyten 1000000.
Leukocyten 3400. Hb lOpCt. (Sahli). Blutbild: Spärliche kernhaltige, rothe; starke
Poikilooytose. Viele polychromatophile; viele basophil-getüpfelte Rothe. Pathologisch¬
anatomische Diagnose: Atrophie der Magendarmschleimhaut. Fettleber, Tigerherz.
Rothes Knochenmark. Perniciöse Anämie.
Die Blutentnahme wurde in beiden Fällen 20 Minuten post exitum
gemacht und ergab 1500 resp. 2000 ccm Blut, das durch Rühren mit
einem Glasstab defibrinirt und sofort weiter verarbeitet wurde. Für
das Volumverhältniss zwischen rothen Blutkörperchen und Serum er¬
gaben sich folgende Werthe:
1000 ccm Blut enthielten an Volumina in Cubikcentimetern
I II normal 1 )
Blutkörperchen . . . 50,0 87,5 450,0
Serum. 950,0 912,5 550,0
Setzt man diese Zahlen mit den durch Zählung erhaltenen Blut-
körperchenwerthen in Beziehung, so ergiebt sich für das einzelne Blut¬
körperchen in Fall I ein das normale 2 1 / 2 mal überschreitendes Volumen,
während bei II das Volumen ungefähr der Norm entspricht. Eine
Grössenzunahme der Erythrocyten wurde auch von Erben (6) bei der
pernieiösen Anämie gefunden und darf für viele Fälle als Charaktc-
risticum gelten, kann aber nicht für eine absolut scharfe Abgrenzung
von pernieiösen und anderen Anämien verworthet werden. #
Das stark herabgesetzte specifische Gewicht des Blutes von 1056 auf 1028
resp. 1024 findet seine selbstverständliche Erklärung in dem verminderten
Blutkörperchengehalt, zum Theil auch in dem sehr niedrigen specifischen
Gewicht des Serums von 1024 resp. 1019 gegen 1029—30 der Norm.
Die Ergebnisse der chemischen Untersuchung finden sich in folgender
Uebersicht:
1000 g Erythrocyten
enthalten
1000 g Serum enthalten
XIII
XVI
XII1
XVI
Trockensubstanz ....
340,126
307,944
77,493
70,373
Wasser.
659,874
692,056
922,567
929,627
Eiweiss.
322,780
282,824
57,743
56,244
Extrakt.
5,585
5,297
6,834
3,794
Lecithin.
0,999
2,181
0,806
0,915
Cholesterin.
0,714
0,952
0,215
0,221
Cholesterinester ....
—
—
0,510
0,290
Fettsäuren.
0.643
0,416
0,361
1,670
Fe.
1,064
1,007
—
0,0144
Total S0 3 .
2,326
2,350
0,594
—
Total P 2 0 B .
2,329
2,030
0,440
0,435
1) Für Frauen, bei Annahme von 4500000 Erythrocyten im Cubikmillimeter.
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348
II. Beumer und M. Bürger,
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Aus diesen Zahlen möchten wir hervorheben, wie in Fall I bei einer
so starken Verminderung der Blutkörperchenzahl auf 360 000 im Cubik-
millimeter in der qualitativen Zusammensetzung der einzelnen Erythro-
cyten bezüglich des Trocken- und Eiweissgehalts ganz an normalen
Werthen festgehalten wird. Jacksch (7) und andere Untersucher haben
sogar manchmal einen die Norm übersteigenden Eiweissgehalt der Blut¬
körperchen gefunden. Doch ist weder ein normaler Eiweissgehalt noch
eine Erhöhung regelmässig zu finden, wie aus Fall II hervorgeht, ebenso
wie ein erhöhter Färbeindex nicht unbedingt bei jeder perniciösen Anämie
zu bestehen braucht Darauf weist auch Hürter hin. Immerhin scheint
doch ein, wenn nicht erhöhter, so doch im Verhältniss zu der starken
Herabsetzung der Erythroeytenzahl relativ hoher Trocken-
und Eiweissgehalt bei der perniciösen Anämie im Gegensatz zum
umgekehrten Verhalten des chlorotischen Blutes fast regelmässig vor¬
handen zu sein und die Werthigkeit des einzelnen Blutkörperchens —
wenn Concentration als Qualitätsgrad gelten darf — nur wenig ge¬
schädigt, in anderen Fällen sogar erhöht zu sein.. Dass bei der
perniciösen Anämie wirklich compensatorisch vollwertigere Erythro-
cyten mit vergrösserter Sauerstoffcapacität Vorkommen, scheint aus den
Gasanalysen hervorzugehen. Hiermit stimmt die Erfahrungsthatsache
überein, dass perniciös anämische Kranke trotz enorm gesunkener Ery-
throcytenzahl noch eine erstaunliche Leistungsfähigkeit zeigen können.
Die Lecithinwerthe der rothen Blutkörper erscheinen erheblichen
Schwankungen unterworfen. Erben fand in seinem Falle abnorm hohe
Werthe von 4 pM. Im Gegensatz dazu ist der Lecithinwerth im Fall XIII
mit 0,999 pM. als sehr stark herabgesetzt, im Fall XVI mit 2,18 pM.
als annähernd normal anzusehen. Zweifellos hängt das von der mehr
acuten oder chronischen Art des KrankheitsVerlaufs ab. Wir sehen in
Fall XIII den Endzustand eines Organismus, der sehr lange der unbe¬
kannten, die perniciöse Anämie bedingenden Noxe ausgesetzt gewesen
ist, die schliesslich zu einer derartigen Erschöpfung des Fett- und Lipoid-
gchalts und Atrophie des ganzen Blutes führt. Die Regenerationsfähigkeit
geht dabei allmählich verloren: trotz rothen Knochenmarks finden sich
keine charakteristischen Zeichen einer Regeneration im Blut, auch die
Erythrocytenzahlen sinken auf äusserst niedrige Werthe herab. Fall XVI
hingegen zeigte einen viel acuteren Krankheits verlauf bei einer jungen,
in gutem Ernährungszustand befindlichen Patientin mit einem deutlich
regenerativen Blutbild.
Das Serum erweist sich in beiden Fällen äusserst wasserreich unter
starker Herabsetzung des Eiweiss- und Lipoidgehalts. Beide lassen
an ihrer dunkelgelbgrünen stark dikroten Färbung den fast
pathpgnomonischen, hohen Urobilingehalt erkennen, der einen
erhöhten Blutkörperzerfall wahrscheinlich macht. In einem
weiteren hier nicht angeführten Fall, der zur Autopsie kam, konnten wir
ebenfalls Urobilin in reichlichen Mengen im Serum nachweisen. Die Be¬
funde erinnern an die von Syllaba(8), der aber über Bilirubinbefunde
im Serum berichtet. Im gleichen Sinne spricht der Befund von 0,014 pM.
Fe im Serum von Fall XVI, wie auch das vermehrte Auftreten von
Urobilin und Urobilinogen im Harn.
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Beitrag« zur Chemie des Blutes in Krankheiten eto.
349
Das daraufhin untersuchte Serum XVI 1 ) enthielt keine Auto- oder
Isolysine, die überhaupt bei der perniciösen Anämie in vitro selten
nachweisbar zu sein scheinen. Eisenberg konnte in einem Fall Auto-
lysine feststellen, während diesKreibich und Ascoli nicht gelang. Faust
und Tallquist (9) hatten in einem Fall von Bothriocephalus-Anämie un¬
sicheren Ausfall der Hämolyse.
Die Aetiologie der idiopathischen perniciösen Anämie der Biermer-
schen Krankheit ist noch durchaus unbekannt, wahrscheinlich giebt es ver¬
schiedene Ursachen. In gewissen Fällen hat man, gestützt auf entsprechende
Befunde, den Bothriocephalus latus als Erreger angenommen, trotzdem auch
dieser ätiologische Zusammenhang durch das Auftreten von Recidiven nach
Abtreibung des Bothriocephalus wieder stark angezweifelt worden ist. Faust
und Tallquist glaubten das anämisirende Princip bei diesen Anämien in
dem aus der Leibessubstanz des Bothriocephalus extrahirbaren Cholesterin¬
ölsäureestern sehen zu müssen und konnten auch durch chronische Verab¬
folgung von Oelsäure bei Hunden Anämie erzeugen. Stark wirksame Hämo¬
lysine, die aus der Darmschleimhaut von perniciös anämischen Kranken
extrahirt werden konnten, Hessen als Ursache auch der idiopathischen
perniciösen Anämie an die Oelsäure denken, jedoch fanden diese Befunde
keine weitere Bestätigung und die in gleicher Richtung gemachten thera¬
peutischen Versuche, die als hämolytische Ursache supponirte Oelsäure
durch Glycerin oder Cholesterin abzusättigen, führten nicht zu einwandfreien
günstigen Resultaten. Sehr bemerkenswerth sind die zur Klärung der Oel-
säurewirkung vorgenommenen Untersuchungen Schmincke’s und Flury’s
(10) über das Verhalten der Erythrocyten bei chronischer Oelsäurevergiftung.
Flury fand, dass in den Erythrocyten des chronisch mit Oelsäure
vergifteten Hundes das Cholesterin sich nicht als freies Cholesterin,
sondern in Form schwer verseifbarer Verbindungen, also als Cholesterin-
Ester vorfand. Daneben stellte er einen hohen Gehalt der Erythrocyten
an freien Fettsäuren fest und sieht hierin die für Oelsäure charakte¬
ristischen Wirkungen auf die Erythrocyten.
Falls nun bei den menschlichen perniciösen Anämien die Oelsäure
wirksam ist, dürfte man erwarten, bei den menschlichen Erythrocyten
ähnliche Abweichungen von der Norm zu finden wie sie Flury bei seinem
experimentell mit Oelsäure anämisirten Hund feststellte.
Die frühere Ansicht, dass die Lipoidsubstanz der Erythrocyten nur
aus Cholesterin und Lecithin bestände, kann nach den Untersuchungen
von Bang und Forssmann als widerlegt gelten. Auch wir fanden in
allen Fällen geringe Mengen von Fettsäuro und Neutral fett. Bei dem
Gehalt an freien Fettsäuren lag die Möglichkeit nahe, dass neben freiem
Cholesterin auch Cholesterinester normaler Weise Vorkommen könnten.
Unsere daraufhin bei normalen Erythrocyten angestellten Untersuchungen
ergaben jedoch stets ein negatives Resultat oder so geringe Spuren, dass
sie als innerhalb der Fehlergrenze liegend, nicht in Betracht gezogen werden
konnten. Inzwischen veröffentlichte Röhmann (11) einige Befunde von
Cholesterinestern bei Pferdeblutkörpern; jedoch wurden diese Unter¬
suchungen nicht an reinen Blutkörpern, sondern am Gesammtblut angestellt.
1) Untersucht gegen gewaschene Blutkörper fünf gesunder Menschen (cf. auch
M. Bürger über Isolysine etc. Diese Zeitschr. Bd. 10).
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350
II. Beumer und M. Bürger,
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Bei Menschen-Erythrocytcn scheint nach unseren Erfahrungen die An¬
wesenheit von Cholesterinestern höchstens auf Spuren beschränkt zu
sein. Unter pathologischen Umständen fand sich in ganz vereinzelten Fällen
ein ausserhalb der Fehlergrenzen liegendes Vorkommen. Wir müssen
dabei noch betonen, dass diese Feststellungen an einem sehr concentrirten
Material, nämlich angetrocknetem, lipoidreichem Stroma gemacht wurden 1 ).
Nach den vorliegenden Befunden Flury’s hatte es für uns ein ganz
besonderes Interesse, ein etwaiges Vorkommen von Cholesterinestern auch
an den Erythrocyten unserer beiden pemieiösen Anämien nachzuweisen.
Wir bedienten uns dabei der Windaus’schen Methode der Cholesterin¬
fällung mittels Digitonin, der einzigen, die eine sichere Trennung von
freiem Cholesterin und Cholesterinestern ermöglicht, da nur freies
Cholesterin durch das Saponin gefällt wird.
Eine gewogene Menge lecithinfreien Blutkörperextracts wurde in 2 gleiche Theile
a und b getheilt. In a wurde in alkoholischer Lösung eine Digitoninfällung gemacht,
ebenso in b nach erfolgter Verseifung. In b ist also das freie und das aus Cholesterin¬
estern — falls solche vorhanden waren — freigemachte Cholesterin gefällt. Die
Differenz zwischen a und b ergiebt das durch Verseifung freigewordene Cholesterin.
Wir führen eine Untersuchung als Beleg an:
a) 0,0384 lecithinfreies Kxtract ergeben unverseift 0,12308 Digitonincholesterid
= 0,03077 Cholesterin.
b) 0,0384 lecithinfreies Extract ergeben verseift 0,12364 Digitonincholesterid
= 0,03091 Cholesterin.
Danach betrüge das Cholesterin aus Estern 0,00014 g, eine sicherlich
innerhalb der Fehlerquellen liegende Zahl.
Der gleiche Befund wurde im anderen Fall erhoben. Es lässt sich
also mit Sicherheit sagen, dass Cholesterinester in unseren
beiden Fällen nicht vorhanden waren. Was die freien Fettsäuren
betrifft, so fanden wir in den durch Extraction in der Kälte erhaltenen
Extracten 0,0643 und 0,0416 pCt. freie Fettsäuren bezogen auf feuchte
Blutkörper. Diese Zahlen überschreiten nicht die Norm. Wir betonen
die Extraction mit kaltem Aether und Alkohol, weil uns eine Zersetzung
des Lecithins und dadurch Freiwerden von Fettsäuren bei längerem Kochen
im Soxhlet durchaus nicht unmöglich erscheint.
Aus diesen Untersuchungen lässt sich ein Parallelismus in den
Befunden bei experimenteller Oelsäureanämie und pernieiöser
Anämie in keiner Weise erkennen. Auch im Serum weist nichts
auf eine Betheiligung der Oelsäure hin. Der Cholesteringehalt ist sehr
niedrig, aber das Verhältnis des freien Cholesterins zu den Cholesterin¬
estern sicher nicht zu Gunsten der Cholestcrinester, die als Oelsäure-
cholesterinester berechnet sind, verschoben
100 g Serum
enthalten
i
Cholesterin
Cholcsterin-
ester
Fettsäuren
Seifen als
Fettsäuren
Fall XIII. . .
0,022
0,051
0,036
0,044
Fall XVI. . .
0,022
0,029 |
0,1 G7 |
—
1) Cf. unsere II. Mittheilung im Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 71.
Google
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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc.
351
Wir halten daher die Auffassung, welche auch in dem neu erschienenen
Handbuch der Pathologie von Krehl und Marchand von Paltauf ver¬
treten wird, dass jenes aus der Magendarmschleimhaut perniciös Anämischer
(aber auch gesunder!) und aus Carcinomgeweben extrahirte coctostabile
Lipoid für die schweren Anämien verantwortlich gemacht werden muss,
noch nicht für ganz sicher gestellt.
Wir führen hier noch eine Carcinomanämie an, die zu jenen Fällen ge¬
hört, bei denen die degenerative Veränderung des Blutbildes ganz im Vorder¬
grund steht und die klinische Differentialdiagnose oft bei nicht localisirbarem
Tumor lange zwischen perniciöser Anämie und Carcinom schwanken kann.
Diese Anämien finden sich ja am häufigsten bei Tumoren des
Digestionstractus und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass
hierbei neben chronischen Blutverlusten eine Resorption durch Fermente
freigemachter toxischer Substanzen stattfindet, die zu einer so hoch¬
gradigen der perniciösen Anämie sehr ähnlichen Blutdegeneration führt.
Es sei auf die grosse Uebereinstimmung in der Zusammensetzung des
Blutes mit dem der perniciösen Anämie XVI aufmerksam gemacht. Wir
fanden hier in den Erythrocyten eine geringe Menge von Cholesterin¬
estern. Es lässt sich weiterhin hier der von Erben bei perniciöser
Anämie gemachte Befund erheben, dass man beim Versuch, die gefundene
Eisenmenge in Hämoglobin umzurechnen, einen Werth erhält, der den
für Eiweiss gefundenen erheblich überschreitet.
Das Knochenmark zeigte bei diesem Fall ein nach A. Schmidt’s im
Noorden’schen Handbuch gemachten Angaben bei Carcinom nicht regel¬
mässiges Verhalten einer theilweisen Umwandlung in rothes Mark. Das Fett¬
mark war von grossen Herden rothen Markes durchsetzt. Die Kranken¬
geschichte und die Ergebnisse der Blutuntersuchung dieses Falles waren
folgende:
50 Jahre alter Mann. Hochgradig reducirter Ernährungszustand. Aeusserste
Blässe der Hautdecken. Sectionsbefund: Ca. oesophagi mit Drüsenmetastasen im
Abdomen, die in den Magen eingebrochen sind. Exitus in Folge abundanter Magen¬
blutung. Knochenmark mit rothen Herden.
, T . .. . 912,5 Serum
Volumquotient:
1000 g Blutkörper
enthalten
1000 g Serum
enthalten
Trockenrückstand ....
305,733
76,127
Wasser.
694,267
923,873
Eiweiss.
286,615
55,765
Extract.
5,451
4,119
Lecithin.
3,157
1,472
Cholesterin.
0,714
0,229
Cholesterinester ....
0,028
0,318
Freie Fettsäuren ....
0,320
0,464
Eisen.
(Hämoglobin).
1,415
336,770
Ein den perniciösen und secundären Anämien durchaus entgegen¬
gesetztes Verhalten zeigen die Blutkörperchen bei dem folgenden Fall
von Chlorose. Dort starke Verminderung der Zahl, weniger der Dichte
der einzelnen Blutzellen, hier das Umgekehrte, bei fast normalen Zahlen
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
352
H. Beniner und M. Bürger,
Digitized by
der Blutkörperchen eine starke Vermehrung des Wassers und Abnahme
des Trocken- und Eiweissgehaltes. Chlorose, Leukämie und Polyglobulie
lassen gemeinsam auch in chemischer Hinsicht eine Störung der Blut¬
bildung erkennen. Die vorliegende Chlorose bot, wie aus der Kranken¬
geschichte hervorgeht, zunächst ein so schweres Bild, dass eine Zeit lang
die Diagnose und Prognose schwanken konnte. Jedoch gab der durch
Eisenraedication überraschend schnell und günstig beeinflusste Krankheits¬
verlauf der Diagnose Chlorose Recht.
22jähriges Mädchen mit blass-grünlichem Teint. Unterhautzellgewebe wasser¬
reich. Anämische Herzgeräusche.
Blutbild: 3600000 Erythrocyten,
3200 Leukocyten 25/80 Hb (Sahli),
herabgesetzer Hb Index.
Starke Poikilocytose und Anisocytose.
Keine kernhaltigen Roten. Iolysine im Serum. Wassermann —.
Für 1000 g
Trocken¬
gewicht
Wasser
Eiweiss
1 Ei-
tract
Lecithin
Cho¬
lesterin
Cho¬
lesterin¬
ester
Fett¬
säuren
!
Fe
Blutkörper .
Serum ....
266,467
80,783
733,533
919,217
241,3^1
60,587
5,203
8,585
3,504
1,489
0,933
0,394
1,616
0,449
1,185
1,013
Der Voluraquotient der Erythrocyten ist kleiner als der Zahl der
Erythrocyten entspricht, nämlich. Biernacki (12) hat diesen
bei Chlorose gefundenen Zustand als Polyplasmie bezeichnet unter der
Annahme, dass beim Centrifugiren der chlorotischen Blutkörperchen ein
Plasmaaustritt erfolge. Wir können uns dieser Deutung, die auch von
anderer Seite abgelehnt wird, nicht anschliessen und sehen in unserem
Fall in der grossen Anzahl von Mikrocyten und Poikilocyten die Veran¬
lassung für diese Incongruenz zwischen Zahl und Volumen.
Die Erythrocyten besitzen einen sehr erhöhten Wassergehalt,
sind also hydropisch. Der Lecithingehalt ist hoch, der Cholesterin¬
gehalt normal. Das Serum zeigt ebenfalls erhöhten Wassergehalt
unter Herabsetzung des Trocken- und Eiweissgehaltes, was nicht
mit den gewöhnlichen Befunden übereinstimmt, die bei Chlorose eine
ganz normale Zusammensetzung des Serums verlangen. Es ist aber nicht
merkwürdig, das bei einer derartigen allgemeinen Hydropsic der Gewebe
auch das Blutserum wasserreicher ist.
Bei Umrechnung der Eisenwerthe in Hb ergiebt sich auch hier ein das
gefundene Gesammteiweiss übersteigenderHb-Eiweisswerth, der grösser wird,
wenn man das Stromaeiweiss noch in Rechnung zieht, das hier 14 g betrug.
Es mag an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, wie oft und
anscheinend ohne Beziehungen zu bestimmten Krankheitsgruppen der
Eisengehalt der Blutkörpertrockensubstanz den möglichen Gehalt an
Hämoglobineisen übersteigt. Um das zu illustriren haben wir in folgen¬
der Tabelle für 1 g Blutkörpertrockensubstanz aus unseren Unter¬
suchungen einige Zahlen zusammengestellt betreffend Eiweissgehalt aus N
berechnet, Hämoglobin aus Fe berechnet, ausserdem wurden noch die
Zahlen für Eisen (Fe) und für Gesammtschwefel (als S, der zum aller-
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Beitrag* zur Chemie des Blutes in Kraukht?»t«ri <?>.*•
353
größten- Th.eiJ ma ‘ JüiwckssübwetVl besieht) bmndmiyi Da die Hämo-
globino idaUv sriiWefflami* Kiweisskurper sind (Pferd 042 ; pCt.,
M o r h- 31 den ), rjie -Rlutki>t*|>er'ob-U 1 ine aber siets Hhwefejretcftär ^nd
{ilbei* 1. pCl.), ho ist es denkbar, das» in häriioglobinarmen. Blurkörpern
dupcK. •^HWetelrjß-i.eliierc. EiVefeskürper das Verhältnis von S : Fe ver-
scböboTi wird (hei .Pferdehiut 0,42 ;0.38)..
Jfi l £ Bhjtkorper - Trocken siit<:H:nu wurden gehindert:.
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Chlorose- . . . .
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Pneumonie ....
0.938
0 901
. x;
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Tabes . , . .
Oväm
0.901 i 0,0003
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Diabetes ....
0.902
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Diabetes ....
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Ca. ventriculi . . i.
0.831
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0,0073
0,0021
3,47
:üys.
Inattitioü. Kachexie,
KuH XXVI. Pitnkre^ati 0 jih< 6 . Blass aussohonder'. Mann- von- fö .lahreu., Nor-
möjfer Ur^mbftfiindv Oedäroä der ; Unkrs«iienkeP Iw örih Spoieo kein
Zriieköe. Nach Zuföht: ton 1ÖÖ g Dextrös# --j&toe' -ölyjkusiiri^!V'./_ 'lPös.itiV-e '^l<ö'tvi*sohe
Renehm*. Im Smh] zaMröiohn nnverdaute ; Muskelfasern, reichlich Noutraffett und
Fettsäuren;- Stuhl wird in vcvmolvrter Menge abgesondert'
Aus mit zu ngsversuch (Auszug aas der• StolTweehsel-Tabel.h, Periode V)ü
Von 5H$ft & öingcooniRtettöm ’. Nahrungs-hb wurden ■ '1?,7 g ;.ä 33,4 pCh im Kolb
wieder# alunden.-
• Von 33Vd g oirigenötinöeiiem Nahrung»-Fett würden 2f»4,0 g — 74,0 nCt, im
Kolb wicdrrgplunden.
Aus dem Se'ctionsi>efand: Hochgradige Paokröasatropiuo tritt zahlreichen
Concremenien im puo.r. paruvte c Airoptui .sÄmartiicher Organe. Ascites, Oedeme.
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C' - pC/C'v;.;C - <
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1
Go gle
jjal
pimmlii
354
H. Beumer und M. Bürger,
Digitized by
Es ist im Hinblick auf die vielen Arbeiten, den Magendarmstörungen
eine ätiologische Bedeutung für das Zustandekommen der perniciösen
Anämie beizumessen, von Interesse, das Blut dieses Falles kennen zu
lernen. Hier bestand vollkommene Achylie des Magens und des Pankreas;
das zugeführte Eiweiss und Fett wurde nur zum allergeringsten Theil
resorbirt, so dass der Tod in Folge chronischer Unterernährung eintrat.
Betrachten wir die in der Tabelle angegebenen Zahlen im Zusammenhänge
mit dem Krankheitsbild, so könnte man den verminderten Trockenrückstand
und Eiweissgehalt des Serums mit den Oedemen, die sich bei sinkender
Herzkraft einstellten, in Beziehung bringen. Ein abnormer Wasserreichthum
der Gewebe, der von einigen Autoren (Munk) bei unterernährten Tieren
gefunden wurde, hat vielleicht eine analoge Bedeutung. Eine Wasser¬
anreicherung des Blutes liegt sicher auch in unserem Fall vor (Oertel
wies schon 1884 in seiner allgemeinen Therapie der Kreislaufstörungen
darauf hin, dass Circulationsstörungen das Blut wasserreicher machen),
doch glauben wir, dass der äusserst niedrige Werth für N-Gehalt und
Trockenrückstand des Serums damit nicht restlos erklärt wird. Wir
meinen, dass die Unterernährung an sich wesentlich beigetragen hat zu
der beschriebenen N-Verarmung, die in solchem Grade* bei einem Serum
bisher nicht beschrieben wurde 1 ). Das Blut ist arm an Fett. Der Befund
steht in einem gewissen Gegensatz zu der schon mehrfach beschriebenen
Hungerlipäraie und zu der Vermehrung des Blutfetts, die Seo Y. (13)
bei pankreaslosen Hunden fand. Wunderbar ist das nicht. Im Hunger
wird das Fett aus den Depots auf dem Blutwege in die Verbrennungs¬
stätten transportirt. In unserem Falle waren die Depots leer. Auch
die Untersuchung des gelben Marks, die später im Zusammenhang mit
anderen besprochen werden soll, zeigt eine beträchtliche Fettverarmung.
Die Blutkörperchen dagegen sind intact geblieben. Wenigstens entspricht
der Eiweissgehalt der rothen Zellen ebenso wie der Trockenrückstand
durchaus der Norm. Die Zahlen für Lecithin und Cholesterin! weichen
von den Mittelwerten in keiner Weise ab. Dagegen wurde für das
Gesammtextrakt der rothen Blutkörper ein relativ niedriger Werth fest¬
gestellt. Es gelang auch nicht, freie Fettsäuren darin nachzuweisen.
1) Die Abhängigkeit des Serum-N-Gehalts von Ernährungs- und Resorptions¬
verhältnissen geht auch aus folgender Tabelle hervor, bei der sich deutliche Unter¬
schiede zwischen Uterus- und Rectum-Carcinomen einerseits, und Magen-Carcinomen
andererseits finden:
Anatomische Diagnose
Volumen-Quotient
N-Gehalt
für 1000 g Serum
Ca. uteri.
563 BK
437 Serum
13,68
Ca. port. uteri.
562 „
438 .
13,22
Ca. pylori.
460 „
540 „
11,97
Ca. ventriculi.
500 „
500 „
11,32
Ca. recti, Metast. i. Hepar.
313 „
687
10,40
Ca. ventriculi.
187 ,
813 „
9,97
Ca. ventriculi.
360 „
640 .
9,72
Ca. ventriculi.
200 „
800 „
8,26
Ca. ventriculi.
111 „
889 „ j
7,98
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc.
355
Wenn somit eine gewisse Verarmung der Erythrocyten an physiologisch
weniger wichtigen Lipoidkörpern zugegeben werden muss, so ist darauf
hinzuweisen, dass eine Herabsetzung des Eiweissgehaltes der rothen
Zellen sicher nicht vorliegt und dass, wo eine solche gefunden wird,
andere Ursachen zur Erklärung herangezogen werden müssen als blosse
Inanition, in den meisten Fällen wohl mangelhafte Bildung.
Es seien im Anschluss an diesen Fall zwei Fälle von Carcinom-
Anämien angeführt, von denen der eine Fall VII in der Zusammen¬
setzung dem besprochenen sehr ähnelt, während der zweite erhebliche
Abweichungen aufweist.
Fall VII. Carcinoma oesophagi mit starker Abmagerung in Folge Unter¬
ernährung; keine Metastasen.
Rothe Blutkörper
Weisse „
Hämoglobin . . .
Volumquotient .
3908000
16800
160 pCt. Sahli
50 Serum
50 Blutkörpor
Spec. Gew. des Serums 1028,16
Fall IX. Carcinose des kleinen Beckens, ausgehend von einem Portiocarcinom.
Hochgradige Kachexie.
Rothe Blutkörper . . . 2640000 Spec. Gew. des Serums 1026,16
Hämoglobin. 25 pCt. Sahli
Volumquotient
72,5 Serum
27,5 Blutkörper
Der Fall VII verhält sich ganz wie der Fall XXVI: Hoher Eiweiss¬
gehalt der Blutkörper, bei niederem Eiweissgehalt des Serums. Ohne
die Zahlen alle zu besprechen, wollen wir nur den relativ hohen
Cholesterinwerth in den Blutkörpern VII hervorheben. Während hier
eine Carcinomanämie nur angedeutet ist entsprechend einem der Masse
nach wenig entwickelten kleinen Tumor, findet die durch den Sitz des
Tumors im Oesophagus bedingte Inanition ihren Ausdruck im niedrigen
Eiweissgehalt des Serums wie im Falle der Pankreasatrophie.
Das Volumen der Blutkörper ist annähernd normal. Der Eiweiss¬
gehalt ist bedeutend reducirt. Dieser Befund steht im Gegensatz
zu den Mittheilungen von Krokiewicz (14), — es lässt sich daraus
schliessen, dass von einem gesetzmässigen erhöhten Eiweissgehalt der
rothen Blutkörper Carcinomkranker nicht die Rede sein kann.
Wenn gelegentlich ein höherer Gehalt an Eiweisskörpern bei Carci-
nomblutkörpern gefunden wird, so müssen wir nach unseren Untersuchungen
die Deutung K.’s, dass die Erythrocyten bei Magencarcinom sich durch
ein besonderes Absorptions- und Assimilationsvermögen für Eiweiss-
producte auszeichnen, ablehnen. Wir glauben gerade durch unsere Mit¬
tbeilungen dargethan zu haben, in wie weitgehendem Maasse die Zusammen¬
setzung der Blutkörper unabhängig ist von der des sie umgebenden Mediums.
Auffallend hoch ist der Cholesteringehalt der rothen Blut¬
körper im Fall IX, der noch interessanter'wird durch den Nachweis
von Cholestcrinestern in den Blutkörpern, die normal nicht
gefunden werden. Es mögen in diesem Zusammenhänge die Befunde
Difitized
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
356
H. Beumer und M. Bürger,
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Wacker’s (15) zum Vergleich herangezogen werden. W. fand „die Menge
der sogenannten unverseifbaren Substanzen und damit auch des Chole¬
sterins im menschlichen Depotfett bei Carcinom stark vermehrt“, fügt
aber hinzu, dass er den gleichen Befund bei chronischer Sepsis und bei
Stoffwechselkrankheiten, wie Diabetes sowie im gelben Fett aller Per¬
sonen erhoben habe. Es ist wohl erlaubt, für W.’s Befunde von Chole¬
sterinvermehrung im Depotfett und die unseren an rothen Blutkörpern
Carcinomkranker die gleichen Ursachen anzunehmen: der erhöhte Zell¬
zerfall bei grossen Carcinomen lässt vermehrte Mengen freigewordenen
Cholesterins in das Blut gerathen; das Cholesterin wird in den Fettdepots
und also auch im Knochenmark aufgespeichert und bei der Bildung neuer
Blutkörper in vermehrter Weise herangezogen. (Vgl. auch Fall XXI, wo
gleichfalls Cholesterinester in den Blutkörpern gefunden wurden.)
Es braucht deshalb das Cholesterin des Serums garnicht merklich
erhöht zu sein, da die Resorption des Zelldetritus in den schlecht von
Gefässen versorgten Tumoren nur langsam vor sich gehen kann. Ist diese
Anschauung richtig, so müsste man besonders bei Tumoren mit starken
Einschraelzungsprocessen eine Cholesterinvermehrung der rothen Blut¬
körper erwarten. Die Fälle von Lebercarcinom zeigen den gleichen Befund.
Das Serum des Falles IX zeigt im Gegensatz zu VII nahezu nor¬
malen Trockenrückstand und Eiweissgehalt. Gerade die Gegenüberstellung
dieser beiden Fälle lehrt, dass für die Concentration des Serums weit
mehr die Ernährungsverhältnisse ausschlaggebend sind als die zur Anämie
führenden Umstände. Will man das Resultat dieser Betrachtungen auf
eine kurze Formel bringen, so kann man sagen: Im Zustande der
Inanition bleiben die Blutkörper intact an Zahl, Hämoglobin
und Eiweissgehalt; das Serum hingegen wird arm an Trocken¬
substanz und Eiweiss, reich an Wasser. Bei der Kachexie tritt
die Schädigung der Blutkörper in den Vordergrund: ihre Zahl ist
immer herabgesetzt, die Zusammensetzung geändert, während
die Serumzusammensetzung weniger geändert wird. In vielen
Fällen wird beides zugleich eintreten und Blutkörper wie Serum weisen
dann Veränderungen auf.
Leukämie.
46 Jahre alte Frau. Krankheit besteht seit 1 1 / 2 Jahren. Mehrfach mit Röntgen¬
strahlen behandelt, vorübergehende Besserung; grosser Milztumor, unterer Rand hand¬
breit unter dem Rippenbogen. Grosse Leber. Augenhintergrundsblutung.
Rothe Blutkörper: 4430000.
Weisse „ 270250.
Hämoglobin: 37 pCt.
Blutbild: Polynucleäre .... 53.25 pCt. Mastzellen .... 4,25 pCt.
Eosinophile .... 5,75 „
Kleine Lymphocyten . 3,7 „
Grosse „ 0,7 „
Grosse Mononucleäre 0,5 „
Specifisches Gewicht des Bjutes 1046,8.
„ „ „ Serums 1024,8.
... ., . 625 Serum.
Volumquotient - 3 ^- 5 ,-g- -
Gck igle
Myelocyten .... 11,7 „
Myeloblasten . . . 2,0 „
Kernhaltige Rothe. 1,0 „
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UNIVER5ITY OF MICHIGAN
Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc.
357
Im Harn vermehrtes P 2 0 ß ; in mehrwöchiger Untersuchung schwankt -
P 2 U 5
Harnsäure
zwischen 4,7 maximal und 3,1 minimal (normal 5,0). —-zwischen 0,130 und
0,237 (normal 0,333).
Bei gleich bleibender Nahrungszufuhr schwankten die absoluten Werthe für Harn¬
säure zwischen 0,9 und 0,2, für P 2 0 ß zwischen 4,3 und 2,2 in der 24 ständigen Harn¬
menge. Die Werthe für P 2 0 ß lagen durchweg bei 3,0 bei einer Nahrung, die ungefähr
4,0 P 2 0 ß enthielt.
Die Zusammensetzung des leukämischen Blutes erinnert an die des
chlorotischen, darauf hat schon Erben (6) hingewiesen. Die Blutkörper
sind eiweiss- und hämoglobinarra und wasserreich. Wir untersuchten
360 ccm Blut in 3 Fractionen. Einmal rothe Blutkörper und Leukocyten
gemeinsam, dann in je einer weiteren Fraction Leukocyten und Erythro-
cyten gesondert.
1000 g
Erythrocyten
u. Leukocyten
enthalten
1000 g
Erythrocyten
enthalten
1000 g
Leukocyten
enthalten
Trockenrückstand . .
209,420
Eiweiss.
149,720
—
—
Totalextract.
9,647
4,322
36,864
Lecithin.
—
2,960
24,970
Cholesterin.
—
0,890
4,818
Cholesterinester . . .
0
0
0
Da wir bei unseren Untersuchungen auf Cholesterinester in den Blut¬
körpern gestossen waren, erschien es uns möglich, dass diese aus Leuko-
cytenverunreinigungen stammten. Deshalb wurde in dem leukocytenreichen
Blut dieses Falles versucht, die Frage nach dem Cholesterinestergehalt
der weissen Zellen zu entscheiden. Die durch Centrifugiren abgetrennten
Leukocyten wurden zuletzt in Wasser aufgeschwemmt, dabei wurden die
letzten noch anhaftenden Rothen hämolysirt; es gelingt dann durch Fil¬
tration die Stromaverunreinigungen, die das Filter passiren (Abderhalden),
von den zurückbleibenden Leukocyten sauber zu trennen.
Im Uebrigen wurde in der üblichen Weise verfahren. Die Tabelle
zeigt, dass die Leukocyten keine Cholesterinester enthalten. Der
Gesamratextract der Leukocyten beträgt etwa das Neunfache des Werthes
der Rothen.
Das Verhältniss von Lecithin zu Cholesterin beträgt abgerundet bei
den weissen 5 : 1, bei den rothen 3:1. Der grössere Gehalt der weissen
Zellen an lipoiden Substanzen ist besonders deshalb bemerkenswerth, weil
die Gesammtoberfläche der Leukocyten in 1000 g in Folge des grösseren
Volumens und der grösseren Oberfläche des einzelnen Leukocyten eine
beträchtlich kleinere ist; gleiche Dicke der „lipoiden Zellhülle u bei rothen
und weissen vorausgesetzt, müsste demnach eine grosse Masse der Fett¬
körper bei den Leukocyten als Zelleinschlusslipoide vorhanden sein, das
ist durch histochemische Untersuchungen schon längst wahrscheinlich
gemacht.
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 94
Digitized by
Go igle
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
358
H. Beumer und M. Bürger,
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Das Serum besitzt einen Trockenrückstand und Eiweissgehalt, der an
der unteren Grenze der Norm liegt; der Fettgehalt dagegen ist bedeutend
erhöht; Erben hat in einem Fall von lymphatischer Leukämie den
gleichen Befund erhoben, während der von ihm untersuchte Fall von
myelogener Leukämie normale Extractzahlen zeigt. Eine zufällige Ver-
dauungslipämie können wir ausschliessen; eine übermässige Fettzufuhr
hat nicht stattgefunden: Es wurden täglich 155 g Fett aufgenommen.
Die Erklärung für diesen relativ hohen Fettgehalt des Serums der
Leukämischen ist schwer zu geben; der gesteigerte Leukocytenzerfall,
den man dafür verantwortlich gemacht hat, reicht kaum aus, um die
Werthe so anwachsen zu lassen: 1000 g Leukocyten liefern günstigsten
Falls 40 g Fett, eine Menge, die im Verhältniss zu den täglich an¬
genommenen und assimilirten Fettmengen doch nur gering ist und die
durch Zellzerfall an einem Tage wohl kaum frei wird. In unserem Falle
ist diese Vorstellung schon deshalb abzulehnen, weil die Phosphatide und
das Cholesterin nicht erhöht sind, trotzdem ein Zellzerfall aus den hohen
Phosphorwerthen des Urins wahrscheinlich gemacht ist.
Icterus und Cholämie (3 Fälle).
Fall II. 55 Jahre alte Frau. Carcinom der Gallenwege, Gallengangsverschluss,
Cholämie. Hb. 70/80. (Sectionsbefund.) Rothe Blutkörper 4570000, weisse 7600.
W. L. R. negativ.
Fall XXVL1. 48 Jahre alte Frau. Carcinom der Gallenwege, Cholämie. (Sec¬
tionsbefund.)
Fall XXIII. 40 Jahre alte Frau. Sepsis, hämolytische Streptokokken nachge¬
wiesen. Icterus. (Sectionsbefund.)
1000 g Serum enthalten
1000 g Blutkörper enthalten
11
XXIIt
XXVII
11
XXIII
XXVII
Freies Cholesterin.
*)
0,798
2,469
0,784
0,926
1,297
Cholesterinester.
*)
0,257
1,385
*)
0,187
0,438
Gesammtcxtract..
11,438
10,237
22,395
7,253
5.710
5,235
Lecithin.
3.392
2,577
i 5,866
1
3,166
2,551
3,426
*) Nicht untersucht.
Da die Zahlen für Trockensubstanz, Eiweissgehalt von Blutkörperchen
und Serum hier keine Besonderheiten bieten, soll in Folgendem nur von
den Lipoiden des Serums und den rothen Blutkörperchen, die in diesen
Fällen ein besonderes Interesse bieten, gesprochen werden.
Der Icterus geht mit einer Erhöhung des Cholesterins im
Blute einher. Das ist seit den Untersuchungen von Flint und anderen
bekannt. Nimmt man an, dass die Leber das Ausscheidungsorgan für
das Cholesterin ist, so ist ohne weiteres klar, dass behinderter Gallen¬
abfluss eine Rückstauung von Cholesterin im Blute zur Folge hat. Doch
wird diese Anschauung bestritten. Weintraud sagt jm v. Noorden’schen
Handbuch: „Nach unserer heutigen Kenntniss wird die Leberzelle weder
als Bildungsstätte, noch überhaupt das Organ als Ausscheidungsort für
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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc.
359
das im Blute dauernd vorhandene Cholesterin angesehen.“ Will man dem
beipflichten, so sind die hohen Werthe für Cholesterin und Cholesterinester
im Serum des Falles XXVII unverständlich. Normale menschliche Galle
enthält im Mittel etwa lpCt. Cholesterin. Im Serum XXVII finden sich
2,469 freies und 1,385 gebundenes Cholesterin (Cholesterinester). Der
Gehalt des Serums an Cholesterin ist auf das 3 fache gestiegen. Nach
Wein trau d stammt das Cholesterin der Galle lediglich von abgestossenen
Epithelien der Gallenwege her. Wir müssten für unseren Fall danach
die Annahme machen, dass 5—6 g so frei gewordenen Cholesterins in
Folge der Gallenstauung ins Blut gerathen seien. Das ist schwer denk¬
bar. Es bleibt gerade für diese Fälle als einfachste Erklärung nur die,
der Leber eine wesentliche Rolle im Cholesterin-Haushalt zu vindiciren,
derart, dass das überschüssige Blutcholesterin zum Theil wenigstens durch
dieses Organ über die Gallenwege aus dem Körper ausgeschieden wird 1 ).
Behinderter Gallenabfluss ist somit eine der Hauptursachen der Cholesterin-
Anreicherung im Blute. Das der Masse nach wenig entwickelte Carcinom
dieses Falles ist nach unserer Erfahrung nicht im Stande, den Cholesterin¬
gehalt in dem beschriebenen Umfange ansteigen zu lassen, (cf. Fall XXVI.)
Im Fall XXIII wurden bei schwerem Icterus normal gefärbte Stühle
entleert. Hier hat der zwar eingeschränkte Gallenabfluss eine Hyper-
Cholesterinämie nicht eintreten lassen.
Bemerkenswerth erscheint uns der hohe Fettgehalt des Serums,
den alle drei Fälle aufweisen 2 ). Es ist zwar schon von Becquerel und
Rodier (17) auf den erhöhten Fettgehalt des Serums Icterischer hinge¬
wiesen worden, jedoch hat diese beraerkenswerthe Thatsache nirgends
gebührende Beachtung gefunden. Alle Erklärungsversuche scheitern daran,
dass wir über das Schicksal des Fettes jenseits der Darmwand unter
physiologischen Bedingungen schlecht unterrichtet sind. Ein wichtiges
Moment möchten wir nochmals hervorheben, da es uns als Fingerzeig
dienen kann, in welcher Richtung wir weiter zu suchen haben: Nach
jeder fettreichen Nahrung kann man eine sogenannte Verdauungslipämie
beobachten, die sich durch eine milchige, mehrere Stunden anhaltende
Trübung des Serums kenntlich macht. Das Gleiche findet sich, wenn
aus anderen Ursachen das Serum fettreich wird, z. B. bei der diabeti¬
schen Lipämie. Das Fett ist dabei in Form einer sehr feinen Emulsion
im Blut vorhanden und in Form von Häraokonien (Paltauf in Krehl und
Marchand’s Handbuch) sichtbar. Anders liegen die Dinge bei der Cholämie;
1) Ein Fall von acholurischem Icterus mit Splenomegalie schied die 10 fache
Menge Coprosterin aus wie ein gleich ernährter Gesunder; die Ursache dafür ist die
in diesen Fällen bestehende Polycholie.
2) 4 weitere Fälle von schwerem Icterus zeigten folgende hohe Extraktzahlen
für 1000 g Serum:
Hypertrophische Lebereirrhose mit starkem Icterus . . 12,551 g
Choledochusverschluss (Operation) . 9,893 g
Schwerer katarrhalischer Icterus.16,701 g
Cholangitis, Icterus chron. 11,479 g
Im Gegensatz hierzu betrug bei dem acholurischen Icterus die Extraktmenge aus
1000 g Serum nur 5,349 g.
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360
H. Beumer und M. Bürger,
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hier wurde, obwohl das Serum einen Fettgehalt aufwies, der einer
diabetischen Lipämie gleichkam, ein absolut klares, durch
sichtiges Serum beobachtet. Nun hat die Galle fettlösende Eigenschaften,
und es ist sehr wohl denkbar, dass sie, wie ira Experiment, eine Emulsions¬
bildung verhindert, wenn sie in reichlichem Maasse ins Blut Übertritt. Die
Emulsion bedingt eine starke Oberflächenvergrösserung und bereitet den
Zellfermenten, die sicher bei der Assimilation des Fettes irgendwo und
irgendwann thätig sind, eine breitere Angriffsfläche. Fehlt die Emulsions¬
bildung, so würde durch die hier entwickelte Vorstellung die Assi¬
milation auch geringer Fettmengen wesentlich erschwert, und das Resultat
ist die Lipämie.
Im Fall XXVII kann man in Analogie mit den Beobachtungen bei
Diabetes von einer cholämischen Lipämie sprechen. Dabei ist zu be¬
merken, dass das Serum absolut klar und durchsichtig und nicht das
milchige Aussehen der diabetischen Lipämie zeigt. Diese Befunde sind
um so auffallender, als die Fettresorption bei Gallenabschluss ja be¬
deutend herabgesetzt ist. In unseren Fällen wurde eine sehr fettarme
Nahrung gereicht, sodass eine alimentäre Lipämie mit Sicherheit aus¬
geschlossen werden kann. Ausser bei Phosphorvergiftung ist über
Lipämien in Folge Leber- oder Gallengangserkrankung wenig bekannt.
Die Analyse der Blutkörperchen ergab nur geringe Abweichungen
von der Norm. Vergegenwärtigt man sich die hohe hämolytische Kraft
der gallensauren Salze (taurocholsaures Natron löst noch in Verdünnungen
von 1 : 600), so ist das Ausbleiben einer Hämoglobinämie bei schwerem
Icterus immer wieder auffallend. Es ist naheliegend, die Ursachen
dafür in Veränderungen der rothen Blutkörperchen zu suchen. In der
That weiss man, dass die osmotische Resistenz der rothen Blutzellen
solcher Kranker erheblich erhöht ist, man ist aber nicht berechtigt,
daraus auf einen erhöhten Schutz auch gegen die Gallensäuren zu
schliessen, denn Hämolyse durch Hypotonie und durch gallensaure
Salze 1 ) sind wesensverschiedene Vorgänge.
Icterische Sera üben auch gegenüber normalen Blutkörpern keine
hämolytische Wirkung in vitro aus. Demgegenüber muss darauf hin¬
gewiesen werden, dass es neuerdings gelungen ist, Kaninchen durch
intravenöse Galleninjection hämoglobinämisch und hämoglobinurisch zu
machen. So plötzliche Ueberschwemmungen mit gallensauren Salzen
können aber nur durch das Experiment gesetzt werden, und die Ver¬
hältnisse der menschlichen Pathologie sind damit nicht ohne Weiteres
zu vergleichen. Dass in Fällen höchstgradiger Cholämie der Schutz des
Serums gegenüber den hämolytischen Wirkungen der Galle einmal ver¬
sagen kann, zeigt der Befund von geringen Mengen Eisen im Serum des
Falles XXVII.
Es verdient hervorgehoben zu werden, dass im Fall II und XXVII
messbare Mengen von Cholesterinestern in den rothen Blutkörpern nach-
1) Die Hämolyse durch gallensaure Salze scheint von der durch Lipoidlösungs¬
mittel verschieden zu sein, indem durch jene auch Eiweisskörper aufgelöst werden,
cf. Höher (18).
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Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten etc. ’
361
gewiesen werden konnten und daraus eine Vermehrung des Gesaipmt-
cholesterins resultirt Ob man diesen Befund in Zusammenhang bringen
darf mit den erwähnten Resistenzänderungen gegenüber hypotonischen
NaCl-Lösungen, müssen wir vorerst dahingestellt sein lassen. Denkbar
ist das um so eher, als bei einer Form des Icterus, die nach Oulraont
und Boidin (19) mit Hypocholesterinämie einhergeht, die osmotische
Resistenz jedes Mal vermindert ist, und dieser Erscheinung sogar eine
pathognostische Bedeutung zugewiesen wird.
Man kann daran denken, dass der hohe Fettgehalt mit der Er¬
krankung der Milz zusamraenhängt. Umber und Brugsch (20) zeigten,
dass nächst dem Pankreas die Milz hochwirksame fettspaltende Fermente
enthält; der Ausfall einer fettspaltenden Function der Milz könnte sich
durch eine Vermehrung des Serumfettes geltend machen. Von anatomi¬
scher Seite (W.H.Schultze) (16) wird gleichfalls neuerdings dieVermuthung
geäussert, dass physiologisch die Milz am Fettstoffwechsel Antheil hat.
Andererseits wollen amerikanische Autoren gefunden haben, dass bei
Anämien der Fettgehalt des Serums steigt; sie bringen diese Erscheinung
mit einer mangelnden Oxydationskraft des anämischen Organismus in
Zusammenhang. In dieser allgemeinen Fassung trifft die Behauptung
sicher nicht zu, wie u. A. unsere Zahlen in den Fällen von perniciöser
Anämie zeigen.
Literatur.
1) H. Hirschfeld, Polycythämie und Plethora (mit Literatur bis 19J2). Samml.
zwangl. Abhandl. a. d. Geb. d. Verdauungs- u. Stoffwechselkrankh. Bd. 4. H. 2.
W. Wp in trau d, Polyglobulie und Milztumor. Zeitschr.f.klin. Med. 1904. Bd.55.
R. Pal tauf, Pathologie der rothen Blutkörperchen in Krehl und Marchand,
Handb. d. allg. Pathol.
2) Arronet, cit. nach Hammarsten. Lehrb. d. phys. Chemie.
3) Hirschfeld, Med. Klinik 1906. Berl. klin. Wochenschr. 1907.
4) Abderhalden, Zeitschr. f. Biolog. Bd. 43.
5) Literaturbei Härter, Die pemiciöse Anämie. Beihefte z. Med. Klin. 1911. H.12.
6) F. Erben, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 40.
7) Jaksch, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 24.
8) Syllaba, Arch. g6n. d. m6d. 1904.
9) Faust und Tallquist, Archiv f. experim. Pathol. Bd. 57.
10) Schminke und Flury, Archiv f. experim. Pathol. Bd. 64.
11) F. Röhmann, Ueber die Cholesterase der Blutkörperchen. Berl. klin.Wochenschr.
1912. Nr. 42.
12) E. Biernacki, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 24.
13) Seo Y., Archiv f. experim. Pathol. Bd. 61. Cit. nach Krehl u. Marchand.
14) A. Krokiewicz, Wiener klin. Wochenschr. 1912. Bd. 25. No. 7.
15) L. Wacker, Zeitschr. f. phys. Chemie. 1912. H. 6.
16) W. H. Schultze, Verhandl. d. pathol. Gesellsch. 1912.
17) Beoquerei und Rod ier, Untersuchung über dieZusammensetzung des Blutes etc.
Uebers. vonDr. Eile mann.
18) Höher, Physiologische Chemie der Zelle und der Gewebe.
19) Oulmont et Boidin, Presse m6d. 1912. No. 20.
20) F. Umber und Th. Brugsch, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1906. Bd. 55.
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XIX.
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Aus der I. inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses
Charlottenburg-Westend (Prof. Dr. Umber).
Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten
mit besonderer Berücksichtigung der Lipoide.
IV. Mittheilung:
Diabetes und Lipämie.
Von
Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger.
Sicher weit häufiger als früher angenommen wurde 1 ), findet sich in
Fällen von schwerem Diabetes die als Lipämie bezeichnete Blutveränderung.
Gewöhnlich ist sie allerdings nicht so hochgradig ausgeprägt, dass man
sie direct beim Aderlass oder gar beim Augenspiegeln erkennt, sondern
wird erst sichtbar, nachdem sich die Blutkörperchen durch Stehen oder
Centrifugiren gesenkt haben und das Serum alsdann als völlig un¬
durchsichtige weisse Rahmschicht darüber steht. Es giebt Seren mit
sehr hohem Fettgehalt wie z. B. Seren bei Icterus mit bis zu 22 pM.
ätherlöslichem Extract, die völlig klar und durchsichtig sind. Bei der
Lipämie — nicht bei alimentärer Lipämie — wird die Trübung ebenso
wie bei den chylösen Exsudaten durch eine Lipoid-Eiweissverbindung
hervorgerufen und das Serum lässt sich durch ein einfaches Ausschütteln
mit Aether allein nicht klären. Chemisch charakterisirt sich die diabetische
Lipämie durch eine Vermehrung nicht nur des Fettes, sondern auch der
Lipoide Cholesterin und Lecithin, sodass dieser Zustand nach Kleraperer
und H. Umber besser als Lipoidämie zu bezeichnen ist. Klemperer
und H. Umber (1) fanden unter 9 Fällen von diabetischer Acidosis
8 Fälle mit Lipämie. Auch wir konnten bei 7 Fällen von schwerem
Diabetes fünfmal Lipämie constatiren, während ein jugendlicher Diabetes
und ein im Coma zu Grunde gegangener Diabetiker keine Lipämie zeigte
(s. Tabelle). Diese Befunde sprechen jedenfalls für ein sehr häufiges Zu¬
sammengehen von Acidosis und Lipämie und es scheint auch wirklich ein
gewisses Abhängigkeitsverhältniss der Lipämie von dem Grade der
Acidosis zu bestehen. XIX und XIV stellen solche Fälle dar, bei denen
1) Wenn Regler an seinem Eppendorfer Material unter 180 Diabetesfallen nur
2mal Lipämie findet (Münchener med. Wochenschr., 1913, No. 16), können wir uns
das nur dadurch erklären, dass er bei seinen Fällen keine Trennung von Blutkörperchen
undSerum vorgenommen hat, wodurch erst in leichteren Fällen die Lipämie zu Tage tritt.
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Diabetes und Lipämie.
1000 g Serum enthalten l ):
363
ätherlös-
lichen
Extraet
Lecithin
freies
Chole¬
sterin
Chole¬
sterin¬
ester
Fett¬
säuren
Trocken¬
substanz
Eiweiss
Fe
XIV. Leichter Alters¬
diabetes, 70 j ähr. Mann,
Arteriosklerose
7,070
1,437
0,357
0,279
—
96,730
74,182
—
XV.Coraadiabeticum,Aci-
dosis,Lipämie, 17jähr.
Mädch.,i.Coma gestorb.
27,954
3,251
1,661
3,146
1
2,196
108,179
56,205
■
XIX. Schwerer Diabetes,
Acidosis, 25jähr. Frau,
keine Lipämie
9,739
4,514
0,728
2,338
1,522
83,246
62,534
XXIV. Schwerer Diabetes,
Acidosis, Lipämie,
30jährige Frau 1 2 )
33,376
5,571
1,441
4,450
1,452
117,094
68.851
XXX. Mittelschwerer Dia¬
betes, keine Acidosis,
Lipämie, 50jähr. Mann
18,337
3,460
0,919
3,204
1,182
1000 g Erythrocyten enthalten:
XIV. Leichter Alters¬
diabetes, 70jähr. Mann,
Arteriosklerose
5,264
1,939
0,950
0,157
I
361,164
325,941
XV.Comadiabeticum, Aci¬
dosis, Lipämie, 17jähr.
Mädch., i. Coma gestorb.
6,164
2,669
0,788
Spuren
0,514
342,423
326,587
1,020
XIX. Schwerer Diabetes,
Acidosis, 25jähr. Frau,
keine Lipämie
4,400
2,488
0,640
Spuren
0,630
XXIV. Schwerer Diabetes,
Acidosis, Lipämie,
30jährige Frau
5,229
3,529
0,954
375,769
352,034
1,325
mit einer erheblichen Acidosis eine ausgeprägte Lipämie bestand. Bei
XIX war nach drei Hafer- und einem Gemüsetag die Linksdrehung
von 0,3 auf 0,0 (von 15,8 auf 0,0 ^-Oxybuttersäure) gesunken, zugleich
die manifeste Lipämie verschwunden, das Serum vollkommen klar und
die oben angeführten Zahlen zeigen nur einen wenig erhöhten Fettgehalt
des Serums. Auffallend ist das Fortbestehen einer deutlichen Cholesterämie
— die Cholesterinwerthe betragen das Dreifache der Norm — woraus
1) Bezüglich der Untersuchungstechnik cf. unsere frühere Mittheilung.
2) Mit Rücksicht auf die Rolle, dieWacker und Hueok (Zeitschr. f.phys. Chem.,
1913, Bd. 71) den Nebennieren im Cholesterinhaushalt vindiciren, mögen hier die
Cholesterinwerthe der Nebennieren dieses imComa verstorbenen Falles angeführt werden:
Gewicht der Nebennieren feucht 13,3 g
trocken 4,096 g
freies Cholesterin 0,017 g
Cholesterin als Ester 0,113 g
Die Zahlen entsprechen ungefähr der Norm, eine pathologische Verminderung, wie sie
Kawamura (Die Cholesterinesterverfettung. Fischer. Jena 1911) in seinen Diabetes¬
fällen fand, liegt in diesem uncomplicirten Fall von Coma diabet. nicht vor.
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364
H. Beumer und M. Bürger
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hervorgeht, dass sich der Körper entweder des Cholesterins und seiner
Ester nur langsam und schwer entledigen kann — über die Ausscheidung
des Cholesterins ist ja noch nichts Sicheres bekannt — oder aber es
bleibt gewissermaassen eine verkappte Lipämie bestehen, die beim Steigen
der Acidosis leicht wieder zur manifesten Lipämie führen kann. Bei XXIV
wurde das Blut während der Lipämie untersucht, nach einer diätetischen
Einstellung war die Acidosis sehr gesunken und auch zugleich die Lipämie
verschwunden.
Bei den engen Beziehungen zwischen Acidosis und Lipämie wurde
häufig der Versuch gemacht, ihr Auftreten aus denselben Ursachen her¬
zuleiten, die eine Acidosis herbeiführen, oder sie mit den durch die Aci¬
dosis gegebenen Verhältnissen im Stoffwechsel in Zusammenhang zu
bringen. Zumal die Auffassung, in der Lipämie nur den Ausdruck eines
rückläufigen Fetttransportes aus den Fettdepots zu den Verbrennungs¬
stätten des Körpers zu sehen, nicht ausreichend und die reiche Vermehrung
der Lipoidsubstanzen einen gleichzeitigen Zellzerfall zu fordern schien,
lag es nahe, an einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Acidosis zu
denken. Denn dass der acidotische Organismus zwecks Erschliessung
neuer Zuckerquellen auch sein eigenes Eiweiss zugleich mit dem Fett
angreift, scheint nach den neueren Anschauungen über die Zuckersynthese
im Körper aus Fett und Eiweiss doch ziemlich wahrscheinlich. Der er¬
höhte Eiweisszerfall braucht dabei nicht nothwendiger Weise in der
N-Bilanzin Erscheinung zu treten [partieller Eiweissabbau F. Uraber’s (2),
Falta (3)]. Das noch nicht geklärte Auftreten von Kreatin im Urin, das
auch in unseren Fällen sich zeigte, kann im Sinne erhöhten Zellzerfalls
gedeutet werden. Der hohe Gehalt des Serums an Cholesterinestern
macht ein vorausgehendes Freiwerden von Fettsäuren wahrscheinlich,
wie dies auch bei anderen regressiven Veränderungen gefunden wurde
(Atheromatose der Aorta). Klemperer und H. Umber berechnen
alles gefundene Cholesterin als Ester. Aus unseren Zahlen geht hervor,
dass ein nicht unbeträchtlicher Antheil in Form freien Cholesterins vor¬
handen ist.
B. Fischer (4) fand, dass sich der Fettgehalt des lipämischen Blutes
nach wochenlangem Stehen nicht änderte, dagegen nach Zusatz von
normalen rothen Blutkörperchen eine erhebliche Verminderung erfuhr.
Er glaubte daher die Ursache der Lipämie in einem erloschenen Fett¬
spaltungsvermögen des Blutes gefunden zu haben. Wahrscheinlich ge¬
macht wurden diese Befunde durch die Feststellung Konnstein’s und
Michaelis’ (9), die ein lipolytisches Ferment der rothen Blutkörperchen
gefunden zu haben glaubten, das also den Blutkörperchen bei der Acidosis
fehlte. Klemperer und H. Umber konnten die Versuche Fischer’s,
Konnstein’s und Michaelis’ (5) nicht bestätigen und führen sie auf
Mitwirkung von Bakterien zurück. Auch wir konnten durch eine Versuchs¬
anordnung, bei der wir lipämisches Serum einerseits mit den dazu¬
gehörigen Blutkörperchen, andererseits mit den Blutkörperchen eines
normalen Menschen 24 Stunden im Brutschrank digerirten, kein Schwinden
des Fettgehalts constatiren. Ein Eingehen auf die Serolipase Hanriot’s,
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Original fro-m
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Diabetes und Lipämie.
365
die auch zur Erklärung der Lipämie herangezogen wurde, erübrigt sich
nach den Feststellungen Doyon’s und Morel’s (6).
Soweit wir orientirt sind, gingen die in der Literatur niedergelegten
Fälle von diabetischer Lipämie stets mit einer Acidosis einher, sodass
Schwarz dies Verhalten sogar so formulirt hat: keine diabetische Lipämie
ohne Acidosis. Dass dies nur bedingt richtig ist, zeigt unser Fall XXX,
der einen mittelschweren Diabetes ohne eine Spur von Acidosis darstellt.
Hier war das Serum ganz milchweiss und ist, wie die Tabelle zeigt,
auch in seiner chemischen Zusammensetzung nicht von den anderen
diabetischen Lipämien zu unterscheiden. Der Verdacht, es könne sich
um eine alimentäre Lipämie handeln, wurde durch zwei Blutentnahmen
in nüchternem Zustand am Morgen ausgeschaltet. Da der Mann zu¬
verlässig nur ein sehr mässiges Potatorium angiebt, ausserdem seit
14 Tagen alkoholfrei gelebt hat, wäre die Annahme, im Potatorium die
Ursache sowohl für den Diabetes, als auch für die Lipämie zu erblicken,
nur sehr gezwungen. Es muss daher gesagt werden, dass, wenn auch
die meisten diabetischen Lipämien von einer Acidosis begleitet sind, es
doch auch seltene Fälle giebt, bei denen eine einwandfreie Lipämie ohne
Acidosis besteht. Die Erklärung für das Zustandekommen der diabetischen
Lipämie wird hierdurch nicht erleichtert. Eine weitere Stütze dafür, dass
die diabetische Lipämie nicht unter allen Umständen an das Auftreten von
Acetonkörpern im Urin gebunden ist, bot uns die Beobachtung eines schwer
diabetischen Mannes mit ausgesprochener Acidosis, Kreatinurie und schwerer
Lipämie. Es gelang durch diätetische Maassnahmen (kohlehydratfreie Ein¬
stellung, 100 g Hediosit pro die an 7 aufeinanderfolgenden Tagen), den
Patienten für die Dauer von 5 Tagen zucker- und acidosefrei zu machen.
Trotzdem war bemerkenswerther Weise am Morgen des 5. Tages noch
eine schwere Lipämie vorhanden. Es ist das zugleich ein Beweis dafür,
dass trotz der Zucker- und Acidosefreiheit des Urins schwere diabetische
Stoffwechselstörungen weiterbestehen bleiben können.
Auch das Verhalten der Blutkörperchen in einem so lipoidreichen
Serum war uns von Interesse zu untersuchen. Aus der Tabelle ist er¬
sichtlich, dass der Lipoidgehalt der Blutkörperchen ziemlich unbeeinflusst
geblieben ist. Sicher besteht keine Verminderung des Lecithingehaltes
der Blutkörperchen, wie sie von Erben beschrieben worden ist. Mit
anderen Untersuchern finden wir eine Eindickung der rothen Blut¬
körperchen, wie aus den hohen Trockensubstanzwerthen hervorgeht, die
umsomehr für eine Eindickung sprechen, als der Volumquotient und die
Zahl der Blutkörperchen im Sinne einer Anämie herabgesetzt waren.
Also nehmen auch die Blutkörperchen an der bei Diabetes stattfindenden
Wasserverarmung der Gewebe theil.
Bei XIX und XXV wurden Spuren von Cholesterinestern in den
Blutkörperchen gefunden.
Das Verhalten dieser Blutkörperchen zeigt aufs Neue die schon von
Hoppe-Seyler (7) hervorgehobene Thatsachc, in wie hohem Grade die
Zusammensetzung der Blutkörperchen von dem des um¬
gebenden Serums unabhängig ist. Dies trifft sowohl für den Fett-,
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366
H. Beumer und M. Bürger, Diabetes und Lipämie.
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Eiweiss- und Wassergehalt zu. Ein vermehrter Lecithin- und Cholesterin¬
gehalt des Serums braucht durchaus nicht mit einem Schwund und einer
Verarmung an diesen Substanzen in den Blutkörperchen einherzugehen.
Literatur.
1) S. Klemperer und H. Umber, Arcb. f. klin. Med. 1908.
2) F. Umber, Therapie der Gegenwart. 1901.
3) Falta, Zeitschr. f. klin. Med.
4) B. Fischer, Virchow’s Archiv. Bd. 172.
5) Konnstein und Michaelis, Ergehn, d. Phys. 3. Jahrg. I.
6) Doyons und Morel, Compt. rend. de la soc. biol. 1902.
7) Hoppe-Seyler, Med.-chem. Unters. 1866.
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XX.
Aus der I. inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses
Charlottenburg-Westend (Prof. Dr. Umber).
Ein Beitrag zur Chemie des Knochenmarks.
(V. Mittheilung der „Beiträge zur Chemie des Blutes in Krankheiten“.)
Von
Dr. H. Beumer und Dr. M. Bürger.
An die in unseren ersten Mittheilungen veröffentlichten Blutunter¬
suchungen schlossen wir in einigen Fällen Untersuchungen über das
Knochenmark an, da es bei den Beziehungen zwischen Blut und Knochen¬
mark nahelag, auch hier entsprechende Veränderungen in der Zusammen¬
setzung anzunehmen. In der Literatur finden sich über diesen Gegen¬
stand nur spärliche Angaben. Wenn wir von den Analysen Nerking’s
über das rothe und gelbe Knochenmark beim Ochsen absehen, deren
Werthe zur vergleichenden Pathologie des menschlichen Knochenmarks nicht
geeignet sind, fanden wir nur noch von Glikin, Boll und Peritz Unter¬
suchungen vor, die sich hauptsächlich mit dem Lecithingehalt des
Knochenmarks befassen. Glikin’s Untersuchungen geben ein anschauliches
Bild von den physiologischen Veränderungen, denen das Knochenmark in
seinem Lecithingehalt vom Kindes- bis zum Greisenalter unterworfen ist.
Im Kindesalter enthält das an der Blutbildung noch lebhaft betheiligte
Knochenmark ein reiches Lecithindepot, das aber in den ersten Lebens¬
jahren rasch verbraucht wird. Der ersten rapiden Abnahme folgt dann eine
langsamere aber beständige bis zum Tode. Ueber die Hauptlebensepochen
führen wir folgende Zahlen Glikin’s an, bei denen die Lecithinwerthe in
Procenten des Knochenmarkfettes wiedergegeben sind. Im Alter von
1372 Monaten enthielt das Knochenmarkfett 29 pCt. Lecithin,
2 Jahren „ „ „ 13 „ „
v n ri n 3,3 „ „
88 „ „ „ 1,8 „
Als Durchschnittswerth für die mittleren Lebensjahre nimmt Glikin
2,4 pCt. Lecithin an.
Bei unseren eigenen Untersuchungen gewannen wir das Knochenmark
aus den beiden Oberschenkelknochen, die eine Ausbeute von 15—20 g
lieferten. Nach möglichst sorgfältiger Entfernung der beigemengten
Knochenbälkchen wurde das frische Mark im Faust’schen Ventilations¬
apparat 24 Stunden, und im Vacuum weiter bis zur Gewichtsconstanz ge¬
trocknet. Die Trockensubstanz wurde einer 5 tägigen kalten Extraction
mit Acther und einer ebenso langen mit Alkohol unterworfen unter
täglichem Wechsel der Extractionsmittel. Nach dieser Behandlung lieferte
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368
H. Beumer and U. Bürger,
eine Extraction mit kochendem Chloroform keinen 1 ) Extract mehr. Das
so erschöpfte Mark diente zur N-Bestimraung mittels der Kjeldahl-
Methode. Die Verarbeitung der Extracte erfolgte in der gleichen Weise,
wie sie in der früheren Mittheilung bei den Extracten des Blutes be¬
schrieben wurde. Die Tabelle giebt die Resultate unserer Untersuchungen
wieder.
100 g Knochenmark enthalten:
Krankheits¬
diagnose
Gesunder Mann,
durch Stur*
tödtlich
verunglückt
30jäbr. Mann
XIII.
Perniciöse
Anämie, rothes
Knochenmark
64jähr. Frau
XVI.
Perniciöse
Anämie, rothes
Knochenmark
25jähr. Mädchen
XXVI.
Pankreas¬
atrophie
65jähr. Mann
XXI.
Care, oesophagi,
starke Anämie,
Knochenmark
mit rothen Inseln
50jähr. Mann
XXXI.
Acute Leukämie,
schwere Anämie,
rothes Mark
44jähr. Mann
Trockensubstanz.
81,286
28,119
21,626
37,855
42,822
52,606
Wasser.
18,714
71,881
78,374
62,145
57,178
47,394
Eiweiss.
7,133
14,284
14,944
3,860
4,541
8,258
Fett.
65,187
7,966
0,997
30,893
34.803
34,967
Lecithin.
2,152
0,427
0,719
0,242
0,963
0,612
Freies Cholesterin
0,108
0,024
0,171
0,102
0,207
0,185
Cholesterinester .
0,131
0
0,007
0,109
0,453
! 0,441
Fettsäuren ....
3,944
0,271
0,533
0,425
1,022
0,939
Fe.
0,051
0,021 1
0,0612
0,019
0,060
0,033
Bemerkungen . .
—
j
2,005 P,0 5
—
—
—
—
1
1,120 CaO
—
—
—
In Procent des Rohfetts:
Lecithin.
3,007
4,914
29,183
0,762
2,570
1,776
Freies Cholesterin
0,151
0,276
7,048
0,353
0,553
0,529
Cholesterinester .
0,183
0
0,272
0,346
1,209
1,261
Freie Fettsäuren .
5,514
2,497
21,929
1,338
2,728
2,685
Die bei unserem Normalfall gefundenen Werthe, die sehr gut mit
den Glikin’schen Angaben sich decken, zeigen, dass das Röhrenmark
des gesunden erwachsenen Menschen aus einem sehr fettreichen Gewebe
besteht. Es zeichnet sich vor den anderen Fettgeweben des Körpers
durch einen hohen Lecithingehalt aus. Der Cholesteringehalt ist nicht
wesentlich von dem der anderen Gewebsfette verschieden. Es ist
bekannt, dass die Umwandlung des gelben Röhrenmarks in rothes bei
den meisten perniciösen Anämien und einigen anderen Blutkrankheiten
vor sich geht und dieser Recurs auf eine verlassene Bildungsstätte der
Erythrocyten eine reparatorische Anstrengung des Körpers bedeutet, um
übermässige Verluste an Bluteleraenten wieder zu decken. Die den er¬
höhten Ansprüchen entsprechend gesteigerte Function findet ihren Aus¬
druck in der völlig veränderten Zusammensetzung, wie wir sie in den
beiden untersuchten Fällen von perniciöser Anämie in gleicher Weise
vorfinden. Das Fettmark ist verschwunden und ersetzt durch ein Gewebe,
wie es der Zusammensetzung eines wasserreichen Protoplasmas zukommt,
mit hohem Eiweiss- und Wassergehalt, stark herabgesetztem Fettgehalt,
im Fall XVI unter I pCt. gegen 65 pCt. der Norm. Die Unterschiede
1) Im Fall XXXI wurden auf diese Weise aus 10,0 frischem Mark noch 3 mg
einer in feinen weissen Nadeln krystallisirenden Substanz gewonnen, die nicht näher
analysirt werden konnte.
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Ein Beitrag zur Chemie des Knochenmarks.
369
zwischen XIII und XVI erklären sich wohl dadurch, dass es sich im
ersteren um eine alte Frau mit hochgradiger allgemeiner Atrophie des
ganzen Organismus handelt, während XVI ein jugendliches Individuum
darstellt, bei dem die Regenerationsfähigkeit noch in höherem Grade er¬
halten war. Bei Vergleichen der Lecithinzahlen in Procent des Fettes
finden wir im Fall XVI 29 pCt. Lecithin, die gleiche Zahl, die Glikin
für sein 13monatiges Kind anführt. Es würde also auch für die
chemischen Verhältnisse das Bild Ehrlich’s vom Rückschlag in das
Embryonale passen. Die hohen Zahlen von anorganischem P 2 O ß und CaO
im Fall XVI zeigen an, dass das Knochenmark durch einige Knochen-
bälkchen verunreinigt war, die aber auf die procentische Zusammensetzung
keinen wesentlichen Einfluss haben. Das rothe Knochenmark eines Falles
von acuter Leukämie mit schweren hämorrhagischen Haut-, Darm- und
Nierenblutungen zeigt gleichsinnige Veränderungen wie in den Fällen von
perniciöser Anämie: Die Reduction der Trockensubstanz und des Fett¬
gehalts einerseits, die Vermehrung des Eiweiss- und Wassergehalts anderer¬
seits charakterisiren die Umwandlung des Fettmarks in rothes Knochen¬
mark. Irgendwelche nur der Leukämie eigenthümliche chemische
Veränderungen des Marks lassen sich nicht erkennen.
Ganz anders als dieses rothe Knochenmark ist das rothe Knochen¬
mark der Thiere zusammengesetzt. Nercking fand beim Ochsen für das
rothe Knochenmark 3—8 pCt. Wasser, 92 pCt. Fett.
Zeigen diese beiden Fälle die hohe Regenerationsfähigkeit des Kör¬
pers, so sind die beiden übrigen XXI und XXVI charakteristisch dafür,
in welchem Maasse das Knochenmark bei einer allgemeinen Degeneration
des Körpers mit Antheil nimmt.
Fall XXVI gehört einem 65jährigen Mann mit totaler Atrophie des
Pankreas mit den entsprechenden Begleiterscheinungen einer völlig dar¬
niederliegenden Eiweiss- und Fettresorption, infolge deren er trotz aus¬
reichender Nahrung an einer regelrechten Inanition zu Grunde ging. Die
Section ergab völligen Schwund des Fettgewebes. Das Knochenmark
war von einer sulzigen gelatinösen Beschaffenheit und zeigte ein merk¬
würdig wässriges Fettgewebe, aus dem sich Wasser direct auspressen
liess 1 ). Die Analyse lehrt eine starke Verminderung aller wichtigen Be¬
standteile des Eiweisses, Fettes und Lecithins, sodass an Stelle der
geschwundenen Substanzen lediglich zur Anfüllung des leeren Raumes Wasser
getreten ist. Bemerkenswerth ist, dass trotz der Verminderung des Fettes auf
die Hälfte der Cholesteringehalt gegenüber dem normalen Knochenmark nicht
vermindert ist. Das Cholesterin hat also den Fettschwund nicht mit¬
gemacht. Die Angaben in Procent des Rohfettes zeigen dementsprechend
einen erhöhten Cholesteringehalt, also gewissermassen eine Concentration,
eine Anreicherung des Cholesterins.
Es scheint uns dieser Befund nicht unwichtig für die Frage, ob der
erhöhte Cholesteringehalt der Fettgewebe bei Hungerzuständen und
consumirenden Krankheiten bedingt ist durch erhöhten Zellzerfall oder
1) cf. Sedlmair (Zeitschr. f. Biol., 1899, 37, 25) fand das Gleiche für den
Hangerzustand.
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370 H. Beamer und M. Bürger, Ein Beitrag zur Chemie des Knochenmarks.
dadurch, dass das Fett eingeschmolzen wird und das Cholesterin zurück¬
bleibt. Im vorliegenden Fall hat jedenfalls die Erklärung die grösste
Wahrscheinlichkeit für sich, dass das Cholesterin einfach zurückgeblieben ist.
Das Knochenmark im Fall XXI einer schweren Carcinom-Anämie
zeigt eine dem Fall XXVI sehr ähnliche Zusammensetzung. Auffallend
ist der hohe Cholesteringehalt, wie ihn Wacker auch in den anderen
Fettdepots für Carcinom und andere consurairenden Krankheiten als
charakteristisch gefunden hat.
Wir sehen also, dass in Krankheiten das Knochenmark eine voll¬
ständige Veränderung in seiner Zusammensetzung im Sinne einer Regene¬
ration und Degeneration erfahren kann.
Literatur.
Glikin, Ueber den Lecithingebalt des Knochenmark bei Thieren u. Menschen.
Biochem. Zeitschr. 4. — Nerking, Zur Kenntniss des Knochenmarks. Ebenda. 10 .
— Wacker, Zeitschr. f. phys. Chem. 1912. H. 6. — Bo 11, Biochem. Zeitschr. Bd. 24.
Gck igle
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XXL
Die Oxydasereaction unter Blausäurewirkung.
(Erwiderung an H. Raubitschek, diese Zeitscbr., ßd. 12, H. 3.)
Von
Dr. Fr. Rabe,
z. Z. Assistenten der roedicinischen Klinik in Marburg.
Die Kritik der Klopfer’schen Arbeit über die W. H. Schultze’sche Oxydase¬
reaction durch H. Raubitschek in Bd. 12, Heft 3 dieser Zeitschr. hat mich veran¬
lasst, die Versuche Klopfens nachzuprüfen, die seiner Zeit unter meiner Mitwirkung
angestellt waren. Da ich mich von der Richtigkeit der Einwände Raubitschek’s
nicht habe überzeugen können, möchte ich ganz kurz die Protokolle einiger neuer Ver¬
suche mittheilen.
1. Meerschweinchen von 360 g bekommt 2 Tropfen einer ganz frisch zubereiteten
5proc. KCN-Lösung ins Maul geträufelt. Nach 2 Minuten Schwache der Hinterbeine,
nach 12 Minuten allgemeine Krämpfe und Tod.
Section und mikroskopische Untersuchung der unfixirten Oi'gane 6 Stunden nach
dem Tode nach der v. Gierke’schen Technik.
Befund: Die Nierenrinde ist schon makroskopisch deutlich gebläut, ebenso die
Herzmusculatur, die mit Immersion sehr zahlreiche feine dunkelblaue Pünktchen in
den Muskelfasern erkennen lässt.
2. Meerschweinchen von 370 g bekommt subcutan 1 ccm einer ganz frisch zu¬
bereiteten 1 proc. KCN-Lösung. Nach wenigen Secunden allgemeine Krämpfe, Tod
nach l 1 ^ Minuten.
Section und mikroskopische Untersuchung der Organe 6 Stunden nach dem Tode.
Befund wie bei 1.
3. Meerschweinchen von 340 g bekommt rectal etwa 0,2 ccm einer frisch zu¬
bereiteten 5 proc. KCN-Lösung, die theilweise wieder entleert wird. Tod unter Krämpfen
nach 3 Minuten.
Section und Untersuchung der Organe 1 / 2 Stunde nach dem Tode. Befund wie
bei 1.
4. Meerschweinchen von 360 g bekommt intracardial 0,001 KCN in Ringer ver¬
dünnt. Tod unter Streckkrämpfen nach 10 Secunden.
Untersuchung der Organe */ 2 Stunde nach dem Tode. Befund wie bei 1.
Meine Versuche haben eine Erklärung der gegensätzlichen Befunde Klopfer’s
und Raubitschek’s nicht finden lassen. Bei jeder Art der Zuführung von Blausäure
mit so rasch folgendem Tode, dass eine andere Todesursache auszuschalten war, blieb
in der Herzmusculatur und in der Nierenrinde die Oxydasereaction völlig erhalten,
und ioh kam damit zu demselben Ergebniss wie Klopfer, dass die in vitro nach¬
weisbare Lähmung der oxydirenden Zellfermente an den Organen des vergifteten
Thieres mikroskopisch nicht darzustellen ist.
Wenn Raubitschek an unseren Versuchen den langsamen Verlauf der Ver¬
giftung bei hohen Dosen monirt und zu dem Schluss kommt: „Für jeden Eingeweihten
ist es also ohne Weiteres klar, dass Klopfer mit einem zersetzten oder anderweitig
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372 Fr. Rabe, Die Oxydasereaction unter Blausäurewirkung.
verunreinigten Cyankalipräparat gearbeitet haben muss, und es ist nicht sichergestellt,
ob er seine Versuchsthiere überhaupt mit KCN getödtet hat, so ist darauf zu erwidern:
1. Ist nicht recht erklärlich, was ausser der Blausäure in einer KCN-Lösung ein
Thier unter heftigen Krämpfen in einer Stunde tödten kann. Auch in einer älteren
Lösung, die durch Zersetzung der Blausäure schwächer wirkt, können keine rasch
tödtenden Gifte entstehen. Die Kaliwirkung kommt bei der Kleinheit der Dosen und
der Kürze der Zeit nicht in Betracht.
2. Es ist bekannt, dass das käufliche KCN immer reichlich mit anderen Salzen
verunreinigt ist. Die von Raubitschek angegebene tödtliche Dosis von 0,001 g pro
Kilogramm Thier bezieht sich auf reine Blausäure und ist für KCN, von dem, falls es
rein ist, 2,5 Theile 1 Theil Blausäure entsprechen, bedeutend zu erhöhen. Ferner sind
die verschiedenen Thierarten gegen Blausäure verschieden empfindlich. Raubitschek,
der Klopfer’s Protokolle „dürftig“ findet, spricht in seiner Arbeit nur von den „ge¬
bräuchlichen Versuchsthieren w , die er benutzt hat.
3. Es ist anzunehmen, dass eine Beeinträchtigung der Zelloxydasen, wenn sie
überhaupt gelingt, am ehesten bei einer langsam verlaufenden Blausäurevergiftung
auftritt, da bei sehr rascher Vergiftung die sofortige centrale Lähmung wahrscheinlich
der Lähmung der Oxydasen zuvorkommt. Aus diesem Grunde arbeitete Klopfer mit
einem schwach wirksamen Präparat.
Auf Grund meiner Versuche kann ich also, wie Klopfer und im Gegensatz zu
Raubitschek, das Ausbleiben der Schultze’schen Oxydasereaction nicht für ein
Zeichen der Blausäurevergiftung ansehen.
Druek von L. Schumacher i 11 Berlin N. 4 .
Gougle
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XXII.
Aus der med. Poliklinik zu Rostock (Geh.-Rath Martins).
Ueber Urobilin
und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction
des mit Kupfersulfat versetzten Harnes.
Von
Dr. Theodor Hausmann.
(Mit 1 Abbildung ira Text.)
Im Jahre 1868 entdeckte Jaf f6 (1) in Königsberg zuerst im Harne
Fieberkranker, dann auch bei Leuten, die von Jaffö als gesund ange¬
sehen wurden, einen Farbstoff mit charakteristischen Absorptionsstreifen
zwischen Grün und Blau. Diesen Farbstoff konnte Jaffe auch in der
Galle nachweisen und nannte ihn deshalb Urobilin. Jaffe konnte auch
feststellen, dass im frisch gelassenen Harne ein farbloses Chromogen
enthalten sei, welches erst beim Stehen des Urins in das Urobilin über¬
gehe. Jaffe sprach die Verrauthung aus, dass das Urobilin resp. sein
Chromogen sich in der Leber bilde. Jaffe fand dann auch, dass das
Urobilin mit alkoholischer ammoniakalischer Chlorzinklösung eine grüne
Fluorescenz giebt. Als dann Vanlair und Masius (2) einen Stoff im Koth,
das Stercobilin, fanden, der auch mit Chlorzink die Fluorescenzreaction
gab, und in seinen zwischen Grün und Blau gelegenen Absorptionsstreifen
nur unwesentlich sich vom Urobilin unterschied, und als Maly (3) einen sehr
ähnlichen Körper durch Reduction aus Bilirubin darstellte — das Hydro-
bilirubin —, schien die Annahme berechtigt, dass das Urobilin resp.
Stercobilin sich aus dem Bilirubin im Darm bilde. Zwar hatten Garrod
und Hopkins (4) gefunden, dass Hydrobilirubin und Urobilin nicht voll¬
ständig identisch seien, da Hydrobilirubin 9 pCt. N und Urobilin 4 pCt. N
enthalte, doch wurde dadurch die Annahme von der Urobilinbildung aus
dem Bilirubin nicht aus der Welt geschafft, zumal von ihnen die voll¬
ständige Identität des Stercobilins und Urobilins hinsichtlich des N-Gehaltes
nachgewiesen wurde.
Vierordt(5) hat dann auf spectrophotometrischem Wege gefunden,
dass der normale Ham kein Urobilin enthält und F. Müller (6), Hoppe-
Seyler (7) u. A. stellten auf dem Wege der Fällung fest, dass der normale
Harn nur Spuren enthält — nach Müller 20 mg pro die, nach Hoppe-
Seyler ca. 80 mg —, die durch die klinische Reaction nicht nach¬
weisbar sind.
So wurde es klar, dass das Auftreten grösserer klinisch nachweis¬
barer Urobilinmengen eine pathologische Erscheinung wäre.
Gleichzeitig rückte die Lehre in den Vordergrund, dass das patho¬
logische Auftreten von Urobilin im Harn mit einer krankhaft veränderten
Leberthätigkeit Zusammenhängen müsse. So constatirte Fudakowski (8),
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 25
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374
Theodor Hausmann,
dass das Urobilin bei Leberkrankheiten und Icterus gleichzeitig mit dem
Bilirubin im Harne auftrete und C. Gerhard (9) entdeckte den Urobilin-
icterus, d. h. einen Icterus, bei dem' im Harn kein Bilirubin, wohl aber
Urobilin auftritt und zwar bei Leberkrankheiten, die sonst mit Bilirubin-
icterus verlaufen. Wenn auch später festgestellt wurde, dass bei dem
Urobilinicterus im Blute echtes Bilirubin kreist, so wurde dadurch die
Annahme eines engen Zusammenhanges zwischen Urobilinurie und Leber¬
erkrankungen nicht nur nicht geschwächt, sondern viel eher gestützt.
Die Frage der Urobilinentstehung kam in eine neue Phase, als Dick(IO)
bei Extrauteringravidität, und Bergmann (11) bei Hirnblutungen überhaupt
Urobilin im Harn nachweisen konnten. Es entstand die Lehre, dass
Urobilin sich auch im Körper direct aus dem Blutfarbstoff bilden könnte.
Eine Stütze für diese Lehre schien der schon von Virchow erhobene
Befund zu sein, dass das Hämoglobin in Blutextravasaten allmählich sich
in Hämatoidin umwandelt, welches dieselbe Farbenreaction mit dem
Gmelin’schen Reagens giebt, wie Bilirubin. Zum besseren Verständniss
der zwischen Urobilin und Bilirubin einerseits und dem Blutfarbstoff
andererseits bestehenden Beziehungen dient beifolgendes, von mir zu¬
sammengestelltes genealogisches Schema 1 ).
tlaemog/oö/n
Wir ersehen, dass ein genetischer Zusammenhang besteht zwischen
dem Urobilin und dem Hämoglobin, derart, dass aus dem letzteren unter
Eiweissabspaltung (Globin) das Hämochromogen (reducirtes Hämatin) ent¬
steht, aus dem Hämochromogen unter Eisenaustritt die drei nach Nencki
und Sieber isomeren Körper Hämatoporphyrin, Hämatoidin und Bilirubin.
Urobilin entsteht nach Nencki und Sieber leicht aus Hämatoporphyrin
durch Reduction in vitro, aus dem Bilirubin entsteht es durch Reduction
im Darm. Weiter kann nach Nencki und Sieber das Urobilin direct aus
dem Hämochromogen resp. Hämatin durch stärkere Reduction in vitro
entstehen, welcher Befund allerdings von Piloty (12) und H. Fischer
(13) bestritten wird. (Das dem Urobilin sehr ähnliche Hydrobilirubin
entsteht in vitro durch Reduction aus Bilirubin [Maly].)
1) Die Literatur über diese Frage ist einzusehen in den Lehr- und Handbüchern
der physiologischen Chemie.
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lieber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 375
Durch starke Reduction entsteht nach Nencki, Marschlewski und
Zaleski aus dem Härnochromogen das Hämopyrrhol, welches ein Methyl-
propylpyrrhol ist.
H H
y C = C
NH( |
\C = C
H H
Pyrrhol
NH
H
>C = C —
<o-A-
H
CH 3
ch 2 ch 2 ch 3
Methylpropylpyrrhol
Nun ist das Hämopyrrhol auch ein Methylpropylpyrrholderivat des
Chlorophylls, sofern aus dem letzteren durch Reduction Phyllocyanin
entsteht und aus diesem durch Reduction Hämopyrrhol. Durch Oxydation
des Hämopyrrhols aber haben Nencki und Sieber einen urobilinartigen
Körper darstellen können, welcher aber nach den Untersuchungen von
H. Fischer durch seine Löslichkeitsverhältnisse sich etwas vom Urobilin
des Harns unterscheidet. Entscheidend für diese Frage ist aber das
Experiment von Nencki und Zaleski, welche nach intravenöser In¬
jektion von Hämopyrrhol bei Kaninchen Urobilin im Harn haben auf-
treten sehen. Nach Neubauer’s (14) Untersuchungen geben alle Hämo-
pyrrholkörper die Ehrlich’sche Aldehydreaction, sowohl die vom Blut¬
farbstoff, als auch die vom Chlorophyll sich herleitenden. Jedenfalls
steht das Urobilin in engerer chemischer Beziehung zum Chlorophyll.
Uns ist aber hauptsächlich die Thatsache von Wichtigkeit, dass das
Urobilin ein Derivat des Hämoglobins ist.
So muss denn theoretisch die Möglichkeit zugegeben werden, dass
im Körper aus dem Blutfarbstoff Urobilin durch reducirende Processe
entstehen kann, zumal Ehrlich nachgewiesen hat, wie stark das Sauer-
stoffbedürfniss, d. h. die Reductionskraft des Gewebes, besonders des
Bindegewebes und Fettgewebes sei. Doch ist ein solcher Entstehungs-
raodus des Urobilins weder klinisch noch experimentell nachgewiesen worden.
Dagegen sprechen gewichtige Thatsachen für die Gesetzmässigkeit
eines anderen Entstehungsmodus.
Friedrich Müller, D. Gerhard (15), Beck (16), Riva (17) u. A.
machten die Beobachtung, dass — während sonst die Bilirubinurie immer mit
Urobilinurie vergesellschaftet ist, insbesondere auch die Bilirubinurie bei
Choledochussteinen, wo sogar vor dem Auftreten der Bilirubinurie immer
einige Zeit eine reine Urobilinurie zu beobachten ist und auch nach dem
Schwinden der Bilirubinurie eine Urobilinurie kürzere oder längere Zeit fort¬
besteht — in Fällen von absolutem Choledochusverschluss die Urobilinurie
fehlt. Müller hat in solchen Fällen den Kranken Galle innerlich verabreicht
und dann Urobilin im Harn auftreten sehen. Er hat dann, ebenso wie
auch D. Gerhard, experimentell beim Thiere absoluten Choledochus¬
verschluss erzeugt, und dann nach Einführung von Galle per os die
Urobilinurie wieder auftreten sehen. Müller zog daraus den zwingenden
Schluss, dass der Darm die Bildungsstätte des Urobilins wäre, wo letzteres
aus dem Bilirubin durch reducirende Darrabakterien resp. nascirenden
Wasserstoff entstände. Gelangt kein Bilirubin in den Darm, so kann
auch kein Urobilin gebildet werden. Diese Auffassung wurde durch die
Thatsache gestützt, dass nach F. Müller bei Neugeborenen Urobilin im
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376
Theodor Hausmann,
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Harn und nach Riva bei Neugeborenen das Stercobilin im Roth fehlt.
Spätere Untersucher haben diese Lehren voll und ganz bestätigt, so
Hildebrandt (18). Hildebrandt zog zur Stütze dieser Lehre auch die
Thatsache heran, dass die Urobilinurie nach starken Abführmitteln und
bei starken Durchfällen in Folge schneller Passage des Bilirubins durch
den Darm schwindet. Huber (19) hat dann an Thieren experimentirt und
ganz im Sinne dieser Lehre gefunden, dass bei absolutem Choledochusvcr-
schluss die geschwundene Urobilinurie wieder auftritt nach Anlegung einer
Gallendünndarrafistel. Kürzlich hat auch Fromhold (20) an einer Reihe
von klinischen Fällen bestätigen können, dass bei absolutem Choledochus-
verschluss eine Cbolecystenterostomie oder Gallefütterung Urobilin im
Stuhl und im Harn wieder auftreten lässt, während aber in analogen
Fällen nach interner Darreichung von Urobilin resp. Hydrobilirubin wohl
Urobilin im Stuhl nachgewiesen werden konnte, im Harn aber nicht,
während nach Darreichung des Chromogens Urobilin auch im Harn auftrat.
Somit steht heute fest, dass die Bildungsstätte des Urobilins in den
Darm zu verlegen ist, von wo es theilweise mit dem Koth ausgeschieden
wird, theilweise aber von der Pfortader aufgenomraen wird.
Das Schicksal des mit der Pfortader au (genommenen Urobilins ist
nun ein verschiedenes, je nachdem die Leber normal functionirt oder
nicht. Normaliter wird der grösste Theil des mit dem Pfortaderblut in
die Leber gelangten Urobilins von den Leberzellen aufgenommen und
theilweise an die Gallengänge abgegeben, theilweise zerstört, resp. in
Bilirubin zurückgewandelt. Ein kleiner Theil bloss gelangt durch die
Abführkanäle der Leber in den Kreislauf und daher sind im normalen
Harn nur Spuren von Urobilin vorhanden, die dem klinischen Nachweis
entgehen.
Etwas anders würde sich das Schicksal des Urobilins in der Leber
nach den Untersuchungen von Brugsch und Retzlaff (21) darstellen, sofern
hiernach das Urobilin fast quantitativ in der Leber zu Bilirubin verwandelt
wird und nur Spuren in den Blutkreislauf gelangen, in die Galle jedoch
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Ueber Urobilin and seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction eto. 377
kein Urobilin Übertritt. Die Autoren fanden nämlich in der vollständig
frischen Galle kein Urobilin.
Unter pathologischen Verhältnissen gestaltet sich nun der Urobilin¬
kreislauf folgendermaassen: Findet eine Gallenstauung statt in Folge Ver¬
engerung des Choledochus (Stein, Adhäsionen, Tumor) ohne vollständigen
Verschluss, so gelangt noch genügend Galle in den Darm, um als Quelle
für die Urobilinbildung zu dienen. Ein Theil dieses Urobilins wird durch
die Pfortader der Leber zugeführt, aber die in Folge der Stauung ge¬
schädigten Leberzellen nehmen das Pigment nicht auf, resp. sie ver¬
wandeln es nicht in Bilirubin, sondern lassen es in die Lymphwege
passiren, und so gelangt das Urobilin in den Kreislauf und in den Harn.
Hauptsächlich aber dehnen sich die intracinösen Gallengänge, welche nach
Eppinger’s (22) und Abramow’s (23) Untersuchungen bei Gallenstauung
sich stark ausdehnen und bersten, worauf das Urobilin ebenso wie auch
das Bilirubin in die Lymphbahnen sich ergiessen. Letzterer Vorgang kommt
auch in Betracht in den Fällen, wo durch einen Tumor im Lebergewebe
eine locale Gallenstauung zu Stande kommt, oder wenn bei Lebercirrhose
intrahepatische Gallenwege durch Bindegewebsschrumpfung stenosiren.
Beim absoluten Choledochusverschluss dagegen gelangt kein Bilirubin in
den Darm, es fehlt im Darme die Quelle der Urobilinbildung, durch die
Gallenstauung erweitern sich aber die Gallencapillaren und bersten. Es
kommt zum Icterus ohne Urobilinurie.
Bei Leberkrankheiten wiederum handelt es sich einmal um die Folge
von Gallengangscompression durch Bindegewebsschrumpfung und weiter
um lnsufficicnz des Leberparenchyms. Im letzteren Falle handelt es sich
um die Unfähigkeit der erkrankten Leberzellen, das ihr von der Pfort¬
ader aus dem Darm zugeführte Urobilin aufzunehmen, den Gallenwegen
weiterzugeben, resp. es zu Bilirubin zu verarbeiten. Das Urobilin ge¬
langt dann direct in die Lymphbahnen. Oft ist dann die Urobilinurie
mit Bilirubinurie begleitet, wenn die Insufficienz der Leberzellen oder die
Stauung einen hohen Grad erreicht hat. Immer beginnt es mit der
Urobilinurie, um erst später mit Bilirubinurie sich zu vergesellschaften, da
nach Hildebrandt’s teleologischer Auffassung das für die Niere schäd¬
lichere Bilirubin von den Leberzellen zuerst in Angriff genommen wird.
Schliesslich muss auch des in das Körpergewebe extravasirten Blutes
oder des in den Blutgefässen zerstörten Hämoglobins (Hämoglobinämie)
als Ursprung der Urobilinurie gedacht werden. Bekanntlich hat Stadel¬
mann nachgewiesen, dass beim Thier subcutan eingespritztes Hämoglobin
in der Leber zu Bilirubin umgewandelt wird. Stadelmann und andere
Autoren (Affanassiew) haben das Gleiche beobachtet bei Vergiftungen mit
blutkörperchenzerstörenden Substanzen (Toluidendiamin, Arsenwasserstoff),
und neuerdings haben auch Brugsch und Joshimoto (24) festgestellt,
dass Hämatin nach subcutaner Injection quantitativ in Bilirubin übergeht.
Es entsteht dadurch eine Pleiocholie resp. Pleiochromie (Stadelmann)
und als Folge derselben eine erhöhte Urobilinbildung im Darm. Schon
dadurch kann erhöhte Aufnahme von Urobilin in die Pfortader, die Leber
und den Kreislauf erfolgen und erhöhte Urobilinausscheidung im Harn.
Doch das weit wesentlichere Moment beruht nach Hildebrandt auf
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378
Theodor Hausmann,
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einer relativen Insufficienz der Leberzellen. Durch die erhöhte lnan-
spruchnahme der Leberzellen für die Zerstörung der Blutelemente und
Umwandlung in Bilirubin (nach Fonfick kann die Leber bis zu Veo ^ er
Gesammtmenge des im Körper circulirenden Hämoglobins in Bilirubin
umwandeln) werden dieselben relativ insufficient für andere Aufgaben,
so kommt es dann, dass zunächst das Urobilin als die für die Nieren
unschädlichste Substanz von den Leberzellen sozusagen ignorirt wird und
direct in die Lymphbahnen gelangt. Bei excessiver Inanspruchnahme der
Leberzellen durch sehr grosse zu verarbeitende Hämoglobinmengen werden
die Zellen insufficient für die Ausscheidung des Bilirubins in die Gallen¬
wege, dasselbe wird dann von den Lymphbahnen aufgenomraen, wozu
auch der erhöhte Druck in den Gallencapillaren beiträgt, wenn, wie bei
einigen Vergiftungen (Phosphor, Toluidendiamin) eine Thrombenbildung
in den Gallencapillaren (Eppinger) stattfindet. Jedenfalls ist heute die
seiner Zeit von Lieberraeister, Minkowski, Pick vertretene Lehre
von der activen Rolle der Leberzellen beim Entstehen des Icterus auf¬
gegeben, nach welcher die Leberzellen anstatt die Gallenbestandtheile in die
Gallencapillaren, dieselben activ in die abführenden Blutgefässe secerniren.
Wie auch die Vertheilung des Urobilins in der Leber unter normalen
oder pathologischen Verhältnissen sein möge, immer, nach der heute
herrschenden Darstellung, ist zur Entstehung des Urobilins der Darm
nöthig. Doch einzelne Autoren, wie Fischler (25), halten ausserdem noch
eine Urobilinbildung in der Leber für möglich 1 )- Fischler hat bei abso¬
lutem experimentellem Choledochusverschluss mit Gallenfistel nach Phos¬
phorvergiftung auch dann Urobilin in der Galle auftreten sehen, wenn
die Thiere am Auflecken der aus der Gallenblasenfistel heraustretenden
Galle verhindert wurden, wogegen eine solche Erscheinung durch die
einfache Thatsache erklärt werden könnte, dass auch in den Gallenwegen
aus Bilirubin Urobilin entstehen kann, wenn die Gallenwege durch Bak¬
terien inficirt sind (D. Gerhardt, Hildebrandt). Gewöhnlich spielt
sich dieser bakterielle Reductionsprocess im Darm ab, gelegentlich aber
kann er eben auch in den inficirten Gallen wegen Platz haben. Ver¬
ständlich werden diese Verhältnisse bei Berücksichtigung der Thatsache
(Huber), dass in Bouillonculturen von Bacillen das Bilirubin in Urobilin
umgewandelt wird.
Von anderer Seite [Herscher (27)] ist auch behauptet worden, dass
Urobilin in den Nieren entstehen könne, da in einer Mischung von Nieren¬
brei und Bilirubin in vitro Urobilin entstand. Huber weist wohl mit
Recht darauf hin, dass auch in diesem Versuch Bakterienwirkung in Be¬
tracht kommt.
Wenn ich in dem Vorhergehenden von Urobilin geredet habe, so
meine ich, sofern es den im Körper circulirenden Farbstoff betrifft, die
1) Neuerdings haben die Untersuchungen von Fromhold und Nersessoff (26)
festgestellt, dass bei Choledochusverschluss die Fütterung mit einer Galle, der durch
Aether gewisse ätherlösliche Substanzen, zu denen auch das Urobilinogen gehört,
entzogen werden, ebensowenig zur Urobilinurie führt, wie die Fütterung mit reinem
Bilirubin. Sollte sich das bestätigen, so würde das eine Modification der heutigen
Urobilinlebre involviren.
Gck igle
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Ueber Urobilin und seinen Naobweis mit Hälfe der Chloroformextraction etc. 379
Vorstufe des Urobilins, welches von Jaffö als Chromogen aufgefasst wurde,
aus dem sich erst durch Lufteinwirkung das Urobilin bilde. Diese Vor¬
stufe ist aber eigentlich nach den Begriffen der Farbstoffchemie kein
Chromogen, d. h. der farblose Stoff, der erst durch Verbindung mit Basen
oder Säuren zum Farbstoff wird, sondern ein Leukofarbstoff, d. h. ein
durch Reduction entfärbter Farbstoff. Saillet nannte diesen Leukofarbstoff
Urobilinogen, von anderer Seite wird die Benennung Leukurobilin gebraucht.
Das Urobilinogen ist farblos und hat beim Spectroskopiren keinen Ab¬
sorptionsstreifen. Nachdem Ehrlich (28) gefunden hat, dass gewisse Harne
nach Zusatz einer salzsauren Lösung von Dimethylamidobenzaldehyd eine
rothe Farbe annehmen, hat Neubauer nachgewiesen, dass diese Reaction
allen Hämopyrrholkörpern zukommt, und im Harne durch die Gegenwart
des Urobilinogens bedingt wird.
Der mit dem Ehrlich’schen Reagens behandelte urobilinogenhaldge
Harn zeigt beim Spectroskopiren neben dem Urobilinstreifen zwischen
Roth und Grün noch einen Streifen zwischen Grün und Gelb.
Somit könnte, besonders im frisch gelassenen Harn, der Urobilinogen-
nachweis genügen. Doch da beim Stehen des Harnes ein grosser Theil
des Urobilinogens in Urobilin übergeht (letzteres wird nach Charnas
(29) allerdings bei alkalischer Gährung des Harnes zum Theil wieder in
Urobilinogen zurückgewandelt), so ist für klinische Zwecke der Urobilin¬
nachweis wohl vorzuziehen.
Bekanntlich hat Jaffe eine für Urobilin charakteristische Reaction
angegeben, die er ganz zufällig gefunden hat, als er an einem Harn die
Kreatininbestimmung nach Neubauer machte, bei welcher der Ham mit
Chlorzink behandelt wird. Er beobachtete hiernach eine auffallende grüne
Fluorescenz des Harnes und konnte an dem vorhandenen Absorptions¬
streifen zwischen Grün und Blau erkennen, dass die Fluorescenz von
Urobilin herrührt. Jaffö empfahl darauf zum Urobilinnachweis eine
alkalische, stark ammoniakalischc Chlorzinklösung. Ueber drei Jahrzehnte
ist diese Jaffc’sche Urobilinprobe allgemein üblich gewesen, bis sie von
der von 0. Schlesinger (30) empfohlenen alkoholischen Zinkacetatlösung
verdrängt wurde, deren Vorzug darin besteht, dass einmal die Probe em¬
pfindlicher ist und zweitens keines Amraoniakzusatzes bedarf. Schlesinger
empfahl den Harn zu gleichen Theilen mit einer lOproc. Lösung von
Zincum aceticum in absolutem Alkohol zu versetzen und zu filtriren,
worauf bei Urobilingegenwart eine Fluorescenzbemerkbar wird.
Hildebrandt verbesserte diese Probe insofern, als er nicht die
klare Lösung des mit lOproc. Zinkacetat versetzten Alkohols benutzte
(in dieser Proportion löst sich das Zinkacctat nur theilweise in Alkohol),
sondern die durchgeschüttelte lOproc. Suspension, wodurch die Zink¬
wirkung eine stärkere wird.
Bei stark saurem Harn fällt die Probe oft undeutlich aus und dann
ist es zweckmässig, 1—2 Tropfen Ammoniak zu der Mischung zuzu¬
setzen, doch wird die Probe meiner Erfahrung nach undeutlicher durch
einen Ueberschuss von Ammoniak, oder durch den Ammoniakzusatz bei
neutralem oder alkalischem Ham. Hildobrandt empfiehlt, die Mischung
24 Stunden stehen zu lassen, da in dieser Zeit das Urobilinogen in
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Urobilin übergeht, und oft dann erst eine Anfangs undeutliche oder
schwache Probe deutlich und stark wird.
Die Zinkacetatprobe hat sich heute allgemein eingeführt, doch ist es
aus praktischen Gründen nicht immer angängig, 24 Stunden lang auf den
Ausfall der Reaction zu warten. Bei deutlicher Fluorescenz ist dieselbe
sofort und leicht zu erkennen, doch bei schwach ausgeprägter Fluorescenz
wird dieselbe von einem nicht in diesen Diitgen versirten Auge nicht erkannt.
Nach langjähriger Erfahrung empfehle ich aufs Wärmste eine andere
Probe, die höchst einfach ist und so sicher, dass jede Täuschung un¬
möglich ist. Sie ist ursprünglich von Bogomoloff (31) angegeben, ist aber
in klinischen und Aerztekreisen fast vollständig unbekannt geblieben und
wird von den Lehr- oder Handbüchern der physiologischen Chemie oder
Harnuntersuchung nicht genannt, bis auf das Buch von Neuberg „Der
Harn a (1911), wo sie kurz erwähnt wird. Und selbst in Russland, in
der Heimath des Autors, scheint die Methode in den Kliniken nicht be¬
kannt zu sein, wie aus der Moskauer Dissertation von Fromhold über
Urobilin zu ersehen ist, wo sie ganz übergangen wird. Ich selbst bin
mit der Bogomoloffschen Arbeit erst nach Abschluss meiner Versuche
und dieser Arbeit bekannt geworden, als ich im Neuberg’schen Buch
auf den Literaturhinweis gestossen war. Und so hätte auch ich beinahe
die Bogomoloff’sche Arbeit hier übergangen.
Bogomoloff fand, dassUrobilin in alkalischer Lösung durch Cuprum sulfuricum
in eine neutrale übergeführt werde und aus dieser wird dann durch Chloroform ein
carmoisinrother Farbstoff extrahirt mit einem für Urobilin charakteristischen Absorp¬
tionsstreifen. Bei saurer Reaction dos mit Kupfersulfat versetzten Harnes wird durch
Chloroform ein röthlich-gelber Farbstoff extrahirt, der gleichfalls den Urobilinstreifen
zeigt. Der Schaum des sauren mit Kupfersulfat versetzten Harnes ist braungelb, der
Harn smaragdgrün. Der Schaum des alkalischen mit Kupfersulfat versetzten Harns ist
carmoisinroth, und durch Chloroform wird aus demselben ein carmoisinrother Stoff
ausgezogen. Bogomoloff verwandte zu seiner Reaction einige Cubikcentimeter reiner
concentrirter Kupfersulfatlösung und glaubte, dass durch das Kupfersulfat das Urobilin
aus einer Verbindung mit Phosphaten frei gemacht würde. Durch vorsichtige Titration
von wässerigen Urobilinlösungen mit l j 100 Normalnatronlauge stellte Bogomoloff
fest, dass Urobilin wie eine schwache Säure sich verhalte, deren Aciditätswerth noch
schwächer wie der von Oxalsäure sei.
Ich setze zu 10 oder besser 20 ccm Harn 20 resp. 40 Tropfen
einer lOproc. Kupfersulfatlösung, wie sie zur Trommer’schen
Zuckerprobe überall bei der Hand ist. Durch den Kupferzusatz
wird auch der alkalische Harn sauer. Der Harn wird zunächst
grün, und dann bildet sich meist ein geringerer oder stärkerer
hellbräunlich-grünlicher Niederschlag, manche Harne geben
aber nur schwache Trübung nach Kupfersulfatzusatz. Darauf
gebe ich etwa 2 ccm Chloroform dazu und schwenke vorsichtig,
ohne zu schütteln, das Röhrchen mehrere Male um. Das Chloro¬
form setzt sich zunächst in Tropfen ab, wird aber bald homogen. Die
Homogenisirung kann beschleunigt werden durch vorsichtiges Schütteln des
Bodens. Bei stärkerem Urobilingehalt ist schon an dem tropfenförmigen
Chloroform eine charakteristische Färbung zu sehen, bei geringerem aber
erst nach Homogenisirung. Gewöhnlich ist die Färbung eine rosa oder orange
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Ueber Urobilin and seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraotion etc. 381
oder kupferrothe. Bei starksaurem Harn ist die Färbung eine rein gelbe,
bei alkalischem eine mehr ins Rosa spielende. Die Nuance der Färbung
ist auch von der Sättigung des Chloroforms mit dem Farbstoff abhängig,
je mehr Farbstoff in dem Chloroform gelöst, desto mehr tritt die gelbe
Nuance hervor, und je weniger Farbstoff vorhanden ist, desto deutlicher
tritt die rothe resp. rosa Nuance hervor. Wenn die Reaction eine mini¬
male ist, ist bloss ein schwacher rosa Schimmer zu bemerken, der leicht
übersehen werden kann. Daher ist es in solchen Fällen zweckmässig,
in ein zweites Röhrchen eine gleiche Menge Chloroform zu setzen
und aus dem ersten Röhrchen den kupfersulfathaltigen Harn
drüberzuschichten. Ein Vergleich der beiden Röhrchen zeigt dann, dass
in dem einen Röhrchen das Chloroform vollständig farblos ist, während
das Chloroform im danebengehaltenen anderen Röhrchen eine schwache
Färbung zeigt.
Harne, die schon ohne Kupferzusatz den Urobilinstreifen beim
Spectroskopiren erkennen lassen, zeigen nach Kupferzusatz einen stärkeren
Streifen und nicht selten wird der Streifen erst nach Kupferzusatz be¬
merkbar. Zur Aufhellung des kupferhaltigen Harnes ist es zweckmässig,
einen Tropfen concentrirter Salzsäure zuzugeben, wonach der Harn gelb
wird. In schönster Weise lässt der Chloroformauszug den Urobilinstreifen
erkennen, letzterer fehlt nur bei sehr geringem Urobilingehalt des Harnes,
also bei ganz schwach gefärbtem Chloroformauszug.
Der über dem Chloroform stehende kupferhaltige Harn lässt noch
einen deutlichen Urobilinstreifen erkennen, ein Zeichen, dass nicht der
gesamrate Farbstoff in das Chloroform übergeht. Je saurer der Harn,
desto mehr Farbstoff geht in das Chloroform über. Weitere Versuche
haben ergeben, dass nach dem Filtriren des mit Kupfersulfat versetzten
Harns das Filtrat einen Urobilinstreifen erkennen lässt und mit Chloro¬
form sich ausschütteln lässt. Der bräunliche Filterrückstand löst sich
in alkalischem Wasser (}l 10 Normalnatronlauge), die Lösung zeigt einen
schwachen Urobilinstreifen, welcher nach Ansäuern stärker wird, und lässt
sich mit Chloroform erst nach dem Ansäuern ausschütteln. Beim Stehen
bildet sich im zunächst klaren Filtrat eine Trübung resp. Fällung; wird
wieder filtrirt, so zeigt das Filtrat wieder einen Streifen, der Rückstand
löst sich wieder in Alkalien und enthält ebenfalls Urobilin, während das
Filtrat wieder beim Stehen sich trübt u. s. w. So kann man immer wieder
bei vielfacher Wiederholung der Procedur das Filtrat sich trüben sehen.
Diese Trübung wird durch Phosphate und andere Salze bedingt, wie sich
leicht nachweisen lässt.
Somit bleibt nach Kupferzusatz ein Theil des Urobilins in Lösung,
ein Theil haftet an dem gebildeten Niederschlag resp. ist gefällt worden.
Das Filtrat des kupferbehandelten Harnes zeigt ein schwächeres
Spectrum als der unfiltrirte Harn, und auch der Chloroformauszug ist
schwächer gefärbt. Der bräunliche Filterrückstand löst sich zum grössten
Theil beim Durchfiltrircn von säurehaltigem Wasser, besser noch in
alkalischem Wasser und nur schwer in destillirtem Wasser. Das
Filtrat lässt einen Urobilinstreifen erkennen und kann mit Chloro¬
form ausgeschüttelt werden, wobei das Chloroform sich charakteristisch
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färbt. Demnach wird durch das Kupfer ein Theil des Urobilins gefällt,
ein Theil bleibt in Lösung. Aus diesem Grunde darf zum Zwecke einer
quantitativen Untersuchung der kupferversetzte Harn nicht filtrirt werden.
Wohl aber darf man es thun zum qualitativen Urobilinnachweis (aller¬
dings nicht bei sehr geringem Urobilingehalt des Harnes), da das Chloro¬
form nach dem Filtriren reiner sich absetzt.
Woher kommt es nun, dass nach Kupfersulfatzusatz der Urobilin¬
streifen stärker wird oder derselbe erst danach sichtbar wird? A priori
schien es mir wahrscheinlich, dass das Urobilinogen durch Kupfersulfat
sehr schnell in Urobilin übergeführt wird. Und thatsächlieh konnte ich
finden, dass, wenn nach dem Kupfersulfatzusatz das Ehrlich’sche
Reagens hinjugesetzt wird, keine Rothfärbung des Harnes er¬
folgt und kein Streifen zwischen Grün und Gelb erscheint, falls nur das
Kupfersulfat in genügender Menge zugesetzt worden ist. Ist die Kupfer-
sulfatmcnge relativ zu gering, so wird zwar ein schwacher verwaschener
Streifen zwischen Grün und Gelb durch das Ehrlich’schc Reagens erzeugt,
aber der Streifen schwindet in kurzer Zeit, nach 5—10—15 Minuten. Wir
haben es also in der Hand, in kürzester Zeit das Urobilinogen in
Urobilin überzuführen, und brauchen nicht, wie bei dem Hildebrandt-
schen Verfahren, 24 Stunden zu warten 1 ).
Wenn ich aber an dem Harne zuerst die Ehrlich’sche Reaction
anstellte und nach positivem Ausfall (Rothfärbung des Harnes,
Streifen zwischen Grün und Gelb) das Kupfersulfat zusetzte,
so blieben die Rothfärbung des Harnes und der Streifen
zwischen Grün und Gelb bestehen. Diese Erscheinung kann meiner
Meinung nach auf einfache Weise erklärt werden. Es haben Nicolaier
und unabhängig von ihm Pröscher (32) gefunden, dass in Harnen,
welche die Ehrlich’sche Reaction geben (die Autoren kannten noch
nicht die Thatsache, dass es das Urobilinogen ist, welches im Harn
durch das Ehrlich’sche Reagens nachgewiesen wird), diese letztere
Reaction negativ ausfällt, falls vorher Forrnaldchyd zugesetzt wurde
und sic erklären dies so, dass das Formaldehyd nach einem drastischen
Ausdrucke Ehrlich’s, die aldehydbindende Gruppe der betreffenden
Substanz „verstopft“. Nun kann man sich sehr wohl vorstellen, dass
auch das Kupfersulfat die Gruppe des Urobilins, welche mit ihm in
Reaction treten soll, durch das Dimethylamidobenzaldehyd besetzt findet,
und dass dann das Urobilinogen nicht in Urobilin übergoführt werden kann.
Nun war es interessant, zu erfahren, wie sich das Urobilinogen dem
Kupfersulfat gegenüber verhalten würde, wenn zu dem Harn vorher
Formaldehyd zugesetzt wurde. Ich setzte zu der einen von 3 gleichen
Portionen Harnes Formalin, zu der andern aber nicht, und versetzte
dann beide mit Kupfersulfat, eine dritte Portion aber liess ich unbe¬
handelt. Darnach konnte ich beobachten, dass in der mit Formalin und
1) Setzen wir zu einem Harn, dessen Urobelin nach dem Verfahren von Charnas
durch alkalische Gährung in Urobilinogen übergeführt ist, Kupfersulfat bis zur sauren
Reaction hinzu, so constatiert die gleich vorgenommene spectroskopische Untersuchung
die bereits erfolgte Urobilinbildung, und das Ehrlich’sche Reagens giebt nunmehr
keinen oder nur einen ganz schwachen Urobilinogenstreifen.
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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction eto. 383
dann mit Kupfersulfat versetzten Portion der Urobilinstreifen merklich
schwächer war als in der nur mit Kupfersulfat versetzten Portion. Der unbe¬
handelte Ham zeigte annähernd den gleichen Streifen wie der Formalinharn.
Dieser Versuch spricht dafür, dass thatsächlich durch das Formalin
die Ueberführung des Urobilinogens in Urobilin verhindert wird.
Da nun das Urobilin sich erst nach Entleerung des Harns an der
Luft bildet, so dachte ich nun die Urobilinbildung vollständig hindern zu
können, wenn die Miction in ein mit Formalin beschicktes Gefäss erfolgt.
Diese Voraussetzung hat sich thatsächlich als richtig erwiesen. Wird
der Harn theilweise in ein Formalin enthaltendes Gefäss und theilweise
in ein leeres Gefäss entleert, so ist in dem formalinhaltigen Harn weder
durch Stehen noch durch Kupfersulfat ein Urobilinstreifen hervorzurufen
und auch der Chloroformauszug ist nicht urobilinhaltig, in dem formalin-
freien Ham aber lässt sich durch Kupfersulfat Urobilin nachweisen.
Es ist hierdurch klar, dass Harne, die auf Urobilin oder Uro-
bilinogen untersucht werden sollen, nicht mit Formalin con-
servirt werden dürfen, da durch das Formalin die Bildung des
Urobilins aus Urobilinogen behindert wird.
Dass hierbei eine specifische chemische Bindung und nicht etwa eine
einfache reducirende Wirkung des Forraalins im Spiele, beweist einmal
der Umstand, dass ein Formalinzusatz zu dem bereits mit Kupfer ver¬
setzten Harn keine Wirkung mehr hat, und zweitens, dass andere redu¬
cirende Substanzen (Natrium subsulfurosum, Pyrogallol, Traubenzucker etc.)
die Kupferreaction nicht beeinflussen, wenn sie auch vor dem Kupfer
dem Harne beigemengt werden.
Bemerkenswerth ist, dass nach Kupferzusatz zum urobilin¬
haltigen Harn die Schlesinger-Hildcbrand , sehe Zinkacetatprobe
keine Fluorescenz giebt, ebenso giebt das Chloroformextract eines so
behandelten Harns keine Fluorescenz. Jedoch färbt sich das Chloroform¬
extract eines mit Kupfersulfat und alkoholischer Zinkacetatlösung be¬
handelten Harnes intensiv rosaroth und zwar viel stärker als das
Chloroformextract desselben nur mit Kupfersulfat oder nur mit Zinkacetat
behandelten Harnes. Es scheinen sich die Einwirkungen des Kupfersulfates
und des alkoholischen Zinkacetates zu addiren, so dass dadurch eine
grössere Menge Urobilin extrahirbar gemacht wird.
Wird zu dem mit Kupfersulfat versetzten oder zu dem einen Urobilin¬
streifen zeigenden Harn eine schwache Kalihypermanganatlösung
tropfenweise hinzugefügt, so wird der Urobilinstreifen immer schwächer
und verschwindet schliesslich ganz. Auch der Chloroforraauszug ist dann
farblos und zeigt keinen Streifen 1 ). Man könnte daran denken, daraus
1) Man muss sieb hüten, zu viel und eine zu starke Permanganatlösung zuzu¬
setzen, denn eine stark roth gefärbte Kalihypermanganatlösung zeigt neben 7 Linien,
die unter gewöhnlichen Umständen nicht weiter auffallen, ein breites, dunkles Band,
welches das ganze grüne Feld einnimmt und von Unerfahrenen für einen starken
Urobilinstreifen gehalten werden könnte. Bei der Verdünnung der Lösung wird das
Band, ohne schmäler zu werden, immer heller, während ein breiter Urobilinstreifen
in starken Urobilinlösungen bei Verdünnung der Lösung immer schmäler wird. Die
spektralen Grundlagen des Permanganatstreifens und des Urobilinstreifens sind nicht
ganz identisch.
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eine Titrationsmethode zur quantitativen Urobilinbestimmung zu schaffen,
doch enthält ja der Harn noch andere oxydable Substanzen, und dieser
Umstand macht das Verfahren illusorisch. Uebrigens hat Ri va gefunden,
dass Urobilin durch vorsichtiges Zuträufeln von Permanganatlösung zu
Urochrom oxydirt wird, während nach Garrod reines Aldehyd das Uro-
chrom in Urobilin überführt. Urochrom hat bekanntlich kein Spectrum
und löst sich nicht in Chloroform.
Auch das Wasserstoffsuperoxyd habe ich einerPrüfung unterworfen.
Da Hildebrandt gefunden hat, dass das Urobilinogen durch Wasserstoff¬
superoxyd in Urobilin verwandelt wird, so war es zu erwarten, dass das
Urobilin selbst der oxydirenden Wirkung des H 2 0 2 Stand halten wird.
So war es auch. Weder der native urobilinhaltige Harn, noch der mit
Kupfer versetzte verliert seinen Streifen, auch der Chloroformauszug färbt
sich in gewohnter Weise, nur etwas schwächer als wie ohne H 2 0 2 -Zusatz.
Es war nun zu erforschen, ob der Chloroformauszug das Urobilin
in sich aufnimmt, wenn nach Kupfersulfatzusatz dem Harn Agentien
zugesetzt werden, die das Kupfer fällen.
Schwefelwasserstoff in kleineren Mengen zugesetzt, fällt nicht sämmt-
liches Kupfer aus, und dann färbt sich das Chloroform, wenn auch
schwächer, als wenn kein SH 2 zugesetzt wird. Ist aber durch SH 2 in grösserer
Menge alles Kupfer ausgefällt, so bleibt der Chloroformauszug ungefärbt.
Auch nach vollständiger Fällung des Kupfers durch Ferricyankalium
geht das Urobilin nicht ins Chloroform über.
Setzen wir weiter zum kupfersulfathaltigen Urobilinharn tropfenweise
Ammoniak (resp. Kali- oder Natronlauge) zu, bis alles Kupfer als Kupfer¬
hydroxyd ausgefällt ist, so zeigt das Filtrat kein Spectrum und der
Chloroformauszug desselben ist farblos. Der Filterrückstand löst sich aber
vollständig in verdünnter Salzsäure; die Lösung zeigt dann das Urobilin-
spectrum und ihr Chloroformauszug färbt sich in charakteristischer Weise.
Es wird somit das Urobilin an den Kupferhydroxydniederschlag gekettet.
Setzen wir dagegen Ammoniak im Ueberschuss hinzu, sodass sich
ein Theil des Kupferhydroxyds zu einer blauen Flüssigkeit gelöst hat, so
färbt sich der Chloroformauszug sehr schwach, und zwar mit einem vio¬
letten Schimmer, zeigt aber kein Spectrum. Nach weiterem Zusatz von
Ammoniak in einer Menge, die säramtliches Kupferhydroxyd löst, färbt
sich der Chloroformauszug nicht mehr. Die dunkelblaue Flüssigkeit eignet
sich zur spectroskopischen Untersuchung nicht; nach entsprechender Ver¬
dünnung der blauen Lösung wird ein Absorptionsstreifen vermisst. Erklärt
wird das Fehlen des Absorptionsstreifens und das Farblosbleiben des Chloro¬
forms dadurch, dass Lösungen des Urobilins in stark alkalischen Lösungen
das Spectrum verlieren und dass das Urobilin aus alkalischen Lösungen
durch Chloroform nicht extrahirt werden, wie folgende Versuche zeigen:
Schütteln wir den gefärbten Chloroformauszug des mit
Kupfersulfat versetzten Urobilinharnes mit 1 / 10 Normalnatron¬
lauge aus, so entfärbt sich das Chloroform und es färbt sich das
alkalische Wasser entweder deutlich rosa oder, wenn der Chloroformauszug
sehr stark urobilinhaltig war, gelb. Auch wird das aus ^ioo Normal¬
natronlauge bestehende Ausschüttelungswasser gelb und nicht rosa gefärbt.
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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 385
Setzt man zu einer gelb gefärbten alkalischen Urobilinlösung einige
Tropfen Normalnatronlauge zu, so wird die Lösung ebenfalls rosa, das
Gleiche geschieht, wenn wir die Lösung mit grössererMenge einer ^Normal-
resp. Vioo Normalnatronlauge verdünnen. Es scheint also ein grosser Ueber-
schuss an Alkali die gelbe Färbung hervorzurufen, während umgekehrt
die rosa Farbe dann hervortritt, wenn der Ueberschuss ein geringer ist
oder wenn Urobilin im Ueberschuss vorhanden ist. Andererseits aber ist
die Färbung auch von dem Grade der Verdünnung der Urobilinlösung
abhängig, denn eine gelbe Lösung in Alkali nimmt eine rosa Nuance an
bei Verdünnung mit Wasser, dasselbe thut eine gelbe Chloroformlösung
bei Verdünnung mit Chloroform.
Pipettirt man oder dekantirt man diese alkalische Urobilinlösung ab,
so färbt sich beim Ausschütteln derselben mit neuem Chloroform letzteres
nicht mehr. Die deutlich alkalisch reagirende Urobilinlösung giebt das
Urobilin also an das Chloroform nicht heraus, was zunächst wohl damit
zusammenhängt, dass das Urobilin als Säure mit dem Alkali gebunden wird.
An diesem alkalischen urobilinhaltigen Ausschüttelungs¬
wasser lassen sich nun die verschiedensten Versuche anstellen:
1) Erstens war zu prüfen, ob in die alkalische Lösung Kupfer mit
dem Urobilin aus dem Chloroformauszug übergeht, in welches es vielleicht
als Kupferverbindung des Urobilins aus dem Harn Übertritt. Es erzeugte
aber der Zusatz von Ferricyankaliura zu dem alkalischen Ausschüttelungs¬
wasser des urobilinhaltigen Chloroforms weder braune Fällung noch braune
Färbung. Es ist in dem alkalischen Ausschüttelungswasser also
sicher kein Kupfer enthalten.
2) Salkowski (33) hat gefunden, dass wässerige Urobilinlösungen und
urobilinhaltiger Harn die sogen. Biuretreaction geben, d. h. nach Zusatz
von Alkali durch einige Tropfen verdünnter Kupfersulfatlösung sich rosa
resp. rosa-violet färben. Ich habe nun die Biuretreaction an dem uro¬
bilinhaltigen alkalischen Ausschüttelungswasser an den verschiedensten
Proben vielfach ausgeführt und dabei gefunden, dass sie nur in den
seltensten Fällen positiv ausfällt, meistens aber resultatlos verläuft. Ob
nun das alkalische Ausschüttelungswasser gelb gefärbt ist oder rosa, ob
eine^oo-Normalnatronlauge oder^io-Normalnatronlauge zur Ausschüttelung
verwandt, ob eine Wasserverdünnung und stärkere Alkalisirung vor der
Probe vorgenommen wurde — meist war das Ergebniss das gleiche,
nämlich ein negatives. Und woher es kommt, dass an vereinzelten
Proben die Reaction gelang, vermag ich nicht zu sagen. Doch wenn
sie gelang, bildete sich nach einigem Stehen ein ganz zart violeter Nieder¬
schlag, der sich beim Ansäuern mit gelblicher Färbung löste.
3) Neutralisiren oder säuern wir das alkalische Ausschütte¬
lungswasser mit Schwefelsäure oder Salzsäure an, so lässt sich nunmehr
das Urobilin daraus durch Chloroform extrahiren, letzteres färbt sich
charakteristisch gelbroth oder gelb und lässt einen Urobilinstreifen er¬
kennen ; doch es geht nur ein Theil des Urobilins aus der sauren Lösung
in das Chloroform über, derart, dass beide gefärbt sind.
4) Auffallender Weise fehlt meist beim Spectroskopiren des
alkalischen Ausschüttelungswassers der Urobilinstreifen, oder
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es ist nur ein ganz schwacher verwaschener Streifen vorhanden, eine That-
sache, die sich mit dem Befund anderer Autoren (Fromhold) deckt, dass
Lösungen von reinem Urobilin in alkalisirtera Wasser oft den Urobilinstreifen
vermissen lassen, und die im Widerspruch steht mit der allgemein verbreiteten
und schon von Jaffd geäusserten Ansicht, dass Urobilin in alkalischen
Lösungen gegenüber dem Urobilin in sauren Lösungen einen nach Roth
hin gerückten Streifen zwischen E und b zeigt 1 ). Wird aber das alkalische,
einen Urobilinstreifen vermissen lassende Ausschüttelungswasser vorsichtig
mit Normalschwefelsäure bis zur eben sauren Reaction angesäuert, so
tritt wieder der Urobilinstreifen auf.
5) Das alkalische Ausschüttelungswasser lässt sich zur quantitativen
titrimetrischen Urobilinbestimmung verwenden. Das Urobilin als Säure
bindet das Alkali und aus der Menge der zur Neutralisation verbrauchten
^jo-Normalschwefelsäure lässt sich berechnen, wieviel Alkali durch Uro¬
bilin gebunden war. Beispielsweise wäre eine bestimmte urobilinhaltige
Chloroformmenge mit 10 ccm Vio - Normalnatronlauge ausgeschüttelt
worden. Beim Titriren des Ausschüttelungswassers mit 7 10 -Normal¬
schwefelsäure ergiebt sich, dass die durch Phenolphthalein erzeugte rothe
Farbe der Lösung nach Zusatz von 8 ccm einer bestimmten Menge
Vio -Normalnatronlauge verschwindet, dann entspricht die Menge des im
Ausschüttelungswasser vohandenen Urobilins einer Acidität von 2 auf 10
oder von 20 auf 100 2 ).
6) Setzen wir zum alkalischen Ausschüttelungswasser Phenolphtha¬
lein, so färbt es sich stark roth. Wenn wir dann spectroskopiren, so
werden wir erfreut durch die Entdeckung, dass ein sehr starker und
breiter Urobilinstreifen wieder erschienen ist. Doch unsere Freude wird
zu Wasser, wenn wir in ein Vergleichsröhrchen reine 710 -Normalnatron¬
lauge thun und Phenolphthalein zusetzen, die stark rothe Lösung zeigt
dann zu unserer grossen Enttäuschung ebenfalls einen schönen breiten
Streifen im Grünen. Es handelt sich hier also nicht um einen Urobilin¬
streifen, sondern um eine Absorption der rothen alkalischen Phenolphthalein¬
lösung.
7) Es war nun der Beweis zu führen, dass in dem alkalischen
Ausschüttelungswasser thatsächlich Urobilin enthalten ist. War dieses
eigentlich schon dadurch bewiesen, dass dasselbe nach Ansäuern einen
deutlichen Urobilinstreifen erkennen und durch Chloroform sich extrahiren
lässt, wobei letzteres sich gelb färbt und auch einen Streifen zeigt, so
musste ich damit rechnen, dass der Eine oder der Andere den spectro-
skopischen Befund noch nicht für genügend beweisend erachtet. Hat
doch kein Geringerer als Gamgee (34) den Satz ausgesprochen aus Anlass
1) Es lässt sich diese seit Jaffö vertretene Lehre von dem Absorptionsstreifen
des Urobilins in alkalischer und dann in saurer Lösung auch nach den spectrophoto-
metrischenUntersuchungen Chamas’ nicht mehr unbedingt aufrecht erhalten, welcher
Autor gefunden hat, dass die Reaction der Lösung nicht gesetzmässig den Absorptions¬
streifen beeinflusst.
2) Da geringe Mengen Alkali vom Chloroform zurückgehalten werden können, so
ist es besser, die titrimetrische Urobilinbestimmung in der alkalischen Lösung des nach
dem Verdunsten eines Chloroformauszuges zurückbleibenden Rückstandes vorzunehmen.
Google
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Ueber Urobilin and seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 387
der Urobilinfrage, dass das spectroskopische Verhalten noch nicht genüge
zur ldentificirung von chemischen Körpern. So musste an dem Aus¬
schüttelungswasser mit Hülfe einer anderen allgemein anerkannten Uro-
bilinreaction gezeigt werden, dass diese Reaction am Ausschüttelungs¬
wasser positiv ausfällt.
Ich machte also die Zinkacetatprobe nach Schlesinger-Hilde¬
brandt am alkalischen Ausschüttelungswasser. Eine lOproc. durch¬
geschüttelte Suspension von Zinkacetat in absolutem Alkohol wurde mit
der gleichen Menge Ausschüttelungswasser vermischt und filtrirt. Das
Filtrat zeigte weder Fluorescenz noch einen Absorptionsstreifen. Darauf
säuerte ich das Filtrat mit H 2 S0 4 an, und wieder erhielt ich keine
Fluorescenz, schliesslich stumpfte ich das Filtrat bis zur annähernd
neutralen Reaction mit Ammoniak ab, doch auch das half nichts.
Nach diesen Resultaten konnte es scheinen, dass der negative Aus¬
fall der Zinkacetatprobe darauf hinweise, dass eben kein Urobilin in dem
Ausschüttelungswasser enthalten sei. Doch mir sagte nach allen meinen
vorhergegangenen Versuchen dieses negative Resultat nur das Eine, dass
eben die Zinkacetatprobe sehr capriciös sei und trotz Gegenwart von
Urobilin in manchen Fällen versagen kann. Und ich probirte weiter.
Ich säuerte die Mischung des Ausschüttelungswassers mit Zinkacetat¬
alkohol an und filtrirte erst nach dem Ansäuern. Wieder ein negatives
Resultat! Und erst als ich die angesäuerte Mischung mit Ammoniak
tropfenweise bis zur annähernd ueutralen Reaction abstumpfte und dann
filtrirte, zeigte das Filtrat typische Fluorescenz. So war denn schliesslich
auch durch die Zinkacetatprobe die Anwesenheit von Urobilin im alkali¬
schen Ausschüttelungswasser bewiesen, und ausserdem wurde es evident,
wie sehr der positive Ausfall der Fluorescenzprobe von einer passenden
Reaction der Urobilinlösung abhängt 1 ), und dass die passende Reaction
nicht erst nach dem Filtriren der Mischung hergestellt werden darf,
sondern vor dem Filtriren.
8) Es wurde auch an dem alkalischen Ausschüttlungswasser die
Ehrlich’sche Probe auf Urobilinogen angestellt und es zeigte sich,
dass keine Spur von Urobilinogen drin enthalten ist.
9) Nach Ansäuern des über dem entfärbten Chloroform stehenden
alkalischen Ausschüttlungswassers geht beim erneuten Ausschütteln das
Urobilin zum Theil in das Chloroform über, das sich nun gelb färbt,
und wenn man dann die Flüssigkeit wieder alkalisirt, so geht der Farb¬
stoff wieder in die Flüssigkeit zurück. So hat man es in der Hand, durch
Alkalisiren oder durch Ansäuern der zum Ausschütteln benutzten Flüssig¬
keit das Urobilin aus dem Chloroform in die Flüssigkeit zu treiben, und
aus der Flüssigkeit in das Chloroform usw.
Nach diesen Versuchen ist es ohne weiteres verständlich, wie sich
der Chloroformauszug des mit Kupfersulfat versetzten Harnes beim Aus¬
schütteln mit aqua desti 11 ata oder mit Säuren verhalten muss.
1) Bei öfteren Versuchen dieser Art gelang es mir nur in einem Theil der Ver¬
suche auf diese Art die Fluorescenz in dem alkalischen Ausschüttelungswasser des
Urobilins zu erhalten, öfters gelang es nicht, da eben ein Zuviel von Ammoniak oder
von Säure die Reaction nicht zu Stande kommen lässt.
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Beim Ausschütteln mit destillirtem Wasser wird das urobilinhaltige
Chloroform nicht entfärbt, ins Wasser gehen nur Spuren über, kenntlich
an dem schwach-gelblichen Schimmer, wohl nicht mehr als den im
Wasser gelösten geringen Mengen von Chloroform entspricht. Eine
Zinkacetatprobe erzeugt auf keine Weise, auch nach Ansäuern und
Wiederabstumpfung mit Ammoniak, eine Fluorescenz. Wohl aber färbt
sich nach Ansäuern dieses rein wässrigen Ausschüttlungswassers und
nach Ausschüttlung mit neuem Chloroform letzteres mit einem ganz
schwachen gelbrothen Schimmer, ohne ein Spectrum erkennen zu lassen,
ganz wie wenn wir einen nur ganz geringe Mengen Urobilin enthaltenden
Harn nach Kupfersulfatzusatz mit Chloroform ausschütteln. Es beweist
auch dieser Umstand, dass das durch Kupfersulfat freigemachte und
durch Chloroform extrahirte Urobilin in so geringen Mengen ermittelt
werden könne, kenntlich an der Färbung des Chloroforms, wie sie bei
der Fluorescenzprobe leicht dem Nachweis entgehen.
Wie gering die Menge des aus dem urobilinhaltigen Chloroform in
das destillirte Wasser übergegangenen Urobilins ist, lässt sich durch Titration
mit l h 00 Normalnatronlauge bestimmen. Während, wie oben berichtet,
aus einer bestimmten Menge eines Chloroforraauszuges in 10 ccm einer
Normalnatronlauge eine Urobilinmenge übergegangen war, die einer
Acidität von 2,0 Vio Normalschwefelsäure entspricht, ging aus einer
gleichen Portion desselben Chloroforraauszuges in 10 ccm von aqua
destillata eine Urobilinmenge über, die einer Acidität von 0,04 l j 10 Normal¬
schwefelsäure entsprach.
Aehnlich verhält sich der urobilinhaltige Chloroformauszug beim
Ausschütteln mit angesäuertera Wasser, auch hier geht nur eine geringe
Menge über, jedoch mehr als in destillirtem Wasser.
Es muss noch einer Eigenthümlichkeit des urobilinhaltigen alkalischen
Ausschüttlungswassers gedacht werden. Beim Stehen an der Luft, be¬
sonders wenn von Zeit zu Zeit wieder umgeschüttelt wird, entfärbt sich
das rosa gefärbte Ausschüttlungswasser fast vollkommen in
einigen Tagen, das gelb gefärbte Ausschüttlungswasscr dagegen ist be¬
ständiger und erst nach längerer Zeit blasst es stark ab, doch kann auch
hier der Process durch häufiges Umschütteln beschleunigt werden.
Im entfärbten Ausschüttlungswasser ist kein Urobilinstreifen vor¬
handen, und im Gegensatz zum gefärbten lässt sich der Streifen auch
durch Ansäuerung nicht wieder hervorrufen. Beim Extrahiren mit neuem
Chloroform färbt sich letzteres auch nach Ansäuern des Ausschüttlungs¬
wassers nicht. Eine Biuretraction ist am entfärbten Ausschüttlungs¬
wasser nie zu erzielen. Nach Zusatz von 10 proc. Kupfersulfatlösung
färbt sich die entfärbte Flüssigkeit auch nach Ansäuern nicht grün, wie
der Harn, sondern blau und lässt keinen Urobilinstreifen erkennen, das
Chloroformextract aber bleibt farblos. Es ist ganz dasselbe Verhalten,
wie es der urobilinhaltige Harn nach Zusatz von Kali hyperraanganicum
zeigt. Thatsächlich lässt sich durch Kali hyperraanganicum der sonst
langsam vor sich gehende Process der Entfärbung am alkalischen Aus¬
schüttlungswasser momentan bewerkstelligen.
Es sind somit Oxydationsprocesse im Spiel, die das Urobilin in
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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 389
einen farblosen Körper überführen. Jedenfalls wird das Urobilin nicht
in Urobilinogen zurückgewandelt, wie die am entfärbten Ausschüttlungs-
wasscr stets negativ verlaufende Ehrlich’sche Reaction beweist.. Auf¬
fallend ist dagegen, dass sich das Chloroformextraot auch bei monate-
langem Stehen nicht entfärbt, wohl weil das Urobilin durch das Chloro¬
form vor der Oxydation bewahrt wird. Es scheint nun möglich, dass
ein urochromartiger Körper im entfärbten Ausschüttlungswasser vor¬
handen ist, wie er von Riva durch vorsichtiges Behandeln des Urobilins
mit Kalihypermanganatlösung erhalten worden ist. Ich habe versucht,
die entfärbte Lösung durch reducirende Agcntien wieder zu restauriren.
Dieses ist mir nach dem von Charnas für Urobilinlösung, die ihren
Absorptionsstreifen verloren hatten, angegebene Verfahren mittelst Zink¬
staub gelungen.
Nun muss die Frage aufgeworfen werden, woher es kommt, dass
durch Kupfersulfatzusatz zum Harne das Urobilin mit Chloroform
extrahirbar wird. Neuberg giebt in seinem Buch „Der Harn“ anlässlich
der Erwähnung der Bogomolofrsehen Arbeit kurz und ohne weitere
Begründung an, dass eine Kupferverbindung des Urobilins entsteht,
welche im Chloroform löslich ist, und im Spaeth’schen Buche „Die
Analyse des Harns“ findet sich, ohne Erwähnung des Urobilinnachweises
mittels Kupfersulfats, die kurze Bemerkung, dass das Kupfersalz des
Urobilins in Chloroform löslich ist. Ich habe aber nirgens etwas über
die thatsächliche Existenz oder die synthetische Darstellung eines Kupfer¬
salzes des Urobilins gefunden. Es müssen also die Angaben von
Neuberg und Späth auf blosser Voraussetzung beruhen.
Oben haben wir gesehen, dass in dem alkalischen Ausschüttlungs¬
wasser des urobilinhaltigen Chloroforms kein Kupfer nachzuweisen war.
Es blieb aber noch die Aufgabe, den Chloroformextract auf Kupfer zu
untersuchen. Zu diesem Zweck dampfte ich denselben bis zur Trockne
ein. Ein Theil des Trockenrückstandes wurde mit Neumann’schem
Säuregemisch 1 ) verascht und nach entsprechender Verdünnung der Asche¬
lösung mit den üblichen Reagentien auf Kupfer untersucht. Weder
Ammoniak (nach entsprechender Neutralisirung) noch Schwefelammonium
noch Ferrocyankalium gaben eine für Kupfer charakteristische Fällung
resp. Färbung. Mit der anderen Portion wurden weitere Versuche an¬
gestellt, wobei es sich herausstellte, dass der Trockenrückstand in Säuren
sich nur theilweise löst, vollständig aber'in Alkalien. Die alkalische
Lösung wurde zum Kupfernachweis benutzt, doch mit vollständig negativem
Resultat. Dann habe ich die trockne Veraschung des nach der Ver¬
dampfung des Chloroforms zurückgebliebenen Trockenrückstandes versucht.
Bei dem Veraschungsversuch sublimirtc die Substanz, beschlug die oberen
Partien der Wände des Veraschungstiegels und die untere Fläche des
Deckels mit einem braunen glänzenden Belag, während der Boden und
die unteren Partien der Tiegclwand vollkommen rein wurden. Die ganze
Substanz hatte sich verflüchtigt. Der Belag löste sich weder in Chloro-
1) Nach der Darstellung in Mohr-Beutemüller: Die Methodik der Stoflf-
wechseluntersuchungen. 1911.
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd.
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form, noch Alkalien, noch Säuren, und konnte nur mechanisch entfernt
werden.
Auch Geheimrath Robert hat die Freundlichkeit gehabt, eine Portion
des urobilinhaltigen Chloroformextractes und ein Theil des Trockenrück¬
standes, die ich ihm übergeben hatte, in seinem Institut auf Kupfer
untersuchen zu lassen, doch ebenfalls mit vollständig negativem Erfolge.
Somit ist es ausgemacht, dass in dem Chloroformextract des
Urobilins keine Kupferverbindung desselben enthalten ist, was
principiell wichtig ist, sofern wir dadurch veranlasst werden, eine andere
Erklärung für den Umstand zu finden, dass das im Harne befindliche Urobilin
durch Kupfersulfat in eine durch Chloroform leicht extrahirbare Form
übergeführt wird 1 ). Dass nicht Ansäuerung des Harnes, welche ja gewiss
durch Kupfersulfat als sauer reagirende Verbindung statthat, dieses zu
Wege bringt, zeigt der Umstand, dass wir diese Extrahirbarkeit des Uro¬
bilins durch einfachen Zusatz von Säuren nicht erreichen.
Auch scheint es mir fraglich, ob die Bogomoloff’sche Annahme
richtig ist, dass das Kupfersulfat das Urobilin aus seiner Verbindung
mit Phosphaten befreit, denn dann müssten andere wässerige Lösungen
von Metallsalzen dasselbe bewirken, doch das ist, wie wir weiter unten
sehen werden, bei den meisten nicht der Fall.
Es ist aber sehr möglich, dass hier eine Katalyse durch die ge¬
lösten Kupferionen eine Rolle spielt, durch welche eine Umlagerung im
Urobilinraolekül bewirkt wird, die dasselbe unlöslich in dem eine compli-
cirte Salzmischung darstellenden Urin und löslich in Chloroform macht
(dafür spräche die oft zu beobachtende Bildung eines das Urobilin ent¬
haltenden Niederschlages nach Kupferzusatz zum Urin), oder das Uro¬
bilinmolekül so verändert, dass sein LösungcoefGcient für Chloroform ein
grösserer wird, als für den Urin.
Bei der Frage über die Wirkung des Kupfers auf den urobilin¬
haltigen Harn muss die von Salkowski gefundene Eigenschaft von
Urobilinlösungen erwähnt werden, bei alkalischer Reaction auf Zusatz
von einigen Tropfen verdünnter Kupfersulfatlösung die sog. Biuretreaction
zu geben, d. h. sich rosa bezw. rosa-violett zu färben. Diese Eigen¬
schaft hat Salkowski zunächst an urobilinhaltigen Harnen gefunden,
dann aber auch an reinen Urobilinlösungen. Wir haben oben gesehen
(S. 385), dass diese Reaction durchaus nicht immer zu erhalten ist,
sondern sehr häufig in alkalischen Urobilinlösungen negativ ausfällt oder
wenigstens so undeutlich, dass damit nichts anzufangen ist. An Harnen
ist die Sache noch complicirter, da wegen der oft dunklen Eigenfarbe
des Harns die zarte Biuretfärbung nicht bemerkbar wird. Also practisch
ist mit der Biuretprobe an urobilinhaltigen Harnen nur selten etwas zu
erreichen, und der Versuch, den Harn nach der Biuretprobe mit Chloro¬
form auszuziehen, misslingt vollständig, da, wie wir wissen, aus alka¬
lischen Urobilinlösungen der Farbstoff nicht ins Chloroform übergeht
(s. S. 385). Wenn wir auch den Harn nach der Biuretreaction wieder
1) Bei stark urobilinhaltigen Harnen gehen ganz geringe Mengen von Urobilin
auch ohne Kupferzusatz ins Chloroform über.
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lieber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 391
ansäuern, so ist die Wirkung der Paar Tropfen verdünnter Kupfersulfat¬
lösung eine zu minimale, um das Urobilin in eine durch Chloroform
extrahirbare Form überzuführen. Es ist somit die Salkowski’sche
Biuretreaction von dem hier beschriebenen Verfahren, den Harn mit
grösseren Mengen Kupfersulfatlösung zu behandeln, principiell verschieden,
sofern hier das Urobilin so verändert wird, dass es durch Chloroform
extrahirbar gemacht wird, und dort höchstens die Farbe der Lösung
sich verändert, ohne vom Chloroform aufgenommen zu werden. Ich
habe es für nöthig gehalten, hier darauf näher einzugehen, weil nach
einem Vortrag mir eingewandt worden ist, die von mir empfohlene
Kupferprobe wäre bekannt und in allen Lehrbüchern als Salkowski’sche
Reaction beschrieben!
Nun gelangen wir zur Frage, ob ausser dem Kupfersulfat auch
andere Kupfersalze eine gleiche Wirkung auf das im Urin enthaltene
Urobilin haben, d. h. ob sie letzteres so beeinflussen, dass es durch
Chloroform extrahirbar wird. Ich habe eine 10 proc. Kupferacetat¬
lösung geprüft, und es erwies sich, dass auch dieses Kupfersalz eine
solche Wirkung hat.
Darauf musste untersucht werden, ob andere Metallsalze sich gleich
verhalten. Ich prüfte Bleiacetat, Ferrum sulfuricum, Zincum aceticum
(in wässeriger Lösung), Zincum sulfuricum, Sublimat, Phosphorwolfrara-
säure und Ferricyankalium.
Nach Zusatz von entsprechend starken, wässerigen Lösungen
von Ferrum sulfuricum, Zincum aceticum, Zincum sulfuricum
und Ferricyankalium zum Harn bleibt der Chloroformauszug
ungefärbt.
Durch Bleiacetat wird eine massige Fällung herbeigeführt. Beim
Extrahiren mit Chloroform färbt sich letzteres und lässt einen Urobilin¬
streifen erkennen. Doch erstens ist es wegen des massigen, schmierigen
Niederschlages des Chloroformauszuges schwer rein zu erhalten, und
zweitens ist sowohl die Intensität der Färbung als auch des Streifens
schwächer als nach dem Kupferzusatz.
Durch eine Sublimatlösung erhalten wir eine die Extraction sehr
störende, massige Fällung, doch ist immerhin eine, wenn auch schwache
Färbung des Chloroforms zu constatiren.
Durch Phosphorwolframsäure erhalten wir eine starke Fällung,
die aber die Extrahirbarkeit des Harnes recht stört. Das Chloroform-
extract ist gut gefärbt und lässt einen Urobilinstreifen erkennen.
Somit haben wir keinen Grund, von dem Kupfersulfat abzugehen,
welches sich sehr gut bewährt und ausserdem ein Reagens ist, welches
in lOproc. Lösung auch in dem entlegensten Erdenwinkel bei jedem
Arzt vorhanden ist, während z. B. die zur Noth brauchbare Phosphor-
wolfrarasäure nicht einmal in allen Krankenhäusern zur Hand ist. Das
Sublimat und das Bleiacetat aber sind wegen der massigen Fällung
nicht geeignet 1 ).
1) Das durch Ammonsulfat ausgesalzene Urobilin lässt sich gleichfalls mit
Chloroform aufnehmen. Wird nach dem Verfahren von Charnas in alkalischer
Gährung begriffener Harn, in welchem das Urobilin in Urobilinogen umgewandelt ist,
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Von Braunstein (35) ist eine modificirte Kupfersulfatprobe angegeben
worden, die ich nicht für ganz einwandfrei halte. Er setzt zur Kupfer¬
sulfatlösung Salzsäure und Ferrum sesquichloratum, also corabinirt das
Kupfersulfat mit dem Obermcyer’schen Reagens. Ganz abgesehen davon,
dass durch das Obermeyer’sche Reagens bei Gegenwart von Indican der
Chloroforraauszug sich blau färbt, wird erstens einmal bei Gegenwart
von Jod im Urin (nach Jodraedication) der Chloroformauszug violettroth
gefärbt, welche Färbung allerdings nach Zusatz eines Krystalls von
Natrium subsulfurosura schwindet. Weiter färbt sich bei Gegenwart von
Skatoxylschwefelsäure (aus dem im Darm gebildeten Skatol) der Chloro¬
formauszug durch das Oberracyer’sche Reagens röthlich, und diese
Färbung verschwindet nicht nach Zusatz eines Krystalles von Natrium
subsulfurosum, ganz ebenso, wie auch das durch Urobilin gefärbte
Chloroform durch Natrium subsulfurosum sich nicht entfärbt. Dadurch
werden unliebsame Complicationen in der Deutung der Reaction herein¬
gebracht. Etwas anderes ist es mit einem Zusatz von Salzsäure, welcher
auch nach meiner Erfahrung ganz zweckmässig ist.
Einmal löst die Salzsäure einen Theil des Niederschlages und klärt
dadurch den Harn, wodurch die directe spectroskopische Untersuchung
erleichtert wird. Weiter aber wird durch die Erhöhung des Säuregrades
des Harnes das Urobilin mit Chloroform besser extrahirt. Jedoch mag
die Acidität des Harnes auch noch so hoch sein, immer müssen wir
vielfach mit frischen Chloroformmengen ausschütteln, um schliesslich das
gesammte oder nahezu gesammte Urobilin aus dem Harn zu entfernen.
Es wäre daher vortheilhaft, einen Modus zu finden, mit welchem wir
schnell das gesammte Urobilin ausziehen könnten.
Ich habe nun den mit Kupfer behandelten Harn mit gleicher
Menge absolutem Alkohol versetzt und dann mit Chloroform
extrahirt. Darnach nahm das Chloroform eine dunkelbraune Farbe an und
liess einen überaus starken Urobilinstreifen erkennen, während der Harn
keinen Streifen mehr zeigte. Ich schüttelte eine gewisse Menge des Chloro-
formalkoholcxtractes eines bestimmten Harnes mit l j 10 Normalnatronlauge
aus, es wurde ein viel grösserer Theil des Alkali gebunden als aus einem
Chloroformextract des nicht mit Alkohol versetzten Harnes. (Der Acidität
52 entsprechend in dem ersteren Falle und der Acidität 20 entsprechend in
dem zweiten Fall. Bei der Berechnung muss man berücksichtigen, dass ein
Theil des Alkohols sich mit dem zur Extraction benutzten Chloroform mischt
und wieder theilweise in das alkalische Ausschüttlungswasser Übertritt.)
Eine solche vollkommene Extraction des Urobilins wäre sehr willkommen,
wenn in dem Chloroformalkoholgemisch weiter nichts als Urobilin ent¬
halten wäre. Doch das ist nicht der Fall. Ich habe das Extract ver¬
dunsten lassen und in reinem Chloroform aufgenommen. Dabei löste
sich nur ein Theil des Rückstandes des Chloroforms, der andere Theil
mit Weinsäure versetzt und mit Aether ausgeschüttelt, so geht das Urobilinogen bei
Belichtung des Aethers in Urobilin über. Lassen wir nun den Aether verdunsten, so
bildet sich ein zum Theil aus Nadeln, Crystaldrusen bestehender Rückstand, der sich
nur zum Theil in Chloroform löst; es bleiben ungelöst Nadeln und Drusen, die unter
dem Mikroskop sich als aus langen hellbraunen Nadeln bestehend darstellon.
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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 393
löste sich aber auch in grossen Chloroformmengen nicht, löste sich aber
leicht in alkoholhaltigem Chloroform, reinem Alkohol, Alkalien und
etwas schwerer in Säuren 1 ). Aus der sauren Lösung liess sich der Farb¬
stoff mit Chloroform nicht extrahiren, wohl aber nach Zusatz von Alkohol.
Alle diese Lösungen des von reinem Chloroform nicht aufgenommenen
Theiles des Rückstandes zeigten auch keinen Absorptionsstreifen, somit
entsprach dieser Körper seinen Eigenschaften ganz dem Urochrom.
Um letztere Annahme noch weiter zu stützen, löste ich den vom Chloro¬
form nicht angenommenen Rückstand in reinem Aldehyd, um nach dem
Vorgang von Garrod das Urochrom in Urobilin überzuführen. Nach dem
Verdunsten der Aldohydlösung blieb nun ein rosa-gelber Rückstand
zurück, der sich in. Chloroform mit rosa Farbe löste, unter Zurücklasson
eines geringen Restes 2 ). Die Chloroformlösung zeigte einen charakte¬
ristischen Urobilinstreifen und wurde dieselbe mit 1 / l0 Normalnatronlauge
ausgeschüttelt, so ging der Farbstoff in die Ausschüttlungsflüssigkeit über.
Letztere zeigte nach Ansäuern gleichfalls den Urobilinstreifen.
Es sei hier noch bemerkt, dass es gelegentlich gelingt, auch auf folgende Weise
das Urochrom in Urobilin überzuführen: Löst man den nach Verdunsten der Alkohol¬
mischung und nach Lösung der Urobilincomponente in Chloroform zurückbleibenden
Rückstand in Alkohol und lässt ihn im Brutschrank bei 55° verdunsten, so löst sich
jetzt wieder ein Theil des Trockenrückstandes in Chloroform, der andere Theil wird
wieder in Alkohol gelöst und bei 55° verdunstet. Nun löst sich wieder ein Theil in
Chloroform usw. Durch vielfache Wiederholung dieser Procedur kann man den grössten
Theil des Urochroms in Urobilin überführen. Somit wirkt der Alkohol ähnlich, wenn
auch nur sehr langsam auf das Urochrom, wie das Aldehyd. Doch gelingt dieses
nicht jedesmal, was wohl von der Schnelligkeit der Verdunstung des Alkohols und von
der Dauer seiner Einwirkung resp. der Einwirkung der Temperatur abhängig sein mag.
Da das Urochrom zusammen mit dem Urobilin in das alkalische
Ausschüttlungswasser übergeht, das Urochrom aber ebenso wie das Uro¬
bilin, wie sich leicht nachweisen lässt, Säurecharakter trägt und das #
Alkali bindet, so wird durch Titration des alkalischen Ausschüttlungs-
wassers mit y l0 Normalschwefelsäure die Menge des darin enthaltenen
Urobilins nicht festgestellt. Das Urochrom muss daher vom Urobilin
1) Der Umstand, dass in einem Alkohol-Chloroformgemisch auch Substanzen
sich lösen, die sich in reinem Chloroform nicht lösen, raubt den Versuchen von
H. Fischer die Beweiskraft. Fischer fand, dass das Stercobilin mit dem Urobilin
nicht ganz identisch ist, da es ausser demN-haltigenPyrrbolderivat noch einen anderen
Körper enthält (Gallensäure oder Stearin). Da Fischer in sein weitläufiges Dar¬
stellungsverfahren nicht eine Chloroformextraction eingeschoben hat, sondern mit
Alkohol-Chloroform extrahirt, so kann der andere Körper durch Alkohol mitgerissen
worden sein.
2) Trotzdem eine gewisse chemische Verwandtschaft zwischen Urobilin und
Urochrom besteht, sind sie doch genetisch voneinander verschieden, wie Klemperer
(36) nachgewiesen hat. Denn in Fällen von absolutem Choledochusverschluss, in denen
das Urobilin im Harn fehlt, ist Urochrom in normalen Mengen im Harn nachweisbar.
Zudem ist das Urochrom schwefelhaltig. Und es ist anzunehmen, dass nach Uebcr-
fübrung des Urochroms in Urobilin durch Aldehyd der in Chloroform unlösliche Rück¬
stand eben diese schwefelhaltigen Componente enthält, was zu bestätigen die Aufgabe
weiterer Untersuchungen sein muss.
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getrennt werden. Dieses habe ich in einfacher Weise so gemacht, dass
ich die aus Chloroformalkohol bestehende Extractionsmischung verdunsten
liess und den Rückstand mit Chloroform aufnahm. Dieses urobilinhaltige
Chloroform liess ich wieder verdunsten und löste den Rüpkstand in einer
bestimmten Menge */io Natronlauge und titrirtc dann mit VlO Norroal-
schwefelsäure. Um einen concretcn Fall anzuführen, entsprach der Säure¬
grad von 10 ccm Chloroformalkoholextract 7,2 Vio Normalschwefelsäure.
In einer anderen Portion von 10 ccm Extract betrug nach dem Verdunsten
die Acidität des in Chloroform löslichen Theiles 3,4 7io Normalschwefel¬
säure und die Acidität des nicht in Chloroform löslichen, mit 1 / 10 Normal¬
natronlauge aufgenommenen Theiles Vio Normalschwcfclsäure, somit
stimmte die Summe der beiden Aciditätsquoten fast vollständig mit der
Acidität des Extractes überein. Es ist somit sehr wohl möglich, auf diese
Weise titrimetrisch die Urobilinmenge im Harn zu bestimmen.
Ich habe auch versucht, den kupferbehandelten Harn mit einer
Aether-Chloroformmischung (2:1 Gewichtstheile), wie es von Garrod
zur Extraction des durch Ammonsulfat ausgesalzenen Urobilins vor¬
geschrieben ist, zu extrahiren. Die Alkohol-Aethermischung lässt man
verdunsten, der Rückstand wird in Chloroform aufgenommen (wobei ein
geringer Theil des Rückstandes ungelöst bleibt), dann mit VlO Normal¬
natronlauge ausgeschüttelt und dann das Ausschüttlungswasser mit
Vio Normalnatronlauge titrirt. Da in die Aether-Chloroformmischung
sämmtliches Urobilin übergeht, so lässt sich auch durch eine solche
Titration die Menge des Urobilins ira Harn bestimmen.
Ich halte cs aber für das zwcckraässigste, eine bestimmte
Menge des kupferbehandelten Harnes so lange mit immer wieder
erneuertem Chloroform zu extrahiren, bis das Chloroform nicht
mehr gefärbt erscheint beim Vergleich mit ungebrauchtem Chloroform.
Die einzelnen Portionen des Chloroforms werden zusammengegossen und
im Brutschrank bei 37° oder bei Zimmertemperatur auf eih kleineres
Volumen eingeengt. Eine bestimmte Menge des eingeengten Chloroforms
wird mit einer bestimmten Menge Vio Normalnatronlauge ausgeschüttelt
und die letztere mit Vio Normalschwefelsäure titrirt.
Nun muss festgestellt werden, welcher Urobilinmenge ein bestimmter
Aciditätsgrad der Vio Normalschwefelsäure entspricht.
Zu dem Zwecke wurden in zuvor genau gewogenen Porzellan¬
schälchen Chloroformextracte von Urobilin im Vacuura bis zur Gewichts-
constantc verdunstet 1 )- Das so erhaltene Urobilin wurde in Vio Normal-
natronlaugc gelöst und mit Vio Normalschwefelsäure titrirt. Es zeigte
sich, dass 6,2 mg Urobilin einer Acidität von 1,0 Vio Normalschwefel¬
säure entspricht. Die Werthe schwankten zwischen 5,9—6,4.
Somit multiplicirt man die Differenz des zur Lösung des Urobilins
benutzten Quantums Vio Normalnatronlauge und der zur Neutralisation
dieses Quantums verbrauchten Vio Normalschwefelsäure mit der Zahl
0,0062, um die Urobilinmenge zu bestimmen, die in der Vio Normal-
1) Dio Wägungen wurden im pharmakol. Institut vom Assistenten Dr. Sie bürg
ausgeführt.
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Uebor Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 395
natronlauge gelöst ist. Aus der Menge des Urins und des beim Ausschütteln
desselben verbrauchten Chloroformquantums ergiebt sich dann durch eine
einfache Rechnung die Urobilinmenge im Urin.
Was die quantitative Bestimmung des Urobilins für prak¬
tische Zwecke anbelangt, so empfehle ich folgende Methode: Der mit
Kupfersulfat und 1 Tropfen concentrirter Salzsäure versetzte Harn wird so
lange mit Wasser verdünnt, bis kein Urobilinstreifen mehr zu sehen ist.
Aus dem Grad der Verdünnung wird die Urobilinmenge bestimmt. Der
stärkste Urobilingrad, den ich beobachtete, war 48, während Huber als
stärksten von ihm beobachteten Urobilingrad 32 angiebt, welche Zahl er
durch Verdünnung des mit Zinkacetatalkohol behandelten Harnes bis zum
Verschwinden der Fluorescenz erhielt. Ob das Zufall ist, oder ob viel¬
leicht auch hier die Kupferprobe als überlegen sich zeigt, will ich nicht
entscheiden.
Ich habe mir ein graduirtes Röhrchen 1 ) anfertigen lassen, bei dem
der untere Theil zur Anpassung des Spectroskopes abgeplattet ist, welches
mir zur spektroscopischen quantitativen Bestimmung des Urobilins geeignet
erscheint.
Ich kann Klinikern und Aerzten den Urobilinnachweis im Harn mit
Kupfersulfat und Chloroformextraction angelegentlichst empfehlen. Den
Klinikern, weil sie doch in erster Linie Lehrer der Aerzte sind, für
Aerzte aber das Einfachste auch das Beste ist. Es ist die Kupfer¬
sulfatprobe einfacher als die Zinkacetatprobe, denn eine lOproz. Kupfer¬
sulfatlösung ist bei jedem Arzt zu finden, das Zinkacetat aber gehört
nicht zu den verbreiteten Reagentien, und daher wird der so wichtige
Urobilinnachweis von der grossen Masse der Aerzte kaum geübt. Und
weiter ist die Färbung des Chloroforms für den nicht sehr Erfahrenen
leichter zu erkennen, als eine geringe Fluorescenz, und zu den nicht sehr
Erfahrenen gehören nicht nur die praktischen Aerzte, sondern auch die¬
jenigen, denen heute in Kliniken und Krankenhäusern die Harnunter¬
suchungen überlassen wird: die Famuli, Praktikanten und jungen
Assistenten. Dass das Kupfersulfat energischer auf das Urobilin einwirkt
als die Zinksalze, zeigt der Umstand, dass nach Zusatz einer wässrigen
Zinkacetat- oder Ziuksulfatlösung zum Urobilinharn das zur Extraction
benutzte Chloroform ungefärbt bleibt (siehe Seite 391). Dass aber die
Extraction des durch Kupfersulfat freigemachten Urobilins mit Chloroform
ein zuverlässigeres und weniger capriciöses Verfahren ist als die Fluores-
cenzprobe mittels alkoholischer Zinkacetatsuspension, zeigen auf’s deut¬
lichste meine Versuche am alkalischen Ausschüttlungswasscr (siche S. 387).
Wenn wir aber schon die Fluorescenzprobe anstellen wollen, so empfehle
ich aufs dringlichste dort, wo die Probe nicht von vornherein zweifellos
positiv ist, das Filtrat mit Chloroform auszuschütteln. Das sich ab¬
setzende hellgelblich gefärbte Chloroform zeigte bei meinen Versuchen
bei geeignetem Lichtauffall oft noch deutliche grüne Fluorescenz, wo
dieselbe am Filtrat nicht sicher nachgewiesen werden konnte. So aus¬
geführt kann die Fluorescenzprobe an Empfindlichkeit die Kupferprobe
1) Das Röhrchen wird von E. Leitz in Berlin hergestellt.
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deshalb erreichen oder gar übertreten, weil der Alkohol seinerseits auch
Urobilin löst und mit dem Chloroform in gewisser Proportion sich
mischend, in’s Extract bringt. Doch diese erhöhte Empfindlichkeit der
Fluorescenzprobe kommt dadurch gegenüber der Kupfersulfatprobe in
praxi nicht zu voller Geltung, dass durch das Kupfersulfat das Urobili-
nogen in kürzester Zeit in Urobilin übergeführt wird (siehe Seite 382),
was bei der Zinkacetatprobe nach Hildebrand erst nach 12 bis 14 stän¬
digem Stehen der Mischung erreicht wird, und nach Stokvis erst durch
Zusatz von Lugol’scher Lösung.
Die klinische Vergleichsprüfung der wie üblich ausgeführten Zink¬
acetatprobe mit der Kupferprobe und Extraction mit Chloroform ohne
Alkoholzusatz hat ergeben, dass bei einer gleich genauen und durch Er¬
fahrung geschärften Ausführung, bei der die erstere an Empfindlichkeit
die zweite oft nicht ganz erreicht. Es wurden dazu Fälle gewählt, wo,
wie bei Pneumonie, acutem Gelenkrheumatismus, Korapensationsstörungen
des Herzens nach Ausheilung des Anfalles die Urobilinurie von Tag zu
Tag abnimmt, um ganz zu schwinden. Da konnte ich beobachten, dass
in manchen Fällen der absolut negative Ausfall beider Proben am selben
Tage zu constatiren war, in anderen Fällen eine freilich ganz schwache
Färbung des Chloroforms bei der Kupferprobe noch ein, zwei oder mehr
Tage je nach der Art des Leidens fortbestand, wo die Zinkacetatprobe
ohne Chloroformextraction ein negatives Resultat gab. Das Umgekehrte
habe ich nicht beobachtet. Durch längere Zeit hindurch bis zur vollen Ge¬
nesung durchgeführte Urobilinuntersuchungen an derartigen Kranken haben
mich dahin belehrt, das entgegen der von Hildebrand geäusserten An¬
sicht auch ganz schwach ausfallende Urobilinproben mittels der genannten
Reagentien keineswegs ins Bereich des Normalen verwiesen werden
dürfen, sondern immer auf eine wenn auch unbedeutende Functionsstörung
der Leber hinweisen. Denn sonst würde nach Abheilung des Leidens
die schwache Urobilinprobe nicht meist nach kurzer Zeit ganz negativ
werden, wie nach Pneumonie, Rheumatismus, erfolgreich behandelten
Compensationsstörungen des Herzens u. s. w. Wenn bei Compensations-
störungen die starke Urobilinurie in eine schwache oder ganz schwache
übergegangen ist, so ist es ein Zeichen einer noch nicht vollständigen
Wiederherstellung der Function, wenn die ganz schwache Urobilinurie
fortbesteht. Das habe ich in Fällen gesehen, wo nach Wiederaufnahme
der Beschäftigung in kurzer Zeit ein Rückfall der Herzstörung eintrat.
Wenn wir an einem sonst gesund erscheinenden Menschen eine ganz
schwache Urobilinurie constatiren, so dürfen wir natürlich nicht gleich
irgend ein klassisches Leiden annehmen, aber eine, wenn auch passagere
Functionsstörung der Leber — primärer oder secundärer Art — ist in
dem Moment sicher da. Solche Leute dürfen wir nicht, in der Meinung,
dass eine nur schwache Urobilinurie nichts Besonderes vorstellt, als voll¬
kommen gesund erklären, sondern müssen sie im Auge behalten, und
von Zeit zu Zeit den Urin auf Urobilin untersuchen. Vielleicht ist dann
die schwache Urobilinurie eine nur passagere, als Folge eines abusus
spirituosorum oder einer anderen Intoxication resp. Autointoxication oder
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Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraotion etc. 397
irgend einer anderen Schädlichkeit 1 ). Bleibt dieselbe aber nicht nur be¬
stehen, sondern nimmt bei längerer Beobachtung zu, dann steckt sicher
ein vielleicht noch unconstatirbares organisches Leiden dahinter, das aber
schliesslich doch, vielleicht nach Jahren an den Tag kommt. Ich ver¬
füge über eine Anzahl derartiger Erfahrungen. Doch auch eine passagere
Urobilinurie ist nicht ganz bedeutungslos. Denn ein vollkommen gesunder
Mensch kann sich noch so sehr betrinken, und er bekommt doch nicht
die geringste Urobilinurie, und wenn sie bei einem anderen nach Alkohol¬
genuss auftritt, wie ich bei einigen Studenten habe constatiren können,
so ist das doch ein Zeichen einer gewissen erworbenen oder constitutio¬
neilen Functionsuntüchtigkeit des Leberparenchyms. Eine schwache Uro¬
bilinurie beim Kranken darf doch wohl ebensowenig ignorirt werden wie
eine schwache Albuminurie, und geben wir auf den Kranken sorgsam acht,
der nur zeitweise eine schwache Albuminurie hat, so sollen wir dasselbe
auch bei Kranken thun, die vorübergehende Urobilinurie haben, wenn auch
eine zu Urobilinurie führende Erkrankung gerade nicht nachweisbar ist.
Anmerkung: Nach Schluss meiner Arbeit bin ich bekannt geworden mit einer
Arbeit Stokvis’: „Die Bedeutung der Biuretreaction im Menschenhand in der Zeit¬
schrift für Biologie, 1896, Bd. 34. Dass ich diese Arbeit bislang übersehen hatte, ist
wohl zu entschuldigen, da Salkow'ski in seiner das gleiche Thema behandelnden
Arbeit (1897) die Bogomoloffsche Arbeit auch nicht citirt. Stokvis hat, wie auch
Salkowski, die Beobachtung gemacht, dass einige Harne die Biuretreaotion nach
Zusatz von Alkali und einigen Tropfen verdünnter Kupfersulfatlösung geben, und
kommt zum Schluss, dass es sich nie um Peptone, sondern immer um Urobilin handelt.
Auch den von Bogomoioff angegebenen Modus, den Ham mit starker Kupfersulfat¬
menge ohne Alkali zu versetzen, hat Stokvis naohgeprüft und gefunden, dass so
behandelte Harne trübe werden und einen grünbraunen Bodensatz geben. Das Filtrat
zeigte nach Alkalizusatz eine carmosinrothe Farbe und nach Verdünnung ging sie ins
Hellrothe über (Biuretreaction) und zeigte den Absorptionsstreifen des Urobilins. Der
abfiltrirte Bodensatz war braungrünlich, löste sich in Kalilösung mit intensiver rosa
Farbe und zeigte einen starken Absorptionsstreifen. Auch Stokvis meint fälsch¬
licherweise, dass es sich um eine Urobilinkupferverbindung handelt. Die wässerige
Lösung des aus dem Urin durch Ammonsulfat gefällten Urobilins giebt, mit Kupfersulfat
versetzt, einen Niederschlag, und die von dem Niederschlag abfiltrirte Flüssigkeit giebt
beim Versetzen mit Kalilösung eine intensive dunkelblau violette Farbe, bei entsprechend
starker Verdünnung wird sie rosa. Wird die vom Niederschlag abfiltrirte Flüssigkeit
mit Kupfersultat und Chloroform versetzt, so färbt sich das Chloroform orangegelb,
und giebt bei entsprechender Verdünnung auch eine Rosafärbung. Wenn auch nicht
ganz leicht, so löst sich das Filtrat doch in destillirtem Wasser, an der sich die Biuret¬
reaction anstellen lässt. Die Kupferurobilinlösung giebt mit Zinkchlorid mit Ammoniak¬
zusatz keine Fluorescenz (vergl. das von mir auf Seite 373 Gesagte). Diese Angaben
Stokvis’ decken sich nur zum Theil mit den meinigen. Stokvis hat zudem den mit
Kupfersulfat versetzten Harn nicht direkt mit Chloroform ausgoschüttelt, und vertritt
die wohl unhaltbare (vergl. S. 390) Meinung, dass es sich um eine Kupferverbindung
des Urobilins handele.
1) Ich habe in letzter Zeit 2 leichtere und 1 schwereren Fall von Nierenbecken-
leiden und 1 Fall von Bursitis beobachtet, wo Urobilinurie vorhanden war, um nach
kurzer Zeit mit der Besserung des Grundleidens zu schwinden. Es dürfte sich um
eine toxisch-infectiöse Coaffection der Leber gehandelt haben.
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398
Theodor Hausmann,
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Zusammen Fassung.
1. Die Untersuchung des Harnes auf Urobilin ist von hoher semi-
otischer Bedeutung, auch wenn die nachgewiesene Urobilinmenge
nur sehr gering ist.
2. Zum qualitativen Nachweis eignet sich als einfachstes und
sicherstes Verfahren die Chloroformextraction des mit conccn-
trirter Kupfersulfatlösung versetzten Harnes, wobei das Chloro¬
form eine charakteristische Färbung annimmt und einen Urobilin¬
streifen erkennen lässt.
3. Durch das Kupfersulfat in genügender Menge wird das Uro-
bilinogen in kürzester Zeit in Urobilin übergeführt.
4. Formaldehyd und Dimethylamidobenzoldehyd (Ehrlich’sches
Reagens) behindern die Ueberführung des Urobilinogens in Urobilin.
5. Zur quantitativen Bestimmung des Urobilins eignet sich für
praktische Zwecke die Verdünnung des kupferbehandelten Harnes
so lange, bis der Urobilinstreifen schwindet. Für klinische
Zwecke eignet sich das Titriren mit 1 / 10 Normalschwefelsäure
einer Lösung von Urobilin in VlO Normalnatronlauge, welches als
Trockenrückstand nach dem Verdunsten des Chloroformextractes
zurückbleibt. Die Mengendifferenz der zur Lösung benutzten
Vio Normalnatronlauge und der zur Neutralisation benutzten
Vio Normalnatronlauge wird mit 0,0062 multiplicirt, um die
Urobilinmenge zu erhalten.
6. Im Chloroformextract des kupferbehandelten Harnes ist keine
Kupferverbindung, sondern das native Urobilin enthalten.
Literatur.
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2) Vanlair und Masius, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1871.
3) Maly, Ebenda. 1871.
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8) Fudakowski, Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1869.
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1878. S. 37.
10) Dick, Archiv f. Gynäkol. 1884. Bd. 23.
11) E. v. Bergmann, Volkmann’s Beiträge.
12) Piloty, cit. nach Fischer.
13) H. Fischer, Zeitschr. f. phys. Chemie. 1911. Bd. 73.
14) Neubauer, Sitzungsber. d. Gesellsch. f. Morphol. u. Physiol. in München. 1903.
15) D. Gerhard, Ueber Hydrobilirubin und seine Beziehungen zum Icterus. Diss.
Berlin 1889. — Zeitschr. f. klin. Med. 1897. Bd. 32.
16) Beck, Wiener klin. Wochenschr. 1895. No. 35.
17) Riva, Policlinico. 1894. 14.
18) Hildebrandt, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 59. — Münch, med. Wochenschr.
1909. 14/15.
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Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
Ueber Urobilin und seinen Nachweis mit Hülfe der Chloroformextraction etc. 399
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21) Brugsch und Retzlaff, Diese Zeitschr. 1912. Bd. 11.
22) Eppinger, Zieglers Beiträge. Bd. 31 u. 33.
23) Abramow und Samoilowicz, Virchow’s Archiv. Bd. 177 u. 181.
24) Brugsch und Joshimoto, Diese Zeitschr. Bd. 8.
25) Fi sch ler, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 47. — Münch, med. Woobenschr.
1908.
26) Fromhold und Nersessoff, Diese Zeitschr. 1912. Bd. 11.
27) Hersoher, Origine renale de Purobilinurie. These de Paris. 1902.
28) Ehrlich, Die med. Woche. 1901. 15.
29) Charnas, Bioohem. Zeitschr. 1909. Bd. 20.
30) Schlesinger, Deutsche med. Wochenschr. 1903. No. 32.
31) Bogomoloff, St.Petersburger med. Wochensohr. 1882.
32) Pröscher, Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 31. — Deutsche med. Wochenschr.
1903. No. 49.
33) Salkowski, Berliner klin. Wochenschr. 1897.
34) Gamgee, Physiol. Chemie d. Verdauung. 1897.
35) Braunstein, Zeitschr. f. Krebsforsch. Bd. 4.
36) Klemperer, Berliner klin. Wochenschr. 1903.
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Aus dem Institut für allgemeine Pathologie an der Kaiserlichen
Moskauer Universität.
Zur Frage nach den Veränderungen der Herzthätigkeit
und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem.
Von
l)r. med. A. M. Kotowschtschikow,
Ordinator am Jausa-Krankenbaus in Moskau.
(Hierxu Tafeln IV-X.)
I. Einleitung.
Vorliegende Arbeit wurde zu dem Zweck unternommen, zur Auf¬
klärung der Ursachen und des Mechanismus des Zustandekommens des
acuten Lungenödems nach Kräften beizutragen. Obgleich dieser im
höchsten Grade gefahrdrohende pathologische Process bei Weitem keine
Seltenheit ist, und sowohl klinische Beobachtungen als experimentelle
Untersuchungen in Bezug auf diese Frage vorhanden sind, kann die
Aetiologie und die Pathogenese des acuten Lungenödems beim Menschen
für alle Fälle dieses Processes noch nicht als völlig aufgeklärt betrachtet
werden.
Wie bekannt, tritt das Lungenödem als acutes, chronisches oder
periodisches auf.
Beim acuten Oedem entwickeln sich die Krankheitserscheinungen
sehr rasch, zuweilen so rasch, dass der Kranke, der sich bis dahin ganz
wohl gefühlt hatte, im Laufe weniger Minuten erstaunliche Veränderungen
gewahren lässt; es stellt sich plötzlich ein peinliches Gefühl von Brust¬
beklemmung und fortwährend anwachsende Athemnoth ein, das Gesicht
wird blass oder cyanotisch, die Halsvenen schwellen an; oft bedeckt
kalter Schweiss Gesicht und Körper. Die Athmung ist rasch und er¬
schwert, der Puls beschleunigt, gewöhnlich gross und voll, in anderen
Fällen jedoch beschleunigt, aber schwach. Die Vesiculärathmung ist
durch feuchtes, kleinblasiges Rasseln (pluie de räles fins der französischen
Autoren) ersetzt, welches bald von grossblasigem, lautem Rasseln, das
in den Bronchien entsteht, übertönt wird. Die Lungengrenzen sind er¬
weitert, bei der Percussion wird in Folge der starken Erweiterungen der
Lungen ein etwas tympanitischer Ton erhalten (percussion paradoxale,
Hertz, Huchard), der im weiteren Verlaufe gedämpft erscheint. Ein
heftiger, anfänglich trockener und eigenthüralicher Husten wird im weiteren
von reichlicher Seeretion einer schaumigen farblosen, oder rosa-rothen
Flüssigkeit begleitet. Bei starker Hyperämie der Lungen sind Streifen
von Blut derselben beigemischt. Die beim Oedem ausgehustete Flüssig-
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 401
keit gerinnt beim Kochen und beim Zusatz von Salpetersäure; Essigsäure
bewirkt leichte Trübung. Das Mikroskop zeigt in dem Auswurf eine
grössere oder geringere Anzahl von rothen Blutkörperchen und wenige
Leukocyten. Temperaturerhöhung wird nicht beobachtet
In Fällen, welche mit Genesung endigen, wird das Secret, sobald
es sich gebildet, ausgehustet, die Transsudation hört nach und nach auf,
und nach einigen Stunden, zuweilen erst nach einigen Tagen, schwindet
die Athemnoth, das Rasseln nimmt ab und der Kranke erholt sich.
Bei tödtlichem Ausgang dagegen treten rasch Asphyxieerscheinungen
ein: Delirium, Zuckungen in den Muskeln, Trachealrasselfi, unfreiwilliger
Abgang von Fäces und Urin.
Der Kranke stirbt unter Erscheinungen oberflächlichen schwachen
Athmcns, wobei der Puls äusserst beschleunigt und schwach, der Körper
kalt, und mit kaltem, klebrigem Schweiss bedeckt ist.
Ein noch rascher eintretender Tod in Folge von Erstickung durch
grosse Mengen sich in die Alveolen ergiessender Flüssigkeit wird Apoplexia
pulmonum serosa genannt.
Beim chronischen Lungenödem verlaufen die Erscheinungen viel
massiger. Der Kranke klagt über ein Gefühl von Druck in der Brust
und etwas Athemnoth, welche bei der Körperbewegung nachlassen oder
sich auch steigern kann. Ein mehr oder weniger starker Husten ist von
schaumigem Auswurf begleitet, oder auch nicht. Die bei der Auscultation
und Percussion der Brust erhaltenen Erscheinungen sind den beim acuten
Oedem auftretenden ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass die Dämpfung
schärfer ausgedrückt, das Rasseln dagegen schwächer ist und weniger
häufig vorkommt.
Der chronische Verlauf wird zuweilen von Exacerbationen unter¬
brochen, welche unter Erscheinungen verstärkter, von Albuminurie be¬
gleiteter Diurese nachlassen.
Unter periodischem Oedem versteht man eine Reihe acuter Anfälle,
welche in gewissen Zwischenräumen, unter dem Einfluss irgend welcher
Ursachen sich wiederholen.
Ara häufigsten wird es bei Klappenfehlern der Aorta, bei Arterio¬
sklerose und chronischer Nephritis beobachtet.
Verbreitetes acutes Lungenödem erstreckt sich gewöhnlich auf beide
Lungen, ist aber zuweilen auch einseitig.
In Bezug auf die Aetiologic des Lungenödems weisen die Autoren
darauf hin, dass die Krankheitsprocesse, bei denen das Auftreten des
acuten allgemeinen Lungenödems beim Menschen beobachtet wird, sehr
verschiedenartig sind. Vor Allem verdienen Erwähnung die Krank¬
heiten des Herzens, sodann diejenigen der Gefässe, darunter die
Arteriosklerose; besonders oft wird acutes Lungenödem bei Sklerose
der Aorta beobachtet; im Weiteren kommen die Erkrankungen der
Nieren, insbesondere Niercncirrhose, in Betracht. Auch Erkrankungen
der Lungen und der Pleura geben Anstoss zur Entwicklung von Lungen¬
ödem; darunter wird durch Diplokokken, Streptokokken, öfters auch
durch den Pestbacillus hervorgerufene Pneumonie, nicht selten von all-
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gemeinem acutem Lungenödem begleitet, in den zwei letzten Fällen ge¬
wöhnlich mit letalem Ausgang. Die Miliartuberculose, das Carcinom,
der Echinococcus der Lungen, sowie Embolien der Lungenarterien können
in ihrem Verlaufe zu Lungenödem führen. Sklerose der Lungen sowie
Aktinomykose und Aspergillose derselben können die Veranlassung zu
Anfällen von Lungenödem (in Gestalt nächtlicher asthmatischer Anfälle)
werden.
Zuweilen entwickelt sich Lungenödem im Verlaufe pleuritischer Ex¬
sudate. Es sind auch zahlreiche Fälle von Lungenödem nach der
Punction pleuritischer Exsudate beschrieben worden. Seltener erscheint
als Ursache von Lungenödem eine plötzliche Occlusion der grösseren
Luftwege, wie z. B. acute Laryngitis bei Kindern, Diphtherie der oberen
Luftwege, Keuchhusten, Eindringen von Fremdkörpern in die Luftröhre
und die Bronchien — das sogen. Aspirationsödem. Uebrigens, da auf
rasche Occlusion der Luftröhre oder der grösseren Bronchien gewöhnlich
nur Hyperämie und Hämorrhagie der Lungen folgt, so müssen zur
Bildung eines Oederas neben der Aspiration auch noch andere Umstände
einwirken. Zuweilen entwickelt sich Lungenödem im Verlaufe von acuten
und chronischen Lungenhyperämien, welche durch Beschädigung der Nerven¬
bahnen, z. B. Durchschneidung oder Quetschung der N. vagi, hervor¬
gerufen sind.
Die französischen Autoren halten das Entstehen von Lungenödem
in Folge von vasomotorischen Störungen refleetorischen Charakters für
möglich. Zuweilen sind organische Erkrankungen des Nervensystems
von Lungenödem begleitet, wie dies z. B. bei Tabes, im Verlaufe von
aufsteigender subacuter Myelitis beobachtet worden ist, wobei als Ursache
der Entstehung des Oedems in diesen Fällen eine directe Erkrankung
des Centrums der Lungenvasomotoren angesehen wird.
Im Bereiche der psychischen Erkrankungen entsteht Lungenödem
nicht selten bei an Wasserscheu und Anfällen von Säuferwahnsinn leidenden
Kranken, besonders wenn mit ihnen brutal verfahren wird, wenn sie z. B.
mit Stricken gebunden werden.
ZurZeit von Epidemien acuter exantheraatischer Krankheiten:
Scharlach, Masern, Pocken, Rose u. A., kommen zuweilen schwere
atypische Formen derselben mit wenig ausgeprägtem Ausschlag, aber
mit schwerer Erkrankung der Atherawerkzeuge vor, die in Folge von
Entstehung eines Lungenödems nicht selten mit dem Tode endigen.
Es sind Fälle von acutem Lungenödem beschrieben worden, welches
sich im Verlaufe von Abdominaltyphus, Cholera, besonders aber Grippe
und Rheumatismus entwickelt hatte. In diesen Fällen wurde bei solchen
Kranken auch ein Nierenleiden (interstitielle Nephritis) oder Erkrankung
der Aorta beobachtet.
Alkoholismus, Gicht und puerperale Erkrankungen erscheinen als
prädisponirende, die Entstehung von acutem Lungenödem veranlassende
Momente, da solche Kranke gewöhnlich auch Nierenleiden von chronischem
Charakter aufweisen. Diesen letzteren und der sie begleitenden Druck¬
erhöhung in den Gefässen weisen die französischen Autoren eine der
ersten Stellen im Zustandekommen des acuten Lungenödems an.
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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 403
Eine gewöhnliche Erscheinung ist das Lungenödem in der agonalen
Periode bei chronischen Krankheiten verschiedener Art, sowie bei schweren
allgemeinen Infectionen.
Ein besonderes Interesse wird in letzter Zeit dem bei acuten Ver¬
giftungen sowohl localen als allgemeinen Charakters entstehenden Lungen¬
ödem zugewandt. Beobachtungen an Menschen und Versuche an Thieren
haben gezeigt, dass das Einathmen von Chlordämpfen, Salpetersäure,
Kohlenoxyd, Blausäure, Aether, Chloroform tödtliches acutes Lungenödem
hervorrufen kann. Durch das Blut in die Lungen gerathenes Chloral-
hydrat, Morphium, Muscarin, Jod, Ag NO s u. A. können auch die Ver¬
anlassung zum Zustandekommen von Lungenödem werden. Zu derselben
Reihe von Intoxicationsödemcn ist das sogen, idiopathische Lungen¬
ödem zu rechnen, welches gleich dem acuten Oedcm der Stimmritze,
dem Nesselfieber, dem umschriebenen Oedem der Haut und Schleimhäute,
in den meisten Fällen ein Symptom entweder von exogener Intoxication
oder von Autointoxication bildet.
II. Kurzer Ueberblick über die Entwicklung der Ansichten Iiber die
Pathogenese des acnten Lungenödems.
Die bei weitem grösste Anzahl der experimentellen Arbeiten in
dieser Frage gehören deutschen Forschern; die ersten Arbeiten, nament¬
lich die von Welch (1), Grossmann (2), zum Theil von v. Basch (3)
schreiben den im kleinen Blutkreislauf entstehenden mechanischen
Störungen die Hauptrolle im Zustandekommen des acuten Lungenödems
zu. Der bekannte, in seiner unter Cohnhcira’s Anleitung ausgeführten
und im Jahre 1878 erschienenen Arbeit beschriebene Versuch mit Zer¬
quetschung der Muskeln des linken Ventrikels leitete Welch zu der An¬
sicht, dass ein jedes acutes Lungenödem, sowohl ein idiopathisches, als
auch ein bei irgend einem krankhaften Zustande des Organismus er¬
scheinendes, als Resultat einer Lähmung oder eines Schwachwerdens des
linken Ventrikels bei unveränderter Kraft und Arbeit des rechten ent¬
steht; dieser Ansicht traten auch einige Kliniker, wie z. B. Fraentzel (4),
Strümpell (5), Cantilcna-Paolo (6) u. A., bei. In einer Reihe seiner
Arbeiten bestätigt Grossmann die von Welch gezeigte experimentelle
Thatsachc, giebt ihr aber eine andere Deutung, zu welcher ihn seine
Untersuchungen über das Muscarin geleitet haben. Indem er durch intra¬
venöse Injection dieses Mittels Lungenödem mit Stauungserscheinungen
im Gebiete beider Hälften des Lungenkreislaufs erhielt, bemerkte er
zugleich, dass das Muscarin krampfhafte Erscheinungen am Herzen, ins¬
besondere am linken Ventrikel, hervorruft. Daraus zog Grossmann
den Schluss, dass in seinen Versuchen als Ursache der Entwicklung von
Transsudation in das Gewebe und in die Luftwege der Lungen nicht die
Lähmung des linken Ventrikels, sondern die Verringerung der Capacität
desselben, und die dadurch hervorgerufene Stauung und Erhöhung des
Blutdrucks in der linken Vorkammer, dio auf die entgegengesetzte Seite
bis zum rechten Ventrikel selbst übertragen werden, d. h. im ganzen
kleinen Kreislauf zu Tage treten, erscheinen. Auch in Bezug auf Welch’s
Versuch hält Gross mann für die wahrscheinlichere Erklärung des dabei
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zu Stande gekommenen Lungenödems nicht die Lähmung des linken
Ventrikels, sondern auch eine zeitweilige Capacitätverringerung desselben,
welche als Resultat der mechanischen Einwirkung auf die Ventrikelwände
erscheint. Eine ähnliche Erklärung von Welch’s Versuche hatte vor
Grossraann Sahli (7) vorgeschlagen; doch konnte Sahli selbst, bei
der Benutzung von Welch’s Verfahren, Lungenödem bei Hunden nicht
hervorrufen. Zur Anerkennung der Verringerung der Capacität der linken
Herzkammern als Ursache des Lungenödems gelangte er auf Grund seines
Versuchs mit theilweisem Zusammenklemmen des linken Vorhofs, eines
Verfahrens, welches unter seinen Händen recht oft positive Resultate
lieferte.
Eine von Sahli in der Berner Klinik unternommene Untersuchung
der Protokolle der Obductionen an Herzkrankheiten Gestorbener scheint
den Gedanken, dass die Verringerung der Capacität der linken Herz¬
kammern zur Entwicklung von Lungenödem führt, bestätigt zu haben.
In solchen Fällen von Herzkrankheiten — z. B. Insufficienz der Aorta¬
klappen, wenn in Folge von Blutüberfüllung des linken Ventrikels relative
Insufficienz der ßicuspidalklappe eintrat und dafür zeugte, dass sogar
eine erweiterte Herzkammer der in dieselbe eintretenden Blutmenge nicht
genügt, wurde bei der Leichenöffnung Lungenödem constatirt. Dessen
Zustandekommen schreibt Sahli in diesen Fällen dem Umstande zu,
dass unter den gegebenen Bedingungen bei einer jeden Contraction des
Herzens Regurgitation des Blutes in den linken Vorhof eintritt, was
seinerseits zur Stauung und Druckerhöhung im Gebiete der Lungenarterie
und darauffolgendem Lungenödem führte. Doch werden solche Be¬
dingungen jedenfalls nicht oft beobachtet, und folglich komme auch
durch Stauung hervorgerufenes Lungenödem beim Menschen selten vor;
in Uebereinstiraraung mit der von Welch ausgesprochenen Ansicht würde
Sahli’s Meinung nach ein pathologisches Lungenödem niemals Vor¬
kommen.
Bei seinen gelungenen Versuchen mit der Zerquetschung des linken
Ventrikels beobachtete Löwitt (8) Zustandekommen von Lungenödem;
ausserdem bestätigt er Sahli’s und Welch’s Angaben darüber, dass es
in den Versuchen mit Zuklemmung der Aorta nur dann gelingt, Lungen¬
ödem zu beobachten, wenn Druckerhöhung sowohl in der Lungenarterie
als im Atrium sin. erhalten wird, d. h. wenn Stauung, wie am Anfang,
so auch am Ende des kleinen Blutkreislaufs und dabei für eine gewisse
ziemlich lange Zeit sich einstellt. Trotz dieser Versuche entsteht nach
Sahli’s und Löwitt’s Meinung Lungenödem beim Menschen meist als
Resultat von Veränderungen der Gefässwände der Lunge, gleichviel, ob
entzündlichen im weiteren Sinne dieses Wortes, toxischen oder bakteriellen
Ursprungs. Dagegen sind die mechanischen Momente oder, anders ge¬
sagt, die dem Blutkreislauf entgegengestclltcn Hindernisse, mit deren
Hülfe es in den Experimenten an Thieren gelungen ist Lungenödem
hervorzurufen, so gross, dass es nicht nur Sahli und Löwitt’s, sondern
auch Welch’s Ansicht nach unmöglich ist, in der Pathologie des Menschen
etwas Aehnliches anzutrefTen. Sahli und Löwitt sind der Meinung, dass
die Theorie der mechanischen Entstehung des acuten Lungenödems zurück-
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 405
treten muss, und die toxisch-infectiöse in den Vordergrund gestellt zu werden
verdient, nämlich die Vergiftung des Organismus durch Gifte endo- oder
exogenen Ursprungs, welche zur oben erwähnten Veränderung der Gefäss-
wände führt. Die kymographischen Daten der Versuche mit Injection
von Essigäther gaben Löwitt Veranlassung zu der Behauptung, dass
das mechanische Moment der Venenstauung an der Verursachung des
Lungenödems keinen Antheil nimmt in diesen Fällen; nach der Injection
von essigsaurem Aether fällt der Druck sowohl in der Art. pulmon. als auch
im Atr. sin. und in der Aorta. Die von Sahli und Löwitt mit Muscarin
angestellten Controlversuche unterscheiden sich scharf von den von
Grossraann erhaltenen Thatsachen in Bezug auf das Vermögen dieses
Giftes, Lungenödem hervorzurufen, und bestätigten auch in vielem nicht
die von diesem Autor angegebenen hämodynamischen Bedingungen, die
sich unter dem Einfluss der Muscarinvcrgiftung im kleinen Blutkreislauf
entwickeln sollen; selbst das Vorhandensein einer Contractur des linken
Ventrikel ist Löwitt’s Ansicht nach nicht sicher festgestellt.
Die relativ unlängst erschienenen Arbeiten von Winkler (9) und
v. Zeissl (10), die, wie auch Grossmann’s Arbeiten, aus v. Basch’s
Laboratorium hervorgegangen sind, geben dieselben Schlüsse und An¬
sichten über die Pathogenese des acuten Lungenödems wie Grossraann’s
Untersuchungen.
Die Resultate ihrer Experimente sind den Thatsachen Grossmann’s
so ähnlich, obgleich die Autoren mit ganz verschiedenen Substanzen
experimentirten — Winkler arbeitete mit Amylnitrit, v. Zeissl mit
Jodlösung in Natriumjodid —, dass nicht nur dieselben Druckverhältnisse
im kleinen Blutkreislauf — Druckerhöhung im linken Atrium mit Uebcr-
tragung derselben bis zum rechten Ventrikel — sondern auch dieselben
Veränderungen im linken Ventrikel, dieselbe Contractur, welche die
Autoren bei Versuchen per visum constatirten, erhalten wurden; nur fügt
Zeissl zu Grossmann’s Deutung der Pathogenese des Lungenödems
als begünstigendes Moment mögliche Veränderungen des Blutes und der
Gefässwände unter dem Einfluss der Jodlösung bei.
Somit kehrten Winkler und v. Zeissl, Letzterer mit dem soeben
erwähnten Zusatz, zur mechanischen Theorie der Entstehung des acuten
Lungenödems zurück.
Unter den russischen Autoren gelangt Dr. Th. Alexandrow (11)
auf Grund seiner Versuche, hauptsächlich mit Obturation der Cavität des
linken Ventrikels, ebenfalls zu dem Schluss, dass als Ursache des all¬
gemeinen durch Stauung verursachten (mechanischen) Lungenödems die
verminderte Kraft des linken Ventrikels erscheine; das verminderte Saug¬
vermögen dieses letzteren in Folge der Verkleinerung seiner Capacität
stellt er der Ventrikelparese in Welch’s Sinne ganz gleich. Somit
stimmt Alexandrow mit diesem Autor in seiner Deutung der Ent¬
stehung des Oedems überein.
Während unter den deutschen Forschern die einen, sich auf ihre
Versuche stützend, die Hauptrolle in der Entstehung des Lungenödems
mechanischen Momenten, der Abschwächung des linken Ventrikels und
der darauffolgenden Blutstauung in den Gefässen des kleinen Blut-
Zeitaehrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 97
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kreislaufs zuschreiben, die andern nicht nur die prävalirende Bedeutung
dieser Factoren im Zustandekommen des Oedems, sondern zuweilen ihr
Vorhandensein selbst ableugnen und für die Ursache desselben die Ver¬
änderung der Permeabilität der Gefässwände, hauptsächlich unter dem Ein¬
flüsse toxischer und entzündlicher Agentien, halten, geben die französischen
Gelehrten eine andere Erklärung der Entstehung des acuten Lungenödems
beim Menschen ab, welche sie hauptsächlich auf klinische Beobachtungen
und anatomo-pathologische Thatsachen gründen, da sie über eine weit
geringere Anzahl experimenteller Untersuchungen, mit denen sie ihre
Ansichten stützen könnten, gebieten.
Huchard (12) war der erste, der vom angioneurotischen Charakter
des Lungenödems sprach, und die Entstehung dieses letzteren einem Ent-
zündungsprocess in der Aorta, einer Periaortitis und basalen Pcricarditis
zuschrieb. Indem diese Krankheitsprocesse den cardio-pulmonalcn Plexus
reizen, und sogar entzündliche Veränderungen in dessen Verzweigungen
hervorrufen, begünstigen sie das Zustandekommen eines reflectorischen
Reizes der Lungenvasomotoren und dieser bedingt eine Gefässerweiterung
von rascher Blutüberfüllung, welche zur Transsudation führt. Zugleich
nimmt Huchard im Gegensatz zu den deutschon Forschern an, dass
ausser der Erweiterung der Lungengefässe, welche als Folge vaso¬
motorischer Störungen auftritt, als zweites die Entstehung des Lungen¬
ödems begünstigendes Moment die Insufßcienz des rechten Herzens an¬
zusehen sei. „L’oedeme aigu du poumon est souvent precede par
Pabaissement considörable de la tension aortique et par Penorme et
subite augmentation de la tension pulmonaire. Contre celle-ci le ven-
tricule droit lutte et s’hypertrophie, et tant qu’il peut lütter, Pinondation
oedemateuse du poumon est prevenue; mais sa force vient-ellc ä faiblir
subitement pour une cause ou pour une autre, alors Poedeme aigu du
poumon survient avec une grande rapiditö. De sorte que co n’est pas
Pinsuffisance du ventricule gauche, qu’il faut incriminer, mais celle du
ventricule droit. a
Jaccoud (13), Vinay(14), Tonnel (15), Brouardel 16), Debove
(17), und besonders Dieulafoy (18) finden einen Connex zwischen Er¬
krankungen der Nieren und dem acuten Lungenödem, und schreiben
letzteres der Toxämie renalen Ursprungs zu; als Bestätigung dieser
Ansicht führen sie zahlreiche klinische Beobachtungen, aber keine einzige
experimentelle Thatsache an.
Welches ist nun der Mechanismus, mit dessen Hülfe die Intoxication
das Lungenödem hervorruft? Tonnel (1897) hält letzteres für das
Resultat „d’une simple inhibition vaso-motrice attribuable aux poisons qui
ne sont pas eliminös hors de Porganisme. a
Merklen (19) stellt das im Verlaufe einer chronischen interstitiellen
Nephritis erscheinende Lungenödem in eine Reihe mit den urämischen
Erscheinungen, z. ß. mit dem Gehirnödem. In dem von ihm beschriebenen
Falle war mikroskopisch eine starke Veränderung des Myocardiums con-
statirt worden. Die Entwicklung dieser Myocarditis sowie auch des
Lungenödems schreibt Merkion einer Niereninsufficienz zu. ln Anbetracht
dessen, dass im Verlaufe der ganzen Beobachtung bis zum Tode, welcher
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Veränderung der Herztbatigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 407
plötzlich während des dritten Anfalls von Lungenödem eintrat, Asystolie
nicht entstanden war, hält er es nicht für möglich, dieser Myocarditis
in der Entstehung des Lungenödems in diesem Falle irgend eine Be¬
deutung zuzuschreiben.
Debove nimmt das Vorhandensein von Lungenödem bei Herz¬
kranken ohne Erkrankung der Nieren an und stimmt in seiner Erklärung
des Mechanismus seiner Entstehung mit Huchard überein. Renault (20)
spricht den Gedanken aus, dass „certains rögimes d’intoxication habituelle,
d’autointoxication le plus souvent, mettent le Systeme vasculaire en
imminence d’oedeme.“
Im Jahre 1900 schlugen Masius (21) und Teissier (22) auf dem
internationalen medicinischen Congress in Paris eine gemischte Theorie
der Entstehung des acuten Lungenödems vor. Vordem, im Jahre 1898,
hatte Fouineau (23) in seiner der Lehre vom Lungenödem gewidmeten
Dissertation auf die drei Momente hingewiesen, aus denen auch Teissier
seine Theorie aufbaut, stellt aber zwischen ihnen keinen so engen zeit¬
lichen Connex auf, wie letzterer. Die von Masius aufgestellte Theorie
zeichnet sich nicht durch eine so grosse Bestimmtheit, wie die von
Teissier aus und betrachtet zugleich das Entzündungs- und das
Stauungsödem, wobei Masius als Hauptmoment des Zustandekommens
eines Lungenödems, welchen Ursprungs es auch sei, die Veränderung
der Durchgängigkeit der Gefässwände ansieht. Bei Nierenerkrankungen
hält er* ein Oedem für ein Stauungsödem, während ein toxisches Oedem
seiner Ansicht nach nur im Bereiche des Experiments bekannt sei
(ref. nach Chemery).
Tcissier’s Theorie, der auf dem erwähnten Congress die meisten
französischen Autoren beitraten, stellt die Synthese der bis dahin vor¬
handen gewesenen Deutungen der Pathogenese des Lungenödems vor.
„L’oedeme aigu se concoit comme la consequence habituelle d’un pro-
cessus pathogenique complexe, dans lequel Pinfection prepare le terrain;
des desordres nerveux et mecaniques surviendraient en seconde ligne
pour aboutir ä Pinondation sereuse extra- et intraalveolaire“, wie
Teissier seine Ansicht über die Entstehung des Lungenödems formulirt.
Er meint, dass eine Jnfection oder Intoxication eine nothwendige und
prävalirendc Bedingung für die Entwickelung eines Lungenödems sei,
wie das seiner Ansicht nach aus dem Vorkommen vieler Oedeme von
toxischem raedicamentösem Charakter und auch aus den Experimenten
.von Grossmann, Sahli, Chatin und Guinard (24) und Winkler
erhellt. Eine Reihe anderer Versuche von Grossmann, WinkLer und
auch von Welch, Basch, Löwit weist darauf hin, dass die Bedeutung
auch des mechanischen Moments der Störung des Blutumlaufs im pulmo-
cardialen Apparat, die von Veränderung der Gefässwände begleitet ist,
zugelassen werden muss. Doch ausser diesen zwei Momenten ist nach
Teissier noch ein drittes an der Entstehung des acuten Lungenödems
theilnehmcndes in Betracht zu ziehen, nämlich Störungen nervösen
Charakters und zwar reflectorische Reize, die meist vom Gebiet der
Verzweigungen des N. pneumogastricus und des cardialen Plexus (oder
automatischen Ganglien — des ganglions automoteurs), doch auch von
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anderen Stellen, sogar von sehr weit vom pulmocardialen Apparat
(Magen, Darm, psychische Sphäre) gelegenen ausgehen und auf das
vasomotorische Centrum und auf die Vasodilatatoren der Lunge ein¬
wirken, in Folge dessen Blutüberfüllung der Lungengefässe und Trans¬
sudation stattfindet.
Ausser den oben erwähnten Veränderungen der Gefässwände giebt
Teissier auch Veränderungen Seitens des Blutes zu, wobei diese bei
der Bildung von Transsudationen in das Lungengewebe und in die
Alveolen vielleicht sogar eine beständige Bedingung sind.
Teissier bekräftigt seine Theorie durch eine Reihe von Versuchen,
die er gemeinschaftlich mit Guinard ausführte. In den Versuchen zum
Beispiel mit der lnjection von salicylsaurem Methyl, welches starkes
Lungenödem hervorrief, konnten Teissier und Guinard Constanz der
Druckerhöhung im Atrium sin. während der Entwickelung des Oedems
nicht constatiren. Zuweilen fiel hier sogar der Druck. Dagegen stieg
er in der A. pulmon. dabei beständig. Das Fehlen von Druckerhöhung
in den Kammern des linken Herzens und die Druckerhöhung in den¬
jenigen des rechten veranlassen Teissier und Guinard Grossmann’s
Ansicht über den Spasmus des linken Ventrikels als eines die Ent¬
wickelung von Lungenödem begünstigenden Moments zu verwerfen und
als solches im Verein mit Fraentzel und Welch die Insufficienz des
linken Ventrikels anzunehmen.
Im Jahre 1905 schlug Josuö (25) für einige Fälle von Lungenödem
seine Theorie suprarenaler Vergiftung (Thöorie surrenale) vor. Sich
darauf stützend, dass acutes Lungenödem am meisten solche Personen
bedroht, bei denen der arterielle Druck erhöht ist, und die zugleich
Erscheinungen von Atheromatose der Aorta oder interstitielle Nephritis
oder beide Erkrankungen zugleich aufweisen, schreibt er sowohl die
Druckerhöhung als auch die Atheromatoseerscheinungen und die Ent¬
stehung des Lungenödems der Hypersecretion der Suprarenaldrüsen zu.
„L’autointoxication chronique par Padrenaline“, sagt Josue, „a une
consöquence fonctionelie: Paugmentation de la tension arterielle et une
eonsequence anatomo-pathologique: Pathörome arteriel.“ Josue’s eigene
Versuche haben gezeigt, dass bei Kaninchen intravenöse lnjection von
Adrenalin fast immer von einem typischen Anfall von Lungenödem
gefolgt ist.
ßouchard und Claude (26) bestätigen diese Thatsache. Diese
Versuche erlauben Josuö, Bouchard und Claude den Schluss zu ziehen,
dass das Lungenödem nicht mit dem Uebergang der Entzündungsprocesse
der Periaortitis auf die Nervenfasern des Herzplexus verbunden ist, wie
Huchard meint, sondern sowohl das Lungenödem (Paccident aigu, wie
sich die Autoren ausdrücken), als auch die chronische Erkrankung (Athero¬
matose der Gefässe) Folgen einer und derselben Autointoxication sind.
Nur ist im ersten Falle „la substance toxique est jetee dans la circu-
lation ä dose massive“, im zweiten — d. h. bei der Entwickelung der
Atheromatose — „ä petites doses souvent repetees“. „En resume, Phyper-
tension, Pathörome, Poedcme aigu du poumon resultent d’une hyper-
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 409
sccretion des capsules surrenales.“ Als Bestätigung dieser Ansicht kann
die Hyperplasie der Nebennieren dienen, welche von Vaquez (27),
Aubertin et Arnbard (28) bei solchen Kranken constatirt wurde und für
eine erhöhte functionelle Thätigkeit derselben, für Hyperepinephrie, zeugt.
Wiesel und Schier (29) constatirten Vorhandensein von Adrenalin
im Blutserum an der Bright’schen Krankheit Leidender bei erhöhtem
Blutdruck. Diese Steigerung der Function der Nebennieren wird nach
der Meinung Josue’s und anderer französischer Autoren durch entzünd¬
liche Veränderungen in den Nieren veranlasst, welche vielleicht die anti¬
toxische Reaction der Suprarenaldrüsen gegen im Organismus zurück¬
gehaltene schädliche Stoffe steigern (Versuche von Dopter und Gouraud).
Im Jahre 1906 erschien eine experimentelle Arbeit des deutschen
Gelehrten Jo res (30) über Lungenödem nervösen Ursprungs. In seinen
Thesen sagt Jo res, er habe den Beweis erbracht, dass partielles Lungen¬
ödem ausschliesslich unter dem Einfluss einer Reizung der Vasomotoren
der Lungen entstehen kann, und meint, dass diese Thatsache zur Er¬
klärung solcher Lungenödeme beim Menschen dienen könne, welche ohne
Antheilnahme von Blutkreislaufstörungen (Fehlen einer Stauung) und
ohne irgend welche entzündliche Veränderungen entstehen, und auch zur
Erklärung solcher toxischen Formen derselben, wo nicht alles und nicht
immer durch Veränderungen der Gefässwände erklärt werden kann. Die
Versuche dieses Autors bilden die experimentelle Bestätigung der oben
angeführten Ansichten der französischen Autoren über die Rolle des
Nervensystems in der Entstehung des acuten Lungenödems.
Jores geht aber noch weiter und nimmt ein neuropathisches Lungen¬
ödem in dem Sinne an, dass ein solches ausschliesslich durch eine
Störung des nervösen vasomotorischen Apparates der Lungen hervor¬
gerufen werden könne, wobei diese Störung die prävalirende, wenn nicht
einzige Rolle spiele, und dass das toxisch-infectiöse und das mechanische
Moment fehlen können.
Im Jahre 1908 resumirte Chemery (31) in seiner Dissertation
(welcher vieles des hier Erwähnten entnommen ist) zum Schluss seiner
Analyse der Theorien und Ansichten über die Entstehung des Lungen¬
ödems seine Auffassung der Pathogenese dieses Processes folgender-
maassen: Das acute Lungenödem wird durch plötzliche Erhöhung des
Blutdruckes im Gebiet der Lungenarterie hervorgerufen; diese Druck¬
erhöhung ist ihrerseits die Folge entweder einer allgemeinen Erhöhung
des Blutdruckes oder einer durch im Organismus zurückgehaltene Chloride
verursachten Hydrämie, oder diejenige der durch Reizung der Lungcngcfässo
seitens des centralen oder peripherischen Nervensystems hervorgebrachten
vasomotorischen Erscheinungen, am öftesten jedoch das Resultat der Ein¬
wirkung aller dieser Momente. Bei den an Lungenödem erkrankten
Personen werden vordem Erscheinungen arterieller Hypertension beob¬
achtet; dieselben leiden an ungenügender Ausscheidung der Chloride;
irgend eine Reizung der Nerven giebt bei ihnen den Anstoss zu einem
Anfall von Lungenödem.
Ausser anderen Beweisen der anfänglichen Druckerhöhung in den
Gefässen des grossen Blutkreislaufes führt Chemery noch den Umstand
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an, dass ein Aderlass, der eine Verminderung des Gcsammtdruckes be¬
dingt, vortheilhaft wirkt, indem er die Entwickelung des Lungenödems
hintanhält. Er theilt Josue’s Ansicht nicht, dass die Hypersecretion
der Suprarenaldrüsen die Ursache des Lungenödems ist, da die Frage
nach dem Verhältnis der arteriellen Hypertension zur Hyperplasie der
Suprarenaldrüsen sich noch im Forschungsstadium befindet, und nicht
alle geneigt sind, anzuerkennen, dass die Hyperplasie der Nebennieren
die Ursache einer beständigen Druckerhöhung ist; es giebt Autoren
(Gouget), welche im Gegentheil glauben, dass diese die Ursache jener
ist, da zur Au frechterhaltung eines beständig erhöhten Tonus der Gefässe,
wie er bei den an Nierensklerose Leidenden beobachtet wird, auch eine
verstärkte Secretion der Suprarenaldrüsen nothwendig ist, was deren
Hyperplasie nach sich zieht. Was die Rolle einer unregelmässigen Aus¬
scheidung der Chloride — deren Zurückhaltung im Organismus — an¬
betrifft, so muss Chemery’s Meinung nach darauf hingewiesen werden,
dass in den letzten Jahren in der Lehre von den Oedemen im Allge¬
meinen grosse Veränderungen stattgefunden haben. Wenn für Cohnheim
und Lichtheim sich darin alles auf Veränderungen in den Gefässwänden
bezog, so halten die neueren Autoren Läufer, Am bard und Beaujard (32)
die Druckerhöhung für die Ursache der Oedeme, und Thöaulon(-Lyon) (33)
sieht dafür die Veränderung der osmotischen Verhältnisse zwischen Lymphe
und Blut an. Widal und Claude (34) halten für die Ursache der Oedeme
die Anhäufung von Chloriden (CINa) in den Geweben, welche in Folge
der Verminderung der secretorischen Fähigkeit der kranken Nieren ent- •
steht. Gegenwärtig treten Chemery’s Worten nach die meisten fran¬
zösischen Gelehrten Achard’s (35) Theorie bei, welcher den Schwerpunkt
der Frage (die Bildung der Oedeme) in die gesetzten Veränderungen des
Gewebes verlegt. Aus den Versuchen von Widal, Lemierre und
Javal (36) folgt, dass ein jedes Oedem seine Entstehung der Zurück¬
haltung der Chloride in den Geweben verdankt, gleichviel ob sie in Folge
einer Nierenkrankheit oder ohne eine solche auftritt.
Ara Zustandekommen eines Oedems nehmen drei Momente Theil:
1. Eine Veränderung der Secretionsorgane, hauptsächlich der Nieren,
2. Störungen im Blutkreislauf und
3. insbesondere Veränderungen in den Geweben.
Das in den Geweben zurückgehaltene Natriumchlorid tritt mit den
veränderten Eiweisskörpern derselben in Verbindung und zieht das für
seine Auflösung nothwendige Wasser zu den Geweben hin (Versuche von
Achard und Loeper). Diese Auffassung der Ursache der Oedeme über¬
haupt ist auch auf die Erklärung der Entstehung der localen Oedeme,
zu denen auch das Lungenödem gehört, anwendbar, denn das Lungen¬
ödem tritt Chemery’s Ansicht nach im Laufe derjenigen Krankheiten
auf, die fast immer von Zurückhaltung der Chloride begleitet werden.
Es ist interessant, dass den von Vaquez und Digne (37) erhaltenen
Thatsachen nach Zurückhaltung von Chloriden bei Herzkranken bei be¬
friedigender Compensation ihrer Krankheit und beim Fehlen von Asystolie
beobachtet werden kann. Chemery, der Teissier’s Meinung über die
prävalirende Rolle der lnfeetion im Zustandekommen des Lungenödems
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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 411
anfährt, will diese Rolle der Infection dahin erklären, dass sie die Zurück¬
haltung von Chloriden bedingt.
Auch Hallion’s (38) Untersuchungen über den Parallelismus der
Albuminurie und Chloridämie (choruremie) reden zu Gunsten der Ansicht,
dass zur Entstehung eines Lungenödemanfalles die Zurückhaltung von
Chloriden eine nothwendige Bedingung ist. Es ist möglich, sagt Hallion,
dass ein Ueberschuss an Natriumchlorid im Blut den Eiweissstoff leichter
filtrirbar macht und dessen Durchgang „ä travers la membrane secretante
du rein“ erleichtert. Chemery führt eine Beobachtung Berge’s an, wo
bei einem an Nierensklerose und Aorteninsufficicnz leidenden Greise zwei
Stunden nach einer subcutanen Injection von Kochsalzlösung (7 : 1000)
sich Erscheinungen von Lungenödem entwickelten.
Diese klinische Beobachtung bestätigt die Versuche von Hallion
und Carrion (39), Achard und Loeper, in denen die Autoren bei
Thieren Lungenödem durch intravenöse Injection lproc. Kochsalzlösung
sowohl bei kranken als bei gesunden Nieren hervorriefen.
„Hypertension et retention marchent de pair; elles s’associent aussi
pour determiner l’oedeme aigu, quand ä eile vient se joindre un dernier
element, l’ölöment nerveux.“
Letzteres ist nach Chemery besonders nöthig, damit das plötzliche
Eintreten einer unverhältnissmässig grossen Erweiterung der Lungengefässe
ihre Erklärung finde. Bouveret (40) war der erste, der auf die Bedeu¬
tung einer Störung der vasomotorischen Innervation der Lungengefässe
hinwies, und wird diese Bedeutung, Chemery’s Behauptung nach, jetzt
von allen Autoren anerkannt. Diese Störung kann den centralen oder
den peripherischen Theil des vasomotorischen Apparates treffen und
directer oder reflectorischer Natur sein. Eine directe Störung des vaso¬
motorischen Centrums ist höchst selten, doch giebt es klinische Beob¬
achtungen [Jaccoud’s (41) Fall — acutes Lungenödem während diffuser
Myelitis, Morel Lavallee’s (42) Fall — Oedem im Laufe einer Erkran¬
kung an Tabes u. A.], die eine solche beweisen; öfter kann die Wirkung
toxischer Substanzen auf die Centren oder die Anfänge der Vasodilata¬
toren erkannt werden, z. B. in Fällen von Oedem bei Nephritikern.
Bouchard fand sogar im Urin solcher Kraqken einen vasodilatatorisch
wirkenden Stoff.
Dieselbe Wirkung auf die Centren der Vasomotoren muss Chemery’s
Ansicht nach beim Erscheinen von Lungenödem bei an infectiösen Krank¬
heiten Erkrankten anerkannt werden. Aber in den meisten Fällen ent¬
steht Lungenödem als Resultat einer Reizung des peripherischen Nerven¬
systems. Chemery sagt: „11 s’agit le plus souvent d’un röflexe dont le
pneumogastrique constitue la voie centripete, et le sympathique la voie
centrifuge“. Als Ausgangspunkt des Reflexes können die verschiedensten
Organe, z. B. das Peritoneum [der Fall von Pinault (43), Jongla (44)
nach einer Punction bei Ascites], der Uterus (Vinay’s Fall) u. A. dienen.
Die Pathogenese des Lungenödems, sagt Chemery zum Schluss, wird
sehr verschiedenartig erklärt und ist in Vielem noch dunkel. Im An¬
schluss an Teissier nimmt er die drei obenerwähnten Momente für die
Entstehung desselben an.
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A. M. Kotowschtsohikow,
„Si Pelement toxique prepare le terrain, met Porganisrae en iraminence
d’oedeme, c’cst par Phypertension qui en resulte, par la retention des
chlorures, qu’il deterraine. Le Systeme nerveux ne fait que provoquer
le brusque afflux sanguin dans le domaine de Partere pulmonaire.“
Joseph Miller und S. Matthews (45), die die Veränderungen des
Herzens und der Gefässe, welche man bei durch verschiedene chemische
Agentien hervorgerufenem Lungenödem beobachtet, miteinander verglichen,
bemerkten eine frappante Aehnlichkeit.
In dem System der Aorta beobachtet man dabei Fallen des Blut¬
drucks, in den Lungenarterien Steigen des Drucks. Die rechte Hälfte
des Herzens erweitert sich, die linke bleibt normal gross, oder, wie
einige Autoren behaupten, contrahirt sogar. Die Druckveränderungen in
der Lungenarterie werden durchaus nicht von ebensolchen Veränderungen
im linken Vorhof begleitet; so kann Drucksteigerung in der Lungen¬
arterie gleichzeitig mit dem Fallen des Drucks im linken Vorhof und
vice versa beobachtet werden. Auf Grund ihrer Versuche mit verschiedenen
Substanzen und Verengerung der Bicuspidalklappe gelangen wir zu fol¬
genden Schlüssen:
1. Beim Zustandekommen eines nach Einathmen von Stickstoffoxyd
oder Ammoniakdämpfen eintretenden Lungenödems spielen mechanische
Factoren gar keine Rolle; in solchen Fällen bemerkt man keine That-
sachen, welche für einen Unterschied in der Arbeit der beiden Herz¬
hälften zeugen würden. Der Druck ist sowohl in dem System der Aorta
als in der Lungenarterie vermindert.
2. Durch Einathmen oder Injectionen von Essigäther hervorgerufenes
acutes Lungenödem ist gewöhnlich mit klar ausgeprägter Unverhältniss-
mässigkeit der Arbeit beider Herzhälften verbunden, die sich durch Fallen
des Drucks im System der Aorta und entsprechendes Steigen desselben
in dem System der Lungenarterie ausdrückt. Bei der Injection grosser
Aetherdosen kann das Lungenödem jedoch ohne deutlich ausgeprägte
Asynergie der beiden Herzhälften eintreten, d. h. nicht nur bei nicht ge¬
steigertem, sondern auch sogar bei vermindertem Druck auch in der
A. pulmon., was ein Beweis ist, dass diese Erscheinung für die Ent¬
wicklung des Oedems keino wesentliche Bedeutung hat. Die mechanischen
Factoren können offenbar nicht zur Erklärung der Entstehung dieser Art
Oedem dienen.
3. Bei durch Injection von Jodlösungen hervorgerufenem acuten
Lungenödem beobachtet man anfänglich Drucksteigerung sowohl im
System der Aorta als in demjenigen der Lungenarterie. Später fällt der
Druck in der Aorta, bleibt aber hoch in der Lungenarterie. Somit ist
hier ein Unterschied in der Arbeit der beiden Ventrikel vorhanden.
Daher kann durch Jod hervorgebrachtes Oedem als ein durch mechanische
Factoren entstandenes erklärt werden, wobei aber diesen eine ausschliess¬
liche Bedeutung nicht zugeschrieben werden kann, da ein directer toxischer
Einfluss des Jods auf die Gefässwände auch möglich ist.
4. Intravenöse Injection von salzsaurera Adrenalin nach voran¬
gegangener Unterbindung der Brustaorta ruft Lungenödem hervor. Dieses
ist offenbar das Resultat einer grossen Druckerhöhung im System der
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 413
Aorta, bei welcher der linke Ventrikel nicht mehr imstande ist, das in
ihm enthaltene Blut auszuwerfen, infolgedessen Stauung und Druck¬
erhöhung in der Lungenarterie erfolgt. Möglicher Weise ist dies der
Mechanismus der Entstehung des Lungenödems bei Nephritis mit erhöhter
Spannung auch beim Menschen 1 ).
Im Jahre 1911 analysirte Bokarius (47) 1200 Autopsieprotokolle,
aus denen er zu seinen Schlüssen die Todesfälle durch Herzlähraung
ohne Erkrankung der Lungen, Nieren oder Herzklappen, unter Bestehen
von Lungenödem, auswählte und gelangte zu dem Schluss, dass in diesen
Fällen von agonalem Oedem die Ursache dieses letzteren in der Lähmung
des linken Ventrikels, die vor der Insufficienz des rechten eintrete, zu
suchen sei. Somit tritt er in Bezug auf Lungenödem dieser Art der
zuerst von Welch (s. oben) ausgesprochenen Ansicht bei.
Somit ist das rein mechanische, vielleicht von einer Veränderung
der Porosität der Gefässwände begleitete Moment, welches in den
experimentellen Untersuchungen der früheren deutschen Autoren, die ihre
aus diesen Experimenten gezogenen Schlüsse auch auf die Erklärung der
Entstehung des acuten Oedems beim Menschen anwandten, die prävalirende
Rolle spielte, in den Arbeiten der späteren deutschen Forscher in den
Hintergrund getreten und wird sogar von manchen vollständig ab¬
geleugnet. Diese letzteren haben den Schwerpunkt der Frage in das
Gebiet der Intoxication oder Infection (auch entzündlicher Processe),
die eine Veränderung der Gefässe und des Blutes nach sich ziehen,
verlegt. Veränderungen im Blutkreislauf lenken nicht mehr die Auf¬
merksamkeit auf sich; sie werden einfach ignorirt. Die neueren deutschen
und französischen Forscher haben ihre Aufmerksamkeit einem Moment,
welches bislang im Schatten geblieben war, nämlich dem Spiel des neuro-
vasomotorischen Apparats der Lungen — dem vasomotorischen Centrum
und den Vasomotoren der Lunge — zugewandt; daneben ziehen sie in
die Erklärung der Pathogenese des Lungenödems auch das toxisch-
infectiöse und sogar das mechanische Moment mit hinein. Doch wird
letzteres aus dem Gebiete des kleinen Blutkreislaufs von den französischen
Autoren in den allgemeinen arteriellen Kreislauf verlegt, wobei eine
chronische Druckerhöhung in diesem für den mechanischen Factor an¬
gesehen wird, wofür in früherer Zeit die deutschen Forscher haupt¬
sächlich die Insufficienz oder die Contractur des linken Ventrikels hielten
1) Im Jahre 1910 erschien eine Arbeit des Prof. Martin Fischer (46), in
welcher der Autor auf Grund der physiko-chemischen Eigenschaften der einen Bestand¬
teil der Gewebe bildenden colloidalen Substanzen die Entstehung der Oedeme im
Allgemeinen und des Lungenödems im Besonderen durch eine verstärkte Affinität der
colloidalen Substanzen der Gewebe zu dem sie umgebenden Wasser und die successiv
gesteigerte Durchtränkung der Gewebe mit Wasser erklärt. Eine solche Verstärkung
der Affinität im Lungengewebe entstehe in solchen Fällen, wenn aus irgend einem
Grunde eine Störung der Sauerstoffzufuhr zu demselben statthat. Prof. Fischers
Arbeit ist sehr interessant, doch erlauben wir uns, uns auf diese kurze Erwähnung
zu beschränken, da diese Frage noch zu neu ist, um einer allseitigen Betrachtung
unterworfen werden zu können.
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und tritt als Causa proxima des Lungenödems nicht die Veränderung der
Gefässwände im Sinne ihrer vergrösserten Durchgängigkeit, sondern die
Veränderung der Gewebe der in denselben stattfindenden osmotischen
Processe und die Veränderung der osmotischen Eigenschaften des Blutes
und der Lymphe in den Vordergrund.
Die Erscheinungen seitens des Blutkreislaufs, wie sich dieselben durch
den Blutdruck in diesen oder jenen Theilen des cardio-pulmonalen Apparates
sowie in den Eigenschaften und dem Charakter des Pulses geltend
machen, sind ganz in den Hintergrund gedrängt.
Auf Grund experimenteller Untersuchungen, klinischer Beobachtungen
und anatomo-pathologischer Thatsachen sind somit folgende Theorien der
Entstehung des acuten allgemeinen Lungenödems vorgebracht und ver¬
treten worden: 1. eine mechanische (auf Stauung beruhende) von Welch,
Grossmann, Winkler, Fraentzel, Strümpell u. a., 2. eine toxisch-
infectiöse (Löwitt, Sahli, Dieulafoy, Debove, Brouardel u. a.
französische Autoren, 3. eine angio-neurotische (Huchard, Landouzy),
4. eine neuropathische (Jores), endlich 5. eine gemischte, welche die
Elemente aller übrigen in sich schliesst (Teissier, zum Theil Zeissei,
Sticker, Chemery u. a.) und gegenwärtig die meisten Anhänger zu
haben scheint.
Die ersten Fragen, die sich dem Arzte bei der Untersuchung eines
an acutem Lungenödem leidenden Kranken zur Lösung aufwerfen, sind
gerade die Fragen über dessen Entstehung, d. h. ob es ein Stauungs¬
ödem, ein toxisches oder vielleicht ein neuropathisches ist, und dann die
Frage nach dem Zustand der Herzthätigkeit und der Blutcirculation.
Sind beim Kranken ausser dem Lungenödem irgend welche Veränderungen
in diesem Gebiete vorhanden? Ist letzteres der Fall, so folgt die Frage,
ob diese Veränderungen beständige und für die verschiedenen Fälle
typische sind, oder einen zufälligen Charakter haben, in welchem Ver¬
hältnis sie zur Entwicklung des Oederas stehen, ob sie die Ursache oder
die Folge des Oedems sind, oder ob diese und jene von irgend einer
allgemeinen Ursache abhängen? Um diese Fragen zu lösen, muss man
mit Sicherheit sagen können: ob überhaupt Circulationsstörungen im
kleinen Blutkreislauf die Entwicklung eines acuten Lungenödems nach
sich ziehen können und worin diese Störungen bestehen, welches, wenn
die Ursache des Oedems einen toxischen Charakter hat, der Mechanismus
ihres Einflusses ist: ob sie das Oedem hervorruft, indem sie auf das Herz
und die Blutcirculation im kleinen Blutkreislauf einwirkt oder nur auf
die Porosität der Wände der Lungencapillaren, oder zugleich auf diese
und jene Weise, oder endlich auf irgend eine andere Art. Sind neben
dem Oedem auch noch Veränderungen der Herzthätigkeit und der Blut¬
circulation vorhanden, so muss noch die Frage beantwortet werden, ob
man nach der Natur dieser Veränderungen die Entstehung des Oedems
bestimmen, d. h. beurtheilen kann, ob es ein Stauungsödem ein toxisches
oder ein nervöses ist.
In dem Wunsch, zu der Aufhellung dieser Fragen beizusteuern und
durch Experimente an Thicrcn manche von den Autoren erhaltenen,
widerspruchsvollen Thatsachen zum Theil zu berichtigen, zum Theil auch
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Veränderung der Ilerzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 415
auf Grund persönlicher Beobachtungen eine bestimmte Ansicht über die
Entstehung des acuten Lungenödems und über die dabei auftretenden
Störungen der Herzthätigkeit und Blutcirculation zu gewinnen, führten
wir eine Reihe von Versuchen mit Hervorrufung sowohl mechanischen
als toxischen Lungenödems aus.
II. Eigene Untersuchungen.
Methodik.
Die Versuche wurden hauptsächlich an grossen Hunden, welche ge¬
wogen wurden, angestellt. Die Thiere wurden mit Morphium (0,2 bis
0,3 subcutan) und Chloroform (2,0—5,0—20,0) narkotisirt, wonach man
die gewöhnlichen vorbereitenden Operationen: Abpräpariren der Gefässe,
der Luftröhre, Einführung der Canülen u. dergl. vornahm. Bei allen
Versuchen mit OefTnung des Thorax wurde das Thier curarisirt (Curare:
lproc. Suspension in Portionen von 1— V/ 2 ccm bis zur Wirkung) und
künstliche Athmung eingeleitet. Die künstliche Athmung geschah auf
gewöhnliche Weise mit Hülfe eines Blasebalges. Im grossen Blutkreis¬
lauf wurde der Blutdruck in A. carot. oder A. femor., im kleinen
in A. pulm. oder Ventr. dext., zu speciellen Zwecken im Ventr. sin.
und Atr. sin. gemessen. Der Druck wurde gewöhnlich mit Hülfe mit
Schwimmhölzchen versehener Quecksilbermanometer gemessen, wobei die
Federn der Schwimmer die Druckcurven vermerkten; anfänglich wurde
der O-Druck eingestellt und mit der Feder, welche die Abscisse aufzeichnete,
vermerkt. Die Verbindungsröhren für die Arterien füllten wir mit einer
gesättigten Magnesiurasulfatlösung (25 pCt.), die für die Herzkammern und
Art. pulmon. bestimmten mit 1 proc. Natriumcitratlösung. Zur Messung
des Druckes im rechten Ventrikel wurde in denselben durch die V. jugul.
ext. dext. ein Metallkatheter mit Oeffnungen an den Enden eingeführt, der
mit Natriumcitratlösung angefüllt und durch eine T-förmige Röhre mit
dem Manometer verbunden war; durch einen Seitenast dieser Röhre
wurde die eine oder die andere der zum Versuch dienenden Substanzen
in die Herzkammer injicirt. In den linken Ventrikel, in die Aorta ascend.,
wurden der Katheter und die Obturatoren durch die rechte A. subclav.
oder die A. carot. dext. eingeführt. Die A. pulm. verbanden wir
in den ersten Versuchen mit dem Manometer durch eine in einen ihrer
Aeste eingebundene Glascanüle, im weiteren aber durch eine gebogene,
zugespitzte Metallcanüle, welche in einen Ast der Lungenarterie einge¬
stochen und während des ganzen Versuches in ihrer Lage mit der Hand
gehalten wurde. In den linken Ventrikel wurden die Canülen und die
Obturatoren durch das Aurieulura oder öfter durch eine der Lungenvenen
eingeführt.
Zuweilen wurde der linke Ventrikel nicht mit dem Quecksilbermano¬
meter, sondern mit einer besonderen Kapsel, welche mit einer Marey’schen
Trommel verbunden war, in Verbindung gesetzt. Die Kapsel besteht aus
zwei kleinen, ausgehöhlten, an den Rändern mit einander fest zusammen¬
gefügten Metallhalbkugeln (den Magdeburg’schen ähnlich); zwischen diese
ist eine dünne Gummimembran gelegt; durch dünne, von beiden Hälften
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der Kapsel abgehende Röhren war sie durch Gurarniröhre an einem Ende
mit der Marey’schen Trommel, am anderen mit dem Gefäss oder der
Cavität, in denen der Blutdruck registrirt werden sollte, verbunden. In
solchem Falle wurde diese Hälfte mit Natriumcitratlösung gefüllt Die
Kapsel wurde an einem Stativ auf der gewünschten Höhe befestigt.
Behufs Registrirung der Athmungsexcursionen des Brustkorbes be¬
nutzten wir entweder ein kleines Guramipolster, welches mittels einer
Binde an einer Seite des Thorax befestigt und mit der Marey’schen
Trommel verbunden war, oder einen ThorÄkographen, welcher die gleich¬
zeitige Registrirung der Curven beider Seiten des Thorax gestattet. Zur
Vermerkung der Athembewegungen des Diaphragma wurde ein speciellcr
Phrenograph benutzt, dessen Stange durch einen Schnitt durch die Linea
alba in die Bauchhöhle eingeführt und so eingestellt wurde, dass dessen
Knopf unter der Controle des Fingers die Kuppel des Diaphragma
etwas stützte.
Die Curven, sowohl des Blutdruckes als der Athembewegungen,
wurden auf dem berussten Papier eines durch einen elektrischen Motor
in Bewegung gesetzten Kymographen vermerkt.
Der Zutritt zur Brusthöhle wurde durch Resection einiger Rippen
der linken Seite geschaffen, wobei vorher Ligaturen an dem oberen und
unteren Ende der Rippen angelegt wurden, um Blutungen aus den Inter-
costalgefässen zu verhüten. In den meisten Fällen wurden bei dieser
Operation längs des Schnittes durch die Haut 1—2 ccm einer 4proc.
Novocainlösung injicirt und die Hautwunde mit 5proc. Lösung desselben
bestrichen. Nach der Oeffnung der Brusthöhle wurden, nachdem das
Blut gestillt war, die Ränder der Wunde mit Watte belegt und die ganze
Oeffnung mit warmen Compresscn bedeckt.
Nach jedem Versuch wurde die Section vorgenommen, begleitet von
der Feststellung der richtigen Lage der Instrumente und der Untersuchung
des Zustandes der Organe, hauptsächlich der Lunge und des Herzens,
ln vielen Fällen wurden Stückchen der Lunge zur mikroskopischen Unter¬
suchung genommen.
Da unsere Hauptaufgabe darin bestand, möglichst genau zu be¬
stimmen, bei welchen Veränderungen der Blutcirculation, der Herzthätigkeit
und der Athmung acutes Lungenödem eintritt, so schien es uns besonders
wichtig, uns möglichst an normale Athembedingungen zu halten und
nicht ein schon ganz zustandegekommenes Oedem, wie andere Autoren,
sondern die ersten Anzeichen zu constatiren; zu diesem Zweck stellten
wir, ausser den Versuchen mit Eröffnung der Bauchhöhle und künstlicher
Athmung, auch, wo es nur möglich war, solche mit natürlicher Athmung
an; um den Anfang des Oedems zu bestimmen, benutzten wir die Aus-
cultationsmethode und auch einige andere Verfahrungsweisen: Messung
des intrathorakalen Drucks, des Volumens der Lungen, die Registrirung
der Lage des Diaphragma und der lateralen Seiten des Brustkorbes.
Gewöhnlich ist es schwer bei Thieren (Hunden) durch Auscultation
die ersten Anzeichen von Transsudation in die Lungenhöhle zu bemerken.
Letzteres geschieht erst mit der Veränderung des normalen Athem-
geräusches, welches härter wird, bald gesellt sich ein feuchtes gross-
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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei aoutem Lungenödem. 417
blasiges Rasseln hinzu, welches zuerst nur die Inspiration, später auch
die Exspiration begleitet; oft wird dieses Rasseln auch von fern gehört
(heiseres Athroen); sodann tritt mehr oder weniger gehäuftes feuchtes
kleinblasiges Rasseln beim Einathraen und schliesslich beschleunigtes
subcrepitirendes Rasseln, wobei gewöhnlich auch schaumige Flüssigkeit
aus der Nase auszutreten beginnt, so dass la pluie de rales fins der
französischen Autoren, mit denen sie das acute Lungenödem charakterisiren,
am Ende des Versuchs und kurz vor der Ausscheidung einer schaumigen
Flüssigkeit aus Nase und Mund eintritt.
Die Bedeutung der Messung des intrathorakalen Drucks, des Volumens
der Lungen, die Registrirung der Bewegungen des Brustkorbs und des
Diaphragma besteht darin, dass die Zeit des Eintretens der Volum-
vergrösserung der Lungen, welche das Eintreten des Oedems, gleichviel
ob durch Stauung verursachtes oder toxisches, begleitet, bestimmt werden
kann.. Nur in den Versuchen mit künstlicher Athmung war die Volum-
vergrösserung der Lungen gewöhnlich weniger deutlich ausgedrückt, und
zuweilen bestand die Veränderung bei ganz deutlich ausgeprägtem Oedem
fast nur in einer Veränderung ihrer Consistenz bei Vorhandensein von
Blutstauung und schaumiger Füssigkeit sowohl in den Schnitten als in
dem Lumen der Bronchien.
Unsere Versuche können in zwei Gruppen geordnet werden — in
eine, in der wir uns bemühten, Oedem auf rein mechanischem Wege
hervorzurufen, und in eine andere, wo zu demselben Zwecke einige
chemische Agentien angewandt wurden.
Mechanisches Stauungsödem.
Wer zur* Aufklärung der Ursachen und der Pathogenese des acuten
Lungenödems beitragen will, darf die Frage nach dem mechanischen
Ursprung desselben nicht umgehen. Nicht nur solche Forscher, welche
sich mit dem Lungenödem speciell beschäftigen, sondern auch Verfasser
allgemeiner Handbücher halten eine Blutstauung im Lungenkreislauf,
wenn nicht für die Hauptursache desselben, so doch für eine der
wichtigsten. Andere Autoren weisen diesem Moment eine viel be¬
scheidenere Rolle zu, indem sie Veränderungen der Gefässwände oder
vielleicht des Blutes selbst, sei es toxischen oder entzündlichen Ursprungs,
als die häufigere Ursache des Zustandekommens allgemeinen acuten
Lungenödems ansehen. Welch, der erste Forscher, der einen mechani¬
schen Ursprung des Lungenödems anerkannt, und eine hervorragende
Arbeit über das Lungenödem veröffentlicht hat, weist auf die Methode
der Zerquetschung der Muskeln des linken Ventrikels, als auf ein Ver¬
fahren hin, durch welches Lungenödem verursacht wird; dieser Versuch
leitete ihn sogar zu dem Schluss, dass auch beim Menschen als Ursache
des Lungenödems die herabgesetzte Kraft des linken Ventrikels zu halten
sei. Grossmann bestätigt Welch’s Angaben auch noch auf einem
anderen Wege, indem er eine, seiner Ansicht nach, ebensolche Herab¬
setzung der Thätigkeit des linken Ventrikels durch Muscarininjection
hervorruft. Die späteren Autoren — Sahli und hauptsächlich Löwit —
wollen jedoch die Richtigkeit dieser Thatsachen und Behauptungen
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unbedingt nicht zugeben. Welch erhielt bei Kaninchen jedesmal
Lungenödem, wenn er die Aortawurzel bei ihnen stenosirte. Sahli, der
mit Hunden, und Löwit, der mit Kaninchen und Katzen expcrimentirte,
haben eine solche Beständigkeit nicht bestätigt. Bei Sahli rief dieses
Verfahren bei Hunden sogar niemals Oedem hervor. Löwit erhielt es
zwar, doch nicht immer. Als auf ein sicheres Verfahren weist letzterer
auf die Injection physiologischer Kochsalzlösung in den linken Vorhof
hin, und für ein ebenso sicheres hält Grossmann neben der Zerquetschung
des linken Ventrikels und Muscarinvergiftung die Obturation des linken
Vorhofs. Doch sind beide Verfahrungsweisen nicht nachgeprüft worden.
Auch die Wirksamkeit des von Dr. Alexandrow vorgeschlagenen Ver¬
fahrens — durch Obturation des linken Ventrikels mechanisches Oedem
hervorzurufen — hat keine Bestätigung gefunden; zugleich spricht
Dr. Alexandrow dem obenerwähnten Verfahren Welch’s jeden Werth
ab. In Anbetracht alles dessen, was wir darüber gesagt, haben wir
nicht für überflüssig gehalten, noch einmal den Einfluss mechanischer
Hindernisse im Blutumlauf, nacheinander in allen Theilen des Gefäss-
systems, wo diese Hindernisse Blutstauung und nachheriges Oedem in
den Lungen hervorrufen können, auf das Zustandekommen von Lungen¬
ödem einem näheren Studium zu unterwerfen.
Da es nothwendig war, die Resultate unserer Arbeit mit den in
der Klinik gewonnenen Thatsachen zusammenzustellen, und da beim
Menschen unter allen Factoren des Blutumlaufs vor allen andern der
Puls untersucht wird, so richteten wir auch in unseren Versuchen unsere
Aufmerksamkeit auf die mit dieser Untersuchung verknüpften Erschei¬
nungen: die Höhe des arteriellen Druckes, welcher auf die Spannung der
Arterienwände hinweist, die Pulsfrequenz, die Stärke des Pülsschlags und
andere Eigenthümlichkeiten des Pulses. Ueber alle diese Factoren er¬
halten wir beim Thierexperiment hinlänglich genaue Angaben durch die
Anzeigen eines mit der A. carot. oder A. femor. verbundenen Hg-Manometers,
weshalb wir in allen unseren Versuchen auf dieselben besonders Acht gaben.
Unter den anderen Factoren des Blutumlaufs, welche bei natürlicher
Athmung studirt werden können, schien uns die Messung der Höhe des
Blutdrucks im rechten Ventrikel wichtig. Die Curve des intracardialen
Drucks im rechten Ventrikel zeigte ausser der Druckhöhe auch die Ar¬
beit des Ventrikels. Ein Vergleich dieser letzteren mit der Arbeit des
linken Ventrikels, welche wir entweder auf Grund der Schwankungen
des arteriellen Drucks, oder, in manchen Versuchen, noch genauer auf
Grund derjenigen des Drucks im linken Ventrikel selbst beurtheilen
konnten, gestattete uns in vollem Maasse über die Thätigkeit der beiden
Herzkammern ein Urtheil zu bilden. Nur in den Fällen, wenn es noth¬
wendig war den Druck in den Lungengefässen — in A. pulm., oder in
der linken Vorkammer — zu messen, waren wir gezwungen, Thorax-
Öffnung und künstliche Athmung anzuwenden.
Wir untersuchten somit den Einfluss der Obturation des linken Vor¬
hofs, des linken Ventrikels, der aufsteigenden Aorta, denjenigen des Zu-
klemmens oder der Stenosirung der Aortawurzel und der Embolie der
Lungencapillaren auf den Blutumlauf.
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 419
Es wurden im Ganzen 18 Versuche mit mechanischem Oedera an¬
gestellt, darunter durch:
Infusion in den linken Vorhof 1,
Obturation dos linken Vorhofs 6,
„ „ „ Ventrikels 2,
„ der aufsteigenden Aorta 2,
„ „ absteigenden „ 2,
Zuklemmen der Aortawurzel 3,
Embolie der Lungencapillaren 2,
wobei Oedem in 1 Fall erhalten wurde,
„ ,, „ 4 Fällen „ „
” 77 77 0 n n v
v n » 9 v „ rj
« » 1 77 77
7i 7i »7 ^ n n Ti
9
77 77 71 * 77 71 71
Untenstehend geben wir die Protokolle nur derjenigen Versuche, in
denen deutlicher ausgeprägtes Oedem erhalten wurde.
1. Versuch. Obturation der linken Vorkammer bei einem curaresirten
Hund unter künstlicher Athmung. Eröffnung des Thorax von der linken Seite. Messung
des Blutdrucks in A. carot. und A. pulm. Durch die Vene des unteren Lappens der
Lunge wurde in die linke Vorkammer ein Obturator mit einem Gummiballon am Ende
eingeführt. Es wurden zuerst die Curven des normalen Drucks vermerkt. Nach der
Füllung des Obturators, wobei die Obturation in mehreren Ansätzen verstärkt wurde,
stieg der Druck stark und rasch ip der A. pulm. und fiel in der A. carot.; von 113
bis 136 mm Hg vor der Obturation fiel der Druck in A. carot. bei der Obturation bis
90—110—116, hielt sich dann nach einigen Schwankungen auf 85—104 mm, zuletzt
auf 90 mm Hg. 15 Min. nach dem Beginn der Obturation fing der Druck infolge der
Schwächung der Herzthätigkeit an zu fallen. In der A. pulm. stieg der anfängliche
Druck von 24 mm Hg bei der Obturation um das Dreifache und erreichte 74—80 mm
Hg; auf dieser Höhe hielt er sich, zeitweilig bis auf 24 mm Hg fallend, beinahe bis
zum Ende des Versuchs. Puls vor der Obturation 99 in 1 Min., arhythmisch, nach dem
Beginn der Obturation 129—135 in 1 Min. gleichfalls arhythmisch; die systolischen
Elevationen in der Lungenarterie stiegen zugleich mit dem Steigen des Blutdrucks in
derselben. 4 Min. nach dem Beginn der Obturation bei 80—104 mm Hg Druck in
A. carot. und 44—50 mm Hg in A. pulm. (Puls 72—84 in 1 Min.) waren die systo¬
lischen Elevationen in der Lungenarterie sehr hoch, in A. carot. höher als bis dahin,
der Puls wurde regelmässig. Die Curve A. carot. liegt auf der Curve A. pulm. Noch
4 Min. später war Puls 87 in 1 Min., die systolischen Elevationen desselben waren
kleiner geworden, Druck in A. carot. bis 90 mm Hg., in A. pulm. 70 mm Hg. Noch
nach 3 Min. (am Ende des Versuchs) Puls bis gegen 200 in 1 Min., ziemlich regel¬
mässig, die systolischon Eiovationen in A. carot. (bei 90 mm Hg Druck) klein, die
respiratorischen Schwankungen derDruckcurve schwach ausgedrückt, die Lungenarterie
schrieb nicht mehr. Nach 2 1 / 2 Miu. fiel der Blutdruck vollständig (s. Fig. 1). In diesem
Versuch hatte die Obturation 15Min. gedauert, und es wurde ein deutlich ausgeprägtes
Oedem erhalten; der Druck fiel in den Arterien des grossen Blutkreislaufs um 20 bis
15 pCt., stieg in der Lungenarterie um 190—230—109 pCt. (diese letzte Druckerhöhung
hielt 10 Min. an).
Obduction. Lungenödem. Die unteren Lungenlappen sind stark gestaut,
von dunkler Farbe; die oberen rosafarben. Eine schaumige Flüssigkeit nicht nur in
den Bronchien, sondern auch im unteren Theil der Luftröhre. In den unteren Lungen¬
lappen fliesst aus den durchschnittenen Gefässen flüssiges Blut. Links auf der Seite,
wo alle Manipulationen vorgenommen worden waren, war das Oedem weniger scharf
als rechts ausgeprägt. Ein derartiges, verhältnissmässig schwächer ausgedrücktes
Oedem in der Seite, das verschiedenen Manipulationen unterworfen worden ist, wird
häufig beobachtet.
4. Versuch (analoger Versuch). Eine Hündin; Gewicht 15500 g. Es wurde
der Druck in A. femor. und Ventr. dext. registrirt. Die Obturation dauerte 12—13 Min.
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Vor dem Beginn derselben war der Druck inA.femor. 166 mm Hg, in Ventr.dext. 13mm
Hg, Puls bis90inlMin., die systolischen Elevationen in der Arterie klein, im Ventr.dext.
gut ausgeprägt gewesen. Nach 1 Min. 20 Sec. seit dem Beginn der Obturation war der
Druck in A. femor. 126 mm Hg., imVentr. dext. 38 mm Hg., Puls bis 228 in IMin., in
der Arterie fadenförmig, im Ventr.dext. sind die Elevationen wie anfänglich ausgedrückt.
Nach 15—20 Sec. fiel der Druck rasch und hielt sich 2Min. lang ungefähr auf der Höhe
98 mm Hg in A. femor. und 26 mm Hg in Ventr. dext. (Puls bis 102 in 1 Min.), die
systolischen Elevationen in der Arterie wurden kleiner als am Anfang, im rechten
Ventrikel zweimal grösser als anfänglich. Darauf wurde der Puh, ohne Verstärkung
der Obturation, in der Arterie wieder kleiner, bis 204 in 1 Min., die Elevationen des
rechten Ventrikels fielen bis zur früheren Höhe. Der Druck in A. femor. war 96 mm Hg,
imVentr. dext. bis 34 mm Hg; dann im Laufe von 3 Min. graduelles Sinken des Drucks
und am Ende dieser Zeit war er in der Arterie 70 mm Hg, im Ventrikel 18 mm Hg,
Puls bis 96 in 1 Min., in der Arterie waren die Elevationen noch kleiner, im Ventrikel
grösser als anfänglich. Im Laufe der nächsten 3 Min. 45 Sec. bei einmaliger Verstärkung
der Obturation gegen das Ende dieser Periode fuhr der Druck in A. femor., bei be¬
ständiger Höhe im Ventr. dext., fort, wellenförmig zu fallen und war am Ende in der
Arterie 46mm Hg, im Ventrikel 15 mm Hg, Puls bis 100 in IMin., in der Arterie faden¬
förmig, im Ventrikel mit ausgeprägten Elevationen; während der folgenden 2 Min. fiel
der Druck vollständig, so dass in den letzten l 1 ^ Min. die Druckcurve in der Arterie
in eine gerade Linie überging; im Ventrikel waren die Elevationen, wenn auch schwach,
doch wahrnehmbar, der Druck verharrte auf derselben Höhe 14—15 mm Hg, Puls bis
96 in 1 Min. Der Puls war die ganze Zeit regelmässig. Nach der Obturation waren
die respiratorischen Schwankungen der Druckcurve weniger deutlich ausgeprägt (s. Fig.2).
Der arterielle Druck war in diesem Versuch um 41—72 pCt. gefallen, im rechten Ven¬
trikel zuerst um 300 pCt., dann um 100—160 pCt. gestiegen, während der letzten
5 Min. erreichte die Steigerung nur 37—15 pCt.
Obduction. Grosses Oedem, auf beiden Seiten gleichmässig. Die Lungen
sind vergrössert, gestaut; besonders die unteren Lappen, welche verdichtet und durch-
gehends von violetter Farbe sind; die oberen Lappen sind in ihren oberen Theilen
rosafarben, in den unteren violett, knistern beim Drücken; schaumige Flüssigkeit bis
zum unteren Theil der Luftröhre; aus den Schnitten tritt eine grosse Menge theils
schaumiger, theils einfacher brauner Flüssigkeit aus.
Der Obturator lag in der linken Vorkammer, füllte sie aus und verschloss die
atrio-ventriculäreOeffnung, der untere Theil desselben konnte aus dem linken Ventrikel
mit dem Finger erreicht werden. Der linke Ventrikel ist leer, der rechte schlaff, aus¬
gedehnt. Keine Coagula.
10 . Versuch. Zuklemmung der Aortenwurzel. Hund von 17,5 kg Ge¬
wicht. Nach der Eröffnung des Pericardiums an seinem oberen Theil wurde mittels
einer langen gebogenen Pincette unter Controle des Fingers zwischen der Wurzel der
A. pulm. und derjenigen der Aorta eine Ligatur geführt, um letztere geschlungen
und im Graefe’schen Schlingenschnürer fixirt. Der Druck wurde in A. femor. und
im rechten Ventrikel gemessen. Die Zuklemmung geschah vollständig und wurde nur
einmal und auf kurzeZeit vermindert. Der Versuch dauerte vom Beginn der Zuklemmung
an 21 Minuten.
Druckcurven. Druok in A.femor. vor derZuklemmung 148mmHg, im Ventr. dext.
14 mm Hg, Puls 72 in 1 Min., regelmässig, nicht gross, die systolischen Elevationen
in der Arterie waren klein, im rechten Ventrikel massig gross. Nach der Zuklemmung
war der Druck in A. femor. 84 mm Hg, dessen Curve ging in eine gerade Linie über,
im Ventr. dext. 20mm Hg, die systolischen Elevationen waren doppelt kleiner geworden,
Puls 174 in 1 Min. Am Ende der 4. Minute der Zuklennnung war der Druck in
A. femor. 52 mm Hg, im Ventr. dext. 20mm Hg. Darauf stieg im letzteren der Druck auf
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 421
einmal auf 35—36 mm Hg bei dem früheren Druck in A. femor. Darauf fiel im Laufe
von 2 Min. 50 Sec. der Druck im Ventr.dext.bis auf 22 mm Hg. Der Puls war wie vor¬
her frequent, fadenförmig im rechten Ventrikel, A. femor. schrieb eine wellenförmige
Linie. Darauf verharrte der Druck im Ventr. dext. während 3 Min. 20Sec. auf 30 mm Hg
und fiel wieder bis auf 22—20 mm Hg bei 46 mm Hg in A. femor. Die systolischen
Elevationen im Ventr.dext. wurden grösser, dessen Puls war 54 in IMin. Nach 2Min.
15 Sec. fiel der Druck im Ventr.dext. bis zur anfänglichen Höhe 14 mm Hg. Puls des
Ventr.dext.78 in 1 Min., der Druck in A.femor. 44 mm Hg. 3 Minuten später war der
Druck im Ventr. dext. 22 mm Hg, in A. femor. 38 mm Hg, Puls 210 fast fadenförmig
(sehr kleine Elevationen). Nach 3 Min. war der Druck im Ventr. dext. 12 mm Hg, in
A. femor. 34 mm Hg. Im Laufe der folgenden 2 Min. 50 Sec. fiel der Druck vollständig.
Die ganze Zeit bewahrte der Puls des Ventr. dext. einen regelmässigen Rhythmus. In
diesem Versuch war der Druck in A. femor. um 65—74 pCt. gefallen, im Ventr. dext.
um 43—157 pCt. gestiegen.
Obduction. Grosses Oedem. Die Lungen sind vergrössert, gestaut, besonders
in den unteren Lappen, die von violetter Farbe und verdichtet sind; die oberen Lappen
haben rosa, zum Theil violette Färbung. Aus den Schnitten scheidet sich eine dunkel-
rothe, zum Theil schaumige Flüssigkeit aus; eine gleiche wird in der Luftröhre wahr¬
genommen. In den kleinen Gefässen ist dunkles Blut.
Im rechten Herzen sind einige Coagula, im linken rosafarbenes schaumiges Blut
vorhanden. Die Oberfläche beider Ventrikel ist von Ecchymosen von unregelmässiger
Form, erbsen- bis thalergross (3 cm im Durchmesser), eingenommen. Im rechten
Ventrikel dringen die Ecchymosen durch die ganze Dicke der Wand, sind am Endo-
cardium, in den papillären Muskeln, im linken am Epicardium sichtbar und nehmen
die oberflächlichen Schichten der Muskelwand ein. Auch an den Vorhöfen sind
Ecchymosen zu sehen.
18. Versuch, Embolie der Lungencapillaren. Ein mittelgrosser Hund
von 12600 g Ge wicht. Der Druck wurde in A. femor. und Ventr.dext. und dieExcursionen
des Diaphragma wurden gemessen. Im Verlaufe von 35 Min. wurden 5 Injectionen einer
undurchsichtigen Suspension von Lycopodiumsamen in warmer Kochsalzlösung, jedes¬
mal zu 25 ccm gemacht. Zwischen der ersten und zweiten Injection vergingen 8Min.,
zwischen der zweiten und dritten 7 Min., zwischen der dritten und vierten 14 Min.
und zwisohen der vierten und fünften 5 Min. Nach der fünften Injection fiel der Druck
vollständig; nun wurde, als das Pulsiren beider Ventrikel sehr schwach geworden
war, Massage der Brust und künstliohe Athmung (Ziehen an der Zunge) vorgenommen,
aber diese Maassregeln verlängerten die Athmung nioht, und nach einigen tiefen In¬
spirationen hörte sie ganz auf. Schon nach der dritten Injection trat aus Mund und
Nase eine Flüssigkeit hervor.
Druck- und Athemcurven. Der anfängliche Druck betrug in A. femor.
120mm Hg, im Ventr.dext.5mmHg; nach der ersten Injection stieg der Druck ein wenig
in der Arterie und mehr als um das Dreifache bis 18 mm Hg im rechten Ventrikel;
nach der dritten Injection fiel der arterielle Druck von 130 bis 60 mm Hg, stieg aber
bald wieder bis zur früheren Höhe; im rechten Ventrikel stieg er anfänglich von
10 mm Hg bis 36—38 mm Hg, blieb dann, allmählich fallend, auf 18—20 mm Hg
stehen. Nach der vierten Injection wiederholten sich dieselben Schwankungen des
Drucks wie nach der dritten; Austreten von Flüssigkeit aus der Nase wurde bei 26
bis 32 mm Hg Druck im Ventrikel und 64 mm Hg in der Arterie beobachtet; endlich
nach der fünften Injection fiel der arterielle Druck definitiv von 118 mm Hg bis auf
28 mm Hg, stieg im rechten Ventrikel für einige Secunden von 20 mm Hg bis 24 mm Hg,
fiel dann wieder bis auf 20 mm Hg und hielt sich einige Minuten, bis ans Ende, auf
dieser Höhe. Nachdem das Herz sich nach der Injection erholt hatte, fiel zwar der
Druck im rechten Ventrikel im Vergleich zum ersten Moment nach der Injection, blieb
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 98
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aber dennoch höher als der anfängliche; der Druck in A. femor. besserte sich nach
den 4 ersten Injectionen, fiel nach der fünften vollständig. Puls 120 in 1 Min. vor
der Injeotion, arbythmisch, die systolischen Elevationen klein, im rechten Ventrikel
etwas grösser; nach der ersten Injection war der Puls ebenso, doch etwas regelmässiger.
Nach der dritten Injection war Puls 180 in 1 Min., während derselben unregelmässig,
später wieder regelmässig; dasselbe bei der vierten Injection. Das Austreten von
Flüssigkeit aus der Nase wurde bei Puls 150 in 1 Min. beobachtet; in diesem Moment
wurden die systolischen Elevationen im Ventr.dext.bedeutend grösser, nach IMin. aber
wieder kleiner. Nach der fünften Injection war der Puls in der Arterie fadenförmig,
im Ventrikel waren die Elevationen noch wahrnehmbar. Endlich ging die Druckcurve,
die sich zu einer geraden gestaltet hatte, wieder in eine Curve mit seltenen Aufstiegen
sowohl in der Arterie, als auch im Ventrikel über. Diese Erscheinung wiederholte
sich im Laufe von 3 Min. — die Periode der Agonie — dreimal und endlich fiel der
Druck definitiv. Der Moment des Auftretens von Wellen in den Druckcurven entspricht
der Exspiration in der Diaphragmacurve, wobei diese sich von ihrer Abscisse entfernt,
und die Exspiration giebt eine Reihe von Aufstiegen, die darauffolgende Inspiration
zeigt fast gar keine Schwankungen; in diesem Moment geht die Curve in Absätzen
nach unten; beide Perioden dauern 20—30 Sec. (s. Abb. 3). ln diesem Versuch fiel
der arterielle nach der dritten Injection um 84 pCt., stieg der Druck im rechten Ven¬
trikel um 200—500 pCt. und noch mehr. Während der letzten 5 Min. verharrte er auf
einer Höhe, die die anfängliche um 300 pCt. übertraf.
Auf Grund unserer Versuche mit mechanischem Oedem gelangen
wir zu folgenden Schlüssen:
1. Experimentelles, mechanisches, acutes Lungenödem wird bei
Hunden durch gewisse Manipulationen ziemlich leicht hervorgerufen.
2. Die Stauung und die Druckerhöhung im Lungenkreislauf, be¬
sonders im System der Lungenarterie, ist dabei sehr gross (nicht weniger
als 100 pCt. des anfänglichen Drucks in der Lungenarterie).
3. Druckerhöhung bloss auf der venösen Seite des Lungenkreislaufs,
wie bedeutend sie auch sei, genügt nicht, um Lungenödem hervor¬
zurufen. (Versuche 11, 12 u. a.)
4. Die Versuche mit Embolie der Lungcncapillaren zeigen, dass
eine Druckerhöhung bloss auf der arteriellen Seite des kleinen Blut¬
kreislaufs und im anfänglichen Theil der Lungcncapillaren genügt, damit
ein starkes Lungenödem zu Stande komme. Die mikroskopische Unter¬
suchung kann zeigen, wie gross dabei die Rolle der Veränderungen ist,
welche die Gefässwände durch die Eintragung einer Menge Sera, lycopodii
(Emboli) erfahren.
5. Der arterielle Druck im grossen Blutkreislauf fällt, aber zu
starkes und rasches Fallen des Drucks (mehr als 50 pCt. des anfäng¬
lichen) ist schon ein für das Zustandekommen von Oedem ungünstiges
Moment, wahrscheinlich in Folge der ungenügenden Blutzufuhr zum rechten
Herzen und der in Folge dessen ungenügenden Druckerhöhung im System
der Lungenarterie.
6. Künstliche und starke Hydrämie, mit Stauung combinirt, be¬
günstigt das Zustandekommen von Oedem (Versuch mit Infusion in die
linke Vorkammer).
7. In Folge der Erniedrigung des arteriellen Drucks ist bei mecha-
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 423
nischera Oedem die Spannung der Arterienwände verringert, was bei der
Untersuchung des Pulses beim Menschen in Fällen von Lungenödem von
Bedeutung ist.
8. Die Pulsschläge während der Entwickelung eines mechanischen
Oedems können ihrer Frequenz, Stärke und ihrem Rhythmus nach ver¬
schieden sein. Oedem kann sich sowohl bei regelmässigem als bei
arhythmischem Puls entwickeln.
9. Steigerung der Energie der Arbeit des rechten Ventrikels ist fast
eine beständige Bedingung bei der Entwickelung des mechanischen Lungen¬
ödems.
10. Von einer Lähmung des linken Ventrikels in Welch’s Sinne
kann man bei unseren Versuchen nicht reden; wohl zeigen die Curven,
dass die gewöhnlich gesteigerte Thätigkeit des rechten Ventrikels die
Arbeit des linken an Dauer übertraf; ganz am Ende des Versuchs
zeigte während 1 — 2 Minuten die Arterie an ihrer Curve schon keine
Schwankungen mehr, während Elevationen des rechten Ventrikels noch
deutlich zu sehen waren; in diesem Moment trat im linken Ventrikel
in der That schon Lähmung ein, im rechten noch nicht; nähme man
jedoch Welch’s Ansicht über die Lähmung des linken Herzens als der
causa efficiens des Oedcms an, so müsste man auch die Entwickelung
dieses letzteren von diesem Moment herleiten, d. h. es für ein agonales
halten; die Auscultation und die Besichtigung der Lungen während der
Versuche haben aber gezeigt, dass das Lungenödem sich lange vor
diesem Moment entwickelt, wenn ein Unterschied in der Thätigkeit der
Ventrikel oder, richtiger, im Druck in diesem und jenem Blutkreislauf
vorhanden ist, von der Lähmung des linken Ventrikels aber noch nicht
die Rede sein kann. Das zu dieser Zeit beobachtete Fallen des Drucks
in den Arterien des grossen Blutkreislaufs kann jedoch nicht einzig für
das Resultat der Insufficienz des linken Ventrikels (z. ß. in Folge einer
verschlechterten Ernährung desselben) angesehen werden; zum Theil muss
das Fallen des Drucks der durch die mechanischen Hindernisse ver¬
ringerten Blutzufuhr in das arterielle System des grossen Blutkreislaufs
zugeschrieben werden.
11. Was somit den Blutabfluss aus dem kleinen Blutkreislauf auch
hindern möge: Aorten Verengerung, Raum Verminderung des linken Vorhofs
(z. B. in Folge von Druck seitens einer Geschwulst auf dieselben),
acuter Verschluss einer grossen Anzahl von kleinen Zweigen der Lungen¬
arterien und Capillaren (fettige Embolie), Insufficienz des linken Ventrikels,
insbesondere bei einer gewissen Combination von Störungen in der Com-
munication der Höhlen des Herzens miteinander (combinirte Herzfehler
beim Menschen nach Sahli, Versuche mit Beschädigungen des Herzens
von Rosenbach (55), — sobald all diese Momente eine grosse Druck¬
erhöhung in der Lungenarterie herbeiführen, ist acutes Stauungsödem zu
erwarten, insbesondere in den Fällen, wenn ein solcher Zustand des
Organismus von verschlechterter Ernährung im Allgemeinen, Veränderung
der Zusammensetzung des Blutes (z. B. Hydräraie), folglich auch von
Veränderung in der Ernährung der Gefässwände begleitet ist.
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Toxisches Oedem.
Späteren Arbeiten gemäss, müssen die mechanischen Ursachen des
acuten Lungenödems beim Menschen im Vergleich zu den toxischen und
entzündlichen im weiteren Sinne des Wortes in den Hintergrund treten.
Bei seinen Experimenten mit Aethern (Schwefeläther, Essigäther und
Butteräther) gelangte Löwit auf Grund der von ihm erhaltenen kymo-
graphischen Data zu dem Schluss, dass dabei von Stauung im Lungen¬
kreislauf nicht die Rede sein kann. Winkler dagegen bei seinen Ver¬
suchen mit Amylnitrit und v. Zeissl mit einer Jodlösung in Natrium-
jodid constatirten beim Eintreten des Oedems, in Folge der Injection
dieser Substanzen, starke Stauungserscheinungen in den Lungen mit
Druckerhöhung im linken Vorhof und Entwickelung der sogenannten
Lungenschwellung und Lungenstarrheit. Dasselbe hebt auch Grossmann
in seiner Arbeit über durch Muscarin hervorgerufencs Lungenödem hervor.
Teissier und Guinard waren nicht im Stande, durch Anwendung
mechanischer Verfahrungsweisen Lungenödem hervorzubringen, erhielten
es aber leicht durch Injection von Salicylmethyl in das Blut von Thieren
sogar dann, wenn sie vorher keine mechanischen Störungen im Blut¬
umlauf der Versuchsthiere verursacht hatten; diese Autoren führen die
Druckcurven an und behaupten, dass die Ursache des Entstehens des
Oedems die toxischen Eigenschaften des Salicylmethyls sind, und dass
die mechanischen Störungen des Blutumlaufs erst in zweiter Reihe
kommen. Noch früher beobachteten Chanoz und Doyon bei ihren
Versuchen mit Arayl - Salicyläthcr Lungenödem; sie führen aber keine
Angaben über die Messungen des Blutdrucks an.
Klinisch wurden schon oft Fälle von Lungenödem durch Einathmen
von Chlor, Salpetersäure, Kohlensäure (Sticker), Chloroform und be¬
sonders Aether — Poppert, Morton und Saundby — constatirt.
Carrion und Hallion, die eine concentrirtere Chlornatriumlösung
(10:1000), Amblard, der eine lOproc. Rohrzuckerlösung, und Bouchard
und Claude, die Adrenalin injicirten, riefen Lungenödem hervor, oder
beobachteten solches; aber diese Forscher hatten nicht die Absicht, die
Veränderungen des Blutdrucks dabei zu studiren, weshalb diese Seite
der Frage in ihren Arbeiten unberücksichtigt blieb. Ganz unlängst (im
Jahre 1909) erschien eine experimentelle Arbeit von Miller und Matthews,
in dieser berichten die Autoren über eine Reihe von Versuchen sowohl
mechanischen Charakters, als auch mit verschiedenen chemischen Sub¬
stanzen, welche in dieser Hinsicht theils schon untersucht worden waren,
theils von den Autoren zum ersten Mal zum Zweck der Erforschung der
Pathogenese des Lungenödems angewandt wurden. Zu den ersteren
gehören: Essigäther, Jod in einer Jodkalilösung, Adrenalin; zu den
letzteren: Stickstoffoxyddämpfe, Ammoniaklösung, Blausäure. Wie aus
dem oben angeführten Referat dieser Arbeit ersichtlich ist, legen auch
diese Autoren den mechanischen Ursachen in der Entstehung des Lungen¬
ödems eine verhältnissmässig weniger wichtige Bedeutung bei.
Um eine klarere Vorstellung von den Veränderungen zu erhalten,
welche im Blutkreislauf bei der Entwickelung eines toxischen Lungen-
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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 425
Ödems entstehen, leiteten wir eine Reihe von Versuchen mit toxischen
Substanzen ein. Unter den verschiedenen in dieser Beziehung erforschten
Giften und anderen Substanzen verursachen Lungenödem folgende:
Argentum nitricum, Methylium salicylicum, Aether sulfuricus, Aether
aceticus, Aether butyricus, Jodum, Araylnitrit, Adrenalin, Acidum hydro-
cyanic., Chloralhydratura, Morphium, Aether amylosalicylicus, Stickstoff¬
oxyd, Ammoniaklösung, Arsen (letzteres durch Bildung von Coagula in
den Lungenvenen und im linken Vorhof) und wahrscheinlich noch viele
andere. In unserer Untersuchung studirten wir den Mechanismus des
Zustandekommens des Lungenödems und die es begleitenden Störungen
des Blutkreislaufs und der Athmung, indem wir durch Injection von
Silbernitratlösungen, Methylsalicyl und Schwefeläther ins Blut Oedem
hervorriefen.
Versuche mit Silbernitrat.
Die Zahl der Versuche mit Höllenstein betrug 36; in 34 Fällen
wurde Oedem erhalten. Unter den verschiedenen Bezirken des Gefäss-
systems maassen wir den Druck in A. feraor.,Ventr. dext., Atr. dext., A.pulm.,
Atr. sin., Ventr. sin. In einzelnen Versuchen registrirten wir ausserdem die
Athmung (Thorax, Diaphragma), das Volum der Lungenlappen, den intra¬
pulmonalen, intraplcuralen und intrapericardialen Druck; prüften den Ein¬
fluss auf das Zustandekommen des Höllensteinödeme einer Injection von
Adrenalin, Atropin, der Obturation der V. cav. inf., die Veränderung der Ge¬
rinnbarkeit des Blutes unter dem Einfluss des AgNO a . Wir geben hier
die Protokolle nur folgender 5 Versuche:
23 . Versuch. Der Blutdruck wird in A. femor. und imVentr. dext. ge¬
messen; ausserdem werden die Bewegungen des Thorax und des Dia¬
phragma registrirt. Mittelgrosser Hund. Gewöhnliche Narkose. Zuerst wurden
die normalen Curven registrirt, dann durch einen in den rechten Ventrikel eingeführten
Katheter mittels einer Spritze 2 ccm einer 2proc. Höllensteinlösung injicirt.
Um der Fällung des Silbers aus der Lösung schon im Herz-Katheter, vor dem
Eintritt ins Blut, vorzubeugen, wurde dasselbe vor der Injection der Silberlösung mit
destillirtem Wasser angefüllt und nach der Injection, um jene weiterzuschaffen, noch
etwas Wasser nachgeschiokt. Der Druck in A. femor. begann zu fallen, im Ventr. dext.
zu steigen. Bei dor Auscultation des Thorax konnte kein Rasseln vernommen werden.
Nach kurzdauernder Besserung des arteriellen Druckes begann er wieder zu fallen, und
6 Min. nach der Injection der Silbernitratlösung verendete das Thier.
Obduction. Lungenödem. Die Lungen sind stark vergrössert, von gelblich-
rother Färbung, fallen nicht zusammen; aus der Trachea und den Bronchien sehr
reichliche Ausscheidung schaumiger Flüssigkeit, wie auch aus den Schnitten des
Lungengewebes. Mässige Blutanfüllung der Lungen.
Es wurden 30—40 ccm der blassrothen, schaumigen Oedemtlüssigkeit gesammelt,
abcentrifugirt und filtrirt. Salzsäure bewirkte einen schwachen Niederschlag, der in
Ammoniakflüssigkeit (NH 4 OH) löslich und in Salpetersäure (IIN0 3 ) unlöslich war,
somit wurde in der Oedemtlüssigkeit die Gegenwart von AgN0 3 constatirt. Unter dem
Mikroskop wurde im anfänglichen Centrifugat nichts gefunden.
Die Druckcurven und Curven der Athembewegungen. Der Druck in
A. femor. fiel von der anfänglichen Höhe 112 m Hg in 1 J / 4 Min. bis auf 69 mm Hg;
nach kurzer Besserung fiel er aufs neue und fuhr bis ans Ende fort zu fallen.
Im Ventr. dext. war der Druck vor der Injection 7 mm Hg; nach l x / 4 Min. fing
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er an zu steigen und erreichte in 1 l j 2 Min. 26 mm Hg; darauf begann er zu fallen
und war nach 'S 1 /*—4 Min. (vom Beginne des Steigens gereohnet) niedriger als der
anfängliche; die systolischen Elevationen in der Arterie wurden nach der Injection
zwei Mal kleiner, im rechten Ventrikel waren sie die erste Zeit danach unverändert;
als aber der Druck im Ventrikel geringer als der anfängliche geworden war — 5 Min.
nach dor Injection —, wurden die systolischen Elevationen fast zwei Mal grösser.
Die Curve der Diaphragmabewegungen entfernte sich gegen das Ende fast um
anderthalb Mal weiter von der Abscisse, als es anfänglich der Fall war, die Excursionen
aber wurden vier Mal kleiner; die Thoraxcurven entfernten sich von der Abscisse
nicht und gingen aus einer gebogenen fast in eine gerade Linie über; diese Verände¬
rungen der Athemcurven drücken eine bedeutende Vergrösserung der Lungen und zu¬
gleich eine Verkleinerung ihrer Athembewegungen aus; auch die Section bestätigte
die Vergrösserung der Lungen. — Vor der Injection war Puls 93 in 1 Min., nach der¬
selben 132, weniger voll, ziemlich regelmässig; die respiratorischen Schwankungen
der Druckcurve sind wenig ausgeprägt. Der Puls bewahrte seinen regelmässigen
Rhythmus bis ans Ende, wurde aber immer schwächer (die systolischen Elevationen
werden immer kleiner). Am Ende des Versuchs war Puls 81 in 1 Min. (s. Fig. 4).
24. Versuch. Derselben Art. Grosse Hündin von 27 kg Gewicht. Die Herz-
thätigkeit ist schon von Anfang etwas arhythmisoh. Die Höllensteininjection wurde
drei Mal vorgenommen: 1 com einer 3proc. Lösung, nach 8 Min. 2 ccm, nach 10 Min.
noch 3 ccm. Starkes Rasseln bei der Auscnltation wurde 4—5 Min. vor Beendigung
des Versuchs constatirt, als der Druck in A. femor. stark gefallen, im rechten Ventrikel
dagegen auf der früheren Höhe geblieben war. Während des krampfhaften agonalen
Hineinziehens des Diaphragma, dessen Excursionen zu dieser Zeit viel kleiner ge¬
worden waren, trat eine sehr starke Ausscheidung einer schaumigen Flüssigkeit aus
der Nase ein. Der rechte Ventrikel fuhr fort, noch 2—3 Min. lang zu registriren, nach¬
dem der Druck in A. femor. vollständig gefallen war; auch krampfhafte Athem¬
bewegungen waren noch zu bemerken.
Obduction: Oedem. Die Lungen sind stark aufgeblasen, fallen nicht zu¬
sammen, die oberen Lungenlappen haben röthlich-gelbe Färbung, die unteren sind
dunkel, gestaut; sehr viel schaumige Flüssigkeit in der Trachea, den Bronchien und
in den Lungenschnitten; aus den unteren Lungenlappen fliesst vom Schnitt eine
grosse Menge dunkler, theils schaumiger Flüssigkeit; die oberen enthalten durchgängig
eine schaumige, durchsichtige Flüssigkeit. Beim Druck knistern die Lungen; die
unteren Lungenlappen sind dicht, und der Finger hinterlässt nur bei starkem Andrücken
eine Spur.
Die Herzmuskeln, besonders des linken Ventrikels, sind sehr dunkel (beinahe
violett) gefärbt.
Druck- und Athemcurven. Der Druck in A. femor. vor der Höllenstein¬
injection 98 mm Hg; nach der 1. und 2. blieb er wie vorher und begann erst nach
der 3. rasch zu fallen.
Im Ventr. dext. war der Druck vor der Injection 5 mm Hg, nach derselben fiel er
sogar ein wenig, nur die systolischen Elevationen wurden etwas grösser. In den zwei
letzten Minuten des Versuchs, als der Druck in A. femor. stark zu fallen begann, stieg
er im Ventr. dext. bis 7—8 mm Hg und die systolischen Elevationen wurden kleiner.
Die Athemcurven boten nach den 2 ersten Injectionen keine scharfen Verände¬
rungen, nur hart vor der 3. und besonders danach zeigten die Athemcurven dieNeigung,
sich von der Abscisse zu entfernen, was von einer Volumvergrösserung der Lungen
zeugte; zugleich wurde die Athmung langsamer, was besonders an der Diaphragma-
curve sichtbar ist, deren Athempausen beinahe drei Mal länger geworden sind als
vordem und deutliche Pulsschwingungen erhalten haben. In den letzten 2 Min. des
Versuchs haben sich die Athemcurven bedeutend von ihrer Abscisse entfernt, der Athem
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 427
ist unregelmässig und wieder frequenter geworden; der Druck in A. femor. ist gefallen,
im Ventr. dext. gestiegen.
Der Puls war vor der Injection 78 in 1 Min., regelmässig, nach der l.Injection 84,
als Rasseln beobachtet wurde 93 in 1 Min. Dann wurde der Puls langsamer, und nur
am Ende des Versuchs erreichte die Frequenz 135 in 1 Min. und er w r urde fadenförmig.
Die Athemsohwankungen der Druckcurve wurden am Ende des Versuchs kleiner.
34. Versuch. Silb er n i tr at und Messung des Druckos im linken Vorhof.
Mittelgrosser Hund, 17200 g schwer. Der linke Vorhof war diesmal nicht mit einem
Quecksilbermanometer, sondern mit einem elastischen, in der Form einer Metallkapsel,
verbunden, welche aus 2 halbkugelförmigen, durch eine Gummimembran getrennten
Hälften bestand. Die untere Hälfte der Kapsel war mit lproc. Natriumcitratlösung an¬
gefüllt und mit einer in den linken Vorhof eingesetzten Canüle, die obere mit einer
Marey’schen Trommel verbunden. Injection von iy 2 ccm 2proc. AgN0 3 -Lösung in
den rechten Ventrikel, nach 5 Min. eine zweite Injection einer gleichen Menge, nach
16 Min. eine dritte von 3 ccm, nach welcher, 6 Min. später, das Thier verendete. Von
der 1. Injection an dauerte der Versuch 28 Min., es wurden 6 ccm 2proc. Silbernitrat¬
lösung injicirt. Nach der zweiten Injection, kurz vor der dritten, gab ein aus dem
oberen linken Lungenlappen resecirtes Stück beim Zusammenpressen ausser Blut
auch schaumige Flüssigkeit von sich.
Obduction: Oedem. Schaumige Flüssigkeit in der Trachea; trotz der künst¬
lichen Athmung sind die Lungen ziemlich voluminös, die unteren Lappen von violetter
Farbe; am Schnitt in den unteren Lappen eine grosse Quantität brauner, zum Theil
schaumiger Flüssigkeit; in den Gefässen schwarzes, flüssiges Blut. Keine Coagula in
den Höhlen des Herzens.
Druckcurven. Der anfängliche Druck in A. femor. 160 mm Hg, im Ventr. dext.
12 mm Hg; nach der 1. Höllensteininjection fiel hier der Druck etwas, aber die systo¬
lischen Elevationen wurden grösser; der Druck in der Arterie blieb unverändert oder
stieg sogar ein wenig; der Druck im Atr. sin. stieg, hielt so ungefähr 1 1 / 2 Min. an und
kehrte dann zur früheren Höhe zurück; nach der 2. Injection fing der Druck im Ventr.
dext. an zu steigen und erreichte 18 mm Hg bei 138 mm Hg des arteriellen Druckes
(dieser war etwas niedriger geworden); der Druck im Atr. sin. begann zu fallen, zuletzt
unter die Abscisse, zugleich wurden die Schwankungen aller drei Curven (die Eleva¬
tionen) kleiner.
Gesteigerter Druck im Ventr. dext. hielt sich, bald steigend, bald fallend, bis zur
3. Höllensteininjection; der Druck im A. femor. hielt sich ebenfalls (gegen 140mm Hg).
Der Druok im Atr. sin. besserte sich, nachdem er 4 Min. unter der Abscisse sich ge¬
halten hatte. Nach der 3. Injection begann der arterielle Druck erst nach 3y 2 Min.
stark zu fallen; der Druck im rechten Ventrikel fiel bis auf 10 mm Hg, dessen systo¬
lische Elevationen wurden wieder grösser, der Druck blieb bis ans Ende auf dieser
Höhe; die Curve des linken Vorhofs, die schon vor der 3. Injeotion viel höher über
ihrer Abscisse gestanden hatte als am Anfang des Versuchs, entfernte sich nach der
Injection noch mehr von ihr und blieb bis zum Ende auf einer grösseren Entfernung
von ihr als die anfängliche, wobei nach 3y 2 Min. die Aufstiege des Vorhofsdrucks
viel kleiner wurden und endlich ganz schwanden. Puls war vor der Injection regel¬
mässig, 78 in 1 Min., blieb auch nachdem unverändert; man bemerkt eine Ver-
grösserung der systolischen Elevationen des rechten Ventrikels. 2 x / 2 Min. naoh der
2. Injection von AgN0 3 war Puls 138, klein (die systolischen Elevationen waren
kleiner geworden), etwas arhythmisch, seine respiratorischen Schwankungen waren
verschwunden. Die systolischen Elevationen des rechten Ventrikels hatten auch ab¬
genommen (der Druck im Ventrikel war gestiegen). S l / 2 Min. später nahm der Puls
seine frühere Gestalt an, mit grossen respiratorischen Schwankungen, 66—60 in 1 Min.,
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noch deutlich arhythmisch. Nach der 3. Injection blieb der Puls langsam, 48 in 1 Min.,
nach 4y 2 Min. schwand er unter beständiger Abnahme vollständig.
35. Versuch. Wie der vorhergehende, nur anstatt im Ventr. dext.
wurde der Druck in der Lungenarterie gemessen. Mittelgrosse Hündin, Gew.
18 kg. Der Druck wurde in A. femor. gemessen, ausserdem im Atr. sin. und in der
Lungenarterie (zugespitzte Canüle). Normale Curven; dann wurden in den rechten
Ventrikel 3 ccm 2proc. Höllensteinlösung injicirt. In der Lungenarterie begann der
Druck stark zu steigen, gleichfalls in A. femor., im linken Vorhof zu fallen. Der
frequent gewesene Pulsschlag wurde langsam, selten, wonach der Druck in A. femor.
anfing zu fallen, im linken Vorhof zu steigen, in der Lungenarterie blieb er eine
Zeitlang auf derselben Höhe; dann fing er an auch hier zu fallen, aber blieb im
linken Vorbof bis zu Ende erhöht (die Feder zeichnete dann schon eine gerade Linie).
Nach 10 Min. wurden weitere 2 ccm Höllensteinlösung injicirt, wonach der Druck in
A. femor. und pulm. sogleich fiel. Der Versuch währte 12 bis 13 Min.
Obduction: Oedem. Die Lungen sehen marmorirt aus, pastös, sind im
Ganzen wenig vergrössert, im unteren Theil der Trachea und in den Bronchien
schaumige Flüssigkeit; aus den Schnitten fliesst viel braune Flüssigkeit hervor. Im
Lungenlappen mit einer unterbundenen Vene ist das Oedem geringer. Im rechten
Herzen eine grosse Menge schwarzer Coagula, im linken wenig, ln den Aesten der
Lungenarterie schwarzes Blut.
Druckcurven. Vor der Injection war der Druck in A. femor. 98 mm Hg; die
systolischen Elevationen ihrer Curve sind sehr klein; in der Lungenarterie 24 mm Hg,
ihre systolischen Elevationen sind auch klein; im linken Vorhof 2—2 l j 2 mm Hg.
Nach der Injection allmähliches Steigen des Drucks sowohl in A. femor. als in
A. pulm., in ersterer bis 126 mm Hg, in letzterer bis 64 mm Hg; in beiden, besonders
in A. pulm. sind die systolischen Elevationen grösser geworden; im linken Vorhof
fiel der Druck unmittelbar nach der Injection um ein Drittel und blieb 2 Min. lang
niedrig, kehrte dann zur früheren Höhe zurück und stieg sogar ein wenig, 3 Min. nach
der Injection war er 4 mm Hg und blieb so gegen 2 Min. Zugleich begann der Druck
in A. femor. zu fallen und war hier nur 66 mm Hg, während er im linken Vorhof,
wie erwähnt, 4 mm Hg betrug, in A. pulm. gegen 50 mm Hg. Die systolischen
Elevationen in den Arterien sind immer noch grösser als die anfänglichen, im linken
Vorhof sind die Pulswellen deutlich zu sehen. 7 Min. nach der Injection beträgt der
Druck in A. femor. 54 mm Hg, in A. pulm. 42 mm Hg, die Elevationen sind noch
immer gross, im linken Vorhof 3—4 mm Hg, die Pulswellen sind schwächer aus¬
geprägt. Puls langsam, 60 in 1 Min. Darauf fiel der Druck während 3^2 Min. in
A. femor. und pulm.; im linken Vorhof blieb er auf derselben Höhe, obgleich dessen
Feder 2 Min. lang schon eine Gerade zeichnete. Jetzt wurde die 2. Injection gemacht,
worauf der Druck sogleich definitiv fiel.
43. Versuch. Durch AgN0 3 verursachtes Oedem. Messung des Drucks in
A. femor., Ventr. dext. und Ventr. sin. Mittelgrosser Hund von 18,5 kg. Ein Katheter,
ähnlich dem, welcher in den rechten Ventrikel eingeführt wurde, aber kürzer und
enger, wurde durch A. subclav. dext. in den linken Ventrikel eingeführt. Für die
Curve des linken Ventrikels wurde wegen ihrer Entfernung von den übrigen eine be¬
sondere Ahscisse geführt. Nach der Registrirung der normalen Curven wurden in den
rechten Ventrikel 2 ccm oproc. Arg. nitr., nach 5 Min. andere 2 ccm derselben Lösung
injicirt. Mittels Auscultation wurde der Moment des ersten Rasseins notirt. 20 Min.
nach der 1. Injection Austritt einer schaumigen Flüssigkeit aus Mund und Nase. Bald
darauf ging das Thier zu Grunde.
Obduction. In den Lungen die gewöhnlichen Erscheinungen durch AgN0 3
hervorgerufenen Oedems. Die Lage der Katheter in den Ventrikeln ist richtig.
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 429
Druokcurven und Rasseln. Nach der 1. Injection wurden in den Druck-
curven keine scharfen Veränderungen bemerkt ausser Arhythmie in der Herzthätigkeit
und Tendenz zur Drucksteigerung im rechten Ventrikel; 3 Min. nach der 2. Injection
bedeutende Verminderung der Elevationen des linken Ventrikels; in A. femor. eine
sehr geringe Drucksteigerung und eine gleiche Verkleinerung der Zaoken der Curven;
dagegen erreichten die Elevationen im Ventr. dext. fast das Dreifache der anfänglichen
Höhe und übertrafen diejenigen des Ventr. sin., und der Druck stieg um das Doppelte,
von 8—10 mm Hg bis 18—26 mm Hg. Nach einer Minute wuchsen die Elevationen
des linken Ventrikels an, ohne die frühere Höhe zu erreichen und begannen nach
2 Min. allmählich wieder kleiner zu werden und gingen bis VlO ihrer anfänglichen
Höhe hinunter. Zugleich mit der Verkleinerung der systolischen Elevationen wurden
auch die diastolischen Senkungen der Curvo des linken Ventrikels kleiner. Auch der
Puls wurde in A. femor. kleiner, aber der Druok fing erst 7 Min. nach der 2. Hölien-
steininjection an zu fallen, beständig progressirend. Im rechten Ventrikel vor dem
Fallen des Drucks in A. femor. wurden verstärkter Druok und höherp Elevationen be¬
obachtet; seit diesem Moment kehrte der Druck im rechten Ventrikel zum anfänglichen
zurück, die Elevationen aber waren trotzdem doppelt so gross, endlich wurden sie
kleiner, obgleich der Druck sich noch hielt. Am Ende des Versuohs, vor dem
definitiven Fallen des Drucks, waren die Curven des linken und des rechten Ventrikels
einander sehr ähnlich, sowohl ihrer Grösse als ihrer Form nach. Der anfängliche
Druck in A. femor. war 105 mm Hg. Mässiges feuchtes Rasseln stellte sich 3 Min.,
kleinblasiges 6 Min. nach der 2. Injection ein bei erhöhtem Druck in A. femor. bis
120 mm Hg und bis 18 mm Hg erhöhtem Druck im Ventr. dext., subcrepitirendes Rasseln
wurde constatirt, als der Druck in A. femor. bis auf 74 mm Hg gefallen war, dort
und im linken Ventrikel waren die systolischen Elevationen sehr klein; im rechten
Ventrikel kehrte der Druck zur anfänglichen Höhe, 8 mm Hg, zurück, und die
systolischen Elevationen waren mehr als zweimal so gross wie im linken.
Puls vor der Injection 99 in 1 Min., etwas arhythmisch, nach der Injection 90 in
1 Min., die systolischen Elevationen des rechten Ventrikels waren grösser, obgleich
der Druck durchschnittlich derselbe war, im linken Ventrikel waren die systolischen
Elevationen etwas kleiner geworden. Nach 2 Min. 20 Sec. hatte die Pulsfrequenz zu¬
genommen und 162 in 1 Min. (27 in 10 Sec.) erreicht, die systolischen Elevationen
aller drei Curven waren bedeutend kleiner geworden. Gleich nach der 2. Injection
war Puls 75 in 1 Min., 2y a Min. nach derselben 90, die systolischen Elevationen des
rechten Ventrikels denen des linken gleich; mässiges feuchtes Rasseln. Die systo¬
lischen Elevationen der A. femor. wurden kleiner, dann wieder grösser, entsprechend
den systolischen Elevationen des linken Ventrikels, welche wieder dio des rechten an
Höhe weit übertrafen. Nach 5 1 / 2 Min. wurden die Elevationen der Arterie kleiner,
diejenigen des linken Ventrikels waren auch kleiner als die des rechten. Die Atbem-
schwankungen der Curve waren fast verschwunden. 6 Min. nach der 2. Injection von
AgNOg war Puls 120; kleinblasiges Rasseln constatirt. Der Druck im rechten Ventrikel
ist erhöht. Der arterielle Druck fällt allmählich, die Elevationen der Arterie und des
linken Ventrikels werden stark verkleinert; im rechten fällt der Druck ebenfalls, aber
seine systolischen Elevationen verkleinern sioh nicht so scharf (9 Min. nach der
Injection ist Puls 111 in 1 Min.). Massenhaftes feuchtes Rasseln. Noch nach 3 Min.
Puls 150 in 1 Min., filiformis, die Elevationen des linken Ventrikels sind 1 1 / 2 mal
kleiner als die des rechten. Nach 1 / 2 Min. schaumige Flüssigkeit aus Mund und
Nase. Puls 27 in 1 Min., jetzt werden die seltenen systolischen Elevationen im linken
Ventrikel und in der Arterie grösser als im rechten und endlich während 3 Min. wurde
die Registration aller drei Curven sistirt.
Die Versuche mit Höllenstein können in zwei Kategorien getheilt
werden: eine, in welcher keine mechanischen Momente, die das
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Zustandekommen des Oedems durch Steigerung des Blutdrucks im Lungen¬
kreislauf hätten fördern können, beobachtet wurden, und eine andere,
in welcher diese Momente in einem gewissen, oft bedeutenden Grade,
allein stets in der arteriellen Seite und nicht weiter als in den Capillaren
des kleinen Blutkreislaufs, ausgeprägt waren.
Die erste Kategorie umfasst 10 Versuche, darunter die oben¬
beschriebenen Versuche 24 und 34. Im ersteren begann der arterielle
Druck nach der Höllensteininjection, gegen 0,007 auf jedes Kilo Körper¬
gewicht, in drei Ansätzen erst nach der 3. Injection zu fallen; im rechten
Ventrikel fand nach den zwei ersten Injectionen Verminderung des Drucks
mit Vergrösserung der systolischen Elevationen statt und stieg derselbe
um 50 pCt. erst am Ende des Versuchs (nach der 3. Injection).
Feuchtes Rasseln wurde in diesem Versuch 5 Min. vor dem Ende
(25 Min. nach* Beginn des Versuchs) bei stark vermindertem Druck in
der Arterie und fast unverändertem im Ventrikel, bei etwas beschleunigtem,
doch regelmässigem Puls gehört. Die Athmungscurven entfernten sich
von der Abscisse vor der 3. Injection, 8—10 Min. vor dem Eintritt des
feuchten Rasseins; dabei wurde das Athmen langsam, in der Folge auch
oberflächlich.
In Versuch 34 erwiesen sich die Druckverhältnisse complicirter.
Nach der 1. Höllensteininjection waren sowohl der arterielle Druck als
der Druck im linken Vorhof l 1 /«* Min. lang etwas erhöht, kehrte dann
aber zur Norm zurück; als Ursache des Steigens des arteriellen Drucks
kann ein Reflex vom rechten Herzen, oder von den Aestcn der Lungen¬
arterie aus auf das vasomotorische Centrum, oder eine directe Reizung
dieses Centrums angesehen werden. Zugleich mit dem Steigen des
arteriellen Drucks wurde, wie gesagt, Druckerhöhung auch im linken
Vorhof beobachtet, im rechten dagegen Fallen des Drucks. Nach der
2. Injection fiel der arteriolle Druck um 12 pCt.; der Druck fiel im
linken Vorhof (die Curve liegt unterhalb der Abscisse), stieg im rechten
Ventrikel um 60pCt. Diese Druckverhältnisse dürften sich durch das Entstehen
von Hindernissen in den Capillaren, oder in den feinen Verzweigungen
der A. pulm. (den Anfängen der Venen) erklären lassen. Nach der
3. Injection — das gewöhnliche Fallen des arteriellen Drucks, eine geringe
Druckverminderung im rechten Ventrikel, im linken Vorhof dagegen, wo
der Druck schon vor der 3. Injection höher als der anfängliche war, stieg
er danach noch höher und blieb so bis zu Ende (nach 3 1 / 2 Min. wurde
infolge eines Coagulums die Curve nicht mehr vermerkt, und nach
weiteren 2 J / 2 Min. starb das Thier).
Wodurch lässt sich die Drucksteigerung im Vorhof erklären?
3V 2 Min. nach der 2. Injection wurde der Puls arhythmisch und langsam,
mit grossen Schwankungen — Vaguspuls; nach der 3. Injection progressive
dieser Charakter des Pulses, und lässt sich die Stauung und die Druck¬
steigerung im linken Vorhof eben durch diesen langsamen Puls mit
grossen Diastolen und allmählich schwächer werdenden Systolen erklären;
infolge der verminderten Blutzufuhr zum rechten Herzen fiel der Druck
in diesem. Das mechanische Moment war in diesem Versuch schwach
ausgedrückt und trat ausser einer zeitweiligen Druckerhöhung im rechten
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Veränderung der Herzthatigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 431
Ventrikel durch eine Vergrösserung der systolischen Elevationen desselben
während der Druckerhöhung zu Tage.
Die Quantität des angewandten Höllensteins betrug 0,007 pro Kilo
Körpergewicht.
Zur zweiten Kategorie gehören 26 Versuche, darunter Versuch 23.
Nach der Höllensteininjection fiel der arterielle Druck (nach V/ 4 Min.)
um 39 pCt., stieg im rechten Ventrikel in demselben Zeitraum um
300 pCt. 1 ) und fiel, nachdem ersieh l x / 2 Min. gehalten hatte (unter den
anfänglichen).
43. Versuch. Nach der 2. Injection stieg der Druck im rechten
Ventrikel um 125—150 pCt. und hielt sich solange, bis der Druck in
der Arterie zu fallen begann (7 Min.). 3 Min. nach der 2. Injection wurde
die Thätigkeit des linken Ventrikels bedeutend schwächer (Kleinerwerden
der systolischen Elevationen), während die Thätigkeit des rechten Ven¬
trikels viel stärker wurde (die Elevationen desselben wurden grösser als
die des linken Ventrikels), der Druck in demselben war, wie erwähnt,
erhöht. Trotz des Schwächerwerdens der Contractionen des linken
Ventrikels stieg auch der arterielle Druck etwas auf eine Zeitlang, in
Folge der Beschleunigung seiner Thätigkeit. (0,006 Höllenstein auf 1 Kilo
Körpergewicht.)
Mittelstarkes feuchtes Rasseln wurde nach 3 Min. constatirt, klein¬
blasiges feuchtes 6 Min. nach der Injection bei erhöhtem Druck sowohl
in A. femor. (um 14 pCt.) als auch besonders im rechten Ventrikel
(um 100 pCt.) Subcrepitirendes Rasseln bei vermindertem Druck in der
Arterie und dem anfänglichen im Ventrikel. Puls stieg von 99 Schlägen
bis 120 bei verminderter Fülle; darauf wurde Puls noch schwächer.
Unter Ausscheidung einer schaumigen Flüssigkeit aus der Nase wurde
der Puls sehr langsam — 27 in 1 Min. mit ausgeprägten Elevationen,
hoch aber leer. Zu dieser Kategorie gehört auch Versuch 35.
Wieviel Zeit muss nach der Injection vergangen sein, damit sich
ein Lungenödem entwickle? Aus Versuch 50 (Excision von Stückchen
aus der Lunge) folgt, dass nach 2 Min. die. Anfüllung der Lungen mit
Blut scharf ausgeprägt ist, dass nach 5 Min. alle Ocdemerscheinungen
vorhanden sind, dass folglich 4—5 Min. genügen, damit bei der gehörigen
Höllensteindosis, im gegebenen Fall 0,0026 pro Kilo, selbst bei künst¬
licher Athraung sich im Lumen der Bronchien Flüssigkeit zeige.
Die von uns in den verschiedenen Versuchen pro Kilo Körpergewicht
des Thieres angewandten Mengen salpetersauren Silbers betrugen: 0,002
(bei dieser Menge war der arterielle Druck nach 45 Min. noch gut; be¬
hufs Beendigung des Versuchs musste zur Elektropunctur des Herzens
geschritten werden), 0,003 (Ableben bei natürlicher Athraung unter
Oedemerscheinungen nach 1 Stunde), 0,005 (Ableben nach 55 Min.),
0,007 (Ableben nach 30 Min.).
Auf Grund der Betrachtung unserer Höllensteinversuche gelangen
wir zu folgenden Schlüssen:
1) Der Procentsatz der Drucksteigerung wurde überall in runden (ganzen) Zahlen
berechnet.
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Die Injection von Höllenstein in den rechten Ventrikel bewirkt in
den meisten Fällen Druckerhöhung in demselben und in der Lungen¬
arterie, Druckerniedrigung im linken Vorhof und in der Aorta. In
anderen Fällen fehlen diese Veränderungen des Drucks, und in einigen
Versuchen beobachtet man anfänglich eine Steigerung des arteriellen
Drucks, welche von der Reizung des vasomotorischen Centrums durch
den Höllenstein abhängt.
Die Herzthätigkeit ist beim Höllensteinödem gewöhnlich verändert;
es entwickelt sich Asynergie der Herzkammern: die rechte contrahirt
sich stärker, während in der linken sich im Gegentheil geschwächte Thätig-
keit bemerkbar macht. Bei der Injection von Höllensteinlösung in den
linken Ventrikel zum Zweck, die Veränderungen in der Thätigkcit beider
Herzkammern beim unmittelbaren Eintritt dieser Substanz in die Coronar-
gefässe zu bestimmen, wurde in beiden Schwächerwerden der Contrac-
tionen beobachtet.
In der Veränderung des Pulses nach der Höllensteininjection ist es
schwer irgend eine Gesetzmässigkeit herauszufinden, doch constatirt man
eine gewisse Beschleunigung der natürlichen Athrnung, bei verringerter
Fülle desselben, und umgekehrt bei beschleunigtem Puls bei künstlicher
Athrnung wird nach der Höllensteineinspritzung Neigung desselben zur
Verlangsamung beobachtet. Bei wiederholten Injectionen wächst die
Schwäche des Pulses allmählich an. In den letzten Minuten, wenn ge¬
häuftes Rasseln gehört wird, oder Flüssigkeit aus Mund und Nase aus¬
zutreten beginnt, nimmt der Puls den Charakter eines seltenen, lang¬
samen, mit hohen Aufstiegen an.
Das Volum des Herzens wird auf Kosten der Erweiterung seiner
rechten Cavitäten grösser; das Volum des linken Ventrikels wird im
ersten Moment nach der Injection, besonders in dessen Höhle, kleiner,
kehrt aber dann zur anfänglichen Grösse zurück.
Die Zusammenstellung der erhaltenen Thatsachen leitet zu dem
Schluss, dass die Ursache des Lungenödems bei der Höllensteininjection
die toxische Wirkung des Silbernitrats auf die Wände der Lungencapillaren
erscheint, und dass das Höllensteinödem ein vorherrschend toxisches
Oedem ist. Die mechanischen Hindernisse der Fortbewegung des Blutes
im kleinen Kreislauf, welche infolge von dessen Veränderung unter dem
Einflüsse des Höllensteins entstehen und zur Verlegung eines Theils der
Capillaren durch die zerfallenen rothen Blutkörperchen führen, und auch
infolge der Zusammenpressung der Capillaren durch die Oedemflüssigkeit
eintreten, können die Entwicklung eines Oedems nur begünstigen, siud
aber nicht durchaus nothwendig, wie dies die Fälle von Höllensteinödem
beweisen, die nicht von Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf be¬
gleitet sind.
Was die Blutanfüllung der Lungen beim Oedem anbetrifft, so ist
sie eine ungleiche in Abhängigkeit von der ungleichen Blutanfüllnng der
Arterien und der Venen: die der Arterien nimmt zu, die der Venen wird
geringer.
Die Athembewegungen werden beim Höllensteinödem allmählich
schwächer infolge der verminderten Dehnbarkeit der Lungen durch
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 433
Schwellung, zum Theil infolge einer durch den Höllenstein bewirkten
Lähmung des Athmungscentrums.
Die Athemcurven weisen auf eine Volurazunahme der Lungen und
auf eine Verringerung der Athemexcursionen lange vor dem Eintreten des
feuchten Rasseins hin, welches von Transsudation in die Alveolen
zeugt. Diese Volumvergrösserung der Lungen kann schon 2—3 Min. nach
der Injection bemerkt werden.
Die Versuche mit der Registrirung der Volum Veränderung eines
Lungenlappens zeigen, dass die Entwicklung eines Oedems bedeutende
Vergrösserung der Lunge verursacht, was wenigstens in einem Theil der
Fälle hauptsächlich der Durchtränkung der Gewebeinterstitien mit Flüssig¬
keit und der Transsudation dieser in die Alveolen zuzuschreiben ist; denn
in den angeführten Versuchen war Blutstauung und folglich Blutanfüllung
der Lungen, dem Fehlen einer Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf
nach zu ertheilen, bei Weitem nicht scharf ausgedrückt.
Bei der Volum vergrösserung der Lungen infolge ihrer ödematösen
Durchtränkung und zum Theil auch ihrer Hyperämie wird der intraalveolare
Raum kleiner.
Die Methode der Messung des intrapleuralen Drucks, welche ange¬
wandt wurde, um den Moment der Volumvergrösserung der Lungen, mit
anderen Worten des Anfangs des Oedems zu registriren, gab unbeständige
Resultate; dies ist auf Rechnung des Umstandes zu setzen, dass in
einigen Fällen die Vergrösserung der Lungen so zu sagen nach unten, in
der Richtung des Diaphragma stattfindet, dessen Lage verändert und auf
den Stand des intrapleuralen Drucks einen sehr unbedeutenden Einfluss
ausübt.
Ein Höllensteinödem ist auch bei bedeutend vermindertem Blutzufluss
zu den Lungen möglich; daraufhin darf‘man die Vermuthung aussprechen,
dass ein Aderlass unter solchen Umständen keine verzögernde oder vor¬
beugende Wirkung haben kann.
Eine Gruppe von Versuchen mit Aether.
ln der Klinik ist man schon längst darauf aufmerksam geworden,
dass die Aethernarkose nicht selten tödtliches Lungenödem beim Menschen
hervorruft. Schon im Jahre 1877 wurden solche Fälle beschrieben
(Morton, Saundby), doch hat man sich dafür erst in den letzten 10
bis 15 Jahren im Allgemeinen interessirt und angefangen, sie umständlich
zu beschreiben, hauptsächlich in England und Amerika, was dem zuzu¬
schreiben ist, dass in diesen Ländern die Aethernarkose bevorzugt wird.
Auf die Eigenschaft des Aethers, experimentelles Lungenödem hervor¬
zurufen, hat Löwit hingewiesen; wir haben nur mit Schwefeläther und
weder mit Essigäther noch mit Buttersäureäther gearbeitet.,
Wir stellten mit Aether im Ganzen 15 Versuche an, wobei in einem
Fall kein Lungenödem erhalten wurde. Der Druck wurde in denselben
Theilen des Gefässsystems gemessen wie in den Höllensteinversuchen.
Es wurde die Athmung registrirt, in einigen Versuchen Auscultation an¬
gewandt. Auch die Wirkung des Aethers auf den intrapericardialen und
intrapleuralen Druck sowie der Einfluss der Injection von Adrenalin auf
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434 A. M. Kotowschtschikow,
das Zustandekommen des Aetherödems wurden untersucht; desgleichen der
Einfluss des Aethers auf die Gerinnbarkeit des Blutes. Wir geben die
Protokolle folgender 4 Versuche.
59. Versuch. Einwirkung von Aether. Eine mehr als mittelgrosse Hündin
von 16700g Gewicht. A.femor.und Ventr.dext. zur Druckmessung; ein kleines Polster
auf die linke Seite zur Registrirung der Athmung. Gewöhnliche Narkose. 0,5 ccm
Aether sulf. in den rechten Ventrikel — Steigen der Athemcurve; dann noch 4 Injec-
tionen in 5Min. langen Zwischenräumen von 1, 3, 5, 5 ccm und zuletzt die 6. Injection
von 10 ccm, wonach starkes Fallen des Drucks in A. femor., weniger starkes im rechten
Ventrikel erfolgte; die Athemcurve ging in eine gerade Linie über, d. h. die Athmung
hatte aufgehört; das Thier agonisirte während 2 Min.; zu dieser Zeit traten einige
Tropfen Flüssigkeit aus der Nase.
Bei der Auscultation wurde kein Rasseln vernommen. Seit dem Moment der
ersten Injection hatte der Versuch 30 Min. gedauert; es waren 24,5 ccm Aether ver¬
braucht worden.
Obduction: Lungenödem. Die Lungen sind voluminös, die oberen Lappen
hellrosa gefärbt, in den unteren sind hämorrhagische Herde zerstreut; die oberen
fühlen sich weich, die unteren fester an, behalten Eindrücke, ausgeprägte Stauung in
denselben gelingt es nicht wahrzunehmen. Die ganze Trachea und die Bronchien
sind mit weisser schaumiger Flüssigkeit angefüllt; schaumige Flüssigkeit dringt auch
aus den Schnitten, aber nur beim Zusammendrücken.
Das Herz ist schlaff; der rechte Ventrikel, dessen Endocardium eine ziemlich
lebhafte rosa Färbung zeigt, enthält keine Coagula.
ln der Bauchhöhle gewahrt man kein Exsudat.
Druck- und Athemcurven. Nach den ersten Injectionen stieg der arterielle
Druck ein wenig und erreichte vor der 4. Injection 103 mm Hg gegen 81 mm Hg des
anfänglichen, nur nach der 3. Gel er anfangs bis auf 79 mm Hg; nach der 4. Injection
(5 ccm) fiel der arterielle Druck bis zur Hälfte des anfänglichen 44 mm Hg, besserte
sich aber bald wieder; nach der 3. Injection stieg der Druck im rechten Ventrikel
bis 7 mm Hg, wurdo nach der 4. zweimal grösser als der anfängliche, d. h. stieg von
5 mm Hg bis 10 — 12 mm Hg.
Die Athemcurve entfernte sich schon nach der 1. Injection von ihrer Abscisse
um einen anderthalbmal grösseren Abstand als der anfängliche und blieb so fast bis
ans Ende. Unmittelbar nach einer Injection wurden die Athemexcursioncn frequenter,
grösser, und nahmen für einige Zeit einen regellosen Charakter an. Nachdem sich ihr
Rhythmus gebessert hatte, wurden sie dann nach jeder Injection immer kleiner. Puls
war vor der Aetherinjection 42 in 1 Min., regelmässig, mit deutlich ausgeprägten
respiratorischen Schwankungen, nach der 1.Injection bis 51 in 1 Min., dann veränderte
sich sein Charakter bis zur 3. Injection nicht, doch nach dieser und besonders nach
der 4. veränderte er sich scharf, nämlich seine Frequenz erreichte 105 in 1 Min.; die
systolischen Elevationen in der Arterie wurden viel kleiner, im Laufe 1 Min. waren
sie auch im rechten Ventrikel verkleinert. Die respiratorischen Schwankungen der
Druckcurve verschwanden (in der Arterie Gel der Druck, im Ventrikel stieg er).
63. Versuch. Schwefeläther und Messung des Drucks im linken
Ventrikel. Ein grosser Hund von 19 kg Gewicht. Gewöhnliche Narkose. Druck in
A.femor., Ventr. dext. und Ventr. sin. (in diesen wurde ein Katheter durch A. subcl. dext.
eingeführt). 1. Injection von 3 ccm Schwefeläther in den rechten Ventrikel — schnell
vorübergehendes Sinken des Druckes, nach 4 Min. 2.Injection von 5 ccm; nach 10Min.
noch 4 ccm, endlich nach weiteren 10 Min. die 4. und letzte Injection von 5 ccm, wo¬
rauf das Thier nach 3—4 Min. verendete. 2 Min. nach der 3.Injection wurde feuchtes
Rasseln vernommen, sogleich nach der 4. massenhaftes kleinblasiges Rasseln. Der
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 435
Versuch dauerte von der l.Injection an 30 Min. Es wurden 17 ccm Aether verbraucht.
Feuchtes Rasseln 2 Min. nach der 3. und 16 Min. nach der 1. Injection.
Obduction: Oedem. Die Lungen sind aufgebläht, füllen den Brustkorb aus, die
oberen Lappen sind rosafarben, knistern, die unteren sind dicht, zumTheil von violetter
Farbe. In der Trachea und den Bronchien Massen schaumiger Flüssigkeit, desgleichen
in den Sohnitten; keine Thromben in den Lungengefässen, stellenweise fliesst aus den
Venen dünnflüssiges Blut. Die Katheter liegen richtig. Im rechten Ventrikel dunkle
lockere Coagula, im linken sind ihrer weniger und von rosigerer Färbung. Keine Be¬
schädigungen am Herzen.
Druckcurven und Rasseln. Nach der 1. Injection waren die Druck Verände¬
rungen nicht scharf und dauerten nur einige Secunden; nach der 2. fiel der arterielle
Druck fast bis auf l / h seiner Höhe, von 100 mm Hg bis auf 22 mm Hg. Die Elevationen
des linken Ventrikels wurden 4mal kleiner, im rechten stieg der Druck bis 12 mm Hg,
bis dahin hatte ein Theil seiner Curve unter der Abscisse gelegen; diese Veränderungen
dauerten gegen 2 1 / 2 Min. Nach der 3. Injection-fiel der arterielle Druck, der fast seine
frühere Höhe erreicht hatte, um das Doppelte, bis auf 38 mm Hg, die Elevationen, des
linken Ventrikels wurden wieder viel kleiner, aber der vermehrte Druck im rechten
stieg in 2 Min. bis 20 mm Hg, der arterielle Druck besserte sich bis zu diesem Moment
und erreichte 96 mm Hg. Diese Periode der verkleinerten systolischen Elevationen
sowohl auf der Curvo der Arterie als des linken Ventrikels und des erhöhten Drucks
im rechten Ventrikel währte doppelt so lange als nach der 2. Injection; der arterielle
Druck wurde, wie schon erwähnt, nach 2 Min. besser. Nach der 4. erfolgte der Tod
unter denselben Druckerscheinungen, nämlich Sinken in den Arterien und Steigen im
rechten Ventrikel.
Feuchtes Rasseln vernahm man bei stark erhöhtem Druck im rechten Ventrikel,
noch verkleinerten Elevationen des linken und beim Beginn einer Besserung des
arteriellen Drucks, wobei die systolischen Elevationen von dessen Curve auch sehr
klein waren (Resultat der Einwirkung des Aethers).
Vor der Injection war Puls bis 90 in 1 Min., ziemlich regelmässig, mässig voll
(die systolischen Elevationen nicht gross), mit ausgeprägten respiratorischen Schwan¬
kungen. Nach der 1. Injection wurden nach 35 Sec. die systolischen Elevationen, be¬
sonders des linken Ventrikels, viel kleiner (3—4mal), auch die diastolischen Abstiege des
letzteren wurden kleiner, ihre Spitzen gingen nicht mehr unter die Abscisse hinunter
wie vor der Injection und aufs neue nach der Besserung der Herzthätigkeit (der mittlere
Druck im linken Ventrikel war übrigens zu dieser Zeit etwas schwächer). Der Puls
wurde arhythmisch, obgleich ebenso frequent (90 in 1 Min.) wie vor der Injection.
Die Elevationen im rechten Ventrikel statu quo. Nach der 2. Injection wurden die
systolischen Elevationen der Arterie und des linken Ventrikels wieder kleiner, in
ersterer um das Doppelte, in letzterem um das 5—-7fache, die Curve des linken Ven¬
trikels ging wieder nicht bis zu ihrer Abscisse — starke Verkleinerung der Diastolen;
diese Veränderung währte 1 Min. 50 Sec. Die respiratorischen Schwankungen des
Pulses sind verschwunden, er ist weniger arhythmisch als nach der 1. Injection, 102
in 1 Min., 2 Min. nach dieser Injection ist Puls bis 51 in 1 Min., die systolischen
Elevationen werden grösser, besonders im linken Ventrikel (der arterielle Druck bessert
sich). Nach der 3. Injection aufs neue starke Verkleinerung der systolischen Elevationen
besonders im linken Ventrikel; in Folge der Verkleinerung der diastolischen Abstiege
reicht die Curve nicht bis zur Abscisse. In den ersten 2 Min. fehlten die respiratori¬
schen Schwankungen der Druckcurve, Puls, obgleich schwach, doch regelmässig, bis
150 in 1 Min. (von dieser Injection bis 108 in 1 Min., arhythmisch). (Der Druck in
der Arterie fiel, im Ventr. dext. stieg er.) 2—3 Min. nach der Injection besserte sich der
Druck, die systolischen Elevationen wurden grösser, Puls aber war sehr arhythmisch;
die Athemschwankungen der Druckcurve erschienen aufs neue. Vor der 4. Injection
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war Puls 125—135 in 1 Min., arhythmisch, die respiratorischen Schwankungen aus¬
geprägt, nach der lnjection starkes Fallen des Drucks in der Arterie, fadenförmiger
Puls. Im linken Ventrikel sind die systolischen Elevationen kaum zu unterscheiden;
im rechten Ventrikel hält sich in den ersten Minuten der Druck und die Elevationen
sind deutlich sichtbar. Puls v. d. 126 in 1 Min.; die respiratorischen Schwankungen
fehlen. 4 Min. nach der lnjection verendete das Thier (s. Fig. 7).
66. Versuch. Schwefeläther mit Messung des Drucks im Atr. sin.
Sehr grosser Hund von 28 kg Gewicht. Druck in Art. femor., Ventr. dext., Atr. sin.
1. lnjection von 2 ccm Schwefeläther in den rechten Ventrikel, Sinken des Drucks
in Art. femor., Steigen im Ventr. dext., unverändert im Atr. sin. Nach 5 Min. weitere
2 ccm Aether, nach 12 Min. die dritte und letzte lnjection auch von 2 ccm Aether.
2 — 3 Min. danach Sinken aller Curven und Tod des Thieres. Es wurden im ganzen
6 ccm Aether verwandt. Seit dem Moment der 1. lnjection bis zum Ende des Versuchs
waren 19—20 Min. vergangen.
Obduction: Oedem. In der Trachea Schleim, stellenweise schaumige Flüssig¬
keit; bei leichtem Druck tritt aus den Bronchien schaumigo Flüssigkeit, in den unteren
Lappen rosig gefärbt. Die oberen Lungenlappen sind rosa, die unteren dunkel violett
gefärbt, stark gestaut, aus den Schnitten, besonders des linken unteren Lappens (dessen
Vene war unterbunden), tritt aus den Venen dünnflüssiges Blut. Aus dem Parenchym
der unteren Lungenlappen fliesst aus den Schnitten in grosser Menge eine braune
Flüssigkeit, die oberen Lappen enthalten ihrer weniger, und sie ist schaumig, dabei
sind die oberen Lappen ziemlich blutarm und ihre Schnitte im Vergleich zu den unteren
trocken.
Im rechten Ventrikel sind viele schwarze lockere Coagula, im linken ist an den
Wänden etwas flüssiges Blut.
Druckcurven: Anfänglicher Druck in der Arterie 132—164 mm Hg, im rechten
Ventrikel 7—14 mm Hg, im linken Vorhof 6—10 mm Hg; nach der 1. lnjection in der
Arterie 130—114 mm Hg; im rechten Ventrikel nach 35 Sec. 14 mm Hg; er hielt sich
so bis zur 2. lnjection. Im linken Vorhof 5—6 mm Hg. Nach der 2. lnjection war in
der Arterie 72 mm Hg, nach 3 Min. 104—110 mm Hg; im rechten Ventrikel 12 mm Hg,
die systolischen Elevationen sind kleiner als nach der 1. lnjection, der Puls ist regel¬
mässiger als vordem; im linken Vorhof war sogleich nach der 2. lnjection 30 Sec. lang
10—6 mm Hg, dann wieder 6—5 mm Hg, wobei dieser Druck sich hielt; vor der 3. In-
jection war der Druck in der Arterie 70 mm Hg, im rechten Ventrikel und im linken
Vorhof 4 mm Hg; nach der 3. lnjection Fallen des Drucks aller drei Kurven, ein
schnelleres in der Arterie.
Puls vor der lnjection 12 in 5 Sec., arhythmisch, mit respiratorischen Schwan¬
kungen, danach 15 in 5 Sec., regelmässig, die systolischen Elevationen in der Arterie
und im Ventrikel sind kleiner geworden, die respiratorischen Schwankungen in der
Arterie schwächer. Die Curve des rechten Ventrikels zeigt keine respiratorischen
Schwankungen. Die systolischen Elevationen des Vorhofs sind auch kleiner geworden.
Nur vor der 2. lnjection am Ende der 5. Min. nahm der Puls seinen früheren Charakter
an: die systolischen Elevationen wurden grösser, es erschienen respiratorische Schwan¬
kungen. Dasselbe Bild nach der 2. lnjection; nach 3 Min. besserte sich der Puls, die
Zahl der Schläge war 12 in 5 Sec. Vor der 3. lnjection (10 Min. nach der 2.) war
der Puls 8 in 5 Sec. Gleich nach der 3. machte der Puls 7 Schläge in 5 Sec., die
systolischen Elevationen sind fast von anfänglicher (vor der 1. lnjection) Höhe, dann
wurde er rasch schwächer, der Druck wurde zu dieser Zeit 60 mm Hg in der Arterie,
3— 4 mm Hg im rechten Ventrikel und im linken Vorhof (die Vorhofcurve läuft auf den
unteren Enden der Curve des rechten Ventrikels). Unmittelbar vor der 1. und 2. In-
jection hatte der Druck im rechten Ventrikel ganz denselben Charakter wie 20—25 Sec.
nach der Beendigung der lnjection, d. h. in diesem Moment bemerkte man hier Druck-
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Veränderung der Herzthatigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 43?
erhöhung, im linken Atrium unmittelbar vor der Injection, während derselben (sie
dauerte 20—25 Seo.) und 20 Sec. lang nach ihrer Beendigung trat auch Druck¬
erhöhung zu Tage, welche sogleich einer Druckerniedrigung Platz machte, als nach
der Injection Druck erhöhung im rechten Ventrikel eintrat. Diese Druckerscheinungen
im Ventrikel und im Atrium mögen das Resultat der Reizung des Herzens durch den
Katheter und die injicirte Flüssigkeit während desManipulirens gewesen sein(s. Abb.8).
68. Versuch. Aetherinhalation. Der Druok wurde in A. femor. and Ventr.
dext. gemessen. Auf die rechte Seite kam behufs der Registrirung der Athem-
bewegungen ein mit einer Marey’schen Trommel verbundenes kleines Gummipolster.
Mehr als mittelgrosser kräftiger Hund von 24180 g Gewicht. 10 ccm 2proo. Morphium¬
lösung, auf dem Tische 1,5 ccm Chloroform. Durch einen kleinen Längsschnitt wurde
ein kleines, durch ein Gummirohr mit der Spitze eines Richardson’schen Pulveri¬
sators verbundenes Glasrohr in die Trachea eingeführt. Die Flasche des Pulverisators
enthielt 10 ccm Schwefeläther, die in die Lunge in staubförmiger Gestalt eingeführt
wurden. Die Inhalation dieser Quantität war in 1—2 Min. beendet. Den Siedepunkt
des Aethers, 35° C., und die Temperatur des Körpers des Hundes in Betracht ziehend,
darf man annchmen, dass der Aether nicht in flüssiger, sondern in gasförmiger Ge¬
stalt in die Lungen geräth. Nachdem der gesunkene Druck in der A. femor. sich aus¬
geglichen hatte, wurde die nächste Inhalation von 10 ccm, dann die 3., 4., 5. und 6.
vorgenommen. Während der letzten Inhalation erholte sich der Druck noch vor der
Beendigung derselben.
Die Inhalation dauerte 30 Min.; 3 Min. nach der letzten wurde der Hund, behufs
Beendigung des Versuchs, durch intravenöse Injection von 15 ccm 2proc. Morphium¬
lösung und Elektropunctur des Herzens abgethan. Es wurden im Ganzen 60 ccm
Aether verwandt.
Obduction: Oedem. In der Trachea und den Bronchien grosse Mengen
schaumiger, schwachrosa gefärbter Flüssigkeit; die Lungen sind gebläht, fallen nicht
zusammen, knistern. Die oberen Lappen sind gelblich*rosa, die unteren, besonders
der linke, hyperämirt, letzterer ist mit violetten Flecken besät, welche in die Masse
des Lappens dringen und stark mit Blut durchtränkte Bezirke vorstellen. Aus den
Schnitten dieser Stellen fliessen grosse Mengen einer braunen sohaumigen Flüssigkeit.
In den oberen Lungenlappen ist Emphysem, sie sind nicht gestaut, das Oedem
ist in ihnen weniger scharf ausgeprägt, einige Bezirke des Gewebes sind ganz ohne
Oedem geblieben.
Der rechteVentrikel enthält sehr wenige schwarze lockere Gerinnsel, der linkekeine.
Druck- und Athemcurven: Der arterielle Druck fiel, besonders seit der
3. Injection, aber besserte sich auch wieder rasch. Im rechten Ventrikel stieg der
Druck nach der 4. mehr als um das Doppelte. Der anfängliche Druck in der Arterie
war 126 mm Hg, im Ventr. dext. 8 mm Hg.
Der Athem wurde nach den ersten 2 Inhalationen auf kurze Zeit schnell und
regellos, nach den folgenden wurden die Excursionen der Curve bedeutend kleiner.
Rasseln trat erst 15 Min. nach der ersten Inhalation ein bei etwas erhöhtem Druck in
der A. femor. und normaler Athmungscurve. Die systolischen Elevationen der Curve
des arteriellen Drucks wurden jedesmal nach der Aetherinhalation, besonders in der
ersten Zeit, kleiner, was für die Wirkung des Aethers charakteristisch ist. Gewöhn¬
lich wurden währenddem die Athemweilen der Pulscurve kleiner oder verschwanden
vollständig, was der Verkleinerung der Excursionen der Athmungscurve entsprach.
Nach der ersten Inhalation fiel der arterielle Druck für l j 2 Min. auf 120 mm Hg, dann
begann er sich zu bessern, im rechten Ventrikel stieg er bis 16 mm Hg.
Vor der 4. Inhalation nahm die Curve des arteriellen Drucks ihre frühere Gestalt
im Sinne der systolischen Elevationen und der Athemschwankungen des Pulses an
und wurde sogar regelmässiger als am Anfang. Die Excursionen der Athmungscurve
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 29
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waren zu dieser Zeit hoch und gleichmässig. Nach der 4. Inhalation stieg der Druck
im rechten Ventrikel bis 20 mm Hg und hielt sich bis zum Ende des Versuchs ungefähr
uuf dieser Höhe.
Der arterielle Druck besserte sich, wie gesagt, leicht; vor dem Ende des Ver¬
suchs war er 135 mm Hg.
Vor dem Beginn der Inhalationen war der Puls 90 in 1 Min., etwas arhythmiscb,
mit scharf ausgeprägten Athemschwankungen. Während der 1. Inhalation war der Puls
129 in 1 Min., stärkere Arhythmie (Puls Ventr. dext. 150 in 1 Min.).
Nach der 3. Inhalation Puls 180 in 1 Min., regelmässiger als vordem, mit weniger
deutlichen respiratorischen Schwankungen, die systolischen Elevationen in der Arterie
und im Vent. dext. waren sehr klein (zweimal kleiner als vor der Inhalation). Während
der Vermerkung grossblasigen feuchten llasselns war der Puls 114 in 1 Min., klein
(die systolischen Elevationen sehr klein, besonders im rechten Ventrikel), aber regel¬
mässig, die respiratorischen Schwankungen sind schwach ausgeprägt (der arterielle
Druck hoch); einen solchen Charakter behielt der Puls nach der 3. Inhalation 6 bis
7 Min. lang. Dann nahm er wieder seine frühere Gestalt mit scharf ausgeprägten
Athemschwankungen an, mit deutlichen systolischen Elevationen, 90 Schlägen in
1 Min. (anfängliche Höhe des arteriellen Drucks). Nach der 4. Inhalation fiel der
Druck in der Arterie um die Hälfte, der Puls war während l 3 / 4 Min. fast fadenförmig
(mit sehr kleinen systolischen Elevationen, ohne Athemschwankungen); im rechten
Ventrikel waren die Elevationen weniger verkleinert, Puls 178 in 1 Min. Danach
fingen die respiratorischen Schwankungen der Curve an sich zu bessern, die immer
noch kleinen systolischen Elevationen wurden etwas grösser, der Rhythmus des Pulses
ziemlieh regelmässig. Nach der 5. Inhalation fiel der arterielle Druck für 1 1 / 2 Min.,
im Ventr. dext. blieb er hoch, die respiratorischen Schwankungen waren ausgeprägt,
wenn auch weniger deutlich als am Anfang des Versuchs, der Puls fuhr fort, ziemlich
regelmässig zu sein. Nach der G. Inhalation zeigte die Curve des arteriellen Drucks
kurze Zeit (20 Sec.) keine respiratorischen Schwankungen, die systolischen Elevationen
waren klein, der Druck in der Arterie fiel, erholte sich wieder, blieb erhöht im rechten
Ventrikel. Es zeigen sich wieder deutliche respiratorische Schwankungen an der Druck-
curve, der Rhythmus des Pulses ist regelmässig, er ist klein (die systolischen Eio¬
vationen sind klein) und schnell: 180 in 1 Min. Schliesslich Elektropunctur.
In den Schwefelätherversuchen fehlt, wie in den Höllensteinversuchen,
ein mechanisches Moment im Sinne der Entstehung von Hindernissen in
dem Blutabfluss aus den Lungen auf der venösen Seite des kleinen Blut¬
kreislaufs, oder im linken Herzen, und auch am Vorderende des arteriellen
Systems des grossen Blutkreislaufs. Aber die Veränderungen des Blutes,
dessen erhöhte Gerinnbarkeit, die in einem speciellen Versuch — Unter¬
suchung von mit Aether vermischtem Blut — constatirt wurden, übten
natürlich eine mechanische Wirkung aus, da sie die Fortbewegung des
Blutes in den Capillaren oder in den kleinen Verzweigungen der Lungen¬
arterie erschwerten, indem sie Hindernisse schufen, die in einem ge¬
wissen Maasse den von der Einführung von Embolis in das Blut ge¬
botenen analog waren.
Im 59. Versuch stieg der Druck im rechten Ventrikel sehr wenig,
und erst nach der 4. Injection um das Doppelte (um 100pCt.), auch der
arterielle Druck stieg etwas (um 23pCt. nach der 3. Injection), und fiel
erst nach der 4. um 50pCt., was natürlich von der Menge der injicirten
Flüssigkeit (diesmal 5 ccm Aether) abhing.
In Versuch 63, mit Messung des Druckes im linken Ventrikel, fiel
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 439
der arterielle Druck nach der 2. Injcction um 80pCt., nach der 3. um
50pCt., stieg im rechten Ventrikel von 0—10 bis 3—22 mm Hg; die
Druckcurve des linken Ventrikels zeigt, dass sowohl die systolischen Auf¬
stiege als auch die diastolischen Abstiege nach jeder Injection abnahmen —
Verkleinerung der Ventrikelcavität (vergl. Grossmann) —, dabei war der
mittlere Druck, der in demselben vermerkt wurde, wenn auch vermindert,
so doch nur wenig.
Aus Versuch 66 und anderen mit Messung des Druckes im linken
Vorhof ersieht man, dass bei der gewöhnlichen Druckerniedrigung in den
Arterien, wenn nicht nach der ersten, so doch nach den folgenden
lnjectionen bis auf ca. 50pCt., der Druck im rechten Ventrikel eine
sehr geringe Erhöhung zeigte — nur im beschriebenen Versuch stieg er
zeitweilig um 100—70pCt. —, blieb er im linken Vorhof unverändert,
oder stieg auf kurze Zeit sehr wenig und fiel bald darauf wieder.
Versuch 68, mit der Aetherinhalation als Nachahmung der Aether-
narkose, gab Folgendes: Fallen des arteriellen Druckes wurde seit der
3. Inhalation (nach 30 ccm Aether) beobachtet, er besserte sich aber
rasch. Von der 4. Inhalation an fing der Druck im rechten Ventrikel an
zu steigen, wurde um 100—150 pCt. höher und blieb bis zum Ende er¬
höht. 2,5 ccm Aether auf 1 kg Körpergewicht des Thicres riefen beim
Einathmen sehr starkes Lungenödem hervor; allein der Versuch wurde
nach 33 Min. durch Elektropunctur beendet, sodass man über den natür¬
lichen Ausgang dieses Oedems sich kein Urthcil bilden kann.
Was die Veränderungen des Pulses nach den Aetherinjectionen be¬
trifft, so muss vor Allem die bedeutende Verkleinerung der systolischen
Elevationen in den Arterien des grossen Blutkreislaufs, dabei ohne
Bildung von Coagula, hervorgehoben werden; die Curve hat oft das Aus¬
sehen einer Geraden 1 ) ohne respiratorische Schwankungen; sobald die
Wirkung des Aethers verging, nahm die arterielle Curve ihre frühere
Gestalt an. Zugleich wurde der Puls frequenter, obgleich in manchen
Fällen starken Sinkens derselbe langsamer wurde; auf der Curve des
linken Ventrikels war eine Verkleinerung der Systolen und Diastolen eben¬
falls deutlich ausgeprägt; im rechten Ventrikel war diese Wirkung des
Aethers manchmal wahrnehmbar, manchmal nicht, aber, wie oben er¬
wähnt, die systolischen Elevationen wurden nach der Aetherinjection im
rechten Ventrikel grösser, folglich mit oder ohne vorhergehende Verkleine¬
rung derselben. Was den Einfluss des Aethers auf den Rhythmus des
Pulses betrifft, so kann eine namhafte Wirkung desselben in diesem Sinne
nicht constatirt werden. Zwar wird nach einigen lnjectionen während des
Sinkens des Druckes beginnende Arhythmie beobachtet, doch wird unter
diesen Umständen auch Einstellen eines regelmässigeren Rhythmus beobachtet.
Die Athmung wurde, wie nach der Injection, so auch nach der In¬
halation (die ersten zwei Inhalationen) auf kurze Zeit beschleunigt und
regellos, doch ist diese Erscheinung hier viel schwächer als in den Ver¬
suchen mit salicylsaurem Methyl ausgedrückt. In einigen Versuchen
1) Aehnliche Veränderungen in der Druckcurve wurden auch von Lüwit in
seinen Versuchen mit Essigäther beobachtet.
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(Versuch 71) setzte der Athem nach einigen Injectionen auf einige Secunden
aus; während der Entwicklung des Oedems und der Volumzunahme der
Lungen wurden die Athemexcursionen kleiner, die Zwischenräume grösser,
und die Curve entfernte sich von der Abscisse.
Feuchtes Rasseln wurde in Versuch 63, 17 Min. nach Beginn des¬
selben, 2 Min. nach der 3. Injection bei stark vergrössertem Druck im
rechten Ventrikel und beginnender Besserung des arteriellen Druckes, ver¬
kleinerten Elevationen des linken Ventrikels, schwachem, sehr beschleu¬
nigtem, verhältnismässig regelmässigem Puls beobachtet. In Versuch 68
machte sich Rasseln 15 Min. nach dem Beginn bei etwas erhöhtem Druck
im rechten Ventrikel, unverändertem Druck in A. femor. und regelmässigem
Athmen bemerkbar, der Puls war beschleunigt, klein, regelmässig.
In Versuch 70, mit Messung des intrapleuralen Druckes, bemerkte
man nach der 6. Injection (von 11) bei etwas erniedrigtem arteriellem
Druck und sehr hohem (um 300pCt.) im rechten Ventrikel, bei regel¬
mässigem beschleunigtem Puls von anfänglicher Fülle feuchtes Rasseln.
Wieviel Zeit ist zur Entwickelung eines Oederas unter dem Einfluss
von Aethervergiftung nöthig?
In den Versuchen 64 und 65 (mit künstlicher Athraung) konnte im
ersten schon nach 6 Min. in den oberen Lungenlappen ein schwaches
Oedem, im zweiten nach 4 Min. mässiges allgemeines Lungenödem con-
statirt werden. Dies scheinen die Grenzen des schnellsten Zustande¬
kommens von Lungenödem durch Aether bei sehr mässigen, ins Blut
eingeführten Dosen — je 0,26 ccm auf 1 kg Körpergewicht des Thieres —
zu sein.
Da eine Druckerhöhung im rechten Ventrikel und folglich in der
Lungenarterie bei der Injection von Aether ins Blut nicht immer eintritt,
und im Fall einer solchen diese auch nicht bedeutend sein kann, so muss
bei der Erklärung des Zustandekommens des Lungenödems die toxische
Wirkung des Aethers auf die Gefässwände und das Blut in erste Linie
gestellt werden, wobei die Veränderungen dieses letzteren wahrscheinlich
als das Moment oder wenigstens als eines der wichtigsten Momente,
welche die Druckerhöhung im rechten Ventrikel bewirken, anzusehen sind.
Kann auch die geschwächte Thätigkeit des linken Ventrikels in
Grossmann’s und Sahli’s oder Welch’s Sinne als mechanisches
Moment bei der Entstehung eines Oedems durch Aether auftreten? Der
arterielle Druck fällt zwar auf eine gewisse (kurze) Zeit, wobei der innere
Raum des linken Ventrikels kleiner wird, doch konnten wir eine
einigerraaassen bedeutende Druckerhöhung im linken Vorhof, wie wir sie
bei unseren Experimenten mit mechanischem Lungenödem beobachteten,
nicht constatiren, und nur beim Vorhandensein von Druckerhöhung in
demselben könnte man auch die Entwicklung einer umgekehrten Stauung
bis zum rechten Ventrikel selbst zulassen. Ist aber im Atr. sin. keine
Stauung vorhanden, so darf eine Druckerhöhung im System der Lungen¬
arterie nicht einer geschwächten Tätigkeit des linken Ventrikels zuge¬
schrieben werden, welche Veränderungen dieses letzteren wir für die
Ursachen dieser Herabsetzung der Thätigkeit auch halten mögen. In
Versuch 72 (Besichtigung des Herzens während der Entwicklung eines
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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 441
durch Aether hervorgerufenen Oedenos) wurde verstärkte Blutanfüllung
des rechten Ventrikels und dessen Erweiterung constatirt, während der
linke Ventrikel verkleinert und relativ leer war. Ein solcher Zustand
dieses letzteren war das Resultat einer geringeren Blutzufuhr zu ihm.
Dafür zeugt auch das Fehlen einer Druckerhöhung im linken Vorhof bei
den Aetherversuchen, wie soeben erwähnt wurde. Somit kann diese
Volumabnahme des linken Ventrikels nicht für eine Contractur desselben
in Grossmann’s Sinne angesehen werden. Dagegen redet sowohl die
Vertheilung des Blutes im kleinen Blutkreislauf — grösserer Blutinhalt
im System der Lungenarterien, kleinerer im System der Lungenvenen —
so auch die Consistenz des Herzmuskels: obgleich der linke Ventrikel
kleiner ist als der rechte, bleibt er dennoch weich.
Die Thätigkeit des rechten Ventrikels wurde nach der Aetherinjection
oft energischer, sogar ohne vorhergehende Verkleinerung der Elevationen
(was wieder zur Illustration einer gewissen Selbständigkeit beider Herz¬
hälften und beider Blutkreisläufe dienen kann); eine solche Verstärkung
wurde auch in Versuch 72 constatirt. Die Thätigkeit des rechten Ven¬
trikels wurde, zuweilen Minuten lang, auf der Curve vermerkt, wenn
A. femor. nur eine gerade Linie gab; aber in Anbetracht dessen, dass
dieser Umstand erst in den letzten Momenten des Versuchs, wenn das
Oedem sicherlich schon eine Zeit lang gedauert hat, beobachtet wird,
zeugt derselbe nicht dafür, dass die Asynergie der Ventrikel im Sinne
der herabgesetzten Arbeit des linken die Ursache des Lungenödems ist,
sondern nur dafür, dass dessen Entwickelung von Druckerhöhung im
System der Lungenarterie und erhöhter Arbeit des rechten Ventrikels
(wenn auch nicht immer) begleitet ist, und dass während des Oedems der
linke Ventrikel aus dieser oder jener Ursache, vielleicht in Folge von
verminderter Blutzufuhr, wobei das Blut nicht genügend oxydirt ist, eher
aufhört (gelähmt wird) als der rechte.
Das Herz und die Athmung erholen sich bei mässigen, sogar wieder¬
holten Aetherinjectionen verhältnissmässig leicht und rasch.
Alles Dargelegte resümirend, gelangen wir zu dem Schlüsse, dass
das durch Aether hervorgerufene Lungenödem ein toxisches Oedem ist,
welches seine Entstehung einer Veränderung der Gefässwände (der Capil-
laren) und des Blutes verdankt.
Die Asynergie der Ventrikel, welche bei der Entwickelung des Oedems
beobachtet wird und sich durch die Erhöhung der Thätigkeit des rechten
Ventrikels und eine gewisse Abschwächung derselben im linken äussert,
ist ein Moment, das das Zustandekommen des Oedems nur begünstigt,
da dieses auch ohne Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf, ohne Ver¬
stärkung der Thätigkeit des rechten Ventrikels bei unverändertem Druck
in den Arterien des grossen Blutkreislaufs beobachtet werden kann.
Die Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf und die verstärkte
Arbeit des rechten Ventrikels an sich werden sowohl durch eine Verände¬
rung der Eigenschaften des Blutes als durch die Zusammendrückung der
Capillaren und kleinen Gefässe durch die Oedemflüssigkeit bedingt (ver¬
gleiche das in den Schlüssen über das Höllensteinödem über diesen
Gegenstand Gesagte).
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Eine Gruppe von Versuchen mit salicylsaurem Methyl.
Auf das • salicylsaure Methyl wiesen Teissier und Guinard in
ihren Versuchen als auf eine Bedingung toxischem Charakters hin, welche
zugleich mit anderen Versuchsbedingungen das Zustandekommen von
Lungenödem begünstigt. Wir stellten mit Methyl, salicylic. 6 Versuche an,
wobei in allen Lungenödem erhalten wurde.
74. Versuch. Einwirkung von salicylsaurem Methyl. Der Druck wird
in A. femor. d., Ventr. dext. registrirt, behufs Vermerkung der Athmung kommt auf
die linke Seite ein mit einer Marey’sehen Trommel verbundenes kleines Gurami-
polster. Mittelgrosser Hund von 15 Kilo Gewicht. Gewöhnliche Narkose. Normale
Curven. Um 4 Uhr 30 Min 1. Injection von 1 ccm salicylsauren Methyls in den
rechten Ventrikel, der Druck in A. femor. und im rechten Ventrikel fiel zuerst, be¬
gann dann zu steigen, es stellten sich Krämpfe ein, das Thier stöhnte, die krampf¬
hafte unregelmässige Athmungscurve ging über den Rand der Trommel hinaus.
Nachdem der Druck und die Athmung sich ausgeglichen hatten, wurde nach 9 Min.
wieder 1 ccm salicylsauren Methyls injioirt, dann kam eine ebensolche 3. Injection,
die 4. von 3 ccm und um 5 Uhr 20 Min. die 5. und letzte von 5 ccm, wonach der
Druck sehr rasch fiel. Tod ohne Krämpfe, aber nach jeder Injection Stöhnen und
Krämpfe; über die Druckveränderungen weiter unten. Von der 2. Injection an Schleim
aus der Nase. Vor der 3. wurde feuchtes Rasseln bemerkt, aber nach 2—3 Min. war
es nicht mehr hörbar und wurde durch vesiculäres Athmen ersetzt. Nach der
3. Injection schaumige Flüssigkeit aus der Nase, ebenso nach der 4. Der Corneareflex
war sehr schwach. Das Thier verendete um 5 Uhr 25 Min. Der Versuch hatte seit
dem Moment der 1. Injection 55 Min. gedauert. Es wurden 11 ccm salicylsauren
Methyls verbraucht.
Obduction: Lungenödem. StarkerMetbylsalicylatgeruch aus der Brust. Die
Lungen sind voluminös, fallen nicht zusammen. Die oberen Lungenlappen sind rosa¬
farben, knistern; die mittleren violett gefärbt, elastisch; noch dunkler violett, vergrössert
und elastisch sind die unteren, sie behalten keine Eindrücke und knistern ein wenig.
In den Schnitten Mengen theils schaumiger, theils einfach brauner Flüssigkeit, ln
den kleinen Zweigen der Lungenarterie trifft man in allen Lungenlappen schwarze
(wurmförmige) Coagula an. In der Trachea und in den Bronchien sehr viel schaumige
Flüssigkeit. Im rechten wie auch im linken Vontrikel viele schwarze Coagula. Die
Nieren cyanotisch, hyperämisch.
Die Druck- und Athemcurven stellen ein sehr complicirtes Bild vor;
gleich nach der Injection fällt der arterielle Druck, nach der 1. z. B. um das Doppelte:
von 124 mm Hg bis auf 62 mm Hg für 1 Min.; zugleich fällt der Druck auch im
Ventr. dext., nach 1 Min. erreichte er im rechten Ventrikel 6—8 mm Hg, in der Arterie
die anfängliche Höhe; 16 Min. nach der 2. Injection beobachtete man feuchtes Rasseln
bei 10 mm Hg im rechten Ventrikel und 110 mm Hg in der Arterie.
Nach der 2. und 3. Injection stieg der Druck in den Arterien, der sogleich danach
gefallen war, allmählich bis über die anfängliche Höhe und zugleich auch im rechten
Ventrikel um das 5—6-fache: von 2 mm Hg am Anfang bis 10—12 mm Hg (Bei einem
solchen Druck im Ventr. dextr. nach der 3. Injection war er in A. femor. gegen
80 mm Hg.). Danach fiel der Druck im rechten Ventrikel beinahe bis auf die frühere
Höhe, hielt sich aber in der Arterie. Während dieser Periode eines beständigen
arteriellen Drucks wurde in den Pausen zwischen den Injectionen des salicylsauren
Methyls aufs neue Druckerhöhung im Ventr. dext. beobachtet, worauf der Druck aber
wieder normal wurde; zugleich beobachtete man eine Verkleinerung der Excursionen
der Athemcurve. Nach der 4. Injection fällt der arterielle Druck, der höher als der
anfängliche gewesen war, um mal, von 132 mm Hg bis auf 48 mm Hg, die systo-
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 443
lischen Elevationen werden kleiner, der Druck im Ventr. dext. steigt schon in der
Periode des Fallens des arteriellen bis 16 mm Hg, d. h. um 8 mal höher als der
anfängliche, worauf er wieder fällt, die Elevationen der Curve des rechten Ventrikels
sind auch klein, nach 2 Min. bessert sich der Druck in der Arterie und im rechten
Ventrikel und der arterielle erreicht fast die Höhe, die er vor dieser Injection hatte,
d. h. 122 mm Hg, im rechten Ventrikel dagegon steigt er colossal, bis 44 mm Hg,
d. h. wird 20 mal höher als der anfängliche. Nach der 5. Injection, die in diesem
Moment gemacht wurde, fiel der Druck fast momentan bis auf 0.
Nach den 4 ersten Injectionen von salicylsaurem Methyl beobachtete man somit
Erhöhung des Blutdrucks für l 1 /* Min., nach minutenlangen vorhergehendem Sinken
desselben (besonders in A. femor.) oder status quo (besonders im rechten Ventrikel).
Die Athemcurve stellte nach der 5. Injection eine Linie mit kleinen, seltenen
Aufstiegen vor. Nach den ersten Injectionen, während der Krämpfe und des Stöhnens
war die Athemcurve unregelmässig, ihre Excursionen waren hoch und gingen über
das Papier hinaus. Nach der 4. Injection war diese Periode sehr kurz, die Excursionen
der Curve wurden klein, und die ganze Curve entfernte sich von ihrer Abscisse, was
die Erweiterung des Brustkorbs, folglich auch der Lungen und die Verkleinerung ihrer
Athemexcursionen zeigte. Feuchtes Rasseln wurde zuerst 25 Min. nach der 1. Injection
bemerkt. Der Puls war vor der Methylsalicylatinjection 99 in 1 Min., etwas arhyth-
misch. Nach der I. Injection 144 in der Minute, sehr arhythmisch, konnte nur mit
Mühe gezählt werden. 5 Min. nach der 1. Injection war Puls 66 in I Min. Während
des feuchten Rasseins war Puls 99 in 1 Min., arhythmisch. Der Athem war ziemlich
regelmassig, doch entfernte sich seine Curve von der Abscisse. Nach der 4. Injection
war Puls 180, regelmässiger als früher, doch klein und sohwach (die systolischen
Elevationen klein, der arterielle Druck niedrig). Oberflächliches Athmen. Dies dauerte
eine Viertelstunde, bis zur 5. Injection, nach welcher 5 Min. später das Thier ver¬
endete. Das Herz erholte sich nach den Injectionen eher als die Athmung; so rief die
2. Injection fast keine Druckerniedrigung hervor, aber die Unregelmässigkeit der
Athmung war grösser als nach der 1. Injection (s. Fig. 9).
75. Versuch. Methylium salicylicum und Messung des Drucks im
linken Vorhof. Eine sehr grosse Hündin von 28800 g Gewicht. Gewöhnliche Nar¬
kose. Curare. Künstliche Athmung. Oeffnung des Brustkorbes auf der linken Seite.
Der Druck wurde in A. femor., Ventr. dext., Atrium sin. (in dieses letzte durch die Vene
des linken unteren Lungenlappens eine Canüle). Um 5 Uhr 55 Min. 1. Injection von
salicylsaurem Methyl in den rechten Ventrikel, 1 ccm r der arterielle Druck fiel, auch
im linken Vorhof fiel er, im rechten Ventrikel stieg er. Nach 5 Min. die 2. Injection,
1 ccm, nach 5 Min. noch die dritte, 2 ccm, nach 1 l / 2 Min. fiel der Druck bis auf 0.
Der Versuoh hatte von der 1. Injection an 11 Min. gedauert. Es wurden im Ganzen
4 ccm salicylsauren Methyls injicirt.
Obduction: Lungenödem. In der Trachea Spuren einer schaumigen
Flüssigkeit, in dem Bronchus der rechten Lunge viel schaumige Flüssigkeit, im linken
weniger. Die Lungen sind ziemlich voluminös, die unteren Lappen dunkelviolett, die
mittleren mit violetten Flecken, die oberen rosa mit weniger violetten Bezirken, in den
unteren ist in den Gefässen flüssiges Blut; in dem linken unteren Lappen mit der
unterbundenen Vene ist die Stauung weniger scharf als in dem rechten ausgeprägt,
vielleicht in Folge einer kleinen Blutung aus einem Riss in diesem Lappen, aus den
Schnitten dieser Lappen viel theils schaumiger, theils einfach brauner Flüssigkeit;
die oberen Lappen sind zwar relativ trocken, enthalten aber in ihren Bronchien viel
schaumigo Flüssigkeit, weniger in ihren Schnitten. Keine Thromben in den Zweigen
der A. pulm. Kein Knistern in den Lungen. Der rechte Ventrikel enthält Coagula,
die sich bis in die Mündung der Lungenarterie erstrecken, der linke hat keine Coagula,
nur flüssiges Blut. Die Nieren sind etwas cyanotisch, mässig hyperämisch.
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Druckcurven. Nach der 1. Injection stieg der arterielle Druok ein wenig nach
kurzem Sinken, wobei die systolischen Elevationen der Curve die frühere Grösse
hatten. Der Druck im rechten Ventrikel stieg auch ein wenig, von 14 mm Hg bis
18 mm Hg; im linken Vorhof fiel er. Nach der 2. Injection fiel der Druck in der
Arterie beinahe um das Dreifache, von 138 mm Hg bis auf 50 mm Hg, wobei die Ele¬
vationen ihrer Curve noch kleiner als früher wurden. Im Ventr. dext. machte sich
eine bedeutende Erhöhung des Drucks, der sich seit dem Moment der 1. Injection auf
einer grösseren als der anfänglichen Höhe gehalten hatte, erst 2 Min. nach der Injec¬
tion geltend, wobei er fast um das Doppelte stieg, bis 24 mm Hg. Zu dieser Zeit be¬
gann der arterielle Druck sich zu erholen. Die 3. Injection wurde bei 110 mm Hg des
arteriellen Drucks ( 3 / 4 des anfänglichen) und bei vergrösserten systolischen Eleva¬
tionen desselben, während der Druck im rechten Ventrikel erhöht blieb, vorgenommen.
Nach der 3. Injection fiel der Blutdruck in \ l / 2 Min. definitiv. Die Curve des linken
Vorhofs zeichnete nach der 3. Injection besser als nach der 2., der Druck sank in
demselben bis auf 6 mm Hg gegen den anfänglichen von 9 mm Hg, übrigens hatte er
sich schon seit der 2. Injection auf dieser Höhe gehalten; der anfängliche Druck in
A. femor. 138 mm Hg.
Der Puls war vor der Injection des salicylsauren Methyls 108 in 1 Min., klein
(die systolischen Elevationen sehr klein), sehr arhythmisch (im linken Vorhof 93 in
1 Min.); nach der Injection war Puls 180, regelmässig, die systolischen Elevationen
waren im rechten Ventrikel etwas vergrössert, im Vorhof verkleinert, in der Arterie
von der früheren Grösse. Nach der 2. Injection war Puls 180, die systolischen Eleva¬
tionen waren noch kleiner als früher; im linken Vorhof waren die Pulswellen kaum
wahrnehmbar, im rechten Ventrikel noch ausgeprägt. Nach 4 3 / 4 —5 Min., als die Ele¬
vationen der A. femor. noch sehr klein waren, wurden sie von Zeit zu Zeit auf 5 bis
7 Sec. im rechten Ventrikel um 3—4 Mal grösser als am Anfang und wurden dann
wieder von kleinen und dichten Systolen unterbrochen; dann nahm derPuls seinen an¬
fänglichen Charakter (vor der Injection des salicylsauren Methyls) auf allen 3 Curven
an: 96inlMin., deutlich arhythmisch. Nach der 3.Injection starkes Fallen des Drucks
in A. femor., weniger starkes im rechten Ventrikel und im linken Vorhof. Puls 100
bis 120 in 1 Min., arhythmisch, sehr schwach, offenbar werden viele Contractionen
des Herzens vom Puls nicht wiedergegeben (s. Abb. 10).
77. Versuch. Methyl, salicylic. und Messung dos Drucks im linken
Ventrikel. Ein mittelgrosser Hund von 18060 g Gewicht. Gewöhnliche Narkose.
Druck in A. femor., Ventr. dext. und Ventr. sin. Normale Curven, Um 4 Uhr 30Min.
1. Injection von 1 ccm salicylsauren Methyls in den rechten Ventrikel, nach 5 Min.
die 2., iy 2 ccm, 6 Min. danach die 3. und letzte, ebenfalls l 1 / 2 ccm, wonach der
Druck sich nicht besserte; nach 5 Min. ging das Thier zu Grunde. Vom Moment der
1. Injection an hatte der Versuch 16 Min. gedauert; es wurden 4 ccm salicylsauren
Methyls verbraucht. Die Auscultation zeigte kein Rasseln.
Obduction: Lungenödem. Die Lungen sind mässig aufgebläht, die oberen
Lappen rosa, die unteren an der Basis und an der Wurzel dunkelviolett, in den an
den Rippen anliegenden Theilen ebenfalls rosa wie die oberen, die mittleren mit
violetten Flecken bedeckt. Die oberen Lungenlappen knistern, die unteren sind elastisch
und behalten einen Eindruck nur nach einem starken Druck. In der Trachea und den
Bronchien viel schaumige Flüssigkeit, desgleichen in den Schnitten der Lunge, in den
unteren Lappen ist sie braun gefärbt. Keine Thromben in den Lungengefässen.
Im rechten Ventrikel und Vorhof ist eine nicht sehr grosse Menge lockerer Ge¬
rinnsel, im linken sind keine. Bei der Einführung des Katheters in den linken Ven¬
trikel wurde zufällig die Intima der Aorta verwundet und eine Klappe durchbohrt.
Druckcurven. Nach der 1. Injection fiel der arterielle Druck, nach der 2. fiel
er fast um das Doppelte, von 100 mm Hg bis auf 53 mm Hg, glich sich während
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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 445
6 Min. aus, um nach der 3. Injection im Laufe von 5 Min. gänzlich zu fallen. Der
Druck im rechten Ventrikel wurde nicht grösser, er war anfänglich 6 mm Hg. Die
Wirkung des salicylsauren Methyls auf den linken Ventrikel äusserte sich durch eine
Verkleinerung der systolischen Elevationen in dessen Curve, was besonders deutlich
nach der 3. Injection hervortrat.
Vor der Methylsalicylatinjection war Puls 90—108 in 1 Min., regelmässig, nach
der 1. Injection 105 in 1 Min., regelmässig, nach der 2. Injection 105 in 1 Min., nach
der 3. 120 in 1 Min., wie früher regelmässig.
Die Curve des linken Ventrikels zeigte nach der 2. Injection von Zeit zu Zeit,
nach 5—7 Sec. grosse systolische Aufstiege und diastolische Abstiege; dementsprechend
zeigte auch die Curve der A. femor. Fallen des Druckes.
Zu den Versuchen mit salicylsaurem Methyl übergehend, finden wir
Folgendes:
In Versuch 74 fiel der arterielle Druck nach der Injection von Methyl,
sal. um 50—60pCt., doch nicht nach einer jeden Injection und nur auf
kurze Zeit (1 Min.), besserte sich dann und wurde für eine Zeitlang so¬
gar höher als der anfängliche, wonach er auf der anfänglichen oder einer
etwas geringeren Höhe stehen blieb. Die Druckerhöhung dürfte zum
Theil den Krämpfen zugeschrieben werden, von denen das Thier in dieser
Zeit befallen wurde; erst nach der 5. Injection sank der Druck voll¬
ständig. Im rechten Ventrikel wurde bald nach der Injection auch
einiges Sinken des Druckes bemerkt, doch kehrte er zeitweilig zur an¬
fänglichen Höhe zurück, stieg im Allgemeinen immer höher und erreichte
am Ende des Versuchs bis 1000 pCt. des anfänglichen. Dabei trat diese
Druckerhöhung zeitweilig in Gestalt breiter Wellen, die einige Zeit nach
der Injection erschienen, zu Tage. Als Ursache davon dürfte ein er¬
schwerter Blutumlauf in den Lungen entweder infolge einer grösseren
Zähigkeit (Verdichtung) des Blutes, oder der Bildung von Coagula, oder
des Zusammendrückens der Capillaren durch die ödematöse Schwellung
des Lungengewebes anzusehen sein.
Feuchtes Rasseln wurde nach der 2. Injection (ungefähr nach 10 Min.;
es waren im Ganzen 2 ccm Methyl, salicyl. eingeführt worden) bemerkt,
bei um 400 pCt. vergrössertem Druck im rechten Ventrikel um 12 pCt.
erniedrigtem Druck in den Arterien des grossen Blutkreislaufs und an¬
fänglichem Charakter des Pulses.
Im Allgemeinen wurde der Puls in der ersten Zeit nach der Injec¬
tion viel frequenter (zuweilen um das Doppelte), seine Arhythmie nahm
zu, die systolischen Elevationen nahmen ab; nach der Wiederholung der
Injectionen wurde der Rhythmus des Pulses regelmässiger, aber die
Schwäche desselben trat deutlicher hervor.
Im 75. Versuch, wo zugleich mit dem arteriellen auch der Druck
im rechten Ventrikel und im linken Vorhof gemessen wurde, fiel nach
der 1. Injection der arterielle Druck wie im vorhergehenden Versuch auf
kurze Zeit, stieg dann etwas höher als der anfängliche und wurde auch
im rechten Ventrikel um 28 pCt. höher; nach der 2. Injection fiel der
arterielle Druck um 64 pCt., stieg im rechten Ventrikel um 71 pCt.;
nach der 3. Injection fiel der Druck definitiv; im linken Vorhof fiel der
Druck schon nach der 1. Injection (um 33 pCt.) und stieg nicht wieder.
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Der Puls wurde nach der Injection schneller, nach der ersten wurde
dessen Rhythmus sogar regelmässiger, nach der dritten wurde er arhythmisch
und schwach. Die Thätigkeit des rechten Ventrikels wurde nach der
1. Injection merklich kräftiger, nach der 2. Injection arbeitete er mit
abwechselnder Kraft. Das Sinken des Drucks im linken Vorhof zeugt
gegen das Vorhandensein von Stauung auf der venösen Seite des kleinen
Blutkreislaufs, die mässige Druckerhöhung im rechten Ventrikel redet
für die Existenz eines Hindernisses im Gebiet der Verzweigungen der
Lungenarterie und in denjenigen der Lungencapillaren; die Erscheinungen
seitens des Blutdrucks sind also denen, die in den Versuchen, wo wir
Embolie der Aeste der Lungenarterie durch Injection von Lycopodium-
saraen hervorbrachten, beobachtet wurden, analog, dabei war aber die
Druckerhöhung im rechten Ventrikel weit geringer.
In Versuch 77 blieb der Druck im rechten Ventrikel und auch dessen
Arbeit nach der Injection unverändert; die systolischen Elevationen des
linken Ventrikels wurden nach den Injectionen, besonders nach der 3.,
kleiner; der arterielle Druck fiel nach der 2. Injection um 50 pCt. und
glich sich im Laufe von 6 Min. aus; nach der 3. Injection besserte sich
der Druck nicht mehr.
Der Puls wurde erst nach der 3. Injection schneller und blieb regel¬
mässig.
Folgerungen. Aus dem soeben Dargelegten darf man den Schluss
ziehen, dass das durch Methyl, sal. hervorgerufene Lungenödem auch
ein toxisches Oedem ist, denn wenn das mechanische Moment auch eine
gewisse Rolle spielt, so ist dessen Vorhandensein doch nicht direct noth-
wendig. Die Druckerhöhung im rechten Ventrikel kann eine sehr be¬
deutende sein, kann aber auch ganz fehlen (s. Versuch 77).
Wie lässt sich diese Druckerhöhung erklären? Der Versuch mit
Einwirkung des salicylsauren Methyls auf das Blut zeigte eine deutliche
Veränderung desselben mit Neigung zur Bildung von Coagula; es wurden
solche in den Aesten der Lungenarterie und bei der Obduction in einigen
Versuchen (Versuch 74, wo die grösste Menge salicylsauren Methyls —
11 ccm — unter unseren Experimenten angewandt wurde) constatirt.
Eine Erklärung der Druckerhöhung im rechten Ventrikel und in der
Lungenarterie muss daher vor allem in den Veränderungen des Blutes
gesucht werden; auch afi einen Spasmus der Lungengefässe reflectorischen
Ursprungs könnte man denken; doch verschwindet dieser Effect nach
Durchschneidung der Nn. vagi nicht.
Ein beständiger und scharfer Unterschied in der Arbeit des rechten
und linken Ventrikels ist in den Versuchen mit salicylsaurem Methyl
nicht wahrzunehmen; in einigen Versuchen kann man vergrösserte Arbeit
des rechten Ventrikels constatiren, in andern nicht; in den Arterien des
grossen Blutkreislaufs hält der Druck sich lange, nach zeitweiligem Fallen
bessert er sich wieder. In Versuch 74 hielt sich der Druck, nachdem
er sich gebessert hatte, auf der anfänglichen Höhe während des Austritts
einer schaumigen Flüssigkeit aus der Nase, folglich bei der vollständigen
Entwicklung des Lungenödems. Zu dieser Zeit konnte folglich von einer
Lähmung des linken Ventrikels keine Rede sein; der Druck im rechten
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 447
Ventrikel war dabei enorm (verhältnissmässig) hoch. Asyncrgie der
Ventrikel wird in den Versuchen mit salicylsaurem Methyl nicht selten
beobachtet, doch ist nicht sie die Ursache der Entwicklung eines Oedems.
Eine starke Wirkung übte das salicylsaure Methyl auf die Athmung
aus, die sogleich nach der Injection einen regellosen Charakter annahm,
was offenbar dem Einfluss dieses Mittels auf das Athmungscentrum zu¬
geschrieben werden muss.
Mit der Entwicklung und Vergrösserung des Oedems ging die Athem-
curve von ihrer Abscisse ab, was von der Volumzunahme der Lungen
zeugte; zugleich wurden ihre Excursionen kleiner und wiesen auf die Be¬
schränkung des Erweiterungsvermögens der Lungen hin. Dieser Zustand
der Lungen, welcher beständig auch in den Höllenstein- und Aether-
versuchen bemerkt wurde, ist demjenigen, der in Grossmann’s,
Winklers und v. Zeissl’s Arbeiten so oft als Lungenschwellung und
Lungenstarrheit bezeichnet wird, sehr ähnlich, doch mit ihm nicht identisch,
denn bei den genannten Autoren bedeutet er einen Zustand der Lungen,
der durch Blutstauung hervorgerufen wird, und als vorläufiges oder, wie
sie sich ausdrüeken, als erstes Stadium des Lungenödems auftritt; in
unseren Versuchen dagegen ist die Starrheit und Schwellung der Lungen
hauptsächlich eine Folge der Transsudation von Flüssigkeit in das Gewebe
und die Alveolen derselben.
Der Puls wurde nach der Injection von salicylsaurem Methyl frequenter
und, was befremdlich erscheint, zugleich regelmässiger; bei befriedigendem
Druck wurde er weniger voll.
Gegen das Ende wurde zugleich mit dem Sinken des Drucks auch
der Puls schwach. _
Wir beschreiben und besprechen unsere Versuche mit Lugollösung
und Muscarin nicht, die ersten hauptsächlich nicht, weil die Zahl solcher
eine zu geringe war, uro irgend einen Schluss zu gestatten, die zweiten,
weil bei einer genügenden Anzahl und unter allen für diese Substanzen
charakteristischen Erscheinungen das erhaltene Resultat im Sinne der
Entwicklung von Oedem ein ganz negatives war.
Was das neuropathische Lungenödem anbetrifft, so unterscheiden
die Klinicisten zwei Formen desselben: eine, bei welcher Störungen der
vasomotorischen Innervation, der Ansicht der Autoren nach, als nächste
Ursache des Lungenödems beim Vorhandensein anderer organischer
Störungen, die gewöhnlich bei Personen, welche Anfällen von Lungen¬
ödem unterworfen sind, beobachtet werden, anzusehen sind [die Fälle von
Bouveret (48), Petren und Bergmark (49), J. Necas (50), Korn¬
feld (51), Müller (52); hierzu kann auch einer der zwei von Sticker (53)
beschriebenen Fälle einseitigen Lungenödems gerechnet werden, welcher
dem von Bouveret beobachteten sehr ähnlich ist, obgleich der Autor
selbst von dem angioneurotischen Charakter dieses Falles nicht spricht];
und eine andere Form, wo ebensolche Störungen der Innervation der
Lungcngefässe von den Autoren bei solchen Kranken beobachtet wurden,
die kein Herz- oder Nierenleiden hatten, keiner Punktion der Pleura
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A. M. Kotowschtschikow,
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unterworfen worden waren, aber an Erkrankung functionellen oder
organischen Charakters des Nervensystems im Allgemeinen litten [die
Fälle von Fouineau, Levi (59), Morel-Lavallee und Amblard
— im Ganzen 4 Beobachtungen, die ziemlich umständlich (aber ohne
mikroskopische Untersuchung des Nervensystems) beschrieben sind und
die wir in der iranzösischen Literatur (Fouineau’s und Chemery’s
Dissertationen) gefunden haben. Ausserdem gehören noch hierher die
in Necas’ Arbeit sehr kurz erwähnten Fälle von Prof. Thomayer und
des französischen Autors Breschet].
Die erste Form wird von einigen Autoren für eine Angioneurose an¬
gesehen, auch ihrer Entstehungsart nach mit einem umschriebenen Haut¬
ödem nach Quincke-Gross verglichen.
In der zweiten Form wird die Entwicklung des Lungenödems bald
einer unmittelbaren Störung der vasomotorischen Centren, bald einer
Reizung des Stammes des N. vagi (Amblard’s Fall) zugeschrieben.
Um die Möglichkeit des Vorhandenseins von Nervenödemen auf¬
zuklären, leiteten wir eine Reihe von Versuchen an Hunden und Kaninchen
nach Jores mit Reizung des Lungengewebes und auch ungleichzeitiger
Durchschneidung der N. vago-syrapathici und Reizung des peripherischen
Endes des vorher durchschnittenen Nervenstammes. In anderen Fällen
fügten wir noch die Exstirpation des Gangl. cervicalc infer. hinzu; ein
positives Resultat wurde jedoch nur einmal erhalten, wobei man an-
nehraen kann, dass in diesem Fall der Aethcr, mit welchem die Kaninchen
narkotisirt wurden, am Zustandekommen des Oedems theilgenommen
hatte. Wir erhielten jedesmal Lungenödem, wenn wir zu der einseitigen
Reizung der Nervenstämmo oder zu der Exstirpation des Gangl. cervicale
infer. Höllensteininjcction gesellten; zwischen dem Oedem auf der Seite,
wo der Nervenstaram gereizt worden war, und dem auf der anderen, wo
kein Reiz ausgeübt wurde, konnte kein scharfer Unterschied wahr¬
genommen werden.
In Anbetracht des Dargelegten wagen wir es nicht, uns zu Gunsten
des Vorkommens eines Nervenödems auszusprechen. Wir glauben, dass
bislang noch zu wenig experimentelle Gründe dazu vorhanden sind,
obgleich, wie erwähnt, in der Literatur Fälle angeführt werden, die für
die Möglichkeit eines Oedems nervösen Ursprungs reden.
Schlnssbetrachtnngen.
Nach näherer Bekanntschaft mit der einschlägigen Literatur und
einer Reihe von Versuchen theils mechanischen Charakters, theils mit
verschiedenen Substanzen, wollen wir versuchen, mögliche Schlüsse aus
unserer Arbeit zu ziehen und auf Grund von uns und anderen Autoren
erhaltener experimenteller Thatsachen unser Urtheil über die Frage der
Pathogenese des acuten Lungenödems beim Menschen aussprechen. Zu¬
erst wollen wir einige Betrachtungen über den Werth der verschiedenen
Methoden, die zur experimentellen Ilervorrufung von mechanischem
acutem Lungenödem bei Thieren angewandt worden sind, dann über das
Zustandekommen des toxischen Oedems anstellen.
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 449
Welch’s Verfahren — Zerquetschung der Muskeln des linken Ven¬
trikels — wandten wir bei unsern Versuchen nicht an, einerseits weil
wir mit Hunden experimentirten und wussten, dass, wie der Autor selbst
erklärt, dieses Verfahren bei ihnen nicht zum Ziel führt, und ausserdem,
weil es auch bei Kaninchen häufig misslingt. Dies bestätigen Sahli,
Löwitt, Alexandrow. Nur Grossmann erhielt mit diesem Verfahren
bei Hunden das gewünschte Resultat.
Andererseits gestattet diese Methode in Folge ihres grob-mechani¬
schen Charakters weniger als andere mechanische Methoden irgend etwas
Analoges in der Pathologie des Menschen herauszufinden. Wie dem auch
sei, dieselbe wurde von zwei Forschern mit Erfolg angewandt, folglich
erreicht sie zuweilen ihren Zweck; aber bei der Erklärung ihrer Be¬
deutung muss man sich natürlich der Meinung ihres Autors, nicht aber
Sahlis oder Grossmann’s, anschliessen. Dieses Verfahren ist einer
Lähmung des linken Ventrikels und nicht einer Capacitätverringerung
desselben analog, da aus der Beschreibung der Versuche hervorgeht, dass
die auf diese Weise gestörte Thätigkeit des linken Ventrikels nicht wieder¬
hergestellt wird und der Tod des Thieres unter Erscheinungen von Lungen¬
ödem sehr rasch, nach wenigen Minuten (2—3—4 Min.) eintritt, dass
somit diese Form von Oedem der agonalen am nächsten steht; es ist
sehr wahrscheinlich, dass in den von Bokarius mitgetheilten Fällen
pathologo-anatomischer Beobachtungen das Lungenödem durch ein früheres
Absterben des linken Ventrikels im Vergleich zum rechten entstanden
war. Miller und Matthews, die bei ihren Versuchen mit künstlicher
Stenosirung der Valvula mitralis Lungenödem beobachteten, schreiben dieses
der herabgesetzten Thätigkeit des linken Ventrikels in Welch’s Sinne
zu. Inwieweit es aber richtig ist das Fallen des Blutdrucks in der Aorta
in Folge von verringerter Blutzufuhr zum linken Ventrikel dem durch
die verminderte Kraft dieses letzteren verursachten Fallen gleichzustellen,
werden wir weiter unten bei der Betrachtung des Einflusses der Obturation
des linken Vorhofs auf das Zustandekommen von Lungenödem betrachten.
Was die anderen Beweisgründe für die Bedeutung der Capacitäts-
verringerung des linken Ventrikels für die Entstehung von Lungenödem
anbetrifft, so können Grossmann’s Versuche mit Muscarin, auf welche
der Autor sich hauptsächlich stützt, nicht für überzeugend gelten, da
bei der Muscarinvergiftung Oedem, wenigstens makroskopisch wahrnehm¬
bares, weder von uns noch von Löwitt, Sahli oder Alexandrow er¬
halten wurde.
v. Zeissl’s und Winkler’s Versuche, bei welchen diese Autoren sich
per visum von einer ebensolchen Capacitätsverringerung (Contractur) des
linken Ventrikels wie Grossmann bei den seinigen mit Muscarin überzeugt
hatten, sind aus folgenden Gründen wenig überzeugend: zwar weist ersterer,
der mit Amylnitrit, einer Substanz, welche unzweifelhaft die Zusammen¬
setzung des Blutes verändert, arbeitete, auf Druckerhöhung im linken Vorhof
und in der Lungenarterie bei diesen Versuchen als auf einen Beweis hin, dass
während denselben Stauung vorhanden war; doch führt er in Betreff der
Lungenarterie wenig überzeugende Thatsachen an, denn er spricht nur
von einer relativen Druckerhöhung in derselben, indem er dafür die Er-
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haltung des anfänglichen Drucks oder sogar eine geringe Verminderung
bei deutlich ausgeprägtem Fallen des Drucks in der A. carotis und einer
gewissen Steigerung desselben im linken Vorhof ansieht; allein viele
Autoren, wie z. ß. Löwitt, Miller und Matthews, wollen das Vor¬
handensein einer solchen relativen Druckerhöhung mit Recht nicht zu¬
geben und noch weniger ihr eine Bedeutung zuschrciben. Ausserdem
haben sich Winkler’s Angaben bislang noch nicht bestätigt. Der zweite
Autor, v. Zeissl, spricht selbst‘von dem Antheil, den die Veränderungen
des Blutes und der Wände der LungengeCässe (Lungencapillaren) an dem
Zustandekommen des Oedems in seinen Versuchen genommen haben.
Auch die Tabellen der Druckgrössen bei gleichzeitiger Messung der¬
selben in der A. carot., in der Lungenarterie und im linken Vorhof
bieten nicht den Parallelismus zwischen der Druckerhöhung in der Lungen¬
arterie und im linken Vorhof, von welchem v. Zeissl spricht. Somit
ist es erlaubt, anzunehmen, dass in Winkler’s und v. Zeissl’s Ver¬
suchen das mechanische Moment im Sinne der Capacitätsverringerung des
linken Ventrikels erst in zweiter Linie kommt, der toxische Factor da¬
gegen die erste Stelle einnimmt. Dies um so mehr, als in gewissen
Momenten eines Versuchs der Druck in der Lungenarterie im Vergleich
zum anfänglichen zwar stark (zuweilen um das Doppelte oder noch mehr)
stieg, er in anderen Versuchen und im Durchschnitt ein relativ gemässigter
und nicht so hoch war, wie es in den rein mechanischen Versuchen beob¬
achtet wird, wo der Druck, um Oedem hervorzurufen, nicht weniger als
doppelt so hoch wie der anfängliche, oft noch viel höher (s. die Ver¬
suche mit mechanischer Stauung) sein und mehr oder weniger lange auf
derselben Höhe bleiben muss. Eine Raumverringerung des linken Ven¬
trikels bei Jodvergiftung leugnen auch Miller und Matthews ab, die
in ihren Versuchen mit der Lugol’schen Lösung v. Zeissl’s Angaben im
Allgemeinen bestätigen mit Ausnahme dieses einen Punktes, auf den sie
ihren Worten nach ihre besondere Aufmerksamkeit gerichtet hatten; sie
erklären kategorisch, dass der Rauminhalt der linken Herzcavitäten un¬
verändert bleibt.
Die Obturation des linken Ventrikels, welche gerade zur Be¬
stätigung von Sahli’s und Grossmann’s Ansicht über die Rolle einer
Raumverringerung des linken Ventrikels im Sinne einer Contractur des¬
selben in der Pathogenese des Lungenödems hätte dienen können, gab
uns diese Bestätigung nicht. Alexandrow wandte dieses Verfahren
zwar mit Erfolg an, doch führt er weder die Messungen des Drucks
noch die Curven dieser Versuche an, so dass wir, ohne die Thatsache
des Entstehens von Lungenödem bei der Obturation des linken Ventrikels
bei diesem Autor zu bezweifeln, dasselbe in Ermangelung der Druck-
curven nicht erklären können.
Welch rief Lungenödem bei Kaninchen, Sahli bei Hunden hervor,
indem sie einen Theil des linken Vorhofs von bestimmter Grösse zuklemmten.
Auch Löwit erhielt durch Infusion von Kochsalzlösung in den
linken Vorhof bei Katzen oder Kaninchen Lungenödem; Grossmann
endlich und wir riefen, an Hunden experimentirend, in den allermeisten
Fällen Oedem hervor, indem wir durch Obturation des linken Vor-
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 451
hofs Fallen des arteriellen Drucks bis zu einer gewissen Höhe be¬
wirkten.
Es ist jedoch kaum möglich, die Obturation oder das Zuklemmen
des linken Vorhofs einer Raum Verkleinerung des linken Ventrikels, wie
Grossmann es thut, gleichzustellen. Wir müssen unser Augenmerk auf
den Umstand richten, dass bei der Obturation des Vorhofs fast die ganze
Blutmenge, die im Ventrikel Platz gefunden hätte, und ein Theil des
Blutes aus dem Vorhof in den Lungenvenen bleiben, diese und folglich
auch die Capillaren überfüllen und dadurch Verlangsamung der Blut-'
Strömung und Druckerhöhung in denselben hervorrufen, d. h. gerade die
Bedingungen schaffen muss, welche Transsudation begünstigen. Auch
einer Lähmung oder Entkräftung des linken Ventrikels darf die Obtura¬
tion weder im experimentellen noch im klinischen Sinne gleichgestellt
werden; der Blutdruck fällt dabei, aber nicht infolge von Herzschwäche,
sondern von ungenügender Blutzufuhr; wird die Obturation vermindert,
so steigt sogleich der arterielle Druck. Werden diese zwei Zustände
nicht scharf von einander unterschieden, so sind falsche Schlüsse möglich:
ein bei Druckerniedrigung eingetretenes Lungenödem kann einer Parese
des linken Ventrikels zugeschrieben werden, während es in Wirklichkeit
durch einen pathologischen Process im Gebiete des Vorhofs ohne irgend
eine Veränderung seitens des linken Ventrikels entstehen konnte, da nicht
nur eine experimentelle, sondern auch eine pathologische Rauraverkleine¬
rung des linken Vorhofs, wobei die Arbeitsfähigkeit des linken Ventrikels
erhalten bleibt, möglich ist. Die herabgesetzte Thätigkeit (verminderte
Leistung) dieses letzteren ist in diesem Fall eine infolge von verminderter
Blutzufuhr erzwungene.
Was die Obturation der Aortenmündung, die Zuklemmung
der Aorta und um so mehr die Obturation der Aorta descendens
anbetrifft, so ruft sie den übereinstimmenden Thatsachen aller Autoren,
die dieses Verfahren angewandt, gemäss bei Hunden selten, öfter bei
Kaninchen Lungenödem hervor; deshalb ist vom experimentellen Stand¬
punkt aus kein Grund vorhanden, ihr in der Pathologie des Menschen
eine Bedeutung zuzuschreiben. Klinisch ist es ja bekannt, dass Er¬
krankungen der Aorta, insbesondere in Gestalt von Aortitis und Periaortitis
häufig die Ursache von Lungenödem sind; darüber wurde schon genug in
der Einleitung gesprochen und auch gezeigt, worin dabei die Rolle der
Periaortitis besteht.
Es giebt noch ein rein mechanisches Moment, welches allgemeines
acutes Lungenödem beim Menschen verursachen kann, nämlich die
Embolie der kleinen Verzweigungen der Lungenarterie und der
Lungencapill aren, was durch die Versuche mit Lycopodiumsamen und
Ribbert’s (56) Beobachtungen über die fettige Lungenembolie erwiesen
worden ist.
Der Mechanismus des Zustandekommens des Oedems in diesem
Falle wird bei der Beschreibung der Versuche selbst erklärt werden.
Wenn schon bei irgend einer anderen Entstehungsursache des Lungen¬
ödems eine Veränderung der Lungencapillaren schliesslich nicht ausbleiben
kann, so ist letzterwähntes Verfahren, mechanisches Lungenödem hervor-
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zurufen, gerade darauf gerichtet, diesen im Sinne des Eintretens von
Transsudation wichtigsten Theil des Gefässapparats zu treffen.
Somit wirft sich die Frage auf, ob in der Pathologie des Menschen
acutes allgemeines Lungenödem rein, oder wenigstens hauptsächlich
mechanischen Ursprungs, d. h. durch alleinige Störung des Gleichgewichts
im Blutumlauf verursachtes, zu Stande kommen kann?
Auf Grund der obenbeschriebenen Versuche darf man die Möglich¬
keit eines solchen Oedems in den Fällen zulassen, wenn Hindernisse
zum Blutabfluss aus den Lungen auf der Höhe des linken Vorhofs (nicht
aber der linken atrio-ventricularen Ocffnung) entstehen, z. B. in Fällen
eines raschen Zusammenpressens des linken Vorhofs durch irgend eine
Geschwulst, eines Aneurysmas der Aorta oder Durchreissen derselben in
den linken Vorhof, oder einer Thrombose des linken Vorhofs.
Die acuten allgemeinen Lungenödeme im Laufe von Erkrankungen
des Herzens oder der Lungen (z. B. bei bronchialem Asthma) zählen
unter ihren Entstehungsursachen ausser den mechanischen Momenten ge¬
wöhnlich auch ein toxisches.
Wenn man nicht zugeben kann, dass bei allen Lungenödemen
mechanischen Ursprungs zuerst eine Lähmung oder Entkräftung des
linken Ventrikels eintreten muss, damit das Oedem zu Stande kommen
könne — später ist infolge der ungenügenden Oxydation des Blutes und
der verschlechterten Ernährung des Herzmuskels die Thätigkeit des
linken Herzens herabgesetzt — so darf man doch behaupten, dass die
Thätigkeit des rechten Ventrikels dabei erhöht sein muss, damit Oedem
entstehen könne, dies folgt sowohl aus den Versuchen anderer Autoren
als aus den unsrigen.
Ehe wir zum toxischen Oedem übergehen, seien noch einige Worte
über die sogenannte Lungenschwellung und Lungenstarrheit gesagt. Es
unterliegt keinem Zweifel, dass bei der Entwicklung von Oedem die
Lungen an Grösse zunehmen, und dass ihre Ausdehnungskraft abnimmt,
wie dies aus den Curven der Thoraxexcursionen und der Athembewegungen,
und auch aus den Thatsachen der Obduction erhellt; doch wird ein
solcher Zustand nicht immer von Stauung oder Blutüberfüllung begleitet
und noch weniger dadurch hervorgerufen; beim toxischen Oedem hängen
jene Erscheinungen ausser von der Hyperämie, die dort vorhanden ist,
wo beim Oedem Druckerhöhung im kleinen Blutkreislauf beobachtet wird,
offenbar zum Theil von der Durchtränkung der Lungen mit dem Trans¬
sudat, zum Theil von der vicariirenden Erweiterung der Bezirke der
Lungen, welche von der Transsudation freigeblieben sind, ab. Bei
mechanisch hervorgerufenem Lungenödem ist die Blutmenge in den
Lungen natürlich erhöht und von Lungenschwellung und Lungenstarrheit
in Basch-Grossmann’s Sinne noch vor dem Eintreten einer Trans¬
sudation in das Lungengewebe begleitet. Es sei hier bemerkt, dass ein
der Basch-Grossmann’schen Lungenschwellung und Lungenstarrheit
sehr ähnlicher, in der Klinik bekannter Zustand der Lungen bei an
Mitralfehlern Leidenden angetroffen wird; doch entwickelt er sich hier
langsam und hat einen chronischen Charakter.
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Veränderung der Herztbätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 453
n.
Was unsere Versuche mit toxischem Oedem und zwar mit dem
durch Höllenstein, Aether und Salicylsäuremethyl hervorgerufenen anbe¬
trifft, so wurde das Zustandekommen des Lungenödems zum Theil von
Druckerhöhung hauptsächlich, wenn nicht ausschliesslich, auf der arteriellen
Seite des Lungenkreislaufs, begleitet, zum Theil nicht, so dass die An¬
sicht der französischen Autoren (s. Chemery), nach welcher Druck¬
erhöhung im Gebiet der Lungenarterie eine nothwendige Bedingung des
Zustandekommens des acuten Lungenödems im Allgemeinen ist, ex¬
perimentell sich nicht bestätigt.
In den meisten Versuchen mit salicylsaurem Methyl stieg der Druck
im Gebiet der Lungenarterie (des rechten Ventrikels), was mit Teissier
und Guinard’s Versuchen übereinstiramt; doch genügte in unsem Ver¬
suchen die blosse Einwirkung des salicylsauren Methyls ohne Beihilfe von
Nervenreizungen, wobei wir im ganzen keine grösseren Mengen des ge¬
nannten Mittels verwandten als erwähnte Autoren. Das die Entstehung
des Oedems begünstigende mechanische Moment wurde durch die Ein¬
wirkung des Mittels selbst bewirkt. An Lähmung oder Insuffizienz des
linken Ventrikels kann auf Grund unserer Versuche nur als eine neben¬
sächliche Bedingung für das Zustandekommen von Oedem gedacht werden;
zuweilen wurde vollständig entwickeltes Oedem sogar bei anfänglichem
arteriellem Druck beobachtet (s. z. B. Versuch 74); erhöhte Thätigkeit
des rechten Ventrikels war aber in den meisten Fällen vorhanden.
In den Versuchen mit Aether wurde das Fehlen von Druckerhöhung
im rechten Ventrikel öfter als in der vorhergehenden Serie von Ver¬
suchen beobachtet.
Dabei muss bemerkt werden, dass besonders im linken Ventrikel
(im rechten war dies weniger scharf ausgeprägt) zugleich mit dem Fall
des arteriellen Drucks zeitweilig eine Art Spasmus entstand, welcher
in der Verkleinerung der systolischen Elevation und des diastolischen
Fallens seiner Curven seinen Ausdruck fand (s. Versuch 66). Noch
schärfer oder wenigstens, infolge des vollständigen Fehlens solcher Ver¬
änderungen im rechten Ventrikel, frappanter war diese Erscheinung
nach den Höllensteininjectionen ausgedrückt (s. Versuch 43). Doch muss
sie der verminderten ßlutmenge im Ventrikel (dessen Verödung) zuge¬
schrieben werden, denn bei der Besichtigung des Herzens während der
Entwicklung des Lungenödems nach einer Aetherinjection gewahrten wir
Erweiterung der rechten Herzhälfte, konnten aber keine tonische Zu¬
sammenziehung — Contractur — des linken Ventrikels bemerken; in
dieser Beziehung bestätigen unsere Beobachtungen Millers und Matthew’s
Angaben.
Die Höllensteinversuche haben besonders deutlich die Möglichkeit
eines Zustandekommens von Lungenödem ohne Druckerhöhung im Ge¬
biete des kleinen Blutkreislaufs und sogar bei herabgesetztem Druck
gezeigt. Andererseits aber stieg nicht selten der Druck im rechten Ven¬
trikel und im Gebiete der Lungenarterie, und sogar bedeutend, bei an-
scheinlichem Fehlen aller ihn begünstigender Bedingungen, wie z. B. bei
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. €>q
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der Obturation der V. cava inf., wenn der Blutzufluss zur rechten Herz¬
hälfte sehr beschränkt war. Am linken Ventrikel wurden zuweilen eben
solche Veränderungen wie nach einer Aetherinjection constatirt. Es ist
wichtig hervorzuheben, dass sie auch nach der Injection von Höllenstein
in den rechten Ventrikel und auch in den linken selbst eintraten; aber
im ersten Fall bewirkte diese Injection erhöhte Arbeit des rechten
Ventrikels und Druckerhöhung in der A. pulm., im zweiten nahm zwar
auch der rechte Ventrikel an dieser Erscheinung einen Antheil, doch
einen viel schwächeren.
In denVersuch mit Höllenstein, in welchem das Herz per visura be¬
obachtet wurde, wurde auch, wie in dem entsprechenden Versuch mit
Aether Erweiterung des rechten Ventrikels, doch eine geringere als in
letzterem Versuch constatirt; auch dessen erhöhte Arbeit während 1 bis
P /2 Min. gerade zur Zeit der Entwicklung des Oedems (Veränderungen
der Lunge: Volumzunahme, marmorirte Färbung und Starrheit), sowie
eine verhältnissmässige Erweiterung der rechten Herzhälfte post mortem
wurden bemerkt; Contractur des linken Ventrikels fehlte wie im Experiment
mit Aether.
Die zur Untersuchung der Wirkung von Höllenstein, Aether und
salicylsaurem Methyl auf das Blut eingeleiteten Versuche zeigten Neigung
zur Bildung von CoaguJa (erhöhte Gerinnbarkeit) und ein Versuch mit
Höllenstein an einem durch Entblutung getödteten Thier bewies, dass
dieses Mittel unzweifelhaft die Porosität der Gefässwände stark ver¬
ändert, nämlich dieselbe verstärkt; dabei geht es, wie aus den ersten
Versuchen ersichtlich ist, zum Theil selbst in das Transsudat über. Be
den Experimenten mit salicylsaurem Methyl gelang es einmal, Coagula in
den Aesten der Lungenarterie zu sehen.
Auch Teissier, Chatin und Guinard weisen auf eine Veränderung
des Blutes in dem Sinne hin, dass unter dem Einfluss der Injectioncn
von salicylsaurem Methyl die Löslichkeit der rothen Blutkörperchen
grösser wird (Hämolyse).
Obgleich wir keine systemischen Untersuchungen in dieser Richtung
ausgeführt haben, besitzen wir dennoch Thatsachen genug, um sagen zu
können, dass die Druckerhöhung im Gebiet der Lungenarterie in den be¬
schriebenen Versuchen von einer Veränderung des Blutes abhängt, welches
in diesem veränderten Zustande in den Lungencapillaren verstärkten
Widerstand und dadurch Druckerhöhung hervorruft. Die Veränderung der
Gefässwände ist schon eine zweite Wirkung derselben Ursache, welche
die Veränderung des Blutes bedingt; dieselbe führt zur Bildung des
Lungentranssudats.
Somit bedarf ein toxisches Oedem zu seiner Entwicklung keiner
mechanischen Momente, und in einigen Fällen werden solche vom toxischen
Agenten selbst im Lungenkreislaul hervorgerufen, wenigstens in den Be¬
dingungen des Experiments.
Miller’s und Matthew’s Versuche mit der Einathmung von Stick¬
stoffoxyd- und Ammoniakdämpfen bestätigen unsere Ansicht, dass ein
toxisches Lungenödem sich ohne die geringste Druckerhöhung im kleinen
Blutkreislauf entwickeln kann. In ihren Versuchen mit diesen Substanzen
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Veränderung der Herzthatigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 455
beobachteten sie niemals Druckerhöhung in der Lungenarterie und be¬
merkten auch nichts Unverhältnissmässiges in der Arbeit beider Ventrikel.
Irgend ein mechanisches Moment war in ihren Versuchen nicht vorhanden.
Somit ist Grossmann’s an Sahli gerichtete Forderung, einen
experimentellen Beweis dafür zu liefern, dass bei der Entwicklung von
Lungenödem Stauung in den Lungen nicht vorhanden ist, sowohl von
Löwit als von Miller und Matthews und von uns erfüllt worden.
Lässt man sich somit von experimentellen Thatsachen leiten, so kann
man auf Grund solcher zu folgenden Schlüssen gelangen:
1. Die am. Häufigsten beobachtete Art des allgemeinen acuten
Lungenödems muss das toxische Ocdem sein; viel seltener muss von
Blutumlaufstörungen mechanischen Charakters bewirktes Oedem Vor¬
kommen; selbstständiges neuropathisches Oedem ist noch nicht bewiesen.
2. Ein experimentelles, allgemeines, acutes Lungenödem mechanischen
Ursprungs ist erwiesen und wird verhältnissraässig leicht durch Factoren,
die den Blutabfluss aus dem kleinen Blutkreislauf auf der Höhe des
linken Vorhofs hindern, sowie durch Verschliessung der Lungencapillaren
hervorgerufen.
3. Der Druck im Gebiet der Lungenarterie ist in solchen Fällen
sehr erhöht, die Arbeit des rechten Ventrikels verstärkt, dagegen der
Druck in den Arterien des grossen Blutkreislaufs herabgesetzt; eine be¬
deutende Druckerniedrigung im System der Aorta begünstigt das Zustande¬
kommen eines Oederas nicht, woraufhin man annehmen darf, dass eine
lnsufficienz des linken Ventrikels im Anfangsstadium der Entwicklung dieses
Prozesses in den angegebenen Fällen eine nebensächliche Bedeutung hat.
4. Unter den erwähnten Bedingungen, d. h. bei einer’ Störung des
Blutumlaufs im linken Vorhof im Fall eines raschen Drucks durch irgend
eine Geschwulst, ein Aneurysma oder eine Neubildung in seinem Innern,
z. B. durch eine Vorhofthrombose, kann auch beim Menschen Zustande¬
kommen acuten Lungenödems erwartet werden.
5. Experimentelles toxisches Oedem wird leicht durch verschiedene.
Gifte hervorgerufen; obgleich es am Oeftesten von Druckerhöhung im
Gebiet der Lungenarterie und von starken Contractionen des rechten
Ventrikels begleitet wird, kann es auch bei vollständigem Fehlen dieser
Erscheinungen zu Stande kommen.
6. Der Mechanismus der Entstehung des experimentellen toxischen
Oedems lässt sich auf eine Vergrösserung der Porosität der Lungen¬
capillaren zurückführen, zu der sich in manchen Fällen wahrscheinlich
noch Thrombose vieler Capillaren gesellt, welche die Fortbewegung des
Blutes erschwert und Druckerhöhung in den Lungenarterien hervorruft.
Das Oedem, welches beim Menschen nach einer Aetherinhalation entsteht,
kommt wahrscheinlich auf dieselbe Art wie bei den Experimenten an
Thieren zu Stande.
7. Bei der Untersuchung eines an acutem Lungenödem Erkrankten
ist der Zustand des Blutdrucks in den Arterien des grossen Blut¬
kreislaufs und folglich die Spannung der Gefässwände für das Verständniss
des Mechanismus seiner Entstehung von grosser Wichtigkeit.
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Druckerniedrigung kann sowohl bei mechanischem als bei toxischem
Oedem Vorkommen, Druckerhöhung oder normaler Druck dagegen nur
bei letzterem. Der Puls bietet beim Oedem nichts Charakteristisches;
er kann schnell und langsam, regelmässig und arhythmisch sein. Dessen
Charakter — Frequenz, Regelmässigkeit, Stärke des Schlages — haben
eine grössere Bedeutung für die Beurtheilung des Zustandes des Herzens
selbst als für die Bestimmung des Mechanismus der Entstehung des
Oederas. Beim mechanischen Oedem muss der Puls ceteris paribus der
Erniedrigung des arteriellen Druckes entsprechend schwächer sein.
8. Das sogen, neuropathische Oedem im Sinne einer selbstständigen
oder symptomatischen Angioneurose der Lungen ist experimentell noch
nicht dargethan; auch die Zahl der klinischen Beobachtungen genügt noch
nicht das Vorkommen einer solchen Art von Oedem für festgestellt an¬
zusehen.
9. Genauere pathologo-anatomische und experimentelle Untersuchungen
der Frage über den Mechanismus des Zustandekommens des Lungen¬
ödems, insbesondere die Erforschung der Veränderungen des Gefäss-
endothels und der osmotischen Processe im Lungengewebe beim Lungen¬
ödem werden unzweifelhaft zum vollen Verständniss der Pathogenese des
Lungenödems beitragen.
Auch eine sorgfältige klinische Untersuchung der Fälle von acutem
Oedem beim Menschen, besonders alles dessen, was den Blutdruck und
die Veränderungen des Blutes betrifft, ist zu diesem Zwecke nothwendig.
Ich halte es für eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. A. J. Taljanzew
sowohl für das mir angetragene Thema als auch für seine stete Leitung
bei dessen Ausarbeitung meinen tiefsten Dank auszusprechen.
Auch Herrn Prosector des Instituts Dr. raed. F. F. Venulet sage
ich meinen innigsten Dank für seinen Beistand bei der Anfertigung der
anatomischen und mikroskopischen Präparate.
Erklärungen zu den Abbildungen auf Tafeln IV—X.
1. V ersuch. Oedem. Nach dem Beginn der Obturation wird Fallen des
arteriellen Drucks im grossen Blutkreislauf, übrigens kein bedeutendes, zeitweilig zur
anfänglichen Höhe wiederkehrendes, beobachtet. Man bemerkt bedeutende Druck-
orhöhung in der Lungenarterie, manchmal erreicht sie beinahe das Dreifache. Ausser
der Druckerhöhung in der Lungenarterie sieht man auf ihrer Curve, besonders in dem
Theil der Abbildung, wo ihre Spitze die Arteriencurve berührt, die enorme Vergrösse-
rung der systolischen Elevationen derselben. Die Elevationen der A. carot. sind zu
dieser Zeit ebenfalls vergrössert, aber relativ massig. Der Puls ist im grössten Theil
der Curve arhythmisch. Diese Druckveränderung hält während der ganzen Dauer der
Obturation des linken Vorhofs an.
4. Versuch. Oedem. Nach der Obturation — allmähliches Fallen des Drucks
in A. femor., wobei Puls von Zeit zu Zeit fadenförmig wird. In Ventr. dext. steigt
der Druck sehr stark (am Ende des ersten Abschnitts der Curve um 300 pCt.); gleich¬
zeitig werden auch dessen systolische Elevationen grösser; darauf fällt der Druck im
Ventr. dext. etwas, obgleich er sich noch immer auf einer im Vergleich zu der anfäng¬
lichen doppelten Höhe hält (2. Abschnitt der Curve). Am Ende des Versuchs fiel der
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Veränderung der Herzthätigkeit und des Blutkreislaufs bei acutem Lungenödem. 457
Druck im Ventr. dext. beinahe bis zur Norm (3. Abschnitt, 2 Min. vor Ende des Ver¬
suchs). Seine systolische Elevationen sind deutlich ausgeprägt, sein Puls ist regel¬
mässig und hat im 3. Abschnitt die frühere Frequenz. Im 1. Abschnitt der Abbildung
war der Puls nach der Obturation frequenter, in der 1. Hälfte des 2. Abschnitts war
er weniger frequent, als anfänglich, in der 2. Hälfte desselben wieder frequenter.
18. Versuoh. Oedem. Nach der 1. Lycopodiumsameninjection ist eine gewisse
Druckerhöhung in A. femor. und eine (mehr als) dreifache im Ventr. dext. wahrnehm¬
bar, später ist hier die Druckerhöhung etwas weniger ausgeprägt (das Ende des 1. Ab¬
schnitts der Curve). Nach der 2.Injection kurze (weniger als IMin.) Druckerniedrigung
in A. femor. bis auf die Hälfte des anfänglichen Drucks, dann besserte er sich; scharfe
Druckerhöhung (bis zur 6— 7-fachen anfänglichen Höhe) im Ventr. dext., die, trotzdem
sie geringer wurde, dennoch den anfänglichen Druck weit überstieg. Nach der 5. In-
jection starkes Fallen des Drucks in A. femor. und eine gewisse Erniedrigung im
Ventr. dext. im Vergleich zur vorhergehenden Periode. Der Puls ist dabei schwach,
arhythmisch. Das Sinken des Blutdrucks progressiv. Von der 2., aber besonders von
der 3. Injection an ist die Verkleinerung der Athemexcursionen des Diaphragma deut¬
lich wahrnehmbar, doch wird sie von Zeit zu Zeit von tieferen Inspirationen unter¬
brochen. Seit der 3. Injection hat die Diaphragmacurve sich im allgemeinen (sehr
wenig) von der Abscisse entfernt, d. h. das Diaphragma selbst stand zu dieser Zeit
etwas höher als früher.
23. Versuch. Oedem. 1 J / 4 Min. nach der Höllensteininjection fiel der Druck
in A. femor. fast bis auf die Hälfte des anfänglichen und begann sogleich sich zu
bessern; zugleich stieg er im Ventr. dext. mehr als um das Dreifache, begann nach
3 Min. zu fallen (4—4y 2 Min. nach der Injection wurde er niedriger als der anfäng¬
liche — dieser Theil des Versuchs ist nicht dargestellt), die systolischen Elevationen
des Ventrikels begannen zu steigen. Die Excursionen der Curven des Brustkorbes und
des Diaphragma begannen Min. nach der Injection kleiner zu werden und letztere
Curve entfernte sich von der Abscisse (Ausdruck für die Volumvergrösserung der
Lungen und für die Verkleinerung ihrer Athembewegungen). Der Puls war während
der ganzen Dauer des Versuchs regelmässig.
34. Versuch. Oedem. Nach der 1. Höllensteininjection unveränderter Druck in
A. femor.; im Ventr. dext. etwas erniedrigter, wobei die systolischen Elevationen
grösser geworden sind; im Atrium sin. ist der Druck erhöht (2. Absohnittder Abbildung).
Nach der 2. Injection ist der Druck in A. femor. etwas gefallen, im Ventr. dext. all¬
mählich bis \ l / 2 mal des anfänglichen gestiegen, in Atrium sin. allmählich unter die
Abscisse gefallen (3. Abschnitt der Curve). Die Elevationen der Curven des Ventr. dext.
sind zur anfänglichen Höhe zurückgekehrt, diejenigen der anderen sind kleiner ge¬
worden. Die Curven des Atrium sin. werden mittels einer Marey* sehen Trommel
vermerkt.)
43. Versuoh. Oedem. Naoh der 1. Injection von AgNO s ist der Druck unver¬
ändert geblieben (eine geringe Druckerniedrigung in Ventr. dext. und Vergrösserung
seiner systolischen Elevationen). Nach der 2. (2. Abschnitt der Curve) sind die
systolischen Elevationen des Ventr. sin. kleiner, die diastolischen Abstiege ebenfalls, der
mittlere Druck in ihm hat abgenommen. Der Druck in A. femor. ist etwas gestiegen
und die Elevationen ihrer Curve gefallen; im Ventr. dext. ist der Druck um das
Doppelte gestiegen und seine Elevationen sind so stark vergrössert, dass sie grösser
als diejenigen des Ventr. sin. geworden sind. In dieser Periode wurde tnässiges
feuchtes Rasseln auscultirt. Der letzte Abschnitt der Curve stellt das Endstadium des
Versuchs vor, als massenhaftes suberepitirendes Rasseln vernommen wurde. Der
Druck im Ventr. sin. und A. femor. ist stark gefallen; die systolischen Elevationen im
Ventr. sin. sind kleiner als im Ventr. dext. Der Druck in letzterem ist zum anfäng¬
lichen zurückgekehrt, oder sogar etwas kleiner geworden.
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A. M. Kotowschtschikow,
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63. Versuch. Oedem. Nach 3 Sch wefelätherinjectionen (2. Abschnitt der Curve)
ist der Druck in A. femor. um das Doppelte gefallen, die systolischen Elevationen
derselben sind viel keiner geworden, desgleichen die respiratorischen Schwankungen.
Die systolischen Aufstiege und die diastolischen Abstiege der Curve des Ventr. sin. sind
auch viel kleiner. Der Druck im Ventr. dext. ist im Vergleich zum anfänglichen stark
gestiegen.
66. Versuch. Oedem. Nach der 1. Aetherinjection ist der Druck in A. femor.
etwas gesunken, im Ventr. dext. nach 35 Sec. etwas gestiegen, zugleich sind dessen
systolische Elevationen etwas kleiner geworden, der Puls des Ventr. dext. ist regel¬
mässig und ohne respiratorische Schwankungen. Auch die respiratorischen Schwank¬
ungen in der A. femor. sind kleiner geworden. Im Atrium sin. ist der Druck, der im
Moment der Injection gestiegen war, nach der Beendigung gesunken, seine Elevationen
sind bedeutend kleiner geworden. 9 1 j 2 Min. nach der 2. Injection (2. Abschnitt der
Curve) ist der Druck in A. femor. niedriger als der anfängliche. Vor und nach der
3. Injection (3. Abschnitt der Curve) ist der Druck auf allen Curven erniedrigt, die
Curve des Atrium sin. zieht am Rande der Curve des Ventr. dext. hin.
74. Versuch. Oedem. Nach der Injection von 1 ccm Methyl, salicyl. sank
der Druck ein wenig und auf sehr kurze Zeit in der A. femor., stiog dann höher als
der anfängliche und hielt sich bis zur nächsten Injection durchschnittlich auf einer
grösseren Höhe als anfänglich. Im Ventr. dext. stieg der Druck stark zugleich mit
der Steigerung in der A. femor., hielt sich l^Min. und kehrte dann zur anfänglichen
Höhe (im Durchschnitt) zurück. Zugleich mit der Druckerhöhung in der A. femor.
und dem Ventr. dext. entfernte sich die Athemcurve (vom Brustkorb) weit von ihrer
Abscisse und nahm eine sehr regellose Gestalt an (starke Reizung des Athemcentrums).
Eine Zeitlang bemerkt man nach der Einspritzung auf den Curven der A. femor. und
des Ventr. dext. starke Arhythmie (die aber eher verschwindet, als die Athemcurve
sich ausgleicht).
75. Versuch. Oedem. Nach der 1. Injection fiel auf eine Zeitlang der Druck
in der A. femor., stieg dann höher als der anfängliche, wobei der Puls schneller und
gleichmässiger wurde; im Ventr. dext. erreichte der Druck zu dieser Zeit auch eine
l l / 2 mal grössere Höhe, und seine Curve erhielt dasselbe Aussehen wie die A. femor.;
der Druck im Atrium sin. fiel, seine Elevationen wurden kleiner. 3 Min. nach der
2. Injection (der 2. Abschnitt der Curve) zeigt die Curve der A. femor., die denselben
Charakter wie nach der 1. behalten hat, ein bedeutendes Fallen des Drucks im arteri¬
ellen Kreislauf an; ihre Elevationen sind etwas kleiner geworden; der Druck im Ventr.
dext. ist fast 2 mal höher als der anfängliche; im Atrium sin. ist er noch etwas ge¬
sunken. Vor der 3. Injection (5 Min. nach der 2.) erholt sich der Druck in A. femor.
bedeutend, ohne jedoch den anfänglichen zu erreichen; im Ventr. dext. höher, im
Atrium sin. niedriger als der anfängliche, aber der Charakter aller 3 Curven ist der
anfängliche (wie vor den lnjectionen). Nach der 3. Injection fängt der Druck, den
früheren Charakter behaltend, überall an stark zu fallen, am stärksten in der A.femor.
(weniger stark im Atrium sin.).
Literatur.
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2a) Grossmann, Das Muscarin-Lungenödem. Zeitschr. f. klin. Med. 1887. Bd. XII.
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460 A. M. Kotowschtschikow, Veränderung der Herzthätigkeit etc.
51) Kornfeld, Ueber kritisches Lungenödem bei croupöser Pneumonie. Centralbl.
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52) Möller, Ueber paroxysmales angioneurotisches Lungenödem. Corresp.-Bl. f.
Schweizer Aerzte. Jahrg. XXL No. 14. (Cit. nach Kornfeld.)
53) Stioker, Lungenblutungen und Lungenödem usw. Specielle Pathol. u. Therapie
von Nothnagel. 1900. Bd. XIV.
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u. Pharmakol. 1878. Bd. IX. H. 13.
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speciell. Pathol., Morphol. u. Physiol. d. Menschen u. d. Thiere von Lubarsch
u. Ostertag. 1896.
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XXIV.
Aus der propädeutischen Klinik der deutschen Universität in Prag
(Prof. Dr. H. E. Hering).
Ueber rhythmische Kammerbradysystolie
bei Vorhofflimmern.
Von
Priv.-Doc. Dr. J. Rihl.
(Hierzu Tafeln XI—XIII und 3 Corven ira Text.)
Einleitung.
Auf dem im April 1910 tagenden 27. Congress für innere Medicin
hat H. E. Hering 1 ) in einer im Anschluss an den Vortrag von A. Hoff¬
man n: „Ueber anatrische Herzthätigkeit“ gemachten Discussionsbemerkung
über klinische Beobachtungen berichtet, aus denen hervorgeht, dass es
Fälle giebt, in denen sich die Vorhöfe im gleichen Zustande wie beim
Irregularis perpetuus befinden, während die Kammern automatisch schlagen,
und hat diesbezügliche Curven demonstrirt.
In demselben Monat erschien im Quarterly Journal of Medicine eine
Mittheilung von Thomas Lewis und Garwin Mack: „Coraplete heart
block and auricular fibrillation“ 2 ), in der die beiden Autoren über einen
Fall berichten, in welchem sie gleichfalls die Corabination v.on Vorhof¬
flimmern und Kammerautomatie nachwiesen.
Seitdem durch diese beiden Publicationen, die unabhängig voneinander
nahezu gleichzeitig erfolgten, das Vorkommen der erwähnten Combination
von Vorhofflimmern und Kammerautomatie im Bereich der klinischen
Beobachtung festgestellt worden war, haben dies Gerhardt, Falconer
und Dean, Kahn und Münzer, A. Cohn und Th. Lewis, Taussig
in weiteren Fällen beschrieben 3 ).
1) H. E. Hering, Discussionsbemerkung vom 21. April 1910 zu A. Hoffmann:
„Ueber anatrische Herzthätigkeit u . Verhandl. d. Congr. f. inn. Med. 1910. S. 626.
Hering maohte in dieser Discussionsbemerkung — Bezug nehmend auf einen von
Herxheimer und Kohl im Arch. f. klin. Med., Bd. 98, veröffentlichten Fall mit
Dissociation — auch darauf aufmerksam, dass Kammerautomatie bei Vorhofflimmern bei
Betrachtung des Venenpulses und Röntgenbildes den Anschein des Vorhandenseins
einer atrioventriculären Bradycardie erwecken könne.
2) Thomas Lewis und Garwin Mack, Complete heart block and auricular
fibrillation. Quarterly Joum. of Med. April 1910. Vol. 3. No. 11. p. 273.
3) Gerhardt, Ueber die Beziehung zwischen Arrhythmia perpetua und Dis¬
sociation. Centralbl. f. Herzkrankh. 1910. No. 10. S. 339. — Kahn und Münzer,
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462
J. Rihl,
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In diesem Wintersemester gelangte auf der propädeutischen Klinik
neuerdings ein Fall zur Aufnahme, bei dem während des Bestehens
eines Vorhofflimmerns eine regelmässige Kamraerbradysystolie zu beob¬
achten war.
Das eingehende Studium dieses Falles ergab gewisse Besonderheiten,
die seine Veröffentlichung als wünschenswerth erscheinen lassen. Bei dieser
Gelegenheit soll auch eine ausführliche Mittheilung desjenigen Falles er¬
folgen, welcher, bereits im Jahre 1905 auf der propädeutischen Klinik
beobachtet, Prof. Hering zu seiner eingangs erwähnten Discussions-
bemerkung auf dem 27. Congress für innere Medicin am 21. April 1910
veranlasste.
Fall L
Auszug aus der Krankengeschichte.
Aus der Anamnese: C. G., 69jähriger Bahnbediensteter; leidet seit Juli 1904
an Athemnoth und Schwellungen der unteren Extremitäten, stoht seit October 1904 in
Krankenhausbehandlung. Er ist angeblich vorher nie krank gewesen.
Aus dem Untersuchungsbefund am Tage der Aufnahme zur Klinik
(10. Mai 1905). Herzbefund: Percussion: Herzdämpfung verbreitert, nach oben bis
zur 2. Rippe, nach links über die Mamillarlinie hinausreichend, nach rechts wegen Ver¬
breiterung der Leberdämpfung nicht gut abgrenzbar. Auscultation: Ueber der Herz¬
spitze ein erstes Geräusch, ein zweiter dumpferTon; über derPulmonalis ein schwaches
erstes Geräusch, ein deutlich gespaltener zweiter Ton; über der Aorta ein erstes Ge¬
räusch, ein zweiter unreiner Ton. Herzspitzenstoss nicht sicht- und tastbar.
Gefäs sbefund: Radialpuls gut gefüllt, stark gespannt (168 mm Hg Riva-
Rocci-Recklinghausen); zeitweise regelmässig etwa 40 Pulse in der Minute, zeitweise
unregelmässig, dabei frequenter. Temporalis undRadialis stark geschlängelt, sclerosirt.
Halsvenen deutlich pulsirend.
Lungenbefund: Ueber den Lungen allenthalben lauter Percussionsschall und
reiohliche bronchitische Geräusche.
Unterleibsbefund: Leber sehr vergrössert, hart, stumpfrandig. Milzdämpfung
vergrössert; die Milz selbst nicht tastbar, ln den abhängigen Partien des Unterleibes
freie Flüssigkeit. An den unteren Extremitäten Oedeme.
Harnbefund: lm Harn Eiweiss; im Sediment hyaline und granulirte Cylinder,
Leukocyten, zahlreiche Plattenepithelien.
Aus dem Verlaufe: Pat. verblieb etwa 3Wochen unter klinischer Beobachtung,
während der unter Theobrominmedication eine Abnahme der Oedeme eintrat.
Ueber einen Fall von Kammerautomatie bei Vorflimmern. Centraibl. f. Herzkrankh.
1912. No. 11. S. 361. — Falconer and Dean, Observations on a case of heart block
associated with intermittent attacks of auricular fibrillation. Heart. 1912. Vol. 3.
p. 247. — Dieselben, Observations on a case of auricular fibrillation with slow ven-
tricular action. Heart. 1912. Vol. 4. p. 87. — Cohn and Lewis, Auricular fibril¬
lation and complete heart block including the post mortem examination. Heart. 1912.
Vol. 4. p. 15. (Weiterer Bericht über den 1910 mit G. Mack publicirten Fall.) —
In jüngster Zeit hat auch Taussig in einer mir bisher im Original nicht zugänglichen
Mittheilung (Complete and permanent heart block, following the use of digitalis in auri¬
cular fibrillation. Arch. of intern, med. 1912. Vol. 10. p. 335.) einschlägige Fälle
beschrieben.
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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern.
463
Analyse der Arterien- und Venenpulscurven.
Wie schon in dem vorstehenden Auszuge der Krankengeschichte
angeführt wurde, war der Puls zeitweise ganz regelmässig, wobei die
Pulsfrequenz etwa 37 betrug. Fig. 1, welche am Tage der Aufnahme zur
Klinik von dem Patienten gewonnen wurde, zeigt eine gleichzeitige Auf¬
nahme des Cubitalarterien- und Jugularvenenpulses während einer Periode
ganz regelmässiger Pulsfolge.
Die Ausmessung der Curve des Cubitalpulses ergiebt, dass die
Dauer der untereinander genau gleich langen Pulsperioden etwa 8 Fünftel-
secunden beträgt.
An der Venenpulscurve entspricht jedem Cubitalpuls eine mächtige
Welle, die etwa 0,12 Sec. dem Beginn des Cubitalpulses vorangeht. Sie
setzt sich deutlich aus zwei Erhebungen zusammen, deren erste bedeutend
grösser ist. Der Beginn der zweiten Erhebung geht ein geringes Zeit-
theilchen der dicroten Welle des Cubitalpulses voran. Nach den eben
festgestellten zeitlichen Beziehungen der beiden Erhebungen zum Cubital¬
puls stellen sie sich uns als v k - und v,.f<i-Welle dar, welche den Aus¬
druck der Kammerthätigkeit im Venenpuls bilden.
Es erhebt sich nun die Frage, was sich auf Grund des Venenpulses
über das Verhalten der Vorhofthätigkeit aussagen lässt. Die Conßguration
des Venenpulses giebt nicht den geringsten Anhaltspunkt zu der An¬
nahme, dass sich an derselben eine Vorhofwelle betheiligt. Auffällig ist,
dass die Venenpulscurve da, wo sie während der Kammerpause an¬
nähernd horizontal verläuft, eine Anzahl kleiner Wellen zeigt. Berechnet
man die Frequenz dieser Wellen, so gelangt man zu einer Zahl von jener
Grössenanordnung (ca. 400), wie sie beim Irregularis perpetuus für die
Frequenz der auf das Vorhofflimmern zu beziehenden Wellen festgestellt
worden ist 1 ).
Die Analyse des Venenpulses veranlasst demnach, an ein Flimmern
der Vorhöfe zu denken.
Fig. 2 zeigt eine gleichzeitige Aufnahme des Venen* und Arterien¬
pulses, während der Puls unregelmässig war.
Man erkennt, dass die Pulsunregelmässigkeit durch das Auftreten
von vorzeitigen Kammercontractionen bedingt ist. Die diesen vorzeitigen
Kammercontractioncn angehörigen Kammerperioden sind, wie der Venen¬
puls anzeigt, nur wenig kürzer wie die normalen Kammerperioden, die
den vorzeitigen Kammerperioden entsprechenden Pulsperioden deutlich
kürzer als die übrigen. Die beiden letzten normalen Kammerperioden in
Fig. 2 sind ein wenig länger als die erste normale Kammerperiode.
Manchmal folgte jeder Kamraerperiode, die die Länge der Kammer¬
perioden bei regelmässiger Schlagfolge hat, ein vorzeitiger Schlag, sodass
es zu einer mehr oder minder lang anhaltenden continuirlichen Bigeminie
kam (Fig. 3).
1) J. Rihl, Hochgradige Vorhoftacbysystolien mit Ueberleitungsstörungen und
electiver Vaguswirkung. Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 1911. ßd. 9. S. 19.
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464
J. Rihl,
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Die Länge der Kammerperiode bei regelmässiger Schlagfolge variirte
an den zu verschiedenen Zeiten aufgenommenen Curven etwas. An ein¬
zelnen Curven betrug die Dauer einer Kammerperiode nur wenig mehr
als 7 Fünftelsecunden, in anderen fast 9 Fünftelseounden. Bemerkens¬
werth ist, dass die Länge der einer vorzeitigen Kammercontraction ent¬
sprechenden Periode meist in demselben Sinne variirte, sodass eine einer
vorzeitigen Kammercontraction entsprechende Periode meist ungefähr so
lang war, als es der Periodenlänge der vorangehenden in regelmässigen
Intervallen erfolgenden Kammerschläge entsprach.
Aus dem Fehlen einer compensatorischen Pause nach den vorzeitigen
Kammerschlägen erklärt sich auch, dass zur Zeit der Unregelmässigkeiten
immer höhere Kammerfrequenzen festgestellt wurden als zur Zeit der
regelmässigen Schlagfolge.
Die Kammer zeigt demnach eine regelmässige Bradysystolie in der
Höhe von 37—38 Schlägen in der Minute, unterbrochen von Extra¬
systolen mit nicht verlängerter Extraperiode, die gelegentlich in Form
einer continuirlichen Bigeminie auftreten.
Dieses Verhalten der Kammer hat schon im Jahre 1906 H. E. Hering
veranlasst, in seiner Mittheilung „Ueber die häufige Combination von
Kammervenenpuls mit P. i. p. u über den vorliegenden Fall folgende Be¬
merkung zu machen:
„In dem zweiten Falle, in welchem eine Bradycardie von 37—38 Herz¬
schlägen bestand und die Extraperiode ebensolang oder sogar kürzer
war als die Normalperiode, könnte es sich in Anbetracht der niedrigen
Schlagzahl vielleicht um Kammerautomatie und ventriculäre Bigeminie
gehandelt haben, es könnte aber auch auriculäre Bigeminie gewesen sein tt .
In der Zwischenzeit haben experimentelle und klinische Unter¬
suchungen ergeben, dass der J. p. durch ein Flimmern der Vorhöfe be¬
dingt ist 1 ).
Dafür, dass auch in dem vorliegenden Falle der Kammervenenpuls
durch ein Flimmern der Vorhöfe bedingt ist, lässt sich anführen, dass,
wie schon erwähnt, an seiner Venenpulscurve während der Kammerpause
kleine Wellen zu sehen sind, die bezüglich Frequenz und Form voll¬
ständig jenen gleichen, die man beim J. p. auf das Flimmern der Vor¬
höfe bezieht; es scheidet daher die Annahme einer auriculären Bigeminie
aus dem Bereich der Discussion.
Nach experimentellen Erfahrungen geht das Flimmern der Vorhöfe
meist mit einer vollständigen Unregelmässigkeit der Kammerschlagfolge
einher, was dem Verhalten der Kammer beim J. p. entspricht
Wenn nun in dem vorliegenden Falle das Vorhofflimmern nicht von
jener Kammerirregularität gefolgt ist, so muss eine Erklärung dieser
Erscheinung das Vorhandensein der automatischen Kammerschlagfolge
zu ihrem Ausgangspunkt nehmen.
1) Es fällt nicht in den Rahmen dieser Mittheilung, eine Darstellung der Ent¬
wicklung dieser Frage zu geben und ich verweise daher auf die Mittheilungen von
II. E. Hering, Ueber den Pulsus irregularis perpetuus. Deutsches Arch. f. klin. Med.
1908. 94. Bd. S. 185 und J. Rihl, Ueber das Flimmern der Vorhöfe beim Irregularis
perpetuus. Frager med. Woehenschr. 1911. 36 Jahrg. No. 9.
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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern.
465
Erwägen wir die verschiedenen Bedingungen, unter denen es nach
Hering 1 ) zu heterotoper Automatic kommen kann, so kann für den
vorliegenden Fall nur eine dauernde Aufhebung der Reizleitung vom
Vorhof zur Kammer in Betracht kommen.
Es zeigt demnach der vorliegende Fall eine Combination von Vorhof¬
flimmern mit vollständiger Aufhebung der Ueberleitung vom Vorhof zur
Kammer.
Fall II.
Auszug aus der Krankengeschichte.
Aus der Anamnese: A. K., 38jähriger Feldarbeiter, leidet seit 10 Wochen
an Atheranoth, Magenbeschwerden, Auftreibung des Abdomens. Er steht — von einer
kurzen Unterbrechung abgesehen — seit 6 Wochen in Krankenhausbehandlung. Als
12jähriger Knabe hatte er einen Scharlach; mit 22 Jahren machte er einen schweren
Gelenkrheumatismus durch, nach welchem bei ihm ein Herzfehler zurückgeblieben
sein soll. Im December 1911 erkrankte er abermals an einer mit Fieber einhergehenden
Schwellung der Gelenke.
Aus dem Untersuchungsbefund am Aufnahmetag zur Klinik (29.0ct.
1912). Herzbefund: Herzspitzenstoss im 5. Intercostalraum in der Mamillarlinie,
bei linker Seitenlage im 6. Intercostalraum in der hinteren Axillarlinie.
Herzdämpfung nach oben bis zur zweiten Rippe, nach rechts bis über die Ma¬
millarlinie hinaus verbreitert.
Auscultation: Allenthalben ein erstes Geräusch und ein zweiter Ton; das
Geräusch besonders deutlich über dem Sternum in der Höhe des Ansatzes der dritten
Rippe; der zweite Ton über der Pulmonalis klappend, über der Aorta dumpf. (Im
Verlaufe der weiteren Beobachtung wurde — jedoch nicht immer — über der Herz¬
spitze und dem Sternum ein diastolisches Geräusch gehört.)
Herzschlagzahl 90, unregelmässig.
Gefässbefund: Radialpuls gefüllt, nicht sehr gespannt (103 mm Hg, Riva-
Rocci-Recklinghausen); 90 Schläge in der Minute, unregelmässig.
Leber vergrössert, 4 Finger unter den Rippenbogen reichend.
Sonst kein abnormer Befund.
Aus dem Verlauf: Pat., der schon unmittelbar vorher unter Digitaliseinfluss
stand, erhält am 30. und 31. 10. noch je 3 ccm Digalen; vom 1. bis 5. 11. täglich
3mal 0,2 g Coff. natr. salicyl.; am 6. und 7. je 5 g Diuretin. Am 11. 11. wird zum
Zwecke der Functionsprüfung der Vagi eine grössere Dosis Atropin verabreicht. Vom
20. bis 29. 11. erhält Pat. Digitalisat. Golaz und zwar vom 20. bis 26. 11. je 2 ccm,
die späteren Tage je 1 ccm.
Die Herschlagfrequenz, die bei den täglichen Morgen- und Nachmittagvisiten
festgestellt wurde, schwankte in der ersten Hälfte der Beobachtungszeit meist zwischen
40—50 in der Minute, wobei die Herzaction oft längere Zeit hindurch ganz regel¬
mässig war. Gelegentlich wurden auch niedere Frequenzen (38) und höhere (60), am
Aufnahmetage 90, beobachtet. Bei den höheren Frequenzen war die Herzaction stets
unregelmässig.
An den beiden dem Atropinversuch folgenden Tagen wurden unregelmässige
Kammerfrequenzen bis gegen 80 beobachtet.
Während der zweiten Hälfte des klinischen Aufenthaltes wurden die ganz
niederen Kammerfrequenzen seltener beobachtet.
1) H. E. Hering, Die Herzstörungen in ihren Beziehungen zu den specifischen
Muskelsystemen des Herzens. Verhandlungen der Pathol. Gesellsch. 1910.
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Analyse der Arterien- und Venenpulscurven.
Fig. 4, welche am 4. 11. aufgenommen wurde, zeigt eine ganz
regelmässige Cu bi talpulsreihe mit einer Frequenz von etwa 46 Pulsen
in der Minute.
Diese regelmässige Pulsfolge mit der genannten Frequenz war an
allen an diesem Tage aufgenommenen Curven zu sehen.
In Fig. 5, ebenfalls am 4. 11. aufgenommen, ist gleichzeitig mit
dem Cubitalpuls der Jugularvenenpuls registrirt. Ich brauche im Hin¬
blick darauf, dass in Fig. 5 die Venenpulscurve ganz ähnliche Er¬
scheinungen zeigt wie in Fig. 1, in keine detaillirte Analyse dieser Curve
hier einzugehen und kann mich mit der Feststellung begnügen, dass aus
dem Fehlen der Vorhofwelle und dem Vorhandensein zahlreicher kleiner
Erhebungen während der Kammerpause, die den im Venenpulse bei J. p.
beobachteten, auf das Vorhofflimmern bezogenen kleinen Erhebungen ent¬
sprechen, auf ein Flimmern der Vorhöfe geschlossen werden darf.
Fig. 6 wurde am 9. 11. aufgenommen. An diesem Tage bestand
zwar auch grösstentheils eine ganz regelmässige langsame Pulsfolge;
doch wurde dieselbe gelegentlich durch Unregelmässigkeiten unter¬
brochen, wie dies in Fig. 11 zu sehen ist.
Man sieht, dass die Pulsunregelmässigkeit in dem Auftreten vor¬
zeitiger Pulse besteht. Im Allgemeinen ist die Vorzeitigkeit dieser Pulse
nicht sehr erheblich, es handelt sich vielmehr meistens um sehr gering¬
gradige Vorzeitigkeiten.
Sehr häufig treten die vorzeitigen Pulse gruppenweise auf, besonders
oft sieht man, dass nach einer oder mehreren stärker verkürzten Puls¬
perioden, ehe es zu Pulsperioden von der bei der regelmässigen Schlag¬
folge bestehenden Dauer kommt, noch eine nur wenig verkürzte Puls¬
periode auftritt. Die Minutenfrequenz der regelmässigen Pulsfolge beträgt
etwa 45.
Wir hatten häufig die Beobachtung gemacht, dass bei bestehender
regelmässiger Pulsfolge durch Muskelaction Unregelmässigkeiten ausgelöst
werden konnten.
Fig. 7 zeigt — aufgenommen an der rechten Cubitalarterie — das
vorübergehende Auftreten von Pulsunregelmässigkeiten, nachdem der
Patient mit der linken Hand einen kurzdauernden Druck auf ein Dynamo¬
meter ausgeübt hatte.
Leider ist die Curve im Moment des Beginnes der Pulsunregel¬
mässigkeiten entstellt, da der Patient mit den Muskeln der linken Hand
auch Muskeln des rechten Armes, dessen Brachialpuls registrirt wurde,
mit innervirte.
Bei Druck auf das Dynamometer beschleunigt sich die Frequenz
des Pulses, die vorher etwa 45 betrug. Das Maxiraum der Beschleuni¬
gung, das einer Minutenfrequenz von etwa 86 entspricht, tritt erst etwa
15 Secunden nach Beginn des Druckes auf.
Der Puls wird dabei unregelmässig. Im weiteren Verlaufe wird die
Zahl der vorzeitigen Pulse immer geringer, bis es schliesslich wieder zu
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Original fro-m
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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern.
467
einer ganz regelmässigen Pulsfolge von nahezu derselben Frequenz wie
vor dem Druck kommt.
Ferner wurde die Beobachtung gemacht, dass häufig Pulsunregel¬
mässigkeiten auftraten, wenn man den Patienten nach einem Athem-
stillstand forcirt athmen liess.
Ein Beispiel dafür ist in Fig. 8 zu sehen. Solange der Patient
ruhig athmet, sowie auch während des Athemstillstandes ist der Puls
ganz regelmässig. Nach dem zweiten forcirten Athemzuge tritt die erste
Unregelmässigkeit auf. Die Pulsunregelmässigkeiten zeigen keine Be¬
ziehungen zur Athemphase. Die Periodenlänge der einzelnen Pulse variirt
ziemlich regellos, so dass ein Verhalten vorliegt, das einem P. i. p. ent¬
spricht. Die Durchschnittsfrequenz während der Zeit der unregelmässigen
Pulsfolge ist wesentlich höher (ca. 60 pro Minute) als die während der
vorhergehenden regelmässigen Pulsfolge beobachtete.
Zur weiteren Analyse der Herzunregelmässigkeit des vorliegenden
Falles wurde die Functionsprüfung des Vagus mit Hülfe des Vagusdruck¬
versuches und des Atropinversuches vorgenommen.
Druck auf den rechten wie auf den linken Vagus hatte stets
nur eine ganz geringfügige Verlangsamung zur Folge; nicht selten traten
im Anschluss an einen Vagusdruckversuch, der zur Zeit regelmässiger
Pulsfolge vorgenommen wurde, Unregelmässigkeiten auf.
Der Atropinversuch wurde am 11. 11. vorgenommen. Patient
zeigte an diesem Tage grösstentheils eiue langsame, regelmässige Puls¬
folge, nur gelegentlich von einigen, oft gruppenweise auftretenden, meist
wenig vorzeitigen Pulsen unterbrochen.
Um 4 Uhr 35 Min. wurde eine grössere Gabe Atropin verabreicht.
Fig. 9 zeigt den Cubitalpuls unmittelbar vor der Atropininjection. Die
Pulscurve zeigt nur an zwei Stellen je einen vorzeitigen Puls, ist sonst
regelmässig, die Pulsfrequenz beträgt etwa 45 in der Minute.
Nach der Atropininjection wurden in kurzen Intervallen der Cubital¬
puls, gelegentlich auch der Venenpuls, graphisch aufgenommen. Um die
Zahl der zu reproducirenden Curven nach Möglichkeit einzuschränken,
sollen hier nur einige wenige besonders charakteristische Curven wieder¬
gegeben werden.
Schon um 4 Uhr 40 Min. war eine deutliche Beschleunigung der
Pulsfolge vorhanden, dabei war der Puls vollständig unregelmässig
wie bei P. i. p. Die Durchschnittsfrequenz beträgt etwa 75 in der Minute
(Fig. 10).
Fig. 11, um 4 Uhr 45 Min. aufgenommen, zeigt das Verhalten des
Venenpulses. Es sind nur die der Kammerthätigkeit entsprechenden
Wellen in der Venenpulscurve zu sehen.
Arterien- und Venenpuls entsprechen vollständig einem Irregularis
perpetuus.
Fig. 12, um 5 Uhr 25 Min. aufgenommen, zeigt das Verhalten des
Pulses auf dem Höhepunkt der Atropinwirkung. Die Minutenfrequenz
beträgt 120.
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
Analyst des Kletiritcardiograminc«.
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JNIVER5ITY OF MICHIGAN
470
J. Rihl,
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Fig. 15 zeigt das Electrocardiogramra bei Ableitung III. DerR-Zacke
geht eine kleine Zacke Q voran. R ist wie bei Ableitung 11 bedeutend
grösser als T. Auch bei dieser Ableitung sind die auf das Vorhofflimmern
zu beziehenden Erhebungen deutlich ausgeprägt.
Es bestätigt also die Analyse des Electrocardiogramms den schon
aus der Analyse der Venenpulscurven gezogenen Schluss, dass sich die
Vorhöfe im Zustande des Flimmerns befinden.
Bemerkungen zur Pathogenese der Herzunregelmässigkeit des Falles II.
Was das Verhalten des Vorhofes in dem vorliegenden Falle anbclangt,
so müssen wir auf Grund der Analyse der äusserst zahlreichen, zu den
verschiedensten Zeiten des klinischen Aufenthaltes aufgenommenen Venen¬
pulscurven annehmen, dass der Vorhof andauernd — sowohl während der
Perioden regelmässiger wie während der unregelmässigen Pulsfolge —
flimmerte.
Bei den Erörterungen über das Verhalten der Kammerthätigkeit
dürfte es am zweckraässigsten sein, von den Ergebnissen des Atropin¬
versuches auszugehen.
Unter dem Einfluss des Atropins stellte sich eine beschleunigte,
unregelmässige Pulsfolge ein, deren Charakter vollständig einem P. i. p.
entsprach.
Da das Atropin bekanntermaassen den Vaguseinfluss herabsetzt bzw.
beseitigt, so weist die eben angeführte Thatsache darauf hin, dass Vagus¬
erregung mit im Spiele ist, wenn in unserem Falle das Vorhofflimmern
nicht mit der für den P. i. p. charakteristischen Kammerunregelmässigkeit
einhergeht.
Wir wollen nun zu erörtern versuchen, inwiefern sich von diesem
Gesichtspunkte aus das in unserem Falle bestehende Verhalten der Kammern
beim Vorhofflimmern verstehen liesse.
Es liegt nahe anzunehmen, dass die regelmässige Schlagfolge der
* Kammern auf eine heterotope Reizbildung zu beziehen sei.
Wenn die Kammer regelmässig schlug, so bestand immer stets eine
Bradvsystolie. Die Frequenz derselben schwankte innerhalb verhältniss-
mässig enger Grenzen; nach den aufgenomraenen Curven betrug das
Maximum 48, das Minimum 44.
Durch das Vorhandensein einer Karamerbradysystolie unterscheiden
sich diese Fälle von jenen Fällen von regelmässiger Herzthätigkeit bei
Vorhofflimmern, die ich vor kurzem unter dem Titel „Ueber anfallsweise
auftretende regelmässige Kammertachysystolie in Fällen von Irregularis
perpetuus“ veröffentlicht habe.
Die niedere Frequenz der regelmässig schlagenden Kammern in
unserem Falle weist darauf hin, die Bedingungen für das Auftreten der
heterotopen Automatic wesentlich in dem Umstande zu suchen, dass eine
Störung der Reizleitung nach jener Stelle vorliegt, die nunmehr infolge
dieser Störung den Ausgangspunkt für die heterotope Automatic abgiebt,
nicht aber in einer gesteigerten Reizbildungsfähigkeit dieser Stelle.
Diese Ueberlegung würde zu der Annahme einer Dissociation der
Vorhof- und Kammerthätigkeit führen. Es ist nun aus dem Thier-
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Original fro-m
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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern.
471
experiment bekannt, dass unter besonderen Umständen die Herzvagi
bei entsprechender starker Erregung auch Dissociation hervorrufen 1 ).
Für die Beurtheilung des vorliegenden Falles ist es wichtig, dass
nach den im Institute ausgeführten Untersuchungen v. Tabora’s dem
Digitalis eine wichtige Rolle beim Zustandekommen einer Dissociation
in Folge Vaguswirkung zukommt; denn das Auftreten der regelmässigen
Pulsfolge bei unserem Patienten wurde am häufigsten — wenn auch nicht
ausschliesslich — beobachtet, als er unter Digitaliseinfluss stand.
Ferner wurde im Institut die experimentelle Erfahrung gemacht, dass
eine mechanische Schädigung der Bündelgegend, die für sich allein keine
Dissociation bewirkte, das Auftreten einer Dissociation in Folge Vagus¬
erregung begünstigte. Erst in jüngster Zeit wurde wiederum in Hunde¬
experimenten, in denen ein Bündelabkleramungsversuch zwar zu Ueber-
leitungsstörungen in Form von Kammersystolenausfall, aber nicht zu
völliger Dissociation geführt hatte, beobachtet, dass Reizung des linken
Vagus, welche vor diesem Eingriff bei geringer frequenzhemmender Wirkung
auf den Vorhof lediglich Kammersystolenausfall bedingte, nach dem Ein¬
griff Dissociation machte.
Bei unserem Patienten hat man einen gewissen Anhaltspunkt, eine
unmittelbare Schädigung des Bündels zu vermuthen.
Unser Fall zeigt ausserhalb der Perioden regelmässiger Pulsfolge,
einen P. i. p. mit sehr langsamer Frequenz. Es liegen nun pathologisch¬
anatomische Untersuchungen 2 ) vor, nach denen in letzteren Fällen histo¬
logisch nachweisbare Veränderungen des Bündels gefunden wurden und
man könnte daher auch in dem vorliegenden Falle solche vermuthen.
Die vorstehenden Erörterungen machen es also wahrscheinlich, dass
in dem vorliegenden Falle Umstände vorhanden sind, von denen auf
Grund experimenteller Erfahrungen bekannt ist, dass sie das Auftreten
einer Dissociation in Folge Vaguserregung begünstigen.
Versuchen wir nun die bei unserem Patienten während des Bestandes
der regelmässigen Kammerbradysystolie hie und da zu beobachtenden
Unregelmässigkeiten der Kammer vom Gesichtspunkte der Annahme einer
Autoraatie der Kammer zu betrachten, so wäre es möglich, dass die
vereinzelt oder gruppenweise auftretenden Schläge, wie sie z. B. in Fig. 6
abgebildet sind, Extrasystolen darstellen, die ihren Ursprung in der
Kammer nehmen.
Im Einklänge mit der Annahme steht die Thatsache, dass die einem
oder bei einer Gruppe von vorzeitigen Pulsen dem letzten folgende Puls¬
periode ungefähr die Länge einer Pulsperiode zur Zeit der regelmässigen
Pulsfolge hat.
1) H. E. Hering, Die Reizleitungsstörungen des Herzens und ihre Erkennung in
der Praxis. Zeitschr.f.ärztl.Fortbildg. 1910. 7,Jahrg. No. 24. S.8 d. Sep.-Abdrucks.
2) Gerhardt, Ueber die Beziehung zwischen Arhythmia perpetua und Disso¬
ciation. Centralbl. f. Herzkrankh. 1910. Nr. 10. S. 3361. — Freund, Klinische
und pathologisch-anatomische Untersuchungen über Arhythmia perpetua. Deutsches
Arch. f. klin. Med. 1912. Bd. 106. S. 31. — Falconer-Dean, Observations on a
case of auricular fibrillation with slow ventricular action. Heart. 1912. Vol. IV. p. 87.
31*
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47$ J. Rihl,
Kommt es jedoch, wie z. B. in Fig. 7, nach einer Kraftprobe am
Dynamometer oder in Fig. 8 ira Anschluss an forcirte tiefe Athmung zu
einer länger dauernden Unregelmässigkeit, so lässt sich, trotzdem während
einer solchen die meisten Pulsperioden kürzer sind als es der Länge
einer Pulsperiode zur Zeit der regelmässigen Pulsfolge entspricht, nicht
annehmen, dass es sich lediglich um vorzeitige in der Kammer ent¬
stehende Extrareize handelt, da eine solche Annahme die völlige Arhythmie
der Extrareize nicht erklären würde.
Man wird vielmehr dadurch, dass diese mehr oder minder lang
andauernden Unregelmässigkeiten vollständig den Charakter des P. i. p.
tragen, zu dem Schlüsse geführt, dass hier vorübergehend die Kammer
auf die vom flimmernden Vorhof kommenden Reize hin in Erregung geräth.
Wir haben oben ausgeführt, dass wir das Auftreten einer regel¬
mässigen Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern in unserem Falle wohl
als eine durch Vaguserregung bedingte Erscheinung auffassen können.
Es spricht sehr für diese Auffassung, dass wir bei Vorhandensein
einer langsamen regelmässigen Pulsfolge eine mehr oder minder lang
andauernde unregelmässige Pulsfolge unter solchen Umständen (kräftiger
Händedruck, willkürlich verlängerte Athmung) auslösen konnten, unter
denen eine Verbesserung der Ueberleitungsbedingungen durch Herab¬
setzung des Vagus- und Steigerung des Acceleranstonus angenommen
werden muss.
Inwieweit ira Falle der willkürlich vertieften Athmung ausser der
durch die Muskelthätigkeit an und für sich ausgelösten Tonusänderung
der extracardialen Herznerven noch eine durch die inspiratorische Er¬
weiterung der Lunge bedingte besondere Herabsetzung des Vagustonus
mit in Betracht kommt, muss dahin gestellt bleiben. Die Thatsache,
dass die Pulsunregelmässigkeit nicht mit der ersten tiefen Inspiration
einsetzt, spricht nicht für eine sehr grosse Bedeutung dieses letzt er¬
wähnten Momentes.
Der Umstand, dass wir zur Erklärung der eben besprochenen länger
andauernden Pulsunregelmässigkeiten, durch welche gelegentlich die regel¬
mässige Pulsfolge unterbrochen wird, ein zeitweiliges Uebergehen der
Erregung vom Vorhof auf die Kammer angenommen haben, ist Veran¬
lassung, die Frage zu discutiren, ob nicht auch die vereinzelt bezw. in
kleinen Gruppen auftretenden vorzeitigen Kammerschläge vom Vorhof
her ausgelöst sein könnten.
Auf Grund unserer experimentellen Erfahrungen müssen wir ein der¬
artiges Verhalten als sehr wohl möglich bezeichnen. Erst vor kurzem
hat Kure 1 ) aus dem Institut eine Curve veröffentlicht, an der eine durch
rechtsseitige Vagusreizung bedingte Dissociation der Vorhof- und Kammer-
thätigkeit zu sehen ist, wobei vereinzelte Vorhofserregungen auf die
Kammer übergehen.
Es wäre schliesslich noch die Frage zu erörtern, ob das Auftreten
einer regelmässigen Kammerschlagfolge bei Vorhofsflimmern unter dem
1) Ken Kure, Ueber die Pathogenese der heterotopen Reizbildung unter dem
Einfluss der extracardialen Berznerven. Diese Zeitschr. 1913. Bd. 12. Fig. 32.
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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern.
473
Einfluss einer Vaguserregung nicht auch in anderer Weise zu Stande
kommen kann, als dadurch, dass es in Folge Dissociation zu automati¬
scher Kammerthätigkeit kommt.
Da der Einfluss der extracardialen Herznerven auf die Kammerschlag¬
folge bei Vorhofsflimmern bisher noch nicht in entsprechender Weise ex¬
perimentell studirt ist, lassen sich über diesen Punkt nur Vermuthungen
aussprechen.
Mit Rücksicht auf die bekannte Thatsache, dass wir bei P. i. p.
gelegentlich eine mehr oder minder lange Folge ganz regelmässiger
Pulse beobachten, kann man wohl die Vorstellung nicht ausschliessen,
dass es unter bestimmten Bedingungen beim Vorhofsflimmern dazu kommt,
dass Vorhoferregungen in ganz regelmässigen Intervallen Kammersystolen
auslösen.
Insbesondere das Auftreten dieser Erscheinung unter Vagusein¬
fluss schiene nicht unverständlich. Wir wissen, dass vom Vorhofs-
theil des Tawara’schen Knotens zahlreich Verbindungsfasern in die
Vorhofsmusculatur ausstrahlen, durch die diesem von der flimmernden
Vorhofsmusculatur Erregungen zukommen können. Die zeitliche Inter¬
ferenz dieser Erregungen würde die Unregelmässigkeit der Kammerschlag¬
folge erklären. Nimmt man nun an, dass in Folge einer durch den
Vagus bedingten Ueberleitungsstörung innerhalb der die Vorhofsmusculatur
mit dem Vorhofsthcil des Tawara’schen Knotens verbindenden Fasern
diesem nicht mehr von mehreren Seiten zeitlich verschiedene Vorhofs¬
erregungen zukommen, sondern nur immer eine Vorhofserregung auf
einer Bahn zufliesst, so würde das Auftreten einer regelmässigen Kammer¬
schlagfolge verständlich.
Leider konnten keine Electrocardiogramme zur Zeit der unregel¬
mässigen Schlagfolge aufgenommen werden; der Vergleich dieser mit dem
Electrocardiogramm aus der Zeit der regelmässigen Kammerschlagfolge
hätte vielleicht gewisse Aufschlüsse über den Ausgangspunkt der Karamer-
schläge geben können.
Einschlägige Literatur.
Wie schon in der Einleitung erwähnt wurde, ist seit der Feststellung
des Vorkommens von Vorhofsflimmern und Kammerautomatie beim
Menschen durch Hering und Lewis-Mack diese Combination in einer
ganzen Reihe von Fällen beschrieben worden.
Lewis-Mack und Kahn-Münzer, die über je einen Fall berichten,
haben in ihren Fällen sowohl gleichzeitige Arterien- (bezw. Herzstoss-)
und Venenpulsverzeichnungen als auch electrocardiographische Aufnahmen
vorgenommen und veröffentlicht. Gerhardt belegt das Vorkommen
einer rhythmischen langsamen Kammerschlagfolge bei Fehlen derVorhofscon-
tractionen in seiner mehrere einschlägige Fälle anführenden Mittheilung:
„lieber Beziehungen zwischen Arhythmia perpetua und Dissociation“
— obgleich er auch von Electrocardiogrammcn spricht — durch eine
gleichzeitige Herzstoss- und Venenpulsaufnahme und verweist auf eine
Arbeit von Magnus-Alsleben, in der gleichfalls eine solche Aufnahme
zu finden ist; ebenso veröffentlichen Falconer-Dean in ihren beiden
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474 J. Rihl,
Fällen nur gleichzeitige Arterien- (bezw. Herzstoss-) und Venenpulsauf¬
nahmen.
Was die Frequenz der rhythmischen Kammerbradysystolie bei Vor-
hofsflimmern betrifft, so betrug dieselbe in dem Fall von Lewis-Mack
gewöhnlich 30. Gerhardt spricht in dem einen seiner Fälle von einer
Kammerfrequenz von ca. 40, in zwei anderen von ca. 50 in der Minute;
die von einem vierten Falle raitgetheilte Curve weist eine Kammerfrequenz
von 37,5 auf. Falconer-Dean beobachteten in ihrem ersten ein¬
schlägigen Falle, der während des Bestandes eines Herzblockes Anfälle
von Vorhofflimmern zeigte, zur Zeit des einen Anfalles eine regelmässige
Kammerfrequenz von 42—48, zur Zeit eines zweiten Anfalles eine solche
von 26. In ihrem zweiten einschlägigen Falle bestand während der
Periode ganz regelmässiger Schlagfolge eine Kammerfrequenz von 38.
Kahn-Münzer’s Fall wies bei der Untersuchung am 8. Mai 1911 eine
regelmässige Kammerfrequenz von 40—45, bei der am 9. Mai 1912 eine
solche von 36 auf.
Mit der Frage nach dem Ausgangspunkt der Kammercon-
tractionen zur Zeit der regelmässigen Kammerschlagfolge bei Vorhofs-
flimmern haben sich nur Lewis-Mack beschäftigt; sie schliessen aus
der Form des Electrocardiogramms, dass „the ventricle comraences its
contraction at the point, at which it is connected to the auricle a .
In dem Fall von Lewis-Mack, in einem Fall von Gerhardt und
in dem ersten Fall von Falconer-Dean wurde beobachtet, dass die
regelmässige Kammerbradysystolie durch Extrasystolen unterbrochen
wurde. In allen drei Fällen war im Allgemeinen die Länge der Kammer¬
extraperiode gleich der Länge einer Normalperiode. Lewis stellt fest,
dass die Galvanoraetercurven der Extracontractionen „identical in every
respect with the rhythmic beats“ sind und schliesst daraus, dass sie von
einer Stelle ausgehen „near that frora which the ventricular rhythm of
complete heart springs u . Gerhardt erwähnt nur, dass sich in einem
Fall die Extrasystolen „im Electocardiogramm als ventriculäre documen-
tirten a , ohne auf eine nähere Begründung einzugehen.
Was das Verhalten der Herzthätigkeit vor dem Auftreten der hier
besprochenen Combination von Vorhofsflimmern und rhythmischer Kammer¬
bradysystolie betrifft, so findet sich in dem Fall von Lewis-Mack und
Kahn-Münzer kein Anhaltspunkt für eine Beurtheilung desselben.
Gerhardt zeigt in seinen Fällen, dass der „P. i. p. wieder regel¬
mässig werden kann, auch ohne dass der Vorhof die Führung wieder
übernimmt“; zwei von diesen Fällen (darunter, soweit man wohl aus der
Mittheilung Gerhardt’s entnehmen kann, der bereits von Magnus-
Aisleben angeführte Fall) zeichneten sich dadurch aus, dass der Puls
auch schon zur Zeit der Arrhythmie auffallend langsam war. Magnus-
Aisleben schreibt: „Die anfangs bestehende Arhythmia perpetua ging
(unter Bettruhe und Digitalis) nach und nach durch ein Stadium der
Pseudoregelmässigkeit hindurch in vollständig regelmässige Schlagfolge
über, die Vorhofspulse blieben dauernd weg“. Gerhardt spricht in
diesen Fällen von einem allmählichen Uebergang von Arhythmia per¬
petua in regelmässigen Puls ohne Vorhofsthätigkeit.
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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern.
475
In dera einen Fall von Gerhardt, bei dem ein P. i. p. von einer
Frequenz von etwa 100 bestand, trat die regelmässige Kammerbrady¬
systolie ganz plötzlich auf. Auf welche Weise dies durch die bei der
Obduction festgestellten pathologisch anatomischen Veränderungen bedingt
wird, muss dahingestellt bleiben; gegen die von Gerhardt geäusserte
Vorstellung, dass das plötzlich entstandene Pericardialexsudat die schon
vorher dilatirten und geschwächten Vorhöfe ganz comprimirt und da¬
durch ausser Function gesetzt hat, Hesse sich wohl Manches einwenden.
Auch in dem zuletzt beschriebenen Falle von Falconer-Dean geht
dera Stadium völlig rhythmischer Kammerbradysystolie bei Vorhofsflimmem
eine unregelmässige Kammerbradysystolie mit Vorhofsflimmem voran.
In dem einen Fall von Gerhardt (bereits 1910 in der Mittheilung
„UeberRückbildung desAdams-Stokes’schen Complexes“ berücksichtigt)
sowie in dem einen Fall von Falconer-Dean (I) waren schon vor
dem Auftreten des Vorhofsflimmerns Ueberleitungsstörungen nachgewiesen
worden.
In diesem Fall von Gerhardt „wechselte oft normale Schlagfolge
(mit verlängertem A-V Intervall), partieller und totaler Herzblock u , ehe
„zu der seit lange bestehenden Ueberleitungserschwerung ein Versagen
der regelmässigen Vorhofscontractionen hinzugekoramen ist. Und es ist
interessant, dass das Vorhofsflimmem, das bei vorher normal schlagendem
Herzen zu Arhythraia perpetua führt, in diesem Falle von bald totalem,
bald partiellem Block zunächst einen regelmässigen Herzschlag zur
Folge hatte.“
In dem zuerst mitgetheilten Fall von Falconer-Dean handelt es
sich um einen „completen“ Block, der aber sieben Wochen vor dem
Tode für einige Tage „incoraplet“ wurde. Währen d der Patient unter
Beobachtung stand, wurden drei Attacken von Vorhofsflimmem beobachtet.
„Düring two of these attacks, the heart block was complete and
the slow and regulär; idioventricular action remained inaltered. On the
third ocoasion the attack of auricular fibrillation was produced by ex-
ercise while the heart block was incomplete. The ventricle then showed
a slow irregulär bigeminal action exactly similar to that of an uncom-
plicated case of auricular fibrillation under the action of digitalis“.
Ein zur Zeit der ersten Attacke ausgeführter Atropin versuch hatte
bei deutlicher Wirkung auf die Schleimhaut des Rachens und auf die
Pupillen keinen Einfluss auf die Kammerfrequenz.
Von besonderem Interesse sind für uns mit Rücksicht auf unseren
zweiten Fall jene Fälle, in denen bei bestehendem Vorhofsflimmem ein
Wechsel regelmässiger uud unregelmässiger Schlagfolge beobachtet wurde.
Solche Beobachtungen verzeichnet Gerhardt in jenem seiner Fälle,
bei dem das Vorhofsflimmem zu einer bereits vorhandenen Ueberleitungs-
störung hinzutrat. „Nach einem einmonatigen Bestehen einer regulären
Bradycardie wurde der Puls wieder rascher und nunmehr unregelmässig
nach Art der Arhythmia perpetua. Und seither wechselte die Schlag¬
weise mehrfach zwischen langsamer Arhythmia perpetua (Pulszahlen von
60—80) und langsamer regelmässiger Schlagfolgc. Von Vorhofsaction ist
in beiden Stadien nichts wahrzunehmen.“ Ueber die Bedingungen, unter
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476 J. Rihl,
welchen die erwähnte Aenderung der Schlagweise beobachtet wurde, sagt
Gerhardt nichts.
Falconer und Dean beobachteten in ihrem zuletzt publicirten Fall,
in dem bei flimmernden Vorhöfen eine Arrhythmie von meist 40—48 Pulsen
per Minute bestand, bei der „der grössere Theil der Radialschläge in
regelmässigen Intervallen auftrat, aber der Rhythmus niemals vollständig
regelmässig war, dass während einer Digitalismedication der Puls für eine
Zeitlang vollständig regelmässig wurde, wobei die Pulsfrequenz auf 38 in der
Minute herabsank; schon am nächsten Tage war trotz weiterer Fortsetzung
der Digitalismedication die frühere leichte Unregelmässigkeit vorhanden“.
Gerhardt wie Falconer-Dean. fassen den Wechsel von regel¬
mässiger und unregelmässiger Schlagfolge bei bestehendem Vorhofsflimmern
als einen Wechsel von totaler und partieller Ueberleitungsstörung auf.
Gerhardt meint, dass möglicherweise „das Manifestwerden des Ventrikel-
rhythraus bei der Arhythraia perpetua überhaupt eine grössere Rolle
spielt, und dass es sich namentlich dann geltend macht, wenn mit der
Besserung der Compensationsstörung die überstürzten (als Extrasystolen
imponirenden) Schläge mehr und mehr verschwinden und die übrig-
bleibenden kräftigen Schläge sich der Regelmässigkeit nähern. u
Sectionsbefund mit entsprechender histologischer Unter¬
suchung liegen für den Fall von Lewis-Mack, geliefert durch Lewis-
Cohn und in den beiden Fällen von Falconer-Dean vor.
In dem Fall von Lewis, in dem während der ganzen Beobachtungs¬
zeit Kammerautomatie vorhanden war, fand sich eine vollständige Zer¬
störung des Bündels syphilitischen Ursprungs. In dem ersten Fall von
Falconer-Dean, bei dem während seiner Beobachtung Stadien voll¬
ständiger Aufhebung der Ueberleitung mit solchen von Uebergang der
Erregung von den Vorhöfen zu den Kammern wechselten, unmittelbar
vor dem Tode eine vollständige Aufhebung der Ueberleitung festgestellt
worden war, wurde gleichfalls eine vollständige Zerstörung des Haupt¬
stammes des Bündels aufgefunden, die zum Theil, wie aus dem Vorhanden¬
sein von „rein cellularen Elementen, Fibroblasten, Lymphocyten etc. a
hervorging, ganz frischen Ursprungs war. In dem zweiten Fall von
Falconer-Dean, der eine nur einmal eine längere Zeit währende un¬
unterbrochene Kammerbradysystolie, sonst eine unregelmässig verlangsamte
Kammerschlagfolge aufwies, war eine ausgedehnte fibröse und cellulare
Infiltration des A-V-Knotens und Bündels vorhanden.
Schlusssätze.
Auf Grund gleichzeitig aufgenoramener Arterien- und Venenpulscurven
wird in zwei Fällen bei flimmernden Vorhöfen eine rhythmische Kammer¬
bradysystolie festgestellt, welche durch eine Ueberleitungsstörung bedingt ist.
Im ersten Falle bestand eine dauernde Aufhebung der Ueberleitung
und Kammerautomatie, häufig durch Kammerextrasystolen unterbrochen,
die gelegentlich in Form einer continuirlichen Bigeminic auftraten. Die
Extraperioden waren ebenso lang oder kürzer als die Norraalperioden. Die
Frequenz der regelmässigen Kammerschlagfolge betrug 37—38, die der
continuirlichen Bigeminie etwa 56.
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Ueber rhythmische Kammerbradysystolie bei Vorhofflimmern.
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Im zweiten Falle kam es nur zeitweise zum Auftreten einer rhythmischen
Kammerbradysystolie, deren Frequenz zwischen 44 und 48 schwankte.
Zur Zeit der unregelmässigen Schlagfolge bestand zumeist eine Kammer¬
bradysystolie von wenig höherer Frequenz, etwa 50 in der Minute. Auf
Atropin wurde die Kammerschlagfolge ganz unregelmässig, wobei die
höchste Frequenz 120 in der Minute war. Bestand regelmässige Schlag¬
folge, so konnte durch vertiefte Athmung oder Muskelanstrengung (Kraft¬
prüfung am Dynamometer) eine unregelmässige, beschleunigte Kammer¬
schlagfolge hervorgerufen werden. Während es dahingestellt bleiben muss,
ob eine mechanische Läsion des Reizleitungssystems vorlag, geht aus
dem Atropinversuch wie übrigens auch aus der inspiratorischen Acceleration
bei vertiefter Athmung hervor, dass in diesem Falle der. Vagustonus
einen Coefficienten für das Auftreten der rhythmischen Kammerbradysystolie
darstellte.
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XXV.
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Aus dem Inst. f. allgem. u. exp. Pathologie (Vorst: Hofrath R. Paltauf)
und der I. med. Abth. des Krankenhauses der Wiener Kaufmannschaft
(Vorst.: Prim. Doc. H. Schur).
Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung.
ln welcher Weise beeinflusst der einseitige Pneumothorax das
Entstehen tuberculöser Erscheinungen nach intravenöser
und intratrachealer Infection?
Von
Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes.
Im Laufe der Behandlung tuberculöser Patienten mit dem künst¬
lichen Pneumothorax stellte sich, je besser sich die Resultate gestalteten,
ebenso wie bei allen übrigen Autoren auch bei uns das Bedürfniss ein,
die Frage klarzustellen, welche Patienten wir mit Nutzen der Pneumo¬
thoraxbehandlung unterwerfen können. Gleich allen anderen Autoren
konnten auch wir die eine Cardinalfrage nicht sicher beantworten, ob
wir die Behandlung nur bei sonst aussichtslosen Fällen, wie es Forlanini
im Beginne seiner Thätigkeit und wie es ganz speciell Brauer und
Spengler gethan, anwenden sollten, oder ob wir auch bei der Pneumo¬
thoraxbehandlung den sonst in der Therapie üblichen Grundsatz, jede
Krankheit möglichst in ihrem Beginne mit der zweckmässigsten Methode
zu behandeln, befolgen sollten.
Dass die Behandlungsmethode ihrer Prüfung an den schwersten
Fällen standhielt, musste nothwendigerweise dazu führen, dass man ihren
wohlthätigen Einfluss auch bei minder schweren Fällen nicht missen
wollte und führte einzelne Autoren, wie Forlanini, dann Deneke,
Wellmann und andere logischer Weise auch dazu, auch initiale Fälle
der Pneuraothoraxbehandlung zuzuführen, besonders als sich zeigte, dass
bei nicht zu lange dauernder Compression der Lunge nach Resorption
des Stickstoffes vollständige Ausdehnung und Athemfähigkeit der be¬
handelten Lunge sich wieder einstellte, und als Forlanini auch zeigen
konnte, dass bei doppelseitiger Tuberculose ohne Schaden die Pneumo¬
thoraxbehandlung hintereinander für beide Lungen angewendet werden
konnte. Man konnte die Hoffnung hegen, bei leichteren Fällen mit einem
kürzer dauernden Pneumothorax volle Wirkung zu erzielen und diese so
ohne die Gefahr schwererer Complicationen zur sicheren vollständigen
Ausheilung zu bringen.
Von vorneherein mussten wir daran denken, diese klinische Frage
durch klinische Beobachtungen zu beantworten. Aber bald kamen wir
zu der Ueberzeugung, dass so leicht der Beweis klinisch zu erbringen
war, dass die Pneumothoraxbehandlung Schwerkranken wesentlichen
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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung.
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Nutzen bringt, so schwer auf rein klinischem Wege der Nutzen für die
initialen Fälle zu erbringen ist. Wenn Brauer und Spengler für ihre
Fälle die statistische Beweisführung mit Recht verwarfen und lieber
a fortiori aus dem günstigen Verlaufe fast sicher verlorener Fälle die
günstige Wirkung des Pneumothorax erschlossen, so glauben auch wir
wohl nicht daran zweifeln zu können, dass aus dieser Untersuchung die
günstige Beeinflussung auch rainderschwerer Fälle, als die von Brauer
und Spengler behandelten es waren, folgt. Ob aber bei der Complexität
der schweren Phthise dieser Schluss auch für die leichten und beginnenden
Fälle berechtigt ist, erscheint uns durchaus nicht erwiesen. Der Beweis
a fortiori müsste durchaus nicht zutreffen und dies vor allem aus dem
Grunde, weil wir über die Wirkungsweise des Pneumothorax trotz zahl¬
reicher Untersuchungen nichts Sicheres wissen. Die günstige Beeinflussung
schwerer Fälle könnte durchaus Erscheinungen betreffen, die der leichten
Tuberculose nicht zukommen.
Der klinische Beweis für die leichteren Fälle könnte nur durch die
directe klinische Beobachtung solcher erfolgen und müsste sich noth-
wendigerweise auf die jetzt ganz unmögliche statistische Beweisführung
stützen. Angesichts der vielen nicht ganz harmlosen Coraplicationen,
die im Gefolge des Pneumothorax auftreten können, fanden weder die
anderen Forscher noch wir selbst den Muth, eine genügende Anzahl
leichter Fälle in Behandlung zu nehmen, die eine sichere Grundlage für
eine statistische Beweisführung abgeben könnten.
Thatsächlich haben die meisten Autoren die Indicationsstellung durch
Würdigung der Complicationen als Contraindicationen mehr oder weniger
auf schwerere Fälle beschränkt, aber wir können uns des Eindruckes
nicht erwehren, dass diese Beschränkung ausserordentlich willkürlich ist
und jedenfalls die Werthung der Schädigungsmöglichkeit in ganz anderer
Weise erfolgen würde, wenn wir die unbedingte wissenschaftlich begründete
Ansicht haben dürften, dass wir durch die Behandlung den Grundprocess
ganz sicher günstig beeinflussen.
Zunächst standen uns für die Beantwortung unserer Frage die An¬
sichten der Autoren über die Wirkungsweise des Pneumothorax und das
diesen Ansichten thatsächlich zu Grunde liegende Material zur Verfügung.
Forlanini, der Vater der Pneumothoraxbehandlung, und als solchen
müssen wir ihn trotz einzelner schon früher erfolgter niemals durch¬
greifend durchgeführter Vorschläge bezeichnen, legt der Therapie eine
ganz eigenartige Auffassung der Entstehung der Phthise zu Grunde. Er
glaubt, „dass die caseöse Nekrose, welche die Phthisis zur Folge hat,
nicht mit der Natur des Erregers direct verknüpft sei, sondern wenn
nicht ausschliesslich doch wenigstens grösstentheils eine Erscheinung rein
•mechanischer Natur, welche mit den besonderen anatomischen und func¬
tioneilen Verhältnissen der Lunge Zusammenhänge. „Der primäre
tuberculose Knoten endet ohne Zweifel, sowohl in der Lunge wie irgend
sonstwo, mit caseöser Entartung seiner ganzen Masse; im pathologisch-
anatomischen Bilde der Lungenschwindsucht ist aber der genannte Knoten
(mit seiner bekannten charakteristischen Structur) selten, — ja in ein¬
zelnen Fällen ganz selten — während der Haupttheil des Materiales,
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Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes,
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welches zusammen mit dem Lungenparenchym, in dem es sich befindet,
der Verkäsung anheimfällt, pneumonistisches Material ist, welches die
Alveolen ausfüllt. Die Ursache der für die Schwindsucht charakteristischen
Zerstörung liegt in der Nekrose der erwähnten Herde, gleichgiltig, ob es
sich um kleine zahlreiche zusammenfliessende oder um voluminöse Herde
in Form einer Hepatisation, an welcher das occupirte Parenchym be¬
theiligt ist, handelt.
Der Entstehungsmechanismus der Nekrose besteht darin, dass in
diesen Herden, insofern dieselben aus Lungenparenchym und aus mit
festem Material ausgefüllten Alveolen gebildet sind, die respiratorischen
Bewegungen eine allmählich zunehmende Verarmung an Nährraaterial
aller (Blut- und Lymph-) Nährwege bis zur völligen Ischämie bewirken
mit der Folge einer Nekrose des Gewebes und des Materials, das in
demselben localisirt ist. Ich will durchaus nicht ausschliessen, dass
auch andere Factoren, z. B. Bakterienproducte, mitwirken können, bin
aber der Ansicht, dass die soeben beschriebene mechanische Wirkung
die Hauptrolle spielt und an und für sich genügt, um die Nekrose herbei¬
zuführen.
Es liegt somit die Annahme nahe, dass ein Mittel, welches die
Lunge immobilisirt, so z. B. ein Pleuraerguss oder eine Gasansammlung
in der Pleura, der Ischämie Vorbeugen und das Eintreten der Nekrose
hintanhalten wird. Dieses Mittel wird zwar keinen Einfluss auf den
pathologisch-anatomischen Grundprocess ausüben, dieser wird aber nicht
zur Phthisis führen, sondern wahrscheinlich mit der Resolution enden,
während die bereits vorhandenen Continuitätstrennungen und Gewebs¬
zerstörungen durch das Collabiren des Organs in die geeignete Lage ge¬
bracht werden, um in der gewöhnlichen Art und Weise, d. h. durch
Bindegewebsneubildung zu vernarben resp. verheilen 44 .
In weiterer Verfolgung dieser seiner Ansicht führt Forlanini aus:
„Nach meiner Auffassung wirkt der Pneumothorax weder auf die Erreger
der Schwindsucht, noch auf die pathologisch-anatomischen Processe,
welche sie direct hervorrufen; er übt eine einfache hemmende Wirkung
auf den destructiven Process aus; er heilt nicht— ich meine hier seine
wesentliche Wirkung — die Phthisis als solche, sondern verhindert, dass
der Zerstörungsprocess vorschreitet, und befördert nebenbei die Vernarbung
der bereits vorhandenen Destructionsherde. 44
Die Einzelheiten dieser coraplicirten Theorie erscheinen uns trotz
der Arbeit von Riva Rocci durchaus nicht erwiesen. Wir müssen
es als direct unverständlich bezeichnen, in welcher Weise der Pneumo¬
thorax die Ischämie gerade in dem rund um die Tuberkel gelegenen
Gewebe verhindern soll. Es will uns auch nicht einleuchten, auf welche
Weise Forlanini den Beweis erbracht hat, dass der Pneumothorax
nicht direct auf den tuberculösen Grundprocess Einfluss habe, und dies
umsoweniger als Forlanini zur Bekräftigung seiner Ansicht Beobachtungen
anführt, durch welche der directc Einfluss der Lungencompression auf
das Entstehen des Tuberkels selbst erwiesen scheint. So z. B. wenn er
Späth citirt, der einen Fall von Miliartubereulose mittheilt, bei dem
bloss im Bereiche eines durch ein Pleuraexsudat comprimirten Lungen-
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Experitnentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung.
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lappens die sonst überall vorhandenen Miliartuberkel fehlten, oder Autoren
wie Westenhöfer, Grätz, Deneke u. a., die direct betonen, dass sie
im Bereiche der Corapression frische tuberculöse Herde vermissten.
Thatsächlich wird sonst von keinem Autor diese Zweitheilung des tuber-
culösen Processes als Grundlage der Pneuraothoraxwirkung anerkannt,
sondern diese Wirkung ganz unabhängig von der Vorstellung Forlanini’s
über die Entstehung der Phthise auf mehrere andere Momente bezogen, deren
Wichtigkeit zum grösstenTheile freilich auch von Forlanini anerkannt wird.
Da in den Anschauungen der Autoren in der Verwerthung dieser
Momente im Grossen und Ganzen keine wesentlichen Unterschiede be¬
stehen, und wir es überhaupt mit keiner ausgebauten Theorie zu thun
haben, möchten wir bei der Besprechung dieser von den durch That-
sachen gestützten Vorstellungen selbst ausgehen. Im wesentlichen sind
es folgende 5 Vorstellungen, die die einzelnen Forscher zur Erklärung
der günstigen Wirkung des Pneumothorax benützen. Erstens die Ruhig¬
stellung der Lungen, zweitens die Corapression, drittens die Circulations-
veränderungen, viertens die Bindegewebswucherung und fünftens die
Verminderung des Sauerstoffgehaltes der Lunge.
ad 1. Ruhigstcllung der Lunge war die Idee, von der Murphy
bei der Anlegung des Pneumothorax ausging. Er dachte sich die günstige
Wirkung in derselben Weise, wie die Ruhe bei Knochen- und Gelenks¬
erkrankungen heilsam wirke und wie überhaupt Schonung des erkrankten
Organes auch bei Erkrankungen innerer Organe (z. B. Niere und Leber)
therapeutisch Anwendung finde. Es ist klar, dass Murphy’s Idee in
dieser Darstellung zwei voneinander unabhängige Factoren einschliesst:
erstens die mechanische Ruhigstellung, deren günstige Wirkung bei Knochen-
und Gelenkserkrankungen zweifellos oft gesehen wird, und durch Ver¬
meidung von Zerrungen auch bei Lungcnaffectionen nützlich sein könnte
und zweitens in Verfolgung der Schonungsidee die Verhinderung der
respiratorischen Function. Insofern diese Function in der Bewegung der
Respirationsluft besteht, wäre ein solcher Nutzen wieder mechanisch
erklärbar durch Verhinderung der aspiratorischen Verbreitungsmöglichkeit
des Tuberkelbacillus innerhalb der theilweise erkrankten Lunge. Ganz
unklar bliebe die Vorstellung, dass die Verhinderung der eigentlichen
chemischen Function des Gasaustausches die physiologische Schonung
des kranken Organs kat exochen nützlich sein könnte. Inwiefern die
Folgen der Aufhebung der respiratorischen Function, der Sauerstoff¬
mangel der Lunge, für die Wirkung des Pneumothorax maassgebend
sein können, soll später noch in einem eigenen Abschnitt besprochen
werden. Auf die Verhinderung der aspiratorischen Verbreitungsmöglich¬
keit durch den Pneumothorax legt besonders Späth grossen Werth, und
wir finden die Verwerthung dieser Idee bei allen späteren Autoren so vor
allem bei Brauer, Saugmann, Klemperer und bei Forlanini selbst.
Shingu führte auf Anregung von Brauer Versuche aus, die die Er¬
schwerung der Aspiration durch den Pneumothorax direct erweisen. Wenn
er Kaninchen Russ inhaliren liess, denen er vorher einen einseitigen
Pneumothorax angelegt hatte, fand er in der comprirairten Lunge wenig
oder fast gar keine Russpartikelchen.
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Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes,
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ad 2. Auch auf die Compression als solche legte Brauer bei der
Erklärung der Wirkung des Pneumothorax grosses Gewicht. Die Com¬
pression verkleinere die Hohlräume eventueller Cavernen und erleichtere
die Ausheilung dadurch, dass sie das Zusamraensinken der erkrankten
Wände ermögliche. Von vornherein erscheint diese Ansicht nicht ganz
klar. Vom chirurgischen Standpunkt müssten wir uns bemühen, dem
Secrete Abfluss zu verschaffen und ob durch die Compression des Ge¬
webes die Abflussbedingungen erleichtert oder erschwert werden, ist
wohl kaum einheitlich zu beantworten.
ad 3. Wohl in keinem Punkte, der uns hier interessirt, sind die
Ansichten der einzelnen Autoren über die Wirkung des Pneumothorax
so getheilt, als in der Frage der Veränderung der Blutcirculation durch
den Pneumothorax. Vor der therapeutischen Anwendung des Pneumo¬
thorax war bis in die letzten Jahre die Lehre eigentlich allgemein,
dass durch die Compression die Circulation in den Lungen begünstigt
werde. Es stützte sich diese Ansicht vor allem auf die Versuche
von Poiseuille, Quincke und Pfeiffer, Funke und Latschen¬
berger. Seit 1877 verlor sie durch die Untersuchungen d’Arson val’s,
Lichthcim’s, deJager’s, Zuntz’, Heger’s und Spehl’s ihren wissen¬
schaftlichen Boden und 1903 konnte Tigerstedt in seiner zusamraen-
fassenden Darstellung des Gegenstandes in den Ergebnissen der Physiologie
sagen, dass es „nunmehr als endgültig festgestellt zu erachten sei, dass
sich die Lungengefässe bei der natürlichen Inspiration erweitern und bei
der natürlichen Exspiration verengern 44 . Freilich suchte Sakur dementgegen
durch geistvolle indirecte Beweise die alte Lehre von Poiseuille wieder
zu Ehren zu bringen, und Sauerbruch stützte auf diese Annahme eine
Erklärung der hochgradigen Dyspnoe, die der Entstehung ^incs offenen
Pneumothorax folgt, aber es schienen alle diese indirecten Beweise end-
giltig widerlegt, als es Bruns gelang, direct nachzuweisen, dass der
Blutgehalt der comprimirten Lungen ganz bedeutend herabgesetzt sei.
Er bestimmte unter Einhaltung grosser Vorsichtsraaassregeln bei Kaninchen
den Blutgehalt der durch offenen oder geschlossenen Pneumothorax com¬
primirten und der nichtcomprimirten Lunge und konnte nachweisen, dass
der Blutgehalt der comprimirten Lunge bedeutend geringer sei als der
Blutgehalt der nichtcomprimirten Lunge. Damit schien die Sache er¬
ledigt, zumal die aprioristische Vorstellung auch dafür sprach, dass bei
der Compression der Lungen als Ganzes auch die Capillaren mit com-
primirt werden müssten, wodurch einerseits der Blutgehalt der Lungen
vermindert würde und andererseits dem Blutkreislauf ein grösserer Wider¬
stand entgegengesetzt werde.
In jüngster Zeit nahm Cloetta die Frage wieder auf und beant¬
wortete sie auf Grund seiner Versuche wieder im entgegengesetzten
Sinne. Nach ihm erscheine schon a priori die Idee wahrscheinlich,
dass nach Wegfall des Zuges, der die normale Lunge ausdehne, die aus¬
gezogenen und in Folge dessen verengten Capillaren eine weitere Lichtung
annehmen müssten. Durch Blutdruckmessungen konnte er nachweisen,
dass, wenn er eine Lunge im Plethysmographen comprimirte, der Blut¬
druck in der Carotis steige, und er schliesst, dass dadurch erwiesen sei, dass
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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung.
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die Compression der einen Lunge das Durehfliessen des Blutes erleichtert
habe, wodurch dem linken Herzen mehr Blut zugeströmt sei. Dieser
Umstand sei die Ursache der Blutdruckerhöhung. Auch die Thatsache,
dass die ausgedehnte Lunge im Plethysmographen geringere Puls¬
schwankungen zeigt als die collabirte, spreche dafür, dass die Durch¬
blutung der collabirten Lunge besser sei als die der ausgedehnten. Die
Verminderung des Blutgehaltes der Lunge beweise nichts für eine Er¬
schwerung des Kreislaufes. Ausserdem konnte er sie in seinen Versuchen
nicht finden. Wir müssen gestehen, dass die Experimente und Dar¬
legungen Cloetta’s wohl geeignet sind, die Beweiskraft der Unter¬
suchungen Bruns’ zu erschüttern, insoweit als er berechtigt zu sein
glaubte, aus der Anämie der Lungen auf eine Erschwerung der Circu-
lation zu schliessen, halten es aber doch für möglich, dass bei der
hochgradigen Compression, die im geschlossenen Pneumothorax er¬
zielt wird, thatsächlich ein Circulationshinderniss geschaffen werde, doch
müssen wir gestehen, dass diese Ansicht nicht bewiesen ist. Anderer¬
seits müssen wir aber die von Bruns gefundene Thatsache, dass beim
geschlossenen Pneumothorax die comprirairte Lunge weniger Blut enthält
als die andere, trotz der gegentheiligen Erfahrung, die Cloetta unter
anderen Versuchsbedingungen machte, als sichergestellt anerkennen. Von
noch grösserer Bedeutung als die Circulationsverhältnisse des Blutes er¬
scheint für die Auffassung der Wirkungsweise des Pneumothorax die
Frage, ob der Lymphabfluss gestört sei. Nach allen aprioristischen Vor¬
stellungen über die fördernde Wirkung der Respiration auf den Lymph-
strom, sowie namentlich auf Grundlage der Versuchsergebnisse von
Shingu müssen wir wohl annehmen, dass der Lymphabfluss und damit
die Resorption in den Lungen durch den Pneumothorax gestört sei.
Shingu konnte nämlich nach weisen, dass eingeathmete Russpartikelchen
in einer comprimirten Lunge viel länger im Gewebe zurückgehalten
werden als in der nichtcomprirairten und führte diese Thatsache mit
Recht auf den verlangsamten Lymphstrom zurück. Auch Meyerstein
konnte in einer erst kürzlich erschienenen Arbeit den directen Nachweis
erbringen, dass durch starke Compression der Lungen die Resorptions¬
bedingungen in denselben verschlechtert werden. Brauer verwendete
diese Idee zu der Annahme, dass in der comprimirten Lunge die Re¬
sorption der Toxine gehemmt sei. Diese Hemmung der Resorption habe
zwei Wirkungen: erstens die Wirkung auf den Gesammtorganismus, das
Toxin gelange aus den kranken Herden nicht in den Kreislauf, die
Schädigungen des gesammten Organismus sistiren in Folge dessen, Fieber,
Schweisse, Appetitlosigkeit und Abmagerung hören auf und dadurch
werde der ganze Kräftezustand des Organismus gehoben, in zweiter
Linie rege das in der kranken Lunge angehäufte Toxin rund um die
kranken Herde eine Bindegewebswucherung an, die diese einkapsle
und der Heilung zuführe. Daus eombinirt diese Theorie Brauer’s mit
der Lehre Auclaire’s, dass der Tuberkelbacillus 2 Toxine erzeuge: ein
caseogenes und ein sklerogenes, und nimmt an, dass durch den Pneumo¬
thorax die Lebensbedingungen des Tuberkelbacillus dahin geändert werden,
dass er mehr sklerogenes Toxin producire. — Brauer stützt seine Idee,
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Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes,
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abgesehen von den schon erwähnten Versuchen Sh in gu’s, auf die Resul¬
tate von durch zahlreiche Autoren mitgetheilten Obductionen. Späth,
Pallasse, Westenhöfer, Saugmann und Hansen, Warneke,
Galiard, Steinbach und noch viele Andere fanden, dass in den Fällen,
wo eine Lunge durch ein Exsudat oder durch einen Pneumothorax com-
prirairt wurde, in dieser Lunge massenhaft Bindegewebe um die Bronchien
und um die Gefässe entstehen und vielfach war auch schon vor Forlanini
geäussert worden, dass in diesen bindegewebigen Wucherungen ein Zeichen
einer Ausheilungstendenz zu erblicken sei, zumal auch klinisch vielfach
auffallende Besserungen der Lungentuberculose nach Ueberstehen einer
exsudativen Pleuritis resp. natürlichen Pneumothorax beobachtet worden
war (Stokes, Richter, Traube, Heitler, Lebert, Toussaint,
Dräsche, Adams, Spengler, Bäumler und viele Andere). Die That-
sache der Bindegewebswucherung steht ausser Zweifel, und es ist nur
fraglich, ob sie auf dem Wege erfolgt, den Brauer annimmt oder auf
einem anderen directeren Wege. Da die Entstehung dieser bindegewebigen
Wucherungen beim Pneumothorax in ihrer Ursache nicht aufgeklärt ist,
führen wir sie, um nicht in einer Richtung präjudiciren zu müssen, ein¬
fach als vierte wesentliche Folge des Pneumothorax an.
ad 4. Maassgebend für diese unsere Anschauung waren folgende
Thatsachen: Bruns war es in seinen Thierversuchen gelungen, durch
einfachen Pneumothorax ohne tuberculöse Infection in den Lungen Pro¬
duction von Bindegewebe anzuregen. Dieselbe Thatsache beschreibt
Kaufmann in einem Versuche am Hunde, bei dem ihm die Infection
mit Tuberkelbacillen missglückt war, bei dem aber trotzdem bloss als
Folge des Pneumothorax starke Bindegewebswucherung auftrat. Es er¬
scheint in Folge dessen sehr unwahrscheinlich, dass beim kranken
Thier die Anregung zur Bindegewebswucherung von den Giften des
Tuberkelbacillus herrühren sollte. Es hat die Auffassung in dieser Frage
insofern eine wesentliche Bedeutung, als wir nach unserer Auffassung in
der Bindegewebswucherung kein Zeichen der Heilungstendenz erblicken
können. Es wäre aber wohl möglich, in ihr die Ursache der Ausheilung
zu erblicken. Bruns führte die Bindegewebswucherung auf die geänderten
Circulationsverhältnisse zurück, und thatsächlich können sowohl arterielle
Anämie als venöse Stauung in den betroffenen Gebieten Bindegewebs¬
vermehrung hervorrufen (Tiegel). Wir halten diese Beziehung aber
für sehr fraglich, weil einerseits die Aenderung der Circulations¬
verhältnisse nicht ganz feststeht und andererseits die Bindegewebs¬
wucherung von der Pleura ihren Ausgang zu nehmen scheint, ln unseren
später zu beschreibenden Versuchen sahen wir fast durchweg nur an der
Pleura bindegewebige Wucherung und müssen uns wohl vorstellen, dass
eine directe Reizung der Pleura für diese Wucherung ätiologisch verant¬
wortlich ist. Es ist in dieser Beziehung ausserordentlich interessant,
dass in sämmtlichen Fällen, die in der Literatur mitgetheilt sind, bei
denen die Compression der Lunge zu einer starken Bindegewebswucherung
geführt hat, eine exsudative Pleuritis meist sogar eitriger Natur voraus¬
gegangen war. Es sind das sowohl die autoptischen Befunde in den
Fällen von spontanem Pneumothorax (Dräsche, Späth, Warneke u. A.),
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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung.
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als auch die Fälle, wo therapeutisch ein Pneumothorax angelegt worden
war (Grätz, Saugmann, ßuckhardt, Kistler u. A.).
ad 5. Schon von Späth ist auch auf den Sauerstoffmangel in der
comprimirten Lunge hingewiesen worden, der als wesentliches Moment
die günstige Wirkung der Compression erklären könnte, da durch ihn die
Lebensbedingungen des Tuberkelbacillus wesentlich erschwert werden.
Diese Idee erscheint ausserordentlich einleuchtend, da der Tuberkel¬
bacillus ein ganz ausserordentlich hohes Sauerstoffbedürfnis hat. Es
könnte in dieser Beziehung auch der Umstand verwerthet werden, dass
die sauerstoffreiche Lunge der Lieblingssitz tuberculöser Affectionen ist.
Wenn andererseits auch zugegeben werden muss, dass auch andere
Organe, die der atmosphärischen Luft nicht zugänglich sind, häufig an
Tuberculose erkranken, so wäre es immerhin möglich, dass der Sauer¬
stoffgehalt der comprimirten Lunge ein wesentlich geringerer wäre als
der jedes anderen Organes, da die Lungen ihr Blut zum grössten Theile
aus dem mit venösem Blut gefüllten rechten Herzen beziehen. Obzwar
Forlanini jede directe Beeinflussung des Tuberkelbacillus durch den
Pneumothorax negirt, sehen wir doch, dass unter den späteren Autoren
viele die Idee Späth’s in ihren Schlüssen verwerthen, wie Deneke,
Saugmann.
Wenn wir nun alle diese Vorstellungen und Thatsachen überblicken,
so ergiebt sich, dass wir aus ihnen einen sicheren Schluss auf die
Wirkung des Pneumothorax auf initiale Fälle nicht ziehen können. Viele,
vielleicht wesentliche Punkte kommen nur für die Ausheilung schwerer
Fälle in Betracht, wie z. B. die Compression der Cavernen, die Hebung
des Allgemeinbefindens durch Verminderung der Toxinresorption, und es
wäre durchaus möglich, dass die günstige Beeinflussung des Lungenherdes
Folge dieser Besserung des Allgeraeinzustandes wäre, eine Vorstellung,
die sich fast unabweislich aufdrängt, wenn wir sehen, dass auch der
tuberculose Process an der nichtcomprimirten Lunge durch den Pneumo¬
thorax oft günstig beeinflusst wird. Aus der günstigen Beeinflussung
schwerer Fälle folgt also durchaus nicht nothwendig eine ebenso günstige
Beeinflussung initialer Fälle. Dagegen müsste man annehmen, dass
z. B. die Unmöglichkeit der Aspiration auch in initialen Fällen ein
Fortschreiten verhindern könnte, dass die Bindegewebswucherung auch
den initialen Fall zur Ausheilung bringen könnte und dass vor Allem
eine Beeinträchtigung der Lebensbedingungen des Tuberkelbacillus gerade
im Beginn der Affection den grössten Nutzen stiften müsste.
Jedoch alle diese Vorstellungen sind unbewiesen. Einen directen
Beweis für den Einfluss der Lungencompression auf den frischen Process
geben einzig und allein die pathologisch-anatomischen Befunde, in denen
auf den Mangel frischer Herde in der comprimirten Lunge hingewiesen
wird, und namentlich der interessante und mehrfach citirte Befund
Späth’s, der bei einer allgemeinen Miliartuberculose nur in einem durch
ein Pleuraexsudat comprimirten Lungenlappen das Auftreten miliarer
Tuberkel vermisste. Ganz eindeutig sind aber diese Befunde für unsere
Frage auch nicht. Abgesehen von der geringen Zahl der Fälle war in
allen diesen Fällen das Gewebe durch die dauernde Compression so ver-
Zeiteohrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 32
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Heinrich Schur und Siegfried Plasohkes,
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ändert, dass sie für die directe Wirkung des Pneumothorax auf frische
Lungenherde von geringerer Beweiskraft sind. Immerhin regen sie zu
der Verrouthung an, dass im bindegewebig veränderten Lungengewebe
frische tuberculöse Affectionen nicht leicht entstehen.
Alle diese Ueberlegungen riefen bei uns für die Behandlung leichterer
Fälle eine enorme Unsicherheit in der Indicationsstellung hervor und
weckten in uns das Bedürfnis, durch directe Untersuchungen im Thier¬
experiment Sicherheit über die Frage zu erlangen, ob der Pneumothorax
auf den frischen tuberculösen Process eine directe Wirkung habe. Wir
fühlten diese Nothwendigkeit umsomehr als sich trotz Forlanini’s
gegenteiliger Ansicht die Vorstellung, dass der Pneumothorax direct auf
die Lebensfähigkeit der Bacillen wirke, nicht unterdrücken liess und in
uns grosse Hoffnungen auf die Leistungsfähigkeit der Behandlungsmethode
erweckte. Directe Untersuchungen ähnlicher Art fanden wir in der
Literatur nicht vor, dagegen existircn sehr interessante Thierexperimente
von Rubel über die Einwirkung der Immobilisirung der Thoraxwand
einer Seite auf die Lungentuberculose und ein missglückter Versuch von
Kaufmann beim Hunde, der in der Anlage unseren Kaninchenversuchen
glich, jedoch dadurch missglückte, dass das Thier sich für die Infection
unempfänglich zeigte.
Unsere Untersuchungen betrafen Kaninchen und wurden zunächst in
folgender Weise ausgeführt: Wir erzeugten mit Hülfe eines kleinen
Modells des gewöhnlichen Zweiflaschenapparates nach der Forlanini-
schen Stichraethode mit dem stumpfen Salomon’sehen Katheter bei
den Thieren gleich in der ersten Sitzung einen vollständigen Pneumo¬
thorax, was sehr leicht gelang, wie die radiologische Untersuchung zeigte
und in einzelnen kurz nach der Einblasung eingetretenen Todesfällen die
autoptische Untersuchung bestätigte, und inficirten dann die Thiere intra¬
venös von der Ohrvene aus mit einem halben Kubikcentimeter einer dichten
Bacillenemulsion. Der Pneumothorax wurde durch Nachfüllungen bis zum
Tode aufrecht erhalten. Zur Infection verwendeten wir kaninchenvirulente
Bacillen vom Typus bovinus und humanus. Die histologische Unter¬
suchung der anatomischen Präparate erfolgte nach Färbung mit Eosin-
Hämatoxylin, mit den Methoden von van Gieson und Weigert (Elastica-
färbung) und nach Ziehl-Nielsen [Bacillenfärbung 1 )].
Die Resultate zeigen folgende Versuchsprotokolle:
Versuche mit intravenöser Infection.
I. Versuche mit Bacillus bovinus.
Kaninchen I, 2325 g Gewicht, Pneumothorax am 8. 10. rechts mit 45 ccm
Stickstoff, 1 Stunde nachher 1 / 2 ccm einer dichten Bacillenaufschwemmung. Nach¬
füllungen erfolgten am 10. 10. 51 ccm, am 13. 10. 52 ccm, am 16. 10. 53 ccm,
am 18. 10. 53 ccm, am 21. 10. 58 ccm, am 24. 10. 48 ccm. 10 Minuten nachher
Tod. Während der Behandlung magert das Thier ab und wiegt am 24. 10. 1750 g.
1) Bei der Anlegung des Pneumothorax ist bei den zarten Thieren grosse Vor¬
sicht geboten, da bei etwas zu grossem Ueberdruck leicht auch die zweite Lunge
comprimirt wird und die Thiere dann sofort zu Grunde gehen. Wir vermieden daher
die Anwendung des Gebläses und liesscn den Stickstoff bloss durch Wasserüberdruck
von mehreren Centimetern zulliessen.
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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung.
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Anatomischer Befund: Tuberculose beider Lungen. Gewicht der rechten
Lunge 10,85 g. Gewicht der linken Lunge 9,75 g.
Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: Vollständige Compression, zahl¬
reiche grosse Tuberkel mit starker Verkäsung und reichlichen Tuberkelbacillen,
Bronchien mit eitrigem Sputum gefüllt, Pleura stark verdickt, sonst nirgends Ver¬
mehrung des Bindegewebes. — Linke Lunge ebenso mit grossen verkästen Tuberkeln
durchsetzt, Pleura auch stellenweise, aber weniger verdickt, Bronchien weniger gefüllt.
Kaninchen V, 1157 g Gewicht, bekommt am 8. 10. Pneumothorax links 41 ccm,
1 Stunde später 1 / 2 ccm Tuberkelbacillenemulsion in die Ohrvenen. Weitere In-
sufflationen am 10. 10. 35 ccm, am 13. 10. 33 ccm, am 16. 10. 30 ccm, am 18. 10.
30 ccm, am 21. 10. 34 ccm, am 24. 10. 30 ccm, am 26. 10. 39 ccm, einige Stunden
später Tod. Starke Abmagerung des Thieres bis auf 960 g.
Anatomischer Befund: Tuberculose beider Lungen.
Mikroskopischer Befund: Linke Lunge vollständig comprimirt, in beiden
Lungen zahlreiche verkäste Tuberkel. In keiner Lunge Vermehrung des Binde¬
gewebes, keine Pleuraverdickung. In der comprimirten Lunge eine adenomartige An¬
häufung kleiner mit kubischem Epithel ausgekleideter Hohlräume, wie sie Warnecke
in einem Fall von arteüciellem Pneumothorax auf der comprimirten Seite fand und
wie sie von vielen Anatomen in kranken Lungen gesehen wurden.
Zwei Thiere dieser Reihe (No. II und IV) verendeten sofort nach der intra¬
venösen Injection (offenbar an Luftembolie?), ein drittes Thier (No. VI) ohne nach¬
weisbare Ursache einige Stunden nach Anlegung des Pneumothorax. Bei diesemThier
fand sich in der nichtcomprimirten rechten Lunge ein kleiner Infarkt, die linke Lunge
war vollständig comprimirt.
Die Kaninchen VII und VIII wurden als Controlthiere mit je J / 2 ccm Ba-
cillenaufschwemmung inficirt.
Thier VII, Gewicht 1565 g. Infection am 8.10., Tod am 1.11. Starke Gewichts¬
abnahme bis 1180 g.
Anatomischer Befund: Reohte Lunge 5,51g. — Linke Lunge 3,70 g,
beiderseits schwere Tuberculose.
Mikroskopischer Befund: Viele epitheliale und verkäste Tuberkel in
beiden Lungen, Bronchien frei, Pleura auf beiden Seiten zart.
Thier VIII, Gewicht 1685g. Infection 8.10., Tod am 30.10. Geringe Gewichts¬
abnahme bis 1620 g.
Anatomischer Befund: Beiderseits zahlreiche tuberculose Knoten.
Mikroskopischer Befund: Zahlreiche grosse, verkäste Tuberkel mit
massenhaften Bacillen. Bronchien frei, keine Pleuraverdickung.
II. Versuchsreihe mit einem anderen Bovinusstamm.
Thier IX, 1390g schwer, linksseitiger Pneumothorax am 22.10. 45 ccm. Sofort
nachher Infection mit 1 / 2 ccm Bacillenemulsion. Weitere Insufflationen am 24. 10.
38 ccm, am 26. 10. 35 com, am 27. 10. 35 ccm, am 28. 10. 35 ccm, am 29. 10.
gestorben. Rechte Lunge 5,44 ccm, linke Lunge 2,17 ccm, beide Lungen anatomisch
und histologisch normal. Linke Lunge vollständig comprimirt.
Thier XI, 1000g schwer, wurde zunächst als Controlthier behandelt. Es wurde
am 22. 10. intravenös inficirt (*/ 2 ccm). Vom 29. 11. an wurde es auf der rechten
Seite mit Pneumothorax behandelt: am 29. 11. 50 ccm, am 2. 12. 40 ccm, am 4. 12.
45 ccm, am 6. 12. 38 ccm, am 8. 12. 36 ccm, am 10. 12. 42 ccm, am 12. 12. 40ccm,
am 14. 12. 39 ccm, am 16. 12. 43 ccm. 10 Minuten später Exitus.
Obductionsbefund: Rechte Lunge (206g) in allen Lappen ziemlich grosse
Knoten. Ober- und Mittellappen miteinander verlöthet. — Linke Lunge (3,13 g) frei.
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Heinrich Schur und Siegfried Plaschkes,
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Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge gut comprimirt, zahlreiche sehr
grosse Tuberkel, Verkäsung. Pleura verdickt, in den Bronchien etwas zölliger Inhalt.
— Linke Lunge: sehr viele, grosse Tuberkel, Pleura zart, Bronchien leer.
Thier XIII, 1190g schwer, am 22. 10. linksseitiger Pneumothorax, nachher
V 2 ccm Bacillenemulsion intravenös. Nachfüllungen am 24. 10. 30 ccm, am 26. 10.
27 ccm, am 27. 10. 29 ccm, am 28. 10. 30 ccm, am 29. 10. Exitus.
Obductionsbefund: Linke Lunge (1,52 g), rechte Lunge (3,12 g). Beider¬
seits anatomisch und histologisch keine Tuberculose, links stellenweise leichte
Pleuraverdickung. Linke Lunge vollständig comprimirt.
Thier XIV, 1070 g schwer. Am 22.10. rechts Pneumothorax mit 46 ccm.
Hierauf intravenöse Injection von l / 2 ccm Bacillenemulsion. Die weiteren Einbla¬
sungen erfolgten am 24. 10. 43 ccm, am 26. 10. 33 ccm, am 27. 10. 35 ccm, am
28. 10. 37 ccm, am 29. 10. 22 ccm, am 31. 10. 25 ccm, am 1. 11. 32 ccm, am
3. 11. 30 ccm, am 6. 11. 34 ccm, am 8. 11. 42 ccm, am 10. 11. 45 ccm, am 12. 11.
39 ccm, am 15. 11. 35 ccm. 1 / 2 Stunde nachher Tod.
Obductionsbefund: Rechte Lunge (2,28g schwer) comprimirt, in allen
Lappen zahlreiche Tuberkelknoten. — Linke Lunge (3,43 g schwer) zeigt im unteren
Theil des Oberlappens 3 tuberculose Knötchen.
Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge gut comprimirt, im Gewebe ohne
deutliche Abgrenzung kleine Tuberkel mit beginnender Verkäsung und reichlichen
Bacillen. Keine Bindegewebsvermehrung, geringe Verdickung der Pleura. In der
linken Lunge ebensolche Tuberkel wie rechts, keine Vermehrung des Bindegewebes,
keine Verdickung der Pleura.
III. Versuchsreihe mit einem Humanusstamm.
Thier IV, 1550g schwer, am 27. 12. linksseitig Pneumothorax 50 ccm, nachher
intravenöse Infection. Nachfüllungen am 29.12. 38 ccm, am 31.12. 40 ccm, am
1. 1. Tod.
Obductionsbefund: Pericarditis exsudativa. Linke Lunge 4,14 g. — Rechte
Lunge 8,45 g. Makroskopisch an den Lungen kein pathologischer Befund.
Mikroskopischer Befund: Linke Lunge: Vollkommene Compression, keine
Pleuraverdickung, keine Bindegewebsvermehrung, Bronchien leer. Oedem. Einzelne
Tuberkel mit zahlreichen Bacillen. An anderen Orten Bacillen mitten im Gewebe
ohne deutliche Tuberkelbildung. Zwischen den epitheloiden Zellen deutlich be¬
ginnende Verkäsung. In diesem Gewebe zerstreut vereinzelte bacillenbaltigo Lang-
hans’sche Riesenzellen. — Rechte Lunge: Enorme Hyperämie, nicht gut abgegrenztes
tuberkulöses Gewebe (wie links) mit Verkäsung, ferner zahlreichen Bacillen und
Splittern.
Thier XII, Gewicht 1500 g. Am 27. 12. Pneumothorax links 35 ccm, nachher
intravenös inficirt. Weitere Einblasungen am 29. 12. 43 ccm, am 31. 12. 39 ccm,
am 1. 1. 37 ccm, am 3. 1. 40 ccm, am 5. 1. 29 ccm, am 7. 1. 35 ccm, am 9. 1.
38 ccm, am 11. 1. 40 ccm, sofort darauf Tod.
Obductionsbefund: Auch im rechten Pleuraraum geringer Pneumothorax,
doch ist die rechte Lunge nicht wesentlich comprimirt, schwimmt; die linke Lunge
gut comprimirt, sinkt im Wasser unter. Im Mediastinum keine Verletzung sichtbar.
Linke Lunge 2,73 g. — Rechte Lunge 7,93 g, auf keiner Seite Tuberculose zu sehen.
Mikroskopischer Befund: Beide Lungen durchsetzt von miliaren, frischen
Kpitheloidtuberkeln ohne Verkäsung mit reichlichen Bacillen. In den Bronchien
beiderseits wenig Sputum. Pleura nirgends verdickt, Vermehrung des Bindegewebes
nicht vorhanden.
Thier XV, 750 g schwer, am 27. 12. intravenöse Infection. Am 18. 1. Tod.
Controlthier.
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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung.
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Obductionsbefund: Linke Lunge 5,40g, rechteLunge 7,10g, in beiden Lungen
schwere Miliartuberculose, im rechten Oberlappen einzelne grössere Knoten.
Mikroskopischer Befund: Beide Lungen durchsetzt von miliaren, theilweise
verkästen Tuberkeln, kein auffallendes Bindegewebe, Pleura an beiden Lungen zart.
Tuberkel stellenweise dicht unter der Pleura. Zahlreiche Bacillen in den frischen und
in den verkästen Tuberkeln.
Die Kaninchen Nr. XIV und XVI gingen sofort nach der Infection zu Grunde.
IV. Versuchsreihe mit Bacillus bovinus.
Die Thiere der 4. Reihe (C) wurden wieder mit Bacillus bovinus (je 1 / 2 ‘ ccm
einer Emulsion) inficirt (46 ccm N).
Kaninchen IV, 2220 g schwer, Pneumothorax am 3. 1. links, nachher Infection.
Nachfüllungen: am 5. 1. 40 ccm, am 7.1. 38 com, am 9.1. 42 ccm, am 12. 1. 41 ccm,
am 15. 1. 37 ccm, am 17. 1. 30 ccm. Bald nachher verendet.
Obductionsbefund: Linke Lunge (3,70 g) gut comprimirt, im Oberlappen ein
tuberculöser Herd, rechte Lunge (6,65 g) ohne pathologischen Befund.
Mikroskopischer Befund: Beide Lungen normal,Pleuren zart,Bronchien leer.
Die histologischen Schnitte waren auf der linken Seite nicht durch den tuberculösen
Knoten geführt worden.
Thier X, Gewicht 1480 g, linksseitiger Pneumothorax am 3. 1. (50 ccm N),
nachher Infection. Nachfüllungen von Stickstoff am 5. 1. 43 ccm, am 7. 1. 45 ccm,
am 9. 1. 41 ccm, am 12. 1. 40 ccm, am 15. 1. 38 ccm, am 19. I. 42 com. Ver¬
endete am 20. 1.
Obductionsbefund: Linke Lunge (3,0 g) gut comprimirt, zeigt besonders im
Unterlappen Tuberculose in grösseren Knoten, aber auch nach Art der miliaren
Knötchen. Pleurale Verdickungen. In der rechten Lunge (9,12 g) keine Tuberculose
sichtbar.
Mikroskopischer Befund: Links in Schnitten aus einem Knoten'viele miliare
Tuberkel mit Bacillen meist in Riesenzellen, keine Bindegewebsvermehrung, Pleura
stellenweise verdickt, rechts kein pathologischer Befund.
Thier XVI, 2270 g schwer, am 3. 1. Pneumothorax rechts (45 ccm N), gleich
nachher Infection. Nachfüllungen: am 5. 1. 32 ccm, am 7. 1. 38 ccm, am 9. 1.
41 ccm, am 12. 1. 40 ccm, am 15. 1. 35 ccm, am 19. 1. 30 ccm. 5 Minuten
nachher Tod.
Obductionsbefund: Mediastinum stark nach links verdrängt. Linke Lunge
(4,50 g): keine Tuberculose, rechte Lunge (2,94 g): im Ober-, Mittel- und Unterlappen
spärlich kleine Herde.
Mikroskopischer Befund: RechteLunge comprimirt, Pleura etwas verdickt,
sonst beiderseits anscheinend normale Verhältnisse. Die makroskopisch gesehenen
Herde waren in den Schnitten offenbar nicht getroffen worden.
Alle diese Versuche ergeben übereinstimmend, dass der Pneumothorax
das Auftreten der Tuberculose bei intravenöser Infection nicht zu ver¬
hindern vermag. Es zeigte sich sogar in den meisten Fällen, dass die
Tuberculose in den comprimirten Lungen weiter vorgeschritten und aus¬
gebreiteter war als in den anderen. Dabei zeigte sich, dass nach intra¬
venöser Infection sehr oft auch eine ausgebreitete Phthise erfolgt. Auf¬
fallend ist auch in einzelnen Fällen das enorm frühzeitige Auftreten nach¬
weisbarer tuberculöser Veränderungen. Es ist nicht unmöglich, dass die
stärkere Ausbreitung des tuberculösen Processes in den comprimirten
Lungen auf die schlechtere Resorption (Shingu, Rubel) in den Lungen
zurückzuführen ist. Unsere Thiere lebten meist nicht sehr lange, doch
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konnten wir auch bei den Thieren, die bis zu 37o Wochen lebten, eine binde¬
gewebige Einkapselung der Herde nicht beobachten. Es war überhaupt
in den comprirairten Lungen nur wenig Bindegewebswucherung zu be¬
merken, nur die Pleura war in fast allen Fällen an der Pneuroothorax-
seite deutlich verdickt, oft waren pleurale Adhäsionen zu constatiren. Bei
der Elasticafärbung zeigte sich keine Veränderung der elastischen Fasern.
Auffallend war in fast allen Fällen der grosse Gewichtsunterschied
zwischen der comprimirten Lunge und der nicht comprimirten. Ohne
diesbezüglich genauere Untersuchungen gemacht zu haben, möchten auch
wir in diesen Fällen den geringeren Blutgehalt der comprimirten Lunge
dafür verantwortlich machen, wie es Bruns bei nicht inficirten nachwies.
Das grössere Normalgewicht der rechten Lunge muss bei diesen Vergleichen
natürlich immer berücksichtigt werden.
Die vollständige Compression der Lunge war also nicht im Stande,
das Auftreten schwerer Tuberculose nach intravenöser Infection zu ver¬
hüten. Die Idee, dass die Compression der Lunge die Lebensbedingungen
des Tuberkelbacillus soweit erschwere, dass sie eine Erkrankung unmöglich
mache, wurde durch die thatsächlichen Beobachtungen nicht bestätigt.
Von wesentlicher Wichtigkeit für unser Grundthema erschien uns jetzt
die Frage, ob die Verhinderung der Aspiration, die durch die Compression
der Lunge herbeigeführt werden soll, soweit wirksam wäre, dass sie im
Stande wäre, bei trachealer Infection die Erkrankung der comprimirten
Lunge zu verhindern oder wenigstens zu mildern. Zur Beantwortung
dieser Frage inficirten wir eine Reihe von Thieren nach Anlegung eines
completen Pneumothorax durch lnjection eines halben Cubikcentimeters
einer Bacillenemulsion in die Trachea (nach Blosslegung derselben). Zur
Infection verwendeten wir so wie bei den venösen Infectionen Bovinus-
und Huraanusstämme. Die Resultate ergeben folgende Protokolle:
Versuche mit trachealer Infection.
I. Versuchsreihe (Bacillus bovinus).
Thier IIIA, Gewicht 1895 g, am 7. 11 rechts 40 ccm N, nachher tracheale
Infection. Füllungen: am 8. 11. 57 ccm, am 10. 11, 58 ccm, am 12. 11. 48 ccm,
am 15. 11. 50 ccm, am 17. 11. 35 ccm, am 19. 11. 40 ccm, am 21. 11. 50 ccm,
am 24. 11. 52 ccm, am 26. 11. 55 ccm, am 29. 11. 35 ccm, am 2. 12. 35 ccm,
am 4. 12. 40 ccm, am 6. 12. 40 ccm, am 8. 12. 36 ccm. Am 9. 12. Tod.
Obductionsbefund: Rechte Lunge (3,93 g schwer): starke Compression, grosser
tuberculöser Knoten im Mittellappen, Verdickung der Pleura. Linke Lunge (5,47 g)
zeigt keine Tuberculose. Emphysem des Mediastinums.
Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: in dem grossen Knoten diffuse
Tuberculose mit Verkäsung und zahlreichen Bacillen, Bronchien massig gefüllt,
Bindegewebe nicht vermehrt, Pleura stark verdickt. Linke Lunge: Emphysem, keine
Tuberculose.
Thier IVA, 2250 g schwer, am 7. 11. Pneumothorax links 50 ccm, am 8. 11.
39 ccm, am 10. 11. 42 ccm, am 12. 11. 39 ccm, am 15. 11. 45 ccm, am 17. 11.
36 ccm, am 19. 11. 40 ccm, am 21. 11. 43 ccm, am 24. 11. 43 ccm, am 26. 11.
47 ccm, am 29. 11. 52 ccm, am 2. 12. 35 ccm, am 4. 12. 38 ccm, am 6. 12. 40 ccm,
am 8. 12. 36 ccm, am 10. 12. 38 ccm und Tod.
Obductionsbefund: Linke Lunge (3,37 g): im Unterlappen ein kleines
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Experimentelle Studien zur Pneumothoraxbehandlung.
491
Knötchen. Mikroskopisch nichts Abnormes. Rechte Lunge makroskopisch und
mikroskopisch normal.
Thier V, Controle, Gewioht 1930 g, am 7. 11. Infection intratracheal. Erst am
19. 1. wurde links ein Pneumothorax angelegt (57 ccm). Nachfüllungen: am 21. 1.,
24. 1., 26. 1., 29. 1., 2. 2., 4. 2., 6. 2., 8. 2., 10. 2., 13. 2., 16. 2., 19. 2. Ver¬
endete am 20. 2.
Obductionsbefund: Linke Lunge 7,22 g, rechte Lunge 10,62 g schwer.
Beiderseits schwere Infiltration, rechts schwerer als links, besonders stark im rechten
Unter- und Mittellappen. Plouraverlötungen und Pleuraverdickungen an der linken Lunge.
Mikroskopischer Befund: In beiden Lungen schwere Pneumonie, keine
Tuberculose.
Thier XXI, 1400 g schwer, am 3. 1. rechts Pneumothorax (36 ccm N), nachher
tracheale Infection. Nachfüllungen: am 5. 1. 35 ccm, am 7. 1. 32 ccm, am 9. 1.
28 ccm, am 12. 1. 31 ccm, am 15. 1. 34 ccm, am 19. 1. 32 ccm, am 22. 1. 36 ccm.
Verendete am 24. 1.
Obductionsbefund: Rechte Lunge (5,12 g): starke Compression. Infiltration
besonders stark im kleinen Anhangslappen. Pleura etwas verdickt. Linke Lunge
(3,25 g) zeigt normale Verhältnisse.
Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: starke Anfüllung der Bronchien
mit zelligem Inhalt sowohl im Anhangslappen als auch in den übrigen Lappen, doch
nirgends sichere Zeichen von Tuberculose. Linke Lunge: normaler Befund.
Thier XXII, Gewicht 1450 g, am 3. 1. rechtsseitiger Pneumothorax. Nach¬
füllungen am 5. 1. 35 ccm, am 7. 1. 38 ccm, am 9. 1. 32 ccm, am 12. 1. 34 ccm, am
15.1. 36 ccm, am 19.1. 40 ccm, am 22.1. 29 ccm, am 26. 1. 32 ccm, am 29.1. 34 ccm,
am 1. 2. 36 ccm, am 3. 2. 38 ccm, am 5. 2. 32 ccm, am 8. 2. 35 ccm. Sofort Exitus.
Obductionsbefund: Frische Blutung im rechten Pleuraraum mit vielen
Coagulis. Verletzung des Herzens. Rechte Lunge (1,80 g) stark comprimirt, zahl¬
reiche tuberculose Knoten. Linke Lunge (3,70 g): zahlreiche tuberculose Knoten, an¬
scheinend weniger als rechts.
Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: zahlreiche verkäste Tuberkel,
starke Verdickung der Pleura, keine Bindegewebsvermehrung, Bronchien leer. Linke
Lunge: Emphysem, viele verkäste Tuberkel, Pleura zart, Bronchien leer.
Thier XIX, 910 g Gewicht, tracheale Infection. Controlthier. Verendet am 16.2.
Obductionsbefund: Rechte Lunge 2,52 g, linke Lunge 2,15 g. In beiden
Lungen vereinzelte kleine tuberculose Knötchen.
Mikroskopischer Befund; Rechte Lunge: neben einer Lymphdrüse Riesen¬
zellen, leichte Verkäsung in der Umgebung, Bacillen, keine Pleuraverdickung, keine
Bindegewebsvermehrung. Linke Lunge: keine Tuberculose, Bronchien etwas gefüllt,
keine Pleuraverdickung, keine Bindegewebsvermehrung.
n. Versuchsreihe mit Bacillus humanus.
Thier II (B), 2350 g Gewicht, rechts Pneumothorax am 27. 12. mit 54 ccm N.
Nachfüllungen am 29. 12. 50 ccm, am 31. 12. 38 ccm, am 1. 1. 40 ccm, am 3. 1.
46 ccm, am 5. 1. 38 ccm, am 7. 1. 41 ccm, am 9. 1. 40 ccm. Weitere Nachfüllungen
am 11. 1., 13. 1., 17. 1., 20. 1., 23. 1., 26. 1., 29. 1., 1. 2., 5. 2., 8. 2., 11. 2.,
14. 2., 17. 2., 20. 2., 23. 2. Wurde erst am 5. 3. getödtet.
Obductionsbefund: Linke Lunge (5,90 g): kleine tuberculose Knoten, rechte
Lunge (17,60 g) weist schwerste käsige Pneumonie auf.
Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: schwere käsige Pneumonie, zahl¬
reiche, fast ganz verkäste Tuberkel, Bronchien gefüllt, zahlreicheBaoillen,deutlicheBinde-
gewebswucherung um die Bronchien, von der verdickten Pleura aus ins Lungengewebe
ziehend. Linke Lunge: einzelne verkäste Tuberkel mit Bacillen, leichte Pleuraverdickung.
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Thier III (B), 2270 g schwer, rechts Pneumothorax am 27. 12. mit 56 ccm N.
Nachfüllungen am 29.12. 46 ccm, am 31.12. 42 ccm, am 1.1. 38 ccm, am 3.1. 41 ccm,
am 7. 1. 40 ccm, am 10. 1. 42 ccm.
Obductionsbefund: Starke Vorwölbung der rechten Zwerchfellhälfte gegen
das Abdomen und des Mediastinums nach links. Rechte Lunge (5,77 g): schwere
Tuberculose in allen Lappen, linke Lunge (7,44g): nur im unteren Theil des Oberlappens
tuberculöse Knoten.
Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: diffuses tuberculöses Gewebe mit
Riesenzellen und Tuberkelbacillen, daneben einzelneabgegrenzteTuberkelmit Verkäsung,
keine deutliche Bindegewebsvermehrung, Pleura verdickt. In den Bronchien spärlicher
Inhalt. — In der linken Lunge ein grosser Knoten, bestehend aus verkästen Tuberkeln,
Pleura wenig verdiokt, keine Bindegewebsvermehrung. In den Bronchien wenig Inhalt.
ThierVII (B), 2130g schwer, am 27.12. wurden 50 ccm Stickstoff in den rechten
Pleuraraum injicirt, nachher inficirt. Nachfüllungen am 29.12. 50 ccm, am 31. 12.
47 ccm, am 1.1. 40 ccm, am 3.1. 35 ccm. am 7.1. 37 ccm, am 10.1. 40 ccm, am 13.1.
43 ccm, am 17. 1. 41 ccm, am 20 1. 38 ccm, am 23. 1. 37 ccm, am 26. 1. 35 ccm,
am 29. 1. 33 ccm, am 1. 2. 32 ccm. Verendet am 3. 2.
Obductionsbefund: Rechte Lunge (9,92 g) gut comprimirt, schwere Tuber¬
culose aller Lappen. Pleuraschwarten. — Linke Lunge (17,89g) sehr gross, emphyse¬
matos, im Unterlappen taubeneigrosser harter Knoten, auch sonst schwere Tuberculose.
Mikroskopischer Befund: Rechte Lunge: zahlreiche confluirendeConglomerat-
tuberkel mit weitgehender Verkäsung, alle Bronchien mit zelligem, bacillenhaltigem
Inhalt gefüllt. Verdickung der Pleura, keine deutliche Bindegewebsvermehrung.— Linke
Lunge ganz infiltrirt von confluirenden Tuberkeln mit Verkäsung. Bronchien gefüllt.
Zahlreiche Bacillen in den Tuberkeln und im Bronchialinhalt. Keine deutliche Ver¬
mehrung des Bindegewebes. Pleura zart.
Thier VIII (B), 1800 g schwer. Linksseitiger Pneumothorax am 27. 12. mit
50 ccm N. Nachfüllungen am 29. 12. 50 ccm, am 31. 12. 42 ccm, am 1. 1. 48 ccm,
am 3.1. 50 ccm, am 7.1. 51 ccm, am 10.1. 41 com, am 13.1. 48 ccm, am 17.1. 43ccm,
am 20. 1. 40 ccm, am 23. 1. 45 ccm. Tod.
Obductionsbefund: Linke Lunge(2,85g) gut comprimirt, Adhäsionen mit dem
Pericard. Tuberculose in beiden Lappen. — Rechte Lunge (8,42 g): schwerste käsige
Pneumonie des Oberlappens, vereinzelte Knoten in den anderen Lappen.
Mikroskopischer Befund: Linke Lunge: vollständige Compression. Einzelne
Tuberkel. Nicht ganz sichere Vermehrung des Bindegewebes um die Bronchien und
Gefässe. Enorme Verdickung der Pleura. Grosse Menge von Bacillen in den Tuberkeln.
Rechte Lunge: zahlreiche confluirendeCongl^omerattuberkel, enormeMenge von Baoillen.
Thier X (B), Gewicht 1620 g. Pneumothorax am 27. 12. rechts mit 52 ccm N.
Nachfüllungen am 29.12. 40ccm, am 31.12. 38ccm, am 1.1. 44ccm, am 4.1. verendet.
Obductionsbefund: Rechte Lunge (3,85g): einzelne tuberculöse Knoten im
Mittellappen. — Linke Lunge (5,10 g) ohne pathologischen Befund.
Mikroskopischer Befund: Keine Veränderungen.
Thier XIII (B), 1310 g schwer, Controle am 27. 12. tracheal inficirt. Verendet
am 8. 2.
Obductionsbefund: Beiderseits grosse tuberculöse Knoten.
Mikroskopischer Befund: Zahlreiche Tuberkel in beiden Lungen. Keine
Bindegewebsvermehrung. Keine Verdickung der Pleura.
Aus allen diesen Versuchen ergiebt sich, dass bei Kaninchen durch
Compression der Lunge auch die Verbreitung einer Aspirationstuberculose
nicht wesentlich beeinflusst wird. In den meisten Fällen war die Tuber¬
culose (oft sehr schwerer Natur) auf beiden Seiten gleichmässig nach-
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Experimentelle Stadien zur Pneumothoraxbehandlung.
493
zuweisen; nur in wenigen Fällen war eine Bevorzugung der nicht com-
primirten Seite zu erkennen. Andererseits war in anderen Fällen die
coraprimirte Seite stärker ergriffen. Es folgt daraus, dass selbst die voll¬
ständige Compression der Lunge, wie sie beim Menschen nur selten
erreicht wird, auf die Ausbreitung des Processes nur wenig Einfluss hat.,
Auf den ersten Blick erscheint diese Thatsache ganz unverständlich, da
der Wegfall der Aspiration eine Verbreitung der Bacillen unbedingt er¬
schweren muss. Wenn man aber beim Menschen am Röntgenschirme
die Lunge im Zustande stärkster Compression beobachtet, so sieht man,
dass sie durchaus nicht vollständig ruhig steht, sondern respiratorische
Grössenschwankungen zeigt, freilich nur in geringem Maasse. Da aber
auch die Maasse der Lunge selbst klein geworden sind, so genügen offen¬
bar die geringen Schwankungen, um eine Aspiration der Bacillen bis ins
Lungengewebe zu ermöglichen. Eine stärkere Bindegewebsvermehrung
konnten wir nur in einem unserer Fälle constatiren (Färbung nach van
Gieson), trotzdem einzelne Thiere nach Anlegung des Pneumothorax
mehr als 5 Wochen lebten. Es fand sich, wie bei den intravenös inficirten
Thieren, meist nur mässige Verdickung der Pleura auf der comprimirten
Seite. Die Elasticafärbung ergab durchwegs normale Verhältnisse.
Unsere beiden Versuchsreihen haben also ein absolut negatives Re¬
sultat ergeben. Wir konnten eine Beeinflussung der Tuberculose durch
den Pneumothorax nicht nachweisen.
Die Aenderung der Beweglichkeit und Grösse der Lunge, ihrer
Circulationsverhältnisse und ihres Luftgehaltes haben auf den beginnenden
Process keinen Einfluss.
Da wir in unseren Versuchen, wie erwähnt, nur einmal eine wesent¬
liche Bindegewebswucherung fanden, bleibt es noch fraglich, ob eine
solche das Auftreten einer initialen Tuberculose beeinflusssn könnte. Die
Ursache des Ausbleibens dieser Bindegewebsvermehrung dürfte darin ge¬
legen sein, dass die Thiere der Phthise zu bald erlagen, so dass es
nur zu den beschriebenen Veränderungen der Pleura kam.
Weitere Thierversuche, in denen wir derartige bindegewebige Ver¬
änderungen der Lungen durch längere Vorbehandlung mit dem Pneumo¬
thorax zu erzielen hoffen, sollen auf diese Frage Antwort geben. In
wieweit das Resultat der mitgetheilten Thierversuche Einfluss auf die
Indicationsstellung hat, soll anderwärts besprochen werden.
Die 3 in den Protokollen mitgetheilten Heilversuche an überzähligen
Controlthieren ergaben kein wesentliches Resultat und wurden nur der
Vollständigkeit wegen in die Protokolle einbezogen.
Wien, im März 1913.
Literatur.
Da erst vor kurzem in den Ergebnissen der inneren Medicin und Kinderheilkunde
das ausgezeiohnete Referat Forlanini’s mit fast vollständigem Literaturverzeichniss
erschienen st, sind in Folgendem nur die in vorliegender Abhandlung citirten Autoren
verzeichnet.
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Aus dem pharmakologischen Institute der Universität Wien.
Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung.
(Beitrag zur Indlcationsstellung des Salvarsans.)
Von
Priv.-Doc. Dr. Friedrich Luithlen (Wien).
(Hieran Tafeln XIY und XY.)
In dieser Arbeit wird der Versuch gemacht, folgende zwei Fragen
zu beantworten:
1. Wirkt Salvarsan in gleicher Weise auf den Organismus
wie Arsenik?
2. Hat Salvarsan bei richtiger Dosirung und Anwendungs¬
weise schädliche Nebenwirkungen, oder treten diese
nur unter besonderen, noch unbekannten Verhält¬
nissen auf?
Die erste Frage habe ich in verschiedener Weise zu beantworten
versucht.
Zuerst sei die Toxicität des Salvarsans in Hinsicht auf den
Arsenikgehalt besprochen. Die Giftwirkung dieses Mittels entspricht
nicht der darin enthaltenen Menge Arsenik, sondern ist eine wesentlich
geringere. Dies wurde schon von Kochmann (Münch, med. Wochenschr.
1912, H. 1) bei seinen toxikologischen Versuchen an Hund und Kaninchen
festgestellt. Er fand, dass bei Verabreichung des Salvarsans 34 mg Arsen
die letale Dosis für Kaninchen darstelle, während bei Kalium arsenicosum
der Tod schon bei 4,56—5,3 mg eintrete, einer ungefähr 7,5 Mal kleineren
Gabe. Als tödtliche Dosis des Salvarsans ist hierbei 0,1 g pro Kilo an¬
genommen.
Ich habe ähnliche Versuche angestellt, deren Resultate mit den Be¬
funden KochmaniTs recht gut übereinstimmen.
Kaninchen No. 37, Körpergewicht 1600 g, erhält am 22. X. 12 0,045 Natrium
arsenicosum in 20 ccm 0,9 proc. NaCl-Lösung intravenös; entspricht 28 mg pro Kilo.
Kaninchen No. 27, Körpergewicht 1400 g, erhält am 22. X. 12 0,042 Natrium
arsenicosum intravenös in der nämlichen Weise; entpricht 30 mg pro Kilo.
Kaninchen No. 5, Körpergewicht 1950 g, erhält am 22. X. 12 0,45 Natrium ar¬
senicosum intravenös in der gleichen Weise; entspricht 24 mg Natrium arsenicosum
pro Kilo.
Alle drei Thiere starben unmittelbar nach der Injection, längstens innerhalb
10 Minuten unter den Erscheinungen erschwerter Athmung, exspiratorischer Dyspnoe,
Krämpfen.
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30 rag Natrium arsenicosura enthalten ungefähr die gleiche Menge
Arsenik wie 40 rag Salvarsan (30 rag Natrium arsenicosura enthalten
13,2 rag As, 40 mg Salvarsan 13,7 rag As). Die Kaninchen vertragen
eine Dosis von 40 rag Salvarsan pro Kilo ohne irgendwie Schaden zu
leiden. Die tödtliche Dosis ist nach Kochmann 100 rag pro Kilo,
34 rag Arsenik enthaltend, nach Hoke und Rihl 200 rag (Zeitschr. f.
exper. Path. u. Ther. 1911). Bei Reichung von Natrium arsenicosum
genügen bereits 10 mg Arsenik, um in kürzester Zeit den Tod eines
Kaninchens herbeizuführen, während bei Salvarsan die 3—4 fache Menge
nothwendig ist.
Gleichartige Befunde erhält man bei Versuchen an weissen Mäusen.
Bei durchschnittlichem Körpergewichte von 20 g ist die tödtliche
Dosis für Salvarsan 4 mg, 1,37 mg As enthaltend; für Natrium arseni¬
cosum ist sie unter den gleichen Bedingungen 1 rag, 0,44 rag As ent¬
haltend.
Sowohl die Versuche an Kaninchen als an weissen Mäusen ergeben,
dass Salvarsan, auf seinen Gehalt an Arsenik bezogen, 3—4 Mal weniger
giftig ist als das Natrium arsenicosura.
Zu erwähnen ist hierzu noch, dass diese Dosen für die alkalischen
intravenösen Injectionen gelten.
Wesentlich anders verhalten sich in Bezug auf Toxicität die sauren
Salvarsanlösungen. Schon Hering (1910) giebt als tödtliche Dosis für
die saure Lösung für Kaninchen 5 mg, für Hunde 20 mg pro Kilo Körper¬
gewicht an, warnt auf Grund seiner Untersuchungen vor der Anwendung
der sauren Lösungen beim Menschen, hebt hervor, dass Kaninchen die
20 fache, Hunde die 10 fache Menge Salvarsan in alkalischer Lösung
vertragen. Seine Angaben stimmen mit meinen Untersuchungen über die
letale Dosis bei Verwendung saurer Salvarsanlösungen überein.
In weiteren Versuchen habe ich die Dosis tolerata des Natrium
arsenicosum für Kaninchen und weisse Mäuse ermittelt und mit der noch
unschädlichen des Salvarsans in Bezug auf den As-Gehalt verglichen.
Kaninchen No. 90, Körpergewicht 1550 g, erhält am 28. X. 12 0,015 Natrium
arsenicosum intravenös in 0,9 proc. NaCl-Lösung; entspricht 10 mg pro Kilo.
Kaninchen No. 45, Körpergewicht 1700 g, erhält am 28. X. 12 in der gleichen
Weise 0,015 Natrium arsenicosum; entspricht 8,8 mg pro Kilo.
Beide Thiere zeigten unmittelbar nach der Injection fibrilläre Muskelzuckungen
in der Art, dass man beim Halten des Thieres das Gefühl hatte faradisirt zu werden.
Das mit # der stärkeren Dosis behandelte Kaninchen starb in der nächsten Nacht,
während das andere die Vergiftung überstand, sich vollständig erholte.
Da 0,01 Natrium arsenicosura 4,4 mg As, 0,0088 Natrium arseni¬
cosum 3,8 mg As enthalten, liegt die Dosis tolerata für Natrium arseni¬
cosum beim Kaninchen unter 4 mg Arsenik pro Kilo.
Weisse Mäuse vertragen bei durchschnittlichem Körpergewichte von
20 g intravenös 0,2 bis höchstens 0,25 mg Natrium arsenicosura (0,1 mg
As enthaltend) gut.
Während Kaninchen Salvarsan in Gaben von 4 cg (13,6 mg As ent¬
haltend), ja 6 cg (20,5 mg As enthaltend) pro Kilo Körpergewicht be¬
rechnet, schadlos vertragen, genügt der 4.—5. Theil des in diesen Dosen
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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung.
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enthaltenen Arseniks, als Natrium arsenicosum zugeführt, um Vergiftungs¬
erscheinungen hervorzurufen. Bei weissen Mäusen ist der Unterschied
noch grösser. Die Dosis tolerata für Salvarsan in alkalischer Lösung
sind 3 rag bei ca. 20 g Körpergewicht; sie enthalten 1 mg As. Bei Zu¬
fuhr von Natrium arsenicosum vertragen die Mäuse bei gleichem Körper¬
gewichte nur 0,1 mg As, also nur den 10. Theil.
Nach diesen Befunden entspricht die Toxicität des Sal-
varsans nicht dem in diesem Körper enthaltenen Arsenik.
Anschliessend an die Toxicität ist die Verschiedenheit der Wirkung
der beiden Mittel, des Salvarsans und des Arseniks, auf die Körper¬
temperatur zu besprechen. Ich werde in dieser Arbeit nicht näher
auf die Frage des „Salvarsanfiebers“ eingehen, da ich das Thema in
einer eigenen Abhandlung behandelt habe 1 ). An dieser Stelle will ich
nur den Unterschied in der Wirkung der beiden Medicamente hervorheben.
Salvarsan macht unter Umständen Steigerung der Körpertemperatur,
Arsenik zeigt diese Wirkung nicht in gleicher Weise. Grosse Dosen des
Arseniks führen zu Temperaturabfall. In meinen Versuchen fand ich,
dass 10 mg Natrium arsenicosum pro Kilo beim Kaninchen innerhalb
12 Stunden zu Temperaturabfall bis 36°, dabei zum Tode führten. 4 mg
pro Kilo bewirkten vorübergehende Erniedrigung, 2 mg pro Kilo keine
beraerkenswerthe Aenderung der Körpertemperatur. Die Angabe, dass
ganz kleine Dosen von Natrium arsenicosum, 0,1—0,3 mg Arsenik pro
Kilo Fieber bewirken (Heubner), kann ich bestätigen. Ich bespreche
diese Frage noch in der Arbeit über das Salvarsanfieber ausführlicher.
Es besteht ein grosser Unterschied in der Wirkung der beiden Mittel
auf die Körpertemperatur. Würde es sich beim Salvarsan um eine
Arsenikwirkung handeln, so müsste eine Herabsetzung der Körpertempe¬
ratur eintreten. Dagegen zeigen 40 mg Salvarsan (13,6 mg As enthaltend)
keine Einwirkung auf die Temperatur, während 4 mg Natrium arsenicosum
(1,76 mg As enthaltend) bereits eine Herabsetzung der Temperatur bewirken.
Auch höhere Dosen des Salvarsans führen, wenn sie nicht Collaps
oder Tod bedingen, nicht zur Herabsetzung der Körpertemperatur. Es
handelt sich also nicht um eine geringere Wirkung des im Salvarsan
enthaltenen Arseniks, sondern um eine überhaupt vom Arsenik ganz
abweichende Wirkung.
Weiterhin verhalten sich Salvarsan und Arsenik auch verschieden in
ihrer Wirkung auf das Gewebe, indem Salvarsan viel stärker ent¬
zündungserregend wirkt. Dies ergiebt sich sowohl aus den Thierversuchen
als aus den Beobachtungen am Menschen. Injicirt man, wie ich es
gethan, Kaninchen in die Ohrvene, so misslingt, besonders im Anfänge
so lange man die Technik nicht vollständig beherrscht, recht häufig eine
Injection in der Art, dass einige Tropfen in das Gewebe kommen. Es
tritt eine Schwellung, Röthung der infiltrirten Gewebspartie ein, dann
kommt es zur Mumification, zum Absterben dieser, schliesslich fällt sie
aus. Die Kaninchen weisen dann am Rande der Ohren, entsprechend
der Injection, halbkreisförmige, rundliche Defecte auf. Dabei scheinen
1) Wiener klin. Wochenschr. 1913.
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solch fehlerhafte Tnjectionen sehr schmerzhaft zu sein, die Thiere schreien
in dem Momente, in dem etwas von der Injectionsflüssigkeit in das Ge¬
webe kommt.
Aehnliches beobachten wir bei den Salvarsaninjectionen am Menschen.
Als wir noch intrarausculär injicirten, hatten die Leute unerträgliche
Schmerzen, die durch nichts zu beheben waren; dabei führen die Salvar¬
saninjectionen in das Gewebe, wie durch zahlreiche Befunde erwiesen ist,
zum Gewebszerfall an der Injectionsstelle. So beschreibt neuestens
Tommasi (Giorn. ital. d. mal. ven. e de la pelle. 1912) Massennekrose
der Gewebe an allen Stellen, an denen Salvarsan zur Einwirkung kam.
Bei Injection von Arsenik beobachtet man weder beim Menschen
noch beim Thiere einen solchen Gewebszerfall. Auch bedingen Arsenik-
injectionen, wie die alltägliche Erfahrung lehrt, nie stärkere Schmerzen.
Wie Thierversuche, die ich angestellt habe, ergeben, hängt die zer¬
störende Wirkung des Salvarsans auf das Gewebe auch nicht von der
stärkeren Concentration der zur Verwendung gelangenden Salvarsan-
lösungen ab, sondern auch bei gleicher Stärke der Lösung wirkt Sal¬
varsan viel stärker entzündungserregend und das Gewebe zerstörend als
Arsenik.
Die Verschiedenheit der Wirkung des Salvarsans und des Arseniks
auf das Gewebe tritt in der nächsten Versuchsreihe noch deutlicher zu
Tage. Ich habe die beiden Mittel am Trendelenburg’schen Frosch¬
präparate geprüft. Bei dieser Methode wird die Flüssigkeit, deren
Wirkung auf das Gewebe, die Gefässc man prüfen will, durch einen
decapitirten Frosch in der Art durchgeleitet, dass man durch eine in
die Aorta eingebundene Canüle die Flüssigkeit in den Körper einströmen,
durch eine in die grosse Körpervene eingebundene Canüle abtropfen lässt.
Aus der Tropfenzahl in einer bestimmten Zeit kann man schliessen, ob
sich die Gefässe erweitern — Vermehrung der Tropfen, oder verengern —
Verminderung der Tropfenzahl. Zuerst muss das Präparat eingestellt
werden, d. h. die Tropfenzahl in der Minute muss für jene Flüssigkeit,
in der die zu prüfenden Mittel gelöst sind, constant werden, was ge¬
wöhnlich in einigen Minuten erreicht ist. Dann erst lässt man die zur
Prüfung gelangenden Mittel, in der ausgeprobten Flüssigkeit gelöst, durch-
fliessen, zählt die Tropfen in der Minute. Als Lösungsmittel habe ich
0,9 proc. NaCl-Lösung und Ringerlösung verwendet. Das Salvarsan
wurde in 0,01—0,02 proz. Lösung, das Natrium arsenicosum in 0,0075,
0,015 und 0,03proc. Lösung verwendet. Bei den Lösungen wurde auch
stets der Gehalt an Säure oder Alkali in der Art berücksichtigt, dass
die Lösungsflüssigkeit, Kochsalz- oder Ringerlösung, auch mit genau dem¬
selben Gehalte an Alkali oder Säure versetzt und geprüft wurde, den
die Lösung der Mittel aufwies. Die Versuche wurden graphisch dar¬
gestellt, so dass man alles den Tafeln entnehmen kann.
Versuch 1. Salvarsan, in alkalischer Lösung, bewirkt Sinken der
Tropfenzahl, also Contraction der Gefässe (Curve 1).
Versuch 2. Der Zusatz von Natronlauge, in der gleichen Menge
wie im Salvarsan enthalten, bewirkt auch ein Sinken der Tropfenzahl.
Nach Einstellung auf eine bestimmte Tropfenzahl bewirkt die Zuführung
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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung.
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von alkalischem Salvarsan ein nochmaliges Sinken, eine noch stärkere
Contraction der Gefässe, stellt sich dann aber auf eine constante Zahl
ein (CurVe 2).
Die beiden Versuche zeigen, dass Salvarsan in alkalischer Lösung
eine Contraction der Gefässe bewirkt. Diese ist zum Theil durch den
Gehalt an Alkali bedingt, doch führt Salvarsan auch dann noch zu noch
stärkerer Zusammenziehung der Gefässe.
Versuch 3. Salvarsan in saurer Lösung bewirkt Sinken der Tropfen¬
zahl, also Contraction der Gefässe, die durch Auswaschen mit Kochsalz¬
lösung nicht gleich wieder aufgehoben wird (Curve 3).
Versuch 4. Säurezusatz in der gleichen Menge, wie in der sauren
Salvarsanlösung enthalten ist, führt zu leichter Erweiterung der Gefässe;
Salvarsan bewirkt starke Zusammenziehung, die durch Zufuhr saurer
Kochsalzlösung theilweise behebbar ist (Curve 4).
Die beiden Versuche zeigen, dass Salvarsan als solches eine Con¬
traction der Gefässe bewirkt. Säure führt zur Erweiterung dieser, die
durch Salvarsan aber aufgehoben wird.
Versuch 5. Natrium arsenicosum führt trotz alkalischer Reaction
zu Erweiterung der Gefässe. Die Wirkung des Natrium arsenicosum ist
um so grösser, jo höher die Concentration der Lösung ist (Curve 5).
Versuch 6. Die durch Alkalizusatz bewirkte Zusammenziehung der
Gefässe wird durch Natrium arsenicosum aufgehoben (Curve 6).
Versuch 7. Die durch Natrium arsenicosum bewirkte Erweiterung
der Gefässe wird durch Salvarsan rasch aufgehoben (Curve 7).
Die Versuche ergeben, dass Natrium arsenicosum Erweiterung der
Gefässe bewirkt, trotz alkalischer Reaction, und dass Salvarsan auch dann
noch eine Contraction der Gefässe bedingen kann.
Die Versuche ergeben Folgendes:
Alkali bewirkt Gefässzusammenziehung, Säure Gefässerweiterung.
Salvarsan bewirkt, unabhängig von der Reaction der Lösung, am Frosch¬
präparate Zusamraenziehung der Gefässe, während Arsenik an dem näm¬
lichen Versuchsobjecte Erweiterung der Gefässe bedingt.
Dieser Befund ist deshalb von Werth, weil er ebenfalls
beweist, dass die acute Wirkung des Salvarsans auf Wirbel-
thiere nicht auf dem Gehalte des Mittels an Arsenik allein be¬
ruhen kann, dass die Wirkung des Salvarsans nicht mit der
des Arseniks gleich ist.
Weiterhin seien an dieser Stelle noch von mir angestellte Unter¬
suchungen überWirkung des Salvarsans auf Blutdruck und Athraung,
sowie onkometrische Untersuchungen am Herzen, Darm und Bein an¬
geführt.
Der Blutdruck wurde aus der Carotis registrirt, die Athembewegungen
des spontan athmenden Thieres wurden von einer in die Trachea ein¬
gebundenen Canüle durch eine Marey’sche Trommel auf das Kymographion
übertragen. Die onkometrischcn Untersuchungen wurden in der allgemein
üblichen Weise ausgeführt.
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Versuch Nr. 1. Blutdruck und Athmung am Kymographion.
Kaninchen, Körpergewicht 2000 g. Blutdruck bei Beginn des Versuche} 118 mm.
10 Uhr. Injection von 4 cg alkalischen Salvarsans (2 cg pro Kilogramm) in 2 ccm
0,9 proc. NaCl-Lösung in die freigelegte Vena jugularis externa. Infusionsdauer
l 1 /o Minuten. Der Blutdruck sinkt unmittelbar nach der Injection auf 102 mm, die
Regelmässigkeit der Athmung weist nur einzelne Schwankungen auf.
10 Uhr 1 Min. 8 cg alkalisches Salvarsan (4cg pro Kilogramm) in 4ccm Lösung.
Infusionsdauer 2 Min. Blutdruck unmittelbar nach der Injection 94 mm, Athmung bis
auf einzelne Schwankungen nicht verändert, nicht verkleinert.
10 Uhr 10 Min. Nochmals 8 cg alkalisches Salvarsan in der nämlichen Weise.
Infusionsdauer 1 1 / 2 Min. Der Blutdruck sinkt sofort auf 70 mm, erholt sich aber rasch
wieder auf 80 mm. Bei diesen wiederholten lnjectionen tritt Verkleinerung der von
Anfang des Versuches an bestehenden Blutdruckschwankungen, der Traube-Heriog-
schen Wellen auf.
10 Uhr 15 Min. Noohmals 8 cg alkalisches Salvarsan in der nämlichen Weise.
Infusionsdauer 1 1 / 4 Min. Der Blutdruck sinkt nicht weiter, bleibt auf 80 mm. Dagegen
verschwinden die Wellen der Blutdruckcurve, die Pulse werden sehr klein.
10 Uhr 21 Min. Der Blutdruck steht noch immer auf 80 mm. Die Curve ist ganz
gleichmässig, weist sehr kleine Pulse auf. Die Athmung ist auch im Vergleiche mit
dem Beginne des Versuches nicht verkleinert, zeigt nur einzelne plötzliche Schwan¬
kungen. Versuch abgebrochen.
Das Thier hat im ganzen 28 cg alkalisches Salvarsan (14 cg pro Kilogramm)
erhalten.
Versuch Nr. 2. Blutdruck und Athmung am Kymographion.
Kaninchen, Körpergewicht 1850 g. Blutdruck bei Beginn des Versuches 128 mm.
9 Uhr. Injection von 11 mg sauren Salvarsans (6 mg pro Kilogramm) in 20 ccm
0,9proc. NaCl-Lösung in die Ohrvene. Infusionsdauer 1 Min.
Der Blutdruck sinkt in der ersten Minute auf 112 mm, nach 2 Min. auf 108 mm.
Die Athmung zeigt um ! / 4 kleinere Ausschläge.
9 Uhr 10 Min. Blutdruck 98 mm, die Athemausschläge werden immer kleiner.
9 Uhr 16 Min. Nochmals Injection von 11 mg sauren Salvarsans in der näm¬
lichen Weise. Der Blutdruck sinkt unmittelbar nach der Injection von 94 mm auf
86 mm, erholt sich aber gleich wieder auf die frühere Höhe. Die Athmung zeigt auf
die neuerliche Infusion keine Veränderung. Im weiteren Verlaufe des Versuches wird
die Athmung immer kleiner, der Blutdruck sinkt nicht weiter herab.
9 Uhr 53 Min. Am Ende des Versuches Blutdruck 92 mm, die Athmung weist
gegen den Beginn des Versuches Ausschläge auf, die kaum den 5. Theil der ursprüng¬
lichen Grösse erreichen. Die Pulse der Blutdruckcurve sind nur halb so gross als im
Beginne.
Das Thier erhielt 22 mg saures Salvarsan (12 mg pro Kilogramm).
Versuch Nr. 3. Blutdruck und Athmung am Kymographion.
Kaninchen, Körpergewicht 2300 g. Blutdruck bei Beginn des Versuches 140 mm.
11 Uhr. Injection von 3 cg sauren Salvarsans (13mg pro Kilogramm) in 20ccm
0,9proc. NaCl-Lösung in die Ohrvene. Infusionsdauer 1 Min.
11 Uhr 2 Min. Der Blutdruck sinkt auf 130 mm, die Athmung zeigt unmittelbar
nach der Injection etwa um 1 / 3 grössere Ausschläge als vorher.
11 Uhr 12 Min. Athmung zeigt dieselbe Grösse wie im Beginne des Versuches.
11 Uhr 16 Min. Blutdruck 118 mm.
11 Uhr 20 Min. Blutdruck 110 mm, Athmung 1 j 3 kleiner als zu Beginn des
Versuches.
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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung.
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11 Uhr 29 Min. Injection von 1,5 cg sauren Salvarsans (6,5 mg pro Kilogramm)
in 5 ccm in die Ohrvene. Blutdruck 110 mm. Das Thier wird sofort unruhig, be¬
kommt leichte, sich in Abständen von x / 2 Min. wiederholende Krämpfe, die sich auch
in den Schwankungen des Blutdruckes und der Athmung ausdrücken. Keine weiteren
Veränderungen des Blutdrucks, Athmung klein. Die Pulse der Blutdruckcurve werden
gegen das Ende des Versuches kleiner. Versuch 11 Uhr 38 Min. abgebrochen.
Versuch No. 4. Herzonkometrie 1 ).
Katze, Körpergewicht 3100 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Versuches
62 mm, die Herzcurve schreibt 150 mm über der Absoisse.
9 Uhr. Injection von 2 cg alkalischen Salvarsans (6,5 rag pro Kilo) in 2 ccm
0,9proc. NaCl-Lösung in die Vena jugularis. Infusionsdauer 5 Sec. Keine Veränderung.
9 Uhr 1 Min. Nochmals 2 cg alkalisches Salvarsan in der nämliohen Weise.
Blutdruck 58 mm, Herzcurve schreibt 156 mm über Abscisse.
9 Uhr 3 Min. Injection von 8 cg alkalischen Salvarsans in 8 ccm in der näm¬
lichen Weise. Infusionsdauer 1 Min. 10 Sec. Unmittelbar nach der Injection sinkt
der Blutdruck auf 26 mm, die Herzcurve steigt auf 178 mm. Beide Curven kehren
innerhalb der näohsten 2 Min. fast zur früheren Höhe zurück; Blutdruck auf 54 mm,
Herzcurve auf 165 mm.
9 Uhr 8 Min. Injection von Natronlauge (2 com einer Lösung von 20—15 proc.
Natronlauge auf 20 com 0,9 proc. NaCl- Lösung. Die Menge entspricht ungefähr
der bei Lösung von 5 cg Salvarsan verwendeten Natronlauge.) Im Momente der
Injection sinkt der Blutdruck, steigt aber dann auf 84 mm. Die Herzcurve steigt zu¬
erst, dann geht sie auf 145 mm herab. Beide Curven laufen zusammen.
9 Uhr 9 Min. Beide Curven horizontal. Blutdruck 68 mm, Herzcurve 158 mm,
über der Abscisse.
9 Uhr 14 Min. Injection von 8 cg alkalischen Salvarsans in der nämlichen Weise
wie die früheren Male. Infusionsdauer 1 Min. Noch während der Injection steigt die
Herzcurve in die Höhe, bis auf 188 mm über der Abscisse, der Blutdruck sinkt
langsam ab, es tritt der Tod ein. Das Thier hat 20 cg alkalisches Salvarsan
(6,5 cg pro Kilo) erhalten.
Versuch No. 5. Herzonkometrie. (Curve No. 8.)
Kaninchen, Körpergewicht 3550 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Ver¬
suches 58 mm, die Herzourve schreibt 104 mm über der Abscisse.
9 Uhr 30 Min. Injection von 5 mg sauren Salvarsans in 1 ccm 0,9proc. NaCl-
Lösung in die Vena jugularis. Infusionsdauer 30 Sec. Es tritt keine starke Verände¬
rung ein; das Herz schlägt eher etwas rascher, die Herzcurve schreibt 98 mm über
der Abscisse, der Blutdruck beträgt 62 mm.
9 Uhr 34 Min. Injection von 1 cg sauren Salvarsans (2,8 mg pro Kilo) in 1 ccm
0,9 proc. NaCl-Lösung in die Vena jugularis. Die Herzcurve steigt rasch in die Höhe,
schreibt auf 163 mm über der Abscisse. Der Blutdruck schwankt ein wenig, sinkt
auf einen Moment bis 56 mm, steigt aber sofort wieder auf die frühere Höhe von 62 mm,
auf der er auch verbleibt. Doch werden die Pulse wesentlich kleiner. Die Herzcurve
kehrt nicht mehr zur Norm zurück, wenn sie auch langsam sinkt. Während sie im
Anfänge des Versuches 104 mm, nach der ersten Injection 98 mm über der Abscisse
schrieb, geht sie nur mehr bis 129 mm zurück.
9 Uhr 42 Min. tritt ohne vorhergehende Veränderungen an beiden Curven unter
Krämpfen plötzlich der Tod ein.
Das Thier erhielt 15 mg saures Salvarsan (4,25 mg pro Kilo).
1) Die in Millimetern angegebenen Ordinaten derOnkometercurven sind nur relative
Werthe. Es wurde jedoch in allen diesbezüglichen Versuchen dasselbe Onkometer,
derselbe Piston-Recorder und dieselbe Hebelvergrösserung verwendet.
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 33
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Versuch No. 6. Herzonkometrie.
Kaninchen, Körpergewicht 2900 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Ver¬
suches 58 mm, Herzcurve schreibt 114 mm über der Abscisse.
10 Uhr 30 Min. Injection von 1 cg sauren Salvarsans (3,4 mg pro Kilo) in 1 ccm
0,9proc. NaCl-Lösung in die Vena femoralis. Infusionsdauer 30 Sec. Der Blutdruck
wird kaum erniedrigt, 56 mm, die Herzcurve schreibt 118 mm über der Abscisse.
10 Uhr 33 Min. Injection von 2 cg sauren Salvarsans (6,9 mg pro Kilo) in 2 ccm
0,9proc. NaCl-Lösung in der nämlichen Weise. Infusionsdauer 1 Min. 30 Sec. Der
Blutdruck sinkt auf 46 mm, die Herzcurve schreibt auf 122 mm über der Abscisse.
Beide Curven bleiben auf dieser Höhe.
10 Uhr 39 Min. Nochmals 2 cg saures Salvarsan in der nämlichen Weise. Die
Herzcurve steigt rasch in die Höhe, bis 180 mm, der Blutdruck sinkt rasch ab, es
tritt der Tod ein.
Das Thier hat 5 og saures Salvarsan (17 mg pro Kilo) erhalten.
Versuch No. 7. Herzonkometrie bei mit Uran vorbehandeltem Thiere.
Kaninchen, Körpergewicht 2250 g. Erhält 4,5 cg Uran subcutan (2 cg pro Kilo)
Zwei Tage später Herzonkometrie am decerebrirten Thiere. Blutdruck bei Beginn des
Versuches 52 mm, die Herzcurve schreibt auf 130 mm über der Abscisse.
9 Uhr. Injection von 2 mg alkalischen Salvarsans in 1 ccm 0,9proc. NaCl-Lösung
in die Vena jugularis. Infusionsdauer 20 Sec. Keine Veränderung.
9 Uhr 2 Min. Injection von 1 cg alkalischen Salvarsans in 1 ccm, unmittelbar
darauf Injection von 2 cg in 2 ccm Lösung in der nämlichen Weise wie bei der ersten
Injection. Infusionsdauer je 30 Sec. Der Blutdruck sinkt rasch ab, bis zur Abscisse,
die Herzcurve steigt bis 158 mm über die Abscisse, es tritt der Tod ein.
Das Thier hat 3,2 cg alkalisches Salvarsan erhalten (14 mg pro Kilo).
Versuch No. 8 u. 9. Darmonkometrie.
Katze, Körpergewicht 2500 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Versuches
112 mm, die Darmcurve schreibt 94 mm über der Abscisse.
10 Uhr. Injection von 1mg alkalischen Salvarsans in 1 ccm 0,9proc. NaCl-Lösung
in die Vena jugularis. Infusionsdauer 20 Sec. Keine Veränderung.
10 Uhr 2 Min. Injection von 6 mg alkalischen Salvarsans in 1 ccm in der näm¬
lichen Weise. Infusionsdaner 20 Sec. Keine Veränderung.
10 Uhr 5 Min. Injection von 1 cg alkalischen Salvarsans in 1 ccm in der näm¬
lichen Weise. Infusionsdauer 20 Sec. Der Blutdruck sinkt einen Moment auf 104 mm,
steigt gleich auf 112 mm, die Darmcurve schreibt auf 105 mm über der Abscisse.
10 Uhr 8 Min. Injection von 5 cg alkalischen Salvarsans in 1 ccm in der näm¬
lichen Weise. Blutdruckcurve 108 mm, die Darmcurve steigt sofort auf 126, bleibt
auf dieser Höhe durch 5 Min., sinkt allmählich.
10 Uhr 21 Min. Darmcurve 95 mm über der Abscisse, Blutdruck 108 mm.
Der Versuch ergiebt, dass bei Salvarsaninjection eine Zunahme desDarmvolumens
stattfindet.
Auch in einem 2. Versuche wurden die nämlichen Wirkungen beobachtet.
Versuch No. 9 (Curve No. 9.)
Katze, Körpergewicht 2300 g, decerebrirt. Während unmittelbar vor der Injection
der Blutdruck auf 40 mm steht, die Darmcurve auf 115 mm über der Abscisse schreibt,
sinkt nach Injection von 8 cg und 4 cg alkalischen Salvarsans in die Vena jugularis
innerhalb 3 Min. 30 Sec. der Blutdruck auf 30 mm, die Darmcurve steigt bis auf
170 mm, kehrt dann wieder zur früheren Höhe zurück. Es sinkt demnach der ohne¬
dies schon niedrige Blutdruck nur um 10 pCt., obgleich die Onkometercurve eine be¬
trächtliche Erweiterung der Darmgefässe anzeigt.
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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung.
503
Versuch Nr. 10. Onkometrie eines Hinterbeines (Curve No. 10).
Hund, K.-G. 9300 g, decerebrirt. Blutdruck bei Beginn des Versuches 84 mm,
die Curve des Beinonkometers schreibt 68 mm über der Abscisse.
9 Uhr. Injeotion von 1 cg sauren Salvarsans in 1 ccm 0,9proc. NaCl-Lösung in
die Vena jugularis. Infusionsdauer 20 Sec. Keine Veränderungen.
9 Uhr 3 Min. Injection von 2 cg sauren Salvarsans (2,15 mg pro Kilo) in 1 ccm
in der nämlichen Weise bewirkt keine wesentliche Veränderung des Blutdruckes, die
Curve des Beinonkometers weist leichte Schwankungen auf.
9 Uhr 6 Min. Injection von 5 cg sauren Salvarsans (5,37 mg pro Kilo) in 5 ccm
0,9proc. NaCl-Lösung in der nämlichen Weise. Infusionsdauer 50 Sec. Der Blutdruck
zeigt auch jetzt keine wesentliche Veränderung, die Onkometerourve schwankt zwischen
78 mm und 62 mm über der Abscisse.
9 Uhr 10 Min. Injection von 1 cg sauren Salvarsans in 1 ccm in der nämlichen
Weise. Infusionsdauer 50 Sec. Während der Blutdruck auch nach dieser Injection
keine wesentlichen Veränderungen aufweist, steigt die Curve des Bein¬
onkometers beträchtlich, bis auf 88 mm an, um nach etwa 2 Min. wieder auf 58 mm
über der Abscisse zu sinken. Im weiteren Verlaufe des Versuches sinkt der Blutdruck.
9 Uhr 29 Min. tritt der Tod ein.
Die Versuche ergeben folgende Befunde:
Salvarsan bewirkt bei intravenöser Injection eine Herabsetzung des
Blutdruckes sowohl in saurer als in alkalischer Lösung, demnach unab¬
hängig von der Reaction der Injectionsflüssigkeit. Da Alkali eine Erhöhung
des Blutdruckes bewirkt, ist die Blutdrucksenkung bei Infusion alkalischer
Salvarsanlösungen nur auf die Wirkung des Salvarsans zu beziehen.
Steigerung des Blutdruckes bei intravenöser Injection alkalischer
Salvarsanlösungen erhält man beim Kaninchen, wie von mir angestellte
Control versuche ergaben, nur dann, wenn man der Salvarsanlösung viel
mehr Natronlauge zusetzt, als zur Lösung des Salvarsan nothwendig ist,
sodass die Alkaliwirkung die des Salvarsans überwiegt.
Die Herzonkometerversuche ergeben unzweifelhaft, dass Salvarsan
eine Schädigung des Herzens bewirkt. Die Erweiterung des Herzens er¬
folgt bei intravenöser Salvarsaninjection, sowohl bei alkalischer als auch
bei saurer Lösung. Intravenöse Infusion von Alkali allein bewirkt ebenso
ein Steigen der Herzcurve, Erweiterung des Herzens, während Infusion
von Säure ein Sinken der Curve, Verkleinerung des Herzens zur Folge
hat. Aus diesen von mir angestellten Controlversuchen, zusamraengehalten
mit den Befunden bei intravenöser Salvarsaninfusion, ergiebt sich, dass die
Wirkung auf das Herz bei letzteren auf Salvarsan zu beziehen ist.
Die bei der Herzonkometrie beobachtete Erscheinung, dass deutliche
Herzwirkung eintritt, ohne dass sich der Blutdruck wesentlich ändert
(Fig. 8), berechtigt zu der Annahme, dass es sich um eine primäre Herz¬
schädigung handelt, der Blutdruck später erst infolge dieser sinkt.
Hierfür spricht auch, dass die Pulse der Blutdruckcurve im Verlaufe,
gegen Ende der Versuche immer kleiner werden. Bestände eine primäre
Gefässschädigung, Parese oder Lähmung, so müssten bei gleichbleibender
Herzkraft die Pulse immer grösser werden.
Auch von mir angestellte Untersuchungen am LangendorfCschen
überlebenden Herzen, sowie am Bock-Hering’sehen verkleinerten Kreis¬
läufe ergeben, dass das Salvarsan eine starke Wirkung auf das Herz ausübt.
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Der Tod bei Salvarsanvergiftung ist meinen Befunden nach daher
ira Wesentlichen ein Herztod.
Hauptsächlich auf Grund der Herzbefunde kann ich der Ansicht
von Hoke und Rihl, dass es sich besonders um Beeinflussung der ner¬
vösen Centralorgane, weiterhin der Gefässinnervation handle, während
eine direct herzschädigende Wirkung erst in letzter Linie in Betracht
komme, nicht beistiramen.
Freilich treten Veränderungen der Gefässe auf, wie auch meine Befunde
bei der Onkoraetrie des Darmes und am Beinonkometer erweisen. Wie
diese Befunde zeigen, bewirkt Salvarsan Schwankungen im Füllungszustande
der Gefässe; die Beobachtung stimmt mit den Mittheilungen von Riker und
Knape, die bei normalen Gefässen Schwankungen ira Füllungszustande
der Mesenterialgefässe bei Salvarsaninjection feststellten, gut überein.
Zum Schlüsse sei erwähnt, dass Herzonkometrie bei intravenöser
Injection von 2 cg Natrium arsenicosum (decerebrirtes Kaninchen, Körper¬
gewicht 2300 g) keine Veränderung der Herzcurve wie bei Infusion von
Salvarsan, sondern nur eine Veränderung des Blutdruckes ohne wesent¬
liche Herzschädigung ergab. Ebenso stimmen auch am Bock-Hering-
schen Kreisläufe Salvarsan und Natrium arsenicosum nicht vollständig überein.
Auch in dieser Versuchsreihe zeigt es sich, dass die acute Wirkung
des Salvarsans und des Arseniks nicht die gleiche ist.
Zum Schlüsse weise ich auf die ira zweiten Theile dieser Arbeit an¬
geführten Versuche über die Einwirkung des Salvarsans und des Arseniks
auf einen vorbehandelten, mit Absicht geschädigten Organismus hin. Sie
ergeben, dass auch in der Wirkung der beiden Mittel bei krankem
Organismus wesentliche Unterschiede bestehen, indem Arsenik nicht die
verderbliche Einwirkung wie das Salvarsan entfaltet, sondern auch von
einem geschädigten Organismus gut vertragen wird.
Fassen wir die Befunde der Versuche, die ich zur Beantwortung der
Frage: „Wirkt Salvarsan in gleicher Weise auf den Organismus
wie Arsenik?“ angestellt habe, zusammen, so müssen wir diese Frage
verneinen.
Denn nicht nur in der Toxicität, sondern auch in Bezug auf Beein¬
flussung der Körpertemperatur, Wirkung auf das Gewebe, die Gefässe,
das Herz, sowie Folgen der Anwendung bei geschädigtem, erkranktem
Organismus bestehen zwischen der Wirkung des Salvarsans und des
Arseniks Unterschiede, zum Theil sogar directe Gegensätze.
Es erscheint daher nicht möglich, die Einwirkungen des
Salvarsans in den angeführten Richtungen, insbesondere die
acute Salvarsanwirkung auf den Gehalt an Arsenik zurückzu¬
führen 1 ); es ist vielmehr die Annahme berechtigt, dass die acute
Salvarsanwirkung nichts mit Arsenik zu thun habe, sondern
durch den Complex, den Körper als solchen bedingt sei.
1) Es sei erinnert an die analogen Beziehungen der acuten Erscheinungen bei
Vergiftung mit Bleitriäthyl und den sich daraus erst entwickelnden Erscheinungen einer
eigenartigen chronischen Bleiionenvergiftung. (E. Harnack, Arch. f. exp. Path.
u. Pharm. Bd. 9.)
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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung.
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Bei Besprechung der zweiten Frage, ob die schädlichen Neben¬
wirkungen des Salvarsans nur durch besondere, vielleicht noch unbe¬
kannte Verhältnisse bedingt sind, müsste man nur jene schädlichen
Wirkungen des Salvarsans in Betracht ziehen, die trotz richtiger Dosirung
und entsprechender Anwendungsweise entstehen. Dies ist nicht so einfach,
da besonders über den zweiten Punkt, die richtige Anwendung, die
Meinungen sehr getheilt sind. Derzeit stehen sich zwei Ansichten gegen¬
über. Die eine Gruppe der Autoren betrachtet Salvarsan als ein ganz
harmloses Mittel und erklärt die schlechten Folgen bei dessen Anwendung
in allen Fällen d-urch Fehler in der Injectionstechnik, während die andere
Gruppe der Autoren auf Grund der öfter beobachteten schädlichen Neben¬
wirkungen die Anwendung des Salvarsans als gefährlich ansieht.
Da meine eigene Erfahrung mich zur Ueberzeugung gebracht hat,
dass keine der beiden Ansichten uneingeschränkt aufrechterhalten werden
kann, habe ich den Versuch gemacht, im Thierexperimente festzustellen,
unter welchen Umständen Salvarsan schädliche Folgen entfaltet.
Der Besprechung meiner Befunde muss ich die Angaben über die
von mir angewendete Injectionstechnik vorausschicken.
Ich habe Salvarsan meist in alkalischer, in einigen Fällen auch in
saurer Lösung angewendet. Das Mittel wurde stets in einigen Cubik-
centimetern destillirtem Wasser gelöst, bei alkalischen Injectionen wurde
die Alkalescenz durch Zusatz von 15proc. Natronlauge erreicht, mit
0,9proc. NaCl-Lösung die gewünschte Verdünnung hergestellt.
Ich betone, dass ich stets frisch destillirtes Wasser zur Herstellung
der stets frisch bereiteten NaCl-Lösung genommen habe, diese auch
durch Kochen sterilisirt habe. Die Injectionsspritzen habe ich, um den
weitgehendsten Forderungen zu genügen (s. R. Gonder, Arch. f. Schiffshyg.
und Tropenhyg., 1912), stets mit destillirtem Wasser ausgekocht.
Daher kann ich mit Sicherheit behaupten, dass ich den „Wasser¬
fehler“ vermieden habe, meine Befunde in dieser Richtung nicht anzu¬
fechten sind. Die Injectionen wurden in allen Fällen intravenös gemacht
und zwar bei Kaninchen in 20 ccm Lösungsflüssigkeit in die Ohrvene,
bei Mäusen in 1 ccm in die Schwanzvene.
Die Anordnung meiner Versuche wurde durch folgende, der Klinik
entnommene Ueberlegungen geleitet:
Wir wissen, wie dies besonders Finger hervorgehoben hat, dass
Salvarsan hauptsächlich in der Secundärperiode der Syphilis schädliche
Einwirkungen entfalten kann. Thatsächlich betreffen die Todesfälle bei
Salvarsananwendung meist Kranke in diesem Stadium der Syphilis. Es
muss daher zu dieser Zeit ein besonderer Grund vorhanden sein, der die
Wirkung des Mittels beeinflusst. Sowohl in der ersten Zeit nach der
lnfection mit der Krankheit, vor dem Exanthem, so lange die Reaction
nach Wassermann negativ, wirkt Salvarsan nicht so schädlich, ebenso
auch wieder später nicht, wenn sog. tertiäre Erscheinungen vorhanden sind.
Da das Salvarsan besonders in der Zeit der Verallgemeinerung der Er¬
krankung, der Ausbreitung über den Organismus so schädlich wirken
kann, erscheint es berechtigt, dies mit den Spirochäten in Verbindung
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zu bringen, die Ansicht zu vertreten, dass der Spirochätenzerfall zu dieser
Zeit die schädliche Wirkung bedingen könne.
Anschliessend hieran will ich die Befunde über den sog. „Wasser¬
fehler“ besprechen. Die von Wechselmann aufgestellte Annahme,
dass Verunreinigungen des destillirten Wassers der zur Injection ver¬
wendeten Lösungen die Ursache der Salvarsanschädlichkeiten seien, hat
viel Anklang und Anhang gefunden. Besonders seit Yakimoff und
Kohl-Yakimoff in einer experimentellen Arbeit angaben, dass die
Toxicität des Salvarsans durch die Anwesenheit von Endotoxinen wesentlich
erhöht wird, werden von sehr vielen Autoren die schädlichen Folgen
mit dem „Wasserfehlcr“ erklärt.
Dabei stösst man immer wieder auf die Angabe, dass trotz'aller
Vorsichtsmaassregeln (frisch destillirtes Wasser, frisch bereitete NaCl-
Lösung), doch unangenehme Nebenerscheinungen, besonders Fieber, auf-
treten, so dass sich schon hieraus ergiebt, dass der Wasserfehler
nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann. Ich bin auf
diesen Punkt noch in meiner Arbeit über das Salvarsanfieber zurück¬
gekommen.
Ausserdem können die Befunde von Y akimoff und Kohl-Yakimoff
mit ihren Schlüssen nicht vollständig auf die Klinik übertragen werden.
Die Autoren erhielten das Endotoxin, indem sie 24ständige Bouillon-
culturen von Bact. coli commune bei 70° C. im Verlaufe einer Stunde
abtödteten. Ihre Lösungen enthalten sicher wohl erhaltene Endotoxine.
Auf die Klinik ist dies nicht so direct zu übertragen. Wenn auch
schon alte, selbst verunreinigte Lösungen verwendet werden sollten, so
waren sie doch sicher frisch gekocht, wobei doch auch Toxine zerstört
werden.
Wenn ich auch der Ansicht bin, dass der Wasserfehler nicht für
alle schädlichen Wirkungen des Salvarsans herangezogen werden kann,
so stimme ich doch Wechselmann vollständig bei, dass man stets
frisch bereitete Lösungen verwenden soll. Aus der Arbeit von Y'akimoff
ziehe ich aber einen anderen Schluss. Die Autoren nehmen an, dass
die Endotoxine der Bakterien die Toxicität des Salvarsans erhöhen.
„Enthält also das Wasser irgend welche Bakterien, die irgend einen
Einfluss auf die Toxicität von Salvarsan besitzen, so wird bei Salvarsan-
injection in der Syphilistherapie die Reaction des menschlichen Körpers
natürlich viel stärker sein, als bei Anwendung frisch sterilisirten, einwand¬
freien Wassers.“
Ich finde, dass man aus den Befunden von Yakimoff und Kohl-
Y akimoff den Schluss ziehen muss, dass Einwirkung von Bakterien¬
toxinen auf den Organismus die Wirkung des Salvarsans steigern, zu
einer schädlichen machen können, dass ein durch Toxine geschädigter
Organismus bei Salvarsaninjection mit schwerer Schädigung reagiren kann.
Zur Zeit der secundären Erscheinungen, der Ausbreitung der Krank¬
heit über den ganzen Organismus, kreisen sicher auch reichlich Virus
und Toxine im Blute. Dass dies der Fall ist, dass sie Schädlichkeiten
hervorrufen, sehen wir dadurch, dass Exantheme auftreten, die wir uns
durch eine Einwirkung auf die Gefässe erklären müssen.
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Die experimentelle Analyse der SalvarsanWirkung.
507
Es war in erster Linie die Frage zu beantworten, ob Salvarsan
dann besonders schädlich wirkt, wenn die Gefässe geschädigt sind. Bei
der Syphilis wären es die Toxine der Spirochäten, bei den Unter¬
suchungen Yakimoffs die absichtlich mit der Injection zugeführten
Endotoxine. Ist diese Annahme richtig, so musste es gelingen, auch
bei anderen Gefässschädigungen schädliche Wirkungen des Salvarsans
hervorzurufen.
In der ersten Versuchsreihe habe ich Mäuse mit Röntgen vor¬
behandelt. Dass Röntgen Gefässschädigungen macht, ist bekannt. Auch
ich habe in einer kleinen Mittheilung „Ueber Entstehung von Gefäss-
erweiterungen und abnormer Hautreaction“ (Dermatologische Wochen¬
schrift 1912) nachgewiesen, dass Röntgen zu dauernden Veränderungen
der Gefässe führt, wobei eine sonst belanglose Schädlichkeit, Einwirkung,
dann hochgradige, irreparable Gefässschädigung hervorruft. Auch in
der neuesten Arbeit über Röntgenschädigungen (Iselin) wird die Gefäss-
wirkung der Röntgenstrahlen betont.
In der ersten Versuchsreihe wurden am 6. 11. 12 8 Mäuse mit Röntgen
bestrahlt. 4 Mäuse durch 6 Minuten, 4 Mäuse durch 10 Minuten.
Distanz 18 cm. 1 Milliampere. 7 Wh. Bauer 2—2,5.
Am 16. 11., also 10 Tage später, wurden 4 mit Röntgen vor¬
behandelte Mäuse und 2 normale Mäuse mit alkalischem Salvarsan,
2 mg in 1 ccm Lösung in die Schwanzvene injicirt. 2 Mäuse, Körper¬
gewicht 23 und 25 g, 10 Minuten röntgenisirt, sowie eine Maus,
Körpergewicht 19 g, 6 Minuten bestrahlt, starben unmittelbar nach der
Injection. Eine Maus, Körpergewicht 25 g, 6 Minuten röntgenisirt, lebte
noch 24 Stunden nach der Injection. Die 2 Controlmäuse vertrugen die
Injection ohne jeden Schaden, sind noch 2 Monate später ganz gesund.
Ebenso sind 2 zur Controle erhaltene Röntgenmäuse zur selben Zeit
frisch und munter, zeigen keine Spur irgend einer Schädigung.
Um zu sehen, ob die mit Röntgen vorbehandelten Mäuse überhaupt
keine Injection mehr aushalten, habe ich am 22. 11. eine dieser Mäuse
mit 0,7 mg alkalischem Salvarsan injicirt, die Maus blieb gesund, ebenso
die entsprechende Controlmaus.
Ebenso vertrugen die Röntgenmäuse keine Reinjection. Die schon
einmal injicirte Röntgenmaus, am 12. 12. mit 2 mg alkalischem Salvarsan
reinjicirt, starb sofort. Die Controlmäuse, eine ebenfalls reinjicirte und
eine nicht vorbehandelte, blieben gesund.
Ich habe den Versuch mit den „Röntgenraäusen“ wiederholt.
Am 27. 11. wurden Mäuse in fast gleicher Weise, wie das erste
Mal, röntgenisirt: 18 cm Distanz, 1 Miliampere, 8 Wh., Bauer 3—4.
Auch bei diesem Versuche vertrugen die Mäuse kleine Dosen ganz gut
(1,5 mg). Eine am 9. 12. mit 3 mg Salvarsan injicirte Röntgenmaus
vom 27. 11. war nach der Injection zuerst ganz frisch, nach kurzer Zeit
wurde sie unruhig, begann nach einer Seite zu laufen, die eine Körper¬
hälfte erschien gelähmt, dann bekam sie Krämpfe, Athemkrämpfe, starb
plötzlich.
Zur Controle und zum Vergleiche der Salvarsan- und der Arsenik¬
wirkung wurde eine dritte Versuchsreihe an mit Röntgenstrahlen vor-
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behandelten Mäusen angestellt. Am 3. 1. 1913 wurden Mäuse in ähn¬
licher Weise, wie die ersten beiden Male röntgenisirt: 18 cm Distanz,
1—2 Milliampere, 8 Wh., Bauer 5—6. Am 14. 1. erhielt eine 12 Minuten
bestrahlte Maus 3 mg alkalisches Salvarsan in der gewöhnlichen Weise;
ebenso eine nicht vorbehandelte Maus. Während diese die lnjection
schadlos verträgt, stirbt die „Röntgenmaus“ in kurzer Zeit. Eine
6 Minuten mit Röntgen vorbehandelte Maus verträgt 2 mg alkalisches
Salvarsan ziemlich gut, bekommt zwar einen Shock, von dem sie sich
aber wieder erholt, bleibt nur die nächsten Tage matt.
Zwei mit Röntgenstrahlen vorbehandelte Mäuse, Dauer der Ein¬
wirkung 6 und 12 Minuten, erhalten in 1 ccm 0,2 mg Natrium arseni-
cosum intravenös.
Wie ich schon früher angeführt habe, ist die Dosis tolerata für
Mäuse bei einem Körpergewichte von ungefähr 20 g 0,2 mg Natrium
arsenicosura. Bei Zufuhr von 0,25 habe ich schon Mäuse mit diesem
Körpergewicht verloren. Beide „Röntgenmäuse“ vertrugen die lnjection
mit Natrium arsenicosum tadellos, zeigten insbesondere keine Shock-
wirkung, blieben gesund.
Während mit Röntgenstrahlen vorbehandelte Mäuse durch Salvarsan-
gaben, die von gesunden, nicht vorbehandelten Mäusen vollständig schadlos
vertragen werden, zu Grunde gehen können, vertragen in der nämlichen
Weise geschädigte Mäuse die höchste Dosis tolerata von Natrium arseni¬
cosum, ohne sichtbar Schaden zu leiden.
Dies ist der Unterschied, auf den ich bei Besprechung der Ver¬
schiedenheiten der Wirkung des Salvarsans und des Arseniks im ersten
Theile dieser Arbeit hingewiesen habe.
Dass thatsächlich die Vorbehandlung mit Röntgenstrahlen, die dadurch
bewirkten Veränderungen des Organismus, der Grund sind, warum die
Thiere das Salvarsan schlecht vertragen, ergiebt sich daraus, dass die
mit Röntgenstrahlen allein behandelten Mäuse weiter leben, dass die in
meinen Fällen gegebene Dosis von 3 mg alkalischen Salvarsans von
gesunden, nicht vorbehandelten Mäusen schadlos vertragen wird. Ich
selbst habe eine ziemliche Anzahl von Mäusen mit 2—3 mg Salvarsan
injicirt, habe diese Dosis für gesunde Thiere bei einem Körpergewicht
von ungefähr 20 g als sicher unschädlich befunden. Ich habe bei In-
jection von 3 mg alkalischen Salvarsans nur eine einzige Maus verloren.
Bei der Obduction erschienen mir die Nieren besonders gross; die mikro¬
skopische Untersuchung ergab parenchymatöse Nephritis. Dass gesunde
Mäuse 3 mg Salvarsan, meist auch höhere Dosen, schadlos vertragen,
geht auch aus den Angaben anderer Autoren hervor. Yak im off und
Kohl-Yakimoff geben an, dass die Dosis tolerata für Salvarsan intra¬
venös 1 ccm einer Lösung von 1 : 300 beträgt, also etwas mehr als
3 mg. K. Beck (Münch, med. Wochenschr. 1912. S. 12) giebt an,
dass er 3 mg Salvarsan in alkalischer Lösung gegeben, diese Dosis
höchstens 3mal wiederholt habe. „Diese Mäuse, alle ca. 20 g schwer,
vertragen diese Dosis sehr gut, sind nur innerhalb der ersten zwei Tage
auffallend ruhig und fressen wenig. Hernach unterscheiden sie sich aber
nicht von normalen.“ Dass nicht die lnjection als solche bei den
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Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 509
röntgenisirten Mäusen so deletär wirkt, ergiebt sich daraus, dass mit
kleineren Dosen Salvarsan behandelte Mäuse gesund bleiben.
Meine Befunde bei Salvarsaninjectionen an röntgenisirten Mäusen,
zusammengehalten mit den von anderen Autoren gemachten Erfahrungen,
ergeben, dass mit Röntgen vorbehandelte Mäuse eine stärkere
Empfindlichkeit gegenüber Salvarsan aufwoisen, sowohl bei der
ersten als der zweiten Injection auf Salvarsangaben sterben, die von
normalen Mäusen ohne jeden Schaden vertragen werden. Selbstver¬
ständlich behaupte ich nicht, dass jede mit Röntgenstrahlen behandelte
Maus auf eine sonst unschädliche Salvarsandosis hin zu Grunde gehen
muss; es besteht nur eine grössere Empfindlichkeit gegen Salvarsan,
wahrscheinlich auf Grund irgend welcher durch die Röntgenisirung be¬
dingter Veränderungen.
Die mikroskopische Untersuchung ergiebt folgende Befunde 1 ):
Maus, Körpergew. 23 g. Am 6. 11. 10 Min. röntgenisirt, erhielt am 16. 2 mg
alkalisches Salvarsan intravenös, starb sofort.
Mikroskopischer Befund (Prof. Joannovics): Das Lebergewebe zeigt
nicht sehr deutlich erhaltene Structur. Die Leberzellen oft ausserordentlich gross, mit
dunklem Kerne, daneben auch mangelhaft gefärbte Leberzellen mit eigentbümlich
wabigem Protoplasma. Grössere Gefässe blutreich. Die intraacinös gelegenen Gefässe
erscheinen jedoch nicht hyperämisch. Die Niere zeigt Verquellung der Epithelien,
namentlich in der Grenzschichte zwischen Rinde und Mark, ln der Milz das lymphati¬
sche Gewebe ausserordentlich reich entwickelt, so zwar, dass das Pulpagewebe hinter
dieses fast vollständig zurücktritt. Lunge zeigt hochgradige Hyperämie mit reich¬
lichem Austritte rother Blutkörperchen in die Alveolen.
Maus, Körpergew. 19 g. Am 6. 11. 12 6 Min. röntgenisirt, erhielt am 16. 2 mg
alkalisches Salvarsan intravenös, starb sofort nach der Injection.
Ausgesprochene Hyperämie der Leber, in der sich neben kernlosen, in Zerfall
begriffenen Leberzellen reichlich auffallend grosse hypertrophische Leberzellen finden.
Die Niere zeigt nur Hyperämie massigen Grades und Quellung des Epithels mit Aus¬
scheidung eiweisshaltigen Harnos. Lunge zeigt hochgradige Hyperämie.
Maus, Körpergew. 23 g. Am 27. 11. 10 Min. röntgenisirt, erhielt am 9. 12.
3 mg alkalisches Salvarsan intravenös. Leber zeigt starke Hyperämie und Quellung, durch
die die radiäre Structur oft verwischt erscheint. Niere zeigt Hyperämie und Quellung
des Epithels. Besonders hochgradige Hyperämie der Lunge. Herzbefund negativ.
Milz zeigt deutlich erhaltene Follikel, während das Pulpagewebe ausserordentlich blut¬
reich erscheint.
Anschliessend die Gehirnbefunde (Hofrath Prof. Dr. Obersteiner’s
Neurologisches Institut an der Wiener Universität):
Eine ,,Röntgenmaus“, die unmittelbar nach der Salvarsan injection (2 mg intra¬
venös) starb, ergab folgenden Befund (Prof. Marburg): Blutungen in die Rinde, in
die Meninx und in den Ventrikel. Allgemeine starke Hyperämie. Das Gleiche im
Corebellum, in der Pia der Medulla oblongata, in dieser selbst. Auch hier kleinste
Blutaustritte. An den Pyramidenzellen der Rinde keine pathologischen Veränderungen,
auch die grossen motorischen Zellen der Medulla oblongata sind nicht besonders ver¬
ändert. Vereinzelt erscheinen die Zellen auch abgeblasst.
Eine ,,Röntgenmaus“, die nach der Salvarsaninjection noch 24 Stunden lebte
1) Für die Erhebung der mikroskopischen Befunde bin ich den Herren Professor
Joannovics und Professor Marburg zu Dank verpflichtet.
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(ebenfalls 2 mg Salvarsan intravenös, Körpergew. 25 g), ergab folgenden Befund:
Ausserordentliche Erweiterung sämmtlicher Gelasse der Meningen sowohl als der cen¬
tralen Theile des Gehirns. Dieses sieht beinahe wie ein Injectionspräparat aus. Die
Rindenzellen sind blasser als normal, stellenweise deutliche Neuronophagie. In der
Medulla oblongata sind die Zellen auch nicht so schön gefärbt als normaler Weise, sie
sind sehr blass und zeigen Neuronophagie.
Die „Röntgenmäuse“ der zweiten und dritten Versuchsreihe (9. 12. 12 und
14. 1. 13), mit 3 mg alkalischem Salvarsan behandelt, zeigen ebenfalls starke Hyper¬
ämie des Gehirns sowohl in der Rinde als auch in den tieferen Partien mit einzelnen
Blutaustritten in der Umgebung der Gefässe, nur Spuren von Oedem.
Diese Befunde ergeben, dass Salvarsaninjectionen in sonst unschäd¬
lichen Dosen bei mit Röntgen vorbehandelten Mäusen schwere Verände¬
rungen an den inneren Organen, Leber, Lunge, Niere, besonders aber im
Gehirn hervorzurufen im Stande sind. Am stärksten treten die Blutungen
hervor, in zweiter Linie erst die Zellveränderungen.
Röntgen allein bewirkt solche weitgehenden Veränderungen nicht, be¬
sonders nicht die Blutungen im Gehirne. Dies ergiebt sich daraus, dass
der Gehirnbefund bei einer Maus der ersten Gruppe, die 10 Minuten
röntgenisirt worden war, am gleichen Tage, an dem die anderen Mäuse
die Salvarsaninjection erhielten, getödtet wurde, ein vollständig negativer
war. (Befund des Collegen Prof. Dr. Marburg.)
Salvarsan allein in den gewöhnlich verwendeten Dosen bewirkt auch
keine so schweren Veränderungen. Diesbezüglich brauche ich mich nicht
einmal allein auf meine Untersuchungen zu beziehen. Beck hat bei
seinen Untersuchungen über die neurotoxische Wirkung des Salvarsans in
17 Versuchsreihen nachgewiesen, dass bei intravenöser Injection von 3 rag
alkalischem Salvarsan bei Mäusen nicht die geringste Degenerations¬
erscheinung in irgend einem nervösen Theil des Kopfes auftrete. '
Daraus ergiebt sich, dass die von mir bei röntgenisirten Mäusen
auf sonst unschädliche Salvarsandosen hin beobachteten schweren Ver¬
änderungen der Organe, besonders des Gehirnes durch die Vereinigung
beider Schädlichkeiten, wahrscheinlich durch die im Gefolge der Röntgeni¬
sirung auftretende Gefässbeschädigung bedingt sind.
Die Befunde werden noch klarer, wenn man sie mit denen bei
acuter Vergiftung mit Salvarsan vergleicht.
Marschalko hat zuerst mitgetheilt, dass Kaninchen bei Salvarsan-
vergiftung mit hohen Dosen (0,11—0,12 pro Kilo) bei Eintritt von Be¬
wusstlosigkeit und Krämpfen sterben, dass der Gehirnbefund punkt¬
förmige Hämorrhagien aufweise. Anschliessend theile ich Befunde mit,
die damit gut übereinstimmen 1 ):
Normale Maus No. 7, Körpergew. 19 g, erhält am 1. 12. 12 3,5 mg alkalisches
Salvarsan intravenös. Tod unmittelbar nach Injection eingetreten.
Mikroskopischer Befund (Prof. Joannovics): In der Leber ausserordent¬
lich hochgradige Quellung, zum Theil auch Verfettung der Leberzellen, wodurch die
Structur und Anordnung zu Leberzellbalken verwischt wird. Vielfach finden sich in
1) Ausführlichere Mittheilungen über Organveränderungen nach Salvarsan¬
injectionen werden demnächst aus der Klinik Finger vom Kollegen Docenten
Dr. Mucha veröffentlicht werden.
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der Leber auch ausgesprochen nekrotische Herde. Die Niere hyperämisoh, Epithelien
gequollen, zum Theil kernlos. Im Lumen der Harnkanälchen geronnene Massen von
Eiweiss. Lungenödem.
Gehirnbefund (Prof.Dr. Marburg): Starkes Hirnödem, geringe Hyperämie. Im
Kleinhirn Oedem und auch Blutungen. Auch in der Medulla oblongata Oedem und
kleine Blutungen an der Grenze zwischen Kleinhirn und Medulla.
Normale Maus No. 8, Körpergew. 23 g, erhält am 1. 12. 12 3,5 mg alkalisches
Salvarsan intravenös. Tod sofort nach Injection eingetreten.
Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Sehr geringe Hyperämie des Gehirns,
Oedem, etwas stärker auf einer Seite entwickelt.
Hund (Dachsei), Körpergew. 8000 g, erhält am 30. 11. 12 0,16 Salvarsan in
20 ccm 0,9proc. NaCl-Lösung, 2 cg pro Kilo, intravenös in die Ohrvene. Sofort naoh
der Injection wird das Thier sehr schwaoh, es macht den Eindruck, als ob es ohn¬
mächtig würde. Athmung und Herzthätigkeit werden immer schwächer; das Thier
stirbt naoh ein Paar Minuten.
Obductionsbefund: Negativ, nur das Herz sehr schlaff.
Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Meninx hyperämisch. Hyperämie des
ganzen Gewebes. Oedem, ohne dass es zu grösseren Lückenbildungen gekommen wäre.
Auch in der Medulla oblongata Hyperämie und etwas Oedem, eine kleine Blutung.
Kaninchen No. 63, Körpergew. 1650 g, erhält am 17. 12. 12 14 cg Salvarsan
in alkalischer Lösung in 20 ccm intravenös. Ungefähr 4 Min. nach der Injection starb
das Thier ganz ruhig, nur unter Erscheinungen erschwerter Athmung.
Obductionsbefund (Prof. Joannovics): Negativ.
Mikroskopischer Befund: Die Leber enthält Fett nur in den Kupffer’schen
Sternzellen. Hochgradige Hyperämie der Leber. Die Leberzellen, die in den peri¬
pheren Antheilen der Acini noch recht gut erhalten sind, erscheinen in der nächsten
Umgebung der Vena centralis wie hydropisch gequollen, aus ihrem Verbände gelöst.
Zunächst erscheinen sie nur mangelhaft im Kerne gefärbt, weiterhin kernlos oder
Reste pyknotischer Kerne führend, in Schollen von mehr hyaliner Beschaffenheit zer¬
fallend. Die Nieren sind frei von Fett, ebenfalls hyperämisch, zeigen nur etwas
stärkere Transsudation in die Kapsel. Herz zeigt keine Veränderung.
Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Starkes Oedem der Rinde und des
Marks im Grosshirn; keine Hyperämie. Enorm starkes Oedem der Medulla oblongata
und des Kleinhirns.
Hält man die Befunde der nur mit Röntgen behandelten Maus, der
vorbehandelten und dann mit sonst unschädlichen Salvarsandosen, der mit
sogar höheren Salvarsanmengen injicirten Mäuse und schliesslich der mit
diesem Mittel direct tödtlich vergifteten Thiere zusammen, so ist der
Schluss berechtigt, dass die schweren Veränderungen durch den
besonderen Zustand des Thieres, wahrscheinlich durch die in
Folge der Röntgenisirung bedingte Gefässveränderung hervor¬
gerufen wurden.
Dieser Befund, der vollständig einer Encephalitis haemor-
rhagica entspricht, ist der erste an einem Thier und experi¬
mentell erhobene Hinweis, auf welche Weise beim Menschen
auf sonst ungefährliche Dosen Salvarsan hin auftretende Todes¬
fälle mit hauptsächlicher Betheiligung des Nervensystems zu
erklären sind.
In einer zweiten Versuchsreihe habe ich Thiere mit Adrenalin vor¬
behandelt. Fünf Kaninchen im Gewichte von 1300—1500 g erhielten in
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der Zeit vom 28. 10. bis 13. 11. 8 mal je 0,1 mg Adrenalin in 1 ccm
0,9 proc. NaCl-Lösung intravenös. Die Thiere erhielten ab 24. 10. nur
Hafer und destillirtes Wasser.
Ich stellte diese Versuchsreihe an, um mich zu überzeugen, ob die
bei länger fortgesetzter Adrenalinbehandlung oft eintretenden Gefäss-
veränderungen auch von Einfluss auf die Wirkung der Salvarsaninjectionen
sind. Der Befund dieser Versuchsreihe ist fast negativ 1 ). Ich erwähne
sie hauptsächlich deshalb, da bei den mit Adrenalin vorbehandelten
Thieren nach der Salvarsaninjection Thrombosen der injicirten Ohr¬
venen aufgetreten sind. Diese entwickelten sich am 4.—6. Tage nach
der Injection, trotzdem sie fehlerlos ausgefallen war. Es sind dies fast die
einzigen Fälle von Thrombenbildung, die ich bei meinen Versuchsthieren
beobachtet habe. Da ich bei dieser Arbeit gegen 100 Kaninchen ver¬
braucht habe, weit über die Hälfte durch lange Zeit, z. Th. durch Monate
in Beobachtung hatte, ist diese Beobachtung immerhin auffallend. Sie
erscheint mir auch deshalb erwähnenswerth, da sie vielleicht einen Hin¬
weis ergiebt, in welcher Art die bei Leuten mit Gefässveränderungen
beobachteten Thrombosen nach Salvarsaninjection aufzufassen sind. Solche
Fälle wurden zuerst von Gaucher, Balzer und Martingay, Clinge-
stein, Müller und Klausner mitgctheilt. Die Fälle sind zwar nicht
ganz gleichartig, indem in einigen die injicirte Vene thrombosirte, in
anderen eine „Fernthrombose“ entstand. Immerhin unterstützen meine
Befunde die von den Autoren gemachte Annahme, dass die Thrombose
durch Erkrankung der Gefässwand bedingt sein konnte.
ln der nächsten Versuchsreihe wurden nicht nur Gefässschädigungen,
sondern auch Nieren Veränderungen bei den Versuchsthieren hervor¬
gerufen. Zu diesem Zwecke habe ich Kaninchen Uran, das eine specifische
Gefässläsion bedingt (R. Fleckseder), weiterhin zu Nierenveränderungen
führt, in verschiedener Dosis subcutan verabfolgt, in verschieden langer
Zeit danach Salvarsan in sonst unschädlicher Dosis injicirt.
Ich habe folgende Versuche angestellt:
Kaninchen No. 40, Körpcrgew. 2400g, erhält am 22. 11. 12 1 mg Uran sub¬
cutan (0,4 mg pro Kilo), am 2. 12. 12 (10 Tage später) — Körpergew. 2150 g, Körper-
temp. 39,05 — 0,086 g alkalisches Salvarsan in 20 ccm 0,9 proc. NaCl-Lösung intra¬
venös (0,04 g pro Kilo). Fehlerlose Injection. Sofort nach der Injection bekommt
das Thier Krämpfe, stirbt in 1—2 Minuten.
Obduction (Prof. Joannovics): Kein eigentliches peritoneales Exsudat. Man
findet nur reichlich z.T. geronnenes Blut zwischen den Darmschlingen, namentlich unter
der Zwerchfellkuppe oberhalb der Leber. Blutaustritte in das Mesenterium und in das
retroperitoneale Zellgewebe. Nieren ausserordentlich blutreich, ziemlich consistent.
Blutungen in die Lunge. Leberhyperämie.
Mikroskopischer Befund: Die Leber enthält Fett nur in den Kupffer-
schen Sternzellen der Peripherie der Acini. Histologisch ist die Structur des Leber¬
gewebes erhalten. Die Leberzellen im Protoplasma auffallend hell, aber kein Fett ent¬
haltend. Einzelne der Leberzellen kernlos; Kern nioht färbbar. In der Niere enthalten
Gruppen von Harnkanälchen Fett, herdförmig wie bei menschlicher Nephritis. Namentlich
1) Nur ein Thier ging drei Wochen nach der Injection kachektisch zu Grunde.
Obductionsbefund negativ.
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findet sich die Verfettung an der Grenze zwischen Rinde und Pyramide. Histologisch
findet man ausgesprochene Hyperämie. Die Epithelien erscheinen gequollen, durch
die Einlagerung von Fett heller, sonst stärker gekörnt, unregelmässig begrenzt, ver¬
einzelte ohne Kernfärbung. Im Lumen der Harnkanälchen ausgefallenes Eiweiss.
Lunge: keine Veränderung.
Gehirnbefund [Hofrath Prof. Dr. Obersteiner’s Neurologisches Institut an
der Wiener Universität (Prof. Dr. Marburg)]: Oedem. Hyperämie der meningealen
Venen sehr stark. Di$ Medulla oblongata zeigt Oedem und Hyperämie. Ventrikel sehr
dilatirt. Zellen ohne Veränderung.
Kaninchen No. 45, Körpergew. 1650 g, erhält am 10. 1. 13 0,6 mg Uran sub-
cutan (0,37 mg pro Kilo); am 18. 1. (Körpergew. 1200 g), 8 Tage später, 4,8 cg alka¬
lisches Salvarsan in 20 ccm Lösung (4 cg pro Kilo) intravenös.
Das Thier stirbt am 20. 1.
Die Obduction ergiebt keine für Uran charakteristischen Veränderungen.
Lunge und Leber sehr blutreich. Blut nicht geronnen. (Obduction am 21. 1., Vor¬
mittags.)
Kaninchen No. 37, Körpergew. 1800 g, erhält am 10. 1. 13 0,72 mg Uran sub-
cutan (0,4 mg pro Kilo); am 14. 1. (Körpergew. 1750 g) 7 cg alkalisches Salvarsan in
20 ccm Lösung (4 cg pro Kilo) intravenös.
Das Thier stirbt am 25. 1.
Bei der Obduction findet man das Blut nicht geronnen. Keine für Uran
charakteristischen Veränderungen.
Kaninchen No. 11, Körpergew. 2650g, Körpertemp. 39,1, erhält am 22. 11. 12
2 mg Uran subcutan (0,7 mg pro Kilo).
25. 11. Körpergew. 2400 g, Körpertemp. 38,7.
26. 11. (4 Tage später) 0,1 g alkalisches Salvarsan in 20 ccm 0,9 proc. NaCl-
Lösung intravenös. Körpergew. 2350 g, 0,042 pro Kilo. Fehlerlose Injection.
27. 1. Körpergewicht 2350 g, Körpertemperatur 37,95. Injicirtes Ohr ganz
normal, ohne Veränderung. — Abends gestorben. Tod also 24 Stunden nach der
Salvarsaninjection eingetreten.
28. 12. Obduction (Prof. Joannovics): Gravidität. Ausgedehnte retro-
peritoneale Blutung in das Zellgewebe, Blutungen in die Lunge, Verfettung des Herzens,
der Leber und Nieren. Milz klein. Die Nieren zeigen keine für Uran charakteristischen
Veränderungen.
Gehirnbefund (Prof. Marburg): Starke Verbreiterung der Meningen, aber
nur stellenweise. Oedem, besonders der Partien um den Ventrikel. Ziemlich aus¬
gesprochene Neuronophagie, viele Rindenzellen ganz von Neuronophagen durchsetzt.
Bei den grösseren Rindenzellen ist die Structur gut erhalten. Die Medulla oblongata
zeigt etwas Oedem. Die Zellen zeigen nur stellenweise leichte Neuronophagie, die
grösseren Zellen sind intact. Die Gefässe sind auffallend dickwandig.
Kaninchen No. 90, Körpergew. 1700 g, Körpertemp. 39,5, erhält am 6. 12. 12.
3,4 mg Uran subcutan (2 mg pro Kilo).
11. 12. Körpertemp. 37,6, 37,5, Körpergew. 1600 g. Erhält Abends 0,064 g
alkalisches Salvarsan in 20 ccm mit 0,9 proc. NaCl-Lösung intravenös (0,04 pro Kilo).
12. 12. Vormittags 8 Uhr 30 Minuten gestorben.
Obduction: Reichlich leicht blutig gefärbte Flüssigkeit in der Bauchhöhle.
Nieren blass, geschwollen. Hydrotborax. Blut nicht geronnen.
Gehirnbefund (Prof. Marburg): Der gleiche Befund wie bei den anderen
Uranthieren, nur tritt in diesem Falle die Hyperämie stärker hervor als das Oedem,
und findet man gelegentlich Blutaustritte. In der Medulla oblongata besteht mehr
Oedem als Hyperämie, auch in diesem Falle auffallend dickwandige Gefässe.
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Kaninchen No. 21, Körpergew. 1550 g, Körpertemp. 39,1, erhält am 26. 11.12.
0,02 g Uran subcutan (1,3 cg pro Kilo).
30. 11. (4 Tage später): 0,06 g alkalisches Salvarsan in 20 ccm 0,9 proc. NaCl-
Lösung intravenös (0,04 pro Kilo). Körpertemp. 38,6.
1. 12. Körpertemp. 38,4.
2. 12. Thier sehr matt, macht Eindruck schwerer Erkrankung, hat flüssig-
schleimige StuhleDtleerungen. Körpertemp. Abends kaum 36. In der Nacht gestorben.
3. 12. Obduction (Prof. Joannovics): In der Peritonealhöhle geringe
Mengen einer gelblich-klaren Flüssigkeit. Hyperämie der Mesenterialgefässe. Nieren
blass, ödematös durchtränkt. Keine Hyperämie der Leber. Blut in den Gefassen nicht
geronnen, gerinnt erst längere Zeit nach Austritt aus den Gefässen. (Obduction nach
11 Uhr, also ungefähr 10 Stunden nach dem Tode.)
Mikroskopischer Befund: Die Leber enthält Fett nur an der Peripherie der
Acini und ganz vereinzelt auch in den Sternzellen. Structur des Lebergewebes erhalten,
Leberzellen gegen einander nur unscharf abgegrenzt, vacuolisirt, zeigen oft nur mangel¬
hafte Kernfärbung. Niere zeigt herdförmige Verfettung der Epithelien, die in ihrer Aus¬
dehnung etwa zwischen den Befunden bei Kaninchen No. 22 und No.40 steht. Ausser¬
dem findet man namentlich in den Pyramiden ausserordentlich reichlich hyaline Cylinder.
Während aber hier die Epithelien allenthalben gut erhalten sind, erscheint das Epithel
der Harncanälchen in der Rinde gruppenweise nekrotisch und desquamirt, wobei durch
Verschmelzen des abgestossenen Epithels mit den Eiweissmassen zum Theil gekörnte
Cylinder zu Stande kommen. Hyperämie besteht, ist aber nicht sehr hochgradig.
Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Starkes Oedem des Gehirns, starke
Hyperämie der Meningen, besonders der Venen. Im Gewebe selbst tritt die Hyperämie
gegen das Oedem stark zurück. Die Medulla oblongata zeigt in gleicher Weise starkes
Oedem. Die Ganglienzellen ein wenig geschrumpft, die pericellulären Räume sehr
erweitert.
Kaninchen No. 22, Körpergew. 1400 g, Körpertemp. 39,1, erhält am 26. 11. 12
0,02 Uran subcutan (1,4 cg pro Kilo).
28. 11. Körpergew. 1400 g, Körpertemp. 38,3. Harn abgepresst, entbältEiweiss.
Erhält 0,06 alkalisches Salvarsan in 20 ccm 0,9 proc. NaCl-Lösung intravenös (0,04
pro Kilo). Fehlerlose Injection. Körpertemp. 10 Uhr: 38,2.
29. 11. Körpergew. 1400 g, Körpertemp. 37,98. Thier ganz frisch, Ohr ganz
normal. Abends Körpertemp. 38,1.
30. 11. Körpergew. 1450 g, Körpertemp. 10 Uhr: 37,7, 6 Uhr 30 Min.: 37,75.
1. 12. Das Thier ist ganz frisch und munter, auffallend ist nur die etwas be¬
schleunigte Athmung. Körpertemp. 37,1. Nach 6 Uhr Abends gestorben.
2. 12. Obduction (Prof. Joannovics): Reichliches hämorrhagisches Trans¬
sudat mit kleinen Blutaustritten in das Gewebe des Mesenteriums. Nieren ödematös
durchtränkt, starke Hyperämie an der Grenze der Pyramide zur Rinde, die sich streifen¬
förmig auch in die Rinde erstreckt. Blutungen in die Lunge. Hyperämie der Leber.
Mikroskopischer Befund: Die Leber, ausgesprochen hyperämiscb, enthält
kein Fett, auch nicht in den Kupffer’schen Sternzellen. Die Structur gut erhalten.
Die Leberzellen selbst gequollen, manchmal wie vacuolisirt, zeigen nicht selten eine
mangelhafte Kernfdrbung. Die Niere enthält mehr Fett als bei Kaninchen No. 40.
Die Fetteinlagerungen betreffen wiederum Gruppen von Harnkanälchen, jedoch nicht
nur an der Grenze zwischen Rinde und Pyramide, sondern auch in grösserer Aus¬
dehnung in der Rinde. Auch die Hyperämie ist stark ausgesprochen. Die Schädi¬
gung erreicht weit höhere Grade als bei Kaninchen No. 40, indem vielfach die Epithelien
der Harnkanälchen abgestossen sind, mit dem ins Lumen ausgeschiedenen Eiweiss zu
gekörnten und hyalinen Cylindern sich vereinigen. Die Bowman’sche Kapsel abge-
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Die experimentelle Analyse der SalvarsanWirkung.
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hoben, zwischen ihr und den Glomerulis vielfach körnig-krümelig geronnene Eiweiss¬
massen. Lunge zeigt Oedem und Blutaustritte.
Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Gehirn zeigt mehr Oedem als Hyper¬
ämie, die auch geringer als bei Kaninchen No. 21 ist. ln der Medulla oblongata die
Hyperämie stärker. Der vierte Ventrikel ausgedehnt. Zellen normal.
Kaninchen No. 7, Körpergew. 1550g.
4.12.12 Körpertemp. 39,5. Blutgerinnung: 1' 45 Faden, V 50 geronnen.
5.12. Körpertemp. 39,75, 39,5. Blutgerinnung: 1'45 Faden, 1'50 geronnen.
6. 12. Erhält 0,016 Uran subcutan (0,01 Uran pro Kilo), drei Tage später
Salvarsan.
8. 12. Körpertemp. 38,9. Blutgerinnung: 2' 45 Faden.
9. 12. Körpertemp. 38,5. Erhält 0,056 alkalisches Salvarsan in 20 ccm
0,9proc. NaCl-Lösung intravenös (0,039 pro Kilo). Körpergew. 1450 g. Fehlerlose
Injection.
10. 12. 9 Uhr 30 Min. gestorben.
Obduction (Prof. Joannovics): Geringe Mengen einer vollständig klaren
Flüssigkeit im Abdomen. Nieren blass, stark ödematös. Blut flüssig.
Mikroskopischer Befund: Die Leber enthält nur wenig Fett. Es findet sich
in den peripheren Antheilen der Acini in Form feiner Tröpfchen innerhalb der Leber¬
zellen, sowie auch in KuplTer’schen Sternzellen. Im Uebrigen sind die Leberzellen im
Allgemeinen gequollen, zeigen oft auch mangelhafte Kernfarbung, doch ist die
Structur des Lebergewebes sonst gut erhalten. Nieren zeigen starke Veränderungen
entsprechend der Uranvergiftung.
Die Befunde ergeben, dass bei kleinen Urandosen, die vorwiegend
das Gefässsystem schädigen, die nachfolgende Salvarsaninjection in ein¬
zelnen Fällen zu Blutungen führt, während bei Vorbehandlung mit grösseren
Urandosen oder auch bei längere Zeit darauf folgender Salvarsaninjection
das Krankheitsbild nicht mehr vom Salvarsan, sondern von der Uran¬
wirkung bestimmt wird.
Trotzdem der Einwand zu machen wäre, dass mit Uran behandelte
Thiere jedenfalls sterben, diese Salvarsanwirkung also nichts Besonderes
wäre, sind die Befunde doch in mancher Richtung verwendbar. Erstens
spricht der rasche oder in manchen Fällen sofort eintretende Tod nach
der Salvarsaninjection bei Vorbehandlung mit kleinen Urandosen für eine
besonders schädliche Wirkung auf die durch Uran geschädigten Gefässe,
umsomehr als ausgedehnte Blutungen nicht zum Bilde der Uran Vergiftung
gehören. Zu bemerken ist dabei, dass thatsächlich in einzelnen Fällen
Veränderungen der Gefässe auch bei der mikroskopischen Untersuchung
festgestellt wurden. Ob sie durch das Uran, bedingt oder nur eine zu¬
fällig bei den Versuchsthieren vorhandene Veränderung darstellen, kommt
bei meinen Untersuchungen nicht in Betracht; hier genügt die Fest¬
stellung, dass in einzelnen Fällen von Salvarsantod auf sonst unschäd¬
liche Dosen Gefässveränderungen vorhanden waren. In ähnlicher Weise
soll der gewiss auffällige Befund, dass das Blut der mit Uran vorbe¬
handelten, an Salvarsan zu Grunde gegangenen Thiere noch lange nach
dem Tode nicht geronnen war, einfach mitgetheilt werden.
Bezüglich der Verwerthbarkeit der Befunde ist zweitens anzuführen,
dass im Gefolge der Uranvergiftung Nierenveränderungen auftreten, so-
dass man den auf Salvarsan rascher, als zu erwarten war, eintretenden
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Tod der Versuchstiere auch für die besonders schädliche Wirkung des
Salvarsans bei bestehenden Nierenveränderungen heranziehen könnte.
Hierfür spricht auch die früher mitgetheilte Beobachtung, dass die einzige
Maus, die mir an 3 mg alkalischem Salvarsan zu Grunde ging, eine
parenchymatöse Nephritis hatte.
Während in den ersten zwei Versuchsreihen, Röntgen und Adrenalin,
nur Gefässschädigungen, in der dritten ausser diesen auch Veränderungen
der Nieren hervorgerufen wurden oder werden sollten, handelt es sich
bei der vierten Versuchsreihe vorwiegend um Nierenschädigungen, bedingt
durch Sublimat. Diese Versuchsreihe habe ich nicht nur angestellt, um
die Wirkung des Salvarsans bei geschädigter Niere zu prüfen, sondern
auch um die neuerdings aufgekomraene, besonders von Wechsel mann
vertretene Ansicht experimentell zu untersuchen, dass Salvarsan bei com-
binirter Behandlung, also im Verein mit Hg besonders schädlich wirke.
Ara 22. 11. injicirte ich Mäusen 0,2 mg Sublimat in 1 ccm intravenös.
Am 25. 11. injicirte ich einer dieser Mäuse 2 mg alkalisches Salvarsan
intravenös, ebenso einer normalen Maus. Beide Mäuse blieben gesund.
Ara 26. 11. injicirte ich einer der mit Sublimat vorbehandelten Mäuse
3 rag Salvarsan (Körpergew. 24 g). Sie starb unmittelbar nach der In-
jection; die Controlmaus (18 g Körpergew.) blieb gesund. Eine zweite mit
Sublimat vorbchandelte Maus mit einem Körpergewicht von 33 g blieb am
Leben. Sowohl die mit Sublimat allein vorbehandelten Mäuse als auch die
Controlmäuse für Salvarsan allein sind 4 Wochen später am Leben, ganz
gesund. Die stärkste der mit Sublimat vorbehandelten Mäuse hat einen
Tag nach der Salvarsaninjection geworfen, blieb aber ebenfalls ganz gesund.
Am 28. 11. injicirte ich 4 Mäuse mit je 0,4 mg Sublimat subcutan.
Ara 1. 12. injicirte ich einer dieser 1,75 mg Salvarsan intravenös, ebenso
einer normalen Maus. Diese blieb gesund, die Sublimatraaus bekam
nach der Injection Krämpfe, starb in 3 Stunden (Maus No. 6).
Zwei Sublimatmäuse, die eine höhere Salvarsandosis (3 mg) erhielten,
starben sofort nach der Injection. Die mit Sublimat allein behandelte
Maus starb erst am 18. 12., also fast 3 Wochen später.
Anschliessend theile ich die pathologischen Befunde mit:
Maus No. 6 erhält am 28. 11. 0,4 mg Sublimat subcutan (Körpergew. 23 g), am
1. 12. 1,75 mg alkalisches Salvarsan intravenös. Sofort nach der Injection Krämpfe,
bleibt aber über 3 Stunden am Leben. Die Leber im grossen und ganzen gut er¬
halten, nur erscheint die Structur durch Vergrösserung und Quellung der Leberzellen
weniger deutlich. Fett findet sich namentlich in den peripheren Antheilen der Acini
in grosser Menge. Hyperämie massigen Grades. Die Niere enthält Fett in geringen
Mengen, vorwiegend in den gewundenen Harnkanälchen der Kinde. Selbst im histo¬
logischen Bilde eine schwere Schädigung des Epithels bis zur Nekrose und Des¬
quamation, sowie Bildung hyaliner Cylinder. Zwischen Glomerulis und Kapsel findet
sich reichlich ausgefallenes körnig-krümeliges Eiweiss. Hyperämie deutlich ausge¬
sprochen. Hochgradigste Hyperämie der Lunge, leichter Grad von Oedem.
Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Das Gehirn zeigt Hyperämie, aber
noch mehr Oedem, sowohl in der Rinde als ganz besonders in der Nähe der Ventrikel.
Maus No. 9, Körpergew. 23 g, erhält am 28. 11. 0,4 mg Sublimat subcutan,
am 1. 12. 3 mg Salvarsan intravenös. Tod sofort nach Injection eingetreten.
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Die experimentelle Analyse der SalvarsanWirkung. 51?
Mikroskopischer Befand: Die Leber enthält reichlich Fett, das ziemlich
gleichmässig über den ganzen Acinus in Form grosser Fetttropfen in den Leberzellen
eingelagert sich findet. Die Leberzellen selbst sind durch die Einlagerung des Fettes
oft schwer geschädigt, zeigen mangelhafte Kernfärbung. In den centralen Antheilen
der Acini erscheinen sie auch nekrotisch. Niere ist eigentlich so gut wie fettfrei, nur
ganz vereinzelt enthalten Harnkanälchen in ihren Epithelien Spuren von Fett in Form
feinster Tröpfchen. Im histologischen Bilde prägt sich die Hyperämie deutlich aus.
Ausserdem besteht eine Quellung des Epithels der Harnkanälchen, deren Lumen mehr
oder weniger reichlich körnig geronnenes Eiweiss, sowie auch vereinzelte hyaline
Cylinder enthält. Die Milz erscheint blutreich, in ihren Pulpazellen auch zellreich,
wodurch die Follikel nur wenig deutlich hervortreten. In der hyperämischen Lunge
hochgradiges Oedem.
Gehirnbefund (Prof. Dr. Marburg): Viel stärkere Hyperämie und Oedem als
bei Maus No. 8. Das Oedem überwiegt die Hyperämie.
Betrachten wir die Versuchsreihe der mit Sublimat vorbehandelten,
dann mit Salvarsan injicirten Mäuse, so finden wir, dass eine erhöhte
Empfindlichkeit für Salvarsan besteht. Jene Mäuse, die nur Sublimat
erhalten hatten, blieben 3 Wochen und länger am Leben, ebenso die nur
mit Salvarsan injicirten Thiere, während die vorbehandelten und dann
mit Salvarsan injicirten Mäuse sofort oder in kürzester Zeit zu Grunde
gingen. Dieser Befund stimmt mit den Angaben anderer Autoren gut
überein.
Tokashi und Miyabe fanden bei mit Sublimat vorbehandeltem
Kaninchen, dass Salvarsaninjection die klinischen Erscheinungen der
Nephritis sehr steigere. Weiterhin stellten sie fest, dass Salvarsan allein
der gesunden Niere wenig oder gar nicht schade. Schlasberg (Dermatol.
Zeitschr. 1912) kommt auf Grund experimenteller Untersuchungen zu
dem Schlüsse, dass eine einzelne intravenöse Salvarsaninjection in der
Dosis von 2 cg pro Kilogramm beim Kaninchen gar keine Veränderungen
der Nieren bedingen könne. Erst bei Wiederholung der Injectionen und
bei höheren Dosen komme es zu pathologischen Veränderungen der
Niere. Es erscheint daher die Annahme berechtigt, dass bei Thieren,
die durch vorhergehende Hg-Behandlung geschädigt wurden, Salvarsan-
dosen, die von normalen, gesunden Thieren ohne jeden Schaden ver¬
tragen werden, schädlich, wie meine Untersuchungen ergeben, oft direct
tödtlich wirken.
Auf Grund all dieser Befunde würde ich daher die Frage, ob die
Combination von Hg und Salvarsan schädlich wirken könne, dahin beant¬
worten, dass Salvarsan in jenen Fällen eine schädliche Wirkung ent¬
falten könne und wahrscheinlich auch entfalten werde, in denen es in
Folge der Hg-Wirkung bereits zu Schädigung der Nieren ge¬
kommen ist. Ohne Veränderung der Nieren dürfte Salvarsan aller Wahr¬
scheinlichkeit nach auch bei combinirter Behandlung keinen Schaden
anrichten, besonders bei intravenöser Injection, da es bei dieser, wie
bekannt, sehr rasch ausgeschieden wird.
Meine Befunde geben mir daher nicht die Berechtigung, die com-
binirte Behandlung für nicht angezeigt zu halten, die unter Umständen
auftretenden Schädigungen durch die Combination als solche zu erklären,
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd. 34
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sondern enthalten meiner Ansicht nach den deutlichen Hinweis, bei
bereits mit Hg behandelten Fällen dem Zustande der Nieren die grösste
Aufmerksamkeit zu schenken, bei Veränderungen dieser mit der grössten
Vorsicht vorzugehen, eher auf eine Salvarsanbehandlung zu verzichten.
Auf Grund meiner Befunde müsste ich die zweite Frage meiner
Arbeit, ob die schädlichen Nebenwirkungen des Salvarsans nur durch
besondere, bisher noch unbekannte Verhältnisse bedingt sind, dahin
beantworten, dass die schweren Folgen des Salvarsans, richtige Dosirung
und fehlerlose Injection vorausgesetzt, nicht durch das Mittel als solches,
sondern durch krankhafte Veränderungen des Organismus bedingt sind,
in Folge deren das Salvarsan eine besonders schädliche Wirkung entfaltet.
Zur weiteren Unterstützung dieser Ansicht muss ich ausser den bei
den Versuchen angeführten Controlthieren, die gesund blieben, noch an¬
führen, dass ich im Verlaufe dieser Arbeit, bei der ich seit Juni d. J.
an 100 Kaninchen verbraucht habe, kein von mir nicht vorher absichtlich
geschädigtes Thier durch Salvarsan verloren habe, von den beabsichtigten
Vergiftungen natürlich abgesehen. Noch heute (Ende 1912) laufen in
den Stallungen an 40 Thiere herum, die alle, zum grossen Theile vor
Monaten, 4 cg Salvarsan pro Kilo erhielten. Verloren habe ich, um
ganz genau zu sein, ein Thier im Anfänge der Arbeit durch Luft¬
embolie, ein Thier an Lungenseuche, eines an eitriger Peritonitis, dem
beim Messen der Temperatur im Rectum der Darm durchgestossen
worden war. Alle anderen Thiere, die ich, um ein Urtheil zu gewinnen,
zum Theil seit dem Sommer im Futter habe, sind am Leben geblieben,
was jedenfalls auch ein Hinweis ist, dass Salvarsan in mittleren Dosen
bei gesunden Thieren keine besonders starke Schädigung bewirken kann 1 ).
Ich bemerke hierzu, dass ich dies nur bezüglich der einmaligen Injection
annehme, über Reinjectionen und deren Folgen in dieser Arbeit kein
Urtheil abgeben will.
Während Salvarsan in normalen Dosen bei gesunden
Thieren fast unschädlich zu sein scheint, wirkt es bei Ver¬
änderungen der Gefässe, besonders der Capillaren, sowie bei
Veränderungen der Nieren, ausserordentlich schädlich.
Für die Klinik bieten meine Befunde die Erklärung für die Todes¬
fälle bei sonst normaler Weise gut vertragenen Salvarsandosen, sie geben
die Berechtigung und Verpflichtung, das Salvarsan in jenen Fällen und
in jenen Stadien der Syphilis von der Behandlung auszuschliessen, in
denen wir Gefässschädigungen, besonders Capillarveränderungen, annehmen
müssen, also bei der Syphilis in der secundären Periode, bei der schon
die Exantheme auf Veränderungen der Gefässe hinweisen. Weiterhin
enthalten sie die Mahnung, stets den Zustand der Nieren genau zu
beachten, auch bei der combinirten Behandlung mit Hg und Salvarsan
]) Anmerkung während der Correctur: Später ausgeführte mikroskopische
Untersuchungen ergaben, dass auch bei diesen Thieren sich Organveränderungen ge¬
funden haben, deren mögliche Abhängigkeit von der Salvarsaninjection vom Collegen
Doc. Dr. Mucha untersucht werden wird.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Die experimentelle Analyse der Salvarsanwirkung. 519
dieses nur dann anzuwenden, wenn keine Veränderungen der Niere vor¬
handen sind.
Meine Befunde sind wahrscheinlich auch geeignet, die in einzelnen
Fällen aufgetretenen Thrombosen, die Richtigkeit der klinischen Auf¬
fassung des Entstehens dieser, zu bestätigen.
Sie geben einen Hinweis, einzelne der bei Salvarsanbehandlung
beobachteten Eigentümlichkeiten luetischer Exantheme, so der von
Oppenheim zuerst beschriebenen Blutaustritte^ zu erklären. Sie stimmen
auch in einem weiteren Punkte, der Erklärung der Herxheimer’schen
Reaction mit der von Ricker und Knape gegebenen Erklärung überein,
indem auch sie die Annahme eines vermehrten Blutzuflusses und einer Blut¬
stauung in den pathologisch veränderten Gefässen wahrscheinlich machen.
Die experimentelle Analyse des Salvarsans, am gesunden und ge¬
schädigten tierischen Organismus durchgeführt, ergiebt folgende Befunde:
1. Die acnte Wirkung des Salvarsans ist keine Arsen-
Ionenwirkung, sondern die der ganzen complexen Ver¬
bindung; sie unterscheidet sich von jener wesentlich
und ist ihr in mancher Beziehung geradezu entgegen¬
gesetzt. Bei chronischer Wirkung des Salvarsans dürfte in
den Gewebszellen die eigentliche Arsen-Ionenwirkung
unter Zerfall des Complexes zur Geltung kommen.
2. Salvarsan ist in richtiger Dosirung und bei fehlerloser
Injection ein relativ unschädliches Mittel. Jedenfalls
weist es für seinen hohen Arsenikgehalt eine sehr
geringe Toxicität auf.
3. Die acute tödtliche Vergiftung des gesunden Organismus
mit hohen Salvarsandosen ist auf Herzwirkung zurück¬
zuführen. Bei krankem Organismus, besonders bei
geschädigtem Gefässsysteme, treten dagegen bereits
auf Salvarsangaben, die keine wesentliche Schädi¬
gung des Herzens herbeiführen, durch Einwirkung auf
die krankhaft veränderten Gefässe schwere Erschei¬
nungen, unter Umständen der Tod ein.
So finden die schweren Folgen des Salvarsans, so weit
sie nicht durch Fehler in der Dosirung oder Injection hervor¬
gerufen werden, ihre Erklärung in Veränderungen des Orga¬
nismus, namentlich des Gefässsystems und der Nieren.
Diese experimentell erhobenen Befunde sind geeignet, die
bisher ungeklärten Todesfälle nach Salvarsaninjectionen zu
erklären, dadurch die Indicationsstellung des Mittels zu be¬
richtigen.
Wird der Zustand des Organismus genügend berücksichtigt,
dann wird es gelingen, die üblen Zufälle bei Salvarsanbehand¬
lung zu vermeiden, von den guten Wirkungen des Mittels
vollen Nutzen zu ziehen.
34*
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
XXVII.
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Aus dem Laboratorium der II. med. Klinik in Berlin
(Director: Geh.-Rath Prof. Dr. Kraus).
Nebenniere und Zuckerstich.
Von
Adolf Jarisch.
(Hierzu Tafeln XVI und XVII.)
Die Entdeckung May er’s (20), dass beim Kaninchen die doppel¬
seitige Exstirpation der Nebenniere das Zustandekommen der Piqüre-
glykosurie verhindert, welche später von Kahn (16) und Landau (18)
bestätigt wurde, gab Anlass, der Nebenniere eine wichtige Rolle im
Zuckerstichmechanismus zuzuweisen. Im Hinblick auf die von Blum (5)
entdeckte glykosurische Wirkung des Adrenalins wurde angenommen,
dass der in der Rautengrube gesetzte Reiz die Nebenniere veranlasse,
ihr specifisches Marksecret, das Adrenalin, in den Kreislauf auszuschütten
und dass dieses dann das Glykogen mobilisire. Die unmittelbare Wirkung
der Piqüre sei eine Hyperadrenalinämie, die Hyperglykämie (bezw. die
Glykosurie) eine secundäre Erscheinung. Zur directen Bestätigung dieser
Annahme standen zwei Wege offen. Erstens galt es die Hyperadrenalin¬
ämie nachzuweisen. Während Watermann und Smit (32), Water¬
mann (33) den Adrenalingehalt des Blutes nach der Piqüre erhöht
fanden, kamen Kahn (16), Brücke (6) Negrin y Lopez (22) zu einem
negativen Resultate. Da jüngst Kahn zeigen konnte, dass die Ver¬
mehrung des Adrenalins im Blute bei der experimentellen Adrenalin-
glykosurie nach Injection von 0,1—0,5 mg Adrenalin dem Nachweis mit
den gebräuchlichen Methoden entgeht, kommt die Adrenalinbestimmung
für den Beweis der Betheiligung der Nebenniere am Zuckerstichmecha¬
nismus nicht in Betracht.
Den zweiten Weg beschritt Kahn: Er versuchte den Beweis auf
mikrochemischem, d. h. histologischem Wege, zu erbringen.
Ausgehend von der Vorstellung, dass die Intensität der Chrom-
reaction, d. h. die Intensität der Chromaffinität der Markzellen ein Maass¬
stab des Adrenalingehaltes der Nebenniere sei, untersuchte er die Neben¬
nieren von Kaninchen, welche auf der Höhe der Piqüreglykosurie
exstirpirt worden waren, histologisch auf die Intensität der Chrom¬
bräunung ihrer Markzellen. Dabei ging er so vor, dass er bald die
linke, bald die rechte Nebenniere exstirpirte, hierauf den Zuckerstich
ausführte, und, nachdem Zucker im Harn aufgetreten war, nach 2 x / 2 bis
3 Stunden die rechte Nebenniere entfernte. Beide Organe wurden in
Chromlösung fixirt, ganz gleich behandelt und die Präparate dann ver-
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nebenniere und Zuckerstich.
521
glichen. Hierauf untersuchte er, ob die Durchschneidung eines Splanch-
nicus die eine Nebenniere vor dem vom Zuckerstich erwarteten Ein¬
flüsse schützt und drittens, ob die elektrische Reizung eines Splanchnicus
eine Veränderung im Nebennierenmarke hervorruft. Das Resultat war
folgendes: Die während der Zuckerstich Wirkung im Thiere verbliebene
Nebenniere zeigte im Vergleich mit der vor dem Zuckerstich exstirpirten
eine hochgradige Abnahme der Chrorairbarkeit des Markes. Die Durch¬
schneidung eines Splanchnicus schützt die von ihm versorgte Neben¬
niere vor der genannten Veränderung. Künstliche rhythmische Reizung
eines Splanchnicus verursacht Glykösurie, ohne die Chromreaction des
Markes zu beeinflussen. Kahn schloss daraus, dass die Nebennieren
nach dem auf dem Splanchnicuswege ihr zugeleiteten Piqürereiz ihr
Adrenalin aussehütten und dadurch die Glykosurie hervorrufen.
Kahn konnte ferner zeigen, dass die im Sinne der Verminderung
der Chromreaction veränderte Nebenniere, im Blutdruckversuch geprüft,
auch einen geringeren Gehalt an vasoconstringirender Substanz aufwies,
als die normale.
Herr Professor Brugsch forderte mich auf, die Resultate Kahn’s
betreffend, die durch den Zuckerstich bewirkte Veränderung des Neben-
nierenraarkes nachzuprüfen. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Professor
Brugsch für die Stellung des Themas meinen Dank sagen.
Methodik.
Der Zuckerstich wurde nach der Methode Eckhart’s (11), nachdem in einer
vorbereiteten Operation die Membrana atlanto-occipitalis post, freigelegt und gespalten
worden war, ausgeführt. Bei der Splanchnicotomie hielt ich mich an die Angaben
Schul tze’s (28). Sämmtliche Operationen wurden streng aseptisch ausgeführt.
Betont sei, dass die Thiere nur während der Eröffnung des Abdomens und während
des Zuckerstiohes mit Aether narkotisirt wurden, um einer eventuellen Einwirkung
der Narkose auf das Nebennierenmark [Schur und Wiesel (29)] zu entgehen.
Ebenso wurden mit Rücksicht auf den bekannten Einfluss der Abkühlung und Fesselung
auf den Kohlehydratstoffweohsel [Boehm und Hofmann (7)] die Thiere nach der
Operation mit warmen Tüchern gewärmt und nur die unbedingt nötbige Zeit auf dem
Operationsbrett gelassen. Sämmtliche Nebennieren wurden auf operativem Wege ge¬
wonnen und unmittelbar in die Fixirungsflüssigkeit gebracht, so dass auch die Ein¬
wirkung der Agone [Cevidalli und Leonoini (9)] ausgeschaltet wurde. Der im
Harn aufgetretene Zucker wurde durch Reduction Fehling’scher Lösung naoh-
gewiesen und die Quantität polarimetrisch bestimmt.
Histologische Technik.
Alle Nebennieren wurden in gleicher Weise, mit den gleichen Flüssigkeiten,
während der gleichen Zeit behandelt. Die Fixirung der lebenswarmen Organe erfolgte
in einem Gemisch, welches 90 ccm einer 3,5proc. Kaliumbicbromatlösung und lOccm
des käuflichen 40proc. Fortnols enthielt. In dieser Lösung blieben die Nebennieren
24 Stunden, dann wurden sie auf 48 Stunden in eine 3,5 proc. Kaliumbichromat-
lösung gebracht und hierauf 48 Stunden in fliesseudem Wasser ausgewaschen. Dann
wurden die Organe halbirt und z.T. ganz in Celloidin, z.T. die eine Hälfte inCelloidin,
die andere in Paraffin eingebettet. Da es in Folge der homogenen Structur der Organe
gelang, Celloidinschnitte von 5 gi Dicke zu erzielen, wurde die bedeutend schonendere
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
522
Adolf Jarisch,
Einbettung in Celloidin bevorzugt. Es wurden Schnitte von 5—20/r Dicke untersucht.
Die Resultate sind auf der Tabelle verzeichnet.
Nummer
Datum
Ge¬
wicht
g
Operation
o
o
=J
CS3
g
Exstirpation
der anderen
Nebenniere
naeh
linke Nebenniere
rechte Nebenniere
af *S
t Z t
Sk.:;
1
12. 11.
—
Exstirpation beider Neben¬
nieren
-
—
dunkel chromirt
|
dunkel chromirt
=
2
14. 11.
—
do.
—
Exstirpat.
do.
do.
=
3
20. 11.
—
do.
—
Wider
do.
do.
=
4
7. 1.
2200
do.
—
nieren
mittelstark chromirt
mittelstark chromirt
=
5
22. 11.
1600
do.
—
nach
dunkel chromirt
dunkel chromirt
=
6
27. 11.
—
Zuckerstich
0,74
4V 2 Std.
do.
do.
=
7
10.12
—
do.
0,8
4 l / 2 *
mittelstark chromirt
mittelstark chromirt
=
8
28. 2.
1600
do.
0,65
2
dunkel chromirt
dunkel chromirt
=
9
16. 12.
—
Exstirpation d. linken Neben¬
niere, Zuckerstich
1,09
4 Std.
do.
schwach chromirt
»
10
18. 12.
—
do.
0,25
4 „
do.
sehr schwach chromirt
»
11
27. 11.
—
do.
0
5 *
do.
keine Chromreaction >>>
12
2. 12.
—
do.
0
4«/. „
do.
schwach chromirt
»
13
2. 1.
—
Exstirpation d. linken Neben¬
niere
—
4 V, ,
do.
etwas blässer wie die
linke
>
14
2. 1.
—
Exstirpation d. recht. Neben¬
niere
—
4*/4 ,
deutlich blässer wie
die rechte
mittelstark chromirt
<A
15
10. 1.
2200
extraperitoneale Exstirpation
der rechten Nebenniere
—
4»/. „
do.
dunkel chromirt
<<
16
13. 1.
1500
extraperitoneale Exstirpation
der linken Nebenniere
—
5 1 / 2 T>
dunkel chromirt
sehr schwach chromirt
>>
17
20. 12.
1300
Exstirpation d. linken Neben¬
niere, Eckhart’sche Op.
—
4 V 2 n
i do.
keine Chromreaction
>»
18
3. 1.
2300
do.
—
4 „
mittelstark chromirt
do.
19
17. 1.
2300
Exstirpation d. linken Neben¬
niere
—
2V 2 „
dunkel chromirt
dunkel chromirt
20
28. 1.
1750
Exstirpation d. linken Neben¬
niere, Zuckerstich
Exstirpation d. recht. Neben¬
niere, Zuckerstich
Exstirpation d. linken Neben¬
niere, Eckbart’sche Op.
0
2V 2 *
do.
schwach chromirt
i »
21
29. 1.
1850
0
2 .
schwach chromirt
dunkel chromirt
«
22
3. 2.
1270
—
2 *
dunkel chromirt
schwach chromirt
N>
23
5. 2.
1800
do.
—
9
w V
do.
do.
24
25. 2.
1600
Splanchnicotomie links, Eck¬
hart’sche Op.
—
2 ,
do.
do.
»
25
11 . 3.
1900
do.
—
4‘/t »
do.
sehr schwach chromirt »'
26
7. 3.
1650
Exstirpation d. recht. Neben¬
niere, Splanchnicotomie
links, Eckhart’sche Op.
3 .
do.
dunkel chromirt
No. 1—5. Zur Orientirung wurden 5 Paare von Nebennieren von
Thieren, an welchen keinerlei Eingriff gemacht worden war, untersucht.
Der Vergleich der Präparate ergiebt, dass die beiden Nebennieren eines
Thieres den gleichen Grad der Chrombräunung zeigen, dass aber die
einzelnen Paare sich von einander hinsichtlich der Chromreaction unter¬
scheiden.
No. 5—8. Die Nebennieren wurden i l / 2 bezw. 2 Stunden nach erfolg¬
reicher Piqüre exstirpirt. Die Marksubstanz zeigte gute Chromirbarkeit.
No. 9—12. Es wurde die linke Nebenniere exstirpirt, die Piqure
ausgeführt und nach 4—5 Stunden die rechte Nebenniere gewonnen.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nebenniere und Zuckerstich.
523
In zwei Fällen trat kein Zucker im Harn auf. Die rechte Nebenniere
zeigte in allen Fällen nur schwache Chromreaction.
Hierauf wurden die bei dieser Versuchsanordnung angewendeten
Eingriffe in ihrer Wirkung auf das Nebennierenmark geprüft.
No. 13—14. Die Exstirpation einer Nebenniere, per laparotomiam,
bewirkt in 4*4 Stunden eine deutliche Verminderung der Chromaffinität
des Markes der zurückgebliebenen Nebenniere.
No. 15—16. Auch die Exstirpation vom Rücken aus, ohne Er¬
öffnung der Peritonealhöhle (durch Obduction controlirt), wirkt in bis
57* Stunden in der angegebenen Weise.
No. 17—18. Die Exstirpation einer Nebenniere bewirkt im Verein
mit der Vorbereitungsoperation für den Zuckerstich (Eckhart) in 4 J /2 bis
5 Stunden vollständiges Verschwinden der Chromreaction in der zurück¬
gebliebenen Nebenniere.
Nun wurde untersucht, ob die erwähnte Veränderung schon in 2 bis
2 1 / 2 Stunden zu erzielen sei.
No. 19. Bei einem 2300 g schweren Kaninchen wirkte die Ex¬
stirpation einer Nebenniere nicht auf das Mark der anderen ein.
No. 20—21. Zwei Piqüreversuche: ohne dass Zucker im Harn auf¬
getreten wäre, zeigen beide Nebennieren hochgradige Unterschiede.
No. 22—23. Die Exstirpation einer Nebenniere bewirkt im Verein
mit der Eckhart’schen Operation (ohne Zuckerstich) auch binnen zwei
Stunden eine hochgradige Veränderung in der zurückgelassenen Neben¬
niere.
No. 24—25. Nach der Durchschneidung des linken Splanchnicus
und Eckhart’scher Operation zeigt sich die linke Nebenniere dunkel
chromirt, während die rechte nur blassgelb erscheint.
No. 26. Nach der Exstirpation der rechten Nebenniere und der
Eckhart’schen Operation schützt die Durchschneidung des linken Splanch¬
nicus die linke Nebenniere vor dem Verlust ihrer Chromreaction.
Aus den Versuchen geht hervor, dass ein Einfluss des Zuckerstiches
auf das Mark der Nebenniere nicht nachweisbar ist. Die nach wirk¬
samem Zuckerstich exstirpirten Nebennierenpaare zeigen gute Chromirung.
(Wenn ein Paar etwas blässer erscheint, so beweist dies nichts, da sich
nicht alle Kaninchen-Nebennieren gleich intensiv mit Chrom bräunen
lassen.) Die nach Exstirpation einer Nebenniere und Zuckerstich in der
andern auftretende Veränderung ist nicht auf den Zuckerstich, sondern
auf die zur Anwendung kommenden Eingriffe zu beziehen.
Es bleibt die Frage zu beantworten, wodurch die Veränderung im
Nebennierenmark entsteht. Eine com pensatorische Ausschwemmung des
chromaffinen Secretes aus einer Nebenniere nach Exstirpation der anderen
ist wahrscheinlich, doch spricht Versuch 19 dagegen, dass dieselbe mikro¬
chemisch nachweisbar wäre.
Es ist bekannt, dass die Laparotomie, Aderlässe und andere chirur¬
gische Eingriffe bei Thieren Hyperglykämie bezw. Glykosurie hervorrufen
[Rose (26), Winkler (35), Nishi (23), Redard (25), Minkowski (21)].
Es ist unwahrscheinlich, dass diese Hyperglykämien unter Betheiligung
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
524
Adolf Järisch,
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des Nebennierenraarkes entstehen (als Adrenalinglykämien), da Nishi
zeigte, dass die Vermehrung des Blutzuckers nach Aderlässen auch nach
beiderseitiger Nebennierenexstirpation zu Stande komme, dass somit der
Mechanismus der in Rede stehenden Hyperglykämie unmittelbar in der
Leber angreift.
Die Thatsache, dass die Ausschwemmung des chromaffinen Secretes
immer und intensiver als nach blosser Nebennierenexstirpation nach der
Eckhard sehen Operation, welche mit der Eröffnung des Duralsackes
verbunden ist, eintritt, weist darauf hin, dass die Reaction als Antwort
auf den operativen Eingriff aufzufassen sei. Der durch die Operation
erzeugte Reiz wird auf dem Wege des Splanchnicus zur Nebenniere ge¬
leitet und veranlasst diese zur Abgabe des chromaffinen Secretes, welches
vielleicht reparatorisch eingreifen soll.
Nachdem alle Versuche, welche eine Betheiligung der Nebenniere am
Zustandekommen der Piqüreglykosurie beweisen sollten, unvollkommen
sind, und da ferner nur beim Kaninchen die Nebennierenexstirpation die
Piqüre unwirksam macht — bei der Katze und beim Hund kommen
Kochsalzglykosurie [Mc. Guigou (13)] und Piqüreglykosurie [Wert¬
heimer und Battez (34)] trotz Epinephrectomie zu Stande — liegt kein
Grund vor, der Nebenniere beim Zuckerstichmechanismus eine active Rolle
zuzuschreiben.
Da das Adrenalin pharmakologisch auf den peripheren Sympathicus
cinwirkt, ist es nicht nöthig anzunehmen, dass der centrale Reiz neben
dem directen Weg zum Leberglykogen noch den Umweg über das Ad¬
renalin macht Das Ausbleiben der Piqürewirkung nach der Epineph¬
rectomie beim Kaninchen dürfte sich aus den Verletzungen bei der Ope¬
ration erklären lassen. Der rechte Splanchnicus ist in Folge seiner Lage
bei der Exstirpation der rechten Nebenniere nicht zu schonen und links
kann sehr gut die Manipulation in unmittelbarer Nähe des Ganglion solare
die glykogenolytischen Fasern des Splanchnicus schädigen.
Die histologischen Erscheinungen.
Vor der Beschreibung der feineren histologischen Veränderungen im
Marke der Nebenniere nach den obengenannten Eingriffen sollen die
Secretionserscheinungen unter physiologischen Verhältnissen dargestellt
werden. Gelegenheit zu ihrem Studium bot die Untersuchung der
25 normalen Nebennieren.
Mikroskopische Befunde, welche mit der Thätigkeit des Nebennierenmarkes in
Verbindung gebracht wurden, meldet die Literatur zahlreiche. Zwei Ansichten stehen
einander gegenüber: Gottschau (12), Pfaundler (24), Biedel (2), Hultgren
und Andersson(14), Scheel(27) u. a. (Lit. bei Hultgren u. Andersson) sprechen
von morphologischen Secretionsproducten, Manasse (19) hingegen und Stoerk und
v. Haberer (31) nehmen ein flüssiges Secretionsproduct an. Stoerk und v. Haberer
fanden, dass die Granula der Markzellen das chromaffine Secret bereiten und dann von
einer gewissen Secretionshöhe ab an das intergranuläro Plasma der Zellen abgeben.
Wenn sich so die Zellen bis zu einem gewissen Grade mit chromaffinem Secret be¬
laden haben, beginnt die Diffusion in das Lumen der Gefässe, woselbst es nun nach¬
weisbar wird [Abb. bei Stoerk und v. Haberer und Biedel (3)]. Meine Präparate
Gck igle
Original fro-m
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Nebenniere und Zuckerstich.
525
bestätigen die Befunde von Stoerk und v. Haberer. Da sich ihre Angaben in der
Hauptsache auf den Hund und die Katze beziehen, beim Kaninchen aber ganz charakte¬
ristische Erscheinungen auftreten, soll eine Schilderung der Secretionsvorgänge bei
meinem Versuchstiere folgen,.
Zur Untersuchung kamen, wie Eingangs erwähnt, Celloidinschnitte in der Dicke
von 5—20sowie Gefrierschnitte. Von jedem Organ wurden Schnitte untersucht:
a) im ungefärbten Zustande (dieselben zeigen die phäochrome Substanz nach der
Chromfixirung in gelber Farbe), b) mit Hämalaun und Eisen-Alaun-Hämatoxylin,
c) mit Hämalaun-Eosin, d) mit Farbstoffen für collagene Fasern, nach van Gieson,
mit Eisenbämatoxylin als Kernfärbung, und Mallory’s Farbstoff, e) mit Giemsa’s Farb¬
lösung (auf 10 ccm Aqua dest. 10 Tropfen Farblösung, darin werden die Schnitte
24 Std. gefärbt, hierauf mit l J 4 proc. Essigsäure 1—3 Min. differencirt, Alkohol, Xylol,
säurefreier Balsam). Die phäochrome Substanz färbt sich folgendermaassen: mit Eosin
braun, mit Eisenalaunhämatoxylin und Mallory’s Farbstoff dunkel blauschwarz, mit
van Gieson’s Farbstoff burgundroth. — Bei der Giemsa-Färbung addirt sich derblaue
Farbstoff zur gelben Chromfarbe des Secretes und ergiebt ein leuchtendes Grün, das
Bindegewebe erscheint rosa (Abb. 1 und 2).
Wenn man die ungefärbten Präparate bei schwacher Vergrösserung
vergleicht, so findet man zwei verschiedene Bilder. Man sieht in einem
Falle die gelb gefärbten Markzellen in Balken, Reihen und Gruppen,
welche sich scharf von den ungechromten Gewebselementen abheben.
Im zweiten Fall erscheint das Mark als unscharf begrenzter gelber Fleck
mit einem zierlichen, braunen Netzwerk. Färbt man zwei derartige
Präparate, so sieht man im ersten Falle (Abb. 1) die Balken und Gruppen
der phäochromen Zellen schön chromirt. Zwischen den Zellgruppen
findet man ein Bindegewebsnetz, Venen und sinuöse Räume, welche theils
leer sind, theils mit Blutkörperchen untermischtes Serum enthalten. Im
zweiten Falle (Abb. 2) erscheinen die Zellen selbst blasser; an Stelle des
früher gesehenen Bindegewebsnetzes sicht man ein Netz in der Farbe,
das das chromaffine Secret mit dem jeweils angewendeten Farbstoff er¬
giebt. Mit der gleichgefärbten Masse sind die Venen des Markes erfüllt.
Die beiden Bilder entsprechen den von Stoerk und v. Haberer auf¬
gestellten Secretionsphasen, das erste der Secretanreicherung, das zweite
der Secretausstossung.
Beim Kaninchen spielt sich der Vorgang in allen Zellen eines be¬
stimmten Theiles des Markes zeitlich gemeinsam ab, sodass die oben
beschriebenen verschiedenen Bilder zu Stande kommen. Entsprechend
der von Ehr mann (10) gefundenen Thatsache der continuirlichen Ad-
renalinsecretion findet man sowohl in verschiedenen Schnitten aus ver¬
schiedenen Theilen einer Nebenniere als auch oft in einem Schnitte beide
Secretionsphasen (Abb. 1 zeigt im linken unteren Theil einige secret-
erfüllte Venen — der Beginn der zweiten Secretionsphase).
Entsprechend dem in Abb. 1 sichtbaren Netzwerk von Bindegewebsfasern, welches
die einzelnen Gefässe verbindend, zwischen den Markzellgruppen liegt, ist ein System
anastomosirender Capillaren anzunehmen, welche im leeren Zustande collabiren und
als solides Netzwerk imponiren. Merkwürdiger Weise halten fast alle Autoren (Lit.
bei Hultgren und Andersson) das bindegewebige Netzwerk für solide Scheide¬
wände, welche die einzelnen Markzellverbände scheiden, trotzdem Arnold (1) (1866)
nach der Untersuchung künstlicher Injectionspräparate mit Berliner Blau zu folgendem
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526
Adolf Jarisch,
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Resultate kam: „Ohne Prüfung von Injectionspräparaten wird man von der Anwesen¬
heit solcher Gefässe in den Septa sich kaum überzeugen können. — Man würde es
nicht für möglich halten, dass ein ziemlich starkes Gefass sich in Falten legen und
so der Beobachtung entziehen könnte“. Das Secretionsstadium II ergiebt ein physio¬
logisches Injectionspräparat. Dass dieses Kanalsystem mit dem Kreislauf offen cora-
municirt, ergiebt sich sowohl aus der Angabe Arnold’s als auch aus der genauen
Beobachtung nicht injicirter Präparate. Man entdeckt oft Stellen (Abb. 4), an denen
man die Capillaren in die Gefässe einmünden sieht. Die Wände der Capillaren sind
sehr zart, sodass man meinen könnte, die in den Capillaren enthaltenen Blutkörperchen
lägen frei zwischen den Markzellen. Dementsprechend ist die Angabe, dass die Kerne
der Markzellen in dem dem Gefäss abgewendeten Theile der Zellen liegen, nur auf
die Zellen in der Umgebung der grösseren, mit einer Bindegewebsscheide versehenen
Gefässe aufrecht zu erhalten. Häufig findet man in den Gefässen der Zona reticularis
eosinophile Zellen. In manchen Fällen erscheinen die Capillaren völlig mit Eosino¬
philen angeschoppt — eine sehr bemerkenswerthe Erscheinung!
Stoerk und v. Haberer sind der Ansicht, dass das chromaffine
Secret von dickflüssiger, colloidaler, schleimartiger Consistenz sei. Ab¬
gesehen davon, dass eine specifische Schleimfärbung nicht zu erzielen ist,
scheint einiges dafür zu sprechen, dass das Secret dünnflüssig sei und
sich als solches leicht dem Serum beimengt bezw. in dasselbe diffundirt
und dasselbe chromaffin macht: 1. Die oft zu beobachtende innige Ver¬
mengung der gechromten Massen in den Venen mit rothen Blutkörperchen;
2) die verschiedene Intensität der Chrombräunung in den verschiedenen
Gefässen; 3. an der Rindenmarkgrenze findet man regelmässig dort, wo
sich das Mark im Stadium der Secretausstossung befindet, in den be¬
nachbarten Gefässen der Zona reticularis chromgelbe Massen, welche
Peripheriewärts schnell blass werden und in das ungechromte Serum
übergehen (Abb. 5). (Betont sei, dass dieser Befund auch an Neben¬
nieren erhoben wurde, welche mit der Umgebung möglichst rasch excidirt
wurden und ohne berührt zu werden, in die Fixationsflüssigkeit gebracht
wurden). Wenn die Markzellen mit der Secretausstossung noch nicht
begonnen haben, findet sich die genannte Erscheinung nicht (Abb. 6).
Wie Gottschau und Biedel angaben, konnte auch ich in dem aus
der Nebennierenvene tropfenden Blute kleine lichtbrechende Körnchen finden.
Es liegt nahe, dieselben, wie es Pfaundler gethan hat, mit den in den
Venen und Capillaren sichtbaren Körnchen zu identificiren. Diese Körnchen
(Abb. 4 und 7) finden sich in den verschiedensten Grössen bis zur Grösse
eines rothen Blutkörperchens im Serum eingebettet. Eine Färbung dieser
Körnchen wurde weder mit den oben angegebenen Farbstoffen, noch mit
Sudan, Nilblausulfat oder Osmiurasäure an Gefrierschnitten erzielt.
Im Markzellprotoplasma finden sich häufig Structuren, die ganz
charakteristisch in peripheren Theilen der Markzellen angeordnet sind.
Sie sind theils unregelmässig polygonal, theils birnenförmig, theils plump
stäbchenförmig. Morphologisch stimmen sie mit analogen von Stoerk
und v. Haberer beschriebenen Gebilden überein, nur konnte ich die
von den Autoren angegebene Färbung nicht in befriedigender Weise er¬
zielen. Sie erscheinen darum in meinen Präparaten als Vacuolen. Be¬
merkenswerth ist, dass diese Gebilde oft nur spärlich, oft aber in
grossen Mengen anzutreffen sind. So zeigt Abb. 8 ein Präparat der
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Nebenniere und Zackerstich.
527
linken Nebenniere Nr. 5, in dem das Mark durch die zahlreichen Vacuolen
fast ein schaumiges Aussehen erhalten hat. In einem anderen Gesichts-,
felde desselben Präparates kann man hingegen nur vereinzelte Vacuolen
sehen. Vielleicht handelt es sich da auch um einen Secretionsvorgang.
Mit Sicherheit konnte der Austritt dieser Elemente der Markzellen in
das Capillarlumen nicht nachgewiesen werden.
Es können demnach nur die Secretionserscheinungen der chromaffinen
Componente des Nebennierenmarksecretes als sichergestellt betrachtet
werden. Letzteres wird von den Granulis der Markzellen erzeugt und
diffundirt dann in das intergranuläre Plasma, um von demselben, sei es
spontan, sei es auf centrale Einflüsse hin, in das Lumen der Blut¬
gefässe abgegeben zu werden, wo es sich mit dem Serum vermengt und
dem Kreislauf zugeführt wird.
Im ersten Abschnitte wurde gezeigt, dass man die Ausschwemmung
des chromaffinen Secretes künstlich hervorrufen kann und dass dieselbe
unter dem Einfluss des Nervensystems steht bezw. dass die Durch¬
schneidung des versorgenden Splanchnicus die künstliche Beeinflussung
der Secretabgabe verhindert. Das Mark einer Nebenniere, welches nach
dem im ersten Abschnitte präcisirten Eingriffe schon makroskopisch
als blass und schwach chromirt erscheint, zeigt im mikroskopischen
Bild oft vollkommenes Fehlen der Chromreaction. Eine Färbung mit
Giemsa-Lösung lässt den grünen Farbenton vollständig vermissen (Abb. 3).
In anderen Fällen ist das Mark scheckig, gechromte und ungechromte
Zellgruppen wechseln mit einander ab. Sucht man sich eine gechromte
Gruppe mit der starken Vergrösserung heraus (Abb. 7), so sieht man,
dass auch hier nicht alle Zellen den gleichen Grad der Chromfärbung
zeigen, und dass die Chromfärbung an die Granula des Plasmas ge¬
bunden ist, während das intergranuläre Plasma farblos ist. Die Ent¬
stehung beider Bilder dürfte davon abhängen, ob der Reiz die Mark¬
zellen im Stadium der Secretbildung oder der Secretausstossung trifft.
Der Befund gechromter Granula im ungechromten Protoplasma der Mark¬
zellen einer gereizten Nebenniere deutet darauf hin, dass nur das dem
intergranulären Plasma abgegebene Secret mobilisirungsbereit ist.
Die auf der Höhe der Piqüreglykosurie exstirpirten Nebennieren¬
paare zeigen bei guter Chromirung hauptsächlich das Bild der Secret¬
ausstossung. Der Operationsreiz hat eben die Nebennieren zu stärkerer
Secretabgabe angeregt. — Da der Reiz beide Nebennieren trifft, ist der
Effect nicht so intensiv, wie nach einseitiger Nebennierenexstirpation,
wobei noch die Manipulation im Abdomen die Wirkung verstärkt.
Zusammenfassung.
1. Die histologische Untersuchung des Markes der Nebennieren giebt
keinen Anlass, beim Zustandekommen der Piqüreglykosurie neben
der directen Sympathicuswirkung eine Betheiligung der Neben¬
nieren anzunehmen.
2. Durch Exstirpation einer Nebenniere, besonders aber in Verbin¬
dung mit der Eckhart’schen Operation, lässt sich in der anderen
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528
Adolf Jarisch,
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Nebenniere eine hochgradige Verarmung an chromaffiner Substanz
erzeugen, welche
3. von der Intactheit des Splanchnicus abhängig ist.
4. Die chromaffine Componente des Nebennierenmarksecrets wird
in den Markzellen producirt und dann in das Gefässsystem aus-
gestossen. Beim Kaninchen erfolgen die einzelnen Phasen dieses
Processes in den einzelnen Provinzen des Markes zeitlich getrennt.
Erklärung der Abbildungen auf Tafeln XVI und XVII.
Abbildung 1. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 17. Giemsa. Zeiss,
Apochr. 8,0 mm. C. Ö. 6. Die Markzellen befinden sich im Stadium der
Secretanhäufung, und erscheinen grün. Zwischen ihnen liegt ein Netz rother
Bindegewebsfasern. Um die grösseren Gefässe stehen die Markzellen pallisaden-
artig wie ein zweireihiges Cylinderepithel. Die Gefässe enthalten Serum,
vermengt mit rothen Blutkörperchen (V 1 ). Im unteren Theil ist eine Vene
mit blassgrünem (V 2 ), und eine mit dunkelgrünem Inhalt (V 3 ). (Beginn der
Secretausstossung im Ursprungsgebiet). An drei Stellen der Rindenmark¬
grenze sieht njan Gefässe der Zona reticularis in das Mark eintreten. In
dem Gefässe links unten sieht man die S. 526 beschriebene Erscheinung des
Uebergangs gechromter Massen in ungechromtes Serum. Die blauen Zellen,
welche inselartig im Mark eingesprengt sind, gehören zur Rinde; wie die
Rindenzellen enthalten sie zahlreiche Fetttröpfchen. Oft lässt sich an Serien-
sebnitten ihr Zusammenhang mit der Rinde feststellen.
Abbildung 2. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 8. Giemsa. Zeiss,
Apochr. 8,0 mm. C. 0. 6. Stadium der Secretausstossung. Die Zellen sind
hell, in den Capillaren und Venen grünes Secret. Bei N der Querschnitt
einer Nervenfaser.
Abbildung 3. Aus der rechten Nebennniere des Kaninchens No. 10. Giemsa. Zeiss,
Apochr. 8,0 mm. C. 0. 6. Die ganze chromaffine Substanz des Markes ist
ausgeschwemmt. Das Protoplasma der Markzellen färbt sich nur blass-violett.
Abbildung 4. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 15. Eisenhämatoxylin-
van Gieson. Zeiss. Apochr. 3,0 mm. C. 0. 6. Um die grösseren Venen
stehen Markzellen pallisadenartig. Zwischen den Zellreihen eine Capillare,
welche rothe Blutkörperchen enthält und mit den Venen communicirt.
Endothelkerne dunkel, in’s Lumen vorspringend.
Abbildung 5. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 20. Hämalaun. Zeiss,
Apochr. 3,0 mm. C.O. 4. Secretausstossung. Die Zellen sind hell, in den
Venen und Capillaren gechromtes Secret, welches sich mit dem Serum in
den benachbarten Venen der Zona reticularis vermengt.
Abbildung 6. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 9. Hämalaun. Zeiss,
Apochr. 3,0 mm. C. 0.4. Secretanhäufung. Markzellen dunkel chromirt. In
den Gefässen des Markes und der Zona reticularis keine gechromten Massen.
Abbildung?. Aus der rechten Nebenniere des Kaninchens No. 20. Hämalaun.
Eine Gruppe gechromter Zellen, in dem sonst ungechromten Marke wurde
mit starker Vergrösserung (Zeiss, Apochr. 2,0 mm. C.O. 12) herausgesucht.
Nicht alle Zellen sind gleich intensiv gelb. Die Gelbfärbung ist an die
Granula gebunden. Man sieht eine Capillare, welche in ein grösseres Gefäss
mündet. In letzterem einige Secretkörnchen.
Abbildung 8. Aus der linken Nebenniere des Kaninchens No. 5. llämalaun. Eosin.
Zeiss, Apochr. 3,0 mm. C.O.6. In den peripheren Theilen der Markzellen
zahlreiche verschieden grosse Vacuolen.
Gck igle
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
'Nebenniere und Zuckerstioh.
529
Literatur -V erzeichniss.
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Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
530
Adolf Jariscb, Nebenniere und Zuckerstich.
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30) Schur und Wiesel, Ueber das Verhalten des chromaffinen Gewebes bei der
Narkose. Wiener klin. Wochenschr. 1908. No. 8.
31) Stoerk, 0., und Haberer, H. v., Beitrag zur Morphologie des Nebennieren¬
markes. Arch. f. mikrosk. Anatomie. 1908. Bd. 72. S. 481.
32) Watermann, N., und Smit, H. J., Nebenniere und Sympathicus. Pflüger’s
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33) Watermann, N., Nebenniere und Zuckerstich. Pflüger’s Arch. 1911. Bd. 142.
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35) Winkler, F., Arch. f. Physiol. 1911. Bd. 24. S. 311.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
XXVIII.
Aus dem serologischen Laboratorium der psychiatrischen
und Nervenklinik der Kgl. Charite in Berlin.
Ueber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen
Körper.
Von
Frenkel-Heiden und E. Navassart
(Mit 4 Curren im Text.)
Wie bereits in einer „Vorläufigen Mittheilung“ 1 ) berichtet wurde,
fanden wir ira Gegensatz zu den Angaben mancher Autoren, dass das
As nach einer Salvarsan-Einverleibung wochen- und monatelang in dem
Körper verbleibt. Einige Untersucher gaben die Zeit der Elimination
des As auf 3,5 oder 10 Tage, höchstens 20 Tage, an, sowohl bei intra¬
venöser wie intramusculärer und subcutaner Anwendung. Wir haben an
der citirten Stelle die Literatur angegeben. Dort hoben wir hervor, dass
die gravimetrischen Methoden, das As als As 2 S 3 oder als Mg 2 As 2 0 7 zu
bestimmen, sich für die vorliegenden Untersuchungen wegen der minimalen
Quantitäten des Arsens nicht eignen. Versuche mit dieser Methode er¬
gaben uns nur für die ersten Tage eine wägbare Menge von As, während
in den nächstfolgenden Tagen schon garnichts oder nur noch minimale
Quantitäten gefunden wurden, sodass von einer gravimetrischen Be¬
stimmung abgesehen werden musste.
Fischer und Hoppe haben das Arsen als Mg 2 As 2 0 7 (Magnesium-
pyroarseniat) bestimmt, und sie fanden in den ersten Tagen in dem Harn
Mengen von 0,0051—0,0792 g As, in den nächstfolgenden Tagen konnten
sie nichts mehr nachweisen.
So ausgezeichnet also die gravi metrische Methode, As als Mg 2 P 2 0 7
oder als As 2 S 3 zu bestimmen, ist, so reicht sie eben zur Bestimmung
von Mengen von unter 0,5 mg nicht mehr aus. Wir möchten hier be¬
tonen, dass wir in etwa 300 Einzelanalysen niemals in der 24stündigen
Harnmenge mehr als 0,006 g As gefunden haben.
Wie wir bereits in der „Vorläufigen Mittheilung“ berichteten, hat
sich als Zerstörungsmethode am Besten eine Mischung von concentrirter
Schwefelsäure und Salpetersäure bewährt. Die Tagesmengen Harn bezw.
Fäces wurden nach Eindampfung im Wasserbade bis zur Trockene mit
den wirksamen Mengen dieser Mischung (1 Vol. H 2 S0 4 zu 4 Vol. HNO s )
versetzt und so lange behandelt, bis keine rothen Dämpfe von N0 2 mehr
1) Berliner klin. NVochenschr. 1911. No. 30.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
532
Frenkel-Heiden und E. Navassart,
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entwichen. Dann wurde die Masse im Kjeldahl-Kolben über der Gas¬
flamme unter successivem weiteren Zusatz des Säuregemisches bis zur
Farblosigkeit behandelt. Nachdem die Flüssigkeit frei von Salpetersäure
und salpetriger Säure geworden war, wurde sie bis auf einen Gehalt von
etwa 15 pCt. Schwefelsäure verdünnt. Auch andere Zerstörungsraethoden
mit verschiedenen Oxydationsmitteln wurden versucht. Die sonst vor¬
treffliche Zerstörung mit Kaliumchlorat und Salpetersäure erwies sich
als ungeeignet, wie auch Salkowski in einer eingehenden Arbeit 1 ) mit¬
theilt, da selbst Spuren von Chlor die Arsenwasserstoffentwicklung
wesentlich hindern, und durch die zugesetzte Salpetersäure sich immer
ein Verlust von As herausstellen wird, welches sich als Chlorid ver¬
flüchtigt.
Wir haben daher durchweg mit einem Gemisch von Salpetersäure
und Schwefelsäure als Zerstörungsmittel gearbeitet, ein Verfahren, das
auch von Salkowski besonders empfohlen wird.
Für die qualitative und quantitative Bestimmung diente der Arsen-
Metallspiegel. In denjenigen 24 stündigen Harnmengen, wo reichlich
Arsen vermuthet wurde, wie besonders aus den ersten Tagen einer intra¬
venösen Injection, haben wir Parallelversuche angestellt, in denen das
Arsen als Mg 2 As 2 0 7 (Magnesiumpyroarseniat) bestimmt wurde. Wir
erhielten mit der gravimetrischen Methode stets höhere Werthe wie mit
Hülfe des Metallspiegels. Bei Anwesenheit von nur geringen Mengen
wurde kein wägbarer Niederschlag gefunden, während der Arsenspiegel
positiv ausfiel, sodass diese Fälle bei Anwendung der gravimetrischen
Methode als arsenfrei imponirt hätten.
Die nach Zerstörung der organischen Substanz des Harnes bezw.
der Fäces zurückbleibende stark schwefelsäurehaltige krystallinische
Masse wurde in Wasser aufgenommen und bis zu etwa 15 pCt. Schwefel¬
säuregehalt verdünnt, darauf successiv und vorsichtig in den March’schen
Apparat gebracht. Man hat darauf zu achten, dass das entweichende
Arsen-Wasserstoffgas vollständig verbrannt wird und nachdem die ganze
zu untersuchende Substanz hinzugefügt ist, wird weiter noch etwa
7 4 Stunde lang H 2 -Gas durchgeleitet. Die Operation wird dann unter¬
brochen und nach dem Erkalten das Arsenröhrchen an dem Theil, wo
der Spiegel liegt, abgeschnitten und mit dem Spiegel abgewogen; darauf
wird der Spiegel in Kaliumhypochlorit aufgelöst, das Röhrchen mit
destillirtem Wasser, dann mit Alkohol und Aether ausgespült und bis
zur Gewichtsconstanz getrocknet.
Die Differenz ergiebt das Quantum des Spiegelmetalls.
Man kann in dieser Weise mit Spiegeln bis l / l0 mg Arsengehalt ver¬
fahren. Für kleinere Mengen stellten wir aus mehreren Spiegeln eine
Arsenspiegelscala her, sodass in dieser Weise auch die Mengen zwischen
Vio—Vso mR einem minimalen Grenzfehler sehr gut berücksichtigt
werden konnten.
Die Feinheit der Reaotion im March - Berzelius - Apparat geht,
wie bereits erwähnt wurde, viel weiter, so dass noch 0,0007 mg As mit
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 36.
Google
Original fro-m
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Heber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper.
53ä
Sicherheit nachzuweisen sind; nach der Modißcation von Strzyzowsky
sogar noch 0,0001 nag; auch von Lokemann wurde die Feinheit der
Reaction so weit gebracht, dass Mengen wie 0,0001 mg sicher nach¬
zuweisen waren.
Wir haben nicht nöthig, diese so minimalen Mengen zu berück¬
sichtigen, um so weniger, als die Frage, ob solche minimale Spuren von
As nicht auch in normalen Geweben anwesend sind, nicht entschieden
ist. (Nach Gauthier sollen normale Gewebe arsenhaltig sein.) Wir
haben daher nur Mengen bis zu 1 / 30 mg berücksichtigt. Weder durch
die Gutzeit-Hager’sche Reaction, noch durch die biologische Methode
bekamen wir dort positive Reaction, wo die March’sche Probe negativ
ausgefallen war, der March’sche Apparat hat aber ausserdem den nicht zu
unterschätzenden Vorzug, dass man die Röhrchen auf bewahren und die Stücke
des Arsenspiegels aus verschiedenen Röhren vergleichen resp. wägen kann.
Wir geben hier die Protokolle unserer Versuche bei der Salvarsan-
injection und beginnen mit der Ausscheidung des Arsens im Harn bei
intramusculärer resp. subcutaner Application.
Lfd. No.
Patient
Datum
Harnmenge
in 24 Std.
ccm
Arsenmenge
mg
Bemerkungen
1
Bött.
16.10. 1910
320
0,08
0,3 g Salvarsan am
17. 10. 1910
850
0,7
15. 10. 1910.
18. 10. 1910
270
0,1
19. 10. 1910
540
0,8
20. 10. 1910
410
0,3
21. 10. 1910
250
0,1
22. 10.1910
1210
0,12
23. 10. 1910
1050
0,60
24. 10.1910
1100
0,50
2
Str.
9.12. 1910
520
0,15
Zweimal 0,6 g. Erstes Mal
10. 12. 1910
490
0,075
am 8.12.1910, zweites
11.12. 1910
1050
0,4
Mal am 11. 1.1911.
15. 12. 1910
1290
0,6
22. 12. 1910
1010
0,7
4. 1.1911
1200
0,4
8 . 1.1911
1100
0,1
9. 1.1911
1030
0,5
10. 1.1911
1080
0,4
11. 1.1911
1400
1,3
14. 1.1911
1380
1,8
20. 1.1911
1830
0,5
4. 2.1911
1210
0,7
9. 2.1911
1250
0,5
19. 2.1911
1180
0,3
29. 2.1911
1100
0,2
13. 3.1911
680
0,1
14. 3.1911
490
0,08
20. 3.1911
810
0,1
7. 4.1911
1250
0,075
23. 4. 1911
1490
0,075
3
Gas.
18. 1.1911
980
0,3
0,4 g am 18. 1. 1911.
27. 1.1911
470
0,7
Zweites Mal 0,4 g am
22. 2.1911
1600
0,6
1 . 2. 1911.
7. 4.1911
1020
0,4
Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 13. Bd.
35
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Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
534
Frenkel-töeiden und E. Navassart
Digitized by
6
55
Patient
Datum
Harnmenge
in 24 Std.
Arsenmenge
Bemerkungen
ccm
mg
4
Ro.
9.
12. 1910
1210
0,9
0,5 g am 9. 12. 1910.
15. 12.1910
870
0,8
Zweites Mal 0,5 g am
17.
12. 1910
680
0,5
23. 12. 1910.
23. 12. 1910
1400
1,3
24. 12. 1910
1080
LI
25. 12. 1910
750
0,8
5
E. Stt. . . .
6 .
5.1911
490
1,2
0,3 g am 5. 5. 1911.
7.
5.1911
800
0,4
8 .
5. 1911
1100
0,6
9.
5.1911
710
0,8
10 .
5.1911
740
0,6
11 .
5.1911
520
0,4
12 .
5.1911
1280
0,8
6
Kn.
2 .
4.1911
240
0,5
0,4 g am 1. 4. 1911.
3.
4.1911
580
0,075
9.
4. 1911
520
0,1
10 .
4. 1911
310
0,2
7
Leid.
29.
4.1911
600
1,5
0,4 g am 28. 4. 1911.
30.
4. 1911
1250
0,08
1 .
5. 1911
610
0,8
2 .
5.1911
525
0,5
3.
5.1911
1100
1,0
4.
5. 1911
1670
0,4
5.
5.1911
G20
0,3
6 .
5.1911
490
0,3
7.
5.1911
850
0,8
8 .
5.1911
1200
0,5
9.
5.1911
1440
0,5
10 .
5. 1911
1350
0,5
17.
5. 1911
1570
0,3
18.
5. 1911
1300
0,4
19.
5. 1911
1510
! 0,1
8
Fr. Lo. . . .
20 .
5. 1911
1400
! 0,2
1 21.
5. 1911
1470
0,3
; 22.
5. 1911
1450
0,3
! 23.
5. 1911
1120
0,3
! 24 -
5. 1911
1200
0,2
25.
5.1911
1810
L2
Menstruationstag.
! 26.
5.1911
1120
0,8
27.
5.1911
700
, 0,4
28.
5.1911
1650
0,3
29.
5. 1911
920
1 0,15
30.
5. 1911
900
0,2
31.
5. 1911
1220
0,2
1 .
6 . 1911
1180
0,15
2 .
6.1911
1320
0,1
3.
6 . 1911
1620
0,15
4.
6 . 1911
1570
0,10
Man kann aus diesen Tabellen schliessen, dass die Ausscheidung
des Arsens bei der intramusculären bezw. subcutanen Injection des
Salvarsans fast constant sich vollzieht; in den ersten Tagen tritt meistens
eine grössere Menge von Arsen auf, jedoch geschieht das nicht ohne
Ausnahme; bei manchen Patienten fanden sich bei intra-
musculärer bezw. subcutaner Injection eine Latenzzeit von
1—2 Tagen, in welchen nur Spuren von Arsen im Harn nach-
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper.
535
weisbar waren. Die grösste Menge Arsen in 24 Stunden Barn be¬
trägt in der Tabelle 1,5 mg (L., No. 7). Bemerkenswerth ist es auch,
dass an dem Tage des Menstruationsbeginns die Menge des Arsens sich
beträchtlich vergrösserte. Nach Gauthier soll das normale Menstruations¬
blut As-haltig sein, ferner haben Marie und Julius Ries 1 2 ) in einer
wichtigen Arbeit Arsen in der normalen Uterusschleimhaut nachgewiesen
und gefunden, dass die prämenstruell geschwellte Schleimhaut den grössten
As-Gehalt zeigt, während im postmenstruellen Stadium die Schleimhaut
As-frei ist.
Die Ausscheidung des Arsens bei dieser Art der Einverleibung geht
aber im Ganzen gleichmässig vor sich, und beträgt im Mittel etwa 0,4 bis
0,5 mg Arsen.
Die folgende Tabelle hat den Zweck, über die Dauer und Schnellig¬
keit der Ausscheidung nach intramusculärer bezw. subcutaner Einspritzung
Auskunft zu geben.
©
53
2
Patient
Datum
Stun¬
den
Harn-
menge
in 24 Std.
Arsen¬
menge
Bemerkungen
i-l
ccm
mg
8
Dr. L. . . .
21. 3. 1911
24
1520
0,08
0,5 g Salvarsan
August 1910.
9
Fr. Po. . . .
14. 3. 1911
24
1300
0,2
0,5 g Salvarsan De-
25. 4. 1911
24
1500
0,1
cember 1910.
5. 5. 1911
24
1200
0,05
10
Fr. Kühn. .
12. 4. 1911
8 V 2 Uhr Nachm.
S‘/s
550
0,4
0,4 g um 6 Uhr Nach-
io»/» ■ »
2
260
0,05
mittags.
11
Ad.
29. 3. 1911
11—1 Uhr
2
150
0,3
Zweimal 0,4 g. Erstes
1-3 *
2
100
0,3
Mal am 29. 3.1911
3-5 ,
2
220
0,3
um 11 Uhr Vorm.,
5-7 „
2
225
0,2
zweites Mal am
29./30. 3. 1911
19. 5. 1911.
7-1 Uhr
18
525
0,15
30.—31.3.1911
24
1725
0,3
8. 4. 1911
24
800
0,1
19. 5. 1911
24
480
0,3
20. 5. 1911
24
570
0,3
21. 5. 1911
24
840
0.4
Wir sehen, dass die Dauer der Ausscheidung mehrere Monate be¬
tragen kann, wie z. B. bei Patient No. 8 (Dr. L.); bei diesem wurde noch
nach 7 Monaten 0,08 mg As in dem Harn nachgewiesen 3 ).
Was die Schnelligkeit der Elimination anbetrifft, so können wir
sagen, dass die Ausscheidung gleich mit der ersten Harn-Emission be¬
ginnt; sie giebt in den ersten Stunden bei manchen Patienten die maximale
Menge des ausgeschiedenen Arsens, so dass in 150 ccm Harn, welcher
innerhalb 2 Stunden ausgeschieden wurde, 0,3 mg As nachgewiesen werden
konnten, während in den nächstfolgenden Tagen (2. Tag) selbst im
1) Münchener med. Woohenschr. 1912. No. 20.
2) Die Arbeit von Böttcher erwähnt die Untersuchungen Loeb’s, welober
analoge Befunde angiebt. Med. Klinik. 1911.
35*
Digitizer! by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
536
Digitized by
Frenkel-Heiden und E. Navassart,
24 Stunden-Harn (1725 ccm) nicht mehr als 0,3 mg As eliminirt wurde
(Pat. No. 11, Ad.).
Die Resultate der Ausscheidung des Salvarsans nach intravenöser
Injection sind aus nachfolgenden Tabellen zu ersehen.
©
s
•J
Patient
Datum
Harnmenge
in 24 Std.
ccm
Arsenmenge
mg
Bemerkungen
12
Mey.
5 Std. n. d. Inj.
380
5,1
0,6 g am 3. 5. 1911.
3.-4. 5. 1911
420
1,4
5. 5. 1911
790
1 0,08
6 . 5.1911
820
0,15
7. 5. 1911
950
0,8
8 . 5.1911
890
0,1
9.5.1911
1180
0,3
10.5.1911
780
0,1
11.5.1911
810
0,05
12. 5. 1911
800
0,2
13. 5. 1911
430
0,15
14. 5.1911
770
0,1
15. 5.1911
800
0,07
13
0 . St.
6 . 5. 1911
300
3,3
Zweimal 0,6 g. Erstes Mal
(12 Std.)
am 5. 5. 1911, zweites
7.5. 1911
900
0,8
Mal am 29. 5. 1911.
8 . 5.1911
650
0,4
9. 5. 1911
1100
0,3
10. 5. 1911
1800
0,5
11.5.1911
2000
0,6
12.5.1911
850
0,4
13.5.1911
1600
0.5
14. 5. 1911
950
0,7
15. 5. 1911
400
0.09
16. 5. 1911
820
0,2
17. 5. 1911
480
0,3
18. 5. 1911
870
0,1
19. 5. 1911
1240
0,15
20. 5.1911
780
0,15
21.5. 1911
1760
0,2
22. 5. 1911
1200
0,1
23. 5. 1911
1240
0,08
24. 5. 1911
1200
0,1
25. 5. 1911
520
0,09
26.5.1911
1490
0,09
27.5.1911
1190
0,09
28.5.1911
1240
0,075
29.5.1911
1200
0,08
30.5.1911
1000
1,8
31.5. 1911
310
0,8
1.6. 1911
950
0,2
2.6.1911
1280
0,6
3.6.1911
1230
0,2
4. 6. 1911
270
0,4
5.6. 1911
380
0,1
6.6.1911
l 1270
0,5
7.6.1911
720
0,4
8/6.1911
610
0,2
9. 6. 1911
1000
0,1
10.6.1911
1 1000
0,3
11.6.1911
820
0,2
12.6.1911
940
Undeut). Spiegel
13.6. 1911
850
0,15
14.6.1911
1 800 !
0,09
Gougle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper.
537
o
s
Patient
Datum
Harnmenge
in 24 8td.
ccm
Arsenmenge
mg
Bemerkungen
13
Noch: O.St.
15.6.1911
760
Undeatl. Spiegel
•
16. 6.1911
300
„ „
17. 6. 1911
400
ff ff
18. 6. 1911
180
ff J» [
1.7.1911
500
ff fl
14
Frl. v. M. . .
29. 4. 1911
720
3,6
0,36 g am 28. 4. 1911.
30. 4.1911
590
0,08
1.5. 1911
540
0,4
2. 5.1911
1050
0,8
3. 5.1911
1700
0,3
4. 5. 1911
1400
0,4
5.5.1911
850
0,3
6. 5.1911
1400
0,4
7. 5.1911
850
0,3
8. 5.1911
1400
0,3
9.5. 1911
780
0,07
10.5.1911
610
0,05
11.5.1911
480
0,1
12. 5.1911
1430
0,15
13. 5.1911
610
0,05
14. 5.1911
780
0,05
15. 5.1911
920
0,1
15
Fr.
13. 4. 1911
520
5,6
0,4 g am 12.4. 1911.
14. 4. 1911
800
0,5
15. 4. 1911
490
1,1
16. 4. 1911
520
0,4
17. 4. 1911
650
0,1
18. 4. 1911
890
0,3
19. 4. 1911
480
0,4
20. 4.1911
405
0,4
21.4.1911
620
0,08
22. 4.1911
575
0,1
23. 4. 1911
1250
0,3
24. 4. 1911
1390
0,15
25. 4. 1911
950
0,08
26. 4.1911
1120
0,07
27. 4.1911
1490
0,08
28. 4. 1911
1500
0,08
29.4.1911
840
0,1
30. 4.1911
500
0,08
1.5. 1911
850
0,05
2. 5.1911
740
0,07
Aus dieser Zusammenstellung ist der auffallende Unterschied zwischen
intramusculärer bezw. subcutaner und intravenöser Injection zu ersehen.
Während bei intramusculärer Anwendung niemals grössere
Mengen wie 1,5 mg As pro 24 Stunden Harn gefunden wurden,
ist bei intravenöser Injection die maximale gefundene Dosis
5,6 mg Arsen.
Bei dieser Art der Application scheidet sich mit der ersten Harn¬
menge am ersten bezw. zweiten Tag eine reiche Menge Arsen aus; dann
folgt manchmal ein Latenzstadium von -1 Tag, wo nur Spuren Arsen
eliminirt werden. Die Elimination in den ersten 10—14 Tagen beträgt
im Mittel etwa 0,4 mg Arsen; in dieser Periode variirt die ausgescbiedene
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
538
Frenkel-Heiden und E. Navassart,
Digitized by
Menge Arsen. Nach dieser Zeit sinkt das Quantum des eliminirten
Arsens pro 24 Stunden unter dasjenige, welches bei intramusculärer
bezw. subcutaner Einspritzung ausgeschieden wird; es beträgt unterhalb
0,1 mg Arsen, und bleibt für den Rest der Eliminationsperiode ziemlich
constant. .
Was die Dauer der Ausscheidung bei intravenöser Anwendung an¬
betrifft, so ist aus der Tabelle zu ersehen, dass noch nach 30 Tagen
minimale Arsenspiegel in der 24 Stunden-Harnmenge zu finden sind.
Die nächstfolgende Tabelle zeigt die Schnelligkeit der Ausscheidung
und das Quantum des Arsens, welches in den ersten Stunden nach der intra¬
venösen Application ausgeschieden wird.
ö
Ä
s
Patient
Datum
Stundenzahl
naeh
der Injection
Harn-
menge
ccm
Arsen¬
menge
mg
Bemerkungen
I. Menge
16
F. M. . .
3. 5.1911
4
280
5,1
0,6 g am 3.5.1911 um
II. Menge
6 Uhr Abends.
3.5.1911
5
100
0,3
4.5.1911
24
380
1,4
17
Fr. K. . .
12.4.1911
'/»
75
5,4
0,49 g am 12. 4. 1911
13.4.1911
12
410
0,15
um 7 Uhr Abends.
18
Frl. v. M.
28.4.1911
1
| 400
1,9
0,36 g am 28.4. 1911
28.4.1911
3
40
1,0
um 6 Uhr Abends.
29.4.1911
9
180
0,7
19
Fr. R. . .
19. 5.1911
6
720
2,9
0,6 g am 18. 5. 1911
um 6 */* Uhr Abends.
20
Fr. Ko. .
12. 5.1911
3
590
0,5
0,4 g am 12. 5. 1911.
13.5.1911
5
150
0,3
14.5.1911
24
1030
0,7
15.5.1911
24
850
0,5
21
E. Ein.. .
13. 6. 1911
2
110
0,7
0,2 g am 13.6. 1911
13. 6. 1911
3
120
0,2
um 2 Uhr Nachm.
13. 6. 1911
5
80
0,08
14. 6. 1911
10
190
0,1
15. 6.1911
24
1100
0,1
22
Dr. M. . .
13. 6. 1911
1
350
0,3
0,2 g am 13. 6. 1911
13. 6. 1911
4
110
0,8
um 2 Uhr Nachm.
14. 6. 1911
24
490
0,05
15. 6. 1911
24
580
0,35
23
Fal. . . .
13. 6. 1911
1
90
0,2
0,2 g am 13. 6. 1911
| 13.6.1911
4
140
0,4
um 2 Uhr Nachm.
14.6.1911
24
790
U
24
Frl. N.. .
13.6.1911
3
320
! 1,7
0,3 g am 13. 6. 1911
i
14.6.1911 i
1 1
24
890 ,
l
0,5
,
um 2 Uhr Nachm.
Wir ersehen aus diesen Tabellen, dass die Ausscheidung des Arsens
im Harn bei intravenöser Injection sehr schnell beginnt, und schon nach
einer halben Stunde haben wir bei einer Patientin in nur 75 ccm Harn¬
menge 5,4 mg Arsen gefunden. Auch in allen anderen Fällen sehen wir,
dass die Ausscheidung schnell erfolgt, und dass das in den ersten Stunden
ausgeschiedene Quantum Arsen ebenso gross oder noch grösser ist wie
die Summe des in allen folgenden Tagen eliminirten Arsens.
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Heber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper.
539
Die Ausscheidung des Salvarsans durch den Darm.
Die Gesammtmenge Arsen, welche bei den behandelten Patienten
mit dem Harn elirainirt wurde, ergiebt die befremdliche Thatsache, dass
nur eine verhältnissmässig kleine Menge Arsen durch die Nieren aus¬
geschieden wird. Wir haben nun in einer Reihe von Untersuchungen
bei verschiedenen Patienten die Mengen des Arsens in den Darment¬
leerungen bei intravenöser sowohl wie bei intramusculärer bezw. subcutaner
Einspritzung quantitativ bestimmt. Die untenstehende Tabelle giebt die
Menge Arsen, welche durch den Darm eliminirt wurde, und vergleicht
dieselbe mit der Menge Arsen, die durch die Nieren ausgeschieden wurde.
©
55
5
Patient
Datum
Arsenmengen in
Bemerkungen
F ä c e s
mg
Harn
mg
25
Fr. K. . .
12. 5.1911
4,6
0,5
0,4 g am 12. 5. 1911 intra-
13. 5. 1911
10,3
0,3
venös.
14. 5.1911
7,3
0,7
15. 5. 1911
2,1
0,5
16. 5. 1911
1,0
0,4
17. 5. 1911
0,8
0,6
18. 5. 1911
0,9
0,4
19.5.1911
0,5
0,1
26
Ein. . . .
8 . 6.1911
0.6
0,15
0,15 g am 17.6.1911 intra-
9. 6. 1911
Keine Fäces
0,1
venös.
10. 6. 1911
0,8
0,08
2 Mal 0,2 g am 13. 6. 1911
11.6. 1911
0,2
0,05
intravenös.
14. 6.1911
1,3
u
15.6. 1911
0,15
0,9
27
Ad. ...
20. 5. 1911
Undeutlicher
0,3
0,4 g am 19.5.191 lintramusk.
Spiegel
Stuhlverstopfg. u. ganz mini¬
0,05
0,14
male Menge ausgeschieden.
28
St.
6.6.1911
1,4
0,5
2 Mal 0,6 g am 29. 5. 1911
1.7.1911
0,05
I ndeatl. Spiegel
intravenös.
29
Ldg. . . .
1.5.1911
1,9
0,8
0,4 g am 28.4.1911 intra¬
18.5.1911
0,8
0,2
muskulär.
23.5.1911
0,4
0,15
29. 5. 1911
0,3
! 0,10
30
Russ . . .
19.5. 1911
Keine Fiices
2,9
0,6 g am 18.5. 1911 intra¬
(Nach 6 Std.)
1
venös.
20. 5. 1911
Keine Fäces
j
21.5. 1911
3,1)
Es ergiebt sich aus der Tabelle, dass eine beträchtliche Menge Arsen
durch den Darm ausgeschieden wird, und dass diese Menge grösser ist,
als die mit dem Harn eliminirte; vielfach beträgt die Arsenmenge im Darm
das 2 und lOfache des Harnarsens. Diese Beobachtung gilt sowohl
für die intramusculäre wie für die intravenöse Application.
Die nachstehenden Curven beziehen sich auf diejenigen Patienten,
bei denen die Ausscheidung längere Zeit hindurch untersucht wurde, und
bei denen ein relativ grosses Quantum Arsen innerhalb 24 Stunden
im Harn entleert wurde.
Die Curven No. 1 und 2 zeigen die Beziehungen zwischen intra¬
musculärer und intravenöser Application, und Curve 1 von Patientin L.
(intramusculär) und von Patientin K. (intravenös); beide erhielten 0,4 g
Digitized by
Go igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
540
Digitized by
Frenkel-Heiden und E. Navassart,
Salvarsan. Die Curve No. 2 stammt von dem Patienten Stm. (intravenös)
und von dem Patienten Str. (intramusculär); beiden wurde 0,6 g Sal¬
varsan injicirt. Curve No. 3 giebt den Vergleich zwischen Darm- und
Nierenausscheidung beim Patienten K. bei intravenöser Einverleibung von
0,2 g. Die Curve No. 4 zeigt die Beziehungen zwischen der grössten
Kurve K°1- Patientin K, intravenös ( NP 15)
Patientin L . intramuskulär ( N° 7 )
__ intramuskulär
- . intravenös
: Die Ausscheidung im Ham
Ausscheidung in Fäces
Kurve N°2 Patientin Stm intravenös ( NP 13)
Patientin Str intramuskulär / S-2)
._ . intramuskulär
“ intravenös p. r Ahscisse gibt die Zeit, dir Crdinnten
die Quactttatdes uusgrschtedenen Arsens.
N?4, Vergleich zwischen dm zwetgröß
ten Kurven der Korn- und Darmausscheidung.
- . Ausscheidung in Poe es. Po* Ha (N*2S)
_ Ausscheidung im Morn. Fht KOMIS)
I beide r . intravenös)
beobachteten Menge Arsen, welche in den Fäces, und der grössten Menge,
welche in dem Harn beobachtet wurde. Sie stammen vom Patienten Ka.,
bei welchem durch den Darm in 24 Stunden 10,3 mg elirainirt wurden,
und dem Patienten K., bei dem innerhalb 24 Stunden im Harn 5,6 mg
ausgeschieden wurden.
Zum Vergleich wurde auch in einigen Versuchen die Elimination des
Arsens beim Thiere verfolgt, und zwar bei Hunden. Es wurde die Aus-
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ueber das Schicksal des Salvarsans im menschlichen Körper. 541
Scheidung bei beiden Applicationsarten bestimmt, im Ham und in den
Fäces; darüber giebt die beistehende Tabelle Auskunft.
Hund No.
Datum
Arsenmengen
Bemerkungen
im Harn
mg
in Fäces
rag
1 .
11.4. 1911
Kein Harn
Kein Koth
0,2 g am 10. 4. 1911 intra-
12. 4. 1911
0,3
1 Kein Koth
musculär.
13. 4. 1911
0,1
0,8
14.4. 1911
0,2
0,4
15. 4. 1911
0,3
Kein Koth
16.4. 1911
0,1
0,5
11.
11.6. 1911
Kein Harn
Kein Koth
0,1 g in schwach alkalisch.
12. 6. 1911
2,1
1,4
Lösung intravenös einge¬
13.6.1911
0,3
Kein Koth
spritzt am 10. 6. 1911.
14. 6. 1911
0,5
Kein Koth
15. 6. 1911
0,2
Kein Koth
16. 6.1911
0,3
U
17. 6. 1911
0,1
0,7
18.-23. 6. 1911
0,5
0,6
10. 7. 1911
0,05
0,08
Die Ausscheidung bei Hunden geschieht, wie ersichtlich, in ähnlicher
Weise wie bei Menschen. Bei intramusculärer Application geht sie lang¬
samer vor sich, und zwar in Mengen von 0,1—0,3 mg täglich aus¬
geschiedenen Arsens. Nach intravenösen Injcctionen wird der grösste
Teil Arsen bald nach der Operation ausgeschieden. Die Darmausscheidung
bei beiden Verfahren ist sehr gross, ebenso die Dauer derselben. Noch
einen Monat nach einer intravenösen Application sind Spuren von Arsen
sowohl im Harn wie in den Fäces nachgewiesen worden.
Auch bei Kaninchen und Ratten ist die Dauer der Salvarsanaus-
scheidung, wie Blumenthal und Navassart angegeben haben, grösser
als die anderer aromatischer Arsenverbindungen. Auch war die Affinität
der Organe, besonders der Leber zu Salvarsan stärker als zu anderen Arsen-
Präparaten. Es war uns nicht möglich, diese Verhältnisse, beim Menschen
zu untersuchen mangels geeigneten Sectionsmaterials. Bornstein fand
noch nach Monaten in den Organen, speciell in der Niere, Arsen und vermuthet
daher, dass auch im Harn noch Monate lang Arsen anwesend sein müsste.
Im Eiter aus Abscessen, die durch subcutanelnjectionen entstanden waren,
fanden wir kein Arsen, allerdings verfügen wir nur über wenige Versuche.
In den Haaren konnten bei zwei Patienten nach intramusculärer
Application deutliche Spuren von Arsen nachgewiesen werden. Bei anderen
Patienten waren die Ergebnisse negativ, so dass wir noch einige Versuche
an Hunden ausführten zur Erledigung der Frage, ob das Arsen regel¬
mässig in den Haaren deponirt wird: Ein grosser Hund erhält am 10. 4. 1911
0,1g Salvarsan subcutan, nachdem vorher in 11,5 g Haaren die Arsen¬
probe negativ ausfiel, am 18. 4. nochmals 0,2 g subcutan, am 28. 4. 0,25 g
subcutan; am 8. 5. werden 5,2 g Haare abgeschnitten und auf Arsen
untersucht. Resultat: Undeutlicher Spiegel. Am 28. 5. 9 g Haare
untersucht. Resultat: Deutlicher Spiegel (0,05 mg). Es wird also eine
minimale Menge Salvarsan in den Haaren deponirt. Dieses Ergebniss
steht im Einklang mit den Befunden, welche M. Frenkel-Paris an Schafen
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542 Frenkel-Heiden u. E. Navassart, Salvarsan im menschlichen Körper.
erhoben hat aus der Gegend von La Bourboule, dem bekannten Badeort mit
arsenhaltigen Quellen. Er fand in der Wolle nachweisbare Menge von Arsen.
Die Ausscheidung des Salvarsans in dem Liquor cerebrospinalis wurde
bei sechs Patienten geprüft in 10—15 ccm Flüssigkeit. Der March’sche
Apparat wurde so klein als möglich gestaltet und die Entweichung des
Wasserstoffgases sehr langsam eingerichtet. Es wurden nur bei zwei Patienten
Arsenspuren gefunden. In einem Fall war die Diagnose Dementia para-
lytica und in dem zweiten Fall Lues cerebrospinalis. Beide Patienten
hatten 0,4 g intravenös erhalten. Die Punction fand eine Woche nach
der Einspritzung statt. Bei den anderen vier Patienten war der Befund
durchaus negativ bei gleicher Menge Medicament und gleicher Application.
In welcher Form wird nun das Arsen nach Salvarsanapplication
ausgeschieden?
Zur Entscheidung der Frage, ob das Salvarsan als solches oder nach
vorhergehender Spaltung aus dem Organismus im Harn und Fäces aus¬
geschieden wird, wird man sich erinnern müssen, dass das Salvarsan, wie
andere Atoxylderivate, die Diazoreaction giebt, wie von uns bereits früher
berichtet wurde. Diese Reaction bleibt bei etwas erheblicheren Mengen
(0,6 g Salvarsan) 2—4 Tage lang im Harn positiv. Der Harn der ersten
Tage, in dem eine grössere Menge Arsen vorausgesetzt werden konnte,
wurde auf ein kleines Volum gebracht und filtrirt, das Filtrat in üblicher
Weise diazotirt, indem in der Kälte die Lösung mit verdünnter HCl an¬
gesäuert, dann mit Natr. nitrit, und einer Lösung von 25 procentigem
«-Naphtol gelöst in NaOH versetzt wurde. Der ausgeschiedene Farbstoff
löste sich in überschüssiger Natronlauge. Zur Auscheidung wurde ver¬
dünnte Salzsäure zugesetzt, dann filtrirt und der Niederschlag mit
destillirtem Wasser gewaschen und in absolutem Alkohol gelöst. Die
alkoholische Lösung abgedampft, mit Wasser aufgenommen, in üblicher
Weise oxydirt und auf Arsen geprüft.
Die Resultate waren alle positiv. Wir konnten in allen Farbstoff¬
niederschlägen Arsen feststellen. Dieses Ergebniss beweist, dass es sich
um eine Diazoverbindung des Salvarsans handelt, d. h. es wird dieses
unverändert aus dem Organismus ausgeschieden. Im Filtrat des Farbstoff¬
niederschlages wurde ebenfalls eine minimale Menge Arsen nachgewiesen.
Dieses Arsen konnte von einer nicht in Reaction getretenen kleinen Sal-
varsanraenge herrühren, weil ja die Diazoreaction nicht quantitativ aus¬
fällt. Ob auch in den nächstfolgenden Tagen der Eliminationsperiode un¬
verändertes Salvarsan ausgeschieden wird, konnte bei den ganz minimalen
Mengen Arsen in der späteren Ausscheidungsperiode nicht bewiesen
werden. Es ist aber die Feststellung von Wichtigkeit, dass gerade in der
ersten Zeit der Ausscheidung, wo die grösste Menge Arsen den Organismus
verlässt, dieses in der Form des Dioxydiamidobenzols geschieht, d. h. in
derselben Form, in welcher es dem Körper einverleibt worden ist.
Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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Die Zeit ist in folgenden atrioventriculäron Extrasystolen.
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