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Full text of "Zeitschrift Für Experimentelle Pathologie Und Therapie 15.1914 UM"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

EXPERIMENTELLE PATHOLOGIE 

UND 

THERAPIE. 


HERAUSGEGEBEN 


VON 

L. BRIEQER (BERLIN), H. E. HERING (CÖLN), 
F. KRAUS (BERLIN), R. PALTAUF (WIEN), 
J. POHL (BRESLAU). 


FÜNFZEHNTER BAND. 

MIT 5 TAFELN, 18 ABBILDUNGEN UND 42 CURVEN IM TEXT. 


BERLIN 1914. 

VERLAG VON AUGUST HIRSCHWALD. 

NW, UNTER DEN LINDEN 58. 


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Inhalt 


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(Heft 1: Ausgegeben am 14. Januar 1914.) Seit ' 

I. Aus der physiologisch-chemischen Abt. des städt. Krankenhauses im 
Friedriohshain in Berlin. Ueber die Beziehungen der physiologischen 
Wirkungen von Hypophysenextrakt, Adrenin, sowie Mutterkorn¬ 
präparaten und Imidazolyl-Aethylamin. Von Dr. Petre Niculescu, 

Arzt am Krankenhaus Coltzea in Bukarest. Mit einem Nachtrag von 

Prof. H. Boruttau. (Mit 7 Curven im Text.). 1 

II. Aus der Königl. Universitäts-Poliklinik für Lungenleidende (Direotor: 

Geh.-Rat Prof. Dr. M. Wolff). Zur Uebertragung der Tuberkulin- 
Ueberempfindlichkeit. Von Dr. Felix Klopstock. 13 

III. Aus der II. med. Universitäts-Klinik der Königl. Charitö zu Berlin 
(Direotor: Geh.-Rat Prof. Dr. Fr. Kraus). Ueber das Verhalten der 
Temperatur bei der aktiven Anaphylaxie. (Untersuchungen an Hunden 

und Kaninchen.) Von Erich Leschke. (Mit 7 Curven im Text.) . 23 

IV. Aus der II. med. Universitäts-Klinik zu Berlin (Director: Geh.-Rat Prof. 

Dr. Fr. Kraus). Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämie¬ 
therapie. Von Prof. Dr. A. Pappenheim. (Hierzu Tafel I.) . . 39 

V. Aus der I. med. Universitäts-Klinik in Wien (Vorstand: Hofrat Prof. 

Dr. C. von Noorden). Studien über die Wirkung einzelner Blut¬ 
drüsenextrakte, insbesonders auf den respiratorischen Stoffwechsel, 
nebst Bemerkungen über den respiratorischen Stoffwechsel bei Blut¬ 
drüsenerkrankungen. Von Dr. Siegmund Bernstein, Assistenten 
der Klinik. (Mit 4 Curven im Text.). 86 

VI. Aus der Königl. med. Univ.-Poliklinik zu Halle a. S. (Direktor: Prof. 

Dr. Mohr). Ueber Lipoid Verfettung. (Eine kritisch exporimenteile 
Studie.) Von Dr. Hermann Jastrowitz, Assistenten der Poliklinik 116 

(Heft 2: Ausgegeben am 20. Februar 1914.) 

VII. Aus dem Kiewer städt. Alexander-Krankenhaus. Zur Frage von den 
gegenseitigenBeziehungen zwischen Nervensystem und Zuckerkrankheit. 
(Experimentelle — klinische Untersuchung.) Von Dr. P. Zagorowsky 167 

VIII. Aus der Königl. med. Univ.-Poliklinik zu Halle a. S. (Director: Prof. 

Dr. Mohr). Ueber Lipoidverfettung. (Eine kritisch experimentelle 
Studie.) Von Dr. Hermann Jastrowitz, Assistenten der Poli¬ 


klinik. (Schluss.).222 

IX. Aus dem staatl. serotherapeutischen Institut in Wien (Vorst.: Hofrat 
Prof. Pal tauf). Ueber Immunisierung mit atoxisohen Toxinen und 
mit übercompensierten Toxin-Antitoxinmischungen bei Diphtherie. 

Von Dr. E. Löwenstein, Assistenten am Institut.279 

X. Aus dem pharmakol. Inst, der Univ. Breslau (Geh.-Rat Prof. J. Pohl). 

Ueber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch andere Alkohole. 

Von Ernst Asser. (Mit 1 Abbildung im Text.).322 


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IV 


Inhalt. 


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XL Aus der II. med. Univ.-Klinik der Königl. Charitö zu Berlin (Director: 
Geh.-Rat Prof. Dr. Fr. Kraus). Der gesagte Energie- und Stoff¬ 
umsatz beim aktiven anaphylaktischen und beim Anaphylatoxinfieber. 
Von Prof. Dr. Rahel Hirsch und Dr. Erich Leschke. (Hierzu 
Tafeln II-V.). 

XII. Aus der I. med. Univ.-Klinik in Wien. Studien über den Purin¬ 
stoffwechsel. I. Mitteilung: Der Einfluss des Adrenalins auf die 
Allantoinausscheidung beim Hunde. Von Prof. Dr. W. Falta . 

(Heft 3: Ausgegeben am 16. März 1914.) 

XIII. Aus dem Laboratorium der II. med. Klinik der Kgl. Charitö, Berlin. 

Experimentelle Beiträge zur Frage der Zuckerzerstörung bei Diabetes. 
(Der respiratorische Quotient beim Pankreasdiabetes und die actuelle 
Blutreaction unter dem Einflüsse von Strychnininjeotionen.) Von 
Dr. V. Iwanoff. 

XIV. Aus dem Laboratorium der II. med. Klinik der Kgl. Charitö, Berlin. 
Die Aenderung der Blutalkalescenz beim Pankreasdiabetes unter dem 
Einfluss von Muskelkrämpfen. Von Max Sass, Medicinalpraktikant 

XV. Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charite, Berlin. Ueber die Ein¬ 

wirkung von Oxychinolin undeiniger Derivate auf den Purinstoffwechsel. 
Von Felix Boenheim, Medicinalpraktikant. 

XVI. Aus dem pharmak. Inst, der Univ. Jena (Vorst.: Prof. Dr. H. Kionka). 
Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. Von Dr. med. Arnold Holste, 
Assistenten des Instituts. (Mit 1 Abbildung im Text.) .... 

XVII. Aus der I. inneren Abt. (Prof. L. Kuttner) und dem chemischen Inst. 
(Prof. W. Löb) des Rudolf Virchow-Krankenhauses, Berlin. Zur Frage 
der Stoffwechselerkrankungen. I. Mitteilung: Purinstoffwechselunter¬ 
suchungen bei Gicht, Erythema nodosum, Purpura haemorrhagica 
(Quinkesches Oedem), Psoriasis, Asthma bronchiale, Colitis mem- 
branacea. Von Dr. Alfred Liudemann, Ass.-Arzt der I. inneren 
Abt. des städtischen Rudolf Virchow-Krankenhauses. "(Mit 24 Curven 

im Text.). 

XVIII. Aus der I. inneren Abt. (Prof. L. Kuttner) und dem chemischen Inst. 
(Prof.W. Löb) desRudolfVirchow-Krankenhauses, Berlin. Zur Frage 
der Stoffwechselerkrankungen. II. Mitteilung: Kalkstoffwechselunter¬ 
suchungen bei chronischen deformierenden Gelenkerkrankungen. Von 
Dr. Alfred Lin de mann, Ass.-Arzt der I. inneren Abt. des städtischen 
Rudolf Virchow-Krankenhauses. 

XIX. Aus dem pathol. Inst, der Univ. zu Würzburg. Leberglykogen und 
Diabetes mellitus. Von Prof. Konrad Helly, Prosektor am Institut 

XX. Aus dem Centralhospital zu Petoemboekan (Sumatras Ostküste). 

Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren Chemotherapie. Von 
Dr. G. Baermann. 

XXI. Aus der inneren Abt. des Stadt. Krankenhauses Neukölln (Director: 
Prof. Dr. Jürgens). Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch 
Bismutum subnitricum. Von Dr. med. J. Zadek, Assistenzarzt . 

XXII. Aus dem Obucbow-Männerkrankenhause zu St. Petersburg (Chefarzt: 
Geh.-Rat A. A. Netschajeff). Ueber die Salvarsantherapie der 
Syphilis des Nervensystems. Von Dr. G. Iwaschenzoff, Assistenz¬ 
arzt. (Mit 16 Abbildungen im Text.). 


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Soite 

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I. 


Aus der physiologisch-chemischen Abteilung des städtischen 
Krankenhauses im Friedrichshain in Berlin. 

Ueber die Beziehungen der physiologischen Wirkungen 
von Hypophysenextrakt, Adrenin, sowie Mutterkorn¬ 
präparaten und Imidazolyl-Aethylamin. 

Von 

Dr. Petre Niculescu, 

Arzt am Krankenhaus Coltsea in Bukarest 

Mit einem Nachtrag von Prof. H. Boruttau. 

(Mit 7 Kurven im Text) 


In letzter Zeit ist das Extrakt des Infundibularteils der Hypophyse 
für therapeutische Zwecke immer mehr in Aufnahme gekommen. Es 
wird zur Anregung oder Verstärkung der Wehentätigkeit in der geburts¬ 
hilflichen Praxis angewendet, andererseits hat man es zur Besserung des 
Blutkreislaufs in Collapszuständen empfohlen, indem angegeben wird, 
dass es eine langsamer eintretende, aber iänger dauernde Contraction der 
peripherischen Blutgefässe bewirkt als das Adrenalin. Es sind auch 
schon mehrfach Mischungen von Hypophysenextrakt mit Nebennieren¬ 
präparaten im Handel angeboten, ohne dass indessen bis jetzt auf das 
eigentümliche Verhältnis der Wirkungen beider Präparate auf den Kreis¬ 
lauf dabei bezug genommen worden wäre. 

Hinsichtlich seiner Uteruswirkung steht das Infundibularextrakt in 
Konkurrenz mit den Mutterkornpräparaten. Als wirksame Bestandteile 
des Mutterkorns sind bisher isoliert worden das Paraoxyphenyl-Aethylamin, 
das Imidazolyl-Aethylamin, das Isoamylaroin, das Phenyl-Aethylamin und 
das Agmatin. Die beiden erstgenannten sind unter den Bezeichnungen 
Systogen, Tyramin und Uteramin resp. Histamin, auch Imido-Roche, unter¬ 
sucht, beziehentlich in den Handel gebracht worden. Sie haben starke 
contractionsanregende Wirkung auf den Uterus, ebenso wie dies für das 
Adrenalin gilt, bei intravenöser Injektion und Beobachtung am Uterus 
in situ, und unter gewissen Bedingungen auch am isolierten Uterus; die 
Anwendung des Adrenalins in der Geburtshilfe ist ja darum schon vor 
längerer Zeit von Neu 1 ) empfohlen worden. Wieweit an der Wirkung 
des Mutterkorns ausser den gedachten Aminen noch andere Körper be¬ 
teiligt sind, ist noch nicht klargestellt, ebensowenig der Grad der Beteiligung 
der einzelnen Amine; die hierüber gemachten Angaben Burmanns 2 ) sind 
neuestens von Guggenheim 3 ) energisch bestritten worden. 

1) Gynäkologische Rundschau. 1907. S. 507. 

2) Schweizer Wocbenschr. f. Ch. u. Pharm. 1912. S. 85. 

3) Therapeutische Monatsh. Nov. 1912. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 15. Bd. j 


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Petre Niculescu, 


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Für das Verständnis der Wirkungsweise des Mutterkorns und der 
„proteinogenen Amine“ (Guggenheim), wie auch des Hypophysen¬ 
extraktes, für die Erforschung ihrer Angriffspunkte und die Beurteilung 
etwaigen Nutzens oder Schadens der Kombination von zweien oder 
mehreren derselben wird es von Bedeutung sein, die Erscheinungen bei 
nacheinander oder gleichzeitig erfolgender Applikation im Tierversuch 
resp. am isolierten Organ zu untersuchen. Solches ist in letzter Zeit in 
der Tat schon in Angriff genommen worden. 

Kepinoff 1 ) hat im Heidelberger pharmakologischen Institut den 
Synergismus von Hypophysenextrakt und Adrenalin untersucht. Er 
fand am Trendelenburg-Läwenschen Froschgefässpräparat, dass während 
dauernden Einlaufs von Hypophysenextrakt 1 :1000 bis 1 : 2000, auf ein¬ 
malige Einführung eines 7 2 ccm Adrenalinlösung 1 : 20000 eine stärkere 
Gefässcontraction erfolgte als während dauernden Einlaufs von Ringer¬ 
lösung. Umgekehrt setzte während dauernden Adrenalineinlaufs 1:40000000 
l / 2 ccm Hypophysenextrakt 1:1 die Tropfenzahl stärker herab als während 
dauernden Ringereinlaufs. Während Ringereinlaufs unwirksame Adrenalin¬ 
mengen wurden während Hypophysenextrakteinlaufs wirksam, nicht aber 
umgekehrt unwirksame Hypophysenextraktmengen während dauernden 
Adrenalineinlaufs. 

Aehnliches konnte Kepinoff bis zu einem gewissen Grade auch 
hinsichtlich der pupillenerweiterndcn Wirkung konstatieren: nach vorheriger 
intravenöser Injektion von Hypophysenextrakt erzeugten vorher unwirk¬ 
same Adrenalinraengen beim Auge des Kaninchens Mydriasis, während 
die sensibilisierende Wirkung bei der Ehrmann-Meltzerschen Reaktion des 
enukleierten Froschbulbus zweifelhaft blieb. 

Im Blutdruckversuch beim Kaninchen endlich fand Kepinoff, dass 
nach vorhergegangener intravenöser Injektion von Hypophysenextrakt, 
ebenso während dauernden Einlaufs verdünnter Lösung desselben die 
blutdrucksteigernde Wirkung intravenös injizierten Adrenalins stärker und 
von längerer Dauer war als vorher. Diese Wirkung war besonders 
deutlich nach Durchschneidung beider Nn. vagi: bei erhaltenen Vagis 
wurde die Pulsverlangsamung, die das Adrenalin erzeugt, sehr verstärkt 
und trat vor der Blutdrucksteigerung in den Vordergrund. 

Ich habe mehrfach Gelegenheit gehabt, sonst minimal oder schwach 
wirkende Mengen von Adrenalin 2 ) vor einer eben deutlich oder maximal 
wirksamen Injektion von Infundibularextrakt 3 ) und unmittelbar nach der¬ 
selben oder später zu injizieren, und habe stets die „sensibilisierende“ 
Wirkung im Sinne von Kepinoff bestätigen können. Hierüber möchte 
ich folgendes etwas genauer ausführen: 

Nachdem früher schon Cyon, Howell, v. Frankl-Hoch wart und 


1) Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. 1912. Bd. 67. S. 247. 

2) Benutzt wurden die Präparate: Suprareninum syntli. (Höchst), Adrenalin 
(Parke & Davis), Ilypernephrin (Athenstädt & Redeker) und Renoform (Freund & Red¬ 
lich) ohne jeden Unterschied in Wirkung und Dosierung. 

3) Bonutzt- wurden Pituitrin (Parke & Davis), Pituglandol (Roche), Hvpophysin 
(Höchst) und Coluitrin (Freund & Redlich) ohne jeden Unterschied der Wirkung. 


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Ueber die Beziehungen der physiologischen Wirkungen von Hypophysenextrakt usw. 3 


A. Fröhlich Blutdrucksteigerung und Pulsverlangsamung als Folge der 
intravenösen Injektion von Hypophysenextrakt beobachtet hatten, hat in 
neuerer Zeit Paukow 1 ) in einer im Freiburger pharmakologischen Institut 
angestellten Untersuchung die Einzelheiten der Wirkung intravenöser 
Injektionen von Pituitrin auf den Kreislauf und die Atembewegungen 
beim Kaninchen genauer festgestellt. Meine Erfahrungen decken sich 
durchaus mit den seinigen. Auch ich fand die initiale Blutdrucksteigerung 
mit darauffolgendem Abfall, bedingt durch die schnell einsetzende Puls¬ 
verlangsamung bis zum vorübergehenden Aussetzen der Herztätigkeit, den 
darauffolgenden Wiederanstieg des Blutdruckes, der, besonders dann, wenn 
er vor der Injektion niedrig war, diesen ursprünglichen Wert längere Zeit 
übersteigen und so ein der Adrenalinkurve ähnelndes, aber viel ge¬ 
dehnteres Bild zeigen kann. Während der Blutdrucksteigerung dauert 
Verlangsamung der Herztätigkeit bis auf die Hälfte und mehr stets an, 
ja solche kann durch Stunden und selbst am Tage und mehreren Tagen 
nach der Injektion einer grösseren Dosis noch merklich sein, wie ich in 
Uebereinstimmung mit Cyon gelegentlich beobachtet habe. Ich stimme 
mit den neueren Angaben von Guggenheim 2 ) dahin überein, dass 
individuelle Differenzen in der Wirkung bei Kaninchen Vorkommen, sowohl 
in bezug auf den Abfall und das Wiederansteigen des Blutdrucks, wie auf 
die Pulsverlangsamung, und endlich auf den Grad des Ausgesprochenseins 
der zweimaligen Hemmung der Atmung, die ich ebenso wie Paukow 
beobachtet habe. Bei der Katze, noch mehr beim Hund, sind die Er¬ 
scheinungen, nach Injektion von entsprechenden Dosen auf die Ein¬ 
heit des Körpergewichts bezogen, lange nicht so ausgesprochen wie beim 
Kaninchen. 

Darum ist auch die Verstärkung der Adrenalinwirkung bei letzterem 
Tier am besten und regelmässigsten zu beobachten. Injiziert man hier 
intravenös eine Adrenalindosis, etwa 1 / 2S0 bis 1 / 10 oo m £i welche nur einen 
deutlichen, aber nicht hohen und kurzdauernden Blutdruckanstieg be¬ 
wirkt; injiziert man zu beliebiger Zeit nach dieser Probe eine Dosis 
Infundibularextrakt, welche eine vollausgesprochene typische Blutdruck¬ 
wirkung erzeugt, und nach Vorübergehen des Maximums der durch diese 
erzeugten Drucksteigerung aufs neue die gleiche Dosis Adrenalin wie 
vorher, so ist die dadurch bewirkte Blutdrucksteigerung sehr verstärkt, 
sie entspricht etwa der doppelten bis fünffachen Dosis unter normalen 
Bedingungen. Mit zunehmendem Zeitabstando von dem Momente der 
Hypophysenextraktinjektion nimmt der Grad der Steigerung der Adrenalin¬ 
wirkung ab; sie kann aber noch nach langer Zeit merklich bleiben, und 
zwar dann, wenn Pulsverlangsamung als Nachwirkung der erstgenannten 
Injektion andauert. Dass nach einer wirksamen Infundibularextraktdosis 
weitere Injektionen desselben viel schwächer, schliesslich gar nicht mehr 
wirksam erscheinen, habe ich immer bestätigen können. Dementsprechend 
nimmt auch die Steigerung der Adrenalinempfindlichkeit durch zweite 
und spätere Dosen Infundibularextrakt rascher ab, als nach der ersten 


1) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1912. Bd. 147. S. 89. 

2) Med. Klinik. 1913. No. 19. 

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Dosis Diese Ergebnisse werden durch die Kurven ) und 2 .ohne weiteres 
illustriert. 


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ifttöndibu Järextrakt, die nicht maximal wirksam zu äßitV hraaebi, 
läit- man- ein« liluidru<:kstftigeruo& die schnell und steil atsi'rtiirt, 


und sehr allmählich abfallem). au»serord»>t»Hkvi« lung* dauern kann (Kurve 3). 
Bemerkenswert situl dabei folgende" Punktes 'Di« bei • alleiniger Jiijektio« 


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Petre Niculescu, 

von Infundibularextrakt auftretende Blutdrucksenkung mit Aussetzen der 
Herztätigkeit fällt weg oder wird bei erhaltenen Vagis ersetzt durch eine 
vorübergehende Pulsverlangsamung mit ausgesprochenen „Vaguspulsen“ 
ohne Erniedrigung des maximalen Drucks. Die dem Infundibularextrakt 
eigentümliche dauernde Pulsverlangsamung dagegen ist auch bei durch¬ 
schnittenen Vagis meist recht deutlich ausgesprochen. Wie schon er¬ 
wähnt, dauert die Blutdrucksteigerung nach der gleichzeitigen Injektion 
von Adrenalin und Infundibularextrakt lange an; es wird die Dauer 
der Wirkung auch grösserer Adrenalindosen, deren Wirkungsintensität, 
gemessen am Maximum der Drucksteigerung, maximal ist, bedeutend 
verlängert. Bekanntlich fällt der Blutdruck nach grösseren Adrenalin¬ 
dosen von der Höhe bis unter die Norm, zu der er dann allmählich 
wieder ansteigt; diese sekundäre Erschlaffung der Gefässwände, die 
wohl als eine Ermüdung der glatten Muskulatur gedeutet werden 
muss, kann bei der praktischen Anwendung des Adrenalins in der 
Therapie unangenehme Folgen haben, indem sie z. B. bei seiner Ver¬ 
wendung zur Anämisierung (gleichzeitig mit der Lokalanästhesie durch 
Cocain oder Novocain) in der kleinen Chirurgie, Laryngo-rhinologie und 
Zahnheilkunde unangenehme Nachblutungen veranlassen kann. An¬ 
wendung einer Mischung von Nebennieren- und Hypophysenpräparaten in 
geeignetem Verhältnis dürfte nach vorstehenden Beobachtungen geeignet 
sein, diesen Uebelstand zu beseitigen oder zu vermindern. Wie gesagt, 
sind solche Mischungen schon im Handel, indessen ohne dass bisher 
dieser Vorzug erwähnt worden wäre. 

Die Wirkung des Mutterkornextraktes auf den Kreislauf des Kaninchens 
habe ich an dem von Hoffmann-La Roche in Basel in den Handel ge¬ 
brachten Präparat „Secacornin-Roche“ geprüft; es ergab sich eine nicht 
besonders starke und anhaltende Blutdrucksteigerung, die vielleicht auf 
den Gehalt an Paraoxyphenyl-Aethylamin zurückzuführen ist. Unmittel¬ 
bar vorher und nachher erfolgte Prüfung der Wirkungen kleiner Adrenalin¬ 
dosen ergab keine „sensibilisierende“ Beeinflussung. Auch unterscheidet 
sich die Blutdruckwirkung des Secacornins nach meinen Erfahrungen 
dadurch von derjenigen des Infundibularextraktes, dass sie bei Wieder¬ 
holung der Injektionen immer wieder auftritt; dasselbe habe ich auch 
für das Iraidazolyl-Aethylamin gefunden, dessen Blutdruckwirkung beim 
Kaninchen mit derjenigen von Infundibularextrakt insofern eine gewisse 
Aehnliehkeit zeigt, als erst primäre Drucksteigerung, dann Abfall, endlich 
wieder Ansteigen eintritt, ohne wesentliche Pulsverlangsamung und Aus¬ 
setzen der Herztätigkeit. Beim Hund und der Katze sah ich auf intra¬ 
venöse Injektion von Imidazolyl-Aethylamin (Imido-Roche) nur Abfall 
des Blutdrucks; schon das abweichende Verhalten des Kaninchens 
zeigt, dass die Identifizierung des Iraidazolyl-Aethylamins mit dem 
„Vasodilatin“ von Popielski und dem „Anaphylaxiegift“ nicht richtig 
sein kann, wie übrigens mehrfach von anderen Autoren hervorgehoben 
worden ist. 

Injektion von Adrenalin bewirkt, dass bei darauffolgender Injektion von 
Imidazolyl-Aethylamin die zwischen den beiden Anstiegen sonst auftretende 
Blutdrucksenkung vermindert wird; sie fehlt bei gleichzeitiger Injektion 


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Kurve 3. KuD.t*v:hou 



t/«ber die ßejieliuiigeiT d«■ r pli^sio 1 o £i s c Iwm Wirfcurtgeri von Hjjioiiht^epoTtlrnkt hjw. 1 

(•eiiler Smffe (Kurve 4). Da, "wie eieU^h nüiier /.ii erörteni seiii wird 
Imidftzölyl-Aethyjäffiir) aas stärksten auf den IfteruS eontraetionsanregent 


wirkt, vr'iin- »eine thempeulDol«- Anwendung. insbesondere zusammen uni 
Adrenalin, nicht von 4er Hand .:n wr-sen. 









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Petre Niculescu, 


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Vergleichungen der Wirkungsweise und -stärke der verschiedenen 
Uteruscontractionen erzeugenden Mittel unter Verwendung teils des Uterus 
in situ, bei intravenöser Injektion, teils des ausgeschnittenen Uterus, in 
beiden Fällen mit graphischer Registrierung, sind schon mehrfach an¬ 
gestellt worden (Kurdinowski, Kehrer u. a.); diese Untersuchungen 
haben für die Mutterkornpräparate wesentlich die Rhythmik der Con- 
tractionen beschleunigende und die einzelnen Wellen verstärkende Wirkung 
ergeben, mit oder ohne Tonuserhöhung. Aehnliches ist neuerdings für 
Adrenalin, Imidazolyl-Aethylamin und Hypophysenextrakt in kleineren 
Dosen angegeben worden, während grössere Dosen der letztgenannten 
Stoffe tetanusartige Contraction resp. starke Steigerung des Tonus be¬ 
wirken. Eigenartig ist das Verhalten des Adrenalins. Am Uterus in situ 
wird hier bei intravenöser Injektion meist Contraction der Uterus¬ 
muskulatur zugleich mit derjenigen der Gefässe angegeben. Am aus¬ 
geschnittenen, in durchlüfteter Salzlösung überlebenden Uterus (Kaninchen, 
Katze) wurde je nach der Tierart und dem Zustande der Gravidität oder 
Nichtgravidität, endlich auch nach der Höhe der angewendeten Dosis 
wechselnd Tonussteigerung (Contraction) und Tonushemmung (Erschlaffung) 
beobachtet. Ich habe in Uebereinstimmung mit Leo Adler 1 ), von dessen 
Arbeit ich erst nach Abschluss meiner Versuche Kenntnis erhielt, ge¬ 
funden, dass der ausgeschnittene Uterus des Meerschweinchens, un¬ 
abhängig vom Graviditätszustande bei Einwirkung von Adrenalin mit den 
stärksten Verdünnungen beginnend, immer Erschlaffung zeigt. Diese 
Wirkung ist von ähnlich kurzer Dauer und geht von solbst vollständig 
vorüber wie die durch Adrenalin erzeugte ßlutdrucksteigerung. Wir 
haben sie deshalb mit Vorteil zur Analyse der Wirkung der Kombination 
mit den uteruscontrahierenden Mitteln: Mutterkorn, Infundibularextrakt 
und Imidazolyl-Aethylamin verwendet. 

Das ausgeschnittene Uterusstück wurde in warmer Lockescher 
Lösung aufbewahrt, bis die durch das Ausschneiden verursachte Tonus¬ 
steigerung sich ausgeglichen hatte, dann wurde es in einer etwa 250 ccm 
zuckerhaltige Lockesche Lösung enthaltenden, durch einen Mikrobrenner 
auf 37 0 erhaltenen Schale mit einer Klemme am Boden fixiert, und das 
andere Ende durch eine Serre-fine und einen über Rollen laufenden 
Seidenfaden mit einem leichten Schreibhebel verbunden. Die Lösung in 
der Schale wurde von einem langsamen Sauerstoffstrome in kleinen Blasen 
gleichmässig ventiliert. Zur Prüfung der Wirkung wurden die Stoffe in 
bestimmten Mengen einer Lösung von bekanntem Gehalt der Lockeschen 
Lösung zugesetzt (durch Multiplikation mit 250 ergab sich die wirksame 
Verdünnung); zum Auswaschen wurde schnell mit Heber oder Pipette 
entleert, neue Lockelösung zugeführt, event. der Vorgang wiederholt. 

Zusatz von Secacornin-Roche zu 0,1—1—2 ccm erzeugte Vermehrung 
und Verstärkung der rhythmischen Bewegungen, mehr oder weniger mit 
Tonuszunahme kombiniert. Wiederholung ergab weitere Zunahme des 
Tonus, bisweilen auch Erschlaffung des Präparates. Erschlaffung des 
Präparates war die Folge des Zusatzes von Adrenalin auch in den ge- 


1) Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gynäkol. 1912. Bd. 26. 


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lieber di« Beziebungeb der pbyäJO'iögijcbenWirltöngea tos Hypbpfeyeenextrjrltt »sw. 9 

ridgsten KohzentratioTiPn, mochte der Uterps. »och unbehandelt gewesen 
sei«. oder schon Mimi>ikorripnijnt« , «l Auf ihn eingewirkt; haben, sei es, -lass 
dazwischen eine Auswaschung. vorgenpinmoo wurde oder nicht. (Siehe 
auch Kurve 5.) 

Kurve a. Ausgeschnittener Meerschweinchen-Uterus. 


4’- Zusatz: v<>b 6.1;t 'wg Adrortalui 


Plötzliche, iutetisive Toniiszonahrori ist die wesentliche Wirkung von 
Ittfamfibukrestrakt und von iinidazolyl-Aethyläniiln. ftlüssige Dosen stiften 
dabei die rhyt hat sehen Bewegungen nicht (s. Kurve 6), während stärker 
Wirksame zu 


totatiUB.irtiger Zusammenkieliting fuhren .können 


Kurve -6. Ausgradi nitt«ne r Mößrsfcbvroinchcn-Ute fm, 


■f“ ?aisat/ vuü Pituitrin 


Durch Hinzufugen vom A drenalin liess sich das Stärke Verhältnis der 
beiden einander entgegengesetzten Wirkungen, de» iimossupgecod»}« ■ der 
beiden andere« Prüf«rat« und der (onushemifti'rideri des Adrenalins selbst 
variiöteö und arinahfernd t(yant(riitrv bestiegen* auf dieseVYei^ife jiess jäich 
auch die Wirkungidrjtpnsitat der lohnsstüdgerttdöTi Stoffe. untereinander 
vergleichen. 

Bei Kombination von 20 proz. (niundibularoxirakt in der Verdünnung 
i: 1000 mit Adrenalin in der Verdünnung l r.l-ÖOO.OÖO überwog die ton uv* 

Bei Kninbinatiun derselben Dosts 


steigernde 


ng des erstgenannten 


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10 l*«tre N'ioUUs&ui, 

irifcmfiibilari'strüki mit der fünffachen ‘ - A Vl r * -11 a I i«i vi v»s j A ii .'200000) trat 
sofort feehlatiimg ein, l.lei Kowfoinntjon voti i : lOUO. fnfundibularextr&kf 
mit. i; 400000 Adrenalin , kitOf beide Wirkungen ««.nächst 

Zei.tlaug- das <ileidigewiiilttv döf Utttrus blieb unverändert^ ajlmäfihoh ahcf 
trat Anstieg des Turms ein, zum /niUie«, dass die henäiDtmde Wirkung 
des Adrenalins von wen kürzerer Dauer i#si. als die quantitativ ent- 
Sfi.reeluMide immssieige-ifub des 1fern<J»l><f*0>'#*t 

llet gjeielixeitigein liinxuTugeii v-m Aaveimlin und Imidazolyl-Aethyl- 
amift ;*r fo<eke,sehen tdi^ong .'trat. im Ify^inti adpfijiUrosln.s die tötitrs- 
SiCTgehiiie der leMtgehiionlK« Base hervor; im .•«rsMetfin Twistet« 

zeigte sieh die tti’nni'iinmmfmdn Wirkung des Adresiatin.s mitunter: m der 
<ta.ss vor-mau-t auftrat, . aber bald wnMkuy euuoifmrging/und 
lei.tiiiMiivein, .> 1 1 de« ersten wen yberireiTetiden ToiuiMtnsliege: hat?: 
rna.'life ;-|t;»s t'-H».-r\vicgen- der Wirkung des iitudrizoh I-Acthylambs ist: 
derartig, das* 1:2000000 Imido-Koehe »iit 1':''*200000 Adrenalin, also' 
der zehnfachen Menge kombiniert, immer noch primäre« Tonusanstieg 
bewirkte 

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^>i£tnue Sir v/iihror.d Vlf-r AUrv-naI»r«orrfoblaffui.vir 

Vorul^:t;^hcjni 

KouSiir trhiuht‘52 i'l'iv. ^olul4erh;u wenay*rt Ergebnisse meiner Kom- 
ivthuii=M^v-/NuriK* am ,1/t.orm kfäh’c viHifirhrnd^ £ehliuss/f m (iraktiM:h- 
(iifrj|jci!/isi’hor HiiLSiei.tr. Was mir sit-bfn- ersebvihL rmucinu jci» Ivdimnijk'!*-- 
masseu inrn>u!irr^ii 

DasdusM-n Jn-^rn: *nin^ko:t j» bekannt 
n-*\ iib>-riniii au !niw»utai dur l?U*rus\vi<kunu 20 j..fuv. iulujp^^^Lxtralui^ 

Utf‘J ' auch ilrtvn usulirHr yilwaiiic EaMU? 

[i!ypu|ib\yiu Ha-'ljst 1 y ynuc Bride ivuj-vf: ebenso 

wie das Adrenalin bei 1>t , e>eilu>sun.y \D-.' 1 ivrns in situ; wesentlich klon 
Tonus xil verstärken, ohne- auf kUv *1k ; ih)’iluiuk heiienvoiietaleü Apparate 

f$ Nach fe^^^tBc»u;fv:hö NX 1 b \\Hnby’ 1 mg, 

Fr«p;<rat^ m Wirkung- *W*. \ mp ^ *)$&• Khnz&hipyüün- 

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r v^HXU.KKr fmida^jiyt-A^Jivltinut- v " 







Ueber die Beziehungen der physiologischen Wirkungen von Hypophysenextrakt usw. 11 

direkt einzuwirken, deren bewegenden Erfolg sie aber auf der Höhe der 
Contraction aufheben können, ähnlich wie die Digitaliskörper den Tonus 
der Herzmuskulatur so steigern können, dass systolischer Stillstand auf- 
tritt, wobei die Rhythmik fortdauert, wie an der Persistenz des Aktions¬ 
stromes (Zwaardemaker und Noyons) und der Wiederkehr der Pul¬ 
sationen nach Steigerung des Binnendrucks erkannt werden kann. Secale- 
extrakte scheinen dagegen neben tonussteigernden Bestandteilen noch solche 
zu enthalten, welche die die Rhythmik beherrschenden Apparate stark 
anregen. Man wird deshalb je nach Umständen die eine oder die andere 
Klasse von Uterusmitteln bevorzugen (Mutterkorn bei Wehenschwäche, 
Hypophysenpräparate in der Austreibungsperiode), und von Kombinationen 
derselben bisweilen Nutzen erwarten können, in anderen Fällen aber sie 
zu vermeiden suchen müssen. 


Nachtrag zu dieser Arbeit. 

Von 

H. Boruttau. 

Durch äussere Umstände hat sich die Drucklegung dieser Arbeit um 
einige Monate verzögert. Während dieser Zeit ist eine Reihe von Ver¬ 
öffentlichungen erschienen, welche hier berührte Fragen betreffen, und 
auf die es mir zweckmässig erscheint, hier wenigstens kurz hinzuweisen. 

Fühner hat in seiner mittlerweile erschienenen ausführlichen Arbeit 1 ) 
über die isolierten Bestandteile der Infundibularextrakte (als Hypophysin- 
Höchst in den Handel gebracht) angegeben, dass die Atmungs- und 
Blutdruckskurven nach intravenöser Injektion von Imidazolyl-Aethylamin 
beim Kaninchen eine gewisse Aehnlichkeit zeigen mit den durch Injektion 
von Infundibularextrakt erhaltenen. Wir haben das bestätigen können. 
Noch grösser findet Fühner die Analogie, insbesondere hinsichtlich der 
zweimaligen Atemhemmung und dazwischenliegenden „Spindelkurve“ für 
Injektion, eines Gemisches von Imidazolyl-Aethylamin und Paraoxyphcnyl- 
Aethylamin. Wir haben diese Kombination nicht geprüft. Für die 
Kombination der Imidobase mit Adrenalin, dessen schwächerwirkendes 
Homologon ja das Paraoxyphenyl-Aethylamin ist 2 ), gilt das von Fühner 
angegebene Aussehen der Kurve aber nach unseren Erfahrungen nicht. 
Interessant ist die Konstatierung Fühners, dass Hypophysin und 
Imidazolyl-Aethylamin sich in ihren Wirkungen gegenseitig abschwächen, 
worauf wir wohl nicht genügend geachtet haben. Wir können aber nach 
nochmaliger Durchsicht unseres Kurvenmaterials diese Angabe bestätigen: 
Curve 7. Dieses Verhalten wäre also das umgekehrte wie die gegenseitig 
sensibilisierende Wirkung von Hypophysin und Adrenin. Letztere ist eigen¬ 
artiger Weise neuestens mehrfach abgcleugnet worden. Rischbieter 3 ) hat 

1) Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1913. Bd. 1. S. 397. 

2) Siehe meinen Vortrag (vorläuf. Mitteilung) auf der Naturforscherversammlung 
in Münster i. W. 1912. 

3) Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1913. Bd. 1. S. 355. 


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12 Nioulescu, Ueb.d.Beziehungen d.physiologisch.Wirkungenv.Hypophyseneitrakt. 

als Testobjekt das isolierte Kaninchenohr mit seinen Gefässen genommen. 
Es mag an der grossen Empfindlichkeit desselben, bei der winzige Mengen 
der Prüfungsstoffe genügend sind, liegen, wenn er glaubt, dass die sonst 
allgemein (auch für die Atmung) beobachtete Abschwächung der Wirkungen 
aufeinanderfolgender Dosen Infundibularextrakt für die Gefässe nicht 
existiere, sondern nur für das Herz. Wenn er aber auch die Existenz der 
sensibilisierenden Wirkung für Adrenin auf Grund seiner Tropfenzahlkurren 
in Abrede stellt, so scheint mir, dass (trotz seines Einwands hinsichtlich 
des Contractionsniveaus) eine, wenn auch geringe, Sensibilisierung anch 
aus seinen Kurven ganz unzweifelhaft hervorgeht. 

Was endlich die Uterus Wirkungen betrifft, so zeigen freilich einige 
Kurven Fühners, dass mit wiederholter Applikation von Hypophysin 
die vorher schwachen rhythmischen Bewegungen immer kräftiger werden. 
Man darf das aber wohl als eine sekundäre Wirkung der Tonussteigerung 
auf die automatisch-rhythmischen Apparate ansehen; auch scheint ja die 
Mehrzahl der klinischen Erfahrungen darin übereinzustimmen, dass nicht 
die Zahl, sondern die Stärke der Wehen, insbesondere der Contractions- 
zustand des Uterus durch Hypophysenpräparate gebessert wird. 


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II. 


Aus der Könlgl. Universitätspoliklinik für Lungenleidende 
(Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. M. Wolff). 

Zur Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit. 

Von 

Dr. Felix Klopstoek. 


Nach Versuchen durch Vorbehandlung mit Tuberkulin tuberkulose¬ 
freie Tiere gegen Tuberkulin zu sensibilisieren (vgl. diese Zeitschrift, 1913, 
ßd. 13), habe ich mich auf Veranlassung meines Chefs, Herrn Geheimrats 
Prof. Dr. M. Wolff, Experimenten zugewandt, die die Uebertragung der 
Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit von dem tuberkulösen auf das gesunde 
Tier zum Ziele hatten. 

Seitdem gezeigt worden ist, dass sich gesetzraässig der anaphylaktische 
Zustand vom sensibilisierten auf das normale Tier übertragen lässt, ist 
immer wieder der Versuch gemacht worden, auch die Tuberkulin-Ueber- 
empfindlichkeit vom tuberkulösen auf das tuberkulosefreie Tier zu über¬ 
führen. Die Mehrzahl der Untersucher ist hierbei entsprechend den Ver¬ 
suchen über passive Anaphylaxie von dem Serum Tuberkulöser aus¬ 
gegangen. 

Friedemann stellte bei seinen Experimenten über passive Ueberempfindlich- 
keit auch Versuche über die Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit an. 
Es erhielten 4 Meerschweinchen, die mit dem Serum tuberkulöser Tiere vorbehandelt 
waren, je 0,4 ccm Alttuberkulin. Die Tiere machten ebenso wie die Kontrollen einen 
leichtkranken Eindruck. Weitere Erscheinungen traten nicht auf. 

Yamanouchi injizierte Blut, Serum, Vesikatoreninhalt, Exsudate und Trans¬ 
sudate von Tuberkulösen kleinen Kaninchen von 500—600 g Gewicht; 24—48 Stunden 
später wurden den Tieren Tuberkulinpräparate oder Bazillenextrakte intravenös in¬ 
jiziert; es war häufig 2 malige Injektion notwendig. Im allgemeinen entwickelten sich 
Dyspnoe, Krämpfe, Parese und der Tod der Versuchstiere. Unsicher in seiner Wirkung 
war Tuberkulin-Höchst; ein aus Vogeltuberkelbacillen gewonnenes Tuberkulin war 
wirksamer, ebenso Bouillon filtr£ Denys und ein eigenes Alttuberkulin. 

Nach Bauer reagieren Meerschweinchen, denen das Serum Tuberkulöser sub- 
cutan injiziert ist, auf eine folgende Injektion von Tuberkulin mit typischer Fieber- 
Teaktion. Bauer injizierte je 2 ccm Serum und 24—48 Stunden später 0,125 bis 
0,2 Tuberkulin. Die Fieberreaktion bleibt nach ihm aus, wenn das Tuberkulin bereits 
8 Stunden später eingespritzt oder wenn Tuberkulin mit Tuberkuloseserum gemisoht 
wird. Bei gesunden Meerschweinchen sah er nach 0,25 Tuberkulin niemals eine 
Fiebersteigerung. 

Röpke und Busch unterzogen die Angaben Yamanouchis einer Nachprüfung 
und hielten sich bezüglich der Technik genau an seine Vorschriften. In keinem ihrer 
17 Fälle gelang es ihnen mit Vesikatoreninhalt oder Blut der verschiedenen Stadien 
angehörenden Phthisiker einen anaphylaktischen Reaktionskörper auf Kaninchen zu 
übertragen und Ueberempfindlichkeitsersoheinungen auszulösen. 


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Felix Klopstock, 


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Naoh Stark!off, der die Technik Bauers anwandte, zeitigt das Tierexperiment 
bei der passiven Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit ein durchaus ein¬ 
deutiges Ergebnis. In allen Fällen von Tuberkuloseverdacht mit positiven Tuberkulin¬ 
proben gelingt die Uebertragung, niemals jedoch bei Gesunden. 

Moro und Noda prüften 1909 die Resultate von Yamanouohi nach. Sie 
arbeiteten anfangs mit Alttuberkulin-Höchst, dann mit dem von Yamanouohi 
empfohlenen Vogeltuberkulin. Bei 12 Kaninchen, die mit dem Blute manifest Tuber¬ 
kulöser oder mittels der Tuberkulinreaktion als infiziert erkannter Kinder vorbehandelt 
waren, traten nach den beiden Tuberkulinjektionen nur ein einziges Mal Erscheinungen 
zu Tage, die leichten anaphylaktischen ähnlich waren. Ebenso verliefen 3 weitere Ver¬ 
suche völlig negativ, die sich mit der Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlich- 
keit mit dem Blute von 3 tuberkulösen Meerschweinchen auf Kaninchen beschäftigten. 

Auch Kraus konnte die Resultate von Yamanouohi nicht bestätigen; einer¬ 
seits konnte er mit einem primär giftigen Tuberkulin auch durch Vorbehandlung der 
Kaninchen mit normalem Pferdeserum oder mit Bouillon die beschriebenen Erscheinungen 
hervorrufen, andererseits vermochten andere Tuberkulinpräparate bei Kaninchen, die 
mit dem Serum tuberkulöser Menschen bis zu 10 ccm vorbehandelt waren, weder nach 
einmaliger, noch nach zweimaliger Injektion Reaktionen zu erzeugen. 

Fränkel und Bierotte, Röpke und Frankel legen dar, dass bei Meer¬ 
schweinchen Temperatursteigerungen nach Injektion von Serum und einer darauf¬ 
folgenden Tuberkulininjektion nicht spezifischer Natur sind. Die Temperatursteigerungen 
können nach Vorbehandlung mit sicher tuberkulösem Serum auch fehlen, treten häufig 
auch nach Vorbehandlung mit Normalserum auf, schliesslich nach Tuberkulininjektion 
allein, wenn die Tuberkulindosis über 0,1 ccm hinausgeht. 

Turan gelang es mit einem polyvalenten Tuberkulin, das er sich aus 7 ver¬ 
schiedenen Stämmen hergestellt hatte, in der Versuchsanordnung von Yamanouchi 
anaphylaktische Erscheinungen auszulösen. 

Nach Vallar di erhält man bei intraperitonealer Vorbehandlung mit dem Serum 
tuberkulöser Meerschweinchen und Kaninchen sofort nach der intravenösen Reinjektion 
von Tuberkulin und von Serum tuberkulöser Meerschweinchen einen leichten Tem¬ 
peraturabfall, der abor durchaus vorübergehender Natur und nicht spezifisch ist, da 
er auch bei den Kontrollieren in Erscheinung tritt. Die Komplementmenge der Ver¬ 
suchstiere bleibt vor, wie nach der Reinjektion regelmässig konstant. Es fehlen somit 
die objektiven Symptome der Uebertragung der Ueberempfindlichkeit (Temperatursturz 
und Komplementverminderung). 

Finzi versuchte die Uebertragung der Ueberempfindlichkeit durch das Serum 
von Pferden, welche mit nach Val lös Methode gewonnenem Tuberkelbacillenendotoxin 
vorbehandelt waren. Das Serum solcher Pferde w'urde Meerschweinchen intraperitoneal 
eingespritzt, und die Tiere wurden 24 Stunden später intravenös oder intracerebral 
mit dem gleichen Tuberkelbacillenendotoxin geprüft. Während normale oder mit 
Normalpferdeserum vorbehandelte Meerschweine dieses Tuberkelbacillenendotoxin ohne 
Schaden ertrugen, erlagen die mit dem Serum der immunisierten Pferde vorbehandelten 
Meerschweinchen der intravenösen bzw. intracerebralen Injektion des Tuberkelbacillen¬ 
endotoxins innerhalb 3—5 Minuten. 

Bail gelangen Uebertragungsversucho mit dem Serum Tuberkulöser nicht. 

Eitner und Störk machten bei ihren serologischen Untersuchungen bei Tuber¬ 
kulose der Lunge und Haut auch Versuche mit passiver Anaphylaxie, hatten jedoch 
negative Ergebnisse. 

Joseph injizierte Meerschweinchen, die mit 2 ccm Serum tuberkulöser Tiere 
vorbehandelt waren, nach 24—30 Stunden 0,25 Tuberkulin. Er sah eine Reaktion 
sowohl bei Tieren, die mit dem Serum gesunder Tiere, wie bei denen, die mit dem 
Serum tuberkulöser Tiere vorbehandelt waren. Bei der intracutanen Prüfung vor- 


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Zur Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit. 


15 


behandelter Tiere erhielt er in keinem Falle eine Lokalreaktion. Joseph bediente 
sich auch der Vorbehandlung mit dem Serum tuberkulöser Sohafe, die sich durch be¬ 
sondere Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit auszeichnen, mit negativem Ergebnis. 

Baidwin gelang nicht die Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit 
mit dem Serum von Meerschweinchen auf Meerschweinchen, von Kaninchen auf 
Kaninchen, und von Kaninchen auf Meerschweinchen. Vom Menschen auf Meer¬ 
schweinchen war die Uebertragung zweifelhaft, vom Menschen auf Kaninchen dagegen 
bisweilen erfolgreich. 

Neufeld und Dold gelang es weder mit dem Serum eines tuberkulösen Meer¬ 
schweinchens noch mit dem Serum künstlich immunisierter Tiere (Ziegenserum und 
Höchster Serum) die Tuberkulose-Ueberempfindlichkeit auf gesunde Tiere (Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen) zu übertragen. Nicht einmal eine Beeinflussung der 
Temperatur, die man als Zeichen einer bestehenden Anaphylaxie hätte deuten können, 
war bei der Reinjektion im allgemeinen zu konstatieren. 

Kiralyfi mischte Serum Tuberkulöser und Tuberkulin und nahm nach 
24 ständigem Aufenthalt im Brutschrank den Tierversuch vor. Beim Meerschweinchen 
wählte er die intraperitoneale Injektion, bei Kaninchen die Ophthalmoreaktion und 
intracutane Reaktion. Verfasser glaubt aus seinen Versuchen sohliessen zu können, 
dass das Serum von Tuberkulösen dem Tuberkulin in vitro eine toxische Eigenschaft 
verleiht oder aus demselben toxisch wirksame Eigenschaften freimacht. Diese Wirkung 
ist nicht immer, aber doch in einzelnen Fällen nachweisbar. 

Valenti bestätigt die Resultate von Yamanouchi bei der Verwendung von dem 
Serum von Phthisikern, und tuberkulösen Pleuraexsudaten. 

Tadini konnte niemals bei Kaninchen durch intravenöse Einspritzung einer 
2 Stunden im Brutschrank und 1 Stunde bei Körpertemperatur gehaltenen Mischung 
von Tuberkulin und Serum eines Tuberkulösen anaphylaktische Erscheinungen auslösen. 

Nach Sata ist die Tuberkulin - Ueberempfindlichkeit durch einmälige Ueber¬ 
tragung des Tuberkuloseserums auf das gesunde Meerschweinchen sicher erzielbar. Die 
dadurch entstandene passive Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit zeichnet sich nicht nur 
durch eine typische Temperatursteigerung gegen Tuberkulininjektion bei Verwendung 
einer Reaktionsdosis aus, sondern es ist dabei auch ein typischer Tuberkulintod er¬ 
zielbar. 

Aronsohn gelang es nicht durch Injektion grosser Mengen von Serum sohwer- 
kranker Tiere den klassischen Tuberkulintod selbst nach Anwendung der doppelten 
Tuberkulindosis bei gesunden Meerschweinchen zu erzielen, ja nicht einmal eine Er¬ 
krankung hevorzurufen. 

Weitere Untersucher bedienten sich nicht des Serums, sondern des 
Gesamtbluts oder des defibrinierten Blutes zur Uebertragung der Tuberkulin- 
Ueberempfindlickeit. 

Helmholz entblutete stark cutan reagierende Tiere und spritzte das defibrinierte 
Blut normalen Tieren intraperitoneal ein. Bei 6 Versuchen erhielt er 5 mal bei den vor¬ 
behandelten Tieren eine cutane Reaktion auf Tuberkulin. 

Onaka zweifelt die Befunde Helmholz’s an, da sich die Möglichkeit der 
passiven Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit nicht mit der Cutan- 
reaktion beweisen lässt. Leichte Rötungen erhält man auch nach vorhergehender 
Injektion von normalem Meerschweinchenserum. 

Weber gelang nicht die Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit mit 
dem Blute tuberkulöser Kühe und Meerschweinchen. 

Meyer und Schmitz haben bei experimentellen Untersuchungen über das Wesen 
der Tuberkulinreaktion das Resultat, dass aus einer Mischung der roten Blutkörperchen 
tuberkulöser Tiere mit Tuberkulin eine giftige Substanz resultiert, die imstande ist, 


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Felix Klopstock, 


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bei normalon Tieren Krankheitserscheinungen auszulösen, die durch die Mischung von 
Normalblut und Tuberkulin nioht hervorgerufen werden können. 

Aronsohn prüfte die Resultate von Meyer und Schmitz nach, verwandte 
jedoch nicht nur die roten Blutkörperchen, sondern auch das abgegossene Serum. Er 
konnte keine ausgesprochenen Unterschiede in der Wirkung des Serums resp. der roten 
Blutkörperchen von tuberkulösen und normalen Tieren konstatieren. 

Eine letzte Reihe Versuche zur Uehertragung der Tuberkulin-Ueber- 
erapfindlichkeit ist nach dem Vorgänge Bails mit den Emulsionen tuber¬ 
kulöser Organe angestellt worden. 

Bail gelang es, normale Meerschweinchen durch Injektion tuberkulösen Gewebes 
von infizierten Tieren gegen eine nachfolgende Injektion von Tuberkulin empfindlich 
zu machen. Er verimpfte tuberkulösen Organbrei auf Meerschweinchen intraperitoneal 
und injizierte 20 Stunden später Tuberkulin. Während sich die mit normalem Organ¬ 
brei vorbehandelten Tiere rasch erholten, entwickelte sich bei den mit tuberkulösem 
Organbrei behandelten bereits nach 3 Stunden ein schweres Krankheitsbild und bald 
darauf der Tod. — In einer neueren Arbeit konnte Bail seine früheren Resultate be¬ 
stätigen. Er weist insbesondere darauf hin, dass nur hochgradige tuberkulöse Organe 
Verwendung finden dürfen, und dass sioh die Entzündung und Krankheit auch bei 
subcutaner Injektion des Tuberkulins im Peritoneum in der Umgebung des injizierten 
Organbreis entwickelt. 

Onaka bestätigt die Resultate Bails und teilt mit, dass die Uebertragung nioht 
nur mit dem Organbrei, sondern auch mit Antiforminextrakten, nicht aber mit wässerigen 
Extrakten gelingt. Onaka macht im allgemeinen von einer zweimaligen Tuberkulin¬ 
injektion (0,6) Gebrauch. Es konnte bei der passiven Tuberkulinanaphylaxie meist, 
wenn auch nicht konstant, eine Komplomentverminderung im Serum beobachtet werden. 

Joseph benutzte dieselbe Versuchsanordnung wie Bail. Er sah bei Injektion 
von Organbrei immer Krankheitserscheinungen leichter Art, und bei der nachfolgenden 
Tuberkulininjektion schwerere, sowohl bei den mit normalen Organen, wie bei den 
mit tuberkulösen Organen vorbehandelten Tieren. Joseph weist darauf hin, dass 
tuberkulöse Organe überhaupt giftiger sind, und dass 0,6 ccm Tuberkulin intra- 
peritoneal für sich allein Krankheitserscheinungen auslöst, und die Giftwirkung beider 
Injektionen sich summieren kann. Eine intraoutane Tuberkulinprobe erhielt Joseph 
bei den mit tuberkulösem Organbrei behandelten Tieren niemals. 

Weber versuchte die Uebertragung durch Injektion von Organbrei tuberkulöser 
Meerschweinchen auf 12 Meerschweinchen, und der Milch von einer Kuh mit Euter¬ 
tuberkulose auf 6 Kaninchen und 4 Meerschweinohen. Die Prüfungsinjektion erfolgte 
24—48 Stunden später intravenös mit Koohschem Tuberkulin, Perlsuohttuberkulin, 
Geflügeltuberkulin, Tuberkelbazillenemulsion und Tauruman. Mit keinem dieser 
Präparate gelang es ihm, die Symptome der Ueberempfindlickeit auszulösen. 

Kraus, Löwenstein und Volk kommen bei der Nachprüfung der Ergebnisse 
Bails zu dem Resultat, dass die Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit 
auf diesem Wege nicht golänge. Bei 5 Versuchsreihen erlebten sie in 2 Versuchen bei 
je 6 Tieren einen Todesfall; in einer Versuchsreihe gingen alle Tiere an Peritonitis zu 
Grunde; in den beiden letzten Versuchsreihen blieben alle Tiere am Leben. 

Neufeld und Dold konnten eine Uebertragung der Tuberkulose-Anaphylaxie 
durch tuberkulöse Organe nicht mit Sicherheit feststellen. Sie betonen wie Joseph, 
dass die intraperitonealo Injektion von tuberkulösem Organbrei kein indifferenter Ein¬ 
griff ist, sondern die Tiere akut krank macht, und zwar um so mehr, je mehr Organ¬ 
material im Verhältnis zum Körpergewicht des Tieres injiziert wird. 

Aron sohn hatte bei der Nachprüfung der Versuche von Bail zumeist positive 
Resultate. 


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Zur Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit. 


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Es herrscht somit über die Möglichkeit der Uebertragung derTuberkulin- 
Ueberempfindlichkeit kein klares Bild. Yamanouchis positiven Resultaten 
mit dem Serum Tuberkulosekranker ist fast durchweg von Nachunter- 
suchem widersprochen worden. Die Ergebnisse von Meyer und Schmitz 
mit den roten Blutkörperchen Tuberkulöser sind bisher nur einer Nach¬ 
prüfung unterzogen. Bails Versuche sind wohl von Onaka bestätigt 
worden; Joseph, Kraus, Löwenstein und Volk, Neufeld und Dold 
kommen jedoch zu negativen Ergebnissen und sprechen berechtigte Be¬ 
denken gegen die Deutung der Resultate im Sinne einer passiven Tuberkulin- 
Ueberempfindlichkeit aus. 

Ich komme zu meinen eigenen Untersuchungen, bei denen ich ein¬ 
mal von dem defibrinierten Blut tuberkulöser Meerschweinchen, dann 
von den Emulsionen tuberkulöser Organe ausgegangen bin. Es wurde 
defibriniertes Blut und Organemulsion in Mengen von etwa 2 ccm mit 
0,6—1 ccm Tuberkulin gemischt und in etwa der Hälfte der Fälle der 
Mischung 1—3 ccm Komplement zugesetzt. Nach 4- bis 24 ständigem 
Aufenthalt im Brutschrank wurde die Mischung normalen Meerschweinchen 
subcutan injiziert. 

Eine derartige Versuchsanordnung konnte ergeben, ob in vitro das 
Blut Tuberkulöser oder tuberkulöser Organbrei aus dem Tuberkulin giftige 
Abbauprodukto freizumachen imstande ist, oder anders ausgedrückt, ob 
die Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit an einen im Blute circulierenden 
Reaktionskörper gebunden ist, oder in Abhängigkeit von dem tuberkulösen 
Organ steht. Sie gab die Möglichkeit, gleichzeitig den Einfluss des 
Komplements zu studieren. 

Es musste in Abweichung von den Anaphylaxieversuchen die sub- 
cutane Methode vor der intravenösen zur Anwendung kommen, da sowohl 
tuberkulöse Organemulsionen und ihre Filtrate (vgl. Dold), wie die hohen 
Tuberkulindosen, die bei den Versuchen verwandt wurden, intravenös auch 
für sich allein schwere Krankheitserscheinungen zur Auslösung bringen 
können. 

Die intraperitoneale Injektion von Organbrei, wie sie Bai) anwendet, 
wurde vermieden, da, wie bereits hervorgehoben, Joseph, und Neufeld 
und Dold schwere peritoneale Erscheinungen, selbst den Tod auf Injektion 
des Organbreis allein ohne Tuberkulin gesehen haben. 

Neufeld und Dold sagen: „Der injizierte tuberkulöse Organbrei verursacht 
offenbar eine starke Reizung und Entzündung des Peritoneums. Alle im Anschluss an 
die Organinjektion eingegangenen Tiere zeigten bei der Sektion eine allgemeine 
Peritonitis mit fibrinös-eitriger Exsudation und Verklebungen der serösen Häute der 
Därme. Ob die Tiere an dieser Peritonitis zu Grunde gehen, oder ob es sich dabei 
um die Wirkung von spezifischen Tuberkulosegiften handelt, dürfte nicht leicht zu 
entscheiden sein. 44 

Es wurden zur Uebertragung der Tuberkulin-Ueberemfindlichkeit 
tuberkulöse Meerschweinchen benutzt, die in den Versuchen a) und f) 
4 Wochen, in allen anderen Fällen 2—3 Monate nach einer experimentellen 
Tuberkulose-Infektion waren. Bei den in den Tabellen mit gleichen Buch¬ 
staben angegebenen Versuchen gelangte Blut und Organemulsion desselben 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bil. 9 


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Felix Klopstock, 


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tuberkulösen Meerschweinchens zur Verwendung. Es wurden für die Er¬ 
zeugung einer passiven Ueberempfindlichkeit Meerschweinchen von 250 
bis 300 g Gewicht verwandt. Die Herstellung der Organemulsion erfolgte 
durch Verreibung tuberkulöser Organstücke im Mörser und Filtrieren der 
erhaltenen Masse durch sterile Gaze oder sterile Glaswolle. 


Tabelle I. 

Versuche zur TJebertragnug der Tuberkulin-Ueberempfindliclikeit mit dem defibri- 
nierten Blut tuberkulöser Meerschweinchen. 


Meerschw. 

Nr. 

Versuch 

Subcutanc Injektion von 

defibrin. , Tuber- , Komplc- 
Blut ' kulin ‘ ment 

1 1 

Nach Aufent¬ 
halt im Brut¬ 
schrank 

Resultat 

1 

a 

1,5 ccm 

: 0,6 ccm 

j 2,0 ccm 

! 

6 Stunden 

Keine Krankheits¬ 
erscheinungen 

2 

a 

1,5 „ 

! 0,6 „ 

— 

6 

V 

do. 

3 

b 

2.0 „ 

, 1,0 „ 

2,5 ccm 

24 

* 

do. 

4 

b 

2,0 , 

1 1,0 „ 

— 

24 

r> 

do. 

5 

c 

2,0 „ 

1 0,6 „ 

1,0 ccm 

24 

r> 

do. 

6 

d 

2,0 „ 

1 1,0 „ 

1,0 „ 

7 


Exitus nach 24 Stunden 

7 

d 

2,0 „ 

1,0 - 

1,0 „ 

7 


Exitus nach 36 Stunden 

8 

e 

2,0 , 

1 0,6 „ 

1.5 „ 

4 

n 

do. 

9 

c 

2,0 , 

| 0,6 „ 

1,5 , 

4 


Vorübergehendes 
leichtes Kranksein 

10 

e 

2,0 „ 

0,6 . 

— 

4 

T 

Keine Krankheits¬ 
erscheinungen 

11 

f 

2,0 „ 

0.8 . 

2,0 ccm 

5 


do. 

12 

f 

2,0 „ 

| 0,8 „ 

— 

5 

V 

do. 

13 

g 

1,5 „ 

1,0 „ 

1,5 ccm 

6 

** 

do. 

14 

g 

1,5 „ 

1,0 . 

— 

6 

r« 

do. 

15 

h 

1,5 . 

1,0 , 

3,0 ccm 

4 

« 

do. 

16 

h 

1,5 „ 

1 

1,0 . | 

1 

— 

4 

n 

do. 


Bei insgesamt 16 Versuchen mit dem defibrinierten Blut tuberkulöser 
Tiere blieben somit in 12 Fällen jegliche Krankheitserscheinungen aus; 
in einem Falle erholte sich das Tier nach leichtem Kranksein, ln etwa 
80 pCt. der Versuche war somit eine toxische Wirkung eines Blut- 
Tuberkulin- und Blut-Tuberkulin-Komplementgemisches nicht nachweisbar. 

In drei Fällen erfolgte der Tod der Versuchstiere, einmal 24, zwei¬ 
mal 36 Stunden nach der Injektion. Es geschah dies in denjenigen beiden 
Versuchen (d und e), bei denen auch die Injektion von Organemulsion 
mit Tuberkulin schwere Krankheitserscheinungen oder den Tod der Ver¬ 
suchstiere auslöste. Der Tod erfolgte ohne charakteristische Erscheinungen. 
Die Sektion ergab, abgesehen von einer beginnenden Hautnekrose, seröser 
Durchtränkung und Auflockerung des umliegenden Gewebes entsprechend 
der Injektionsstelle keinen Befund. Die Todesfälle des Versuchs d, bei 
dem auch alle Organtiere zum Exitus gelangten, sind nur mit Vorbehalt 
verwertbar (vgl. unten). 

Der negative Ausfall der weit überragenden Zahl der Ver¬ 
suche lässt nicht zu, bei den wenigen Todesfällen mit Sicher¬ 
heit von einem Gelingen der Uebertragung der Tube rk ulin- 
Ueberempfindlichkeit mittels des Blutes tuberkulöser Tiere zu 
sprechen. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





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Taljjette II. 


iclikeit. 19 




Vtfrscirlfe zur 4er Tttberknjiti*!mü Emulsionen 

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UNIVERSm OF MICHIGAN. 



20 


Felix Klopstock, 


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| Subcutane Injektion von 

Nach Aufent¬ 
halt im Brut¬ 
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1 

, Komple- 
•" ment 

Resultat 

31 

e 

2,0 tbc. Milzemuls. 
(wie 23 u. 30) 

0,6 

— 

4 Stunden 

Keine Krankheits¬ 
erscheinungen 

32 

f 

2,0 tbc. Milzemuls. 
(Milz vergr. mit 
zahlr. Tuberkeln) 

0,8 

2,0 

5 

>» 

do. 

33 

f 

2,0 tbc. Milzemuls. 
(wie 32) 

0,8 

— 

5 

n 

do. 

34 

g 

2,0 tbc. Milzemuls. 
(Milz vergr. mit 
zahlr. Tuberkeln 
u. einigen käsigen 
Herden) 

1,0 

| 2,0 

G 

71 

do. 

35 

g 

2,0 tbc. Milzemuls. 
(wie 34) 

1,0 


6 

71 

do. 

36 

h 

2,0 tbc. Milzemuls. 
(Milz stark vergr. 
mit zahlreichen 

Tuberkeln) 

1,0 

3,0 

4 

V 

do. 

37 

h 

2,0 tbc. Milzemuls. 
(wie 36) 

1,0 

— 

4 

71 

do. 

38 

i 

2,0 tbc. Drüsen¬ 
emulsion (Stark ge¬ 
schwollene, gröss¬ 
tenteils verkäste 
Inguinaldrüse) 

0,6 


24 


do. 

39 

i 

2,0 tbc. Drüsen¬ 
emulsion (wie 38) 

0,6 


24 

71 

do. 


Bei 23 Versuchen mit Organemulsionen tuberkulöser Tiere sind somit 
5 Tiere zum Exitus gekommen; bei 2 weiteren bestanden schwere Krank¬ 
heitserscheinungen (Apathie, Mangel der Fresslust, kurzes Liegenbleiben 
bei Umlegen auf die Seite), von denen sich die Tiere langsam erholten. 
Vier von den Meerschweinchen, bei denen der Exitus eintrat, entstammen 
ein und derselben Versuchsreihe, jenem Versuche d, bei dem auch die 
Blut-Tuberkulin-Komplementgeraische zum Tode führten und somit alle 
Versuchstiere starben. Es ist hier die Möglichkeit gegeben, dass toxische 
Produkte aus den Organen oder Bakteriengifte zur Wirkung gelangten, 
und das Resultat dieser Versuchsreihe nur mit Einschränkung verwertbar. 

Bei den 5 Tieren erfolgte der Tod, ohne dass charakteristische Er¬ 
scheinungen vorangegangen wären. Niemals war ein Symptomenkoraplex 
vorhanden, der mit einem anaphylaktischen in Vergleich gesetzt werden 
konnte. Die Sektion ergab bei den verstorbenen Tieren wiederum das 
gleicho Bild: Entsprechend der Injektionsstelle Haut missfarben oder be¬ 
ginnend nekrotisch, subcutanes Gewebe und Muskulatur serös durch¬ 
tränkt, umliegende Muskulatur wie aufgelockert und auffallend hell; im 
übrigen keinen Organbefund. — Auch bei den Tieren mit Krankheits¬ 
erscheinungen entwickelte sich entsprechend der Injektionsstelle eine Haut¬ 
nekrose und fiel die starke seröse Durchtränkung der Umgebung auf. 

Trotz des übereinstimmenden Befundes bei den zum Exitus 
gelangten oder schwer affizierten Tieren erscheinen mir auch 
diese Resultate im Sinne einer gelungenen Uebertragung der 


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Original fro-m 

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Zar Uebertragung der Tuberkulin-Ueberempfindliohkeit. 


21 


Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit durch Organemulsionen nur 
mit Vorsicht verwertbar. Den positiven Resultaten, bei denen 
die Mehrzahl nur unter Vorbehalt zu verwenden ist, stehen 16 
völlig negative Versuche gegenüber. Gerade in einer Versuchs¬ 
anordnung, bei denen tuberkulöser Organbrei zur Anwendung 
gelangt, hat ein negativer Ausfall der grossen Masse der Ver¬ 
suche mehr Beweiskraft, als einzelne Todesfälle unter den 
Versuchstieren. 

Ueber die Bedeutung des Komplements lässt sich bei einem derartigen 
Ausfall der Versuche nichts Wesentliches sagen. 


Die hier mitgeteilten Versuche zur Uebertragung der Tuberkulin- 
Ueberempfindlichkeit betreffen nur eine Versuchsanordnung und erschöpfen 
nicht alle Möglichkeiten bei der Bemessung des Bluts, Organbreis, Tuber¬ 
kulins und Komplements. 

Sie haben bei der Verwendung von Blut tuberkulöser Meerschweinchen 
keinen rechtenBeweis dafür erbringen können, dassder Ablauf derTuberkulin- 
reaktion dem einer anaphylaktischen Reaktion entspricht. Es ist nicht ge¬ 
lungen, im Blute Tuberkulöser mit einiger Regelmässigkeit einen Reaktions¬ 
körper nachzuweisen, der aus dem Tuberkulin giftige Abbauprodukte zu 
bilden vermag. — Die wesentliche Differenz zwischen den klinischen Er¬ 
scheinungen der Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit und dem anaphylaktischen 
Shock, die Unmöglichkeit, mit dem Tuberkulin tuberkulosefreie Tiere zu 
sensibilisieren, und eben das Misslingen der Versuche in dem Blute 
Tuberkulöser jenen Reaktionskörper nachzuweisen, geben nicht die Be¬ 
rechtigung, die Tuberkulinreaktion anaphylaktischen Reaktionen gleich¬ 
zusetzen. 

Weiter sind die wenigen positiven Resultate meiner Versuche bei der 
Verwendung tuberkulöser Organemulsionen nicht imstande, der Anschauung 
Bails eine weitere experimentelle Grundlage zu geben, dass sich bei 
dem Zusammentreffen von tuberkulösem Gewebe und Tuberkulin ein 
giftiges Agens bildet, das die Allgemeinreaktion auslöst. Bails An¬ 
schauung ist in folgenden Sätzen niedergelegt: 

„Wo immer tuberkulöses Gewebe entwickelt ist, bildet sich das giftige Reaktions¬ 
produkt, sobald das irgendwo injizierte Tuberkulin mit dem Kieislauf hingebracht 
wird. Ohne tuberkulöses Gewebe ist eine typische Reaktion nicht denkbar, w r eil nicht 
das Tuberkulin giftig ist, sondern nur einen Bestandteil des Giftes liefert. Es wäre 
aber auch möglich, dass dem Tuberkulin nicht einmal diese Rolle zukommt, dass es 
nicht so sehr zu einem integrierenden Bestandteil des Giftes wird, sondern nur den 
Anreiz zur Giftabscheidung aus dem Herde liefert.“ 

Aber bei allen lokalen Reaktionen, die nicht etwa von der Allgeraein- 
reaktion grundsätzlich verschieden sind, insbesondere bei der cutanen und 
conjunctivalen Reaktion, tritt zu Tage, dass es nicht des Zusammentreffens 
mit dem tuberkulösen Organ zur Auslösung einer Reaktion bedarf; der 
Tuberkulöse besitzt nicht nur eine Tuberkulin-Ueberempfindlichkeit seiner 
erkrankten Organe, sondern eine Ueberempfindlichkcit des gesamten 
Organismus. Dieses Verhalten der Tuberkulosekranken, die misslungenen 


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Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



22 Felix Klopstock, Zur Uebertragung der Tuberkulin-Ueborempfindlichkeit. 


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Versuche von Joseph, Kraus, Löwenstein und Volk, Weber, Neu¬ 
feld und Dold und meine eigenen überwiegend negativen Resultate mit 
Organemulsionen tuberkulöser Meerschweinchen demonstrieren, dass auch 
diese Auffassung der Tuberkulinreaktion nur als eine unvollkommene an¬ 
zusehen ist. 


Literatur. 

1. Aronsohn, Arch. f. Kinderheilk. 1913. Bd. 60/61. 

2. Bail, Zeitscbr. f. Immunitätsforsch. Bd. 4. 

3. Derselbe, ebenda. Bd. 12. 

4. Baldwin, Journ. of med. research. 1910. 

5. Bauer, Münchener med. Wochenschr. 1909. Nr. 24. 

6. Derselbe, Beitr. z. Klin. d. Tuberk. Bd. 13. 

7. Eitner und Störk, Wiener klin. Wochenschr. 1909. Nr. 23. 

8. Finzi, Compt. rend. soc. biol. 1910. 23. 

9. Frankel, Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 58. 

10. Friedemann, Münchener med. Wochenschr. 1907. Nr. 49. 

11. Helmholz, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 3. 

12. Joseph, Beitr. z. Klin. d. Tuberk. Bd. 16. 

13. Kiralyfi, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 71. 

14. Kraus, cit. nach Moro und Noda. 

15. Kraus, Löwenstein und Volk, Deutsche med. Wochenschr. 1911. Nr. 9. 

16. Meyer und Schmitz, Deutsche med. Wochenschr. 1912. 

17. Moro und Noda, Lubarsch-Ostertag. 1910. Bd. 14. 

18. Neufeld und Dold, Arbeiten a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt. Bd. 38. 

19. Onaka, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 5. 

20. Derselbe, ebenda. Bd. 7. 

21. Röpke, Beitr. z. Klin. d. Tuberk. Bd. 18. 

22. Röpke und Busch, ebenda. Bd. 14. 

23. Sata, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 17. 

24. Starkloff, Beitr. z. Klin. d. Tuberk. Bd. 16. 

25. Tadini, Pathologica. 1912. IV. 

26. Turan, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Refer. 1909. 

27. Valenti, Pathologica. 1912. 

28. Vallardi, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 7. 

29. Weber, Mitt. d. K. Inst. f. Landwirtschaft. Bromberg 1911. 

30. Yamanouchi, Wiener klin. Wochenschr. 1908. Nr. 47. 


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Original fro-m 

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III. 


Aus der II. med. Universitäts-Klinik der Königl. Charite zu Berlin 
(Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. Fr. Kraus). 

Ueber das Verhalten der Temperatur bei der 
aktiven Anaphylaxie. 

(Untersuchungen an Hunden und Kaninchen.) 

Von 

Erich Leschke. 

(Mit 7 Kurven im Text.) 

Im 14. Bande dieser Zeitschrift habe ich über Versuche berichtet, in 
denen es mir mit grosser Regelmässigkeit bei Meerschweinchen sowohl 
wie bei Kaninchen und bei Hunden gelungen ist, durch Injektion von 
Anaphylatoxin experimentell jede Form der Fieberkurve zu erzeugen. 
Gleichzeitig konnte ich durch die Verschiedenheiten in der Einwirkung 
auf die Temperatur eine Reihe von Substanzen, die man von einigen 
Seiten mit dem Anaphylatoxin identifiziert hat, wie das Histamin, Pepton 
und die Organextrakte, von dem Anaphylatoxin abgrenzen. 

Im weiteren Verlauf von Untersuchungen in Gemeinschaft mit Fräulein 
Prof. Rahel Hirsch, die sich auf den gesamten Stoffumsatz beim ana¬ 
phylaktischen Fieber erstreckten, habe ich auch das aktiv anaphylak¬ 
tische Fieber bei Kaninchen und Hunden eingehender verfolgt. Ueber 
die Ergebnisse dieser Untersuchungen, die eine Bestätigung und Fortführung 
der grundlegenden Arbeiten von E. Friedberger an Meerschweinchen, 
A. Schittenhelm und W. VVeichhardt sowie ihrer Mitarbeiter an 
Kaninchen und Hunden bringen, werde ich im folgenden berichten. 

Der parenterale Eiweissstoffwechsel verläuft beim normalen 
und beim überempfindlichen Tiere grundsätzlich in gleicher Weise. Das 
parenteral einverleibte Eiweiss wird abgebaut, im normalen Organismus 
langsam, im präparierten, überempfindlichen Organismus rapide. Aus 
diesen zeitlichen und quantitativen Unterschieden erklären sich vollständig 
die ausserordentlichen Verschiedenheiten, die normale und überempfind¬ 
liche Tiere auf den ersten Blick zu zeigen scheinen, und die doch aus 
einem gemeinsamen Prinzip entspringen. So erzeugt parenteral ein¬ 
verleibtes artfremdes Eiweiss sowohl bei normalen Tieren (Krehl) wie bei 
überempfindlichen Tieren (Friedberger, Schittenhelm und Weichardt) 
in kleinen Mengen Fieber, in grossen Temperaturabfall, nur sind die 
hierzu notwendigen Mengen bei den präparierten, überempfindlichen Tieren, 
die das artfremde Eiweiss rapid abzubauen vermögen, l / 2 —1 Million mal 
kleiner als bei den normalen Tieren — eine Verhältniszahl, die Fried- 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



24 


Erich Leschke, 


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berger und Mita als „anaphylaktischen Index“ bezeichnet haben. 
Zwischen der Dosis, die Fieber erzeugt, und der, die Teraperaturabfall 
zur Folge hat, liegt die obere Konstanzgrenze, bei der trotz der im Stoff¬ 
wechsel nachweisbaren anaphylaktischen Reaktion dennoch die Temperatur 
unbeeinflusst bleibt. Die untere Konstanzgrenze dagegen bezeichnet die 
Eiweissmenge, die unterhalb der fiebererregenden Dosis liegt und keinerlei 
Einfluss mehr auf die Temperatur hat, ebenso wenig auch auf den Stoff¬ 
wechsel. 

Diese vier Grenzwerte, die die Abhängigkeit der Wirkung parenteral 
abgebauten Eiweisses auf die Temperatur von seiner Menge festlegen, 
sind von E. Friedberger und seinen Mitarbeitern in zahlreichen Ver¬ 
suchen an Meerschweinchen gewonnen. Da es bei Feststellungen von 
solcher biologischer und pathologischer Bedeutung von Wichtigkeit ist, zu 
wissen, ob sie nicht nur für eine zu solchen Versuchen besonders geeignete 
Tierart, sondern darüber hinaus allgemein gültig sind — soweit wir das 
aus Versuchen an mehreren verschiedenen Tierarten zu schliessen be¬ 
rechtigt sind —, habe ich die Abhängigkeit der vier Temperatur¬ 
grenzwerte bei der aktiven Anaphylaxie von quantitativen 
Verhältnissen des parenteral abgebauten Eiweisses an Hunden 
und an Kaninchen untersucht. 

Die ersten und grundlegenden Untersuchungen über das Verhalten 
der Temperatur beim parenteralen Eiweissabbau bei normalen 
und überempfindlichen Kaninchen und Hunden sind von 
Schittenhelm und Weichardt sowie ihrem Mitarbeiter Hartmann im 
Jahre 1910 ausgeführt und im 10. und 11. Bande dieser Zeitschrift, 1912, 
veröffentlicht worden. Sie fanden bei der erstmaligen Injektion von 
artfremdem Eiweiss bei Kaninchen nur ausserordentlich geringe Temperatur¬ 
veränderungen, bei Hunden auf grössere intravenös injizierte Eiweiss¬ 
mengen (20—80 ccm) Fiebersteigerungen von 0,2 bis 3 °. Bemerkens¬ 
wert ist, dass unter 5 Versuchen an Hunden nur einmal eine geringe 
Temperatursenkung, sonst aber selbst bei den höchsten Dosen nur 
Temperatursteigerungen beobachtet wurden. Anders war das Bild bei 
den Reinjektionen. Bei Kaninchen führte die Reinjektion stets zu 
Temperaturanstieg. Bei den 6 mitgeteilten Versuchen wurde niemals ein 
anaphylaktischer Temperatursturz beobachtet, selbst nicht bei intravenöser 
Reinjektion von 7 und 15 ccm Eiereiweisslösung. Dieses negative Er¬ 
gebnis erscheint auf den ersten Anblick • befremdlich, und würde im 
Widerspruch zu meinen Untersuchungen stehen, bei denen es mir regel¬ 
mässig gelungen ist, bei überempfindlichen Kaninchen den charakteristischen 
anaphylaktischen Temperatursturz H. Pfeiffers auszulösen. Schitten¬ 
helm, Weichardt und Hartmann gaben indessen selbst den Schlüssel 
zur Auflösung dieses scheinbaren Widerspruches, indem sie die Art der 
Vorbehandlung dafür verantwortlich machen. 

Die beiden Versuche mit intravenöser Reinjektion von 7 resp. 15 ccm 
Eiereiweiss sind nämlich schon am 3. resp. 11. Tage nach der intra¬ 
venösen Sensibilisierung mit 2 resp. 6 ccm Eiereiweiss ausgeführt worden, 
also zu einer Zeit, wo die Bildung der Antikörper (oder Abwehrfermente) 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber das Verhalten der Temperatur bei dor aktiven Anaphylaxie. 


25 


auf eine Sensibilisierungsdosis erst im Beginn oder mitten in der Ent- 
Wicklung begriffen, aber noch keineswegs abgeschlossen ist. In diesem 
Zeitraum, den man als das präanaphylaktische Stadium bezeichnet, 
gelingt es weder den typischen anaphylaktischen Shock noch den 
charakteristischen Temperaturabfall zu erzeugen, wovon ich mich in 
wiederholten Versuchen überzeugen konnte. Dagegen reichen die auch 
in diesem Stadium bereits gebildeten kleinen Antikörpermengen aus, um 
sogleich nach der Injektion so viel Eiweiss abzubauen, dass die dabei 
entstehenden Spaltprodukte zu einem Temperaturanstieg führen. Die 
gleichen Verhältnisse, wie im präanaphylaktischen Stadium, findet man 
auch in der ersten Zeit nach einer Reinjektion im Stadium der Anti¬ 
anaphylaxie und der negativen Phase, deren Dauer ebenso wie die 
des präanaphylaktischen Stadiums von der Menge des parenteral ein¬ 
verleibten Eiweisses abhängig ist. 

Bei Hunden fanden Schittenhelm, Weichardt und Hartraann 
je nach der Art der Vorbehandlung und dem zwischen den Reinjektionen 
liegenden Intervall Temperatursteigerungen bis zu 1,5° und Temperatur¬ 
abfall bis über 2 0 bei Hunden, die an den Folgen des Shocks starben, 
und von 1,8° bei einem Hunde, der den schweren Shock überlebte. Sie 
kommen daher zu dem Schlüsse, dass der Temperatursturz durchaus 
nicht das einzige Kriterium der Anaphylaxie darstellt, sondern cs zweifel¬ 
los auf die Qualität der gebildeten Eiweissgifte ankommt, die je nach 
der Art der Vorbehandlung bei aktiv anaphylatischen Tieren ganz ver¬ 
schieden sein kann. Einen zweiten wichtigen Punkt sehen sie ausser¬ 
dem in der Verteilung seiner lokalen Wirkung. 

Im Folgenden sei nun über meine eigenen Versuche über die Ein¬ 
wirkung der aktiven Anaphylaxie auf die Temperatur bei Kaninchen und 
bei Hunden berichtet. 

I. Der Einfluss der aktiven Anaphylaxie anf die Temperatur bei Hunden. 

In allen folgenden Versuchen geschah die Sensibilisierung der Hunde 
durch subcutane Injektion von frischem, aktivem Menschen- oder Kaninchen- 
serura. Die Reinjektionen erfolgten in einer ersten Versuchsreihe gleich¬ 
falls subcutan, in allen folgenden Versuchen jedoch intravenös. 

a) Versuche mit subcutaner Reinjektion. 

Hund IV. Fox, 7 kg. 6.4. 10 ccm frisches Kaninohenserum subcutan. Die 
Temperatur bleibt unbeeinflusst und bewegt sich im Laufe des Tages zwischen 38,1 
und 38,4. 

11.4. 10 ccm frisches Kaninchenserum subcutan. Temperatur unbeeinflusst 
zwischen 38,1 und 38,1. 

Diese erste Reinjektion erfolgte am 5. Tage, also noch im prä¬ 
anaphylaktischen Stadium. Der Hund wurde darauf 25 Tage (also 30 Tage 
nach der Erstinjektion) in Ruhe gelassen, damit die weiteren Reinjektionen 
ihn im vollausgebildeten anaphylaktischen Stadium träfen. Die Ein¬ 
wirkung der folgenden subcutanen Reinjektionen zeigt die nachstehende 
Tabelle. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




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> W'ifv.v kein öd ncrinfuv^ »♦rtci- IdnlDiss au I die T^mpe- 

? ii!.ur i i u - aUajtf» v Lik* is.di en Hu i ihU>ä. 

•Drbsseir Keilt)ok)ifiu*-‘l!)‘e‘if /u nehmen. War nicht n<ui<;, Denn sel.b.st, 
wenn diese ah Adulnrün-pn <lcr 'iViupcraMr geführt- halton, batte mau 
dn-dher* dvudi nndit ,m; vLe lierhrnme der •alvLV-eii Vnaplidaui-MM/rn 
*1 u*li‘?i 7 da ni ii*i'di »ifj. nnnuakm Deren (larenUsnrJ diiveHrdbe 


ro>su pareiüi-ral 




des Vteer-'‘l?\ve*;».M.nns, mnedd.idv ed'in^e i.sL Itei den Merradi Yvemelhm. 
du- m Midien mjf Lrein-M (\ U:}u!«pa tUi-t Ivi’A ei.-^mrUiiin:••■U.nrk |: *‘h, 

kann man am>l| aut i •' - d,v SüLri|(arH : r> !L ; -wM< r, .vuw'dd 

m-'.- r als amij ’feoiperarurabfail f'r-iddb.ef^rr*.. und M»I a 

und dii >.lM'rdLn^s v»• * 

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Ueber das Verhalten der Temperatur bei der aktiven Anaphylaxie. 


27 


anzuwendenden Mengen 100 mal grösser als die bei intravenöser Injektion 
wirksamen Dosen. Da nun beim Hunde die bei intravenöser Injektion 
wirksamen Mengen 1—25 ccm betragen, wie wir im Folgenden sehen 
werden, und 100 fach grössere Mengen auch bei normalen Hunden zu 
Temperaturänderungen führen, erklärt sich schon a priori die Wirkungs¬ 
losigkeit der in meinen Versuchen bei subcutaner Reinjektion verwandten 
Serummengen auf die Temperatur. 

b) Versuche mit intravenöser Reinjektion. 

Die Sensibilisierung der Hunde erfolgte auch in diesen Versuchen auf 
subcutanem Wege. 

Hund I. Fox, 7 kg. Wiederholte Sensibilisierung: 6. 4. 10 ccm Kaninchen¬ 

serum subcutan. 11. 4. ebenfalls 10 ccm, 7.5. 1 ccm, 8.5. 3 ccm, 10.5. 10 ccm. 
Temperatur stets unbeeinflusst, zwischen 38,0 und 38,5 °. 

Die Reinjektionen erfolgten intravenös in die Vena saphena. Für 
die Technik der intravenösen Injektion beim Hunde hat sich mir am 
besten das folgende Verfahren bewährt. Man stellt den Hund auf einen 
Tisch, der Diener hält jhn unter seinem Arm fest und staut einen Hinter¬ 
schenkel mit der Hand, wobei er ihn zugleich fixiert. Sobald die Vena 
saphena an der lateralen Seite unter dem Knöchel hervortritt, sticht man 
sie mit einer scharfen Kanüle an und überzeugt sich von deren richtiger 
Lage durch das abfliessende Venenblut. Erst dann setzt man die Spritze 
auf und injiziert. 

Ueber die Teraperaturschwankungen nach den Reinjektionen gibt die 
folgende Tabelle Auskunft. 

Tabelle III. 

Einfluss der intravenösen Reinjektion auf die Temperatur des Hundes. 


~ 2 , »5 6 

^3 *3 S 5 2 
£ .2, ® 

— s .2 C “ * tn 

C 5 -2 'S C a £ 
* ü ~ Oä .2 I 


Temperatur in Stunden nach 
der Reinjektion 


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1 

2 

3 

4 

Cn 1 

! 

<n i 

i 

39,5 

39,5 

39,4 

39,1 

38,838,2 

38,8 

39,8 

39,4 

39,4 

39,4 39,4 

38,6 

38,4 

38,5 

38,5 

38,4 - 

i 

38,4 

38,5 

38,5 

38,3 

38,5 38,5 

38,8 

39,2 

39,0 

38,6 

38,2 38,2 

39,6 

| 

40,0 

39,5 

39,3 

38,8 38,5 

39,3 

39,3 

i 

39,3 39.3 

38,6 38,3 

39,1 

39,7 

39,7 

39,7 

38,7 38,3 

I 

38,6 

38,6 

38,5 

38,5 

j 

38,5 38,5 

39,8 

40,5 

40,1 

40,1 

39,3 39,0 

36,3 

37,0 

37,8 

38,1 

38,5 38,5 


Bemerkungen 


mus. Abgang von blutigem 
Schleim. 

benso. Temperatur erst am 
anderen Morgen wieder 
38,50. 


von wenig blutigem Sch leim. 
3/ 4 Stunden vor der Injek¬ 
tion Pantopon. Anfangs 
ruhig, nach zwei Stunden 
geringe Pressbewegungen. 
Normales Verhalten. Anti- 
a n a p h y 1 a x i e. 

?enesinus, Abgang von blu¬ 
tigem Schleim. Durchfall, 
ichwerer Kollaps. Lang¬ 
same Erholung. 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 





Die Versuche «cigcm «Iso, dass', die intravenöse Einverleibung von 
artfremdem Serum beim aktiv anaphylaktischen Hunde je nach der .Menge 
zu Fieber oder Tamperahjrabfail führt. Mengen von 0,i ccm und 
darunter:Meißen - wjrkuiigädds;. hier -.liegt also . di«, untere Konstanz- 
grenze. Von 0,5 com an dagogen tritt Fielet ein, das jo nach der Hfösse 
der injizierten Eiweisfcföeijgs von 39,2—40,5" «ietgeri kann. Erst nach 
4—8 Stunden keiiri die' Twuperatar wieder zur Norm zurück. 

Ute injektion von noch grosseren- Mengen - ('25= cenvi führt dagegen 
zu einem schweren Coilaps, aus dein die meisten Tiere sieh nicht mehr 
erholen. Wenn jedoch et ne Erholung eintriH, wie in unserem Falle und 
hei Hund XV Von Scluüenheitn, Wei-dKirdt und Hartmann, sö 
kehrt die Temperatur innerhalb 4 Stunden wieder zur Norm zurück. 

Die*? Wirkung 'tat da* iölravmms injizierte Eiwciss jedoch nur im 
Stadium der 'Anaphylaxie. ' '$wd; 4$P«h : mai . wenige' Tj&ge vnrljergehondc 
Injektion die vorhandenen Antikörper äbgcsattigrj - »o befindet Sieh das 
Tier im Zustande der AfiUanaphvI.üsie,. cs verhält sich dann wie ein 
normales Tier und zeigt seihst auf grosse Irtjektiohsdosow keine Reaktion. 
Wir sehen dieses Verhalten bei der d. Reinjektim* von 0 eem 'Kämnchon- 
sFrum am 44, Tage? nach der Sensihilisieiung, an dem der Hand infolge 
der '1 Tage vorher erfolgten Rein jekuon von 'i ccm -Serum sich im Zustande 
der Atiiianaphjdäftict befand mid demgemäss Äelije nörmale Temperatur btd- 
belnelti Feber das Verhalten des Stoffwechsels bei Mntiariaphytaktischen 
Tieren werde ich gemeinsam mit Fri. Prof. II. Hirsch berichten. 

Das verschiedene Verhalten, der Temperatur bei der aktiven Ana- 
(ihyiaxie, je nach der tjrosse der ReinjektionsdosiS, zeigt dte folgende 
Kurve. . '■ jvT 

; , Kurv© I. V- 


feriuilt^n Ä«»r Teinj)?rahir ht»i der aktiven Anaphylaxie des Hundes 


:*!>. 4. ] l <:<;n\ IrUraperirorreai. Iveibe 


Hund 

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U0bgr dä* Y$rbalton dor Temperatur bei 'döi aktGea Anaphylaxie 2# 

Der Hund wurde erst am ; 28. Tage ini»:h der SenMbiltemruhg.. 
reifijizierl-, iwi die Anaphylaxie sich voll a'u^hildcn zu bissen, Gmi £w$tv 
suchte ich zuiuvidist die untere und dann "obere.' Könstati^f^iize zu' 
bestimmen- Die Grenze für Teuiporätnranstiei?' und für Tt-mp^raturabfall 
konnten erst üj weiteren ZeilijitcrvaÜbn^ nachdem die Antianaphylaxie 
überwunden war* festgesetet werden. Die folgende Taheile über das 
Verhalten der Temperatur 'Auskunft. 

Tabelle IV 

'V'wfrtftfets vjhw iitf Irmi.<*r »t \itz r «w* Vri> fr&m akiiv 



jöj uAw- 
|ö,f» 

16 WfeV 


U 

U 

m 


15 mtr/iv. 
1,5 utträv 
$& ihiiM 


•S8;S‘S9>4;1fö,ft 

••an, •*; — $i|5| 


.p,!> $MV4»l t> #,* 

s Vv i V' 1 b-.'-V .’!>>>; •••'lA'O.v'* 1 

iftSi# 4? *> )»7 Htjti .».IS* 2 ’ÜM 


1 N.'PtMfi't''; V^rfnvVU*»*; 

?r? • Ab a j;Il r ÖS i.v*; k Og$ 
';[Wü itrlijfijUe. 

ßrä&g .i/biugeu 

^>;t»>;;tftxftr»-. >*&* ’s\‘ l'te.i*; 

PiUr&h&h. i$$p0i 
fitlry; % Or( iA Ptifö ; A. öti- 
; -aa V'phy i^:«!^,; 

..hi^ . Akim •Aiüi’r*. f>Mrtlitali. 

* w *•$ AO %P h jA-ali e. 

. An. • Aev KAfiti/- -ß:K [. tu>, 
Temper*.- • 

Bei diesem Hunde sind die vier Grenzwerte für die Temperatur- 
vefamieningen g&ia besonders deutlich izgm Vorschein gebracht worden, 
da. ich die Rcmjcktiov^doscn mul die Intervalle nach vielen vorhergehenden 
Erfahrungen richtig gewählt hatte, Wjr sehutf^feSv^tÄ q«Aer# K<tns,taiu- 
gyeim» hier hei ö,S ccm, die Grenze für Fieber bei oder wahrschein¬ 
lich etwas unter 1A? eem, die .obere Konstany.gren/.e' bei 15 com und 
die Grenze für Temperatunibfaii, der aOerdings in diesem Falle wie 
gewöhnlich bei Hunden gwri Tode führte* bei 30 dein intravenös retnji/aert^ri. 
Merjschenserurns liegt, 

Berrjerkeiiswert ist das Vörhalten der Anaphylaxie bet der 
oberen K6ostanigrco>ve. Wir sehen nämlich. dass truty. des Ausbleibens 

t A.tiw r> A h» t .. An. r> .4 n ../< ..k /J» n fl > V». rt*.< i / . . , \ f nM,l [♦ i.l .V..,. »r .< 1, ,. ! ,* . i ». .1 



*«igte> das typische 
der ?ioa SclnttenheJm und W «'iebard!;. besebeiebenen Enteritis anaphy- 
Jäettca, auf das ich noch zufiickkomrm:« werde. 

Das Verhalten der vier Grenzwerte- veranschaulicht die Kurve 11. 

Die Obduktion des Unndcs. ergab oir.en pathologischen IMund. nur 
ata Dstrm, der in seiner gesatiiien Aiisdebnunf v r orii Jifageii bis zurrt Mast- 
darnt das von $ebme>tibnlui und Weichardl beschriebene .klintsehe 
Bild der Enteritis a tn pI*y<a*• iic.a zei.t:le• huiuorrluigische Entzündung 
mit Auflagerung Von -diphtherischen Meuibranen. 


Go gle 


□fininal fre 


umvERst 






Erich Lescbke 


Verhalten der vier Grenzwerte der Temperatur hei der aktiven Anaphylaxie 

des Mundes. 


11 »j :i<1 ili. Fux* 7f>00 TO. a. U) r-c-ni i .Kuninclrlnj.senim. .inlraperitoneah Keine 
wesentliche Aanihirun# der lempem(,wr. 

l)rr I{ein.j i) k(ioHP« .sänuü-'h -iuti'a venös. Dio erste Remjektion 

iiei iKu‘h n> das j.<nianupliyhiktis^ho SlatliuttK 

Tabelle V. 

Verhalten der Temperatur heim präanaphylaktkehejvaHd aunphylnktisihen llnnde. 








üeher <Ja& Verhaften '.{Kt TeinpafMör bei der akfivmt Anaphylaxie, 


im votigcn, Einige dazwischen lifgpndK Dosen, dir m Fidfora^ml 
führten, -iialti' ich (Ut lhd>ersiehUkdykejt liafber foricrelasHe« Die graphische 
!.»;»«• •»tt'Hfmfe auf Kurve III verUriheliithfihiif das 'Verhalt' n der Temperalm. 


ii-rrVe. ilt 


Verhalten der vier ttrenznerte der Temperatur hei der aktiven Anaphylaxie 

des Hundes. 


Zur Efifiuttrorii? der Karge verweise i.eh. auf das hei den vorher¬ 
gehenden Versuchen iu-sacre Sie (.fingt, nur nnc' v.riu-rc. IwMhneung 
der hecetts nutgcteilteii lni.vlini-.se. 

Der Ubdviktinnsh- iutui ergab nne.b in die.Mto ■ V erstehe das Üild der 
Knt errtVs atiai'itry iaei Ve;!, uni den sel'.im das hbnbeiio' Yci halten, der 
■fenr^nujd;, das Krlivne'lit;-)!. der Durchfall, der. Abgang MuiigPn Srhlftinu-s 
aus dem After hinwiesen. I n allen meint« V > hm liOtfnrä || - 
Uei der trpischgn Auai-hy laxie tif?s Murrtfus - dntr Befund 
Kttlwrifis aaapfn bette» »nt grüssier Kegclmässukeit erhebe» und 
die bu erst -io«' SV’ltUW'rt.heitm utfil Wei.eiiafili frteriiit.itr ge macht er. 
Angaben- st «ns D st fit t tr i Ti 

Ks erübrig! .$iülj noch, auf die 1 utm-nliiede im Vi-r.l au de 
annpltylaktis.'licn Fiebers hei fiuitde» und Mvcrsrhwiiicheji 
kurz eir.-zugehcn. (Jet Me-M^.ditveinelunr inry dur’i'!‘uif)era|iir,inni*t; jiauh 
der intravenösen Injehirn«. .des Anlijgc&is 3ißhB*$l»rfjEf nifp drf&jvtiigfe^tdui- 
fi'-ti schon nach einer Stunde seinen Höhepunkt' Auf diesen Hübe Jdr.t.i 
die- Temperatur noch «im:, -“dif-ner zwei Stunden (Id-- d» vj-cnfciiealer 
Keinjektio« hält stuft die Temperatur langer auf. der (Me- mul beginn! 
obf. 'mich drei S-Diuduii Wiener zur Norm zürnst nW-V - -. . i>i. .Munden 
dagegen erfolgt der T»*«ii»»>raiuranstieg; bngsaiu Uuij >o.t-Mr IV-l»r- 

paukt., meisi erst. naeli zwo • Stünden. Die .!<!»■ i.k<do ■»• Non» Im selten 
vor seShs bis sieben Stünden me-ielit; tu eintgeu V • ,,ochen r.o» errwser 
llemieklionsdosis war erst. naeK 12 Stiiiiden wund-ir'-1 |j|.Kurmiilt einperaf.hr 


Go gle 




32 


Erich Leschke, 


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vorhanden. Dabei zeigte sich eine weitgehende Abhängigkeit der 
Dauer des Fiebers von der Reinjektionsmenge, indem Reinjektions- 
mengen an der unteren Grenze für Temperaturanstieg (0,5 bis 1 ccm) 
geringeres und kürzer dauerndes Fieber auslösten als Rcinjektionsmengen, 
die sich schon der oberen Konstanzgrenze nähern (6 bis 15 ccm). 

Zur Erklärung dieser Unterschiede muss ich auf meine eingangs 
angeführte Arbeit verweisen. Ich konnte in ihr zeigen, dass zwischen 
dem Blutserum des Hundes und dem des Meerschweinchens 
ein grosser Unterschied im Komplementgehalte besteht. Und 
zwar enthält das Serum des Meerschweinchens etwa 5 mal mehr Komple¬ 
ment als das des Hundes. Infolge dessen ist das Meerschweinchenserum 
imstande, parenteral eingeführte Eiweisskörper sei es mit Komplement 
allein, sei es mit Ambozeptoren und Komplement zusammen sehr viel 
rascher und ergiebiger abzubauen als das Hundeserum. Diese Differenzen 
drücken sich auch in der Höhe der Reinjektionsmengen aus, die bei 
beiden Tierarten zur Erzeugung des anaphylaktischen Fiebers, des Tempe¬ 
raturabfalls oder, des tödlichen Shocks notwendig sind. So beträgt die 
fiebererregende Grenzdosis für Pferdeserum (intraperitoneal) bei über¬ 
empfindlichen Meerschweinchen nur 0,005 ccm, bei Hunden für Kaninchen¬ 
serum (intravenös), das ebenfalls keine primäre Toxizität besitzt 1 ), 0,5 ccm; 
die entsprechenden Mengen für Temperaturabfall sind 0,5 und 25 ccm. 

Es ist einleuchtend, dass beim Hunde diese sehr viel höheren 
intravenös ein verleibten Ei weissmengen bei langsamem Abbau 
eine sehr viel grössere Menge anaphylaktisch wirkender Spalt¬ 
produkte liefern und daher auch höheres und länger anhaltendes 
Fieber und stärkere anaphylaktische Allgemeinerscheinungen 
erzeugen, als das im Meerschweinchen versuche möglich ist. 

Wenn demnach auch die Anaphylaxie des Hundes den Besonderheiten 
dieser Tierart entsprechend sich in manchen Xugen von der des Meer¬ 
schweinchens unterscheidet, so halte ich es doch für das wichtigste Er¬ 
gebnis dieser Untersuchungen, die grundsätzliche Uebereinstimmung 
namentlich im Verhalten der Temperaturveränderungen und 
ihrer vier Grenzwerte sowie bei der Prä- und Antianaphylaxie 
festgestellt zu haben. 

11. Der Einfluss der aktiven Anaphylaxie auf die Temperatur bei 

Kaninchen. 

In den folgenden Versuchen an Kaninchen wurde sowohl die Sensi¬ 
bilisierung als auch die Reinjektion stets auf intravenösem Wege aus¬ 
geführt. Als artfremdes Eiweiss wurde Eierweiss und Menschenserum 
benutzt. 

Kaninchen I. 1800 g. 16.5. 10 ccm Eierweiss intravenös. Ueber die Re- 
jnjektionen gibt die folgende Tabelle Aufschluss. 


1) Die Versuche an Meerschweinchen mit Hammelserum, das bei der Reinjektion 
100 bis 10000 fach niedrigere Grenzwerte für die Einwirkung auf die Temperatur zeigt 
als das ungiftige Pferdeserum, können hier wegen der Toxizität des Hammelserums 
für Meerschweinchen nicht zum Vergleich herangezogen werden. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Ta beff* VI 

■Afe'liv. fu * 0 $ in#ifriiü (iauiüÄ^u xnenv<iit ; 


*} t i m* bo r S.buck. Krampfe. S£mi£t in _ LufX* B.t^^hi'-ai^j^te 

Atmaifgr'-üftgen^ t, ifes fijkHeg au der "UyektwJöüütfiljV, LfegJ &u* 

Kx.it iu efer \ai!ht* 

Wrr sehen äläd'auoii in diesem Vtersiicli wieder das gMtdifc Verhalten-: 
hei 0,001 ccm normale Temperatur lütftef'e fgbes tranig ruoats), bei, 
0,005 ecro schon geringer Temperaturanstieg, der jedoch • erst bei 
0,01 ecm die Ören,der Norm üherselmdUdV Von da an uinunt die 
Höhe des Ten)jierstufädsiiegdtf.' und. seint* Dauer ab, bfe bei 0,7 ccm die 
obere K d ns tanze re n>:e f.mv.*bt. Dt Aut’ Injektion von 2 ecm erfolgt 
<-■>) geringer Tein pera-turabVali .von kurzer Dauer, wahrend 3 ecru den 
tödlichen aiiaplivlaktiM'lienSiioeU mit alhui kla:ssi"eiieui Syinptomen zur Folge 
balle, von denen nkmbntbcb der T^petafur-rt-ur* gehr ausgeprägt war. 

Das Verhallen der vier Tempera«ur«reu /werte yeranscJiauJtcbt die 
folgende Kurve. 

Kurve IV. 


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Zeitschrift t. a*p. Puthologie u. Ther&pie. Ih. ß<L 





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Kaninchen 11 13^50 g, Shfi.sj.biliMcrt am ISf, ;6... ä com M e* n b e n s e r u m 

jiiiruvf.nut). 

Bei dhusem Tier wurde mit den IMnjektionen frnher begonnen. Ilje 
Tabelle zvaii das Verhalten der Temperatur. 

TnbeMo Vit 

Aktiv anaphylaktische Tinnperaturvertiwüermi^e« beim Katuttdieiu 

* Mvuschwcrtim.) 


Keiiu^ktiJuTv: 
mererm 

r»er»i*i» 


Tcoipcratur in Stunder. nach der Te*iejekuM> 


Tag narb der 
rur.g 


km 

ÜÄ1J> 

O M .: 


Wjö >■ 

sää|- 

atu i* 


?.] %G j . 4^ I äS-KlIp 5*M 4$0 ■ 

y : A:uph;. UUiviee Stock. . Krti«*|»!e. Ak»»ti befehlet 
M^v ßlates uui riäeh 8 Btuudoi; 

Auch in diesem Versuch tritt uns das gleiche Verhallen der Teinpcrubur 
ordnen wie in den vorlier^ehemiefo Ihe tuen/werte sind auf der folgenden 
Kv.rv-e verurisehuu'lkhl. ' . 

;' VA •* / -v : v ; X :• ' kurve V. 


^ngeritfßm hk&X- 


Verltalien «Irr Tvmperfltarwerle bei der aktiven UapbYlaJde den Karihiidiei«•'" : 

<. ' uMeast’heüserum.) . ‘ 

. 

Pan t •> '* li I^ i» r I nni b ccm M ens»: b ens'ftru m 

in iravw» es. K*ue< Tetuperyu tu v .* cjt uolv-r 

Mil den Hrinjok$Ott<äi wurde m diesem YriVtmli bereit- ant JiiVde 


Gocgle 











K&ber das Verb allen der Tocoporntur bei der akUyö.n Anaphylaxie, 


des prliän apiry Liktischen S t ad i ums 
ph v la ÄiVtV begonoetf. 

Tabelle Ml 

Teuiperötiirvpränderun^en im Beginn de 


Rciftjckliujis 
mutige ccm 
Menschen- 


Temperatur in Stunden nach 
der Reinjektiyii 


Tag nach der 
SeuMÜiflisieT 


S\ .13 I TO }a^S; 3#.S, m 

G 14 ..*?»' 8!U: IBU MT * 3<UT 

. 

Die Ueijijcktiotieii fallen bei ijr^fsernrf ,^ere.;aiif ineit ; k'ursea %wjsrww 
in den Beginn des anaphylaktischen Stadiums: cs wurden manchmal 
jjwei Versue.be an einem Tage gemacht/ 

Die Tejenetaturschwankungeri smd nicht $u auM/mr/ei m». tm?#ölt 
eritwicbci<er Amvjdnlatfe (20,-30. Tag), treten 4he‘r doch deutlich hervor, 
\vi v auch die folgende Kurve zeigt. 

Kurve. VI. 


Verhalten der Temperatur bei Iieinjektioneu im Beginn 
des anaphylaktischen Sradiiuiis. 


K &n iti c 'fce.tr VJL 1000 g, 

itftra l v<54pi6 r ^V' - / 

Bnji diesem Tier wurde .rmrdifc npiitnale Fieberruengo bestimmt, da 
öS XU SfollweehSDfvfrsueiKm benutzt werden sollte. Leider starb es kur/ 
nach Beendigung der Von ersuHio. Die Temperaturen- waren die folgenden: 

TabMic IX, 

Bestimm«!*# der optimalen FicbeMosi« beim anaphylaktische« Kanincbeti. 


8. 10. Sensibilisiert mit 7 ccm MenscIrenserutD 


Hcirrjekbtnns 

menge erfn 
Alexiaciicu-; 
serum 


; Tem^ c AUir ••m Stunden mich .der ReinfckimD 


Täfg nach dar 
Setunbilisie- 

l'UPg 


*sm 

0.31 

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lieber das Verhalten der Temperatur bei der aktiven Anaphylaxie. 


37 


erreicht meist schon in der ersten Stunde, zuweilen erst in der zweiten 
ihren höchsten Stand und nähert sich mit wenigen Ausnahmen in der 
vierten Stunde schon wieder der Norm. Dabei sind die Temperatur¬ 
differenzen keine so hohen wie beim Hunde, sie betrugen in sieben Fällen 
weniger als 1° (0,4—0,9°) und in fünf Fällen 1,0—1,6°. Beim Hunde 
dagegen stieg die Temperatur in allen Fällen um mindestens 1—1,5°, 
zweimal um 2 und 2,2°. 

Die Grenzwerte für den Temperaturanstieg liegen beim Kanin¬ 
chen im allgemeinen innerhalb einer engen Zone. Die untere Konstanz¬ 
grenze liegt bei etwa 0,005—0,01 ccm, die Fiebergrenze bei 0,01 bis 
0,1 ccm 1 ), die obere Konstan/grenze bei 0,3—1 ccm, die Grenze 
für Temperaturabfall, der meist mit dem tödlichen Shock verbunden 
ist, bei 2,5—3,5 ccm. 

Die Erscheinungen des anaphylaktischen Shocks bei Kaninchen 
bestehen in Krämpfen, Luftsprüngen, beschleunigter Atmung, Ungerinn¬ 
barkeit des Blutes an der Injektionsstelle und zunehmendem Temperatur¬ 
abfall. 

Zusammenfassung der Ergebnisse. 

1. Hunde lassen sich durch subcutane, intraperitoneale oder intra¬ 
venöse Vorbehandlung mit artfremdem Eiweiss (Serum) sensibilisieren. 
Der Zustand der Anaphylaxie entwickelt sich vom 10. bis 13. Tage 
ab. In der Zwischenzeit, dem präanaphylaktischen Stadium, ver¬ 
halten sie sich gegenüber Reinjektionen wie normale Tiere. 

Bei anaphylaktischen Hunden führt die subcutane Reinjektion 
weder zu allgemeinen Erscheinungen der Anaphylaxie noch zu nennens¬ 
werten Aenderungen der Temperatur. 

Die intravenöse Reinjektion führt je nach der Reinjektionsmenge 
zu Fieber oder zu Temperaturabfall. Die Fiebergrenze liegt bei 
0,5 —1,0 ccm, die Grenze für Temperaturabfall bei etwa 25 ccm Serum. 
Dazwischen findet man eine Zone, bei der die Temperatur trotz schwerster 
anaphylaktischer Allgemeinerscheinungen nicht nennenswert beeinflusst 
wird, in der sich Temperaturanstieg und -abfall die Wage halten. Diese 
obere Konstanzgrenze liegt etwa bei 15 ccm. Unterhalb der Fieber¬ 
grenze liegende Serummengen lassen sowohl die Temperatur wie das 
Allgemeinbefinden unbeeinflusst (untere Konstanzgrenze). 

Das Fieber erreicht bei der aktiven Anaphylaxie der Hunde seinen 
Höhepunkt in der zweiten Stunde. Es wurden hier Werte von 40,0° und 
darüber gefunden. Seine Dauer hängt in gewissem Masse von der Grösse 
der Reinjektionsdosis ab und beträgt vier bis acht Stunden. 

Die Unterschiede zwischen dem Verlauf des aktiv anaphylak¬ 
tischen Fiebers bei Hunden und bei Meerschweinchen erklären 
sich zum grossen Teil aus dem verschiedenen Komplementgehalte des 
Blutserums dieser beiden Tierarten und der Verschiedenheit der zum 
Temperaturanstieg führenden Reinjektionsdosen. 

1) In einigen Fällen reicht sie jedoch, wie weitere Versuche gezeigt haben, noch 
höher hinauf (bis zu 1 ccm). 


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38 L. Loschke, Ueber dasVerhalten der Temperatur bei der aktiven Anaphylaxie. 


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Die anaphylaktische Vergiftung äussert sich beim Hunde schon 
bei der Reinjektion mittlerer Eiweissmengen, die zu Fieber führen, in 
Erbrechen, Durchfall, Tenesmus und Abgang blutigen Schleimes aus dem 
After. Der anaphylaktische Shock setzt mit Krämpfen ein, dazu 
kommt starke Benommenheit, Blutdrucksenkung, Erbrechen, Durchfall 
Abgang blutigen Schleimes und Temperatursturz. Bei der Obduktion 
findet man alle Organe unverändert mit Ausnahme des Magendarmkanals, 
der das Bild der von Schittenhelra und Weichardt beschriebenen 
Enteritis anaphylactica zeigt. 

II. Kaninchen lassen sich gleichfalls durch Vorbehandlung mit art¬ 
fremdem Eiweiss sensibilisieren. Das präanaphylaktische Stadium 
dauert boi intravenöser Sensibilisierung etwa 10—12 Tage. Voll ausgebildet 
ist die Anaphylaxie jedoch erst in der dritten Woche. Im präanaphylak¬ 
tischen Stadium verhalten sich vorbehandelte Kaninchen gegenüber einer 
Reinjektion reaktionslos, erst am Ende des präanaphylaktischen Stadiums 
kann man durch Reinjektion Temperatursteigerungen erzielen. 

Die vier Temperaturgrenzwerte lassen sich auch beim Kaninchen 
ebenso wie beim Hunde feststellen. Sie liegen meist innerhalb einer 
engen Zone. Die untere Konstanzgrenze befindet sich bei 0,005 bis 
0,01 ccm, die Fiebergrenze bei 0,01—0,1 ccm (in einigen Fällen reicht 
sie auch höher), die obere Konstanzgrenze bei 0,3—1,0 ccm, die 
Grenze für Temperaturabfall bei 2,5—3,5 ccm. 

Das anaphylaktische Fieber der Kaninchen steht in seinem Ver¬ 
lauf etwa in der Mitte zwischen dem bei Hunden und bei Meerschweinchen 
beobachteten Verlauf. Die Temperatur erreicht in der ersten, manchmal 
erst in der zweiten Stunde ihr Maximum und kehrt gewöhnlich in der 
vierten Stunde zur Norm zurück. Der Temperaturanstieg ist beim 
Kaninchen durchweg viel geringer als beim Hunde und überschreitet nur 
in kaum der Hälfte der Fälle 1°, während beim Hunde Steigerungen bis 
zu 2° und darüber beobachtet wurden. 

Die Injektion von Eiweissmengen, die unterhalb der Grenze für 
Temperaturabfall liegen, führt im Gegensatz zu der Wirkung beim Hunde 
zu keinerlei Allgemeinerscheinungen. Erst untertödliche und tödliche 
Reinjektionsmengen rufen beim Kaninchen den anaphylaktischen Shock 
hervor, der sich in Krämpfen, Luftsprüngen, beschleunigter Atmung, Un¬ 
gerinnbarkeit des Blutes und zunehmendem Temperatursturz äussert. 

Als das wichtigste Ergebnis dieser Untersuchungen an 
Hunden und Kaninchen betrachte ich die Feststellung der grund¬ 
sätzlichen Uebereiiistimmung der verschiedenen Tierarten in den anaphy¬ 
laktischen Reaktionen, namentlich im Verhalten der Temperatur und 
ihrer Abhängigkeit von der Menge des parenteral abgebauten Eiweisses. 
Damit ist zugleich die allgemeine biologische Bedeutung dieser 
Tatsachen gesichert. 


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IV. 


Aus der II. medizinischen Universitätsklinik zu Berlin 
(Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. Fr. Kraus). 

Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 

Von 

Prof. Dr. A. Pappenheim. 

(Hierzu Tafel I.) 


Einleitung. 

Einer der interessantesten Abschnitte der Pathologie ist das Kapitel 
der Leukämie. 

Wie die ganze moderne Hämatologie sozusagen auf dieses Kapitel 
zugeschnitten ist und von ihm immer wieder von neuem angeregt und 
befruchtet wird, so bemühen sich auch ausser Bacteriologie und Toxico- 
logie die Klinik, experimentelle Pathologie und Therapie um die Klärung 
dieses noch absolut dunklen Gebietes. 

Das Wesen der leukämischen Affektion besteht wie bekannt in einer 
blinden unlimitierten und daher dysteologischen (nicht reaktiven) hyper¬ 
plastischen Wucherung hämopoetischen Gewebes. 

Diese Wucherung ihrerseits besteht in schrankenloser Vermehrung 
der Stammzellen des hämopoetischen Gewebes, zugleich mit differentieller 
Umbildung derselben zu reifen hämocytoblastischen Parenchymgewebs¬ 
zellen, ja sogar unter Umbildung dieser auch zu reifen Blutzellen, also in 
einer wirklichen echten Hyperplasie aller parenchymatösen hämopoetischen 
Gewebsbestandteile; indessen ist die differentielle Umbildung zu reifen 
Gewebs- und weiter zu Blutzellen doch geringer als die wuchernde Ver¬ 
mehrung der unreifen Stammzellen; und je akuter der Prozess ver¬ 
läuft, desto mehr tritt die Differenzierung hinter der Wucherung zurück 1 ) 
(Pappenheim), so dass in den perakuten Leukämieformen reife Gewebs- 
und Blutzellen nur ganz vereinzelt gefunden werden, dafür aber eine fast aus¬ 
schliessliche Vermehrung unreifer Stammzellen [sogen. Entdifferenzierung 2 )]. 

Eine weitere Eigentümlichkeit der leukämischen und ihr verwandten 
stärker infiltrativ wachsenden Affektionen (Chloromc, Myelome, Lympho¬ 
sarkome Kundrat) ist einmal ihre Beschränkung auf den hämopoetischen 
Apparat, ferner das diffuse Ergriffensein desselben, so dass man heut¬ 
zutage nach dem Vorschläge des Autors 3 ), dom sich besonders Naegeli 

1) ef. Pappenheim, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 47. S. 52. — Alfred Wolf, 
ebenda. Bd. 45. — L. Michaelis, ebenda. Bd. 45. — Klieneberger, Deutsche 
med. Wochenschr. 1909. Nr. 49. — Carl, Medizinische Klinik. 1910. — Steffler, 
Deutsches Arcb. f. klin. Medizin. Bd. 106. 

2) Ueber die Stellung der akuten Leukämie usw. Fol. haem. 1907. Bd. 4. S.ll, 
14, 330 

3) Ebenda. 


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A. Pappen heim, 


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angeschlossen hat 1 ), die leukämischen Affektionen als „generalisierte 
Systemerkrankungen“ bezeichnet. 

Drittens ihr mehr oder weniger stark infiltratives Wachstum, welches 
besonders stark bei den oben letztgenannten hiefhergehörigen Affektionen, 
den Lymphosarkomatosen, den Myelomen und Ohioromen ausgeprägt ist. 
Dass diese mit den eigentlich leukämischen Affektionen trotzdem eng 
verwandt und keine echten Tumoren sind, wird durch mindestens histo¬ 
logische Uebergänge erwiesen. Dio Myelome zeigen alle Uebergänge zur 
sogen, medullären Pseudoleukäraie (aleukämische medulläre Lymphadenie), 
Baumgarten, Runeberg, Senator, Domarus, Rubinstein). Die 
Chlorome, welche allein Sternberg allerdings wegen ihres infiltrativen 
Wachstums als Leukosarkomatosen auffasst, gehen vielfach mit leukä¬ 
mischer Alteration des Blutes und Charcot-Leydenscher Kristallbildung 
einher. Und schliesslich verlaufen gelegentlich auch die Lympho¬ 
sarkomatosen blutleukämisch, wie durch gewisse klassische Fälle z. ß. 
von Straus-Virchow 2 ) bewiesen wird. 

Es sind diese leukämischen Sarkoidgeschwülste also keine echten 
Sarkome mit Bildung anaplasierter echter metastasierender Tumorzellen, 
sondern sie sind nur eine besondere Erscheinungs- und Manifestationsart 
der leukämischen Affektionen und eng zu ihnen gehörig als sarko- 
leukämische Affektionen. Durch sie aber haben die Leukämien ihre ge¬ 
wissen Beziehungen auch zu den echten „Malignomen“. 

Während wir über die Histologie, die cytologischen Befunde, den 
klinischon Verlauf dieser Erkrankungen im grossen und ganzen wohl 
unterrichtet sind, ist absolut dunkel die Aetiologie. 

In gewisser Hinsicht Beziehungen mit den echten malignen Tumoren 
zeigend, verhalten sie sich in anderer Hinsicht auch wieder recht ähnlich 
mit den generalisierten Infektionsgranuloraen des hämopoetischen Appa¬ 
rates, wie der Lyraphdrüsentuberkulöse und der ihr verwandten sogen. 
Lymphogranulomatosis. Die Verwandtschaft 3 ) mit den malignen Tumoren 
ist abgesehen von der gleichen Beeinflussbarkeit durch Arsenikalien und 
Röntgenstrahlen gegeben durch das Schrankenlose der Wucherung als 
solcher, bei der sogar die differentielle Zellumwandlung zu funktions¬ 
tüchtigen Zellen unter der Akuität des Prozesses leidet; allerdings kommt 
es nicht zur Bildung rassenfremder echter morphologisch, biologisch 
anaplasierter Tumorzellen; was bei der Entdifferenzierung entsteht, sind 
schliesslich mindestens in morphologischer und wohl auch zellbiologischer 


1) Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. 1908. 

2) Charite-Annalen. Bd. XXIII. 1898. 

3) Namhafte Pathologen wie Banti (Zeitschr. f. l*ath., 1904) und Kibbert 
(Deutsche med. Wochenschr., 1907) betrachten sogar die Leukämie direkt für einen 
sarkomatös metastasierenden Prozess. 

Uns scheint das zu weit gegangen; höchstens kann man sagen, dass die leu¬ 
kämischen AtTektionen am hämopoetischen Apparat ein Aequivalent für jene blasto- 
matösen Vegetationen sind, die am sonstigen mesenchymatischen Stroma durch die 
Sarkome repräsentiert werden. Auch hier gibt es Unterschiede. Die Endotheliome 
nehmen ebenso unter den Sarkomen eine Sonderstellung ein, wie die Cancroide unter 
den epithelialen Carcinomen. 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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Hinsicht normale Körpergewebszellen, also normale hämocytoblastische 
Elemente, nur im unreifen Zustande. 

Eine solche unreife Gewebszelle verhält sich zur reifen Gewebs- und 
schliesslich zur Blutzelle, wie die Spermatogonie zur Spermatide und 
schliesslich zur Spermie 

Auch die angeblichen lymphatischen Leukosarkomzellen Sternbergs 
und die Zellen der Kundratschen Lymphosarkome sind schliesslich als 
von nicht-tumoröser Natur erkannt und nur als unreife normale Myeloid- 
zellen bezw. Lymphocyten nachgewiesen worden 1 ). Auch darin unterscheiden 
sich die hierhergehörigen Prozesse von echten malignen Tumoren, dass wahre 
Metastasen, Propagation des Prozesses durch sekundäre Zellverschleppung 
nicht beobachtet wird 2 ) auch bei der sogen. Kund ratschen Lyrapho- 
sarkomatose scheinen echte Metastasen einwandfrei noch »nicht nach¬ 
gewiesen zu sein. Vielmehr metastasiert hier, wie bei den infektiösen 
Prozessen, der ursächliche hyperplastische Reiz als solcher, die un¬ 
bekannte externe Noxe, sodass es sich nur um eine Multiplizität von 
Primärwuchcrungen handelt. 

Dagegen ist bei diesen Prozesson durchweg ein geringeres, bei 
einem Teil der hierher gehörigen Erkrankungen sogar ein äusserst 
stark infiltratives und aggressives Wachstum, ganz wie bei den echten 
bösartigen Sarkomen, beobachtet worden (Lymphosarkome, Leukosarkorae, 
Chlorome, Myelome), sodass man hier sogar vielfach von einem Ueber- 
gang in echte Malignität spricht und die infiltrativ wachsenden Prozesse 
als sarkoleukämisch bezeichnet 3 ). 

Man könnte auf den Gedanken kommen, dass es eine Besonderheit 
der Parenchymzellen des hämopoetischen Apparates, also der Stamm¬ 
end Mutterzellen der Blutzellen sei, nicht in echter Weise maligne (zur 
Metastasenfähigkeit) zu entarten, sondern sozusagen auf halber Stufe 
biologischer Malignität stehen zu bleiben, derart, dass die Zellen zwar 
schrankenlose Fortpllanzungsfähigkeit und infiltrative Aggressivität er¬ 
langen, nicht aber die Befähigung zur echten Metastasenbildung. Dem¬ 
gegenüber würde es sich, im Gegensatz zu diesen Sarkoleukämien und 
Lymphosarkomen des Gewebsparenchyms, bei den echten Lymphdrüsen- 
sarkomen, den primären Sarkomen, ausgehend von den stromatischen 
Reticulura- und Endothelzellen, um echte Sarkome handeln. Es wären 
also die den leukämischen Parenchymerkrankungen verwandten Lympho¬ 
sarkome zu trennen von den primären stroraatischen Drüsensarkomen und 
den sekundären Sarkomen im Lymphdrüsengewebe, ebenso wie die primären 
Myelome von den primären und sekundären Myelosarkomen. 

Wenn die Unfähigkeit zur echten turaorösen Entartung eine Be¬ 
sonderheit der Parenchymzellen des homopoetischen Apparates wäre, 
dann würden derartige leukämische und verwandte Erkrankungen hier 

1) Pappenheim, Folia. IX.Archiv. 1910. — Graetz, Zieglers Beitr. Bd. XIX. 

2) Zwar wird von mehreren Forschern (Helly, Ziegler, früher Ehrlich) 
die myeloide Umwandlung der Milz auf colonisierende Innidation metastasenartig ver¬ 
schleppter normaler Knochenmarkzellen bezogen. 

3) cf. Hierzu die zusammenfassenden und übereinstimmenden Berichte von 
v. Domaras u. A. Herz. Fol. haematol. Bd. XIII. 1912. 


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A. Pappenheimj 


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sozusagen das Aequivalent der turaorösen Erkrankung anderer Körper¬ 
zellen vorstellen, und es würde hier vielleicht eine gute Handhabe gegeben 
sein, dem Wesen und der Aetiologie der echten Tumoren auf die Spor 
zu kommen. Mehren sich doch gewisse Indizien, dass es sich bei den 
echten Tumoren um den Coeffekt zweier Faktoren handelt, einer 
spezifischen internen tumorösen Disposition der Körperzellen, der wahren 
eigentlichen Ursache der Tumorbildung, bedingt durch Anlage, Vererbung, 
erworbene Veranlagung, Störung der internen Sekretionsverhältnisse, wie 
Alter usw., und eines zweiten äusserlichen unspezifischen, bloss auslösenden, 
occasionellen Momentes, wie chronische Reize mechanischer, chemischer, 
radiologischer, toxischer und infektiöser Natur. (Paraffinkrebs, Pfeifen¬ 
krebs, Röntgenkrebs.) 

Wenn es sich aber bei der Tumorgenese wirklich um den Coeffekt 
zweier Faktoren handeln sollte, deren einer die völlig unbekannte interne 
Disposition wäre, dann allerdings müsste bis jetzt die experimentelle 
Forschung nach künstlicher Erzeugung maligner Primärtumoren durch 
Applikation verschiedenster unspezifischer äusserer Reize scheitern. An 
der vorhandenen ätiologischen Mitwirkung auch äusserer Reize können 
indes aber selbst die strengsten Anhänger der Cohnheim-Ribbertschen 
Theorie nach den überzeugenden älteren Beobachtungen Virchows 
(Paraffinkrebs, Pfeifenkrebs, Oesophagus-Säuferkrebs) und den neuesten 
Beobachtungen von Röntgencarcinomen wohl kaum zweifeln. Wie zuerst 
B. Fischer durch seine schönen Untersuchungen mit Scharlachöl dar¬ 
getan hat und Borst und seine Schüler (Schmincke) später weiter 
ausgeführt und bestätigt haben, scheinen die sogen. „Attrexine“, welche 
nach Fischer eine atypische Wucherung der Epithelzellen zur Folge 
haben, gewisse lipoidlösliche Stoffe von äusserst schwachem Reiz- 
verraögen zu sein, ähnlich wie I. Löb in seinen berühmten cytologischen 
Studien eine feinste partielle Lipolyse oder lipatische Andauung der 
Lipoide der Zellmembran als einleitende Ursache der Lokoraobilität und 
Zellteilung erkannt hat. Dass unter solchen Umständen gelegentlich auch 
infektiöse Noxen von äusserst schwachem Reizvermögen bei chronischer 
Wirkung auf einen dazu disponierten Organismus tumoröse Wucherung 
auslösen können, kann a priori nicht von der Hand gewiesen werden. 

Wie aber bei der experimentellen Verpflanzung von Tiertumoren 
ein äusserst grosses Versuchsmaterial zur Verfügung stehen muss, um 
in einem gewissen Prozentsatz unter hunderten von Versuchstieren ein 
Angehen des Transplantates bei dazu prädisponierten Individuen zu er¬ 
zielen, so werden auch bei der experimentellen Erzeugung von Primär¬ 
tumoren die entsprechenden Versuche mit einer externen Ursache an 
einem viel grösseren Versuchsmaterial wie bisher und mit toxisch viel 
abgeschwächteren Ursachen vorgenommen werden müssen. 

Erwähnt sei jedenfalls, dass der berühmte Rattentumor von Jensen, 
seiner histologischen Natur nach ein Sarkom, der in seiner Descendenz 
auch heute noch in hunderten von Laboratorien fortgezüchtet wird, primär 
von Jensen selbst ursprünglich zufällig durch ein säurefestes Stäbchen 
erzielt worden war. 

Ob nun aber die Anschauung, dass die leukämischen Affektionen mit 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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den malignen Affektionen gewisse Verwandtschaft* haben, im Laufe der 
Zeit weitergestützt oder erschüttert werden wird, die Ansicht, dass die 
leukämischen Prozesse mit den entzündlich infektiösen Prozessen 
gewisse Beziehungen teilen, wird heute wohl von der Mehrzahl der mass¬ 
gebenden Pathologen geteilt. 

Es gibt nämlich auch nachweislich infektiöse Prozesse, die wie die 
leukämischen Affektionen auf den hämopoetischen Apparat elektiv be¬ 
schränkt sind, hier in Form ebenfalls einer Systemerkrankung und ebenfalls 
in einer Multiplizität von Primärherden bestehen, und schliesslich eben¬ 
falls einen abortiven Ansatz zum Uebergang in histologische Malignität 
durch atypisches Wachstum erkennen lassen. Es sind das die generalisierte 
Lymphknotentuberkulose und die Lymphogranulomatose Sternbergs. 
Beide histologisch und gewebsbiologisch (verschiedenes Verhalten gegen 
Tuberkulinreaktion) mehr oder weniger different, haben das gemeinsam, 
dass bei ihnen ein ätiologisches Agens nachgewiesen ist, bei der Tuber¬ 
kulose der Koch sehe Bacillus, auch in der grampositiven granulären Form 
von Much; bei der Lymphogranulomatose ebenfalls säurefeste Stäbchen, 
vorläufig noch unbekannter Natur (Dietrich, Hirschfeld, Arndt, 
Oskar Meyer), die ebenfalls in granulärer gramfester Modifikation Vor¬ 
kommen (Eugen Fränkel und Much). Obwohl auch bei ihnen Ueber- 
gänge zu infiltrativem Wachstum beobachtet worden sind, die man als 
Uebergänge zu Lymphdrüsensarkom (fälschlich Lymphosarkom) glaubte 
deuten zu sollen (Yamasaki, Dietrich), so ist doch ihnen, im Gegen¬ 
satz zu den leukämischen Affektionen, eigentümlich die Mitbeteiligung 
des Stroma (Fibroblasten, Plasmazellen, Epitheloidzellen, endotheliogene 
Megakaryocytoidzellen), welche gemeinhin den reaktiven entzündlich granu¬ 
lierenden Prozessen eigentümlich ist. Die Verwandtschaft der leukämischen 
Affektionen mit diesen letzteren Prozessen wird dadurch noch grösser, 
dass einmal auch bei letzteren gelegentlich chloromatöse Verfärbung zur 
Beobachtung gelangt (Benda), die sich sonst nur bei den leukämischen 
Affektionen findet; dass andererseits auch bei den leukämischen Prozessen 
Ausgänge in Fibrose und Knochensklerose zur Beobachtung kamen [Heuck, 
v. Baumgarten, M. Askanazy 1 ), Webb 2 )], welche eine Art Ausheilungs¬ 
prozess anzeigen und das Vorhandensein reaktiver Vorgänge als wahr¬ 
scheinlich nahe legen. Dass ferner der auf die symmetrischen Gesichtsdrüsen 
beschränkte Morbus Miculicz oft chloromatös und hier bald rein parenchy- 
matös-lymphocytomatös, bald mehr stromatisch-granulomatös in die Er¬ 
scheinung tritt. Vor allem aber, dass nicht nur bei den aleukämischen 
Myelomen und Myelolyraphomen, sondern auch bei den echten Leukämien 
plasraocytäre Formen beschrieben sind, wobei zu bemerken ist, dass 
Plasmazellen ja gelegentlich auch schon im normalen hämopoetischen Ge¬ 
webe gefunden wurden (durch Einwirkung „noch physiologischer“ Reizungen), 
dass ihre massenhafte Vermehrung aber unbedingt entzündlicher Natur ist. 

Ferner sind in einem gewissen Anfangsstadium die entzündlich 
granulierenden Affektionen durch blossen Rundzellreichtum ohne Fibro- 


1) cf. Assmann, Zieglers Beiträge. 1907. Bd. 41. 

2) Webb, Dissert. Breslau 1910/1911. 


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A. Pappenheini 


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blastenbeteiligung (Virchows Indifferenzstadium) von den leukämischen 
reinen Parenchyraaffektionen histologisch nicht zu unterscheiden, wie denn 
ja auch zurzeit indifferente mesenchymatische Bindegewebszellen (Histio- 
cyten) den echten Lmphocyten äusserst ähnlich sehen. Weiter kommen 
auch bei den leukämischen Affektionen, namentlich den akuten, ähnlich 
wie bei der Granulomatose, kleine Gewebsnekrosen vor; dazu kommt der 
klinisch fieberhafte Verlauf, der, ebenso wie den granulierenden und 
tuberkulösen Prozessen, den leukämischen Affektionen, besonders in den 
akuten Fällen, eigentümlich ist, wie denn die hier oft bestehende hämor¬ 
rhagische Diathese und begleitende Anämie auch sonst bei den ver¬ 
schiedensten Vergiftungen und Infektionen in gleicher Weise zur Beob¬ 
achtung kommt. Sternberg hat in jüngster Zeit sogar direkt die akute 
Myeloblastenleukämie ihrer leukämischen Spezifizität zu entkleiden ver¬ 
sucht. Es handele sich nicht um eine spezifisch infektiöse Form der 
Leukämie mit septischem Organbefund, sondern direkt um einen einfachen 
septischen Prozess (Streptokokken), um eine bei geeignetem dispositionellem 
Gewebsreaktionsvermögen 1 ) blosse leukämoide Blutreaktion bei einfacher 
septischer Infektion; und auch schon Hansemann hatte verschiedentlich 
darauf hingewiesen, dass histopathologisch akute lymphatische Leukämien 
ein Bild darbieten nicht unähnlich dem mancher Typhusfälle 2 ). 

Dazu kommt, dass die myeloide Metaplasie und Erythroblastik bei 
myeloleukämischen Affektionen völlig die gleiche ist, wie bei anämisierender 
Intoxikation und Infektion, und dass bei akuten Leukämien die gleichen 
Vorgänge der Erythrophagie (Goodall) gefunden wurden, wie bei Typhus 
und gewissen Blutvergiftungen (Pyrodin, Pyrogallol usw.). 

Nicht unwichtig dürfte auch der Umstand sein, dass in neuester Zeit 
bei histologisch tuberkulosefreien leukämischen Prozessen bacilläre Erreger 
spärlich, aber von einwandfreien Forschern nachgewiesen sind, nament¬ 
lich säurefeste Stäbchen von Fränkel-Much, Coley-Ewing, Arndt, 
ebensowie auch in den echten Lymphosarkomen Kundrats Tuberkel¬ 
bacillen gefunden sind von Ricker und Claus, und in jüngster Zeit be¬ 
sonders von Brandts 3 ). Dazu kommt, dass Ellerman n-Bang von der 
Hühnerleukämie berichten, dass ihnen die Uebertragung durch zellfreien 
Presssaft gelungen sei. Die Behauptung von Friedberger-Burck- 
hardt indes, dass die Hühnerleukämie eine blosse Form der gewöhn¬ 
lichen Hühnertuberkulose sei, dürfte mit Hirschfeld-Jacoby abzulehnen 
sein. Es spricht also vieles für die infektiöse Natur und Ursache der 
Leukämien, zumal, wenn die akuten und chronischen Leukämien zu¬ 
sammengehören. Offen bleibt die Frage, ob spezifische Erreger anzunehmen 
sind, oder unspezifische Erreger bei geeigneter Disposition des hämo- 
poötischen Affekts genügen. 

Schliesslich besteht noch das Problem der Disposition. 

Wie für die Tumorbildung, so wäre auch wohl für die Leukämie¬ 
erkrankung die spezifische Disposition ein nicht zu vernachlässigendes 

1) Sternberg, Wiener k 1 in. Wochensclir.; siehe neuerdings auch Pribram- 
Stein, Wiener klin. Wochenschr. 1913. Nr. 49. 

2) cf. Marcuse, Virchows Archiv, üd. IGO. 

3) Münchner nied. Wochenschr. 1908. Nr. 14. 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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Moment. Denn wenn die Erreger der Leukämie nicht spezifisch, sondern 
septisch, oder in chronischen Formen artverwandt denen der infektiösen 
Granulome wären, so müsste es erklärt werden, warum in dem einem 
Fall neben der Parenchymwucherung auch noch stromatische Reaktion 
eintritt, im andern Fall aber ausbleibt. 

Ein sehr merkwürdiges Moment, das die Hämatologie intensiv beschäftigt 
hat, ist ferner bei den Leukämien die strenge Differenzierung im Sinne des 
Dualismus. Entweder es erkrankt das lymphatische oder aber das 
rayeloide Gewebe. Der früher in der Literatur gemeldete Uebergang 
myeloischer Formen in lymphocytäre [Wilkinson 1 ), Mailand 2 ), Scott 3 ), 
Hirschfeld 4 5 )] ist von uns 6 ) als Entdifferenzierung der myeloischen Wuche¬ 
rung in einseitige Lymphoidocytenwucherung, d. h. verminderte Umbildung 
der im Indifferenzzustand stehenbleibenden wuchernden Stararazellen unter 
zunehmender Akuität des Prozesses oder therapeutischer Massnahmen 
(Röntgenstrahlen) gedeutet und fast allgemein in diesem Sinne anerkannt 
worden [Naegeli, Klieneberger 6 ), Steffler 7 ), Jagic]. 

Auch die angeblichen Mischfälle, die Türk, Hirschfeld und besonders 
A. Herz 8 ) beobachtet haben wollen, konnten bisher von uns noch immer 
zwanglos als Kombinationen der Hyperplasie des einen Gewebssystems 
mit blosser irritativer Reaktion des anderen gedeutet worden. So findet 
man gelegentlich bei lymphatischer Leukämie myeloide Metaplasie der 
Lymphsinus, und wohl auch umgekehrt bei myeloischer Hyperplasie 
rundzellig lymphocytäre Granulation der Milzkapsel. 

Es ist diese strenge Elektion und Distribution auf zwei verschiedene 
Gewebssysteme bisher noch nicht hinreichend erklärt. Soll man annehraen, 
dass jede Leukämie ihren besonderen Erreger hat? Dann müsste man an¬ 
nehmen, dass der eine Erreger nur auf den einen Apparat, der andere nur 
auf den anderen abgestimmt ist. Oder soll man annehraen — was uns 
wahrscheinlicher scheint —, dass ein und derselbe Erreger beide Gewebe in 
Hyperplasie versetzen kann? Je nach seiner Virulenz oder dem Grade 
seiner Toxizität würde bald das eine, bald das andere Gewebe in Reaktion 
versetzt werden, wie denn auch der Tuberkelbazillus oder der Typhus¬ 
erreger je nach der Reaktionsempfindlichkeit der Gewebe bald an der 
einen Stelle Eiterung, an der anderen Lymphombildung bezw. Granulom¬ 
bildung hervorruft. Je reizender die Noxe, desto eher reagieren die Zellen 
des Myeloidgewebes, je abgeschwächter und mitigierter, um so eher die 
Lymphzellen, deren Reaktionskraft allerdings aber auch viel schwächer 
und viel weniger imstande ist, die Noxe zu beseitigen oder unschädlich 


1) Wilkinson, Lancet 1905. 

2) Mailand, Lancet 1903. 

3) Scott, Lancet 1907. 

4) Hirschfeld, Berl. klin. Woohenschr. 1907. Fol. haem. VI. 1908. S. 382. 

5) Ueber die Stellung der akuten Leukämie usw. Fol. haem. IV. 1907. S. 564ff, 
581 ff. Verhandl. d. Deutschen Pathol. Ges. 1907. S. 367; s. a. Zeitschr. f. klin. Med. 
Bd. 47. S. 261. Bd. 52. S. 276-282. 

6) Deutsche med. Woohenschr. 1909. Nr. 49. 

7) Steffler, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 106. 

8) Herz, Wiener klin. Wochenschr. 1909. 


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A. Pappenheim, 


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zu machen. Schliesslich käme noch in Frage, ob die Reaktion des .einen 
oder anderen Apparates nicht bloss davon abhängt, ob der Erreger zu¬ 
fällig lokal mit dem Lymphstrom in den einen oder mit dem Blutstrom 
in den anderen Apparat gelangt. 

Wir möchten vorläufig am meisten zu der zweit erwähnten Möglichkeit 
hinneigen. Nach dieser würden sich die leukämischen Affektionen im Prinzip 
ganz so wie sonstige Infektionen verhalten, nur dass die stromatischc 
Reaktion unterdrückt ist, und sie würden mit der Tumorbildung das 
gemeinsam haben, dass es infolge Fehlens der stroraatischen Reaktion 
zu einer Hyperkompensation, einer luxurierenden Wucherung der reagierenden 
Parenchymzellen im Sinne von Weigert kommt (cf. Keloidbildung). Das 
dispositionelle Moment, weshalb eine leukämische hyperplastische 
Affektion statt eines blossen entzündlichen metaplastischen Vorgangs er¬ 
folgt, läge dann also in der relativen stromatischen Reaktionsschwäche der 
befallenen Gewebe. Die Parenchymreaktion überwindet die Mesenchyra- 
reaktion. 

Das wahre und eigentliche direkte ursächliche Moment, weshalb cs 
bei irgendwelchen subchronischen äusseren Reizen statt zur entzündlichen 
limitierten Reaktion zur malignen cytotypen Zellwucherung kommt, liegt 
vermutlich ähnlich in einer internen tumorösen Disposition des Gewebes 
(Hemmungslähmung). 

Die Ursache, weshalb eine lymphatische statt einer myeloischen 
Affektion erfolgte, könnte dagegen in der graduellen Virulenzdifferenz der 
externen Noxe zu suchen sein. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, 
dass noch eine ganz andere Erklärung für das letztere Verhalten versucht 
wurde von K. Ziegler 1 ), welcher das verschiedene Verhalten des lympha¬ 
tischen und myeloischen Gewebes gegenüber den Röutgenstrahlen zum 
Ausgang seiner Theorie nahm. Wir wissen nämlich seit Heineke und 
Meyer, dass bei Bestrahlung der normalen Milz der Lymphknötchen¬ 
apparat empfindlicher sein soll als die Pulpa und zur Atrophie gelangt, 
während umgekehrt die letztere sekundär hierbei zur Wucherung angeregt 
wird und noch obendrein in myeloider Metaplasie. (Dagegen dürfte bei 
der raycloiden Leukämie die myeloidc Wucherung der Milzpulpa als das 
Primäre, die Knötchenatrophie als das Sekundäre, bedingt durch Substitution 
durch jene zu deuten sein.) 

Nun ist es Ziegler bei seinen Experimenten mit Röntgenstrahlen 
fraglos nicht gelungen, eine echte myeloide Leukämie zu erzeugen; er 
erhielt lediglich banale mononucleäre Leukocytose; er glaubte sich trotz¬ 
dem hinreichend berechtigt, das Aufreten der einen oder anderen Leukämie¬ 
form zu erklären als eine Gewebshvperplasie des einen hämopoetischen 
Apparates, angeregt oder bedingt allein durch den Ausfall oder die Unter¬ 
drückung des zweiten Gegenapparates; ähnlich wie bei den Drüsen mit 
interner Sekretion der Funktionsausfall der einen ein störendes Ueber- 
gewicht einer anderen antagonistischen Drüse zur Folge hat. Ziegler hat 
durch Röntgenbestrahlung gewissermassen eine leukämische Disposition zu 
schaffen geglaubt (direkte Vernichtung des einen Antagonisten und dadurch 


1) Histogenese der myeloiden Leukämie. 1906. 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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bedingte indirekte leukämische Reizung des anderen); vielleicht wäre es 
aussichtsvoller, durch chronische Bestrahlung des einen Antagonisten in 
kleinen blossen Reizdosen zu versuchen, diesen selbst direkt in leukä¬ 
mische Wucherung zu versetzen. 

Wie dem auch sei, ob dieser Gedanke sich als fruchtbar erweisen 
wird oder nicht 1 ), bestehen bleibt als Tatsache ein gewisses antagonistisches 
Verhältnis des lymphatischen und myeloischen Apparates bei den leukä¬ 
mischen Erkrankungen. Dieses macht sich besonders auch in therapeutischer 
Hinsicht geltend, insofern als, abweichend von der Norm, d. h. dem normalen 
Lymphdrüsenapparate, der leukämisch affizierte lymphatische Apparat 
durch die Strahlen schlechter und schwerer zu beeinflussen ist als der 
myeloisch leukämische Apparat. 

Worin dieser Unterschied des gesunden und erkrankten 
hämopoetischen Apparates gegenüber den Röntgenstrahlen liegt, ist 
noch nicht festgestellt. Erwähnt muss aber werden, dass dio Röntgen¬ 
strahlen hier bei den leukämischen Erkrankungen, ähnlich wie bei den 
malignen Tumoren, sich als von zwiefacher Wirksamkeit erweisen. Wie 
maligne Tumoren durch die Strahlen nicht nur günstig beeinflusst werden, 
sondern wie umgekehrt bei Applikation auf gesundes aber disponiertes 
Gewebe die Strahlen bei ungeeigneter Applikation eine maligne Wucherung 
(Röntgenkrebs) zur Auslösung bringen können, so werden auch myelo- 
leukämische Wucherungen nicht unter allen Umständen günstig beeinflusst, 
sondern im Gegenteil gelegentlich zur myeloblastischen Entdifferenzierung, 
d. h. zur Verschlechterung und Umwandlung in einen mindestens histo¬ 
logisch akuteren Vorgang versetzt. Dies beruht darauf, dass das krankhaft 
leukämisch gewucherte myeloische Gewebe durch die Strahlenwirkung 
ln einen noch gereizteren Zustand (vermehrte Zellwucherung unter be¬ 
hinderter 2 ) Zellumbildung und Reifung) versetzt wird, ohne dass die Ursache 
zerstört wird. Demgegenüber will Ziegler bei Bestrahlung gesunden Ge¬ 
webes umgekehrt Leukämie erzeugt haben, dadurch dass er ein zweites 
(gesundes) Gewebe ausschaltete. Hier soll also Leukämie nicht aus 
dem einen bestrahlten und dadurch gereizten Gewebe entstanden sein, 


1) Gegen die Richtigkeit der Ziegler sehen Theorie, dass ein blosser vor¬ 
handener primärer Leukocytenschwund die ausreichende interne Ursache dafür sei, 
dass eine Lympholeukämie entsteht, spricht die Tatsache, dass bei Leukämie die 
Anordnung der histologischen Leukomeruptionen an Verteilung der Lokalisation 
eine von Fall zu Fall wechselnde ist, während die Theorie Zieglers verlangen 
würde, dass allenthalben das gesamte lymphadenoide Gewebssystem in vicariierende 
Hyperplasie gerät. 

Das tatsächliche wechselvolle Verhalten spricht vielmehr in unserem oben aus- 
geführten Sinne für die Annahme noch eines exogen ursächlichen, infektiös entzünd¬ 
lich-leukämischen Reizes neben einer internen Prädisposition, dessen jeweilige lokale 
Etablierung die verschiedene Anordnung der Leukomeruptionen bedingt. Auch wenn 
sich die Existenz gemischter Leukämiefälle bestätigen sollte (neuerdings Herxheimer, 
Münchener med. Wochenschr. 1913. Nr. 45/46), so würde das gegen die Richtigkeit 
der Zieglersche Theorie sprechen. 

2) Die Reifungsumbildung kann behindert sein durch die Acuität der Wucherung 
selbst (Pappenheim) als durch die Strahlenwirkung (Jagic). 


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A. Pappenheim, 


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wie das Röntgencancroid aus den bestrahlten Epithelzellen, sondern aus 
dem nicht direkt auf die Strahlen reagierenden, vielmehr blos durch den 
Ausfall der lvmphoiden Komponente die Ueberhand gewinnenden myeloiden 
Pulpagewebe, während die bestrahlten Lyraphknotenzellen unter der Be¬ 
strahlung zugrunde gingen. 

Wie es in der Lehre von den Infektionskrankheiten und ihrer Be¬ 
kämpfung als gesicherte Tatsache gelten kann, dass dieselbe Ursache, 
welche die Krankheit auslöst, bei abgeschwächter Virulenz einen kura¬ 
tiven Einfluss auf die Krankheit ausübt, nicht durch Einwirkung auf die 
pathogene Ursache und ihre Krankheitsprodukte, sondern durch Stimu¬ 
lation der Abwehrkräfte des Organismus (aktive Immunisierung), ebenso 
wird auch in der Lehre von den Tumoren und ganz besonders von den 
leukämischen Affektionen die Heilung einmal von der Kenntnis der Ur¬ 
sache selbst abhängig werden. Jedenfalls tritt bei der Erzeugung und 
Unterdrückung von Tumoren und leukämischen Affektionen durch das¬ 
selbe Agens 1 ), die Strahlen, ein bei beiden gleiches Prinzip zu Tage. 
Es ist daher sehr wohl möglich, dass eine rationelle Therapie all dieser 
furchtbaren Krankheiten nicht eher wird geschaffen werden können, bis 
ihre Aetiologie völlig aufgeklärt sein wird. 

Dass man hinsichtlich der Aufklärung der leukämischen Aetiologie 
noch ganz in den Anfangsstadien steckt, haben wir schon erwähnt. 
Alle Versuche, auf experimentellem Wege künstlich Leukämie zu er¬ 
zeugen, sind bisher fehlgeschlagen. Durch infektiöse Eitererreger konnte 
man bisher nur Leukocytosen, durch Granulationserreger im besten Fall 
Lyraphocytosen erzielen. Dass auf eine besondere individuelle Disposition 
des Versuchstieres und Virulenzabstufung der Noxe Rücksicht genommen 
werden musste, wurde bisher bei den diesbezüglichen Versuchsanordnungen 
nicht beachtet. 

Was chemische Mittel anbetrifft, so gelang es bisher durch Nuclein- 
säure auch nur Leukocytose, durch Tuberkulin und Pilokarpin bestenfalls 
Lymphocytose zu erzeugen. Sehr beachtenswert sind dagegen die 
Resultate, die Kasarinoff 2 ) (unter meiner Leitung) bei Vögeln unter 
kombinierter Verwendung zweier Blutgifte, des Ricins und Saponins er¬ 
halten hat, deren eines eine dispositionelle Schwächung setzte, das andere 
dann eine nicht gewöhnliche zur leukämoiden Blutveränderung führende 
Reizung des hämopoetischen Apparates ausüben konnte. 

So lange die Vergiftung anhielt, kam es zu einem so massenhaften 
Uebertritt von Leukocyten und zwar völlig unreifer Knochenmarks¬ 
elemente ins Blut, dass ein von gewöhnlicher Leukocytose völlig ver¬ 
schiedener Aspekt sich darbot. Es ist zu beachten, dass diese Blut¬ 
gifte, speziell das Saponin, bei Einverleibung in den Körper weniger 
erythrolytisch auf die cursierenden Blutkörperchen als stimulierend 
(Leukocytose, Erythroblastose) auf die Zellen des blutbildenden Appa¬ 
rates einwirken (Isaak, Pappenheim-Szecsi). 


1) Leukämieerzeugung durch Strahlen (Ziegler) und Unterdrückung (Senn); 
Tumorerzeugung durch Strahlen (Röntgencarcinom) und Unterdrückung. 

2) Folia. haematol. Bd. X. 1900. 


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Experimentelle Beiträge zur noueren Leukämietherapie. 


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Es ist ferner zu beachten, dass diese Blutgifte alle Lipoidlöser sind, 
gerade dadurch, wegen ihrer lipolytischen Fähigkeit, zu Blutgiften 
werden, und dass daher alle Blutgifte auch Nervengifte, (vielfach auch 
hämorrhagische Endothelgifte) sind. (Streptolysin, Tetanolysin, Schlangen¬ 
gifte, Gift der perniziösen Anämie.) 

A priori dürfte aus Analogieschlüssen wahrscheinlich sein, dass das 
Leukämietoxin, welches ja vielfach auch noch eine anämisierende und erythro- 
hyperplastische Komponente hat (sogen. Leukanämie) und in akuten Fällen 
Hämorrhagien macht, ebenfalls ein Hämolyticum lipoidlöslicher Natur ist. 

2. Wenden wir uns von den Berichten über die erfolglose Erforschung 
der leukämischen Aetiologie zur Therapie, so ist das früher beliebte 
Arsen hier in letzter Zeit fast völlig verdrängt worden, seitdem Senn 
im Jahre 1904 die eminente Wirkung der Röntgenstrahlen festgestellt 
hat. Dass der lymphatische Apparat hier weniger reagiert, wie der 
myeloische, ist schon erwähnt. Komplette Heilungen sind aber auch bei 
den myeloischen Heilungen nie erzielt worden, da es sich vermutlich 
nur um symptomatische Beeinflussung der Zellwucherung, nicht um Be¬ 
seitigung der internen Disposition und der äusseren ursächlichen Noxe 
handelt. Das Blut der Kranken indes wird bei der Bestrahlung durch 
direkte Zerstörung der cursierenden Leukocyten und Störung der Zell¬ 
bildung in den hämocytoblastischen Organen während der Dauer der 
StrahlennaohWirkung leukopenisch. 

Die Röntgcnstrahlen wurden abgelöst durch das Radium und 
neuerdings durch andere radioactive Elemente wie Mesothorium und 
Thorium X. Besonders das letztere hat eine auffällige eklatante und 
sehr drastische Wirksamkeit gegenüber der Myeloleukämie, wie in über¬ 
einstimmender Weise Plesch, Falta und Gudzent dargetan haben. 
Allerdings sind Dauerheilungen auch hier bisher nicht beobachtet worden, 
wohl aber öfters viel grössere Jntermissionen aleukämischen Blutzustandes 
als bei Radium- und Röntgenstrahlen. 

Verfasser hat hier [gemeinsam mit Plesch 1 )] festgestellt, dass 
beim gesunden Organismus die therapeutische Partialcomponente in 
einer direkten Zerstörung der Blutzellen im Blut vor allem der Leuko- 
cyton, aber auch der Lymphocyten, ferner in einer completen Zerstörung 
der Myeloidgewebszellen im Knochenmark nebst einer Fibroblasten¬ 
granulation in den Lymphknoten beruht, durch welch letztere die 
Lymphocyten bloss zur Rarefication, nicht zum völligen Schwund gebracht 
werden. Dagegen hat das Thorium bei Application in zu hohen 
Dosen allerdings auch noch eine unerwünschte Nebenwirkung im 
Auftreten von hämorrhagischer Diathese und Leberparenchymschädigung 
(centrale Nekrosen und Nekrobiosen), welche Pappenheim und Plesch 
ebenso wie Löhe 2 ) feststellen konnten. Bei mässig grossen thera¬ 
peutischen Dosen (1—3 Millionen M. E.) kommt vor allem die zell¬ 
zerstörende antileukämische Wirkung zur Geltung, indes ist die un- 


1) Pappenheim und Plesch, Folia haematol. Archiv. 1912. Bd. 14, und 
Diese Zeitschr. 1912. Bd. 12. 

2) Löhe, Virchows Archiv. Bd. 209. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie a. Therapie. 15. Bd. « 


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A. Pappenheim, 


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erwünschte nekrotisierende und hämorrhagische Wirkung stets zu fürchten, 
denn die Dosis efficax liegt nicht weit entfernt unterhalb der Dosis letalis. 

In kleinen Dosen 30000—50000M.E. (Reizdosen) wirkt das Thorium X 
auffallend günstig bei perniziöser Anämie, was dafür spricht, dass bei 
dieser Krankheit dem Knochenmark vielleicht doch nicht nur eine bloss 
regenerative Reaction zufällt. (Bei Röntgenstrahlen will Mosse aller¬ 
dings früher seitens der Erythrocyten ein völlig refractäres Verhalten 
gegenüber dieser Strahlenart beobachtet haben.) 

Dass Radium in kleinen Dosen deutliche starke lymphäraieähnliche 
Lymphooytose nach Gudzent-Lewy hervorrufen soll, sei nur nebenbei 
erwähnt. Es ist das ein ähnlicher elektiver Reiz auf das eine System, 
wie wir ihn oben von den Röntgenstrahlen berichtet haben. 

Man kann hier annehmen, dass die Strahlen in ganz schwacher 
Dosierung auf eine bestimmte Zellart (Lymphocyten) anregend wirken 
und dadurch die Lymphocyten zur Vermehrung bringen, in stärkerer 
Dosierung aber dieselben Lymphocyten zerstören, wodurch dann indirekt 
die Leukocyten zur Vermehrung gelangen würden (um bei noch stärkerer 
Dosis ebenfalls zerstört zu werden), dass also die Strahlen auch nur auf 
eine Zellart, die Lymphocyten, spezifisch irritierend oder paralytisch 
wirken. Oder es wäre möglich, dass die Strahlen in schwacher Dosis 
auf die eine Zellart, die Lymphocyten, in stärkerer, auf die andere Zell¬ 
art, die Leukocyten, anregend wirken; oder schliesslich, dass schon die 
primäre Lymphocvtose garnicht durch aktinische Reizung der Lyrapho- 
cyten selbst zustande kommt, sondern eine Folge vorangehender Zer¬ 
störung der empfindlicheren Myeloidzellen ist. Bei stärkerer Reizappli¬ 
kation würden aber dann nach der einen wie nach der anderen Auf¬ 
fassung auch die Lymphocyten zerstört. Die Strahlen würden also auf 
zweierlei Zellen zerstörend wirken, auf die eine Zellart in schwacher, 
auf die andere in starker Dosis. 

Diese zweite vorgetragene Auffassung, nach der das Myeloidsystem 
schon durch schwächere Strahlendosen als das Lymphadenoidsystem 
zerstört wird, würde allerdings im Widerspruch stehen zu den Deutungen, 
die Meyer-Heineke und Ziegler ihren Beobachtungen gegeben haben. 
Nach diesen Autoren würden die Lymphocyten die empfindlichere Zell¬ 
art gegenüber den Röntgenstrahlen sein. 

Demgegenüber haben indes meine zusammen mit Plesch unter¬ 
nommenen Beobachtungen der Thorium X-Wirkung Resultate ergeben, 
welche nicht ganz mit den bei Röntgenisierung erhobenen Befunden 
von Meyer-Heineke und Ziegler harmonieren. Wir fanden nämlich, 
dass die Myeloidzellen die empfindlicheren sind und eher zerstört werden, 
als das Lymphadenoidgewebe. Mit dieser grösseren Empfindlichkeit des 
Myeloidgewebes harmoniert auch unter pathologischen Zuständen das 
leichtere Reagieren der Myeloleukämien auf mittlere Heildosen gegenüber 
den Lympholeukämien. 

Im Sinne von Ziegler und Meyer-Heineke müsste man eine 
biologische Differenz zwischen normalen und leukämischen Lymphocyten 
annehmen, so zwar, dass die normalen gegen die Strahlendosen sehr 
empfindlich, die leukämischen sehr resistent sind, für welchen inhomo- 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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genen Dualismus bisher alle sontigen Unterlagen fehlen. Das ist eben 
schwer vorstellbar. 

Wir werden uns an der Hand eigener Versuche, über die wir weiter¬ 
hin berichten wollen, überzeugen, ob wir zu denselben Resultaten wie 
Ziegler gelangen, und welcher Annahme die histologischen Grundlagen 
entsprechen. 

Die neueste Phase in der Behandlung der Leukämien wird durch 
das von Koranyi zu diesem Zweck inaugurierte Benzol repräsentiert. 

Nach Koranyi soll Erfolg bei allen Formen myeloischer Leukämie 
eintreten. Die lymphatische Form scheint weniger beeinflussbar. Benzol 
soll Erfolg auch da haben, wo die Röntgentherapie versagt. Kleine 
Dosen scheinen die Leukopoese anzuregen, deshalb sind grosse Dosen 
(3—4 g pro die) monatelang angezeigt. Unangenehme Nebenwirkungen 
wurden nicht beobachtet. Die Empfehlung Koranyis stützt sich auf 
zwei Punkte; einmal sind vom Thorium bei unvorsichtiger Applikation 
unerwünschte Nebenwirkungen beobachtet worden, ferner ist die intra¬ 
venöse Applikation des Thorium immerhin ein gewisser Eingriff, den 
man bei der internen (peroralen oder peranalen) Darreichung des Benzols 
nicht nötig hat. 

Die Röntgenbehandlung ist ebenfalls mit ihren wiederholten Sessionen 
umständlich, und es ist garnicht zu leugnen, dass es ein idealer Fort¬ 
schritt wäre, wenn wir ein Mittel hätten, das bei interner Darreichung 
alle Vorzüge der umständlichen Röntgenbestrahlung oder der intravenösen 
Thoriumapplikation besässe, ohne deren Schattenseiten. 

Der wichtigste und massgebliche Gesichtspunkt aber, der Koranyi 
veranlasste, das Benzol als Antileukämicum zu verwenden, knüpft an 
experimentelle Untersuchungen an, die Selling 1 ) vor einiger Zeit be¬ 
kannt gegeben hat. Wir wollen über die Ergebnisse Sellings im 
folgenden kurz berichten. 

Angeregt durch 3 Fälle von menschlicher Benzolvergiftung, die alle 
mit Leukopenie des Blutes einhergingen, studierte Selling die Wirkung 
desselben auf den hämopoetischen Apparat bei Kaninchen, indem 
er Benzol mit Olivenöl zu gleichen Teilen täglich subcutan injizierte in 
Mengen von 1 ccm Benzol pro Kilogramm Körpergewicht. 

Das Resultat seiner Versuche ist kurz folgendes: Benzol wirkt in 
schwachen Dosen die Zelldifferenzierung anregend, in stärkeren zerstörend 
auf die weissen Blutkörperchen im circulierenden Blut und die Paren¬ 
chymzellen der hämopoetischen Organe. Das myeloide Gewebe wird 
stärker als das lymphadenoide Gewebe getroffen. Wiederholte Benzol¬ 
injektionen können vollkommene Aplasie des lymphadenoiden und mye- 
loiden Gewebes bedingen. 3—4 Tage nach der letzten Injektion treten 
selbst nach vollkommener Aplasie regenerative Veränderungen wieder 
auf, die die Regeneration innerhalb 10 Tagen bis 3 Monaten zu einer 
vollständigen machen. Am widerstandsfähigsten gegen das Gift erweisen 
sich die kleinen Lymphocyten; es folgen in absteigender Linie Erythro- 
blasten, Riesenzellen, grosse Lymphocyten, Myelocyten und polynucleäre 


1) Benzol als Leukotoxin. Zieglers Beitr. Bd. 51. 1911. 

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Granulocyten. In der Milz werden Neubildungen von mycloidcn Zell¬ 
elementen beobachtet. Ueber Veränderungen an anderen Organen be¬ 
richtet Selling nichts. 

Es lässt sich nicht leugnen, dass die von Selling bekannt gege¬ 
benen Beobachtungen in der Tat geeignet scheinen, zu einem Versuch 
der therapeutischen Beeinflussung von Leukämien und anderen Erkran¬ 
kungen des hämopoetischen Apparates anzuregen. In der Tat zeigen 
sie auch sonst grosse Aehnlichkeiten nicht so sehr mit der Röntgen- und 
Radiumwirkung, als besonders mit der von uns und Plesch gefundenen 
Thoriumwirkung auf den hämopoetischen Apparat. Anch beim Thorium 
hatten wir die gleiche Zerstörung der Parenchyrazellen' des hämopoeti¬ 
schen Apparates und die bis zur totalen Leukopenie und Entvölkerung 
von Leukocyten führende Einwirkung auf das circulierende Blut. Auch 
beim Thorium hatten wir ganz die gleiche graduelle Differenz der Em¬ 
pfindlichkeit zwischen lymphadenoidem und myeloidem Gewebssystera. 
Während aber wir bei unseren Versuchen mit Thorium als unerwünschte 
Nebenwirkungen auch noch colossale Blutdrucksenkung, verbunden mit 
ausgedehnten Blutungen und Nekrosen, bei den Dosen erhielten, die eine 
völlige Zerstörung des Knochenmarks nach sich zogen — Dosen, wie sie 
im Verhältnis natürlich bei der therapeutischen antileukämischen Verab¬ 
folgung, und erst recht bei der antianämischen Reiztherapie, niemals zur 
Verwendung kommen — berichtet Selling in seinen bezüglichen Ver¬ 
suchen, die sich nur auf den hämopoetischen Apparat beschränkten, 
nichts über derartige Nebenerscheinungen. 

Bevor aber der gewissenhafte Kliniker ein solches einschneidendes 
und drastisches Mittel beim Menschen versucht, sollte er natürlich nach 
jeder Richtung hin seine toxikologischen und pharraakodynamischen 
Potenzen eingehendst kennen und beherrschen. 

Ich begrüsste es daher mit lebhafter Genugtuung, als mir Herr 
Geh. Rat Kraus den Auftrag erteilte, nochmals selbständige Versuche 
über die Benzolwirkung, nicht nur auf den hämopoetischen Apparat im 
besonderen, sondern auch auf die sonstigen Organe anzustellen, um so 
ein Urteil über seine Verwendungsfähigkeit in der humanen Therapie, 
das Prinzip seiner Wirkung, seine Unterschiede gegenüber dem Thorium 
und etwaige Nebenwirkungen zu gewinnen. 

A priori ist es ja wohl nicht unwahrscheinlich, dass ein so stark 
fettlösender Körper wie das Benzol Nebenwirkungen besonders auf das 
Nervensystem wird haben können. 

Auch Selling führt aus der Vergiftungsliteratur gewisse vor¬ 
übergehende Einwirkungen auf den hämopoetischen Apparat und Ver¬ 
änderungen des Blutes an. So erwähnt er, dass Santesson 1 ) in einem 
Vergiftungsfalle Leukopenie, Langlois-Desbouis 2 ) in ihrem Falle 
Hyperglobulie beobachtet haben. Demgegenüber berichtet L. Lewin in 
seinem Lehrbuch der Toxikologie, dass beim Menschen Einatmung von 
Benzoldämpfen (in Gummifabriken) jahrelang ohne jegliche Benachteili- 

1) Arch. f. Hygiene. Bd. 21. 1897. 

2) Journal de pbysiologie et de pathologie generale. IX. 1901. 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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gung der Gesundheit vertragen wird; dass vom Magen aus 2—3 g, ja 
selbst 8 g vertragen werden, dass aber bei Idiosynkrasien oder bei ver¬ 
sehentlich zu grossen Dosen Benommenheit, schwankender Gang und 
sogar Delirien beobachtet wurden. 

Sommerfeld und Fischer geben in ihrer Liste der gewerblichen 
Gifte an, dass das Benzol eine spezifische Affinität zum Centralnerven¬ 
system und eine Allgemeinwirkung auf das Zellprotoplasma (fettige De¬ 
generation) zeigt. Bei subacuten und chronischen Vergiftungen treten 
starke Anämie, Schleimhaut- (Uterus) und Hautblutungen auf, neben 
fettiger Degeneration von Herz, Leber und Niere. Bei acuten Vergif¬ 
tungen findet sich ein rauschähnlichcr Zustand mit Schläfrigkeit, Schwindel¬ 
gefühl und Euphorie in den leichteren Fällen. In den schwereren Fällen 
frostschauerähnliches Zittern, Muskelzuckungen, tonische und klonische 
Krämpfe. Hier wird also jedenfalls des Benzols als eines hämor¬ 
rhagischen und Nervengifts und einer anämisierenden Noxe gedacht, 
wie denn ja überhaupt bei den Blutkrankheiten diese 3 (lipolytischen) 
Componenten, die anämisierende (mit der leukocytotischen), die neuro- 
toxische und die hämorrhagisch-endotheliotoxische (und globulinolytische, 
Gerinnung hemmende) vielfach miteinander kombiniert Vorkommen. 

Ich erinnere an die hämorrhagische Diathese bei akuter Leukämie 
und bei septisch-leukocytotischcn Prozessen, an die die Leukämie be¬ 
gleitende anämische Componcntc bei Leukanämie, an die Störungen des 
Centralnervcnsystcms und die verzögerte Gerinnung bei pernieiöser Anämie 
und ihre Retinalblutungcn, an die neurotoxischen Wirkungen der anämi¬ 
sierenden Gifte, wie Pyrodin, Saponin, Hydroxylamin, Schlangengift. 
Vor allem aber scheint mir hier besonders hervorgehoben werden zu 
müssen, dass ein neuerer amerikanischer Forscher Duke 1 ) das Benzol 
direkt neben dem Diphtherietoxin als ein Gift anführt, welches spezifisch 
hämorrhagisch und gerinnungsverzögernd wirkt. 


Eigene Versnche. 

Nach diesen Vorausschickungen will ich nun über das Ergebnis meiner 
eigenen Versuche berichten. Unter dem Einfluss der Voreingenommenheit, dass 
Benzol, dieser stark fettlösende Körper von hohem spezifischen Gewicht, 
nach den bisher in der toxikologischen Literatur niedergelegten spärlichen 
Mitteilungen, ein keineswegs ganz gleichgültiger Körper sein dürfte, inter¬ 
essierte es mich, zu wissen, welchen Einfluss auf die Leukocytcn und den 
hämopoetischen Apparat wohl auch noch andere ähnliche fettlösende Körper 
haben möchten, speziell das Benzin oder der Petroläther, der ja zu einer 
ganz anderen Kohlenwasserstoffgruppe, nämlich den aliphatischen Körpern 
gehört, und meist ein Gemisch von Hexan und Pentan ist, zudem ein 
ausserordentlich geringes spezifisches Gewicht hat. In bezug auf Fett¬ 
löslichkeit und spezifisches Gewicht verhalten sich etwa Benzol und 
Benzin zueinander wohl ähnlich, wie die beiden Narkotica Chloroform 
und Aether. Vielleicht dass also auch das Benzin den gleichen ge¬ 
wünschten Erfolg bei geringerer Nebenschädlichkeit haben möchte. 

1) Duke, John Hopkins Bullet. 1912. XXIII. Nr. 255. S. 144. 


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A. Pappenheim, 


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Um imstande zu sein, die Wirkung des Benzols und die etwaige des 
Benzins auf den hämopoetischen Apparat beurteilen und bewerten zu 
können, habe ich auch noch eine Versuchsreihe mit Röntgenisierung, 
und zwar im Tierversuch wohl zum ersten Male mit genau nach 
Erythem-Dosen dosierten Strahlungen vorgenommen. 

Plan der Arbeit. 

1. Wir werden im folgenden also das Prinzip der Benzinwirkung 
auf den hämopoetischen Apparat und etwaige Folgeerscheinungen an 
sonstigen Körpergeweben an einer Versuchsreihe mit mittelgrossen und 
grossen Benzindosen (4—8 ccm) zu ergründen suchen. 

2. Ebenso werden wir an einer zweiten Versuchsreihe die ent¬ 
sprechenden Versuche auch mit Benzol vornehmen und dieselben mit 
den von Selling gefundenen Resultaten zu vergleichen haben. 

3. Wir werden drittens alsdann die beiderseitige Wirkung miteinander 
vergleichen. 

4. Das Ergebnis der Röntgenstrahlen und der Thorium¬ 
injektionen auf den hämopoetischen Apparat ist durch die Arbeiten 
von Heineke und Pappenheim-Plesch bereits hinlänglich festgelegt 
worden. Die Protokolle unserer Thoriuraversuche sind jüngst in 
extenso 1 ) publiziert worden; die mikroskopischen Präparate stehen uns 
zum Vergleich zudem noch zur Verfügung. 

5. Eine besondere Versuchreihe mit Röntgenbestrahlung haben 
aber auch wir von neuem ausdrücklich zu dem Zweck unternommen, 
um deren Ergebnisse mit der Thoriumwirkung zu eigenem Urteil vergleichen 
zu können, und um dann das Ergebnis der Benzol- und Benzinversuche mit 
dem der Röntgen- und Thoriumversuche in Beziehung setzen zu können. 

Alle diese Versuche und Feststellungen wurden aussschliesslich am 
Kaninchen erhoben. 


A. 

Aus unseren im grösseren Massstabe vorgenommenen Thorium- 
versuchen sei kurz das Ergebnis rekapituliert. 

Nach einer einmaligen intravenös verabfolgten Dose von mindestens 
5 M.-E. war um den dritten Tag herum das Blut vollständig leukocyten- 
frei. Die Lymphocyten waren zuerst verschwunden. 

Um den vierten Tag herum starben die Tiere spontan. 

Das Knochenmark war dunkel himbeergeleerot, dünnflüssig und 
aus der Knochenkapsel herausfliessend. 

Die Milz war atrophisch und tief dunkel gefärbt. 

Mikroskopisch fand sich enormer Blutreichtum sämtlicher 
Organe durch Gefässerweiterung und Wanderschlaffung, vielfach ver¬ 
bunden mit Blutungen per rhexin. 

In der Leber fanden sich bald diffuser nekrobiotischer Zell verfall 
mit fettiger Entmischung, bald centrale Druckatrophien durch Stauung, 
bald direkte centrale Nekrosen. 

1) Diese Zeitschr. Bd. 12. 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leuhämietherapie. 


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In der Niere Cylinder in den Harnkanälchen und Exsudat im 
Bowmanschen Kapselraum. 

Im Knochenmark totaler Verlust des Zellparenchyms mit Blut- 
infarcicrung der Fetträume. Und zwar schwinden dabei die hochdifferen¬ 
zierten Granulocyten zuerst, die tiefstehenden Lymphoidzellen zuletzt. 

In der Milz ausser Blutanschoppung und Blutungen hochgradigste 
Atrophie der Follikel mit Rarefikation der Lymphocyten, Erythrocyten- 
zerfall und Erythrophagismus in der Milzpulpa. 

B. 

Wir werden jetzt zunächst über die von uns erhobenen Ergebnisse 
der RSntgeneinwirkang auf das Blut und den hämopoetischen Apparat 
berichten. 

Wir verabfolgten eine isolierte Bestrahlung der Milz nach Abdeckung 
des übrigen Körpers und untersuchten das Blut bzw. die Organe nach 
Verabfolgung einer auf einmal applicierten oder auf mehrere Tage ver¬ 
teilten grösseren Menge von Erythem-Dosen. Wir verabfolgten die Be¬ 
strahlung in sehr starker genau dosierter Strahlenmenge, wie das bisher 
bei experimentellen Röntgenverfahren an Tioren noch nicht so exakt 
vorgenommen zu sein scheint. (Ziegler gibt in seiner Monographie nur 
an: „Die Kaninchen wurden teils kürzere, teils längere Zeit bestrahlt“.) 

Wir verabfolgten mit mittelharten Röhren eine hohe Anzahl von 
Erythem-Dosen, meist in einer Sitzung, gelegentlich fraktioniert. Ziegler 
bestrahlte ein- bis zweimal und beobachtete dann die Tiere wochenlang, 
bevor er sie tötete. Nach unseren sehr intensiven Bestrahlungen gingen 
die Tiere sämtlich unter starker Abmagerung spontan ein. 

Vorbemerkung. 

Das Blut des gesunden Kaninchens enthält nach unseren Er¬ 
fahrungen, die mit denen von Ziegler, Klieneberger-Carl 1 ) und 
Selling im ganzen übereinstimraen, Rote etwa 4 500000—7000000, 
Leukocyten 6—12 000. Da nach Klieneberger-Carl 1 ) die Tiere 
dauernd in der Verdauung befindlich sind, ist die Tageszeit der Unter¬ 
suchung für die Zählung irrelevant. 

Die normale Leukocytenformel zeigt durchschnittlich polynucleäre 
Spezialzellen 35 pCt., Lymphozyten 55 pCt., Monocyten 5 pCt., Mast¬ 
zellen 4 pCt., Eosinophile 1 pCt. 

Ziegler 2 ) hat bei seinen entsprechenden Versuchen Abnahme der 
Leukocyten zahl unter 2400 nicht beobachtet (Fall 5), eine Abnahme der 
Lymphocyten aber bis auf 1 pCt. (Fall 4). Er fand ferner eine Atrophie 
mit Zellschwund des gesamten Lymphzellapparates, daneben aber 
myeloide Metaplasie der Milzpulpa durch Einlagerung der grossen 
Monocyten des Blutes, die er gemäss seiner eigenartigen, nicht allgemein 
geteilter Auffassung als verschleppte und aus dem Knochenmark stammende 


1) Klieneberger-Carl, Centralbl. f. innere Medizin. 1910. 

2) Experimentelle Untersuchungen über die Histogenese der myeloiden Leukämie. 
1906. (Gustav Fischer). 


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ungekörnte Myelocyten, i. e. Myeloblasten, auffasst. Die lyraphoiden 
Zellen sollen dann in der Pulpa granuliert werden. Ganz im Gegensatz 
zu Heineke hat er, entsprechend seiner hierauf ja eben concipierten 
Leukämietheorie, keine Zellabnahme im Knochenmark wahrgenommen, 
vielmehr ein wechselnd zellreiches Mark. Soll ja doch gerade durch 
die Atrophie der Lymphknötchen nach ihm rayeloide Hyperplasie erst 
ausgelöst werden. 

Demgegenüber fand Heineke 1 ) bei seinen klassischen Versuchen 
als Folge der Bestrahlung eine Abnahme der circulierenden Leukocyten 
bis auf 1000, wobei besonders und in erster Linie ebenfalls die 
Lymphocyten beteiligt sind. Das sonstige qualitative Bild bleibt 
ziemlich unverändert. Auch er fand eine Atrophie des Lymphadenoid- 
gewebes, speziell kleine pigmenthaltige Milz, aber auch eine Rarefizierung 
der farblosen Parenchymzellen des Knochenmarks, und zwar eine stärkere 
der Lymphoidzellen als der Granulocyten, während wir bei Thorium 
gerade das Umgekehrte gefunden haben. 

Folgendes sind unsere Befunde bei Röntgenisierung: 

Blutbefunde. 

1. Buntes Kaninchen. Blut im normalen Zustand ohne Besonderheiten. 
Rote 5200000, Leukocyten 10200. 

Blutbefund 1 Tag nach Verabfolgung von 8 Erythem-Dosen (18. 11. 1911): 
Rote Blutkörperchen ohne Besonderheiten. Blutplättchen reichlich vorhanden. Leuko¬ 
cyten Gesamtzahl 6100. Es besteht deutliche relative Prävalenz der polynucleären 
Spezialzellen (90 pCt.) mit leichter Verschiebung nach links (Metamyolocyten und 
vereinzelte Myelocyten). Mastzellen mässig reichlich vorhanden. Grosse Mononucleäre 
sehr spärlich. Lymphocyten fehlen so gut wie vollständig, desgl. echte Eosinophile. 
5 Tage nach der Bestrahlung (23. 11.) beträgt die absolute Leukocytenzahl 4900. 

Nach weiteren 10 Erythem-Dosen zeigen die Roten am folgenden Tage deut¬ 
liche mikrocytäre Anisocytose. Lymphocyten und Monocyten fehlen, desgl. Eosino¬ 
phile. Mastzellen sehr spärlich. Die polynucleären Spezialzellen zeigen unreife Vor¬ 
stufen und Jugendformen mit basophilem Plasma und plumpem Kern. Vereinzelte 
Reizungszellen, vereinzelte Lymphoidocyten. Exitus des stark dekrepiden Tieres am 
folgenden Tage. 

Bei der Autopsie erscheint das Knochenmark rot, die Milz dunkel. An Leber, 
Nieren, Lungen makroskopisch nichts Abnormes. 

2. Schwarzes Kaninchen. Das Blut zeigt im normalen Zustand keine Be¬ 
sonderheiten. Leukocytenzahl 12500. 

Blutbefund 1 Tag nach 8 Erythem-Dosen (18. 11.1911): Rote Blutkörperchen 
ohne Veränderungen. An den Plättchen nichts Besonderes. Leukocyten Gesamtzahl 
5900. Es besteht deutliche relative Vermehrung der polynucleären Spezialzellen. 
Die Mastzellen in etwa normalem Verhältnis (4 pCt.) vorhanden. Auch hier fehlen 
Eosinophile vollständig. Lymphocyten fehlen desgl. fast vollständig!! Die 
Monocyten sind ausserordentlich spärlich vorhanden. Es finden sich ganz vereinzelte 
plasmacelluläre Reizungszellen. 

Blutbefund nach 8 weiteren Erythem-Dosen: (5 Tage nach der ersten 
Bestrahlung 23. 11.) Leukocytenzahl 2400. Die polynucleären Leukocyten sind im 
ganzen leicht vermindert. Lymphocyten und Monocyten fehlen fast völlig. Desgl. 

1) Mitteil. a. d. Grenzgebieten. 1905. Bd. 14. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. 
1905. Bd. 78. 


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fehlen fast völlig die Eosinophilen. Neben den Spezialzellen finden sich noch etliche 
Mastzellen. Von pathologischen Zellformen finden sich ausser vereinzelten Reizungs¬ 
plasmazellen einige wenige Myelocyten und Promyelooyten. 

Das Tier ist stark abgemagert und stirbt in der folgenden Nacht. Bei der 
Autopsie verhalten sich die Organe makroskopisch wie beim vorigen Tier. 

3. Graues Kaninohen. Leukocytenzahl 13 000. Normale Relationen. 
6 Erythem-Dosen in 2 fraktionierten durch 2 Tage getrennten Sitzungen auf die 
rasierte Milzgegend (letzte am 30. 11.). In dieser Zeit starke Gewichtsabnahme, 

Blutbefund am 2. Tag nach der letzten Bestrahlung (2. 11.): Leukocyten 
7000. Die Lymphocyten sind ausserordentlich spärlioh. Mastzellen und 
Eosinophile fehlen. Es finden sich ziemlich zahlreiche Plasmareizungszellen und 
grosse Lymphoidzellen (pathologische Monocyten) von leukoblastischem Habitus. 
Das Tier erhält heute weitere 2 Erythem-Dosen (2. 12.). 

Blutbefund am folgenden Tage (3. 12.): Die Leukocyten (4800) sind auch 
mikroskopisch nur noch sehr spärlich. Die Spezialzellen zeigen keine Besonderheiten, 
speziell keine unreifen Formen. Mastzellen und besonders Lymphocyten ausser¬ 
ordentlich spärlich. Eosinophile fehlen vollständig. Am zahlreichsten findet man 
grosse atypische Mononucleäre von leukoblastischem Habitus. Das Tier erhält 1,5 ccm 
einer 2proz. Lösung von Natron nucleinicum. 

Blutbefund am folgenden Tage (4. 12.): Die Blutzusammensotzung ist 
qualitativ die gleiche wie gestern. Keine mikroskopisch wahrnehmbare Hyperleuko- 
cytose. Leukocytenzahl 5000. Auch keine Zunahme der relativen Vermehrung der 
polynucleären Spezialzellen. Lymphocyten noch immer sehr spärlich vorhanden. Der 
einzige Unterschied gegen gestern und der einzige Reiz, den die Nucleinsäure hat 
ausüben können, besteht darin, dass die grossen Lymphoidzellen und die poly¬ 
nucleären Spezialzellen höhere Kernfragmentierungen aufweisen. 

Blutbefund am folgenden Tage (5. 12.): Die Qualität des mikroskopischen 
Blutbildes ist die gleiche geblieben, die absolute Zellzahl hat weiter abgenommen: 
2800. Jugendformen der Spezialzellen sind nicht aufgetreten, dagegen hat ihr Prozent¬ 
verhältnis gegenüber den anderen Zellen zugenommen. Desgl. die Zahl der grossen 
leukoblastischen Monocyten und auch der Mastzellen. Eosinophile fehlen. Desgl. 
Lymphocyten nur in ganz vereinzelten Exemplaren vorhanden, also auf ein Minimum 
reduziert. Nochmalige Einspritzung von 1 ccm einer 3proz. Lösung von Natrium 
nucleinicum. 

Blutbefund am folgenden Tage (6. 12.): Die Gesamtzahl der Leukocyten ist 
nicht vermehrt, vielmehr weiter verringert. (1900.) Allein die grossen lymphoidenZellen 
sind relativ starker vermehrt. Lymphocyten fehlen vollständig. Das Tier ist ausser¬ 
ordentlich stark abgeraagert. Exitus am selben Tage. Bei derNekropsie nichts Besonderes. 

Besprechung. Am Blut zeigen unsere Versuche mit den ge¬ 
wählten starken und genau dosierten Röntgendosen, unter denen die Tiere 
konstant stark abmagern und, im Gegensatz zu Zieglers Tieren, nach 
einigen Tagen spontan zu Tode kommen, dass abweichend vom Thorium, 
von einer vollständigen Leukocytenentvölkerung des Blutes hier nicht 
die Rede war. Obwohl also die Leukocytenverarmung nicht so weit ging 
als beim Thorium, sind die Tiere trotzdem äusserst erschöpft. Nuclein- 
säureinjektion vermag keine Leukocytose mehr zu erzielen. Bei Ziegler 
gingen in seinen 5 Kaninchenversuchen die Leukocyten nicht unter 2400 
herunter (Kan. V). Bei uns wurden einmal 1900 Leukocyten erreicht. 

Am stärksten betroffen im Blut und zuerst verschwunden fanden wir 
die Lymphocyten, was in Uebereinstimmung steht mit unseren beim 


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A. Pappenheim, 


Thorium erhobenen Feststellungen, sowie den Feststellungen von Heineke 
und Ziegler, nach denen unter Röntgenbestrahlung speziell die Lympho- 
cyten fast völlig aus dem Blut schwinden, während Polynucleäre und 
Monocyten nach Heineke kaum betroffen sein sollen. Auch nach 
Ziegler verschwinden die Lymphocyten bis auf wenige Prozent, während 
die Gesamtzahl der weissen Zellen dem Lymphocytenabfall entsprechend 
abnimmt. Auch beim Thorium sahen wir zuerst aus dem normalen 
Blut die Lymphocyten und zwar hier völlig schwinden (während sich 
das normale und noch mehr das leukämische Lymphadenoidgewebe 
bekanntlich stets viel resistenter gegen diese Strahlenart erweist als das 
Myeloidgewebe). 

Vom Thorium und Radium sind nach kleinen Dosen Zell Vermeh¬ 
rungen speziell lymphocytärer Natur (Gudzent) berichtet worden. 
Von den Röntgenstrahlen ist derartiges bisher nicht bekannt geworden. 
Das alles scheint dafür zu sprechen, dass die freien Lyrapho- 
cyten das empfindlichere Substrat gegenüber diesen Strahlen¬ 
wirkungen sind. 

Wir werden jetzt im folgenden kurz nach den Protokollen die Er¬ 
gebnisse unserer Bestrahlungen am häraopoetischen Apparat (Knochen¬ 
mark und Milz) schildern und sehen, ob und in welcher Weise sie mit 
dem Blutbefund in Beziehung stehen und den letzteren erklären. 

Histologische Befunde. 

Die hämopoetischen Organe wurden teils in Orthscher Lösung 
(Forraol-Müller) fixiert und dann nach Pappenheim in May-Gicrasa ge¬ 
färbt, oder in Formol-Alkohol: 90proc. Alkohol = 70 Teile, 10 proc. 
Formol = 30 Teile fixiert und in Methylgrün-Pyronin gefärbt. 

2. Schwarzes Kaninchen. 

Milz: Die Follikel zeigen kanm einen leichten Grad von Atrophie; sehr deut¬ 
lich ist diese Follikelatrophie jedenfalls nicht. Die Pulpa ist ausserordentlich blut¬ 
reich und pigmenthaltig ohne direkt als hypertrophisch angesprochen werden zu können. 
My eloide Umwandlung war nicht vorhanden. 

Knochenmark: Hier besteht eine deutliche Hyperplasie. Das Mark der langen 
Röhrenknochen ist ausserordentlich zellreich. Keine Spuren von Zell- oder Kern¬ 
zerfall oder sonstiger Schädigung der Zellen. Besonders schön erhalten und vermehrt 
sind die Megakaryocyten. Das Fettgewebe ist geschwunden und durch Knoohen- 
marksgewebe ausgefüllt. 

3. Graues Kaninchen. 

Milz: Follikel nicht atrophisch. Pulpa keine myeloide Umwandlung, dagegen 
starker Blutreichtum, viel Pigment und Pigmentzellen. Die ganze Milz ist besonders 
in der Pulpa völlig durchsetzt mit einer enormen Menge von Plasmazellen. 

Knochenmark: Auch hier besteht ein Zustand beginnender Hyperplasie mit 
beginnendem Schwund des Fettgewebes. Die Megakaryocyten sind gut erhalten. 
Auch hier finden sich zahlreiche Plasmazellen vom Marschalkoschen Typus, wenn 
auch nicht so reichlich als in der Milz. Doch finden sich auch myeloblastische 
Reizungsformen. 

Vergleichen wir die histologischen Resultate unserer allerdings an 
Zahl nur geringen Versuche, die sich im Ergebnis indessen im wesent- 



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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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liehen gleich verhalten mit denen von Heineke und von Ziegler, so 
finden auch wir, ebenso wie Ziegler, einen hypertrophischen Zell¬ 
reichtum des myeloiden Gewebes im Knochenmark und einen 
grossen Blut- und Pigmentreichtum sowie Plasmazellbildung der 
Milzpulpa. Dagegen will Heineke Atrophie auch des Knochenmarks 
gesehen haben. 

Was wir nicht finden, ist die Atrophie des lymphadenoiden 
Gewebes und die myeloide Milzmetaplasie, die er konstant beachtet 
hat, ebenso wie Heineke, und die er zum Ausgang seiner Leukämie¬ 
theorie gemacht hat. 

Es scheint mir nach alledem höchst wahrscheinlich, soweit es ge¬ 
stattet ist, aus unserer nur kleinen Zahl von Versuchen, Schlüsse zu 
ziehen, dass die Lymphknötchenatrophie ebenso wie die myeloide Meta¬ 
plasie an der Milz sich erst im Laufe der Zeit nach protrahierteren Be¬ 
strahlungen geringerer Intensität herausbilden kann, und dass sie die Folge, 
nicht die Ursache einer, dann also primären Myeloidgewebswucherung ist. 

Bei der kurzen Zeit, die unsere Tiere nach den intensiven Bestrah¬ 
lungen lebten, hatten die Follikel sozusagen keine Zeit, unter dem Druck 
der myeloiden Reaktion in Atrophie zu geraten. Durch die Strahlen selbst 
wurden sie direkt aber nicht zerstört. Unsere Absicht mit den grossen 
Dosen war aber nicht, eine Leukämie 2u erzeugen, sondern das primum 
movens, das empfindlichste Substrat der Strahlenwirkung festzustellen. 
In dieser Hinsicht sind gerade unsere Versuche mit den grossen Dosen 
besonders lehrreich, da sie zu lehren scheinen, dass nicht die Follikel¬ 
atrophie das primäre, sondern das sekundäre ist. In erster Linie wirken 
denn auch die Röntgenstrahlen nach unseren Beobachtungen, ebenso wie 
das Thorium, auf das myeloide Gewebe und seine Zellen, und zwar in 
schwächeren Dosen jedenfalls reizend, in ganz starken vielleicht zerstörend, 
und eine im ersten Fall atrophizierende, im zweiten Fall etwaige Reaktion 
auslösende Wirkung auf den Follikelapparat scheint darnach keine durch 
die Strahlung direkt bedingte, sondern viel eher eine so indirekt durch die 
untergeordnete Wirkung auf den myeloiden Apparat hervorgerufene zu sein. 

Hiernach würde sich also die Röntgenstrahlung tatsächlich qualitativ 
nicht anders verhalten, wie die Thoriumwirkung, sondern nur noch 
graduell different. Bei unseren grossen und viel wirksameren Thorium¬ 
gaben wurde eben der myeloide Apparat sogleich total zerstört und 
das Blut von Leukocyten völlig befreit. Das Lymphadenoidgewebe 
verhielt sich bei unseren Thoriumversuchen zum Teil ganz ebenso, wie 
es Ziegler bei seinen Röntgenbestrahlungen mit zwar kleineren Dosen 
aber viel protrahierterer Dauer in dem einen seiner Fälle (3) geschildert 
hat (bindegewebige Umwandlung). Auch der Pigraentgehalt und der 
Erythrophagismus der Milz ist nach unseren Röntgenbestrahlungen der 
gleiche, wie der beim Thorium beobachtete. Dass wir keine myeloide 
Umwandlung der Milz wie Ziegler feststellen konnten, hat ebenfalls 
wohl seine Ursache an der zu kurzen Wirkungsdauer der intensiven 
Strahlenmengen auf das Gewebe. Es stehen also unsere starken Röntgen¬ 
bestrahlungen etwa in der Mitte zwischen Zieglers schwächeren protra¬ 
hierten Bestrahlungen und mittelgrossen und grossen Thoriurabestrahlungen. 


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A. Pappenheim, 


Das histologische Ergebnis unserer Röntgenbestrahlungen wäre darnach 
also qualitativ völlig das gleiche wie das von Ziegler, mit dem einzigen 
Unterschied, dass wir eine Follikelatrophie nicht in dem Masse wie dieser 
Forscher beobachten konnten, und wir daher inbezug auf die Deutung die 
erste sichtbare histologische Wirkung der Bestrahlung nicht ins lymph- 
adenoide Gewebe verlegen. Ob die Reizwirkung des Myeloidgewebes direkt 
durch die Bestrahlung ausgelöst oder von einer Zustandsänderung am 
Milzapparat bedingt ist, ist eine andere Frage. 

Trotzdem wir stärkere aber Strahlcn-Üosen wie Ziegler verwendeten, 
haben wir aber doch, abweichend von Heineke, im Knochenmark keine 
Zellatrophie, wie beim Thorium, selbst nicht einmal im Beginn befindlich, 
gesehen, sondern haben vielmehr mit Röntgenstrahlen stets nur einen 
starken Reizungszustand erhalten. Es wäre möglich, dass diese Differenz 
gegenüber Thorium darin liegt, dass man bei Thorium noch stärkere Mengen 
strahlender Energie einverleiben kann; indes Heineke will ja Atrophie 
schon bei seinen anscheinend geringeren Röntgenstrahlen erhalten haben. 
Das Fehlen der Lymphknötchenatrophie bezw. die noch stehengebiiebenen 
Follikel können da nicht gut auf reaktive Reizung bezogen werden; denn 
die Follikel sind weder hyperplastisch noch haben sie Keimcentren. Aber 
auch die zweifellos gegenüber den lympathischen Apparat erst primäre 
myeloideKnochenmarksreizung braucht nicht unbedingt absolut direkte Folge 
der Strahlenwirkung zu sein, sondern kann indirekte Strahlenwirkung sein, 
hervorgerufen durch einen Reiz, den die durch die Strahlen geschädigte 
oder sonstwie affizierte Milzpulpa auf das Knochenmark ausübt. 

Auffallend und der Erklärung bedürftig ist nach alledem 
nur noch das Verhalten des Blutes, die starke Lyraphopenie. 
Wir haben nämlich im Blut eine lymphocytäre Leukopenie mit 
relativer Granuloleukocytose, im Gewebe keine Lymphknötchen¬ 
atrophie, aber einen deutlichen Reizungszustand des Knochenmarks 
beobachtet. Ziegler sieht das Primäre in der Lymphknötchenatrophie, 
deren Folge einerseits die Lymphopenie, andererseits die Knochenmarks¬ 
reizung und eine leukämoide Granuloleukocytose sein soll. Es ist die 
Frage, ob nicht das Primäre in der Knochenmarksreizung bezw. in der 
Lymphocytolyse des Blutes liegt. 

Auch wir haben, ebenso wie Ziegler, eine Abnahme der Leuko- 
cyten im Blute festgestellt, und zwar an den Lyraphocyten stärker 
wie an den Leukocyten, nur dass unsere absoluten Zahlenverminde¬ 
rungen, entsprechend den grösseren Strahlendosen, noch grössere waren. 
(Dass bei Thorium das Blut völlig von Leukocyten befreit wurde, liegt 
an der stärkeren Intensität der viel grösseren Thoriumgaben. Diese 
Blutveränderung ist beim Thorium auch hinreichend erklärt durch die 
völlige Zerstörung des Knochenmarks.) 

Beim Thorium blieb unerklärt allein der Umstand, dass, obwohl die 
Lymphknötchen nicht völlig zerstört wurden, trotzdem im Blut die Lympho- 
cyten völlig fehlten, ja sogar früher schwanden wie die Leukocyten. Hier 
bei den Röntgenstrahlen ist es ganz ebenso auffallend und schwer er¬ 
klärlich, dass das Blut an farblosen Blutzellen und speziell auch an solchen 
des Lymphadenoidgewebes verarmte, ob wohl die Lymphknötchen nicht 


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besonders atrophisch waren, und auch an Lcukocyten, obwohl das 
Knochenmark sogar in einem gewissen hyperplastischen Reizungszustand 
angetroffen wurde. 

Selbst wenn man mit Hclber-Linser*), Curschmann-Gaupp 1 2 ) 
[aber Heineke sowie Klleneberger-Zöppritz 3 ) sind anderer Ansicht] 
annehmen wollte, dass beim isolierten Bestrahlen der Milz das Knochen¬ 
mark nur indirekt beeinflusst und zwar in regenerative Reizung versetzt 
würde, sozwar dass sich cholinartige intermediäre Leukotoxine bilden, 
welche in erster Linie die circulierenden Leukocyten des Blutes zur 
Leukolyse und dadurch zur Leukopenie bringen, die dann das Knochenmark 
zu ersetzen trachtet, wobei also jedenfalls in erster Linie die circulierenden 
Leukocyten der Vernichtung anhcimfielen: so ist es doch auflallend, dass 
diese Leukopenie nicht nur bei unseren Versuchen mit kurzer Lebensdauer 
des Tieres und exorbitant starken Bestrahlungen, sondern auch bei Ziegler 
in der überwiegenden Zahl seiner Versuche mit schwächeren Strahlen eine 
andauernde war; trotz des Reizungszustandes im Mark nämlich 
wurde weder die Zeitzahl völlig ergänzt, noch traten regene¬ 
rative Jugendformen im Blute auf. 

Dieses ist aber doch wohl nur so zu erklären, dass die gebildeten und 
sich immer vermehrenden Leukotoxine wirksam genug sind, um auch den 
event. Nachschub der jugendlichen Zellen fort und fort zur Leukolyse 
zu bringen. Mit anderen Worten, dass die deletäre Wirkung der 
Strahlen auf das Blut stärker ist als die Reizwirkung auf das 
Knochenmarksgewebe. Oder aber man muss annehmen, dass die 
Bestrahlung nur die Zellmobilisation nach der Zellbildung lähmt, für 
welche Annahme es bisher an greifbaren Unterlagen fehlt. Anders ist 
es nicht zu erklären, dass wir völlige Blutzellverarmung besonders der 
Lymphocyten im Blut finden ohne Atrophie der Lymphknötchen und mit 
myeloider Zellreizung im Knochenmark. Das gilt wenigstens für das 
normale Tier. 

Dass bei krankhaft leukämischer Knochenmarkswucherung die 
blosse Bestrahlung der Milz auch die myelogene Knochenmarkswucherung 
hintanhält, ist dagegen durch die Tatsachen erwiesen. Speziell wird die 
Annahme, dass der zellreiche Reizzustand des Knochenmarks bei unseren 
Versuchen etwa nur ein indirekt regenerativer sei — bedingt durch die 
Leukolyse im Blut —, widerlegt durch die direkt myelotoxische Wirkung 
noch stärkerer Mengen strahlender Energie, wie wir sie beim Thorium 
zu sehen bekommen. Allerdings wird das Thorium dabei in die Gefäss- 
bahn eingeführt, von wo es direkt ins Knochenmark gelangt, während 
die Röntgenstrahlen nur auf die Milz appliziert werden und von hier nur 
indirekt irgendwie das Knochenmark alterieren. 

Bemerkenswert bleibt nach alledem nur noch der Umstand, dass, 
bei der Bestrahlung der gesunden Milz selbst mit unseren hohen, also 
nicht einfach reizenden Dosen, ein zellreicher Reizzustand des Knochen- 

1) Münchenermed.Wochenscbr. 1905. Nr. 15. DeutschesArch.f.klin.Med. Bd.83. 

2) Münchener med. Wochenschr. 1905. Nr. 50. 

3) Ebenda. 1906. Nr. 18 und 19. 


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marks neben der Leukopenie erzielt wird, während bei der Bestrahlung 
der kranken raycloleukämischen Milz ausser der Leukopenie des 
Blutes auch eine Wachsturashemmung der myeloischen Wucherung erzielt 
wird. Das Auftreten von Reizungszellen im Blut wird durch den grossen 
Gehajt des hämopoetischen Gewebes an Plasmäzellen hinreichend erklärt. 

Wir haben somit folgendes festzuhalten: Beim Thorium eine totale 
(temporäre) Entvölkerung des normalen Blutes, auch an Lymphocyten, 
bei völliger Verödung des Marks, trotz nicht ganz völliger Zerstörung 
des Lymphknotenapparates und des lymphadenoiden Gewebes. Bei 
Röntgenstrahlen eine starke nicht völlige Entvölkerung des Blutes, 
ausser an Lymphocyten auch an Leukocyten, trotz bestehenden Reiz- 
zustapdes des Knochenmarks und ohne Atrophie der Lymphknötchen. 

Im speziellen bei Röntgenstrahlen eine Differenz zwischen ge¬ 
sundem und krankhaftem (leukämischem) myeloischen Apparat, insofern 
als der letztere stärker reagiert und in seiner Wucherung beschnitten 
wird; ferner bei gesundem Organismus eine Differenz zwischen Blut und 
hämopoetischem Gewebe; wir sehen, dass die Blutlyraphocyten empfind¬ 
licher erscheinen und eher vernichtet werden als die Gewebslymphocyten. 
Es wirken also an gesunden Tieren die Röntgenstrahlen zer¬ 
störend anscheinend vor allem und besonders kräftig auf das 
circulierende Blut, speziell auf dessen Lymphocyten ein, 
(ausserdem atrophisierend auf die Milzpulpa und reizend auf 
das Knochenmark); beim leukämischen Organismus dagegen 
stärker auf das hämopoetische Gewebe und hier stärker zer¬ 
störend auf das myeloidwuchernde. 

Das Gemeinsame der Thorium- und Röntgenstrahlenwirkung ist sonach 
folgendes: Kleine Thorium- und Röntgenstrahlen bewirken Hyperleukocytose, 
grosse Röntgen- und Thoriumstrahlen Leukopenie; dabei aber Röntgen¬ 
strahlen eine Reizung, Thorium eine Zerstörung des Myeloidgewebes. Bei 
Thorium wie bei Röntgenstrahlen findet sich stets Pigmentzerfall und 
Erythrophagismus in der Milz. An sonstigen Organen bei Röntgen nichts 
Besonderes. Nur einmal berichtet Ziegler von beginnender Lebernekrose 
(Fall 3). Bei Thorium oft Leberschädigung. 


C. 

Wir wenden uns jetzt zum Bericht über unsere systematischen Ver¬ 
suche mit Benzol und Benzin. Es wurden diese Stoffe mit Oleum 
olivarum vermischt subcutan injiziert. 

1. Vor versuche. 

Explorative Vorversuche ergaben, dass für Kaninchen von 1500g 
Körpergewicht 3—37 2 ccm Benzol, zu gleichen Teilen mit Olivenöl ver¬ 
mischt und subcutan einverleibt, die höchst erträgliche Dose vorstellten. 
Bei 4 ccm Benzol schrieen die Tiere oft minutenlang unter schwerer Dyspnoe, 
und wohl auch vor Schmerz unter der starken lokalen Reizwirkung; bei 
über 4 ccm Benzol traten fast regelmässig Lähmungen der Extremitäten 
auf. In einem Falle Hirnherdsymptome (Hirnblutung in der Brückengegend?). 
Bei 5 ccm und mehr erfolgte regelmässig der Tod innerhalb A j A — 1 / 2 Stunde. 


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Toluol und Xylol setzten dieselben Zellveränderungen im Blut, 
wurden aber noch schlechter vertragen. Ich nahm deshalb von weiteren 
Versuchen mit diesen Mitteln Abstand. 

Demgegenüber wurde Benzin in gleichen Dosen von gleich schweren 
Tieren noch anstandslos vertragen; auch 8 ccm Benzin zeigten noch keine 
irgendwie auffallenden Allgemeinerscheinungen. Erst nach einer Injektion 
von 9 — 10 ccm trat der Tod im Verlauf des folgenden Tages ein. 

Aber noch ein anderer Grund war Ursache, auch die Wirkungen 
des Benzins auf den hämopoetischen Apparat näher zu studieren. Es 
zeigte sich nämlich, was auch schon Selling festgestellt hatte bei einer 
Vor Versuchsreihe, dass sehr kleine Reizdosen von Benzol (0,5—1 ccm) 
eine deutlich ausgesprochene Hyperleukocytose durch Vermehrung 
der reifen polynucleären amphooxyphilen Spezialzellen und Mastzellen 
bei relativer Abnahme der Lyraphocyten und Fehlen der Eosinophilen 
nach sich zogen 1 ), während Benzin in gleichen kleinen Dosen sogleich 
regelmässig bereits eine ausgesprochene, allerdings nur relative Ly mph o- 
cytose bei normaler Leukocytenzahl erzeugte 2 ). Hier schien also prima 
vista ein qualitativer Antagonismus vorzuliegen, Benzol ein Leukotacticura, 
Benzin ein Lymphotacticum zu sein. 

Auch hier konnte die Deutung theoretisch eine zwiefache sein. Dass 
das Benzol in kleinen Dosen schon den doch nach Uebereinstimmung 
aller Autoren relativ unempfindlichen Lymphocytenapparat zur Unter¬ 
drückung gebracht hätte, und dass dadurch, im Sinne Zieglers, einehyper- 
compensatorische Hyperleukocytose der Granulocyten entstehen konnte 3 ), 
hat nicht viel Wahrscheinlichkeit für sich. Viel wahrscheinlicher 
ist es, dass dieses Mittel, welches in den wirksam grossen Dosen den 
Leukocytenapparat zerstört, in kleinen Dosen auf eben den¬ 
selben anreizend wirkt. Dieser Anreiz kann ein direkt an dem 
hämopoetischen Apparat und seinen Zellen angreifender irritierender 
Stimulus sein, er kann aber auch, ähnlich wie die Nucleinsäure, vom 
Blut aus chemotaktisch die Zellen zur funktionellen Betätigung heraus¬ 
locken. Im Sinne dieser letzten Auffassung könnten die Experimente 
von J. Loeb sprechen, nach denen eine oberflächliche Lipolyse der 
Zellmembran Ursache der Amöbidität und der migratorischen Loko- 
mobilität sein soll. Ein sicherer Entscheid zwischen beiden Auffassungen 
ist auch post mortem schwer zu treffen, denn nach beiden Reizungen, 
der direkt stimulierenden und der reaktiv chemotaktischen, kommt es 
ja zu den gleichen Zellverraehrungen. Wahrscheinlich dürften ausserdem 
meist auch beide Reize miteinander kombiniert wirksam werden. Immerhin 
sei erwähnt, dass bei fortgesetzter Applikation so kleiner Benzoldosen die 
Hyperleukocytose schliesslich in eine regenerative Phase trat, und dass 
hierbei ganz die gleichen unreifen Zellformen mit basophilem Plasma, 
stark basophilen, mastkornähnlichen, sehr rarefizierten Körnchen und 
stark vacuolisiertem Plasma beobachtet wurden, wie ich sie bei meinen 

1) Leukocyten 16000, darunter Spezialleukocyten 75pCt., Monocyten 8pCt., 
Mastzellen 2pCt., Lymphocyten 15pCt. 

2) Leukocyten 10000, Spezialleukocyten 22pCt., Lymphöcyten 78pCt. 

3) Dass also Benzol direkt Lymphopenie, Benzin Lyraphocytose macht. 


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A. Pappenheim, 


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Versuchen über kombinierte Saponin-Nucleinsäurewirkung am Kaninchen 
gemeinsam mit Szecsi beobachtet, beschrieben und abgebildet habe 1 ). 
Eine starke Leukopenie konnten wir selbst auch bei durch längere Zeit 
fortgesetzten kleinen Benzoldosen nicht erzeugen. 

Dagegen bewirkten grosse Benzoldosen (3—4 g) Leukopenie und 
zwar mit relativer Neutropenie, d. h. relativer Lymphocytose, vermutlich 
infolge starker Zerstörung und Suppression des empfindlichen Leukocyten- 
apparates mit relativem Uebergewicht des resistenten Lymphocyten- 
apparates. Somit finden wir, dass kleine Dosen Benzol leukotaktisch, 
grosse Dosen negativ leukotaktisch aggressiv, i. e. leukopenisch und relativ 
lymphoeytotisch wirken. Eine so absolute Entvölkerung des Blutes von 
Leukocyten, wio wir sie mit Thorium erzielen konnten, haben wir indes 
selbst bei fast 2 Wochen fortgesetzten Gaben grosser Benzoldosen bei 
unseren Versuchen nicht erzielt. 

Wie ist nach allem nun die Benzinlymphocytose durch kleine 
Benzindosen zu erklären? Entweder man könnte annehmen, dass das 
Benzin qualitativ derartig beschaffen sei (und dadurch unseren therapeu¬ 
tischen Absichten entgegenkommt), dass es in gleich kleinen Dosen wie 
das Benzol, viel stärker als dieses wirksam, den leukocytären Apparat 
nicht erst zur Reizung, sondern direkt sogleich zur Suppression bringt 
und dadurch sogleich (also schon in diesen kleinen Dosen) indirekt eine 
Lymphocytose zur Auslösung bringt, ebenso wie Benzol dies in grösseren 
Dosen tut. Benzin würde dann qualitativ ebenso wie Benzol wirken, 
nur graduell sehr viel stärker und schon in kleinen Dosen dasselbe er¬ 
zielen, wie Benzol in grossen, nur unter geringeren unerwünschten neu- 
rotoxischen Nebenwirkungen. In diesem Sinne könnte der Umstand 
sprechen, dass schon bei kleinen Benzindosen nicht absolute Hyper- 
lymphocytose, sondern nur relative Lymphocytose eintritt, also dasselbe 
Blutbild wie bei starken Benzoldosen. Würde das der Fall sein, so 
hätten wir in dem Benzin ein Mittel, welches vor dem Benzol in der in 
Rede stehenden Hinsicht bedeutende Vorzüge hätte, nämlich neben der 
leichteren Diffusibilität, Exhalier- und Verbrennbarkeit, die viel stärkere 
Wirkung auf den myeloischen Apparat in verhältnismässig kleinen Dosen. 

Die andere Möglichkeit wäre die, dass, wie das Benzol elektiv auf 
den Leukocytenapparat in kleinen Dosen reizend, in grossen zerstörend 
wirkt, ebenso das Benzin in gleicher Weise spezifisch auf den Lympho- 
cytenapparat wirksam sei. Wäre das der Fall, dann müsste das Benzin 
in grossen Dosen auch die Lymphocytenbildung und Ausfuhr völlig unter¬ 
drücken. Dann aber müssten kleine Dosen absolute Hyperlymphocytose 
erzeugen, was in unseren Versuchen nicht der Fall gewesen ist. Immer¬ 
hin wird auch diese Hypothese wohl aufstellbar, wenn man annähme, 
dass das Benzin einen blanderen Reiz setzt, als das eingreifendere Benzol; 
wissen wir doch, dass stärker reizende Noxen (Nucleoproteid der Eiterkokken, 
Krotonolsäure, Abrin) Leukocytose und Eiterung durch Reiz auf den Leuko¬ 
cytenapparat ausüben, dass dagegen die Lipoide der chronische Entzündung 
und Granulorabildung erregenden Bakterien eine Lymphocytose unterhalten. 

1) Pappen heim und Szecsi. Folia haematol. 1912. XIII. 


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Für diese Auffassung könnte die Tatsache und das Versuchsergebnis 
sprechen, dass bei einem Tier, dem Benzin -|- Benzol aa 0,1 eingespritzt 
wurde, eine Hyperleukocytose beobachtet wurde, bei der neben den 
polynucleären Leukocyten auch die Lymphocyten an der absoluten Ver¬ 
mehrung der Zellen beteiligt schienen 1 ). Dann wäre das Benzin 
qualitativ in seiner stimulierenden Chemotaxis vom Benzol different. 
Gegen diese Auffassung spricht indes der Umstand, dass bei der 
stärkeren Benzolapplikation allein blosse relative Lyraphocytose bei 
annähernd normaler absoluter Leukocytenzahl zur Beobachtung kam, 
dass also die Polynucleären absolut und relativ stark zurückgedrängt 
erscheinen, desgl. dass, wie schon erwähnt, kleine Dosen keine Hyper- 
lymphocytose erzeugten. 

Wir haben auch Versuche mit alternierender Applikation kleiner 
Dosen von Benzol und Benzin angestellt und haben dabei konstatiert, 
dass, nachdem Benzol zwei Tage lang eine ausgesprochene und deutliche 
Hyperleukocytose hervorgerufen hatte, eine einmalige Injektion von Benzin 
sofort eine ausgesprochene Leukopenie mit relativer Lyraphocytose hervor¬ 
rief. Umgekehrt gelang es nicht, nach einer Benzineinwirkung mit 
sekundärer relativer Lyraphocytose, durch Applikation kleiner Benzolmengen 
wieder eine Hyperleukocytose hervorzurufen; im besten Fall gelang es, 
das Proportionsverhältnis zwischen Lymphocyten um ein weniges zugunsten 
der Leukocyten zu verschieben. 

Während nun fortgesetzte kleine Benzoldosen die Hyperleukocytose 
unterhielten und steigerten, verursachten selbst lange fortgesetzte kleine 
Benzindosen niemals Hyperleukocytose, sondern immer nur relative Lyrapho¬ 
cytose mit immer stärkerer Steigerung des lymphocytären Proportions¬ 
verhältnisses. Dazu ergaben auch schon mittelgrosse Benzindosen ebenso 
eine deutliche Leukopenie mit relativer Lymphocytose. 

Ein gleiches Blutbild, Leukopenie mit relativer Lymphocytose, erhielten 
wir allerdings ja auch beim Benzol, aber nur bei Verwendung grosser 
Dosen, so dass also in bezug auf das Blutbild mittlere Dosen Benzin 
(4 ccm) denselben Effekt hatten wie grosse Benzoldosen (3 ccm). Mischungen 
kleiner Benzol- (1 ccm) und mittelgrosser Benzindosen (3—4 ccm) addierten 
sich in der Wirkung derart, dass das Benzin prävalierte, d. h. es entstand 
deutliche Leukopenie mit relativer Lymphocytose. 

Die wahre Analyse des Wirkungsmechanismus kann natürlich erst 
die histologische Untersuchung erbringen, d. h. mit anderen Worten 
welche von unseren Veränderungen zur Erklärung der beider¬ 
seitigen Blutwirkung die richtige ist und der Wirklichkeit ent¬ 
spricht, wird und kann sich naturgemäss erst zeigen, wenn 
wir das Prinzip der Wirkung am hämopoetischen Apparat 
selbst, bei dessen histologischer Untersuchung, festgestellt 
haben werden. 

Erwähnt mag indes zu dieser Frage noch hier schon werden, dass 
wir aus einer zu diesem Zwecke angestellten kleinen Versuchsreihe den 


1) Leukocyten 14500, darunter polynucleäre Spezialzellen 72 pCt., Lymphocyten 
28 pCt. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie o. Therapie. 15. Bd. • 


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A. Pappenhein), 


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Eindruck gewonnen haben, dass nach dem Aussetzen der Applikationen 
das Blutbild sich bei den Benzintieren rascher ad integrum 
zurückfindet (3—4 Tage), als bei den Benzoltieren nach entsprechenden 
grossen Dosen (8—10 Tagen). Indessen sind nach dieser Hinsicht unsere 
Versuche nicht zahlreich genug gewesen, um hier schon eine Gesetz¬ 
mässigkeit mit Bestimmtheit aufstellen zu können. 

Ganz besonders aber möge schon jetzt hervorgehoben 
werden, dass wir in keinem einzigen unserer Versuche weder 
mit Benzol noch auch selbst mit Benzin, selbst bei lange 
fortgesetzter Einverleibung, eine derartige schnelle absolute 
Leukopenie und totale Befreiung des Blutes von Leukocyten 
erzielt haben, wie wir sie experimentell bei Thorium nach 
einer einzigen maximalen Injektion erhalten hatten. Unsere 
bei Benzol und Benzin beobachteten Leukopenien gingen unter eine 
Zahl von 700 Leukocyten pro 1 emm Blutes nicht herunter. 

2. Eigentliche Versuche (Versuche mit Benzol und Benzin). 

A. Benzolversuche. 

Wirkung anf das Blut. 

Vorbemerkung: Selling spritzte im Durchschnitt 2 ccm Benzol 
täglich 2—9 Tage lang ein, worauf die Tiere nach längerer oder kürzerer 
Zeit eingingen. Dabei fand er starke Reduction der Leukocytenzahl 
(gelegentlich 700prol emm Blut) vornehmlich bedingt durch Verschwinden 
der polynucleären Leukocyten aus der peripherischen Circulation (ent¬ 
sprechend der prävalierenden Wirkung des Benzols am myeloischen 
Apparat). Der Leukopenie geht oft eine temporäre initiale oder pro¬ 
dromale Hyperleukocytose voraus. 

Wir haben, um das Prinzip der ßenzolwirkung und ihre sonstigen 
toxikologischen Eigenschaften festzustellen, grössere Dosen als Selling 
verabfolgt. Dieser gab 1 ccm pro 1 kg Körpergewicht; wir haben 
ausser solchen kleinen Dosen meist das doppelte und dreifache gegeben. 

Da wir das Benzol nur in Rücksicht auf seine antileukocytäre 
Wirkung studierten, haben wir dem Erythrocyten- und Plättchenbefund 
am Blut nur in qualitativer Hinsicht Aufmerksamkeit geschenkt. Es sei 
vorweg bemerkt, dass wir auffällige Besonderheiten hier weiter nicht 
bemerkten. Es sei denn, dass die Plättchen im Blut persistierten, obwohl 
gelegentlich die Megakaryocyten im Mark völlig geschwunden schienen. 

Auszüge aus den Protokollen einiger besonders histologisch 
instruktiver Versuche. 

Kaninchen igi. Gewicht 1300 g. Blut: normale Verhältnisse mit relativer 
physiologischer Hyperlymphocytose. Leukocytenzahl 13000. 

16. 9. Benzol 1,0 ccm + Oleum olivarum 6,0. 

17. 9. Leichter Grad von Hyperleukocytose (16000) duroh die polynucleären 
Spezialzellen bedingt. Neben den polynucleären Spezialleukocyten finden sich nur 
noch Lympbocyten, Mastzellen und spärliche Reizungszellen. Eosinophile und grosse 
Lympboidzellen fehlen. Benzol 2,5 + Oleum olivarum 4,0. 

18. 9. Deutlicher Leukocytensturz (10000), indes immer noch mit Prävalenz 


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der polynucleären Leukooyten. Hier und da ein paar Reizungszellen, sonst keine 
pathologischen Zellformen. Benzol 2,0 + Oleum olivarum 8,0. 

19. 9. Leukooyten von gleicher Zahl und mikroskopischem Verhalten wie gestern. 
Es prävalieren noch immer die polynucleären Leukooyten. Grosse mononucleäre 
Lymphoidzellen werden nicht beobachtet, desgleichen keine Eosinophile. Benzol 
4,5 + Oleum olivarum 6,0. 

21. 9. Starke Leukopenie (4000). Das Verhältnis der Polynucleären zu den Leu- 
kocyten hat sich umgekehrt. Es werden im mikroskopischen Präparat fast nur noch 
kleine Lymphocyten gefunden. 

22.9. Benzol2,0+Oleum olivarum 6,0. Weitere Abnahme der Leukocyten(2100), 
Neben den immer noch prävalierenden kleinen Lymphocyten werden heute wieder 
einige polynucleär granulierte Leukocyten gefunden. 

Benzol 4,0 + Oleum olivarum 4,0. Exitus nach */ 2 Stunde. 

Bei der Nekropsie erscheint das Knochenmark dunkelrot, die Knochenkapsel 
nicht mehr ganz ausfüllend, aber noch gut konsistent. Die Milz klein und dunkel. 
Leber, Niere, Lunge, Nebenniere ohne äusserliohe Besonderheiten. 

Kaninchen 201 . Gewicht 1920 g. Blut mikroskopisch ohne Besonderheiten. 
Leukocyten (10200). 

28. 9. Benzol 3,0 + Oleum olivarum 6,0. 

29. 9. Deutlicher Leukocytensturz (3900). Starke relative Lymphocytose. Mikro¬ 
skopisch findet man nur noch vereinzelt polynucleäre Granulocyten. Benzol 1,5 
+ Oleum olivarum 6,0. 

30. 9. Vermehrung der Leukocyten gegen gestern (6500). Mikroskopisch finden 
sich wieder stärker polynucleäre Leukocyten neben den Lymphocyten. Auch die 
Mastzellen sind wieder in grösserer Menge vorhanden. Benzol 3,0 + Oleum oli¬ 
varum 6,0. 

1. 10. Erneute Abnahme der Leukooyten (1900). Die Polynucleären haben 
ebenfalls wieder abgenommen. Die Zellzahl ist also auf Kosten der Polynucleären 
vermindert. Mikroskopisch an den Zellen nichts Besonderes. Benzol 2,0 + Oleum 
olivarum 6,0. 

2. 10. Leukocyten (1100). Mikroskopisch finden sich ausserordentlich wenige 
leukocytäre Elemente, dieselben sind ausschliesslich Lymphocyten. Benzol 2,0 +Oleum 
olivarum 8,0. 

3. 10. Das Tier wird getötet. 

Nekropsie: An den Organen äusserlioh, abgesehen von starker Anämie, nichts 
Besonderes, speziell nicht an Leber und Nieren. Die Milz ist wohl entwickelt und 
von normaler Farbe. Das Knochenmark ist nur an den oberen Epiphysen dunkelrot, 
in den Diaphysen aber graurot fetthaltig. 

Das Ergebnis unserer Benzolversuche in bezug auf das Blut steht 
im grossen und ganzen • völlig in Uebereinstiramung mit den Ergebnissen 
von Selling. Es ergibt sich aus unserer Benzolversuchsreihe, dass das 
Benzol schon in Dosen von 4 ccm nicht mehr vertragen wurde, dass es 
in ganz kleinen Dosen (1—2 ccm) bei mittelstarken Tieren eine Hyper- 
leukocytose durch Vermehrung der polynucleären Spezialleukocyten hervor¬ 
rief 1 ), dagegen bei unseren grösseren Dosen (3—4 ccm) eine hochgradige 

1) Und zwar fanden wir diese Hyperleukooytose bei kleinen Dosen stellenweise 
ziemlich anhaltend; erst bei grösseren Dosen erhielten wir Leukopenie. Auch 
Selling hat bei seinen kleinen Dosen Hyperleukooytose beobachtet, aber nur vor¬ 
übergehend als initiale Leukocytose. Sie wurde sehr bald von Leukopenie abgelöst 
und gefolgt. 

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A. Pappenheim, 


leukopenische Verminderung (1190) der Leukocyten mit relativer 
Hyperlymphocytose, d. h. also mit relativer Granuloleukopenie. Die 
kleinen Dosen bewirken also wohl fraglos eine chemotaktische Reizung, die 
grossen eine Abnahme der polynucleären Blutleukocyten. Ob diese auf Zer¬ 
störung der Zellen im Blut, auf Behinderung ihrer Zellbildung, d. h. Zer¬ 
störung dieser Zellen im Knochenmark, oder bloss behindertem Ueber- 
tritt aus dem Knochenmark ins Blut beruht, wird die histologische 
Untersuchung zeigen müssen. Die histologische Untersuchung wird dabei 
auch die relative Lymphocytose zu erklären haben, die bei grösseren 
Dosen wohl nicht einfach durch direkte Reizung der Lymphocyten zu¬ 
stande kommt, sondern, was wahrscheinlicher sein dürfte, nur indirekt 
durch irgendeine abstossende Wirkung auf die Leukocyten. 

Der Unterschied gegenüber Röntgen- und Thoriurastrahlen scheint 
hiernach der zu sein, dass die Lymphocyten sich bei Benzol 
in unseren Versuchen resistenter erwiesen als die Granulocyten 
und nicht aus dem Blut ganz zum Verschwinden gebracht werden konnten, 
vielmehr immer noch persistierten, wenn die Granulocyten schon so gut 
wie völlig verschwunden sind, während sie bei Röntgen- und Thoriumstrahlen 
zuerst weichen. 

Histologische Untersuchung. 

Vorbemerkung. Es konnte selbstverständlich nicht unsere Absicht 
sein, die toxikologische Giftwirkung der in Rede stehenden Stoffe 
histologisch nach allen Richtungen zu verfolgen. Wir haben daher vor¬ 
läufig von dem Bericht über die Ergebnisse der Spezialfärbungen etwa 
in bezug auf Nervenstrangdegenerationen, Verhalten der Gefässelastica, 
Verhalten der Lipoide in Leber und Nebennieren, sowie der Glykogen¬ 
verteilung Abstand genommen und beschränken uns vor der Hand allein 
auf das allgemein histologische Verhalten der Organe. Allein am hämo- 
poetischen Apparat haben wir die für denselben in Betracht kommenden 
spezielleren Färbungen in notwendigen Fällen mit herangezogen. 

Im allgemeinen begnügten wir uns mit allgemeinen histologischen 
Uebersichtspräparatfärbungen, wie sie in ganz vorzüglicher Weise durch 
die neue kombinierte May-Giemsa-Essigsäuremethode zum Ausdruck ge¬ 
bracht werden, welche Methode ganz wundervolle Differenzierungen, ausser 
am hämopoetischen Apparat speziell an Niere und Hypophyse, nächst- 
dem an Leber, Nebenniere, Lunge und, nach Formol-Alkohol-Fixation, 
auch an dem Centralnervensystem ergibt. Sie gibt hier in einfachster 
Wei$e ganz hervorragend schöne Nisslfärbung der Ganglienzellen. Die 
Organe wurden fixiert in dem für diese Zwecke meist vorzüglichen 
Orthschen Gemisch (Müller-Formol), welches besonders für den hämo¬ 
poetischen Apparat völlig ausreichend ist. 

Aus den Ergebnissen Sellings sei kurz rekapituliert, dass dieser 
Forscher in der Milz zwar ein Hervortreten der Keimcentren der 
Malpighischen Körperchen wahrgenomraen haben will, dass er aber in 
der kleinzelligen Zone der Follikel Zeichen des Zellzerfalls, pyknotische 
und karryorrhektische Kerne beobachtet haben will, ähnlich wie wir sie 
beim Thorium fanden. In den Sinus fand er raononucleäre Pigmentzellen, 


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in den Pulpasträngen kleine Lymphocyten, grosse Zellen mit breitem 
Plasma und viel Polynucleäre. 

Im Knochenmark fand er, ganz wie Heineke bei Röntgenstrahlen, 
eine Atrophie des Knochenmarks, und zwar sollen hier die lymphoiden Zellen 
stärker resistent sein als die Granulocyten. Er betont also, dass das myeloide 
Gewebe stärker geschädigt wird als das lymphadenoide,wie ja auch imBlutdio 
Polynucleären stärker von der Reduktion betroffen sind als die Lymphecyten. 

Folgendes sind unsere Befunde speziell hinsichtlich der oben er¬ 
wähnten Tiere: 

Kaninchen 191. Das Knochenmark (der langen Röhrenknochen) zeigt vor 
allem ausserordentlich starke Hyperämie. 

Die Gefässe sind stark erweitert und strotzend mit Blut gefüllt. 

Die normale Fettgewebszeichnung ist verwischt, wenn auch vorhanden und nicht 
durch Hyperplasie des Zellparenchyms verloren gegangen, sondern in einem collabiert 
atrophischen Zustand begriffen. 

Das Knochenmark ist zellarm, indessen nicht in besonders auffallender Weise; 
speziell sind oxyphil- und amphooxyphilgekörnte Zellen und vor allem auch Megakaryo- 
cyten in reichlicher Menge vorhanden. Die lymphoiden Zellen auffallend spärlich 
oder fehlend. 

Die Milz zeigt histologisch keine Besonderheiten, speziell weder Lymphknötchen¬ 
atrophie noch myeloide Pulpametaplasie. Sie ist dagegen strotzend mit Blut gefüllt 
und enthält in ihren Bluträumen zahlreiche pseudoeosinophile Spezial - 
leukocyten. Die Pulpa enthält im übrigen sehr viel Pigment und zeigt Erythro- 
phagenbildung. An den Stellen, wo die Sinus besonders erweitert sind, sieht man 
deutlich einen Uebertritt von kleinen Lymphocyten- und grossen endotheloiden 
Monocyten-Zellformen in das Blut. 

Die Lungen sind stark ödematös mit seröser Flüssigkeit durchtränkt, sonst 
ohne Besonderheiten. 

Die Leber: Es besteht diffuse parenchymatöse Hepatitis mit beginnendem Zerfall 
des Zellprotoplasma. Die Capillaren sind stark erweitert und mit pseudo¬ 
eosinophilen Leukocyten angefüllt. 

Nieren: Das Organ zeigt, besonders in der Rinde, in das Mark hinein verlaufende 
Züge beginnender Nekrobiose. Die Epithelien der Harnkanälchen färben sich hier nur 
noch schwach diffus und rein oxyphil. Die Kerne sind ausserordentlich schwach färb¬ 
bar. Es besteht eine äusserst starke Glomerulitis mit völlig verwischten Konturen der 
Glomeruli, dabei aber Kern- und Blutreichtum der Glomerulusschlingen. Nur hieran 
sind die Glomeruli noch als solche zu erkennen. 

Nebennieren im allgemeinen ohne Besonderheiten. Das Mark ist reich an 
chromaffiner Substanz. 

In Gehirn und Rückenmark zeigen die Ganglienzellen keinerlei besonders 
hervorstechende Abnormitäten; besonders ist die Tigroidsubstanz nach Form und An¬ 
ordnung gut erhalten. 

Also: massige Knochenraarksparenehyraatrophie bei stärkster hyperä- 
mischer Congestion und schwere Nephritis. Während das periphere Blut 
an Leukocyten verarmt ist, findet sich bei diesem Tier eine Ansammlung 
derselben in den inneren Organen. 

Kaninchen 201. Das äusserst zellreiche Knochenmark der langen Röhren¬ 
knochen ist deutlich hypertrophisch, speziell durch Vermehrung der Granulocyten, 
während die lymphoiden Zellen eher vermindert als vermehrt soheinen. Megakaryooyten 
in Menge, keine Fettareolenstruktur. 


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A. Pappenheim, 


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Milz ohne Besonderheiten. Keine Knötchenatrophie, keine myeloide Metaplasie. 
Das Organ ist äusserst blntreich und zeigt in den Bluträumen ausserordentlich zahl¬ 
reiche polynucleäre Granulocyten. 

Darmfollikel (Appendix) ohne Besonderheiten, speziell keine Atrophie. 

Lungen ohne Besonderheiten des Gewebes. Die Bläschen sind allerdings völlig 
mit Blut gefüllt, doch dürfte das von der Art des unnatürlichen Todes des Tieres 
durch Nackenschlag herrühren. 

Leber zeigt ausgedehnte, äusserst starke, herdweis angeordnete degenerative 
Fettmetamorphose des Parenchyms. 

Nieren ohne Besonderheiten. 

Nebennieren ohne Besonderheiten, viel chromaffine Substanz. 

Das histologische Ergebnis unserer angestellten Benzolversuche 
werden wir etwa folgendermassen zusammenfassen können: 

Wir teilen die histologischen Befunde unserer Benzolversuche ein in 
solche am häraopoetischen Apparat (Knochenmark und Milz) und solche 
an den sonstigen drüsigen und parenchymatösen Organen. 

Am hämopoetischen Apparat hatte Selling bei seinen Benzol¬ 
versuchen an den Lymphknoten (ebenso wie Ziegler und Heineke bei 
Röntgenstrahlen) und am Knochenmark (ebenso wie Heineke bei Röntgen¬ 
strahlen) Atrophien festgestellt und zwar am Knochenmark stärker als 
am Lymphfollikelapparat. Hier am Knochenmark will er, ebenso wie wir 
bei Thoriumversuchen, höhere Resistenz der lymphoiden als der granulierten 
Zellen gefunden haben. 

Wir haben beim Benzol, ganz wie Selling, ebenfalls meist eine mehr 
oder minder deutliche Knochenmarksatrophie, wie sie auch das 
Thorium setzt, nur in viel schwächerem Grade gefunden, dagegen in den 
Lymphknoten, abweichend von Selling und ähnlich wie bei Röntgen¬ 
strahlen, einen Zustand von Indifferenz oder schwacher Reizung, jeden¬ 
falls niemals deutliche Atrophie, ja eher hier und da Bilder, die 
für beginnende Hypertrophie sprechen könnten. Dazu kommt, dass wir 
in der Milz Bilder von Uebergang lymphoider Zellen ins Blut, dagegen 
in einzelnen Fällen eine Anschoppung granulierter Blutleuko- 
cyten in Milz und Leber fanden. 

Diese Differenzen zwischen uns und Selling dürfte dadurch bedingt 
sein, dass Selling fortgesetzt kleine Dosen (1—2 ccm), wir kürzere Zeit 
grössere Dosen (3 ccm) verabfolgt haben. 

Das würde zu der von uns gefundenen relativen Lymphocytosc 
ganz gut passen. Die Atrophie des Knochenmarks harmoniert ebenfalls 
mit dem Blutbefund, d. h. dem fast völligen Granulocytcnschwund. 
Es schwinden also die Leukocyten aus dem Blut teils durch An¬ 
sammlung in den inneren Organen, teils durch behinderte Nach¬ 
bildung aus dem Knochenmark. Die Lymphocyten restieren, indem sie 
im Blut selbst nicht über die Norm zerstört werden, vielmehr von der Milz 
und den Lymphknötchen, wenn auch vielleicht nur in geringerem Masse, 
nachgeliefert werden. Wir fanden nämlich an den Lymphknoten ein ähn¬ 
liches, allerdings nicht ganz identisches Bild wie bei der Röntgenisierung, 
am Knochenmark aber prinzipiell gleiche, wenn auch Wesentlich schwächer 
ausgeprägte Bilder von Atrophie wie beim Thorium. Besonders erwiesen 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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sich beim Thorium hier im Knochenmark die lymphoiden Zellen resistenter 
als die Granulocyten, während beim Benzol das umgekehrte der Fall zu 
sein scheint. 

Im ganzen schienen also durch Benzol die Lymphknoten und Milz 
wenig, dagegen das Knochenmark schwerer geschädigt. 

An den sonstigen Organen fanden wir an den Ganglienzellen des 
Centralnervensystems keine besonderen toxischen Störungen der Tigroid- 
anordnung. An den Nebennieren und Lungen auch nicht irgendwie 
Besonderes. Am schwersten und zwar fast konstant verändert waren, 
ähnlich wie bei der Thoriumbestrahlung, als die hierbei empfindlichsten 
Organe, die Leber und besonders die Nieren. Hier fanden wir bei den 
von uns verabfolgten Dosen fast stets schwerere Formen, besonders 
parenchymatöser und glomerulitischer Nephriten; und zwar sind die Nieren¬ 
entzündungen hier beim Benzol viel stärker als bei Thoriumbestrahlung, 
während die Leber sich beim Thorium als das empfindlichere Organ erwies. 

Es ist also Benzol beim normalen Kaninchen jedenfalls ein 
schweres Nierengift in den Dosen, welche grössere Leukopenie 
hervorrufen. 

Nach alledem kann man sagen, dass in der Tat, wie wir in Ueber- 
einstimmung mit Selling fanden, das Benzol besonders electiv das Knochen¬ 
mark schädigt, und dass sich hier das Knochenmark in der Tat in gewisser 
Beziehung ähnlich wie beim Thorium verhält. Das Knochenmark ist bei 
Benzol (nebst Niere und Leber) das empfindlichste und am meisten ge¬ 
schädigte Organ. Die Wirkung am Knochenmark ist indes doch sehr 
viel schwächer als bei Thorium, und während nach unseren Feststellungen 
beim Thorium hier besonders die hochdifferenzierten Granulocyten zuerst 
schwinden und durch das Restieren der Lymphoidzellen eine nachmalige 
Neubildung von Granulocyten möglich bleibt, scheint hier eher eine 
vermehrte Umbildung der Lymphoidzellen zu Granulocyten stattgefunden zu 
haben, insofern als die Lymphoidzellen zuerst verloren gegangen scheinen. 

Die Blutzellen, soweit sie im Blut circulieren, werden hier aber nicht 
so geschädigt wie durch Röntgenstrahlen und Thorium, speziell persistieren 
beim Benzol, ganz im Gegensatz zu den Röntgenstrahlen, die Lympho- 
cyten auffallend viel länger als die Leukocyten (während sie bei Röntgen¬ 
oder Thoriurastrahlen zuerst verschwinden), womit harmoniert, dass wir 
die Milz und ihre Lymphknötchen beim Benzol im ganzen wenig geschädigt 
fanden. Die Granulocyten schwinden aber aus dem peripherischen Blut 
in Fällen von kurze Zeit hindurch verabfolgten grosseu Dosen in erster 
Linie nicht, wie Selling meint, ausschliesslich durch Leukolyse und ver¬ 
ringerte Bildung aus dem Knochenmark, sondern neben der verringerten 
myelogenen Bildung besteht gelegentlich auch eine Ansammlung bzw. 
eine Flucht aus der Peripherie in die parenchymatösen Organe 
hinein, besonders in die Milz und Lebercapillaren mit ihrer verlangsamten 
Circulation. 

Wir haben somit beim Benzol, auch in der stärkst ertragbaren 
Dosis, eine deutliche Wirkung auf die cursierenden Blutzellen selbst 
nicht mit Sicherheit wahrgenommen, fast in allen Fällen aber eine starke 
Nierenentzündung, die bei den grösseren Dosen zu schwersten Ent- 


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A. Pappenheim, 


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Zündungen und Schädigungen des Organs führen kann. (Beim Thorium 
finden wir die Leber empfindlicher als die Nieren.) 

Unsere Feststellungen bringen also als neu die leichte Vulnerabilität 
der Nieren gegenüber diesem Gift. Sie weichen von den Ergebnissen und 
Deutungen Sellings darin ab, dass wir bei unseren zwar kürzer fort¬ 
gesetzten, aber mit grösseren Dosen angestellten Versuchen keine so 
hochgradige Atrophie des Knochenmarks, und eine greifbarere Atrophie 
des Lymphadenoidgewebes meist überhaupt gar nicht feststellen konnten, 
dass die Atrophie des Knochenmarks wesentlich auf einem Schwund der 
lymphoiden Markzellen beruhte, die Granulocyten aber nur quantitativ 
vermindert erschienen; dass schliesslich die absolute und relative Leuko¬ 
penie des peripheren Blutes hier und da zum Teil wenigstens mitbedingt 
wird durch eine blosse Ansammlung der Leukocyten zentral in den 
parenchymatösen Organen, besonders der Leber und Niere. 

Es mögen jetzt noch kurz einige Versuchsprotokolle einer Reihe 
von Tierversuchen folgen, die später mit Kaninchen einer angeblich 
besonders widerstandsfähigen russischen Rasse vorgenomraen wurden, 
um die Vergiftung eventuell längere Zeit hindurch aufrecht erhalten und 
durchführen zu können, und bei denen das Blut nur mikroskopisch, 
nicht durch Zählung geprüft worden war. Auch hier war durchweg ein 
rapider Leukocytensturz und eine starke Verarmung, wenn auch nicht 
totale Verödung des Blutes an Leukocyten feststellbar gewesen. Aber 
auch wo die polynucleären Spezialzellen vielfach ganz geschwunden 
schienen, persistierten immer noch einige lyraphocytäre und besonders 
einige grosse unreife lymphoide Elemente. 

Benzoltiere. 

Kaninchen 266 . Gewicht 970 g. 

Am 15. 11. subcutane Injektion von Benzol 3,0 ccm, Oleum olivarum 6,0 ccm. 

16. 11 . dasselbe. 

18. 11 . dasselbe. 

19. 11. Exitus letalis. Das Tier war unter der Behandlung ausserordentlich ab¬ 
gemagert und hatte vom zweiten Tage an fast gar nichts mehr gefressen. Bei der 
Nekropsie erscheint die Milz ausserordentlich klein und schwärzlich, das Knochen¬ 
mark sehr rot, Leber und Niere ohne Besonderheiten. 

Histologische Untersuchung. 

Knochenmark: erscheint total atrophisch, wie ausgepinselt, nur noch 
aus dem Reticulum und starkem Blutgehalt bestehend. Parenchymzellen sind 
völlig geschwunden. 

Milz: erscheint wie ausgepinselt; besteht nur noch aus Reticulum und Reticum- 
zellen; die Parenchymzellen fehlen in Pulpa und Follikeln. 

Niere: es besteht starke parenchymatöse Schädigung, stellenweise bis zur 
Nekrobiose, daneben Glomerulitis (Kernreichtum und Hyperämie der Glomerulus- 
schlingen) nebst Exsudat im Kapselraum. Keine Blutungen. 

Leber: zeigt partielle strich förmige Nekrosen, schwere parenchymatöse 
Schädigung. An manchen Partien erscheinen die Leberzellkerne ganz klein, ver¬ 
klumpt und pyknotisch, während das Zellprotoplasma ungefärbt ist. 

Kaninchen 296 . Gewicht 2070 g. 

Am 15. 11. Benzol 3,5, Oleum olivarum 6,0 subcutan. 


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Am 16. 11. Benzol 3,5, Oleum olivarum 6,0 subcutan. 

Am 18. 11. dasselbe. 

Am 21.11. dasselbe. 

Am 23.11. dasselbe. Gewicht an diesem Tage 1400 g. 

Am 24. 11. Exitus. 

Histologische Untersuchung. 

Knochenmark: zeigt neben ausserordentlich starker GefasserWeiterung und 
Anschoppung ausgesprochene Parenchymatrophie. Man sieht fast nur noch 
stromatische Elemente. 

Milz: zeigt eine massige Verkleinerung der Follikel, aber sonst keine wesent¬ 
lich auffälligen Besonderheiten. 

Nebennieren: ohne Besonderheiten. 

Niere: starke Parenchymschädigung mitOedem des gesamten Gewebes. Cylinder 
nicht wahrnehmbar. 

Leber: Capillaren und grössere Gefässe nioht wesentlich erweitert, es finden 
sich kleinste circumscripte nekrotisoho Partien. 

Kaninchen, Kopf blau. Gewicht 1130 g. 

21. 11. Benzol 2,0, Oleum olivarum 8,0. 

23. 11. Benzol 2,5, Oleum olivarum 8,0. 

25. 11. Benzol 2,5, Oleum olivarum 7,0. 

29. 11. Benzol 2,5, Oleum olivarum 7,0. 

2. 12. Benzol 2,0, Oleum olivarum 8,0. 

3. 12. Exitus. 

Histologische Untersuchung. 

Knochenmark: es besteht hei starkem Blutgehalt, Erweiterung und Anschop¬ 
pung der Gefässe eine starke Parenohymatrophie. Die Granulocyten erscheinen 
fast völlig geschwunden, neben den stromatischen Zellen finden sich nur noch einzelne 
lymphoide Elemente. 

Milz: Follikel anscheinend verkleinert, aber nioht übermässig atrophisch. Pulpa 
mit einer grossen Menge phagocytierender Sinusendothelien durchsetzt. 

Nieren: das Gewebe erscheint stark ödematös geschwollen und von herab¬ 
gesetzter Färbbarkeit des Kanälohenepithels. 

Leber: zeigt zahlreiche und in diesem Falle auffallenderweise centrale 
N ekrosen. 

Blinddarmappendix: enthält Coccidien, sonst ohne Besonderheiten. 

Zusammenfassendes Ergebnis. 

Bei diesen Versuchen mit Tieren einer besonderen Rasse ergab sich 
in der Tat als constantes Ergebnis in einzelnen Fällen der Benzol- 
Vergiftung analog den Feststellungen Sellings eine schwere fast 
absolute Atrophie des rayeloiden Knochenparenchyms mit einer 
sehr hochgradigen, wenn auch nicht absoluten und totalen Blutleuko¬ 
penie; die Schädigung des lymphatischen Parenchyms, besonders in der 
Milz, ist auch hier im ganzen gering, jedenfalls bedeutend geringfügiger, 
als beim Mark, immerhin stellenweise etwas grösser als bei den früheren 
Kaninchen. Die schwere Knochenmarksschädigung ist aber auch hier in 
allen Fällen verbunden und sozusagen erkauft mit starker Reizung und 
zum Teil nekrotischer Alteration des Nierenparenchyms und 
nekrotischen Degenerationen der Leber. 


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A. Pappenheim, 


Vergleich der Ergebnisse mit strahlender Energie und Benzol. 

Am Blut fand nach Röntgenisierung Heineke eine Leukopenie 
bis tausend durch völliges elektives Verschwinden allein der Lymphocyten. 

Ziegler Leukopenie nicht unter 2400, ebenfalls nur durch die Ab¬ 
nahme der Lymphocyten bis zu einem Prozentverhältnis von 1,4 pCt. 

Bei Benzol fand Selling am Blut Leukopenie bis 700 Zellen 
durch Abnahme der verschiedenen Granulocyten und Monocyten. Er 
findet Lymphocytenzahlen von 32—86 pCt. 

Was die Veränderungen am hämopoetischcn Apparat betrifft, so 
finden Ziegler und Heineke bei Röntgenstrahlen am Lymphade- 
noidgewebe eine Atrophie; am Myeloidgewebe findet Heineke eben¬ 
falls Atrophie, Ziegler umgekehrt einen Reizungszustand. 

Bei Benzol fand Selling eine Atrophie an Knochenmark und 
Lymphadenoidgewebe, die aber am Lymphadenoidgewebe stärker 
ist. Er findet an den Lymphknötchen Pyknose und Kernzerfall, am 
Knochenmark völligste Aplasie. Neben fixen Elementen finden sich hier 
nur ooch Lymphocyten und polyblastische Lymphoidzellen; diese sind 
am aller resistentesten und bleiben noch vorhanden, wenn alle anderen 
Knochenraarkselementc bereits verschwunden sind. 

Wir sehen hieraus, dass nach Angaben der Autoren und im Gegen¬ 
satz zu den Ausführungen von Selling keineswegs eine völlige Analogie 
und Gleichartigkeit der Wirkungen der Röntgenstrahlen und des Benzols 
besteht. Nach Röntgenstrahlen schwinden nach übereinstimmender 
Meinung der Autoren aus dem Blut die Lymphocyten, nach Benzol 
persistieren am längsten die Lymphocyten. Nach Röntgcnstrah- 
len scheint eine Atrophie des Lymphadenoidgewebes, jedenfalls 
kein Reizzustand (Heineke, Ziegler), das konstante zu sein, verbunden 
anscheinend mit einer direkten oder indirekten Reizwirkung auf das 
Knochenmark (Ziegler); nach Benzol besteht fraglos eine Atrophie 
des Knochenmarks. 

Das histologische Verhalten der Gewebe würde hiernach auch ganz 
gut den Blutbefund erklären: bei Röntgenstrahlen Lymphopenie, 
bei Benzol Leukopenie und relative Lymphocytose. 

Gegenüber diesen bei allen Autoren konstanten Feststellungen dürften 
die von Heineke beobachtete Atrophie des Marks nach Röntgenstrahlen 
und die von Selling beobachtete Atrophie der Lymphknötchen bei 
Benzol von untergeordneter Bedeutung und durch Besonderheiten der 
Einzelfälle zu erklären sein. 

Gegenüber den mitgeteilten Befunden der Autoren fanden nur wir 
(Pappenheim) bei Thorium absolute Lympho - und Leukopenie mit voll¬ 
ständiger Verödung des Knochenmarks bis auf spärliche lymphoide 
Zellreste. Atrophie massigen Grades der Lymphknötchen verbunden 
mit Pyknose und Karryorrhexis und bindegewebiger Zellumwandlung im 
Keimcentrum und in den interfolliculären Strängen; hochgradigen Zell¬ 
schwund der Milzzellen in Pulpa und Follikel. 

Bei Röntgenstrahlen im Blut keine völlige Zellentvölkerung, viel¬ 
mehr Zahlen, die etwa den von Ziegler gefundenen entsprechen, also 
eine immerhin ziemlich beträchtliche Leukocytenabnahme, die fast allein 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


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auf Konto der Lymphocyten zu setzen ist, die stellenweise völlig aus 
dem Blut verschwunden sind. Am hämopoetischen Gewebe fanden 
wir keine irgendwie beträchtliche Atrophie der Follikel, dagegen einen 
gewissen Reizzustand am Knochenmark. 

Unser röntgenologischer Blutbefund stimmt also überein mit 
Ziegler, desgleichen unser Knochenmarksbefund. Heineke hat 
demgegenüber stärkere Zellabnahme im Blut und Zellabnahme auch am 
Knochenmark beobachtet. 

Bei Benzol fanden wir am Blut eine Zellabnahme bis auf 1000, 
verbunden mit relativer Lymphocytose, gelegentlich mit bedingt durch 
centrale Granulocytenansammlung. 

Am hämopoetischen Apparat keine besonders auffällige Milz- und 
Lymphknötchenatrophie, im Gegenteil hier eher öfters einen gewissen 
funktionellen Reizzustand; im Knochenmark dagegen stets eine mehr 
oder minder deutliche Atrophie, keineswegs stets so hochgradig wie beim 
Thorium und im Gegensatz zum Thorium und, abweichend von Seil in gs 
Angaben, vielfach mit einem Schwund der myeloiden Lymphoid- 
zellcn und einer Persistenz der Granulocyten einhergehend. 

Also im Blutbefund der Benzolvergiftung stimmen wir mit 
Selling ziemlich überein, in bezug auf das hämopoetische Gewebe 
weichen wir insofern ab, als wir nicht lymphadenoide Knötchenatrophie 
fanden, sondern eher einen gewissen Grad von Hypertrophie der klein¬ 
zelligen Rundzellzone. 

In der Milzpulpa war der Befund bei Röntgenstrahlen, Thorium 
und Benzol der gleiche; das atrophische Organ zeigt starke Pigment¬ 
bildung und Pigmentzellenanhäufung besonders in den Sinus. 

Während wir indes bei den Röntgenstrahlen dazu kamen, eine 
lympholytische Wirkung jedenfalls auch auf das Blut als nicht un¬ 
möglich erörtern zu müssen, wird nach unseren Versuchen beim Benzol 
die absolute und relative Leukopenie erklärt durch die Atrophie des 
Knochenmarks und stellenweise durch die Ansammlung von Leuko- 
cyten in den inneren Organen; die relative Lymphocytose ausserdem noch 
durch Neubildung in den lymphatischen Lymphknötchen. Während beim 
Thorium an sonstigen parenchymatösen Organen vor allem die Leber 
an erster Stelle geschädigt war, erwies sich hier beim Benzol die Niere 
als das empfindlichste und vulnerabelste Organ. 




R Ö D t 

;gen 

Thorium 



Ben 

z o 1 


Milz 

Mark 

Blut 

Milz 

Mark 

Blut 

Milz 

Mark 

Blut 

Selling . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Atro¬ 

phie 

Atro¬ 

phie 

Lymphopenie 

Heineke. 

Atro¬ 

phie 

Atro¬ 

phie 

Absolute und 
relative Lym- 
phopenie 







Ziegler . 

I'appen- 

Atro¬ 

phie 

Reiz¬ 

mark 

Relative Lym- 
phopenie und 
Leukocytose 


1 



i 


heira . . 

Normal 

Reiz¬ 

mark 

Absolute und 
relative 
Lymphopenie 

StarkcLymph- 
knöteben und 
Pulpaatrophie 

Hochgradigste 
Par euch ym- 
atrophie 

Absol. 
Leuko- 
1 penie 

Normal 

Atro¬ 

phie 

Absol. Leuko¬ 
penie u. relat. 
Lymphocytose 


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A. Pappenheim, 


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Der Unterschied zwischen Benzol- und Röntgen Wirkung ist also nach 
unseren Versuchen: bei Röntgenstrahlen Reizmark und absolute Leuko- 
penio (also relative Neutrocytose); bei Benzol Markatrophie mit absoluter 
Leukopenie plus relativer Lymphocytose (also relative Neutropenie). 

D. Benzinversuche. 

Auszug aus einigen Protokollen. 

Wirkung anf das Blut. 

Kaninchen 186 . Gewicht 1400 g. Bl nt: normale Verhältnisse. Leukocyten- 
zahl (9800). 

15.9. 2,0 ccm Benzin+ 6,0 ccm Oleum. 

16.9. Leukocytenzahl (7600). Es besteht relative Lymphooytose von 75pCt. 
Die vorhandenen Granulocyten, Spezialzellen und Mastzellen von normalem Aspekt. 
Benzin 2,0 ccm + Oleum olivarum 6,0 ccm. 

17. 9. Leukocytenzahl (5100). Im Blut keine Mastzellen und Eosinophilie. Die 
Lymphocyten prävalieren ausserordentlich stark. Die spärlichen Granulocyten, die 
man findet, sind mikroskopisch ohne Besonderheiten. Benzin 2,0 ccm + Oleum oli¬ 
varum 6,0 ccm. 

18. 9. Keine Untersuchung. Keine Einspritzung. 

19. 9. Leukocytenzahl (3800). Starke Prävalenz der Lymphocyten. Die ver¬ 
einzelten Granulocyten, die man findet, sind heute unreife Jugendformen mit einfacher 
gestaltetem plumpem Myelocytenkem und basophilem, sehr spärlich granuliertem Proto¬ 
plasma. Benzin 3,0 com + Oleum olivarum 5,0 ccm. 

21. 9. Leukocytenzahl (2700). Im mikroskopischen Präparat finden sich heute 
eigentlich nur noch Lymphocyten, ein einziger Promyelocyt wird gefunden. 

22. 9. Benzin 4,0 ccm + Oleum olivarum 4,0 ccm. 

23. 9. Starke Leukopenie (1800). Mikroskopisch finden sich im Blut überhaupt 
nur noch spärliohe Lymphocyten. Benzin 6,0 ccm + Oleum olivarum 4,0 ccm. 

24. 9. Zählung ergibt 850 Leukocyten. Mikroskopisch finden stoh in 4 Präparaten 
6 Lymphocyten. Benzin 8,0 ccm + Oleum olivarum 10,0 ccm. 

25. 9. Das Tier ist über Nacht gestorben. 

Nekropsie: Knochenmark dunkelrot. Milz klein und schwärzlich. Nieren stark 
blutreich. Leber stark fettig. 

Kaninchen 223 . Gewicht 1500 g, Blut zeigt normale Verhältnisse. Leuko¬ 
cytenzahl (11000). 

25. 9. Benzin 5,0 ccm + Oleum olivarum 5,0 ccm. 

26. 9. Leukocytensturz auf 5000. Relative Lymphocytose von 90 pCt. Benzin 
6,0 ccm + Oleum olivarum 6,0 ccm. 

28. 9. Leukocyten (1900). Im Blut finden sich jetzt nur noch Lymphocyten, 
keine Mastzellen, keine Eosinophile, keine mononucleäre. Benzin 4,0 ccm + Oleum 
olivarum 6,0 ccm. 

29. 9. Leukocyten 1200. Das Blut besteht überwiegend aus kleinen Lympho¬ 
cyten. Die spärlichen Granulocyten, die man findet, sind unreife Vorstufen mit spär¬ 
licher unreifer Körnung und basophilem Plasma. Benzin 2,0 ccm + Oleum olivarum 
8,0 ccm. Leukocytenzahl (1400). Die Jugendformen der Spezialleukocyten haben 
etwas an Zahl zugenommen. 

30. 9. Benzin 3,0 ccm + Oleum olivarum 6,0 ccm. 

1. 10. Das Tier, das trotz der mittelgrossen Benzindosen bei gutem Befinden und 
Fresslust ist, wird getötet. 

Die Nekropsie ergibt makroskopisch an den Organen (Lunge, Leber, Nieren, 
Nebenniere) äusserlich nichts Abnormes, speziell nicht an Leber und Nieren. Milz 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 


77 


ist wohl entwickelt von normal roter Farbe. Knochenmark ist nur an den oberen 
Epiphysen gerötet. 

Kaninchen 225 . Gewicht 1760 g. Leukocytenzahl (11900). 

28. 9. Benzin 4,0 ccm + Oleum olivarum 6,0 ccm. 

29.9. Leukocytenzahl (5900). Lymphocyten 95 pCt. 5 pCt. Granulocyten, meist 
im unreifen Zustand. Benzin 6,0 ccm + Oleum olivarum 4,0 ccm. 

30. 9. Dasselbe leukocytäre Blutbild. Benzin 8,0 ccm + Oleum olivarum 6,0 ccm. 
In der Nacht Exitus. 

Nekropsie: Die Nieren ziemlich blutreich, an Nebennieren und Lungen makro¬ 
skopisch nichts Besonderes. Die Leber sieht stark verfettet und anämisch aus. 

Unsere Benzinversuche zeigen, dass dieser Stoff von gleich grossen 
Kaninchen relativ besser vertragen wird als Benzol, dass dagegen schon 
kleine Dosen dieses chemisch total differenten Stoffes ebenfalls eine 
Leukopenie mit relativer Lymphocytose, also denselben Blutbefund 
hervorrufen, den wir beim Benzol, aber erst bei relativ 
grösseren eingreifenderen Dosen gefunden hatten, dass wir da¬ 
gegen eine Reizungshypcrleukocytose in kleinen Dosen nicht hervor¬ 
gerufen haben. Man könnte hieraus die Schlussfolgerung ziehen, dass 
das Benzin ein Stoff wäre, der weniger heftige allgemein neurotoxische 
Wirkung .hervorruft als das Benzol, dagegen schon in kleineren harm¬ 
loseren Dosen die gleiche spezifische und kräftige Wirkung auf die Zu¬ 
sammensetzung des Blutes ausübt, die das gefährlichere Benzol erst in 
Dosen hervorruft, die der Dosis letalis schon sehr nahe liegen. Anderer¬ 
seits scheint es, als ob die spezifische Wirkung dieser beiden Stoffe auf 
die Leukocyten und den leukocytoblastischen Apparat weniger von der 
chemischen Konstitution, die doch ganz verschieden ist, als von dem 
physikalisch-lipolytischen Charakter abhängt. Ob und bis zu welchem 
Grade diese aprioristische Ansicht begründet ist, kann sich aber erst aus 
der histologischen Betrachtung der Organe ergeben, zu der wir jetzt 
übergehen wollen. 

Histologische Untersuchung. 

Die Wirkung auf die Organe. 

Kaninchen 186 . Das Knochenmark der langen Röhrenknochen ist ausser 
ordentlich blutreich, die Gefässe prall gefüllt, keine freien Blutungen im Gewebe. 
Das Knochenmark ist ausserordentlich zellarm, ohne dass das qualitative Gewebsbild 
wesentlich verändert wäre. Speziell sind Granulocyten reichlich vorhanden, dagegen 
sind die Megakaryocyten ausserordentlich spärlich und geschrumpft, die lymphoiden 
Zellen fast völlig geschwunden. 

Milz: am histologischen Bild, speziell an den Follikeln nichts Abnormes, ins¬ 
besondere keine Atrophie. Das Organ ist ausserordentlich blutreich und die Pulpa 
reich an Pigment. 

Lungen: ohne Besonderheiten. 

Leber: zeigt kleinzellige Infiltration geringen Grades des perilobulären 
Bindegewebes in den Gefässscheiden. Etwas centrale Stauung mit ziemlich viel Zell¬ 
pigment. 

Nieren: mässiger Blutreichtum. Der Bowmansche Kapselraum ist meist 
völlig verstrichen, hier und da im Kapselraum etwas zellfreies Exsudat. Die 
Glomemli ziemlich zellreich, ln den graden Harnkanälchen des Marks finden sich 


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78 A. Pappenheim, 

abgeschilferte Epithelien, in den gewundenen hyaline Cylinder. Sonst wohlerhaltene 
Gewebszeichnung. 

Nebenniere: ohne Besonderheiten. Chromaffine Substanz nicht mehr vor¬ 
handen. 

Gehirn und Rückenmark ohne Besonderheiten. 

Es findet sich also neben recht erheblich starker Knochenmarks¬ 
atrophie eine im Verhältnis zu Benzol massige Leber- und Nierenreizung. 

Kaninchen 223 . Knochenmark: es besteht im Centrum des Diaphysen- 
marks ein geringer Grad deutlicher Atrophie. 

Milz: ohne jede Besonderheit. 

Darmfollikel des Appendix: ohne jede Besonderheit, speziell Atrophie. 

Lungen: intakt. 

Leber: normal, aber mit granulocytärer Anschoppung in den Ge- 
fässen. 

Niere: geringer Grad von Rarefication des Epithelzellparenchyms. 

Nebenniere: ohne Besonderheiten. 

Kaninchen 225 . Knochenmark: dasselbe ist ausserordentlich zellreich 
und zeigt ausgesprochene deutliche und starke Hyperplasie mit viel Megakaryocyten. 
Im Diaphysenmark keine Fetträume mehr vorhanden. 

Milz: es besteht deutliche Lymphknötchenatrophie geringen Grades. Die Knöt¬ 
chen sind nicht so sehr zellarm als an Zahl gering. Die Pulpa ist deutlich hyper¬ 
plastisch, ausserordentlich blutreich und in beginnender, aber klar erkennbarer 
myeloider Metaplasie befindlich. In den Sinus zahlreiche endotheloide Phagocyten. 
Dicht unter- und innerhalb der stark infiltrierten Kapsel finden sich kleinere Stellen 
mit karyorrhektischem Kernzerfall. 

Lymphknoten: es besteht deutliche Atrophie der Knötchen. Interfolliculär 
und in der Gegend der Keimcentren besteht starke Bildung von endotheloiden makro- 
phagischen, meistenteils pigmenthaltigen, vielfach stark vacuolisierten Sinusendo- 
thelien. Auch hier besteht deutlicher Kernzerfall. 

Leber: ohne stärkere parenchymatöse Störung. Zellen mit starker Fett¬ 
infiltration. In den Capillaren, die weder besonders erweitert, noch abnorm 
blutreich sind, finden sich zahlreiche Granulocyten. 

Niere: ohne schweren Reizzustand. In don gradon Kanälchen etwas hyaliner 
Inhalt, in den Capillaren viel Granulocyten. 

Nebennieren: ohne Besonderheiten. 

Wir finden also auch hier bei den Benzintieren, und zwar öfter als 
bei den Benzoltieren eine Anschoppung von Granulocyten, besonders in 
der Leber, ferner einen stets leichteren, aber immerhin doch vorhandenen 
Reizzustand der Nieren. 

Sehr auffällig ist besonders in dem letzt geschilderten Fall das 
Verhalten des hämopoetischen Apparates. Hier haben wir, ganz 
so wie Selling cs beim Benzol beschreibt, eine deutliche, wenn auch 
nicht hochgradige Atrophie der Lymphknötchen. Während aber Selling 
beim Benzol daneben auch Atrophie des Knochenmarks fand, haben wir 
gerade in diesem Fall keine solche, sondern im Gegenteil eine geringe 
Hyperplasie. Wo wir sonst Knochenmarksatrophie hatten, da fehlte uns die 
Lymphknötchenatrophie; hier, wo sie vorhanden ist, besteht umgekehrt 
Knochenmarkshyperplasie, und es ist so die Hyperplasie des Knochen- 


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Experimentelle Beiträge zur neueren Leukämietherapie. 79 

marks mit einer geringen generellen Atrophie lymphatischen Gewebes 
verknüpft. 

Es ist schwer, diesen hyperplastischen Zustand zu erklären. Ist er 
die Folge der Atrophie im Sinne Zieglers oder ist die Atrophie der 
Lymphknötchen die Folge der myeloiden Hyperplasie im Sinne von 
Meyer-Heineke? Vielleicht handelt es sich auch hier infolge der 
kurzen Dauer der Versuche nur um einen initialen Zustand, wie derartiges 
auch Selling andeutungsweise bei seinen Benzolversuchen beschreibt. 

Auffallend ist indes, dass dieser myeloiden Hyperplasie hier keine 
Hyperleukocytose des Blutes entspricht, wie Selling sie stets im Beginn 
seiner Benzol versuche mit kleinen Dosen beobachtet haben will; vielmehr 
fanden wir auch hier Leukopenie, und zwar fast stets mit Zellanschoppung 
der Capillaren in der Leber und Niere. Eine Hyperleukocytose haben wir 
nur bei sehr kleinen Dosen des Benzols gesehen, die aber bei grösseren 
Dosen bald einer Leukopenie wich und dann auch mit Knochenmarks¬ 
atrophie einherging. In unserem Benzinfällen, wo wir alsbald grosse 
Dosen verabfolgten, ist das Fehlen einer Hyperleukocytose und das 
Auftreten von Leukopenie verständlich; und wenn diese Leukopenie, 
zum Teil wenigstens, nur durch blosse Zellconcentration in inneren Organen 
vorgetäuscht wurde, also gar kein Substrat im Knochenmark zu haben 
brauchte, so ist es verständlich, dass bei einem Versuch von nur kurzer 
Dauer, der infolge der grossen Dosen sehr rasch durch den Tod beendet 
wurde, als erster Ausdruck einer initialen Reizung myeloide Milzmeta¬ 
plasie und Knochenmarkshyperplasie gefunden wird. 

Es erweist sich also auch hier beim Benzin das Myeloidgewebe als 
das empfindlichste und zuerst reagierende hämopoetische Substrat; sie 
zieht ihrerseits dio lymphatische Atrophie nach sich. Im Blut kommt 
es peripherisch zur Neutropenie, infolge Zellansamralung der Spezialzellen 
in den inneren Organen, und zur Testierenden peripherischen relativen 
Lymphocytose. 

Russische Kaninchen. 

Kaninchen 245 . Gewicht 1000 g. 

Am 15. 11. subcutane Injection von Benzin 6.0 -f- Oleum olivarum 4,0. 

16. 11. Benzin 5,0, Oleum olivarum 5,0. 

18. 11. Benzin 6,0, Oleum olivarum 4,0. 

19. 11. Exitus. Bei der Autopsie fällt besonders das ausserordentlich rote 
Knochenmark auf. 

Histologische Untersuchung. 

Knochenmark: das Parenchym erscheint deutlich in beginnender Hyper¬ 
plasie begriffen; das Fettgewebe ist äusserst zellreich, und die Fettareolen sind 
verschwunden. 

Milz: das Organ ist ausserordentlich dünn und atrophisch, die Follikel er¬ 
scheinen atrophisch^ die Pulpa zellarm mit starker Bindegewebsvermehrung und zahl¬ 
reichen Granulocyten. 

Niere: das Gewebe ist stark ödematös und zeigt eine ausgesprochene par¬ 
enchymatöse Epithelschädigung (Quellung, schlechte Färbbarkeit). Die Glomeruli 
heben sich kaum von der Umgebung ab. 

Leber: die stark erweiterten Capillaren erscheinen angefüllt mit poly- 
nucleären Spezialleukocyten, sonst keine pathologische Gewebsveränderung. 


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A. Pappenheim, 


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Kaninchen 228 . Gewicht 1050 g. 

Am 15. 11. subcutane Injektion von Benzin 6,0, Oleum olivarum 4,0. 

16. 11. Benzin 5,0, Oleum olivarum 5,0. 

18. 11. Benzin 5,0, Oleum olivarum 4,0. 

20. 11. Exitus. 

Histologische Untersuchung. 

Knochenmark: das makroskopisch äusserst rote lymphoide Mark erscheint 
mikroskopisch ausserordentlich blutreich, seine areoläre Structur verwisoht. Es be¬ 
steht deutlich beginnende Gewebshyperplasie mit Vermehrung der gekörnten 
Elemente. Megakaryocyten werden nur spärlich gefunden. 

Milz: die Milz ist ausserordentlich lang und dünn, die Follikel sind zum Teil 
keimcentrumhaltig; die Pulpa ist in myeloider Metaplasie begriffen und zeigt zahl¬ 
reiche Plasmazellen. 

Niere: die normale Gewebsstructur ist durch stärkstes Oedem völlig verwischt 
und verquollen; die Glomeruli heben sich von der Umgebung kaum ab; die Lumina 
der Harnkanälchen sind fast völlig verstrichen, doch finden sich weder Cylinder nooh 
Blutinhalt im Innern. 

Leber: Centralgefäss und Capillaren erweitert und strotzend mit Blut gefüllt, 
in den erweiterten Capillaren finden sich zahlreiche polynucleäre Spezialleukocyten. 

Nebennieren: ohne gröbere Besonderheiten. 

Kaninchen (hinten blau). 

21. 11. Benzin 5,0, Oleum olivarum 5,0. 

23. 11 . dasselbe. 

25. 11. Benzin 6,0, Oleum olivarum 4,0. 

29. 11. Benzin 5,0, Oleum olivarum 5,0. 

2 . 12 . dasselbe. 

4. 12. dasselbe. 

5. 12. Das Tier ist äusserst decrepide. Es besteht ein starkes Hautemphysem 
in der Gegend der Injektionsstelle im Nacken, welches bei Druck knistert. Beim 
Einschnitt entleeren sich Benzingase. Im Blut fehlen polynucleäre Granulocyten 
völlig, dagegen finden sich nooh ziemlich reichlich Lymphocyten und grosse Lym- 
phoidzellen. 

6 . 12. Exitus. 

Histologische Untersuchung. 

Knoohenmark: die Gefässe sind stark erweitert und blutreich; das Gewebe 
zeigt bei erhaltener areolärer Structur eine Atrophie und Zellarmut massigen Grades. 

Blinddarm: ohne Besonderheiten, speziell sind die Lymphknötchen nicht 
atrophisch. 

Leber: die Gefässe stark erweitert und mit Blut gefüllt. In den er¬ 
weiterten Capillaren finden sich polynucleäre Leukocyten, wenn 
auch nicht allzu zahlreich. In den grossen Gefässquerschnitten sieht man auch 
lymphoide Blutzellen. 

Niere: auch hier ein deutlich vorhandener Grad von parenchymloser Epithelzell¬ 
schmelzung. 

Auch bei diesen Benzinversuchen findet sich also eine starke Leuko- 
cytenverarraung des Blutes, doch erstreckt sich diese wesentlich nur auf 
die polynucleären Spezialleukocyten. Auch hier ist eine elective Ein¬ 
wirkung auf das Knochenmark unverkennbar, doch ist dieselbe 
graduell weitaus geringer als beim Benzol und stellt sich meist 
nur in Form eines Reizzustandes dar. Eine hochgradigere 


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Atrophie des Knochenmarks irgendwie nennenswerten Grades wie beim 
Benzol warde in dieser Versuchsreihe, selbst bei den ziemlich hoch¬ 
gewählten Dosen, nicht erzielt, meistens bestand vielmehr ein Reiz¬ 
zustand mit beginnender Hyperplasie. Dagegen erschien die Milzpulpa 
nicht stark affiziert. 

Die Leukopenie des peripheren Blutes stellte sich hier fast stets 
als eine vorgetäuschte Fseudoleukopenie heraus, insofern als die 
Lebercapillaren bei ihrer verlangsamten Circulation mit polynucleären 
Leukocyten angeschoppt erschienen. Die Blutlymphocyten und der 
lymphatische Apparat zeigten keine Beeinträchtigung, der letztere sogar 
gelegentlich eine Art von Reizungszustand. Das Leberparenchym war 
niemals geschädigt, wohl aber constant die Niere. Während diese aber 
bei Benzol mehr strichweise beginnende Nekrosen zeigten, fand sich 
hier beim Benzin, besonders bei Verabfolgung grosser Dosen, fast constant 
ein ausserordentlich starkes Gewebsödem. 

Znsammenfassendes über das Benzin und Vergleich der Benzol- 

und Benzinversuche. 

1. Wir finden, dass auch das Benzin nicht ganz gleichgültig für die 
Nieren ist, dass Nieren und Leber aber viel weniger geschädigt 
werden als bei Benzol; 

2. dass der hämopoetische Apparat, speziell das Knochenmark, 
prinzipiell anscheinend in gleicher und in gleich elektiver Weise 
wie bei Benzol affiziert wird, und zwar schon bei relativ 
schwachen Dosen. Der erreichte Grad der Affektion ist aber 
bei weitem geringer als beim Benzol. Bei relativ zu geringen 
Dosen wird stets nur Reizmark erzielt. 

Wir fanden also, dass Benzin scheinbar prinzipiell gleichartig wie 
Benzol auf das Blut, sowie gewisse parenchymatöse (Nieren) und hämo¬ 
poetische Apparate (Knochenmark) wirkt, indes ist die Schädigung am 
Knochenmark hier weniger schwer und eingreifend als beim Benzol, 
desgleichen an den Nieren zwar extensiver aber essentiell weniger ein¬ 
greifend. Im Blut herrscht ebenfalls Leukopenie mit relativer Lympho- 
cytose, am Knochenmark aber fast kaum jemals schwerere Atrophie, an 
den Nieren leichter Grad parenchymatöser Reizung. Die Leukopenie des 
Blutes ist hier beim Benzin fast meistens eine bloss regionäre Pseudo- 
Leukopenie. 

Es scheint daher, bei prinzipieller Gleichartigkeit der Wirkung, das 
Benzin selbst von grösseren Dosen wesentlich nur eine Reizwirkung zu er¬ 
zeugen und daher nur in gewisser Hinsicht (vielleicht für pernieiöse 
Anämie) gewisse Vorzüge zu haben. 

E. Einiges über die Combination von Benzin und Benzol. 

Es sollte versucht werden, ob die relativ harmlose Wirkung kleiner 
Benzoldosen durch kleine Benzindosen in geeigneter und besonders erfolg¬ 
reicher Weise zu der Höhe grosser wirksamer, allein aber gefährlicher Benzol¬ 
dosen ohne die unerwünschte Nebenwirkung dieser gesteigert werden könnte. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. ß 


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A«. Pappenheim, 


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Kaninchen 219 . Blut = Leukocyten 10500. Prozentverhältnisse normal. 

# Blutuntersuchung. 

15. 9. Benzin + Benzol aa 2,0 ccm, Oleum olivarum 4,0 ccm. 

16. 9. Es besteht im mikroskopischen Präparat ein leichter Grad von Hyper- 
leukocytose, an dem die Lymphocyten und Leukocyten in annähernd normalen Prozent¬ 
verhältnissen beteiligt scheinen. Auch die Mastzellen sind ziemlich zahlreich. Benzol 
+ Benzin aa 2,0 ccm, Oleum olivarum 4,0 ccm. 

17. 9. Die Zahl der Leukocyten hat abgenommen. In der Zählkammer und im 
mikroskopischen Präparat werden keine polynucleären Leukocyten mehr gefunden. 
Es finden sich nur ganz vereinzelte kleine Lymphocyten und ein Monooyt. Heute 
keine Injektion. 

18.9. Im mikroskopischen Präparat finden sich nur noch vereinzelte kleine Lympho¬ 
cyten und vereinzelte Monocyten, keine Leukocyten mehr. Benzol + Benzin aa 2,0 ccm, 
Oleum olivarum 4,0 ccm. 

19. 9. Im mikroskopischen Präparat keine polynucleären Leukocyten mehr. Hier 
und da ein paar vereinzelte Lymphocyten und Mastzellen. Benzol + Benzin aa 2,0 ccm, 
Oleum olivarum 4,0 ccm. 

21. 9. Die wenigen Lymphocyten, die gefunden werden, befinden sich meistens 
im Reizungszellzustand, daneben finden sich heute auch wieder einige Granulocyten, 
dieselben sind im unreifen Zustand begriffen mit plumper Kernform, basophilem Proto¬ 
plasma und spärlicher Körnung. Heute keine Injektion. 

22. 9. Benzin + Benzol aa 2,0 ccm, Oleum olivarum 4,0 ccm. 

23. 9. Wieder äusserst hochgradige Leukopenie und nur noch vereinzelte Lympho¬ 
cyten. Injektion von Benzol 2,0 ccm + Benzin 4,0 ccm, Oleum olivarum 5,0 ccm. 

24. 9. In einem Objektträger-Blutpräparat werden zwei Lymphocyten und ein 
unreifer Granulocyt mit basophilem Plasma und spärlichster Körnung gefunden. Eine 
heute vorgenommene Zählung ergibt 980 Leukocyten. Injektion von Benzol 2,0 ccm + 
Benzin 4 ccm, Oleum olivarum 5,0 ccm. Das Tier stirbt in folgender Nacht. Bei der 
Nekropsie findot sich ein dunkelrotes Knochenmark der langen Röhrenknochen. Die 
Milz ist sehr klein, atrophisch und schwarz. Leber, Nieren äusserlich ohne Besonderheiten. 

Wir sehen also in der Tat, dass das Benzin in kleinen Dosen die 
Wirkung des Benzols anscheinend unterstützt, und dass auch hier wieder 
eine grössere Benzoldose den sofortigen Tod zur Folge hat. 

Histologische Untersuchung. 

Knochenmark: kolossal blutreich und äusserst zellarm. Der normale 
histologische Bau ist verwischt. Megakaryooyten werden nicht gefunden. Lymphoid- 
zellen äusserst spärlich. 

Milz: ohne Besonderheiten, speziell keine Lymphknötchenatrophie. 

Leber: leichter Grad perilobulärer Gefässwandinfiltration. Sehr starker Blut¬ 
reichtum des Organs. 

Nieren: das Organ ist sehr blutreich, besonders in den sehr kornreichen 
Glomerulischlingen. Der auffallende Befund ist, dass sich in der Gegend der Inter¬ 
mediärzone in den geraden Harnkanälchen eine strichförmige Randzone in dunkel¬ 
grüner Färbung zeigt, die sich bei stärkerer Vergrösserung als eine feinkörnige 
pigmontähnlichc Substanz innerhalb und ausserhalb der Zellen erweist (Benzolurie?) 1 ). 
Im übrigen besteht allenthalben ein glasig vacuolisierter Zustand parenchymatöser 

1) Der Befund findet sich in beiden Nieren. Da in keinem anderen der völlig 
gleichmässig behandelten Organe ähnliches gefunden war, scheinen mir Formol- 
niederschläge ausgeschlossen werden zu können. 


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Zelldegeneration. Die Harnkanälchen sind frei von Blut, dagegen finden sich fleck- 
und strichweise Blutungen frei im Gewebe, sowohl in Mark wie Kinde. 

Nebennieren: starke Kindenatrophie, im Mark keine chromaffine Substanz. 

Gehirn und Rückenmark: ohne Besonderheiten. 

Kaninchen 329 . Bei diesem Tier wurde Benzol und Benzin teils abwechselnd 
und teils combiniert gegeben. Blut: Normale Verhältnisse. Leukocyten (10800). 
Prozentverhältnisse normal. 

3. 10. Benzol 0,5 ccm, Oleum olivarum 6,0 ccm. 

4. 10. Benzol 0,5 ccm, Oleum olivarum 6,0 com. 

5. 10. Benzol 1,0 com, Oleum olivarum 6,0 ccm. 

7. 10. Benzol 1,0 ccm, Oleum olivarum 6,0 ccm. 

8 . 10. Blut: Ausgesprochene Hyperleukocytose (19200) durch einseitige Ver¬ 
mehrung der polynucleären Spezialzellon, die 65 pCt. betragen; daneben zahlreiche 
grosse buchtkernige Lymphoidzellen (11 pCt.) sowie Mastzellen (6 pCt.). Eosinophile 
fehlen. Benzin 2,0 ccm, Oleum olivarum 6,0 ccm. 

9. 10. Die Hyperleukocytose ist geschwunden, Leukocytensturz auf 10900, mit 
relativer Lymphocytose von 42 pCt., besonders der kleineren Lymphocyten. Benzin 
2,0 ccm, Benzol 1,0 ccm. 

10. 10. Es besteht keine absolute Hyperleukocytose, dagegen starke polynucleäre 
Spezialleukocytose (45 pCt.). Auftreten speziaikorniger Jugendformen mit plumperen 
Kernen (Metamyelocyten und Myelocyten, z. T. mit basophilem Protoplasma und 
spärlichen oft basophilen Körnchen (Promyelocyten). Eosinophile fehlen. Injektion 
von 3 proz. Natron nuoleinicum + Alttuberkulin aa 0,5 ccm. 

11. 10. Es besteht keine Hyperleukocytose (10200). Im Blutbild keine patholo¬ 
gischen Lymphocytenformen; die Granulocyten sind ausschliesslich spezialgekörnt; 
keine Eosinophile, keine Mastzellen. Viele weisen Vorstufen mit plumpen Kernen mit 
rarefizierter, z. T. basophiler Körnung im basophilen, auffallend stark vacuolisierten 
Plasma auf und gleichen dadarch degenerierten Mastzellen 1 ). 

12. 10. Keine Untersuchung, keine Injektion. 

13. 10. Das Kaninchen ist vergangene Nacht gestorben. 

Nekropsie: Das Diaphysenmark der langen Röhrenknochen sieht dunkel 
himbeergeleerot aus, in den Epiphysen ist nur das Mark der oberen dunkelrot, das 
der unteren fettig graurot. 

Milz klein, atrophisch. 

Nebennieren sehr klein. 

An Nieren und Lungen makroskopisch niohts Besonderes. Die Organe 
erscheinen indes sehr blutreich. 

Die Leber sieht makroskopisch und auf dem Querschnitt sohwer verändert 
aus und zeigt kleine submiliare, gelblich graue Sprenkelung in diffuser Dissemination 
durch das ganze Organ. 

Histologische Untersuchung. 

Knochenmark: Hochgradiger Blutreichtum und starke Abnahme des par¬ 
enchymatösen Zellgewebes. Die Zahl der Zellen ist vermindert, abor die qualitative 
Zusammensetzung nicht wesentlich verändert. Megakaryocyten in spärlicher Zahl 
vorhanden, zum Teil verklumpt. Lymphoide Zell formen fehlen fast ganz. 

Milz: keine Follikehatrophie, in der Peripherie der Follikel besteht eine be¬ 
ginnende Metaplasie, die Sinus sind angefüllt mit breitleibigen rundkernigen Pig- 
mentophagen. 

1) Ganz so wie das Pappen heim und Sze'csi beim Meerschweinchen nach 
Behandlung mitSaponin und Nucleinsäure gefunden und beschrieben haben. Fol. haem. 
1912. Bd. 13. 

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A. Pappenheim, 


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Nebennieren nnd Langen: ohne Besonderheiten. 

Leber: von der Peripherie der Läppchen ans gegen das Centrnm fortschreitend, 
finden sich aasgedehnte Nekrosen 1 ), die stellenweise grösser sind als die er¬ 
haltenen Lzberparenchymreste. In dem gut erhaltenen Läppchen besteht Stauung 
mit Atrophie der Leberzellbälkchen und fettige Degeneration. Zahlreiche poly- 
oucleäre Spezialleukocyten finden sioh innerhalb der Capillaren der 
nekrotischen, aber auch der erhaltenen Partien. Diese peripheren Nekrosen 
dürften dafür spreohen, dass eine resorptive Vergiftung vom Darm aus stattgefunden 
hat. Jedenfalls zeigen sie, dass auoh hier gegenüber dem Thorium X, wo einmal 
neutrale Nekrosen beobaohtet wurden, ein wesentlicher Unterschied nicht zu 
bestehen scheint. 

Niere: Es finden sich weiter Partien, in denen die Epithelzellen nur ganz 
schwach färbbar sind, nie zerfallen und atrophisch aussehen. Freie Blutungen be¬ 
stehen wieder nicht. 

Ergebnis der Benzol- und Benzin-Combination. 

In bezug auf den hämopoetiscben Apparat (Milz, Knochenmark) ist 
etwas besonders Hochgradiges, steter als mit Benzol allein, auch nicht er¬ 
zielt worden. Dagegen erscheinen die Leber- und Nierenschädigungen 
weit stärker ausgeprägt, als bei Benzol oder Benzin allein. 

Schlussergebnisse. 

Das Ergebnis unserer experimentellen Untersuchungen ist folgendes: 

Die Benzolwirkung hat mit der Thoriumwirkung gemein, dass eine 
Atrophie des Knochenmarks und eine Verringerung der Leukocytenzahl 
im peripheren Blut hervorgerufen wird. Bei diesen Gemeinsamkeiten 
der Hauptwirkung bestehen indes doch grosse Unterschiede: 

1. Sowohl die Atrophie des Knochenmarks wie die Leukopenie ist 
graduell weitaus geringer als beim Thorium. 

2. Es bestehen aber auch qualitative Unterschiede. 

a) Beim Thorium betrifft die viel grössere Knochenmarksatrophie 
wesentlich die granulierten Zellen, die völlig und absolut schwinden, 
beim Benzol umgekehrt die lymphoiden Zellen, während die 
Granulocyten nur unwesentlich an Zahl reduziert erscheinen. 

b) Eine Atrophie des Lymphadenoidgewebes, wie sie Selling beob¬ 
achtet haben will, und wie sie beim Thorium zweifellos besteht, 
haben wir bei unseren Benzolversuchen nicht feststellen können. 

c) Während bei Thorium-, Radium- und Röntgenstrahlen die Lympho- 
cyten im Blut zuerst angegriffen scheinen, obwohl der lymph- 
adenoide Apparat histologisch weniger affiziert scheint wie der 
myeloische, fanden wir beim Benzol, ebenso wie Selling, als 
Abweichung von der Thoriumwirkung, dass die Lymphocyten 
in der Circulation am resistentesten persistierten, entsprechend 
der fast fehlenden Veränderung am Lymphadenoidgewebe. 

d) Die absolute und relative Granulocytopenie des Blutes entspricht 
ja anscheinend der Knochenmarksatrophie, wird aber, zum Teil 
wenigstens, mitbedingt durch eine centrale Ansammlung der 

1) Siehe Tafel I. 


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Leukocyten in den Capillaren der Leber, weniger der Niere 
nnd der Milz. 

e) Während bei 'grossen Thoriumdosen in erster Linie die Leber 
von parenchymatösen Organen affiziert erscheint, fanden wir hier 
beim Benzol die Niere häufiger im Reizzustand, und während 
wir beim Thorium in der Leber gelegentlich centrale Nekrosen 
fanden, fanden wir hier beim Benzol einigemale ausgedehnte 
peripherische Nekrosen. 

Was das Benzin und seine Wirkung anbetrifft, so ist sie, trotz 
chemischer Differenz der Stoffe, bei den physikalisch verwandten Eigen¬ 
schaften in ihren Manifestationen auf Blut, hämopoetischen Apparat und 
parenchymatöse Organe anscheinend prinzipiell gleichartig mit dem 
Benzol, aber graduell wesentlich geringer. 

Auch hier absolute und relative Granulopenie, nicht mit An¬ 
schoppung der Granulocyten in den inneren Organen. Auch hier öfters 
Knochenmarksatrophie auf Kosten der lymphoiden Zellen und Fehlen 
stärkerer Grade von Lymphadenoidgewebsatrophie. 

Auch hier fast stets gewisse Grade von Nierenreizung. 

Es wird besser und in grösseren Dosen vertragen als das Benzol; 
während bei letzterem eher die Leber gefährdeter scheint als die Niere, 
scheint beim Benzin das umgekehrte der Fall zu sein. 

Wir können zum [Schluss also sagen: 1. Benzol und Benzin sind 
kein concurrenzfähiger Ersatz für Thorium, wohl aber geeignet, 
in passenden Fällen dasselbe zu unterstützen. 2. Es könnte 
vielleicht auch das Benzin in seiner Wirkung auf Blut und 
blutbildenden Apparat in mancherlei Hinsicht von ähnlichem 
Wert wie das Benzol sein. 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel I. 

Fig. 1. Kaninchenleber nach Benzin-Benzol mit perilobulären Nekrosen. 

Färbung May-Giemsa-Essigsäure nach Pappenheim. 

Fig. 2. Kaninchenleber nach Thorium mit centralen Nekrosen. 


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V. 


Aus der I. medizinischen Universitätsklinik in Wien 
(Vorstand: Hofrat Prof. Dr. C. von Noorden). 

Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte, 
insbesonders auf den respiratorischen Stoffwechsel, 

nebst Bemerkungen über den respiratorischen Stoffwechsel 
bei Blutdrüsenerkrankungen. 

Von 

Dr. Siegmund Bernstein, 

Assistenten der Klinik. 

(Mit 4 Kurven im Text.) 


Die Untersuchungen, die in dieser Arbeit mitgeteilt werden, be¬ 
ziehen sich auf die physiologische Wirkung des Adrenalins, ferner auf 
die Wirkung von Extrakten aus dem vorderen und von solchen aus dem 
hinteren Lappen der Hypophyse (Pituitrinum glanduläre resp. infundi- 
bulare). Die Untersuchungen mit Adrenalin betreffen hauptsächlich den 
respiratorischen Stoffwechsel; die bisher über diesen Gegenstand in der 
Literatur vorliegenden Untersuchungen von La Franca (1), Häri (2), 
Ruth und Fuchs (3) und von Wilenko (4) werden später bei Be¬ 
sprechung der Resultate der Untersuchungen diskutiert werden. Die 
physiologische Wirkung der Extrakte aus Pars intermedia und Hinter¬ 
lappen der Hypophyse sind in vieler Richtung bereits sorgfältig studiert. 
Ich erwähne die blutdrucksteigernde Wirkung [Oliver u. Schäfer (5)], 
die diuretische Wirkung [Magnus u. Schäfer (6)], die zuerst von 
v. Frankl-Hochwart u. Fröhlich (7) studierten Wirkungen auf Uterus 
und Blase, die galaktoge Wirkung [Schäfer u. Mackenzie (8) und von 
Ott u. Scott (9)J, die Wirkung auf das Blutbild [Bertelli, Falta und 
Schweeger (10)], ferner die Beeinflussung des Eiweiss- und Salzstoff¬ 
wechsels [Falta W. (11)]. Auf diese Wirkungen werde ich in dieser 
Mitteilung nicht weiter eingehen. Die Wirkung auf den Kohlehydrat¬ 
stoffwechsel soll nach Mitteilung der eigenen Versuche diskutiert werden. 
Untersuchungen über die Beeinflussung des respiratorischen Stoffwechsels 
durch Pituitrinum infundibulare liegen meines Wissens noch nicht vor. 
Was nun endlich das Extrakt aus dem Hypophysenvorderlappen anbelangt, 
so hat man bis vor wenigen Jahren spezifische Wirkungen überhaupt nicht 
gekannt; zuerst haben Falta und Ivkovic (12) über eine depressorische 
Wirkung auf den Blutdruck berichtet, ähnliche Angaben sind später von 
Hamburger (13) u. a. gemacht worden. Wir selbst haben dann in einur 
vorläufigen Mitteilung auf dem Kongress für innere Medizin, Wiesbaden 1912, 
darüber berichtet, dass solche Extrakte den respiratorischen Stoffwechsel 
in intensiver Weise herabzusetzen vermögen; diese seither noch vervoll¬ 
ständigten Untersuchungen sollen hier ausführlich mitgeteilt werden 1 ). 

1) Sieht die vorläufige Mitteilung von Bernstein und Falta (14) auf dem 
Kongress für innere Medizin, Wiesbaden 1912, und vgl. Falta, Die Erkrankungen der 
Blutdrüsen. Berlin 1913, Springer. 


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Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte usw. 


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Wir verwandten als Adrenalin ausschliesslich die von Parke, Davis & Co. 
in den Handel gebrachte lprom. Lösung, als „Pituitrinum infundibulare“ 
das bekannte von Parke, Davis & Co. in den Handel gebrachte Präparat, 
das aus Pars intermedia und Hinterlappen dargestellt wird und ferner 
als „Pituitrinum glandulare a ein uns von Parke, Davis & Co. zur Ver¬ 
fügung gestelltes Extrakt aus dem Vorderlappen der Hypophyse. 

Methodische Vorbemerkungen. 

Die Untersuchungen des respiratorischen Stoffwechsels wurden nach 
der Zuntz-Geppertschcn Methode angestellt, und zwar 12 bis 
14 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme; mit den Versuchen 
wurde begonnen, nachdem die betreffenden Individuen sorgfältigst durch 
mindestens 8 bis 10 Tage eingeatmet waren und ein möglichst gleich- 
mässiges und niedriges Atemvolumen zeigten. Dass dies wirklich in 
jedem der mitgeteilten Fälle erreicht wurde, geht aus der guten Ueber- 
einstimmung der bei den einzelnen Versuchspersonen an den Normal¬ 
tagen erhaltenen Werte hervor. Der respiratorische Quotient erfährt be¬ 
kanntlich grössere Schwankungen, wenn nicht während der ganzen Ver¬ 
suchszeit eine gleichmässige Ernährung eingehalten wird, wir haben des¬ 
halb immer bei unseren Versuchspersonen auf dieses Moment geachtet. 

I. Wirkung auf den Blutdruck. 

Die blutdrucksteigernde Wirkung des Adrenalins ist Gegenstand 
zahlreicher Untersuchungen gewesen. Wir gehen hier nicht weiter auf 
dieselben ein, sondern möchten hier nur auf einen Punkt hinweisen, der 
für die Deutung der später beschriebenen Versuche über die Beein¬ 
flussung des respiratorischen Stoffwechsels von Wichtigkeit ist. Bekannt¬ 
lich wirkt das# Adrenalin beim Hunde bei subcutaner Injektion für ge¬ 
wöhnlich nicht blutdrucksteigernd, dass aber trotzdem eine mächtige 
Wirkung auf die Gefässe stattfindet, geht daraus hervor, dass die 
Muskeln und Schleimhäute ausserordentlich blass werden, und sich die 
charakteristische Blutverteilung (Hyperämie der Leber usw.) findet 1 ) 2 ). 
Es muss also die Wirkung auf den Blutdruck durch Gegenregulation aus¬ 
geglichen werden. Bei Menschen führt subcutane Injektion von Adrenalin 
fast regelmässig zu bedeutender Blutdrucksteigerung. Dies haben Falta und 
Rudinger 3 ) zuerst beschrieben und therapeutisch verwendet. Viel später 
sind ähnliche Beobachtungen mitgeteilt worden, ohne dass auf diese 
Untersuchungen Bezug genommen wurde. Für die Deutung der später 
zu beschreibenden Versuche über den respiratorischen Stoffwechsel ist 
jedenfalls die Tatsache, dass Adrenalin bei Menschen subcutan injiziert, 
Blutdrucksteigung hervorruft, bedeutungsvoll. 

Die blutdrucksteigernde Wirkung von Extrakten des Hypophysen- 
Hinterlappens wurde, wie erwähnt, zuerst von Oliver und Schäfer an¬ 
gegeben. Zahlreiche spätere Untersucher konnten dies bestätigen. Diese 

1 ) Siehe bei Falta und Priestley. 

2) E. Neubauer siehe später. 

3) Falta, Dißkussionsbemerkungaufdem Kongress für innere Medizin. 1909. S.375. 


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Igppaag 




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Siö$u)un Berustein 


Kurve I. 


Kurve lU 


Kurve 11 


Kurve IV, 


Kffc' K'^rvt-n: U "S.ü Wö h< | | a | m ?> im v c ij i ;.V. S$ ivm Pj t. 

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7' 2*,> tu:*', !m r. u v.i A iV.i *em .fit, lut: H) l'M i f 11 ^') •; Ji •!: Ml’ T';i tfTäful. J.2,5 i-n».«}: 

lr Mri, j|ip lü <j?m Pit Ulf. 






Stadien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte usw. 


89 


im Tierexperiment beobachtete pressorische Wirkung unterscheidet sich 
von der des Adrenalins hauptsächlich dadurch, dass der Anstieg 
weniger steil erfolgt, dass er länger andauert und dass sich die Wirkung 
bei Wiederholung des Versuches rasch abschwächt, ja sogar eventuell aus¬ 
bleibt. Auf genauere Details soll hier nicht weiter eingegangen werden. 

Was die Wirkung des glandulären Anteils auf den Blutdruck an¬ 
belangt, so haben zuerst Falta und Ivkovic eine starke depressori- 
sche Wirkung nach intravenöser Injektion bei Hunden beschrieben. Später 
hat Hamburger, ohne die kurze Mitteilung der beiden erstgenannten 
Autoren zu kennen, ebenfalls eine depressorische Wirkung des Vorder- 
lappenextraktcs beschrieben. Ebenso konnten D. Lewis und Miller (15) 
dieselbe nachweisen. Die Versuche von Falta und Ivkovic sind bisher in 
extenso nicht publiziert worden, ich möchte hier einige Kurven, die mir 
Prof. Falta zur Verfügung gestellt hat, wiedergeben (s. Seite 88). 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die depressorische Wirkung 
hochgradig ist, sie führt unter Umständen zum Tod der Versuchs¬ 
tiere Ferner, dass sie durch gleichzeitige Injektion von Adrenalin ver¬ 
hindert werden kann, s. Kurve I u. II, ferner dass das Pituitrinum in- 
fundibulare auf der Höhe der Wirkung injiziert die depressorische 
Wirkung aufhebt, Kurve III und IV. Wir wollen hier gleich bemerken, 
dass beim Menschen die von uns zur Injektion verwendeten Dosen 
weder bei subcutaner noch intramuskulärer Injektion den Blutdruck 
deutlich herabzusetzen vermochten. 

Die depressorische Wirkung des Pit. gland. beim Hund ist, wie 
aus den beiliegenden Kurven hervorgeht, auf einen etwaigen Gehalt an 
Cholin nicht zu beziehen, da sie durch vorhergehende Atropinisierung 
nicht verhindert wird (Kurve II). Ferneristauch das den Extrakten von 
der Firma zur Konservierung zugesetzte Chloreton daran nicht schuld, 
da Chloreton selbst nicht depressorisch wirkt. Das Extrakt, das voll¬ 
kommen eiweissfrei und hitzebeständig ist, gibt meist noch die Biuret- 
reaktion, nach Alkoholfällung ist die Biuretreaktion noch minimal, trotz¬ 
dem wirkt auch ein solches Extrakt, auf die frühere Konzentration 
zurückgebracht, ebenso stark depressorisch. Hier sei auch noch er¬ 
wähnt, dass nach Versuchen von E. Neubauer (16) nach intravenöser 
Injektion von Pit. gland. beim Kaninchen eine Verringerung des Leber¬ 
volumens eintritt, während Adrenalin und Pit. inf. das Lebervolumen 
vergrössert. 

II. Beeinflnssnng des Eiweissstoffwechsels. 

Hier nur kurz einige Bemerkungen. Ueber die Beeinflussung des 
Eiweisstoffwechsels durch das Adrenalin sind widersprechende Angaben 
in der Literatur zu finden; von vielen Autoren wird angegeben, dass das 
Adrenalin den Eiweissumsatz beim Hunde nicht beeinflusst; wir möchten 
demgegenüber nochmals auf die Untersuchungen von Eppinger, Falta 
und Rudinger (17) hinweisen, die zuerst gezeigt haben, dass beim 
hungernden Hunde Injektion grösserer Mengen von Adrenalin (1 mg pro 
1 kg Körpergewicht) zu einer deutlichen Steigerung der Stickstoffaus¬ 
scheidung führt. Bei gefütterten Tieren, die sich im Stickstoffgleichgewicht 
befinden, wird eine derartige Wirkung meist vermisst. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



90 


Siegmund Bernstein, 


Von Versuchen über die Beeinflussung des Eiweisstoffwechsels durch 
die Hypophysenextrakte erwähnen wir aus der Literatur Thompson und 
Johnston (18). Diese Autoren konnten zeigen, dass bei Verfütterung ganzer 
Drüsen, die bei 45 bis 50° C getrocknet waren, eine Steigerung der 
Stickstoffausscheidung beim Hunde — namentlich, wenn es sich um ganz 
junge Tiere handelte — zustande kommt. Die Ausschläge sind aber gering. 

Schiff (19) und Oswald (20) fanden nach Verfütterung von Hypophyse 
sowohl beim Menschen als auch beim Hund keine Beeinflussung der Stick¬ 
stoffausscheidung. John Malkolm (21) sah bei Verfütterung frischer Drüsen 
negative Stickstoffbilanz auftreten (dies gilt für den Hinterlappen, bei 
Verfütterung von Vorderlappen zeigte sich leichte Stickstoffretention). 
Auch in diesen Versuchen handelte es sich nur um kleine Ausschläge. 

Nach früheren Untersuchungen (siehe Faltal. c.) bewirkt subcutane 
Injektion von Pituitrin, infund. sowohl bei hungernden als bei im Stick¬ 
stoffgleichgewicht befindlichen Hunden Ansteigen der N-Ausscheidung im 
Harne. 

III. Glykosurische Wirkung. 

Ueber die glykosurische Wirkung des Adrenalins haben wir nichts 
Neues beizubringen, hingegen möchten wir auf die Wirkung der Hypo¬ 
physenextrakte etwas genauer eingehen. Borchardt (22) sah nach Injektion 
von Hypophysenextrakt speziell aus dem glandulären Anteil bei Kaninchen 
Glykosurie auftreten, bei Hunden versagte das Experiment meist. 
Cushing (23) gibt neuerdings an, dass durch subcutane oder intravenöse In¬ 
jektion von Extrakten aus dem Hypophysen-Hinterlappen die Toleranz für 
Kohlehydrate auch bei hypophvseopriven Tieren, bei denen die Toleranz 
an sich erhöht ist, herabgesetzt wird. Bei Kaninchen soll ebenfalls die In¬ 
jektion dieses Extraktes Glykosurie machen. Dem stehen Angäben von 
Carrar o (24) gegenüber, der nach Injektion von Hypophysenextrakten keine 
Glykosurie auftreten sah. Miller und Lewis (1. c.) sahen zwar nach intra¬ 
venöser oder intraperitonealer Injektion von Extrakten des Vorder- oder 
Hinterlappens bei Hunden manchmal geringe transitorische Glykosurie 
auftreten, doch legen sie dieser geringen Glykosurie keinen grossen Wert bei. 

In unseren Versuchen konnten wir eine glykosurische Wirkung der 
von uns verwendeten Extrakte niemals konstatieren, obwohl diese Ex¬ 
trakte, wie sich später zeigen wird, andere Faktoren des Stoffwechsels 
in ausgesprochener Weise beeinflussten; wir haben diese Versuche in 
mannigfacher Weise modifiziert: 

1. Wir haben mit Rüben gefütterten Kaninchen bis zu 25 ccm sowohl 
von den Vorder- wie auch von den Hinterlappenextrakten injiziert, nie¬ 
mals trat Glykosurie auf; 2. dasselbe negative Resultat erhielten wir bei 
Hunden. 3. Wir haben ferner beim Menschen mehrfach die Assimilations¬ 
grenze für Kohlehydrate bestimmt und dann die Versuche mit gleich¬ 
zeitiger oder ein bis zwei Stunden vorhergehender Injektion von 3 ccm 
Pit. inf., resp. bis zu 10 ccm Pit. gland. wiederholt, ohne die Toleranz¬ 
grenze zu beeinflussen. 4. Wir haben bei mehreren Patienten, welche 
alimentäre Glykosurie bei 100 g Zucker zeigten, die Versuche mit gleich¬ 
zeitiger Injektion der Hypophysenextrakte wiederholt, ohne die alimentäre 
Glykosurie zu steigern. 


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Original fro-m 

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Studien über die Wirkung einzelner Blutdrusenextrakte usw. 


91 


Endlich haben wir bei Diabetikern, die eben zuckerfrei gemacht 
waren, die Hypophysenextrakte injiziert. Unter 10 Versuchen sahen 
wir nur einmal nach Injektion von Pit. gland. wenige Gramme Zucker 
im Harn auftreten; auch sahen wir einigeraale bei Diabetikern, die auf 
eine gleichmässige Zuckerausscheidung eingestellt waren, am Tage der 
Injektion eine leichte Steigerung der Glykosurie; wir möchten aber diesen 
Versuchen nicht allzuviel Wert beilegen, da ja bekanntlich derartige 
Schwankungen der Zuckerausscheidung bei Diabetikern spontan Vor¬ 
kommen und leicht zu Täuschungen Anlass geben und da in der Mehr¬ 
zahl der untersuchten Fälle eine Beeinflussung der Zuckerauscheidung 
nicht gefunden werden konnte. 

Endlich sei noch erwähnt, dass nach Injektion von Pit. inf. bei 
Kaninchen Priestley in zwei Versuchen den Blutzucker 1 bis 2 Stunden 
nach der Injektion bestimmte, ohne eine Beeinflussung desselben wahr¬ 
zunehmen. Einen recht instruktiven Versuch in dieser Hinsicht haben 
wir bei einem Fall von Diabetes mell, mit Hypertonie angestellt. Bei 
Spuren von Zucker im Harn betrug der Blutzucker 0,126 g, bei fortgesetzter 
strenger Diät verschwanden die Spuren von Zucker aus dem Harn, nach 
10 Tagen wurde die Blutzuckeruntersuchung wiederholt und ergab 0,116 g, 
einen Tag später wurden 3 ccm Pit. inf. injiziert, es trat kein Zucker auf; 
also trotz bestehender Hyperglykämie wirkt Pit. inf. nicht glykosurisch. 

Nach Injektion von Pit. gland. bei Menschen haben wir selbst drei¬ 
mal den Blutzucker bestimmt und einmal keine Beeinflussung, zweimal 
ein leichtes Absinken des Blutzuckers beobachten können; damit stimmen 
endlich Versuche an 2 Hunden überein. 

Hund I. Blutzucker eine Stunde nach intravenöser Injektion von 25 ccm Pit. 
gland. 0,0561 g; Blutzucker bei demselben Hund 4 Tage nach der Injektion 0,0758 g. 

Hund II. Blutzucker eine Stunde nach der intravenösen Injektion von 25 ccm 
Pit. gland. 0,0792 g; 3 Stunden nach der Injektion 0,0839 g, 4 Tage nach der 
Injektion 0,0919 g. 

Diese Versuche zeigen, dass nach der Injektion von Pit. gland. ein 
leichtes Absinken des Blutzuckers eintritt. Endlich haben wir damit 
übereinstimmend gefunden, dass die gykosurische Wirkung des Adrenalins 
bei gleichzeitiger Injektion von Pit. gland. verringert wird. 


Datum 

1912 

Injektion 

Kaninchen I 
3350 g 

Kaninchen II 

2600 g 

! 

Kaninchen III 
3000 g 1 

Kaninchen IV 
2500 g 

22. 11. 

5 ccm Pit. 1 
gland. >•) 

V« ccm Adren.J 

Nach 6 Std. 
2,9 g Zucker 

Nach 6 Std. 
1,7 g Zucker 

— 

— 

26. 11. 

v 2 ccm Adren. 

Nach 6 Std. 
3,9 g Zucker 

Nach 6 Std. 
2,75 g Zucker 

— 1 

— 

8. 12. 

5 ccm Pit. ) 
gland. p 

l / 2 ccm Adren.) 

V 2 ccm Adren. 

1 

1 

! 

Nach 6 Std. 
1,7 g Zucker 

Nach 6 Std. 
1,5 g Zucker 

15. 12. 

— 

! - 

Nach 6 Std. 
2,98 g Zucker 

Nach 6 Std. 
2,7 g Zucker 

22. 12. 

2 ccm Pit. \ 
inf. p 

1 / 2 ccm Adren.J 



Nach 6 Std. 
2,89 g Zucker 

Nach 6 Std. 
2,3 g Zucker 


*) An verschiedenen Stellen injiziert. 


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92 


Siegmund Bernstein, 


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Aus allen diesen Versuchen scheint hervorzugehen, dass weder das 
Pit. inf. noch das Pit. gland. den Blutzuckergehalt zu erhöhen ver¬ 
mögen, letzteres setzt ihn vielmehr herab. Wir werden später sehen, 
dass dem Pit. gland. trotzdem eine mächtige Wirkung auf den Koble- 
hydratstoffwechsel zukommt, diese Wirkung kann demnach wohl nicht 
durch eine Mobilisierung von Kohlehydratdepots zustande kommen. 


V. Wirkung auf den respiratorischen Stoffwechsel. 
A. Experimenteller Teil. 

Tabelle I. Fall I. R., Chronischer Gelenkrheumatismus. 


Datum 

1912 

Bemerkungen 

Injektion 

Zeit 

Min. 

C0 2 

ccm 

Oo 

Pro kg u. Min. 

RQ. 

ccm 

C0 2 

ccm 

0 2 

ccm 

3. 3. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 


205,4 

265,7 

2,93 

3,79 

0,770 

3. 3. 

— 

2 ccm intrara. 
Pit. gland. 

30-55 

186,0 

232,3 

2,66 

3,22 

0,801 

4. 3. 

Gera. Kost 
nüchtern 


— 

207,9 

264,7 

2,97 

3,78 

0,786 

4. 3. 

— 

2 ccm intram. 
Pit. gland. 

30-55 

197,9 

225,2 

2,82 

3,21 

0,878 

5. 3. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 

— 

206,9 

285,3 

2,95 

4,07 

0,752 

5. 3. 

— 

2 ccm intram. 
Pit. gland. 

30-55 

183,4 

251,8 

2,62 

3,74 

0,731 

9. 3. 

Gern. Kost 
nüchtern 


— 

204,9 

263,7 

2,93 

3,77 

0,777 

9. 3. 

— 

8 ccm intram. 
Pit. inf. 

10-35 

232,7 

288,0 

3,32 

4,11 

0,808 

9. 3. 

— 

— 

54—79 

202,0 

281,0 

2,88 

4,02 

0,719 

12. 3. 

Gern. Kost 
nüchtern 

1 

i 

214,4 

272,6 

3,23 

8,89 

0,787 

12. 3. 

— 

3 ccm intram. 
Pit. inf. 

10-35 

217,7 

267,4 

3,11 

3,82 

0,814 

12. 3. 

— 

do. 

! 45-70 

229,6 

296,0 

3,28 

4,23 

0,776 

15. 3. 

Gern. Kost 
nüchtern 

_ i 

— 

199,7 

273,5 

2,85 

3,90 

0,731 

15. 3. 

— 

3 ccm intrara. 1 
Pit. gland. 

9-34 

188,8 

241,1 

2,69 

3,44 

0,783 

15. 3. 

— 

_ 1 

45-70 

168,4 

231,7 

2,01 

3,31 

0,782 

16. 3. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 

— 

216,4 

278,2 

3,09 

3,97 

0,770 

25. 3. 

do. 

— 

— 

211,6 

266,0 

3,02 

3,79 

0,796 

25. 3. 

do. 

3 ccm intram. ! 
Pit. gland. 

80—105 

197,9 

236,0 

2,83 

3,37 

0,838 

25. 3. 

— 

— 

120-145 

199,4 

255,6 

2,85 

3,65 

0,780 

28. 3. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 

— 

190,3 

255,3 

2,72 

3,64 

0,746 

28. 3. 

— 

3 ccm intrara. 
Pit. gland. 

9—34 

180,1 

223,0 

2,57 

3,18 

0,808 

1. 4. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 

— 

217,9 

270,5 

! 3,04 

3,86 

0,806 

1. 4. 

“ 

5 ccm intram. 
Fraktion II*) 

~ 

214,3 

280,6 

3,06 

4,01 

i 

0,782 


*) Siehe später. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Stadien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte usw. 


93 


Ergebnis. 

Die Versuche mit Pit. inf., resp. Pit. gland. fallen bei diesem Pat. 
in eine Periode der Behandlung mit Radiumemanation, wie wir an 
anderer Stelle genauer ausführten 1 ). In dieser Periode ist der Gas¬ 
wechsel gegenüber der Vor- und Nachperiode wesentlich gesteigert, und 
zwar handelt es sich um eine kontinuierliche Erhöhung, die auch während 
der Nacht bis in den Morgen anhält; es zeigt sich aber bei Betrachtung 
der unbeeinflussten Nüchternwerte, dass grössere Schwankungen nur 
selten sind, mit einem Worte, dass sich das Individuum auf ein höheres 
Niveau eingestellt hat. Wenn auch durch die gleichzeitige Radium¬ 
behandlung und durch die künstliche Erhöhung des gesamten Stoff¬ 
wechsels die Verhältnisse viel komplizierter gestaltet worden sind, so 
ergibt die genaue Analyse unserer Versuche und insbesondere der Ver¬ 
gleich derselben mit den an anderen Versuchspersonen die Verwertbarkeit 
derselben. 

I. Versuche mit Pit. inf.: Versuch vom 9. 3.1912, nach 10Minuten 
leichte Steigerung von C0 2 , 0 2 und leichter Anstieg des RQ. nach 
54 Minuten. 

Versuche vom 12. 3. 1912: Nach 10 Min. leichter Anstieg von 
C0 2 , stärkerer von 0 2 , leichter Anstieg des RQ.; nach 45 Min. starker 
Anstieg von C0 2 um 7 pCt., 0 2 um 8,5 pCt., RQ. wie am Anfang. 

II. Versuche mit Pit. gland.: In allen Versuchen (3., 4., 5., 15., 
25., 28. 3. und 4. 4. 1912) findet ein deutliches Absinken sowohl der 
C0 2 - wie auch der 0 2 -Werte statt. Der Sauerstoff sinkt dabei viel 
stärker ab als die Kohlensäure, dadurch kommt es zu einem vorüber¬ 
gehenden beträchtlichen Ansteigen des RQ. Das Absinken des Sauer¬ 
stoffs kann sehr lange anhalten. Am höchsten scheint der RQ. etwa 
1 Stunde nach der Injektion zu sein. (Vgl. Versuche IV, V u. VII.) 

In einem einzigen Versuch (Versuch III), in welchem C0 2 und 0 2 
stark absinken, zeigt sich RQ. eine halbe Stunde nach der Injektion 
nicht erhöht. Die Abnahme von C0 2 resp. 0 2 kann sehr beträchtlich 
sein, z. B.: 


Am 

3. 3.: 

CO a 

um 9,5 

pCt., 

0 2 

um 

12,4 

pCt. 

77 

4. 3. : 

CO, 

n 5.0 

77 

0 2 

77 

15,0 

77 

77 

5. 3.: 

co 2 

* 11,4 

77 

0 , 

77 

11,5 

77 

77 

15. 3.: 

CO, 

77 15,5 

77 

0 2 

77 

15,3 

77 


Die Dauer dieser Herabsetzung ist ebenfalls beträchtlich. (Im 
Versuch IV ist nach 45 Min. vielleicht noch nicht einmal der Tiefstand 
erreicht, im Versuch V sind nach 1 Std. 20 Min. sehr tiefe Werte, 
während nach 2 Stunden die Werte nahezu zur Norm zurückgekehrt 
sind. Im Versuch VII sind 1 1 / 2 Stunden nach der Injektion ebenfalls 
sehr tiefe Werte. Ein Versuch mit dem durch Alkohol gefällten nahezu 
eiweissfreien alkalischen Extrakt keine Wirkung, Fraktion II.) 


1) Bernstein, Die Einwirkung der Radiumemanation auf den respiratorischen 
Stoffwechsel. Strahlentherapie. 1. Bd., 1. Heft. 1912. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



94 


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Siegmund Bernstein, 


Tabelle 2. Fall II. R, Chronischer Saturnismus. 


Datum 

1913 

Bemerkungen 

Injektion 

Zeit 

Mia. 

' CO, 

ccm 

i 

0, 

ccm 

Pro kg 

C0 2 

ccm 

u. Min. 

Oo 

ccm 

RQ. 

23. 1. 

Gern. Kost 
nüchtern 

i 

_ 1 


206,3 

, 235,2 

3,22 

3,73 

0,877 

23. 1. 

do. 

— 

— 

! 190,7 

222,4 

2,98 

3,47 

0,857 

24. 1. 

do. 

1 l j 2 g Chlo¬ 
reton per os 

60—85 

185.9 

1 223,4 

2,96 

3,56 

0,832 

24. 1. 

do. 

do. 

90—105 

191,9 

219.8 

3,06 

3,51 

0,873 

25. 1. 

do. 

— 

— 

181,8 

220,1 

2,90 

3,51 

0,826 

25. 1. 

do. 

— 

— 

194,7 

235,8 

3,11 

3,76 

0,826 

27. 1. 

do. 

1*/* g Chlo¬ 
reton p.clvsma 

90-105 

184,8 

227,8 

2,95 

3,63 

0,811 

27. 1. 

do. 

do. 

110—135 

208,9 

239,6 

3,33 

3,82 

0,872 

29. 1. 

do. 

— 

— 

192,8 

219,8 

3,07 

3,51 

0,877 

14. 2. 

Gern. Kost 

— 

— 

185,0 

230,7 

2,96 

i 3,69 

0,802 

14. 2. 

do. 

1 mg Adren. 

9-31 

223,8 

246,9 

3,58 

3,95 

0,906 

14. 2. 

do. 

— ! 

97—119 

207,0 

267,6 

3,31 

4,28 

0,774 


Ergebnis. 

I. Adrenalin ruft eine deutliche Steigerung der C0 2 -Produktion und 
des Oo-Verbrauches hervor, die Steigerung des 0 2 ist nach 2 Stunden 
erst auf der Höhe, während die Steigerung der C0 2 -Produktion bereits 
im Abfallen begriffen ist: in der ersten halben Stunde bedeutende 
Steigerung des RQ. 

II. Chloreton per os oder per elysma zugeführt, zeigt keine besondere 
Beeiqflussung. Der Pat. ist sehr schläfrig und schläft auch noch am 
Nachmittag des Versuchstages sehr viel. Eine Wirkung auf den respira¬ 
torischen Stoffwechsel lässt sich nicht nach weisen. 


Tabelle III. Fall III. H., Eunuchoidismus, 28 Jahre alt (genaue Krankengeschichte 
siehe bei W. Falta: Die Erkrankungen der Blutdrüsen). 


Datum 

1912 

Bemerkungen 

Injektion 

Zeit 

Min. 

! 

j co 2 

i ccm 

| 

o 2 

ccm 

Pro kg 

C0 2 

ccm 

u. Min. 

~ö 2 

ccm 

R(}. 

25. 5. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 

— 

! 180,25 

248,0 

1 

2,67 

3,67 

0,727 

25. 5. 

— 

3 ccm Pituitr. 
gland. 

20-45 

i 

181,8 

234,8 

2,69 ; 

i 

3,47 

0,774 

30. 5. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 

— 

171,95 

232,5 

i 

oc 

3,49 

0,739 

30. 5. 

— 

5 cein Pituitr. 
gland. 

45—70 

161,0 

216,6 

2 42 

3,25 

0,743 


Ergebnis. 

I. Der Grundumsatz in diesem Falle von Eunuchoidismus ist voll¬ 
ständig normal. (Siehe später.) 

II. Injektion von 3 ccm Pit. gland. ergibt nur eine verhältnismässig 
geringe Wirkung: C0 2 bleibt unbeeinflusst, Ö 2 sinkt um 5,3 pCt. ab. 
RR). steigt deutlich an. ln einem zweiten Versuch mit grösserer Dosis 


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Original ftom 

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Studien üher die Wirkung einzelner ßlutdrüsenexlrakte usw. 


95 


(5 ccm) tritt eine recht deutliche Herabsetzung sowohl der C0 2 wie 
auch des 0 2 ein und zwar für erstere um 6,4, für letzteren um 6,8 pCt. 
RQ. ist in dieser Versuchsperiode (45 bis 70 Min. nach der Injektion) 
nicht erhöht. 


Tabelle IV. Fall IV. H., Infantilismus mit leichter Hyperthyreose (genaue Kranken¬ 
geschichte siehe ebenfalls bei Falta 1. c.). 



Be¬ 

merkungen 

i 

Zeit 

Min. 

co 2 

ccm 

0 2 

ccm 

Pro kg 

u. Mio. 

RQ. 

Datum 

Injektion i 

* j 

i 

C0 2 

ccm 

Oj 

ccm 

14. 12. 1911 

Gern. Kost 
nüchtern 

i 

— 

185,0 

229,7 

4,60 

5,74 

0,805 

16. 12. 1911 

do. 

— ! 

. - 

183,8 

229,4 

4,59 

5,73 

0,801 

18. 12. 1911 

do. 

— 

— 

1 190,7 

230,4 

4,77 

5,76 

0,828 

19. 12. 1911 

do. 

— 

— 

| 182,2 

229,1 

4,55 

5,72 

0,796 

19. 12. 1911 

do. 

2 ccm Pit. inf. 

30-55 

' 195,7 

291,3 

4,89 

7,26 

0,840 

5. 1. 1912 

do. 

— 

— 

180,2 

227,4 

4,50 

5,68 

1 0,793 

24.2. 1912 

Ernährung 

geändert 

— 

— 

165,7 

230,3 

4,04 

5,6 

0,7191 

24. 2. 1912 

do. 

1 mg Adre¬ 
nalin subc. 

5-30 

213,8 

246,4 

5,2 

6,01 

0,8681 

24. 2. 1912 

do. 

do. 

50—75 

223,9 

256,6 

6,4(5 

6,3 

0,873 

24. 2. 1912 

do. 

do. 

120-145 

185,6 

222,1 

4,5 

5,41 

0,835 

26.2. 1912 

do. 

— 

— 

169,9 

231,0 

3,95 

5,4 

0,736 

26.2. 1912 

do. 

3 ccm intram. 
Pit. gland. 

30-55 

161,0 

205,5 

i 

3,74 

4,77 

1 0,784 


Ergebnis. 

I. Der Grundumsatz. Wir haben bei diesem Kranken 2 Perioden 
zu unterscheiden. In der ersten Versuchsperiode waren sehr deutliche 
Erscheinungen von Hyperthyreose nachweisbar. Das Mittel für C0 2 
betrug 4,6, für 0 2 5,75 ccm pro kg und Min. In der zweiten Versuchs¬ 
periode lagen die Werte etwas tiefer. Damals waren auch die Er¬ 
scheinungen der Hyperthyreose bereits wesentlich zurückgegangen. 
Vergleicht man die gefundenen Werte mit den von Magnus Levy und 
Falck angegebenen (Fall IX und X. 142 ccm bzw. 141,5 ccm und 
36,1 resp. 36,8 kg für 0 2 , 5,21 bzw. 5,01 ccm * für C0 2 4,37 resp. 
4,34 ccm), so findet man, dass in der ersten Versuchsperiode eine be¬ 
deutende Steigerung des Grundumsatzes nachweisbar war. In der 
zweiten Versuchsperiode war der Grundumsatz normal. 

RQ. war in der ersten Versuchsperiode viel höher als in der 
zweiten, dies dürfte aber wahrscheinlich mit veränderten Ernährungs¬ 
verhältnissen Zusammenhängen. 

II. Mit Pit. inf. liegt nur ein Versuch vor. Dieser ergab eine 
Viertelstunde nach der Injektion ein leichtes Ansteigen der C0 2 -Produktion 
um 7,41 pCt., hingegen ein deutliches Ansteigen des 0 2 -Verbrauches 
um 27,1 pCt. RQ. steigt in diesem Versuch etwas an. 

III. Bei Injektion von 3 ccm Pit. gland. leichter Abfall von C0 2 
um 5,2 pCt., starker Abfall von 0 2 um llpOt. RQ. steigt deutlich an. 

IV. Adrenalin: Nach subeutaner Injektion von 1 mg Adrenalin 
starkes Ansteigen von CO., um 29 pCt., 0 2 steigt um 6,9 pCt. (nach 
5 Min.), resp. Anstieg von CtC um 35 pCt., 0 2 um 11,5 pCt. (nach 50 Min.). 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



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96 Siegmund Bernstein, 

Sprunghaftes Ansteigen von RQ. Nach 54 Min. sind alle Werte noch 
höher wie nach 5 Min. 


Tabelle V. Fall V. R. Fl., Morbus Basedowii, 35jährige Frau (genaue Kranken¬ 
geschichte siehe Falta 1. c.). 


Datum 

1913 

Zeit 

C0 2 

ccm 

0, 

ccm 

jprokgu. Min. 

RQ. 

Bemerkungen 

C0 2 

ccm 

0 2 

ccm 

12. 1. 

Gera. Kost 

220,5 

280,5 

3,82 

4,86 

0,786 

Atmet sehr ruhig 

14. 1. 

do. 

217,5 

285,4 

3,75 

4,92 

0,764 

do. 

14. 1. 

do. 

229,9 

316,9 

3,96 

5,46 

0,725 

Gegen Ende des Versuches 








unruhig. Handbewegungen 

15. 1. 

do. 

213,1 

270,8 

3,67 

4,67 

0,787 

Ruhig 

19. 1. 

do. 

238,6 

284,5 

4,11 

4,90 

0,834 

do. 

28. 1. 

do. 

207,0 

270,9 

3,57 

4,67 

0,764 

do. 

31. 1. 

do. 

214,9 

278,8 

3,71 

4,81 

0,771 

do. 


In diesem Falle wurden keine Injektionsversuche vorgenommen. Ich 
erwähne diesen Fall deshalb, weil sich bei der Untersuchung 
Schwankungen des Grundumsatzes ergaben. Im allgemeinen bestand 
eine bedeutende Steigerung des Grundumsatzes. 

Fall VI. I. P. Myxödem. Pat. stammt aus gesunder Familie und aus voll¬ 
kommen von Kretinismus freier Gegend, hat 8 Geschwister, die vollständig gesund 
sind, war das 5. Kind, Geburt normal, war auoh normal entwickelt, nur war der 
Kopf auffallend gross. Er wuchs in der ersten Zeit von der Geburt überhaupt nicht und 
später nur sehr langsam und zeigte gar keine geistige Entwicklung, lernte nur sehr spät 
gehen, auch dann war der Gang unsicher, er verlangte bis zum 4. Lebensjahre nie nach 
Nahrung, musste gefüttert werden. Nach den sehr genauen Angaben des ihn be¬ 
handelnden Arztes, der ihn zum erstenmal in seinem 4. Lebensjahre sah, betrug die 
Körperlänge damals nur 81 cm, der Kopfumfangmass ÖO 1 ^ cm, die grosse Fontanelle 
war noch offen, der Hals gedrungen, kurz, sehr dick, die Stirne niedrig, Haare 
spärlich und spröde, Nasenwurzel eingezogen, Nasenlöcher sehr weit, Zunge verdickt, 
aus dem halbgeöffneten Mund hervorstehend, Gaumen flach. Pat. hatte nur 16 Milch¬ 
zähne, der Brustumfang war damals 53 cm, Bauch aufgetrieben, herunterhängend, 
Nabelhernie, die Hände plump, kühl, cyanotisch, Temperatur im Rectum 36,3. Nach 
Angaben des Grossvaters hatte er Masern, Scharlach, Blattern, auch mehrmals Pneu¬ 
monie durchgemacht, neigt sehr zu Hautkrankheiten, er hat bis zum 4. Lebensjahre Urin 
und Stuhl unter sich gehen lassen, im 4. Jahre wurden ihmThyriodintabletten verordnet 
und zwar zuerst 1 / A1 dann l j 2 Tablette täglich. Darauf besserte sich der Zustand rasch, 
er wuchs, fing an zu sprechen, der Gang wurde sicher, der Appetit besserte sioh sehr 
bedeutend, er verlangte jetzt selbst nach Speise und Trank, begann Interesse an seiner 
Umgebung zu gewinnen. Die Medikation wurde ein Jahr lang fortgesetzt, dann mehrere 
Monate unterbrochen, dann wieder für 2 Monate aufgenommen und dann wieder unter¬ 
brochen, seit etwa \ l j 2 Jahren keine Medikation, da sich der Zustand nicht mehr 
besserte. Aus dem Status wäre zu erwähnen: 94 cm langer Pat., typisches Aussehen 
eines Myxödems, schlaffe Haut, ist geistig ein wenig regsam, kennt seine Umgebung usw. 
Schädeli^mfang (D. frontooccip.) 54 cm, Fontanelle verstrichen. Hals sehr kurz, Hals¬ 
umfang 27 cm. Thorax kurz und breit, Gor und Pulmones ohne pathologischen Be¬ 
fund. Abdomen: typischer Hängebauch, Bauchumfang 55 cm, Hoden bohnengross. 

Nach 100 g Traubenzucker Spuren von Zucker im Harn. Körpermasse: Körper¬ 
länge 94 cm, Spannweite 93 1 / 2 cm, Oberlänge 49 cm, Unterlänge bedeutend kürzer 
wie die Oberlänge, also die Dimensionen eines ganz kleinen Kindes erhalten geblieben. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenoxtrakte usw. 


97 


Röntgenologisch Schädel normal, die Sella turcica ist im Verhältnis zur Grösse 
des Knaben eher gross. Die Konturen sind plump, der Sella-Eingang auch ziemlich 
weit. Die Verknöcherungsverhältnisse an der Hand entsprechen denen eines Kindes 
von 2 bis 2 l j 2 Jahren. Im Blut leiohte Lymphocytose. Blutzucker 0,079 pCt. 


Tabelle VI. 


Datum 

1913 

Be¬ 

merkungen 

I 

. 

Zeit 

i 

CO, | 

1 

ccm | 

0, 

Pro kg 

u. Min. 

i 

RQ. 

Injektion [ 

! ! 

v 2 | 

1 

ccm j 

C0 2 

ccm 

! o 2 

ccm 

2. 5. 

Gern. Kost 
nüchtern 

1 — 

Früh 

nüchtern 

82,36 

1 

103,3 

4,48 ! 

5,61 

0,797 

6. 4. 

do. 

— 

do. 

79,64 | 

104,4 

4,19 

5,49 

0,763 

7. 5. 

do. 

- ; 

do. 

84,33 

101,3 

4,44 

5,86 

0,758 

8. 5. 

do. 

— 

do. 

79,30 

94,28 

4,17 

4,96 

0,840 

12. 5. 

do. 

— 

do. 

81,31 

104,6 

4,42 

5,68 

0,777 

12. 5. 

do. 

2 ccni Bor- 
c h o 1 i 11 i ii | 
20 ccm p hy s. 
Kochsalzlös. 

25 — 71 

74,08 

102,1 

4,03 

5,5 

0,661 

12. 5. 

do. 


90-134 

75,14 

97,40 

4,08 

5,29 

0,771 


Nach Thyreoidinmedikation. 


' 


i 

j 

1 

i 

Pro ktr u. Min. 1 


Datum 

Bemerkungen 

Injektion \ Zeit 

co 2 

o 2 

C0 2 

o 2 

Rg. 

1913 



I ccm 

ccm 

ccm 

ccm 


15. 7. 

Gern. Kost 

i i 

— Früh nüchtern 

121,5; 

| 

156,2 

6,23 

8,01 

0,778 

17. 7. 

do. 

— ; do. i 

121,7 | 

166,2 

6,24 

8,68 

0,719 


Ergebnis. 

Ein direkter Vergleich mit den Versuchspersonen von Magnus Levv 
und Falck ist nicht möglich, wir können nur heranziehen den Fall G. H. 
(Magnus Levy und Falck): 7jähriger Knabe, 112 cm hoch, 19,2 kg 
schwer. Bei diesem fand fand sich 7,93 ccm 0 2 und 6,80 ccm C0 2 ; 
da unser Pat. wesentlich kleiner ist, nämlich um 18 cm, so sollte natür¬ 
lich der Gaswechsel sehr viel höher sein als bei dem normalen gleich¬ 
schweren Individuum. Wir finden ihn aber um 30 pCt. herabgesetzt; 
die Herabsetzung gegenüber einem Normalindividuum von annähernd 
gleicher Grösse und gleichem Gewicht muss also noch bedeutender sein. 
Der Versuch mit Borcholin wird später diskutiert (S. 109). 

Vom 13. 6. 13 bis zum Austritte erhielt der Patient dreimal täglich 
eine Thyreoidintablette (Parke, Davis & Co.), die Ernährung wurde 
während dieser Zeit nicht geändert. Patient nahm an Körpergrösse um 
8 cm zu, wurde viel lebhafter und munterer. 

Während dieser Zeit wurden mit ihm mehrmals Probeatmungen aus¬ 
geführt (jeden zweiten Tag), um möglichst genaue Resultate zu ergeben. 
Die am 15. und 17. 7. ausgeführten Versuche zeigen, dass der Grund¬ 
umsatz unter der Thyreoidinwirkung bedeutend anstieg und dem eines 
gleichgrossen und gleichschweren Individuums annähernd gleich war. 

Fall VII. U. Akromegalie. (Siehe Falta: Beobachtung XXIV.) 32 Jahre alt. 
Beginn vor 7 Jahren mit Parästhesicn in den Händen, einige Monate später starke 

Zeitschrift f. exp. Pathologie a. Therapie 1'». BJ. r 


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Original fro-m 

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98 


Siegmund Bernstein, 


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Schmerzen in den Vorderarmen, dann allmähliches Grösserwerden der Hände, des 
Kinns, deutliche Prognathie, vor b l j 2 Jahren Abnahme der Libido und später der 
Erectio penis, seit b l j 2 Jahren völlig impotent, allmähliche Zunahme der akromegalen 
Erscheinungen. Zunge stark vergrössert, Nase plump, Oibitalrand tritt stark hervor, 
Thyreoidea vergrössert, Behaarung ziemlich stark entwickelt, Kyphose, fassförmiger 
Thorax, Clavikeln stark verdickt, obere und untere Extremitäten distalwärts nach 
unten stark an Umfang zunehmend. Sella turcica auf Guldengrössse erwei¬ 
tert, keine Glykosurie. 

28. 2. 13. Operation eines Teiles der Hypophyse duroh Dr. 0. Hirsch auf 
endonasalem Wege. 

Tabelle VII. 


Datum 

1912 

Bemerkungen 

Injektion 

Zeit 

C0 2 

ccm 

0 2 

ccm 

Pro kg 

C0 2 

ccm 

u. Min. 

0 2 

ccm 

R 0. 

27. 1. 

Purinfreie Diät 



235,7 

288,8 

3,1 

3,72 

0,816 

31. 1. 

do. 

— 

— 

240,7 

296,4 

3,17 

3,9 

0,793 

3. 2. 

do. 

— 

— 

243,2 

298,4 

3,20 

3,93 

0,780 

6. 2. 

do. 

— 

— 

242,8 

297,9 

3,19 

3,92 

0,752 

6. 2. 

— 

2 ccm Pit. inf. 
intram. 

30-55 

256,3 

327,3 

, 

3,37 

i 

4,31 

0,758 

9. 2. 

Purinfreie Diät 

— 

— 

249,9 

299,4 

3,29 

3,94 

0,750\ 

9. 2. 

— 

1 mg Adren. * 
subcutan 

5-30 

316,5 

! 

334,3 

! 

4,16 

4,40 

1 

0,945/ 

9. 2. 

— 

do. 

50—75 

288,4 

i 371,3 

3,62 

4,89 

0,777 

1«. 2. 

Purinfreie Diät 

— 

— 

247,34 

295,7 

3,25 

3,89 

0,836 

16. 2. 

do. 

2 ccm Pit. inf. 

45-70 

295,5 

372,2 

3,88 

4,897 

0,794 

17. 2. 

— 

— 

— 

240,6 

295,4 

3,17 

i 3,88 

0,785 

17. 2. 

Purinfreie Diät 

1 mg Adrenalin 
subcutan 

20-45 

281,77 

364,6 

1 3,71 

4,797 

i 

! 

0,773 


Ergebnis. 

I. Der Grundumsatz ist gegenüber der Norm nicht deutlich erhöht. 
Alimentäre Glykosurie schwer zu prüfen, da immer erbrochen wird; aber 
bei Ueberlastung mit Kohlehydraten in der Kost kein Zucker im Urin. 

II. Adrenalin: 5 Minuten nach der Injektion schon deutliche Steige¬ 
gerung der OOo bzw. 0 2 , und zwar für erstere um 26,6 pCt., für letz¬ 
teren um 11,6 pCt. RQ. steigt enorm an von 0,75 auf 0,95. 

Nach einer Stunde ist C0 2 schon deutlich abgefallen, dagegen 0 2 
weiter gestiegen und zwar um 24 pCt., RQ. wird daher annähernd 
normal. In einem zweiten Versuch starke Erhöhung der C0 2 bzw. 0 2 , 
zwar um 17 pCt. bzw. 23,4 pCt. 

III. Nach Pit. inf. Steigerung der CÜ 2 um 5,61 pCt., des 0 2 um 
9,9 pCt., RQ. wird nicht deutlich beeinflusst. In einem zweiten Ver¬ 
such dreiviertel Stunden nach der Injektion noch stärkere Steigerung der 
C0 2 bezw. 0 2 , und zwar für erstere um 19,3 pCt., für letzteren um 
25,8 pCt. 

Fall VIII. (Ti.) Akromegalie. (S. Falta: Beobachtung XXV.) 31 Jahre alt, 
seit 1903 allmähliches Grösserwerden der Hände, der Nase, Lippen, starke Kopf¬ 
schmerzen, Hauptpigmentierungen, Thyreoidea leicht vergrössert. Sella turcica 
auf Kirschen grosse, Behaarung hat stark zugenommen, Potenz erst in letzter Zeit 
wenig abgenommen. Alimentäre Glykosurie positiv. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte usw. 99 


Tabelle VIII. 


Datum 

1912 

Bemerkungen 

Injektion 

Zeit 

C0 2 

ccm 

0 2 

ccm 

Pro kg u. Min. | 

RQ. 

C0 2 

ccm 

0 2 

ccm 

14. 2. 

Purinfr. Diät 
nüchtern 

— 

— 

257,5 

342,0 

2,92 

3,80 

0,753 

16. 2. 

do. 

— 

1 - 

246,7 

328,8 

3,08 

3,65 

0,748 

16. 2. 

— 

2 ccm Pit. 
inf. 

40—G5 

297,0 

393,9 

3,30 

4,38 

0,754 

18. 2. 

Purinfr. Diät 
nüchtern 

— 

257,5 

327,5 

2,92 

3,64 

0,770 

20. 2. 

do. 

— 

— 

260,2 

330,4 

2,94 

3,67 

0,787 

23. 2. 

do. 

— 

— 

256,1 

327,9 

2,84 

3,64 

0,780\ 

23. 2. 

— 

2 ccm Pit. 
gland. 

30-55 

1 230,8 

i 

246,96 

2,56 

2,74 

0,935/ 

28. 2. 

Purinfr. Diät 
nüchtern 

— 

— 

255,6 

331,3 

2,84 

3,68 

0,7771 

28. 2. 

— 

2 ccm Pit. 
gland. 

30-55 

; 226,2 

262,8 

2,51 

2,92 

0,8011 

2. 3. 

Purinfr. Diät 
nüchtern 

— 

— 

254,9 

337,4 

2,83 

3,75 

0,7551 

2. 3. 

— 

1 mg Adren. 
subcutan 

1 5-30 

i 

i 

273,9 

302,3 

3,04 

3,36 

0,905) 

2. 3. 

— 

do. 

; 50-75 

265,0 

331,9 

2,94 

3,68 

0,798 


Ergebnis. 

I. Grundumsatz etwas höher liegend als der oberen Grenze der 
Norm entspricht; man kann kaum von einer Erhöhung sprechen. Ali¬ 
mentäre Glykosurie sehr ausgesprochen. 

II. Adrenalin: Wirkung des Adrenalins sehr gering, auch Tachy¬ 
kardie gering, Einwirkung auf den Grundumsatz ebenfalls sehr gering, 
doch steigt RQ. deutlich an. 

III. Nach Pit. inf. bedeutende Steigerung von C0 2 bzw. 0 2 um 20,3 
bzw. 19,8 pCt. (nach 40 Minuten). RQ. unbeeinflusst. 

IV. Mit Pit. gland. zwei Versuche. Im ersten Versuch nach einer 
halben Stunde Abfall der C0 2 um 9,89 pCt., 0 2 um 24,7 pCt. RQ. 
steigt von 0,78 auf 0,95. In einem zweiten Versuch eine halbe 
Stunde nach der Injektion ebenfalls Absinken von C0 2 und 0 2 für erstere 
um 11,5, für letzteren um 20,6 pCt. RQ. ebenfalls sehr hoch. 

Fall IX. W. F., 15jährige hypophysäre Dystrophie (siehe Falta: Beobach¬ 
tung XLIV). Angeblich bis zum 8. Jahre Rachitis, die Wachstumsstörung reicht 
jedenfalls sehr weit zurück, in letzter Zeit Abmagerung, heftiger Schwindel und 
Kopfschmerzen. 

121 cm hoch, 121 cm Spannweite, 63 cm Unterlänge. Einzelne Zähne, dem 
Milchgebiss angehörend, typische eunuchoide Fettverteilung, keine Zeichen von Ra¬ 
chitis, Genitale hochgradig hypoplastisch, Testis nicht völlig deszendiert, Behaarung 
am Stamm und Genitale fehlt völlig. 

Röntgenuntersuchung des Sohädels ergibt: Schädel hydrocephal, Sella von nor¬ 
malen Dimensionen, nur am Eingänge etwas erweitert, ihre Konturen erhalten, Ossi¬ 
fikation hochgradig zurückgeblieben. 

Chronischer Hydrooephalus, der anscheinend seit frühester Jugend durch Druck 
auf den Sellaeingang zu Störung der Hypophysenfunktion führte. Für letztere An- 

7 * 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



100 


Siegmund Bernstein, 


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nähme spricht erstens die Wachstumsstörung, die Störung der Ossifikation und Den¬ 
tition. Zweitens die Genitaldystropbie mit der typischen Fettsucht. Drittens die 
später zu erwähnende Thermoreaktion. Ferner dürfte dafür sprechen die Höhe der 
Toleranz für Kohlehydrate, die Hypothermie, der leichte Grad von Polyurie, und das 
Blutbild (Mononukleose, Anämie, Hämoglobinverminderung). 


Tabelle IX. 


Datum 

1912 

Be¬ 

merkungen 

Injektion 

Zeit 

C0 2 

ccm 

0 2 

ccm 

Pro kg u. Min. 

1 

HO. 

CO, 

ccm 

0 2 

ccm 

28. 10. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 

i 

156,3 

! 

| 187,2 

l 

5,04 

6,04 

0,836 

29. 10. 

do. 

— i 

i — 

160,6 

190,75 

5,18 

6.15 

0,842 

C. 11. 

do. 

— 

— 

160,9 

200,2 

5,03 

6,26 

0,804 

6. 11. 

do. 

5 ccm Pit. 
gland. 

! 20-50 

152,0 

161,0 

4,75 

5,03 

0,944 

13. 11. 

do. 

— 

— 

175,4 

203,2 

5,48 

6,35 

0,863 

13. 11. 

do. 

5 ccm Pit. 
gland. 

27—57 

165,9 

186,7 

5,18 

; 5,83 

0,889 

21. 11. 

do. 

— 

— 

147,8 

200,3 

4,62 

6,26 

0,738 

21. 11. 

do. 

5 ccm 

Fraktion 11*) 

20-50 

147,7 

199,0 1 

4,52 

6,22 

0,727 

23. 11. 

do. 

— 

— 

149,0 

185,2 

4,66 

5,79 

0.804 

23. 11. 

do. 

5 ccm 
Fraktion 1 

20—55 

128,6 

161.7 j 

1 

4,02 

5,05 

i 

0,796 


*) Siehe später. 


Ergebnis. 

I. F. ist 121 cm hoch und durchschnittlich zur Zeit der Versuche 
32 kg schwer; 15 Jahre alt. Bei seinem Eintritt in die Klinik (12. 9. 12) 
wog er 24 kg. Damals war er ziemlich mager, doch war die charak¬ 
teristische Fettverteilung deutlich ausgesprochen. In den beiden ersten 
Monaten des Aufenthaltes in der Klinik stieg das Körpergewicht rasch 
um 8 kg an, der Fettansatz erfolgte hauptsächlich arn Abdomen, so dass 
F. zur Zeit der Versuche schon deutlich das Bild der Dystrophia adi- 
posa genitalis zeigte. 

Es scheint uns am zweckmässigsten, die gefundenen Werte mit 
denen zu vergleichen, die Magnus Levy und Falck bei einem 11 jäh¬ 
rigen, 129 cm hohen und 26,5 kg schweren Individuum erhalten haben, 
da dieses Körpergewicht am ehesten der Grösse von F. entsprechen 
dürfte. Magnus Levy und Falck finden bei ihrem Knaben 6,24 ccm 
0 2 und 5,04 ccm C0 2 pro Kilogramm Körpergewicht. Da F. zur Zeit 
der Untersuchung zu fett ist, so sind die von uns pro Kilogramm be¬ 
rechneten Werte zu tief, andererseits ist F. um 8 cm kleiner als 
das Vergleichsindividuum von Magnus Levy und Falck. Es ist da¬ 
her bei ihm ein höherer Umsatz zu erwarten, als bei dem Vergleichs¬ 
individuum; diese beiden angeführten Momente dürften sich annähernd 
ausgleichen. Wir kommen daher zu dem Resultate, dass die von uns 
bei F. gefundenen Werte annähernd denen eines gleich grossen und gleich 
schweren Knaben entsprechen dürften. Wir finden nämlich für CÜ 2 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte nsw. 


101 


5,01 ccm pro Kilogramm Körpergewicht und Minute, für 0, 6,14 ccm 
als Mittel aus 6 Untersuchungen. Auch wenn wir die nächstliegenden 
Werte der Tabelle von Magnus Levy undFalck heranziehen, kommen 
wir zu dem gleichen Resulte. Bei einem 115 cm hohen, 21,8 kg schweren 
neunjährigen Knaben finden die erwähnten Autoren durchschnittlich 
6,79 ccm 0 2 und 5,73 ccm C0 2 . Auch bei dem zehnjährigen Knaben 
A. D. (Beobachtung von Magnus Levy und Falck) mit 131 cm Höhe 
und 30,6 kg Körpergewicht finden sie 6,28 0 2 , 5,23 C0 2 . 

Da das letztgenannte Individuum um 10 cm höher ist als F., so 
wären bei F. niedrigere Werte zu erwarten; dieser Vergleich spricht also 
jedenfalls auch dafür, dass der Umsatz bei F. nicht herabge¬ 
setzt ist. 


II. Nach Pit. gland. deutliche Herabsetzung der C0 2 -Produktion und 
des 0 2 -Bedarfes. und zwar im ersten Versuch für C0 2 um 5,5 pCt., für 
0 2 um 19,5 pCt. — In einem zweiten Versuche betrug die Herabsetzung 
der C0 2 -Produktion 5,4 pCt., die des 0 2 -Verbrauches 8,1 pCt. — Steige¬ 
rung des RQ. 

III. Fraktion I erwies sich als positiv, Fraktion II als negativ 
(siehe später). 

Versuch an einem Hund, sehr gut eingeatmet, liegt ohne Narkoticuni 
ruhig da. 

Tabelle X. 


Datum 

1912 

Bemerkungen 

Injektion 

! 

I Zeit 

i 

co 2 

| ccm 

0 2 

ccm 

| Pro kg 

C0 2 

ccm 

u. Min. 

0 2 

ccm 

RQ. 

22. 10. 

Gern. Kost 
nüchtern 

— 

— ' 

56,2 

77,6 

4,32 

5,97 

0,724 

25. 10. 

do. 

— 

— 

54,3 

67,04 

4,17 

5,16 

0,809 

26.10. 

do. 

— 

— 

49,3 

81,7 

3,85 

6,39 

0,603 

26. 10. 

do. 

— 

— 

54,6 

84,9 

4,26 

6,63 

0,643 

26. 10. 

do. 

Zweimal 3ccm 
Pit. gland. 

15-40 

54,96 

75,62 

: 

4,29 

5,91 

0,727 

26. 10. 

do. 

do. 

50—75 

59,76 

79,83 

4,67 

6,24 

0,749 

28. 10. 

do. 

— 

— 

57,42 

83,9 

4,48 

6,56 

0,684 

28. 10. 

do. 

10 ccm Pit. 
gland. 

30—55 

54,6 

77,55 

4,26 

6,06 

0,704 

2. 11. 

do. 

— 

— 

57,14 

81,92 

4,198 

6,16 

0,697 

2. 11. 

do. 

26 ccm Pit 
gland. 

30—55 

61,05 

81,64 

4,59 

! 6,14 

0,748 

2.11. 

do. 

do. 

90—105 

! 58,9 

79,8 

4,43 

6,00 1 

0,738 

18.12. 

do. 

— 

— 

58,23 

78,33 

4,07 

# 5,48 

| 0,743 

18.12. 

do. 

1 mgAdrenalin 
subcutan 

10-35 

60,82 

i 

| 82,17 

i 

4,25 

5,75 

0,740 

18. 12. 

do. 

— 

90 — 115 

74,44 

101,5 

| 5,21 

! 7,1 

0,733 


Ergebnis. 

I. Nach Adrenalin Steigerung des Grundumsatzes, jedoch keine Be¬ 
einflussung des RQ. 

II. Sowohl bei kleinen als auch bei grossen Dosen von Pit. gland. 
keine Beeinflussung des Grundumsatzes. RQ unverändert. 


Digitizer! by 


Gck igle 


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102 


Siegmund Bernstein, 


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Besprechung der Resultate. 

Versuche mit Adrenalin 

wurden angestellt: 1. bei einem Normalindividuum, 2. bei zwei Fällen 
von Akromegelie, 3. bei einem Fall von Infantilismus mit leichten Er¬ 
scheinungen von Hyperthyreoidismus und 4. bei einem Hund. 


U ebersichtstabelie. Adrenalinversuche. 


Versuchs¬ 

person 

Zeit 

Min. 

C0 2 

pCt. 

0 2 

pCt. 

RQ. 

Anstieg des Blut¬ 
drucks 

mm 

Puls¬ 

anstieg 

Gly- 

kosurie 

VIII 

5-30 

ca. 7 

-11 

20 

1 Geringe Steigung 

0 

0 


50-75 

, 4 

0 

6 

! do. 

0 

0 

VII 

5—30 

26,6 

11,6 

ca. 25 

20 

14 

Positiv 


50—70 

15,5 

24 

0 

12 

8 

do. 


20-45 

17 

23,4 

Nicht 

deutlich 

18 

1 i 

24 

do. 

1 

IV 

5-30 

29 

6,9 

ca. 20 

12 

14 

0 


50—75 

ca. 33 

11 

„ 22 

i o 

0 

0 


120-145 

„ 12 

— 4 

* 15 

o ; 

0 

0 

II 

9—31 

* 21 

ca. 7 

* 13 

35 

20 ! 

! o 


97—119 

» 12 

* 16 

0 

40 

25 

0 

Hund, grau 

10-35 

. 4 

r» ^ 

0 

0 

0 

0 


90-115 

> 27 

. 29 

0 

0 

0 

0 


In allen Versuchen findet sich ein deutliches Ansteigen 
der C0 2 und des 0 2 . Die Kurven für diese zwei Werte ver¬ 
laufen durchaus nicht gleichartig, es steigt nämlich der 0 2 - 
Verbrauch viel langsamer an, als die C0 2 -Produktion. (Nur in 
einem Versuche Ti findet zuerst ein leichtes Absinken des 0 2 -Bedarfes statt.) 
Durch dieses Verhalten der beiden Kurven steigt der RQ in der 
ersten Versuchsperiode beträchtlich an und zwar betrifft dies 
die erste halbe Stunde nach der Injektion. (Ausgenommen bei 
Versuch H. Fall IV, bei welchem 1\Q noch nach 2 ! / 4 Stunden deutlich 
erhöht ist.) Von Wichtigkeit erscheint uns, dass der RQ in den späteren 
Perioden nicht unter den vor der Adrenalininjektion beobachteten Wert 
absinkt, sondern den ursprünglichen Ausgangswert wieder erreicht. Bei 
den meisten Versuchen ist der Anstieg der C0 2 -Produktion und des Sauer¬ 
stoff-Verbrauches auch in den letzten Versuchsperioden noch nicht ab¬ 
geklungen, es zeigt sich also eine sehr beträchtliche Beeinflussung des 
(laswechsels durch das Adrenalin. 

In de-r Literatur liegen zahlreiche Versuche an Tieren vor. La 
Franca 1 ) konnte keine Veränderung des RQ nach Adrenalininjektion beim 
Hunde finden. Hingegen fand Häri *) nach intraperitonealer resp. subcu- 
tanerInjektion verhältnismässig grösserer Mengen von Adrenalin beiraHunde 
Steigerung des RQ, aber gleichzeitig auch Heruntergehen der C0 2 -Pro- 
duktion und des 0 2 -Bedarfes. In einem Versuch am Hund (siehe Ta¬ 
belle X) fanden wir in der ersten halben Stunde nur ein geringes, später 
nach anderthalb bis zwei Stunden aber ein sehr deutliches Ansteigen von 

1) 1. c. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte usw. 


103 


C0 2 und Oo, RQ wurde nicht beeinflusst. Dass in diesem Versuche der 
RQ nicht anstieg, liegt wahrscheinlich an der Glykogenarmut des Ver¬ 
suchstieres, welches 24 Stunden vor dem Versuch hungerte. Es trat 
auch keine Glykosurie auf. Warum unsere Versuche mit denen Hari’s 
nicht übereinstimmen, können wir nicht angeben, vielleicht ist die Curari- 
sierung der Tiere Hari’s schuld daran. 

Im vollkommenen Gegensatz zu unseren Versuchen scheinen die 
Versuche von G. G. Wilenko J ) zu stehen. Dieser Autor fand nach 
Adrenalininjektion bei normalen Kaninchen keine oder nur sehr geringe 
Steigerung des RQ. Wurde gleichzeitig Kohlehydrat zugeführt, so wurde 
die Steigerung des RQ fast ganz verhindert. Wilenko deutet seine 
Versuche in der Weise, dass durch das Adrenalin die Fähigkeit des 
Organismus, Kohlehydrat zu verbrennen, herabgesetzt wird. Dieser 
Deutung möchten wir uns, wie wir später noch ausführen werden, nicht 
anschliessen. Die Versuche Wilenkos lassen unseres Erachtens eine 
andere Deutung zu. Wilenko untersuchte den Gaswechsel erst eine 
Stunde nach der Adrenalininjektion oder noch später; in unseren Ver¬ 
suchen am Menschen finden wir aber, dass der RQ nach dieser Zeit be¬ 
reits wieder zur Norm zurückgekehrt ist. Es wäre also auch möglich, 
dass in den Versuchen von Wilenko die Wirkung auf den RQ bereits 
abgeklungen ist, ja man könnte sich sogar denken, dass bei gleichzeitiger 
Injektion von Adrenalin und Zufuhr von K.H. infolge der Adrenalin¬ 
wirkung sehr viel Zucker zum Teil ausgeschieden, zum Teil verbrannt 
wird, so dass nach einer Stunde der RQ niedriger liegt, als nach Zufuhr 
von Zucker allein. Für solche Versuche scheinen uns beim Menschen 
die Versuchsbedingungen sehr viel klarer zu sein, als bei Tieren, da auch 
in den Versuchen von Wilenko den Kaninchen Urethan gegeben worden ist. 

Endlich haben wir die Versuche von Fuchs und Roth 1 ) zu er¬ 
wähnen, die gleich unseren an Menschen angestellt wurden. Diese 
Autoren fanden bei normalen Individuen Steigerung der Atemzahlen, 
Steigerung des Minuten-Ateravolumens, Steigerung der C0 2 -Produktion 
und des 0 2 -Bedarfes, hingegen geben sie an, dass sie bei ihren normalen 
Versuchspersonen keine oder nur sehr geringe Steigerung des RQ gefunden 
haben. Bei zwei Versuchen an einem Falle von Morbus Addisonii trat 
eine Steigerung des RQ auf. Was die Versuche an normalen Individuen 
anbelangt, so ist darüber zu bemerken, dass bei Individuum I der Be¬ 
ginn der Gaswechseluntersuchung 20 Minuten nach Injektion von Adre¬ 
nalin fiel, in diesem Versuch findet sich auch noch in der 20. bis 
31. Minute eine deutliche Steigerung des RQ. 

Bei Versuchsperson II fällt der erste Versuch in die 12. bis 
21. Minute nach der Injektion, hier ist die Steigerung nicht deutlich; 
der zweite Versuch fällt in die 23. bis 38. Minute nach der Injektion, 
hier ist die Steigerung sogar noch sehr deutlich. 

Nach unseren eigenen Erfahrungep möchten wir es nicht für aus¬ 
geschlossen halten, dass auch Roth und Fuchs deutlichere Steigerungen 
des RQ bei normalen Individuen gefunden hätten, wenn sie unmittelbar 


1) 1. c. 


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Go igle 


Original fro-m 

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104 


Siegmund Bernstein, 


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nach der Injektion untersucht hätten. Eine auflallende und interessante 
Tatsache in einem Versuch von Roth und Fuchs ist sicherlich der 
Umstand, dass die Steigerung von RQ bei Addisonkranken wesentlich 
länger andauert, eine direkte Beziehung zur Addisonschen Krankheit 
können wir vorderhand darin nicht erblicken, da wir eine ähnlich lange 
Wirkung auch bei einem nichtaddisonkranken Individuum gesehen haben. 

Unsere Versuche an Menschen möchten wir in folgender Weise 
deuten: Dass der Grundumsatz nach Adrenalinjektion ansteigt, ist wohl 
nicht merkwürdig und war zu erwarten, da nach Adrenalininjektion 
Steigerung des Blutdrucks, Steigerung der Herzaktion, kurz Steigerung 
des Tonus der von den sympathischen Nerven versorgten vegetativen 
Erfolgsorgane eintritt; dazu kommt noch in den einzelnen Versuchen 
eine gewisse Unruhe der Patienten, besonders ein leichtes Zittern der 
Extremitäten, das sich nicht in allen Versuchen ganz ausschalten liess; 
doch haben wir bei der von uns untersuchten Normalperson eine der¬ 
artige Unruhe nicht beobachten können. Das Ansteigen des RQ nach 
Adrenalininjektion, das wir nach unseren Untersuchungen für erwiesen 
halten, lässt sich kaum anders deuten, als dass unter dem Ein¬ 
fluss des Adrenalins eine Mehrverbrennung von Zucker im Organismus 
statthat. Diese Mehrverbrennung muss in manchen Fällen sogar als 
eine sehr bedeutende angesehen werden, nach einer groben Schätzung 
dürfte in manchen Versuchen die Steigerung der Zuckerverbrennung 
mehr als 40 g betragen. Dieser Zucker dürfte wohl hauptsächlich aus 
den Glykogendepots in der Leber und in den Geweben der Peripherie 
(Muskeln, Drüsen usw.) stammen, denn es ist ja bekannt, dass 
nach Adrenalininjcktion nicht nur die Leber, sondern auch die Muskeln 
an Glykogen verarmen. Die Versuche zeigen eine gewisse Analogie 
mit älteren Versuchen über das Verhalten des RQ bei peroraler 
resp. intravenöser Einverleibung von Zucker. Magnus Levy (25), 
Durig (2t>) u. a. haben gezeigt, dass perorale Zufuhr von Zucker bei 
normalen Individuen zu einem bedeutenden Ansteigen des RQ eventuell 
bis 1,0 führt, das Gleiche gilt auch für intravenöse Zufuhr. Nach Unter¬ 
suchung von Zuntz und Mering(27) steigt nach intravenöser Dextrose¬ 
zufuhr der RQ gewaltig an. Bemerkenswert ist, dass dabei, wie besonders 
Blumenthal (2S) gezeigt hat, keine oder nur geringe Zuckerausscheidung 
eintritt. Ein Organismus mit normalem Zuekerstoffweehscl hat also die 
Fähigkeit, ihm im Ueberschuss direkt in den grossen Kreislauf zuge¬ 
führten Zucker rasch zu verwerten, dadurch kommt es nur zu verhältnis¬ 
mässig geringer Hyperglykämie, das Gleiche gilt hier auch bei exzes¬ 
siver peroraler Zufuhr von Zucker, bei der ebenfalls Zucker direkt in 
den grossen Kreislauf gelangt, sei es durch den Ductus thoracicus, sei 
es dadurch, dass die Leber dem ihr durch die Pfortader zufliessenden 
Zuckerstrom nicht gewachsen ist. In unseren Adrenalinversuchen haben 
wir ähnliche Vorgänge vor uns, nur mit dem Unterschied, dass der 
Zucker nicht von aussen zugeführt wird, sondern dass im Körper vor¬ 
handene Zuekerdepots in überstürzter Weise mobilisiert werden, wodurch, 
es unter Umständen ja bekanntlich zu so bedeutender Hyperglykämie 
kommen kann, dass Glyknsiirie au ft ritt. Wir möchten vermuten, dass 


Gck igle 


Original from 

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Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte usw. 


105 


die Mehrverbrennung von Zucker nach Adrenalininjeklion sowohl in der 
Leber wie in den peripheren Geweben, Muskeln, Drüsen usw. statthat. 
Die Abgabe von Zucker an das Blut dürfte allerdings nur von der 
Leber aus erfolgen, da in den Versuchen von Falta und Priestley (29) 
nach Ausschaltung der Circulation unterhalb des Zwerchfelles bei Ka¬ 
ninchen durch Injektion von Adrenalin in das Unterhautzellgewebe der 
oberen Körperhälfte das sonst auftretende Absinken des Blutzuckers 
nicht verhindert werden konnte. 

Auf einen Umstand möchten wir noch hinweisen: Die Steigerung 
der Zuckerverbrennung steht, wie aus der Tabelle hervorgeht, in gar 
keinem Verhältnis zur Glykosurie; so finden wir z. B. im Versuche Ho. 
mit der bedeutendsten Steigerung der Zuckerverbrennung keine Glyko¬ 
surie. Im Versuche U. ist die Steigerung etwa gleich der im Ver¬ 
suche Ti., dort trat Glykosurie auf, hier fehlte sie. Auch ein Paralle- 
lisraus zwischen Wirkung auf Herz und Gefässapparat und RQ besteht 
nicht: Im Versuche R. starke Wirkung auf den Gefässapparat und ver¬ 
hältnismässig geringe Steigerung des RQ, im Versuche Ti. ganz geringe 
Wirkung auf den Gefässapparat und starke Steigerung des RQ. Ebenso 
besteht auch kein Parallelismus zwischen der Wirkung auf Herz und 
Gefässapparat einerseits und Steigerung der Glykosurie andererseits. 
Die Wirkungen dissoziieren also 1 ). Wir möchten hierin wieder einen 
Beweis sehen, dass man nicht berechtigt ist, aus dem positiven Ausfall 
der Adrenalinglykosurie einen bindenden Schluss auf die besondere Er¬ 
regbarkeit der sympathischen Erfolgsorgane zu ziehen, wie Eppingcr 
und Hess (30) dies tun; anscheinend findet in jedem Fall Mobilisierung 
und Mehrverbrennung von KH. statt, allerdings in verschieden starkem 
Grade; ob es zur Glykosurie kommt, hängt aber auch noch von anderen 
Momenten ab. (Diuretische Wirkung, Verbrennung von KH. usw.) Auch 
die Erhöhung des Grundumsatzes ist nicht ausschliesslich von der Steigerung 
der Herzarbeit und des Blutdruckes allein abhängig (s. Versuch Ho.) 


Versuche mit Pituitrinum infundibulare. 

Uebersichtstabelle der Versuche mit Pit. inf. 


Versuchs¬ 

person 

Zeit 

Min. 

C0 2 

pCt. 

0 2 

pCt. 

RQ. 

pCt. 

I 

10-35 

13,5 

ca. 9 



54-79 

0 

r 6 

j 


10-35 

! 0 

0 

f 


45-70 

i 7 

8,5 

> keine Aendcrung 

Vlll 

40—65 

20,3 

19,8 

[ 

VII 

30-55 

! 5,61 

9,9 

] 


45-70 

19,3 

25,8 

i 

IV 

30-55 

i 7,41 

27,1 

Geringer Anstieg 


: 



ca. 5 pCt. 


Die Versuche mit Pit. in f. ergaben übereinstimmend (untersucht 
wurden ein Normalfall, zwei Fülle von Akromegalie, ein Fall von In- 

1) Vgl. die Untersuchungen von Falta, Newburgh und Nobel (31). 


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Go igle 


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106 


Siegmund Bernstein, 


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fantilismus und leichtem Hyperthyrcoidismus) ein gleichmässiges An¬ 
steigen von C'0 2 und 0 2J wobei der KQ keine Veränderung erfährt. 
Die Steigerung des Grundumsatzes hat wohl ihren Grund in der Tonus¬ 
steigerung gewisser sowohl sympathisch als auch autonom versorgter 
Erfolgsorgane. (Ich verweise diesbezüglich auf das Buch von Falta- 
Erkrankungen der Blutdrüsen). Besonders dürfte die Blutdrucksteigerung 
in Frage kommen. Durch diese Versuche scheint uns mit grosser Wahr¬ 
scheinlichkeit bewiesen, dass eine spezifische Beeinflussung des KH-StofT- 
wechsels, resp. eine spezifische Mobilisierung von KH durch das Pit. inf. 
nicht statt hat. Wir können in dieser Beziehung der Annahme 
Tushings (1. c.) nicht beipflichten. Dies stimmt mit früheren Unter¬ 
suchungen vonFalta, Newburgh und Nobel (1. c.) überein; diese Autoren 
studierten diese Frage unter anderer Versuchsanordnung und fanden 
keinen Einfluss auf die Glykosurie des Diabetikers. (S. Kapitel Glykosurie.) 


Versuche mit Pituitrinum glanduläre. 

Uebersichtstabelle I. 


Versuchs¬ 

person 

Zeit 

Min. 

C0 2 

pCt. 

1 °* 
pCt. 

RQ. 

pCt. 

I 

30-55 

i 

-9,5 j 

— 12,4 

+ 3 


30—55 | 

ca. — 5 ' 

ca. — 15 

+ 11 


30—55 | 

ca. — 11,4 

„ -11,5 

0 


9—34 

» — 5,5 

. -12 

+ 7 


45—70 

— 15,5 

- 15,3 

+ ? 


80—105 

— G 

— 11 

+ 11,5 


120—145 

-5,5 

! — 4 

0 


9—34 

— 5 

— 12,5 

+ 8 

VI 

30-55 

— 5,2 

— 11 

ca. + 7 

VIII 

30—55 

- 9,9 

— 24,7 

+ 20 


30-55 

— 11,5 

— 20,6 

+ 12 

III 

20-45 

0 

| —5,3 

+ 7 


45—70 

-6,4 

— 6,8 

0 

IX 

20-50 

ca. — 5,5 

1 —19,5 

ca. + 17,5 


27—57 

* -5,4 

- 8,1 

, +3 


Versuche mit Pit. gland. wurden angestellt: 1. 8 Versuche an einem 
normalen Individuum; 2. an einem Fall von Infantilismus mit leichtem 
Hyperthyrcoidismus; 3. an einem Fall von Akromegalie; 4. an einem 
Fall von Eunuchoidismus; 5. an einem Fall von hypophysärem Zwerg¬ 
wuchs. Die Versuche ergaben übereinstimmend die unerwartete 
Tatsache, dass der Grundumsatz nach Injektion dieses Mittels 
für längere Zeit herabgesetzt wird. (Siehe Uebersichtstabelle I.) Diese 
Wirkung kann sogar nach 145 Minuten noch merklich sein, pflegt aber um 
diese Zeit abzuklingen, ihr Maximum erreicht sie wahrscheinlich nach etwa 
1 Stunde: sie kann für die COo-Produktion bis zu 15 pCt., für den 
U 2 -Verbrauch bis nahezu 25 pCt. ausmachen, dabei sinkt in der ersten 
Periode der 0 2 -Verbrauch stärker ab als die C0 2 -Produktion, wodurch 
ein Ansteigen des 1{Q. zustande kommt, das in den meisten Versuchen 
eine Stunde andauert. Später ist 0 2 und C0 2 ungefähr gleichmässig 
abgesunken, so dass der RQ. wieder normal wird. Wir möchten Wert 


Gck igle 


Original fro-m 

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Studien über die Wirkung einzelner BLutdrüsenextraktc usw. 


107 


darauf legen, dass nicht nachträglich ein Absinken des RQ. unter die 
Norm stattfindet. Sehr schön lassen sich die zeitlichen Verhältnisse aus 
der folgenden Tabelle II, welche die an einem Patienten (Fall I) aus¬ 
geführten sämtlichen Versuche umfasst, ersehen: 


Uebersichtstabelle II. 


Versuchs¬ 

person 

Zeit 

Min. 

C0 2 

pCt. 

1 

i 

i 

RQ. 

pCt. 

I 

9—34 

ca. —5,5; —5,5 

— 12; — 12,5 

ca. 7,5*) 


30—55 

9,5 

— 12,4 

„ +11 


45—70 

ca. 15,5 

ca. — 15 

» + 7 


80—105 

* 6 

„ -ii 

* +11,5 


120—145 


. 

0 


*) Mittel aus zwei Werten. 


Wir wollen nun zuerst ganz davon absehen, welche Substanz in 
dem „Pit. gland. 44 eine solche Wirkung hervorbringt und ob sie zu 
der inneren Sekretion der glandulären Hypophyse in irgend einer Be¬ 
ziehung steht, sondern die Tatsache der Herabsetzung des Grund¬ 
umsatzes betrachten, die an sich — mag sie nun durch welche Substanz 
immer hervorgerufen sein — interessant ist und unseres Wissens 
völlig neu, insofern, als eine Substanz in ganz kleiner Menge eine solche 
bedeutende Wirkung erzielen kann. Herabsetzung des Grundumsatzes 
ist bisher nur beobachtet worden durch Einverleibung grosser Mengen 
von Alkali, Säuren und Salzen in bestimmter Konzentration [ältere 
Versuche von Chvöstek (32), neuere von Leimdörfer (33)]. Dass 
Säure oder Alkali in unseren Versuchen nicht in Frage kommen, 
können wir hier gleich ausschliessen; der Säuregrad der verwendeten 
Extrakte ist ein sehr geringer. Auch der Salzgehalt ist gering. Die 
enorme Wirkung weist jedenfalls auf eine physiologisch sehr wirksame 
Substanz hin. 

Auf den Mechanismus des Zustandekommens dieser Wirkung weisen 
die Versuche von Falta (1. c.) und Ivkovie hin. Diese fanden, dass bei 
intravenöser Injektion dieses Extraktes beim Hunde und Kaninchen be¬ 
trächtliche Blutdrucksenkung zu beobachten war (siehe Kapitel Blut¬ 
druck), in unseren Versuchen am Menschen liess sich diese Blutdruck¬ 
senkung nicht nachweisen, das scheint uns aber nicht viel zu bedeuten, 
da eine Gefässerweiterung durch Regulation in der Blutverteilung aus¬ 
geglichen werden kann. Die Einwirkung dieses Mittels auf den Gefäss- 
apparat lässt sich auch sehr schön in plethysmographischen Versuchen 
zeigen. [Siehe früher die Versuche von E. Neubauer (1. c.)J. 

Nun die Steigerung des RQ. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die 
Elimination der C0 2 irgendwie vorübergehend Schaden leide. Wenn 
derartige Veränderungen im Gasaustausch die Ursache des vorüber¬ 
gehenden Ansteigens des RQ. wären, so müsste man erwarten, dass 
nachher der RQ. unter den normalen Wert herabsinkt. Dies ist aber 
ebensowenig der Fall wie in den früher beschriebenen Versuchen von 


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108 


Sieg m u n d Bernstein, 


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Adrenalin, (.'überdies werden wir in einer anderen Mitteilung zeigen 
können, dass auch beim schweren Diabetiker die Erniedrigung des Gas- 
wechsels durch dieses Mittel ebenso stark eintritt, ohne dass der RQ. 
in irgend einer Weise beeinflusst wird. 

Es bleibt also nur übrig, die Ursache für das Ansteigen des 
BQ. in einer Aenderung des intermediären Stoffwechsels zu suchen. 
Ein Ansteigen des RQ. kann bedingt sein: Erstens durch eine 
Mehrverbrennung von Substanzen mit hohem RQ., hier käme wohl 
kaum etwas anderes als Zucker in Betracht; zweitens durch eine 
Glykogenbildung aus Eiweiss; drittens durch eine Fettbildung aus 
Zucker. 

Wir sind vorderhand nicht in der Lage, für eine dieser Annahmen 
befriedigende Gründe beizubringen, nur eines können wir sagen: wenn 
eine Mehrverbrennung von Zucker die Ursache ist, so kann dies nicht 
durch eine gesteigerte Mobilisierung von im Körper vorhandenen 
Glykogendepots bedingt sein, da wir, wie früher ausgeführt, das Blut¬ 
zuckerniveau nicht ansteigen, sondern vielmehr* abfallen sehen. Es muss 
daher angenommen werden, dass nach Pit. gland.-Injektion entweder 
eine Verminderung der Abgabe von Zucker aus der Leber oder ein 
Mehrverbrauch von Zucker in der Peripherie stattfindet. Für die An¬ 
nahme einer Fettbildung aus Zucker scheint im ersten Momente die 
Verminderung des 0 2 -Verbrauches hinzudeuten, es sinkt aber auch die 
OOo-Produktion. Ueberhaupt ist die Verminderung des gesamten Gas¬ 
wechsels selbständig und hat mit dem Ansteigen des RQ. nichts zu tun, 
da wir ersteren auch beim Diabetiker deutlich ausgesprochen finden, 
während letztere bei diesem vollkommen fehlt 1 ). 

Gerade das Ausbleiben der Steigerung des RQ. beim Diabetiker 
scheint uns darauf hinzuweisen, dass dieses Phänomen mit dem KH.- 
Stoffwechsel wirklich zu tun hat. 

Wir wenden uns nun der Frage zu, ob die beobachteten Wirkungen 
wirklich dem Extrakte der glandulären Hypophyse zukomraen. Wir 
glauben diese »Frage bejahen zu können, die einzige Beimengung zu dem 
verwendeten Extrakte ist das Chloreton. Das Extrakt ist eine meist 
gesättigte Lösung von Chloreton, wir injizierten 2 bis 3, höchstens 5 ccm. 
Wir haben daher auch Versuche mit Chloreton gemacht, diese aber er¬ 
gaben keinen Einfluss auf den Grundumsatz. (Siehe Versuche Fall II. 
Normalperson). 

Versuche mit C h 1 o re t o n. 


Versuchs¬ 

Injektion 

Zeit 

CÜ 2 

0_, RQ. 

person 

Min. 

pCt. 

pCt. ! pCt. 

II 

1 V a g Chlorcton 

60-85 

\ 


11 

do. | 

do. 

90—105 

90—105 

J keine Aenderung 


do. 

110 — 185 

) 



1) In einer gemeinsam mit Prof. Falta ausgeführten, demnächst zur Publikation 
gelangenden Untersuchungsreihe soll auf die Verhältnisse beim Diabetes noch ge¬ 
nauer eingegangen werden. 


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Original fro-m 

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Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte usw. 


109 


Das Extrakt gibt ferner eine Spur, unter Umständen eine deutliche 
Biuretreaktion, man müsste auch daher an Peptone und Albumosen 
denken, die ja auch blutdrucksenkend wirken. Wir haben das Extrakt 
durch Alkohol gefällt. Das Filtrat der Alkoholfällung wurde im Vakuum 
bei 40° nicht übersteigender Temperatur zur Trockene eingeengt, der 
Rückstand im Wasser gelöst, Fraktion I erwies sich, wie aus folgendem 
Versuch hervorgeht, positiv. (Siehe Versuch Fr.) 


Uebersichtstabelle der Versuche mit Fraktion 1. 


Versuchs¬ 

Zeit | 

co 2 

i 

0 2 

RQ. 

person 

Min. 

pCt. 

pCt. 

pCt. 

IV 

20-50 

1 

- 14 

ca. — 13 

1 ! 

keine 

Aenderung 


Fraktion II, Niederschlag der Alkoholfällung, wurde in Wasser ge¬ 
lüst, diese Fraktion erwies sich als wirkungslos. (Siehe Versuch Fr.) 


Uebersichtstabelle der Versuche mit Fraktion II. 



- - 

— 

-- 

-- — 

Versuchs- 

Zeit 

I co 2 

1 °2 : 

R<J. 

person 

Min. 

pCt. 

pCt. 

PCt. 

IX 

20-50 

keine 

Aenderung 

keine 

Aenderung 

keine 

Aenderung 


Die Substanz ist also durch Alkohol nicht fällbar, sie ist hitze¬ 
beständig, gibt keine Millonsche Reaktion, beim Eindampfen bleibt 
nur sehr wenig eines klaren Syrups übrig. Wir müssen also kleinen 
Mengen dieser Substanz eine grosse physiologische Dignität zu¬ 
schreiben. Cholin ist es nicht, denn erstens konnte die depressorische 
Wirkung des Extraktes auf den Blutdruck im Tierexperiment nicht aus¬ 
geschaltet werden (siehe Kapitel Blutdruck), und zweitens ergaben Ver¬ 
suche mit intravenöser Injektion sehr grosser Mengen von Borcholin 
keine Beeinflussung des respiratorischen Stoffwechsels. (Siehe Versuchs¬ 
person VI.) 

Mit Sicherheit können wir vorderhand nicht sagen, dass diese 
Substanz mit der inneren Sekretion der glandulären Hypophyse etwas 
zu tun hat, dieser Beweis wäre erst erbracht, wenn wir in den ab¬ 
führenden Venen oder Lymphbahnen die Substanz nachweisen könnten. 

VI. Beziehungen der Blutdrusenextrakte zur Wärmeregulation. 

Bekanntlich beobachtet man häutig nach Injektion grösserer Dosen 
von Adrenalin bei Tieren Temperatursteigerungen. Eppinger (1. c.), Falta 
und Rudinger haben nach der Injektion sowohl bei normalen, wie auch bei 
Schilddrüsen- und pankreaslosen Hunden Temperaturerhöhungen auftreten 
gesehen, und ähnliches beobachtet man auch beim Zuckerstich. Bei jenen 
kleinen Dosen, die man gewöhnlich beim Menschen verwendet, pflegt die 


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110 


Siegmund Bernstein, 


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Temperaturerhöhung auszubleiben, doch beschreiben Falta(l. c.), New- 
burgh und Nobel bei älteren Individuen mit rigiden Gefässen Schüttel¬ 
fröste, die eine halbe resp. zwei Stunden nach der Injektion auf¬ 
traten. (Ein Fall von Spondylitis tuberculosa und ein Fall von 
myeloischer Leukämie). Sie weisen darauf hin, dass auch sonst dem 
Schüttelfrost eine Periode des Fröstelns mit stark contrahierten Ge¬ 
fässen bei blasser Haut vorausgeht, wodurch eine Wärmestauung ein- 
tritt, die sich später in profusen Schweissen ausgleicht, es ähnelt 
das Bild des Schüttelfrostes also dem einer intensiven Reizung sym¬ 
pathischer Nerven. 

Andererseits ist bekannt, dass bei Tieren nach Nebennieren-Exstir- 
pation die Temperatur abzusinken pflegt, ein gleiches beobachtet man 
auch bei Tieren, denen das Halsmark an der Grenze des Brustmarkes 
durchschnitten wurde; in beiden Versuchsanordnungen sinkt auch be¬ 
kanntlich der Blutzuckergehalt bis auf Spuren ab. Wenn es sich auch 
bei allen diesen Experimenten um coraplicierte Eingriffe handelt, so 
deuten sie doch darauf hin, dass plötzlich starke Zustandsänderungen 
in der Funktion des chromaffinen Gewebes die Wärmeregulation durch¬ 
brechen und legen den Gedanken nahe, dass die Funktion des chrom¬ 
affinen Gewebes einen Anteil an der Wärmeregulation nimmt. Von 
sonstigen Beobachtungen aus der experimentellen Physiologie der inneren 
Sekretion sei noch erwähnt, dass bei pankreaslosen Hunden gegen 
das Ende des Lebens immer eine sehr starke Herabsetzung der 
Temperatur eintritt. Auch hier könnte man vermuten, dass die Ursache 
derselben in einem allmählichen Versiegen der Adrenalinproduktion ge¬ 
legen ist. 

Nun einige Worte über die Hypophyse. Schon von Frankl- 
Hoch wart (34) weist daraufhin, dass bei der hypophysären Dystrophie die 
Temperatur sehr tief, manchmal sogar abnorm tief eingestellt ist. Das¬ 
selbe gilt von den hypophyseopriven Hunden [Cushing (1. c.), 
Aschner (35)]. Cushing berichtet nun über die interessante Beob¬ 
achtung, dass bei solchen Tieren Injektion eines Extraktes aus der 
glandulären Hypophyse zu Temperatursteigerungen führt, während bei 
normalen Tieren die Injektion des Extraktes in dieser Beziehung 
wirkungslos ist. Auch bei Fällen von hypophysärer Dystrophie und bei 
solchen, bei denen Cushing eine Insuffizienz der Hypophyse vermutete, 
fand dieser Autor nach Injektion dieses Extraktes Temperatursteigerungen 
auftreten und er glaubt daher, dass dieser Reaktion diagnostischer Wert 
zukommt. Wir haben mit dem von uns verwendeten Pit. gland. eine 
Reihe von Versuchen nach dieser Richtung hin angestellt, über die wir 
hier in Kürze referieren wollen. 

An den Injektionsstellen traten niemals Schwellungen auf. Wenn 
die Thermoreaktion positiv ausfiel, bestanden während der Temperatur¬ 
steigerungen leichte Kopfschmerzen und deutliche Transpiration. Das 
Gesicht war gerötet, sonst keine subjektiven Symptome, Herabsetzung 
des Appetits, es bestand ein leichter Grad von Tachykardie. Im Harn 
fand sich weder Eiweiss noch Zucker. 


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Stadien über die Wirkung einzelner Blatdrüsenextrakte usw. 


111 


6 

55 

s 

Diagnose 

Pituitrin 

glanduläre 

ccm 

Thermo- 

reaktion 

Zucker 

1 

Adipositas dolorosa. j 

3 

8 (5 + 8) 

0 

0 

0 

0 

2 

Gastroenteritis*).| 

5 

8 (2 X 4) 

5 

0 

0 

0 

0 


| 

0 

0 

3 

Tabes dorsalis.< 

2X5 

0 

0 


1 

2X5 + 100 g 

0 

Keine 



Dextrose 


Glykosurie 


Diab. mell . j 

2X4 

0 

Steigerung der 

4 



Glykosurie 


2X5 

0 

do. 

5 

Infantilismus*), Hyperthyreose . . 

3 

0 

0 

6 

Sepsis chron. mit regelmässigen Tem- 





peratursteigerungen bis zu 39° C 

3 

0 

0 

7 

Nephritis cbron. 

3 

0 

0 

8 

Lungenabscess mit abendlichen Tem- 





peratursteigerungen bis gegen 39° C 

3 

0 

0 

9 

Myodcgeneratio cordis. 

8X4 

0 

0 

10 

Chlorose. 

5 

0 

0 


i 

3 

0 

0 

11 

Chronische Akromegalie (A) . . . < 

5 

2X3 

0 

0 

0 

0 


f 

2X5 

0 

0 

12 

Tetanie . j 

2 X 2,5 • 

5 

0 

0 

s 

13 

Diab. mell. grav. (B.). j 

3 

3 

0 

0 

0 

0 

14 

Adipositas . j 

5 

2X4 

0 

0 

0 

0 

15 

Akromegalie. < 

2 

2 

0 

o 

0 

o 


(Neigung zu Glykosurie) ; 

5 

o 

0 

0 

16 

(P.) Thyrcoaplasie. < 

2X5 

0 


l 

3 

0 

Keine deutl. 

17 

Diab. mell. (K.). < 

2X3 

5 

l 1 

Beeinflussung 
der Glykosurie 


1 

2X4 

: o 

18 

Diab. mell. grav. (Brh.). 

3 

i 0 

Keine 





Beeinflussung 
der Glykosurie 


f 

3 

0 

i 0 

19 

Eunuchoid.{ 

5 

: o 

0 


l 

5 

0 

0 


1 

2 

0 

0 


1 

2 

0 

0 


1 

2 

0 

0 


] 

3 

0 

0 

20 

Chronischer Gelenkrheumatismus . . < 

3 

0 

0 


j 

3 

0 

0 


j 

3 

0 

0 


1 

3 

0 

0 


\ 

5 Alkoholfällg. 

0 

0 

21 

F. R., 58 Jahre alt, starker Potator, j 





Diab. mell. Zucker erst vor kurzem I 
entdeckt, Arteriosklerose. Bei 250 g l 

2X4 Pituitr. 

0 

16,2, 14,0,**) 


Fleisch, 3 Eiern, 50 g Käse und l 

gland. 


20,0, 12,9, 


75 gSemmel werden ausgeschieden: 1 
8,2, 8,8, 7,35 g Dextr. — 10. 9. 1912 / 


7,37g Dextrose 



*) Nachmittags leichte Parästhcsien in Armen und Beinen und Appetitlosigkeit. 
**) Zuckerausscheidung in den folgenden Tagen. 


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112 


Siegmund Bornstein, 


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Lfd. 

No. 

Diagnose 

Pituitrin 

glanduläre 

ccm 

Thermo- 

reaktion 

Zucker 

22 

i 

16.9. 1912. j 2X5 

(Patient wird jetzt rasch zuckerfrei und hat später ei 
Fleisch, 3 Eiern, 50 g Käse und ca. 200 g Kohlehydra 
Injektion trat an der Injektionsstelle eine ziemlich 
Schwellung auf. Keine Temperaturstei 
Akromegalie. j 3 

0 ! 

ne Tölen 
ten. Na< 
diffuse, 
gerung.) 
0 

28,2, 11,8, 
7,4 g Dextrose 
inz von 250 g 
jh der zweiten 
, schmerzhafte 

0 


W. F., Hypophysäre Dystrophie. 


Datum 

Injektion 

i 1 

I Thermoreaktion 

l 

Bemerkungen 

27. 9. 1912 

4 ccm Pit. gland. 

Negativ 


6. 11. 1912 

10,30ccm Pit. gland. 

I 4 Uhr nachm. 37.5° 

Am nächstenTagTempe- 

Temp. an den 


6 „ * 38,5° 

ratur normal, von da an 

Vortagen 
zwischen 35,9 
und 36,5 


8 „ „ 38,1» 

schwankend zwischen 
35,8 und 36,5°. 


1 / 12 „ mittags 37° 




\ 2 Uhr nachm. 37,3° 


13. 11. 1912 

10 Uhr 5 ccm Pit. 
gland. 

4 „ * 37,2° 

G „ * 37,70 

Allmählich zur Norm 


, 8 „ „ 38o 

abfallend. 

14. 11. 1912 


/ 2 „ nachts 37,4° 

Von da ab Temperatur 


\ 6 „ früh 36,5° 

zu. 36—36,5°. 

21. 11. 1912 

5 ccm Fraktion II 

— 

Temperatur bleibt voll¬ 




ständig normal. 



11,50 vorm. 

Leider wurde hier nicht 

23. 11. 1912 

5 ccm Fraktion I 

1 2 Uhr nachm. 36,5° 

4 „ „ 37,50 

weiter gemessen, am 
nächsten Tag noch 



' 6 „ „ 37,70 

Temperatur bis 37°. 

20. 1. 1913 

3 ccm Pit. gland. 

Keine Reaktion 



La Roche 



22. 1. 1913 

6 ccm do. do. 

Keine Reaktion 


12. 2. 1913 

10 ccm do. do. 

Keine Reaktion 



Ergebnis. 

Bei 22 Fällen mit den verschiedensten Erkrankungen traten nach 
Injektion von 3 bis 10 ccm Pit. gland. niemals Temperatursteigerungen 
auf. Darunter befanden sich auch 2 Fälle von Akromegalie. Von Neben¬ 
erscheinungen beobachteten wir nur in einem Falle mit Gastroenteritis 
mehrere Stunden nach der Injektion leichte Parästhesien in Armen und 
Beinen, leichte Appetitlosigkeit, und bei einem Fall mit Diabetes mell. 
(Fall 21) eine diffuse schmerzhafte Schwellung an der Injektionsstelle. 

Hingegen sahen wir in einem Falle mit Dystrophia adiposogenitalis 
und Zwergwuchs bei etwas grösseren Dosen regelmässig bedeutende 
Hyperthermie auftreten, die ev. 2 1 / 2 Temperaturgrade betrug und oft 
erst nach 8 Stunden den Höhepunkt erreichte. Während der Temperatur¬ 
steigerungen bestanden leichte Kopfschmerzen und vermehrte Transpiration. 
Ferner fand sich fast bei jedem Versuche der Appetit vermindert und 
leichte Tachykardie. Auch in diesen Versuchen zeigte sich, dass die 


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Studien über die Wirkung einzelner ßlutdrtisenextrakte usw. 


113 


Fraktion I wirkte, während Fraktion II wirkungslos war. Das Extrakt 
aus dem glandulären Teil der Hypophyse von Hoffmann-La Roche 
zeigte sich auch in diesen Versuchen wirkungslos. Hier sei gleich er¬ 
wähnt, dass nach allen unseren Untersuchungen das Pit. inf. in dieser 
Beziehung ganz wirkungslos ist. Wir registrieren diese Beoabachtungen, 
auf eine Erklärung der complicierten Verhältnisse möchten wir uns vorder¬ 
hand nicht einlassen. 

VII. Bemerkungen zum Grundumsatz bei Blutdrusenerkrankungen. 

Unter den Individuen, deren Grundumsatz untersucht wurde, be¬ 
fanden sich einzelne mit Erkrankungen verschiedener Blutdrüsen, die wir 
hier nur kurz besprechen möchten: 

I. Zwei Fälle von Hyperthyreose: in beiden Fällen ist der Grund¬ 
umsatz erhöht, wie dies ja auch zu erwarten war. In einem Fall 
handelte es sich um einen Infantilismus mit Hyperthyreoidismus D, in 
dem anderen um einen typischen Morbus Basedowii; bei letzterem sind 
die grossen Schwankungen im Grundumsatz interessant, die auch sonst 
mit Schwankungen im Allgemeinbefinden und in der Intensität anderer 
Symptome des Basedows einhergingen. (Falta hat in seinem Buch auf 
diesen Fall hingewiesen.) 

II. Ferner ein Fall von Myxödem: hier ist der Grundumsatz herab¬ 
gesetzt und steigt nach Thyreoidindarreichung an. 

III. Ein Fall von Eunuchoidismus: hier findet sich der Grundumsatz 
normal, Untersuchungen des Grundumsatzes bei dieser Erkrankung liegen 
unseres Wissens bisher noch nicht vor. 

IV. Ein Fall von hypophysärer Dystrophie mit Zwergwuchs: hier 
ist der Grundumsatz normal. Bei einem andern Fall von hypophysärer 
Dystrophie, den ich untersuchte, scheint eine Herabsetzung des Grund¬ 
umsatzes da gewesen zu sein (36). 

V. Zwei Fälle von Akromegalie: die bisherigen Untersuchungen 
haben in den weitaus meisten Fällen eine Erhöhung des Grundumsatzes 
resp. des 0 2 -Verbrauches bei dieser Erkrankung ergeben, es wäre aber 
zu berücksichtigen, dass die meisten Fälle mit Basedow oder Diabetes 
mellitus compliciert waren. Die von uns untersuchten Fälle zeigten keine 
oder höchstens eine ganz minimale Erhöhung des Grundumsatzes. 

VIII. Schlussbemerkungen. 

Es wurde bisher eine grosse Arbeit auf das Studium der Blutdrüsen¬ 
extrakte verwendet, das Resultat ist in vieler Beziehung sicher von 
Wichtigkeit, es dürfte aber auch wohl heute noch grosse Vorsicht ge¬ 
boten sein, wenn man aus diesen Untersuchungen Aufschlüsse über die 
Pathologie der Blutdrüsenerkrankungen gewinnen will. Ich möchte mich 
zum Schluss nur auf den Hinweis beschränken, dass die von mir mit- 

l) Es handelt sich hier um eine Forme fruste, das Resultat stimmt mit den bis¬ 
herigen Beobachtungen, dass auch bei Forme fruste der Grundumsatz erhöht zu sein 
pflegt, überein. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. g 


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114 


Siegmund Bernstein, 


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geteilten Untersuchungen, besonders soweit sie sich auf die Beeinflussung 
des Gaswechsels beziehen, sehr gut in den Rahmen der Vorstellungen 
passen, die Falta (37) über die Einteilung der Hormone entwickelt hat. 
Falta unterscheidet zwischen acceleratorischen, resp. katabolischen oder 
dissimilatorischen und zwischen retardativen resp. anabolischen oder assi¬ 
milatorischen Hormonen. Das Schilddrüsensekret wurde dem ersteren 
zugezählt, ebenso das Adrenalin. Was das letztere anbelangt, so stimmt 
unsere Beobachtung — dass das Adrenalin den Grundumsatz wesentlich 
steigert — mit dieser Vorstellung überein; was das erstere betrifft, so 
ist ja die Steigerung des Grundumsatzes durch dasselbe schon lange be¬ 
kannt. Auch das Pit. inf. wurde den dissimilatorischen Hormonen zu¬ 
gezählt; auch hierfür hat der Befund, dass dasselbe den Grundumsatz 
steigert, eine Stütze gebracht. 

Zu den assimilatorischen Hormonen wurde das Pankreas, die Epithel¬ 
körperchen und der Hypophysen-Vorderlappen gerechnet. Was das 
letztere betrifft, so scheint auch hier das Resultat der mitgeteilten Unter¬ 
suchungen, dass dieses Extrakt den Grundumsatz herabsetzt, in den 
Rahmen dieser Vorstellungen zu passen. Selbst die Steigerung des RQ 
könnte als assimilatorische Funktion (Fettbildung aus Zucker) aufgefasst 
werden. 


Literatur. 

1. La Franoa, Diese Zeitsohr. Bd. 6. 

2. Hari, R., Ueber den Einfluss des Adrenalins auf den Gaswechsel. Bioch. Zeit¬ 
sohr. 1912. Bd. 38. I. S. 202. 

3. R6th und Fuchs, Diese Zeitschr. Bd. 10. 

4. Wilenko, G. G., Uebor den Einfluss des Adrenalins auf den respiratorischen 
Quotienten und die Wirkungsweise des Adrenalins. Biochem. Zeitschr. 1912. 
Bd. 42. 

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tary body. Journ. of physiol. 1895. Vol. 18. p. 277. 

6. Magnus und Schaefer, The actions of pituitary extract upon the kidney. 
Journ. of physiol. 1901, 1902. Vol. 27. 

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1910. Bd. 63. S. 347. 

8. Schäfer and Mackenzie, The action of animal extracts on milks ecretion. Proc. 
Roy. soc. London. 1911. Vol. 24. p. 16. 

9. Ott and Scott, The action of infundibulin on the mammary secretion. Proc.soc. 
exp. Biol. and Med. 1911. Vol. 8. p. 48. 

10. Bertelli, Falta und Schweeger, Ueber die Wechselwirkung der Drüsen mit 
innerer Sekretion III. Uebor Chemotaxis. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 71. 

11. Falta, W., Mitteilungen in der Gesellschaft f. innere Medizin u. Kinderheilkunde. 
Wien, 1910. Bd. 2. S. 24. 

12. Falta und Ivkovic, Protokoll der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien. Wiener 
klin. Wochenschr. 17. Dez. 1909. 

13. Hamburger, W. W., Action of extracts of the ant. lobe of the pt. gland. upon 
the bloodpressure. Amer. Journ. Phys. 1910. Vol. 26. p. 178. 

14. Bernstein und Falta, Mitteilungen des Kongresses für innere Medizin. Wies¬ 
baden 1912. 


Gck igle 


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Studien über die Wirkung einzelner Blutdrüsenextrakte usw. 


115 


15. Lewis D., Miller, J< Z. and Matthews, S. A., The effects on bloodpressure of 
intravenous injections of extracts of the various anatomical components of the 
bypophysis. Arch. of int. med. 1911. Vol. 7. p. 785. 

16. Neubauer, E., Ueber die Wirkungen antiglykosurische Mittel und über Leber- 
glykosurie. III. Bioch. Zeitscbr. 1913. Bd. 52. 1. und 2. Heft. 

17. Eppinger, Palta und Rudinger, Ueber die Wechselwirkungen der Drüsen mit 
innerer Sekretion. I. u. II. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 66 u. 67. 

18. Thompson and Johnston, Note on the effect of pituitary feeding. Journ. of 
Pbys. 1905. Vol. 33. p. 159. 

19. Schiff, A., Beeinflussung des Stoffwechsels durch Hypophysis-Thyreoideapräpa¬ 
rate. Zeitschr. f. klin. Med. 1897. Bd. 32. S. 284. Suppl. Wiener klin. Wochen- 
schr. 1897. 

20. Oswald, zitiert nach Biedl, Inn. Sek. II. 1913. S. 151. 

21. Malcolm, J., On the influence of pitutiary gland substance on metabolism. 
Journ. of Phys. 1904. Vol. 30. p. 270. 

22. Borchard, L., Die Hypophysenglykosurie und ihre Beziehungen zum Diabetes 
bei der Akromegalie. Zeitsohr. f. klin. Med. 1908. Bd. 66. S. 332. 

23. Cushing, H., The pituitary body and its disorders. Philadelphia-London 1912. 
Concerning the symptomatic differentiation between disorders of the two lobes of 
the pituitary body. Amer. Journ. of med. soc. 1913. Vol 145. p. 313. 

24. Carraro, Studio comparativo negli effetti delle injezioni di estratto d’ipofisi e di 
ghiandola surrenale. Arch. med. sc. Torino. 1908. Vol. 32. 

25. Magnus-Levy, Archiv f. d. ges. Phys. Bd. 55. 

26. Durig, Sitzungsber. der Akademie der Wissensch. Matheruatisch-naturwissen- 
schaftl. Klasse. Bd. 86. 

27. Zuntz und Mering, Arohiv f. die ges. Phys. Bd. 32. 

28. Blumenthal, Beiträge zur ohemischen Phys. und Path. Bd. 6. 

29. Falta, W. und Priestley, J. G., Beiträge zur Regulation von Blutdruck und 
Kohlenhydratstoffwechsel durch das chromaffine System. Berliner klin. Wochen- 
schr. 1911. Nr. 47. 

30. Eppinger und Hess, Die Vagotomie. Noordens Sammlungen klinischer Ab¬ 
handlungen. Berlin 1910. Heft 9/10. 

31. Falta, Newburgb und Nobel, Ueber die Wechselwirkungen der Drüsen mit 
innerer Sekretion, Ueberfunktion u. Konstitution. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 72. 

32. Chvostek, F., Centralbl. f. innere Med. 1893. Bd. 14. 

33. Leimdörfer, A., Bioch. Zeitschr. 1913. 

34. v. Frankl-Hochwart, Die Diagnostik der Hypophisistumoren ohne Akromegalie. 
16. Internat, med. Kongress. Budapest 1909. 

35. Aschner, Ueber die Funktion der Hypophyse. Pflügers Archiv. 1912. Bd. 146 
und Wiener klin. Wochenschr. 1912. 

36. Bernstein, Gaswechseluntersuchungen bei einem Falle von Hypophysengang¬ 
tumor. Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 1913. Bd. 1. Heft 1 u. 2. 

37. Falta, W., Erkrankungen der Blutdrüsen. Springer, 1913. 


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VI. 


Aus der Kgl. medizinischen Universitäts-Poliklinik zu Halle a. S. 
(Direktor: Prof. Dr. Mohr). 

Ueber Lipoidverfettung. 

(Eine kritisch experimentelle Studie.) 

Von 

Dr. Hermann J&strowitz, 

Assistenten der Poliklinik. 


Einleitung. 

Begriff der v»r- Lange Zeit hindurch galt für das Auftreten von Fett in pathologisch 
fettuDg. veränderten Organen die Virchowsche Lehre von der Fettinfiltration 
und Fettdegeneration als massgebend. Der Begriff der Fettinfiltration 
interessiert in chemischer Richtung nicht in der Weise wie der der Fett¬ 
degeneration. An letztere Vorstellung knüpfte bekanntlich Virchow den 
Gedanken von dem Entstehen von Fett aus dem Zellciwciss unter patho¬ 
logischen Bedingungen. Diese Lehre wurde weiterhin auf die Physiologie 
angewandt und die bekannten Pettenkofer-Voitschen Stoffwechsel¬ 
untersuchungen suchten ihnen eine Stützo zu verleihen. Ebenso suchte 
man mit Hilfe dieser Theorie physiologische Vorgänge zu erklären. Hierhin 
gehören die Entstehung von Fett, die bei der Milchbildung, der Käsereifung 
und der Entwicklung der Fliegenlarven stattfindet. 

Infiltrations* Diese Anschauung blieb vorherrschend, bis Pflüger (Arch. d. ges. 
tbeone. physitjl., 1892, Bd. 51, S. 229) auf die falsche Bilanz der Pettenkofer- 
Voitschen Experimente hinwies und auch zeigen konnte, dass die Leo- 
schen Versuche (Zeitschr. f. physiol. Chemie, 1885, Bd. 9, S. 469), die eine 
erhebliche Fettzunahme bei P vergifteten Fröschen gegenüber normalen 
feststellen konnten, sehr wohl lediglich durch eine Fettbildung aus Kohle¬ 
hydraten erklärt würden. Später versuchte dann Crem er (Zeitschr. f. 
Biol., Bd. 38, Neue Folge, Bd. 20, S. 309, Münchener med. Wochen¬ 
sehr., 1897, Nr. 29) durch Ueberfütterung von Katzen mit fettfreiem 
Fleisch eine Fettbildung aus Eiweiss im normalen Organismus nachzuweisen. 
Seine Versuche beruhten im wesentlichen auf der Tatsache, dass bei 
derart überfütterten Katzen der Quotient C : N im Muskelfleisch höher 
als in der Norm ist. Jedoch auch hier konnte Pflüger Einwände er¬ 
heben, denn in den Cremerschen Versuchen war nicht der N-Gehalt 
des Darminhaltes noch eine event. verschiedene Zusammensetzung des 
Katzen- und des Fütterungsfleisches berücksichtigt, und endlich lag die 
theoretische Möglichkeit vor, dass das Versuchstier grosse Mengen Tyrosin 
gebildet und retiniert hätte, die an sich schon genügen, um die Kohlen- 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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stoffzunahme des Katzenfleisches zu erklären. (Pflügers Arch. f. ges. Phy- 
siol., 1897, Bd. 68, S. 176.) Wenn auch die Pflügersche Annahme 
der Tyrosinbildung durch keinerlei Beweis gestützt wird, so ist doch zu¬ 
zugeben, dass ein zwingender Beweis für die Schlussfolgerungen Cremers 
nicht vorliegt. Wenn so alle Versuche, die normalerweise die Bildung 
von Proteinstoffen nachweisen sollten — die auf bakterieller Zersetzung 
beruhenden bei der Käsereifung u. a. seien hier übergangen — fehlge¬ 
schlagen waren, so beweist das Nichtvorhandensein oder besser die Un¬ 
möglichkeit des Nachweises einer Fettbildung aus Eiweiss im normalen 
Zustande noch nichts für das pathologische Geschehen. Es ist hier nicht 
der Ort im einzelnen auf alle Publicationen über die Frage der Ver¬ 
fettung einzugehen. Hingewiesen muss jedoch auf die Arbeiten von 
Rosenfeld und seine Theorie der Fettinfiltration werden. Zusammen¬ 
fassend hat Rosenfeld seinen Standpunkt in den Ergebnissen der Phy¬ 
siologie dargelegt (cfr. Ascher und Spiro, Ergebnisse der Physiologie, 
Bd. 1, S. 56 und Bd. 2, S. 50). Hier sind stach die zahlreichen Einzel- 
publicationen Rosenfelds ebenso wie die einschlägige Literatur wieder¬ 
gegeben. Rosenfeld leugnet jeden chemischen Unterschied zwischen 
Depot- und Degenerationsfett, der in früherer Zeit aufgestellt wurde. Einen 
chemischen Unterschied zwischen Degeneration und Infiltration glaubte zuerst 
Perls (Centralbl.f.d.med. Wissensch., Bd. 11, S.801) constatieren zukönnen. 
In einem Falle acuter gelber Lcberatrophie konnte er im Gegensätze zur 
fettinfiltrierten Leber eine Fettzunahme auf Kosten fester Bestandteile bei 
der Degeneration feststellen (Absinken der fettfreien Trockensubstanz). 
Dies ist insofern kein Beweis für eine erhebliche Differenz, als das Ab¬ 
sinken des fettfreien Rückstandes lediglich bedingt sein kann durch vermehrte 
Wasseraufnahme des Organs ohne abnormen Zerfall des Protoplasma- 
eiweisses. Mit der Ablehnung der Voit-Pettenkoferschen Lehre fand 
daher die Rosenfeldsche Anschauung von der Fettinfiltration einen ge¬ 
ebneten Boden. Die erste zusammenfassende Mitteilung über die Ein¬ 
wanderung von Transportfett in parenchymatös veränderte Organe hat 
Rosen feld bereits 1892 gegeben (cf. Verhandl. d. Congr. f. inn. Med., 
1892, S. 427). In der Discussion wies Leube bereits auf die Schwierig¬ 
keit hin, die sich aus der Rosenfeldschen Theorie für die Entstehung 
der Frage des arteigenen Fettesaus dem Nahrungsfett ergibt, einen Einwurf, 
den Rosenfeld durch die Hypothese der individuellen Resorptionsfähigkeit 
der in der Nahrung enthaltenen artspecifischen Fettarten zu entkräften 
suchte. Die wesentlichste Stütze seiner Theorie erblickte Rosenfeld 
darin, dass bei Verfütterung artfremden Fettes dieses sich in dem Paren¬ 
chym der im pathologischen Sinne degenerierten Organe ausnahmslos 
nachweisen liess (Ergehn, d. d. Physiol., 1903, Bd. 2, S. 67). Sicher gestellt 
erscheint jedoch nur, dass eine Ablagerung artfremden Fettes sich nur 
durch einseitige Ueberfütterung mit einer bestimmten Fettart erzielen 
lässt. Die ganzen Rosenfeldschen Untersuchungen beweisen im Grunde 
weiter nichts, als dass bei allen denjenigen Zuständen, die wir als fettige 
Degeneration im pathologisch-anatomischen Sinne aufzufassen pflegen, 
ein Transport von Fett aus den Fettdepots des Körpers in die geschä¬ 
digten Organe hinein stattfindet. 


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Hermann Jastrowitz, 


Diese Rosenfeldsche Anschauung blieb im allgemeinen adoptiert 
bis zum Jahre 1903. Hier war es Kraus (Verhandl. d. deutschen pathol. 
Ges. Kassel, 1903, S. 37), der auf verschiedene Facta hinwies, welche 
darauf hindeuten, dass das Fett nicht unverändert als totes Transport- 
material aufgenomraen und je nach den Umständen verbrannt oder in 
den Organen abgelagert wird, sondern eine wesentliche Umwandlung bei 
den vitalen Prozessen erfahren kann (erhöhte Resorption der Oelsäure, 
Oxydation ungesättigter Säuren, Abbau des Lecithins bei Hemiplegien sowie 
in Neoplasmen, Befund von Protagon im Sputum ebenso wie im sonst 
P-freien Fett). Demgegenüber hat Rosenfeld durch Mitteilung seiner 
Versuche an fettärmsten Hunden (ebenda, S. 73), die keinerlei Verfettung 
nach Vergiftung mit P zeigten, seiner Lehre eine neue Stütze zu geben 
gesucht. 

Begriff des Organ- Bei der Kritik der ganzen Frage kommt zunächst das Moment in 
Betracht, dass es sich bei dem Fett der Organe gar nicht handelt um 
ein einheitliches Fett, sondern um zwei verschiedene Formen des Auf¬ 
tretens der Lipoidsubstanzen. Einmal kommt hier das Depotfett in Be¬ 
tracht, weiterhin dasjenige, welches an das Protoplasma selbst gebunden 
ist. Letzteres kann entweder ein rein physikalischer Vorgang sein, was 
sich dadurch zu erkennen gibt, dass die Fettsubstanzen zwar nicht mikro¬ 
skopisch sichtbar, wohl aber chemisch leicht extrahierbar sind, oder aber 
es kann sich um eine festere physikalisch-chemische Bindung handeln, bei 
der ohne Auflösung des Organes die Lipoidsubstanzen nicht dargestellt 
werden können (gebundenes Fett im Sinne Taylors). Der Umstand, 
dass in den Organen zweierlei Formen Lipoidsubstanzen, vermutlich ganz 
verschiedener Function, vorhanden sind, legt es nahe, die Frage aufzuwerfen, 
ob der Weg, den Rosenfeld eingeschlagen hat, überhaupt geeignet ist, 
die Frage der Organverfettung zu klären. Es fragt sich vielmehr, ob 
nicht die Fettinfiltration lediglich eine mehr nebensächliche Begleiterschei¬ 
nung des Zellzerfalls darstellt, die Hauptsache des ganzen Vorgangs aber 
in etwas anderem gelegen ist. 

Wenn man auch den alten Virchowschen Begriff der fettigen De¬ 
generation von der direkten autochthonen Entstehung des Fettes aus Eiweiss 
fallen lässt, so kann man in einem anderen Sinne vielleicht von einer 
fettigen Degeneration sprechen, sobald man die Aenderungen ins Auge fasst, 
welche die gesamten Lipoidsubstanzen in ihrer Zusammensetzung erleiden. 
Weiterhin fragt es sich, ob das Fett in den Zellen bei der Infiltration liegen 
bleibt, weil die Zelle functionell geschädigt ist und das Nahrungsfett nicht 
verarbeiten kann, wie dies nach dem Vorgänge von Rosenfeld jetzt wohl 
allgemein angenommen wird, oder ob die Lipoide unter gewissen Um¬ 
ständen Schutzstoffe .gegen die das Organ treffende Schädigung dar¬ 
stellen, ein Gedanke, der namentlich für bakterielle Infektion nahe zu 
liegen scheint. 

Wichtigkeit der Bevor auf diese Fragen eingegangen wird, sei auf alle diejenigen 
Lipoide. Tatsachen hingewiesen, welche die wichtige Rolle der Lipoidsubstanzen 
im Organismus illustrieren. Hierbei gelangt man schliesslich zu dem 
Resultate, dass es gar nicht auf den Gehalt an Rohfett, und als solches 
kann man nur den Rosenfeldschen Extract auffassen, sondern auf die 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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Zusammensetzung des einzelnen Fettes ankommt. Die Bedeutung der 
qualitativen Zusammensetzung der Lipoidsubstanzen erhellt schon daraus, 
dass jedes einzelne Organ sehr verschiedenartige Körper enthält. So weiss 
man z. B., dass im Herzen organspezifische Monoaminodiphosphatide (Er- 
landsen, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 1907, Bd. 51, S. 71) in der Galle 
dagegen ein Diaminodiphosphatid (Hammersten, Zeitschr. für physiol. 
Chemie, 1902, Bd. 36, S. 28) vorhanden ist. Hierzu kommt, dass höchst¬ 
wahrscheinlich die Phosphatide zum Teil mit anderen Körpern Verbin¬ 
dungen eingehen können. Es sei hier an die Lecithin-Kohlehydratver¬ 
bindungen, die von Manasse (Zeitschr. f. d. physiol. Chemie, 1895, Bd. 20, 
S. 478), Bing (Skand. Arch. f. Physiol., 1901, Bd.ll, S. 166) und P. Meyer 
(Bioch. Zeitschr., 1907, Bd. 4, S. 545) beschrieben sind, sowie an Kuppelung 
von Aminosäuren mit Fettsäuren und Cholesterin (Abderhalden und 
Funk, Zeitschr. f. d. physiol. Chemie, Bd. 65, S. 61, sowie derselbe und 
Kautzsch, ibid., S. 69), erinnert. 

Physiologisch wohl noch wichtiger erscheinen die Additionsprodukte 
des Lecithins mit Eiweisskörpern, deren ersten Repräsentanten Hoppe- 
Seyler zuerst im Vitellin nachgewiesen hatte (Hoppe-Seyler, Med.- 
chem. Untersuchungen, 1867, S. 216, cit. nach Bang, Chemie usw., S. 63) 
und die dann Liebermann (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 1893, 
Bd. 54, S. 573) eingehender zu charakterisieren suchte. Ihre physiolo¬ 
gische Wichtigkeit wird dadurch nicht beeinträchtigt, dass wir eine sichere 
Kenntnis der physikalisch-chemischen Beschaffenheit dieser Substanzen 
nicht haben. Ganz besonders erhellt das daraus, dass bekanntlich nach Kyes 
(Berliner klin. Wochenschr., 1903, S. 956 u. S. 982, und Bioch. Zeitschr., 
1907, Bd. 4, S. 99) Toxine, wie Cobragift durch Lecithin activiert werden. 
Die hier skizzierten Verhältnisse lassen die ganze Frage von vornherein 
äusserst compliciert erscheinen, besonders wenn man erwägt, dass man 
die normalerweise vorkommenden Lipoidsubstanzen ihrer Constitution 
nach nur ungenügend kennt. Ferner ist mit den heutigen uns zur Ver¬ 
fügung stehenden grobchemischen Untersuchungsmethoden von zum Teil 
zweifelhaften Werte, eine Lösung kaum möglich. Die letzteren müssten 
höheren Anforderungen genügen, um einen so detaillierten Einblick in die 
Zusammensetzung der Lipoidsubstanzen, wie er für diese Zwecke erfor¬ 
derlich ist, zu erhalten. Es kann für den Organismus nämlich nicht 
gleichgültig sein, ob die Cholesterine frei oder als Ester und ob die 
Fettsäuren als solche, als Glyceride oder Seifen vorhanden sind. Das Gleiche 
gilt von der Menge der gesättigten und ungesättigten Fettsäuren und der 
verschiedenen Phosphatide, sowie dem Verhältnis, in dem alle diese Sub¬ 
stanzen in den einzelnen Organen zu einander stehen. So wissen wir 
z. B., dass die freie Oelsäure ebenso wie andere ungesättigte Fettsäuren 
hämolytisch stark wirksam sind (Faust und Tallqvist, Arch. f. exper. 
Pathol. und Pharmakol., 1907, Bd. 57, S. 375), während das reine Tri¬ 
glycerid der Oelsäure keine nennenswerte hämolytische Wirkung besitzt 
(Noguchi, Journ. of exp. Med., 1906, Vol. 8, p. 87, cit. nach Bang, 
Chemie usw., S. 106). 

Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass Abweichungen und 
Verschiebungen in der Zusammensetzung der Organlipoide sich bei der 


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Hermann Jastrowitz, 


ausserordentlichen Verschiedenartigkeit der Verhältnisse, wenn überhaupt, 
weit besser werden ergründen lassen, wenn man die Versuche an Tieren 
in normalem Ernährungszustand anstellt, als dass man wie Rosenfeld 
durch Fettüberfütterung denVersuch von vornherein kompliziert. Rosen¬ 
feld selbst hat ausdrücklich betont, dass (Verhandl. d. Kongresses 
deutscher Naturforsch, u. Aerzte, Cassel 1903, Bd. 2, S. 9) das Vor¬ 
kommen grösserer und kleinerer Fettmengeu wesentlich von dem All¬ 
gemeinzustande des Tieres abhängt; es Hessen nämlich fettärraste Hunde, 
die mit Substanzen, welche sonst zu Fettlebern führen, vergiftet wurden, 
eine solche vermissen, auch eine Abnahme des Fettgehaltes der Depots 
kam bei ihnen nicht mehr zustande. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass 
die arteficielle Fettüberladung uns nichts lehrt über die Veränderungen 
der Lipoidsubstanzen in den Organen; im Gegenteil, sie ist geeignet, eine 
etwaige chemische Abartung der Lipoidsubstanzen infolge des Transportes 
grosser Mengen Nahrungsfettes zu verschleiern. Wenn man daher die 
bisherigen Untersuchungen über den Fettgehalt anatomisch veränderter 
Organe kritisch bewertet, so wird man aus dem eben Dargelegten, sowie 
einem sogleich zu erörternden Grunde, dem absoluten Fettgehalt einen 
grossen Wert für die Beurteilung der funktionellen Schädigung des 
Organes nicht ohne weiteres beimessen dürfen. Es muss nämlich er¬ 
wogen werden, dass die Methoden, mit denen die einzelnen Autoren ge¬ 
arbeitet haben, durchaus verschiedene, zum Teil wie die ursprüngliche 
Soxhletsche Aetherextraktion unzureichende sind, oder wie die Alkohol- 
Chloroformmethode von Rosenfeld solche, die chemisch unreine Roh¬ 
produkte liefern, so dass man die Zahlen, die die einzelnen Autoren 
erhalten haben, zwar unter sich, aber nur schwer miteinander ver¬ 
gleichen kann. 

or K an- und Ueber die qualitative Zusammensetzung des Organfettes im 
Degenerations- einzelnen, sowie über eine abweichende Constitution der Lipoide in 
fett * funktionell geschädigten Organen gehen die Meinungen auseinander. Die 
Anschauung von der Identität der Körperfette geht zurück aufLebedeff 
(Zeitschr. f. physiol. Chemie, 1883, Bd. 6, S. 163). Dieser stehen neuere 
Befunde gegenüber, wie von Kenneway und Leathes (Proc. of Royal 
Soc. Phys., Febr. 1909), welche nachweisen konnten, dass ein grosser Teil 
der Lipoide der Leber aus ungesättigten Säuren beständen, die eine andere 
Zusammensetzung haben als das Depotfett, und von Röhmann und 
Lummert (Pflüger’s Arch., 1898, Bd. 71, S. 176), sowie von Y. Nukada 
(Biochem. Zeitschr., 1908, Bd. 14, S. 419), die einen erhöhten Gehalt an 
Oxyfettsäuren in der Leber gefunden haben. Weiterhin wissen wir durch 
Untersuchungen von Abderhalden und Brahm, dass das Nahrungsfett 
von dem eigentlichen Organfett essentiell verschieden ist (Zeitschr. f. physiol. 
Chemie, Bd. 65, S. 330). Das bekannteste und sicher einwandfreie 
Beispiel für die Nichtidentität der Körperfette ist der Unterschied zwischen 
Depot- und Milchfett. Auch aus der Pathologie lässt sich eine Reihe 
Beispiele anführen, welche die unterschiedliche Zusammensetzung normaler 
und verfetteter Organe illustriert, wenn auch* hier die Resultate keines¬ 
wegs völlig gesichert oder unangreifbar erscheinen. So hat bereits Heffter 
(Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol., 1891, Bd. 28) bei experimenteller 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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P-Vergiftung eine Abnahme des Lecithins wahrscheinlich gemacht. Eine ge¬ 
wisse Rolle spielte hierbei immer der Gedanke an eine abnorme autochthone 
Entstehung von Fett, namentlich aus Eiweiss. Auf diese Möglichkeit hatte 
zuerst Leo (Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 9, S. 269) bei phosphor¬ 
vergifteten Fröschen hingewiesen, während Polimanti (Pflügers Arch. 
f. d. ges. Physiol., 1898, Bd. 70, S. 349) glaubte, hierfür einen zwingen¬ 
den Beweis erbracht zu haben, eine Anschauung, welche einer ein¬ 
gehenden Kritik weder methodisch (Nerking, ebenda, Bd. 71, S. 427) 
noch in der Versuchsanordnung (Pflüger, ebenda, Bd. 71, S. 318) stand- 
hiplt. Ebenso wurde auch der Lindemannsche Versuch, einen quali¬ 
tativen Unterschied zwischen Infiltrations- und Degenerationsfett auf 
Grund einer Erhöhung des Gehaltes degenerierter Organe an un¬ 
gesättigten und flüchtigen Fettsäuren zu construieren (Lindemann, 

Zeitschr. f. Biol., Bd. 38, S. 405, sowie Zieglers Beitr., 1899, Bd. 25, 

S. 392) nicht allgemein anerkannt. Auf eine Reihe weiterer hierher 
gehöriger Tatsachen ist schon bei Erwähnung des Krausschen Referates 
(Verhandl. d. deutschen pathol. Gesellsch., 1903, 1. c.) hingewiesen. Kurz 
erwähnt sei noch die Zunahme des freien Fettes im Blute bei Phosphor¬ 
vergiftung (Mansfeld, Pflügers Arch., Bd. 129, S. 64), die Unmöglich¬ 
keit, bei dieser Intoxikation ungesättigte Fettsäuren in das Phosphatid- 
molekül einzuführen (Ioannovicz und Pick, Wiener klin. Wochenschr., 

1910, Nr. 16, S. 573), der erhöhte Oleingehalt nephritisch veränderter 
Nieren • trotz nicht wesentlich alterierten Gesamtlipoidgehaltcs der¬ 
selben, wie dies Taylor (Pflügers Arch., 1900, Bd. 81, S. 131) nach¬ 
gewiesen hat. 

Wenn es rein chemisch genommen auch immerhin als einigermassen To ” so V >Wir l [ .! inB 
sicher gelten kann, dass Organ- und Depotfett nicht identisch sind, so liegen 
für die qualitative Differenz zwischen normalem und Degenerationsfett 
nur Wahrscheinlichkeitsbeweise vor; vor allem gibt es eine Reihe ex¬ 
perimentell-biologischer Tatsachen, die sich nur zurückführen lassen auf 
eine abnorme Zusammensetzung bzw. das Auftreten giftiger Lipoidstoffe. 

Dass es eine Reihe toxischer Lipoidsubstanzen gibt, dafür gibt es zahl¬ 
reiche Beispiele. So wissen wir, dass die Lipoide artfremder roter Blut¬ 
körperchen injiziert, giftige Wirkungen mit Blutdrucksenkung und Todes¬ 
erfolg auslösen können (Gottlieb und Lefraann, Med. Klinik, 1907, 

Bd. 3, S. 44, sowie letzterer, Hofmeisters Beitr., 1908, Bd. 11, S. 252). 

Auch das Lecithin selbst kann, abgesehen von seiner schon erwähnten 
aktivierenden Wirkung auf Cobragift (Preston Kves, 1. c.) hämolytische 
Wirkungen entfalten (Düngern und Coca, Biochem. Zeitschr., 1908, 

Bd. 12, S. 409, Münchener med. Wochenschr., 1907, Nr. 47). Hierher 
gehört weiterhin die Hämolyse durch die ungesättigten Fettsäuren, 
speziell die Oelsäure (Faust und Talqvist, 1. c.), weiterhin die hämo¬ 
lytische Wirkung von Organextrakten, so die Eigenschaft des Pankreas¬ 
saftes sowohl an sich (Korschun und Morgenroth, Berliner klin. 
Wochenschr., 1902, S. 870), wie auch im Verein mit Lecithin (Friede¬ 
mann, Deutsche med. Wochenschr., 1907, S. 585) ein Hämolysin zu 
bilden; ebenso die von Ioannovicz und Pick (Zeitschr. f. experim. 

Pathol. u. Therapie, 1909, Bd. 7, S. 185) erhobenen Befunde über das 


der Lipoide. 


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Hermann Jastrowitz, 


Vorkommen hämolytischer Stoffe in Lebern mit Toluylendiamin und 
Phosphor vergifteter Hunde, eine Beobachtung, welche auch von Mai¬ 
dorn (Inaug.-Diss., Halle 1912) bestätigt werden konnte. Es würde 
hier zu weit führen, im einzelnen auf die Rolle der Lipoide bei den 
Immunitätsvorgängen einzugehen. Dies um so mehr, als die Körper bei 
solchen biologischen Reaktionen nicht in einer Menge auftreten dürften, 
wie sie innerhalb der Grenze des Nachweises für die bisherigen che¬ 
mischen Methoden liegt. Nur kurz sei nochmals darauf hingewiesen, 
dass die Lipoidsubstanzen nicht in dem Sinne artspezifisch sein dürften, 
wie dies für die Eiweisskörper der Fall ist (Eisler, Zeitschr. f. experim. 
Pathol. u. Therapie, Bd. 3, S. 296). Auch scheint in einzelnen derselben 
die Wirkung an ganz bestimmte Gruppen gebunden zu sein, so z. B. für 
das Cholesterin der die Hämolyse hemmende Effekt an die Hydroxyl¬ 
gruppe (Abderhalden und Le Count, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. 
Therapie, 1906, Bd. 2, S. 199). 

Bedeutung derLi* Es ist in neuerer Zeit auch in der Klinik den Lipoidkörpern 
niaehe Pathologie eine grössere Beachtung geschenkt, namentlich ist in dieser Richtung 
und die Andmien. ^ ag un tersucht worden. So haben Klemperer und Umber bei 
Diabetes auf die Lipämie im Serum erneut aufmerksam gemacht (Zeit¬ 
schrift f. klin. Med., Bd. 61, S. 145, und Bd. 65, S. 340); Kimura 
und Stepp (Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 104, S. 209) haben in 
einzelnen Fällen des Diabetes hohe Lecithin werte constatiert, nachdem 
der letztere bereits experimentell auf die Wichtigkeit lipoidhaltiger Nahrung 
bei Mäusen aufmerksam gemach thatte (W. Stepp, Biochem. Zeitschr., 
1909, Bd. 22, S. 451). Endlich seien noch die Bestrebungen von Peritz 
erwähnt, bei parasyphilitischen Erkrankungen des Nervensystems eine 
Lecithinverarmung des Körpers nachzuweisen (Zeitschr. f. experim. Pathol. 
u. Therapie, 1908, Bd. 5) namentlich auch mit Rücksicht auf abnorm hohe 
Phosphatidwerte im Kote (Deutsche med. Wochenschr., 1908, Bd. 45, 
S. 53). 

Weit grösser als diese in ihrer Bedeutung noch nicht geklärten 
Befunde ist seither die Rolle, welche die Lipoidsubstanzen in der 
Frage der Anämie gespielt haben. So sah bereits Cohn heim die 
Ursache der Nichtverbrennung des Fettes unter allen Umständen in einer 
unzureichenden Zufuhr von Sauerstoff (Allg. Pathol., Berlin 1877, Bd. 1, 
S. 545) und weist (Ebenda, Bd. 1, S. 550) darauf hin, dass für die 
anämischen Krankheitsbilder die Verfettung zu den typischen patho- 
gnomonischen Erscheinungen gehöre. Allgemein bezog man damals die 
Verfettung auf eine ungenügende Sauerstoffzufuhr, eine Anschauung, 
welche A. Frankel (Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 67, S. 273) ex¬ 
perimentell durch die von ihm beobachtete Herabsetzung des Sauerstoff¬ 
verbrauchs nach Aderlässen zu stützen glaubte. Sehr bald wurde jedoch 
die Ansicht von der lediglich durch O-Mangel bedingten Verfettung einer 
Revision unterzogen. 

So konnte H. Meyer (Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol., 
1877, Bd. 14, S. 313) bei Kaninchen durch Aderlassanämie keine Ver¬ 
fettung erzeugen, und Kraus konnte weder bei der Autolyse der Hunde¬ 
leber, noch nach Abschnürung einzelner Lappen derselben eine Ver- 


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Ueber Lipoid Verfettung. 


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fettung nachweisen (Arch. f. experim. Fathol. u. Pharmakol., 1887, 
Bd. 22, S. 174), ebensowenig wie früher Cohnheim und Litten nach 
Unterbindung von Aesten der Leberarterie in den nekrotischen Leber¬ 
partien eine Verfettung constatieren konnten. (Virchows Arch., ßd. 67, 
S. 153.) Ferner wies Kraus gemeinsam mit Chvostek darauf hin 
(Wiener klin. Wochenschr., 1891, Nr. 33, S. 605), dass der 0 2 -Verbrauch 
trotz schwerer Anämie normal sein könne, somit von einem Sauerstoff¬ 
mangel nicht die Rede sei. Erst als man in den letzten Jahren die 
Wichtigkeit der Lipoidsubstanzen für die ImmunitätsVorgänge, wie oben 
kurz skizziert worden ist, kennen lernte, erlangten die Fettsubstanzen 
für die Theorie der Anämien wiederum eine erhöhte Bedeutung (cf. Mohr, 
Handb. d. Biochemie, Bd. 4, herausgeg. von Oppenheimer). Besonders 
seitdem Tallqvist (Zeitschr. f. klin. Med., 1907, Bd. 61, S. 427) aus der 
Bothriocephalusleibessubstanz ein Hämolysin isolierte, besteht die Tendenz, 
auch für die übrigen Formen der Anämie auf einen Lipoidstoff zu 
fahnden, der vielleicht im Darme entsteht oder dort resorbiert wird. 
Dieser Gedanke liegt um so näher, als sowohl Hunde durch Verfütterung 
von Bothriocephalusgliedern (Schaumann und Tallqvist, Deutsches 
med. Wochenschr., 1898, Nr. 20) schwer anämisch werden, als es auch 
gelang, nach Isolierung der in vitro hämolytisch wirkenden Oelsäure aus 
letzteren (Faust und Tallqvist, 1. c) durch Verfütterung derselben so¬ 
wohl bei Kaninchen wie bei Katzen (Arch. f. experim. Pathol. u. 
Pharmakol., Festschr. f. Schmiedeberg, 1908, S. 61) eine mehr oder 
weniger schwere experimentelle Anämie zu erzeugen. Aehnlich hat 
Preti (Münchener med. Wochenschr., 1908, Nr. 9) behauptet, dass 
die Leibessubstanz des Anchylostomum hämolytisch wirke, eine An¬ 
gabe, die ich auf Grund vergeblicher, in dieser Richtung unter¬ 
nommener Versuche nicht bestätigen konnte. Bemerkenswert erscheint 
in dieser Hinsicht, dass Tsuchiya und Berger aus der Schleim¬ 
haut perniciös Anämischer ein zehnmal stärker hämolytisch wirksames 
Aetherextrakt darstellen konnten, als aus der normalen (Deutsches 
Arch. f. klin. Med., 1909, Bd. 96, S. 252). Diese Autoren konnten 
auch eine derartig stark hämolytische Substanz bei normalen Hunden 
im Darme erzeugen, wenn sie durch Reizmittel einen Darmkatarrh er¬ 
zeugten. 

Aus den hier gemachten Ausführungen geht einmal hervor, dass bei 
all den uns bekannten Giften, die Organdegenerationen und Verfettung 
auslösen, ein Fetttransport, wie ihn Rosenfeld annimmt, regelmässig 
stattfindet, dass jedoch Momente vorhanden sind, die für eine vom Depot¬ 
fett verschiedene Zusammensetzung des Degenerationsfettes sprechen, 
d. h. dass eine physikalisch-chemische Deconstitution der Zelle im Sinne 
von Kraus (Verhandl. der 75. Versamml. d. Naturforsch, u. Aerzte, 
Cassel 1903, 2. Teil, S. 7), (Mohr, Verhandl. d. Gesellsch. deutscher 
Naturforsch., Königsberg 1911) stattfindet. Weiterhin weiss man, dass 
die Lipoidsubstanzen im Experiment als Toxine bzw. besonders Hämo¬ 
lysine auftreten können, und dass sie vermutlich eine ähnliche Rolle bei 
den uns bekannten schweren Bluterkrankungen (Bothriocephalusanämie, 
Biermersche Anämie usw.) spielen dürften. 


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Hermann Jastrowitz, 

Auf die Veränderungen, die einzelne Autoren bei parenchymatösen 
Degenerationen in der Zusammensetzung der Lipoidstoffe constatiert 
haben, wird, soweit sie nicht im Vorhergehenden schon zur Sprache ge¬ 
bracht sind, weiter unten bei den einzelnen Versuchen ausführlicher ein¬ 
gegangen werden. Erinnert sei noch kurz daran, dass Taylor (cit. 
nach Maly, 1904, Bd. 33, S. 83, nach Journ. of med. research, 1903, 
p. 959) bei phosphorvergifteten Fröschen weit mehr freies Fett* als bei 
normalen extrahieren konnte, dass es nach den anatomischen Unter¬ 
suchungen von Kawamura (die Cholesterinesterverfettung, Jena 1909) 
als wahrscheinlich gelten kann, dass Cholesterinanhäufungen in patho¬ 
logisch veränderten Organen Vorkommen. 

Auch in den Fällen, in denen Abweichungen in der Menge der 
einzelnen Lipoidstoffe nicht Vorkommen, liegt noch eine weitere Möglich¬ 
keit einer Deconstitution des Parenchyms ira chemisch-physikalischen 
Sinne vor, auch ohne dass man, wie dies von Biermann geschehen ist 
(Pflügers Arch., 1893, Bd. 54, S. 573), die Existenz von Lecithin- 
Eiweissverbindungen im chemischen Sinne anniramt. Es wäre denkbar, 
wie dies auch von Bang auf Grund mikroskopischer Untersuchungen 
(Bang, Chem. usw., S. 166) zugegeben wird, dass bei Schädigung der 
Zelle eine vielleicht nur rein physikalisch bestehende Kuppelung 
zwischen Eiweiss und Lipoictetoffen zerfällt und so eine erhöhte Extrakt¬ 
menge sich durch die üblichen Lipoidsolventien aus dem Organ heraus¬ 
lösen lässt (freies Fett im Sinno Taylors 1. c.). Dies stimmt auch mit 
der von Nerking (Pflügers Arch., 1898, Bd. 73) aufgestellten Theorie 
des schwer extrahierbaren Fettes und der Tatsache, dass erst nach 
völliger Aufspaltung der Organsubstanz (Dormeyer, Pflügers Arch., 
Bd. 55, S. 6, Kumagava und Suto, Biochem. Zcitschr., Bd. 8, S. 212) 
von einer einigermassen vollständigen Extraktion der Lipoidsubstanzen 
die Rede sein kann. 

Wenn diesen Untersuchungen gegenüber auch eine Reihe solcher 
steht, welche im chemischen Sinne hinsichtlich der Abartung verfetteter 
Organe zu einem negativen Resultat gekommen sind, so schien es doch 
nicht aussichtslos, bei der immerhin nicht unbeträchtlichen Zahl ab¬ 
weichender Beobachtungen chemischer und namentlich biologischer Natur 
systematisch sowohl ihrem Mengenverhältnis nach, wie grob qualitativ 
die Fettstoffe zu untersuchen. Man konnte doch daran denken, zum 
mindesten qualitative Verschiebungen der einzelnen Bestandteile der 
Organlipoide (Cholesterin, Phosphatide, Fett) in degenerierten Organen 
gegenüber normalen aufzufinden, wenn auch nicht anzunehmen war, dass 
es gelingen würde, Anhaltspunkte für das autochthone Entstehen der¬ 
artiger Substanzen im Organ selbst aufzudecken. 

Der Zusammenhang, in dem nach den letzten Ausführungen die 
Lipoide zur Anämie zweifellos stehen, lassen cs weiterhin angezeigt 
erscheinen neben den grob anatomisch wirkenden Protoplasmagiften 
namentlich solche Gifte heranzuziehen, die daneben auch zerstörend 
auf das Blut wirken und die selbst zum Teil lipoide bzw. lipoidlösliche 
Körper darstellen. 


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Ueber Lipoid Verfettung. 


125 


Anhangsweise sind auch, wie schon vorn erwähnt, einige orientierende 
Bestimmungen vorgenommen worden, um festzustellen, ob unter dem 
£iniluss der verabfolgten Giftsubstanzen auch die Eiweisskörper der 
parenchymatösen Organe eine Veränderung erleiden. Dies erschien um 
so wünschenswerter, als verschiedene frühere Untersucher bereits der¬ 
artige Veränderungen haben constatieren können, und es sich nun fragte, 
ob dort, wo in den vorliegenden Versuchen, Veränderungen in der Menge 
der Zusammensetzung der Lipoidsubstanzen Vorlagen, auch solche bei 
den Proteinstoffen aufgefunden werden konnten, denn es war anzunehmen, 
dass, sobald eine chemische Abartung der Fette eintritt, auch die Eiweiss¬ 
körper eine ebensolche erfahren. 

Zum Zwecke der vorläufigen generellen Uebersicht konnte, zumal es 
sich hier um eine grössere Zahl lediglich orientierender Untersuchungen 
handelte, von einer Isolierung einzelner Aminosäuren nicht die Rede 
sein, sondern es musste ein Verfahren gewählt werden, das gestattete, 
einen raschen Ueberblick in die Zusammensetzung des betreffenden Organ- 
eiweisses zu erhalten. 

Ich habe mich daher aus dem erwähnten Grunde auf eine Bestimmung 
des sog. Amid-Stickstoffes, d. h. des N der Ammonium-Salze und der 
Säureamide im Gegensatz zum Gesamt-N beschränkt. An anderer Stelle 
wird auf die methodischen Bedenken eingegangen werden. Es erübrigt 
sich nur zu erwähnen, dass verschiedene Untersucher bereits einem ähn¬ 
lichen Gedankengang gefolgt sind. 

Es sei in dieser Richtung besonders an die Arbeiten von Slwotzoff 
und Sobolew (Bioch. Zeitschr., Bd. 31, S. 234) verwiesen, die zeigten, 
dass die cirrhotische Leber an Nucleinstoffen verarme, ferner an Orgler 
(Virchows Arch., 1904, Bd. 176, S. 413), der bei parenchymatös ver¬ 
änderten Nieren mit doppelbrechenden Körnchen ein Ansteigen des Gehaltes 
an Amidstickstoff feststellen konnte. Zahlreicher sind die Untersuchungen 
bei der P-Vergiftung. Erwähnt seien hier die Befunde von Jacoby 
(Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 30, S. 174), der ganz analog wie Orgler 
einen Abbau des Basen-N und Vermehrung des Amid-N, sowie Tyrosin 
in der Leber phosphorvergifteter Hunde nachweisen konnte. Schon früher 
hatte hierbei Wakeman (Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 44, S. 35) 
eine Abnahme der Hexonbasen constatieren können; Wohlgemuth (Bioch. 
Zeitschr., 1906, Bd. 1, S. 166) hat dann ebenfalls eine Verminderung 
des Bascn-Stickstoffgehaltes beschrieben. Versuche bei P-Vergiftung von 
Porges und Pribram (Arch. f. exp. Path. u. Pharm., 1908, Bd. 59, S. 20) 
haben zu einem ähnlichen Resultate geführt. Taylor (Zeitschr. f. physiol. 
Chemie, Bd. 34, S. 480) konnte in einem Falle von akuter Leber¬ 
atrophie ebenfalls Aminosäuren in der Leber nachweisen. Aehnlich hat 
Mohr (Zeitschr. f. exper. Therapie, Bd. 4, H. 5) in der (verfetteten) 
Leber pankreasloser Hunde eine Abnahme der Diaminosäuren gefunden. 
Diese hier kurz skizzierten Befunde lassen es wahrscheinlich erscheinen, 
dass bei Schädigungen der parenchymatösen Organe auch sich Abände¬ 
rungen der Zusammensetzung stickstoffhaltiger Bestandteile kundgeben 
würden. Es sei hier jedoch bemerkt, dass, selbst wenn cs gelänge, unter 


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Pathologischer 
Abbau d. Eiweiss¬ 
körper bei Paren- 
chymschftdiguug. 


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Hermann Jastrowitz, 


dem Einfluss derselben Schädlichkeit sowohl einen Abbau der Lipoidstoffe 
wie der Eiweissstoffe festzustellen, dies natürlich noch nicht ohne weiteres 
dafür spricht, dass die lipoiden Substanzen irgendwie hervorgehen aus 
den zerfallenen Albuminstoffen. Vielmehr erscheint es durchaus plausibel, 
dass höher moleculare Complexe der einen oder anderen Körperklasse 
unter Einwirkung ein und derselben Noxe zerfallen. 

In dieser Richtung eine Aufklärung zu bringen, ging über den Rahmen 
der vorliegenden Untersuchungen. Ehe an solche Experimente von neuem 
herangetreten werden kann, muss zunächst die Frage geklärt werden, ob 
gröbere Verschiebungen der Lipoidsubstanzen durch Organ- und Blutgifte 
nachweisbar sind, vielleicht in Verbindung mit gleichzeitiger Deconstitution 
der stickstoffhaltigen Zellbestandteile. 

Versnchsanordnnng. 

Wahl der Gifte: Für die vorliegenden Zwecke mussten solche Stoffe gewählt werden, 

Phosphor. Arsen. ( j urc j ) we i c j, e gleichzeitig Organdegenerationen und Zerstörung des Blutes 
erzielt werden konnten. Von vornherein wurde hierbei zurückgegriffen 
auf diejenigen Gifte, welche bei den klassischen Versuchen der früheren 
Zeit über degenerative Veränderungen der Organe benutzt worden sind. 
In erster Linie sei hier der Phosphor erwähnt; allerdings ist seine Ein¬ 
wirkung auf das Blut bei dem ganzen Symptomencomplex der Vergiftung 
nur eine unwesentliche Begleiterscheinung. Ein zweites Gift, das derartige 
Blutveränderungen und gleichzeitig grob anatomische Schädigungen der 
parenchymatösen Organe, auslöst, ist das Arsen. Durch Caillot, de 
Poncy und Livon (Compt. rend., 1882, Vol. 94, p. 1366) und Wolkow 
(Virchows Arch. f. pathol. Anat., 1892, Bd. 127, S.477) sowie durch R. Elbe 
(Inaug.-Diss., Rostock, 1899) wissen wir, dass ausgedehnte Verfettungen 
sowohl bei experimenteller wie bei accidenteller Arsenintoxication zustande 
kommen können. Dagegen ist das Arsen in seiner gewöhnlichen Form 
der arsenigen Säure, obwohl wie Ralph Stockman Charteris (Journ. 
of Path. and Bacter, May 1903, p. 443) gezeigt hat, grössere Arsendosen 
zu einer Reduction der roten Blutkörperchen führen können, nicht gut 
als Blutgift anzusprechen, besonders da es ja allgemein als Reizmittel für 
das Knochenmark zur Neubildung roter Zellen verwandt wird und als 
solches klinisch allgemein anerkannt ist. Auch in neuerer Zeit konnte 
Hess und Saxl (Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 104, S. 1) eine Hyper- 
globulie durch Arsen und eine Reihe anderer Substanzen erzeugen. Aller¬ 
dings ist die Deutung der Arsenwirkung nicht klar. Die genannten Autoren 
nehmen auf Grund ihrer Versuche eine verminderte Hämoglobinzerstörung 
in der Leber an, während von anderer Seite (E. Kuhn und W. Alden¬ 
hoven, Deutsche med. Wochenschr., 1909, Nr. 45) eine sekundäre reaktive 
Wirkung des Arsens für wahrscheinlich gehalten wird, 
ocuiura. Dagegen stellt ein Derivat des Arsens, und zwar der Arsenwasser¬ 
stoff, ein ausgezeichnetes Mittel zur Erzeugung schwerer Hämolyse und 
allgemeiner Organvergiftung dar. Neben dieser Gruppe kamen weiter 
solche Gifte in Betracht, die als fettlösende Solventien eine deletäre Ein¬ 
wirkung auf das Blut entfalten. In erster Linie musste hierbei an Seifen 
bezw. die Oelsäure gedacht werden; es wurden auch Versuche in dieser 


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Ueber Lipoidverfettung. 


127 


Richtung angestellt. Wie aus der Arbeit von Faust (1. c.) bekannt ist, 
kann man bei Hunden durch langdauernde orale Verabreichung eine 
Anämie erzielen. Sein Versuch, dei über drei Monate dauerte, wurde 
nicht wiederholt, weil einerseits die Tatsache, dass Oelsäure hämolytisch 
wirkt, wohl feststehen dürfte, andererseits dieses Mittel für Hunde ein 
sicher wirkendes, stark hämolytisches Gift nicht darstellt, wie das aus 
einem zweiten Versuch Fausts hervorgeht, bei dem ein eclatanter Erfolg 
ausblieb. Es wurde daher zur subcutanen Injektion gegriffen. Ich wandte 
ölsaures Natron (Kahlbäum) an, das ich erwärmt, zuerst subcutan in 
10 proz. Lösung, später in 5 proz. und dann in 2 proz. Lösung injizierte. 

Da derartige Einspritzungen, wie schon aus den Faustschen Unter¬ 
suchungen hervorgeht, um Erfolg zu haben, täglich gemacht werden 
mussten, so war es nicht zu vermeiden, dass die Tiere lokale Nekrosen 
nach diesen subcutanen Injektionen bekamen. Erst nachträglich bei Durch¬ 
sicht der Literatur sah ich, dass solche Nekrosen bereits von Beneke 
(Zieglers Beitr. z. path. Anat., Bd. 22, S. 343) beschrieben wurden. Ehe 
die Tiere genügend anämisch waren — bereits bei ca. 70 pCt. Hämo¬ 
globin — gingen sie mir an den Folgen dieser Nekrosen ein. Nicht 
besser wirkten intravenöse Infusionen. Dieselben konnten an derselben 
Vene wegen der oben erörterten Nekrosenbildung nicht zweimal vor- 
genoramen werden. Selbst wenn es vorsichtig vermieden wurde, dass 
beim Einführen oder Herausziehen der Canüle Tropfen der Oelsäurelösung 
in das umgebende Gewebe hineingelangten, wurde die Venenwand und 
die umgebenden Weichteile in grösserer oder geringerer Ausdehnung 
nekrotisch. Die Folge hiervon war, dass die Infusionsstellen im Maximum 
auf 6 beschränkt waren (Vv. jugulares, brachiales, femorales); dies bedingte 
natürlich eine grössere Einzeldosierung (2,5—5,0 g) und damit eine stärkere 
akute Schädlichkeit. So kam es vor, dass das Tier nach der 1., 2. oder 
3. Injektion anscheinend durch primären Herzstillstand (Robert, Toxikol. 

S. 741) starb, ohne dass ein nennenswerter Abfall des Hämoglobins erzielt 
wurde. Mehrmals gingen die Tiere auch an der Nekrose, die sich bis 
ins Mediastum fortpflanzte, zugrunde. Von der Vergiftung durch Saponin¬ 
substanz wurde, da sie nicht genügend Organdegeneration macht, ebenso von 
den rein physikalischen, durch Gefässverlegung wirkenden, wie Diazobenzol, 
Wasserstoffsuperoxyd, Kali chloricum, abgesehen. Herangezogen wurde 
dagegen ein gleichfalls Methämoglobin bildender Körper, das Acetyl- 
phenylhydrazin (Pyrodin), das bisher namentlich bei experimentell pyrodin. 
morphologischer Untersuchungen über Anämie angewandt wurde. Weiterhin 
sind Vergiftungsversuche mit dem bekanntermassen eine Parenchymschädi¬ 
gung verursachenden Toluylendiamin angestellt worden, von dem es 
strittig ist, ob es, wie Afanassiew angibt (Zeitschr. f. klin. Med., 1883, 

Bd. 6, S. 318) direkt hämolytisch, oder wie Stadelmann (Arch. f. exper. 

Path., 1883, Bd. 16, S. 118) annimmt, durch Entstehung secundärer Gifte 
hämolytisch wirkt. Weitere Versuche wurden mit Nitrobenzol gemacht, Nitrobemoi. 
das in der Hauptsache eine eigenartige Veränderung des Blutfarbstoffs Foley01 ' 
und daneben eine stark toxische Einwirkung auf das Centralnervensystem 
besitzt. Diese Substanz bildet hinsichtlich ihrer guten Lipoidlöslichkeit einen 
Uebergang zu einer Droge, dem Oleum pulegii, das seines dem 


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128 Hermann Jastrowitz, 

Phosphor und Arsen ähnlichen Effektes wegen in einigen Experimenten 
als Agens gedient hat. 

Ancbyiostomura. Endlich sind einige Versuche unternommen worden, um auch tierische 
und bakterielle Gifte in Anwendung zu bringen und so ein Analogon zu 
klinischen Erkrankungen zu schaffen. Da ich für diese Versuche Hunde 
verwenden musste, so war naturgemäss das Anwendungsgebiet beschränkt. 
Ich habe um ähnliche Vergiftungen, wie sie der Bothriocephalus latus 
beim Menschen macht, mir auch Anchylostomen verschafft. Larven von 
Anchylostomum caninum hatte nlir Herr Prof. Malvoz aus Lüttich, aus¬ 
gewachsene menschliche Anchylostomen Herr Prof. Bruns aus Gelsen¬ 
kirchen in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. Obwohl beide 
in gutem Zustande ankaraen und es auch gelang, bei 3 Hunden durch 
Einführen von Larven sowohl per os wie subcutan eine Infektion zu 
erzielen, war es nicht möglich, durch diese Parasiten bei den Tieren 
* eine Anämie oder sonst ein wesentliches Krankheitsbild zu erzeugen, eine 
Schwierigkeit, auf die Herr Prof. Bruns mich bereits brieflich aufmerksam 
gemacht hatte. Ich brach daher die Versuche nach 8 Wochen ab und 
Bakterien, wandte mich lediglich bakteriellen Vergiftungen zu. Auf Veranlassung 
des Herrn Prof. Conradi aus Dresden, der mich bei der Ausführung 
dieser Untersuchungen unterstützt hat, wandte ich hierfür Kulturen des 
Vibrio Nasyk und El-Tor an, die gerade ein stark hämolytisches Gift für 
Hunde produzieren (Ernst Pribram, Handb. der pathologischen Mikro¬ 
organismen von Kolle-Wassermaun, Ergänzungsbd. A, S. 291). Diese Ver¬ 
suche, auf die im einzelnen später eingegangen werden wird, waren von 
besseren Erfolgen begleitet. 

Spez. Versuchs- Zum Schluss sei noch hinzugefügt, dass für die vorliegenden Ver- 
anordnung. suc ] ie ausschliesslich Hunde verwandt wurden, da es vor allem auf Ver¬ 
gleichswerte an kam. Die Hunde erschienen für diese Versuche beson¬ 
ders geeignet, weil einerseits sowohl etwas resistente Tiere für die länger 
dauernden Versuchsreihen nötig waren, andererseits auch die Organe 
gross genug sein mussten, um die zu erörternden chemischen Unter¬ 
suchungen durchzuführen, was bei Kaninchen nicht möglich war. Im 
übrigen sei bemerkt, dass auch für seine morphologischen Studien über 
experimentelle Anämie Tallqvist (I. c.) lediglich Hunde verwertet hat. 
Die Tiere wurden im allgemeinen dann getötet, wenn sie so starke auf¬ 
fällige Krankheitserscheinungen darboten, dass ein spontanes Absterben 
befürchtet werden musste oder wenn die Blutuntersuchung das Bestehen einer 
schweren Anämie ergab. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass des 
öfteren Tiere starben. Dieselben sind hier nur dann verwendet worden, wo 
kurz nach dem Tode die Organe entnommen werden konnten. Die Tötung 
der Tiere erfolgte stets ohne irgend welche Narcotica, um eine mögliche 
Einwirkung dieser Substanzen auf die Lipoide (Aether, Chloroform) zu ver¬ 
meiden. Zu diesem Zwecke wurden den gefesselten Tieren nach Zubinden 
der Schnauze die Art. femoralis frei präpariert, aus dieser mittelst Kanüle 
das nötige Blutquantum gewonnen und die Tiere dann durch Verbluten ge¬ 
tötet. Leber, Herz und Nieren wurden sofort herausgenommen: bei der 
Leber die Gallenblase und die Gefässe, so weit sich diese verfolgen Hessen, 
entfernt, ebenso beim Herzen möglichst sorgfältig, wie dies schon Krehl 


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Ueber Lipoidverfettung. 


129 


(Deutsches Arcli. f. klin. Med., Bd. 51, S. 146) getan hat, alles sicht¬ 
bare Fett abpräpariert. Hierzu war es notwendig, die ganzen Vorhöfe 
bis über den Sulcus coronarius, die Klappen und grosse Teile der 
Papillarmuskeln sowie auch die Sulci longitudinales zu entfernen, weil 
sich an diesen Stellen makroskopisch sichtbares Fett befindet. Jedoch 
gelingt es natürlich auch so nicht, alles interstitielle Fett zu entfernen 
und die wechselnde Menge dieser nur bei mikroskopischer Betrachtung 
sichtbaren, zwischen den Muskelfasern gelegenen Träubchen dürfte an 
sich schon nicht unwesentlich sein und den Wert chemischer Unter¬ 
suchungen des Herzmuskels immerhin beeinflussen. Aehnlich radikal 
musste bei den Nieren vorgegangen werden. Das ganze Nierenbecken 
mit samt den Calices musste wegen dort befindlichen Fettes entfernt 
werden, so dass nur ein kleiner Teil von der Marksubstanz übrig blieb. 
Die Kapsel wurde selbstverständlich ebenfalls entfernt, ebenso nach Mög¬ 
lichkeit der peritoneale Leberüberzug sowie das viscerale Blatt des Peri¬ 
cards. Die so erhaltene Organsubstanz wurde, wie unten beschrieben, 
weiter verarbeitet. Um eine Parallele zwischen den chemischen und ana¬ 
tomischen Befunden zu ziehen, wurden die meisten Organe mikroskopisch 
untersucht. Es wurden lediglich mit einer einfachen Häraatoxylin-Eosin- 
färbung die histologische Structur zur Darstellung gebracht und nach der 
Intensität der Sudanfärbung an Gefrierschnitten der Grad der Verfettung 
taxiert, in ähnlicher Weise, wie dies Nagamichi Shibata und Shige- 
kiyo Endo (Bioch. Zeitschr., Bd. 37, S. 399) getan haben. Das Blut 
wurde ausserdem des öfteren während der Versuche auf seine morpho¬ 
logische Veränderung (Erythroblasten) hin untersucht, ausserdem wurden 
der Hämoglobingehalt nach Sahli, sowie die Zahl der roten Blutkörper¬ 
chen bestimmt. Bei der Bewertung der morphologischen Veränderungen 
bei den roten Blutkörperchen muss insofern vorsichtig verfahren werden, 
als Hunde normalerweise schon geringe Anisocytose sowie Polychroma- 
tophilie aufweisen können (cf. Klieneberger und Carl, Die Blutmorpho¬ 
logie der Laboratoriumstiere, Leipzig 1912, S. 46). Immerhin zeigten 
doch die meisten dieser Tiere so deutliche Anisocytose und Poikilocytose 
wie man sie nicht als normal bezeichnen kann. Störend wirkte bei der 
Hämoglobinbestimmung die Umwandlung des Blutfarbstoffes, die einzelne 
der angewandten Gifte wie (Nitrobenzol, Arsenwasserstoff) hervorriefen, 
wobei es zu einer Braunfärbung kam, die vielfach durchaus nicht den 
gleichen Timbre wie die Standardlösung des Hämatins hat. Der Ver¬ 
gleich war nur ein ungefährer, immerhin genügte er, zumal bei gleich¬ 
zeitiger Kontrolle der Erythrocytenzahl und des morphologischen Befundes, 
um festzustellen, ob eine schwere Anämie vorliegt oder nicht. Die Ery- 
throcytanzahl der normalen Hunde beträgt nach Tallqvist (Experimen- 
tellle Blutgiftanämien, Helsingfors 1900, S. 25) 7600000 bis 7 500000 
im Maximum 8,7, im Minimum 6,44 Millionen, nach Klieneberger (1. c.) 
7225000 bei 94 pCt. Hämoglobin. Die Schwankungen betragen etwa 
400900 (Tallqvist, 1. e.). Auch zeigen die Tiere vielfach, da es sich 
um minderwertige und nicht gut gepflegte Tiere handelt, eine geringe 
Stallanämie, die jedoch graduell mit der experimentell erzeugten nicht 
zu vergleichen ist. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie a. Therapie. 15. Bd. <) 


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Hermann Jastrowitz, 


Methodik. 

Im Folgenden soll zunächst auf die Wahl der für die Bestimmungen angewandten 
chemischen Methoden, dann weiterhin auf die Möglichkeit durch diese zu einem posi¬ 
tiven Resultat zu gelangen, eingegangen werden. 

Soweit die Organe frisch bearbeitet werden konnten, wurden 'die Bestimmungen 
sofort ausgeführt. Es war dies leider nur bei einer Minderzahl möglich. 

Wenn auch natürlich die Exaktheit der Wägung beim frischen Organ eine ge¬ 
ringere sein dürfte, und die Mischung der einzelnen Bestandteile keine so gleich- 
massige wie in der pulverisierten Trockensubstanz ist, so wäre dann doch eine Fehler¬ 
quelle ausgeschaltet gewesen, nämlich der Abbau des Organes zur Autolyse. 

Trocknung. Die Schwierigkeiten begannen gleich bei dem Modus der Trocknung der Organe. 

Hier seien einige kurze Bemerkungen zur Rechtfertigung des eingeschlagenen Weges 
angefügt, wenn er auch nioht allen Ansprüchen gerecht werden konnte. Schon frühere 
Autoren haben auf die hier vorliegenden Schwierigkeiten hingewiesen. So Argu- 
tinsky (Pflügers Arch., Bd. 55, S. 245). Er machte auf das Faulen des bei Zimmer¬ 
temperatur getrockneten Fleisches, auf die Zersetzung beim Trocknen bei 100°, sowie 
auf die schlechte Pulverisierbarkeit bei einer Trocknung von 50—60° aufmerksam. 
Auch Glikin (Arch. f. d. ges. Physiol., 1903, Bd. 95, S. 107) hat die Trocknungs¬ 
methoden einer eingehenden Kritik unterzogen und empfahl bei 60—65° zu trocknen, 
wodurch die bei höherer Temperatur sich schon durch den Geruch kenntlich machende 
Zersetzung der Organsubstanz vermieden würde. Ein weiterer Grund, nicht völlig 
wasserfreie Substanz zu wählen, lag in der Notwendigkeit, bei den zum Teil geringen 
zur Verfügung stehenden Organmengen, die Trockensubstanz für weitere Analysen 
gelegentlich zu verwenden, namentlich für die Fottbestimmung, sowie diejenige der 
Phosphatide. Für die ersteren ist aus dem von Glikin (1. o.) angeführten Grunde 
eine absolute Trocknung nicht angebracht, für die letzteren gibt Bang (Chemie usw., 
S. 40) an, dass er aus getrockneten Blutkörperchen durch Aether keine acetonunlös- 
liohe Substanz extrahieren konnte. Wie diese Verhältnisse für die anderen Organe 
liegen, steht nicht fest, man kann nur vermuten, dass sie ähnliche sind. 

Es wurde daher so vorgegangen, dass die, wie oben geschildert, präparierten 
Organe mit der Fleischmaschine zerkleinert oder — es kam dieser Modus für Herz 
und Niere hauptsächlich in Betracht — mit der Schere fein zerschnitten wurden. 
Dann wurden sie nach dem Vorgänge, von Wiechowski (in Abderhalden, Bioch. 
Arbeit, Bd. 3, S. 282) auf Glasplatten entweder der Sonne ausgesetzt oder in der 
Nähe der Heizung getrocknet, bis die so erhaltene lufttrockene Substanz, die für die 
weitere Zerkleinerung im Mörser bzw. in der Mühle erwünschte Consistenz bekommen 
hatte. Die Trocknung war in der Regel in etwa 24 Stunden beendet, so dass eine 
merkliche Zersetzung nicht beobachtet wurde. Von dem Zusatze eines Antisepticums 
wurde sowohl aus diesem Grunde Abstand genommen, wie aus dem weiteren, dass 
die meisten derselben, wie Toluol Lipoidsolventien darstellen, oder wie feste 
Stoffe z. B. Natriumfluorid die Trockensubstanz vermehren würden. Es sei hier 
noch kurz darauf hingewiesen, dass von einer Durchspülung der Organe mit Koch¬ 
salz nioht vorgenommen wurde; einmal wäre bei den kleineren Organen (Nieren, 
Herz) eine solche nur schwer durchführbar gewesen, andererseits ist nicht 
festzustellen, welche Mengen Lipoidsubstanzen hierdurch in Form einer Emulsion 
herausgeschwemmt werden. Es wurden daher die Organe nur oberflächlich von 
den anhaftenden Coagulis durch Abspülen mit physiologischer Kochsalzlösung 
befreit. 

Einige Abweichungen waren bei der Inangriffnahme der Blutanalyse notwendig. 
Das Blut wurde hier unter Zusatz von 0,2proz. Natriumfluorid aufgefangen und unter 
Aetherzusatz auf dem elektrischen Luftbade bei 40° eingeengt, dann wie oben auf 
Glasplatten gestrichen weiter getrocknet und pulverisiert. Nur für die Bestimmung 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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der Trockensubstanz wurde sofort eine kleine Blutmenge entnommen, gewogen und zu¬ 
nächst 2 Stunden bei 50—60°, dann im Vacuum über Schwefelsäure bis zur Gewichts- 
constanz getrocknet. Bemerkt sei hier, dass lediglich Bruttobestimmungen des Gesamt¬ 
blutes ausgeführt wurden, weil es zunächst darauf ankam, zu erfahren, ob dieses 
Gewebe als solches bei den vorgenommenen Eingriffen überhaupt chemische Verände¬ 
rungen erleidet. Die Bestimmung im Plasma und in den Blutkörperchen würde sofort 
zu einer Verdoppelung der Bestimmungen geführt haben. Andererseits konnte die 
Analyse eines einzelnen Blutbestandteiles (Serum oder Blutkörperchen) allein nicht 
genügen, da z. B. bei der Arsenwasserstoff- und bei der Nitrobenzol Vergiftung, wo ein 
ausgedehnter Zerfall der Erythrocyten und ein vermutlicher Uebertritt von Bestand¬ 
teilen der Blutkörperchen in das Serum erfolgt, eine Trennung der Bestandteile des 
Serums und der Blutkörperchen ohne Analyse der letzteren illusorisch gewesen. Um 
eine gleichmässigo Mischung der Blutbestandteile zu erzielen, wurde daher 0,2 proz. 

Natriumfluorid sofort zugesetzt, wodurch die Gerinnung verhindert wurde. DasNatrium- 
fluorid wurde mit Rüoksicht darauf gewählt, dass es als anorganisches Neutralsalz der 
für die hier in Betracht kommenden Reaktionen nicht ins Gewicht fällt, wie z. B. das 
Ammoniumoxalat, bei dem sehr leicht die Oxalsäure den Aetherextrakt vermehren 
konnte. Um Fehler bei der Trockensubstanzbestimmung auszuschalten, sind hierfür 
in den meisten Fällen separate Portionen vorher entnommen worden, wie dies schon 
oben angegeben ist. Wo dies nicht der Fall war, dürfte der Fehler, der bei der Berech¬ 
nung der einzelnen Analysen auf Trockensubstanz naturgemäss entsteht, für die hier in 
Betracht kommenden Differenzen nicht wesentlich ins Gewicht fallen. 

Bei der Wahl der für die vorliegenden Zwecke geeigneten Fettbestimmungs- Fetti»estimuiung. 
metboden kam es darauf an, solche zu wählen, die eine möglichste Uebersicht über 
das Lipoidgemenge der Organe ermöglichen. Es mussten somit zum mindesten die 
Fettsäuren, das Cholesterin und der Lipoidphosphor bestimmt werden. Das Bestreben, 
eine möglichst detaillierte Uebersicht zu erhalten, wurde dadurch in Frage gestellt, 
dass eine grosse Anzahl Organe gleichzeitig zu verarbeiten waren und bei kleineren 
Organen (Nieren) nicht immer genügend Material für eine grössere Analysenzahl zur 
Verfügung stand. Einen Wert konnten aber für den vorliegenden Zweck nur ver¬ 
gleichende, möglichst komplett durohgeführte Untersuchungsreihen und nicht irgend¬ 
welche zufälligen Befunde haben. 

Als Fettbestimmung kam in erster Linie eine solche in Frage, welche möglichst 
vollständig die Fettmengen bei Organanalysen lieferte; andererseits ist nun aber nicht 
ohne weiteres die maximale Extraktmenge, die man durch die üblichen Lipoidsol- 
ventien erhält, mit den grössten Fettmengen identisch. Es ist dies eine der Schatten¬ 
seiten der bisher vielfach gebräuchlichen Methode von Rosenfeld (Zentralbl. f. inn. 

Med., 1900, Bd. 21, Nr. 33, S. 833). Nach Kumagava und Suto (Bioohem. Zeit¬ 
schrift, Bd. 8, S. 212) enthält der Rosenfeldsche Extrakt 46 pCt. Verunreinigungen. 

So handlich die Rosenfeldsche Methode erscheint, so konnte aus dem angeführten 
Grunde dieselbe für die Bestimmung der eigentlichen Fette zum mindesten nicht in 
Frage kommen. Vielmehr musste zu einem Verfahren gegriffen werden, bei dem 
die Organe völlig aufgespalten werden. Ich habe den Vorzug der erwähnten Methode 
von Kumagava und Suto (1. c.) gegeben. Ein kurzer Ueberblick über die sonst 
gebräuchlichen Fettbestimmungen, die gleichfalls mit einer Zerstörung des ganzen 
Organs einhergehen, dürfte den eingeschlagenen Weg wohl rechtfertigen. Der Ge¬ 
danke, das Organpulver aufzulösen, um dadurch die unvollständige Aetherextraktion 
zu korrigieren, geht von Pflüger aus (Pflügers Arch., Bd. 51, S. 277). Er machte 
zuerst den Versuch der Auflösung des Fleisches mit Zitronensäure. Dormeyer 
(Pflügers Arch., Bd. 61, S. 341 und Bd. 65, S. 90) führte die Verdauungsmethode ein, 
die dann von Nerking durch Einführung des Schwarzschen Apparates (Arch. f. d. 
ges. Physiol., Bd. 73, S. 172) verbessert wurde. Die Umständlichkeit dieser Methode 

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Hermann Jastrowitz, 


im Verein mit ihrer geringeren Ausbeute an Fett gegenüber der der japanischen 
Autoren lassen sie als wenig geeignet für Massenuntersuchungen erscheinen. Es 
blieb somit die Methode der Säureauflösung, wie sie von Barschall und Bauer 
(Arbeiten d. Kaiserl. Gesundheitsamts, 1909, S. 55) angegeben worden ist, und wie 
sie bereits früher für technische Zwecke verwandt wurde (Gerber, Molkereiztg., 1887, 
S. 137, zit. nach Bar sc hall und Bauer). Diese hat vor allem aber den Mangel, 
dass Verfasser den Aetherrückstand ohne weitere Reinigung zur Wägung bringen. Die 
Alkalispaltung ist durch von Liebermann und Szekely (Pflügers Arch., 1898, 
Bd. 72, S. 360) inauguriert worden. Obwohl ausserordentlich handlich, glaubte ich, 
auf Grund der Kritik von Kumagava und Suto, dem von letzterem eingeschlagenen 
Wege den Vorzug geben zu müssen. Das Verfahren besteht bekanntlich darin, dass 
das Organ frisch als Brei oder getrocknet als Pulver auf dem Wasserbade mit Natron¬ 
lauge verseift wird, die durch Salzsäure zur Abscheidung gebrachten Fettsäuren und 
das Cholesterin werden mit Aether ausgeschüttelt und der so erhaltene Aetherextrakt 
wird nach Reinigung durch Petroläther gewogen (Gesamtpetrolätherextrakt). In der 
durch alkoholische Kalilauge verseiften petrolätherischen Lösung wird dann das Un- 
verseifbare, welches in der Hauptsache aus Cholesterin neben geringen Mengen von 
Verunreinigungen besteht, bestimmt. Die Differenz ergibt die Fettsäuren. Es ist klar, 
dass bei dieser Methode von vornherein die Phosphatide aufgespalten werden. Es 
Phosphatid- musste daher ein weiteres Verfahren für die Bestimmung der Phosphatide angewandt 
liestiramang. wer( j en# ß e i der mangelhaften Kenntnis der in den Organen vorkommenden Phos¬ 
phatide musste von vornherein auf irgendwelche Differenzierung derselben zunächst 
verzichtet werden. • Aus Erlandsens Untersuchungen (Zeitschr. f. phys. Chemie, 
1908, Bd. 51, S. 71) geht hervor, dass es monatelanger Arbeit bedarf, um eine 
Uebersicht über die in einem Organ vorhandenen Lipoidstoffe zu erhalten. Von einer 
quantitativen Bestimmung ist dabei noch nicht etnmal die Rede. Es wurde somit 
auf die Rosenfeldsche Methode zurückgegriffen, die nach den Angaben von 
Kumagava und Suto den höchsten P-Gehalt ergibt und zwar wurde auch hier 
in Anlehnung an diese Autoren gearbeitet. Auf eine separate Bestimmung des 
ätherlöslichen P in den einzelnen Fraktionen musste verzichtet werden. Auf 
eine Trennung des Gesamtextraktes mittelst Aceton, wie dies Zülzer (Zeitschr. 
f. physiol. Chemie, Bd. 25, S. 2G5) angegeben hat, wurde mit Rücksicht darauf 
dass Erlandsen (Undersögelser over Hjertets fosfatider, Kopenhagen 1906, zit. 
nach Bang, Lipoide, Wiesbaden 1911) 0,1 bis 0,3 pCt. P in der Acetonlösung 
von Herzmuskeln auffand, und dass Kumagava und Suto diese Unzulänglich¬ 
keit derselben bestätigen konnten, nicht recurriert. Bei dem eingeschlagenen Ver¬ 
fahren (24stündige Extraktion von ca. 10 bis 20 g der lufttrockenen Substanz mit 
Aether, Alkohol, Chloroform) können dadurch Bedenken gegen dessen Anwendbarkeit 
entstehen, dass bei der Extraktion mit siedendem Alkohol und Chloroform (Siedepunkt 
78,3° bzw. 61,2°) gegenüber dem leichter siedenden Aether (31,9°) eine Spaltung der 
Phosphatide ointreten kann. Indessen dürfte nach den Literaturangaben die Zersetz¬ 
lichkeit des Lecithins keine so grosse sein: nach Bang (Chemie der Lipoide, Wies¬ 
baden 1911, S. 55) verträgt es sicher ein Erhitzen der alkoholischen Lösung bis 50°, 
beim Erhitzen der trockenen Substanz beginnt die Zerlegung sogar erst bei 100°; 
nach Kumagava und Suto (Biochem. Zeitschr., Bd. 8, S. 212) verändert kürzer 
dauerndes Erhitzen das Lecithin selbst bei 70° bis 90° nicht, eine dauernde Digestion 
bei 40° wird gut ertragen. Es würde somit die Alkoholextraktion bereits nicht ganz 
ohne Bedenken sein. In der Tat lässt sich, wie dies schon die letztgenannten Autoren 
nachgewiesen haben und, wie ich mich selbst überzeugen konnte, nach Wiederauf¬ 
nehmen des Aetherextraktes und Ausschütteln desselben mit Wasser in der Schüttelung 
anorganischer, wasserlöslicher Phosphor nachweisen. Die Menge desselben ist jedoch 
keine sehr beträchtliche. Zudem kommt bei Bewertung dieses Fehlers noch weiter in 


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Ueber Lipoidverfettung. 


133 


Betracht, dass möglicherweise ein Teil dieses anorganischen Phosphors aus einer bei 
der Extraktion erfolgten Zersetzung der Phosphatide stammen dürfte und somit die 
Berechnung und Bestimmung desselben als Phosphatid-P bis zu einem gewissen 
Grade berechtigt wäre. Weiterhin dürfte anorganischer Phosphor nur insoweit in die 
Extraktionsflüssigkeit übergegangen sein, als die Lösungsmittel während der Extrak¬ 
tionsdauer Wasser in sich aufnehmen. Das ist zweifellos der Fall, dürfte namentlich 
für den Alkohol sowie auch bis zu einem gewissen Grade für den Aether ins Gewioht 
fallen, zumal Organe ans den oben erörterten Gründen nicht wasserfrei, sondern nur 
lufttrocken zur Extraktion gelangten. 

Ich habe, wie schon Kumagava und Suto, versucht, den anorganischen 
Phosphor abzutrennen: ioh bin aber hierbei auf dieselben Schwierigkeiten, wie diese 
Autoren, gestossen, nämlich die Emulsionsbildung bei der Ausschüttelung, die sich 
nur schwer beseitigen lässt. Auch etwas erwärmtes Wasser erleichtert die Aufgabe 
nicht, zumal bei der niederen Siedetemperatur des Aethers (31,9°) der Erwär¬ 
mung enge Grenzen gezogen sind. Das Absitzenlassen der Ausschüttelung nahm 
Tage in Anspruch, so dass bei diesen an sich schon langwierigen Bestimmungen von 
einer Abtrennung des wasserlöslichen P abgesehen wurde, zumal die Berechtigung 
dieser Operation nicht einmal theoretisch begründet werden kann. Es blieb daher 
nichts weiter übrig als, wie oben geschildert, zu verfahren: In den so erhaltenen 
Aetherextrakten wurden die Bestimmungen nach Noumann vorgenommen. Hierbei 
wurden 2 Kontrollen ausgeführt, indem gleiche Teile der ätherischen Lösung für je 
eine Bestimmung verwandt wurden. Hinzugefügt sei hier noch, dass die Modifikation 
des K. S.-Verfahrens für Fettbestimmungen im Blute nach Shimidzu (Bioohem. 

Zeitschr., 1910, Bd. 28, S. 237) nicht mehr angewendet werden konnte, weil ein 
grosser Teil der Analysen der Normaltiere nach der ursprünglichen Kumagavaschen 
Methode ausgeführt worden waren. 

Endlich sollte auoh nach Möglichkeit Aufschluss über einen etwaigen Abbau der Amid-N- 
Eiweisskörper gewonnen werden, wie dieses ja, wie früher erwähnt, für einzelne Intoxi- Bestimraun s 
kationen angenommen wurde. Da es sich in der Hauptsache um Untersuchungen von 
Lipoidsubstanzen handelte, war es nicht möglich, von vornherein frische Organe für 
diese Zwecke zu reservieren, wie dies z. B. für pathologische Lebern von Slowtzoff 
und Sobolew (Biochem. Zeitschr,, Bd. 31, S. 234) gescheheni st, welche die Frak¬ 
tionen der einzelnen Eiweisskörper zu bestimmen versuchten. Es musste daher auf 
das Hausmannsche Verfahren (Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 37, S. 95) zurück¬ 
gegriffen werden. Es sei hier nur daran erinnert, dass Hausmann glaubt, aus hydro¬ 
lysierten Proteinstoffen durch Destillation mit Magnesiumoxyd den leicht abspaltbaren 
N des Ammoniaks und der Säureamide als sog. Amid-N, dann durch Phosphor- 
Wolfram säurefäll ung den N der Diaminosäuren und im Filtrat endlich denjenigen der 
Monoaminosäuren bestimmen zu können. Die Bedenken, die gegen diese Methodik 
von kompetenter Seite, und wohl grösstenteils nicht mit Unrecht, geltend gemacht 
worden sind, konnten indessen für die vorliegenden Zwecke wesentlich nicht ins Ge¬ 
wicht fallen. Es handelt sioh hierbei vor allem um die Löslichkeit eines Teiles des 
Argininphosphorwolframates, ferner um die gleiche Eigenschaft der übrigen Hexon- 
basen bei Gegenwart eines Ueberschusses des Fällungsmittels (Phosphor-Wolfram¬ 
säure). Hierzu kommt die Lösung des Phosphor-Wolframsäureniederschlages in der 
Waschflüssigkeit, so dass Kutscher (Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 31, S. 216) 
bei Analysen derselben Substanz ausserordentlich grosse untereinander unvereinbare 
Differenzen erhielt. Die Hofmeistersche Schule hat dann gegenüber dieser Kritik 
und einer ähnlichen von Henderson (Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 27, S. 47), 
der sich besonders auf die angebliche Unzuverlässigkeit der Amid-N-Bestimmung 
stützte, zurückgewiesen (Gunbell, Hofrn. Beitr., Bd. 5, S. 297; Rottera, 

S. 442). Indessen konnten für die Bestimmung des BasenstickstofTs selbst diese beiden 


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Hermann Jastrowitz, 


Verfasser der Hausmann sehen Methode nur eine beschränkte Gebraucbsfähigkeit 
zuerkennen. Eine zu einer Anwendung des Verfahrens nicht sehr ermunternde weitere 
eingehende Kritik mit Bestimmung der Löslichkeitsverhältnisse der Phosphor-Wolframate 
unter den in Frage kommenden Umständen ist von Wi 11b erg (acta et commentationes 
universitatis jurievenses, Nr. 5, p. 108, zit. nach Maly, 1909, Bd. 38, S. 13) geliefert 
worden. Trotzdem ist sie für technische Zwecke verwandt worden,so von Orgler (l.c.), 
sowie von L. Zuntz (Zeitschr. f. physiol. Chemie, 1899, Bd. 28, S. 132). Endlich 
sind durchaus ähnliche Verfahren von Schulze und Winterstein (Zeitschr. f. 
physiol. Chemie, Bd. 35, S. 210) und von Winterstein und Bisseger (Zeitschr. f. 
physiol. Chemie, Bd. 47, S. 28) hauptsächlich bei technischen Untersuchungen über 
die Zusammensetzung des Käses in verschiedenen Reifestadien angewandt worden. 
Wie ich mich überzeugen konnte, ist allerdings die Bestimmung des sog. Diamino-N 
mit grossen Schwierigkeiten verknüpft, und man erhält nur unter gleichen Bedingungen 
annähernd übereinstimmende Werte, die aber irgendwelche sicheren Constanten über 
der Zusammensetzung nicht erkennen Hessen. Es wurde daher mit Rücksicht auf die 
gemachten Erfahrungen und die oben angeführten Kritiken, sowie auch die von 
Beatty und P. A. Leven (Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 85, S. 210) dieser Teil 
der Bestimmungen aufgegeben, und ich habe mich auf die Bestimmung des Amid-N 
beschränkt. Bezüglich der Bewertung der auf diese Weise erhaltenen Zahlen muss be¬ 
merkt werden, dass nicht Material genug zur Verfügung stand, um am nicht entfetteten 
Organ dieselben auszuführen. Es wurden die nach der Aetheralkoholchloroform- 
extraktion verbliebenen Rückstände für diese Zwecke verwandt. Nun sind z. B. die 
Säureamide sowohl äther- und alkohollöslich, während die Löslichkeit der Ammoniak¬ 
salze im absoluten Alkohol nur eine geringe sein dürfte (cfr. Landolt-Börnstein, 
Physikalisch-chemische Tabellen, Berlin 1905, S. 587). Hierzu kommt der während 
der Destillation von anderen Substanzen freiwerdende Ammoniak, der je nach der 
Kochdauer schwankt (Henderson, Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 29, S. 47). Es 
handelt sich also auch hier lediglich um eine nicht ganz scharf charakterisierte Stick¬ 
stofffraktion, die nur Vergleichswerte liefern kann. Aus dem extrahierten Material 
wurden natürlich niedrigere Werte erhalten, als dies z. B. Orgler (1. c.) bei frisohen 
Organen erhalten hatte, immerhin dürften die so erhaltenen Werte für die vorliegenden 
Zw r ecke brauchbar sein, da nach Kutscher (Zeitschr. f. physiol. Chemie, 1901, 
Bd. 31, S. 215) die Analysen eine Differenz von 0,8 pCt. zeigen. 

Berechnung. Für die Erklärung der Tabellen und die Berechnung der Analysen sei hier 
folgendes kurz vorausgeschickt. Für die Kjeld ah Ische Bestimmung wurde 

1 ccm 1 / 5 Normalschwefelsäure = 0,0028 g N gesetzt, 
für die Neu mann sehe P-Bestimmung ebenso 

1 ccm 1 / 2 Normal-Natronlauge = 0,001268 g P 2 0 5 . 

Hiernach entspricht 1 ccm l j 2 Normal-Natronlauge 0,000554 g P. 

Um eine ungefähre Vorstellung von der Menge der Phosphatide zu erhalten, 
wurde der ätherlösliche P auf Distearyl-Lecithin berechnet unter Annahme eines Ge¬ 
haltes (Hoppe-Seyler-Thierfclders Handbuch d. ehern. Analysen, 1903, S. 160), von 
3,84 pCt. P in demselben; die Berechnung erfolgte somit in der Weise, dass lediglich 
das Hundertfache des erhaltenen P-Gehaltes durch 3,84 dividiert wurde. Da es sich 
hier ja doch nur um eine willkürliche Grösse handelt, so dürfte dies eingesohlagene 
Verfahren genügen um Vergleichswerte zu erhalten. Für den absoluten Gehalt an 
Phosphatidcn sind diese Zahlen nur mit Vorsicht zu verwerten, denn, wenn z. B. in 
einem chemisch degenerierten Herzen das eigentliche Lecithin (im streng chemischen 
Sinne) abnimmt und die Diphosphatide nur zu einem Mehrbeträge vorhanden sind, 
welcher der Hälfte der Abnahme des Lecithingehalts entspricht, so bleibt der äther- 


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lösliche P und damit der hieraus berechnete Lecithingehalt der gleiche, wie bei einem 
normalen Organ. Genau dasselbe gilt natürlich von einer Verminderung der Diphos- 
phatide. Hieraus geht hervor, dass sich durch das vorliegende Verfahren nur grobe 
Differenzen in der Menge der Phosphatide kundgeben werden. In Betracht fällt 
allerdings, dass nicht einzusehen ist, warum, wenn die Monophosphatide abnehmen, 
die Diphosphatide dann entsprechend zunehmen sollten. Viel näher liegt die An¬ 
nahme, dass, wenn eine Schädlichkeit vermindernd auf einen solchen Körper einwirkt, 
auch die ganze Klasse wenig resistent gegen diese sein wird, jedenfalls aber keine com- 
pensatorische Zunahme eintreten wird. Eine solche wäre ja auch nur durch Lipoid¬ 
transport denkbar, und zwar müsste er so gross sein, dass dadurch nicht nur der 
Verlust der an Ort und Stelle zugrunde gehenden Phosphatide ersetzt, sondern dass 
er sogar übercompensiert würde. Dieses ist nun eine sehr unwahrscheinliche Annahme. 

Um noch einen etwas vollständigeren Ueberbliok über die Gesamtfettsubstanzen 
zu erhalten, sind in die Tabellen nach dem Vorgang von Kumagava und Suto 
(Biochem. Zeitscbr., Bd. 8, S. 237) die Gesamtlipoide in einer Columne reconstruiert 
worden. Zu diesem Zwecke wird angenommen, dass alle Phosphatide aus Distearyl- 
lecithin und alle Fettsäuren als neutrales Oleo-palmito-stearat sich finden. Die Be¬ 
rechnung besteht dann darin, dass man die dem Leoithin entsprechenden Fettsäuren 
durch Multiplikation mit 0,7039 ermittelt und den hieraus duroh Subtraktion von den 
Gesamtfettsäuren erhaltenen Wert durch Multiplikatton mit 1,046 auf Neutralfett be¬ 
rechnet. Dieses Produkt addiert zu dem Leoithin und Unverseifbaren, gibt dann als 
Summe die Gesamtlipoide. 

Zur Erklärung der Stickstoffbestimmungen sei noch bemerkt, dass dieselben, wo 
irgend angängig, an der Trockensubstanz ausgeführt wuiden. Im Laufe der Arbeit 
musste allerdings wiederholt die lufttrockene Substanz und bei sehr fettreichen Organen 
sowie solchen, wo die Werte Unstimmigkeiten zeigten, auf die entfettote Trockensubstanz 
zurückgegriffen werden, was in den Protokollen jedesmal besonders bemerkt ist. In 
letzterem Falle sind die Werte für die fetthaltige Trockensubstanz aus den Stickstoff¬ 


werten der fettfreien durch Multiplikation mit dem Faktor ~Jqq— berechnet worden. 

Für gewöhnlich ist umgekehrt der Wert für die fettfreie Trockensubstanz aus der fett¬ 
haltigen ermittelt worden, hier in analoger Weise durch Multiplikation mit dem Faktor 
100 


100 — f ! 


., wobei in diesen Formeln f den Gesamtlipoidgehalt bezeichnet. Es dürften 


wesentliche Bedenken gegen diesen letzteren Berechnungsmodus nicht bestehen, denn, 
wenn auch die sog. fettfreie Trockensubstanz in Wirklichkeit nicht völlig fettfrei ist, 
wie das der Vergleich mit den Gesamtlipoiden zeigt, so ist doch andererseits in groben 
Grenzen eine Uebereinstimmung mit den Werten der Gesamtlipoide vorhanden. Zu be¬ 
achten ist allerdings, dass die Extraktion der Lipoidstoffe keine vollständige ist und dass 
in dieAetherextrakte N-haltigeSubstanzen hineingehen, die einen weit höheren N-Gehalt 
als die Phosphatide aufweisen. Bei Bewertung dieser ganzen Berechnungen darf nicht 
ausser Acht gelassen werden, dass es sich bei den Lipoiden nur um ein theoretisch 
gewähltes Aequivalentbild der in den Organen wirklich vorhandenen Lipoidsubstanzen 
handelt, welches das Vorkommen von Diphosphatiden, Cholesterinestern, freien Fett¬ 
säuren und anderes nicht berücksichtigt. 

Im allgemeinen sind bei den Fettbestimmungen und bei den Bestimmungen der 
Trockensubstanz fast durchweg Parallelbestimmungen vorgenommen worden. Nur in 
den Fällen, wo bei Herz und Nieren die erhaltene lufttrockene Substanz eine sehr 
geringe war (5—8 g), wurde, da es darauf ankam, alle Analysen durchzuführen, für 
diese Bestimmungen von Parallelen abgesehen. Nicht möglich war es dagegen aus 
rein äusseren Gründen die Parallelextraktionen der Organe vorzunehmen. Lediglich 


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bei der eigentlichen Phosphorbestimmung wurde mit Parallelbestimmungcn gearbeitet. 
Der feuchte Brei ganzer Organe ist in der Regel auf 0,1 g, die lufttrockenen und 
kleinere Mengen der feuchten Organe auf 0,01 g genau abgewogen worden, im übrigen 
beträgt die Genauigkeit der Wägung 0,0001 g, wie allgemein bei analytischen Zwecken 
üblich ist. 


Normaltiere. 

Um genau unter denselben Bedingungen und nach derselben 
Methode gewonnene Vergleichs werte zu schaffen sind neben den Hunden, 
die zu den eigentlichen Versuchen verwandt worden sind, eine Anzahl 
normaler Hunde in derselben Weise analysiert worden. Dies schien um 
so notwendiger, als wohl hier und da in der Literatur sich Werte finden, 
die nach ähnlichen Methoden gewonnen worden sind, jedoch nirgends 
findet sich eine systematische Uebersicht, ähnlich der hier gegebenen. 
Soweit andere Autoren, und das gilt für die meisten der hier angeführten 
Zahlen, nicht nach denselben oder ähnlichen Methoden gearbeitet haben, 
lässt sich nur ein ungefährer Vergleich anstellen. Um die Fehler, die 
aus der Trockensubstanzbestimmung resultieren könnten, auszuschalten, 
sind bei den Tabellen der Normaltiere neben den Werten für die Trocken¬ 
substanz für Maximum, Minimum und Mittel auch diejenigen Werte an¬ 
gegeben, die aus den für die Trockensubstanz gewonnenen, bei Berechnung 
auf die feuchte Substanz resultieren. Das Mittel entspricht dem arith¬ 
metischen der gewonnenen Versuchsresultate, das Maximum und Minimum 
der natürlichen Substanz, dem reellen, d. h. demjenigen, das wirklich in 
den Versuchen vorhanden ist, und nicht etwa lediglich dem aus den 
entsprechenden Zahlen der Trockensubstanz berechneten. 

Nonnalzahlen Was zunächst die in der Literatur niedergelegten Werte anlangt, so 

anderer Autoren. ß nc | en s j c jj me ines Wissens keine systematische Analysen der inneren 
Organe des Hundes bei ein und demselben Autor. So hat z. B. König 
(Die menschlichen Nahrungs- und Genussraittel, Berlin 1893, Bd. 2, 
S. 133, s. oben) den Hund nicht berücksichtigt. Indessen finden sich in 
seinen Tabellen Angaben über die mittlere Zusammensetzung der Organe 
verschiedener Tiere, die einen ungefähren Anhaltspunkt für die vor¬ 
liegenden Bestimmungen geben können. So ergibt sich für die Leber 
ein Mittel von 71,55 pCt. Wasser, 11,20 pCt. Stickstoff, 12,82 pCt. Fett 
in der Trockensubstanz. Hierbei sind beträchtliche Schwankungen zu 
verzeichnen. So schwankt der N von 10,72 pCt. der Trockensubstanz 
beim Hammel bis zu 13,74 pCt. beim Hasen. Ebenso das Fett beim 
Hasen zwischen 6,03 und 19,42 pCt. beim Rind. Für die Niere gibt 
ähnlich König (1. c.) 75,55 pCt. Wasser, 12,05 pCt. N und 18,21 pCt. 
Fett in der Trockensubstanz an. Endlich für das Herz 71,07 pCt. 
Wasser, 9,82 pCt. N und 34,19 pCt. Fett. In den Analysen bestehen 
auch bei diesen Organen sehr erhebliche Differenzen. So differiert das 
Ochsenherz vom Hasenherz um 12 pCt. im Wassergehalt. 

Von Hunden hat speziell in neuerer Zeit unter Berücksichtigung 
ihres Ernährungszustandes Grund (Zeitschr. f. Biol., 1910, Bd. 54, S. 172) 
eine Anzahl Bestimmungen ausgeführt. Bei seinen Versuchstieren, die 
unter verschiedenen Ernährungsbedingungen gestanden haben, schwankt 


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Tabelle 11, Nonnalhuaäe;:. Leber. 





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-Viere xtfi.scheri 15,4a lind 1Ö.01 pCi. i>r V-'lehair de.i^Yöcjkeosiibsi:a»>: 
dieser Urbane '/.wischen 10 und 13.0!* fiOt. bei der Leber iind vom 
11,13 $.«0.- bis- 12,63 pO; bet der Viere. 

Kreii! (Deutsches Areii. IV felin. Med, Bd. -51, V. 4U>; 'findet im 
menschiitheit : Her/enWelten 1K.7 pOf. üiul 21,4 pt'i. i->U-r Substanz, 
nach Tr.vek»?«- bei 10(K Weiter«- Zahlen verdanken wir U-.wtleis 
Rümpf. . %V ; .Tand ini Ihrreliticbiutl bei z>im gro&soa Teil. ,allerdings! 



















fleriiiaun -last r owi i?. 


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Hittftt . 
Maxiiötim 
Miiiimum 


pathologisch veränderten Ilmeti einen Trockcngeliai’i. von £1 pO., bei 
der ).»‘bet' vom )•.!,:> ji ! !. Miri !•< i der Niere von 23,fl-j jH.' 1 .. Fi» die 
normaii* Niere, sebwanken n;vt\b Urtier die Trockensubstan/mi zwischen 
1K.7 pfj. . w t i!»,i |>a, iVirWouvs Arch , 1H04, Bd. lTfi, 5 413). Bei 
IleilteV di. >:•.), der Kaiundhenlebtd'ii untcrsuo.ld bat, sobwankten die 
Aetü-. Im dir i m. k,,i. : ;,awift«h*)H 3^,» und 32,4 pCt'., für den 
Hund «ibl 0 ! 30,2 jd'i- ;vn, Ät’lfere AnaivM.'i, von i'erl;- gebe« 

für dm !in*))s«fijiciic Leber 23 [d?t. Tron,ko«»«ibsla'»/. an. .Diesen Salden 
lier,".n .-sieb nor.b viele andere süfnj.'eo •: sin sind mtturJieb afdiaumg 
von itons Modo- den' Troidvnurii?- . Bili habe- vorn auseinaiidergeset/i, 
dass y\n Lrldl ven idier iii).“ i veWiintioij worden ist, um eine Zersefl-une: 
der Aiiiij'vh.eri'iiibsiun/ zo veroii-iden 

Niiimiiib konmjH hienlur<:|t lYiobf Werte. CilmHen worden sein,' wie 
diiK'b eine Tme-ivivuiC: lu'i lufl" oder 1 |Ov .-Irr*. nliin.-Mseoirn /oiv.rü die 

Zali.te« iedocii etrtp rebereinstinintiHijrrU») Dom‘ti ; ''oätr-t .'tnsefübrieR Aatbrefo 





Ueber Lipoid Verfettung. 


139 


Für die Leber beträgt der Trockensubstanzgehalt im Mittel 24,82 pCt. 
gegenüber 28,45 pCt. bei König und 26,09 pCt. bei Grund (Mittel zwischen 
Maximum und Minimum). Die Rumpfsche Zahl weicht ab. Er fand 
19,6 pCt. ebenso Heffter, der 30,2 pCt. für den Hund angibt. Aehn- 
lich steht es mit dem N-Gehalt, der mit 11,34 pCt. dem Königschen Mittel 
von 11,20 pCt. sowie dem Grundschen mit einem Mittel von 11,19 pCt. 
nahe kommt. Der Vergleich mit den oben angeführten Daten für die 
Niere ergibt 23,38 pCt. Trockensubstanz gegen 24,45 pCt. bei König 
und einem allerdings erheblich niedrigeren Werte bei Grund von 17,38 pCt. 
und von 19,1 pCt. bei Orgler. Dem gegenüber stehen durchaus ähn¬ 
liche Werte von Rumpf mit 23,63 pCt. Trockensubstanz für die Men¬ 
schenniere. Der N-Gehalt beträgt 12,45 pCt. gegen 12,5 pCt. bei König 
und 11,88 pCt. bei Grund (Mittel). In analoger Weise für das Herz 
ergab Sich 26,02 pCt. Trockensubstanz im Mittel gegen 28,93 pCt. bei 
König und von 31 pCt. bei Rumpf und 20,1 pCt. bei Krehl im mensch¬ 
lichen Herzen. Ueber den N-Gehalt des Herzmuskels habe ich nur die 
Tabellen von König heranziehen können. Der N-Gehalt des Herzens 
schwankt hier in sehr breiten Grenzen von 13,43 pCt. beim Hasen bis 
zu 9,20 pCt. beim Rind mit einem Mittel von 10,42 pCt. Dem gegen¬ 
über beträgt der von mir gefundene Mittelwert 12,37 pCt. 

Für das Blut besitzen wir ausführliche Analysen vou Abderhal¬ 
den (Zeitschr. f. physiol. Chemie, 1897, Bd. 23, S. 521; ebenda, 1898, 
Bd. 25, S. 67, sowie Physiol. Chemie, 1906, S. 592). Das Hundeblut 
enthält nach ihm 18,995 bis 20,799 pCt. Trockensubstanz. Das dies¬ 
seits gefundene Mittel liegt höher, weil auch Hungertiere berücksichtigt 
sind, bei denen die feste Substanz des Blutes zunimmt, wie dies Popel 
(Arch. des Sciences biol. St. de Petersbourg, T. 4, p. 354, cit. nach 
Hammersten, Physiol. Chemie, 1907, S. 244) nachgewiesen hat. Nach 
von Noorden beträgt der normale Trockensubstanzgehalt 21,0 bis 
22,5 pCt. (Handb. d. Pathol. des Stoffwechsels, Bd. 1, S. 510), diesem 
nähert sich auch der hier erhaltene Mittelwert mit 21,34 pCt. Der Ge¬ 
halt an Stickstoff ist beim Blute, da er für die vorliegenden Fragen von 
geringerem Interesse schien, nicht berücksichtigt worden. 

Bezüglich der erhaltenen Werte für die Fettsubstanzen ist es natür¬ 
lich schwer bei der Verschiedenheit der analytischen Methoden der ein¬ 
zelnen Autoren und dem Ernährungszustände der untersuchten Organe 
Vergleiche zu ziehen. Es sei hier nur kurz daran erinnert, dass für die Leber 
Schwankungen von 3,83 bis 24,77 pCt. der Gesamtlipoide zu verzeichnen 
sind, bei einem Mittelwert von 14,63 pCt. Dem gegenüber weist nach 
König die Hasenleber 6,03 pCt. Fett und dagegen die des Rindes 
19,42 pCt. auf. Die zum Teil etwas höheren Zahlen dürften hier auf 
der Berechnung als Gesamtlipoide beruhen. Aehnlich liegen die Verhält¬ 
nisse im Herzen, wo im Mittel 17,46 pCt. Gesamtlipoide gegen 28,06 pCt. 
(berechnet nach König) bei verschiedenen Säugetieren sich findet. Die 
Nieren enthielten 16,85 pCt. Gesamtlipoide gegenüber 12,86 pCt. bei 
Orgler und 18,21 pCt. bei König. 

Einen direkten Vergleich lassen nur die Untersuchungen von Naga- 
michi-Shibata (Bioch. Zeitschr., Bd. 37, S. 399) zu. ln den Normal- 


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Hermann Jastrowitz, 

oganen wurde im Mittel für die Nieren gefunden 3,45 pCt. Petroläther¬ 
extrakt, 2,94 pCt. Fettsäuren und 0,47 pCt. Unverseifbares. Dem gegen¬ 
über fand Nagamichi-Shibata bei geringem Fettgehalt 2,033 pCt. 
Petrolätherextrakt und 0,5204 pCt. Unverseifbares. Für die Leber ergab 
sich in ähnlicher Weise 3,06 pCt. Petrolätherextrakt und 0,43 pCt. Un¬ 
verseifbares gegenüber 2,726 pCt. Petrolätherextrakt und 0,6322 pCt. bei 
Nagamichi-Shibata. Es sind natürlich auch diese Vergleiche nur 
relative, da es sich bei dem japanischen Verfasser um menschliche Nieren 
handelt. 

Für das Blut beträgt der Gesamtfettgehalt berechnet nach Abder¬ 
halden auf das frische Blut 0,45 pCt. bis 0,47 pCt. bei den beiden von 
ihm untersuchten Hunden. Die hier gefundenen Gesamtlipoide sind mit 
0,51 pCt. von den Abderhaldenschen nicht wesentlich verschieden. 
Die Schwankungen der in die Tabellen aufgenommenen Werte betragen 
0,07 pCt. Auch Abderhalden hat bei gleichartigen Tieren eine Diffe¬ 
renz von 0,09 pCt. gefunden. Der Lecithingehalt beträgt im Mittel 
0,28 pCt. gegenüber den etwas geringeren Werten von etwa 0,20 pCt. 
bei Abderhaldens Hunden. Bei den einzelnen Tieren sind allerdings nicht 
unbeträchtliche Differenzen zu verzeichnen. So schwankt der Gehalt an 
Lecithin zwischen 0,16 und 0,35 pCt. Auch in den Abderhaldenschen 
Analysen finden sich nicht unbeträchtliche Differenzen zwischen den ver¬ 
schiedenen Tieren. So zwischen Pferd und Hund 0,11 pCt. Das Cholesterin 
(Unverseifbares) beträgt hier im Mittel 0,11 pCt. gegen 0,0922 pCt. und 
0,2198 pCt. bei Abderhaldens Hunde. Auch hier sind erhebliche Diffe¬ 
renzen im Gehalte bei den einzelnen Tierarten zu verzeichnen, so zwi¬ 
schen Pferd und Schaf eine solche von 0,16 pCt., bei derselben Tierart 
um 0,07 pCt. Ganz analog wie dies bei den hier verwandten Hunden 
der Fall ist (Maximum 0,14, Minimum 0,11 pCt.). 

Ganz unregelmässig sind naturgemäss die Werte für das eigentliche 
Gesamtfett im Blute, je nach der Art der Methodik. In neuerer Zeit ist 
eine Zusammenstellung der für das Blut erhaltenen Werte von Leonie 
Lattes gemacht worden (Arch. f. exper. Pathol. und Pharm., 1911, 
Bd. 66, S. 132). So gibt Mehul (cit. nach Lattes) im Hundeblut 
2 pCt. und Engelhardt 0,10 pCt. an gegen 0,37—0,40 pCt. bei Abder¬ 
halden. Aus diesen Zahlen erhellt zur Genüge, dass man nur mit der¬ 
selben Methodik gewonnene mit einander einigermassen vergleichen kann, 
zum mindesten muss die Methodik einigermassen ähnlich sein. Ausser 
den oben angeführten Werten von Abderhalden sei daher noch auf 
folgende neuere Daten hingewiesen. Kumagava und Kaneda (cit. nach 
Lattes, Mitt. d. mcd. F'acultät der Kaiserl. Japan. Universität Tokio, 
1895, Bd. 3, S. 11) fanden 0,2 pCt., Engelhardt (Deutsches Arch. f. 
klin. Med., 1901, Bd. 70, S. 183) fand 0,101 pCt. bis 0,27 pCt., endlich 
Reicher (Zeitschr. f. klin. Med., 1908, Bd. 65, S. 235) fand 0,343 pCt. 
bis 0,595 pCt. Lattes selbst hat im Mittel in Prozenten frischen Nor- 
malblutcs im venösen 0,3823, im arteriellen 0,3568 pCt. Petroläther¬ 
extrakt gefunden. Das hier gefundene Mittel nähert sich den Werten 
von Lattes mit 0,42 pCU. Die Grenzen sind nicht weiter, bei Lattes 
betragen sie zwischen 0,428 pCt. und 0,3006 pCt. gegenüber 0,43 und 


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Ueber Lipoidverfettung. 


141 


0,38 pCt. Jedenfalls zeigen diese Zahlen, dass die normale Breite doch 
eine ziemlich erhebliche ist. 

Soweit überhaupt von einer Uebereinstimmung die Rede sein kann, 
kann wohl gesagt werden, dass die hier gefundenen Werte von denen 
anderer Autoren unter ähnlichen Bedingungen nicht wesentlich abweichen 
und jedenfalls die Basis für Vergleiche geben können. Weiterhin geht auch 
soviel daraus hervor, dass ein grober Parallelismus der auf verschiedene 
Art gewonnenen Fettsubstanzwerte (Aetherextrakt, Petrolätherextrakt nach 
Kumagava, Berechnung der Gesamtlipoide) besteht. 

Kriterien für die Beurteilung. 

Die Beurteilung der pathologischen Befunde macht in verschiedener 
Richtung Schwierigkeiten. Was zunächst den Gehalt an Wasser bzw. 
festen Bestandteilen angeht, so ist derselbe gewiss einerseits abhängig 
von einer Einschraelzung fester Bestandteile (Eiweiss, Fette, Kohlehydrate), 
andererseits wird ein Organ, dessen parenchymatöse Teile z. B., wie bei 
der acuten gelben Leberatrophie zu Grunde gehen, in toto an sich kleiner, 
ohne dass es nötig ist, dass für diesen Zweck sich das Verhältnis von 
Wasser zu den festen Bestandteilen verschiebt. Weiterhin kommt in 
Betracht, dass ein Organ, ohne dass die festen Bestandteile desselben an 
sich eine Verminderung erfahren, relativ (d. h. in seinem Prozentgehalt) 
dadurch wasserreicher werden kann, dass in Agone oder bei Zuständen der 
Herzschwäche, wie sie das terminale Stadium aller länger dauernden 
Krankheiten, also auch subacute Vergiftungen zu Folge hat, es zu einem 
mehr oder minder grossen Oedem bzw. zum mindesten zu einer venösen 
Stase der inneren Organe mit Vermehrung ihres Wasser- bzw. Blutge¬ 
haltes und dadurch zu einer scheinbaren Reduction der Trockensubstanz 
kommen kann. 

Hierzu treten praktische Schwierigkeiten. Die Organe wurden erst 
durch gründliches Abspülen mit physiologischer Kochsalzlösung vom an¬ 
haftenden Blut befreit; von einer Durchspülung war aus den oben er¬ 
örterten Gründen Abstand genommen worden. Nun lässt sich die Koch¬ 
salzlösung nicht mehr quantitativ aus dem Organ entfernen, worin bereits 
ein weiterer Fehler für die Trockensubstanzbestimmung gelegen ist. Ge¬ 
mindert wird dieser Versuchsfehler zum kleinen Teil durch Neben¬ 
umstände, wie den beim Zerschneiden und Mahlen kaum völlig ver¬ 
meidbaren Flüssigkeitsverlust. Endlich kommt die Schwierigkeit hinzu, 
sehr fettreiche Organe im Exsiccator völlig zu trocknen. Die Um¬ 
stände, die midi bewogen haben, lediglich mich auf die Trocknung im 
Exsiccator zu beschränken, sind oben dargelegt. Die so erhaltenen 
Zahlen können somit nur als Vergleichs-, nicht als absolute Werte An¬ 
spruch auf Geltung haben. 

Was den Stickstoffgehalt angeht, so unterliegt er, wie aus den 
Tabellen für die Normaltiere hervorgeht, an sich gewissen Schwankungen. 
Aus seiner Abnahme in der Trockensubstanz auf eine Verminderung des 
Eiweisses zu schliessen, geht nur in solchen Fällen an, wo nicht etwa 
eine entsprechende Vermehrung anderer Bestandteile, z. B. des Fettes 
zustande gekommen ist. Im allgemeinen geht jedoch aus den Tabellen 


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Wassergehalt. 


N-Gelialt. 


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Hermann Jastrowitz, 


für die Normalhunde hervor, dass Lebern mit hohem Fettgehalt, soweit 
sie von normalen Tieren stammten, keine wesentliche Erniedrigung des 
Stickstoffgehalts zeigten, dagegen meist eine geringe Erhöhung der 
Trockensubstanz erkennen Hessen. Wie überdies die in den Protokollen 
angeführten Zahlen der lipoidfreien Substanz zeigen, ergibt sich in bezug 
auf den Gesamt - N - Gehalt derselben kein wesentlicher Unterschied 
gegenüber den normalen. Der Amid-N der Nieren hat etwas niedrigere 
Werte, als sie Orgler angibt, für die anderen Organe habe ich keine 
entsprechenden Angaben in der Literatur gefunden. Dies liegt wohl 
zweifellos daran, dass hier die Säureamide durch Alkoholäther extrahiert 
worden sind, wie dies oben geschildert ist. Aus diesem Grunde wird 
man bei den oben erwähnten Mängeln des Verfahrens daher nur aus ganz 
groben Unterschieden in den erhaltenen Werten Schlüsse zu ziehen be¬ 
rechtigt sein. 

Fettgehalt. Alle die hier bei der Beurteilung der Trockenbestimmung und des 
N-Gehalts in Betracht kommenden Momente fallen naturgemäss auch für 
die hier im Vordergründe zur Diskussion stehende Frage des Fettgehalts 
und der Verteilung der drei grossen Ooraponenten der Lipoidsubstanzen, 
Fettsäuren, Cholesterin, Phosphatide ins Gewicht. Hierzu kommt noch 
mancherlei Anderes, was die Beantwortung der hier vorliegenden Fragen 
erschwert. In erster Linie handelt es sich um die Fettwanderung aus 
dem Unterhautfettgewebe und consecutive Infiltration der inneren Organe, 
die vor allem durch die Rosenfeldschen Arbeiten einwandfrei sicher- 
gestellt ist. Die Stärke der Infiltration wird einmal abhängig sein von 
dem Ernährungszustände und den Fettreserven bei Beginn des Ver¬ 
suches, des weiteren von der Menge und der Art der aufgenommenen 
Nahrung, von der Dauer des Versuchs und von der Schädigung der 
parenchymatösen Organe durch das verabfolgte Gift. Alle diese Fak¬ 
toren sind nun natürlich an sich verschieden und hängen von Umständen 
ab, die man selbst bei vorsichtigem Vorgehen nicht in der Hand hat, 
wie z. B. die individuelle Empfindlichkeit, der Ernährungszustand beim 
Beginn der Versuche, die Menge der aufgenoramenen Nahrung, die durch¬ 
weg bei kranken Tieren eine unregelmässigere sein wird. Ferner kann 
eine Vermehrung der Lipoidstoffe, zumal der Leber, dadurch bedingt 
werden, dass die Fettsubstanzen der Blutgifte zugrundegehender Erythro- 
cyten in der Leber als totes Material liegen bleiben, das der Organismus 
infolge der Vergiftung nicht mehr fortzuschaffen oder zu oxydieren im¬ 
stande ist. Endlich käme noch die Frage der verschiedenen Zusammen¬ 
setzung des Organ- und Depotfettes hier in Betracht. Da aus der 
Literatur mit Sicherheit hervorgeht, dass das Organfett von dem der 
Depots unter normalen Bedingungen bezüglich verschieden ist, dass jedoch 
die Fettarten der einzelnen Organe einander ähnlich sind und auch 
wesentliche Differenzen aus den Tabellen der untersuchten Tiere ersicht¬ 
lich waren, so wurde angenommen, dass normale Organe im wesentlichen 
eine gleichmässige Breite in den Schwankungen der Lipoide aufweisen. 
Es konnte daher eine Untersuchung des Depotfettes zunächst hier ent¬ 
behrt werden, zumal aus äusseren Gründen eine solche die angestellten 
Untersuchungen noch mehr compliciert und bei der grossen Zahl der zu 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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gleicher Zeit auszuführenden Analysen kaum mehr zu bewältigen, ge¬ 
schweige denn systematisch durchführbar gewesen wäre. Für die Be¬ 
urteilung des Phophatidgehalts geht aus dem Gesagten hervor, dass 
nicht die absolute Erhöhung bzw. Erniedrigung des auf die Trockensub¬ 
stanz bezogenen Prozentgehaltes ohne weiteres Auskunft darüber geben 
kann, ab normale Verhältnisse vorliegen oder nicht. Man wird den Ge¬ 
halt des Lipoidextraktes an Phosphatiden, sowie den Gesamtfettgehalt 
des Organs hierfür noch in Betracht ziehen müssen. 

Es ist anzunehraen, dass der procentuale Phosphatidgehalt des 
Lipoidextraktes bei normaler Zusammensetzung des Organfettes annähernd 
innerhalb gewisser Grenzen schwankt. Ist derselbe vermindert, so kann 
es sich einmal um einen abnormen Abbau der Phosphatide des Drüsen¬ 
parenchyms handeln. Oder es können andere Lipoidsubstanzen von 
aussen eingeschwemmt sein (Fettsäuren, Cholesterin), so dass lediglich 
durch deren Zunahme eine relative Abnahme der Phosphatide bedingt 
ist. Trotzdem wird man in solchen Fällen an einen abnormen Abbau 
dieser Substanzen denken müssen, weil anzunehmen ist, dass bei dem 
Vorgänge der Fettwanderung nicht lediglich Fette und Cholesterin aus 
den Fettdepots eingeschwemmt werden, sondern dass auch die Phos¬ 
phatide in dem Masse, als sie Anteil haben an der Menge des Reserve¬ 
fettes, auch teilnehmen an der Fett Wanderung. 

Eine Vermehrung der Phosphatide kann zustande kommen, wenn 
mehr Phosphatide eingeschwemmt werden in das Organ, als in dem¬ 
selben abgebaut werden, z. B. könnte man sich teleologisch dies vor¬ 
stellen in Fällen, in denen der Organismus an Ort und Stelle des Leci¬ 
thins bedarf, wie dies namentlich für die Immunitätsreaktionen in Betracht 
kommt. Ferner kann eino solche da zustande kommen, wo an Ort und 
Stelle Blutkörperchen zugrunde gehen (Leber). Die Möglichkeit endlich 
einer relativen Vermehrung durch geringeren Abbau der Phosphatide als 
der übrigen Lipoide ist bei allem, was wir chemisch über die Phos¬ 
phatide und deren leichte Zersetzlichkeit wissen, kaum anzunehmen und 
noch weiter weniger wahrscheinlich, als die oben erwähnte Möglichkeit 
der Einschwemmung von Phosphatiden in einem abnorm hohen Ver¬ 
hältnis, ohne dass hierzu ein besonderer biologischer Grund vorläge. 


Phosphorvergiftung. 


Mit Rücksicht auf die klassische Rolle, die die Phosphorvergiftung 
in der Literatur, namentlich bei der Discussion der Voit-Pettenkofcr- 
schen Lehre von der Fettbildung aus Eiweiss, geführt hat, sind mit diesem 
Stoffe einige Versuche unternommen worden, obwohl der Phosphor als 
eigentliches Blutgift nicht zu betrachten ist. Für die hier vorliegende 
Frage der Verfettung seien nur einige der wichtigsten Arbeiten hier an¬ 
geführt. Der erste, der gegen die Voit-Pettenkofersche Theorie pole¬ 
misierte, war Lebedeff (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 1883, Bd. 31, 
S. 11). Er konnte feststellen, dass das Fett der Phosphorleber relativ 
ebenso viel Oelsäure, Fett und Triglycerid enthielt wie die Normalleber. 
Pflüger (Arch. f. d. ges. Physiol., Bd. 51, S. 229; Bd. 52, S. 1) selbst 


Phosphor- 
vergiftung und 
degenerative 
Verfettung. 


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Hermann Jastrowitz, 


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hat dann die Versuche einer eingehenden Kritik unterzogen, gegen die 
Einwendungen kaum zu erheben sind. Er wies auch darauf hin, dass Leo 
(1. c.), der ein geringes Plus an Fett in den Lebern von Phosphorfröschen 
nachweisen konnte, mit Recht die Eventualität einer Entstehung dieses Fettes 
aus Kohlehydraten in Betracht gezogen hatte. Trotzdem wurde stets wieder 
die Behauptung aufgestellt, dass zum mindesten ein Plus an Fett bei der 
P-Vergiftung in der Leber sich fände; es sei hier nur auf die Arbeit von 
Polimanti (Arch. f. d. ges. Physiol., Bd. 95, S. 345) hingewiesen. Neuer¬ 
dings hat Leo seinen früheren Gedanken wieder aufgegriffen und ver¬ 
sucht, bei aseptischer Digestion des überlebenden Organes sowie bei 
Durchleitung von Phosphorwasser durch dasselbe eine Neubildung von 
Fett nachzuweisen, allerdings ohne eindeutiges Resultat (cfr. Leo, Bio- 
chem. Zeitschr., 1913, Bd. 48, S. 296; Derselbe und Truschennikoff, 
Ebendas., S. 302 sowie Derselbe und Bachem, Ebendas., S. 313). Im 
Hinblick auf diese Untersuchungen liegt doch, wie man sich auch zu der 
Frage der Herkunft der Fettsubstanzen stellen mag, der Gedanke nahe, 
dass die Fettsubstanzen nicht ohne Schädigung davon kommen werden, 
wenn, wie wir ja wissen, das Eiweiss in erheblicher Menge geschädigt 
bzw. abgebaut wird. Hierauf weist zunächst der Stoffwechsel hin mit 
dem Auftreten von Tyrosin, Leucin und anderer Aminosäuren (Aber¬ 
halden und Barker, Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 42, S. 524), sowie 
durchaus ähnlicher Befunde in der Phosphorleber selbst, so schon das 
Steigen des Wassergehaltes und das Sinken der N-Menge, wie es von Stark 
(Deutsches Arch. f. klin. Med., 1884, Bd. 35) festgestellt hat. Hierher 
gehören ferner Untersuchungen von Wakeman (Zeitschr. f. physiol. 
Chemie, Bd. 44, S. 335), der das Absinken der Hexonbasen feststellen 
konnte (cfr. hierzu auch Wakeman und Soave, ßerl. klin. Wochenschr., 
1904, S. 1067). Endlich die Versuche von Jakoby (Zeitschr. f. physiol. 
Chemie, Bd. 30, S. 149 und 174), der in derselben Tyrosin sowie die 
Beschleunigung der Autolyse durch die P-Vergiftung nachweisen konnte. 
Für die Fettsubstanzen sind die Angaben nicht in dem Masse überein¬ 
stimmend. Bezüglich des Gesamtfettes sei hier bemerkt, dass nach 
Athanasiu (Pliügers Arch., Bd. 74, S. 111) bei mit Phosphor vergifteten 
Fröschen sowohl eine Zunahme des Leberfettes, jedoch keine solche des 
Gesamtkörperfettes nachweisbar war. Rosenfeld (Allgem. med. Zentralbl., 
Sitzungsber. der Schles. Ges. f. vaterl. Kultur, 19. Okt. 1900) hat auf Grund 
seiner bekannten Versuche in Verbindung mit den oben citierten Experi¬ 
menten von Leo und Athanasiu den ganzen Vorgang bei der P-Ver¬ 
giftung als Fetttransport aufgefasst. So viel ist zuzugeben, dass die 
Gesamtfettmenge bei der P-Vergiftung nicht zunimmt, wie dies Kraus 
und Sommer durch Analyse von Mäusen (Hofmeisters Beitr. z. pathol. 
Physiol., 1901, Bd. 2, S. 86) eindeutig gezeigt haben, und wie dies auch 
aus den neuerdings unternommenen Versuchen von Nagamichi Shibata 
(Biochem. Zeitschr., Bd. 37, S. 345) mit Sicherheit hervorgeht. Man wird 
aber auch andererseits zugeben müssen, dass, wie z. T. schon früher aus¬ 
geführt, die Ueberfütterungsversuchc mit artfremdem Fett (Rosenfeld) 
in vieler Hinsicht nicht geeignet waren, der Lösung dieser Frago näher 
zu kommen. Aber auch die Bestimmung der Gesamtfettmenge des 


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Original fro-m 

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Ueber Lipoidverfettung. 


145 


Körpers kann hierfür keinen unanfechtbaren Beweis liefern. Denn es ist 
wohl möglich, dass, da bei der P-Vergiftung in den am meisten ge¬ 
schädigten Organen das Fett unzersetzt liegen bleibt, während an anderen 
funktionell minder lädierten Orten des Organismus, zumal bei der Stei¬ 
gerung des Gesamtstoffwechsels grössere Mengen Fett verbraucht werden, 
der Gesamtfettgehalt des Körpers an sich nicht wesentlich zu schwanken 
braucht. Geber die qualitative Zusammensetzung des Fettes vergifteter 
Tiere sind die Ansichten jedenfalls divergierend. 

Der erste, der einen wesentlichen qualitativen Abbau des Fettes zu con- 
statieren glaubte, war Heffter. Er fand in der Trockensubstanz P-vergifteter 
Tiere im Mittel 5,20 pCt. Lecithin gegenüber 7,80 pCt. bei den Norraaltieren. 
Diese Befunde sind nicht durchweg bestätigt worden. So konnte Lusena 
(Lo sperimentale, Vol.LVlI,p.29—46,cit.nachMaly,Jahresb.,1904, Bd. 33, 
S. 90) bei Untersuchung von Leber, Niere und Herz P-vergifteter Tiere 
keinen deutlichen Unterschied constatieren, er fand sogar bei Herz und 
Leber ein Plus an Lecithin. Dass die Frage nicht so einfach liegt, geht 
aus einer Studie von Carbone (Arch. ital. de biol., Vol. XXVI, p. 279, cit. 
nach Maly, Jahresb., 1897, Bd. 26) hervor, der zuerst eine Abnahme, 
späterhin eine Zunahme des Lecithins feststellte. Dieses an sich paradoxe 
Verhalten könnte z. B. dadurch erklärt werden, dass vor Einsetzen 
der Lipoidinfiltration zunächst durch Phosphorwirkung eine Lecithinab¬ 
nahme bedingt wird, dass es dann weiterhin infolge Einwanderung von 
Lipoidstoflen in das degenerierte Organ zu einer scheinbaren Zunahme 
kommen kann und dass erst terminal mit dem Fortschreiten der Ver¬ 
giftung ein nach aussen hin sich documentierender Abbau der Phosphatide 
eintritt, vorausgesetzt, dass es gelingt, das Versuchstier so lange am 
Leben zu erhalten, bis dass eine Ergänzung der Organlipoide aus Trans¬ 
portmaterial infolge Erschöpfung der Depots durch die Intoxikation nicht 
mehr stattfinden kann. Es kann sehr wohl das Tier vor diesem Zeit¬ 
punkt zugrunde gehen, denn die Schädigung durch den Phosphor ist nach 
Harnack (Münch, med. Wochenschr., 1909, Nr. 9) zunächst als eine ört¬ 
liche, durch ein Zugrundegehen der Parenchymzellen bedingte, denkbar, 
der erst die fettige Degeneration folgt. Aus diesen Ausführungen resultiert, 
dass der negative Befund nichts gegen das Bestehen eines Abbaus des 
Lecithins bei der Phosphorvergiftung beweist, dass dagegen der positive 
wohl einen Beweis hierfür darstellt. Was hier für die P-Vergiftung aus¬ 
einandergesetzt ist — und deshalb ist auf diesen Punkt hier etwas aus¬ 
führlicher eingegangen — gilt mehr oder minder für alle derartigen patho¬ 
logischen Prozesse. Nun kommt jedoch hinzu, dass wir gewisse Anhalts¬ 
punkte dafür kennen, dass die Lipoide bei der Vergiftung sich qualitativ 
anders verhalten als die normalen. So hat z. B. Woltke (Inaug.-Diss., 
Moskau 1901, cit. nach Maly, Jahresb., 1902, Bd. 31, S. 77) neben 
negativen Resultaten in einem Falle eine Erhöhung der Jodzahl bei der 
P-Vergiftung gefunden. Schon Dastre und Morat (Sem. raed. de Paris, 
1879, p. 372) glaubten bei P-Vergiftung ein andersartiges Fett vor sich 
zu haben, das sie auf Grund des polarimetrischen Verhaltens und des 
Zurückbleibens eines sauren Rückstandes nach Verbrennen auf dem Platin¬ 
blech für Lecithin ansprachen. Auch die Waldvogelschen Unter¬ 
zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. jq 


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146 


Hermann Jastrowitz, 


suchungen (Virchows Arch., 1904, Bd. 177, S. 118), der eine Zunahme der 
ätherunlöslichen, alkohollöslichen Substanzen bei der P-Vergiftung sowohl 
wie bei der Autolyse gefunden hat. 

Als Blutgift im eigentlichen Sinne kann man den Phosphor nicht 
bezeichnen, wenn auch frühere Untersucher durch P-Gaben eine Anämie 
hervorrufen konnten (Frankel u. Röhmann, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 
1891, Bd. 4, S. 439), so stehen dem neuere Befunde entgegen. So 
konnte schon Tausigk (Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmak., 1892, Bd. 20, 
S. 161) bei Menschen und Kaninchen keine Anämie feststellen, ja Jacksch 
(Deutsche med. Wochenschr., 1893, S. 10) fand sogar eine Hyperglobulie, 
eine Beobachtung, die von Pisarski (Deutsches Arch. f. klin. Med., 1908, 
Bd. 91, S. 287) bestätigt werden konnte, ebenso wie von anderen Unter¬ 
suchern (Hess und Saxl, 1. c.), z. T. mag dies darauf beruhen, dass sich 
die Erythrocyten verschiedener Tierspecies gegen Phosphor different ver¬ 
halten, eine Möglichkeit, auf die z. B. auch nach Robert (Pharmakol., 
Nr. 2, S. 289, publ. in Göbersdorfer, Veröffentlichung, 1898, Bd. 2, 
S. 143) nachweisen konnte, hindeutet. Bei Hunden, die hier in Betracht 
kommen, könnten lediglich die durch den Icterus ins Blut gelangenden 
Gallensäuren in geringem Grade hämolytisch wirken. 

Diese trotz der vielfachen Versuche keineswegs klare Sachlage Hessen 
einige weitere Experimente, namentlich in Zusammenhang mit den weiter¬ 
hin angestellten, wünschenswert erscheinen. 

Besprechung der Ich lasse hier zunächst die Versuche folgen und gebe gleichzeitig 

Versuchsresultate jj e R esu jt a t e Bei Hund I und III handelt es sich ura eine subacute, bei 

Hund II um eine chronische P-Vergiftung. 

Durch den Phosphor wurde in allen 3 Fällen ein mässiger Grad 
von Anämie erreicht. Jedoch war das Blutbild in keinem Falle irgend¬ 
wie morphologisch verändert. Die Sektion zeigte überall die bekannten 
Erscheinungen, Icterus von verschiedener Intensität, parenchymatöse 
Organdegeneration. In Fall I und III, wo die Beobachtungszeit etwa 
9 Wochen betrug, waren die Erscheinungen intensivere. Beide Male zeigte 
sich das typische Bild der Phosphorleber. Anders in Fall 11. Hier war 
bei allmählicher Vergiftung die Verfettung der Leber lange nicht so aus¬ 
gesprochen. Die Nieren, welche mikroskopisch nur in Fall II und III 
untersucht wurden, zeigten nur im letzten Falle geringe Verfettung. Auf¬ 
fällig ist zunächst bei Betrachtung des Blutes in allen Fällen ein An¬ 
steigen des Wassergehalts auf 87,12 pCt. (Fall III), 86,48 pCt. (Fall II), 
84,32 pCt. (Fall I) und das entsprechende Absinken der Trockensub¬ 
stanz. Weiterhin zeigt sich eine Vermehruug der Gesamtlipoide, die 
ziemlich gleichmässig in allen 3 Fällen zwischen 5,49—4,95 pCt. der 
Trockensubstanz beträgt. Den höchsten Anteil an dieser Vermehrung 
tragen in Fall I und II Fettsäuren und Unverseif bares gemeinsam, während 
die Lecithinwerte sich der oberen Grenze der Norm nähern (1,48 bis 
2,86 pCt.). In Fall III ist allerdings ein Rückgang des Unverseifbaren 
auf 0,37 pCt. zu verzeichnen. Diese Zahlen zeigen, dass ein starker 
Fetttransport bei diesen Tieren von den Unterhautfettdepots nach den 
inneren Organen zu stattfindet, und dass an diesem Transport in erster 
Linie die Fettsäuren mit 3,97—4,28 pCt. der Trockensubstanz beteiligt 


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Ueber Lipoidverfettung. 

Tabelle V. Pathologische Hunde: Blut. 


147 



Wasser 

Trocken¬ 

substanz 

Petroläther¬ 

extrakt 

Fettsäuren 

Unverseif bares 

Aetherextrakt 

Aethcrlöslicher 

P 

Lecithin 

Gesamtlipoide 

Trocken¬ 

substanz 

Aether¬ 

extrakt 

Trocken¬ 

substanz 

Aether¬ 

extrakt 

sphorhund 1 . . . . 

84,32 

15,68 

3,97 

2,77 

1,20 

3,95 

0,057 

1,46 

1,48 

38,02 

4,49 

sphorhund II ... . 

SG,48 

13,52 

4,19 

2,30 

1.89 

3,76 

0,061 

1,63 

1,59 

42,50 

4,71 

sphorhund III ... 

87,12 

12,88 

4,28 

3,91 

0,37 

3,64 

0,071 

1,96 

1,86 

51,04 

4,95 

obenzolhund I . . . 

80,02 

19,98 

2,86 

1,98 

0,88 

2,71 

0,065 

2,41 

1,69 

62,76 

3,40 

•obenzolhund 11 . . . 

86,82 

13,18 

— 

— 

— 

3,29 

0,089 

0,27 

2,32 

70,31 

— 

•obenzolhund 111 . . . 

85,73 

14,27 

4,24 

3,10 

1,14 

4,04 

0,049 

1,20 

1,28 

31,25 

2,67 

enwasserstoffhund I. . 

84,71 

15,29 

2,62 

1,99 

0,63 

— 

— 

— 


— 

— 

odinhund L .... 

82,72 

17,28 

— 


— 

1,53 

0,047 

1,04 

1,22 

27,88 

4,52 

odinhund 11 ... . 

87,51 

12,49 

— 


— 

5,02 

0,023 

0,44 

0,56 

11,75 

5,02 

jylendiaminhund I . . 

87,19 

12,81 

— 

— 


4,50 

0,063 

1,40 

1,64 

36,46 

4,50 

rionasykhund I . . . 

82,92 

17,08 

5,66 

; 4,i3 

I L53 

7,19 

0,13 

1,85 

3,39 

49,18 

6,74 

forhund. 

80,24 

19,76 

5,33 

4,69 

0,64 

4,64 

0,14 

3,06 

3,65 

79,69 

6,51 


Tabelle VI. Pathologische Hunde: Leber. 



Wasser 

Trocken¬ 

substanz 

Gcsamt-N 

Araid-N in pCt. 
der Trockensubstanz 

Araid-N in pCt. 
des Gesamt-N 

Petroläther¬ 

extrakt 

Fettsäuren 

Unverseifbares j 

Aetherextrakt 

Aether- 
lösiicher P 

Lecithin 

Gesamtlipoide j 

fl g 

£ £ 

O C/J 

2-2 

H cn 

5 S 

® M 
oj 

’ N> 

fl a 
o 

o <n 
o Xi 

tm ^ 

H « 

Aether¬ 

extrakt 

'Sphorbuüd I . . 

78,54 

21,46 

4,64 



53,98 

44,16 

9,82 

66,10 

0,138 

0,208 

3,59 

5,42 

58,00 

»sphorhund II . . 

76,88 

23,12 

11,99 

0,77 

6,41 

16,48 

12,20 

3,98 

20,95 

0,32 

1,50 

8,30 

39,06 

17,28 

•sphorhund III. . 

75,29 

24,71 

9,97 

0.64 

6.43 

30,89 

28,97 

1,92 

34,14 

0.24 

0,70 

6,25 

18,23 

33,87 

robenzolhund I 

77,08 

22,92 

10,83 

0,65 

6.04 

24,49 

22.76 

1,73 

23,25 

0,24 

1,02 

6,25 

26,56 

26,34 

robenzolhund II . 

78,79 

21,21 

11,43 

0,46 

5,61 

10,73 

7,77 

2,96 

11,16 

0,16 

1,42 

4,17 

36,98 

12,18 

robenzolhund III . 

80,47 

19,53 

11,10 

0,49 

4,93 

19,28 

16,91 

2,37 

16,53 

0,19 

1,45 

4,95 

29,48 

21,38 

enwasserstoffhd. I 

77,86 

24,14 

11,80 

0,60 

5.12 

14,09 

13,15 

0,89 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

enwasserstoffhd.il 

77,56 

22,44 

13,18 

0,70 

5,34 

13,42 

10,53 

0,89 

15,18 

0,13 

0,87 

3,40 

22,66 

12,00 

eyijlhund 1 . . . 

75,00 

25,00 

2,28 

0,14 

6,04 

77,73 

73,28 

4,45 

77,08 

0,24 

0,31 

6,25 

8,07 

82,75 

eyölhund II . . 

79,78 

20,22 

6,97 

0,55 

7,81 

42,70 

39,74 

•2,96 

47.41 

0,090 

0,19 

2,34 

4,95 

45,14 

•odinhund 1 . . 

72,26 

27,74 

9,35 

0,56 

5,97 

26,49 ; 23,03 

3,46 

27,40 

0,24 

1 0,90 

6,25 

23,44 

29,20 

•odinhund II . . 

75,19 

26,81 

12,47 

0,65 

5,20 

16,13 , 14,45 

1.68 

20,46 

0,082 

0,40 

2,14 

10,42 

17,31 

uylenhund I . . 

73,57 

26,43 

12,34 

0,54 

! 4,35 24,25 

1 20,55 

3,70 

20,49 

0,027 

0,13 

0,70 

3,43 

25,38 

uylenhund II . . 

81,31 

18,69 

12,34 

0,71 

5,73 

11,29 

10,11 

1,10 

11,71 

0,15 

1,26 

3,91 

32,81 

12,71 

uylenhund 111 . . 

80,37 

i 19,63 

— 

— 

— 

1 15,67 

j 13,67 

2,00 

16,53 

0,015 

0,91 

0,39 

23,75 

16,41 

rionosykhund . . 

71,93 1 28,07 

10,32 

— 

— 

18,39 

16,46 

1,93 

20,79 

0,15 

0,72 

3,91 

18,75 

20,18 

Torhund . . . 

| 75,09 

| 24,91 

11,27 

0,61 

| 5,45,23,96 \ 23,03 

0,93 

21,29 

0,20 

1,33 

7,29 

35,45 

26,94 


sind, dass in 2 Fällen auch das Unverseifbare das gleiche Phänomen 
zeigt, und dass die Phosphatidwerte sich an der oberen Grenze der Norm 
bewegen. Es dürfte dieses Verhalten so zu erklären sein, dass das Depot¬ 
fett an sich phosphatidärmer ist als das normale Blut, so dass bei ein¬ 
tretendem Fetttransport der procentuale Anteil der Phosphatide, der 
normalerweise von den Gesamtlipoiden 50 pCt. und mehr beträgt, auf 
etwa 30 pCt. trotz einer absoluten, durch Fetttransport bedingten Zunahme 
derselben absinkt. In ähnlicherWeise hat Lattes eine Erhöhung des Blut- 
fettesbis 0,592 pCt. feststellen können, ein Wert, der allerdings sehr weit 

10 * 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





















148 


Hermann Jastrowitz 


Tabelle VII. Pathologische Hunde*. Herz. 



Wasser 

Trocken¬ 

substanz 


* 

j 

_ 3 

! o 

, 

U 

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p 

ü 

u 

er 

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1 5® 

Aether- 
löslicher P 

1 Lecithin 

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Amid-N in 
der Trockens 

1 .£ rt 

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O er 
O Xi 

i P 
fc“ 1 er 

L -*-* 

5 S 

5 3 

<? Ci 

Trocken¬ 

substanz 

Acther- 

extrakt 

Phosphorhund I . . 

78,20 

21,80 




24,78 

21,12 

3,66 

16,09 

0,12 

0,75 

3,13 

19,53 

26.5 

Phosphorhund II . . 

72,90 

27.90 

12,51 

0,69 

5,44 

11,56 

6,69 

4,87 

13,46 

0,22 

1,61 

5,73 

41,93 

13.3 

Phosphorhund III. . 

80,74 

19,26 

12,44 

0,76 

6,12 

11,85 

10,66 

1,19 

14,40 

0,16 

1,14 

4,17 

29,69 

13,4 

Nitrobenzolhund I 

76,59 

23,41 

11,33 

0,45 

3,69 

18,17 

13,70 

4,47 

16,56 

0,11 

0,63 

2,87 

16.37 

19,5 

Nitrobenzolhund 11 . 

80,54 

19,46 

9,20 

0,44 

4,80 

28,03 

15,54 

12,49 

2(),S9 

0,42 

1.99 

10,94 

51,8*2 

32.0 

Nitrobenzolhund III . 

76,20 

23,80 

11,72 

0,68 

6,06 

11,51 

10,58 

0,93 

16,58 

0,36 

2,18 

9.38 

56,89 

14.4 

A rsen w asse rs tofT h d. 11 

77,27 

22,73 

13,49 

0,69 

5,13 

10,20 

8,85 

1,35 

10,61 

0,27 

2,56 

7,03 

66.67 

12,4 

Poleyölhund I . . . 

74,90 

25,10 

10,92 

0.74 

6,84 

25,94 

23,93 

2,01 

33,87 

0,36 

1,06 

9,38 

27.60 

29,5! 

Poleyölhund 11 . . 

75,92 

24,08 

11,90 

0,58 

4.93 

23,51 

22,30 

1,21 

30,35 

0,30 

1,02 

8,07 

26.56 

26.61 

Pyrodinhund I . . 

81,32 

18,68 

11,70 

0,71 

6,95 

17,75 

16,23 

1,52 

19,83 

0,29 

1,48 

7,55 

38,41 

20.41 

Pyrodinhund II . . 

74,56 

25,44 

11,48 

0,68 

5.93 

20,84 

18,50 

2,34 

20,79 

0.27 

0,40 

7,01 

10.42 

22.2; 

Toluylenhund I . . 

77,66 

22,34 

11,90 

0,67 

5,60 

18,15 

15,97 

2,18 

18,35 

0,39 

2,14 

10,39 

55,73 

21.6t 

Toluylenhund 11 . . 

80,36 

19,64 

11,32 

0,64 

5,63 

12,66 

11,55 

1,11 

12,97 

0,31 

2,42 

8,07 

63.02 

15.3! 

Toluylenhund III . . 

79,93 

20,07 

12,08 

0,72 

5,79 

11,52 

7,24 

4.28 

8,08 

0,19 

2,37 

4,95 

61,72 

13,11 

Vibrionasykbund . . 

78,60 

21,40 

10,60 

0,43 

4,61 

33,39 

30,96 

2,43 

31,40 

0,39 

1,23 

10,16 

32,03 

35,51 

El-Torhund. . . . 

77,16 

22,84 

12,53 

0,56 

4,46 

21,66 

19,72 

1,94 

18,54 

0,29 

1,56 

7,52 

40,62 

24.51 



Tabelle \ 

III. 

Pathologische Ilunde*. Ni 

eren. 






Phosphorhund II . . 

72,85 

27,15 

12,44 

0,75 

6,02 

16,27 

9,76 

6,51 

18,10 

0,42 

2,35 

10.94 

61,20 

IM 

Phosphorhund III. . 

81,05 

18,95 

9,63 

0,63 

6,52 

26,99 

24,58 

2,41 

26,01 

0,32 

1 1,23 

8,33 

32,03 

30.3 

Nitrobenzolhund I 

79,05 ! 

20,95 

12,21 

0,73 

6,05 

8,60 

7,67 

0,93 

9,98 

0,16 ! 

1,63 

4,17 

42,45 

3.9 

Nitrobenzolhund II . 

85,18 

14,82 

8,43 

0.42 

4,93 

38,58 

23,16 

15,42 

34,40 

0,51 j 

1,48 

13,28 

39,44 

43. H 

Nitrobenzolhund III . 

81,69 ! 

20,31 

10,71 

0,52 

4,86 

16,09 

14.83 

1,26 

16,10 

0,28 | 

1,73 

7,29 

45.05 

is,7| 

ArsenwasserstolThd.il 

82.32 | 

17,68 

13.18 

0,45 

3,42 

16,34 

12,62 

3,72 

19,80 

0,39 i 

1,94 

10,17 

50,52 

19.61 

Poleyölhund I . . . 

74,62 

25,38 

12,41 

0,47 

3,76 

19,09 

14,57 

4,52 

23,12 

0,16 

0,69 

4,17 

17,97 

20.81 

Poleyölhund 11 . . 

76,60 

23,40 

11,68 

0,52 

4,45 ; 

27,71 

23,54 

4,17 

29,12 

0,17 

0,58 

4,43 

15,10 

29.3 

Pyrodinhund I. . . 

78,16 

21,84 

11,66 

0,58 

4.99 1 

19,30 

14,76 

4,54 

18.38 

0,35 

1,88 

9,12 

49.22 

22.3! 

Pyrodinhund II . . 

76,17 

23,83 

11,23 

0,44 

3,92 

19,03 

16,21 

3,72 

28,20 

0,31 

1,10 

8,07 i 

28,65 1 

22.3 

Toluylenhund I . . 

78,87 

21,13 

10,19 

0,66 

6,70 

24,57 

20,81 

3,76 

22,81 

0,38 

1,65 

9,89 

42,97 

28.1 

Toluylenhund II . . 

Toluylenhund 111. . 

83,06 

16.94 

10,47 

! 0,61 

5,80 

24,56 

22,86 

1,70 

18,96 

0,31 

1,63 

8,07 

42.45 

27.7 

80,56 

19,34 

10,16 

0,73 

6,60 1 

15,31 

13,15 

2,16 

16,41 

0,17 

1,03 

4,43 

26.82 

17.0 

Vibrionasykhund . . 

79,94 1 

20,56 

11,78 

0,87 

7,42 

19,59 

16,07 | 

3,52 

17,01 

0,22 

1,27 

5,73 

33,07 

20,5 

El-Torhund. . . . 

81,37 

18,63 

10,35 

0,54 

5,23 j 

23,01 

21,96 j 

i 

l,05i 

\ 

23,53 

0,40 

1,69 

10,36 | 

44,01 

26.7 


hinter dem bei Phloridzinvergiftüng mit 0,8868 pCt. zurüekbleibt. Immer¬ 
hin ist dieser starke Fetttransport, wie oben auseinandergesetzt, geeignet, 
die wahren Verhältnisse wie die Verteilung der Phosphatide in den Organen 
zu verschleiern. 

Was zunächst das Herz anlangt, so möchte ich gleich voraus- 
sohickcn, dass es mir in keinem der vorliegenden Versuche, die mit den 
verschiedensten Mitteln angestellt wurden, gelungen ist, eine patho¬ 
logische Verfettung zu erzielen. Es ist dies ein negatives Resultat, wie 
es auch Rubow (Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol., I3d. 52, S. 173) 
bezüglich der Verfettung im wesentlichen erhielt. Die Gesamtlipoide 
waren beim 1. Phosphorhund höher als normal, und zwar entfiel diese 
Vermehrung bzw. der hochnormale Wert im wesentlichen auf die Fett- 


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Ueber Lipoidverfettung. 


149 


säure. Der Phosphatidgehalt war in dem Herzen des I. Phosphorhundes, 
der allein eine Besprechung hier nötig macht, an der Grenze der Norm 
mit 3,13 pCt. der Trockensubstanz. 

Hieraus ergibt sich, dass entweder lediglich Fett im chemischen 
Sinne eingeschwemmt sein muss, oder dass ein rascherer Abbau des 
Lecithins stattgefunden haben muss. Die erstere Annahme ist im Hin¬ 
blick auf das Blut unwahrscheinlich, die zweite steht vor der Hand 
isoliert da. Es wird sich in der weiteren Besprechung zeigen, ob sie 
durch Analoga in anderen Fällen weiter gestützt werden kann. Noch 
einige kurze Worte über Trockensubstanz- und Stickstoffgchalt: Letzterer 
lässt in Fall II und III, wo er lediglich untersucht wurde, ebenso wenig 
wie die Amid-N-Fraktion eine Anomalie erkennen. 

Die Leber zeigt in Fall I und III eine Zunahme der Gesamtlipoide bis 
auf 58,0 bzw. 33,87 pCt. der Trockensubstanz. Auch hier beteiligen sich 
bei diesen beiden Tieren im wesentlichen Fettsäuren und Unverseifbares 
an der Zunahme. Eine wesentliche Abnahme der Phosphatide ist nirgends 
zu erkennen, nur beim ersten Phosphorhund ist der Anteil an der 
Trockensubstanz sowie im Aetherextrakt ein relativ niedriger (3,59 pCt. 
in ersterer, 5,42 pCt. in letzterer). Im Gegensatz hierzu steht Fall II 
und III, wo ein abnorm hoher relativer Phosphatidgehalt verzeichnet 
steht. Besonders gross ist er in Fall II, wo keine erhöhte Fettmenge 
der Leber zu constatieren war, und wo dieselbe bis fast 50 pCt. der 
Gesamtlipoide ausmacht. Es ist dies ein Verhalten, wie es z. B. nur bei 
sehr fettarmen Normalhunden (cf. Hund V) angetroffen wurde. Trotzdem 
war auch in diesem Falle mikroskopisch eine geringe Verfettung, aller¬ 
dings nur der Leber nachweisbar. Es fragt sich nun, wie sich das ent¬ 
sprechende Verhalten erklärt. Für Fall I könnten ähnliche Verhältnisse, 
wie ich sie beim Herzen auseinandersetzte, vorliegen. Umgekehrt könnte 
Fall III so zu erklären sein, dass hier ein Phosphatidabbau noch nicht 
stattgefunden hat, bzw. ein solcher, wie es vorn gezeigt worden ist, durch 
eine entsprechende Phosphatidzufuhr aus den Organen compensiert wurde. 
Einer solchen Erklärung ist Fall II nicht zugängig. Hier muss man an¬ 
nehmen, dass irgendein abnormes Verhalten der Lipoidsubstanzen nicht 
vorliegt. Ob die hier vorhandene Anhäufung von Phosphatiden als ein 
Schutz des Organismus aufzufassen ist, möge dahingestellt bleiben. Sicher 
kann sie nicht erklärt werden aus einem Zugrundegehen von Blutkörperchen 
in der Leber, die gerade bei der Phosphorvergiftung keine erhebliche ist 
und lediglich eine sekundäre Rolle spielt. Höchstwahrscheinlich handelt 
es sich lediglich um den Ausdruck der Armut an eigentlichem Fett bei 
dem Versuchstier. 

Hinzugefügt sei noch bezüglich des Stickstoffgehalts, dass derselbe 
eine Reduction zeigte, die jedoch lediglich der Erhöhung des Fettgehalts 
entsprach und keine Abweichungen von der Norm erkennen liess, die 
auf einen Abbau der stickstoffhaltigen Substanzen der Leber hinwcisen 
könnten. 

Bezüglich der Nieren dieser Tiere, die nur in Fall II und III zur 
Untersuchung herangezogen worden sind, so zeigte Fall II nur insofern 
ein abnormes Verhalten der Lipoidsubstanzen, als auch hier wieder der 


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150 


Hermann Jastrowilz, 


Phosphatidgehalt dieses Organs mit 10,94 pCt. das Maximum, das bei 
Normalhunden beobachtet wurde, um über pCt. überschreitet, ebenso 
ist der Gehalt des Unverseifbaren hier ein relativ hoher. Es sind dies 
Verhältnisse, wie sie bei demselben Tiere auch in Herz und Leber in 
ähnlicher Weise zur Geltung kommen. Für diese augenscheinlich auf einer 
Fettarmut des Tieres beruhende Erscheinung ist oben schon eine weitere 
mögliche Erklärung gegeben worden. Während für die weiter folgenden 
Intoxikationen systematische Untersuchungen nicht vorliegen, sind solche 
sehr zahlreich für die Phosphorvergiftung vorhanden. Meist befassen sic 
sich jedoch mit dem Gesamtfettgehalt und den Beziehungen desselben 
zum Leberfett. Die eigentlichen Lipoide sind nur wenig berücksichtigt, 
soweit diese Untersuchungen hier von Interesse sind, sind sie weiter 
oben grösstenteils angeführt. 

ArsenwasserstofFvergiftung. 

Frühere Versuche. Als weiteres anorganisches Gift wurde der Arsenwasserstoff verwandt. 

Seine praktische Bedeutung ist wohl gering: im wesentlichen dürfte es 
sich hierbei um gelegentliche Vergiftungen bei der Darstellung von Wasser¬ 
stoff handeln, wenn durch Arsen verunreinigte Salzsäure verwandt wird. 
Um so mehr hat er zu theoretischen Studien gedient. Namentlich Sta¬ 
delmann (Arch. f. exp. Pathol. und Ther., 1883, Bd. 16, S. 221), sowie 
Minkowski und Naunyn (Arch. f. exp. Pathol. und Pharmakol., Bd. 16, 
S. 221 und Bd. 21, S. 19, 1886) haben zum Studium der Frage des 
hämatogenen Icterus diesen Körper verwandt und hieran die resorptive 
Theorie des Icterus geknüpft. Auch dieses Gift macht eine gewisse 
parenchymatöse Degeneration der Leber, wie Naunyn und Minkowski 
(1. c.) beschrieben haben, mit Ablagerung von eisenhaltigem Pigment und 
Gallenfarbstoff. Auch Verfasser konnte experimentell diese anatomische 
Schädigung bestätigen und auch eine functionelle Schädigung der Leber 
hierüber nachweisen (Arch. f. exp. Pathol. und Pharmakol., 1908, Bd. 59, 
S. 463), wie Hämoglobinurie und Anämie in zahlreichen experimentellen 
und klinischen Beobachtungen, darunter aus solchen aus der letzten Zeit 
(Joachim, Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 100, S. 52, hierselbst 
sowie bei Robert ist die gesamte Kasuistik berücksichtigt) dartun, stellt 
der Arsenwasserstoff eins unserer schwersten Blutgifte dar. 

Die morphologische Blutschädigung der klinisch beobachteten Fälle 
ist eine ausserordentlich grosse, die mit einer Ueberschwemmung von 
Erythroblasten einerseits und degenerativen atypischen Formen an¬ 
dererseits einhergeht. Besonders interessant erschien auch diese Vergif¬ 
tung für die vorliegende Fragestellung deshalb zu sein, weil Kraus 
(Arch. f. exp. Pathol., 1898. Bd. 26, S. 211) nachweisen konnte, dass 
die Kohlensäurespannung im Blut bei arsenwasserstoffvergifteten Hunden 
und damit die Alkalescenz des Blutes abnahm, eine Erscheinung, die 
er per exclusionem auf einen Lecithinzerfall infolge Zugrundegehens der 
roten Blutkörperchen zurückführt. 

Versuchs- Für die Wahl des Arsenwasserstoffes kam, wie schon eingangs her- 

resuitate. v0r g e } 10 [ )ei ^ auc h noch die Tatsache in Betracht, dass die arscnige Säure 
ein eigentliches Blutgift nicht darstellt. Leider stellten sich der Durch- 


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Ueber Lipoidverfettung. 


151 


führung dieser Vergiftung Schwierigkeiten in den Weg, wie sie von 
Stadelmann (Arch. f. exp. Pathol. und Ther., Bd. 16, S. 221), der 
ausgedehnte Untersuchungen mit diesem Gifte vorgenommen hat, beob¬ 
achten konnte. Die Versuchsanordnung war die gleiche wie bei Stadel¬ 
mann: das Tier wurde in einer gut gedichteten Kiste, in die durch ein 
am Boden befindliches Loch das Gas eingeleitet wurde, einem Gemisch 
von Wasserstoff und Arsenwasserstoff ausgesetzt, das aus Zink und mittelst 
Natronlauge gelöstem Arsentrioxyd durch Schwefelsäure entwickelt wurde. 
Der Mangel der Methode besteht natürlich darin, dass eine Dosierung nur 
schwer möglich ist. Es wurden stets 0,5—1,0 g arsenige Säure zugesetzt 
und das Versuchstier mehrmals etwa 5—7 Minuten der Inhalation unter¬ 
worfen. Mehrfach wurden die Tiere bereits nach der ersten Inhalation 
an demselben oder am nächsten Tage, nachdem sich Hämaturie und 
blutiger Stuhl eingestellt hatte, tot aufgefunden. Nur zwei Tiere habe 
ich längere Zeit am Leben erhalten können; in beiden Fällen etwas über 
3 Wochen. Leider wurde das letzte Tier am Tage nach der letzten Ver¬ 
giftung tot aufgefunden. Bei der langen Versuchsdauer habe ich hier, wie in 
den übrigen Fällen, wo die Tiere längere Zeit im Versuch waren, dieselben 
trotzdem für die chemischen Zwecke verwandt. Hier war natürlich die 
unter den bekannten klinischen Erscheinungen einsetzende Anämie eine 
erhebliche. Bei Fall I gelang es eine Reduction des Hämoglobins auf 
32 pCt. und der Erythrocyten auf 1900000, bei Fall II auf 25 pCt. und 
1600000 zu erzielen. Beim ersten Arsenwasserstoffhund ist leider die 
chemische Untersuchung nur eine unvollständige. Bemerkenswert ist der 
niedrige Trockensubstanzgehalt des Blutes (15,29 pCt.), während die Fett¬ 
substanzen, soweit sie untersucht sind, eine Abweichung von der Norm 
nicht erkennen lassen. Aehnlich sind die Erscheinungen in der Leber, 
die in jeder Richtung sich der normalen nähert. 

Der zweite Arsenwässerstoffhund ist vollständiger untersucht worden, 
jedoch auch hier konnten sehr wesentliche chemische Organveränderungen 
nicht constatiert werden. Diese Erscheinungen bestehen trotz der zweifel¬ 
los hochgradigen Anämie. Die Leber speziell liess irgend wie heraus¬ 
fallende Werte nicht erkennen. Beim Herzen nähert sich der Phospha- 
tidgehalt dem Maximum mit 4,03 pCt. in der Trockensubstanz. Dies 
ist um so auffallender, wenn man in Betracht zieht, dass der Gesamt¬ 
lipoidgehalt ein sehr niedriger ist, so dass das Lecithin etwa 60 pCt. 
der Gesamtlipoide ausmacht. In den Nieren ist ebenfalls der relativ 
hohePhosphatid- (10,17 pCt.) und hier auch der Cholesteringehalt (3,72 pCt.) 
auffällig. Diese Erscheinungen fehlen, wie schon gesagt, in der Leber. 
Dieses Verhalten kann nur durch die Annahme erklärt werden, dass die 
genannten Substanzen aus den roten Blutkörperchen in diese Organe ein¬ 
geschwemmt werden und dort liegen bleiben, während sie in der Leber 
einen rascheren Abbau, namentlich sub finem und — auszuschliessen ist 
dies in dem vorliegenden Falle nicht ganz — auch fermentativ post 
mortem erfahren haben. Es würde dies Verhalten der engen Verknüp¬ 
fung der Leber mit den Stoffwechselvorgängen entsprechen. Nur so 
scheint mir dies paradoxe Verhalten der Lipoidsubstanz erklärbar 
zu sein, denn an sich ist in der Leber, in der reichliche Blut- 


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152 Hermann Jastrowitz, 

körperchen zu Grunde gehen, auch demgemäss ein hoher Gehalt an 
Phosphor zu erwarten. 

Hinzugefügt sei noch, dass dem geringen Gesamtlipoidgehalt diese 
Organe entsprechend, von einer mikroskopischen Verfettung nichts zu 
bemerken war. 

Pyrodinvergiftung. 

Einen im wesentlichen durch Methämoglobinbildung giftig wirkenden 
Stoff stellt das essigsaure Phenylhydrazin dar, welches man eine Zeit 
lang versucht hat, unter dem Namen Pyrodin als Antipyreticum in die 
Klinik einzuführen. Die schädliche Wirkung auf Blut und Gefässsystem, 
wie sie von Renvers (Deutsche med. Wochenschr., 1889, S. 964) und 
von Zerner (Wiener med. Wochenschr., 1889, Nr. 4, S. 263) am Kran¬ 
kenhaus festgestellt worden ist und experimentell von P. Ziegler (Arch. 
f. klin. Med., 1889, Bd. 45, S. 263) bestätigt wurde, Hessen sehr bald 
von seiner Anwendung beim Menschen zurückkommen. Desto ausgedehn¬ 
tere Anwendung fand es bei den Versuchen über experimentelle Anämie 
und Blutregeneration. So hat auch Tallqvist (Ueber experimentelle 
Blutgift-Anämien, Helsingsfors, 1900, S. 16) bei den Blutvergiftungen es 
zu seinen Versuchen in ausgedehntem Masse deshalb herangezogen, weil 
es ein Blutkörperchengift im eigentlichen Sinne sei, bei dem die Methärno- 
globinbildung zurücktrete. Bei der Section mit Pyrodin vergifteter Tiere 
fand Tallqvist (cf. S. 51 und 75) nur geringe Degenerationserschei¬ 
nungen der parenchymatösen Organe, die im wesentlichen auf die Alte¬ 
ration der Erythrocyten und der hieraus resultierenden Ablagerung mehr 
oder weniger veränderten Blutfarbstoffes zurückzuführen waren. Verfettung 
konnte weder Tallqvist noch ich in irgend einem der untersuchten 
Organe finden. Es handelt sich also hier, und das ist der Grund, der 
die Heranziehung des Pyrodins zu den vorliegenden Versuchen recht¬ 
fertigt, um einen Stoff, der eine elektive Schädigung der roten Blutkörper¬ 
chen ohne schwerere pathologisch-anatomische Organläsion auslöst und 
jedenfalls keine Verfettung verursacht. Gerade hier dürfte das Verhalten 
der fettartigen Substanzen und die Frage nach einer Verschiebung der¬ 
selben von besonderem Interesse sein. 

Es sind 2 Versuche gemacht worden. Das Pyrodin wurde in wässeriger 
Lösung subcutan verabfolgt. Die Tiere sind ca. 2 Monate in Beobachtung 
gewesen. Es wurden steigende Dosen jeden 4. bis 6. Tag eingespritzt, 
die Reduktion der roten Blutkörperchen war eine erhebliche, desgleichen 
die des Hämoglobins; diese Werte sanken bei dem ersten Versuchstier auf 
1200000 E. und 19 pCt., bei dem zweiten auf 1 500000 E. und 28 pCt. Die 
autoptischen Erscheinungen waren die, wie sie auch Tallqvist gefunden 
hatte. Keine Degenerationserscheiriungen der Nieren und nur spurenweise 
Verfettung der Leber mit starker Pigmentierung beider Organe sowie 
Hyperplasie der Milz. Die morphologische Blutdegeneration war dabei 
eine ziemlich hochgradige. Was die chemischen Veränderungen anlangt, 
so ist der Trockensubstanzgehalt des Blutes reduziert, nicht so deutlich 
ira ersten Fall, wahrscheinlich beruhend auf den Mängeln des Trocknungs¬ 
verfahrens, wie dies bei Besprechung desselben schon hervorgehoben 
wurde. Eindeutig ist diese Erscheinung dagegen im Fall 111 (12,49 pCt.). 


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Ueber Lipoidverfettung. 


153 


Die Analysen der fetthaltigen Substanzen sind leider nicht völlig durch¬ 
geführt. Soweit sich dies aus dem Aetherextrakt erschliessen lässt, ist 
derselbe über die Norm erhöht, während das Lecithin relativ niedrigere 
Werte zeigt. 

Da eine Bestimmung des Unverseifbaren nicht ausgeführt wurde, ist 
nicht festzustellen, ob das Cholesterin oder die Fette im wesentlichen an 
der Erhöhung der Blutlipoide beteiligt sind. Nur zum kleinen Teil macht 
das Lecithin diese Steigerung aus, denn sein Wert nähert sich in Fall I, 
wo er absolut mit 1,22 pCt. hoch ist, doch dem relativen Minimum mit 
27,8 pCt., wenn man den Anteil der Phosphatide an der gesamten Aether- 
extraktmenge berücksichtigt. Eindeutiger ist das Verhalten in Fall II, 
wo der Lecithingehalt absolut auf 0,56 pCt. der Trockensubstanz und 
relativ auf 11,75 pCt. im Aetherextrakt, also unter das Minimum herab¬ 
geht. Wenn man sich daran erinnert, dass Masing (Arch. f. experim. 

Pathol. u. Pharmakol., 1911, Bd. 66, S. 71) bei Blutungsanämien als 
Zeichen der Regeneration der roten eine Vermehrung des ätherlöslichen P 
fand, so wird man sich das verschiedene Verhalten in diesen beiden Fällen 
vielleicht dadurch erklären können, dass in Fall I noch eine gewisse 
Regeneration des*BIutes vorhanden war, während in Fall II der Phosphatid- 
gehalt des Blutes sinkt, weil keine Möglichkeit mehr zu einer Ergänzung 
der zugrunde gegangenen Zellen besteht. 

In der Leber zeigen Trockensubstanz und der Stickstoff keine 
wesentliche Abweichung von der Norm. Eine Erhöhung des Gesamt¬ 
lipoidgehaltes zeigt nur der erste Pyrodinhund mit 29,20 pCt. gegenüber 
24,77 pCt. ira Maximum bei den normalen eine deutliche Erhöhung, die 
im wesentlichen auf die Fettsäuren und das Unverseifbarc, zum geringeren 
Teile nur auf die Phosphatide zu beziehen sein wird. Wenn man an¬ 
nimmt, dass mit dem Zerfall der roten Blutkörperchen auch ein allmäh¬ 
licher Zerfall der Phosphatide derselben eintritt, so scheint mir dieses 
Verhalten darauf zurückzuführen zu sein, dass einerseits ein Fetttransport 
stattfindet, und dass andererseits gerade für dieses Gift die Möglichkeit 
vorliegt, dass aus den in der Leber zerfallenen Blutkörperchen ausge¬ 
laugtes Lecithin und Cholesterin zunächst in diesem Organ liegen bleibt. 

Aehnliche Erscheinungen inbezug auf die Phosphatide lässt das Herz er¬ 
kennen: die maximalen Werte von 7,55 pCt. und 7,01 pCt. illustrieren 
diese Tatsache, ln ähnlicher Weise zeigen auch die Nieren einen etwas 
erhöhten Gesamtlipoidgehalt 19,30 pCt. bei I und 19,03 pCt. bei II. In 
diesen Organen tritt wie überhaupt bei den Nieren generell anormaler 
chemischer Zusammensetzungen in den Vordergrund der erhöhte Chole¬ 
steringehalt mit 4,54 bzw. 3,72 pCt., wogegen der Phosphatidgehalt nur 
eine mässige Erhöhung zeigt. Bei der Besprechung übergangen ist 
bisher die Leber des II. Pyrodinhundes, da sie Anomalien nicht aufwies. 

Nitrobenzol-Vergiftung. 

Ein Gift, das gleichzeitig ein Nervengift darstellt, daneben jedoch Wirkung des 
hauptsächlich eine schwere und ganz eigenartige Veränderung des Blut- Nltrobenzols ' 
farbstoffes verursacht, ist das Nitrobenzol. Dieser Körper hat ver¬ 
schiedentlich durch seine Verwendung zu Genussmitteln sowie zu Selbst- 


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mordzwecken auch praktisch Anlass zu z. T. mit tödlichem Ausgange 
verlaufenden Vergiftungen gegeben. Ausführlich ist die Nitrobenzolver¬ 
giftung zuerst vonJüdell (Habilit.-Schr., Erlangen 1876) studiert worden. 
Er weist darauf hin, dass die toxische Dosis sehr schwankend ist. Von 
Ewald (cit. nach Jüdell) wird für den Hund 1 g als tödliche Dosis be¬ 
zeichnet, während andere Autoren bis 15 g für den Menschen als noch 
nicht zum Exitus führend beobachtet haben (B. Grasselli und F. Giaroli, 
Gazetta degli ospedali, 1894, p. 138, cit. nach Robert, S. 798). Auch 
Ehlich und Lindcnthal (Zeitschr. f. klin. Med., 1896, Bd. 30, S. 427) 
konnten aus der Schröterschen Klinik über einen Fall berichten, der 
trotz oraler Aufnahme von 100 g Mirbanöl erst nach 14 Tagen zum 
Exitus kam. Somit hängt die letale Dosis wesentlich von der indivi¬ 
duellen Empfänglichkeit ab und liegt nur z. T. in den Händen des 
Experimentators. Dennoch waren es drei Eigenschaften des Körpers, die 
zu seiner Anwendung veranlassten. Einmal ist das Nitrobenzol eine 
lipoidlösliche Substanz, ferner macht es klinisch, wie Ehlich und 
Lindenthal (1. c.) beobachtet haben, ein der perniciösen Anämie ähn¬ 
liches Blutbild mit Auftreten von Megaloblasten, und es tritt neben einer 
Methäraatinbildung eine eigenartige Veränderung des Blutfarbstoffes ein, 
in dem ein mehr rechts vom Hämatinstreifen auftretender Absorptions¬ 
streifen im Spectrum sichtbar wird (Nitrobenzolstrcifen Filehnes, Arch 
f. exp. Pathol. u. Pharmak., Bd. 9, S. 329). Mit dem Absinken des Blut¬ 
farbstoffs geht ein Absinken des Saucrstoffgehaltcs derselben von 17 pCt. 
bis auf 1—3pCt. einher (Filehne, 1. c.). Zum Teil dürfte wohl dieser 
Sauerstoffmangel der Grund des Exitus sein. Die parenchymatösen Dege¬ 
nerationen sind nicht sehr ausgesprochen. Die Leber wird als ver- 
grössert und anämisch bezeichnet, die Farbe sei braun, ebenso das Herz 
(Jüdell, 1. c.). Auch beim Menschen haben Ehlich und Lindenthal 
einen ähnlichen Befund erhoben. Sie machten auf das Prominieren der 
Milzfollikel, sowie die Injektion und braungraue Verfärbung der Nieren 
aufmerksam. Auch Röhl (Inaug.-Diss., Rostock 1890) konnte eine sehr 
wesentliche Alteration ausser dem Vorkommen der Pigmentzellen und 
geringen parenchymatösen Veränderungen der Niere, die er in anderen 
Fällen normal fand, experimentell nicht erzielen. Das Nitrobenzol wird 
teils als solches ausgeschieden (Winternitz, Versamml. d. Naturforsch, 
u. Aerzte, Meran, Sitzung vom 28. Sept. 1905), teils zu Paraaminophenol 
reduziert (E. Meyer, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 1905, Bd. 46, S. 497). 
Die Blutveränderungen sind allerdings nicht constant, so fand Boas 
(Deutsche med. Wochenschr., 1897, Nr. 51) in einem letal verlaufenden 
Fall normale Beschaffenheit des Blutes und auch E. Meyer (1. c.) konnte 
nie abnorme Formen trotz starker Anämie nachwcisen 1 ). Wir haben also 
im Nitrobenzol ein Blutgift vor uns, dass scheinbar weder schwerere 
parenchymatöse Veränderungen noch eine Verfettung verursacht. 

Trotz des Fehlens eines anatomischen Befundes lässt es keines- 


1) Im Gegensatz hierzu stehen Beobachtungen von Massini (Deutsches Arch. 
f. klin. Med., Bd. 101, S. 7‘2), der erneut auf die relative Lymphocvtose und das Vor¬ 
kommen von Erythroblasten hinwies. 


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Ueber LipoidverfettuDg. 


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wegs die physiologische Funktion der grossen Drüsen — im wesent¬ 
lichen kommt hier die Leber in Betracht — intakt, wie dies Münzer 
und Palma (Zeitschr. f. Heilkunde, Bd. 15, S. 185) durch die Ver¬ 
mehrung der Ammoniak-, Aceton- und Aetherschwefelsäureausschei- 
dung sowie der toxischen Glukosurie nachweisen konnten. Da die 
toxische Dosis in weiten Grenzen ebenso wie die letale schwankt, war 
ich bei den Versuchen im wesentlichen darauf angewiesen, selbst die 
Menge auszutasten, die zum Auftreten deutlicher Vergiftungserscheinungen 
und einer intensiven Blutschädigung nötig war. Es gelang trotzdem 
nicht, die Tiere länger am Leben zu erhalten. Die Beobachtungszeit 
währte nur 8—11 Tage bei den drei Versuchstieren. Während dieser 
Zeit erhielten sie zweimal 0,4—0,5 g Nitrobenzol subcutan. Die kli¬ 
nischen Erscheinungen waren die bekannten: Schokoladefärbung des Besprechung der 
Blutes, Reduktion des Hämoglobins und der Erythrocyten sowie ent- ersuc e ‘ 
sprechender Veränderungen an den roten Blutkörperchen. Daneben traten 
in zwei Fällen Paresen, in einem Falle auch langdauernde clonische 
Krämpfe auf, während das dritte Tier, ohne dass derartige Erscheinungen 
beobachtet wurden, spontan zum Exitus gelangte. Die anatomischen 
Befunde entsprachen im grossen und ganzen den oben geschilderten der 
früheren Autoren. Das Blut zeigte im Fall III deutliche Ercheinungen 
des Fetttransportes mit verhältnismässig hohen Werten des Unverseif- 
baren 0,8 bzw. 1,14 pCt., d. h. ca. 25 bzw. 40 pCt. der Gesamtlipoide. 

In letzterem Falle dürfte man wohl von einer pathologischen Cholesterin- 
ämie zu sprechen berechtigt sein. Im Fall II ist die Kumagavasche 
Bestimmung leider nicht ausgeführt, die Phosphatide erscheinen mit dem 
hohen Wert von 2,32 pCt. der Trockensubstanz. Auch bei den übrigen 
Tieren liegen hochnormale Werte vor, die wohl als Zeichen des Fett¬ 
transportes anzusprechen sind. Ein Abbau von Lecithin ist im Blute 
nicht zu erkennen. Die Lebern der Tiere weisen übereinstimmend eine 
Reduktion des Trockensubstanzgehaltes, sowie Fall I und III einen etwas 
erhöhten Gesamtfettgehalt der Leber auf. Auch hier sind die Phospha¬ 
tide entsprechend erhöht, namentlich im Fall I auf 6,25 pCt. Ebenso 
zeigt das Cholesterin durchweg hochnormale Werte. Man dürfte nicht 
fehl gehen, wenn man diese Substanzen zum Teil aus dem Zerfall der 
roten Blutkörperchen herleitet. Pathologisch erschien von den Herzen 
nur dasjenige des II. Nitrobenzolhundes mit einem erhöhten Gesamt¬ 
lipoidgehalt von 32,08 und 12,49 pCt. Unverseifbarem sowie 10,49 pCt. 
Phosphatiden. Auffallend abnorm scheint vor allem der erstere Wert, 
namentlich im Vergleich zu dem III. und auch zum ersten Versuchs¬ 
tier, das nur 4,47 pCt. Unverseifbares enthielt. Beim III. Nitrobenzol¬ 
hund fällt der relativ hohe Gehalt an Phosphatiden in der Fett¬ 
substanz des Herzens auf. Die Nieren sind auch durchgängig unter¬ 
sucht worden, jedoch nur Hund II und III zeigen in dieser Richtung 
Abnormitäten. Im zweiten Fall treten genau dieselben Erscheinungen 
wie im Herzen, nur in noch ausgeprägterem Masse, hervor: es finden 
sich 15,42 pCt. Unverseifbares und 13,28 pCt. Phosphatide, d. h. 
der eigentliche Fettgehalt der Nieren ist gar nicht vermehrt; diese beiden 
Gruppen machen über 60 pCt. der Gesamtlipoide aus. Diese Erschei- 


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nungen bei dem zweiten Hunde im Herzen und in der Niere sind so 
ausgesprochen, dass hier nicht lediglich an ein Liegenbleiben transportierter 
Substanz gedacht werden kann, sondern an eine chemische Abartung des 
Gewebes, beruhend entweder auf einem verminderten Verbrauch infolge 
funktioneller Schädigung oder auf einer besonderen pathologischen Affinität 
für diese Lipoide. 


Tolnylendiaminvergiftnng. 

Wirkung des Eine Substanz, die in der experimentellen Pathologie eine ähnliche 
Rolle wie der Arsenwasserstoff gespielt hat, ist das Toluylendiamin. 
Seine Wirkung auf das Blut ist trotz der zahlreichen Untersuchungen 
noch nicht völlig klargestellt. Sicher ist, dass er gewisse degenerative 
Veränderungen in der Leber macht, wie Deluca (Intern, med. Kongress 
zu Rom, 1894) gezeigt hat, und wie schon Stadelmann sowohl für 
die Leber w r ie für die Nieren hervorgehoben hatte (Arch. f. experim. 
Pathol., 1887, Bd. 23, S. 427). Auch Verfettung hat schon Affanassiew 
(Zeitschr. f. klin. Med., 1883, Bd. 6, S. 318) beobachtet. Von letzterem 
stammt auch die Vorstellung, dass das Toluylendiamin direkt zerstörend 
auf die roten Blutkörperchen wirke, während Stadelmann glaubte 
(Arch. f. experim. Pathol., 1881, Bd. 14, S. 231), den Icterus als re- 
sorptiven erklären zu können und die Blutveränderungen lediglich durch 
Gallensäuren bedingt seien. Späterhin hat er diese Auffassung dahin 
modifiziert, dass das Toluylendiamin in geringem Grade die roten Blut¬ 
körperchen zerstöre. Ueber die Art der Hämolyse, ob es wie Lapique 
und Vast (Compt. rend. de Pacad. de med. Sitzung v. 14. Mai 1899, über¬ 
reicht von Duclaux) annehmen, durch Herabsetzung der Resistenzfähigkeit 
gegenüber Schädigungen, z. B. in vitro durch hypisotonische Kochsalz¬ 
lösung, oder ob die Hämolyse, wie Mohrberg (cit. nach Kobert, Dorpat. 
Tox. Arb., Bd. 8, S. 20) glaubt, durch Methämoglobinbildung in den 
angeblich intakten roten Blutkörperchen zustande kommt, oder endlich, 
ob es sich, wie sich dies Iovannovicz und Pick (Zeitschr. f. exper. 
Pathol. u. Therapie, Bd. 6, S. 185) vorstellen, um die Entwicklung se¬ 
kundärer lipoidartiger Hämotoxine in der Leber handelt, ist noch nicht 
mit Sicherheit entschieden. 

Vermutlich treffen diese Auffassungen mehr oder weniger gleich¬ 
zeitig zu. Die toxische Wirkung auf den Gaswechsel beweisen die Unter¬ 
suchungen von A. Mayer und Veiteiberg (mitgeteilt von Mayer, Arch. 
f. experim. Pathol. u. Pharmakol., 1883, Bd. 17, S. 326), welche eine 
Herabsetzung der Kohlensäure und der Sauerstoffwerte constatieren 
konnten, eine Erscheinung, welche vielleicht einerseits auf den hypo¬ 
thetisch mit der Erythrocytolyse einhergehenden Lecithinzerfall (Fr. Kraus, 
1. c.), andererseits auf eine Entziehung des für Oxydation disponiblen Sauer¬ 
stoffs durch die Amidgruppe des Giftes bezogen werden kann. Dieses Gift 
bedingt sowohl funktionelle Organschädigungen wie intensive Blutzerstö¬ 
rung, besitzt also Qualitäten, wie sie für die vorstehenden Untersuchungen 
Besprechung der wünschenswert erscheinen. Die Tiere wurden von 1 / 4 g ansteigend mit 

^eisuche. Toluylendiamin vergiftet; in maximo 1 g verabfolgt. Die beiden Tiere 
wurden verschieden lange Zeit am Leben erhalten. Hund I 6 1 / 2 Wochen, 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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Hund II und III starben spontan, der erstere nach 3, der andere nach 
6 Wochen. Die Anämie, die so erreicht wurde, war mittleren Grades: 
in Fall I gelang eine Reduktion des Hämoglobins bis auf 35 pCt., der 
roten Blutkörperchen bis auf 2,5 Millionen, in Fall II war sie noch ge¬ 
ringer. Die Sektion zeigte im allgemeinen eine deutliche Pleiocholie, 
reichlich Leukocytenkerne in der Leber, follikuläre Hyperplasie der Milz. 
Jedoch nur in den Tubuli recti der Niere sind hie und da geringe Fett¬ 
ablagerungen. 

Da die beiden letzten Versuchstiere tot aufgefunden wurden, so 
konnte nur vom ersten das Blut untersucht werden. Es zeigte sich eine 
erhöhte Aetherextraktmenge mit einem erhöhten Gehalt an Phosphatiden 
(1,64 pCt. in der Trockensubstanz). Die Lebern dieser Tiere boten einige 
auffällige Erscheinungen dar. Die Gesamtlipoidmenge war im Fall I 
leicht erhöht (25,38 pCt.) Hiervon entfielen jedoch nur 0,70 pCt. auf die 
Phosphatide, d. h. es hatte ein Abbau derselben stattgefunden, während 
der Cholesteringehalt mit 3,70 pCt. erhöht war. Eine ähnliche Erschei¬ 
nung bot allerdings lediglich bezüglich der Phosphatide Hund III. Hier 
fand sogar eine Reduktion auf 0,39 pCt. statt: allerdings ist dieselbe 
relativ genommen nicht grösser als in Fall I, da bei dem ersten Ver¬ 
suchstier die Gesamtmenge der Fettsubstanzen fast die doppelte war, 
auch auf eine postmortale Veränderung des tot aufgefundenen Tieres III 
dürfte diese Verminderung der Leberphosphatide nicht zu beziehen sein, 
da dasselbe bezüglich des lebend getöteten Tieres I der Fall war. Das 
Herz liess nur in Fall 1 eine Erhöhung des Phosphatidgehaltes (10,39 pCt. 
der Trockensubstanz) erkennen, im übrigen bot dasselbe keinerlei Ano¬ 
malie bis auf einen etwas hohen Wert des Unverseifbaren in Fall III. 

Die Nieren zeigten in Fall I und II übereinstimmend einen Gesamt¬ 
fettgehalt von 28,14 pCt. bzw. 27,74 pCt. der Trockensubstanz. Hiervon 
entfielen 9,89 pCt. in Fall 1 und 8,08 pCt. in Fall II auf die Phospha¬ 
tide, während in Fall I mit 3,76 pCt. ein erhöhter Cholesteringehalt 
nachweisbar war. Diese beiden Substanzen machten im ersten Fall über 
2 / 3 der Gesamtmenge der Fettsubstanzen aus. Fall II zeigt dies Ver¬ 
halten des Unverseifbaren nicht, wohl aber bot Fall III mit 2,16 pCt. 
einen hochnormalen Wert an Unvcrseifbarem. In allen diesen Fällen war 
eine wesentliche Veränderung der stickstoffhaltigen Substanzen nicht zu 
constatieren. 

Poley öl -V ergiftnng. 

Den vorliegenden mehr oder weniger allgemein das Parenchym 
schädigenden Giften schliesst sich das von England zu uns herüberge¬ 
kommene und wohl gelegentlich als Abortivum verwandte Oleum pulegii an. 

Der erste, der in Deutschland auf dasselbe und auf seine giftigen 
Wirkungen aufmerksam machte, war Falk (Therap. Monatsschr. 1894, 
S. 448). Er constatierte degenerative Veränderungen und Verfettungen 
der parenchymatösen Organe bei Kaninchen, denen er 1—3 g der Sub¬ 
stanz injizierte. Einen Ausbau der Falkschen Untersuchungen verdanken 
wir der Anregung Heffters. So konnte Martius (Arbeiten aus dem Kaiser!. 
Gesundheitsamt. 1899, Bd. 15, S. 443), der auch mit dem wirksamen 


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Wirkung des 
Poleyöls. 


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Bestandteil, dem reinen Pulegon gearbeitet hat, die Resultate von Falk 
im wesentlichen bestätigen. Weiterhin hat ebenfalls unter Heffters Leitung 
Anna Chrustschowa (Inaug.-Diss. Bern 1891) den Lecithingehalt der 
Leber nach Vergiftung mit Poleyöl untersucht, konnte aber keinen 
sicheren Einfluss des Giftes auf das Lecithin erkennen, während der 
Aetherextrakt vermehrt und der Trockengehalt der Leber vermindert 
war. Da dies die einzige Untersuchungsreihe ist, welche in biochemischer 
Richtung vorliegt, erschien mir gerade hier eine Ergänzung wünschens¬ 
wert, zumal die Untersuchungen, die Rosenfeld in dieser Richtung an¬ 
gestellt hat (Kongr. f. inn. Med., 1901, S. 522; 1902, S. 235, und Verhdl. 
deutscher Naturf. u. Aerzte, 75. Vers., Kassel 1903, Bd. 2, S. 9, Dis- 
cussion über das Referat von Kraus) sich lediglich mit dem Fettrans- 
port (Autfinden von Hammolfett und artfremdem Fette) und der Aether- 
extraktmenge befasst. 

Besprechung der Es sind 2 Tiere für diese Zwecke verwandt worden, die 2—3 ccm 
versuche. p 0 i e yöl subcutan erhielten. Beide Tiere wurden nach 10 bzw. 12 Tagen, 
ohne wesentliche Krankheitserscheinungen gezeigt zu haben, tot auf¬ 
gefunden. Intra vitram war Anämie mit Reduktion der roten Blut¬ 
körperchen und des Hämoglobins auf die Hälfte der Norm zu constatieren. 
Beide Lebern waren stark verfettet, und zwar boten sie das Bild der 
centralen Fettleber. Die Niere zeigte versteckte Fettinfiltration der Tubuli 
recti. Entsprechend der hochgradigen Verfettung der Lebern im mikro¬ 
skopischen Bilde zeigten sich erhebliche Abweichungen in der chemischen 
Zusammensetzung. Die Gesamtmenge der Lipoide in der Leber betrug 
82,75 und 45,14 pCt. der Trockensubstanz. Der grösste Anteil entfällt 
hierbei auf das Neutralfett. Demgegenüber zeigt nur Hund I, absolut 
genommen, etwas hohe Werte für das Unverseifbare und die Phosphatide 
(4,45 und 6,25 pCt.). Wenn man jedoch in Betracht zieht, dass hier 
eine ausserordentlich starke Fettinfiltration stattgefunden hat, so sieht 
man, dass der Wert an Phosphatiden nur ca. V/ 2 pCt. der Gesamtlipoide 
ausraacht, ebenso der des Unverseifbaren nur ca. 5 pCt. Es sind dies 
Zahlen, die nicht wesentlich aus der Norm fallen. Somit können trotz 
des gewaltigen Fetttransportes wesentliche neue Anhaltspunkte nicht ge¬ 
wonnen werden. Entsprechend der Vermehrung der fetthaltigen Sub¬ 
stanzen ist natürlich die stickstoffhaltige Substanz stark herabgesetzt, 
besonders auffällig, bis zu 2,28 pCt., in Fall I. Berechnet man sie auf 
fettfreie Trockensubstanz, so erhält man von der Norm nicht wesentlich 
abweichende Werte. Das Gleiche gilt von dem Amidstickstoff. Die 
Herzen der beiden Tiere zeigten bis auf hochnormale Gesamtlipoid- und 
Phosphatidwerte nichts Abnormes. Demgegenüber konnte in den Nieren 
bei dem ersten Versuch mit 20,86 pCt. ein hoch normaler, und mit 
29,85 pCt. ein erhöhter Gesamtfettgehalt constatiert werden. Während 
sich die Phosphatide in normaler Breite bewegten, d. h. also relativ leicht 
erniedrigt waren, zeigen die unverseifbaren Substanzen eine Erhöhung, 
ln Fall I bis zu fast 25 pCt. der Gesamtlipoide, ein Wert, wie er 
seitens der Normaltiere nur in einem Falle erreicht wird. Ebenso wie 
in der Leber war an den stickstoffhaltigen Bestandteilen keine wesentliche 
Abnormität zu constatieren. 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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Vergiftung mit Bakterien-Toxinen. 

Es ist für einzelne namentlich chronische Infektionskrankheiten be- Animierende 
kannt, dass sie mit schwerer, sekundärer Anämie einhergehen (Tuber- enen IIDt 
kulose, Malaria, Syphilis), ohne dass anzunehmen ist, dass der eigentliche 
Infektionserreger, wie z. B. Streptokokken, direkt hämolytisch wirkt. 

Ebenso bekannt ist das Vorkommen von Fettlebern bei derartigen Infekten. 

Es müssen also derartige chronische Infekte ohne direkt hämolytische 
Wirkung des Infektionserregers entweder eine Schädigung der hämopoetischen 
Organe auslösen, so dass die Blutbildung ausbleibt oder unvollkommen 
ist, oder es müssen sekundär Toxine gebildet werden, die ihrerseits hämo¬ 
lytische Eigenschaften besitzen. Im allgemeinen dürfte wohl das letztere 
angenommen werden. Experimentell konnte am lebenden Tier, allerdings 
am Kaninchen, Port (Verhdl. des 29. Kongr. f. inn. Med., Wiesbaden, 1912. 

S. 332) durch intravenöse Tuberkulininjektion eine Anämie hervorrufen. 

Nun sind Hunde für Tuberkulose im allgemeinen wenig empfind¬ 
lich, trotzdem es gelingt, durch intravenöse Applikation von Tuberkel¬ 
bacillen eine allgemeine Miliartub erkulose(Maffucci, Zeitschr. f. Hygiene, 

1892, Bd. 11, S. 452) hervorzurufen. Ich sah also von Infektion durch 
Tuberkulose ab und suchte nach Bakteriengiften, die direkt hämo¬ 
lytisch wirken. Als solche erschienen mir der Vibrio Nasyk und El-Tor 
am geeignetsten (vgl. hierzu in Handb. d. pathog. Mikroorganismen von 
Wassermann, E.Pribram, Ergänzgbd. I, S. 294). Von einer intravitalen 
Applikation wurde abgesehen, da die Tiere längere Zeit am Leben er¬ 
halten bleiben sollten. Ebenso wurde, um die Virulenz nicht zu erhöhen, 
von einer Tierpassage der aus dem Kralschen Institut in Wien bezogenen 
Kulturen Abstand genommen. 

Ich beschränkte mich darauf, Kulturfiltrate den Tieren in steigender 
Dosis zu injicieren, nachdem ich mich von der allerdings nicht sehr er¬ 
heblichen hämolytischen Wirkung auf Blutagarplatten überzeugt hatte. 

Dass derartige Infekte experimentell eine Anämie hervorrufen können, 
ist durch mehrere Untersuchungen gezeigt worden; so hatte G. A. Charlton 
[Journ. of raed. research, Vol. 8, No. 2, new series, Vol. 3, November 
1902, p. 344] an Kaninchen teils durch intraperitoneale, teils durch intra¬ 
venöse Injektion eines avirulenten Colistammes progressive Anämien her¬ 
vorgerufen mit Sinken der roten Blutkörperchen auf 1 400 000 und des 
Hämoglobins auf 10 pCt. bei gleichzeitigem Auftreten von Erythroblasten. 

Er fand Schwellung der Leber mit Pigmentation, sowie in einem Falle 
fettige Degeneration des Herzens, ln neuerer Zeit hat dann Fejes 
(Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 102, S. 129) auf Anregung von 
Lüdtcke schwach virulente Diphtherie- und Typhusbacillen auf ihre 
Wirkung im Tierkörper geprüft, indem er abgeschweromte Agarkulturen 
mit Alkohol fällte und den Trockenrückstand intravenös Kaninchen in- 
jicierte; er konnte jedoch auf diese Weise nur eine Reduktion des Hämo¬ 
globins auf 40 pCt. fcststellen. Durch Tierpassage konnte er die hämo¬ 
lytische Wirkung steigern und so auch bei Hunden durch Dysenterie¬ 
extrakte eine deutliche Anämie erzeugen. Wie schon oben angegeben, 
beschränken sich die vorliegenden Versuche auf die Injektion des für 
Hunde ziemlich stark hämolytischen Vibrio Nasyk und El Tor. Es wurde 


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Hermann Jastrowitz 


Eigene Versuche, zunächst der hämolytische Titre der Bouillon geprüft. Zu diesem Zweck 
wurde die Bouillonkultur durch ein Puccalsches-Filter abgesaugt und mit 
steriler physiologischer Kochsalzlösung auf 100 ccm aufgefüllt. Die 
hämolytische Kraft wurde an 5proc. frisch bereitetem Hundeblutagar ge¬ 
prüft. Hierbei erwies sich der Vibrio Nasyk bei 1 : 100 und die El-Tor- 
Bouillon bei einer Verdünnung von 1: 25 noch als hämolytisch. 

Bei den folgenden Versuchen konnte ich mich jedenfalls erst bei 
grösseren Mengen von der hämolytischen Wirksamkeit der Extrakte über¬ 
zeugen. 

Die Tiere wurden mit steigenden Mengen von 0,5 bis schliesslich 
10 ccm des Filtrats vergiftet. Erst nach ganz grossen Dosen von 10 ccm 
trat eine hämolytische Wirkung im Serum, sowie gegen Ende der Ver¬ 
suche wiederholt anaphylaktische Erscheinungen auf. Ausgeprägter waren 
alle diese Erscheinungen bei dem mit El Tor vergifteten Hund. Hier 
sank auch der Hämoglobingehalt stärker, und die Zahl der roten Blut¬ 
körperchen ging auf 1 470 000 zurück. Beide Versuche wurden abge¬ 
brochen, da angesichts der anaphylaktischen Erscheinungen der spontane 
Exitus befürchtet wurde. 

Zur Kritik dieser Versuche sei angeführt, dass naturgemäss die Frage 
aufgeworfen werden kann, ob die Erscheinungen der Anämie, Abmagerung 
und der allgemeinen Kachexie, begleitet von denen des anaphylaktischen 
Shocks, lediglich auf die Toxine der Bakterien zurückzuführen waren, 
welche in der Bouillon enthalten sind, oder ob sie nicht allein bedingt 
sind durch die Einverleibung derartig grösserer Mengen artfremden 
Eiweisses während längerer Perioden. 

In bezug auf diesen Einwand möchte ich besonders auf die oben 
citierte Arbeit von Charlton verweisen, der Kaninchen in ähnlicher 
Weise behandelt hat. Auch hier gelang es erst im 2. Monat stärkere 
Anämien zu erzeugen. Die Dosen steigerte er bis auf 1 ccm pro Tier 
intravenös bzw. intraperitoneal. Bei den um so viel grösseren Hunden 
(5,1 und 7,9 kg Gewicht) und der subcutanen Applikationsweise erklärt 
sich, dass stärkere Dosen gewählt werden mussten. 

Was zunächst das Blut dieser beiden Tiere anlangt, so fällt auch 
hier ein maximaler Fettgehalt in die Augen, 6,74 bzw. 6,51 pCt. der 
ermittelten Trockensubstanz. Den höchsten Anteil hieran haben die 
Phosphatide mit 3,39 bzw. 3,65 pCt. Nur bei dem mit Nasyk ver¬ 
gifteten Hund besteht eine geringe Cholesterinämie. Die Lebern dieser 
beiden ßakterienhunde zeigten hochnormale Fettwerte; gesteigert sind in 
beiden Fällen auch hier die Phosphatide mit 7,29 pCt. der Trockensub¬ 
stanz bei dem mit El Tor-Bouillon vergifteten und auf 3,91 pCt. bei dem 
mit Nasyk-Toxin behandelten Tiere. Aehnliche Erscheinungen bieten 
Herz und Nieren. Im Herzen findet sich bei dem mit Nasyk-Bouillon 
injizierten Hund der einzige bei den 17 Tieren absolut herausfallende 
Wert für die Lipoide des Herzens; der absolut gleichfalls hohe Phos- 
phatidwert ist, relativ genommen, durchaus nicht hoch, er beträgt nur 
etwa !/ 3 des Aetherextrakt.es und noch weniger von den Gesamtlipoiden, 
Werte, wie sie durchaus denen der Normalhunde entsprechen. Bezüglich 
der Nieren wies der mit El Tor vergiftete Hund, der auch bei der Sek- 


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Ueber Lipoidverfettung. 


161 


tion in den Nieren eine starke Fettablagerang in den Henloschen 
Schleifen zeigte, eine entsprechende Erhöhung des Gesamtlipoidextraktes 
mit 26,75 pCt. auf, ähnlich wie dies im Herzen des Nasyk-Hundes der 
Fall war. Umgekehrt zeigt das letztere Tier in einem normalen Lipoid¬ 
extrakt eine Cholesteringehalt von 3,52 pCt., also etwa 17 pCt. der Ge¬ 
samtlipoide, einen Wert, der jedenfalls hoch normal sein dürfte. Diese 
Befunde zeigen, dass bei den Bakteriengiften eine Anhäufung von fett¬ 
haltigen Substanzen ohne wesentliche Anomalie in ihrer Zusammensetzung 
sich in Herz und Niere findet. Der Gedanke liegt nahe, dass es sich hier¬ 
bei, namentlich bei dem erhöhten Lipoidgehalt des Blutes entweder um 
Depotfett handelt oder um Fett, dass aus den zerfallenen roten Blut¬ 
körperchen stammt. Wenn letzteres in erheblichem Masse der Fall sein 
würde, so müßste im wesentlichen an der Vermehrung der Lipoide das 
Cholesterin und Lecithin beteiligt sein, denn die Erythrocyten enthalten 
nach den Abderhaldenschen Analysen (1. c.) 2,568 bzw. 2,296 pCt. 
Lecithin und 2,155 bzw. 1,255 pCt. Cholesterin und fast gar kein Fett. 
Allerdings kann man von einer Anhäufung dieser Substanzen nur da 
sprechen, wo sie in abnormer Menge sowohl absolut wie relativ, bezogen 
auf die Gesamtlipoide, vorhanden sind. Dies trifft z. B. für das Chole¬ 
sterin in der Niere des II. Nitrobenzolhundes zu, wo sich dieser Wert bis 
zu über 30 pCt. der Gesamtlipoide erhebt. Der entsprechende Wert bei 
dem mit Lecithin-Nasyk-Bouillon vergifteten Tier beträgt hiergegen, wie 
schon erwähnt, nur etwa 17 pCt. der Gesamtlipoide. 

Bezüglich der stickstoffhaltigen Substanz dieser Tiere sei bemerkt, 
dass lediglich die Gesamtstickstoffwerte so weit reduciert waren, wie 
dies der Vermehrung des Fettgehalts entsprach. Der mit Vibrio Nasyk- 
Kultur vergiftete Hund ist einer der wenigen, die bezüglich der Amid- 
Stickstoffbestimmung abnorme Werte aufweisen. Er beträgt hier 7,42 pCt. 
des Gesamt-N und 0,82 pCt. in der Trockensubstanz gegenüber einem 
Maximum bei den Normaltieren von 3,39 pCt. des Gesamt-N und 
0,46 pCt. in der Trockensubstanz. 

Wie gezeigt werden konnte, kommt es unter den verschiedensten 
pathologischen Verhältnissen nicht nur zu Anhäufungen von Fett in ana¬ 
tomisch oder funktionell veränderten Organen, was ja eine seit langem 
bekannte Tatsache ist: es treten vielmehr sehr beträchtliche Verschie¬ 
bungen in der qualitativen Zusammensetzung der Lipoidsubstanzen ein. 
Als Beweis hierfür sei an die absolute und relative Anhäufung der un- 
verseifbaren Substanzen bei einzelnen Versuchstieren (Nitrobenzol) erinnert, 
während in anderen Fällen (Toluylendiaminvergiftung) ein abnormes Ab¬ 
sinken der Phosphatide zustande kam. Auffallend ist, dass dieser Nach¬ 
weis bei den Vergiftungen, welche die höchste Fettmenge liefern und 
welche auch anatomisch Verfettungen machten (Phosphor- und Poleyöl- 
vergiftung), nicht zu erbringen war infolge des ausserordentlich starken 
Fetttransportes. 

Anämie und Verfettung. 

Ausgehend von dem Gedanken, dass zwischen Anämie und Ver¬ 
fettung doch ein gewisser Zusammenhang besteht, ist bei den mit eigent¬ 
lichen Blutgiften vergifteten Tieren besonders auf den Fettgehalt geachtet 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. J5. Bd. \ 1 


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worden. In vielen Fällen ist derselbe im Blute sicher erhöht, sowohl bei 
Betrachtung des frischen Blutes wie auch der Trockensubstanz. Einem 
Maximum von 2,70 pCt. Gesamtlipoiden in der Trockensubstanz 
des Blutes der Normaltiere steht nur ein hochnormaler Wert gegen¬ 
über (III. Nitrobenzolhund). Bei allen übrigen Tieren ist der Ge¬ 
samtlipoidgehalt in der Trockensubstanz wie im frischen Blut erhöht. 
Besonders auffällig ist diese Erscheinung bei den beiden Bakterien- 
fiundcn mit 6,74 und 1,025, sowie 6,51 und 1,185 pCt. Gesamtlipoiden 
in dem getrockneten bzw. frischen Blut. Bei dem III. Nitrobenzolhund 
und dem mit Vibrio Nasyk vergifteten ist dabei auffällig der hohe Gehalt 
an Unverseifbarem (Cholesterin), der hier das 2-, ja das 3 fache des 
Mittels bei Normaltieren beträgt. Ebenso ist in beiden Fällen der Phos- 
phatidgehalt ein hoher; wenn er auch bei den übrigen durch Gift anämi- 
sierten Tieren über der Norm liegt, so ist hier der Wert ein derartig 
hoher, dass man ohne weiteres daran denken muss, diese Erhöhung der 
spezifischen Lipoidsubstanzen nach Verabfolgung von Bakterientoxinen auf 
immunisatorische Vorgänge zu beziehen, zumal es sich hier um Hämo¬ 
lysine handelt. Immerhin muss auch noch der weiteren Möglichkeit 
Rechnung getragen werden, dass die durch Zerstörung der Blutkörperchen 
aus diesen frei gemachten Lipoidstoffe in denselben kreisen, ehe sie von 
den inneren Organen aufgenommen und dort abgebaut werden. Bei dieser 
Annahme wäre allerdings nicht cinzusehen, warum nicht das gleiche Ver¬ 
halten auch bei chemischen Blutgiften eintritt. W T as die inneren Organe 
anlangt, so zeigen Leber und Nieren in allen mit diesen Blutgiften be¬ 
handelten Tieren entweder hoch normale oder leicht erhöhte Zahlen der 
Gesamtlipoide, wobei’ im allgemeinen die Phosphatide stärker erhöht sind, 
ebenso wie das Unvcrseifbare, als die Fettsubstanzen. Für die Nieren 
gelten ähnliche Verhältnisse, nur dass hier die Anhäufung unverseifbarer 
Substanz mehr in den Vordergrund tritt (II. Nitrobenzolhund mit 15,24pCt. 
der Trockensubstanz; I. Pyrodinhund mit 4,54, II. dito mit 3,72 pCt.) 

Aus dem Dargelegten geht hervor, dass ähnlich wie im Blut, auch 
ohne dass man von sehr abnormem Fettgehalt sprechen kann wie bei 
mit Phosphor vergifteten Tieren, bei anämischen Zuständen Verschiebungen 
der Fettsubstanzen im Sinne einer Zunahme der eigentlichen Lipoide 
stattfinden. Offen zu lassen ist dabei die Frage, ob es sich um reparato- 
rische oder um abnorme Einschwemmung dieser Substanzen aus dem 
Blut in die grossen Drüsen und verminderte Fähigkeit der letzteren, 
diese Substanzen abzubauen, handelt. Jedenfalls können die vorliegenden 
an sich nicht geschlossenen Befunde die Anregung dazu geben, bei 
Anämien klinisch und experimentell diesen Substanzen eine erhöhte Auf¬ 
merksamkeit zu schenken und so vielleicht den causalen Zusammenhang 
zwischen Anämie und Verfettung aufzuklären. 

Fettphanerose und Fettgehalt. 

Wie aus den Protokollen hervorgeht und wie auch vorn bereits her¬ 
vorgehoben ist, wurde in fast allen Fällen der anatomische Fettgehalt 
der Organe durch Sudanfärbung an Gefrierschnitten controlliert. Wenn 
auch natürlich diese Methode nieht völlig einwandsfrei ist, so ergibt sie 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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doch ein gewisses Aequivalentbild des vorhandenen Fettgehaltes. Zu¬ 
nächst möchte ich bemerken, dass es nie gelungen ist, auf diese Weise 
in den Herzen der vergifteten Tiere eine Verfettung nachzuweisen. Bei 
den Lebern war makroskopisch in der des ersten Phosphorhundes, der 
leider nicht mikroskopisch untersucht worden ist, sowie mikro- und makro¬ 
skopisch des III. Phosphorhundes und der beiden mit Poleyöl ver¬ 
gifteten Tiere eine starke Verfettung nachweisbar. Es sind dies, wie aus 
den Tabellen hervorgeht, auch diejenigen Lebern, die chemisch maximale 
Gesamtlipoidwerte aufweisen. Bei den übrigen Tieren waren die Lebern 
nirgends degenerativ verfettet und die chemischen Werte für die Gesamt¬ 
lipoide — denn nur diese kommen bei dem vorliegenden Befund in Betracht, 
da durch Sudan alle Fettsubstanzen imprägniert werden — waren nur in 
einzelnen Fällen aus der Norm fallende, jedoch nie in dem hohen Grade, 
wie die oben angeführten anatomisch und chemisch fettreichen Organe 1 ). 

Für die Nieren gelang es, in einer Reihe von Fällen eine Fett- 
infiltration in den Tubuli recti zu erzielen. Es sind dies 2 mit Toluylen¬ 
diamin, die beiden mit Poleyöl, 2 mit Nitrobenzol und der mit El-Tor- 
Bouillon vergiftete Hund. Hier gibt der anatomische Befund nicht ein 
exaktes Bild vom reellen Fettgehalt; so ist beim I. Nitrobenzolhund nur 
sehr wenig fettartige Substanz (9,94pCt.) in der Niere nachweisbar und 
doch eine Fettinfiltration eukenntlich. Diejenigen Tiere dagegen, die wie 
der II. mit Toluylen, der II. mit Poleyöl und der mit El-Tor sehr deut¬ 
liche Verfettung in den Tubuli recti aufweisen, zeigen auch sämtlich 
abnorm hohe Gesamtlipoidwerte. Demgegenüber zeigt z. B. der H. Nitro¬ 
benzolhund mit 43,04 pCt. Lipoiden in der Trockensubstanz nur mässige 
Fettinfiltration in den Henleschen Schleifen. Hinzugefügt sei noch, dass 
es allerdings nie gelang, in den gewundenen Ranälchen eine Fetteinlage¬ 
rung nachzuweisen. Dagegen konnte Pfeifer (Arch. f. wissensch. Tier- 
heilk., Bd. 38, S. 98, cit. nach Centralbl. f. Biochemie u. Biophys., 
1911/12. Bd. 12, S. 728) sowohl in geringem Grade unter normalen wie 
in gesteigertem Masse unter pathologischen Bedingungen in den Tubuli 
contorti der Hunde Fett auffinden, eine Erscheinung, die er als Fett- 
secretion deutet. Unter Zugrundelegung dieses Befundes wäre es hier 
möglich, dass es sich um eine Rückresorption weiter central ausge¬ 
schiedenen Fettes handelt; es sei denn, dass man eine elektive funktio¬ 
nelle Schädigung der Zellen der Tubuli recti durch das verabfolgte Gift 
annehmen will. Besonders hervorzuheben ist aus diesen Befunden noch 
die Tatsache, dass durch das Bakterientoxin (Vibrio-PH Tor) solche Fettin¬ 
filtration ausgelöst werden kann. 

Auf das Vorkommen einer Fettinfiltration im Sinne einer progres¬ 
siven Ernährungsstörung hat besonders von Hansemann (Virchows 
Arch. f. pathol. Anat., 1897, Bd. 148, S. 355) nach dem Vorgänge von 
Rosenstein neuerdings bei Vergiftungen mit Phosphor, Arsen und 
Sublimat aufmerksam gemacht. Diesem Befunde schliesst sich hier ein 
weiterer experimentell durch Bakterientoxin hervorgerufener an. 


1) Für die Durchsicht der Präparate bin ich Herrn Geheimrat Beneke zu 
Dank verpflichtet. 


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Hermann Jastrowitz, 


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Epikritiscbe Betrachtungen. 

Die vorliegenden Versuche haben die anfänglich aufgeworfenen Fragen 
nicht erschöpfend beantworten können; vor allem konnte der Ernährungs¬ 
zustand der Tiere nicht genügend berücksichtigt, noch eine eonstante 
Zusammensetzung der Nahrung innegehalten werden, wenn dieselbe auch 
eine ziemlich gleichmässige war, da die Tiere mit den Resten der Kliniks¬ 
kost gefüttert wurden. Bei der grossen Zahl der unternommenen Ver¬ 
suche würde es an sich schwer gewesen sein, eine Standardkost durch¬ 
zuführen; hinzu kommt, dass die erkrankten Tiere wohl kaum ihrer Zu¬ 
sammensetzung und ihrem calorischen Werte nach eonstante Nahrungs¬ 
mengen aufgenommen hätten. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, 
ein kohlehydrat- und fettfreies Futter zu verabfolgen, um eine Zufuhr 
von Fettbildnern auszuschliessen. 

Dies alles liesse sich praktisch nur in einigen Stoffwechsel versuchen 
von kürzerer Dauer und nicht bei monatelangen Beobachtungen verwirk¬ 
lichen. Aber selbst bei Innehaltung völlig gleicher Versuchsbedingungen 
kann man angesichts der verschieden individuellen Empfindlichkeit der 
Versuchtiere nicht ohne weiteres die gleiche chemische Organschädigung 
erwarten. Weiterhin ist unsere chemische Methodik in mancher Richtung 
nicht völlig ausreichend; so ist z. B. bei der Phosphatidbestimmung in¬ 
folge der Trocknung der Organe die Möglichkeit einer fermentativen 
Spaltung ins Auge zu fassen. Das Gleiche gilt natürlich von den Ei weiss¬ 
körpern. Jedenfalls wird man nur auf Grund eingehender Untersuchungen 
und Identificierung der einzelnen Spaltungsprodukte und nicht nur durch 
Bestimmung von Gruppcnfractionen, wie dies hier geschehen musste, einen 
Einblick in etwaige abnorme Abbauverhältnisse der Proteinstoffe intra 
vitam erlangen. Auf den erörterten methodischen Schwierigkeiten beruht 
es zum Teil auch, dass das Herz, das mit den Stoffwechselvorgängen 
wahrscheinlich nicht in so regem Zusammenhänge steht, Anomalien nicht 
erkennen liess. 

Hierzu kommen eine Reihe weiterer Fragen, wie die nach dem ge¬ 
bundenen und freien Cholesterin, dem Neutralfett und den Fettsäuren, sowie 
nach der Säurereihe, der diese Körper angehören, welche alle gar nicht in 
den Kreis der Betrachtungen gezogen sind. Eine weitere Frage betrifft die 
Menge und Qualität der Fettdepots des tierischen Körpers, und die Zu¬ 
sammensetzung des eigentlichen Organfettes. Mit Rücksicht auf die An¬ 
gaben früherer Autoren (Linderaann 1. c., Taylor 1. c., Kenneway 
und Leathes 1. c.) wird man neben Phosphatiden und Cholesterin ganz 
besonders das Verhältnis des sogenannten „freien“ zum „gebundenen“ 
Fette sowie die Frage nach freien Fettsäuren und ungesättigten Säuren be¬ 
rücksichtigen müssen. Als letztes Kriterium einer abnormen Zusammen¬ 
setzung wäre dann noch das biologische Verhalten der Fettsubstanzen, 
namentlich ihre hämolytische Wirksamkeit heranzuziehen. 

Wenn man daher künftig zu weiteren Ergebnissen über die Frage 
der chemischen Abartung der Lipoidsubstanzen gelangen will, so wird 
es nötig sein, dass man bei möglichst gleichmässiger und kohlehydrat¬ 
freier Nahrung (etwa Fischmehl) den Lipoidgehalt der parenchymatösen 


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Ueber Lipoidverfettung. 


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Organe sowie, um sich ein Bild vom Fetttransport zu verschaffen, auch 
den des Blutes getrennt nach seinen Bestandteilen (Blutkörperchen, 
Plasma) untersucht, sowohl bei Vergiftungen, die schwere Verfettung und 
Nekrosen herbeiführen, wie auch solchen, die reine Blutgifte darstellen 
(Pyrodin, Nitrobenzol) und eudlich bei Einwirkung von Bakterientoxinen. 
Auf diese Weise wird es möglich sein, principiell die Frage nach der 
verschiedenen Zusammensetzung des Depot- und Organfettes einerseits, 
des normalen und des Degenerationsfettes andererseits zu lösen und viel¬ 
leicht auch unter Zuhilfenahme eines Stoffwechselversuches Näheres zu 
erfahren über die Möglichkeit der Fettbildung aus Eiweiss, welche uns 
indirekt auf dem Wege der Glykogenbildung bereits als experimentell 
erwiesen gelten kann. 


Zusammenfassung. 

Wenn nach Darstellung und Discussion der Versuche die wesent¬ 
lichen allgemeinen Ergebnisse resümiert werden, so ergibt sich folgendes: 

1. Für die Frage der pathologischen Fettablagerungen der parenchy¬ 
matösen Organe im chemischen Sinne ist nicht allein die absolute 
Fettmenge, sondern vor allem die qualitative Zusammensetzung des 
Organfettes aus den einzelnen Lipoidsubstanzen massgebend. 

2. Es wird diese Aufgabe dadurch ausserordentlich erschwert, dass bei 
vielen in Betracht kommenden Vergiftungen ein sehr starker, im 
Blute nachweisbarer Fettransport aus den Reservedepots des Kör¬ 
pers nach den grossen Drüsen zu stattfindet. Dieser Transport 
und die consecutive Fettinfiltration der Organe kann so stark sein, 
dass selbst bei schwer anatomisch und funktionell das Parenchym 
schädigenden Giften (Phosphor und Poleyöl) eine Verschiebung der 
Organlipoide nicht erkenntlich ist. 

3. Im Gegensatz hierzu ist bei den reinen Blutgiften (Nitrobenzol, 
Arsen Wasserstoff, Pyrodin) die Fettinfiltration eine geringere, ana¬ 
tomisch kaum merkliche, während hier sich trotz nur gering ver¬ 
mehrten Fettgehaltes zum Teil ein sehr erhebliches Plus an Lipoid¬ 
substanzen sowohl im Blute, wie namentlich auch in der Niere 
nachweisen lässt. Hervorgehoben sei noch der abnorm hohe Cho¬ 
lesteringehalt in den Nieren einzelner Tiere (Nitrobenzol, Nasyk). 

4. Unter gewissen, noch nicht geklärten Bedingungen ist eine absolute 
und relative Abnahme der Phosphatide nachweisbar (Leber bei 
Toluylendiamin), häufiger noch ist ein Gleichbleiben oder eine Zu¬ 
nahme der absoluten Phosphatidwerte infolge Fettransportes zu 
constatieren. Der relative Anteil der Phosphatide an den Gesamt¬ 
lipoiden ist hierbei vielfach trotzdem niedriger als in der Norm. 
Diese Erscheinung beruht entweder auf der Einschwemmung eines 
phosphatidärraeren Lipoidgemisches durch Fetttransport oder auf 
auf einem abnormen nur zum Teil compensierten Abbau der Phos¬ 
phatide. Dieser letzteren Annahme dürfte namentlich dort der 
Vorzug zu geben sein, wo das Blut relativ phosphatidreich, das 
fettinfiltrierte Organ jedoch phosphatidarm ist. 


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166 Hermann .Jastrowitz, Ueber Lipoid Verfettung. 

5. Bei groben degenerativen Verfettungen gibt das anatomische Bild 
ein gewisses Correlat des chemischen. Umgekehrt war in jedem 
Falle hochgradigster chemischer Verfettung dieselbe auch anato¬ 
misch nachweisbar. Bei geringerem Fettgehalt bestand mehrfach 
ein Gegensatz zwischen der gefundenen Lipoidmenge und dem ana¬ 
tomischen Bilde. Bemerkenswert ist die durch einzelne Gifte (Nitro¬ 
benzol, El Tor-, Nasyktoxin) hervorgerufcne Fettinfiltration. 

(Die Drucklegung der Versuchsprotokolle erfolgt im nächsten Heft.) 


L>ru<k von L. Schumacher in Berlin N 4. 


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VII. 

Aus dem Kiewer städtischen Alexander-Krankenhaus. 

Zur Frage von den gegenseitigen Beziehungen zwischen 
Nervensystem und Zuckerkrankheit. 1 ) 

(Experimentelle — klinische Untersuchung.) 

Von 

Dr. P. Zagorowsky. 

Einleitaug. 

Die Pathogenese der Krankheitserscheinungen, welche auf dem Boden 
der Störung des Stoffwechsels entstehen, stellt ein Problem dar, dessen 
Lösung mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden ist, da der 
Forscher es hier mit zahlreichen und verschiedenartigen Einflüssen zu 
tun hat, die sich in manchen Fällen überhaupt gar nicht berechnen 
lassen. Eine der interessantesten und zugleich auch der am wenigsten 
aufgeklärten Fragen auf diesem Gebiete ist die Frage von dem Wesen 
der Zuckerkrankheit. Der Diabetes, als besondere Krankheit, war schon 
den Aerzten des Altertums bekannt, und fast seit der Erhebung der 
Medizin zur Wissenschaft sehen wir neben der Beschreibung der Sym¬ 
ptome dieser Erkrankung zugleich auch Versuche, die Ursache ihrer 
Entstehung zu erklären. Die ersten systematischen Angaben über die 
Zuckerkrankheit knüpfen sich an den Namen Th. Willis und stammen 
aus dem XVII. Jahrhundert. Willis hat zuerst darauf aufmerksam ge¬ 
macht, dass der diabetische Harn von so süssem Geschmacke sei, als 
wenn er mit Honig oder Zucker vermischt wäre (quasi melle aut saccharo 
imbuta). Aber erst im Jahre 1835 lieferte Ambrosiani einen voll¬ 
kommen präcisen Beweis für das Vorhandensein des Zuckers nicht nur 
im Harne, sondern auch im Blute der Diabetiker. Allein bis zum An¬ 
fang des vorigen Jahrhunderts waren angesichts des Mangels an wissen¬ 
schaftlichen Untersuchungsmethoden alle über diese Frage geäusserten 
Hypothesen auf Yernunftschlüsse a priori gegründet. Erst mit der Ent¬ 
wicklung der experimentellen Physiologie, die zur Aufgabe hat, die 
normale Funktion der einzelnen Organe zu erforschen, und der experi¬ 
mentellen Pathologie, welche es ermöglicht, bei Tieren diese oder jene 
pathologische Erscheinung hervorzurufen, die von Symptomen begleitet 
ist, welche bei den gleichen Erkrankungen beim Menschen beobachtet 
werden, ist die Frage von dem Wesen des Diabetes auf wissenschaft¬ 
lichen Boden gestellt worden. Der erste, welcher die Glykosurie, das 
Hauptsymptora des Diabetes, experimentell beobachtete, war CI. Bernard, 

1) Mit Demonstration von mikroskopischen Präparaten im Aerzteverein des 
Kiewer städtischen Alexander-Krankenhauses vorgetragen am 9. Oktober 1912. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie □. Therapie. 15. Bd. jo 

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P. Zagorowsky, 


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der geniale Forscher des vorigen Jahrhunderts. Seine Versuche, diese 
Erscheinung zu erklären, haben das erste Licht auf dieses Gebiet der 
Pathologie geworfen und einen neuen Weg zur Lösung dieser dunklen 
Frage gewiesen — den Weg der experimentellen wissenschaftlichen 
Forschung. Auf Grund aller bis jetzt ausgeführten Untersuchungen ist 
eine ganze Reihe von Hypothesen und Theorien entstanden; allein eine 
Theorie, welche alle Formen der Zuckerkrankheit erklärt, existiert nicht, 
ja, selbst die Möglichkeit ihres Vorhandenseins wird von vielen Autoren 
nicht zugegeben. Im allgemeinen begegnen wir einer so grossen Zahl 
der verschiedenartigsten, mitunter sogar sich widersprechenden Theorien, 
dass es scheint, als wenn wir ungeachtet der Entwicklung der wissen¬ 
schaftlichen Methoden uns noch immer nicht weit von der Vorstellung 
der Aerzte des Mittelalters entfernt hätten, welche, eines wissenschaft¬ 
lichen leitenden Fadens bei der Erforschung dieser Frage entbehrend, 
die Ursache des Diabetes zu erklären suchten, indem sie nacheinander 
bald dem einen, bald dem andern Organe des menschlichen Körpers die 
Hauptrolle bei seiner Entstehung zuschrieben. In der Tat hält man 
gegenwärtig die Funktionsstörungen der verschiedenartigsten Organe für 
die Ursache dieser Erkrankung. In einer der letzten dieser Frage ge¬ 
widmeten Arbeiten weist der Autor Meyer darauf hin, dass die einen 
in dem Diabetes eine allgemeine Ernährungsstörung sehen, die andern 
ihn für den Ausdruck einer Funktionsstörung der Leber halten, die 
dritten ihn als eine durch physische oder moralische Erschütterung be¬ 
dingte nervöse Erkrankung ansprechen; die vierten glauben, dass der 
Diabetes infolge von Verringerung der Intensität der Glykolyse eintritt; 
einige Forscher weisen auf den Einfluss der Na- und Ca-Ionen hin, die 
in den Säften unseres Körpers aufgelöst sind; andere dagegen nehmen 
an, dass der Diabetes infolge einer Erkrankung der Nebennieren ent¬ 
stehen könne. Am verbreitetsten ist jedoch gegenwärtig die Ansicht, 
nach welcher die Hauptrolle bei der Entstehung des Diabetes dem 
Pankreas zufällt. Es gilt für eine feststehende Tatsache (Häusler), 
dass die Tätigkeit des Pankreas sich nicht auf seine Funktion als Ver¬ 
dauungsorgan beschränkt, sondern dass gleichzeitig hiermit eine besondere 
Substanz von ihm produziert wird, die nicht in den Darm ausgeschieden 
wird, sondern direkt ins Blut übergeht. Eben diese Ausscheidung — 
die sogenannte innere Sekretion — spielt nun auch eine wichtige Rolle 
in dem KohlehydratstofTwechsel. Von besonderer Wichtigkeit ist hierbei 
der Umstand, dass die innere Sekretion durchaus nicht von der Ver¬ 
dauungsfunktion des Pankreas — der sogenannten äusseren Sekretion 
desselben — abhängt. Nach dem Zustande der einen Sekretion darüber 
zu urteilen, inwieweit regelrecht sich die andere vollzieht, ist keineswegs 
möglich, so dass die Verdauungsfunktion des Pankreas vollständig normal 
sein kann, während seine innere Sekretion fehlt und umgekehrt. Was 
den Einfluss des Pankreas auf die Entstehung des Diabetes betrifft, so 
existieren auch über diese Frage wiederum mehrere Gesichtspunkte. 
Vor allem stossen wir hier auf zwei Annahmen, mit deren Hilfe man 
die Entstehung des Pankreasdiabetes zu erklären bemüht war: nach der 
einen derselben wird eine bedeutende Glukoseraenge in dem Pankreas 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 169 

selbst zerstört, nach der anderen scheidet das Pankreas ein glykolytisches 
Ferment aus. Späterhin fanden einige Forscher eine Erklärung für diese 
Krankheit in der Anhäufung von diabetogener Substanz, die im Organis¬ 
mus produziert und in normalem Zustande dank der inneren Sekretion 
des Pankreas neutralisiert wird. Nach der Meinung anderer Autoren 
wirkt die innere Sekretion auf die Nervenzentren, von denen die Leber¬ 
nerven entstammen, indem sie deren Tätigkeit paralysiert und die Leber 
hindert, eine zu grosse Glukosemenge in den Blutkreislauf auszuscheiden. 
Neben diesen Theorien existiert noch eine Lehre (Häusler), nach welcher 
die Tätigkeit des Pankreas im Sinne der Ausscheidung eines inneren 
Sekrets von der Zuckeranhäufung im Blute abhängt, und auf diese Weise 
erscheint die „überschüssige Zuckermengc im Blute als Erreger der 
Tätigkeit des Pankreas, der unmittelbar auf das letztere einwirkt“. 
Ferner hat Pflüger eine Theorie begründet, nach welcher die Tätigkeit 
des Pankreas durch den Einfluss des Nervensystems erklärt wird. Seiner 
Meinung nach „ist in der Wand des Zwölffingerdarms ein an Ganglien¬ 
zellen reiches nervöses Centralorgan gelegen, unter dessen Leitung die 
Pankreasfunktion stellt“. Als Resultat der Entfernung des Darmes er¬ 
gibt sich Diabetes, — resp. in der Darmwand ist ein antidiabetisches 
Centrura gelegen. Endlich hat Loewy in jüngster Zeit eine neue Theorie 
aufgestellt, nach welcher das Pankreas eine Substanz produziert, welche 
auf die Hemmungsnerven des Plexus sympathicus einwirkt und so die 
Entstehung einer Hyperglykämie, die von den erregenden sympathischen 
Nerven hervorgerufen werden könnte, verhindert. 

Die Aufgabe der gegenwärtigen Arbeit ist 1. eigene, die Erkrankung 
des Nervensystems beim Diabetes betreffende Beobachtungen mitzuteilen; 
2. experimentelle, den Einfluss des sympathischen Nervensystems auf 
das Auftreten von Zucker im Harn betreffende Daten beizubringen. 

Ueberblick über die Literatur. 

(Pathologisch-anatomische Daten.) 

Der erste in der Literatur veröffentlichte Fall von Pankreasdiabetes wurde im 
Jahre 1788 beobachtet. In diesem von Cowley beschriebenen Falle erwies sich das 
Pankreas als vollständig mit Concrementen angefüllt. Dieselben waren von weisser 
Farbe und verschiedener, die Dimensionen einer Erbse jedoch nicht übersteigender 
Grösse; die Oberfläche derselben war uneben, und sie bestanden deutlich aus mehreren 
kleineren Concrementen. Nach Cowley wurden nicht wenig analoge Beobachtungen 
veröffentlicht. 

So wurden im Falle von Chopart in dem Pankreas ebenfalls Concremente ge¬ 
funden. 

Bright teilte einen Fall mit, wo das Caput des Pankreas mit den benachbarten 
Drüsen eine kugelförmige, mit dem Duodenum fest verwachsene Masse bildete. Das 
ganze Pankreas war knorpelhart anzufühlen und hatte eine glänzende gelbe Farbe. 

Bouchardat beobachtete eine Atrophie des Pankreas mit vollkommener Ob¬ 
literation des Ductus Wirsungianus. 

Martson sah einen Fall von Scirrhus des Pankreas mit Obliteration des Ductus 
pancreaticus. 

CI. Bernard hat uns über zwei Diabetiker berichtet, bei denen das Pankreas 
von äusserst kleinen Dimensionen und atrophiert war. 

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Griesinger erwähnt, dass bei einer von seinen während des Diabetes plötzlich 
verstorbenen Kranken das Pankreas atrophiert und weich befunden wurde; es wog nur 
68,0 g, während sein Normalgewicht 90,0—120,0 g beträgt. 

Im Falle von Lecorchö ist das Pankreas klein, atrophiert. 

Harley hat einen Abscess im Caput des Pankreas mit nachfolgender Verstopfung 
und Erweiterung des Ausführungsganges beobachtet. 

Recklinghausen beobachtete zwei Fälle; in einem derselben war nur ein Teil 
des Caput des Pankreas erhalten geblieben, der ganze mittlere Teil aber in eine Cyste 
von der Grösse eines Kindskopfes verwandelt — in dem anderen jedoch erwies sich 
das Pankreas, dessen Form und Umfang erhalten geblieben waren, als vollständig 
fettig degeneriert. 

Lusk fand bei der Sektion eines Diabetikers ein völlig verkalktes Pankreas als 
einzige Veränderung. 

Klobs und Munk konnten bei der Sektion eines Diabetikers mit blossem Auge 
kein normales Pankreasgewebe finden und erst unter dom Mikroskop gelang es ihnen, 
das Vorhandensein von Zellresten zu constatieren. Gleichzeitig erwiesen sich auch 
im Plexus coeliacus Veränderungen, denen die Autoren die vornehmlichste Bedeutung 
für die Entstehung des Diabetes zuschreiben. 

Schaper fand in einem Falle Sklerose und fettige Degeneration des Drüsenepithels. 

Harnack hat eine vollständige fettige Degeneration des Pankreas gesehen. 

Israel teilte einen Diabetesfall mit, wo bei der Sektion Nekrose des Pankreas 
gefunden wurde. 

Hartsen beobachtete in zwei Fällen von Diabetes eine soweit ausgeprägte 
Atrophie des Pankreas, dass es als solches nicht mehr zu erkennen war. 

Fies sah eine völlige Umwandlung der Drüse in Bindegewebe. 

Cruppi sah eine starke Atrophie und Sklerose des Pankreas. 

Caplick fand in einem Falle das Pankreas vollständig fettig degeneriert. 

Elliotson fand in einem Falle von Diabetes das Pankreas ganz und gar mit 
weissen Concrementen angefüllt. 

Fr er ich s teilt die Resultate der Sektion von zwei Diabetikern mit, wobei sich 
in beiden Fällen das Pankreas verkleinert und schlafT erwies (es wog einmal nur 
45,0 g) mit gleichzeitiger Bindegewebswucherung und Atrophie der Drüsenlappen. 

Rayer, Skoda und Flecles führen je einen Fall von Atrophie des Pankreas an. 

Im Falle von Sylver wurde das stark atrophierte Pankreas mit Mühe gefunden; 
es war fettig degeneriert und rund um den Hauptausführungsgang verkalkt. 

Zenker fand in drei Fällen eine völlige fettige Degeneration des Pankreas. Die 
Patienten dieses Autors starben plötzlich infolge eines Blutergusses in die Substanz 
des Pankreas. Ausserdem fand sich in einem Falle eine starke venöse Hyperämie des 
Ganglion semilunare. 

Im Falle von Seegen erwies sich das Pankreas als um die Hälfte verkleinert, 
weich, Plexus coeliacus klein, schlaff. 

Bouchardat beschreibt einen Fall von Atrophie und einen Fall von Krebs des 
Caput des Pankreas. 

Scheube sah eine Atrophie des Pankreas. 

Cantani führt die Resultate von vier Sektionen bei Personen an, die an Diabetes 
gestorben waren; in allen Fällen wurden atrophische Veränderungen mit fettiger De¬ 
generation des Drüsenepithels des Pankreas beobachtet. 

Lancereaux beobachtete zwei Diabetesfälle; in einem derselben war das 
Pankreas im mittleren Drittel verschwunden, indem es hierein Bindegewebsbrückchen 
bildete, in dessen Bereich der Ausführungsgang obliteriert war; Caput und Cauda 
desselben waren atrophiert — Verdickung der bindegewebigen Scheidewände und 
fettige Degeneration des Epithels. Im zweiten Falle war das Pankreas stark atrophiert; 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 171 

die Ausführungsgänge erweitert und mit umfangreichen Concrementen aus kohlen¬ 
saurem Kalke angefüllt. Plexus solaris ein wenig hypertrophiert. 

Goodmann sah einen Fall von Atrophie des Pankreas, in dem sich im Aus¬ 
führungsgang Kalkconcremente vorfanden. 

Servaix sah einen von bronzefarbener Hautverfärbung, Neuralgia coeliaca und 
Glykosurie begleiteten Pankreaskrebs. 

Fried reich teilt einen Fall mit, wo das Pankreas von sehr kleinen Dimensionen 
und vollständig fettig degeneriert war. 

Grossmann beobachtete fettige Degeneration des Pankreas; gleichzeitig war 
auch eine Hirngeschwulst vorhanden. 

Rühle sah einen Fall von starker Cirrhose des Pankreas, verbunden mit einer 
apfelgrossen Geschwulst, welche mit frischen Blutgerinnseln angefüllt war, und mit 
bedeutender Ektasie des Ductus Wirsungianus. 

Gille beschreibt einen Fall, wo das Pankreas infolge Vorhandenseins einer 
grossen Anzahl von Steinen atrophiert war. 

Jaksoh sah auoh eine stark ausgeprägte Atrophie des Pankreas. 

Notta sah einen Fall von Verfettung des Pankreas. 

Guelliot beschrieb einen Fall, wo fettige Degeneration des Drüsenepithels, 
Hyperplasie des Bindegewebes und eine nussgrosse Geschwulst im Caput der Drüse 
vorhanden waren. 

In drei Fällen von Baumei war einmal das Pankreas mit Concrementen ange¬ 
füllt, einmal war eine Gewebswucherung mit gleichzeitiger fettiger Degeneration der 
atrophierten Ueberreste des Drüsengewebes vorhanden, und in einem Falle fand sich 
Hyperplasie des Bindegewebes mit stellenweise erfolgter fettiger Degeneration des 
Drüsengewebes. 

Duffey fand bei der Sektion eines Diabetikers Pankreaskrebs. 

In vier von Windle beobachteten Fällen war zweimal eine trübe Schwellung 
des Epithels mit Verkleinerung des Pankreas vorhanden; einmal Bindegewebswuche¬ 
rung mit fettiger Degeneration des Epithels, und einmal wurde statt des Pankreas ein 
Bindegewebsstreifen, der nicht einmal Spuren von Drüsengewebe aufwies, gefunden. 

Besan^on fand bei der Sektion das Pankreas klein (50,0g) und fettig 
degeneriert. 

Bouisson beobachtete Pankreassklerose, wobei der Ductus Wirsungianus, wie 
auch das Caput der Drüse mit Concrementen angefüllt waren. 

Saundby, der ein überaus eingehendes Verzeichnis der sowohl in seinen 
eigenen, als auch in früher von anderen veröffentlichten Fällen erhaltenen Sektions¬ 
befunde bei Diabetes anführt, sagt: „unter meinen 15 Fällen war das Pankreas 
siebenmal atrophiert, viermal anormal hart, fibrös und viermal normal. 14 Von allen 
bei der Sektion gefundenen Veränderungen hält Saundby die Veränderungen des 
Pankreas für am wichtigsten und lässt erst dann die in den abdominalen sympa¬ 
thischen Ganglien Vorgefundenen gelten. 

Lcpine führt einen Fall an, wo in dem makroskopisch normalen Pankreas sich 
mikroskopisch eine Bindegewebswucherung um die Drüsenlappen zeigte. 

Thiroloix fand bei der Sektion eines Diabetikers, dass das Pankreas in einen 
fibrösen Strang verwandelt war. Gleichzeitig war auch eine Hypertrophie des ganzen 
gangliösen Apparats, d. h. des Plexus solaris, vorhanden. 

Im Falle von Sottas war das Pankreas ganz und gar mit Concrementen ange- 
fiillt. Unter dem Mikroskop zeigte sich ausserdem Hyperplasie des Bindegewebes und 
fettige Degeneration des Drüsenepithels. 

To Hemer beschrieb einen Fall, wo das normal grosso Pankreas sich con- 
sistenter als in der Norm anfühlte. Unter dem Mikroskop wurde gefunden: Drüsen¬ 
gewebe stark atrophiert, Bindegewebe hingegen hyperplastisch. Ihren normalen Um- 


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fang verdankt die Drüse ihrer Verfettung: das Fett war zwischen die atrophierten 
Drüsenlappen eingedrungen. 

Leva fand in allen drei von ihm beobachteten Fällen eine mehr oder weniger 
stark ausgeprägte Atrophie des Pankreas. 

ImFalle vonSchabad war das Pankreas um das drei- bis vierfache verkleinert, 
von fester Consistenz. Das Drüsengewebe war atrophiert und wies stellenweise Pigment- 
und Vakuolendegeneration auf; hin und wieder war eine verstärkte Bindegewebs- 
wucherung bemerkbar. 

Lemoine und Lannoix fanden in vier von ihnen untersuchten Fällen im 
Pankreas sklerotische Veränderungen, als deren Ausgangspunkt die Umgebung der 
Gefässe, besonders der Venen und Lymphgefässe diente. 

Thiroloix fand in einem Falle ausgesprochene Atrophie des Pankreas mit 
gleichzeitiger multipler Obliteration der Ausführungsgänge. 

Eich hörst beschrieb zwei Fälle von Diabetes, wo bei der Sektion Veränderungen 
im Pankreas vorgefunden wurden. In dem einen Falle zeigte die sehr kleine Dimen¬ 
sionen aufweisende und auf dem Querschnitt der normalen KörnchenbeschafTenheit 
entbehrende Drüse unter dem Mikroskop das Bild einer sehr verbreiteten Coagulations- 
nekrose. ln dem anderen erwies sich das Pankreas als von erstaunlich kleinen 
Dimensionen. 

Harley teilt zwei Fälle mit. ln einem derselben waren Corpus und Cauda des 
Pankreas in einen fibrösen Strang umgewandelt. Im Caput waren eine kirschgrosse 
mit eiteriger graugelber Flüssigkeit angefüllte Höhle und eine Menge kleiner inmitten 
eines sklerotischen Gewebes gelegener Abscesse vorhanden. In dem anderen Falle 
bestand Krebs des Caput des Pankreas, welcher den Ductus choledochus zusammen¬ 
presste. 

AVilliamson führt zwei Fälle von Diabetes an, welche von Veränderungen im 
Pankreas begleitet waren. In dem einen Falle wies die Drüse ein vergrössertes Ge¬ 
wicht auf und war stark cirrhotisch. Ductus pancreaticus erweitert, bildet stellenweise 
mit kleinen Steineben angefüllte Vorstülpungen. In dem anderen ist das Pankreas 
atrophiert, weich, wiegt zweimal so wenig als in der Norm, ist stellenweise fettig 
degeneriert. 

Thiroloix sah einen Fall, wo Epitheliom des Caput des Pankreas, Obliteration 
des Ductus Wirsungianus, Cirrhose und Atrophie des übrigen Teiles der Drüse vor¬ 
handen waren. 

In einem von Freyhan beobachteten Falle war Lithiasis des Pankreas vor¬ 
handen, durch die eine in fettiger Degeneration zum Ausdruck gelangte Atrophie des 
genannten Organes hervorgerufen worden war. In einem andern Falle wurde an der 
Stelle des Pankreas ein Körper gefunden, welcher an Grösse und Form demselben 
gleichkam, aber fast ausschliesslich aus Fettgewebe bestand; ausserdem sassen im 
Schwanzteile des Ausführungsganges Steinchen (kohlensaurer Kalk und Cholesterin). 

Kleiner beschrieb 2 Fälle, in denen Lithiasis pancreatica mit nachfolgender 
Atrophie des Pankreas bestand. 

Lichtheini teilte einen Fall von durch Lithiasis pancreatica bedingter Pankreas- 
cirrhose mit. 

Williamson untersuchte das Pankreas in 15 Fällen von Diabetes mellitus: in 
7 war das Pankreas normal, in zwei atrophiert, in zwei war die Atrophie von fettiger 
Degeneration begleitet, in zwei war eine mehr oder weniger begrenzte Cirrhose, und 
in einem eine äusserst verbreitete Cirrhose mit Bildung von Verlötungon vorhanden; 
(über den 15. Fall ist nichts gesagt), ln einem von den 15 Fällen wurde eine Hirn¬ 
geschwulst gefunden. 

.larussow beschreibt 4 Fälle von Diabetes. Nur in einem derselben bestand 
makroskopisch eine stark ausgeprägte Atrophie des Pankreas. Die mikroskopische 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 173 


Untersuchung des Pankreas zeigte aber in allen vier Fällen eine fettige Degeneration 
der Zellelemente und eine vornehmlich um die Drüsengänge herum lokalisierte Binde¬ 
gewebswucherung. 

Bei der Durchsicht dieser Arbeiten sehen wir, dass ihrer im Grunde 
genommen nicht allzu viele sind, und dass unter den vorhandenen bei 
weitem nicht allen eine wesentliche Bedeutung für die eine oder andere 
Lösung der hier berührten Frage zukommt. Einige von ihnen sind auf 
ungenügend untersuchtes Material gegründet, andere betrachten die uns 
interessierende Frage nur beiläufig. Und nur einige berühren sie un¬ 
mittelbar, und mehr odefr weniger vollständig. Ausserdem ziehen nicht 
alle auch die mikroskopischen Veränderungen mit in Betracht. Es ist 
natürlich, dass solche Arbeiten (ohne mikroskopische Untersuchungen) 
kaum eine besondere Bedeutung beanspruchen können. Ferner zeigten 
sich in allen citierten Diabetesfällen die Veränderungen des Pankreas 
nicht als einziger postmortaler Befund; gewöhnlich waren sie neben Ver¬ 
änderungen anderer Organe vorhanden, denen jedoch von den Autoren 
gar keine Bedeutung für die Entwicklung des Diabetes zugeschrieben, 
wurde. Nichtsdestoweniger erwähnen wir von diesen Veränderungen 
anderer Organe die des Plexus coeliacus, weil in denjenigen Fällen, wo 
ihnen Beachtung geschenkt wurde, ausser dem Pankreas auch diese sich 
als verändert erwies. Als Beleg für das Obengesagte mögen folgende 
Fälle dienen: 

1. Munk: Atrophie des Pankreas; Atrophie des Plexus coeliacus. 

2. Seegen: Diabetes mit Abmagerung; Plexus coeliacus klein, schlaff, von deutlich 
grauer Farbe. 

3. Jaccoud: Bronzefärbung und Glykosurie; Magenkrebs; die benachbarten Nerven 
durch die peripankreatischen Ganglien zusammengepresst; Pankreas normal. 

4. Bouisson: Nn. vagi von den Mediastinalganglien umgeben; Pankreas von 
normalem Umfang, Lithiasis. 

5. Richer: Magenkrebs und Glykosurie; Pankreas hart, vergrössert, Plexus solaris 
von gangliösen umfangreichen festen Massen umgeben. 

6. Lancereaux: Die Ganglien des Plexus coeliacus von fester Consistenz und ver- 
grössertem Umfang. 

7. Recklinghausen: Plexus solaris von fester Consistenz und weisser Farbe. 

8. Ausoher: Pankreas normal; Hypertrophie des Plexus solaris. 

9. Besangon constatierte in einem Falle von Pankreasdiabetes eine ungeheure 
Hypertrophie der Semilunarganglien mit gleichzeitiger Atrophie des Pankreas. 

10. Cavazzani sah einen Fall von Diabetes mit normalem Pankreas, wo aberstarke 
Veränderungen des Sympathicus vorhanden waren. 

11. Hale-White fand in vier Fällen vcn Diabetes tiefgreifende Veränderungen im 
Sympathicus mit gleichzeitiger Veränderung des Ganglion semilunare. 

12. Poniclo fand auch eine starke Atrophie des sympathischen Nerven in 5 Diabetes¬ 
fällen. 

Die bisher angeführten Fälle sprechen für den vermutlichen Zusammen¬ 
hang zwischen den Erkrankungen des Pankreas, als dem ursächlichen 
Moment, und dem Auftreten des Diabetes, als einer sichtbaren Folge 
einer solchen Erkrankung. 

Doch sind in der Literatur auch Fälle von Diabetes mitgeteilt, die 
in ihrem Verlaufe das zuerst von Lancereaux geschilderte klinische 


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Bild des Pankreasdiabetes aufwiesen, und wo nichtsdestoweniger Ver¬ 
änderungen im Pankreas bei der Sektion fehlten. 

Hierher gehören die von den folgenden Autoren beschriebenen Fälle: 
1. Mollard, 2. Ascher, 3. Lepine, 4. Cavazzani, 5. Jaccoud. 

Aus der Durchsicht der oben angeführten pathologisch-anatomischen 
Daten geht hervor, dass von den im Pankreas Vorgefundenen Ver¬ 
änderungen die atrophischen am häufigsten Vorkommen. Es wurden 
solche Veränderungen unter den 109 angeführten Sektionen 73 mal be¬ 
obachtet (66,9 pCt.). Sodann folgt die fettige Degeneration mit 13 mal 
(11,9 pCt.), ferner: Steine (Lithiasis) 12 mal (llpCt.), Krebs 7 mal 
(6,4 pCt.), Cysten 2 mal (1,8 pCt.), Abscess und Nekrose des Pankreas 
je 1 mal (0,9* pCt.). 

Was nun die Veränderungen des Nervensystems beim Diabetes betrifft, so finden 
wir die ersten Hinweise hierüber bei Steinthal, der eine sehr kurzgefasste Beob¬ 
achtung über diesen Gegenstand in der Deutschen Klinik 1858 veröffentlicht hat. 
Etwas vollständiger und ausführlicher ist eine Untersuchung des französischen Ge¬ 
lehrten Maröchal de Calvi, welcher im Jahre 1864 bereits die Möglichkeit hatte, 
eine diese Frage behandelnde Monographie zu veröffentlichen. Im Jahre 1873 erschien 
eine umfangreiche französische Arbeit über die Veränderungen des Nervensystems 
beim Diabetes. Der Autor derselben, Christi de Buoli, bringt in seinen Unter¬ 
suchungen sehr viel Neues für seine Zeit, und das in seinen Händen befindliche 
Material bearbeitet er mit viel grösserem Verständnis und viel umfassender als seine 
Vorgänger. Diese ersten, die Nervenerkrankungen bei der Zuckerkrankheit behandeln¬ 
den Arbeiten haben gegenwärtig nur ein historisches Interesse. Nichtsdestoweniger 
ist das Verdienst dieser Autoren gross, denn sie haben die Aufmerksamkeit der Ge¬ 
lehrten auf eine gauz neue Aetiologie der Nervenerkrankungen, welche bis dahin völlig 
unbekannt war, gelenkt. Mit ihrer persönlichen Arbeit und ihren Kenntnissen haben 
sie nur die ersten Schritte für den Aufbau der zukünftigen Lehre getan, aber mit dem 
Fortschritt der klinischen Untersuchungsmethoden, mit der Erweiterung des medizi¬ 
nischen Gesichtskreises und dank dem ungeheuren Fortschritt in der Erforschung der 
Nervenkrankheiten — wurden die von ihnen gelegten Grundlagen sehr bald weiter aus- 
gebaut. Es entstanden neue präcisere Arbeiten; einzelne Versuche, die schon be¬ 
kannten Tatsachen zu systematisieren, wurden gemacht und eine rationelle und zu¬ 
gleich völlig neue Gruppierung des Materials vorgenommen. Allraählioh stellte sich 
heraus, dass beim Diabetes nicht nur die Ganglien und Verzweigungen des sympathi¬ 
schen Nerven Veränderungen ausgesetzt sind, sondern auch das Centralnervensystem 
— Gehirn und Rückenmark — und seine peripheren Abschnitte. Ferner hat sich bei 
sorgfältiger klinischer Beobachtung der Diabetiker ergeben, dass sogar die höheren 
psychischen Centren bei dieser Erkrankungsform in Mitleidenschaft gezogen werden 
können. So wurde hauptsächlich durch die Arbeiten der französischen Autoren 
(Legrand du Saulle, Marie, Fassy) beim Diabetes Veränderung des Charakters 
vermerkt. Zuweilen entwickeln sich bei Kranken dieser Art Geiz, Hochmut, Ehrgeiz, 
Egoismus und andere moralische Schwächen. In den späteren und höchsten Stadien 
des Diabetes haben Legrand du Saulle und gleichzeitig Landenheimer, F4re- 
Bernard, Lecorche und andere Veränderung der Gemütsverfassung, Apathie, Ver¬ 
fall der geistigen Frische, Urteilsschwäche und Verlust des Gedächtnisses vermerkt. 
Aehnliche Symptome veranlassten die Autoren (Holstein, Sekeyan, Bond und 
andere) zu behaupten, dass der Diabetes sogar zur Entwicklung von echten psychischen 
Erkrankungen führen könne. Wirklich bestätigen einzelne klinische Beobachtungen 
diese Voraussetzung. So beobachtete Binsvvanger akute Verwirrtheit beim Diabetes 
nach Amputation eines gangränösen Fusses, die im weiteren Verlauf in Schwachsinn 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 175 

überging. Landenheimer, der diese Frage sorgfältig bearbeitet hat, unterscheidet 
akute und chronische psychische Störungen beim Diabetes. Die ersteren kommen sehr 
häufig vor. Zu den akuten psychischen Leiden bei der Zuckerkrankheit reohnet er 
das Coma diabeticum, sowie sein Aequivalent, welches in akuter psychischer Erregung 
zum Ausdruck gelangt und gewöhnlich in den letzten Perioden der Krankheit auftritt. 
Viel seltener werden nach der Meinung dieses Autors beim Diabetes chronische Er¬ 
krankungsformen beobachtet. Charpantier, der bekannte Pariser Psychiater (in der 
Salpetriere), der sich ganz besonders für die Frage von den Veränderungen der Psyche 
beim Diabetes interessiert hat, erklärt nachdrücklich, dass die Zuckerkrankheit sogar 
eine Dementia paralytica verursachen kann. Diese Behauptung ist um so wertvoller, 
als eine ganze Reihe andrer Autoren, von denen wir Schüle, Marechal de Calvi, 
Frerichs, Sommer, Landenheimer erwähnen, die Entwicklung einer typischen 
progressiven Paralyse (Dementia paralytica) während der Zuckerkrankheit beobachtet 
haben. Die Symptome dieser Geisteskrankheit verschwanden jedoch bald nach Ver¬ 
ordnung einer antidiabetischen Kur. Infolgedessen schlägt Landenheimer vor, eine 
solche psychische Erkrankungsform Pseudoparalysis diabetica zu nennen. 

Viel häufiger als psychische Leiden wurden Affektionen einzelner Hirncentren 
beobachtet. Marechal de Calvi, Ldpine et Blanc, Drouineau, Corneille, 
Naunyn und viele andere, welche sich für diese Frage interessierten und die Mög¬ 
lichkeit hatten, ihre Beobachtungen pathologisch-anatomisch zu prüfen, constatierten 
beim Diabetes eine Affektion sowohl der Hirnrinde, als auch der tiefgelegenen Teile 
des Centrum Vieussenii. Klinisch kamen diese Affektionen verschieden zum Aus¬ 
druck. In einigen Fällen waren sie von dauernder Erregung des Centralnervensystems 
begleitet und äusserten sich als Zittern der Extremitäten, Zucken derselben, Krämpfe, 
Zuckungen und sogar als echte Anfälle von Convulsionen mit Verlust des Bewusst¬ 
seins und den übrigen für die Epilepsie charakteristischen Erscheinungen. Jacoby 
machte mehrere solcher Beobachtungen an Diabetikern, bei welchen anfangs leichte 
Zuckungen bemerkt wurden, die im weiteren Verlauf in Convulsionen mit Bewusst¬ 
seinsverlust und den übrigen für die Epilepsie typischen Kennzeichen übergingen. In 
einem seiner Fälle, wo keine antidiabetische Behandlung angewandt wurde, gingen 
die Krampfanfälle in dauernde Schlafsucht über, die mit dem Tode endete. In 
einem anderen verschwanden die schweren Anfälle mit der Verordnung der anti¬ 
diabetischen Behandlung, während das petit mal weiter bestand. In einem dritten 
Falle erholte sich sein Patient, der schon früher an Diabetes gelitten hatte und 
nun an Epilepsie erkrankt war, seit der Verordnung der antidiabetischen Therapie: 
der Zucker verschwand aus dem Harne, das Körpergewicht und seine Kräfte nahmen 
zu, gleichzeitig verschwanden auch die Krämpfe und die anderen Erscheinungen der 
Hirnreizung. Bekannter jedoch sind diejenigen Hirnaffektionen bei Diabetes, die nicht 
von Reizung bestimmter Centren, sondern von dem Verlust ihrer Funktion oder von 
einer Abschwächung der letzteren begleitet sind. Klinisch gelangt dieses in Ab¬ 
hängigkeit von der Lokalisation des betroffenen Centrums in Hemiplegie, Monoplegien, 
Aphasie usw. zum Ausdruck. Hemiplegien werden bei den an der Zuckerkrankheit 
Leidenden von vielen Autoren vermerkt, zu denen Marechal de Calvi, Corneille, 
Drouineau, Naunyn, Marinesco u. a. gehören. Als eine sehr typische Form der 
Hemiplegie beim Diabetes gilt die Hemiplegia alternans, die eine besonders sorgfältige 
Untersuchung durch Bernard-Fer6 erfahren ,haben. Angeregt durch C har cot, 
haben diese Gelehrten diese Form der Affektion der Hirnnervencentren beim Diabetes 
sehr ausführlich beschrieben, und ihre Untersuchungen sind durch die Arbeiten ihres 
Landsmannes Ogle in vollem Umfange bestätigt worden. 

Etwas später als die Hirnleiden wurden die organischen Affektionen des Rücken¬ 
marks und der peripheren Nerven vermerkt. Ueber die Leiden dieser Bezirke, welche ein 
grosses praktisches Interesse darbieten und eingehender behandelt zu werden ver¬ 
dienen, ist jedoch nur eine überaus spärliche Literatur vorhanden. 


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Was die AfTektioncn des Rückenmarks betrifft, so ist sowohl ihre Symptomato¬ 
logie, als auch die Verteilung der organischen Veränderungen in demselben überhaupt 
sehr unbestimmt und sehr wenig erforscht. Aus den Beobachtungen, die weiter unten 
citiert werden, ist jedoch ersichtlich, dass in den bisher veröffentlichten Fällen die 
Degeneration selten ein einzelnes gesondertes Funktionssystem erfasst, sondern meisten¬ 
teils sind mehrere derselben gleichzeitig betroffen. Der grösseren Genauigkeit halber 
führen wir hier in extenso die ganze in der Literatur vorhandene Gasuistik der orga¬ 
nischen Affektionen des Rückenmarks an. 

Nonne hat eine Patientin von 64 Jahren beschrieben, welche während der letzten 
vier Lebensjahre an der Zuckerkrankheit gelitten hatte. Im zweiten Jahre dieser 
Krankheit entwickelten sich bei ihr Parese und absteigende Muskelatrophie in beiden 
oberen Extremitäten ohne irgend welche Schmerzen und Parästhesien. Bei der objek¬ 
tiven Untersuchung wurde die Sensibilität normal befunden; hingegen zeigten die 
Nerven der betreffenden Extremitäten eine partielle Degenerationsreaktion. Sehnen- 
und Periostreflexe derselben Körperteile leicht geschwächt, Nervenstämme unempfind¬ 
lich gegen Compression; Muskelkraft stark herabgesetzt; bei passiven Bewegungen er¬ 
wiesen sich die betroffenen Extremitäten als vollkommen schlaff. Nach einem halben 
Jahre wurden beide unteren Extremitäten von einer analogen Affektion betroffen mit 
Wiederholung des analogen Bildes: Entwicklung von Muskelatrophie mit partieller 
Degenerationsreaktion, Verlust der (Knie-) Sehnenretlexe, ohne Rigidität der passiven 
Bewegungen und ohne Sensibilitätsstörungen. Bei der mikroskopischen Untersuchung 
wurde im Rückenmark eine starke Verminderung der Zellen in den Vorderbörnern des 
Halsabschnittes vorgefunden: unter den erhalten gebliebenen Zeilen war nicht eine 
einzige normale. Das Myelinfasernetz der grauen Substanz war sehr viel spärlicher 
geworden; die Vordorhörner waren stark degeneriert. Der gleiche Krankheitsprozess 
wurde auch in den Vorderhörnern des Brust- und Lendenabschnitts des Rückenmarks 
gefunden, allerdings war derselbe hier schwächer ausgeprägt; hier und da konnte man 
eine normale Zelle mit sichtbarem Kern antreffen; die Vorderhörner der Brust- und 
Lendensegmente enthielten nur eine unbedeutende Anzahl normaler Myelinfasern. 
Degeneriert waren ausserdem die Seiten- und Vorderstränge; die Fasern derselben 
waren deutlich, obschon nicht sehr intensiv rarefiziert; die Neuroglia erschien leicht 
verdichtet und verdickt. Diesen letzteren Prozess spricht der Autor als primäre ein¬ 
fache Atrophie der Myelinfasern an, und sieht in der Verdickung der Neuroglia eine 
sekundäre Erscheinung. Die llintcrhörner waren in der ganzen Ausdehnung des 
Rückenmarks normal: die Rückenmarksgefässe waren nicht verändert. Die peripheren 
Nerven zeigten eine deutlich ausgeprägte Atrophie der Myelinfasern. Die von den be¬ 
troffenen Nerven innervierteil Muskeln waren gleichfalls atrophiert. Der Autor qualifiziert 
seinen Fall als Poliomyelitis anterior und liefert den Nachweis, dass der Diabetes eine 
isolierte Affektion der Vorderhörner nach sich ziehen kann. Er gründet seine Diagnose 
hauptsächlich erstens auf das klinische Bild, zweitens auf die durch die pathologisch¬ 
anatomische Untersuchung erhaltenen Daten, d. h. die erwähnten, stark ausgeprägten 
Veränderungen der Zellelemente. Diese Beobachtung von Nonne, welche eine aus¬ 
schliessliche Affektion der Vorderhörner vermerkt, steht in der Literatur ganz ver¬ 
einzelt da. Etwas häufiger sind die in den Hinterhörnern lokalisierten Veränderungen 
vermerkt. Kalmus beschrieb zwei Diabetiker, nach deren Tode er die Möglichkeit 
hatte, das Rückenmark zu untersuchen. In dem einen Falle, wo das klinische Bild 
nur sehr kurz gefasst ist, hatte der Kranke eine antisyphilitische Behandlung durch¬ 
gemacht, und während seines Aufenthaltes zur Behandlung der Zuckerkrankheit im 
Krankenhause deutliche Anzeichen von Mercurialismus aufgewiesen. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung stellte in diesem Falle eine scharf ausgeprägte Veränderung 
der Burdaehseben und Gollschen Stränge in der Intumescentia cervicalis des Rücken¬ 
marks fest, welche sich als besonders stark betroffen erwiesen. Ihre Nervenfasern waren 
ganz verschwunden, während die bindegewebige Stützsubstanz ein vollkommen normales 


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lieber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 177 

Aussehen zeigte. Die Entartung der Fasern der Hinterhörner nahm in der Richtung 
nach oben und unten schnell ab, so dass im verlängerten Mark und in den Brust¬ 
segmenten des Rückenmarks gar keine Abweichungen von der Norm zu bemerken 
waren. Anlässlich dieser Beobachtung von Kalmus muss bemerkt werden, dass die 
von ihm beschriebenen Veränderungen schwerlich ausschliesslich für den Diabetes 
typisch sind. Die im gegebenen Falle höchst verwickelte Aetiologie — Syphilis, 
Mercurialismus und Diabetes — gestattet es nicht, die im Rückenmark Vorgefundenen 
Veränderungen ausschliesslich der Zuckerkrankheit zuzuschreiben. Der zweite Fall 
desselben Autors ist, was die klinische Seite anbetrifft, ebenso dunkel, vom ätiologischen 
Standpunkt aus jedoch einwandfreier; ausser Diabetes war in demselben keine einzige 
andere vorausgegangene schwächende Krankheit zu finden; leider ist das Rückenmark 
dieses Patienten nicht mikroskopisch untersucht worden; bei der Besichtigung mit 
blossem Auge wurden aber nur in den Burdachschen Strängen Veränderungen ver¬ 
merkt. Hensay untersuchte das Rückenmark von sieben Diabetikern, die sich in der 
Strassburger Klinik unter Naunyns Beobachtung befunden hatten, und fand in zwei 
Fällen Veränderungen. In einem derselben bestand eine schwache Degeneration einer 
geringen Anzahl von Fasern des oberen Teiles des Halsmarks in den den Hinterhörnern 
des XI. Nerven anliegenden Bündeln. Die Wurzeln dieses Nerven selbst erwiesen sich 
als unverändert. Auf dem Boden des 4. Ventrikels, nahe vom Kern des X. Hirnnerven, 
fand sich ein unbedeutender Bluterguss. Ausserdem waren die kleineren Hirngefässe 
hyperämisch ohne Veränderungen ihrer Wände und ohne Degeneration des sie um¬ 
gebenden Nervengewebes. Im zweiten Falle umfasste die Degeneration zwei um¬ 
schriebene Stellen in den Hintersträngen mit vollkommen symmetrischer Anordnung 
auf der Grenze zwischen den G oll sehen und Burdachschen Strängen; die vorderen 
Teile dieser degenerierten Bezirke gingen ineinander über, indem sie sich in einem 
stumpfen Winkel hinter der hinteren Commissur begegneten; die hinteren Abschnitte 
dieser dreieckigen Figur, in deren Umrissen der entartete Faserbereich in die Er¬ 
scheinung trat, reichten nicht bis an den Rand des Rückenmarks; diese Veränderung 
der Hinterstränge erstreckte sich nach oben und nach unten in der ganzen Ausdehnung 
des Rückenmarcks vom Hals- bis zum Lendenabschnitt. Eine sehr merkwürdige Er¬ 
scheinung boten die Hinterwurzeln des Lendenmarks dar. Auf dom Querschnitt wies 
nur der centrale Teil der Wurzel Myelinfasern auf, die sich noch nach Weigert und 
Pal färbten; die Randpartien aber waren vollständig degeneriert. Die erhalten ge¬ 
bliebenen Myelinfasern aus dem centralen Teile der Wurzel waren jedoch nicht völlig 
normal. Ihre Myelinhülle färbte sich in den peripheren Schichten nach Weigert, 
während die dem Achsencylinder anliegenden Teile entweder farblos oder trübe er¬ 
schienen. Recklinghausen, der diese Präparate gesehen hat, hielt diese Ver¬ 
änderungen der Wurzeln für Artefakte. 

Sandmeyer untersuchte einen Fall von Diabetes und fand, nachdem er das 
Rückenmark nach Marchi bearbeitet hatte, überall eine Degeneration der Gollschen 
Stränge im Anfangsstadium. Die angeführten Beobachtungen der drei letzten Autoren 
vermerken Veränderungen hauptsächlich in den Hintersträngen des Rückenmarks. 
Wie schon erwähnt, sind auch combinierte Rückenmarksleiden beim Diabetes be¬ 
schrieben worden, wo ausser der Veränderung in den hinteren Bahnen gleichzeitig 
auch die Vorderhörner der grauen Substanz betroffen waren. Gewöhnlich erweist sich 
hierbei auch das periphere Neuron als in Mitleidenschaft gezogen. Eine sehr inter¬ 
essante Ausnahme bildet in dieser Beziehung die Beobachtung von Williamson, in 
dessen Falle dieser Abschnitt des Nervensystems keinerlei besondere Veränderungen 
aufwies. Die Untersuchung Williamsons betrifft einen 52jährigen Diabetiker mit 
Arteriosklerose und Atrophie der Muskeln des Schultergürtels und des Oberarms; 
seine Sensibilität war normal geblieben, die Kniereflexe fehlten eine Zeit lang, stellten 
sich aber nach kurzdauerndem Ausbleiben wieder ein. Nach dem Tode fand man bei 
diesem Patienten Degeneration der Hinterstränge in den Hals- und Brustsegmenten 


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des Rückenmarks. Die Achsencylinder von zahlreichen Fasern waren stark ange¬ 
schwollen. Die Neuroglia ist nur im Halsabschnitt leicht vermehrt. Die Zellen der 
Vorderhörner sind in dem unteron ßrustabschnitt des Rückenmarks leicht atrophiert. 
Hingegen erwiesen sich die an den atrophierten M. biceps herantretenden Nerven als 
unverändert. 

Im zweiten Falle desselben Autors, und zwar bei einem sehr schweren Diabetes, 
der sehr bald mit dem Tode im Krankenhause endete, fehlten die Patellarreflexe zur 
Zeit der Beobachtung. Die Veränderungen im Rückenmark waren hier dieselben, wie 
in seinem vorstehend aufgeführten Falle, und erstreckten sich bis zum Lendenabschnitt 
des Rückenmarks. Der N. cruralis wies keine Veränderung auf. 

Sehr lehrreich ist die Beschreibung eines Diabetesfalles, die Leichten tri tt gibt. 
Bei seiner Patientin, einer Frau von 60 Jahren, mit stark ausgeprägter Arteriosklerose 
wurde im letzten Lebensjahre Zuckerkrankheit festgestellt und zugleich eine Reihe von 
Sensibilitätsstörungen, sowie der Verlust der Kniereflexe gefunden, was gestattete, die 
Diagnose Pseudotabes diabetica zu stellen. Kurz vor dem Tode entwickelten sich bei 
der Kranken Muskelatrophie und totale Paralyse der Extremitäten, begleitet von 
Schmerzen und Parästhesien. Ausserdem traten AlTektionen der Augen, der Haut auf, 
und endlich stellte sich Gangraena spontanea ein. Post mortem iand der Autor im 
gegebenen Falle bei der mikroskopischen Untersuchung des Rückenmarks eine De¬ 
generation der Gotischen und Burdach sehen Stränge im ganzen Rückenmark (den 
Sakralabschnitt ausgenommen). Die Hinterhörner erwiesen sich als normal. Die Zahl 
der Zellen der Vorder- und Hinterhörner war nicht verringert, aber ihr Protoplasma 
war sehr körnig und der Kern nicht überall gut zu sehen. Ihre Fortsätze waren 
stumpf geworden und stellenweise wie abgebrochen. In den Hintersträngen wurden 
reichlich spinnenartige Zellen und amyloide Körperchen gefunden. Die peripheren 
Nerven, besonders der N. cruralis und N. peroneus waren im gegebenen Falle eben¬ 
falls stark verändert. Die Wände ihrer Vasa nervorum waren stark verdickt, ihr 
Lumen war an einigen Stellen verengert, an anderen erweitert. Die Gesamtmasse des 
Epineuriums ist vergrössert: ihre Fasern verdickt; im Getvebe des Epineuriums werden 
stellenweise Blutergüsse angetrofTen. Das Perineurium ist reichlich mit Kernen in¬ 
filtriert. Verdickt sind auch die Fasern des Endoneuriums; seine Capillargefässe sind 
hyperämisch. Das Myelin der einzelnen Nervenfasern ist in starkem Zerfall begriffen. 
Der Autor hält die beschriebenen Veränderungen für hämorrhagische Neuritis dia¬ 
betischen Ursprungs. Es ist jedoch sehr schwer, dieselben dem Einfluss des Diabetes 
allein zuzuschreiben. Die Vergrösserung der bindegewebigen Stützsubstanz im Nerven, 
die Verdickung seiner Scheide und die typischen Gefässveränderungen (auch die Blut¬ 
ergüsse mit eingeschlossen) entsprechen demjenigen Zustande der Nerven, der sich in 
den letzteren bei chronischer Arteriosklerose entwickelt. Souques und Marinesco 
vermuten in dem von ihnen untersuchten Rückenmark einer an diabetischem Marasmus 
gestorbenen Frau, deren klinisches Krankheitsbild leider nicht angeführt ist, ebenfalls 
eine gewisse Atrophie der Vorderhornzellen des Halsmarks. Ausserdem fanden sie 
eine im höchsten Grade zarte Veränderung der beiden Hinterhörner im Lenden- und 
Brustabschnitt. Diese Veränderung konnte man nur auf Grund der blassen Färbung 
nach Pal feststellen, während Gefässe und Neuroglia keinerlei Degenerationszeichen 
aufwiesen. Die Autoren finden eine grosse Aehnlichkeit zwischen der beschriebenen 
Veränderung der Hinterstränge und derjenigen, welche bei der absteigenden Degene¬ 
ration der letzteren nach der Durchschncidung der Hinterwurzeln der höher gelegenen 
Segmente beobachtet wird. Bonardi (die Originalarbeit dieses Autors ist uns nicht 
zugänglich gewesen) beobachtete einen Fall von Diabetes, in dem sich beim Patienten 
Muskelatrophie der Extremitäten entwickelte, die Sehnenreflexe schwanden und eine 
Reihe von Symptomen sich zeigte, die dem Autoi gestattete, in der Erkrankung das 
Bild d er Pseudotabes diabetica zu erkennen. Post mortem wurde bei der Untersuchung 
des Rückenmarks unterm Mikroskop in diesem Falle Degeneration der Vorder-Seiten- 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 179 

stränge gefunden; die Zellen der Vorderhörner der grauen Substanz waren nach Zahl 
und Dimensionen vermindert und wiesen die ersten Zeichen des Zerfalls auf. Die 
peripheren Nerven der Extremitäten waren von Neuritis betroffen; die von den de¬ 
generierten Nerven innervierten Muskeln boten das typische Bild der Degeneration dar. 
Im Falle von Bonardi wiesen also die organischen Veränderungen der peripheren 
Nerven in Gestalt von degenerativer Neuritis viel klarere Symptome auf als die orga¬ 
nischen Affektionen des Rückenmarks. Nach den Untersuchungen von Pryce, 
Ziemssen, Charcot, Auscher, Gregoire, Williamson, Althaus, Buzzard, 
Naunyn, Buch, Vanderlinden und anderen Autoren äussert sich dieses Leiden 
in dauernden und lanzinierenden Schmerzen, Beeinträchtigung der motorischen Funk¬ 
tion, Herabminderung oder Verlust der Sensibilität, der Reflexe, in der Degenerations- 
reaction, in Muskelatrophie und trophischer Veränderung des Integuments (Glanzhaut 
oder mal perforant du pied). Diese Affektionen sind überaus verschieden lokalisiert. 
Gegenwärtig sind Neuritiden des N. facialis (Gregoire, Naunyn), die dazu noch 
bisweilen bilateral auftreten (Gregoire), des N. vagus (Eichhorst), des N. axil¬ 
laris (Althaus), des N. cruralis (Bruns, Eichhorst, Leichtentritt), des 
N. peroneus (Bruns, Leichtentritt), des N. opticus (Fraser und Bruce), des 
N. obturatorius (Bruns), des N. tibialis (Pryce) beschrieben. Ausser den aufge¬ 
zählten sind jedooh wahrscheinlich auch alle übrigen Nervenstämme nicht gegen diese 
Erkrankung geschützt und können gleichfalls beim Diabetes betroffen werden. 

Pryce kommt das Verdienst zu, als einer der ersten pathologisoh-anatomische 
Veränderungen der Nerven beim Diabetos festgestellt zu haben. Er hat mehrere Be¬ 
obachtungen veröffentlicht. In seinem ersten Falle handelt es sich um einen 
56jährigen Syphilitiker und Alkoholiker mit scharf ausgeprägter Arteriosklerose, bei 
welchem sich, nach den pathologisch-anatomischen Daten zu urteilen, in den letzten 
anderthalb Lebensjahren Diabetes entwickelt hat. Von Nervenstörungen wurden beim 
Patienten herabgesetzte Sensibilität, Verlust der Knie- und Schwächung der Pupillen¬ 
reflexe vermerkt. Bei der postmortalen Untersuchung des Nervensystems des Patienten 
erwiesen sich die peripheren Nerven als sehr verdickt (N. tibialis) und von entzünd¬ 
lichem Gewebe umgeben. Die Myelinscheiden der einzelnen Fasern waren granulös 
und färbten sich mit Osmiumsäure nicht. Die Achsencylinder waren zum grössten 
Teil atrophiert. Das interstitielle bindegewebige Stützgerüst des Nerven war etwas 
hyperplastisch. In der Lendenanschwellung des Rückenmarks waren die Zellen der 
Vorderhörner gleichfalls affiziert. Ein grosser Teil derselben war verschwunden, 
andere granulös atrophiert; bei vielen von ihnen waren die Fortsätze abgebrochen, ln 
der grauen oder weissen Substanz wurde keinerlei Infiltration bemerkt. In einer 
anderen Beobachtung von Pryce wiesen die Störungen des Nervensystems bei einem 
Diabetiker bei dessen Lebzeiten alle Anzeichen der Neurotabes diabetica auf, und 
wirklich wurde nach dem Tode in diesem Falle eine typische periphere Neuritis ge¬ 
funden. 

Auch6 beschrieb mehrere Kranke, an welchen die pathologisch-anatomische 
Untersuchung vorgenommen werden konnte. 

1. Eine Frau von 74 Jahren mit scharf ausgeprägter Arteriosklerose leidet schon 
mehr als 10 Jahre an erhöhtem Durstgefühl. Während der letzten Lebensjahre klagt 
sie ausserdem über lanzinierende Schmerzen und Jucken in den Extremitäten; kurz 
vor dem Tode traten bei ihr am Fusse Geschwüre und an der 4. Zehe Gangraena 
spontanea auf. Schmerzempfindlichkeit und thermische Sensibilität unverändert, da¬ 
gegen ist die willkürliche Beweglichkeit sehr herabgesetzt. Bei der postmortalen 
mikroskopischen Untersuchung wurde die Mehrzahl der Myelinfasern in den Nerven- 
stämmen vollkommen normal befunden. Ihr Myelin färbte sich ganz regelrecht und 
hatte seine natürliche Form bewahrt. Hingegen wiesen die Myelinscheiden einer ge¬ 
ringen Zahl von Fasern ungleichmässige Ränder mit Zacken auf und zerfielen in 
Segmente, Schollen und Kugeln. Stellenweise hatten einzelne Fasern ihr Myelin und 


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180 


P. Zagorowsky, 


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ihren Achsencylinder eingebüsst und sich nur in Gestalt einer leeren Schwannschen 
Scheide erhalten, die an den Stellen, wo die angeschwollenen Schwannschen Kerne 
und die Myelintropfen lagen, verdickt war. Das Rückenmark wurde nicht untersucht; 
irgend welche andere ätiologische Momente ausser Diabetes und Arteriosklerose Hessen 
sich nicht vermuten. 

II. Bei einem 50jährigen Manne, der während der letzten 6 Jahre an erhöhtem 
Durstgefühl gelitten hatte und an diabetischem Coma gestorben war, erwiesen sich 
folgende Veränderungen in den peripheren Nerven: vollkommen gesunde Fasern 
waren nicht zu sehen; ihre Myelinscheide erwies sich als sehr verändert; stellenweise 
befand sie sich im Zustande völligen Zerfalls, während der Achsencylinder intakt ge¬ 
blieben war. Ueber den Zustand des Gefässsystems erwähnt der Autor kein Wort. 

III. In seiner dritten Beobachtung beschreibt Auche einen 19jährigen Jüngling, 
bei welchem sich die ersten Anzeichen des Diabetes drei Monate vor dem Tode oin- 
stellten. Bei der Untersuchung des Patienten im Krankenhause wurde die willkürliche 
Beweglichkeit bei ihm überall normal befunden; die Schmerzempfindlichkeit (gegen 
Stiche) erwies sich auf der Dorsalseite des Unterarms als herabgesetzt; die Kniereflexe 
fehlten gänzlich. Die Autopsie ergab bei der makroskopischen Besichtigung normale 
Gefässe. Bei der mikroskopischen Untersuchung färbten sich die markhaltigen Nerven¬ 
fasern gut mit Osmiumsäure, zeigteu aber äusserst unregelmässige zerrissene Umrisse; 
stellenweise waren tiefgreifende Substanzverluste vorhanden, welche bis zum Achsen¬ 
cylinder reichten. Daneben fanden sich sehr viel leere Schwannsche Scheiden, 
innerhalb welcher verdickte und vermehrte Kerne sichtbar waren. Im allgemeinen 
entspricht das Bild der Nervenaffektion dem der parenchymatösen Neuritis. Der Autor 
behauptet, dass der Patient keine Syphilis gehabt hat und dass die Blutgefässe voll¬ 
ständig normal befunden w T orden waren. 

Dreschfeld fand bei der Untersuchung des Nervensystems eines Diabetikers in 
den peripheren Nerven, besonders im N. ischiadicus eine Kernveränderung in seiner 
Scheide, eine Wucherung des interstitiellen Bindegewebes, Myelinzerfall und Schwund 
der Achsencylinder. 

Fraser und Bruce machten eine sehr interessante Beobachtung, welche zum 
Teil auch hierzu in Beziehung steht. Ein 36jähriger Diabetiker mit centralem Skotom 
und Verlust des Pupillenreflexes auf Licht litt an lanzinierenden Schmerzen im Auge. 
Nach dem Tode wurde bei der mikroskopischen Untersuchung im N. opticus Myelin¬ 
zerfall seiner Fasern constatiert. Hingegen war der Achsencylinder mehr oder wreniger 
gut erhalten. 

Eichhorst beschrieb 2 Fälle von Diabetes mit Aflektion des Nervensystems, 
die einen letalen Ausgang hatten. 

I. Eine Frau von 47 Jahren, Diabetikerin, klagt über qualvolles Gürtelgefühl. 
Plantar- und Achillessehnenreflex erhalten; Kniereflex gänzlich verloren gegangen. 
Nach dem Tode wurden bei der mikroskopischen Untersuchung Rückenmark und 
N. isohiadicus normal befunden. N. cruralis hingegen bot das typische Bild einer 
scharf ausgeprägten parenchymatösen Neuritis mit Schwellung der Kerne der 
Schwannschen Scheide, Vermehrung derselben und Zerfall der Myelinscheide. 
Epi-, Peri-, Endoneurium erwiesen sich als unverändert. 

II. Ein Mädchen von 23 Jahren, mit beträchtlichem Kräfteverfall ins Kranken¬ 
haus gebracht, verfiel Tags darauf in einen tiefen komatösen Zustand und starb an 
diesem Tage. Im Krankenhause wurde testgestellt: normaler Pupillenreflex auf Licht, 
Nackensteifigkeit und Verlust der Kniereflexe. Nach dem Tode ergab die Untersuchung 
des Nervensystems unterm Mikroskop — bei normalem Rückenmark — parenchymatöso 
Neuritis im N. ischiadicus und N. cruralis vom gleichen Charakter wie im ersten Falle. 

Sehr gut erforscht ist auch eine andere Krankheitsform des peripheren Nerven¬ 
systems, die von den Autoren zur Kategorie der funktionellen Leiden gerechnet wird. 
Es sind das die diabetischen Neuralgien. Dieselben sind bereits vor sehr langer Zeit 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 181 

Gegenstand von Untersuchungen gewesen, die infolge der immer wiederkehrenden 
Klagen der Patienten selbst vorgenommen wurden. Die Aufmerksamkeit der Autoren 
wurde nämlich sehr oft durch Schmerzen in verschiedenen Körperteilen erregt, die 
auf der Höhe des Verlaufs des Diabetes auftraten und den Patienten die furchtbarsten 
Qualen verursachten. Eine charakteristische Eigentümlichkeit dieser Schmerzen war 
das Auftreten derselben in Gestalt von anhaltenden Anfällen und dabei in symmetri¬ 
schen Körperteilen. Bei der objektiven Untersuchung wiesen diese Kranken nur eine 
erhöhte Schmerzreaktion bei Druck auf die Nervenstämme auf. Motorische Sphäre, 
Sensibilität, Reflexe und elektrische Reaktion blieben vollständig normal. Ebenso 
fehlten auch trophische Störungen im betroffenen Gebiet. Griesinger, Worms, 
Hösslin, Ziemssen, Charcot, Bruns und Berger, die zu den ersten gehörten, 
welche diese Krankheitsform erforschten, haben bewiesen, dass man es hier mit einer 
besonderen Form von Neuralgien diabetischen Ursprungs zu tun habe. Später glaubten 
Ziemssen, Berger und Cornillon, zum Teil auf ihre eigenen Beobachtungen, 
hauptsächlich aber auf in der Literatur Vorgefundenes Material gestützt, sich dazu 
berechtigt, mehrere typische Kennzeichen für die diabetischen Neuralgien aufzustellen. 
Erstens tritt nach der Meinung dieser Autoren die besprochene Form von Neuralgien 
auf dem Höhepunkt der zugrunde liegenden Krankheit, d. h. des Diabetes, auf. An¬ 
fangs treten die Schmerzen nur des Morgens nach schlaflosen Nächten auf; im weiteren 
Verlauf nehmen sie bei Bewegungen zu und erreichen des Nachts ihren Höhepunkt. 
Zweitens treten sie in symmetrischen Körperteilen auf. Drittens ist der Verlauf dieser 
Neuralgien ein chronischer; die Beseitigung des Zuckers ist nicht immer von völliger 
Genesung begleitet, und die antidiabetische Behandlung führt nur zu einer Besserung 
des Zustands. Mikroskopische Untersuchungen wurden bei dieser Affektion der Nerven¬ 
stämme nicht ausgeführt, aber auf Grund vieler Erwägungen werden diese erkrankten 
Stämme als anatomisch unverändert angesprochen, und ihre Affektion wird daher für 
funktionell angesehen. Ausser dieser Erkrankung, die nach der Meinung der meisten 
Gelehrten in den peripheren Nerven localisiert ist und von den Autoren zur Kategorie 
der funktionellen Affektionen gezählt wird, existiert beim Diabetes noch eine Art 
funktionellen Leidens, dessen Lokalisierung jedoch nicht ganz klar begründet erscheint. 
Bei dieser letzten Form treten auch Schmerzen auf, sie stehen aber in scharfem Gegen¬ 
satz zu den soeben erwähnten neuralgischen Schmerzen. Ein solcher Patient nennt 
seine Schmerzen nicht ziehend, oder beständig und anhaltend, wie bei der Neuralgie, 
sondern lanzinierend; ihre Lokalisierung ist nicht durch Symmetrie ausgezeichnet. 
Ausser den Klagen über Schmerzen sind auch noch andere Symptome vorhanden. 
Die Kranken weisen auf ein sie beständig quälendes Gürtel- oder Korsettgefühl hin; 
sie klagen über Abnahme der Potenz und Störungen der Sphinkteren. In sehr vielen 
Fällen geht das Gleichgewicht verloren, es tritt eine scharf ausgeprägte Ataxie bis 
zur völligen Unmöglichkeit im Dunkeln zu gehen u. a. m. ein. 

Bei der objektiven Untersuchung solcher Patienten findet man gewöhnlich 
Störungen seitens der Pupillen, ungleiche Weite derselben und Fehlen der Reaktion 
auf Licht. Dieses letzte Symptom, welches Leyden und Fischer für das Haupt¬ 
merkmal von Tabes halten, das bei Diabetes nie Vorkommen soll, wurde von vier 
Autoren: Grube, Pryce, Fraser und Bruce bei Diabetikern dieser Kategorie un¬ 
streitig festgestellt. Die Sehnenreflexe gehen meistenteils verloren. Die Kranken 
weisen tiefgehende Sensibilitätsstörungen auf. Muskelgefühl, taktile Sensibilität, 
Schmerzempfindlichkeit und thermische Sensibilität sind herabgesetzt oder völlig ver¬ 
loren gegangen. Vergeli konstatierte eine scharf ausgeprägte Dissoziation der Sensi¬ 
bilität und eine Verlangsamung der Fortleitung bei den Kranken dieser Kategorie. 
In einer seiner Beobachtungen sah er Verlust der thermischen bei Erhaltensein der 
taktilen Sensibilität. In einem anderen Falle war die Fortleitung der Schmerzreize 
im Vergleich zu der der taktilen Reize um 5 Sek. verlangsamt. Die Muskelkraft 
war bei den Patienten dieser Gruppe in den meisten Fällen erhalten geblieben oder 


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182 


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sehr unbedeutend herabgesetzt. Der beschriebene komplizierte Symptomen komplex 
wurde überaus sorgfältig von Leval-Piquescheff untersuoht und bearbeitet, der 
teils auf Grund von der Literatur entnommenen Daten, teils auf Grund von eigenen 
Untersuchungen eine vollkommene Analogie der beschriebenen Erkrankung beim 
Diabetes mit der Tabes fand, und angesichts dessen, dass die antidiabetische Therapie 
gewöhnlich sehr schnell alle oder jedenfalls viele der erwähnten subjektiven oder ob¬ 
jektiven Symptome beseitigt, den Vorschlag machte, die gegebene Erkrankung Pseudo¬ 
tabes diabetica zu nennen. Die gleichzeitigen und späteren Beobachtungen von 
Charcot, Leyden, Pryce, Raymond, Fischer, Strümpell, Oppenheim 
und vielen anderen bestätigten die Untersuchungen des französischen Gelehrten, und 
jetzt gilt die Bezeichnung Pseudotabes diabetica in der medizinischen Terminologie 
als allgemein anerkannt. Bei diesem Symptomenkomplex sind weder im Rückenmark, 
noch in den peripheren Nerven organische Affektionen gefunden worden; diese Ge¬ 
biete gelten daher bei der Pseudotabes diabetica für vollkommen normal. 

Aus der vorstehend angeführten Kasuistik ist ersichtlich, dass die 
Lehre von den Erkrankungen des Nervensystems beim Diabetes zu den 
noch ungenügend erforschten Gebieten der Medizin gehört. Deshalb 
scheint uns jeder neue, die Affektionen des Nervensystems bei Diabetes 
betreffende casuistische Beitrag der Veröffentlichung wert. 

1. Beobachtung. 

Am 21. 6. 1912 wurde der 45jährige Bauer W. ins Alexanderkrankenhaus auf¬ 
genommen. Er klagte über starkes Hunger- und Durstgefühl, qualvolle ziehende 
Schmerzen in beiden Beinen, unsichern Gang und Impotenz. 

Anamnese. Im Februar 1908 war der Kranke von einem Dache abgestürzt und 
dabei auf die linke Seite gefallen. Sodann empfand er im Mai desselben Jahres 
während der Feldarbeit nach starker Muskelanstrengung und Drehung des Rumpfes 
einen jähen unerträglichen Schmerz im Epigastrium, der ungefähr 24 Stunden anhielt. 
Späterhin sind beim Kranken in diesem Bereich niemals mehr Schmerzen aufgetreten. 
Da er sich für vollständig gesund hielt, kam er im August 1908 nach Kiew und er¬ 
füllte hier die Obliegenheiten eines Wächters, als er plötzlich zu Anfang des Novem¬ 
ber 1908 im Alter von 41 Jahren übermässigen Hunger und Durst empfand. Diese 
Symptome stellten sich nach den Angaben des Kranken ohne irgend welche vorher¬ 
gegangenen Erscheinungen ein und erreichten ihren Höhepunkt in einigen Tagen; 
der Kranke trank 12—15 Liter und genoss 3—4 Pfund Brot und noch viel andere 
Speise. Der Kranke war sich seines erhöhten Essbedürfnisses um so mehr bewusst, 
als er in seiner Eigenschaft als Nachtwächter zur Nacht grosse Mengen von Speise 
und Trank mit sich nehmen musste. Allmählich fingen die Kräfte des Kranken an 
abzunehmen und er ermüdete leicht bei der geringsten Anstrengung. Die geschlecht¬ 
liche Potenz nahm auch allmählich ab, und bald wurde der Kranke, der bisher täg¬ 
lich den Coitus ausgeübt hatte, gänzlich impotent. Alle diese Symptome bildeten 
sich in kurzer Zeit, und zwar ungefähr im Laufe eines Monats heraus und wurden 
stationär. Bald gesellte sich hierzu eine Herabminderung der Sehschärfe. 18 Monate 
später nahm der äusserste Kräfteverlust dem Kranken die Möglichkeit, seine Arbeit 
weiter fortzusetzen. Um diese Zeit zeigte die vom behandelnden Arzte angestellte 
Harnanalyse, dass sein Harn 70 g Zucker auf 1 Liter bei einer Harnmenge von 
8—9 Liter in 24 Stunden enthielt. Gerade zu dieser Zeit waren alle Symptome am 
stärksten ausgeprägt. Seit dieser Zeit persistierten die genannten Symptome, aber in 
gemässigterem Grade, die Polydipsie und Polyphagie hatten etwas abgenommen, zu¬ 
gleich aber stellten sich lanzinierende und ziehende Schmerzen und für den Patienten 
äusserst qualvolle Parästhesien (ein Gefühl, als hätte er Watte unter den Fusssohlen, 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 183 

Ameisenlaufen, Vertauben der Beine usw.) ein; später nahm das Gedächtnis bedeutend 
ab, es traten Unsicherheit des Ganges, Impotenz und Schwindel auf, weshalb sich 
der Kranke denn auch gezwungen sah, am 21. 6. 1912 ins Krankenhaus einzutreten. 
Die Anamnese verzeichnet weder Syphilis, noch Alkoholismus. 

Status praesens: Wuchs des Patienten — über Mittelgrösse; Körperbau 
— im allgemeinen normal, recht kräftig. Stellenweise sind kleine erythematöse 
Flecken und Pusteln vorhanden. Das subcutane Zellgewebe ist stark abgemagert; 
die Muskelmassen der unteren Extremitäten, besonders des Fussrückens und der 
Unterschenkel sind scharf ausgeprägt vermindert und dazu nicht ganz gleich- 
mässig, so dass einige Muskeln ganz und gar geschwunden scheinen, andere hin¬ 
gegen nur in ihrem Umfange verkleinert oder aber völlig unverändert sind. Oedeme 
sind nicht vorhanden. Hauttemperatur nirgends herabgesetzt. Puls ca. 72 in der 
Minute, nicht verlangsamt, ziemlich voll, nicht hart und nicht arhythmisch. Alle 
der Untersuchung zugänglichen Gelasse sind weich, elastisch, nicht gewunden 
und weisen überhaupt gar keine Anzeichen von Arteriosklerose auf. Der Blut¬ 
druck in der A. brachialis nach Riva-Rocci 115. Seitens des Thorax gelangt 
eine leichte Dämpfung in beiden Lungenspitzen und rauhes Vesiculäratmen zur 
Beobachtung. Unbedeutende Hypertrophie des Herzens mit Verstärkung des zweiten 
Tones. Die Bauchorgane sind gesund. Die Muskelkraft der oberen Extremitäten weist 
keine grossen Veränderungen auf, die der unteren ist stark herabgesetzt. Die vom 
N. peroneus innervierten Muskeln sind auf beiden Seiten sehr paretisch. Die Be¬ 
wegung der Zehen völlig paralysiert. Gang ataktisch-paretisch. Das Stehen auf einem 
Fussc sogar bei offenen Augen unmöglich. Die Schmerzempfindlichkeit, thermische 
und taktile Sensibilität in beiden unteren Extremitäten, den Geschlechtsteilen und 
dem unteren Bauchabschnitt stark herabgesetzt. Muskelgefühl in den Zehen und im 
Fuss verloren. Der Raumsinn ist in beiden Beinen in bedeutendem Masse gestört. 
Kopf, oberer Teil des Rumpfes und obere Extremitäten weichen, was ihre Sensibilität 
anbelangt, nicht von der Norm ab. Die Reflexe auf Kitzeln des Fusses fehlen. 
Cremasterreflex träg. Bauch- und Schlundreflex normal. Sehnenreflexe von der 
Achillessehne und Kniereflexe nicht vorhanden; Reflexe von der oberen Extremität 
normal. Die Sphinkteren der Blase und des Dickdarms funktionieren normal. Schon 
6 Monate keine Erektion vorhanden. Pupillenreflexe unverändert. Sehkraft auf beiden 
Augen herabgesetzt. Das rechte Auge V 20 / 30 , das linke V 20 / 40 . Katarakte nicht 
vorhanden. 


Elektrische Reaktion der Nerven und Muskeln. 
Tabelle I. Faradischer Strom. 


Benennung der Nerven 

Rechterseits 

Linkerseits 

Rollen- 

abstand 


Rollen¬ 

abstand 


oder Muskeln 

Wirkung 

Wirkung 


in cm 


in cm 


N. facialis. 

1,0 

1 

11,0 

1 

N. medianus .... 

1,0 

1 momentane Zuckung 

) 

10,5 

v momentane Zuckung 

N. ulnaris. 

10,8 

11,0 

l 

N. radialis. 

10,5 


10,5 


N. cruralis. 

8,6 

träge Zuckung 

7,2 

träge Zuckung 

N. ischiadicus . . . 


reagiert gar nicht 


reagiert gar nicht 

N. peroneus .... 

6,8 

träge Zuckung 

7,5 

träge Zuckung 

N. tibialis. 

5,0 

etwas träge Zuckung 

6,0 

träge Zuckung 

j 

M. quadriceps. . . . 

9,0 

träge Zuckung 

k 

M. tibialis antic.. . . 

M. tibialis postic. . . 

M. suralis. 

J 9,0 

j etwas träge Zuckung 

i| 

j 8,0 

| etwas träge Zuckung 

Die kleinen Fussmuskeln 


| reagieren gar nicht 


reagieren gar nicht 


Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. 


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Tabelle II. Galvanischer Strom. 


Benennung 
der Nerven 
oder Muskeln 


j Rechtcrseits | 

Linkerseits 

Milli¬ 

amp. 

Wirkung 

! 

Milli¬ 

amp. 


Wirkung 

2,0 

i 

! 

1 

2,0 

* 

\ 

2,5 

2,0 

KSC > ASC 

( momentane 
| Zuckung 

2,2 

2,5 

J KSC > ASC | 

J 

1 momentane 

| Zuckung 

2,0 

1 

2,0 


1 

6,0 

KSC> ASC 

! träge Zuckung 

6,0 

KSC>ASC 

träge Zuckung 



reagiert nicht 



reagiert nicht 

}s,o 

| ASC > KSC 

| träge Zuckung 

ko 

| ASC > KSC 

J träge Zuckung 

6,0 | 

KSC > ASC 

1 leicht träge Zuck. 

6,0 

KSC > ASC 1 

leicht träge Zuck. 

1 

7,0 

) 

\ 

) 7,0 

1 ' ! 

9,0 , 

/ASC > ASC 

! trüge Zuckung 

>8,0 

/ ASC > KSC | 

j trage Zuckung 

8,0 | 

1 

i! 

1 8,0 

1 ! 


N. facialis . . 

N. medianus . 

N. ulnaris . . 

N. radialis. . 

N. cruralis. . 

N. ischiadicus 
N. peroneus . 

N. tibialis . . 

M. quadriceps 
M. tibialis antic. 
M. tibialis postic 
M. suralis . . , 


Die kleinen Fussmuskeln reagieren sogar bei 20 Milliamp. beiderseits nicht 


Die Untersuchung der Psyche des Patienten ergab trübe Gemütsstimmung, be¬ 
ständige Reizbarkeit, Abnahme des Gedächtnisses, Schwächung der Fähigkeit, Schlüsse 
zu ziehen. Schlaf schlecht, mitunter schreckenerregende Träume. Ham hell, klar, 
enthält kein Eiweiss, aber viel Zucker. Das Körpergewicht des Kranken, das vor der 
Erkrankung 80 kg betragen hatte, ist auf 68 kg heruntergegangen. Subjektive Klagen: 
Gürtelgefühl im Bereich des Abdomens, starkes Hunger- und Durstgefühl. 


Tabelle III. Verlauf der Krankheit. 


Datum 

Ham- 

menge 

Spezif. 

Gewicht 

Zucker 
in o/o 

Datum 

Harn¬ 

menge 

Spezif. 

Gewicht 

Zucker 
in °!o 

21. Juni 

2200 


5,4 

4. Juli 

1800 

1032 

5,9 

22. „ 

2800 

1026 

5.2 

5. - 

3400 

1032 

5,7 

23. „ 

2900 

1027 

4,8 

6. . 

2200 

1027 

5,2 

24. „ 

3600 

1031 

7,8 

7. „ 

3500 

1035 

4,4 

25. „ 

3700 

1025 

5,0 

8. „ 

2500 

1035 1 

5,8 

27. „ 1 

600 

1023 ' 

3,0 

9. . 

4300 

1025 

4,7 

28. . ! 

3500 

1030 

6,2 

10. „ 

5500 

1022 

5,3 

29- * i 

3600 

! i03i 

5,9 

11. „ 

5000 

1021 

5,0 

30. „ ! 

3500 

1032 

6,0 

12. „ 

5800 

1025 

5,5 

1. Juli 

2400 

1042 

7,7 

13. „ 

6200 

1027 

5,8 

•> 

" • „ 

2400 

1027 

6,0 

14. „ 

2500 

1025 

4,9 

3. , ! 

2600 

1035 | 

6,6 

15. „ 

1800 

1018 

1,7 


Ende Juni ling der Kranke an zu husten, es stellten sich Auswurf und Nacht- 
schweisse ein. ln den Lungenspitzen sind Rasselgeräusche hörbar. Am 2. Juli trat 
leichte Hämoptoe auf, die 10 Tage währte. Gleichzeitig entwickelte sich das Bild 
einer tuberkulösen Erkrankung, es machten sich die Anzeichen von beginnender 
Cavernenbildung bemerkbar. Am 16. Juli wünschte der Kranke das Krankenhaus zu 
verlassen; er befindet sich im Zustande äusserster Kachexie, sein Gewicht ist auf 48 kg 
gefallen; die Kräfte sind vollständig geschwunden, so dass er keinen Schritt ohne 
fremde Hilfe machen kann. Am 3. September trat der Kranke wieder ins Krankenhaus 
ein. Bei der eingehenden Untersuchung des Nervensystems wurde Status quo ante 
gefunden, irgend welche progressierende oder neue, früher nicht bemerkte Störungen 
seitens des Nervensystems wurden nicht vermerkt. Der Kranke isst nur ein wenig 
Bouillon; er hat überhaupt einen Widerwillen gegen Speise. Die tuberkulösen Ver¬ 
änderungen in den Lungen sind bis zur Bildung von beträchtlichen Cavernen vor- 


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lieber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 185 

geschritten. Im Auswurf wurden Tuberkolbacillen gefunden. Harnmengo gering 
(2 Liter); spezifisches Gewicht 1025. Zucker ist gar nicht in ihm enthalten. Eiweiss 
nicht vorhanden. 25,0 g Harnstoff auf 1 Liter Harn. Temp. 37,4°. 

Der Harn wird täglich untersucht; Zucker ist nicht in ihm enthalten. Der 
Kranke unterscheidet sich jetzt in nichts von einem gewöhnlichen Phthisiker. 

9. 9. Aeusserste Abmagerung. Das Gewicht des Kranken beträgt 42 kg. Mit 
Muhe antwortet der Kranke auf die an ihn gerichteten Fragen. Stimme schwach, un¬ 
unterbrochener Stupor. Die Augen liegen tief in ihren Höhlen, sind von schwarzen 
Rändern umgeben, die Haut ist erdfahl, Nase und Backenknochen stehen stark hervor. 
Die Haut ist schuppig, trocken, rauh anzufühlen. Oedem der Extremitäten nicht vor¬ 
handen. Harnmenge 1 Liter; spezifisches Gewicht desselben 1026. Er enthält keinen 
Zucker und kein Eiweiss. Harnstoffmenge 20,125 g auf 1 Liter. Phosphorsäuremenge 
4,1 g- 

12. 9. Die Nacht brachte der Kranke unruhig zu, nichtsdestoweniger sind die 
Antworten desselben verständlicher als früher. Aeusserste Abmagerung. Zunge 
trocken, mit einem bräunlichen Belag bedeckt. Temp. 35° C. Harnmenge 400 g; 
spezifisches Gewicht 1022. Kein Zucker, kein Eiweiss. Harnstoffgehalt 35 g, Phos¬ 
phorsäuregehalt 6,8 g auf 1 Liter. 

13. 9. Den ganzen vorhergehenden Tag hat der Patient ruhig zugebracht. Von 
Zeit zu Zeit stöhnte er kläglich. Um 7 Uhr morgens Exitus. Der in den letzten 
Lebensstunden ausgeschiedene Harn enthielt keinen Zucker. 

Die Sektion wurde von Herrn Prof. W. Konstantinowitsch, Privatdozent an 
der Kiewer Universität, 12 Stunden nach dem Tode vorgenommen. 

Sektionsprotokoll. Körperbau recht kräftig; wenig Unterhautzellgewebe. 
Haut blass. Schädelwände nicht brüchig, von normaler Dicke. Pia mater lässt sich 
leicht ablösen. Plexus chorioideus, Seitenventrikel normal. Hirnsubstanz von normaler 
Consistenz, keine Hämorrhagien. Verlängertes Mark. Gefässgeflecht des 4. Ventrikels 
normal. Die Querschnitte der Varolsbrücke und des Kleinhirns zeigen keinerlei Ab¬ 
weichungen von der Norm. Die Gefässe der Hirnbasis weisen stellenweise arterio¬ 
sklerotische Plättchen auf, ihre Durchgängigkeit ist jedoch nirgends aufgehoben. 

Brusthöhle. In den Pleuralhöhlen keine Flüssigkeit, liechte und linke Lunge 
weisen am hinteren Rande an mehrereu Stellen Verwachsungen auf. In beiden Spitzen 
Cavernen. Im oberen Teile des oberen Lappens sind beiderseits mehrere fibröse 
Knötchen von der Grösse eines Stecknadelkopfes verstreut. Bronchialdrüsen bis zu 
Hasolnussgrösse vergrössert, locker, zum Teil pigmentiert, zum Teil an der Peripherie 
von blassgrauer Farbe. 

In der unveränderten Pericardialhöhle keine Flüssigkeit. Im Herzen Hypertrophie 
des linken Ventrikels. Die Wände des letzteren verdickt, von bräunlich-roter Farbe, 
schlaff. Mitralklappen normal, Aortenklappen stellenweise durchlöchert. Das Lumen 
der Kranzgefasse normal. Der rechte Ventrikel nicht erweitert; seine Wand normal 
(Dicke 5 mm). Tricuspidal- und Pulmonalklappen normal. Gewicht des Herzens 360 g. 
Auf der Vorderfläche Macula lactea. 

Bauchhöhle. In der Bauchhöhle ca. 4 Liter blassgelber Flüssigkeit. 

Leber. Gewicht 1200 g. Oberfläche uneben; Consistenz normal. Gallenblase 
erweitert, enthält durchsichtige gelbliche Galle. Steine nicht vorhanden. Das Leber¬ 
gewebe erweist sich beim Durchschneiden als von etwas festerer Consistenz als normal, 
zeigt aaf der Schnittfläche eine rotbraungraue Färbung, schwach ausgeprägte Muskat¬ 
nussleber. 

Milz. Gewicht 180 g. Spuren von Perisplenitis, Consistenz fest, im Parenchym 
Bindegewebszüge sichtbar. Gewebe von bräunlich-roter Färbung, von festerer Consi¬ 
stenz als in der Norm; Schnittfläche normal. Pulpa lässt sich in geringer Menge ab¬ 
schaben. 

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Die Nieren sind ungefähr von normaler Grösse. Die Kapsel lässt sich leicht 
ablösen. Das Nierengewebe ist rosafarben mit schwach ausgeprägten Venensternchen, 
die Rinde etwas verdickt, die Pyramiden mit den Papillen entfärbt, fibrös. 

Beide Nebennieren normal. 

Magenschleimhaut dünn, ohneFalten, locker; Dünndarmschleimhaut dünn, blass; 
Solitärfollikel deutlich zu unterscheiden; Dickdarm etwas atrophiert. 

Harnblase mit Harn gefüllt (ca. 400 g). 

Hoden und Samenbläschen unverändert; ebenso Rachen und Kehlkopf. 

Plexus coeliacus atrophiert, schlaff, ist hinter dem Pankreas und der Bursa 
omentalis minor unmittelbar auf der vorderen Hälfte des Umfanges der Bauchaorta 
gelegen. 

Pankreas von normaler Form, blassgelb; von ziemlich fester Consistenz; Bau 
gelappt. 

Mikroskopische Untersuchung des Pankreas. Nach der Bearbeitung 
der Pankreasstückchen nach den allgemein bekannten Regeln ergab sich bei der Be¬ 
trachtung der Präparate unter dem Mikroskop folgendes Bild: die Endröhrchen der 
Drüse bestehen aus Zellen, welche auf den ersten Blick von ungleicher Form, un¬ 
gleicher Grösse und sogar von ungleichem Bau erscheinen. Diese Erscheinung hängt 
zum Teil von dem Zustande der Funktionstätigkeit der Zellen ab, zum Teil jedoch 
auch von der Richtung des durch die Endröhrchen geführten Schnittes. Wenn ein 
Längsschnitt durch die sekretorische Drüsenzelle vorliegt, so erscheint sie konisch 
oder pyramidenförmig, wobei sich ihre abgerundete Spitze dem Lumen des Drüsen¬ 
rohres zuwendet, während die breite Basis zur Peripherie des letzteren gerichtet ist. 
Wenn hingegen die Zelle schräg oder quer geschnitten ist, so kann sie eine unregel¬ 
mässige, polygone oder sogar abgerundete Form aufweisen. Falls der Querschnitt 
näher zur Zellkuppe gelegen ist, so wird die Zelle kleiner erscheinen, als wenn der 
Schnitt die Zelle näher zur Basis getrolfen hat. Die Zellen des Pankreas unterscheiden 
sich fast durch nichts von der Norm. Weder fettige Degeneration, noch Vacuolisation, 
noch Chromatinarmut ihrer Kerne, noch Verringerung ihres Umfangs konnten fest¬ 
gestellt werden. Auch Kernvergrösserung wird nicht beobachtet. Der Zustand der 
Capillaren ist normal. 

Was nun die Langerhansschen Inselchen anbelangt, so übersteigt ihre Menge 
nicht die Norm. Sie sind nach Form und Umfang verschieden, es sind jedoch über¬ 
wiegend runde und kleine aus zehn und weniger Zellen bestehende Inselchen vor¬ 
handen. Die Inselchen sind inmitten des übrigen Gewebes sogar bei schwacher Ver- 
grösscrung recht deutlich zu unterscheiden. Ihr Zellprotoplasma färbt sich mit 
Safranin rosa, obschon augenscheinlich schwächer als in der Norm. Die Zellen sind 
kleiner als in der Norm, weshalb ihre Kerne in den Inselchen dicht gelagert sind. 
Die Kerne der Inselzellen zeigen eine diffuse Färbung, sie erscheinen gleichsam ge¬ 
schrumpft und ihr Umfang hat abgenommen, sie sind aber nicht pyknotisch. Zoll¬ 
grenzen undeutlich. Die Körnigkeit des Protoplasmas der Inselzellen ist nur in der an 
der Peripherie des Inselchens gelegenen Minderzahl derselben gut ausgeprägt, in der 
Mehrzahl derselben ist sie jedoch entweder verringert, oder es sind kaum Spuren von 
ihr sichtbar. Zustand der Capillaren normal. Es gelang nicht, einen Ausführungs¬ 
gang an den Inselchen zu finden. 

Ausser dem Pankreas, dessen mikroskopisches Bild vorstehend geschildert 
wurde, sind das verlängerte Mark mit der Varolsbrücke, das ganze Rückenmark und 
Teile der Nn. vagus, radialis, medianus, cruralis, peroneus (vom Unterschenkel 
und Fuss), tibialis, pudendus, sowie der Plexus coeliacus mikroskopisch untersucht 
worden. 

Die Untersuchung wurde auf verschiedene Weise ausgeführt. Der grösste Teil 
des entnommenen Materials wurde iu Müller scher Flüssigkeit fixiert und nach 
Marchi, Weigert-Pal, van Gieson und Rosin bearbeitet. Ein Teil der peri- 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 187 


pheren Nerven wurde in lproz. Osmiumsäurelösung fixiert. Ein Teil des Hals- und 
Lendenabschnitts des Rückenmarks und der Plexus coeliacus werden für die Bearbei¬ 
tung nach Nissl in lOproz. Formalinlösung fixiert. 

Die Resultate der mikroskopischen Untersuchung sind kurz folgende: In der 
Varolsbrücke wurden keinerlei scharf ausgeprägte Abweichungen von der Norm ge¬ 
funden. Die Gefässe waren unverändert. Im verlängerten Mark ebenfalls normaler 
Zustand der Gefässe. Der Kern des N. vagus, welchem besondere Aufmerksamkeit 
zugewandt wurde, und die Wurzel dieser Nerven augenscheinlich normal. 

Im Halsraark und im oberen Teile des Brustmarks sind die weissen Vorder-, 
Seiten- und Hinterstränge normal. Der Zustand der Vorderhörner dieser Abschnitte 
wurde besonders gründlich untersucht. In der Intumescentia cervicalis sowohl des 1. 
als auch des II. Segments des Brustmarks war eine beträchtliche Anzahl von Zellen 
der Vorderhörner (etwa 20—30 pCt. der Gesamtmenge), und zwar besonders der vor¬ 
deren seitlichen Gruppe angeschwollen. Sie sind weniger deutlich polygonal als unter 
normalen Bedingungen. Die Menge der kleinen protoplasmatischen Fortsätze ist ver¬ 
ringert. Die grossen Protoplasmafortsätze sind bei einigen Zellen abgebrochen. Ge¬ 
wundene Fortsätze sind nirgends zu bemerken. Pigmentablagerungon waren nur in 
verschwindend kleinen Mengen vorhanden. Die N iss Ischen ohromatophilen Körper¬ 
chen sind in den meisten Fällen diffus gefärbt und in der Nähe des Kerns leicht ver¬ 
flüssigt. Bei einigen Zellen ist der Kern sehr gross, nicht grell gefärbt und weist 
keine klaren Umrisse auf; bei anderen ist er verkleinert und hat überaus scharfe Con- 
turen. Die Lage des Kerns schien central. Die anderen Zellen, sowohl der Vorder¬ 
ais auch der Hinterhörner und ebenso auch überhaupt die ganze centrale graue Masse 
waren normal. Die Anzahl der Neurogliakerne, ihre Grösse und Färbung wichen 
augenscheinlich nicht von der Norm ab. Die Gesamtmasse der faserigen Neuroglia 
wies keinerlei besondere Veränderungen auf. Die Gefässe hatten ein normales Aus¬ 
sehen, waren leer, nur einige von ihnen enthielten eine massige Anzahl von Blut¬ 
körperchen. Die hinteren und vorderen Wurzeln, wie auch die Rückenmarksganglien 
der Halssegmente wiesen keine Veränderungen auf. 

In der unteren Hälfte des Brustabschnitts des Rückenmarks, angefangen un¬ 
gefähr vom VII. Segment und im Lendenabschnitt des Rückenmarks liess die Färbung 
nach Marchi symmetrisch gelegene, und zwar in jedem Strange zweifach lokalisierte 
Veränderungen der hinteren Stränge erkennen. Eine ira Durchmesser breitere Dege- 
uerationszone umfasst den kommaförmigen Sch ultzeschen Bereich auf der Grenze 
zwischon den Burdachschen und Gollschen Strängen. Eine weniger ausgedehnte 
Veränderung liegt innerhalb des Burdachschen Stranges und entspricht im allge¬ 
meinen der Lissauerschen Zone. Die obenerwähnte breitere Degenerationszone er¬ 
reicht hinten nicht die Peripherie des Rückenmarks, vorn nicht die hintere Commissur; 
am intensivsten ist die Degeneration im Centrum: nach vorn und hinten zu ist sie 
schwächer ausgeprägt. Die breiteste Fläche nimmt sie in der Höhe des I. Segments 
des Lendenabschnitts ein. Die weniger ausgedehnte Degenerationszone ist in der 
Richtung von vorn nach hinten kürzer und viel schmaler als die breitere und reicht 
nicht bis zur Peripherie des Wurzelbereichs. Die weniger ausgedehnte Degenerations¬ 
zone erreicht ihre grösste Ausdehnung und Intensität im I. und II. Lendensegment. 
Diese degenerierten Stellen zeichnen sich, nach Pal, Weigert gefärbt, auf dem all¬ 
gemeinen Fond der Hinterstränge durch geringere Intensität des blauen Tones und 
grössere Durchsichtigkeit aus. Bei der Färbung nach Ros in fällt auf dem orange¬ 
farbenen Felde das spärlichere Vorkommen von Nervenfasern auf. Die noch erhalten 
gebliebenen Achsencylinder dieser Zellen sind schwach gefärbt; einige von ihnen sind 
sehr angeschwollen und übertreffen auf Querschnitten die benachbarten an Dicke um 
4—5mal. Auf Längsschnitten durch die Hinterstränge ist unter gut erhalten geblie¬ 
benen Fasern ein bedeutender Prozentsatz solcher vorhanden, die grobkörnigen 
Myelinzerfall aufweisen. Ebenso ist eine geringe Anzahl von Fettkörnchenzellen an- 


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zutreffen. Die Achsencylinder dieser Teile (Färbung nach van Gieson) enthalten 
stellenweise Anschwellungen; hier und da Hessen sich Ueberreste von Achsen- 
cylindern erkennen. Die Neuroglia der Hinterstränge weicht nicht von der Norm ab; 
ihr Netz ist nicht dichter geworden, ihre Fasern haben sich weder vermehrt, noch 
verdickt. Die Gefässe dieser Abschnitte des Rückenmarks sind nicht verändert und 
nur stellenweise mit Blut angefüllt. Blutergüsse in das perivasculäre Gewebe sind 
nirgends bemerkbar. Ebenso sind weder Hohlräume, noch Spalten zu sehen, die man 
durch ein bereits bei Lebzeiten eingetretenes Oedem erklären könnte. Viel schärfer 
waren die Veränderungen in den Vorderhörnern des unteren Brust- und des Lenden¬ 
markabschnitts ausgeprägt, und zwar des X., XL, XII. Brustsegments und des I., II., 
III. Lendensegments. Diese Veränderungen sind in der seitlichen und medialen vor¬ 
deren Gruppe sehr deutlich ausgeprägt. Die Anzahl der Nervenzellen ist hier über¬ 
haupt verringert. Von den erhalten gebliebenen Zellelementen sind sehr viele von 
kleinen Dimensionen; ihre grossen protoplasmatischen Fortsätze sind abgebrochen; 
ihr Achsencylinderfortsatz ist stark gewunden. Bei der Bearbeitung nach Nissl er¬ 
schien der Leib einer solchen Zelle diffus gefärbt; die chromophilen Körner sind sehr 
schlecht differenziert. Der Zellkern ist sehr klein, hat scharfe Umrisse und liegt im 
Centrum. Zuweilen ist er gar nicht zu sehen. Solche Veränderungen sind in der 
Minderzahl der Zellen zu vermerken. Ein anderer Teil der in der Lendenanschwel¬ 
lung gelegenen Zellen erscheint hingegen angeschwollen; ihr Protoplasma färbt sich 
sehr diffus, besonders ihre centralen Teile; der Kern liegt in der Nähe der Peripherie. 
Die Protoplasmafortsätze sind so blass, dass sie kaum sichtbar sind. Ein Teil der 
Zellen enthält ausserdem Vacuolen. Ausser diesen verschiedenartig veränderten und 
degenerierten Zellen ist noch eine grosse Zahl anderer, augenscheinlich völlig nor¬ 
maler Zellindividuen vorhanden. 

Boi der Bearbeitung nach Weigert weist die graue Masse der Vorderhörner eine 
grosse Verdünnung auf; feine Aestchen resp. Achsenzylinder- und Protoplasmafort¬ 
sätze sind in geringerer Zahl zu sehen als in der Norm. Hingegen lässt die Färbung 
nach Marchi eine Degeneration der feinen Fasern im vorderen Teile der Vorder¬ 
hörner erkennen. Das Neuroglianetz in den Vorderhörnern des Lendenabschnitts des 
Rückenmarks stellt sich als leicht verdichtet dar (Bearbeitung nach Ros in). Die 
Zahl der Neurogliakerne ist etwas vergrössert; nirgends sind spinnenförmige Zellen 
zu bemerken; hier und da kommen in ganz unbedeutender Zahl Fettkörnchenzellen 
vor. Die Gefässe weisen verdickte Wände auf, haben aber überall ein Lumen und 
sind meistenteils leer. Die Anzahl ihrer Kerne ist ein wenig vergrössert. Ihre Grösse 
weicht nicht von der Norm ab. Irgendwelche Blutergüsse in das umgebende Gewebe 
sind nicht gefunden worden. Die weiche Hülle des Rückenmarks ist völlig normal. 

Die Vorder- und Hinterwurzeln weisen (bei der Färbung nach Weigert und 
Ros in) eine bedeutende Atrophie der parenchymatösen Teile auf. Ihr interstitielles 
Gewebe und die Gefässe sind unverändert. Die anderen Abschnitte des Lenden- und 
unteren Brustmarks, und zwar die Vorder- und Seitenstränge weisen keinerlei Ver¬ 
änderungen auf. 

Die Rückenmarkshäute in den mikroskopisch untersuchten Segmenten zeigten 
nirgends Abweichungen von der Norm. 

Der in lproc. Osmiumsäurelösung fixierte N. radialis weist folgendes auf: Die 
Myelinscheiden der Mehrzahl seiner Fasern sind vollständig normal. Bei einer geringen 
Zahl derselben enthält ihr Myelin jedoch feine Körnchen, welche in den den distalen 
Bereichen der Extremität entnommenen Teilen des Nerven die Intensität des fein¬ 
körnigen Zerfalls erreichen. Dieser Zerfall erfasst jedoch nicht die ganze Nervenfaser, 
sondern nur einzelno ihrer Segmente. Solch ein segmentärer Process ist besonders 
intensiv im Unterarm und in der Hand ausgeprägt. Das Profil der Myelinfaser ist an 
diesen Stellen uneben; stellenweise ist es usuriert, hat gezackte unebene Conturen. 
Die Vasa nervorum eben dieser Nerven (Färbung mit Carmin-IIämatoxylin) waren ganz 


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l T eber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 189 

normal. Epi-, Peri- und Endoneurium weisen gar keine Veränderungen auf. Die 
Kerne der Schwannschen Scheiden waren nicht vergrössert, ihre Anzahl nicht ver¬ 
mehrt. Der Achsencylinder war nicht unterbrochen, nur bei einer geringen Zahl der 
Fasern war er stellenweise leicht angeschwollen. Analoge Veränderungen wurden 
sowohl in den peripheren Teilen, als auch im Humerusbereich des N. medianus ge¬ 
funden (nach Fixierung in Osmiumsäure und Färbung mit Carmin-Hämatoxylin). 

Ebenso wies der N. vagus keinerlei merkliche Veränderungen auf. 

Anders verhielten sich die die Geschlechtsapparate und die unteren Extremitäten 
innervierenden Nerven. 

Die mit lproc. Osmiumsäure fixierten Nn. pudendus und cruralis enthielten 
einen ungeheuren Prooentsatz von Fasern, deren Myelinscheiden in Tropfen von be¬ 
trächtlichen Dimensionen zerfielen oder feinkörnigen Zerfall enthielten. Diese Ver¬ 
änderungen an den einzelnen Fasern bewahrten die segmentäre Anordnung; infolge¬ 
dessen waren hier neben den betroffenen normale Segmente vorhanden; das Myelin 
der ersteren hatte gezackte usurierte Conturen. Die Färbung mit Carmin-Hämatoxylin 
liess den normalen Zustand des Epi-, Peri- und Endoneuriums und der Vasa nervorum 
erkennen. Die Wände und Kerne der letzteren waren nicht verändert, ihr Lumen frei. 
Am Nerven konnten weder Blutergüsse, noch Oedem bemerkt werden. Die Kerne der 
Schwannschen Scheide weisen eine bedeutende Hypertrophie und Hyperplasie auf. 
Stellenweise liegen sie zu zweien und sogar zu dreien zusammen. Der Achsencylinder 
hat bei der Minderzahl der Fasern ein normales Aussehen. Bei der Mehrzahl ist er 
dagegen angeschwollen, stellenweise in kleine Stückchen zerfallen, hier und da vacuo- 
lisiert. An manchen Stellen hat er sich aber nicht im mindesten gefärbt, so dass sich 
über seinen Zustand nichts aussagen lässt. Was nun die Nervenstämrae der Nn. pero¬ 
neus und tibialis anbelangt, so hatte die Mehrzahl ihrer zum Teil in lproc. Osmium¬ 
säure, zum Teil in Müllerscher Flüssigkeit fixierten und nach Weigert gefärbten 
Nervenfasern ihre Markscheide bewahrt, doch war die letztere in den peripheren 
Teilen einzelner Segmente mit feinkörnigen Zerfallsprodukten übersät, so dass die 
Faser ein sehr unebenes, leicht zerklüftetes Profil zeigte. Ferner fanden sich Fasern, 
deren Markscheide ganz normal aussah. Die Zahl dieser letzteren, die auf dem Niveau 
der Unterschenkelmitte fast die Hälfte der Gesamtmenge der Fasern erreichte, ver¬ 
ringerte sich in den distalen Nervenbereichen. Der Achsencylinder der beschriebenen 
Nerven färbte sich diffus. An vielen Stellen des Unterschenkels waren im Achsen¬ 
cylinder Vacuolen zu sehen; mitunter zerfiel derselbe im Fusse ganz und gar in Teile. 
Die Schwannschen Kerne und ihr Protoplasma waren beträchtlich angeschwollen. 
Die Färbung der Nn. peroneus und tibialis mit Carmin-Hämatoxylin liess weder im 
Fusse, noch auch im oberen Drittel des Unterschenkels irgendwelche Veränderungen 
seitens des Bindegewebsgerüstes des Nerven erkennen. Die Kerne des Epi-, Peri- und 
Endoneuriums waren nicht vermehrt; möglicherweise waren sie ein wenig ange¬ 
schwollen. Im Gewebe des Nervenstammes waren weder Blutergüsse, noch Oedem 
vorhanden. Die Vasa nervorum wiesen normale Wände auf und waren grösstenteils leer. 

In den untersuchten Muskeln des Fusses (M. extensor digit. communis brevis, 
Mm. interni) und des Unterschenkels (Mm. peronei) waren die Fasern sehr fein, ent¬ 
hielten feine und feinste Fetttröpfchen; die Sarkolemmkerne waren vermehrt. Das 
Perimysium war überhaupt erweitert und enthielt reichlich Fett. 

Der Plexus coeliacus wurde nach der Nisslschen Methode untersucht. 

Wenn wir das Präparat bei schwacher Vergrösserung betrachten, sehen wir eine 
scharf ausgeprägte Verringerung der Zahl der Zellelemente. Die Defekte der letzteren 
sind durch interstitielles Bindegewebe ersetzt. Die meisten Ganglienzellen erscheinen 
zusammengeschrumpft, verkleinert. Die Zellen sind nicht selten schlecht gefärbt und 
haben des öfteren eine runde oder ovale Form. In den erhalten gebliebenen Zellen 
besteht hingegen eine partielle Chromatolyse, welche in einem Teile der Zellen im 
Centrum lokalisiert ist, indem sie hauptsächlich um den Zellkern herum gelegen ist, 


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während sie sich in dem anderen Teil der Zellen in Gestalt von einzelnen Flecken 
über den ganzen Zellkörper ausbreitet. Vacuolen nicht sichtbar. Die Kerne sind ver¬ 
kleinert, liegen im Centrum und sind diffus gefärbt. Die Gefässwände verdickt und 
einige von ihnen hyperämisch. 

Das Ganglion mesentericum superius enthielt einen kleinen Bluterguss. Einige 
von den Zellen wiesen vergrösserte Dimensionen auf und waren angeschwollen. 

Die Nisslschen Kernkörperchen derselben hatten sich in der Nähe des Kernes 
fast vollständig aufgelöst, waren jedoch an der Peripherie der Zelle noch vorhanden. 
Der Kern lag im Centrum und war diffus gefärbt. Andere Zellen, die ebenfalls die 
chromophile Substanz im Centrum verloren hatten, waren an den Rändern diffus 
gefärbt; ihr Kern war nicht an die Peripherie gerückt, aber sehr verkleinert und intensiv 
gefärbt. Die grössere Hälfte der Zellen dieses Ganglions war verkleinert. Das inter¬ 
stitielle Gewebe war stellenweise angeschwollen und verdickt. Die Gefässwände waren 
etwas verdickt und einige von ihnen hyperämisch. 

Somit bietet der vorliegende Diabetesfall sowohl vom klinischen als auch vom 
pathologisch-anatomischen Standpunkt stark ausgeprägte Veränderungen des sym¬ 
pathischen Nervensystems, des Centralnervensystems und der Langerhansschen 
Inselchen dar. Hingegen weist das Pankreas keinerlei besondere Veränderungen auf. 

Intra vitam wurden vermerkt: eine subacut entstandene Parese der unteren 
Extremitäten, Atrophie einzelner Muskelgruppen, insbesondere an den Füssen und 
Unterschenkeln, Herabminderung der elektrischen Reaktion der Nerven, Störung aller 
Formen der Sensibilität in den unteren Extremitäten, Reilexverlust, Ataxie, Verlust der 
Potenz, Gedächtnisschwäche, trübe weinerliche Gemütsstimmung. Ausserdem wurden 
durch die Untersuchung von pathologisch-anatomischen Präparaten Affektionen 
folgender Organe naohgewiesen: 1. der Langerhansschen Inselchen, 2. des Plexus 
coeliacus, des Ganglion mesentericum superius. 3. des Rückenmarks, der peripheren 
Nerven und der Muskeln. 

Die in den Langerhansschen Inselchen gefundenen Veränderungen, und zwar 
die Verringerung der Körnigkeit des Protoplasmas, die Undeutlichkeit der Zellgrenzen, 
das Fehlen der Kernpyknose. der normale Zustand der Capillaren, das Fehlen von 
Veränderungen seitens des interstitiellen Bindegewebes tragen einen labilen, ober¬ 
flächlichen Charakter, während die im Plexus coeliacus gefundenen mikroskopischen 
Veränderungen, und zwar eine scharf ausgeprägte Verminderung der Anzahl der 
Ganglienzellen, das Ersetztwerden derselben durch interstitielles Bindegewebe, die 
partielle Chromatolyse in den Zellen, die Hyperämie einiger Gefässe uns zu der An¬ 
nahme berechtigen, 1. dass als Ursache dieser Veränderungen des Plexus coeliacus 
ein entzündlicher Prozess anzusprechen ist (zugunsten einer solchen Annahme spricht 
auch der Bluterguss in das Bindegewebe des Ganglion mesentericum superius), und 
2., dass die Veränderungen des Plexus coeliacus sich im Vergleich zu denen der 
Langerhansschen Inselchen als tiefgreifender und von früherem Datum darstellen; 
die Affektion der Langerhansschen Inselchen trägt also in unserm Falle die An¬ 
zeichen einer sekundären Erkrankung. Zugunsten einer solchen Behauptung sprechen 
auch folgende Daten: 1. ist durch die Arbeiten von Gentes und Pensa festgestellt, 
dass bei allen Wirbeltieren die Langerhansschen Inselchen reich an Nerven sind; 
2. innerviert das sympathische Nervensystem alle Organe; in seinen Stämmen sind, 
wie gegenwärtig allgemein anerkannt ist, sensible, motorische, vasomotorische und 
sekretorische Fasern vorhanden. Der Plexus coeliacus ist die Centralstation, von der 
Fasern zu den verschiedenen in der Bauchhöhle gelegenen Organen, darunter auch 
zu den Langerhansschen Inselchen abgehen. 

Deshalb muss jede Veränderung des Plexus coeliacus unfehlbar an der Tätigkeit 
der von ihm innervierten Organe und insbesondere an den Langerhansschen Insel¬ 
chen zum Ausdruck kommen. 

Was nun die pathologisch-anatomischen Veränderungen des Centralnervensystems 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 191 

anbelangt, so erwiesen sich, wie bereits gesagt, im Rückenmark die Vorderhörner und 
-wurzeln, die Hinterstränge und zum Teil auch die Hinterwurzeln betroffen. 

Eine Veränderung der Vorderhörner wurde an zwei Stellen vermerkt. In der 
Hals- und Brustanschwellung des Rückenmarks ist sie sohwach ausgeprägt. Der von 
ihr eingenommene Flächenraum sowie die Intensität der Zellveränderung sind hier 
nicht gross. Zugrunde gegangene Zellen sind gar nicht zu sehen und den Process 
selbst kann man als noch frisch ansprechen, ln der Intumescentia lumbalis ist die 
Degeneration einzelner Zellen viel stärker ausgeprägt. Viele von ihnen sind ganz 
verschwunden. Andere sind dem Untergange nahe. Die Veränderung dieser letzteren 
kommt entweder in einer Verringerung des Umfanges der Zelle, im Verlust der Proto¬ 
plasmafortsätze und in tiefer Färbung der chromatischen Substanz zum Ausdruck, so 
dass derKern schlecht sichtbar ist, oder aber dieZellen erscheinen stark angcschwollen, 
ihre Conturen sind abgerundet, ihre Protoplasmafortsätze verdickt, während gleich¬ 
zeitig ihre chromatophile Substanz verflüssigt ist, weshalb die Färbung sehr blass 
erscheint; die Chromatolyse hat einen diffusen Charakter und ist an der Peripherie 
der Zelle stärker ausgeprägt. Einige von diesen veränderten Zellen haben ein glas¬ 
artiges Aussehen, weisen augenscheinlich keinen Kern und keinerlei chromatophile 
Substanz auf, haben Vacuolen, und ihre Dimensionen sind verringert. Die Degone- 
rationsfläche umfasst alle Gruppen des Vorderhorns. Der oben geschilderte Zerstörungs- 
process erscheint als frisch. Zu dieser Schlussfolgerung führt uns das Aussehen der 
Neuroglia und der Gefässe, die in den Halssegmenten gar nicht und im Lendenabsohnitt 
sehr wenig verändert sind. Die Erkrankung der Vorderhörner hat einen atrophischen 
Charakter. Weder in den Halssegmenten noch in der Lendenanschwellung sind irgend¬ 
welche Hinweise auf entzündliche Processe vorhanden. Weder Hyperämie, noch In¬ 
filtration mit Zellen des benachbarten Gewebes, noch Blufergüsse sind vorhanden. 
Eine Aflfektion der Hinterstränge wurde nur auf einer kleinen Strecke der Intumescentia 
thoraco- lumbalis gefunden und nimmt diejenigen Stellen ein, deren Betroffensein bei 
Tabes oder bei experimentellen Degenerationen nach Durchschneidung der Hinter¬ 
wurzeln zur Beobachtung gelangt. Die Veränderungen der Fasern dieser Stränge 
zeigen keinen entzündlichen Charakter. Auch hier hat die Degeneration ein frisches 
Aussehen, wofür 1. das Fehlen von Folgeerscheinungen seitens der Neuroglia und 2. 
die Möglichkeit der Färbung nach Marc hi sprechen. 

Die Veränderungen der Hinter- und Vorderhörner, wie auch der peripheren 
Nervenstämme, die zu den Geschlechtsapparaten und den unteren Extremitäten hin¬ 
gehen, sind einander überaus ähnlich und tragen fast einen und denselben Charakter. 
Ein Unterschied besteht nur in der Intensität des Processes. Es sind hauptsächlich 
die parenchymatösen Teile, und zwar die Myelinscheide und der Axencylinder ver¬ 
ändert. Das bindegewebige Stützgerüst und die Gefässe sind ganz unverändert. Sehr 
viele Fasern haben ein normales Aussehen; ihre Degeneration betrifft nur einzelne 
Segmente. Stellenweise sind in Regeneration begriffene Fasern zu sehen. Die Ent¬ 
artung der Nervenfasern in den Nervenstämmen stellt sich als recht frisch dar; zu¬ 
gunsten des Frühstadiums der Erkrankung spricht der segmentäre Myelinzerfall, das 
Fehlen von Veränderungen von seiten des bindegewebigen Stützgerüsts und das Vor¬ 
handensein einer grossen Menge noch unveränderter Fasern. Die Affektion, sowohl 
der peripheren Nervenstämme, als auch der Rückenmarkswurzeln zeigt im gegebenen 
Fall die Anzeichen einer secundären Erkrankung. Die Erkrankung derselben als ent¬ 
zündlich und dazu als primär anzusprechen, ist angesichts des Fehlens von Hyper¬ 
ämie, Blutergüssen, Oederaen, Infiltration und anderer Veränderungen von seiten der 
Vasa nervorum und des interstitiellen Bindegewebes des Nervenstammes nicht gut 
möglich. Aus dem gleichen Grunde lassen sich diese Veränderungen schwerlich als 
Neuritis bezeichnen, da der beschriebene Process alle Anzeichen der Atrophie, nicht 
aber der Entzündung aufweist. Unter den zur Untersuchung gelangten Nerven erwies 
sich der N. vagus als normal. 


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Die im gegebenen Fall Vorgefundenen anatomischen Veränderungen 
sind in vieler Hinsicht interessant und tragen auf den ersten Blick einen 
complicierten Charakter. Wir haben hier eine Affektion von beträcht¬ 
licher Intensität im Rückenmark und eine solche in den peripheren Nerven 
der unteren Extremitäten. Diese Affektionen sind nur auf den Bereich 
des peripheren Neurons beschränkt. Zu einem solchen Schlüsse nötigt 
uns gerade der Umstand, dass die betroffenen Zellen der Vorderhörner 
des Rückenmarks und die entarteten motorischen peripheren Nerven mit 
den Muskeln der unteren Extremitäten das periphere motorische Neuron 
bilden. Die gleiche Erwägung lässt sich auch auf das Halsmark an¬ 
wenden, wo die Veränderungen nur auf die Vorderhörner begrenzt sind 
und sich folglich ebenso zum Teil im Bereich des peripheren Neurons 
befinden. Diese Erwägung vereinlacht einerseits das Verständnis des uns 
beschäftigenden Falles und nötigt uns andererseits dazu, die Frage nach 
der Entwicklung und dem Verlauf der Erkrankung selbst aufzuwerfen. 
D. h. man hat zu entscheiden, ob das Neuron seiner ganzen Ausdehnung 
nach gleichzeitig betroffen wird, oder ob man es hier mit einer auf- oder 
endlich einer absteigenden Erkrankung zu tun hat. 

Nach der Meinung von Oppenheim, Strümpell, Raymond u. a. 
kann das aus der Nervenzelle mit dem Axencylinder resp. mit der 
Nervenfaser der peripheren Nerven bestehende Neuron schädlichen Ein¬ 
flüssen in seinen einzelnen Abschnitten einen verschiedenen Widerstand 
entgegensetzen. In einer Reihe von Beobachtungen kann sich die Er¬ 
krankung im Kopfteil des Neurons, seinen Anfang, d. i. hauptsächlich 
in der Nervenzelle selbst äussern; in einer anderen Reihe kann der 
distale Teil des Neurons, in einer dritten Reihe endlich der distale und 
centrale Abschnitt desselben gleichzeitig betroffen werden. 

In dem Falle, wenn die Ursache der Nervenaffektion einen diffusen 
und localen Charakter trägt, z. B. wenn dieselbe im Blute kreist, sind 
günstige Bedingungen für das gleichzeitige Erkranken des Neurons in 
seinem ganzen Bestände gegeben. Wenn jedoch ein gewisses Neuron 
einen Locus minoris resistentiae besitzt — nehmen wir an, dass derselbe 
in der als tropisches Centrum dienenden Zelle, oder in den distalen 
peripheren Teilen des Neurons gelegen sei, — so wird das gegebene 
diffuse Agens seine schädliche Wirkung auf das letztere nur local aus¬ 
üben; eine Veränderung wird sich gerade in diesen am meisten zugäng¬ 
lichen Teilen äussern und in den widerstandsfähigeren Teilen weniger 
ausgeprägt sein; diese letzteren können sogar unter gewissen Bedingungen 
wie sonst funktionieren und imstande sein, soweit das z. B. die peri¬ 
pheren Endigungen des Neurons betrifft, Reize weiterzuleiten. Bei Ver¬ 
giftungen mit tierischen Giften, die im Blut kreisen, ist z. B. des öfteren 
beobachtet worden, dass die Zellen der Vorderhörncr sich als mehr oder 
weniger verändert erwiesen, während die zu erwartende Entartung der 
von ihnen ausgehenden peripheren Nerven sogar vollkommen fehlte und 
die von ihnen besorgten Funktionen ohne irgendwelche Störungen ausge¬ 
übt wurden. So z. B. waren in den Versuchen von Flatau und Gold¬ 
scheider die Funktionen der Muskelgruppen trotz völliger Degeneration 
der Zellen der Vorderhörner unverändert. Scharf ausgeprägte Entartung 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 193 


derselben Zellen war in den Versuchen und klinischen Beobachtungen 
von Zwetajew, Popoff, Dotlo, Tirelli u. a. mitunter nicht von den 
geringsten Veränderungen der Axencylinder resp. der peripheren Nerven 
begleitet, und diese letzteren waren imstande, ihre Funktion auszuüben. 

Diese Beobachtungen weisen auf die verschiedene Widerstandsfähigkeit 
der einzelnen Teile des Neurons hin und gestatten die Annahme, dass 
das Neuron anfänglich entweder nur an seiner Peripherie oder nur in 
seinem Centrum betroffen wird, so dass in dem einen Fall das Leiden 
einen aufsteigenden, in dem anderen einen absteigenden Charakter zeigt. 
Wenn wir nun unseren Patienten in dieser Richtung untersuchen, so er¬ 
gibt die ins Einzelne gehende Betrachtung der an ihm zur Beobachtung 
gelangenden Symptome keinerlei überzeugende Beweise zugunsten der 
Annahme von der Gleichzeitigkeit der Erkrankung des Neurons seiner 
ganzen Ausdehnung nach. Wir betrachten daher die Frage von der 
gleichzeitigen Erkrankung des ganzen Neurons als in verneinendem Sinne 
gelöst. Was nun aber die Voraussetzung einer aufsteigenden Erkrankung 
einzelner Neurone anbelangt, so spricht hiergegen erstens der normale 
Zustand der Nerven der oberen Extremitäten unseres Patienten, während 
die ihnen entsprechenden Segmente der Intumescentia cervicalis veränderte 
Zellen in den Vorderhörnern aufweisen, und zweitens der Umstand, dass 
die für den aufsteigenden Verlauf in den unteren Extremitäten typischen, 
durch die Untersuchungen von Gudden, Vulpian, Nissl, Marinesco u. a. 
fcstgestellten Veränderungen der Rückenraarkszellen in der Intumescentia 
lumbalis fehlen. Nach diesen Autoren unterscheidet man histologisch 
primäre Veränderungen der Rückenmarkszellen, die sich infolge der 
primären Einwirkung eines schädlichen Agens auf die Zellen selbst her¬ 
ausbilden und sekundäre, als Folgeerscheinung bei den Affektionen der 
peripheren Nerven zur Beobachtung gelangende Veränderungen, die nur 
als Fernreaktion seitens der Nervenzelle auf die an irgend einer Stelle 
der Peripherie eingetretene Degeneration ihres Achsencylinders erscheint. 

Im erstcren Falle, bei der sogenannten autochthonen Erkrankung 
der Zellen des Rückenmarks, unterliegen dieselben der Hayem-Forel- 
schen Entartung. In ihnen bildet sich eine von den peripheren Teilen 
(ausser bei der Arsenikentartung, wo sie im Centrum beginnt [Popoff]) 
ausgehende Chromatolyse, ein Anschwellen des Zellleibes und seiner Fort¬ 
sätze heraus. Diese letzteren brechen mitunter ab; einige NissIsche 
Körperchen nähern sich dabei einander und häufen sich bisweilen in der 
Nähe des Kerns an. Interessant ist die Tatsache, dass die achromatische 
Substanz der Zelle bei der autochthonen Degeneration auch betroffen ist, 
wobei sie sich entweder zu färben beginnt, oder eine glasartige Ver¬ 
änderung erfährt und farblos bleibt. Bei dieser Art von Affektion der 
nervösen Zellelemente leiden auch die anliegenden Teile, und zwar fangen 
die Neurogliazellen an, in die Nähe der veränderten Nervenzellen zu 
proliferiercn. Bei der sekundären Degeneration der Zellen beginnt die 
Chromatolyse im Bereich des Achsencylinderfortsatzes, setzt sich in die 
centralen Teile der Zelle fort und ist von einer Wanderung des Kernes 
nach der Peripherie, Atrophie desselben und Achromatismus der Zelle 
begleitet. Hierbei beobachtet man mehrere Stadien, von denen die An- 


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1 ( J4 1\ Zagorowsky, 

häufung der Nisslschen Körperchen an der einen Seite des Kerns als 
das wichtigste gilt. In unserem Falle konnten wir trotz der sorg¬ 
fältigsten Beobachtung der Präparate keinerlei dergleichen Anzeichen 
einer sekundären Entartung der Nervenzellen finden, weshalb die Frage 
von der aufsteigenden Affektion des Nervensystems im vorliegenden Falle 
doch wohl als im verneinenden Sinne gelöst zu gelten hat. Aus dem 
gleichen Grunde kann man schwerlich der Meinung von Auch6 bei¬ 
pflichten, der dem Diabetes die specifische Eigenschaft, nur die peripheren 
Nerven in Mitleidenschaft zu ziehen, zuschreibt. In einer seiner bereits 
oben citierten Beobachtungen fand dieser Autor unter dem Mikroskop 
eine scharf ausgeprägte Degeneration der distalen Abschnitte der peri¬ 
pheren Nerven und hielt das Centralnervensystem, ohne dasselbe einer 
Untersuchung unterworfen zu haben, für normal und überhaupt für durch 
Diabetes nicht afficierbar. Etwas anders steht cs mit der Frage von 
der absteigenden Affektion des Nervensystems in unserem Falle. 

In der diesbezüglichen Literatur besteht die Meinung, dass die Ver¬ 
änderung der peripheren Nerven und Muskeln nicht primären Ursprungs 
sein könne, dass derselben eine Erkrankung ihrer Rückenmarkscentren, 
resp. der Zellen der Vorderhörner voraufgehen müsse. Diese Anschauung 
hat viele Anhänger gefunden. Erb, Remak, Anfimow, Eisenlohr, 
Marie-Babinsky, Joffroy und Lemeller und mit ihnen noch viele 
andere Autoren nehmen eine primäre Affektion der Ganglienzellen der 
Vorderhörner überall da an, wo Muskelatrophie und Veränderung der 
peripheren Nerven vorliegen. Wenn eine solche Degeneration der Nerven¬ 
zellen sich unter dem Mikroskop nicht feststellen lässt, so schlagen die 
Autoren vor, dieselbe als dynamische zu betrachten, und verlegen jeden¬ 
falls in die Nervenzellen des Rückenmarks die Ursachen auch der Muskel¬ 
entartung. Unbedingt aber beziehen sie alle diejenigen Fälle, wo die 
peripheren Nerven unter dem Mikroskop atrophisch und nicht entzündlich 
verändert erscheinen, auf die primäre Erkrankung der Vorderhömer. 
Babinsky nimmt für eine ganze Gruppe von Neuritiden unbedingt die 
primäre Affektion der Nervenzellen der Vorderhörner an. Als typisch 
für dieselben sieht er die Neuritis der Hemiplegiker an, bei denen die 
Zellen der Vorderhörner des Rückenmarks atrophiert sind. Anfimow 
schlägt entschieden vor, jede Polyneuritis als Poliomyelitis anzusehen 
und dieselbe zum Unterschied von derjenigen des Kindesalters Polio¬ 
myelitis adultorum zu nennen. 

In unserem Falle spricht zugunsten des absteigenden Verlaufes der 
Erkrankung, d. h. der primären Affektion des centralen Abschnitts des 
Neurons und der secundären Atrophie der peripheren Nerven gerade die 
Veränderung der Zellen der Vorderhörner des Lendenmarks, die sich im 
Anschwellen derselben und ihrer Fortsätze usw. äussert. Diese Ver¬ 
änderungen entsprechen bekanntlich dem von llayem-Forel bei der 
primären Zelldegeneration beschriebenen Bilde. Ferner wird der Gedanke 
von der absteigenden Entartung auch durch den atrophischen Charakter 
der Veränderungen der von den betroffenen Segmenten abhängenden 
peripheren Nerven selbst bestätigt. Auch der Unterschied im Grade der 
Erkrankung der Zellen des Rückenmarks und der peripheren Nerven 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem n. Zuckerkrankheit. 195 


spricht zugunsten einer solchen Annahme. Besonders demonstrativ tritt 
das im Halsmark hervor: die erstgenannten Zellen zeigen bereits Ver¬ 
änderungen, während sich die letztgenannten (und zwar in den oberen 
Extremitäten) noch ihrem normalen Zustand angenähert erweisen. 

Von anderen im gegebenen Fall vorliegenden Eigentümlichkeiten der 
Erkrankung des Centralnervensystems beansprucht die Tatsache ein be¬ 
sonderes Interesse, dass die Affektion ausschliesslich auf die parenchyma¬ 
tösen Teile, d. h. auf die Nervenzellen und -fasern begrenzt bleibt. 
Gerade nur diese erwiesen sich als betroffen. Hingegen war das inter¬ 
stitielle Gewebe verschont geblieben. Eine analoge Erscheinung wird 
auch von den Autoren erwähnt. So z. B. bestanden die Veränderungen 
der grauen Substanz des Rückenmarks in den Fällen von Bonardi, 
Sonques und Marinesco, Nonne, Williamson, Pryce, Sandmeyer 
in einer Affektion nur der Zellen allein, ohne dass die Neuroglia eine 
festere Consistenz aufwies, ohne Beteiligung der Gefässe, ohne Auftreten 
von entzündlichen Erscheinungen, ohne Infiltration. Ebenso fanden 
Kalmus, Sonques und Marinesco, Hensay in ihren Fällen von 
Affektion der weissen Stränge die Anzeichen einer primären Affektion 
nur der Nervenfasern, während Neuroglia und Gefässe unverändert ge¬ 
blieben waren. Im Falle von Nonne erwies sich die Neuroglia als ver¬ 
dickt; doch der Autor sieht hierin nur eine secundäre, nicht aber eine 
primäre Erscheinung. Bei der Mehrzahl der peripheren Nerven, die Er¬ 
wähnung gefunden haben, gelangt dasselbe zur Beobachtung: es sind nur 
die parenchymatösen Teile des Nerven betroffen, sein interstitielles Ge¬ 
webe und die Gefässe erwiesen sich als intakt. In einigen Fällen betraf 
die Affektion nur die Myelinscheide. Als sehr wertvolle Beispiele lassen 
sich hier die Beobachtungen von Bruce und von A uche (Fall IV) anführen. 

Uebrigens sind in der Literatur (Nonne, Pryce) Hinweise auch 
auf Erkrankung des interstitiellen Gewebes des Nervensystems bei der 
Zuckerkrankheit vorhanden; doch unterscheiden sich die Veränderungen 
desselben wesentlich von denen des Nervenparenchyms: Während die 
Nervenzellen und -fasern beim Diabetes atrophieren und zu Grunde gehen, 
trägt die Veränderung der Neuroglia in den obenerwähnten von Nonne 
und Bruce beobachteten Fällen keinen regressiven, sondern einen pro¬ 
gressiven Charakter. Statt einer Atrophie weist dieses Gewebe eine 
festere Consistenz auf; einzelne Fasern desselben sind verdickt. Sogar 
neugebildete Elemente werden vermerkt. Der Zusammenhang aller dieser 
Veränderungen mit dem Diabetes ist jedoch zweifelhaft. Gegenwärtig 
ist es noch völlig unaufgeklärt, ob man die beschriebene Veränderung 
der Neuroglia ausschliesslich der Einwirkung der beim Diabetes im Blut 
circulierenden allgemeinen toxischen Stoffe zuzuschreiben hat, oder ob 
man in derselben das Resultat der lokalen Reizung durch die an der 
Stelle, wo die Nervenzelle zugrunde geht, gebildeten Zerfallselemente zu 
sehen hat, oder ob man endlich dieses Consistenterwerden des inter¬ 
stitiellen Gewebes als einen, weder mit den Diabetestoxinen, noch mit 
den lokalen Zerfallsprodukten in Zusammenhang stehenden secundären 
Process, als eine Folgeerscheinung nur mechanischer Momente, und zwar 
als das Resultat des Auftretens eines leeren Raumes an Stelle des ver- 


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schwundenen Nervenparenchyms aufzufassen hat. Man hat schliesslich 
nicht ausser Acht zu lassen, dass die gleichen Affektionen der Neuroglia 
auch von Syphilis, Alkoholismus, Arteriosklerose und anderen mit dem 
Diabetes durchaus in keinem Zusammenhang stehenden, aber äusserst 
häufig gleichzeitig mit ihm vorhandenen Momenten herrühren können. 

Die Betrachtung der bei unserem Patienten beobachteten Verände¬ 
rungen des Plexus coeliacus berechtigt uns zu der Schlussfolgerung, dass 
als unmittelbare Ursache seiner Erkrankung ein durch ein Trauma her¬ 
vorgerufener Bluterguss zu gelten hat, während wir die Veränderungen 
der Langerhansschen Inselchen als secundäre Erscheinung auffassen. 
Was nun die unmittelbaren Ursachen der Affektion des Centralnerven- 
systeras anbelangt, so lässt sich hierüber folgendes sagen: im gegebenen 
Falle haben wir keinen Anlass, die Erkrankung des Centralnervensystems 
durch eine Gefässentartung zu erklären, selbst wenn sich die letztere 
während der Zuckerkrankheit entwickelt haben sollte, denn erstens wurden 
die Blutgefässe normal befunden und zweitens ist bei einer Gefäss- 
erkrankung (und zwar einer chronischen,, wie das in unserem Falle zu 
erwarten wäre) das klinische und pathologisch-anatomische Bild, ins¬ 
besondere das des peripheren Nervensystems, ein völlig anderes. Auch 
kann man die im Rückenmark Vorgefundenen Veränderungen nicht durch 
eine von den verdickten und infiltrierten Rückenmarkshäuten hervor¬ 
gerufene Compression der Wurzeln und Atrophie der letzteren erklären, 
da sich diese Hüllen als völlig normal erwiesen. Ebenso kann man 
auch der Blutarmut unseres Patienten keine grosse Bedeutung beiraessen, 
denn erstens erreichte dieselbe keinen hohen Grad und zweitens tritt 
diese Erkrankung — und zwar gerade dann, wenn sie im höchsten 
Grade ausgeprägt ist, bei den sogenannten letalen Anämien — in 
einzelnen Herden auf, und obschon mitunter die Lokalisation der 
secundären Entartungsbereiche die Degeneration eines Systems Vor¬ 
täuschen kann, so weisen doch einzelne Herde die Anzeichen der acuten 
disseminierten Myelitis (Boedeker, Juliusberger, Nonne, Minich) 
auf, die sich grösstenteils in der Nähe der Gefässe lokalisiert, während 
die Lissauersehe Zone und die hinteren Wurzeln verschont bleiben. 
Die graue Substanz pflegt hierbei äusserst selten und ausserdem nur in 
chronischen Fällen betroffen zu sein. Uebrigens hängt die Affektion des 
Rückenmarks bei Anämien offenbar nicht unmittelbar von der Anämie, 
sondern von zufällig hierbei entstehender Sepsis ab (Rüssel). In unserem 
Falle ergaben aber die unter dem Mikroskop gefundenen Veränderungen 
nichts Derartiges. Die gleichen Erwägungen gestatten uns, die Bedeutung 
der Kachexie und des Marasmus unter den sonstigen ätiologischen 
Momenten der Degeneration des Nervensystems im gegebenen Falle ge¬ 
ring anzuschlagen. Die gleichen unter dem Mikroskop festgestellten 
Daten sprechen auch gegen eine lokale infektiöse Erkrankung des Rücken¬ 
marks. Eine infektiöse Ursache hätte, wie auf dem Wege des Experi¬ 
ments (Horaen) und klinischer Beobachtungen festgestellt worden ist, 
eine Reihe von Veränderungen seitens der Gefässe (Hyperämie, Austritt 
der weissen Blutkörperchen, Infiltration des umgebenden Gewebes) her- 
vorrufen müssen, während hier nichts Derartiges zu bemerken war. 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 197 

Wir schreiben in unserem Falle die Affektionen des Centralnerven¬ 
systems der Einwirkung derjenigen schädlichen Produkte zu, die beim 
Diabetes im Blute circulieren und dadurch, dass sie in enge Berührung 
mit den Zellen des Gehirns und Rückenmarks gelangen, deren Lebens¬ 
tätigkeit alterieren. Was nun die Frage anbelangt, warum denn die 
schädlichen Produkte in den Rückenmarkszellen scharf ausgeprägte Ver¬ 
änderungen hervorriefen, während die peripheren Teile in den oberen 
Extremitäten verschont geblieben waren, so erklären wir das durch das 
Vorhandensein eines locus minoris rcsistentiae in der als trophisches 
Centrum dienenden Zelle des Rückenmarks, weshalb das gegebene im 
Blut kreisende Agens auf dasselbe eine nur lokale Wirkung ausgeübt hat, 
während wir das Absterben einzelner Fasern des peripheren Nerven¬ 
systems ohne Beteiligung des bindegewebigen Stützgerüstes des Nerven 
in den unteren Extremitäten als kachektische Atrophie einzelner Nerven¬ 
fasern infolge anhaltend wirkender Intoxikationen von geringerer Intensität 
auffassen. 

Klinisch entspricht der gegebene Fall bis zu einem gewissen Grade 
dem Bilde der Pseudotabes diabetica. Hiermit stimmen die sensorischen 
Störungen im unteren Teile des Rumpfes, die Ataxie und der Verlust 
der Sehnen- und Hautreflexe überein. Vollkommen würden hiermit das 
Erhaltensein der Pupillenreflexe auf Licht und der Verlust der Geschlechts¬ 
funktion im Einklang stehen. Bei der Classißcierung der vorliegenden 
Erkrankung vom pathologisch-anatomischen Standpunkt kommen zwei 
typische Erkrankungen in Betracht, mit denen die unsere eine gewisse 
Aehnlichkeit aufweist, und zwar Poliomyelitis anterior subacuta und Tabes 
dorsalis. Zugunsten der Annahme, dass wir es hier mit einem Fall von 
Poliomyelitis anterior subacuta zu tun haben mögen, spricht die Atrophie 
einzelner Gruppen der Muskeln der unteren Extremitäten und der Unter¬ 
gang der Zellen der Vorderhörner. Diese Hypothese findet aber vom 
klinischen Standpunkt keinerlei Unterstützung, da Sensibilitätsstörungen 
und Ataxie gar nicht zu dem Bilde dieser Erkrankung gehören. Noch 
mehr gegen diese Erkrankung sprechen die durch die histologische Unter¬ 
suchung gewonnenen Ergebnisse, und zwar widerspricht dieser Diagnose 
die Affektion der Burdachschen Stränge. Die vorhandenen vereinzelten 
Beobachtungen von Poliomyelitisfällen, wo bei der Autopsie isolierte 
Affektionen der Burdachschen Stränge gefunden wurden (Joffroy- 
Lelesson, Oppenheim) sind eine grosse Seltenheit und berechtigen 
jedenfalls nicht zu Verallgemeinerungen. Ferner spricht gegen die 
Diagnose Poliomyelitis anterior subacuta noch das Fehlen von entzünd¬ 
lichen Veränderungen in den Vorderhörnern und der normale Zustand 
der Rüekenmarksgefässe. Ebenso ist das Vorhandensein von diffusen 
Veränderungen des Rückenmarks und das Fehlen von Erkrankungsherden 
in demselben mit der hier vorausgesetzten Diagnose unvereinbar. Es 
sind jedenfalls mehr Gründe vorhanden, hier eine der Tabes analoge 
Rückenmarkserkrankung zuzugeben; freilich erscheint diese Analogie auf 
den ersten Blick schlecht mit dem Untergang der Zellen in den Vorder¬ 
hörnern des Rückenmarks bei unserem Patienten übereinzustimmen, um 
so mehr, als eine solche Autorität wie Dejerine die Möglichkeit einer 


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Veränderung der Vorderhörner bei reiner und typischer Tabes vollkommen 
in Abrede stellt, doch haben andere durchaus vertrauenswürdige Beob¬ 
achter unstreitig eine Degeneration der Zellen der Vorderhörner und über¬ 
haupt der motorischen Kerne (mit Muskelatrophie) bei Tabes vermerkt. 
Leyden hat bei Tabes Muskelatrophie, Sklerose, Pigmentation und 
Schrumpfung der Ganglienzellen der Vorderhörner gefunden. Derselbe 
Autor fand die gleiche Erscheinung in noch einem Falle, wo ausserdem 
die Nervenfasern atrophiert waren. Dasselbe fanden Charcot-Pierret 
und Eisenlohr. 

Raymond und Artaud vermerkten bei einem Diabetiker Atrophie 
der Zunge, des N. hypoglossus und des Kerns dieser Nerven. Da nun 
ausserdem bei Tabes vielmals Affektionen der peripheren Nerven mit 
Muskelatrophie von solchen Autoren wie Picrret-Vaillard, Dejerine, 
Oppenheim, Raymond-Artaud, Goldscheider beobachtet worden 
sind, so wäre das Leiden unseres Patienten nicht als Pseudotabes, sondern 
einfach als Tabes diabetica zu bezeichnen. 

II. Beobachtung. 

In Ergänzung unserer I. Beobachtung fügen wir in gedrängter Kürze 
noch eine Untersuchung des Plexus coeliacus, der Langerhansschen 
Inselchen, des Rückenmarks und des peripheren Nervensystems eines im 
diabetischen Coma verstorbenen Patienten hinzu. Die Präparate verdanken 
wir der ganz besonderen Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. N. Michailow, 
Assistenten des Herrn Prof. W. Obraszow, Kiew. 

Die klinische Beobachtung des Patienten ist überaus kurz. Im Krankenjournal 
der Kiewer therapeutischen Klinik vom 25. 9. 1912 ist verzeichnet, dass ein kachek- 
tischer Patient von mittlerem Alter, dessen Stand, Vor- und Familienname in Er¬ 
mangelung der betreffenden Dokumente nicht eingetragen sind, der früher an der 
Zuckerkrankheit gelitten hatte, im Zustande des diabetischen Coma in die Klinik ein¬ 
gebracht wurde, wo er nach 28 Stunden, ohne zu vollem Bewusstsein gekommen zu 
sein, starb. Es wurden 10 pCt. Zucker im Harn nachgewiesen. Von Störungen des 
Nervensystems war intra vitam vom behandelnden Arzt Pupillenerweiterung, schlechte 
(träge) Reaktion derselben auf Licht und Incontinentia urinae festgestellt. Die moto¬ 
rische Sphäre, die Sensibilität, Haut- und Sehnenreflexe und elektrische Reaktion 
wurden nicht untersucht. Die 18 Stunden nach dem Tode vorgenommene Sektion 
ergab Atrophie des Plexus coeliacus, ein normales Pankreas und keine Arteriosklerose. 

Mikroskopisch untersucht wurden: Plexus coeliacus, Pankreas, das Rückenmark 
in seiner ganzen Ausdehnung uud ein Teil der peripheren Nerven, worunter sich auch 
der N. pudendus befand. 

Die Untersuchung des Plexus coeliacus nach Nissl ergab den Schwund eines 
Teiles der Zellelemente. Die Defekte der Zellelemente sind durch Bindegewebe er¬ 
setzt. Die Mehrzahl der Zellen des Ganglions stellt sich als dem Umfang nach ver¬ 
ringert dar, während in der Minderzahl der Zellen eine partielle Chromatolyse zur 
Beobachtung gelangt. Die Kerne haben an Umfang eingebüsst, liegen im Centrum 
und sind diffus gefärbt. Gefässe hyperämisch. 

Nach Bearbeitung der Pankreasstücke nach den allgemein bekannten Regeln 
Hessen die Präparate unter dem Mikroskop folgendes erkennen: die Zellen des Pankreas 
unterscheiden sich in nichts von der Norm. Es konnten weder fettige Degeneration, 
noch Vacuolisation, noch Chromatinarmut ihrer Kerne, noch Abnahme ihres Umfanges 


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lieber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 199 

beobachtet werden. Ebensowenig bestand eine Vergrösserung der Kerne. Zustand der 
Gefässe normal. Was die Langerhansschen Inselchen anbelangt, so ergibt die Be¬ 
sichtigung der.Schnitte eine normale Anzahl und Grösse derselben. Bei schwacher 
Vergrösserung treten die Langerhansschen Inselchen infolge der spezifischen Fär¬ 
bung recht deutlich inmitten des Drüsengewebes hervor. Das Protoplasma ihrer 
Zellen färbt sich recht intensiv. Die Körnigkeit der letzteren ist im Vergleiche zur 
Norm merklich vermindert. Zollgrenzen deutlich. Die Kerne der Inselzellen sind 
chromatinreioh und färben sich diffus. Eine Pyknose derselben wird nicht beobachtet. 
Kerngrenzen sichtbar. Die Zellen selbst sind gleichsam zusammengedrückt, ihrem 
Umfang nach verringert, insbesondere an den Stellen, wo viel Zymogen erhalten ge¬ 
blieben ist. Capillaren normal. Ein Ausführungsgang oder eine besondere Binde¬ 
gewebshülle konnte nicht festgestellt werden. 

Das Rückenmark wurde in mehrere Abschnitte geteilt und zum Teil in 
Mülierscher Flüssigkeit für die Untersuchung nach Weigert, van Gieson und 
Marchi, zum Teil aber auch in Alkohol oder Sublimat zur Untersuchung nach 
Nissl fixiert. Was die Resultate der Untersuchung anbelangt, so ergab die 
Färbung der Präparate nach Weigert und van Gieson keinerlei Veränderungen der 
weissen Rückenmarksstränge. Die Bearbeitung des Rückenmarks nach Marchi liess 
diffuse, ihrer Lokalisation nach recht unbestimmte Veränderungen der Peripherie des 
Rückenmarks erkennen. Hingegen wurden bei der Färbung des Rückenmarks nach 
Nissl scharf ausgeprägte Veränderungen gefunden. 

Auf vielen aus der Lendenanschwellung, aus einigen Segmenten des Brustmarks 
und aus dem Halsmark stammenden Präparaten wurde Folgendes bemerkt: die Zahl 
der Vorderhornzellen ist im Vergleich zur Norm nicht verringert. Viele derselben 
haben ihre Protoplasmafortsätze eingebüsst, sind von leeren Räumen umgeben und 
vielleicht von geringerem Umfang als in der Norm. Einige Zellen enthalten Anhäu¬ 
fungen von gelben Pigmentschollen, die entweder nur im Fortsatz allein oder am 
Zellrande zwischen 2 Fortsätzen zerstreut sind. In diesen pigmentierten Zellen sind 
die Nissischen Körnchen diffus und überaus blass gefärbt, die Kerngrenzen solcher 
Zellen sind undeutlich, die Färbung der Kerne ist überaus blass, ein Kernkörperchen 
ist gar nicht sichtbar. Einige derartige ihrer Fortsätze beraubte Zellen haben ihre 
dreieckige Form eingebüsst und sind fast vollkommen rund. 

Ein Teil der Zellen ist durchweg mit gelbem Pigment durchsetzt; die Körnchen 
dieses letzteren sind jedoch überaus klein. Die Nissischen Körnchen solcher Zellen 
sind recht deutlich zu unterscheiden und gut gefärbt. Die Kerne solcher Zellen sind 
durch Pigment verdeckt; die Fortsätze sind wenig geschrumpft; rund um die Zelle 
ist ein leerer Raum zu sehen. Einige Zellen haben einen überaus angeschwollenen 
und äusserst blassen Kern; hingegen ist das Kernkörperchen intensiv gefärbt. 

Die Untersuchung der peripheren Nerven geschah mit Hilfe der Färbung mit 
1—2proc. Osmiumsäurelösung, wie auch mit Carmin-Alaun-Hämatoxylin und nach 
Weigert. Hierbei stellte sich heraus, dass die Myelinscheiden der Fasern des 
N. pudendus leichte Anschwellungen zeigten, stellenweise körnigen Zerfall in ihren 
peripheren Schichten aufwiesen und dass ihre Färbung, sowohl die mit Osmiumsäure, 
als auch die nach Weigert nicht genügend intensiv war. Das interstitielle Binde¬ 
gewebe des N. pudendus, seine Vasa nervorum, sowie seine Sch wann sehen Kerne 
erwiesen sich als völlig unverändert. Die anderen in derselben Weise untersuchten 
peripheren Nerven Hessen unter dem Mikroskop keinerlei Veränderungen erkennen. 

Wenn wir das vorstehend Erörterte zusammenfassen, so sehen wir 
im vorliegenden Falle eine scharf ausgeprägte Affektion des Plexus 
coeliacus, der Langerhansschen Inselchen und der Rückenmarkszellen, 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. 


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während das periphere Nervensystem, den leicht degenerierten N. pudendus 
ausgenommen, sich in normalem Zustande befindet. 

Obschon diese Beobachtung in vieler Hinsicht durchaus ungenügend 
ist, führen wir dieselbe doch als Beweis dafür an, dass, ebenso wie in 
Beobachtung I, beim Diabetes betroffen sind: der Plexus coeliacus, die 
Langerhansschen Inselchen und das Rückenmark, wobei die Affektion 
des Centralnervensystems im Rückenmark beginnen und einen absteigenden 
Verlauf nehmen kann. Was nun die Entwicklung und den Verlauf der 
Affektion im Plexus coeliacus und in den Langerhansschen Inselchen 
anbetrifft, so können wir diesbezüglich nur das anlässlich der ersten 
Erkrankung Gesagte wiederholen. 

Experimentelle Daten. 

In unseren weiteren Erwägungen werden wir bei der Betrachtung 
der Frage von der Glykosurie auf nervöser Grundlage unsere Aufmerk¬ 
samkeit ausschliesslich auf die experimentelle Glykosurie richten. 

Als erster Forscher auf diesem Gebiet ist CI. Bernard zu nennen, 
der einen schnell vorübergehenden Diabetes nach einem Stich in den 
Boden des IV. Ventrikels entdeckte. Man wusste allerdings bereits früher, 
dass diabetische Veränderungen des Harns auch bei Affektion der Nerven- 
centren auftreten können. Diesbezügliche Aeusserungen haben Gregory 
im Jahre 1807, Frank im Jahre 1812 und Stosch im Jahre 1828 
getan. Doch CI. Bernard gebührt die Ehre der Entdeckung des ur¬ 
sächlichen Zusammenhanges zwischen der Affektion des Nervensystems 
und dem Auftreten von Zucker im Harn. In seinen „Vorlesungen über 
Physiologie und Pathologie des Nervensystems“ sagt CI. Bernard, dass 
ein Stich in die Mitte derjenigen Stelle, wo der N. acusticus und N. vagus 
entspringen, d. h. in dem Boden des IV. Ventrikels, gleichzeitig ein An¬ 
wachsen der Harnmenge und das Auftreten von Zucker in demselben 
bedingt; wird aber der Stich etwas oberhalb der oben bezeichneten Stelle 
ausgeführt, so gelangt weniger Harn zur Absonderung, wobei derselbe 
aber in diesem Falle oft Eiweiss enthält. Valentin gibt an, dass Gräffe 
dadurch Diabetes hervorrief, dass er Flüssigkeit in den IV. Ventrikel ein¬ 
spritzte. Die Stelle für den Diabetes hervorrufenden Stich nimmt 
CI. Bernard (beim Kaninchen) als stecknadelkopfgross an, während 
Schräder dieselbe für 5 mm gross hält. Als eine interessante Ergänzung 
zu der von CI. Bernard festgestellten Tatsache erscheint eine von 
Schiff gemachte Entdeckung. Derselbe gelangte, von der Annahme 
ausgehend, dass die Einwirkung des Nervensystems auf die Zusammen¬ 
setzung des Harns durch eine Veränderung des Gefässtonus erreicht 
wird, zu der Schlussfolgerung, dass eine Verletzung der das Gehirn mit 
den Baucheingeweiden verbindenden Nerven gleichfalls Diabetes hervor- 
rufen müsse. Und es gelang ihm in der Tat durch Zerstörung des 
Rückenmarks vermittels einer Nadel, die er in verschiedenen Richtungen 
bewegte, bei Fröschen einen ebensolchen Diabetes hervorzurufen, wie der 
nach dem Stich in den Boden des IV. Ventrikels beobachtete. Im ge¬ 
gebenen Fall wird ebenderselbe CI. Bernardsche Stich ausgeführt; die 
Notwendigkeit, einen grösseren Bereich des Rückenmarks zu zerstören 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 201 

wird jedoch nur durch den Umstand bedingt, dass die Nervenfasern, die 
im IV. Ventrikel bei den Säugetieren in enger Berührung stehen, im 
Rückenmark auf eine längere Strecke verteilt sind. 

Bei seinen Forschungen, die darauf gerichtet waren, die Ursache 
der Wirkung des Stiches in den Boden des IV.Ventrikels zu ergründen, 
unternahm CI. Bernard eine Reihe von Versuchen, die zeigten, dass 
nicht sämtliche dem verlängerten Marke beigebrachten Schädigungen 
Diabetes zur Folge haben: so z. B. riefen beim Kaninchen die Be¬ 
schädigungen der keilförmigen Körper keinen Diabetes hervor, sondern 
es schien sogar, als hörte die Harnabsonderung hiernach auf. Die Durch¬ 
schneidung des Kleinhirns mit dem Messer rief jedoch bei vielen Kanin¬ 
chen eine Veränderung des Harns in dem Sinne hervor, dass sich nach 
der Operation in ihm ein Zuckergehalt nachweisen liess. Diese Beob¬ 
achtung wird auch von Schiff bestätigt, der unter den gleichen Ver¬ 
hältnissen einen starken, bis zum Tode anhaltenden Diabetes sah. Auf 
der Suche nach den Wegen begriffen, auf denen die Wirkung des Stiches 
vom verlängerten Marks zur Leber als dem Hauptorgan für die Glykogen¬ 
bildung gelangt, fand CI. Bernard, dass die Durchtrennung des Rücken¬ 
marks die Wirkung des Stiches aufhob. 

Somit erwies es sich, „dass die Wirkung der Reizung durch das 
Rückenmark übermittelt wird“, und die Annahme, dass als die diese 
Reizung übermittelnden Bahnen der N. vagus und der N. syrapathicus zu 
betrachten sind, stellte sich als falsch heraus, da ihre Durchtrennung 
die Bildung eines zuckerhaltigen Harns nach dem Stich in den Boden 
des IV. Ventrikels nicht verhindert, während die Reizung der centralen 
Abschnitte des N. vagus durch Galvanisation das Auftreten einer be¬ 
trächtlichen Zuckermenge im Harn nach sich zieht. Es ist interessant 
zu vermerken, dass den Beobachtungen von CI. Bernard zufolge bei 
durch Hunger und Krankheit geschwächten Tieren ein künstlicher Diabetes 
sich nicht hervorrufen lässt. Seine Versuche hat CI. Bernard an Kanin¬ 
chen und Hunden angestellt; als er dieselben aber an Vögeln (Tauben) 
vornahm, erwies es sich, dass sich bei ihnen vermittels des Stiches kein 
solcher Effekt erzielen liess. Kühne und Schiff beobachteten eine 
positive Wirkung des Stiches bei Fröschen, während Thiel, der als 
Versuchstiere Hühner gewählt hatte, keine Zuckerausscheidung nach dem 
CI. Bernardschen Stich zu verzeichnen hatte. Somit sollte man meinen, 
dass die Vögel auf den CI. Bernardschen Stich nicht reagieren, wenn 
nicht durch die Bernhardtschen Versuche an Tauben das Gegenteil 
bewiesen worden wäre. 

Ueberhaupt ist zu bemerken, dass nicht alle Tierarten in gleichem 
Masse auf die das Auftreten von Zucker im Harn bedingenden Ursachen 
reagieren. Als deutlicher Beweis hierfür dienen die Versuche von Böhm 
und Ho ff mann, die bei Katzen einen schnell vorübergehenden Diabetes 
als Folgeerscheinung einer durch eine geringfügige Operation (Tracheo¬ 
tomie) oder sogar durch einfaches Fesseln an den Operationstisch her¬ 
vorgerufenen Nervenerschütterung beobachteten. Die Dauer dieser von 
ihnen als Fesselungsdiabetes bezeichneten Erscheinung pflegt verschieden 
zu sein und zwar währt dieselbe 3—13 Stunden, wobei der Zucker an- 

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fangs in massiger oder geringer Menge abgesondert wird, worauf die 
Absonderung schnell ihr Maximum erreicht, um sodann schnell wieder 
zu sinken. 

Pavy war zuerst bemüht, klarzustellen, ob Schädigungen des sym¬ 
pathischen Nervensystems Einfluss auf die Entstehung des Diabetes haben. 
Dieser Forscher behauptet, dass die Durchschneidung gewisser Teile des 
N. sympathicus eine starke diabetische Wirkung habe. Bei Durchschnei¬ 
dung sämtlicher Halsnerven mit nachfolgender künstlicher Atmung fand 
Pavy im Harn des Tieres eine beträchtliche Zuckerraenge. Nach diesem 
Versuch und einer Reihe von anderen, in denen auf beiden Seiten des 
Halses gleichzeitig die aufsteigenden Aeste des oberen Brustganglions 
unterbunden wurden, gelangte er zu der Schlussfolgerung, dass eine der¬ 
artige Operation ungefähr nach J / 2 Stunde einen scharf ausgeprägten 
Diabetes hervorruft. 

Die Durchtrennung des aufsteigenden Astes nur auf einer Seite des 
Halses hatte nach l /.. Stunde nur das Auftreten von Zuckerspuren zur 
Folge. Die sodann auch auf der anderen Seite in gleicher Weise vor¬ 
genommene Operation ruft bereits nach l / 2 Stunde eine reichliche Zucker¬ 
ausscheidung hervor. Die weitere Verfolgung des Einflusses von an den 
Nn. sympathici vorgenomraenen Operationen auf die Zuckerausscheidung 
im Harn gab ihm Gelegenheit festzustellen, dass beim Hunde der stärkste 
Diabetes in kürzester Frist durch die Entfernung des oberen Hals¬ 
ganglions erzielt wird. Nach der Entfernung des einen Ganglions wurde 
der Urin intensiv zuckerhaltig befunden und bewahrte diesen Charakter 
im Laufe des nächsten Tages. Die darauffolgende Entfernung des anderen 
Ganglions hatte nach einigen Tagen einen stark ausgeprägten zeitweiligen 
Diabetes zur Folge. Die Durchschneidung des Brustabschnitts, des 
N. sympathicus, rief mitunter Zuckerharn hervor, während in anderen 
Fällen ein kaum merklicher oder überhaupt gar kein Effekt erzielt 
wurde. Bei Landois und Ploch finden wir Hinweise auf die Versuche 
von Gräffe, der behauptet, dass er eine kurzdauernde Glykosurie nach 
Durchschneidung des N. splanehnicus beobachtet habe. Diese Beobach¬ 
tung wird von llensen, der allerdings keine präcisen Daten angibt, 
bestätigt; ebenso sagt Ludwig in seinem Handbuch der Physiologie, 
dass nach der Durchschneidung des N. splanehnicus Zucker im Harn 
auftritt. 

Zu bis zu einem gewissen Grade gleichen Schlussfolgerungen ge¬ 
langte auch Ploch, und zwar sagt er auf Grund von vorzugsweise an 
Kaninchen angestellten Versuchen, dass bei der Durchschneidung des 
N. splanehnicus in einigen Fällen deutliche Glykosurie eintritt, während 
in einigen anderen hierbei die Veränderungen des Harns im angegebenen 
Sinne undeutlich und unbestimmt, oder aber gar nicht vorhanden sind. 
Ueber ähnliche Resultate, und zwar, dass die Durchschneidung des 
N. splanehnicus nicht immer eine Glykosurie ergibt, berichtet auch 
Brücke in seiner Physiologie. Eckhard, der die Durchschneidung 
dieses Nerven an vielen Stellen — von der Durchbruchsstelle desselben 
durch das Diaphragma bis zum ersten Intercostalraum, vorgenomraen hat, 
erhielt stets ein positives Resultat. 


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lieber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 203 

Er war der der Meinung, dass die Bedeutung des N. splanchnicus 
für die Entstehung des Diabetes sich auf den Zusammenhang dieses 
Nerven mit den sympathischen und Spinalganglien gründet und folglich 
bei mechanischer Reizung dieser Ganglien, z. B. bei ihrer Durchschnei¬ 
dung Diabetes auftreten müsse. 

Ferner fand Eckhard, dass die Durchschneidung des oberen Hals¬ 
ganglions beim Kaninchen und die Exstirpation desselben beim Hunde 
keinen Diabetes hervorruft, während die Durchschneidung des unteren 
einen stark ausgeprägten Diabetes nach sich zieht, der nach dem gleichen 
Zeitraum auftritt, wie nach dem CI. Bernardschen Stich. Während der 
ersten 2 Stunden nach der Operation wird er in am stärksten ausge¬ 
prägter Form beobachtet; nach 5 Stunden verringert er sich merklich, 
doch Spuren desselben sind mitunter noch 24 Stunden nach der Opera¬ 
tion vorhanden. Nach der Durchschneidung des I. und II. Brustganglions 
erweist sich der Diabetes als schwächer als nach der des unteren Hals¬ 
ganglions, wobei er nach der Durchschneidung des II. Brustganglions 
schwächer ausgeprägt zu sein pflegt als nach der des I. Durch die 
aufeinanderfolgende Durchschneidung zuerst des unteren Hals- und so¬ 
dann des I. und III. Brustganglions bei einem und demselben Kaninchen 
gelang es dem Autor, nacheinander diabetische Erscheinungen hervorzu¬ 
rufen, wobei dieselben nach fast völligem Verschwinden von neuem an- 
näherd die gleiche Höhe erreichten. Diese Versuche gelangen nicht 
immer, da die Tiere mitunter eingingen. Die niedriger gelegenen 
Ganglien hat Eckhardt nicht durchschnitten. 

Sehr interessant in dieser Hinsicht sind die Untersuchungen von 
Cyon und Aladoff, die die letzten Hals- und verschiedene Brust¬ 
ganglien des Sympathicusgeflechts durchschnitten und nach 1—1 J / 2 Stunden 
seit dieser Operation Glykosurie beobachteten. In der Absicht klarzu¬ 
stellen, welche Nerven denn eigentlich diese Wirkung ausüben, durch¬ 
schnitten sie der Reihe nach die einzelnen mit dem I. Brust- und letzten - 
Halsganglion in Verbindung stehenden Fasern und fanden, dass Diabetes 
nach der Durchschneidung der vertebralen Aeste und der Ansa Vieussenii 
erhalten wird. Ferner gelangen sie nach der Durchschneidung des N. syro- 
pathicus zwischen der X. und XI. und der XI. und XII. Rippe zu der 
Ueberzeugung, dass die Durchschneidung des Nervenstranges auf diesem 
Niveau fast niemals Diabetes erzeugt. 

Nach der Ansicht dieser Forscher spielen bei der Entstehung des 
Diabetes die mit der Ansa Vieussenii in Verbindung stehenden vaso¬ 
motorischen Lebernerven eine Rolle. Die Paralyse der gefässverengernden 
Lebernerven bedingt dadurch, dass sie einen verstärkten Blutzufluss zur 
Leber hervorruft, eben die Entstehung des Diabetes. 

Im Jahre 1879 erschien eine Arbeit von Suchanow, in der die 
Eckhardschen Versuche einer Nachprüfung unterworfen wurden. Sucha¬ 
now beobachtete Diabetes bei der Durchschneidung des unteren Hals¬ 
ganglions (in allen 6 Versuchen), und mit etwas geringerer Beständigkeit 
nach der Durchschneidung des ersten Brustganglions (unter 9 Fällen 
6 mal). Die durch diese Operationen hervorgerufene Veränderung der 
Zusammensetzung des Harns erfolgt ungefähr 50 Minuten, eine oder zwei 


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Stunden nach der Operation und verschwindet nach 2, 3 oder 4 Stunden. 
Gleichzeitig hat er die Cyonsehen Versuche über die Einwirkung der 
Durchschneidung der Ansa Vieussenii — und zwar der ganzen und 
ihrer einzelnen Fasern — auf die Entstehung des Diabetes nachgeprüft, 
ohne jedoch die Beobachtungen dieses Autors bestätigen zu können, 
ebensowenig wie auch Pavy die Beobachtungen desselben Forschers be¬ 
züglich der Durchschneidung der Spinalnerven zu bestätigen vermochte. 

Schliesslich sind noch die Untersuchungen von Külz zu erwähnen, 
der den Ausspruch tut: „Nach Durchschneidung des Halssympathicus 
scheint kein Autor Diabetes beobachtet zu haben“, und gleichzeitig die 
folgenden Resultate seiner Versuche aufführt. Er durchschnitt bei zehn 
Kaninchen den Halssympathicus bei sorgfältiger Harnuntersuchung vor 
und während des Versuches. Nach der Vernähung der Wunde wurde das 
Ende des Nerven mit dem Induktionsstrom gereizt. Man erhielt folgendes 
Resultat: Nach der Durchschneidung beobachtete man in 2 Fällen eine 
leichte Reduktion und in 2 Fällen eine deutliche Reaktion auf Zucker. 
In 6 Fällen wurde nach der Reizung Glykosurie constatiert. 

Schon früher hatten Klebs und Munk gefunden, dass bei Hunden 
die Durchschneidung der die Leberarterie begleitenden Nervenstränge 
oder aber die partielle Exstirpation des Plexus coeliacus Glykosurie her¬ 
vorruft; sie haben sogar die Voraussetzung ausgesprochen, dass der 
Diabetes als das Resultat von in diesem Geflecht erfolgten Verände¬ 
rungen erscheinen kann. 

Lustig, der sich mit der Frage vom Einfluss des Plexus coeliacus 
auf die Entstehung der Glykosurie beschäftigte, hat zu diesem Zwecke 
Versuche an Hunden und Kaninchen angestellt. Er operierte 7 Hunde, 
von denen nur 2 am Leben blieben; bei einem derselben bestand 2 Tage 
lang Glykosurie, während im Harn des anderen nur am ersten Tage 
Spuren von Zucker nachgewiesen wurden. An Kaninchen führte er 
11 mal die Operation aus und hatte nur in 2 Fällen keine Glykosurie 
zu verzeichnen. Auf Grund dieser Ergebnisse gelangt er zu dem Schlüsse, 
dass eine zeitweilige Glykosurie, die bekanntlich bei der Beschädigung 
der sympathischen Halsganglien beobachtet wird, auch nach der Ent¬ 
fernung des Plexus coeliacus beobachtet wird. Die hierbei im Harn 
auftretende Zuckermenge war in den verschiedenen Fällen eine ver¬ 
schiedene: bald wurden nur Spuren, bald beträchtliche Quantitäten 
nachgewiesen. Das Auftreten der Glykosurie lässt sich nach der 
Meinung des Autors einer Gleichgewichtsstörung der Vasomotoren in der 
Leber zuschreiben und erscheint als „der Ausdruck einer tiefgreifenden 
Veränderung des Stoffwechsels“. In demselben Jahre hat derselbe Autor 
zur weiteren Klarstellung der Rolle, die diesem Geflecht zukommt, das¬ 
selbe exstirpiert und hierauf den CI. Bernardschen Stich ausgeführt. 
Im Gegensatz zu Schiff, der unter den gegebenen Umständen keine 
Glykosurie hervorrufen konnte, hatte Lustig ein positives Resultat in 
dieser Hinsicht zu verzeichnen und folgerte hieraus, dass sich der künst¬ 
liche Diabetes auch bei Tieren entwickeln kann, deren Plexus coeliacus 
exstirpiert worden. Weitere Beobachtungen auf diesem Gebiet hat 
Pcipcr ausgeführt. Von den 15 operierten Versuchstieren, denen erden 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 205 


Plexus coeliacus entfernte, blieben 11 am Leben. Alle operierten 
Kaninchen „zeigten am Operationstage die Anzeichen einer scharf aus¬ 
geprägten Depression 14 und nahmen kein Futter zu sich. Unter den 
Ueberlebenden wurde nur bei 3 (Nr. 6, 14, 15) überhaupt kein Zucker 
beobachtet. Bei 2 (Nr. 10, 12) stellte sich die Glykosurie am 1. Tage 
nach der Operation ein; am 2. Tage wurde der Zucker in 3 Fällen 
(Nr. 2, 4, 13) festgestellt, doch muss hier bemerkt werden, dass in 
diesen Fällen am ersten Tage nach der Operation überhaupt kein Harn 
abgesondert wurde, so dass die Glykosurie im Grunde auch hier schon 
am 1. Tage des Auftretens von Harn nach der Operation vorhanden 
war. Dagegen wurde in 2 Versuchen (Nr. 9 und 11) der Zucker am 
3. Tage nach der Operation nachgewiesen, doch auch in diesen Fällen 
handelte es sich um eine Harnverhaltung bei den Tieren, und zwar 
wurde im Fall Nr. 9 am 2., und im Fall Nr. 11 am 1. Tage nach der 
Operation kein Harn ausgeschieden. Endlich wurde in Versuch Nr. 1 
Glykosurie am 16. Tage beobachtet, so dass dieselbe hier doch wohl 
nicht auf die Operation, sondern auf zufällige Umstände zurückzuführen 
ist. Die Zuckermenge war nicht in allen Fällen die gleiche, ebenso wie 
auch die Frist, während welcher der Zucker nachgewiesen werden konnte, 
verschieden war. Nur in einem einzigen Fall (Nr. 4), wo, ausser der 
Entfernung der Ganglien auch die Resektion eines 2 1 / 2 cm langen Stückes 
des N. splanchnicus erfolgt war, trat eine lange währende, anfänglich 
einen intermittierenden Charakter aufweisende Glykosurie ein. Dieselbe 
währte bis zum Tode des Tieres, der nach 4 Wochen erfolgte. Die 
Zuckermenge erreichte in diesem Falle mitunter 4pCt. Ich habe die 
Peiperschen Versuche aus dem Grunde mit solcher Ausführlichkeit be¬ 
sprochen, weil einige Autoren darauf hinweisen, dass die Ergebnisse 
dieser Versuche die Tatsache der Entstehung der Glykosurie nach der 
Entfernung des Plexus coeliacus widerlegen. Lustig hat im Jahre 1891 
wieder eine Arbeit über den Einfluss der Entfernung des Plexus coeliacus 
auf die Entstehung der Glykosurie veröffentlicht; er bestätigt in der¬ 
selben, gestützt auf 10 an Hunden und 6 an Kaninchen angestellte 
Versuche, seine früheren Schlussfolgerungen. Gleichzeitig fand er (auf 
Grund von 20 Versuchen), dass die Durchschneidung des N. splanchnicus 
mitunter eine leichte Glykosurie ergibt, — ein Effekt, der ebenso auch 
durch die Entfernung des Plexus aorticus erzielt wird. Gleichzeitig mit 
Lustig hat Oddi seine die Beobachtungen des ersteren bestätigenden 
Ergebnisse veröffentlicht. Bei 4 Hunden, denen der Plexus coeliacus ent¬ 
fernt worden war, beobachtete er Glykosurie verschiedenen Grades. 
Oddi operierte, im Gegensatz zu Lustig, ohne Anwendung von anti¬ 
septischen Mitteln, um den Verdacht auszuschliessen, dass gerade die 
Reizung des Peritoneums durch diese Mittel eine zeitweilige Glykosurie 
ergibt. Oddi gelangt schliesslich zu dem Resultat, dass die Entfernung 
des Plexus coeliacus eine zeitweilige Glykosurie von verschiedener Stärke 
und von nicht mehr als 2 tägiger Dauer hervorruft. Fast gleichzeitig mit 
den Arbeiten von Lustig und Oddi erschien eine Arbeit von Viola, 
der fand, dass bei der Entfernung des Plexus coeliacus die zeitweilige 
Glykosurie keine beständige Erscheinung ist und vielleicht von durchaus 


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zufälligen, im Moment der Operation gerade bestehenden Bedingungen 
abhängt. Er hat deshalb in seinen Versuchen auch nicht immer eine 
Untersuchung in dieser Richtung angestellt; trotzdem stellt er aber die 
Entstehung der Glykosurie nach der Entfernung des Plexus coeliacus 
in Abrede. 

Oddi setzen die von Viola erhaltenen, den Beobachtungen von 
Lustig, ihm selbst, Munk und Klebs widersprechenden Ergebnisse in 
Erstaunen. Doch auch Lewin und Boer, die den Plexus coeliacus bei 
4 Kaninchen und Klecki, der denselben bei 4 Katzen entfernte, ver¬ 
mochten keine Glykosurie bei ihren Versuchen nachzuweisen. Die Ver¬ 
suchsergebnisse von Klecki erscheinen uns unerklärlich, wenn man die 
Beobachtungen von Böhm und Hoffraann (Fesselungsdiabetes) in Be¬ 
tracht zieht. 

Die Frage von der Veränderung der Zusammensetzung des Harns 
bei der Entfernung des Plexus coeliacus berührt übrigens auch Po- 
pelsky (1903) in seiner Untersuchung über die Physiologie dieses Geflechts. 
Nach seiner Exstirpation hat dieser Forscher keine Glykosurie auftreten 
sehen. Im folgenden Jahre erschien eine Arbeit von Strehl, die der 
Untersuchung des Einflusses von Seiten der Nerven der Bauchhöhle im 
allgemeinen und des Plexus coeliacus im besonderen auf den Puls bei 
Peritonitis gewidmet war. Bei der Besprechung der Physiologie des 
Plexus coeliacus führt Strehl die diesbezügliche Literatur an, in der, 
worauf wir auch schon selbst hingewiesen, einander widersprechende 
Daten anzutreffen sind. So z. B. erwähnt er die Arbeiten von Aldehoff 
und Me ring, die in einigen Fällen nach der Entfernung des Plexus 
coeliacus eine vorübergehende Glykosurie fanden. Nach sorgfältiger 
Prüfung der Schlussfolgerungen aller Autoren gelangt Strehl zur Meinung, 
dass man nach der Entfernung des Plexus coeliacus neben anderen Stö¬ 
rungen der physiologischen Funktionen auch eine zeitweilige Glykosurie 
und sogar Diabetes mellitus beobachten kann. Schliesslich finden wir 
im Jahre 1906 eine Arbeit von Bürger und Churchmann, in der die 
Rolle des Plexus coeliacus und mesentericus beim Abdorainalshock 
untersucht wird. Die genannten Autoren nahmen bei 9 Hunden eine 
Exstirpation vor und untersuchten bei 2 von ihnen den Harn während 
einer Woche, ohne Zucker in demselben nachweisen zu können. Doch 
haben diese Autoren, wie sie selbst äussern, es angesichts der einander 
widersprechenden Angaben der verschiedenen Forscher in der Frage vom 
Einfluss des Plexus coeliacus auf die Entstehung der Glykosurie nicht 
für nötig gehalten, diese Seite der Frage genauer zu untersuchen. Ausser 
den obenerwähnten Versuchen, in denen eine unmittelbare Verletzung des 
sympathischen Nervensystems und insbesondere des Plexus coeliacus, 
vorgenommen wurde, haben einige Autoren, wie z. B. Lustig und die 
Gebrüder Cavazzani Versuche mit der Reizung des Plexus coeliacus 
durch den elektrischen Strom angestellt. Lustig hat hierbei mitunter 
Glykosurie erhalten; diese Erscheinung war aber unbeständig und schnell 
vorübergehend. Die Gebrüder Cavazzani haben bei der Reizung des¬ 
selben Plexus durch den elektrischen Strom eine Hyperglykämie beob- 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 207 


achtet, wobei sie annehmen, dass dieselbe ihre Entstehung einer Ueber- 
produktion von Glukose seitens der Leber verdankt, da infolge der 
Reizung eine Zunahme des Zuckers im Leberblut und eine Abnahme des 
Glykogens in den Leberzellen beobachtet wird. Dieselben Autoren 
weisen darauf hin, dass beim Diabetes nach Exstirpation des Pankreas 
ausser den in der Leber erfolgenden Veränderungen auch noch solche 
im Plexus coeliacus zu verzeichnen sind. Endlich ist noch eine Arbeit 
von Mac-Leod (1908) zu nennen, der fand, „dass eine 30 Minuten 
währende Reizung des N. splanchnicus eine Hyperglykämie hervorruft, 
die bei viele Stunden lang fortgesetzter Reizung ihr Maximum nach etwa 
2 Stunden erreicht. Dasselbe hat auch für die als Begleiterscheinungen 
auftretende Diurese und Glykosurie Geltung. Als Resultat der Reizung 
sind zu verzeichnen: 1. eine sensorische Reizung des Centrums in der 
Medulla, 2. eine vasomotorische Veränderung in der Leber, 3. eine 
Reizung der sekretorischen Fasern, denen die Kontrolle der Glykogenese 
zusteht“. Leider stand mir die Originalarbeit nicht zur Verfügung, so 
dass ich dieselbe nach einem Referat citiere. 

Im Jahre 1909 erschien eine Mitteilung von Gaurelet und Thomas, 
die fanden, dass in der Tat bei Hunden eine 1 / 2 ständige Reizung des 
N. splanchnicus durch einen Induktionsstrom von mittlerer Stärke Hyper¬ 
glykämie und Glykosurie ergibt, während bei entkapselten Tieren nach 
der gleichen Reizung keine Glykosurie auftritt. 

Das ist alles, was ich in der mir zugänglichen Literatur über diese 
Frage habe finden können. Wie ersichtlich, gelangt die Mehrzahl der 
Autoren zu der Schlussfolgerung, dass Verletzungen oder Reizungen der 
verschiedenen Abschnitte des sympathischen Nervensystems Glykosurie 
hervorrufen. 

Zur Nachprüfung dieser Ergebnisse und zur präzisen Klarstellung 
des Charakters der Glykosurie bei Entfernung des Plexus coeliacus habe 
ich bei 3 Hunden die Entfernung dieses Ganglions vorgenommen, wobei 
ich folgende Resultate zu verzeichnen hatte: 

Versuche mit der Entfernung des Plexus coeliacus. 

Versuch I. Schwarzer Hund von 10 kg Körpergewicht. 

18.6. 1912. 100 ccm Harn aufgefangen. Spec. Gew. 1006; der Harn ist fast 
farblos. Kein Zucker. 

19. 6. Unter Morphium- und leichter Chloroformnarkose wurde die Laparotomie 
ausgeführt. Der bequemeren Weiterführung der Operation halber wurde der Längs¬ 
schnitt längs dem Rande des linken M. rectus abdom. geführt; die Gedärme wurden 
aus der Bauchhöhle herausgenommen, der Magen nach oben zurückgezogen. Sodann 
wurde die linke Niere aufgefunden, dio als Orientierungspunkt diente, wonach man 
mit Leichtigkeit die Art. coeliaca und Art. mesenterica superior finden und über ihnen 
durch das Peritoneum hindurch die Gefleobte des sympathischen Systems erblicken 
konnte. Das über der Art. mesenterica superior gelegene Ganglion (Plexus coeliacus) 
wurde exstirpiert. Die Operation währte 20 Minuten. 

Gleich nach der Operation wurden 40 ccm Harn erhalten. Spec. Gew. 1005. 

Weder am Tage der Operation, noch am folgenden wurden irgend welche Spuren 
von Zucker nachgewiesen. 


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Naoh einer Stunde wurden 15 ccm Harn aufgefangen. Spec. Gew. 1017. Deut¬ 
liche Reduktion. Beim Verdünnen von 10 ccm Ham mit 2 ccm essigsaurem Blei zeigte 
der Saccharimeter 0,4 pCt. Zucker. Am folgenden Tage wurden in der Hainesschen 
und Nylandersehen Probe eine deutliche Reduktion festgestellt. 

Nach 2 Stunden wurden 8 ccm Harn erhalten. Spec. Gew. 1020. Sehr scharf 
ausgeprägte Reduktion. Bei Verdünnung von 5 ccm Ham in 5 ccm Wasser zeigte der 
Saccharimeter 1 pCt. Zucker. 

Nach 4 Stunden 18 ccm trüben Harn erhalten. Spec. Gew. 1022. An diesem 
Tage ergaben die Hainessche, Nylandersche und die Worm-Müllersche Probe 
nur Spuren einer Reduktion, während am folgenden Tage eine deutliche Reduktion 
zu verzeichnen war, wobei dieselbe in der Worm-Müllersehen Probe weniger be¬ 
merkbar war als bei den beiden anderen: die Hainessche Probe färbte die obere 
Schicht blau und die untere biassgrün; die Nylandersche Probe gab eine deutliche 
schwarze Färbung der unteren Schicht, während die Worm-Müllersche den Harn 
entfärbte und ihm einen gelblichen Farbenton verlieh. 

Nach 6 Stunden 14 ccm trüben Harn aufgefangen. Spec. Gew. 1017. An diesem 
Tage kaum merkliche und am nächsten Tage deutliche Spuren von Zucker im Harn. 
Auch in diesem Falle wiesen die Hainessche und Nylandersche Probe den Zucker 
deutlicher nach als die Worm-Müllersche. 

20. 6. Um 8 Uhr morgens 170 ccm klaren, strohgelben Harn erhalten. Spec. 
Gew. 1012. An diesem Tage gaben alle 3 Proben auf Zucker ein negatives Resultat, 
am nächsten Tage Spuren einer Reduktion. Um 12 Uhr 165 ccm Ham von fast oliv¬ 
grünem Farbenton gesammelt. Spec. Gew. 1014. Die Hainessche Probe ergab eine 
leichte Veränderung in der Farbe; die Nylandersche und Worm-Müllersche be¬ 
wirkten keinerlei Veränderung; am nächsten Tage färbte die Worm-Müllersche Probe 
die untere Schicht gelblich. Befinden des Hundes zufriedenstellend. 

21. 6. ln 24 Stunden 1000 ccm Harn erhalten. Spec. Gew. 1007. An diesem 
Tage kein Zucker; am nächsten Tage gab die Worm-Müllersche Probe eine Ver¬ 
änderung in der Färbung der unteren Schicht. Befinden des Hundes zufriedenstellend. 
Er erhält nur flüssige Nahrung und frisst viel. 

22. 6. Harnmenge in 24 Stunden 900 ccm. Spec. Gew. 1009. Kein Zucker. 

23.6. Harnmenge in 24 Stunden 1100 ccm. Spec. Gew. 1012. Die Worm- 
Müllersche Probe ergab eine leichte Färbung der unteren Sohicbt, die übrigen Proben 
ein negatives Resultat. Der Hund erhält sein gewöhnliches Futter. 

24. 6. Harnmenge in 24 Stunden 950 ccm. Spec. Gew. 1007. Kein Zucker. 

25. 6. Harnmenge in 24 Stunden 450 ccm. Spec. Gew. 1014. Kein Zucker. 

26. 6. Haramenge in 24 Stunden 790 ccm. Der Harn ist hell, sein spec. Gew. 

1016; er enthält keinen Zucker. 

27.6. Harnmenge in 24 Stunden 950 ccm. Färbung hellgelb. Spec.Gew. 1012. 
Kein Zucker. 

28.6. Harnmenge in 24 Stunden 500 ccm. Spec. Gew. 1017. Die Worm- 
Müllersche Probe gab eine leiche Färbung der unteren Schicht; die anderen Proben 
negativ. 

29.6. Harnmenge in 24 Stunden 650 ccm. Spec. Gew. 1020. Die Worm- 
Müllersche Probe gibt eine leichte Färbung der unteren Schicht; die übrigen Proben 
negativ. 

30. 6. Harnmenge in 24 Stunden 800 ccm. Harn gesättigt. Spec. Gew. 1018. 

Die Worm-Müllersche Probe zeigt scheinbar Spuren von Zucker an. Die übrigen 

Proben, wie auch die Gährungsvorsuche, ergeben ein negatives Resultat. 

1. 7. Harnmenge in 24 Stunden 700 ccm. Spec. Gew. 1016. Reaktion auf Zucker 
wie am Tage vorher. Die Gärungsprobe gab ein negatives Resultat. 

2. 7. Harnmenge in 24 Stunden 850 ccm. Spec. Gew. 1013. Kein Zucker. 

3. 7. Harnmenge.in 24 Stunden 450 ccm. Spec. Gew. 1020. Kein Zucker. 


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lieber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 201) 

4. 7. Harnraenge in 24 Stunden 900 ccm. Spec. Gew. 1017. Die Worm- 
Mü 11 ersehe Probe gab am folgenden Tage eine leichte Gelbfärbung der unteren Schicht. 

5. 7. Der Hund wurde getötet. Sektionsbefund: Bauchhöhle frei; entzündliche 
Erscheinungen und Verlötungen nicht vorhanden. 

Versuch II. Schwarzer, rötlich gesprenkelter junger Hund von G kg Körper¬ 
gewicht. 

9. 7. 1912. GO ccm Harn aufgefangen. Spec. Gew. 1008. Kein Zucker. Nach 
l j o Stunde Laparotomie. Seitlicher Schnitt längs dem Rande des M. rectus abdom. 
Der Plexus coeliacus wurde leicht gefunden und exstirpiert. Irgendwelche Störungen 
wurden hierbei nicht hervorgerufen. Die glatt verlaufende Operation währte loMinuten. 

Gleich nach der Operation kein Harn erhalten. 1 Stunde nach derselben 30 ccm 
trüben Harns erhalten. Spec. Gew. 1042. Deutliche Reduktion. Boi Verdünnung von 
25 ccm Harns mit 2 1 / 2 ccm essigsauren Bleis wies der Saccharimeter 0,3 pCt. Zucker 
nach; Gärungsprobe x / 4 pCt. 

Nach 2 Stunden IG ccm Harn erhalten. Spec. Gew. 1038. Deutliche Reduktion. 
Saccharimeter zeigt 0,4 pCt. Zucker. Gärungsprobe nach 24 Stunden ca. 1 j 2 pCt. 

Nach 4 Stunden 28 ccm trüben Harns erhalten. Spec. Gew. 1037. Deutliche 
Reduktion. Saocharimeter zeigt 0,2 pCt. Zucker; Gärungsprobe ca. J / 4 pCt. Nach 
7 Stunden 17 ccm trüben Harns. Spec. Gew. 1032. Die Hainessche und Worm- 
Mü 11 ersehe Probe ergaben ein negatives Resultat; am Tage darauf ergab die Haines¬ 
sche Probe eine Veränderung der Färbung und ein gelbrotes Sediment, die Worm- 
Mü 11ersehe Probe ein Gelbwerden der Flüssigkeit. 

10. 7. Am Morgen 29 ccm trüben Harns erhalten. Spec. Gew. 1031. An 
diesem Tage ergaben die Hainessche und die Worm-Müllersche Probe eine un¬ 
bedeutende, am folgenden Tage aber eine deutliche Veränderung der Farbe. Tags¬ 
über 45 ccm trüben Harns aufgefangen. Spec. Gew. 1028. Kein Zucker. Beiinden 
des Hundes schlecht. 

11. 7. 95 ccm Harn erhalten. Spec. Gew. 1011. Kein Zucker. Der Hund 
erhält flüssige Nahrung; Befinden schlecht. 

12. 7. 40 ccm etwas trüben Harns erhalten. Spec. Gew. 1014. Die Haines¬ 
sche und Worto-Müllersehe Probe ergaben eine leichte Veränderung in der Farbe. 
Der Hund scheint sich besser zu fühlen. 

13. 7. 30 ccm Harn erhalten. Spec. Gew. 1016. Die Hainessche und Worm- 
Müllersohe Probe ergaben eine leichte Färbung der unteren Schicht. Der Hund 
frisst nicht; er trinkt nur Wasser. 

14. 7. Tags ging der Hund ein. Sektionsbefund: eiterige Peritonitis. 

Versuch III. Grauer Hund von 8,35 kg Körpergewicht. 

17. 7. 1912. 50 ccm gesättigten Harn herausgelassen. Spec. Gew. 1040. Kein 
Zucker. Laparotomie. Plexus coeliacus leicht gefunden und entfernt, wobei eine 
Blutung erhalten wurde, die wir zuerst vermittelst der Torsionspinzette und sodann 
durch Anlegen einer ausser dem blutenden Gefässe wahrscheinlich zugleich auch 
Aeste des Sympathicusgeflechts erfassenden Ligatur stillten. Die Operation dauerte 
15 Minuten. 

Mit etwas Verspätung erhielten wir 10—15 Minuten nach der Operation 15 ccm 
Harn. Spec. Gew. 1032. Sehr scharf ausgeprägte Reduktion. Bei Verdünnung von 
einem Teil Harn mit einem Teil Wasser zeigte der Saccharimeter 1,5 pCt. Zucker; 
Gärungsprobe nach 6 Stunden ergab mehr als 1 pCt. Nach 1 Stunde 30 ccm Harn 
erhalten. Spec. Gew. 1038. Eine sehr grosse Zuckermenge nachgewiesen: der Sacchari¬ 
meter zeigte G pCt; Gärungsprobe bei Verdünnung 1 Teiles Harns mit 6 Teilen 
Wasser nach G Stunden 1 pCt. Nach 2 Stunden 20 ccm hellen klaren Harns erhalten. 
Spec. Gew\ 1040. Derselbe enthält eine sehr grosse Zuckermenge. Der Saccharimeter 


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zeigte 9,5 pCt.; Gärungsprobe bei Verdünnung 1 Teiles Harn mit 8 Teilen Wasser 
mehr als 1 pCt. Nach 4 Stunden 30 ccm Ham. Spec. Gew. 1052. Sehr viel Zucker. 
Mit dem Saccharimeter 7 pCt. nachgewiesen; Gärungsprobe bei Verdünnung von 
1 Teil Harn mit 6 Teilen Wasser ca. 4 pCt. Naoh 6 Stunden 19 ccm trüben Harns 
aufgefangen. Spec. Gew. 1050. Sehr viel Zucker. Der Saccharimeter zeigte 5,2 pCt. 
Zucker; Gärungsprobo bei Verdünnung von 1 Teil Harn mit 5 Teilen Wasser 
ca. 3 / 4 pCt. 

18. 7. Um 12 Uhr mittags 70 ccm gesättigten Harns erhalten. Spec. Gew. 1054. 
Nach dem Kochen desselben und seiner Fällung mit essigsaurem Blei ergab die 
Hainessche Probe eine geringfügige Veränderung der Farbe; die Worm-Müllersche 
Probe ergab Gelbfärbung. Die Hainessche Probe gab mit unverdünntem Harn eine 
deutliche Veränderung der Farbe. Gärungsprobe ca. J / 4 pCt. Zucker. 

19. 7. ln 24 Stunden 100 ccm trüben gesättigten Harns aufgefangen. Spec. 
Gew. 1042. Deutliche Reduktion. Saccharimeter zeigt 0,2 pCt.; Gärungsprobe ergibt 
nach 24 Stunden ca. */ 4 pCt. Zucker. Der Hund erhält flüssige Nahrung. 

20. 7. In 24 Stunden 300 ccm trüben gesättigten Harns gesammelt. Spec. 
Gew. 1030. Deutliche Reduktion. 

21. 7. In 24 Stunden 500 ccm Ham erhalten. Spec. Gew. 1018. Die Worm- 
Müllersche Probe ergab eine recht starke Färbung; die Hainessche und die Gärungs¬ 
probe ein negatives Resultat. Der Hund erhält das gewöhnliche Futter. 

22. 7. In 24 Stunden 550 com hellgelben Harns erhalten. Spec. Gew. 1015. 
An diesem Tage kein Zucker in demselben enthalten; am folgenden Tage ergaben die 
Hainessche und die Worm-Müllersche Probe eine gelbe Färbung der unteren 
Schicht. 

23. 7. In 24 Stunden 500 ccm hellgelben Harns gesammelt. Spec. Gew. 1016. 
An diesem Tage sind keine Spuren von Zucker nachweisbar; am folgenden Tage ergab 
die Hainessche Probe eine Gelbfärbung der unteren Schicht. 

24. 7. ln 24 Stunden 600 ccm Harn erhalten. Spec. Gew. 1020. Kein Zucker. 

25. 7. In 24 Stunden 330 ccm Ham aufgefangen. Spec. Gew. 1015. Die 
Hainessche und Worm-Müllersche Probe ergaben eine gelbliche Färbung der 
unteren Schicht. 

26. 7. In 24 Stunden 300 ccm Harn aufgefangen. Spec. Gew. 1030. Die gleiche 
Färbung. 

27. 7. Harnmenge 450 ccm. Spec. Gew. 1028. Kein Zucker. 

28. 7. 500 ccm Harn aufgefangen. Spec. Gew. 1025. Die Hainessche und 
Worm-Müllersche Probe ergaben am folgenden Tage eine Veränderung der Farbe 
der unteren Schicht. 

29. 7. 400 ccm Harn gesammelt. Spec. Gew. 1022. Kein Zucker. 

30.7 . 600 ccm Harn aufgefangen. Spec. Gew. 1030. Die Hainessche und 
Worm-Müllersche Probe ergaben eine Veränderung (Gelbwerden) in der Färbung 
der unteren Schicht, während die Gärungsprobe negativ ausfiel. 

31. 7. Aufgefangene Harnmenge 450 ccm. Spec. Gew. 1028. Die Hainessche 
und Worm-Müllersche Probe ergaben eine Veränderung der unteren Schicht; 
Gärungsprobe negativ. 

1. 8. Harnmenge 650 ccm. Spec. Gew. 1024. Kein Zucker. 

2. 8. Der Hund wurde getütet. Sektionsbefund: Bauchhöhle frei; entzündliche 
Prozesse und Verlütungen nicht vorhanden. Es gelang nicht, die Stelle der Ligatur 
zu finden. 

Somit haben wir 3 Versuche angestellt, in denen wir uns bemühten, 
den Plexus coeliacus zu exstirpieren. Die beiden ersten Versuche 
ergaben fast gleiche Resultate: Bald nach der Operation stellte sich 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 211 

Glykosurie ein, deren Spuren auch noch am folgenden Tage vorhanden 
waren. Im ersten Versuche war gleich nach der Operation kein Zucker 
ira Harn nachzuweisen; nach 1 Stunde waren ca. 0,4 pCt, nach 2 Stunden 
1 pCt. und nach 4—6 Stunden und am folgenden Tage Spuren desselben 
vorhanden. Im zweiten Versuche wurde gleich nach der Operation kein 
Ham erhalten; nach 1 Stunde erwiesen sich fast 0,3 pCt. Zucker in ihm; 
nach 2 Stunden 0,4 pCt. nach 4 Stunden 0,2 pCt. und sodann nur Spuren 
von Zucker, die auch am folgenden Tage noch nachweisbar waren. Im 
dritten Versuche, wo wir ausser der Exstirpation des Plexus coeliacus 
auch noch die Ligatur eines blutenden Gefässes ausführen mussten, 
beobachteten wir eine sehr scharf ausgeprägte und viel länger andauernde 
Glykosurie, und zwar erhielten wir gleich nach der Operation 3 pCt. 
Zucker, nach 1 Stunde 7 pCt., nach 2 Stunden 972 pCt.; sodann sinkt 
die Zuckermenge ebenso wie in den beiden vorhergehenden Versuchen 
allmählich, und zwar beträgt sie nach 4 Stunden 7 pCt., nach 6 Stunden 
5,2 pCt., am folgenden Tage l / A pCt., am 3. Tage 0,2 pCt., und am 
4. Tage sind noch deutliche Spuren von Zucker vorhanden. Ferner 
beobachteten wir in allen Versuchen eine zeitweilige Veränderung der 
Farbe des Harns bei der Hainesschen und Worm-Müllerschen Reaktion, 
die grösstenteils am folgenden Tage verzeichnet wurde; diese Ver¬ 
änderungen waren jedoch so geringfügig, dass wir uns nicht entschliessen 
können, dieselben als Anzeichen der Gegenwart von Zuckerspuren gelten 
zu lassen. 

Durch die Ergebnisse dieser unserer Versuche werden die Beob¬ 
achtungen derjenigen Autoren, die nach Verletzungen oder Reizung ver¬ 
schiedener Abschnitte des sympathischen Nervensystems Glykosurie auf- 
treten sahen, bestätigt. Insbesondere vermerken wir das in die Augen 
springende Zusammenfallen der von uns erhaltenen Ergebnisse mit denen 
der Versuche von Eckhard, Suchanow, Oddi, Mac-Leod, sowohl im 
Sinne des zur Entwicklung des Maximums der Glykosurie erforderlichen 
Zeitraumes (gegen 2 Stunden seit dem Momente des Beginnens der 
Reizung), als auch was die Dauer ihres Verlaufes (gegen 2 Tage) an¬ 
belangt. 

Ferner unternahmen wir es, zur Aufklärung der Frage, ob die 
Glykosurie vorzugsweise auf die Reizung der Aeste des sympathischen 
Nervensystems zurückzuführen ist, oder ob bei ihrer Entstehung auch 
dem N. vagus eine Rolle von Bedeutung zukommt — da er ja auch die 
Bauchorgane innerviert und Fasern von verschiedener Funktion aufweist—, 
einige untenstehend beschriebene Versuche anzustellen. Wir resezierten 
beide Vagusstämme oberhalb des Diaphragmas, doch unterhalb der Stelle, 
wo sich die zu den Lungen und dem Herzen gehenden Aeste abzweigen, 
damit die Tätigkeit dieser Organe ungestört bliebe und der Zustand des 
Tieres ein Fortführen des Versuches zuliesse. Wir exstirpierten nämlich 
nach Ablauf einer gewissen Zeit den Plexus coeliacus. 

Versuch 1. 9. 8. 1912. Scheckiger Hund von 21 kg Körpergewicht. Vor der 
Operation 50 ccm trüben gesättigten Harns aufgefangen. Speciüsches Gewicht 1040. 
Nach dem Filtrieren wurde bei der Hainesschen Probe eine Farbenveränderung, und 


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zwar eine dunkelgrüne Färbung erhalten, während die Nylandersche Probe keine 
Veränderung ergab. 

Die Operation währte 30 Minuten. Vor allem wurde die Tracheotomie ausge¬ 
führt und die Canüle mit dem Lindemannschen Apparat, durch den Luft unter 
einem gewissen Druck in die Lungen gepumpt wird, verbunden. Das Tier hat activ 
nur die eintretende Luft wieder auszuatmen. Mit Hilfe dieses Apparates wird das 
Zusammenfallen der Lungen nach der Eröffnung der Brusthöhle vermieden, wobei 
die während der Operation eingetretene Luft nach der Schliessung der Thoraxwunde 
schnell resorbiert wird. Sodann wurde ein viereckiger Hautmuskellappen, dessen 
Basis an der Wirbelsäule gelegen war, herausgeschniiten, die IX. und X. Rippe re- 
seciert und die Pleurahöhle eröffnet. Die Speiseröhre wurde mit Hilfe eines Fingers 
in die Wunde hineingezogen und an ihr mit Leichtigkeit der linke und rechte Stamm 
des N. vagus gefunden und durchschnitten. Die Brusthöhle wurde durch Nähte völlig 
verschlossen. Nach der Operation sind in der Atmung des Tieres keinerlei Störungen 
zu bemerken, und das Allgemeinbefinden desselben ist gut. Sofort nach der Ope¬ 
ration wurden 4 ccm trüben Harns aufgefangen. Reaction auf Zucker wie vor der 
Operation. 

Nach 1 Stunde kein Harn erhalten. Nach 3 Stunden 5 ccm Harn gesammelt. 
Kein Zucker. Nach 6 Stunden kein Harn erhalten. Nach 8 Stunden kein Harn. Es 
traten Krämpfe in den Extremitäten auf. 

In der Nacht auf den 10. August ging das Tier ein. Sectionsbefund: Bauch- 
und Brusthöhle frei. Beide Vagusstämme und die sie verbindende Anastomose sind 
durchschnitten. 

Versuch 11. 17.9. 1912. Schwarzer Hund von 15 kg Körpergewicht. Vor der 
Operation 190 ccm etwas trüben Harns von strohgelber Farbe aufgefangen. Speci- 
fisches Gewicht 1042. Kein Zucker. 

Die Operation dauerte 35 Minuten. Resection der X. und XI. Rippe. Durch¬ 
schneidung beider Vagusstämme und der Anastomose. Während der Operation fiel 
die den Luft jn die Lungen des Versuchstieres hineinpumpenden Apparat mit der 
Canüle verbindende Röhre heraus. Sofort traten die Anzeichen von Asphyxie und 
Krämpfe auf. Nach der Operation verstärkten sich die Krämpfe bis zum Opisthotonus. 
Man war gezwungen, die Canüle einzuführen und Luft in die Lungen hineinzupressen, 
wonach das Tier besser zu atmen begann und die Krämpfe abnahmen, obwohl sie 
immer noch stark waren. 

Gleich nach der Operation 3 ccm Harn erhalten, der in der Hainesschen und 
Ny 1 an d er sehen Reaction eine deutliche Reduction ergab. 

Nach 1 Stunde 2 ccm Harn aufgelängen, der auch eine sehr scharf ausgeprägte 
Reduction ergab. Die Krämpfe dauern fort. Nach 3 Stunden 20 ccm trüben hell¬ 
gelben Harns erhalten. Specilisches Gewicht 1052. Die Reactionen auf Zucker er¬ 
geben eine noch schärfer ausgeprägte Färbung als früher. Die Krämpfe dauern fort. 
Nach 5 Stunden 15 ccm trüben Harns aufgefangen. Specilisches Gewicht 1050. Die 
Harnuntersuchung ergab eine sehr starke Reduction. Die Krämpfe dauern fort. 

18. 9. Harn weder morgens noch tagsüber erhalten. Der Käfig ist trocken. 
Keine Krämpfe. Allgemeinzustand des Tieres unbefriedigend. 

ln der Nacht auf den 19. 9. ging das Tier ein. Sectionsbefund: Blase leer. In 
der Brusthöhle an der Stelle der Operation blutige Flüssigkeit. Beide Vagusstämme 
und die Anastomose durchschnitten. 

Versuch III. 22. 9. 1912, Weisser Hund von 14,2 kg Körpergewicht. Vor der 
Operation 200 ccm gesättigten etwas trüben Harns gesammelt. Specilisches Gewicht 
104<>. Kein Zucker. 

Dauer der Operation 25 Minuten. Resection der X. und XL Rippe. Durch- 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 213 

schneidung der Stämme und der Anastomose der N. vagi. Gleich nach der Operation 
treten Asphyxieerscheinungen und Krämpfe auf. 

Gleich nach der Operation 5 ccm strohgelben Harns erhalten. Specifisches Ge¬ 
wicht 1054. Die Hainesscho und Nylandersche Reaction ergeben eine scharf aus¬ 
geprägte Reduction. Nach 1 Stunde 2 ccm Harn aufgefangen, dessen Untersuchung 
auf Zucker eine scharf ausgeprägte Reduction ergibt. Nach 2 Stunden kein Harn er¬ 
halten. Die Krämpfe dauern fort. 

Nach 4 Stunden 15 ccm trüben Harns aufgefangen. Specifisches Gewicht 1050. 
Bei den Reactionen auf Zucker scharf ausgeprägte Reduction. Die Krämpfe dauern fort. 
Naoh 6 Stunden 20 ccm Harn erhalten. Specifisches Gewicht 104S. Scharf aus¬ 
geprägte Reduction. Die Krämpfe dauern fort. 

23. 9. 85 ccm hellgelben Harns aufgefangen. Specilisches Gewicht 1025. Die 
Hainessohe, Nylandersche und Worm-Müllersche Reaction ergeben auch am 
folgenden Tage keine Veränderung der Färbung. Keine Krämpfe. Tagsüber noch 
350 ccm keinen Zucker enthaltenden Harns erhalten. Abends ist das Allgemeinbe¬ 
finden des Tieres schlecht. 

In der Nacht auf den 24. 9. ging das Tier ein. Sectionsbefund: Bauch- und 
Brusthöhle frei. Beide Stämme und die Anastomose des N. vagus sind durchschnitten. 

Versuch IV. 27.9. 1912. Hellgelber Hund von 13 kg Körpergewicht. Vor der 
Operation 40 com gesättigten klaren Harns aufgefangen. Spec. Gew. 1050. Die 
Hainessche und Nylandersche Probe ergaben eine leichte Veränderung in der 
Färbung. Die Operation wurde nach dem oben klargelegten Plane ausgeführt. Bei 
der Operation war man gezwungen, den Magen sehr weit in die Bauchwunde hinein¬ 
zuziehen, um die Speiseröhre gut unterbinden zu können. Nach der Unterbindung 
wurde die Speiseröhre zwischen 2 Ligaturen durchschnitten. Während aller dieser 
Manipulationen atmete der Hund schlecht. 

Gleich nach der Operation wurde kein Harn erhalten. 

Nach 1 Stunde 8 ccm trüben Harns aufgefangen. Spec. Gew. 1052. Haines¬ 
sche und Nylandersche Reaktion ergaben die gleiche Veränderung in der Färbung, 
wie vor der Operation. Nach 2 Stunden 10 ccm trüben Harns erhalten. Spec. Gew. 
1058. Hainessche und Nylandersohe Reaktion ergaben keinerlei Hinweis auf die 
Gegenwart von Zucker. Nach 3 Stunden 5 com trüben Harns erhalten. Spec. Gew. 
1050. Kein Zucker. 

Hierauf beschlossen wir den Plexus coeliacus zu exstirpieren, wobei wir die 
A. mesenterica sup. verwundeten. Starke Blutung. 

1 Stunde nach dieser zweiten Operation 8 ccm trüben Harns erhalten. Kein 
Zucker. Am nächsten Tage eine nur wenig bemerkbare Veränderung in der Farbe des 
Harns. Nach 2 Stunden 2 ccm Harn aufgefangen. Die Hainessche und Nylander- 
scheProbe ergaben am folgenden Tage deutlicheSpuren einer Reduktion. 2 l / 2 Stunden 
nach der zweiten Operation ging der Hund ein. Sektionsbefund: Harnblase leer. Blut¬ 
erguss in die Bauchhöhle. 

Versuch V. 2. 10. 1912. Rotbrauner Hund von 13 kg Körpergewicht. 

Vor der Operation 35ccm klaren Harns von grünlicher Farbe erhalten. Spec. Gew. 
1009. Kein Zucker. Die H ai n e s sehe Reaktion bewirkte eine leichte Entfärbung der Lösung. 

Operation, wie im Versuch IV. Dauer derselben 9 Minuten. 

Gleich nach der Operation kein Harn erhalten. 

Nach 1 Stunde 7 ccm klaren gesättigten Harns aufgefangen. Spec. Gew. 1024. 
Kein Zucker. Nach 2 Stunden 10 ccm etwas trüben gesättigten Harns erhalten. Spec. 
Gew. 1022. Kein Zucker. 

Hierauf wurde der Plexus coeliacus exstirpiert, wobei keinerlei Störungen ver¬ 
ursacht wurden. 


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1 Stunde nach dieser zweiten Operation wurden 6 ccm trüben Harns erhalten. 
Die Hainessohe Reaktion ergab eine sehr grell orange, die Nylan der sehe eine 
dunkle Färbung (deutliche Reduktion). Nach 3 Stunden 30 ccm trüben Harns aufge¬ 
fangen. Spoc. Gew. 1042. Deutliche Reduktion. Beim Verdünnen von 25 ccm Harn 
mit 2 1 /* ccm essigsauren Bleis zeigte der Saccharimeter 0,3 pCt. Zucker; dieGährungs- 
probe ergab */ 4 pCt. Nach 4 Stunden ging der Hund ein. Sektionsbefund: Bluterguss 
in die Bauchhöhle. Die Ligatur von der Speiseröhre abgeglitten. 

Auf Grund dieser Versuche kann gefolgert werden, dass die Durch¬ 
trennung der Vagusstämme keine stark ausgeprägte Glykosurie hervor¬ 
ruft, in den Versuchen I, IV und V gelangte keine Reduktion zur Beob¬ 
achtung, während wir in den Versuchen II und III scheinbar entgegengesetzte 
Daten finden. Doch wenn wir unsere Aufmerksamkeit einerseits auf die 
in diesen beiden Versuchen erhaltenen Resultate des operativen Eingriffs, 
d. h auf die von Krämpfen begleiteten Asphyxieerscheinungen, wodurch 
bekanntlich stets Glykosurie hervorgerufen wird, richten, und anderseits 
die in den übrigen Versuchen erhaltenen Ergebnisse in Betracht ziehen, 
wo derartige Erscheinungen nicht vorhanden waren, so erweist es sich, 
dass man keinen hinreichenden Grund dazu hat, in diesen Fällen (II, III) 
die so beträchtliche Zuckerausscheidung in unmittelbare Abhängigkeit von 
der Durchschneidung der Vagusstämme zu bringen. 

Ein hervorragendes Interesse beansprucht Versuch V, wo nach der 
Durchschneidung der Speiseröhre mit den Vagusstämraen während 
2 Stunden nach der Operation keine Glykosurie vorhanden war, wo aber 
nach der Exstirpation des Plexus coeliacus Glykosurie eintrat, obschon 
von einer Einwirkung der Verletzung der Aeste des N. vagus doch keine 
Rede mehr sein konnte. 

Schwächer ausgeprägt bestand dasselbe Bild auch in Versuch IV. 

Wenn wir nun alle auf Grund unserer sämtlichen Versuche erhal¬ 
tenen Ergebnisse zusammenfassen, so gelangen wir zu der Schlussfolge¬ 
rung, dass die nach der Entfernung des Plexus coeliacus auftretende 
Glykosurie ausschliesslich auf die Wirkung der traumatischen Reizung 
des sympathischen Nervensystems zurückzuführen ist. 

Schlussfolgerungen. 

1. Eine Verletzung oder irgend eine Reizung des Plexus coeliacus 
ruft nicht nur eine schnell vorübergehende, sondern auch eine andauernde 
Glykosurie hervor. 

2. Beim Diabetes erkrankt primär der Plexus coeliacus und erst 
secundär entwickeln sich Veränderungen in den Langerhansschen Insel¬ 
chen des Pankreas. 

3. Die beim Diabetes im Blut kreisenden unbekannten Agentien 
afficieren das Centralnervensystera ohne bestimmte Prädilektion des einen 
oder anderen funktionell, anatomisch und embryologisch unterschiedenen 
Abschnittes desselben. 

4. Die Afifektion des Centralnervensystems ist beim Diabetes auf 
die parenchymatösen Teile beschränkt. 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 215 


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lieber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 217 


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218 


P. Zagorowsky 


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Gougle 


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Ueber die gegenseitigen Beziehungen zwischen Nervensystem u. Zuckerkrankheit. 221 


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(Russisch.) 


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VIII. 


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Aus der Kgl. medizinischen Universitäts-Poliklinik zu Halle a. S. 
(Direktor: Prof. Dr. Mohr). 

Ueber Lipoidverfettung. 

(Eine kritisch experimentelle Studie.) 

Von 

Dr. Hermann Jastrowitz, 

Assistenten der Poliklinik. 

(Schluss.) 


Versuchsprotokolle. 
Erster Normalhund. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 
Im Mittel: 


Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz, 
a) 8,12 g feuchter Substanz, b) 7,11 g feuchter Substanz 
a) 1,7514 g * * b; 1,5112 g * 

21,25 pCt. und 21,57 pCt. 

21,41 pCt. Trockensubstanz. 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 100 g Blut, lufttrocken extrahiert, entsprechend 21,41 g Trocken¬ 
substanz. 

Gefunden: 0,3036 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 1,42 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,3036 g Lipoidextrakt in 50 ccm Aether gelöst, je 25 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 5,5 und 5,6, im Mittel 
5,55 ccm Vs’Normal-Natronlauge, entsprechend 0,003122 g P. 

Gefunden: In 0,3036 g Lipoidextrakt 0,006244 g ätherlöslichcr P. 

Hieraus berechnet: 0,029 pCt. ätherlöslicher Phosphor in der Trockensubstanz und 
0,21 pCt. im Lipoidextrakt. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 3,75 pCt. im Lipoidextrakt und 0,76 pCt. in der 
Trockensubstanz. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Im Mittel: 
Gefunden: 


Leber. 

Leber, Rohgewicht 195,0 g. 
Bestimmung der Trockensubstanz. 
Je 10,0 g feuchter Substanz, 
a) 2,2897 g, b) 2,2831 g. 

2,2868 g. 

22,87 pCt. Trockensubstanz. 


N - B e s t i m m u n g. 

Die getrocknete Substanz 4.564 g kjeldahlisiert und auf 500 ccm aufgefiillt. 
100 ccm verbrauchten 33,8 und 33.9, im Mittel 33,85 VV-Normal-Schwefelsäure, ent¬ 
sprechend 0,09578 g N. 

Gefunden: 0,4789 g N. 

Hieraus berechnet: 10,49 pCt. N. 


Angewandt: 
Gefunden: 

Im Mittel: 


Hieraus berechnet: 


F e 11 b e s t i m m u n g. 

Je 10,0 g frischen Organes. 

a) 0,5113 g Petrolätherextrakt, b) 0,5134 g Petrolätherextrakt, 
a) 0,0523 g Unverseifbares, b) 0,0495 g Unverseifbares. 

0,5124 g Petrolätherextrakt, 

0,0509 g Unverseif bares. 

0,4615 g Fettsäuren. 

22,48 pCt. Petrolätherextrakt | 

2.23 . Unvcrseifbarcs J in der Trockensubstanz. 

20,25 „ Fettsäuren I 


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Ueber Lipoid Verfettung. 


223 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 75 g frischen Organes, die lufttrocken extrahiert wurden, ent¬ 
sprechend 17,11 g Trockensubstanz. 

3,8628 g Lipoidextrakt. 

22,58 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 3,8628 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, 
nach Neu mann verascht, je 100 ccm verbrauchten 6,2 und 6,0, 
im Mittel 6,1 l / 2 -^ orma l-Natronlauge, entsprechend 0,003432 g P. 
0,0136 g ätherlöslicher P in 3,8628 g Lipoidextrakt. 

0,35 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,079 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 2,06 pCt. in der Trockensubstanz und 9,11 pCt. 
in dem Lipoidextrakt. 


Hieraus 


Hieraus 


Gefunden: 
berechnet: 


Gefunden: 

berechnet: 


Herz. 

Rohgewicht 62,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 5,0 g feuchter Substanz. 

Gefunden: 1,3439 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 26,88 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Angewandt 1,3439 g Trockensubstanz, kjcldahlisiert, auf 100 ccm aufgefüllt. Je 
25 ccm verbrauchten 15,1 und 15,1, im Mittel 15,1 Vs-Normal-Schwefelsäure, ent¬ 
sprechend also 0,0423 g N. 

Gefunden: 0,1692 g N. 

Hieraus berechnet: 12,31 pCt. N in der Trockensubstanz. 


Angewandt: 
Gefunden: 


Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 

Somit: 


Fcttbestimraung. 
15,0 g feuchter Substanz, 
a) 0,2949 g Petrolätherextrakt, 
a) 0,0409 g Unverseifbares, 
a) 0,2540 g Fettsäuren, 

0,2533 g Fettsäuren. 

0,0408 g Unverseifbares. 

9,42 pCt. Fettsäuren. 

1,52 pCt. Unverseifbares. 

10,94 pCt. Petrolätherextrakt. 


b) 0,2937 g Petrolätherextrakt, 
b) 0,0406 g Unverseifbares. 
b) 0,2525 g Fettsäuren. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 
Im Mittel: 


Angewandt: 

Gefunden: 


Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 

Somit: 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Zweiter Normalhund. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz, 
a) 11,23 g feuchter Substanz, b) 6,64 g feuchter Substanz, 

a) 2,4224 g Trockensubstanz, b) 1,4519 g Trockensubstanz. 

21,57 pCt. und 21,87 pCt. Trockensubstanz. 

21,72 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbestimmung. 

Je 25,0 g feuchter Substanz. 

a) 0,0528 g Petrolätherextrakt, b) 0,0514 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0180 g Unverseifbares, b) 0,0175 g Unverseifbares. 

a) 0,0348 g Fettsäuren, b) 0,0339 g Fettsäuren. 

0,0344 g Fettsäuren und 0,0178 g Unverseifbares. 

0,65 pCt. Fettsäuren. 

0,33 „ Unverseifbares. 

0,98 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

90,0 g feuchter Substanz. 

0,3341 g Lipoidextrakt. 

1,71 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,3341 g Lipoidextrakt auf 100 ccm mit Aether auf¬ 
gefüllt, je 50 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 5,5 
und 5,4, im Mittel 5,5 ccm ^»-Normal-Natronlauge, entsprechend 
0,0030965 g P. 


Digitized b' 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




224 


Hermann Jastro witz, 


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(icfundcn: In 0,3341 g Lipoidextrakt 0,0062 g ätherlöslicher P. 
Hieraus berechnet: 1,86 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,032 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 48,44 pCt. für den Lipoidextrakt und 

0,83 „ „ die Trockensubstanz. 


Leber. 

Leber, Rohgewicht 125,0 g. 


Angewandt: 
(iefunden: 
Hieraus berechnet: 


Bestimmung der Trockensubstanz. 
10,0 g feuchter Substanz. 

2,6387 g. 

26,39 pCt. Trockensubstanz. 


N - B e s t i m m u n g. 

Die getrocknete Substanz, 2,6387 g, kjeldahlisiert und auf 300 ccm aufgefüllt. 
100 ccm verbrauchten 36,4 und 36,3, im Mittel 36,4 1 -Normal-Schwefelsäure, ent¬ 
sprechend 0,10145 g N. 

Gefunden: 0,3044 g X. 

Hieraus berechnet: 11,54 pUt. X. 


Angewandt: 
(iefunden: 

Somit: 
Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


F e 11 b e s t i m m u n g. 

.Ie 10,0 g frischen Organes. 

a) 0,3650 g Petrolätherextrakt, b) 0,3672 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0376 g Unverseifbares, b) 0,0405 g Unverseifbares. 

a) 0,3274 g Fettsäuren, b) 0,3267 g Fettsäuren. 

0,3271 g Fettsäuren und 0,03919 g Unverseifbares. 

12,40 pCt. Fettsäuren. 

1,48 „ Unverseifbares. 

13,88 „ Petroliithcrextrakt. 


Hieraus 


Hieraus 


Angewandt: 

Gefunden: 

berechnet: 


P h o s p h a t i d b e s t i m m u n g. 

50,0 g des feuchten Organes, die lufttrocken extrahiert wurden, 
entsprechend 13,19 g Trockensubstanz. 

2,6581 g Lipoidextrakt. 

20,15 pUt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,6581 g mit Aether auf 100 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 
nach Neu mann verascht verbrauchten 5,4 und 5,4, im Mittel 
5,4 ccm 1 -Normal-Natronlauge, entsprechend 0,00304 g P. 

0,0061 g ätherlöslicher P in 2,6581 g Extrakt. 

0,23 pUt. ätherlöslicher P in dem Lipoidextrakt und 
0.046 pUt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 5,99 pUt. Lecithin im Lipoidextrakt und 

1,20 „ „in der Trockensubstanz. 


Gefunden: 
berechnet: 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 
Im Mittel: 


Herz. 

Rohgewicht 30,5 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz, 
a) 10,15 g feuchter Substanz, b) 10,07 g feuchter Substanz, 
a) 2,8715 g > „ b) 2,8609 g 

28,29 p('t. und 27,76 pUt. 

28,03 „ Trockensubstanz. 


Angewandt: 
Gefunden: 


Hieraus berechnet: 

Somit: 


Fcttbcstimm ung. 
10,0 g feuchter Substanz. 

0,6082 g Petrolätherextrakt. 
0,1944 g Unverseifbares. 

0,4138 g Fettsäuren. 

14,76 pUt. Fettsäuren. 

6,94 „ Unverseifbares. 

21,70 „ Petrolätherextrakt. 


Gck igle 


Original fro-m 

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Ueber Lipoidverfettung. 


225 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 20,22 g des feuchten Organes, die lufttrocken extrahiert wurden, 
entsprechend 5,668 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 1,6350 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 28,85 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,6350 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm auf- 
gefüllt, nach Neu mann verascht, 100 ccm verbrauchten 5,9 
und 5,8, im Mittel 5,9 ‘/.»-Normal-Natronlauge, entsprechend 
0,003321 g P. 

Gefunden: 0,0066 g ätherlöslicher P in 1,635 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 0,40 pCt. ätherlöslicher P in dem Lipoidextrakt und 
0,12 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 3,13 pCt. in der Trockensubstanz und 

10,41 „ r dem Lipoidextrakt. 

Dritter Normalhund. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensi|bstanz. 

Angewandt: 11,60 g feuchter Substanz. 

Gefunden: 2,2520 g. 

Hieraus berechnet: 19,41 pCt. Trockensubstanz. 

F e 11 b e s t i m m u n g. 

Angewandt: Je 50,0 g feuchter Substanz. 

Gefunden: a) 0,1876 g Petrolätherextrakt, b) 0,1901 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0720 g Unverseifbares, b) 0,0729 g Unverseifbares. 

a) 0,1156 g Fettsäuren, b) 0,1172 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1164 g Fettsäuren und 0,0725 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 1,20 pCt. Fettsäuren und 0,75 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
1,95 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 100,0 g feuchter Substanz, lufttrocken extrahiert, entsprechend 
19,41 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 0,5904 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 3,04 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,5904 g Lipoidextrakt auf 100 ccm Aether aufge- 
fiillt, je 50 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 7,3 
und 7,3, im Mittel 7,3 ccm ‘/»"Normal-Natronlauge, entsprechend 
0,004110 g P. 

Gefunden: In 0,5904 g Lipoidextrakt 0,0082 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,42 pCt. ätherlöslicher P in der Trockensubstanz und 
1,39 pCt. in dem Lipoidextrakt. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 36,20 pCt. in dem Lipoidextrakt und 

0,94 „ in der Trockensubstanz. 

Leber. 

Leber, Rohgewicht 221,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 5,0 g feuchte Substanz. 

Gefunden: 1,3056 g. 

Hieraus berechnet: 26,11 pCt. Trockensubstanz in der Leber. 

N - B e s t i m m u n g. 

Die getrockneten 1,3056 g kjcldahiisicrt und auf 300 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 

verbrauchten 8,3 und 8,4, im Mittel 8,4 ccm ‘/^-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 

0,2352 g N. 

Gefunden: 13,92 g N. 

Hieraus berechnet: 10,G6 pCt. N in der Trockensubstanz. 


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226 


Hermann Jastrowitz, 


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Angewandt: 
Gefunden: 

Somit: 
Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Angewandt: 

Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 

Gefunden: 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Angewandt: 

Gefunden: 


Hieraus berechnet: 


Angewandt: 

Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Fettbestimmung. 

Je 5,0 g frischen Organes zur Bestimmung, 
a) 0,1853 g Petrolätherextrakt, b) 0,1826 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0347 g Unverseifbares, b) 0,0329 g Unverseifbares. 

a) 0,1506 g Fettsäuren, b) 0,1497 g Fettsäuren. 

0,1502 g Fettsäuren und 0,0338 g Unverseifbares. 

11.50 pCt. Fettsäuren. 

2,59 „ Unverseifbares. 

14,09 „ Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

50,0 g frischer Substanz, lufttrocken extrahiert, entsprechend 
13,055 g Trockensubstanz. 

2,6759 g Lipoidextrakt. 

20.50 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,6759 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm auf- 
gefüllt, je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 19,6 
und 19,5, im Mittel 19,6 ccm V 2 -Normal-Natronlauge, ent¬ 
sprechend 0,01103 g P. 

In 2,6759 g Lipoidextrakt 0,02206 g P. 

0,824 pCt. P im Lipoidextrakt. 

27,01 pCt. Lecithin im Lipoidextrakt und 
4,40 „ „ in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht 42,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

5,0 g feuchter Substanz. 

1,2960 g. 

25,92 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbosti mm ung. 

10,0 g frischen Organes. 

0,5760 g Petrolätherextrakt. 

0,0702 g Unverseifbares. 

0,5058 g Fettsäuren. 

19.51 pCt. Fettsäuren | 

2,71 „ Unverseifbares | in der Trockensubstanz. 

22,22 „ Petrolätherextrakt ) 

Phosph atidbestimmung. 

25,0 g feuchten Organes, die lufttrocken extrahiert wurden, ent¬ 
sprechend 6,48 g Trockensubstanz. 

1,4673 g Lipoidextrakt. 

22,64 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 


Vierter Normalhund. 

Leber. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: Je 10,0 g feuchte Substanz. 

Gefunden: a) 2,1420 g, b) 2,1386 g. 

Im Mittel: 2,1403 g. 

Gefunden: 24,40 pCt. Trockensubstanz 

N- Bestimmung. 

Die sub a) getrocknete Substanz 2,14 g kjeldahlisiert und auf 100 ccm aufgefüllt, 
je 50 ccm verbrauchten 45,5 ccm und 45.5 ccm, im Mittel 45,5 ccm 1 vNormal-Schwefel- 
säure entsprechend 0,1274 g N. 

Somit sind in 2,14 g Trockensubstanz 0,9548 g N enthalten. 

Hieraus berechnet: 11,91 pUt. X in der Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet für die fettfreie Trockensubstanz: 13,22 pCt. N. 


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Ueber Lipoidverfettung. 


227 


Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 10,6787 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 2,1358 g Substanz. 

Verbraucht: 6,1 ccm und 6,2 ccm, im Mittel 6,2 ccm Vß-Normal-Schwefelsäure, 
entsprechend 0,0174 pCt. N. 

Gefunden: 0,81 pCt. Araid-N in der fettfreien und 0,73 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz, 6,13 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Die sub a) 2,14 g feuchten Organes zur Bestimmung entsprechend 0,1958 g 
Trockensubstanz. 

Gefunden: Die sub b) 2,14 g Trockensubstanz geben: 

0,1958 g Petrolätherextract. 

0,0592 g Unverseifbares. 

0,1366 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 6,36 pCt. Fettsäuren. 

2,77 „ Unverseifbares. 

9,13 „ Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 150,0 g feuchter Substanz, lufttrocken extrahiert, entsprechend 
30,21 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 3,2141 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 10,64 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz, 

Diese 3,2141 g Lipoidextrakt auf 100 ccm Aether aufgefüllt, je 
50 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 23,7 und 23,6 ccm, 
im Mittel 23,7 ccm ^^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,01334g P. 
Gefunden: 0,02668 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 10,64 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz, 

0,83 „ ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 

0,088 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 2,16 pCt. Lecithin in der Trockensubstanz und 

21,38 r „ in dem Lipoidextrakt. 

Herz. 

Rohgewicht 44,10 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 5,00 g feuchter Substanz. 

Gefunden: 1,4210 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 28,42 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Die getrocknete Substanz 1,4210 g kjeldahlisiert und auf 200 ccm aufgefüllt, 
50 ccm verbrauchten 21,4 ccm und 21,4 ccm, im Mittel 21,4 ccm */-, Normal-Schwefel¬ 
säure entsprechend 0,0599 g N. 

Gefunden: 0,1797 g N. 

Hieraus berechnet: 12,64 pCt. N. 

Hieraus berechnet für die fettfreie Trockensubstanz: 17,06 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 6,1399 g Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,5340 g Substanz. 

Verbraucht: 4,8 ccm und 4,9 ccm, im Mittel 4,9 ccm ^/^-Normal-Schwefelsäure 
entsprechend 0,0137 g N. 

Gefunden: 0,89 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,66 pC. in der fetthaltigen 
Substanz = 5,22 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimraung. 

Angewandt: Je 5,0 g frischen Organes. 

Gefunden: a) 0,3450 g Petrolätherextrakt, b) 0,3415 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0568 g Unverseifbares, b) 0,0539 g Unverseifbares. 

a) 0,2882 g Fettsäuren, b) 0,2876 g Fettsäuren. 

Somit im Mittel: 0,2879 g Fettsäuren und 0,0554 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 20,26 pCt. Fettsäuren. 

3,90 ,, Unverseifbares. 

24,16 „ Petrolätherextrakt. 


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228 


Hermann Jastrowitz, 


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Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 40,0 g des feuchten Organes, die lufttrocken extrahiert wurden, 
entsprechend 9,386 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 2,0068 g Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 21,42 pCi. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,0068 g mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 9,9 ccm und 9,9 ccm, im 
Mittel 9,9 ccm Vo-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,005574 g P. 

Gefunden in 2,0068 g Lipoidextrakt: 0,011 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,55 pCt. äthcrloslicher P in dem Lipoidextrakt und 
0,12 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 14,3 pCt. Lecithin in dem Lipoidextrakt und 

3,12 „ r in der Trockensubstanz. 


Nieren. 

Rohgewicht 20,10 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 5,0 g feuchter Substanz. 

Gefunden: 1,2453 g. 

Hieraus berechnet : 24,91 pCt. Trockensubstanz. 

X - B e s t i m m u n g. 

Von der getrockneten Substanz 0,2453 g kjeldahlisiert, verbrauchten 9,9 ccm 
V'o Normal-Schwefelsäure entsprechend 0,0277 g X. 

Hieraus berechnet: 11,18 pCt. in der Trockensubstanz. 

Hierzu berechnet für die fettfreie Trockensubstanz: 13,28 pCt. 


Hydrolysiert: 
Angewandt: 
Verbraucht: 
Gefunden: 


Amid-X -Bestimmung. 

2,4861 g extrahierte Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

50 ccm = 0,6215 g Substanz. 

0,9 ccm und 1,0 ccm, im Mittel 1,0 ccm, entsprechend 0,0028 g X. 
0,45 pCt. Amid-X in der fettfreien und 

0,38 „ in der fetthaltigen Substanz = 3,39 pCt. des Gesamt-N. 


Fettbestimm ung. 

Von der getrockneten 1,2453 g Substanz restliche 1,0 g angewandt. 

Gefunden: 0,1294 g Petrolätherextrakt. 

0,0268 g Unverseifbares. 

0,1026 g Fettsäuren. 

Gefunden: 10,26 pCt. Fettsäuren und 2,68 pCt. Lnvcrseifbaies, somit 12,94 pCt. 
Petrolätherextrakt. 


P h o s p h a t i d b e s t i m m u n g. 

Angewandt: 15,00 g feuchten Organes, die lufttrocken extrahiert wurden, ent¬ 
sprechend 3,737 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 0,5246 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 14,04 pCt. Lipoidextrakt, 1,62 pCt. ätherlöslicher P im Lipoid¬ 
extrakt selbst, 0,23 pCt. ätherlöslicher P in der Trockensubstanz. 
Auf Lecithin berechnet ergibt sich: Im Aethcrextrakt 42,19 pCt. im Lipoidextrakt und 

5,99 pCt. in der Trockensubstanz. 


Fünfter Normalhund. 

Leber. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Leber-Rohgewicht: 320,0 g entsprechend 89.30 g lufttrockener Substanz. 
Angewandt: 1,0g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,7966 g, b) 0,8005 g. 

Im Mittel: 0,7986 g. 

Hieraus berechnet; 21,76 pOt. Trockensubstanz. 

X-Besti mm u nir. 

Die 1,5972 g Trockensubstanz kjeldahlisiert und auf 200 ccm aufgefiillt, je 100 ccm 
verbrauchten 32,0 ccm und 32,2 ccm, im Mittel 32.1 ccm 1 r> Normal-Schwefelsäure ent¬ 
sprechend 0,0899 g X. 


Gck igle 


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Ueber Lipoid Verfettung. 


229 


Gefunden: 0,1798 g N. 

Hieraus berechnet: 11,26 pCt. X in der Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet für die fettfreie Trockensubstanz 11,89 pCt. N. 

Amid-N-Bcstimraung. 

Hydrolysiert : 7,5897 g Substanz auf 300 ccm aufgcfüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,2648 g Substanz verbrauchten 2,6 ccm und 2,7 ccm, 
im Mittel 2,7 ccm Vs'Normalschwefelsäure entsprechend 0,0076 gN. 

Gefunden: 0,60 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,57 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 5,05 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbes tim mung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,0225 g Petrolätherextrakt, b) 0,0248 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0048 g Unverseifbarcs, b) 0,0057 g Unverseifbares. 

a) 0,0177 g Fettsäuren, b) 0,0191 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,0184g Fettsäuren und 0,0053 g Unverseifbarcs. 

Hieraus berechnet: 2,31 pCt. Fettsäuren. 

0,66 „ Unverseifbares. 

Entsprechen: 2,97 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbe Stimmung. 

Angewandt: Je 25,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,7304 g und b) 0,7261 g, im Mittel 0,7283 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 3,65 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,4566 g Lipoidextrakt auf 100 ccm mit Acther auf¬ 
gefüllt, je 50 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 19,6 ccm 
und 19,5 ccm. im Mittel 19,6 ccm V^-Normal-Natronlauge, ent¬ 
sprechend 0,0110 g P. 

Somit gefunden: ln 1,4566 g Lipoidextrakt 0,0220 g P. 

Hieraus berechnet: 1,51 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,115 n in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 39,93 pCt. in dem Lipoidextrakt und 

1,43 „ in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht 65,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

65,0 g feuchter Substanz entsprechen 15,32 g lufttrockener Substanz. 

Angewandt: 1,32 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1.2315 g. 

Hieraus berechnet: 22,lOpCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 9,4505 g fettfreier Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N: Angewandt: 25 ccm = 0,9451 g Substanz. 

Verbraucht: 38,5 ccm und 38,7 ccm, im Mittel 38,6 ccm ’/ß'^mmial-Schwefel- 
säure, entsprechend 0,1081 g N. 

Amid-N: Angewandt: 50 cm entsprechend 1,8901 g Substanz. 

Verbraucht: 4,2 ccm und 4,3 ccm, im Mittel 4,3 ccm entsprechend 0,012 g N. 

Gefunden: 14,44 pCt. Gesamt-N und 0,64 pCt. Amid-N in der fettfreien 
Trockensubstanz, 0,43 pCt. N in der fetthaltigen Substanz. 

Hieraus berechnet für die fetthaltige Substanz: 12,18 pCt. und 

4,43 pCt. Amid-N im Gcsamt-X. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 2,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,2455 g Petrolätherextrakt, b) 0.2418 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0243 g Unverseifbares, b) 0,0220 g Unverseifbares. 

Im Mittel: 0,2437 g Petroleumätherextrakt. 

0,0232 g Unverseifbares. 

0,2205 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 11,77 pUt. Fettsäuren. 

1,24 „ Unverseifbares. 

13,01 „ Petrolätherextrakt, 


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230 


Hermann Jastrowitz 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g der lufttrockenen Substanz. 

Gefunden: 1,1204 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 11,96 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,1204 g mit Aether auf 100 ccm aufgefüllt, je 
50 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 25,4 ccm und 
25,3 ccm, im Mittel 25,4 ccm ^^-Normal-Natronlauge, entsprechend 
0,0143 g P. 

Gefunden: In 1,1204 g Lipoidextrakt 0,0286 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 2,55 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 

0,31 „ „ , in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 66,41 pCt. Lecithin im Lipoidextrakt und 

8,07 „ „ in der Trockensubstanz. 

Nieren. 

Rohgewicht: 52,00 g. 

Lufttrocken verblieben 13,70 g. ' 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 0,70 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,6514 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 13,07 pCt. Trockensubstanz. 

N-Be Stimmung. 

Angewandt: Obige 0,6514 g Trockensubstanz kjeldahlisicrt, auf 200 ccm auf¬ 
gefüllt, je 100 ccm verbrauchten 15,2 ccm und 15,2 ccm, im Mittel 
15,2 ccm V.vNormal-Schwcfelsäure entsprechend 0,0426 g N. 

Gefunden: 0,0852 g N. 

Hieraus berechnet: 13,07 pCt. N in der Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet für die fettfreie Trockensubstanz: 14,10 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmu ng. 

Hydrolysiert: 9,1808 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,8362 g Substanz. 

Verbraucht: 1,6 ccm und 1.8 ccm, im Mittel 1,7 ccm ] V, Normal-Schwefelsäure, 
entsprechend 0,0048 g N. 

Gefunden: 0,26 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,24 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 1,84 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: 0,89 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,0549 g Petrolätherextrakt. 

0,0069 g Unverseifbares. 

0,0480 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 5,25 pCt. Fettsäuren und 0,76 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
6,02 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,7814 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 8,40 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,7814 g Lipoidextrakt auf 100 ccm mit Aether aufge- 
füllt, 50 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 10,8 ccm 
und 10,7 ccm, im Mittel 10,8 ccm 1 2 -Normal-Natronlauge, ent¬ 
sprechend 0,00608 g P. 

Gefunden: 0,01216 g P. 

Hieraus berechnet: 1,54 pCt. ätherlöslicher P in der Trockensubstanz und 
0,13 „ „ „ in dem Lipoidextrakt. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 40,15 pCt. Lecithin im Lipoidextrakt und 

3,39 w «in der Trockensubstanz. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Ueber Lipoidverfettung. 


231 


Sechster Normalhund (Hungerhund). 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: a) 10,35 g feuchter Substanz, b) 9,8 g feuchter Substanz. 

Gefunden: a) 2,367 g Trockensubstanz, b) 2,1783 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet im Mittel: 22,55pCt. Trockensubstanz. 

125,0 g feuchter Substanz entsprechen 31,7 g lufttrockener Substanz. 

Fettbestimmung. 

2,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,0306 g Petrolätherextrakt, b) 0,032 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0096 g Unverseifbares, b) 0,0079 g Unverseifbares, 

a) 0,021 g Fettsäuren, b) 0,0241 g Fettsäuren. 

Im Mittel gefunden: 0,0088 g Unverseifbares und 0,0225 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 1,27 pCt. Fettsäuren und 0,49 pCt. Unverseifbares, entsprechend 

I, 76 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 25,0 g lufttrockenen Substanz. 

Gefunden: 0,646 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 2,91 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,646 g mit Aether auf 100 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 12,1 ccm und 12,1 ccni, 
im Mittel 12,1 ccm Normal-Natronlauge, entsprechend 0,0067 g P. 
Hieraus berechnet: 2,07 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 

0,06 * „ P in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 53,91 pCt. im Lipoidextrakt und 

1,56 „ in der Trockensubstanz. 

Leber. 

Rohgewicht 165,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

145,0 g feuchter Substanz entsprechen 41,55 g lufttrockener Substanz. 
Angewandt: a) 1,55 g lufttrocknor Substanz, b) 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 1,4281 Trockensubstanz, b) 0,9477 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 26,4 pCt. und 27,15 pCt. 

Im Mittel: 26,78 g Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Diese 1,4281 g Trockensubstanz kjeldahlisiert und auf 200 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm verbrauchten 30,4 ccm und 30,5 ccm, im Mittel 30,5 ccm Vß-Normal-Schwefel- 
säure, entsprechend 0,0854 g N. 

Gefunden: 0,1708 g N. 

Hieraus berechnet: 11,96 pCt.N in der Trockensubstanz und für die fettfreie Trocken¬ 
substanz: 13,70 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 7,3281 g Substanz auf 300 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,2214 g Substanz. 

Verbraucht: 4,3 ccm und 4,4 ccm, im Mittel 4,4 ccm VB-Normal-Schwefelsäure, 
entsprechend 0,0123 g N. 

Gefunden: 1,01 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,88 pCt. in der fetthaltigen 
Substanz = 7,37 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Jo 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,1095 g Petrolätherextrakt, b) 0,1124 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0112 g Unverseifbares, b) 0,0116 g Unverseifbares, 

a) 0,0983 g Fettsäuren, b) 0,1008 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,0996 g Fettsäuren und 0,0114 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 10,51 pCt. Fettsäuren und 1,20 pCt. Unverseifbares, entsprechend 

II, 71 pCt. Petrolätherextrakt. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. ] ß 


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232 


Hermann Jastrowitz, 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 24,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 2,4504 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 10,78pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,4.004 g mit Aethcr auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 14,1 ccm und 14,1 ccm, 
im Mittel 14,1 ccm '/VNormal-Natronlauge, entsprechend 0,00794 g. 
Gefunden: In 2,4504 g Lipoidextrakt 0,0158 g äthcrlösiicher P. 

Hieraus berechnet: 0,65pCt ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,07 pCt. P in der Trockensubstanz. 

Die Trockensubstanz auf Lecithin berechnet ergibt sich: 16,93pCt. im Lipoidextrakt 
und 1,82 pCt. in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 48,20 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

48,2 g feuchter Substanz entsprechen 12,88 g lufttrockener Substanz. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,7683 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 20,53 pCt. Trockensubstanz. 

X - B e s t i m m u n g. 

Diese 0,7683 g Trockensubstanz kjeldahlisiert und auf 200 ccm aufgefüllt, 100 ccm 
verbrauchten 16,7 ccm und 16,7 ccm, im Mittel 16,7 ccm Vs Normal-Schwefelsäure, 
entsprechend 0,0468 g N. 

Hieraus berechnet: 12,18 pCt.N in der Trockensubstanz und für die fettfreie Trocken¬ 
substanz 14,10 pCt. X. 

A m i d - N - B c s t i m m u n g. 

Hydrolysiert : 7,3517 g Substanz auf 400 ccm aufgefüllt. 

Angewandt : 50 ccm = 0,9190 g Substanz. 

Verbraucht: 1,8 ccm und 1,8 ccm, im Mittel 1,8 ccm Vß‘Normal*Schwefelsäure, 
entsprechend 0,005 g X. 

Gefunden: 0,55 pCt. Amid-X in der fettfreien und 0,48 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 3,90 pUt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Je 0,5 g feuchter Substanz entsprechend 0,4467 g Trockensubstanz. 

Gefunden: a) 0,0486 g Petrolätherextrakt, b) 0,0501 g Petrolätherextrakt, 

a} 0,0085 g Unverseifbares, b) 0,0088 g Unverseifbarcs, 

a) 0,0401 g Fettsäuren, b) 0,0413 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,0407 pCt. Fettsäuren und 0,0087 pCt. Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 9,11 pCt. Fettsäuren, 

1,95 * Unverseifbares, 

11,06 „ Petrolätherextrakt. 

Phospliatid bestimm ung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,0864 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 12,16 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,0864 g mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verascht nach Neu mann, verbrauchten 24,7 ccm und 24,6 ccm, 
im Mittel 24,7 ccm 1 2 -Normal-Xatronlauge, entsprechend 0,0139 g P. 
Gefunden: In 1,0864 g Lipoidextract 0,0278 g äthcrlösiicher P. 

Hieraus berechnet: 2,56 pCt. ätherlöslicher P in dem Lipoidextrakt und 
0,31 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 66,67 pCt. im Lipoidextrakt und 

8,07 „ in der Trockensubstanz. 

Nieren. 

Rohgewicht: 46,80 g ergaben lufttrocken 13,42 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 0.42 g. 

Gefunden: 0,3379 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 23,11 pCt. Trockensubstanz. 


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Ueber Lipoidverfettung. 


233 


N-Bestimmung. 

Angewandt: Obige 0,3379 g Trockensubstanz, kjeldahlisiert, auf 200 ccm auf¬ 
gefüllt, je 100 ccm verbrauchten 8,2 ccm und 8,1 ccm, im Mittel 
8,2 ccm Vß Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,023 g N. 

Gefunden: 0,046 g N in 0,3379 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 13,61 pCt. N in der Trockensubstanz. 

Für die fettfreie Trockensubstanz: 16,97pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 7,2811 g Substanz auf 300 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,2136 g Substanz. 

Verbraucht: 1,9 ccm und 2,0 ccm, im Mittel 2,0 ccm Vs Normal-Schwefelsäure 
entsprechen 0,0056 g N. 

Gefunden: 0,46 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,37 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 2,71pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,1309 g Petrolätherextrakt, b) 0,1332 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0185 g Unverseifbares, b) 0,0201 g Unverseifbares, 

a) 0,1124 g Fettsäuren, b) 0,1131 g Fettsäuren. 

Iin Mittel: 0,8045 g in der Trockensubstanz, 0,1128 g Fettsäuren und 
0,0193 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 14,02 pCt. Fettsäuren, 

2,40 „ Unverseifbares, 

16,42 „ Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 11,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1,5421 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 17,43 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,5421 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 19,1 ccm und 19.2 ccm, 
im Mittel 19,2 ccm 1 / 2 ~Normal-Natronlauge, entsprechend 0,0108g P. 

Gefunden: 0,0216 g ätherlöslicher P in 1,5421 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 1,4 pCt. ätherlöslicher P in dem Lipoidextrakt und 
0,24 „ „ P in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 36,46 pCt. in dem Lipoidextrakt und 

6,23 „ in der Trockensubstanz. 


Siebenter Normalhund (Hungerhund). 

Leber. 

Rohgewicht 225,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

150,0 g feuchter Substanz entsprechen 47,60 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: 0,60 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,5499 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 29,09 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung (aus der fettfreien Trockensubstanz). 

Hydrolysiert: 9,1829 g auf 500 ccm aufgefüllt. 

Gcsamt-N: Angewandt je 25 ccm = 0,4591 g Substanz. 

Verbraucht: 23,9 und 24,1, im Mittel 24,0 ccm ^^-Normal-Schwefelsäure, ent¬ 
sprechend 0,672 g N. 

Gefunden für die fettfreie Substanz: 14,64 pCt. N. 

Für die fetthaltige Substanz: 12,39 „ N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 9,1829 g Substanz auf 500 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,9181 g Substanz. 

Verbraucht: 2,1 und 2,2, im Mittel 2,2 ccm Vß-Normal-Schwefelsäure, ent¬ 
sprechend 0,0062 g N. 

Gefunden: 0,67 pCt. Amid-N in der fettreichen und 

0,57 „ „ „ „ fetthaltigen Substanz = 4,58 pCt. des 

Gesamt-N. 

16* 


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234 


Hermann Jastrowitz, 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je, 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,2474 g Petrolätherextrakt, b) 0,2451 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0294 g Unverseifbares, b) 0,0282 g Unverseifbares. 

a) 0,2180 g Fettsäuren, b) 0,2169 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 11,87 pCt. Fettsäuren und 1,57 pCt. Unverseifbares. 

Somit: 13,44 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angowandt: Je 25,0 g der lufttrocknen Substanz. 

Gefunden: 3,6079 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 15,75 pCt, Lipoidoxtrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 3,6079 g wurden mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 35,6 und 35,5, 
im Mittel 35,6 ccm V 2 "N° rma l’Natronlauge, entsprechend 0,02 g P. 
Gefunden: 0,04g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: In dem Lipoidextrakt 1,11 pCt. in der Trockensubstanz 

0,17 „ ätherlöslicher P. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 28,91 pCt. im Lipoidextrakt und 

4,43 „ in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht 40,5 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

40,5 g feuchter Substanz entsprechen 13,30 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: 1,30 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,1378 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 28,74 pCt. Trockensubstanz. 

Gesamt-N. 

Hydrolysiert: 6,5137 g extrahierter Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 25 ccm = 0,8142 g Substanz verbrauchten 37,8 und 37,9, im 
Mittel 37,9 ccm V^Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,1061 gN. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 1,6284 g Substanz verbrauchten 3,0 und 2,8, im Mittel 
2,9 ccm *>,■-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0081 g N. 
Gefunden: 13,03 pCt. Gesamt-N in der fettfreien Trockensubstanz, 0,50 pCt. 
Amid-N und 3,84 pCt. Amid-N, 

11,89 pCt. in der fetthaltigen Trockensubstanz (Gesamt-N). 
Hieraus berechnet: 13,03 pCt. N für die fettfreie Trockensubstanz. 

F e 11 b e s t i m m u n g. 

Angewandt: 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,1249 g Petrolätherextrakt. 

0,0237 g Unverseifbares. 

0,1012 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 5,78 pCt. Fettsäuren. 

1,35 „ Unverseifbares. 

7,13 ., Petrolätherertrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,9581 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 10,95 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,9581 g mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 14,3 und 14,4, im Mittel 
14,4 ccm ‘/^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,008107 g P. 
Gefunden: In 0,9581 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,69 pCt. ätherlöslicher P in dem Lipoidextrakt und 

0,19 r in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 44,01 pCt. im Lipoidextrakt und 

4,95 „ in der Trockensubstanz. 


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universfty of michigan 



Ueber Lipoid Verfettung. 


235 


Nieren. 

Rohgewicht 50,2 g entsprechen 13,62 g lufttrocken. 

Angewandt: 0,6 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,5466 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 24,71 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbestira mung. 

Angewandt: 2,0 g lufttrockner Substanz, 

Gefunden: 0,3302 g Petrolätherextrakt. 

0,0483 g Unverseifbares. 

0,2819 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 15,47 pCt. Fettsäuren und 2,65 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
18,12 „ Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 11,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,3328 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 13,30 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,3328 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 15,6 und 15,6, im Mittel 
15,6 ccm -Normal-Natronlauge, entsprechend 0,008783 g P. 

Gefunden: 0,0176 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 13,22 pCt. äthorlöslicher P in dem Lipoidextrakt und 
0,18 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 34,43 pCt. im Lipoidextrakt und 

4,69 „ in der Trockensubstanz. 


Achter Normalhund. 

Leber. 

Rohgewicht 392 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 
392,0 g geben 111,2g lufttrockener Substanz. 

Angewandt: a) 1,22 g. b) 1,56 g. 

Gefunden: a) 1,0049 g. b) 1,3504 g. 

Hieraus berechnet: 24,12 pCt. Trockensubstanz. 


N -Bestimmung. 

Hydrolysiert: 9,1640 g extrahierter Substanz auf 500 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,4582 g Substanz verbrauchten 20,1 und 20,1, im Mittel 

20.1 ccm Vs’Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0563 g N. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 0,9164 g Substanz verbrauchten 2,0 und 2,1, im Mittel 

2.1 ccm Vs-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0059 g N. 
Gefunden. 12,28 pCt. Gesamt-N. 0,64 pCt. Amid-N und 5,21 pCt. Amid-N 

im Gesamt-N. 

Auf fetthaltige Trockensubstanz berechnet: 10,60 pCt. Gesamt-N und 0,55 pCt. 
Amid-N. 


Fettbestirammung. 

Angewandt: Je 2,0 g lufttrockene Substanz. 

Gefunden: a) 0,186 g Petrolätherextrakt, b) 0,1827 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0246 g Unverseifbares, b) 0,0251 g Unverseifbares. 

a) 0,1614 g Fettsäuren, b) 0,1576 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1595 g Fettsäuren. 

0,0249 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 9,45 pCt. Fettsäuren. 

1,47 „ Unverseifbares. 

Somit: 10,92 pCt. Petrolätherextrakt in der Trockensubstanz. 


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236 


Hermann Jastrowitz 


Phosphatidbestimraung: 

Angewandt: 20,0 g der lufttrocknen Substanz. 

Gefunden: 2,3493 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 13,91 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,3493 g wurden mit Aether auf 250 ccm aufgefült, je 
125 ccm nach Ncumann verascht, verbrauchten 19,8 und 19,7, im 
Mittel 19,8 ccm '^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,01115 g P. 
Gefunden: In 2,3494 g Lipoidextrakt 0,0223 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,95 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 
0,13 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 24,74 pCt. im Lipoidextrakt und 

3,39 „ in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht 90,2 g 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

90,2 g feuchter Substanz entsprechend 25,10 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: 1,1 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,0649 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 26,94 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Diese 1,0649 g Trockensubstanz, kjeldahlisicrt, und auf 300 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm verbrauchten 15,9 und 16,0, im Mittel 16,0 ccm '/ 5 -Normal-Schwefelsäurc, 
entsprechend 0,0448 g N. 

Gefunden: In 1,0649 g Trockensubstanz 0,1344 g N. 

Hieraus berechnet: 12,62 pCt. in der Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet sich für die fettfreie Trockensubstanz 15,32 pCt. N. 

Amid-N. 

Hydrolysiert: 6,95 g Substanz auf 400 ccm aufgefüllt. 

Amid-N: 50 ccm = 0,8693 g Substanz verbrauchten 2,0 und 2,0, im Mittel 
2,0 ccm Va-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0056 g N. 
Gefunden: 0,64 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,52 pCt. in der fett¬ 
haltigen = 4,18 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung, 

Angewandt: Je 2,0g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,2973 g Petrolätherextrakt, b) 0,3010 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0342 g Unverseifbares, b) 0,0315 g Unverseifbares. 

a) 0,2631 g Fettsäuren, b) 0,2695 g Fettsäuren. 

Gefunden: In 1,936 g Trockensubstanz im Mittel 0,2663 g Fettsäuren und 

0,0329 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 13,76 pGt. Fettsäuren und 1,70 pCt. Unverseifbares in der Trocken¬ 
substanz, somit 15,46 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbostimmmung. 

Angewandt: Je 20,0g der lufttrocknen Substanz. 

Gefunden: 3,7358 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 19,30 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 3,7358 g vrurden auf 300 ccm aufgcfüllt, je 150 ccm nach 
Neumann verascht, verbrauchten 37,6 und 37,7, im Mittel 
37,7 ccm '^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,02123 g P. 
Gefunden: 0,0425 g äthcrlüslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,14 pCt. ätherlöslicher P in dem Lipoidextrakt und 
0,22 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 29,68pCt. Lecithin im Lipoidextrakt und 

5,73 „ in der Trockensubstanz. 


Nieren. 

Rohgewicht 70,2 g entsprechen 18,53 g lufttrocken. 
T ro c k e n su b s t an z b e s ti m m u n g. 
Angewandt: 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,7471 g. 

Hieraus berechnet: 19,71 pCt. Trockensubstanz. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






lieber Lipoidverfettung. 


237 


N -Bestimmung. 

Angewandt: 0,7471 g, kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm ver¬ 
brauchten 15,6 und 15,5, im Mittel 15,6 ccm , / 5 -Normal-Schwefei- 
säure, entsprechend 0,0874 g N. 

Gefunden: 0,0874 g N. 

Hieraus berechnet: 11,97 pCt. in der Trockensubstanz. 

Berechnet auf fettfreie Trockensubstanz: 15,36 pCt. N. 

Amid-N. 

Hydrolysiert: 7,1437 g Substanz auf 300 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,1906 g Substanz verbrauchten 1,9 und 1,9, im Mittel 
1,9 ccm Vs'^ormal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0053 g N. 
Gefunden: 0,45 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,35 pCt. in der fetthaltigen 
Trockensubstanz = 2,93 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbostimmung. 

Je 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,2858 g Petrolätherextrakt, b) 0,2859 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0223 g Unverseif bares, b) 0,0238 g Unvorseifbarcs. 

a) 0,2635 g Fettsäuren, b) 0,2651 g Fettsäuren. 

Im Mittel: In 1,4891 g Trockensubstanz 0,2644 g Fettsäuren und 0,0231 g 

Unverseifbarcs. 

Hieraus berechnet: 17,8 pCt. Fettsäuren und 1,55 pCt. Unverseifbares. 

Somit: 19,35pCt. Petrolätherextrakt in der Trockensubstanz. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,4236 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 19,06 g Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,4236 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 18,5 und 18,7, 
im Mittel 18,6 ccm l / 9 - Normal - Natronlauge, entsprechend 
0,0105 g P. 

Gefunden: In 1,4236 g Lipoidextrakt 0,021 g P. 

Hieraus berechnet: 1,48pCt. ätherloslicher P im Lipoidextrakt und 
0,28 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 38,54pCt. im Lipoidextrakt und 

7,29 pCt. in der Trockensubstanz. 

Neunter Normalhund. 

Blnt. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

85,10 g Blut gab 20,53 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: Je 0,50 g lufttrockner Substanz entsprechend 2,073 g feuchter 

Substanz. 

Gefunden: 0,4484 und 0,4457, im Mittel 0,4479 g. 

Berechnet: 21,57 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,0355 g Petrolätherextrakt, b) 0,0366 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0090 g Unverseifbares, b) 0,0094 g Unverseifbares. 

a) 0,0265 g Fettsäuren, b) 0,0272 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,0269 g Fettsäuren und 0,0092 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 1,50 pCt. Fettsäuren und 0,51 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
2,01 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: Je 5,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,2751 g Lipoidextrakt verbrauchten, verascht nach Neu mann, 
5,9 ccm 72'Normal-Natronlaugc. 

b) 0,2656 g Lipoidextrakt verbrauchten, verascht nach Ne um an n, 
5,7 ccm Vo-Normal-Natronlaugc. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




238 


Hermann Jastrowitz, 


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Im Mittel verbrauchten: 0,2704 g Lipoidextrakt 5,8 ccm V 2 -Norraal-Natronlauge, ent¬ 
sprechend 0,0031 g ätherlöslichen P. 

Gefunden: 6,05 pC-t. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz, 1,18pCt. äthcr- 
löslichen P. 

Die Trockensubstanz auf Lecithin berechnet ergibt sich: 30,73 pCt. Lecithin im Lipoid¬ 
extrakt und 1,88 pCt. in der Trockensubstanz. 


Zehnter Normalhund. 


Blnt. 

90,50 g Blut gab 21,85 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: Je 0,50 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,4415 und 0,4450, im Mittel 0,4433 g Trockensubstanz. 
Berechnet: 21,40pCt. Trockensubstanz. 


Angewandt: 

Gefunden: 


Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fettbestimmung. 

Je 2,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,0382 g Petrolätherextrakt, b) 0,0356 g Petrolätherextrakt. 

a) 0,0068 g Unverseifbares, b) 0,0077 g Unverseifbares, 

a) 0,0314 g Fettsäuren, b) 0,0279 g Fettsäuren. 

0,0297 g Fettsäuren und 0,0073 g Unverseifbares. 

1,68 pCt. Fettsäuren und 0,41 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
2,09 pCt. Petrolätherextrakt. 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: Je 5,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,2281 g Lipoidextrakt verbrauchten, verascht nach Ne um ann, 
6,1 ccm 1 Normal-Natronlauge, 

b) 0,2413 g Lipoidextrakt verbrauchten, verascht nach Neumann, 
5,9 ccm WNormai-Natronlauge. 

Im Mittel verbrauchten: 0,2347 g Lipoidextrakt 6,0 ccm 72 _ Ko rma l*Natronlauge, ent¬ 
sprechend 0,00321 g P. 

Gefunden: 5,29 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz, 1,38 pCt. äther- 
löslichen P. 

Die Trockensubstanz auf Lecithin berechnet ergibt sich: 35,94 pCt. Lecithin im Lipoid¬ 
extrakt und 1,90 pCt. in der Trockensubstanz. 


Erster Phosphorhund. 

Gewicht: 5,8 kg. 

11. 10. 10. 7 250000 E. Hb. 100 pCt. 4 mg per os. 

18.11. Desgl. Hb. 80 pCt. 

25.11. '| 

30. 11. } Desgl. Hb. 75 pCt. 

5. 12. J 

16 12 } I)es S 1 * 4 mg P per os. 

18. 12. Hb. 49 pCt. E. 3400000. Das Tier war sehr matt und konnte sich 
kaum aufrichten. In den Tagen zuvor leichter Icterus. Blutbild mikroskopisch ohne 
wesentliche Veränderungen. 

Die Sektion zeigte starken Icterus aller Organe, die Leber war stark gelb ge¬ 
färbt und zeigte zahlreiche rötlich verfärbte Partien. Mikroskopisch nicht untersucht. 

Blnt. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: a) 10,57 g feuchter Substanz, b) 8,51 g feuchter Substanz. 

Gefunden: a) 1,6520 g Trockensubstanz, b) 1,3364 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet im Mittel: 15,68 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbesti mmung. 

Angewandt: a) 12.54 g feuchter Substanz, b) 11,23 g feuchter Substanz. 
Gefunden: a) 0,0781 g Petrolätherextrakt und 0,0235 g Fettsäuren, 
b) 0,0693 g „ „ 0,0211 g 

Hieraus berechnet: 4,0 pCt. und 3,94 pCt., im Mittel 3,97 pCt. Petrolätherextrakt und 

1,21 „ „ 1,20 „ „ „ 1,20 „ Unverseifbares, somit 

2,77 r Fettsäuren. 


Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Ueber Lipoidverfettung. 


239 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 115,5 g der feuchten Substanz, lufttrocken extrahiert, entsprechend 
16,53 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 0,6527 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 3,95 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,6527 g mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 8,3 ccm und 8,5 ccm, im 
Mittel 8,4 ccm ^^‘Normal-Natronlauge, entsprechend 0,004729 g P. 
Gefunden: In 0,6527 g Lipoidextrakt 0,0095 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,46 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,057 w in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 38,02 pCt. im Lipoidextrakt und 

1,48 n in der Trockensubstanz. 

Leber. 

Rohgewicht: 136,2 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: Je 5,0 g feuchte Substanz. 

Gefunden: a) 1,0768 g Trockensubstanz, b) 1,0691 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 1,0730 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 21,46 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Diese 2,1459 g Trockensubstanz kjeldahlisiert und auf 200 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm verbrauchten 17,7 ccm und 17,8 ccm, im Mittel 17,8 ccm Vs-Normal-Schwefcl- 
säure, entsprechend 0,0498 g N. 

Gefunden: 0,0996 g N. 

Hieraus berechnet: 4,64 pCt. N in der Trockensubstanz. 

Fettbestimmung. 

Je 10,0 g feuchter Substanz. 

Gefunden: a) 1,1604 g Petrolätherextrakt, b) 1,1562 g Petrolätherextrakt, 
a) 0,2126 g Unverseifbarcs, b) 0,2089 g Unverseifbarcs. 

a) 0,9478 g Fettsäuren, b) 0,9473 g Fettsäuren. 

Gefunden im Mittel: 0,9476 g Fettsäuren und 0,2108g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 44,16 pCt. Fettsäuren und 9,82 pCt. Unverseifbares, somit 53,98 pCt. 
Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 80,0 g feuchter Substanz entsprechen 17,128 g Trockensubstanz. 
Gefunden: 11,3222 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 66,10 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 11,3222 g wurden mit Aether auf 400 ccm aufgefüllt. 
Je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 10,5 ccm und 
10,4 ccm, im Mittel 10,5 ccm 1 / 2 -Normal-Natronlauge, entsprechend 
0,0059 g P. 

Gefunden: In 11,322 g Lipoidextrakt 0,0236 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0.208 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,138 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 5,34 pCt. im Lipoidextrakt und 

3,54 „ für die Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 30,35 g. 

Bestimmung der Trockenbestimmung. 

Angewandt: Je 5,0 g feuchter Substanz. 

Gefunden: a) 1,0926 g Trockensubstanz, b) 1,08788 g Trockensubstanz. 
Im Mittel: 1,0902 g. 

Somit: 21,80 pCt. Trockensubstanz. 

N -Bestimmung. 

Diese sub a getrockneten 1,0878 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, verascht, auf 
200 ccm aufgefüllt. 100 ccm verbrauchten 13,2 g und 13,4 g, im Mittel 13.3 ccm 
Vö-Normal-Schwcfelsäure, entsprechend 0,0372 g N. 

Gefunden: 0,0744 g N. 

Hieraus berechnet; 6,84 pCt. N in der Trockensubstanz. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



240 


Hermann Jastrowitz 


Fottbe Stimmung. 

Angewandt: Die sub lb getrockneten 1,0926 g Trockensubstanz sowie b) . r >,00 g 
feuchter Substanz. 

Gefunden: a) 0 2679 g Petrolätherextrakt, b) 0,2723 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0401 g Unverseifbares, b) 0,0397 g Unverseifbares. 

a) 0,2278 g Fettsäuren, b) 0,2326 g Fettsäuren. 

Gefunden im Mittel: 0,0399 g Unverseifbares und 0,2302 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 21,12 pCt. Fettsäuren und 3,66 pCt. Unverseifbares in der Trocken¬ 
substanz. 

Somit: 24,78 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbcstimmung. 

Angewandt: 15,0 g feuchter Substanz, an der Luft getrocknet, entsprechend 
4,45 g Trockensubztanz. 

Gefunden: 0,7164 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 16,09 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,7164 g wurden auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 4,8 ccm und 4,7 ccm, im 
Mittel 4,8 ccm 1 / / 2 - Norm al -X at i*°n 1 au j^e, entsprechend 0,002702 g P. 

Gefunden: In 0,7164 g Lipoidextrakt 0,0054 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,75 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,12 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 9,53 pCt. im Lipoidextrakt und 

3,13 „ in der Trockensubstanz. 

Zweiter Phosphorhund. 

Gewicht 4 kg. Erythrocytcn 5600000. Hb. 88 pCt. 

Am 5., 11., 16., 20., 30. 1. 1911, weiter am 4., 8., 12., 28. 2. 1911 und 2., 3., 

7., 11., 16., 24., 27. 3. 1911 und 5. 4. 1911 je 6 mg P. 

Am 11. 4., da das Tier noch immer nicht erheblich krank schien, 8 mg P. 

Am 14. 4., Hb. 58pCt. E. 3700000. Das Tier lag mit starkem Icterus schwer kiank 

im Käfig. Der Versuch wurde abgebrochen. Mikroskopisch Anisocytose mässigen Grades. 

Bei der Sektion zeigte sich leichter Icterus. Die Leber, vergrössert, zeigte mikro¬ 
skopisch nur geringe Verfettung und Vacuolenbildung. Die Nieren zeigten keine Verfettung. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

173,7 g feuchter Substanz gaben lufttrocken 24,44 g. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,9596 g Trockensubstanz, b) 0,9562 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 0,9579 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 13,52 pGt. Trockensubstanz. 

Fettbcstimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,0343 g Petrolätherextrakt, b) 0,0368 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0173 g Unverseifbares, b) 0,0188 g Unverseifbares, 

a) 0,017 g Fettsäuren, b) 0,018 g Fettsäuren. 

Gefunden: 0,0175 g Fettsäuren und 0,0181 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 2,3 pCt. Fettsäuren und 1,89 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
4,19 pCt. Petrolätherextrakt in der Trockensubstanz. 

Phosphatidbcstimmung. 

Angewandt: 20,44 g der feuchten Substanz, lufttrocken extrahiert, entsprechend 
19.58 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 0,7352 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 3,76 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,7352 g mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Xe um an n verascht, verbrauchten 10,7 ccm und 10,9 ccm, 
imMittel 10,8ccm ^^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,00608gP. 

Gefunden: ln 0,7352 g Lipoidextrakt 0,012 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,061 pCt. ätherlöslicher P in der Trockensubstanz und 
1,63 ., im Lipoidextrakt. 

Gefunden: 16,32 pCt. Lecithin im Lipoidextrakt und 
0,61 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 42,50pCt. im Lipoidextrakt und 

1,59 p in der Trockensubstanz. 


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Ueber Lipoidverfettung. 


241 


' Leber. 

Rohgewicht: 226,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: Je 5,0 g feuchter Substanz. 

Gefunden: a) 1,1583 g Trockensubstanz, b) 1,154 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 1,1562 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 23,12 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 11,8242 g extrahierte Substanz auf 500 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,5912 g Substanz verbrauchten 30,2ccm und 30,3 ccm, im 
Mittel 30,3 ccm Vs Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0848 gN. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 1,1824 g verbrauchten 3,8 ccm und 3,9 ccm, im Mittel 
3,9 ccm Vö’Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0109 g N. 
Gefunden: 14,35 pCt. Gesamt-N, 0,92 pCt. Amid-N und 6,41 pCt. Amid-N 
im Gesamt-N. 

Berechnet auf fetthaltige Trockensubstanz: ll,99pCt. N. und 0,77 pCt. Amid-N. 

Fettbestim mung. 

Je 5,0 g lufttrockener Substanz entsprechen 3,826 g Trockensubstanz. 

Gefunden: a) 0,6330 g Petrolätherextrakt, b) 0,6284 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,1528 g Unverseifbares, b) 0,1520 g Unverseifbares, 

a) 0,4802 g Fettsäuren, b) 0,4764 g Fctt>äuren. 

Gefunden im Mittel: 0,4783 g Fettsäuren und 0,1524 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 12,5 pCt. Fettsäuren und 3,98 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
16,48 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 20,0 g feuchter Substanz entsprechen 5,3042 g. 

Gefunden: 3,2062 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 20,95 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 3,2062 g wurden mit Aether auf 400 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm, nach Neumann verascht, verbrauchten 21,3 ccm und 
21,4 ccm, im Mittel 21,4 ccm l /o-Normal-Natronlauge, entsprechend 
0,01205 g P. 

Gefunden: In 3,2062 g Lipoidextrakt 0,0482 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,32 pCt/ ätherlöslicher P in der Trockensubstanz und 
1,5 „ im Lipoidextrakt. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 34,06 pCt. im Lipoidextrakt und 

8,3 „ in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 32,6 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

32,6 g roher Substanz ergaben 10,34 g lufttrockener Substanz. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,8795 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 27,9 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimraung. 

Diese 0,8795 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 19,6 ccm und 19,8 ccm, im Mittel 19,7 ccm l ] 5 Normal-Schwefelsäure, 
entsprechend 0,11 g N. 

Hieraus berechnet: 12,51 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 14,44 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 2,6786 g auf 100 g aufgefüllt. 

Angewandt: 25 ccm = 0,6697 g Substanz verbrauchten 2,0 ccm und 1,8 ccm, 
im Mittel l,9ccm Vß-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0053g N. 
Gefunden: 0,8 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,69 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 5,54 pCt. des Gesamt-N. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





242 


Hermann Jastrowitz, 


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Angewandt: 
Gefunden: 


(iefunden im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fett bestimmun g. 

Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

a) 0,1025 g Petrolätherextrakt, b) 0,1006 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0444 g Unverseifbares, b) 0,0412 g Unverseifbares, 

a) 0,0581 g Fettsäuren, b) 0,0594 g Fettsäuren. 

0,0428 g Unverseifbares und 0,0588 g Fettsäuren. 

6,69 pCt. Fettsäuren und 4,87 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
11,56 pCt. Petroläthorextrakt. 


Phosphatidbestimmung. 

Die restlichen 7,34 g feuchter Substanz an der Luft getrocknet. 
0,8689 g Lipoidextrakt. 

13,46 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,8689 g auf 200 ccm mit Acther angefüllt, jo 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 12,3 ccin und 12,4 ccm, im 
Mittel 12,4 ccm ^^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,006981 g P. 
ln 0,8689 g Lipoidextrakt 0,014 g ätherlöslicher P. 

1,61 j)Ct. äthcrlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,22 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 41,93 pCt. im Lipoidextrakt und 

5,73 „ in der Trockensubstanz. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Rohgewicht: 
Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Angewandt: 


Hieraus berechnet: 


Hydrolysiert: 
Angewandt: 

Gefunden: 


Angewandt: 
Gefunden: 


Hieraus berechnet: 


Nieren. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

25,19 g entsprechen 8,25 g lufttrockenor Trockensubstanz. 

1,0 g lufttrockener Substanz. 

0,8290 g Trockensubstanz. 

27,15 pCt. Trockensubstanz. 

N- Bestimmung. 

0,8290 g Trockensubstanz kjcldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm verbrauchten 19,6 ccm und 19,7 ccm, im Mittel 19,7 ccm 
V.-rNormal-Schwefelsäure, entsprechend 0,1105g X. 

12,41 pCt. in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 15,46 g N. 

A mid-N-Be Stimmung. 

3,4907 g Substanz auf 200 ccm aufgefiillt. 

50 ccm = 0,8726 g Substanz verbrauchten 2,8 ccm und 3,0 ccm, 
im Mittel 2,9 ccm Vs-Normal-Schwefelsäurc, entsprechend 0,0081 g N. 
0,93 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,75 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 6,02 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

1,0 g lufttrockener Substanz. 

0,1349 g Petrolätherextrakt, 

0,054 g Unverseifbares, 

0,0809 g Fettsäuren. 

9,76 pCt. Fettsäuren und 6,51 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
16,27 pCt. Petrolätherextrakt. 


Angewandt 
Gefunden 
Hieraus berechnet 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Phosphatidbestimmung. 

6,25 g lufttrockener Substanz. 

0,9378 g Extrakt. 

18,1 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,9378 g Lipoidextrakt auf 200 com aufgefüllt, je 80 ccm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 15,5 ccm und 15,6 ccm, im 
Mittel 15,6 ccm ^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,008783 g P. 
In 0,9378 g Lipoidextrakt 0,0220 g ätherlöslicher P. 

2,35 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,42 „ in der Trockensubstanz. 


Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 61,2 pCt. im Lipoidextrakt und 

10,94 „ in der Trockensubstanz. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






Ueber Lipoidverfettung. 


243 


Dritter Phosphorhund. 

Gewicht: 4,7 kg. Hg. 90 pCt. E. 6 400 000. 

Ara 10., 17., 26. 2. 1911, am 1, 7., 11., 16., 20., 26. 3., am 2. 4. je 4 mg P., 
am 9. 4. 6 mg P., desgleichen am 14. 4. 

Am 19. 4. Hb. 48 pCt. E. 2 950 000. Das Tier ist sehr matt und anscheinend 
krank. Das Tier wird getötet. 

Mikroskopisch: Anisocytose. Section: Leichter Icterus der serösen Häute. 
Nieren makroskopisch nicht deutlich verfettet. Mikroskopisch zeigte die Leber sehr 
starke Verfettung mit ausgedehnter Vacuolenbildung. Die Nieren zeigten nur starke 
Verfettung der aufsteigenden Schenkel der Henloschen Schleifen. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

180,5 g feuchter Substanz geben lufttrocken 27,64 g. 

Angewandt: 0,64 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,5382 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 12,88 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: 5,0 g lufttrockner Substanz entsprechen 4,205 g Trockensubstanz, 
(iefunden: a) 0,1815 g Petrolätherextrakt, b) 0,1782 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0162 g Unverseifbares, b) 0,0151 g Unverseifbares. 

a) 0,1653 g Fettsäuren, b) 0,1631 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1642 g Fettsäuren und 0,0157 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 3,91 pCt. Fettsäuren und 0,37 pCt. Unverseifbares in der Trocken¬ 
substanz. 

Somit: 4,28 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 15,0 g der feuchten Substanz, lufttrocken extrahiert, entsprechend 
12,62 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 0,4599 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 3,64 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,4599 g mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, jo 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 7,9 und 8,1, im Mittel 
8,0 ccm Vj-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,004504 g P. 
Gefunden: In 0,4599 g Lipoidextrakt 0,0090 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,96 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 
0,071 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 1,04 pCt. im Lipoidextrakt und 

1,86 „ in der Trockensubstanz. 

Leber. 

Rohgewicht: 252,40 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

202,4 g feuchter Substanz gaben 66,13 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: a) 0,30 g lufttrockner Substanz, b) 0,59 g lufttrockner Substanz. 
Gefunden: a) 0,2247 g Trockensubstanz, b) 0,4504 g Trockensubstanz. 
Hieraus berechnet: 24,47 pCt. und 24,94 pCt., im Mittel 24,71 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Die sub a) 0,2247 g Trockensubstanz kjcldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 4,0 und 3,9, im Mittel 4,0 ccm 
Vs-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0112 g N. 

Gefunden: 0,0224 g N in 0,2247 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 9,97 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 15,08 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 8,506 g Substanz auf 250 ccm aufgcfüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,7012 g Substanz verbrauchten 5,8 und 6,1, im Mittel 
5,9 ccm Vß’Normal-Scliwefelsäurc entsprechend 0,0165 g N. 
Gefunden: 0,97 pCt. Amid-N in der fettfreien Substanz und 

0,64 „ in der fetthaltigen Substanz = 6,43 pCt. N des Gesamt-N. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




244 


Hermann Jastrowitz, 


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Fettbestimmung. 

Je 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,466 g Petrolätherextrakt, b) 0,4688 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0281 g Unverseifbares, b) 0,0301 g Unverseifbares, 

a) 0,4379 g Fettsäuren, b) 0,4387 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,4383 g Fettsäuren und 0,0291 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 28,97 pCt. Fettsäuren und 1,92 pCt. Unverseifbares entsprechend 
30,89 „ Petrolätherextrakt. 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz entsprechend 7,564 g Trocken¬ 
substanz. 

Gefunden: 2,5813 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 34,14 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,5813 g wurden mit Aether auf 250 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 12,7 und 12,8, 
im Mittel 12,8 ccm Vj’Nonnal-Natronlauge, entsprechend 0,007207 g P. 

Gefunden: In 2,5813 g Lipoidextrakt 0,0180 g üthcrlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,07 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 
0,24 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 6,25 pCt. in der Trockensubstanz und 

18,23 „ in dem Lipoidextrakt. 


Herz. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Rohgewicht: 40,6 g. 40,6 g feuchter Substanz ergaben 8,55 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: 0,55 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,5031 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 19,26 pCt. Trockensubstanz. 

N- Bestimmung. 

Hydrolysiert: 4,1519 g Substanz aufgefüllt auf 250 ccm Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,4152 g Substanz verbrauchten 21,2 und 21,3, im Mittel 
21,3 ccm Vß-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0596 g N. 


A m i d - X - B c s t i m m u n g. 

Angewandt: 50 ccm entsprechend 0,8304 g Substanz verbrauchten 2,5 und 2,6, 
im Mittel 2,6ccm V ß -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0073g N. 
Gefunden: 14,37 pCt. Gesamt-N, 0,88 pCt. Amid-N und 6,12 pCt. Amid-X 
im Gesamt-N. 

Berechnet auf die fetthaltige Substanz: 12,44 pCt. und 0,76 pCt. des Gesamt-N. 


Angewandt: 
(iefunden: 


Gefunden im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fettbestimmung. 

Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,1075 g Petrolätherextrakt, b) 0,1092 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0116 g Unverseifbares, b) 0,0102 g Unverseifbares. 

a) 0,0959 g Fettsäuren, b) 0,099 g Fettsäuren. 

0,0975 g Fettsäuren und 0,0109 g Unverseifbares. 

11,85 pCt. Petrolätherextrakt. 

10,66 „ Fettsäuren, 

1,19 „ Unverseifbares. 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: Die restlichen 6,0 g feuchter Substanz, an der Luft getrocknet, 
entsprechen 5,4876 g Trockensubstanz. 

Gefunden: 0,7902 g Lipoidextrakt. 

Diese 0,7902 g wurden mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, je 
100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 8,1 und 8,0, im 
Mittel 8,1 ccm 1 VNurmal-Natronlauge, entsprechend 0,00456 g P. 
(iefunden: In 0,7902 g Lipoidextrakt 0,009 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet; 0,16 pCt. ätherlöslicher P. in der Trockensubstanz sowie 
1,14 „ ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 29,69 pCt. Lecithin im Lipoidextrakt und 

4,17 „ Lecithin in der Trockensubstanz. 


Gck igle 


Original fro-m 

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lieber Lipoidverfettung. 


245 


Nieren. 

Trockensubstanzbestimmung. 

Rohgewicht 40,9 g entsprechend 8,88 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: 0,88 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,8726 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 18,95 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 3,7486 g extrahierter Substanz auf 300 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,3124 g Substanz verbrauchten 15,3 und 15,4, im Mittel 
15,4 ccm Ve Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0431 g N. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 9,6248 g Substanz verbrauchten 2,0 und 1,9, im Mittel 
2,0 ccm Vs Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0056 g N. 
Gefunden: 13,8 pCt. Gesamt-N, 0,9 pCt. Amid-N und 6,52 pCt. Amid-N 
im Gesamt-N. 

Auf fetthaltige Trockensubstanz berechnet: 9,63 pCt. Gesamt-N und 

0,63 „ Amid-N. 

Fettbestimmung, 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,2131 g Petrolätherextrakt, b) 0,2158 g Petrolätherextrakt. 
0,0210 g Unverseifbares. 

Im Mittel: 0,2145 g Petrolätherextrakt und 0,021 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 26,99 pCt. Petrolätherextrakt, 

2,41 „ Unverseifbares, 

Somit: 24,58 „ Fettsäuren. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 6,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,3616 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 26,01 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,3616 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefiillt, je 100 ccm 
verbrauchten 15,0 und 14,8, im Mittel 14,9 ccm 1 / 2 Normal-Natron¬ 
lauge entsprechen 0,0084 g P. 

Gefunden: In 1,3616 g Lipoidextrakt 0,0168 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,23 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,32 r in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 32,03 pCt. Lecithin im Lipoidextrakt und 

8,33 „ Lecithin in der Trockensubstanz. 

Erster Nitrobenzolhund. 

Gewicht: 5,8 kg. Hb. 75 pCt. E. 7800000. 

Am 4. und 8. 5. 1912 je 0,5 ccm Nitrobenzol subcutan. 

Am 12. 5.: Das Tier sehr matt, hat nicht gefressen, die Hinterbeine erscheinen 
paretisch. Hb. 75pCt. Die Hämoglobinbestimmung bei Nitrobenzolhunden beruhte 
infolge Veränderung des Blutfarbstoffes lediglich auf grober Schätzung. Am 16. 5. 
wurde das Tier getötet. Mikroskopisch Polychromatophilie, Anisocytose, Poikilocytose, 
Erythroblasten und starke Leukoevtose. Blut schokoladenförmig, hat fast ganz seine 
normale rote Färbung eingebüsst. Keine Blutungen der serösen Häute, Milz stark ver- 
grössert, prominente Follikel. Die Leber war nicht verfettet. Mikroskopisch Ver¬ 
fettung der Tubuli recti. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

262,5 g feuchter Substanz gaben lufttrocken 90,21 g. 

Angewandt: Je 1,00 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,5796 g, b) 0,5829 g. 

Gefunden im Mittel: 0,5813 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 19,98 pCt. Trockensubstanz. 


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246 


Hermann Jastrowitz, 


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Angewandt: 

Gefunden: 


Gefunden im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fettbestim mung. 

5,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,084 g Petrolätherextrakt, b) 0,0821 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0272 g Unverseifbares, b) 0,0241 g Unverseifbares. 

a) 0,0568 g Fettsäuren, b) 0,0580 g Fettsäuren. 

0,0574 g Fettsäuren und 0,0257 g Unverseifbares. 

1,98 pCt. Fettsäuren und 0,88 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
2,86 pCt. Petrolätherextrakt in der Trockensubstanz. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Phosphatidbestiramung. 

10,0 g der feuchten Substanz, lufttrocken extrahiert. 

0,1574 g Lipoidextrakt. 

2,71 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,1574 g mit Aether auf 100 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 3,3 und 3,4, im Mittel 
3,4 ccm Va’Normal-Natronlauge entsprechend 0,00192 g P. 

In 0,1574 g Lipoidextrakt 0,0038 g ätherlöslicher P. 

2,41 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,065 pCt. in der 
Trockensubstanz. 


Leber. 


302,8 g an der Luft getrocknet gaben 76,24 g lufttrockner Substanz. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Bestimmung der Trockensubstanz. 
Je 1,0 g lufttrockner Substanz, 
a) 0,9114 g, b) 0,9089 g. 

0,9102 g Trockensubstanz. 

22,92 pCt. Trockensubstanz. 


Hydrolysiert: 

Angewandt: 


N-Bestimmung. 

5,6591 g extrahierter Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

25 ccm - 0,7074 g Substanz verbrauchten 33,8 und 34,0 im Mittel 
33,9 ccm 1 / 6 Normal-Schwefelsäure entsprechend 0,0949 g N. 


Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 1,415 g Substanz verbrauchten 4,0 und 4,1, im Mittel 
4,1 ccm V.v-Normal-Schwefelsäure entsprechend 0,0115 g N. 
Gefunden: 13,42 pCt Gesamt-N, 0,81 pCt. Amid-N und 6,04 pCt. Amid-N. 

Berechnet auf fetthaltige Trockensubstanz 10,83 pCt. und 
0,65 pCt. Amid-N. 


Angewandt: 

Gefunden: 


Gefunden im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fettbestimmung. 

Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,2254 g Petrolätherextrakt, b) 0,2204 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0158 g Unverseifbares, b) 0,0156 g Unverseifbares. 

a) 0,2096 g Fettsäuren, b) 0,2048 g Fettsäuren. 

0,2072 g Fettsäuren und 0,0157 g Unverseifbares. 

22,76 pCt. Fettsäuren und 1,73 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
24,49 pCt. Petrolätherextiakt. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


P h o s p h a t i d b e s t i m m u n g. 

10,0 g lufttrockner Substanz. 

2,1164 g Lipoidextrakt. 

23,25 pUt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,1164 g mit Aether gelöst und auf 200 ccm auf¬ 
gefüllt, je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 19,1 
und 19,2, im Mittel 19,2 ccm ‘^-Normal-Natronlauge entsprechend 
0,01081 g P. 

In 2,1164 g Lipoidextrakt 0,0216 g ätherlöslicher P. 

1,02 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,24 pCt. in der 
Trockensubstanz. 


Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 26,56 pCt. im Lipoidextrakt und 

6,25 pCt. in der Trockensubstanz. 


Gck igle 


Original fro-m 

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Ueber Lipoidverfettung. 


247 


Herz. 

Rohgewicht: 61,8 g. 

61,8 g feuchter Substanz entsprechen 15,83 g lufttrockner Substanz. 
Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,7586 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 23,41 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 3,2101 g extrahierter Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt : 25 ccm = 0,4013 g Substanz verbrauchten 20,1 und 20,2 im Mittel 
20,2 ccm Vö'N.wTOaLSchwefelsäure entsprechend 0,0566 g N. 
Arnid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 0,8026 g Substanz verbrauchten 1,5 und 1,5, im Mittel 

1.5 ccm V.r>L)rmal-Schwefelsäure entsprechend 0,0042 g N. 
Gefunden: 14,09 pCt. Gesamt-N, 0,52 pCt. Amid-N und 3,69 pUt. Amid-N im 

Gesamt-N. 

Berechnet auf fetthaltige Trockensubstanz 12,21 pCt. Gesamt-N 
und 0,45 pCt. Amid-N. 

Fettbestimm ung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,1680 g Petrolätherextrakt, b) 0,1641g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0418 g Unverseifbares, b) 0,0399 g Unverseifbares, 

a) 0,1262 g Fettsäuren, b) 0,1242 g Fettsäuren. 

Gefunden im Mittel: 0,0409 g Unverseifbares und 0,1252 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 13,70 pCt. Fettsäuren und 4,47 pUt. Unverseifbares, entsprechend 
18,17 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,5135 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 16,56 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,5135 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufge¬ 
füllt, je 100 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 8,5 und 
8,4, im Mittel 8,5 ccm 1 /’>"^ ornia LNatronlauge entsprechend 
0,004785 g P. 

Gefunden: In 1,5135 g Lipoidextrakt 0,0096 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0.63 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0.11 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 2,87 pCt. im Lipoidextrakt und 

16,37 pCt. in der Trockensubstanz. 

Nieren. 

Rohgewicht 55,2 g entsprechen 13,34 g lufttrockner Substanz. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 1,32 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,1435 g Trockensubstanz 
Hieraus berechnet: 20,95 pCt. Trockensubstanz. 

N-Besti mm u ng. 

Hydrolysiert: 8,5698 g extrahierter Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,8570 g Substanz verbrauchten 41,5 und 41,5, im Mittel 

41.5 ccm Vs-Normal-Schwefelsäure entsprechend 0,1162 g N. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 1,7140 g Substanz verbrauchten 4,9 und 5,0, im Mittel 
5.0 ccm V- Normal-Schwefelsäure entsprechend 0,014 g N. 
Gefunden: 13,56 pUt. Gesamt-N, 0,82 p(’t. Amid-N und 6,05 pUt. im Gesamt-N. 

Berechnet auf fetthaltige Trockensubstanz 12,21 pCt. Gesamt-N 
und 0,73 pUt. Amid-N. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. i ~ 


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248 


Hermann Jastrowitz, 


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Angewandt: 

Gefunden: 


Gefunden im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fettbestimmung. 

Je 2,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,1472 g Petrolätherextrakt, b) 0,1511 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0154 g Unverseifbares, b) 0,0170 g Unverseifbares. 

a) 0,1318 g Fettsäuren, b) 0.1341 g Fettsäuren. 

0,133 g Fettsäuren und 0,0162 g Unverseifbares. 

7,67 pCt. Fettsäuren und 0,93 pUt. Unverseifbares, entsprechend 
8,6 pCt. Petrolätherextrakt. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Phosphatidbestimmung. 

3,0 g lufttrockner Substanz. 

0,6923 g Lipoidextrakt. 

1,98 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,6923 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufge¬ 
füllt, je 100 ccm verbrauchten 10,0 und 9,9, im Mittel 10,0 ccm 
L^-Normal-Natronlauge entsprechend 0,00563 g P. 

In 0,6923 g Lipoidextrakt 0,0113 g ätherlöslicher P. 

1,63 pUt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,16 pCt. in der 
Trockensubstanz. 


Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 42,45 pCt. im Lipoidextrakt und 

4,17 pGt. in der Trockensubstanz. 


Zweiter Nitrobenzolhund. 

Gewicht; 6 kg. E. 6300000. 11b. 90 pCt. 

Am 13. 6. 1911 0,4 g Nitrobenzol. 

Am 16.6. E. 3400000. Hb. 40pCt. Nochmals 0,4 g Nitrobenzol. 

Am 21. 6. liegt das Tier im Käfig mit klonisch-tonischen Krämpfen. Schaum 
steht ihm vor dem Mund. Beim Versuch cs passiv aufzurichten, fällt es um. 

Am 22.6. dauern die Krämpfe noch an; das Tier ist sehr matt. Das rechte 
Hinterbein ist paretisch. E. 1700000. Da der Exitus befürchtet wurde, wurde das 
Tier getötet. Die morphologische Blutveränderung ist nicht sehr erheblich. Die Leiche 
riecht deutlich nach Nitrobenzol. Organbefund ähnlich wie beim vorigen Versuch. Nur 
die Tubuli recti der Nieren lassen mikroskopisch Fetteinlagerung erkennen. 


Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

35,7 g feuchter Substanz geben 5,34 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: 0,34 lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,2997 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 13,18 pUt. Trockensubstanz 

P hosphatidbesti m m u n g. 

5,0 g lufttrockner Substauz. 

0,1450 g Lipoidextrakt. 

3,29 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,1450 g mit Aether auf 100 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 3,4 und 3,5, im Mittel 
3,5 ccm 1 o-Normal-Natronlauge. entsprechend 0,00197 g P. 

In 0,1450 g Lipoidextrakt 0,0039 g ätherlöslicher P. 

0,27 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,08 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 70,31 pUt. im Lipoidextrakt und 

2,32 pUt. in der Trockensubstanz. 


Angewandt 
Gefunden 
Hieraus berechnet 


Hieraus 


Gefunden: 
berechnet: 


Leber. 

205,2 g an der Luft getrocknet entsprechen 44,37 g lufttrockner Substanz. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


B e s t i rn m u n g der Trockensubstanz. 
Je 1,0 g lufttrockner Substanz, 
a) 0,9896 g, b) 0,9825 g. 

0,9810 g Trockensubstanz. 

21,21 pUt. Trockensubstanz. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 





Ueber Lipoidverfettung. 


249 


N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 5,0777 g extrahierter Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Gcsamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,6347 g Substanz verbrauchten 29,4 und 29,6, im Mittel 
29,5 ccm 1 V,-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0856 g N. 

Amid-N. 

50 ccm = 1,2694 g Substanz verbrauchten 3,2 und 3,3, im Mittel 
3,3 ccm 1 5 'Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0092 g N. 
Gefunden: 13,07 pCt. Gesamt-N. 0,73 pCt. Amid-N und 5,61 pCt. Amid-N im 
Gesamt-N. Berechnet auf fetthaltige Trockensubstanz ll,43pCt. 
und 0,46 pCt. Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 2,0 g lufttrockncr Substanz entsprechend 1,962 g Trocken¬ 
substanz. 

Gefunden: a) 0,2092 g Petrolätherextrakt, b) 0,2118 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0576 g Unverscifbarcs, b) 0,0586 g Unverseifbares, 

a) 0,1516 g Fettsäuren, b) 0,1531 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1524 g Fettsäuren und 0,0581 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 7,77 pCt. Fettsäuren und 2,96 pCt. Unverseif bares, entsprechend 
10,73 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,00 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,0947 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 11,16 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,0947 g Lipoidextrakt mit Aether gelöst, auf 200 ccm 
aufgefüllt, verbrauchten 13,9 und 14,0, im Mittel 14,0ccm 1 ..-Normal- 
Natronlauge, entsprechend 0,007882 g P. 

Gefunden: In 1,0947 g Lipoidextrakt 0,0158 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,42 pCt. ätherlüslicher P im Lipoidextrakt und 
0,16 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 36,98 pCt. im Lipoidextrakt und 

4,17 pCt. in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 25,8 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

25,8 g feuchter Substanz entsprechen 5,35 g lufttrockener Substanz. 

Angewnadt: 0,35 g lufttrockncr Substanz. 

Gefunden: 0,3284 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 19,46 pCt. Trockensubstanz. 

N - B e s t i m m u n g. 

Diese 0,3284 g Trockensubstanz, kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 5,4 und 5,3, im Mittel 5,4 ccm ‘/r,-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 
0,0302 g N. 

Hieraus berechnet; 9,20 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 13,55 pCt. N. 

Amid-N-Bestim mung. 

Hydrolysiert: 2,5908 g Substanz auf 300 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,4318 g Substanz verbrauchten 0,9 und 1,0, im Mittel 

1,0 cm 1 -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0028 g N. 

Gefunden: 0,65 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,44 pUt. in der fetthaltigen 
Substanz = 4,80 pUt. des Gesamt-N. 

F c 11 b e s t i m m u n g. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockncr Substanz. 

Gefunden: 0,2386 g Petrolätherextrakt. 

0,1077 g Unverseif bares. 

0,1309 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 15,54 pCt. Fettsäuren und 12,49 pCt. Luverseifbares, 28,03 pUt. 
Petrolätherextrakt. 

17* 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



250 


Hermann Jastrowitz, 


P h o s p h a t i d b e s t. i m m u n g. 

4,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,7040 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 20,89 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,7040 g Lipoidextrakt mit Acther auf 200 ccm aufgefüllt, 
je 100 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 12,5 und 12,6, im 
Mittel 12,6 ccm V^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,00709 g P. 

Gefunden: In 0,7040 g Lipoidextrakt 0,014 g ätherlöslichen 1*. 

Hieraus berechnet: 1,99 pCt. ätherlöslichcr P im Lipoidextrakt und 
0,42 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 10,94 pCt. in der Trockensubstanz und 

51,82 pCt. für den Lipoidextrakt. 

Nieren. 

Rohgewicht: 80,5 g entsprechend 4,92 g lufttrockner Substanz. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,91S7 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 14,82 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimm ung. 

Hydrolysiert: 1,9186 g extrahierter Substanz auf 100 ccm aufgefüllt. 

Gcsamt-N. 

Angewandt: 10 ccm = 0,1919 g Substanz verbrauchten 8,8 und 8,9, im Mittel 
8,9 ccm -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0249 g N. 

Amid-N. 

Angewandt : 25 ccm = 0,4797 g Substanz verbrauchten 1,0 und 1,1, im Mittel 
1,1 ccm ^^-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0031 g N. 

Gefunden: 12,99 pCt. Gesamt-X und 0,64 pCt. Amid-N und 4,39 pCt. Amid-N 
im Gcsamt-N. 

Berechnet auf fetthaltige Substanz 8,43 pCt. Gesamt-N und 
0,42 pCt. Amid-N. 

Fettbestim m u n g. 

Angewandt : 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,3512 g Petrolätherextrakt. 

0,1384 g Lnverseifbares, 

0,2128 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 23,16 pLt. Fettsäuren und 15,42 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
38,58 pG. Petrolätherextrakt. 

P h o s p h a t i d b e s t i m m u n g. 

Angewandt: 3,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,9481 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 34,4 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,9481 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, 
je 100 ccm verbrauchten 11,6 und 11,8, im Mittel 11,7 ccm 
Vj-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,000588 g P. 

Gefunden: In 0,9481 g Lipoidextrakt 0,0148 g ätherlöslicher F. 

Hieraus berechnet: 1,48 pLt. ätherlöslichcr P im Lipoidextrakt und 
0,51 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 39,44 pCt. im Lipoidextrakt und 

13,28 pCt. in der Trockensubstanz. 


Dritter Nitrobenzolhund. 

Gewicht: 8 kg. E. 6200000. Hb. 85 pCt. 

Am 7. 12. 1911 0,5 ccm Nitrobenzol subkutan, desgleichen am 14. 12. An diesem 
Tage E. 2 600000. Am 17. 12. Krämpfe. E. 1980000. Am 18. 12. wurde das Tier 
getötet. Mikroskopisch im Blut das gleiche Bild wie hei den früheren Hunden. Inten¬ 
siver Nitrobenzolgeruch. 


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Ueber Lipoidverfettung 


251 


Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

168,20 g feuchter Substanz ergab 25,10 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: a) 8,41 g feuchter Substanz, b) 10,99 g feuchter Substanz. 

Gefunden: a) 1,1809 g Trockensubstanz, b) 1,5922 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 14,27 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,0424g Petrolätherextrakt, b) 0,0380 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0120 g Unverseifbares, b) 0,0098 g Unverseifbarcs. 

a) 0,0304 g Fettsäuren, b) 0,0282 g Fettsäuren. 

Gefunden im Mittel: 0,0293 g Fettsäuren und 0,0109 g Unverseif bares. 

Hieraus berechnet: 3,10 pCt. Fettsäuren und 1,14 pCt. Unverseifbarcs, entsprechend 
4,24 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 15,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,5814 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 4,04 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,5814 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 6,2 ccm und 6,1 ccm, im 
Mittel 6,1 ccm V 2 "Normal-Natronlauge, entsprechend 0,0068 g äther- 
löslichem P. \ 

Hieraus berechnet: 1,2 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,049 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 31,25 pCt. im Lipoidextrakt und 

1,28 „ in der Trockensubstanz. 

Leber. 

Rohgewicht: 258,9 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

208,3 g, an der Luft getrocknet, entsprechen 28,72 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,8386 g Trockensubstanz, b) 0,8414 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 0,84 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 19,53 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Die sub a getrockneten 0,84 g Trockensubstanz kjeldahlisiert. auf 200 ccm auf- 

gefüllt-, je 100 ccm verbrauchten 16,5 cm und 16,6 ccm, im Mittel 16,6 ccm ! / 5 -Normal- 

Schwefelsäure, entsprechend 0,0465 g N. 

Gefunden: In 0,84 g Trockensubstanz 0,0930 g N. 

Hieraus berechnet: 11,1 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz: 14,12 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 2,5342 g Substanz, auf 200 ccm aufgefiillt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,6336 g Substanz verbrauchten 1,3 ccm und 1,4 ccm, 
im Mittel 1,4ccm V:>’Normal-Schwefcl$äure, entsprechend 0,0039g N. 

Gefunden: 0,62 pCt. Amid-N in der fettfreien Substanz und 0,49 pCt. in der 
fetthaltigen Substanz = 4,39 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,1622 g Petrolätherextrakt, b) 0,1630 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0190 g Unverseif bares, b) 0,0208 g Unverseif bares, 

a) 0,1432 g Fettsäuren, b) 0,1422 g Fettsäuren. 

Im Mittel gefunden: 0,1427 g Fettsäuren und 0,0199 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 16,91 pCt. Fettsäuren und 2,37 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
19.28 pCt. Petrolätherextrakt. 


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252 


Hermann Jastrowitz 


r h u sp li a t i (1 b e s t i m nui n g. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz, 
befunden: 1,3880 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 16.53 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,3880 g Lipoidextrakt mit Aether gelöst, auf ‘200 ccm 
aufgefüllt, je 100 ccm verbrauchten 14,1 ccm und 14,‘2 ccm, im 
Mittel 14,‘2 ccm ‘^'Normal-Natronlauge, entsprechend 0,007005 g P. 
Gefunden: ln 1,3880 g Lipoidextrakt 0,0160g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,45 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,10 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 4,05 pCt. in der Trockensubstanz und 

37,76 „ im Lipoidextrakt. 

Herz. 

Rohgewicht: 40,54 g. 

40,54 g feuchter Substanz entsprechen 10,45 g lufttrockner Substanz. 
Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,02*25 g Trockensubstanz, b) 0,0107 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 0,0211 g Trockensubstanz. 

Hieraus im Mittel berechnet: 23,80 pCt. Trockensubstanz. 

N - ß e s t i m m u n g. 

Hydrolysiert: 6,7252 g extrahierter Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,6725 g Substanz verbrauchten 32,0 ccm und 32,0 ccm, 
im Mittel32,0ccm 1 VXormal-Sehwefelsäure, entsprechend 0,0021 gX. 
Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 1,3450 g Substanz verbrauchten 4,0 ccm und 3,0 ccm, 
im Mittel 4,0 ccm , /r l -X T ormal-Schwcfelsäure, entsprechend 0,0112 g N. 
Gefunden: 13,7 pCt. Gesamt-N, 0,83 pCt. Amid-N und 6,06 pCt. Ainid-N im 
Gesamt-N. 

Für die fetthaltige Trockensubstanz berechnet 11,22 pCt. Ge¬ 
samt-N = 0,68 pCt. Amid-N. 

Fettbestim m ung. 

Angewandt: Je 1.0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,1041 g Petrolätherextrakt, b) 0,1060 g Petrolätbercxtrakt. 

a) 0,0070 g Tiiverseifbares, b) 0,0002 g Fnverscifbarcs. 

a) 0,0972 g Fettsäuren, b) 0,0077 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0.0075 g Fettsäuren und 0,0086 g Fnverseifbares. 

Hieraus berechnet: 10,58 pCt. Fettsäuren und 0,03 pt.T. Unverseifbares, entsprechend 
11,51 pCt. Petrobitherextrakt. 

P li o s p li a t i d b e s t i m m u n g. 

6,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,9163 g Lipoidextrakt. 

Diese 0,0163 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufge¬ 
füllt, je 100 ccm verbrauchten 17.7 ccm und 17,8 ccm, im Mittel 
17,8 ccm 1 _,-Nnrmal-Xatronlauge entsprechend 0,01002 g P. 
Gefunden: In 0,0163 g Lipuidextrakt 0,02004 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 2,18 pt't. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,36 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sieb: 56,8 pCt. im Lipoidextrakt und 

9,38 .. in der Trockensubstanz. 

Nieren. 

Rohgewicht: 35,5 g. 

35,5 g feuchter Substanz entsprechen 8,51 g lufttrockner Substanz. 

Bes ti m m u ng der Trockensubstan z. 

Angewandt: Je 0,5 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,44*05 g Trockensubstanz, b) 0,4468 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 0.4437 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 20,31 pt't. Trockensubstanz. 


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lieber Lipoid Verfettung. 


253 


X - Bestimmung. 

Hydrolysiert: 5,0182 g extrahierter Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,5018 g Substanz verbrauchten 23,5 ccm und 23,6 ccm, 
im Mittel 23,6ccm Vß-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,661 g N. 
Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 1,0036 g Substanz verbrauchten 2,2 ccm und 2,3 ccm, 
im Mittel 2,3 ccm Vs-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,064 g N. 
Gefunden: 13,17 pCt. Gesamt-N, 0,64 pCt. Amid-N und 4,86 pCt. Amid-N 
im Gesamt-N. 

Für die fetthaltige Trockensubstanz berechnet: 10,71 pCt. Gesamt-N und 0,52pCt. Amid-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockncr Substanz. 

Gefunden: a) 0,1427 g Petrolätherextrakt, b) 0,1451 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0114 g Un verseil bares, b) 0,0132 g Unverseif bares, 

a) 0,1313 g Fettsäuren, b) 0,1319 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1316 g Fettsäuren und 0,0123 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 14,83 pCt. Fettsäuren und 1,26 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
16,09 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphat idbestimmung. 

Angewandt: die restlichen 5,51 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,7862 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 16,1 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,7862 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, 
je 100 ccm verbrauchten 12,0 ccm und 12,2 ccm, im Mittel 12,1 ccm 
! / 2 -Normal-Natronlauge, entsprechend 0,00681 g ätherlöslicher P. 
Hieraus berechnet : 1,73 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,28 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 45,05 pCt. im Lipoidextrakt und 

7,292 „ in der Trockensubstanz. 

Erster Arsenwasserstoffhund. 

Gewicht 4,5 kg. E. 7 180000. Hb. 100 pCt. 

Da eine Bestimmung des Arsen Wasserstoffs und Dosierung unausführbar ist, habe ich 
mich auf die Angabe der zugesetzten arsenigen Säure und die Inhalationsdauer beschränkt. 

Am 24. und 27. 4. 1911, und am 1. und 8. 5. je 0,5 g arsenige Säure 5 Minuten 
inhaliert. Ara 1. 5. Hb. 50 pCt., E. 3700000, Serum etwas hämoglobinhaltig. Am 12., 
17. und 20. 5. je lg arseniger Säure zugesetzt. 20. 5. Hb. 32 pCt., E. 1900009. 

Das Tier zeigte wiederholt blutige Stuhl- und Urinentleerungen. Es taumelte 
mitunter ein wenig, wurde jedoch nach den einzelnen Vergiftungen nie schwerer krank 
und erholte sich nach einigen Stunden immer wieder. 

Am 12. 7. Da das Tier schon sehr schwach war, wurde es getötet. Bei der 
Sektion zeigten sich grössere und kleinere Blutungen der serösen Häute. Die Lungen 
stark hyperämisch. Milz, Leber, Nieren von dunkler, brauner Farbe, in der Blase 
blutiger Harn. Fäces blutig. Die Leber nicht verändert; zeigte nur vereinzelte Fett¬ 
einlagerungen, sowie Vermehrung der Kupfer sehen Sternzellen. Die Niere zeigte 
geringe Verfettung der Epithelien und der Tubuli recti. 

Blot. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

109,2 g feuchter Substanz entsprechen 26,52 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,6432 g, b) 0,6481 g. 

Im Mittel: 0,6457 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 15,29 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbestimm u ng. 

Angewandt: 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,0352 g Petrolätherextrakt, b) 0,0323 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0086 g Unverseifbares, b) 0,0075 g Unverseifbares. 

a) 0,0266 g Fettsäuren, b) 0,0248 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,0257 g Fettsäuren und 0,081 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 1,99 pCt. Fettsäuren und 0,63 pCt. Unverseifbares. 

Somit: 2,62 „ Petrolätherextrakt. 


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254 


Hermann Jastrowitz 


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Leber. 

Bestimmung der Troekcnsubstanz. 

208,2 g an der Luft getrocknet, entsprechen 56,05 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

(befunden: a) 0,8968 g, b) 0,8949 g. 

Im Mittel: 0,8958 g. 

Hieraus berechnet: 24,14 pUt. Trockensubstanz. 


X-Bestimm ung. 

Die sub a) getrockneten 0,8958 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 200 ccm 
aufgefüllt, 100 ccm verbrauchten 18,9 und 18,8, im Mittel 18,9 ccm 1 5 -Normal- 
Schwcfelsiiure entsprechend 0,0529 g N. 

Gefunden: 0,1058 g N. 

Hieraus berechnet: 11,80 pCt. N in der Trockensubstanz. 


Hydrolysiert: 
Angewandt: 

tief unden: 


A m i d - X - B e s t i m m u n g. 

6,7212 g Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

50 ccm 1.6804 g Substanz verbrauchten 4,3 und 4,3, im Mittel 
4,3 ccm 1 :j -Xormal-Sehwcfelsäure, entsprechend 0.0120 g N. 

0,71 pCt. Amid-IC in der fettfreien Substanz und 0,60 pCt. in 
der fetthaltigen Substanz, 5,12 pCt. des Gesamt-N. 


Angewandt: 

Gefunden: 


Jm Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fettbestimmung. 

Je 5,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,6408 g Petrolätherextrakt, b) 0,6440 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0389 g Unverseifbares, b) 0,0408 g Unverseifbares. 

a) 0,6019 g Fettsäuren, b) 0,6032 g Fettsäuren. 

0,6026 g Fettsäuren und 0,0399 g Unverseifbares. 

13,15 pCt. Fettsäuren und 0,89 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
14,09 pGt. Petrolätherextrakt. 


Zweiter Arsenwasserstoffhund. 

Gewicht: 8 kg. Hb. 85 pCt. E. 6700000. 

Am 13., 16., 18., 19., 22.6. 1911 (am 16.6. Hb. 75 pCt. E. 4O00000) und am 
3. 7. je 1 g Arsenwasserstoff 7 Min. 30 Sek. inhaliert. Hb. 25 pCt. E. 1 600000. 

Am 7.7. tot aufgefunden. Das Tier zeigte die gleichen klinischen Erscheinungen: 
Hämaturie und Hämoglobinurie und blutigen Stuhl. Im frischen Blutpräparat war nur 
eine starke Anisoeytose zu finden. 

Die mikroskopische Untersuchung von Leber, Niere und Herz zeigt keine abnorme 
Fettablagerung. 

Leber. 

Hohgewicht: 132,3 g. 

B e s t i in m u n g der Trocken s u b s t a n z. 

132,3 g, an der Luft getrocknet, entsprechen 32,85 g lufttrockener Substanz. 
Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0.9152 g Trockensubstanz, b) 0,9124 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 0,9138 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 22,44 pUt. Trockensubstanz. 


N - Bes tim in ung. 

Die sub a) getrockneten 0.9138 g Trockensubstanz, kjeldahlisiert, auf 200 ccm 
aufgefüllt, je 100 ccm verbrauchten 21.9 ccm und 22,0 ccm, im Mittel 22.0 ccm 
' ^-Normal-Schwefelsaure, entsprechend 0.0616 g X. 

Gefunden: ln 0,9138 g Trockensubstanz 0,1232 g N. 

Hieraus berechnet: 13,18 pUt. N, berechnet auf fettfreie Trockensubstanz 14,98 pCt. N. 


Hydrolysiert: 
Angewandt: 

Gefunden: 


A m i d - X - B e s t i m m u n g. 

8,6223 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

50 ccm = 1,7244 g Substanz verbrauchten 4,8 ccm und 4,9 ccm. 
im Mittel 4,9ccm 1 , 5 -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0137 gX. 
0,80 p( 't. Amid-N in der fettfreien Substanz und 
0,70 .. ., in der fetthaltigen — 5,34 pCt. des Gesamt-X. 


Gougle 


Original fro-m 

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Ueber Lipoidverfettung. 


255 


Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 2,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,2068 g Petrolätherextrakt, b) 0,2102 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0155 g Unverseifbares, b) 0,0168 g Unverscifbares, 

a) 0,1913 g Fettsäuren. b) 0,1934 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1924 g Fettsäuren und 0,0162 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 10,53 pCt. Fettsäuren und 

0,89 „ Unverseifbares,entsprechend ll,42pCt.Pctrolätherextrakt. 

P h o s p hatid bestimmun g. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1,3873 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 15,18 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,3873 g mit Acther gelöst und auf 200 ccm aufgefüllt, 
je 100 ccm verbrauchten, nach Neu mann verascht, 10,7 ccm 
und 10,8 ccm, im Mittel 10,8 ccm V 2 ~N° rma l~Katronlauge, ent¬ 
sprechend 0,00608 g P. 

Gefunden: 1,3873 g Lipoidextrakt, 0,912 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,13pCt. äthcrlöslicher P in der Trockensubstanz und 
0,87 „ * P in dem Lipoidextrakt. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 22,66 pCt. im Lipoidextrakt und 

3,4 , in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 30,24 g ergab 7,94 g lufttrockener Substanz. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 0,94 g lufttrockncr Substanz. 

Gefunden: 0,8137 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 22,73 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestiminung. 

Diese 0,8137 g Trockensubstanz, kjeldahlisicrt, auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 oem 

verbrauchten 19,0 ccm und 18,9 ccm, im Mittel 19,0 ccm , /r>*^ orma -i*^ c bwefclsäure, 

entsprechend 0,05571 g N. 

Gefunden: 0,1114 g N. 

Hieraus berechnet: 13,49 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 15,41 pCt. X. 

A in i d - X - B e s t i m m u n g. 

Hydrolysiert: 3,9214 g Substanz auf 250 ccm aufgefiillt. 50 ccm = 0,7842 g 
Substanz verbrauchten 2,1 ccm und 2,2 ccm, im Mittel 2,2 ccm 
Vs-Normal-Schwcfelsäure, entsprechend 0,0062 g X'. 

Gefunden: 0,79 pCt. Amid-N in der fettfreien und 

0,69 „ in der fetthaltigen Trockensubstanz = 5,13pCt. 

des Gesamt-N. 

F ettbesti m m u n g. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttiockener Substanz. 

Gefunden: a) ö.0869 g Petrolätherextrakt, b) 0,0901 g Petruläthercxtrakt, 

a) 0,0111 g Unverseifbares, b) 0,0123 g Unverseifbares, 

a) 0,0758 g Fettsäuren, b) 0,0778 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,0768 g Fettsäuren und 0,0117 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 8,85pCt. Fettsäuren und 

1,35 „ Unverseifbares. entsprechend 10,2pCt. Petrolätherextrakt. 

P h o s p I) a t i d b e s t i m m u n g. 

5,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,4604 g Lipoidcxtrakt. 

Hieraus berechnet: 10,61 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,4604 g Lipoidextrakt mit Aether auf 100 ccm aufge¬ 
fiillt, je 100 ccm verbrauchten 10,5 ccm und 10,5 ccm, im Mittel 
10,5 ccm Vo-X'ormal X'atroniauge, entsprechend 0,00591 g P. 

Gefunden: In 4,339 g Trockensubstanz 0,01182 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 2,56 pCt. ätherlöslichcr P im Lipoidextrakt und 

0,27 r „ P in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet eriribt sich: 7,031 pUt. in der Trockensubstanz und 

66,67 r im Lipoidextrakt. 


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256 


Hermann Jastrowitz, 


Nieren. 

Rohgewicht: 29,65 g. 

29,65 g feuchter Substanz entsprechen 6,40 g lufttrockener Substanz. 
Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 0,40 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,3270 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 17,68pCt. Trockensubstanz. 

X - B e s t i m m u n g. 

0,3270 g Trockensubstanz kjeldahlisiert und auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 7,6 ccm und 7,7 ccm, im Mittel 7,7 ccm WNormal-Schwefelsäure, ent¬ 
sprechend 0,0216 g N. 

Gefunden: 0,0432 g N in 0,327 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 13,18 pCt. X in der Trockensubstanz, berechnet auf fett freie 
Trockensubstanz 16,39 pCt. 

A m id -X -Bes timmung. 

Hydrolysiert: 3,7268 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,7454 g Substanz verbrauchten 1,5 ccm und 1,5 ccm, 
im Mittel 1,5 ccm l / 5 - Normal - Schwefelsäure, entsprechend 
0,0042 g N. 

Gefunden: 0,56pCt. Amid-X in der fettfreien und 

0,45 „ „ in der fetthaltigen = 3,42 pCt. des Gcsamt-X. 

F e 11 b e s t i m in u n g. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,1336 g Petrolätherextrakt, 

0,0304 g Unverseifbares, 

0,1032 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 12,62pCt. Fettsäuren und 

3,72 „ Unverseifbares, entsprechend 16,34pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbcstimmung. 

Angewandt: 5,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,8095 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 19,8 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0.8095 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufgc* 
füllt, je 100 ccm verbrauchten 14,1 ccm und 14,2 ccm, im Mittel 
14,2 ccm 1 / 2 -Xormal-Xatronlauge, entsprechend 0,007995 g P. 
Gefunden: In 0,S095 g Lipoidextrakt 0,01599 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,94 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 

0,39 „ „ P in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 50,52 pCt. im Lipoidextrakt und 

10,165 „ in der Trockensubstanz. 


Erster Hund mit Oleum pulegii vergiftet. 

Gewicht 7 kg. Hb. 82 pCt. E. 5 600 000. 

Am 7., 11. und 14. 7. 1911 je 2 ccm Oleum pulegii subcutan. 

Am 14. 7. Hb. 45 pCt. E. 2800000. Am 17. 7. ohne scheinbar wesentlich krank 
gewesen zu sein, tot aufgefunden. Mikroskopisch Anisocyto.se. Leber makro- und 
mikroskopisch stark verfettet, zeigt ausgedehnte Vacuolcnbildung an den Stellen aus¬ 
gefallenen Leberparenchyms. Auch in der Xiere Verfettung der Tubuli recti; letztere 
geringe Degeneration zeigend. 

Leber. 

Rohgewicht: 651,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

651,0 g feuchter Substanz entsprechen 243.4 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: ,lc 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0.6684 g. b) 0,6709 g. 

Im Mittel: 0.6697 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 25,0 pCt. Trockensubstanz. 


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Ueber Lipoid Verfettung. 


257 


Hydrolysiert: 

Angewandt: 


Angewandt: 

Gefunden: 

Berechnet für 
Amid-N. 

Angewandt: 

Gefunden: 


Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


N -Bestimmung. 

4,0411g extrahierter Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Gesamt -N. 

25 ccm = 0,5051 g Substanz verbrauchten 23,8 und 24,0, im Mittel 

23.9 ccm V 5 -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0669 g N. 

Amid-N. 

50 ccm = 1,0103 g Substanz verbrauchten 2,8 und 2,9, im Mittel 

2.9 ccm Vß-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0081 g N. 

13,25 pCt. Gesamt-N, 0,80 pCt. Amid-N in der fettfreien Trocken¬ 
substanz und 6,04 pCt. Amid-N im Gesamt-N. 

die fetthaltige Trockensubstanz 2,28 pCt. Gesamt-N in 0,14 pCt. 

Fettbestimmung. 

Je 2,0 g lufttrockner Substauz. 

a) 1,0428 g Petrolätherextrakt, b) 1,0391 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,06 g Unverseifbares, b) 0,0589 g Unverseifbares, 

a) 0,9828 g Fettsäuren, b) 0,9802 g Fettsäuren. 

0,9815 g Fettsäuren und 0,0595 g Unverseifbares. 

4,45 pCt. Unverseifbares und 73,28pCt. Fettsäuren, somit 77,73pCt. 
Petrolätherextrakt. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Phosphatidbestimmung. 

5,0 g lufttrockner Substanz. 

2,6035 g Lipoidextrakt. 

77,8 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. Diese 2,6035 g 
Lipoidextrakt auf 200 cm aufgefüllt, nach Neumann verascht, 
je 100 ccm verbrauchten 7,0 und 7,1, im Mittel 7,1 ccm Vj-Normal- 
Natronlauge, entsprechend 0,003997 g P. 

In 2,6035 g Lipoidextrakt 0,008 g ätberlöslicher P. 

0,31 pCt. äthcrlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,24 pCt. in der 
Trockensubstanz. 


Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 8,073 pCt. im Lipoidextrakt und 

6,25 pCt. in der Trockensubstanz. 


Herz. 

Kohgewicht: 41,05 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

41,05 g feuchter Substanz entsprechen 11,25 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,9378 g. 

Hieraus berechnet: 25,1 pCt. Trockensubstanz. 


N -Bestimmung. 

Die sub 1. getrockneten 0,9378 g kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 18,6 und 18,8, im Mittel 18,7 ccm y 5 -Normal-Schwcfelsäure, entsprechend 
0,0524 g N. 

Gefunden: 0,1048 g N. 

Hieraus berechnet: 10,92 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 15,49 pCt. N. 


Hydrolysiert: 

Angewandt: 

Gefunden: 


Amid-N-Bestimmung. 

0,6364 g Substanz auf 100 ccm aufgefüllt. 

25 ccm = 0,1591 g Substanz verbrauchten 0,6 und 0,5, im Mittel 
0,6 ccm Vs-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0017 g N. 

1,06 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,74 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 6,84 pCt. des Gesamt-N. 


Angewandt: 

Gefunden: 


Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fettbes timmung. 

Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,2416 g Petrolätherextrakt, b) 0,2451 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0178 g Unverseifbares, b) 0,0202 g Unverseifbares. 

a) 0,2238 g Fettsäuren, b) 0,2249 g Fettsäuren. 

0,2244 g Fettsäuren und 0,019 g Unverseifbares. 

23.93 pCt. Fettsäuren und 2,01 pCt. Unverseifbares, entsprechend 

25.94 pCt. Petrolätherextrakt. 


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Gck igle 


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258 


Hermann Jastrowitz 


P h o s p h a ti d b e s t i m m u n g. 

Angewandt: 5,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,588 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 33,87 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. Diese 1,588 g 
Lipoidextrakt wurden mit Aethcr auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 14,9 und 15,1, im Mittel 
15,0 ccm ^^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,08445 g P. 

Gefunden: In 1,588 g Trockensubstanz 0.0169 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,06 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,36 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

• Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 27,60 pCt. im Lipoidextrakt und 

9,38 pCt. in der Trockensubstanz. 

Nieren. 

Rohgewicht: 51,2 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

51,2 g feuchter Substanz entsprechen 13,85 g lul’ttrockner Substanz. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,9394 g. b) 0,9372 g. 

Im Mittel: 0,9389 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 25,38 pCt. Trockensubstanz. 

N - B e s t i m m u n g. 

Angewandt: Die sub 1 getrockneten 0,9383 g, kjeldahlisiert, verbrauchten 20,8 
und 20,7, im Mittel 20,8 ccm bvNormalschwefelsäure, entsprechend 
0,0582 g N. 

Gefundon: In 0,9383 g Trockensubstanz 0,1164 g N. 

Hieraus berechnet: 12,41 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 15,68 pCt. 

A m i d - N - B e s t i m m u n g. 

Hydrolysiert: 7,7875 g Substanz auf 150 ccm aufgcfiillt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,5575 g Substanz verbrauchten 3,3 und 3,3, im Mittel 
3,3 cm l / 6 -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0092 g N. 

Gefunden: 0,59 pUt. Amid-N in der fettfreien und 0,47 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 3,76 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbes timmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,177 g Petrolätherextrakt, b) 0,1756 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,041 g Unverseifbares, 1)) 0,0382 g Unverseifbares. 

a) 0,136 g Fettsäuren, b) 0,1374 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1367 g Fettsäuren und 0,0396 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 14,57 pCt. Fettsäuren, 4,52 pCt. Unverseifbares, 19,09 pCt. Petrol¬ 
ätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 2,1692 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 23,12 pUt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. Diese 2,1692 g 
Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm nach Neumann 
verascht, verbrauchten 13,4 und 13,5, im Mittel 13,5 ccm 
Vo-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,0076 g P. 

Gefunden: In 2,1692 g Lipoidextrakt 0,0152g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,69 pUt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,16 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Der Lecithingehalt berechnet sich wie folgt: 17,97 pUt. im Lipoidextrakt und 

1,17 pCt. in der Trockensubstanz. 

Zweiter Hund mit Oleum pulegii vergiftet. 

Gewicht 7,2 kg. Hb. 90pCt. E. 5700000. 

Am 10.7. 1911 2 ccm Oleum pulegii. 

Am 14.7. Hb. 60p<’t. F. 3200000. 3 ccm Oleum pulegii. 

Am 19.7. Hb. E. 2900000. Hb. 51 pUt. 


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lieber Lipoid Verfettung. 


259 


Da das Blut wenig verändert schien, wurden dem Tier nochmals 2 ccm injiziert. 
Am 22. 7. wurde das kurz vorher noch muntere Tier tot im Käfig aufgefunden. 
Die Leber sah makroskopisch schon verfettet aus und bot das Bild einer een- 
tralen Fettleber. Die Niere zeigte in den Tubuli recti Verfettung in den Harnkanälchen. 

Leber. 

Rohgewicht: 551,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

551,0 g an der Luft getrocknet entsprechen 145,2 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,7658 g, b) 0,7688 g. 

Im Mittel: 0,7673 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 20,22 pCt. Trockensubstanz. 

N - B e s t i m m u n g. 

Hydrolysiert: 4,8964 g extrahierter Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,6121 g Substanz verbrauchten 27,7 und 27,8, im Mittel 
27,8 ccm Vs-^'ormal Schwefelsäure entsprechend 0,0778 g N. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 1,2241 g Substanz verbrauchten 4,4 und 4,3, im Mittel 
4,4 ccm 1 5 -Normal-Schwefelsäure entsprechend 0,0123 g N. 
Gefunden: 12,72 pCt. Gesamt-N, 1,01 pCt. Amid-N und 7,81 pUt. Amid-N im 
Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,6532g Petrolätherextrakt, b) 0,6571 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0446 g Unverseifbares, b) 0,0462 g L nverseifbares. 

a) 0,6086 g Fettsäuren, b) 0,6109 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,6098 g Fettsäuren und 0,0454 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 39,74 pCt. Fettsäuren und 2,96 pCt. Unverseifbares entsprechend 
42,70 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosph atidbesti m m ung. 

Angewandt: 25,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 9,0939 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 47,41 pUt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 9,0939 g Lipoidextrakt mit Aether auf 500 ccm aufge¬ 
füllt, je 100 ccm verbrauchten 6,0 und 6,1, im Mittel 6,1 ccm 
V 2 ~Norrnal-Natroniauge entsprechend 0,003434 g P. 

Gefunden: In 9,0939 g Lipoidextrakt 0,0172 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,19 pUt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,09 pC't. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 4,95 pCt. im Lipoidextrakt und 

2,34 pCt. in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 50,3 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

50,3 g feuchter Substanz entsprechen 14,69 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,8270 g, b) 0,8242 g. 

Im Mittel: 0,8256 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 24,08 p(’t. Trockensubstanz. 

X - B c s t i m in u n g. 

Die sub a) getrockneten 0,8256 g Substanz kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, 
je 100 ccm verbrauchten 17,3 und 17,5, im Mittel 17,4 ccm ^-Normal -Schwefelsäure 
entsprechend 0,0487 g N. 

Gefunden: 0,0974 g X. 

Hieraus berechnet: 11,9 pC't. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 16,23 pUt. X. 


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260 


Hermann .lastrowitz, 


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Hydrolysiert: 

Angewandt: 

Gefunden: 


Amid-N- Bestimmung. 

7,7015 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

50 ccm = 1,5403 g Substanz verbrauchten 4,3 und 4,4, im Mittel 
4,4 ccm Vß'Normal-Schwefelsäure entsprechend 0,0123 g N. 

0,80 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,58 pCt. in der fett¬ 
haltigen Substanz = 4,93 pUt. des Gesamt-N. 


Angewandt: 

Gefunden: 


Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


F e 11 b c s t i m m u n g. 

Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,1923 g Petrolätherextrakt, b) 0,1951 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0094 g Unverseifbares, b) 0,0106 g Unverseifbares. 

a) 0,1829 g Fettsäuren, b) 0,1845 g Fettsäuren. 

0,1837 g Fettsäuren und 0,01 g Unverseifbares. 

22,3 pCt. Fettsäuren und 1,21 pUt. Unverseifbares entsprechend 
23,51 pCt. Petrolätherextrakt. 


Angewaudt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Phosphatidbestimmung. 

10,0 g lufttrockner Substanz. 

2,5064 g Uipoidextrakt. 

30,35 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,5064 g Lipoidextrakt mit Aetlmr auf 300 ccm aufgc- 
füllt, je 100 ccm nach Neuniann verascht, verbrauchten 14,8 und 
14,9, im Mittel 14,9 ccm , / 2 -^ormal-Xatronlaugc entsprechend 
0,008389 g P. 

In 2,5064 g Lipoidextrakt 0,2546 g ätherlöslicher P. 

1,02 pUt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,31 pUt. in der 
Trockensubstanz. 


Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 26,56 pCt. im Lipoidextrakt und 

8,07 pCt in der Trockensubstanz. 


Nieren. 

Rohgewicht: 49,6 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

49,6 g feuchter Substanz entsprechen 14,15 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,8218 g, b) 0,8194 g. 

Im Mittel: 0,8206 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 23,40 pCt. Trockensubstanz. 


X-Bestim mung. 

Die sub a) getrockneten 0,8206 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 200 ccm 
aufgefüllt, je 100 ccm verbrauchten 17,0 und 17,1, im Mittel 17,1 ccm V 5 -Normal- 
Schwefelsäure entsprechend 0,04788 g N. 

Gefunden: 0,0958 g X. 

Hieraus berechnet: 11,68 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 16,65 pUt. N. 


Hydrolysiert: 

Angewandt: 

Gefunden: 


A m i d - X - B e s t i in m u n g. 

6,7798 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

50 ccm — 1,355 g Substanz verbrauchten 3,6 und 3,6, im Mittel 
3,6 ccm Vfi-Xonnal-Schwefelsäure entsprechend 0,0101 g X. 

0,7 pCt. Amid-X in der fettfreien und 0.52 pCt. in der fetthaltigen 
Substanz = 4,45 pCt. des Gcsamt-X. 


Angewandt: 

Gefunden: 


Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


F e 11 b e s t i m mu n g. 

Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,2281 g Petrolätherextrakt, b) 0,2265 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0352 g Unverseifbares, b) 0,0331 g Unverseifbares. 

a) 0,1929 g Fettsäuren, b) 0,1934 g Fettsäuren. 

0,1932 g Fettsäuren und 0,0342 g Unverseifbares. 

23,54 pCt. Fettsäuren und 4,17 pUt. Unverseifbares, entsprechend 
27,71 pUt. Petrolätherextrakt. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Ueber Lipoidverfettung. 


261 


Phosphatidbestimraung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 2,3891 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 29,12 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 2,3891 g mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchteh 12,3 und 12,3, im Mittel 
12,3 ccm »^-Normal-Natronlauge entsprechend 0,006925 g P. 
Gefunden: In 2,3891 g Lipoidextrakt 0,0139 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,58 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,17 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 4,43 pCt. in der Trockensubstanz und 

15,1 pCt. im Lipoidextrakt. 

Erster Pyrodinhund. 

Gewicht: 8,5 kg. E. 6 800 000. Hb. 98 pCt. 

Am 7., 11. und 12. 11. 1911 0,02 g Pyrodin subcutan. 

Am 4., 14. und 19. 12. 0,04 g Pyrodin. E. 2 100 000. Hb. 40 pCt. 

Am 22. 12. 0,4 g Pyrodin. 

Desgleichen am 28. und 30. 12. 0,04 g Pyrodin. 

Am 5., 10. und 14. 1. 0,1 g Pyrodin. 

Am 16. 1. E. 1 200 000. Hb. 19 pCt. 

Mikroskopisch Erythroblasten, zerfallene rote Blutkörperchen, Leber in geringem 
Grade verfettet, die Verfettung geht meist von periportalen Gefässen aus. 

Nieren nicht verfettet. Follikuläre Milzhyperplasie. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

252,0 g feuchter Substanz entsprechen 48,61 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: a) 1,6 g lufttrockner Substanz, b) 1,0 g lufttrockner Substanz. 
Gefunden: a) 1,4346 g, b) 0,8951 g. 

Hieraus berechnet: Im Mittel 17,28 pCt. Trockensubstanz. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 20,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,8112 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 4,53 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,8112 g auf 200 ccm aufgefüllt, verbrauchten 7,4 und 7,6 
im Mittel 7,5 ccm ^^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,004223gP. 
Gefunden: In 0,8112 g Lipoidextrakt 0,0084 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,04 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 
0,047 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 27,08 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 

1,224 pCt. in der Trockensubstanz. 

Leber. 

Rohgewicht: 175,3 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

175,3 g an der Luft getrocknet entsprechen 64,22 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: a) 1,22 g lufttrockner Substanz, b) 1,0g lufttrockner Substanz. 
Gefunden: a) 0,9065 g, b) 0.770 g. 

Hieraus berechnet im Mittel: 27,74 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestim mung. 

Hydrolysiert: 8,5287 g extrahierter Substanz auf 300 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,7107 g Substanz verbrauchten 33,4 und 33,5, im Mittel 
33,5 ccm V 6 Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0938 g N. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 1,4214 g Substanz verbrauchten 3,9 und 4,0, im Mittel 
4,0 ccm Vs'Normal-Natronlauge, entsprechend 0,0112 g N. 
Gefunden: 13,20 pCt. Gesamt-N., 0,79 pCt. Amid-N in der fettfreien und 
0,56 pCt. in der fetthaltigen Substanz = 5,97 pCt. des Gesamt-N. 
Hieraus berechnet: 9,35 „ in der fetthaltigen Trockensubstanz. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




262 


Hermann Jastrowitz 


F e 11 b c s t i m m u n g. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

(iefunden: a) 0,1982 g Petrolätherextrakt, b) 0,1949 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0273 g Unverseifbares, b) 0,0251 g Unverseifbares, 

a) 0,1709 g Fettsäuren, b) 0,1698 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1704 g Fettsäuren und 0,0262 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 23,03 pCt. Fettsäuren, 

3,46 „ Unverseifbares, 

26,49 „ Petrolätherextrakt. 

P h o s p h a t i d b e s t i m in u n g. 

Angewandt: 25,0 g lufttrockner Substanz. 

(iefunden: 4,8415 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 27,4 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 4,8415 g im Acther gelöst, auf 300 ccm aufgefüllt, je 
150 ccm verbrauchten 38,4 und 38,6, im Mittel 38,5 ccm WNorrnal- 
Natronlauge, entsprechend 0,02168 g P. 

Gefunden: ln 4,8415 g Lipoidextrakt 0,0434 g ätherlöslichen P. 

Hieraus berechnet: 0,9 p('t. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 0,24 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 6,25 pCt. in der Trockensubstanz und 

23,44 r im Lipoidextrakt. 

Herz. 

Rohgewicht: 40,1 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

40,1 g feuchter Substanz entsprechen 10,56 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: a) 1,0 g lufttrockner Substanz, b) 0.56 g lufttrockner Substanz, 
(iefunden: a) 0,7180g Trockensubstanz, b) 0,3919 g Trockensubstanz. 
Hieraus berechnet im Mittel: 18,68 pCt. Trockensubstanz. 

N - B e s t i nun u n g. 

Die sub 1) getrockneten 0,718 g Trockensubstanz, kjeldahlisiert, auf 200 ccm auf- 
gefiillt, je 100 ccm verbrauchten 14,9 und 15,1, im Mittel 15,0 ccm Vs-Aormal-Schwefel- 
säure, entsprechend 0,042 g X. 

Gefunden: ln 0,7180 g Trockensubstanz 0,084 g N. 

Hieraus berechnet: 11,7 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 14,72 pCt. X. 

A m i d - N - H c s t i m m u n g. 

Hydrolysiert: 5.2769 g Substanz auf 300 ccm aufgcfiillt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,8794 g Substanz verbrauchten 2,7 und 2,9, im Mittel 
2,8 ccm Vs-Xormal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0084 g X. 
Gefunden: 0,89 pCt. Amid-X. in der fettfreien und 0,71 pCt. in der fetthaltigen 
Substanz — 6,05 pUt. des Gcsamt-A. 

Fe11bes tim mung. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,1274 g Petrolätherextrakt, 0,0109 g Unverseifbares, 0,1165 g 
Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 16,23 pCt. Fettsäuren, 

1,52 „ Unverseifbares, 

17,75 r Petrolätherextrakt. 

P h o s p h a t i d b e s t i m m u n g. 

Angewandt: 8,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,1391 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 13,83 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,1391 g Lipoidextrakt mit Acther auf 200 ccm aufgcfiillt, 
je 100 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 14,9 und 14,8, 
im Mittel 14,9ecm 1 2 -Normal-Xatronlauge, entsprechend 0,00839gP. 
Gefunden: In 1,1391 g Lipoidextrakt 0,0168 g ätherlüslioher P. 

Hieraus berechnet: 1,475 pCt. ätherlöslicher P. in dem Lipoidextrakt und 
0,29 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 38.41 pCt. im Lipoidextrakt und 

7,55 .. in der Trockensubstanz. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Uebor Lipoidverfettung. 


263 


Nieren. 

Rohgewicht: 32,2 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

32,2 g feuchter Substanz entsprechen 11,05 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: 1,5 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,1623 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 21,84 pCt. Trockensubstanz. 

N- Bestimmung. 

Diese 1,1623 g Trockensubstanz, kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 24,1 und 24,3, im Mittel 24,2 ccm 1 ^-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 
0,0678 g N. 

Gefunden: 0,1316 g N. 

Hieraus berechnet: 11,66 pCt. X, berechnet auf fettfreie Trockensubstanz 15,02 pCt. X. 

Amid-N- Bestimmung. 

Hydrolysiert: 5,1436 g Substanz auf 300 ccm aufgcfüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,8572 g Substanz verbrauchten 2,2 und 2,3, im Mittel 
2,3 ccm V 6 -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,00644 g X. 
Gefunden: 0,75 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,58 pCt. in der fetthaltigen 
Substanz = 4,99 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: 1,5 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,2244 g Petrolätherextrakt, 

0,0528 g Unverseifbares, 

0,1716 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 14,76 pCt. Fettsäuren und 4,54 pCt. In verseifbares, entsprechend 
19,30 pCt. Petrolätherextrakt. 

P h o s p h a t i d b c s t i m m u n g. 

Angewandt: 8,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,1392 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 18,38 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Die 1,1392 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgcfüllt, je 100 ccm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 19,0 und 19,2, im Mittel 
19,1 ccm b^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,01075 g P. 
Gefunden: In 1,1392 g Lipoidextrakt 0,0215 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,89 pCt. ätherlöslichcr P. im Lipoidextrakt und 
0,35 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 42,22 pCt. im Lipoidextrakt und 

9,12 „ in der Trockensubstanz. 

Zweiter Pyrodinhund. 

Gewicht: 7,5 kg. E. 6 200 000. Hb. 85 pCt. 

Am 7. und 11. 12. 1911 0,02 g Pyrodin. Hb. 78pCt. E. 4 100 000. 

Am 14. 12. 0,04 g Pyrodin. 

Am 19. 12. E. 3 800 000. Hb. 70pCt. 

Am 22. und 28. 12. 0,05 g Pyrodin; an letzterem Tage Hb. 65 pC’t. 

Am 30. 12. 0,05 g Pyrodin. 

Am 5. 1. 1912 0,05 g Pyrodin. 

Am 14. 1. 0,1 g Pyrodin subcutan. 

Mikroskopischer Befund ähnlich wie im vorhergehenden Versuch. Keine Ver¬ 
fettung. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: a) 5,96 g feuchter Substanz, b) 8,06 g feuchter Substanz. 
Gefunden: a) 0,7472 g Trockensubstanz, b) 1,0037 g Trockensubstanz. 
Hieraus berechnet: Im Mittel 12,49 pCt. Trockensubstanz. 

Zeitschrift f. e*|>. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. jy 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Hermann .Jastrowitz, 


Digitized by 


•264 


Phosphatidbesti mmung. 

151,5g feuchter Substanz, an der Luft getrocknet, gaben 26,61 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: 20,0 g luftrockner Substanz, 
befunden: 0,7112 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 5,02 pCt. Lipoidextrakt. 

Diese 0,7112 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ecm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 2,7 und 2,8, im Mittel 
2,8 ccm V 2 'Kormal-Natronl&uge, entsprechend 0,001576 g P. 
befunden: ln 0,7112 g Lipoidextrakt 0,0032 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,44 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt, sowie 0,023 pCt. in 
der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 0,56 pCt. in der Trockensubstanz und 

ll,75pCt. im Lipoidextrakt. 


Leber. 

Rohgewicht: 195,4 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

195,4 g feuchter Substanz entsprechen 57,21 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz, 
befunden: a) 0,9178 g, b) 0,9133 g. 

Im Mittel: 0,9156 g. 

Hieraus berechnet: 26,81 pCt. Trockensubstanz. 


N-Bestimmung. 

Die sub a) getrockneten 0,9156 g Trockensubstanz, kjeldahlisiert, auf 200 ccm 
aufgefüllt, je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 20,5 und 20,3, im Mittel 
20,4 ccm 1 -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0571 g N. 

(iefunden: 0,1142 g N. 

Hieraus berechnet: 12,47 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 16,92 pCt. N. 


A mid-N - Bestimmung. 

Hydrolysiert: 8,4199 g Substanz auf 400 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,0525 g Substanz verbrauchten 3,3 und 3,2, im Mittel 
3,3 ccm V^-Normal-Schwefelsäurc, entsprechend 0,0092 g N. 
«iefunden: 0,88 pCt. Amid-N in der fettfreien und 
0,65 r in der fetthaltigen Substanz = 

5,20 n des Gcsamt-N. 


Angewandt: 
( iefunden: 


(ietunden im Mittel: 
llierau> berechnet: 


Fettbestimmung. 

Je 2,0 g Lufttrockner Substanz. 

n) 0,2935 g Petrolätherextrakt, b) 0,2971 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0298 g Unverseifbares, b) 0,0316 g Unverseifbares, 

a) 0,2637 g Fettsäuren, b) 0,2655 g Fettsäuren. 

0,2646 g Fettsäuren und 0,0307 g Unverseifbares. 

14,48 pCt. Fettsäuren und 1,68 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
16,08 pCt. Petrolätherextrakt. 


Angewandt: 
(iefunden: 
Hunans bcrechnel: 


(iefunden: 
Hieraus berechnet: 

Auf Leeithin hererh 


P h o s p h a t i d b e s t i m m u n g. 

25,0 g lufttrockner Substanz. 

4,6822 g Lipoidextrakt. 

20,46 pCt;. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 4,6822 g auf 200 ccm mit Aether aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 16,7 und 16,5, im Mittel 16,6 ccm ^“Normal-Natron¬ 
lauge, entsprechend 0,009346 g P. 

0,0162 g P (ätherlöslich). 

0,4 pCt. ütherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,082 pCt. in der Trockensubstanz, 
net ergibt sieh: 10,42 pCt. im Lipoidextrakt und 

2,14 pCt. in der Trockensubstanz. 


Herz. 

Bobgewicht: 35,3 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

35,3 g feuchter Substanz entsprechen 10,21 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: 1,21 g lufttrockner Substanz. 

(iefunden: 1,0646 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 25,44 pUt. Trockensubstanz. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 



Ueber Lipoidverfettung. 


265 


N-Bestiramung. 

Hydrolisyert: 3,9816 g extrahierter Substanz auf 500 ccm aufgefüllt. 

Ge^amt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,1991 g Substanz verbrauchten 10,4 und 10,5, im Mittel 

10.5 ccm Vö'Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0294 g N. 

Amid-N. 

Angewandt: 100 ccm = 0,7963 g Substanz verbrauchten 2,4 und 2,5, im Mittel 

2.5 ccm Vö"Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,007 g N. 
Gefunden: 14,77 pCt. N, auf fetthaltige berechnet ll,48pCt. N. 

0,88 pCt. Amid-N in der fettfreien und 

0,68 „ in der fetthaltigen Substanz - 5,93 pCt. des Gcsamt-N. 
Fettbestimraung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,1826 g Petrolätherextrakt, b) 0,1839 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0193 g Unverseifbares, b) 0,0218 g Unverseifbares. 

a) 0,1633 g Fettsäuren, b) 0,1621 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1627 g Fettsäuren und 0,0206g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 18,5 pCt. Fettsäuren und 2,34 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
20,84 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbe Stimmung. 

Angewandt: 5,8 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,0608 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 20,794 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,0608 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufge¬ 
füllt, verbrauchten 12,2 und 12,3, im Mittel 12,3 ccm 1 2 -Normal- 
Natronlauge, entsprechend 0,006925 g P. 

Gefunden: 0,0139 g ätherlösiicher P. 

Hieraus berechnet: 1,31 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,27 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 34,11 pCt. im Lipoidextrakt und 

7,01 pCt. in der Trockensubstanz. 

Nieren. 

Rohgewicht: 30,3 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

30,3 g feuchter Substanz entsprechen 8,62 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: 1,62 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,357 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 23,83 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Die sub a) getrockneten 1,357 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 200 ccm 
aufgefüllt, je 100 ccm verbrauchten 27,1 und 27,3, im Mittel 27,2 ccm 1 .^-Normal- 
Säure, entsprechend 0,0762 g N. 

Gefunden: 0,1524g N. 

Hieraus berechnet: 11,23 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 14,55 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 2,7615 g Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,6904 g Substanz verbrauchten 1,4 und 1,4, im Mittel 
1,4 ccm 73 ’^ orma LSchwefelsäure, entsprechend 0,0039 g X. 
Gefunden: 0,59pCt. Amid-N in der fettfreien Substanz und 
0,44 „ in der fetthaltigen Substanz = 

3,92 „ des Gesamt-N. 

Fettbestimin ung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,1653g Petrolätherextrakt, b) 0,1685 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0302 g Unverseifbares, b) 0,0321 g Unverseifbares. 

a) 0,1351 g Fettsäuren, b) 0,1364 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1358 g Fettsäuren und 0,0312 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 16,21 pCt. Fettsäuren, 

3,72 „ Unverseifbares, 

19,03 r Petrolätherextrakt. 

18* 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




266 


7 


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Hermann Jastrowitz, 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Phosphatidbcstimmung. 

3,40 g lufttrockner Substanz. 

0,8033 g Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

28,65 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,8033 g Lipoidextrakt auf 200 ccm mit Aether aufgefüllt, 
je 100 ccm nach Ncumann verascht, verbrauchten 7,6 und 7,8, 
im Mittel 7,7 ccm , / 2 -Normal-Natronlauge,entsprechend 0,004335gP. 
ln 0,8033 g Lipoidextrakt 0,0088 g ätherlöslicher P. 

1,1 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,31 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 28,65 pCt. im Lipoidextrakt und 

8,07 pCt. in der Trockensubstanz. 


Hieraus 


Gefunden: 

berechnet: 


Erster Toluylendiaminhund. 

Gewicht 7 kg. Hb. 84 pCt. E. 5400000. 

Am 12. 4. 12: 0,25 g Toluylendiamin subcutan. Desgleichen am 15., 18., 22. 4. 12. 
Am 25.4. 12: 0,5 g Toluylendiamin. Desgleichen am 28.4. 12. 

Am 1., 3., 4., 5. und 6. 5.: je lg Tluylendiamin. 

Am 22. 5.: Hb. 65pCt. E. 4100000. 

Am 3. 6.: Hb. 35 pCt. E. 2500000. 

Am 6. 6.: lg Toluylendiamin verabfolgt. 

Am 8. 6.: Moribund aufgefunden; sofort getötet. Leber etwas vergrössert, von 
gelblicher Farbe; Gallenblase prall mit dunkelgrüner Galle gefüllt. Mikroskopisch 
zeigen nur einzelne Zellen Fetttröpfchen eingelagert. Auch in der Niere nur geringe 
Fettablagerungen der Tubuli recti. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: a) 5,42 g feuchter Substanz, b) 4,6 g feuchter Substanz, 

(iefunden: a) 0,6978 g Trockensubstanz, b) 0,5867 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 12,81 pCt. Trockensubstanz. 

Phosphatidbcstimmung. 

Von 115,5 g feuchter Substanz verbleiben nach Lufttrocknung 22,25 g luft¬ 
trockener Substanz. 

Angewandt: 20 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,5988 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 5,5 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,5988 g mit Aether auf 100 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 7,3 ccm und 7,4 ccm, im 
Mittel 7,4 ccm ^^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,004166 g P. 
Gefunden: 0,0084 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,4 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,063 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 36,46 pCt. im Lipoidextrakt und 

1,64 , in der Trockensubstanz. 

Leber. 

Rohgewicht: 102,3 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

80,0 g feuchter Substanz entsprechen 22,83 g Trockensubstanz. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,9278 g Trockensubstanz, b) 0,9235 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 0,9257 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet : 26,43 g Trockensubstanz. 

N-Bestimm ung. 

Diese sub a) getrockneten 0,9257 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 200 ccm 
aufgefüllt, je 100 ccm verbrauchten 20,3 ccm und 20,4 ccm, im Mittel 20,4 ccm 
Va-Normal-Sclnvefelsiiure, entsprechend 0,0571 g N. 

Hieraus berechnet: 12,34 pCt.X, berechnet auf fettfreie Trockensubstanz 16,54 pCt. N. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSSTY OF MICHIGAN 






Heber Lipoid Verfettung. 


267 


Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 6,5184 g Substanz auf 300 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,0864 g Substanz verbrauchten 2,8 ccm und 2,8 ccm, 
im Mittel 2,8 ccm l /6*Nonnal-SehwcfeJsäure, entsprechend 0,0078g N. 

Gefunden: 0,72pCt. Amid-N in der fettfreien Substanz und 

0,54 „ „ in der fetthaltigen Substanz = 4,35pCt. des Gesamt-N. 

Fettbes timmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,1888 g Petrolätherextrakt, b) 0,1914 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0372 g Unverseifbares, b) 0,0361 g Unverscifbares. 

a) 0,1516 g Fettsäuren, b) 0,1553 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,0367 g Unverseifbares und 0,1901 g Petrolätherextrakt. 

Hieraus berechnet: 20,55 pCt. Fettsäuren und 3,7 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
24,25 „ Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1,8969 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 20,49 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,8969g Lipoidextrakt mit Aether auf 200ccm aufgefüllt, je 
100 ccm nach Neuraann verascht, verbrauchten 21,7 ccm und 21,8 ccm, 
im Mittel 21,8 ccm V 2 -Normal-Natronlauge, entsprechend0,001227 g P. 

Gefunden: 0,0025 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,13 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,027 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 3,43pCt. im Lipoidextrakt und 

0,7 „ in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

31,3 g feuchter Substanz entsprechen 7,41 g luftrockcncr Substanz. 

Angewandt: 0,41 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,3954 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 22,34 pCt. Trockensubstanz. 

N - B e s t i m m u n g. 

Diese 0,3954 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 100 ccm aufgefüllt, verbrauchten 

16,8 ccm und 16,8 ccm,imMittel 16,8ccm '/s-Xormal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0474 g X. 

Hieraus berechnet: ll,9pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 15,18 pCt. N. 

Amid-N- Bestimmung. 

Hydrolysiert: 3,4397 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,688 g Substanz verbrauchten 2,1 ccm und 2,0 ccm, im 
Mittel 2,1 ccm 1 / 5 -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0059 g N. 

Gefunden: 0,85pCt. Amid-N in der fettfreien und 

0,67 „ in der fetthaltigen Substanz = 5,6 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,1694 g Petrolätherextrakt, b) 0,1731 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0201 g Unverseifbares, b) 0,0211 g Unverseifbares. 

a) 0,1493 g Fettsäuren, b) 0,152 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 15,97 pCt. Fettsäuren und 2,18 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
18,15 „ Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 5,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,8655 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 18,35 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,8655 g Lipoidextrakt, mit Aether auf 200 ccm aufge- 
füllt, je 100 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 16,3 ccm 
und 16,4 ccm, im Mittel 16,4 ccm ^-Normal-Natronlauge, ent¬ 
sprechend 0,009233 g P. 

Gefunden: 0,0181 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,39 pCt. äthcrlöslicher P in der Trockensubstanz und 
2,14 „ im Lipoidextrakt. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 55,73 pCt. im Lipoidextrakt und 

0,39 „ in der Trockensubstanz. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




268 


Hermann Jastrowitz, 

Nieren. 

Rohgewicht: 22,9 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

22,9 g feuchter Substanz entsprechen 5,01 g lufttrockener Substanz. 

Angewandt: 0,5 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,4839 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 21,13 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Die sub 1) getrockneten 0,4829 g Trockensubstanz angewandt, kjeldahiisiert, ver¬ 
brauchten 17,6 ccm und 17,6 ccm, im Mittel 17,6 ccm Vö'Normal-Schwefelsäure, ent¬ 
sprechend 0,04928 g X. 

Hieraus berechnet: 10,19pCt. in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 14,18 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 2,4988 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,4988 g Substanz verbrauchten 1,8 ccm und 1,6 ccm, im 
Mittel 1,7 ccm V 8 -Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0048 g N. 
Gefunden: 0,95 pCt. Amid-N in der fettfreien Substanz und 

0,66 „ in der fetthaltigen = 6,70 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: 0,5 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,1188 g Petrolätherextrakt, 

0,0181 g Unverseifbares, 

0,1007 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 20,81 pCt. Fettsäuren, 

3,76 „ Unverseifbarcs, 

24,57 „ Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 4,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,8829 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 22,81 pCt. Lipoidextrakt. 

Diese 0,8829 g Lipoidextrakt mit Acther auf 300 ccm aufge¬ 
füllt, je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 12,9 ccm 
und 13,0 ccm, im Mittel 13,0 ccm ‘/g-Normal-Natronlauge, ent¬ 
sprechend 0,007319 g P. 

Gefunden: 0,0146 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet : 1,65 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,38 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 42,97 pCt. im Lipoidextrakt und 

9,89 „ in der Trockensubstanz. 

Zweiter Toluylendiaminhund. 

Gewicht 8 kg. E. 7380000. Hb. 95 pCt. 

Am 15.. IS. und 22.5. 1912 0,25 g Toluylendiamin. Hb. 70pCt.' 

Am 28. 5. und am 1. 6. 0,5 g Toluylendiamin. 

Am 3. 6. Hb. 60 pCt. 

Am 6. und 8. 6. 0,5 g Toluylendiamin. 

Das Tier, welches am 7. 6. noch munter war und morgens noch gut gefressen 
hatte, starb nachmittags. 

Scction: Leber nicht verfettet. Das Nicrenepithcl zeigte dagegen Fettinfiltration 
der Tubuli rccti. 

Leber. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

212,3 g feuchter Substanz entsprechend 44,84 g lufttrockener Substanz. 
Angewandt: .Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,8855 g Trockensubstanz, b) 0,884 g Trockensubstanz, 
ln» Mittel: 0.8848 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 18,69 pCt. Trockensubstanz. 



Original fro-m 

UNIVERSUM OF MICHIGAN 





Ueber Lipoidverfettung. 


2f>9 

N-Bestimmung. 

Diese sub a getrockneten 0,8848 g kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 

verbrauchten 19,4 ccm und 19,5 ccm, im Mittel 19,5 ccm Va-Normal-Schwefclsäurc, ent¬ 
sprechend 0,0546 g N. 

Gefunden: In 0,8848 g Trockensubstanz 0,1092 g N. 

Hieraus berechnet: 12,34 pCt. N in der Trockensubstanz, auf fettfreie Trockensubstanz 
berechnet 14,14 pCt. N. 

A m i d - N - B e s t i ra m u n g. 

Hydrolysiert: 4,5657 g Substanz auf 200 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 1,1216 g Substanz verbrauchten 3,2 ccm und 3,3 ccm, 
im Mittel 3,3 ccm Vö-Normal-Schwefclsäurc, entsprechend 0,0092 g X. 

Gefunden: 0,81 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,71 pCt. in .der fett¬ 
haltigen Substanz = 5,73 pCt. des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,0983 g Petrolätherextrakt, b) 0,1015 g Pctrolexirakt. 

a) 0,0087 g Unverseifbares, b) 0,0107 g Unverscifbarcs. 

a) 0,0896 g Fettsäuren, b) 0,0908 g Fettsäuren. 

Gefunden im Mittel: 0,8848 g Trockensubstanz, 0,0902 g Fettsäuren und 0,0097 g 
Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 10,19 pCt. Fettsäuren und 1,1 pCt. Unverseifbares entsprechend 
11,29 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt; 10,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1,0361 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 11,71 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,0361 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufgc- 
füllt, je 100 ccm verbrauchten 11.4 ccm und 11,5 ccm, im Mittel 
11,5 ccm V^'Normal-Xatronlauge, entsprechend 0,006475 g P. 

Gefunden: 0,0135 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,26 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakl und 0,15 pUl. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 32,81 pUt. im Lipoidextrakt und 

3,91 „ in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 40,2 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

40,2 g feuchter Substanz entsprechen 8,05 g lufttrockener Substanz. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockncr Substanz. 

Gefunden: 0,9806 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 19,64 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 3,3504 g extrahierter Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,335 g Substanz verbrauchten 16,9 ccm und 17.0 ccm. 

im Mittel 17,0 ccm Vs’Normal-Schwefclsäure. entsprechend 0.0476 g X. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 0,62 g Substanz verbrauchten 1.8 ccm und 1,9 ccm, im 
Mittel 1,9 ccm Vs-Normal-Schwefelsäurc, entsprechend 0,0053 g N. 

Gefunden: 14,21 pCt. Gesamt-N, 0,8 pCt. Amid-N und 5,63 pCt. Amid-N im 
Gesamt-N, auf die fetthaltige Trockensubstanz berechnet ll,32pl’t. 
Gesamt-N und 0,64 pCt. Amid-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,1214 g Petrolätherextrakt, b) 0,1254 g Pciroliitherextr.-iki. 

a) 0,0099 g Unverseifbares, b) 0,0118 g Unverseifbares. 

a) 0,1115 g Fettsäuren, b) 0,1136 g Fettsäuren. 

Im Mittel gefunden: 0,1126 g Fettsäuren und 0,0109 g Unverseifbares in 0.9806 g 

Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 11,55 pCt. Fettsäuren und 1,11 pUt. Unverseifbares, entsprechend 
12,66 „ Petrolätherextrakt. 



Original fro-m 

UNIVERSITf OF MICHIGAN 




270 


Hermann Jastrowitz 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 5,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,6357 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 12,97 pCt. Lipoidextrakt. 

Diese 0,6357 g Lipoidextrakt auf 200 cem mit Aether aufgc- 
ftillt, jo 100 ccm verbrauchten 13,6 ccm und 13,7 ccm, im Mittel 
13,7 ccm Vo-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,007713 g P. 
Gefunden: 0,0154 g ätherlüslicher P in der Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 2,42 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,31 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 63,02 pCt. im Lipoidextrakt und 

8,07 „ in der Trockensubstanz. 

Nieren. 

Rohgewicht: 35,5 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

35,5 g feuchter Substanz entsprechen 6,21 g lufttrockener Substanz. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,9683 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 16,94 pCt. Trockensubstanz. 

N-ßcstimmmung. 

Angewandt: Die sub 1 getrockneten 0,9683 g Trockensubstanz, kjeldahlisicrt, 
auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm verbrauchten 18,0 ccm und 
18,1 ccm, im Mittel 18,1 ccm ^-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 
0,0507 g N. 

Gefunden: 0,1014 g N. 

Hieraus berechnet: 10,47 pCt. X in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 14,47 pCt. N. 

Amid-N-Besti mmung. 

Hydrolysiert: 2,6651 g Substanz auf 100 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 25 ccm = 0,6662 g Substanz verbrauchten 1,9 ccm und 2,0 ccm, 
im Mittel 2,0ccm Vs-^ormal-Schwefelsäuro, entsprechend 0,0056 g N. 
Gefunden: 0,84 pUt. Amid-N in der fettfreien und 0,61 pCt. in der fetthaltigen 
Substanz = 5,80 pCt. des Gesamt N. 

Fettbestimmung, 

Angewandt : 1,2 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,2854 g Petrolätherextrakt. 

0,0198 g Unverseifbares. 

0,2656 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 22,86 pCt. Fettsäuren und 1,70 pCt. Unverseifbares. 

Somit: 24,56 „ Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestim m u n g. 

Angewandt: 4,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,7344 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 18,96 pUt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,7344 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
nach Neumann verascht, verbrauchten 10,8 ccm und 10,7 ccm, 
im Mittel 10,8 ccm Go-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,00608gP. 
Somit enthalten 0,7344 g Lipoidextrakt 0,012 g ätherlöslichen FL 
Hieraus berechnet: 1,63 pUt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,31 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 42,45 ptt. im Lipoidextrakt und 

8,07 „ in der Trockensubstanz. 

Dritter Toluylendiaminhund. 

Gewicht 5,6 kg. Hb. 100 pCt. E. 7200000. 

Am 21.. 25., 28. u. 31. 5. 1912 0,1 g Toluylendiamin. 

. 2., 6., 7., 11., 14. 6. . . 0,15 „ 

- 17., 22., 25. 6. 0,2 „ 

. 1., 2., 3., 7. 7. ... 0,5 * 

„ 31.5.Hb. 74p( t. E. 5100000. 

25. 6.Hb. 64 pt't. 


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Original fro-m 

UNIVERSSTY OF MICHIGAN 






Ueber Lipoidverfettung. 


271 


Am 5.7. Hb. 50pCt. E. 3100000. Das Tier liegt schwer krank im Käfig 
und verweigert jegliche Nahrung. Es besteht kein deutlicher Ikterus. 

Am. 7. 7. wurde das Tier tot im Käfig aufgefunden. Sektionsbefund: Leber 
ohne Fettablagerungen, lediglich in den Tubuli recti in der Niere. 

Leber. 

Rohgewicht: 256,4 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

256,4 feuchter Substanz entsprechen 54,72 g Trockensubstanz. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,9165g, b) 0,9201 g. 

Im Mittel: 0,9183 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 19,63 pCt. Trockensubstanz. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,2861 g Petrolätherextrakt, b) 0,2894 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0361 g Unverseifbares, b) 0,0375 g Unverseifbares. 

a) 0,25 g Fettsäuren, b) 0,2519 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,251 g Fettsäuren und 0,0367 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 13,67 pCt. Fettsäuren und 2,0 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
15,67 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,5183 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 16,53 g Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,5183 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgcfüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 9,4 und 9,5, im Mittel 9,5 ccm y 2 -Normal-Natron- 
lauge entsprechend 0,000535 g P. 

Gefunden: 0,0011 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 0,91 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,015 pCt;. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 23,75 pCt. im Lipoidextrakt und 

0,39 pCt. in der Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 75,1 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: 75,0 g feuchter Substanz entsprechen 16,23 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,9254 g, b) 0,9296 g. 

0,9275 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 20,07 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Die sub a) getrockneten 0,9275 g Trockensubstanz kjehldalisicrt, auf 200 ccm 
aufgefüllt, je 100 ccm verbrauchten 19,9 und 20,0, im Mittel 20,0 ccm Vs-Normal- 
Schwefclsäurc entsprechend 0,056 g N. 

Gefunden: In 0,9275 g Trockensubstanz 0,112 g N. 

Hieraus berechnet: 12,08pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 13,91 pCt. N. 

Amid-N - Bestimmung. 

Hydrolysiert: 7,5819 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 = 1,5164 g Substanz verbrauchten 4,5 und 4,5, im Mittel 
4,5 ccm Vß'Normal-Schwefclsäure entsprechend 0,0126 g X. 
Gefunden: 0,83 pCt. Amid-N in der fettfreien und 0,72 pCt. in der fetthaltigen 
Substanz = 5,97 pCt. des Gesamt-N. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,7497 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 8,08 pCt. Lipoidextrakt. 

Diese 0,7497 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 15,8 und 15,9, im Mittel 15,9 ccm 1 ^"Normal-Natron¬ 
lauge entsprechend 0,008925 g P. 

Gefunden: In 0,7497 g Trockensubstanz 0,0178g ätherlöslicher P. 


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Hermann Jastrowitz, 


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272 


Fettbestimmun g. 

Je 1,0 lufttrockner Substanz. 

(iefunden: a) 0,1062 g Petrolätherextrakt, b) 0,1082 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0374 g Unverseifbares, b) 0,042 g Unverseif bares, 

a) 0,06S8 g Fettsäuren, b) 0,0662 g Fettsäuren, 

(iefunden im Mittel: 0,0671 g Fettsäuren und 0,0397 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: ll,52pUt. Petrulätherextrakt, 7,24 pCt. Fettsäuren, 4,28 pCt. Un- 
vcrseifbarcs. 


Nieren. 

Rohgewicht: 70,5 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

70.5 g feuchter Substanz entsprechen 14,78 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: 1,0 g lufttrockner Substanz. 

■ (iefunden: a) 0,9232 g, b) 0,9279 g. 

Im Mittel: 0,9256 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 19,34 pCt. Trockensubstanz. 


N - B c s t i m m u n g. 

Hydrolysiert: 6,6716 g extrahierter Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 


Angewandt: 25 ccm = 0,3336 g Substanz verbrauchten 15,8 und 15,9, im Mittel 
15,9 ccm V^-Normal-Schwcfclsäuro entsprechend 0,0445 g N. 

Amid-N. 

Angewandt: 50 ccm = 0,6672 g Substanz verbrauchten 2,0 und 2,2, im Mittel 
2,1 ccm ‘VXormal-Schwefelsäure entsprechend 0,0059 g N. 

< iefunden: 13,34 pUt. Gesamt-X. 0,88 pUt. Amid-N und 6,60 pCt. Amid-N im 
(iesamt-X. Auf fetthaltige Trockensubstanz berechnet ll,06pCt. 
Gesamt-N und 0,73 pCt. Amid-N. 


Angewandt: 
Gefunden: 


Gefunden im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


F c 11 b c s t i m m u n g. 

Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,1379 g Petrolätberextrakt, b) 0,1435 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,019 g Unvcrseifbares, b) 0,0209 g Unverseif bares, 

a) 0,1207 g Fettsäuren, b) 0,1226 g Fettsäuren. 

0,1217 g Fettsäuren und 0,02 g Un verseifbares. 

13,15 pUt. Fettsäuren. 2,16 pCt. Unverscifbares, 15,31 pCt. Petrol- 
atherexträkt. 


P h o s p h a ti d b e s t i m m u n g. 

Angewandt : 10,0 g lufttrockner Substanz. 

(iefunden: 1,5183 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 16,41 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,5183 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufge- 
fiillt, je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 14,0 
und 13,8, im Mittel 13,9 ccm Vo-Normal-Natronlauge entsprechend 
0,0078 g P. 

Gefunden: ln 1,5183 g Lipoidextrakt 0,0156 g äthcrlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1.03 pUt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 0,17 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich; 26,82 pUt. im Lipoidextrakt und 

4,43 pCt. in der Trockensubstanz. 


Hund mit 14 tägigem Kulturfiltrat von Vibrio-Nasyk vergiftet. 

Gewicht: 5,1 kg, E. 7 600 000. 

Kultur von den Bakterien durch Filtration steril befreit. Mit physiologischer 
Kochsalzlösung auf 100 ccm aufgefüllt. 


Gck igle 


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Uebor Lipoidverfettung. 


273 


Am 14. 6. 1912 0,5 ccm Kulturfiltrat, da danach weder das Serum des Tieres 
weniger blutfarbstoffhaltig war noch Krankheitserscheinungen auftraten: 

Am 17. 6. und 18. 6 täglich 1 ccm. 

Am 19. 6. 

Am 20. 6. 

Am 21. 6. 

Am 22. 6. 

Am 23. 6. täglich 5 ccm. Ilb. 75 pCt, E. 3 900 000. 

Am 24. 6*. 

Am 25. 6. 

Ara 26. 6. 

Am 27. 6. 

Kurze Zeit nach den letzten Injektionen zeigte sich, dass das Tier matt war und 
nicht mehr auf den Beinen stehen konnte. 

28. 6. und 1. 7. bekam das Tier je 10 ccm von der Kulturflüssigkcit, da der 
Hämoglobingohalt nicht den Erwartungen entsprechend gesunken war. Nach diesen 
beiden Injektionen traten stärkere Krankheitserscheinungen auf, das Serum war schwach 
hämolytisch. 

3.7. wurde das'Tier, das nicht frass, sehr matt und heruntergekommen war, so- 
dass der Exitus befürchtet wurde, getötet. 

Mikroskopisch zeigte sich Anisocytose und massige Poikilocytose. Die inneren 
Organe Hessen keine Verfettung erkennen. 

Blut. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: a) 5,88 g feuchter Substanz, b) 3,86 g feuchter Substanz. 
Gefunden: a) 1,0077 g Trockensubstanz, b) 0,6566 g Trockensubstanz. 
Hieraus berechnet im Mittel: 17,08 pCt. Trockensubstanz. 

230,5 g feuchter Substanz an der Luft getrocknet entsprechen 87,31 g Trocken¬ 
substanz. 

F ettbestimmung. 

Angewandt: 2,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,0498 g Petrolätherextrakt, b) 0,0521 g Pctroläthcrextrakt. 

a) 0,0133 g Unverseifbares, b) 0,0143 g Unverscifbares. 

a) 0,0365 g Fettsäuren, b) 0,0378 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,0372 g Fettsäuren und 0,0138 g Unverscifbares. 

Hieraus berechnet: 4,13 pCt. Fettsäuren und 1,53 pCt. Unverseifbarcs, entsprechend 
5,66 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 0,3242 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 7,19 pCt. Lipoidextrakt. 

Diese 0,3242 g Lipoidextrakt auf 200 ccm mit Aethcr aufge- 
füllt, je 100 ccm nach Ncumann verascht, je 100 ccm verbrauchten 
5,3 und 5,5, im Mittel 5,4 ccm 1 .»-Normal-Natronlauge, entsprechend 
0,00304 g P. 

Gefunden: 0,006 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,85 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,13 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 48,18 pCt. im Lipoidextrakt und 3,39 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Leber. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

110,0 g feuchter Substanz entsprechen 34,05 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,9083 g Trockensubstanz, b) 0,9051 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 0,9067 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 28,07 g Trockensubstanz. 


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274 


Hermann Jastrowitz, 


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N-Bestimmung. 

Die sub 1) getrockneten 0,9067 g kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 16,6 und 16,7, im Mittel 16,7 ccm Vs-Normal-Schwefelsäurc, entsprechend 
0,0468 g N. 

Gefunden: In 0,9067 g Trockensubstanz 0,0936 g N. 

Hieraus berechnet: 10,32 pCt. N in der Trockensubstanz. 


Angewandt: 

Gefunden: 


Gefunden im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fettbestimmung. 

Je 2,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,3352 g Petrollitherextrakt, b) 0,3317 g Petrolätherextrakt, 
a) 0,0361 g Unverseifbares, b) 0,0338 g Unverscifbares. 
a) 0,2991 g Fettsäuren, b) 0,2979 g Fettsäuren. 

0,2985 g Fettsäuren und 0,035 g Unverseif bares. 

16,46 pCt. Fettsäuren und 1,93 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
18,39 pCt. Petrolätherextrakt. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Phosphatidbestimmung. 

1,0 g lufttrockener Substanz. 

1,8847 g Lipoidextrakt. 

20,79 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,8847 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufgc- 
fiillt, je 100 ccm nach Neu mann verascht, verbrauchten 12,0 ccm 
und 12,1 cem, im Mittel 12,1 ccm ^^-Normal-Natronlauge, ent¬ 
sprechend 0,006812 g P. 

0,0136 g ätherlöslicher P. 

0,72 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,15 , in der Trockensubstanz. 


Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 18,75 pCt. Lipoidextrakt und 

3,91 „ in der Trockensubstanz. 


Herz. 

Rohgewicht: 40,1 g. 

Bestimmung der Trockensubtanz. 

40,1 g feuchter Substanz entsprechen 9,33 g lufttrockener Substanz. 
Angewandt: 1,33 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1,2231 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 21,40 pCt. Trockensubstanz. 


N-Bestimmung. 

Diese 1,2231 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 100 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 
verbrauchten 24,2 ccm und 24,4 ccm, im Mittel 24,3 ccm Vß'Normal-Schwefclsäure, ent¬ 
sprechend 0,068 g N. 

Gefunden: 0,1296 g N. 

Hieraus berechnet: 10,6pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 16,96 pCt. N. 


A m i d - N - B e s t i m m u n g. 

Hydrolysiert: 4,318 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,8636 g Substanz verbrauchten 2,1 ccm und 2,1 ccm, 
im Mittel 2,1 ccm Vb - Normal - Schwefelsäure, entsprechend 
0,0059 g N. 

Gefunden: 0,68pCt. Amid-N in der fettfreien und 

0,43 „ in der fetthaltigen Substanz — 4,61 pCt. des Gesamt-N. 


F e 11 b e s t i m mung. 

Angewandt: 1,0 g lufttrockener Substanz. 
Gefunden: 0,307 g Petrolätherextrakt, 
0,0223 g Unverseifbares, 

0,2847 g Fettsäuren. 

Hieraus berechnet: 30,96 p(’t. Fettsäuren, 

2,43 - Unverseifbares. 

33,39 j, Petrolätherextrakt. 


Gck igle 


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Ueber Lipoidverfettung. 


275 


Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: Die restlichen 6,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1,7359 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 31,4 pCt. Lipoidextrakt. 

Diese 1,7359 g Lipoidertrakt auf 200 ccm mit Aether aufge¬ 
füllt, je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 18,8 ccm 
und 18,9 ccm, im Mittel 18,9 ccm V 2 "^ orma LNatronlauge, ent¬ 
sprechend 0,01064 g P. 

Gefunden: 0,0213 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,23 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,39 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 32,03 pCt. im Lipoidextrakt und 

10,16 „ in der Trockensubstanz. 

Nieren. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

Rohgewicht 45,3 g feuchter Substauz entsprechen 10,22 g lufttrockener Substanz. 

Angewandt: 1,221 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1,1119 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 20,56 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Diese 1,1119 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 150 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 
verbrauchten 23,3 ccm und 23,5 ccm, im Mittel 23,4 ccm Vß-Normal-Schwefelsäure, 
entsprechend 0,0655 g N. 

Gefunden: 0,131 g N. 

Hieraus berechnet: ll,78pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 14,83 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 5,0718 g Substanz auf 150 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 25 ccm = 0,5072 g Substanz verbrauchten 1,9 ccm und 2,0 ccm, im 
Mittel 2,0 ccm l /6‘Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0056 g N. 

Gefunden: 1,1 pCt. Amid-N in der fettfreien und 

0,87 „ in der fetthaltigen Substanz = 7,42 pCt. des N-Gehaltes. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: a) 0,1803 g Petrolätherextrakt, b) 0,1769 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0332 g Unverseifbares, b) 0,031 g Unverseifbares, 

a; 0,1471 g Fettsäuren, b) 0,1459 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1465 g Fettsäuren und 0,0321 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 16,07 pCt. Fettsäuren und 3,52 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
19,59 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbestimmung. 

Angewandt: 7,0 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 1,085 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 17,01 pCt. Lipoidextrakt in'der Trockensubstanz. 

Diese 1,085 g Lipoidextrakt auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm 
verbrauchten 12,3 ccm und 12,2 ccm, im Mittel 12,3 ccm 
l / 2 -Normai-Natronlauge, entsprechend 0,0069 g P. 

Gefunden: 0,0138g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,27 pCt. ätherlöslicher P im Lipoidextrakt und 
0,22 „ in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 33,07 pCt. im Lipoidextrakt und 

5,73 * in der Trockensubstanz. 

Hund mit El-Tor-Bouillon vergiftet. 

Gewicht: 7,9 kg. Hb. 95 pCt. E. 6 900 000. 

Wie der obige mit einem auf 100 ccm aufgestellten Bouillonfiltrat behandelt. 

Am 17. 6. 1912 0,5 ccm, am 18. —30. 6. je 5 ccm, am 1. und 3. 7. 10 ccm. 

Die Erscheinungen, die dieses Tier bot, waren durchaus analoge wie bei den 
vorigen Tieren, nur trat die Schwäche früher ein und die Abmagerung war grösser. 


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276 


Hermann Jastrowitz, 


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Dementsprechend sank auch das Hämoglobin mehr, so dass trotz der anaphylaktischen 
Erscheinungen ein hoher Grad von Anämie erreicht wurde. 

21. G. Hg. 75 pCt. E. 2 800 000; 24. 6. Hb. 52 pCt. E. 2 400 000; 31. 6. 

Hb. 40 pCt. E. 1470 000. 

Die Niere zeigte deutliche Verfettung der tubuli recti. 


Blnt. 


Bestimmung der Trockensubstanz. 

Angewandt: a) 7,63 g feuchter Substanz, b) 11,93 g feuchter Substanz. 
Gefunden: a) 2,3106 g, b) 1,5370 g. 

Hieraus berechnet: 20,14 und 19,37, im Mittel 19,76 pCt. Trockensubstanz. 

199,5 g feuchter Substanz an der Luft getrocknet, entsprechen 43,21 g Trocken¬ 
substanz. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,0468 g Petrolätherextrakt, b) 0,0471 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0051 g Unverseifbares, b) 0,0063 g Unverseifbares, 

a) 0,0417 g Fettsäuren, b) 0,0408 g Fettsäuren. 

Gefunden im Mittel: 0,64 pCt. Unverseif bares und 4,69 pCt. Fettsäuren, entsprechend 

5,33 pCt. Petrolätherextrakt. 


Angewandt: 
Gefunden: 
Hieraus berechnet: 


Phosphatidbestimmung. 

10,0 g lufttrockner Substanz. 

0,4147 g Lipoidextrakt. 

4,64 pCt. Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 0,4147 g Lipoidextrakt auf 100 ccm aufgefüllt, je 50 ccm 
nach Neu mann verascht, verbrauchten 11,2 und 11,4, im Mittel 
11,3 ccm V 2 ‘Nonnal-Natronlauge, entsprechend 0,00636 g P. 
0,0127 g ätherlöslicher P. 

3,06 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 0,14 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 79,69 pCt. im Lipoidextrakt und 3,65 pCt. in der 
Trockensubstanz. 


Hieraus 


Gefunden: 
berechnet: 


Leber. 

Rohgewicht: 241,0 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

189,2 g feuchter Substanz entsprechen 51,59 g lufttrockner Substanz. 
Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,912 g Trockensubstanz, b) 0,9158 g Trockensubstanz. 
Im Mittel: 0,9139 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 24,91 pCt. Trockensubstanz. 


N-Bestimmung. 

Die sub 2) getrockneten 0,9139 g Trockensubstanz kjeldahlisiert, auf 200 ccm auf- 
gefiillt, je 100 ccm verbrauchten 18,0 und 17,9 im Mittel 18,0 ccm ^-Normal-Schwefel¬ 
säure, entsprechend 0,0524 g N. 

Gefunden: 0,1024 g N. 

Hieraus berechnet: 11,27 pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie 
Trockensubstanz 13,57 pCt. N. 


Hydrolysiert: 
A ngewandt: 

< iefunden: 


Amid-N- Bestimmung. 

6,4173 g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

50 ccm = 1,2435 g Substanz verbrauchten 3,3 und 3,4, im Mittel 
3,4 ccm y r ,-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0095 g N. 

0,74 pCt. N in der fettfreien und 0,61 pCt. in der fetthaltigen 
Substanz = 5,45 pCt. des Gesamt-N. 


A ngewandt: 
< iefunden: 


Im Mittel: 
Hieraus berechnet: 


Fcttbcstim m u n g. 

Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

a) 0,2204 g Petrolätherextrakt, b) 0,2176 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0092 g Unverseif bares, b) 0,0078 g Un verseifbares, 

a) 0,2112 g Fettsäuren. b) 0,2098 g Fettsäuren. 

0,2105 g Fettsäuren und 0,0085 g Unverseif bares. 

23,03 pUt;. Fettsäuren und 0,93 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
23,96 pUt. Petrolätherextrakt. 


Gck igle 


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Ueber Lipoidverfettung. 


277 


Phosphatidbest immun g. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,9361 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 21,29 pCt. Lipoidextrakt. 

Diese 1, 9361 g Lipoidextrakt auf 200 ccm mit Aether auf¬ 
gefüllt, je 100 ccm verbrauchen 23,3 und 23,1, im Mittel 23,2 ccm 
^-Normal-Natronlauge, entsprechend 0,01285 g P. 

Gefunden: 0,0257 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,33 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 0,2 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 35,45 pCt. im Lipoidextrakt und 7,29 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Herz. 

Rohgewicht: 60,4 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

60,4 g feuchter Substanz entsprechen 14,71 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,9366 g Trockensubstanz, b) 0,9394 g Trockensubstanz. 

Im Mittel: 0,9380 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 22,84 pCt. Trockensubstanz. 

N-Bestimmung. 

Die sub a) getrockneten 0,9380 g Substanz kjeldahlisiert, auf 200 ccm aufgefüllt, 
je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 20,0 und 20.1, im Mittel 20,1 ccm 
1 / 2 *Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0588 g N. 

Gefunden: 0,1176 g N. 

Hieraus berechnet: 12,53pCt. N in der Trockensubstanz, berechnet auf fettfreie Trocken¬ 
substanz 16,61 pCt. N. 

Amid-N-Bestimmung. 

Hydrolysiert: 3,7601g Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Angewandt: 50 ccm = 0,752 g Substanz verbrauchten 1,9 und 2,0, im Mittel 
2,0 ccm Vs-Normal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0056 g N. 
Gefunden: 0,76 pCt. Amid-N in der fettfreien Substanz und 0,56 pCt. in der 
fetthaltigen Substanz = 46 pCt. N des Gesamt-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,2054 g Petrolätherextrakt, b) 0,2009 g Petrolätherextrakt, 
a) 0,0194 g Unverseifbares, b) 0,0169 g Unverseifbares. 

a) 0,186 g Fettsäuren, b) 0,184 g Fettsäuren. 

Gefunden: 0,1950g Fettsäuren und 0,0182 g Unverseifbares. 

Hieraus berechnet: 19,72 pCt. Fettsäuren und 1,94 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
21,66 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosph atidbeStimmung. 

Angewandt: 10,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,7398 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 18,54pCt Lipoidextrakt in der Trockensubstanz. 

Diese 1,7398 g Lipoidextrakt mit Aether auf 200 ccm aufgefüllt, 
je 100 ccm nach Neumann verascht, verbrauchten 24,0 und 24,1, 
im Mittel 24,1 ccm ^Natronlauge, entsprechend 0,01357 g P. 
Gefunden: 0,0271 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,56 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 0,29 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 40,62 pCt. im Lipoidextrakt und 7,52 pCt. in der 
Trockensubstanz. 

Nieren. 

Rohgewicht: 45,2 g. 

Bestimmung der Trockensubstanz. 

45,2 g feuchter Substanz entsprechen 11,96 g lufttrockner Substanz. 

Angewandt: 0,501 g lufttrockener Substanz. 

Gefunden: 0,352 g Trockensubstanz. 

Hieraus berechnet: 18,63 pCt. Trockensubstanz. 


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Original fro-rn 

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278 


Hermann Jastrowitz, Ueber Lipoidverfettung. 


N - Bestimmung. 

Hydrolysiert: 6,2806 g extrahierter Substanz auf 250 ccm aufgefüllt. 

Gesamt-N. 

Angewandt: 25 ccm = 0,6281 g Substanz verbrauchten 31,6 und 31,7, im Mittel 
31,7 ccm Vß-Norraal-Schwefelsäure, entsprechend 0,0888 g N. 

Amid-N. 

50 ccm = 1,2561 g Substanz verbrauchten 3,2 und 3,3, im Mittel 3,3 ccm 1; &-Normal- 

Schwefelsäure, entsprechend 0,0092 g N. 

Gefunden: 14,13 pCt. Gesamt-N, 0,74 pCt. Amid-N und 5,23 pCt. Amid-N 
im Gesamt-N. 

Berechnet auf fetthaltige Trockensubstanz: 10,35 pCt. Gesamt-N. und 0,54 pCt. Amid-N. 

Fettbestimmung. 

Angewandt: Je 1,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: a) 0,1608 g Petrolätherextrakt, b) 0,1631 g Petrolätherextrakt, 

a) 0,0066 g Unverscifbares, b) 0,0081 g Unvcrseifbares. 

a) 0,1542 g Fettsäuren, b) 0,155 g Fettsäuren. 

Im Mittel: 0,1546 g Fettsäuren und 0,0074 g Unverscifbares. 

Hieraus berechnet: 21,96 pCt. Fettsäuren und 1,05 pCt. Unverseifbares, entsprechend 
23,01 pCt. Petrolätherextrakt. 

Phosphatidbesti mmung. 

Angewandt: 9,0 g lufttrockner Substanz. 

Gefunden: 1,4912 g Lipoidextrakt. 

Hieraus berechnet: 23,53 pCt. Petrolätherextrakt. 

Diese 1,4912 g auf 200 ccm aufgefüllt, je 100 ccm nach Neu* 
mann verascht, verbrauchten 22,3 und 22,4, im Mittel 22,4 ccm 
l / 2 “Normal-Natronlauge, entsprechend 0,01261 g ätherlöslicher I\ 

Gefunden: 0,0252 g ätherlöslicher P. 

Hieraus berechnet: 1,69 pCt. ätherlöslicher P. im Lipoidextrakt und 
0,4 pCt. in der Trockensubstanz. 

Auf Lecithin berechnet ergibt sich: 44,01 pCt. im Lipoidextrakt und 

10,36 pCt. in der Trockensubstanz. 


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IX. 


Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institut in Wien 
(Vorstand: Hofrat Prof. Palt auf). 

Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen 
und mit übercompensierten Toxin-Antitoxinmischungen 

bei Diphtherie. 

Von 

Dr. E. Löwenstein, 

Assistenten am Institut. 


Da die Schutzimpfung mit vollgiftigen Toxinen eine Reihe von 
Schwierigkeiten bietet, so war es berechtigt nach Schutzimpfungsmethoden 
zu suchen, welche eine gefahrlose Impfung garantieren, und die Schutz¬ 
impfung auch beim Menschen gestatten. Von diesem Gesichtspunkte aus 
geleitet, muss also eine solche Vaccine zwei Cardinalforderungen ent¬ 
sprechen: 1. Die Vaccine muss völlig unschädlich sein, 2. auch kleinste 
und höchst empfindliche Tiere müssen sich durch eine einzige oder 
höchstens zwei Injectionen schützen lassen. Bereits im Jahre 1905 hat 
Verfasser diese Frage studiert und für dieses Problem das Tetanusgift aus¬ 
gesucht, da dieses Toxin eine charakteristische Wirkung und eine enorme 
Giftigkeit für Mäuse und Meerschweinchen besitzt. Der Zweck der Arbeit 
war also, das Tetanusgift so zu verwenden, dass die giftigen Eigenschaften 
völlig verschwinden, jedoch die immunisatorischen in vollem Umfange 
erhalten bleiben. Gewiss hat es an Bemühungen in dieser Richtung nicht 
gefehlt. Ehrlich hatte schon durch die Feststellung der Tatsache, dass 
Toxicität und Antitoxinbindung beim Diphtheriegift nicht parallel gehen, 
den Weg gezeigt, auf welchem sich eine gefahrlose aktive Immunisierung 
durchführen lassen kann. Die Entdeckungen Ehrlichs beim Diphtherie¬ 
gift wurden bald durch v. Behring erweitert in seinen Untersuchungen 
über den direkten und indirekten Giftwert des Tetanustoxins. In Ge¬ 
meinschaft mit Kitashima und Ransom hat v. Behring eine grosse 
Zahl von löslichen und unlöslichen Mitteln der physikalischen Reagentien 
daraufhin untersucht, ob sic unter solchen Umständen einen bedeutenden 
modificiercnden Einfluss ausüben, unter welchen Controll-Giftlösungen 
gar nicht oder nur in gewissem Masse verändert werden. „Unter Inne¬ 
haltung besonderer Cautelen haben wir Säuren und Alkalien, die meisten 
der bekannten Desinfektionsmittel, Farbstoffe, Edelmetalle, tierisches Ge¬ 
webe und Organteile geprüft. Wir haben aber nur sehr wenigo Stoffe 
gefunden, welche Tetanusgiftlösungen innerhalb kurzer Zeit in beträcht¬ 
lichem Grade so verändern, dass der direkte Giftwert für Mäuse ver¬ 
mindert wird, während der indirekte Giftwert mehr oder weniger voll- 

Zeitechrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. ] 9 


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280 


E. Löwenstein, 


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ständig erhalten bleibt. Auch das Jodtrichlorid braucht immer noch eine 
für unsere Zwecke zu lange Zeit bis zum Eintritt der von uns be¬ 
absichtigten Giftmodifikation; die Concurrenz anderer Agentien konnte 
dabei nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Von in Wasser lös¬ 
lichen Mitteln zeigten sich manche, welchen wir eine stark abschwächende 
Wirkung zugetraut hätten, überraschenderweise als gute Conservierungs- 
mittel, z. B. das Kalium hypermanganicura, das Quecksilberchlorid und 
namentlich die Pyrogallussäure. Ransom hat concentrierte Tetanus¬ 
giftlösungen mit 0,2 und 0,5 proc. Pyrogallussäure länger als ein Jahr 
aufbewahrt und danach den direkten Giftwert für Mäuse fast völlig un¬ 
verändert gefunden, während die unter Toluol aufbewahrten Controll- 
lösungen sehr stark modiüciert waren. Andere lösliche Mittel, wie 
Hydrochinon und Resorcin setzten zwar sehr energisch den direkten 
Giftwert hinunter, verminderten aber auch in sehr bedeutendem Grade 
den indirekten Giftwert. Das können wir aber durch Erhitzen der Gift¬ 
lösungen noch viel schneller erreichen. a 

Gegenüber chemischen Agentien erwies sich das Tetanusgift viel labiler 
als andere gut studierte Gifte. Während nach Dörr das Diphtherie- und 
Dysenterietoxin durch Mineralsäuren in atoxische Modifikationen über¬ 
geführt werden kann, die nach Neutralisierung wieder alle Characteristica 
des Diphtherie- bzw. Dysenterietoxins annehraen, wird das Tetanustoxin 
durch Säuren so weit abgebaut, dass eine Restitution des ursprünglichen 
Moleküls nach Aufhebung der Säurenwirkung nicht mehr eintritt. Es 
mussten also andere, schonendere Methoden ausfindig gemacht werden. 
Im Jahre 1902 hat Verfasser nun begonnen, die Versuche v. Behrings 
fortzusetzen. Ein Teil jener Versuche ist in der Arbeit über Katalasen 
in Bakterienfiltraten enthalten. In den dort beschriebenen Entgiftungs¬ 
versuchen durch Superoxyde (Wasserstoff- und Calciumsuperoxyd) wurde 
gezeigt, dass durch nascierenden Sauerstoff das Tetanustoxin in allen 
seinen vier Funktionen, die uns bis jetzt bekannt sind, zerstört wird. 
Von dieser Componente, welche die nervösen Symptome auslöst, der 
Componente, welche die roten Blutkörperchen zerstört, aber auch von 
den antigenen Eigenschaften des Tetanustoxins, nämlich der Iramunitäts- 
erzeugung einerseits und der Antitoxinbindung andererseits, war nach 
der Einwirkung der Superoxyde keine Spur mehr vorhanden. Auch bei 
anderen Versuchen, so mit Platinmohr, Zinnchlorid, ergaben sich Resultate, 
die mit denen Behrings völlig übereinstimmten. Es gelang in keinem 
einzigen Falle die immunisierende Componente bei völliger Entgiftung 
zu conservieren. 

Die besten Resultate hat Ehrlich mittelst Schwefelkohlenstoff erzielt. 

Auch die Versuche durch fraktionierte Erhitzung bis zu 65, 68, 70°, 
wie es Carl Fraenkcl bereits 1890 für das Diphtheriegift zuerst an¬ 
gegeben, führten nur zu einer starken Abschwächung des Diphtheriegiftes. 
Die Erhaltung der immunisierenden Componente beim Tetanusgift gelang 
mir auch dann nicht, als ich die Bouillonfiltrate mit Formalin auf 70° 
erhitzte. Dabei lag die Idee zugrunde, das Toxinmolekül gewissermassen 
in seiner Struktur zu fixieren, denn nach einer oft bestätigten Beobachtung 
Blums verlieren formal inlialt ige Ei weisslösungen zum Teil ihre Gerinnbarkeit. 


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Ueber Immanisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


281 


ln den eineFülle von Beobachtungen enthaltenden Arbeiten v. Behrings 
über den Tetanus ist schon auf die Bedeutung des Lichtes für den Ent- 
giftungsprocess hingewiesen: 

„Von besonderem Interesse ist die Tatsache, dass die Einwirkung 
des Tageslichtes und des direkten Sonnenlichtes zwar einen stark 
modificierenden Einfluss auf Tetanusgiftlösungen ausübt, aber in ganz 
anderer Weise als das Erhitzen auf 65 0 und darüber. Der indirekte 
Giftwert bleibt nach der Belichtung fast völlig erhalten, und die Ab¬ 
schwächung des direkten Giftwertes für Mäuse betrifft in erheblichem 
Grade nur den Wert für die tödliche Miniraaldosis, nicht für die krank¬ 
machende Minimaldosis, so dass belichtete Tetanusgiftlösungen einen 
ausserordentlich hohen D-Wert bekommen, der bis über Hundert steigen 
kann. Bei geeigneten Versuchsanordnungen, deren Auffindung noch weiter 
von uns verfolgt wird, wird danach wahrscheinlich die Benützung der 
Lichtwirkung sich sehr gut für die schnelle Herstellung stark modificierter 
Tetanusgiftlösungen eignen.“ 

v. Behring hat aber diesen Versuch dem Anscheine nach nie wieder 
aufgenommen. Die Richtigkeit dieser Vermutung v. Behrings konnte 
ich aber völlig unabhängig von ihm 5 Jahre später vollinhaltlich be¬ 
stätigen. Im Januar 1904 hatte ich ein ausserordentlich wirksames 
Tetanustoxin, mit verschiedenen Desinficientien versetzt, in hellen Flaschen 
dem Tageslicht exponiert. Bei der Auswertung im August 1904 ergab 
sich, dass nur eine einzige Flasche ein völlig entgiftetes Toxin enthielt; 
hier war Formalin als Desinficiens angewendet worden und zwar so, dass 
das Toxin 2 pM. Formalin enthielt. Dieser Versuch wurde dann öfters 
wiederholt und es zeigte sich tatsächlich, dass das Tageslicht imstande 
ist, ein mit Formalin versetztes Tetanustoxin völlig zu entgiften. Aller¬ 
dings waren zu dieser Entgiftung 9 Monate notwendig. Trotzdem er¬ 
scheint die Zeit nicht zu lang, wenn man bedenkt, dass im vorliegenden 
Falle — die Flasche enthielt 200 ccm Toxin, das in der Verdünnung 
1 : 32000 für 10 g Maus tödlich war — 6400000 tödliche Dosen für 
die Maus entgiftet worden sind. Dieses Toxin nun erwies sich bei seiner 
Prüfung zwar als völlig giftfrei, aber doch noch so weit erhalten, dass 
seine antigenen Eigenschaften völlig ungeschwächt geblieben waren. Denn 
der so erhaltene Impfstoff war sowohl imstande, noch Tetanus-Antitoxin 
von Pferden völlig zu binden, als bei Meerschweinchen und Mäusen eine 
nahezu absolute Immunität hervorzurufen. 

Die nächsten Versuche mussten darauf gerichtet sein, das Tageslicht 
durch künstliches Licht zu ersetzen. Hier hat sich mir das Licht einer 
1 / 4 Ampere-Ncrnstlampe ausgezeichnet bewährt. Bestrahlte man 40 ccm 
des Formalintoxins durch 16 Tage so mit der Nernstlampe, dass die 
Temperatur nicht über 34 0 stieg, so erwies sich die Tetanus-Bouillon 
selbst in der Menge von 3 ccm für Mäuse und 5 ccm für Meerschweinchen 
völlig unschädlich. Die mit dieser Vaccine geimpften Mäuse und Meer¬ 
schweinchen, insbesondere aber die letzteren, erwarben durch eine einzige 
Injection eine, man kann wohl sagen, praktisch unbegrenzte Immunität, 
die nach 10 Tagen in Erscheinung trat. Nach 10 Tagen vermochte die 
siebenfache tödliche Dosis Meerschweinchen nicht mehr zu töten. Nach 

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282 


E. Löwenstein, 


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24 Tagen war der Höchstpunkt der Immunität erreicht, die Tiere ver¬ 
trugen die 1000 fache tödliche Dosis ohne Krankheitserscheinungen. 

Sehr wichtig für die Verhältnisse in der Praxis war die Frage, ob 
sich die so erzielte Immunität auch gegen die Infection mit Bacillen be¬ 
währt. Sprach schon der obige Versuch einwandfrei dafür, so war es 
doch notwendig, auch eine Grenze der Immunität nach obenhin auf¬ 
zusuchen. 

Am 8. 9. 1908 geimpfte Meerschweinchen, welche 5 ccm der Vaccine 56 erhalten 
hatten, erhielten am 20. 11. 08 1 ccm der unfiltrierten und unverdünnten Tetanus¬ 
bouillon eingespritzt. Während die Controlltiere nach 22 Stunden an schwerem 
Tetanus eingegangen waren, zeigten die Versuchstiere überhaupt keine Erscheinungen. 
Am 27. 11. 08 wurden drei Meerschweinchen mit einer anderen Vaccine geimpft, eines 
mit 7,0 ccm, die beiden anderen mit 5,0 ccm. Am 14. 12. erhielt das erste Tier 
2,0 ccm der unfiltrierten und unverdünnten Tetanusbouillon, die anderen 1,0 bzw. 
0,2 ccm. 

Die Controlltiere 0,01 zeigten am 15. 12. Tetanus, 16. 12. *j* abends. 

0,2 „ „ 15. 12. „ 16. 12. f morgens. 

1,0 „ „ 15. 12. schwersten Tetanus, im Sterben. 

2,0 „ „ 15. 12. im Sterben. 

Dio Versuchstiere zeigten bis zum 11. 2. 09 keinerlei Krankheitserscheinungen. 
In der injicieren Kulturbouillon fanden sich im Ausstrich zahlreiche Tetanusbacillen. 

Dieser Versuchsausfall berechtigt wohl sicher zu der Behauptung, dass 
der erzielte Impfschutz praktisch als absolut bezeichnet werden kann. 

Ueber die Dauer der Immunität besitze ich leider nur eine Versuchs¬ 
reihe aus dem Jahre 1906. 

Im Juli 1906 geimpfte Meerschweinchen besassen im Januar 1907 
ihre volle Immunität nicht nur gegen Toxin, sondern direkt gegen Kultur- 
bouilloninjection. Es ist aber mit Sicherheit aus den Erfahrungen bei 
anderen Schutzimpfungen anzunehmen, dass der so erzielte Impfschutz 
sich viel länger als sechs Monate erhält. 

Die nächsten Untersuchungen beschäftigten sich damit, zu prüfen, 
ob man mit dieser völlig ungiftigen Toxinbouillon auch Antitoxin er¬ 
zeugen kann. Qualitativ liess sich diese Frage bald in positivem Sinne 
beantworten, aber die Wertigkeit der Sera hielt sich bei der Immunisation 
innerhalb niederer Grenzen (die Untersuchungen werden noch fortgesetzt 
zur Entscheidung anderer hereinspielender Fragen); ein einziges Kaninchen 
hatte ein relativ hochwertiges Serum geliefert. 

Diese Untersuchungen wurden im Jahre 1909 abgeschlossen und ver¬ 
öffentlicht. Erst im Jahre 1911 war ich in der Lage, dieselben Unter¬ 
suchungen gemeinsam mit Herrn Dozenten v. Eisler wieder aufzunehmen 
und auszugestalten. Zunächst wurden meine damaligen Ergebnisse nach¬ 
geprüft und vollinhaltlich bestätigt. Dann wurde die Frage der Anti- 
toxinerzeugung beim Meerschweinchen aufgenommen und hier auch der 
Nachweis geführt, dass durch die lnjection von 1 ccm des belichteten 
Formoltoxins ein hoher Antitoxingehalt beim Meerschweinchen erzielt wird: 
Yioo ccrö des Meerschweinchenserums ist imstande, die doppelte tödliche 
Dosis für die Maus zu entgiften. Auch die aktive Immunität war eine 
ausserordentlich hohe, die 1000 fach tödliche Dosis wurde ohne Spur einer 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


283 


Krankheitserscheinung vertragen. Auch gegen die Injection in den Nervus 
ischiadicus waren die Tiere immun, während H. H. Meyer und Ransom 
bei antitoxinbehandelten Tieren keine Immunität gegenüber der 
intraneuralen Injection nachweisen konnten. 

Bei der Analyse der Wirkung des Lichtes auf das Formoltoxin konnte 
ich schon in der ersten Arbeit feststellen, dass es nicht die ultravioletten 
Strahlen sind, wie man wohl zunächst erwartet hätte, denen die entgiftende 
Wirkung zuzuschreiben ist, sondern dass den roten Anteilen des Spec- 
trums die Hauptrolle bei der Entgiftung zufällt. In Versuchen mit 
v. Eisler konnten wir zeigen, dass auch die Wärme, ca. 30°, allein, 
ohne Belichtung einen ähnlichen Entgiftungsprocess auslöst, wie das Licht 
bei der mit Formalin versetzten Tetanusbouillon. Aber dieser Process 
verläuft in den meisten Fällen weniger rasch und weniger vollkommen 
als im Licht. Bei der Belichtung unter Wasserstoff, also ohne Sauerstoff¬ 
zutritt, verliert das Gift ebenfalls weniger von seiner Wirksamkeit, als 
wenn der Sauerstoff der Luft ein wirken kann. Im Eisschrank auf bewahrt, 
verlieren die Bouillongifte bei diesen Formalinconcentrationen nichts oder 
nur wenig von ihrer Toxicität. Erst bei höheren Formalinconcentrationen 
tritt eine starke Abnahme ein. 

Die von den einzelnen Stämmen producierten Gifte weisen eine ver¬ 
schiedene Resistenz sowohl gegen Belichtung, Wärme allein und auch 
bei der Aufbewahrung im Eisschrank auf. Die durch Licht und Wärme 
veränderten Formolgifte wirken stets nach einer bedeutend verlängerten 
Incubationszeit. Damit im Zusammenhang steht, dass nach Injection 
dieser Gifte kein lokaler Tetanus entsteht, sondern nach Ablauf der 
Incubationszeit sogleich der grösste Teil der Körpermuskulatur vom 
Tetanus ergriffen ist. 

Nach diesen Ergebnissen beim Tetanusgift lag es nahe, dasselbe 
Verfahren auch für andere bakterielle Toxine anzuwenden, in erster Linie 
für das Diphtheriegift. Nachdem mir schon in Beelitz ein solcher Ver¬ 
such fehlgeschlagen war, habe ich gemeinsam mit v. Eisler denselben 
Versuch wieder aufgenomraen. 

Ein Diphtheriegift, dessen letale Dosis 0,02 ccm betrug, wurde im Verhältnis 
1 : 1000 mit Formalin versetzt und belichtet. Nach 6 Tagen war 0,1 com des Toxins 
nicht mehr imstande, ein Meerschweinchen zu töten, ein mit 0,5 ccm injioiertes Tier 
starb nach 2 Tagen. Nach 13tägiger Belichtung tötete 0,5 ccm erst am 4. Tage und 
nach 20tägiger Dauer der Bestrahlung überlebte das Tier, dem 0,5 ccm des Giftes in- 
jioiert worden waren, bekam aber noch immer ein ziemlich grosses Infiltrat. Von dem¬ 
selben Gifte wurde eine Portion im Dunkeln in der Wärme gehalten. Von diesem 
Gifte tötete nach 14 Tagen noch 0,06 ccm ein Meerschweinchen in 4 Tagen. Die Ent¬ 
giftung war also im Lichte deutlich stärker. 

Einer anderen Portion desselben Giftes hatten wir 2 pM. Formalin zugesetzt. 
Eine Probe wurde durch 24 Tage belichtet, eine andere ebenso lange im Dunkeln bei 
30 0 C auf bewahrt. Die Auswertung der beiden Gifte nach 24 Tagen ergab: 

Licht-Toxin. 

0,2 ccm Nr. 26 leichte Verdickung an Injectionsstelle, sonst gesund.* 

0,4 „ „ 57 Infiltrat, überlebt. 

0,8 „ „ 72 „ „ 


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284 


E. Löwenstein, 


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Dunkel-Toxin. 

0,05 ccm Nr. 91 derbes Infiltrat, überlebt. 

0,1 „ „ 64 tot nach 3 Tagen. 

0,2 „ „ 63 „ „ 2 „ 

Auch bei diesem Versuche hatte das belichtete Toxin viel mehr an 
Wirksamkeit eingebüsst als das bloss erwärmte. Eine weitere Ausdehnung 
des Versuches auf im ganzen 35 Tage änderte indes nichts mehr an dem 
Resultate. 

Ausser diesem Gift haben wir auch noch ein anderes Diphtherie¬ 
toxin untersucht, dessen Formalingehalt 1,5 pM. betrug. Nach 32tägiger 
Belichtung konnten wir 0,5 ccm injicieren, ohne dass die Meerschweinchen 
starben; eine weitere Entgiftung gelang nicht. Die Dosis letalis dieses 
Giftes betrug 0,025—0,03 ccm. Die Abschwächung des Diphtherietoxins 
war also in unseren Versuchen trotz der langen Belichtung eine verhält¬ 
nismässig geringe, namentlich im Vergleiche zum Tetanustoxin. Ein 
weiterer bemerkenswerter Unterschied gegenüber dem letzteren Gifte be¬ 
stand auch darin, dass beim belichteten Diphtherietoxin, selbst wenn die 
Formalinconcentration 2 pM. betrug, niemals auch nur die geringste Ver¬ 
längerung der Incubationszeit zu beobachten war. 

Der Versuch, beim Meerschweinchen durch Vorbehandlung mit be¬ 
lichteter Diphtheriebouillon Immunität zu erzeugen, hat ein negatives 
Resultat ergeben. 

Mehreren Meerschweinchen, denen wir verschiedene Mengen (0,1—0,4 ccm) des 
belichteten Toxins injiciert hatten, wurden nach 15 Tagen 10 letale Dosen Diphtherie¬ 
toxin eingespritzt. Diese Tiere starben alle innerhalb 48 Stunden. 

Trotz der* so oft behaupteten Analogie zwischen Diphtherie- und 
Tetanustoxin verhielt sich also das Diphtherietoxin völlig verschieden 
vom Tetanusgift. Für die Verschiedenheit ihres Verhaltens dem Lichte 
gegenüber konnte immer noch eine mangelhafte Methode verantwortlich 
gemacht werden. 

Die Wirkungen verschiedener Energieformen auf das Diphtherietoxin. 

In erster Linie musste man daran denken, dass die Lichtquellen zu 
schwach waren. Deshalb habe ich diese Versuche, das Diphtherietoxin 
durch Licht zu entgiften, neuerdings wieder aufgenommen und habe 
meine ersten Versuche mit Quarzlicht angestellt. Die Quarzlampe liefert 
ein sehr intensives, sehr viel ultraviolette Strahlen enthaltendes Licht, 
das durch glühende Quecksilberdämpfe erzeugt wird. Das Glas ist voll¬ 
kommen metallfrei hergestellt, so dass nur eine geringe Absorption der 
ultravioletten Strahlen möglich ist. Die Quarzlampe verdanke ich der 
Liebenswürdigkeit des Herrn Hofrats Prof. Dr. Lang und des Herrn Primarius 
Jungmann. Zur Verwendung kam das Diphtherietoxin Amerika I, das 
Meerschweinchen im Gewichte von 250 g in der Dosis von 5 mg in 3 Tagen 
tötete. Beim ersten Versuche wurden 6 ccm der 10 fachen Verdünnung 
dieses Giftes 4 Stunden lang dem Lichte exponiert. Die Lichtstrahlen fielen 
unter kleinem Winkel schief auf die unbedeckte Fläche der Petrischale. 
Dieselbe war 10 cm von der Lichtquelle entfernt und stand auf einer 


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Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


285 


Kühlschlange. Das Toxin war in der Verdünnung von hellgelber Farbe, nach 
der Belichtung hatte es einen stark rötlichen Stich. Die Auswertung ergab: 


Meerschweinchen Nr. 695 erhielt 0,1 ccm 

„ „ 381 „ 0,5 „ 

„ „ 555 „ 1,0 „ 

„ « 972 „ 2,0 „ 


glatt 


Am 24. 6. wurde derselbe Versuch wiederholt, nur die Expositionszeiten auf 
1 Stunde abgekürzt: 

Meerschw. Nr. 1031 erhält 4 ccm. Starkes hartes Infiltrat, mit ausgedehnter Nekrose. 

„ „ 262 „ 2 „ ZweiQuerfinger breiter starkerStrang,kleineNekrose. 

„ „ 6 „ 0,2 „ Harter Strang, heilt, Tier bleibt mager und elend. 


In diesem Versuche wurden also in einer Stunde 120 tödliche Dosen 
in dem Sinne verändert, dass in 4 ccm nicht eine ganze tödliche Dosis 
vorhanden war, dagegen die krankraachende eine ausserordentliche Ver¬ 
breiterung erfuhr. Wir beobachten sonst beim Diphtherietoxin nicht, dass 
die Differenz zwischen der krankmachendeu und der tödlichen Dosis, der 
D-Wert von ßerings, so gross ist. 

v. Behring hat diesen D-Wert besonders genau studiert, und be¬ 
sonders beim Tetanus die Bedeutung dieser Differenz zwischen krank¬ 
machender und tödlicher Dosis für die Immunisierung betont. 

Versuch vom 11. 7. 

3G0 tödliche Dosen werden durch 3^2 Stunden der Quarzlichtbehandlung aus¬ 
gesetzt: 

Meerschweinchen Nr. 290 erhält 0,2 ccm. Kleines hartes Infiltrat. 


?1 

71 

1157 

ii 

0,4 

11 

77 


71 

11 


71 

710 

ii 

0,6 

11 

71 


1* 

11 

» 

71 

1947 

ii 

0,8 

11 

Starkes 

Infiltrat. 



71 

1592 

ii 

1,0 

11 

n 

hartes Infiltrat. 

71 

11 

1675 

ii 

1,0 

7? 

71 


71 

77 

71 

71 

1387 

n 

1,0 

71 

11 


71 

71 

71 

71 

1933 

ii 

1,0 

11 

11 


71 

71 

71 

71 

1749 

ii 

1,0 

11 

11 


71 

71 

1* 

71 

1943 

71 

1,0 

11 

Am 29. 

i. 

schwer krank. 

71 

71 

1092 

71 

2,0 

71 

ii 14. 

7. 

tot. 


71 

71 

32 

11 

2,0 

11 

„ 15. 

7. 

ii 


11 

71 

834 

71 

2,0 

11 

„ 15- 

7. 

77 


71 

71 

725 

71 

2,0 

77 

» 17- 

7. 

11 



Am 16.7. wurde derselbe Versuch wiederholt, nur die Belichtungszeit auf 6 Stunden 
ausgedehnt: 

Meerschweinchen Nr. 1125 erhält 5 ccm. Am 24. 7. tot. 


n 

71 

576 

71 

4 

71 

71 

20.7. „ 

71 

77 

617 

71 

4 

71 

71 

22.7. „ 

n 

71 

746 

71 

3 

71 

71 

21.7. „ 

77 

71 

1816 

71 

3 

71 

71 

26. 7. „ 

71 

71 

1069 

71 

2 

71 

71 

22.7. „ 

71 

71 

1826 

71 

2 

71 

71 

29.7, „ 

71 

77 

968 

71 

2 

71 

Grosse Nekrose heilt aus. 

71 

71 

124 

71 

1 

71 

Kl e ine „ „ „ 

7 ? 

TI 

1430 

71 

1 

71 

Am 1.8. tot. 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



286 


E. Löwenstein 


Digitized by 


Am 22. 7. wurde derselbe Versuch wiederholt. Es wurde bei 5 cm Entfernung 
durch 8 Stunden mit der Quarzlampe belichtet: 

Meerschweinchen Nr. 1993 erhält 4,0 com. Am 26. 7. tot. 


ti 

71 

535 

71 

3,0 

71 

„ 29.7. 

71 



n 

71 

515 

71 

3,0 

71 

„ 26.7. 

71 



n 

11 

1102 

71 

2,0 

71 

Starkes Infiltrat mit Nekrose. 

n 

71 

1956 

71 

2,0 

71 

71 

71 

71 

71 

ti 

71 

1383 

77 

2,0 

71 

71 

71 

71 

71 

n 

71 

380 

71 

2,0 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

3 

71 

1,5 

71 

71 

71 

71 

71 

n 

77 

129 

71 

1,0 

71 

Kleines 

71 

71 

71 

71 

71 

1662 

71 

1,0 

71 

77 

71 

77 

71 

71 

71 

35 

71 

1,0 

71 

71 

71 

71 

71 


Am 26. 7. wurde derselbe Versuch wiederholt, nur wurde dieselbe Formalin- 
concentration hergestellt, die sich beim Tetanustoxin wirksam erwiesen hatte und 
durch 10 Stunden schief beleuchtet. 

Meerschweinchen Nr. 1714 erhält 6 ccm. Am 1. 8. tot. 


71 

77 

1554 

71 

5 

71 

* 3.8. „ 

71 

71 

1284 

71 

4 

71 

t . 10- 8. „ 

71 

71 

737 

71 

3 

71 

Starkes Infiltrat. 

71 

71 

1767 

71 

2 

71 

Kleines v 

71 

77 

786 

71 

1 

71 

Glatt. 


Aus diesen Versuchen hat sich also ergeben, dass trotz der Intensität 
der Lichteinwirkung die Entgiftung des Diphtherietoxins nicht so leicht 
durchführbar ist, wie allgemein angenommen wird. Zunächst habe ich 
daran gedacht, dass die Lichtstrahlen, die unter einem schiefen Winkel 
einfallen, vielleicht nicht dieselbe Wirkung haben wie die senkrecht auf 
die Flüssigkeit fallenden Lichtstrahlen. Deshalb habe ich eine kleine 
Messingdose, die eine Tiefe von ungefähr 5 mm besass und durch eine 
Quarzscheibe abschliessbar war und die 5 ccm Flüssigkeit fasste, der 
Lichtwirkung so ausgesetzt, dass die Strahlen senkrecht aus der Quarz¬ 
lampe auf das in dünner Schicht eingetragene Diphtherietoxin fielen. 
Diese Dose verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Prof. Dorr. 

Versuch vom 28. 7. 

5 ccm unverdünntes Toxin wird bei 10 cm Entfernung durch 4 Stunden belichtet. 

Meerschweinchen Nr. 1276 erhält 0,06 ccm. Am 1. 8. tot. 


71 

71 

1632 

71 

0,1 

71 

71 

31. 7. 

71 

71 

71 

1952 

71 

0,2 

71 

71 

30. 7. 

71 

71 

•7 

484 

71 

0,15 

71 

71 

30. 7. 

71 

71 

71 

243 

71 

0,4 

71 

71 

30. 7. 

71 

71 

71 

594 

71 

0,6 

71 

71 

30. 7. 

71 

71 

71 

1911 

71 

0.8 

77 

71 

30. 7. 

71 

71 

71 

1909 

71 

1,0 

71 

71 

30. 7. 

71 


Nach diesen Versuchen wurden 110 tödliche Dosen durch 5 Stunden bestrahlt: 
Meerschw. Nr. 1772 erhält 1,0 ccm. Schwaches Infiltrat mit anschliessender Nekrose. 


71 

71 

50 

71 

0,6 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

76 

71 

0,6 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

1968 

71 

0,6 

71 

71 

71 

71 

71 

71 

n 

71 

71 

r > 

442 

175 

71 

71 

0,4 

0,2 

71 

71 

Glatt. 

71 






Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


287 


Da in dieser Dose die Verdunstungs- und Einengungsmöglichkeit 
auszuschliessen war, so konnte ich auch die Belichtung durch längere 
Zeit durchführen. 

Versuch vom 1. 8. 

2,5 com concentriertes Diphtherietoxin 2,5 ccm physiologischer Kochsalz¬ 
lösung = 500 Dosen werden durch 20 Stunden in der Dose belichtet: 
Meerschweinchen Nr. 1457 erhält 1,0 ccm. Grosses hartes Infiltrat, am 12.8. 5-Kronen- 

stüok grosse Nekrose, heilt aus. 


71 

71 

763 

71 

0,6 

71 

Grosses hartes Infiltrat. 

71 

77 

472 

71 

0,4 

71 

71 71 77 

ri 

71 

246 

77 

0,3 

77 

Glatt. 

71 

71 

639 

77 

0,8 

71 

Am 12. 8. hellergrosse Nekrose. 

71 

71 

804 

71 

0,5 

77 

Hartes Infiltrat, am 12.8. hellergr. Nekrose 

71 

71 

476 

71 

0,3 

71 

Hartes Infiltrat, kleine Nekrose. 

71 

71 

1997 

71 

0,4 

77 

” 71 77 77 


Da also durch eine genügend lange Bestrahlung noch eine wesentliche 
Entgiftung eintrat, so wurden diese Versuche in der Quarzscheibe fortgesetzt. 

Versuch vom 6. 8. 

550 Dosen mit Formalinzusatz werden durch 30 Stunden belichtet. 


Meerschweinchen Nr. 21 

orhält 2,0 ccm. 

Starkes Infiltrat, grosse Nekrose. 

71 

A 909 

A 1.4 n 

Schwaohes Infiltrat. 

71 

A 1322 

n 1.0 „ 

Kleines Infiltrat. 

71 

„ 1755 

A 0,6 „ 

Glatt. 


Es war möglich, dass durch den Forraalinzusatz auoh eine Abschwächung des 
Toxins erfolgen könnte; deshalb wurde am 9. 8. das Toxin unverdünnt verwendet. 

5 ccm = 1000 Dosen werden durch 40 Stunden ohne jeden Zusatz bestrahlt: 
Meerschweinchen Nr. 1621 erhält 2,0 ccm. Am 12.7. 2 cm breites hartes Infiltrat. 


71 

71 

795 

71 

i.o „ 

1 cm breites hartes Infiltrat. 

71 

71 

822 

71 

0,5 „ 

Kleines hartes Infiltrat. 

71 

71 

699 

71 

0,4 „ 

71 71 

71 

77 

71 

460 

71 

0,4 „ 

Hellergrosses 

71 

71 

71 

1993 

71 

0,35 „ 

71 

71 


Am 9.8. wurde dieserVersuch mit 5 ccm Toxin gemacht, welches durch 42Stunden 
ohne jeglichen Zusatz belichtet wurde. 

Meerschweinchen Nr. 1621 erhält 2,0 ccm. 1 cm breites hartes Infiltrat mit Nekrose. 


71 

71 

795 

71 

1,0 

71 

Breites hartes Infiltrat mit Nekrose. 

71 

71 

822 

71 

0,5 

71 

Kleines Infiltrat. 

71 

71 

699 

71 

0,5 

71 

71 77 

71 

71 

460 

71 

0,3 

71 

Knopfförmiges Infiltrat. 

71 

71 

1793 

77 

0,3 

71 

71 71 


Zur endgiltigen Entscheidung der Bedeutung des Formalins bei der Entgiftung 
des Diphtherietoxins wurde am 13. 8. derselbe Versuch mit Formalinzusatz wieder¬ 
holt. Belichtung4 2 Stunden. 

Meerschweinchen Nr. 1367 erhält 2,0 ccm. Glatt. 

„ * 862 „ 1,0 „ 

n n 1048 n 1»® n v 

» » 1039 „ 1,0 „ 

n n 10o5 „ 0,6 „ „ 

A n 894 „ 0,4 „ 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



288 


E. Löwenstein, 


Digitized by 


Es geht also aus diesen Versuchen hervor, dass das Formalin wohl 
die Wirkung des Lichtes unterstützt, wenn auch dieser Unterstützung 
keine wesentliche Rolle zugeschrieben werden kann. 

Nachdem nun durch eine entsprechend lange Ausdehnung der Be¬ 
strahlung mittels der Quarzlampe eine vollkommene Entgiftung des 
Toxins gelungen war, war die Möglichkeit gegeben, so wie beim Tetanus 
vorzugehen. Auch beim Diphtherietoxin war es bisher noch nicht gelungen, 
eine aktive Immunität mittels des reinen Diphtherietoxins beim Meer¬ 
schweinchen zu erzielen. So schreibt Behring über diesbezügliche Versuche: 

„Sehr bemerkenswert ist, dass durch die subcutane Injection erheb¬ 
licher und wiederholter Giftmengen die Immunität wieder verloren gehen 
kann; es geschieht dies um so sicherer, je weniger „befestigt“ die 
Immunität gewesen war. Jedenfalls befinden sich unter dem Einflüsse 
der giftigen, keimfreien üiphtheriekultur stehende Meerschweinchen gegen¬ 
über der Diphtherieinfection unter ungünstigeren Bedingungen wie vorher.“ 

Deshalb erschien ein solcher Versuch mit einem Toxin, das durch 
ein so schonendes Verfahren entgiftet ist, besonders für die Immunisierung 
geeignet. Aus den zahlreichen Protokollen seien hier nur einige ange¬ 
führt, bei welchen die Versuchsbedingungen zur Erreichung einer hohen 
Immunität die besten waren. 

Die mit entgiftetem Diphtherietoxin vorbehandelten Tiere vom 11. 7., 
16. 7., 26. 7., 30. 7., 2. 8., 6. 8., 9. 8. und 13. 8. werden auf ihre 
Resistenz gegenüber dem Diphtheriegift intracutan geprüft. Das Test¬ 
toxin war, in der Verdünnung von 1 : 3000 intracutan verabreicht, noch 
hinreichend, um die typische Diphtherienekrose in der Haut hervorzurufen. 

Für die Technik der Intracutaninjection sei hier betont, dass man 
nicht mehr als x / 10 ccm injicieren soll. Man injiciert am besten mit 
einer sehr feinen und ganz kurz geschliffenen Kanüle derart, dass man 
möglichst parallel zur Körperachse des Tieres in die Haut einsticht. 
Bei meinen Versuchen habe ich nie mehr als Vio ccm injiciert. Bei 

grösseren Flüssigkeitsmengen verwischt die infolge des Traumas ent¬ 

stehende lokale Entzündung das typische Reaktionsbild. 

Wie aus den oben angeführten Protokollen hervorgeht, haben einzelne 

von diesen Tieren, z. B. die vom 9. und 13. 8., 1 ccm reines, unver¬ 

dünntes Diphtherietoxin, also 200 tödliche Dosen erhalten, so dass man 
annehmen kann, dass die Antigenmenge, welche zur Entstehung einer 
Immunität notwendig ist, reichlich vorhanden ist. Trotzdem war in 
keinem einzigen Falle eine Immunität gegenüber den Diphtherietoxin¬ 
verdünnungen 1 : 100, 1 : 500, 1 : 1000 vorhanden. Diese Lichttiere 
wurden dann 8mal hintereinander im Verlaufe von 4 Monaten intracutan 
geprüft, so dass schon der Gedanke an eine durch die Prüfungsinjectionen 
entstehende Immunität berechtigt war. Aber auch nach der letzten 
Prüfung am 27. 10. war es in keinem Falle zu einer durch die Intra¬ 
cutaninjection nachweisbaren Immunität gekommen. Andererseits aber 
konnte auch im Verlaufe dieser Untersuchung festgestellt werden, dass 
sich trotz dieser wiederholten lntracutaninjectionen keine Uebererapfind- 
lichkeit gegenüber dem Diphtherietoxin entwickelte, eine Beobachtung, 
die Schick gemeinsam mit So schon früher gemacht hat. Trotzdem 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber Immunisierung mit atoxisehen Toxinen usw. 


289 


wäre es aber weit gefehlt anzunehmen, dass die lnjectionen keine Spuren 
im Organismus zurückgelassen hätten. Der nachfolgende Versuch beweist, 
dass das Verhalten des ganzen Organismus gegenüber dem Diphtherietoxin 
durch die vorausgehende Injection doch auf das tiefste beeinflusst worden ist. 

Am 29. 10. wurden die mit dem belichteten Toxin vorbehandelten 
Tiere zusammen mit Controlltieren intra- und subcutan mit unter- und 
überneutralisierten Gemischen von Toxin und Antitoxin injiciert. Es zeigte 
sich nun, dass die normalen Tiere auf diese Injection keinerlei Reaktions¬ 
erscheinungen darboten, während die mit dem atoxisehen Diphtherietoxin 
vorbehandelten Tiere sowohl bei intracufaner als bei subcutaner Injection 
die für Diphtherietoxin charakteristischen Reaktionen zeigten. 

Protokoll vom 29. 10. 

15 ccm Toxin + 0,13 ccm Serum N 229 (200fach). Gemisch vom 7. 10. 


Subcutaninjectionen. 


Meerschweinchen 

Nr. 325 

erhält 2,0 ccm. Kleines Infiltrat. 

ii 

„ 1392 

V 

9 0 

n ii ;> 

11 

„ 453 

V 

0,5 ,, Glatt. 


„ 1595 

i: 

0,5 „ 

,, 

„ 606 

jf 

0,2 „ 

i? 

„ 1189 

ji 

0,2 „ 


Intracutaninjectionen. 

Meerschweinchen 

Nr. 1102 

erhält 0,1 ccm. Glatt. 

n 

„ 790 

r 

0,1 „ 

j) 

„ 805 

n 

0,1 „ 


Die mit Lichttoxin vorbehandelten Tiere: 

Subcutaninjectionen. 

Meerschweinchen Nr. 1173 erhält 0,2 ccm. Kleines Infiltrat. 

,, „ 1948 „ 0,2 „ 

» n 1164 „ 0,2 „ 

Intracutaninjectionen. 

Meerschweinchen Nr. 1387 erhält 0,1 ccm. Sehr starke Reaktion. 

» 1947 0,1 „ „ „ 

? i ?» 1157 ,, 0,1 ,, ,, ,, ,, 

Auch bei überneutralisierten Serumtoxingemischen zeigte sich dasselbe 
Verhalten, wie der folgende Versuch beweist: 

15 ccm Toxin + 0,14 ccm (200fach). 

Subcutaninjection. 

Meerschweinchen Nr. 1932 erhält 2,0 ccm. Glatt. 

,, ,, 331 „ 2,0 „ 

,, .)19 ,, 0,5 ,, ,, 

n „ 244 ,, 0,5 „ „ 

„ „ 860 „ 0,2 „ 

n 820 „ 0,2 

ln tracutan injection. 

Meerschweinchen Nr. 312 erhält 0,1 ccm. Glatt, 

ii 921 „ 0,1 „ 

?? v 954 ,, 0,1 ,, ,, 


Difitized 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



290 


E. Löwenstein, 


Die mit Lichttoxin vorbehandelten Tiere hingegen reagieren auf 
dieses Gemisch stets mit Diphtherietoxinerkrankung. 

Subcutaninjection. 

Meerschweinchen Nr. 571 erhält 0,2 ccm. Sehr starkes Infiltrat. 

,, ,, 1404 ,, 0,2 ,, ., ,, ,, 

v u ,, 0.2 ,, ,, ,, ,, 

,, ,, 1808 „ 0,5 ,, Kleines Infiltrat. 

» n 1^90 ,, 1,0 ,, ,, ,, 

Intracutaninjection. 

Meerschweinchen Nr. 1489 erhält 0,1 ccm. Stark positiv. 

» n 1069 ,, 0,1 ,, ,, ,, 

n n 0,1,, ,, ,, 

n j> 901 ,, 0,1 ,, ,, ,, 

Um nun die Wirkung des Quarzlichtes mit dem Finsenlicht zu vergleichen, 
wurde am 27. 6. eine 10fach verdünnte Diphtherietoxinlösung dem Quarz- 
und dem Finsenlichte exponiert Dem Finsenlichte wurden 4 ccm der 
lOfachen Verdünnung derartig exponiert, dass die Strahlen unter Wasser¬ 
kühlung die Presslinse passieren. Die Expositionsdauer betrug 2 Stunden. 

Meerschweinchen Nr. 1499 erhält 2,0 ccm. Tot am 29. 6. 

„ „ 605 „ 0,6 „ „ , # 30. 6. 

,, ,, 1603 ,, 0,3 ,, Sehr schweres Infiltrat; erholt sich 

langsam, bleibt aber kachektisch. 

,, ,, 1847 ,, 0,1 ,, Schweres Infiltrat; erholt sich, bleibt 

aber kachektisch. 

Dem Licht der Quarzlampe wurden 10 ccm Diphtherietoxin ausge¬ 
setzt. Die Expositionsdauer betrug l l / 2 Stunden. 

Meerschweinchen Nr. 637 erhält 3,0 ccm. Bleibt gesund. 

?i % .> 389 ,, 2,0 ,, ,, ,, 

Schon aus diesem Versuche geht vollkommen ein wandsfrei hervor, 
dass das Finsenlicht viel schwächer wirkt als das Licht der Quarz¬ 
lampe. Der Unterschied in der Wirkung ist wohl darin zu sehen, dass 
das Licht der Quarzlampe viel reicher an ultravioletten Strahlen ist als 
das Licht der Finsenlampe. Ausserdem ist ja das Material, aus dem 
die Quarzlampe hergestellt ist, reiner Quarz, dem angeblich kein Blei 
beigeraischt ist. Gewöhnliches Glas absorbiert ja ultraviolette Strahlen 
nahezu vollkommen. Das Diphtherietoxin ist also für ultraviolette Strahlen 
ganz besonders empfindlich im Gegensatz zum Tetanustoxin, das, wie 
aus meinen früheren Versuchen hervorgeht, besonders für ultrarote 
Strahlen empfindlich ist. 

Da die Radiumwirkung auf Toxin noch nicht genügend studiert war, 
so habe ich auch verschiedene Radiumpräparate auf ihre Wirksamkeit 
gegenüber Diphtherietoxins geprüft. Das Radium stammt aus der 
k. k. Radiumstation im Allgemeinen Krankenhause. Verwendet wurde 
der Radiumträger 5, Form rechteckig, Fläche 1,5 qcm. Die Menge des 
Radiumbarvumcarbonat betrug 13,3 mg. Dieser Träger hat einen Glimmer¬ 
verschluss in der Dicke von 0,03 mm. Der Versuch wurde derartig an- 
gestellt, dass der Radiumträger an einem Faden in das Cylinderglas, das 


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Original frorn 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber Immunisierung mit atoxisohen Toxinen usw. 


291 


5 ccm der lOfachen Verdünnung enthielt, so eingehängt wurde, dass das 
Radium höchstens 2 mm über dem Flüssigkeitsspiegel stand. Die Ex¬ 
positionszeit betrug 8 Stunden. Die Controllen wurden gleichzeitig daneben¬ 
stehend aufbewahrt. 

Radiumtoxin Injicierto Menge Controlltoxin 


Nr. 1546. 

In 24 Stunden tot. 

1,0 ccm 

Nr. 1092. 

In 24 Stunden tot. 

„ 1997. 

„ 24 

11 11 

0,5 ,, 

„ 1157. 

,, 24 

»7 11 

„ 72. 

„ 24 

V 11 

0,3 „ 

„ 1933. 

„ 24 

11 11 

„ 1354. 

» 72 

11 11 

0,2 „ 

„ 1966. 

„ 30 

11 11 

„ 180. 

„ 72 

11 71 

0,1 „ 

„ 391. 

„ 90 

11 11 

„ 178. 

Grosses, 

starkes Infiltrat, 

0,05,, 

,, 1571. 

Grosses Infiltrat, 


überlebt. überlebt. 

Aus diesem Versuche geht mit Sicherheit hervor, dass durch die 
Radiumwirkung nichts vom Toxin verloren gegangen ist. 

Am 3. 9. wurde der Versuch mit dem Radiumpräparat 10 wieder¬ 
holt. Dasselbe war rund, hatte eine Bestrahlungsfläche von 3,14 qcm, 
Radiumsalz 11,11, Radiummetall 7,93 in Milligramm pro Quadratcenti- 
meter 2,52. Hierbei befindet sich das Radium in einem Lack ohne Um¬ 
hüllung. Die Expositionszeit beträgt 36 Stunden. Auch hier zeigte es 
sich, dass von einer Abschwächung keine Rede sein kann. 

Am 6. 9. wurde noch ein Versuch mit Radiumemanation gemacht. 
100 000 Macheeinheiten wurden mit 1 ccm Diphtherietoxin gemischt, und 
nach 20stündiger Einwirkung wurde diese Mischung injiciert. Auch hier 
zeigte sich, dass das Diphtherietoxin keine nachweisbare Einbusse an 
Giftigkeit erlitten hatte. 

Diese Versuche stimmen überein mit eben mir bekanntgewordenen Ver¬ 
suchen von Danyscz, der mit einem etwa 12 rag Radium enthaltenden 
Präparate trotz langer Bestrahlung keine Abschwächung erziehlen konnte; 
auch Goldberg hat nach 7 Tage dauernder Bestrahlung mit ß- und y- 
Strahlen keinen anderen Erfolg beobachtet. 

IJeberblicken wir also diese Versuche, so können wir sagen, dass 
das Diphtherietoxin durch eine entsprechend lange Belichtung mit Quarz¬ 
licht vollkommen entgiftet wird. In 40 Stunden werden rund 1000 töd¬ 
liche Dosen vollkommen zerstört. Hingegen ist die Finscnbestrahlung 
nicht imstande, eine gleich intensive Einwirkung auszuüben. Das Quarz¬ 
licht scheint ungefähr 30 mal so intensiv einzuwirken als das Finsen- 
licht. Radium hat in den verwendeten Dosen keine Herabsetzung der 
Giftigkeit zu bewirken vermocht. 

Die Veränderungen des Toxins sind tiefgreifende, denn mit dem 
Verlust der toxischen Eigenschaften scheint auch ein Verlust der 
immunisierenden Eigenschaften verbunden zu sein. Es bleibt nur eine 
Antigencomponente übrig, welche den Organismus so in seinem Verhalten 
gegen Diphtherietoxin verändert, dass derselbe aus einem überneutralisierten 
Gemisch von Toxin und Antitoxin noch das Diphtherietoxin heraus¬ 
empfindet. 

Ueber die Bedeutung dieser Eigenschaft wird das nächstfolgende 
Kapitel Näheres aussagen. 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



292 


Digitized by 


E. Löwenstein, 

Ueber das Verhalten von Toxin- nnd Antitoxinverbindungen 
im Organismus. 

Anfänglich war man fast allgemein der Ansicht, dass man ein anti¬ 
toxisches Serum am besten mit dem Toxin allein erzeugen kann. Aber 
es ist doch schon eine öfters erprobte Erfahrung, dass Antitoxine auch 
durch Injection von neutralisierten Mischungen von Toxinen und Anti¬ 
toxinen entstehen können. Nur waren die Versuche, die bisher unter¬ 
nommen worden sind, noch nicht völlig geklärt. So hat Babes schon 
1895 die Methode, mit Mischungen und Antitoxinen zu immunisieren, 
als die beste empfohlen. Auch Pawlowsky und Macsutow haben 
denselben Versuch angestellt und sind zu einer Empfehlung dieser Methode 
gekommen. Roux hat im Institut Pasteur diese Angaben von Babes 
und Pawlowsky nachgeprüft, hat aber die Methode abgelehnt, da die 
Resultate durchaus keine ermunternden gewesen waren. Kretz hat 1901 
eine Reihe von derartigen Versuchen angestellt: Er hat normale Pferde 
mit Mischungen von Toxinen und Antitoxinen behandelt und im Serum 
dieser Tiere keine neuproduzierten Antitoxine nachweisen können. Hin¬ 
gegen haben Pferde, die schon giftempfindlich waren, auf dieselben Glatt¬ 
gemische mit einer Antitoxinproduktion geantwortet. Kretz nannte diese 
Erscheinung paradox. Dreyer und Madsen haben Kaninchen mit solchen 
Toxin-Antitoxinmischungen behandelt, die für Meerschweinchen noch glatt 
waren. Für Kaninchen waren dieselben aber nicht vollkommen neu¬ 
tralisiert, wie aus dem Verlauf der Immunisierung der Kaninchen hervor¬ 
ging. Denn während der Behandlung ging eine ganze Reihe von 
Kaninchen an Diphtherievergiftung zugrunde. Ein Kaninchen überlebte 
zwar die Immunisierung, wies aber in seinem Blut kein Antitoxin 
auf. Hingegen trat bei Pferden und Ziegen reichlich Antitoxin im Blute 
auf. Arloing, Nicolas und Antoine behandelten Hunde mit Anti- 
toxin-Toxinmischungen und fanden nur einen sehr geringen Antitoxin¬ 
gehalt im Blute. Später haben Arloing und Nicolas dieselben 
Untersuchungen wieder aufgenommen und haben bei Behandlung von 
Eseln mit den gleichen Gemischen ein gut wirksames Serum erzielt. 
1903 haben Grassberger und Schattenfroh ihre Untersuchungen über 
das Rauschbrandgift publiciert und eine Reihe von Beobachtungen mit¬ 
geteilt, die für die Auffassung der Antitoxinbildung von grosser Bedeutung 
sind. Diesen Autoren ist es gelungen, so hochempfindliche Tiere, wie Rinder, 
gegenüber dem Rauschbrandgift mit neutralen und überneutralisierten 
Mischungen zu schützen. In einzelnen Fällen genügte eine einzige 
Injection von einer unterneutralisierten Toxin - Antitoxinraischung, um 
Meerschweinchen gegen die mehrfache tödliche Dosis aktiv zu immunisieren. 
Da auf diese Arbeit später wiederholt Bezug genommen wird, sei hier 
von einer ausführlichen Besprechung abgesehen. Dzierzgowski konnte 
bei Ziegen, Pferden und Hunden mit neutralen Diphtherietoxin-Antitoxin¬ 
gemischen keinen Antitoxingehalt des Blutes erzielen. Auch Park und 
Atkinson hatten nur Fehlschläge bei ihren Versuchen zu verzeichnen. 
Atkinson hat später Versuche bei 100 Pferden mitgeteilt. Er benützte 
überneutralisierte Toxin-Antitoxinmischungen, injicierte in Zwischenräumen 


Gck igle 


Original fro-m 

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Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


293 


von 5—7 Tagen in steigenden Dosen und erreichte nach 4 Monaten bei 
einem Teile seiner Tiere ein 500 faches Serum. Theobald Smith hat 
dieser Frage eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Seine lang¬ 
jährigen Untersuchungen haben ergeben, dass Meerschweinchen durch 
Injection von selbst neutralen Toxin-Antitoxinmischungen eine aktive 
Immunität erwerben können. Oft genügt eine einzige Injection, um eine 
Immunität zu erzielen, die von der Mutter eventuell auf das Kind über¬ 
tragbar ist. In seinem Resume spricht sich Th. Smith folgendermassen 
über diese Frage aus: „Meerschweinchen, welche eine schwere Diphtherie¬ 
intoxikation überstanden haben, mit Gewichtsverlust und ausgedehnter 
Nekrose, übertragen die Immunität auf ihre Nachkommenschaft nicht. 
Tiere hingegen, welche eine einzige Injection von einem Glattgemisch 
erhalten haben und keine Krankheitszeichen zeigten, können eine aktive 
Immunität, die mehrere Jahre andauert, erwerben. u 

Mc. Clintock und N. S. Ferry haben Pferde mit überneutralisiertem 
Diphtherietoxin behandelt. Die Autoren haben sich dadurch davon über¬ 
zeugt, dass die Mischungen immer neutralisiert waren, indem selbst 
grosse Dosen dieser Mischung beim Meerschweinchen keine Krankheits¬ 
erscheinungen auszulösen vermochten, so dass das gesamte Toxin, dio 
Toxone, Toxoide, als neutralisiert angesehen werden konnten. Sie kamen 
dabei zu folgenden Schlussfolgerungen: 18 Pterde wurden mit diesen 
überneutralisierten Mischungen behandelt. Zwölf gaben ein 250 fach und 
höherwertiges Serum, eins gab ein 1000 faches Serum. Der Durchschnitt 
war ein 475 faches Serum. Die Pferde erhielten 10 Injectionen entweder 
täglich oder zweimal wöchentlich. Die Dauer der Behandlung betrug 
3*2 Tage. Die Entblutung wurde immer 8—10 Tage nach der letzten 
Injection vorgenommen. Die Gesamtmenge der injicierten Flüssigkeit 
schwankte zwischen 2—4000 ccm. Es war vollkommen gleichgültig, ob 
die Injection sofort nach der Mischung oder 6 Stunden später gemacht 
wurde. Selbst grosse Dosen von 1500 ccm zeigten keine üblen Folgen. 
Auf eine Injection von 1500 ccm des Gemisches enthielt das Serum 
100 Antitoxineinheiten. Die Wertigkeit des Serums von Pferden, die nur 
Mischungen erhalten hatten, konnte durch tägliche Injection des Toxins 
allein nur wenig gesteigert werden. Die Tiere vertrugen die Behandlung 
mit den Mischungen viel besser als die Behandlung mit dem Toxin allein. 

Im Jahre 1913 berichtete nun v. Behring über Versuche mit einem 
neuen Diphtherie-Schutzmittel. „Mein neues Mittel ist eine Mischung 
von sehr starkem Diphtheriegift mit Antitoxin in solchem Verhältnis, dass 
die Mischlösung im Meerschweinchenversuch nur einen geringen oder gar 
keinen Toxinüberschuss aufweist. u Behring beobachtete „in einem 
solchen Versuch, dass ein für Meerschweinchen neutrales Toxin-Antitoxin¬ 
gemisch lebhafte Fieberreaktion mit nachfolgender Antitoxinproduktion 
bewirkte. Als ich darauf im Laufe der Zeit alle mir zugänglichen Tier¬ 
arten durchprüfte, fand ich schliesslich in den Affen ein Reagens, das 
unwiderleglich den Beweis liefert, dass die definitive Entgiftung in vitro 
überhaupt nicht eintritt. Gab ich nämlich meinen Affen ein Gemisch, 
das auf eine Gifteinheit sogar 20—40 Antitoxineinheiten enthält, zwei- 
bis dreimal hintereinander, so starben sie an Diphtherievergiftung. Erst 


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Original fro-m 

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294 


E. Löwenstein, 


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nach Zusatz von noch mehr Antitoxin — bei einem Mischungsverhältnis 
von 80—100 Antitoxineinheiten auf eine Gifteinheit — hört das Toxin- 
Antitoxingemisch auf, für Affen giftig zu sein. 

Menschliche Individuen sind gegenüber einem für Meerschweinchen 
neutralen Gemisch von Antitoxin und Gift viel weniger empfindlich als 
Affen, vorausgesetzt, dass sie nicht unter dem Einflüsse der Diphtherie¬ 
bazillen überempfindlich geworden sind. Kinder in der Altersperiode 
von 4—15 Jahren sind fast durchwegs viel empfindlicher als Neugeborene“. 

Nach v. Behring ist also der Mensch viel weniger empfindlich für 
solche glattneutralisierte oder untertödlich neutralisierte Antitoxin-Toxin¬ 
mischungen. Allerdings ist dieser Nachweis sehr schwer zu erbringen. 
Wissen wir doch, dass Meerschweinchen, welche während der ersten Be¬ 
obachtungsperiode keinerlei Zeichen einer Diphtherievergiftung geboten 
haben, nach 3—4 Wochen Paralysen bekommen, kachektisch werden 
und schliesslich doch an den Folgen der Diphtherievergiftung zugrunde 
gehen. Diese geradezu alltägliche Laboratoriumserfahrung ist auch schon 
von Dreyer und Madsen bei Kaninchen beschrieben worden, die mit 
solchen „Diphtherietoxonen“ immunisiert worden sind. Es überlebte ein 
einziges Tier diese Immunisierungsform, erkrankte schwer, besass kein 
Antitoxin, obzwar es eine erhebliche aktive Giftresistenz zeigte, v. Behring 
selbst weist ja auf die geradezu unberechenbaren Antitoxinmengen hin, 
die zur Erreichung eines Glattwertes für Aden notwendig sind. Deshalb 
ist auch in der menschlichen Praxis von vornherein die allergrösste Vor¬ 
sicht bei der Verwendung solcher Gemische geboten. 

Aber auch noch ein anderer Umstand spricht mit Nachdruck da¬ 
gegen, unter- oder nur glattneutralisierte Toxin-Antitoxingemische zu ver¬ 
wenden. In der menschlichen Praxis wird es sich in erster Linie darum 
handeln, eine präventive Schutzimpfungsmethode ausfindig zu machen, 
die einen längeren Schutz gewährt als die prophylaktischen Serura- 
injectionen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass der Schutzwert der 
prophylaktischen Seruraimpfung nach 10 Tagen bereits erloschen ist, 
wovon ich mich persönlich durch folgenden Versuch überzeugen konnte. 

Am 3. 9. erhielten 8 Meerschweinchen steigende Dosen eines 30t)fachen Serums 


und nach 12 Tagen 

wurde die Prüfung intracutan 
Subcutane 
Injection 

vorgenomraen. 

Intracutane Prüfung 
1:100 1:500 1 

: 1000 

Meerschweinchen Nr 

. 1852 

erhält 0,0125 ccm 

+++ 

++ 

+ 

55 55 

1201 

TI 

0,02 „ 

+++ 

++ 

+ 

55 51 

220 

55 

0,03 „ 

+++ 

++ 

+ 

5 * 55 

419 

51 

0,04 „ 

+++ 

+ 4- 

+ 

55 55 

349 

55 

0,05 „ 

+++ 

H—f - 

+ 

55 51 

516 

55 

0,2 

H—h + 

++ 

+ 

51 55 

645 

55 

0,5 

++f 

++ 

+ 

55 55 

1912 

55 

1,0 

++ 

+ 

0 


Da bei einer Epidemie die Expositionszeit viel länger dauert als 
10 Tage, jedenfalls so lange dauert, als die Epidemie, so muss die 
Schutzimpfungsmethode in erster Linie einen Impfschutz für längere Zeit 
gewähren als 10 Tage, ln zweiter Linie muss der Impfschutz aber 


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Original fro-m 

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Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


295 


auch sofort nach der Injection einsetzen. Verwendet man aber nur Glatt¬ 
oder unterneutralisierte Mischungen, so bleibt die Empfänglichkeit für 
das Diphtheriegift und damit für die Diphtherieerkrankung durch un¬ 
gefähr 12 Tage erhalten, welche Zeit zur Antitoxinbildung notwendig ist. 
Ja, es ist möglich, dass bei Einverleibung von unterneutralisierten Toxin¬ 
gemischen die Empfänglichkeit für die Diphtherieinfection während der 
ersten 6 Tage nach der Injection gesteigert wird. 

Aus diesem Grunde erscheint die Forderung berechtigt, zu prophy¬ 
laktischen Injectionen ausschliesslich stark überneutralisierte Toxin¬ 
mischungen zu verwenden. 

Nun erhebt sich sofort die Frage, welche Veränderungen im Organis¬ 
mus durch eine einmalige Injection einer überneutralisierten Toxinraischung 
hervorgerufen werden. In praktischer Hinsicht ist es am wichtigsten, ob 
nach einer Injection eines überneutralisierten Toxingeraisches eine aktive 
Immunität entsteht, wie es Th. Smith nach Injection von Glattgemischen 
bei einzelnen Meerschweinchen beobachtet hat. Zu diesem Behufe wurde 
eine Reihe von Meerschweinchen mit derselben Toxinmenge und verschiedenen 
Antitoxinmengen injiciert, um entscheiden zu können, ob nach Injection 
eines überneutralisierten Toxingemisches eine Immunität zurückbleibt. Ver¬ 
wendet wurde ein Testtoxin, das in der Verdünnung von 7:1000 ein Meer¬ 
schweinchen in 4 Tagen tötete. 


Protokoll vom 28. 7. 


Nr. 

1322 erhielt 

am 8. 7. 0,0035 ccm 

eines 280fachen Serums + 0,8 

Testtoxin 

v 

683 „ 

„ 8. 7. 0,0028 „ 

n 850 l) 

,, + 0,8 

n 

n 

265 „ 

„ 8. 7. 0,0033 „ 

„ 300 „ 

„ + 0,8 


« 

165 „ 

„ 17. 6. 0,005 „ 

„ 180 „ 

„ + 0.8 

n 


Sämtliche Tiere sind glatt geblieben. 


Am 28. 7. erhält das Meerschweinchen 
Nr. 1322 0,02 ccm Diphtherietoxin. Tot am 31. 7. 


, 265 0,1 „ 

71 

n n 

1. 8. 


„ 165 0,2 „ 

n 

Starkes hartes Infiltrat, 

Nekrose, heilt aus. 

„ 683 0,4 „ 

57 

11 

11 71 

11 71 71 


Protokoll vom 

15. 7. 


Es erhalten Meerschweinchen 




Nr. 1027 (240 g) 0,0022 

ccm eines 

450 fachen 

Serums + 0,8 

Testtoxin. Infiltrat. 

„ 1618 (290 g) 0,0028 

77 77 

350 „ 

„ + 0,8 

71 77 

„ 781 (330 g) 0,004 

77 71 

250 „ 

„ 4- 0,8 

„ Glatt. 

„ 505 (360 g) 0,0012 

77 71 

650 „ 

n + 0,8 

77 71 


Am 5. 8. werden diese Tiere geprüft und zwar erhält Meerschweinchen 
Nr. 1027 0,02 ccm Diphtherietoxin. Tot am 11. 8. 


1618 0,06 „ 

77 

„ ,, t . 8. 

781 0,1 „ 

77 

„ „ 6.8. 

505 0,3 ,. 

11 

„ „ 6. 8. 


Da bei der Methode der subcutanen Prüfung doch mit einem grossen 
Verlust an Tieren gerechnet werden muss, andererseits bei der intra- 
cutanen Prüfung doch ungefähr viermal feinere Ausschäge erhalten werden, 
so habe ich die subcutane Prüfung aufgegeben und ausschliesslich die 
intracutane Prüfung verwendet. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. ln. Btl. 


I 


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Original fro-m 

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296 


E. Löwenstein, 


Protokoll vom 25. 8. 


Die erste Injection erfolgte am 29. 7. und zwar in folgenden Dosierungen: 

Intracut. Prüf, am 25. 8. 
1:100 1:500 1:1000 


Nr, 

. 577 0,0015ccm Serum + 0,8 Testtoxin. 

Infiltrat. 

0 

0 0 

75 

1442 0,0022 „ „ 

+ 0,8 „ 

Glatt. 

+++ 

++ + 

n 

1149 0,004 „ „ 

+ °. 8 n 

77 

++ 

0 (l 

7) 

408 0,0033 r 

+ °) 8 n 

75 

+++ 

++ + 

n 

634 0,004 „ „ 

T- 0,8 r 

55 

+++ 

+ + 0 

Ti 

1502 0,0035 „ „ 

+ 0,8 „ 

Infiltrat. 

++ 

+ + 

71 

1008 0,005 „ „ 

+ 0,8 „ 

Glatt. 

H—1—h 

++ ++ 

n 

1718 0,0035 „ „ 

+ 0,8 „ 

Gross. Infilt. 

+ ++ 

++ + 

71 

1839 0,0035 „ ., 

+ 0,8 „ 

Glatt. 

0 

0 0 

n 

86 0,0043 „ 

+ 0,8 „ 

55 

++F 

++ + 

n 

617 0,005 „ „ 

+ 0,8 „ 

Infiltrat. 

0 

0 0 



Protokoll vom 15. 10. 




Die Vorbehandlung wurde am 25. 9. vorgenommen. 







Intracutanprüfung 1:100 

Nr. 

1412 0,003 ccm Serum + 0,8 Testtoxin. 

Strang. 


++ 

75 

1402 0,004 „ „ 

+ 0,8 „ 

Glatt. 


0 

75 

657 0,0033 „ „ 

+ 0,8 „ 

Strang. 


0 

77 

1523 0,004 „ „ 

+ 0,8 „ 

Glatt. 


0 

75 

133 0,0035 „ „ 

+ 0,8 r 

55 


0 

75 

1104 0,0033 „ „ 

+ 0,8 „ 

55 


+ 



Protokoll vom 7. 11. 




Die Meerschweinchen 

vom 25. 9. erhalten: 



Nr. 1105 0,005 ccm Serum + 0,8 Testtoxin. 

Glatt. 


0 

55 

1911 0,005 „ ^ 

+ 0,8 „ 

77 


y 

75 

826 0,005 n „ 

+ 0,8 „ 

55 


0 


Die Meerschweinchen 

vom 21. 10. erhalten: 



Nr. 

1166 0,004 ccm Serum + 0,8 Testtoxin. 

Strang. 


+ + 

75 

882 0,0033 ,, „ 

+ 0,8 

Infiltrat. 


+ 

71 

1338 0,002 „ 

+ 0,8 „ 

75 


+ Tot 17. 9. 

71 

631 0,005 „ „ 

+ 0,8 „ 

Strang. 


+ + 


Die Meerschweinchen 

vom 24. 10. ei halten: 



Nr. 

354 0,004 ccm Serum 

+ 0,8 Testtoxin. 

Glatt. 


+ 

71 

614 0,005 „ „ 

+ 0,8 „ 

77 


+ 

71 

1401 0,0015 n „ 

+ 0,8 *> 

Strang. 


+ 

71 

1288 0,0025 ., 1 

+ 0,8 „ 

G latt. 


+ 

71 

1022 0,0028 „ „ 

+ 0,8 n 

Infiltrat. 


+ Tot 17. 11. 


Die Meerschweinchen vom 28. 10. erhalten: 

Nr. 920 0,005 ccm Serum + 0,8 Testtoxin. Infiltrat. ++ 

„ 160 0,0018 „ „ + 0,8 „ Glatt. + + 

Das Meerschweinchen vom 29. 10. erhält: 

Nr.308 0,0053 ccm Serum + 0,8 Testtoxin. Glatt. + Tot 22. 11. 

Schon aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Verhältnisse nicht 
so einfach liegen, als man erwarten würde. Vor allem zeigt sich, dass 
durchaus nicht die Tiere, welche eine unterneutralisierte Mischung erhalten 
und dementsprechend auch Diphtherie Vergiftungserscheinungen gezeigt 


Difitized 


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Original fro-m 

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lieber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


29? 


haben, auch immun geworden sind. Es sind zwar, wie aus den obigen 
Protokollen hervorgeht, einige Tiere, welche Infiltrate und Nekrosen ge¬ 
zeigt haben, immun geworden, aber die Mehrzahl dieser Tiere ist empfind¬ 
lich geblieben. Andererseits sind auch Tiere, welche gar keine Krank¬ 
heitserscheinungen dargeboten haben, vollkommen immun geworden. Um 
nun ein Bild von der Bedeutung des freien Toxinüberschusses für die 
Immunisierung zu gewinnen, musste man ein genau ausgewertetes Toxin- 
Antitoxingemisch zur Immunisierung verwenden. Es wurde deshalb der 
Glatt- und derTodwert desGemisches bestimmt, und die hieraus überlebenden 
Tiere 50 Tage nach der Injection mittelst subcutaner Injection geprüft. 


Protokoll vom 21. 11. 

Meerschw. Gew. Menge Menge ~ f , Subcut. Immunitäts- 


Nr. 

g 

d. Serums 

d. Toxins 

forschung am 10. 1. 

1009 

250 

0,1 

0,80 

Gross. Inf. a.*23.11.,a. 16.11. 
Paralyse, am 17. 12. tot. 

— 

1529 

250 

0,1 

0,79 

Gross. Inf., hart, erholtsich, 
am 16. 12. Paralyse. 

0,04 ccm Diphtherie¬ 
toxin, bleibtgesund. 

1421 

250 

0,1 

0,78 

Kleines Infiltrat., Paralyse, 
erholt sich. 

do. 

1023 

250 

0,1 

0,77 

Kleines Infilt.,Paralyse, am 
16.12. Paral.,a. 18.12. tot. 

— 

17G9 

250 

0,1 

0,7G 

Kleiner Strang. 

0,04 ccm Diphtherie¬ 
toxin, bleibtgesund. 

197 

250 

0,1 

0,75 

Spur, Strang. 

0,04 ccm Diphtherie¬ 
toxin, am 12. 1. tot. 

1420 

250 

0,1 

0,74 

Spur, harter. 

0,04 ccm Diphtherie¬ 
toxin, bleibtgesund. 

1451 

250 

0,1 

0,73 

Spur. 

do. 

1G61 

250 

0,1 

0,72 

Sicher glatt. 

do. 


Controllen: 0,005 ccm Toxin, tot am 15. 1.; 0,01 ccm Toxin, tot am 12. 1. 

Aus diesem Versuche kann man wohl schliessen, dass dem über¬ 
schüssigen Toxin für die Entstehung der Immunität keine Bedeutung zu¬ 
kommt, denn wie in den zahlreichen anderen Versuchen zeigt sich auch 
hier, dass die Tiere, welche noch freies Toxin erhalten haben, durchaus 
keinen höheren Procentsatz an immunen Tieren stellen als die Tiere, 
welche überschüssiges Antitoxin erhalten haben. 

Dass auch die durch die lange Dauer der gegenseitigen Einwirkung 
eintretende Verfestigung der Toxin-Antitoxinverbindung keinen schädigenden 
Einfluss nimmt auf die Entstehung der Immunität, beweist der 

Versuch vom 17. 12. 

Von der am 8. II. hergestellten, also 39 Tage im Eisschrank stehenden Toxin- 
Antitoxinmischung, erhalten 4 Meerschweinchen je 2 bzw. 3 ccm; die Mischung hatte 
die Zusammensetzung: 50 ccm Toxin + 0,48 ccm Serum. 

Subcutane Prüfung mit der 10 fach tödlichen Dosis am 29. 1. 

Meerschweinchen Nr. 23 erhält 2 ccm der Mischung 
1599 9 

n n ~ „ 

9 

11 11 9 i0 ii ° r w 11 ii ii 

ii ii 14S6 „ o „ „ „ 

Sämtliche 4 Tiere bleiben gesund. 

20 * 


glatt. 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



298 


E. Löwenstein, 


Digitized by 


Dieser Versuchsausfall berechtigt wohl zur Annahme, dass die Ver¬ 
bindung Antitoxin-Toxin in jedem Falle, auch bei langer Dauer, der 
gegenseitigen Einwirkung im Organismus langsam zerlegt wird. 

Diese Beobachtung ist deshalb von Wichtigkeit, weil daraus hervor¬ 
geht, dass eine solche für wirksam befundene Mischung ohne Einbusse 
seiner Wirksamkeit lange im Eiskasten lagern darf. 

Es hängt also die Immunität durchaus nicht von der Menge des 
Überschüssigen Toxins und auch nicht von der Dauer der gegenseitigen 
Einwirkung ab, sondern es scheinen hier eine ganze Reihe von Faktoren 
eine Rolle zu spielen. In erster Linie darf die Individualität des Organismus 
nicht unterschätzt werden. 

In unserer zweiten Arbeit über die Immunisierung von Meerschweinchen 
mit entgiftetem Tetanustoxin konnten v. Eisler und ich ebenfalls zeigen, 
dass bei einer Serie von vollkommen gleichbehandelten Tieren doch eines 
oder das andere sich vorfindet, das trotz gleicher Vorbehandlung kein 
Tetanusantitoxin gebildet hatte. Mit dieser Schwierigkeit wird man bei 
solchen Versuchen immer rechnen müssen. 

Es war also die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung, die Be¬ 
dingungen herauszufinden, unter welchen man beim Meerschweinchen 
durch eine einzige Injection Immunität erzwingen kann. 

Bedeutung der Toxinmengen. 

Es lag nahe, daran zu denken, dass eine grosse Menge von Antigen, 
d. h. Diphtherietoxin, eine grosse Bedeutung hätte für die Erzielung einer 
hohen Immunität, da wir ja wissen, dass die Menge der gebildeten Anti¬ 
körper in gewisser Abhängigkeit steht von der Menge des einverleibten 
Antigens. 

Protokoll vom 2. 9. 


Nr. 7C2 erhält 4ccm Toxin + 0,04 des 200fachen Serums, 5. 9. grosses Inf., G. 9. tot. 


n 

1539 

77 

4 

n 

77 

+0,08 

n 

200 

77 

77 

Glatt." 

77 

1290 

77 

4 

77 

?! 

+0,2 

77 

200 

77 

77 

77 

77 

1691 

77 

4 

77 

77 

+0,4 

77 

200 

71 

77 

77 

77 

1269 

77 

8 

77 

77 

+ 0,08 

77 

200 

V 

77 

5. 9. breites Inf., 11.9. tot. 

77 

52*2 

77 

8 

77 

77 

+ 0,4 

77 

200 

77 

77 

Glatt. 


Am IG. 9. wurde die intracutane Prüfung mit 3 Verdünnungen vorgenommen: 



1:100 

1:500 

1:1000 

s'r. 1539 

+ 

+ 

*; 

, 1290 

+ 

+ 


» 1691 

+++ 

++ 

+ 

n *22 

++ 

+ 

+ 


Die Tiere, welche die gleiche Menge Serum am selben Tage erhalten haben, zeigen 


1. 

+++ 

++ 

++ 

II. 

+++ 

++ 

+ 

III. 

+++ 

++ 

+ 


Am 19. 9. wurde derselbe Versuch wiederholt: 

Meerschweinchen Nr. 120 erhält 4 ccm Toxin + 0,04 Serum. Tot am 15. 10. 

4G1 4 4-0 44 IG 9 

n n ^ n ^ n n ' 77 rt n 1 * 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



lieber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


299 


Meerschweinchen Nr. 597 erhält 4 ccm Toxin + 0,048 Serum. 

1001 „ 4 „ „ +0,052 

1073 „ 4 „ „ +0,052 

707 „ 4 „ „ +0,06 

1509 „ 4 „ „ +0,06 

1422 „ 4 „ „ +0,07 


Glatt. 


Am 1. 10. wurden 4 Tiere dieser Serie intracutan geprüft und zwar: 

1:100 1:500 

Meerschweinchen Nr. 120 +4- ++ 

„ * 461 ++ ++ 

n „ 1001 ++ + 

* * 1509 ++ + 


Die Tiere, welche die gleiche Menge Serum am selben Tage erhalten hatten, 
wurden ebenfalls geprüft und ergaben: 


Meerschweinchen Nr. 993 erhält 0,04 ccm Serum 

++ 

+ 

* » 1613 „ 0,05 „ „ 

++ 

+ 

” 77 1844 77 9,06 „ „ 

+++ 

+ 

77 77 1235 „ 0,08 „ „ 

+++ 

++ 

Am 15. 10. wurden sämtliche Tiere dieser Serie g 

egenüber der Dosis 

von 1 

intracutan geprüft und ergaben: 

Meerschweinchen Nr. 597 

+ 


„ „ 1001 

+ 


» „ 1073 

0 


r „ 707 

+ 


» fl 1509 

+ 


A » 1422 

+ 


Die Serumkontrollen wurden ebenfalls geprüft: 

Meerschweinchen Nr. 993 

++ 


« » 1613 

+++ 


A n 1844 

++ 


A A 1235 

+++ 



Am 24. 11. wurden diese Tiere wieder geprüft und erwiesen sich auch bei sub- 
cutaner Injection von 100 tödlichen Dosen ausnahmslos als immun, die Serumcontrollen 
hingegen blieben sämtlich empfindlich. 

Aus diesen Versuchen scheint schon hervorzugehen, dass die Menge 
des Diphtherietoxins gar keine so grosse Rolle spielt, wie man auf Grund 
unserer bisherigen Erfahrungen annehmen könnte. 

Um nun die Bedeutung der Toxinmenge und die Bedeutung des über¬ 
schüssigen, nicht vollständigneutralisierten Toxins festzustellen, wurde folgen¬ 
der Versuch gemacht: 

Protokoll vom 29. 10. 

15 ccm Serum + 0,13 200facbes Serum, seit 7. 10. im Eisschrank. 

Meerschw. Nr. 325 erhält 2,0 ccm. Kleines hartes Infiltrat, Nekrose, erholt sich. 


1392 

453 

1595 

606 

1189 


2,0 

0,5 

0,5 

0,2 

0,2 


71 

Glatt. 

77 

77 

77 


Bei dieser Mischung muss also doch eine gewisse Menge von Toxin 
überschüssig gewesen sein, da 2 ccm ein Infiltrat erzeugt haben. Hier 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



300 


E. Löwenstein 


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handelte es sich also um einen Versuch mit unterneutralisiertem Toxin. 
Der Parallelversuch war ganz genau so angestellt, nur war das Toxin 
überneutralisiert. 

15 ccm Toxin + 0,14 ccm des 200fachen Serums, seit dem 7.10. im Eisschrank. 

Meerschweinchen Nr. 1932 erhält 2,0 ccm. Glatt. 

„ „ 331 „ 2,0 „ „ 

n n n 9,5 „ ^ 

r> n 7 ) 9,5 „ „ 

n n ^90 „ 0,2 „ „ 

„ „ 820 „ 0,2 „ „ 

Am 24. 11., also nach 26 Tagen, wurde die erste Prüfung vor¬ 
genommen. Sämtliche Tiere haben, wenn auch schwach, reagiert, und 
zwar in vollkommen gleicher Weise, so dass auch nicht der geringste 
Fingerzeig vorhanden war, wo die Fehlerquelle bei diesen Experimenten 
zu suchen ist. 

Am 1. 12. werden dieselben Tiere wieder geprüft und es ergibt 
sich, dass die Tiere 325, 1392, 1595, 453 und 1189 immun sind, das 
Tier 606 hingegen nicht. Diese Tiere stammen sämtlich aus der Serie, 
welche mit dem unterneutralisierten Gemenge vorbehandelt worden waren, 
von dem 2 ccm eben noch ein hartes Infiltrat verursacht haben. Das 
Tier 606 hat nur 2 / 10 ccm dieses Gemisches erhalten und war selbst bei 
der zweiten Prüfung nicht immun. 

Am 9. 12. wurden die Tiere nochmals geprüft und es zeigte sich, 
dass sämtliche Tiere nun gegenüber der intracutanen Injection 1:100 
immun waren. 

Wie verhalten sich nun die Tiere, welche am selben Tage mit einer 
überneutralisierten Mischung injiciert worden waren? 

Während am 24. 11. noch sämtliche Tiere sich empfindlich erwiesen 
haben, zeigte sich bei der Prüfung am 1. 12., dass die Tiere 820 und 
1932 immun waren, während die Tiere 331, 244, 860 und 519 empfind¬ 
lich geblieben waren. Am 9. 12. wurde dieselbe Prüfung wiederholt und 
es ergab sich, dass die Tiere 244, 820, 1932, 519 und 331 immun 
geworden, resp. geblieben waren, und dass nur das Tier 860 empfind¬ 
lich blieb. 

Was lehrt uns nun dieser Versuch? 

1. Die Immunität wurde erst 31 Tage nach der Injection desunter- 
neutralisierten Gemisches nachweisbar. 

2. Die Tiere, welche mit dem überneutralisierten Gemisch vor¬ 
behandelt waren, zeigten nach 31 Tagen nur in einem Drittel der Fälle 
Immunität gegenüber den Tieren, welche mit nicht vollkommen neutrali¬ 
sierten Gemischen vorbehandelt worden waren. Nach 40 Tagen hat sich 
das Verhältnis in dem Sinne geändert, dass alle Tiere bis auf eines, das 
die geringste Dosis des überneutralisierten Gemisches erhalten hatte, 
immun waren. Dabei zeigte sich in diesem Versuch noch keine wesent¬ 
liche Abhängigkeit des Eintrittes der Immunität von der Grösse der 
erhaltenen Toxindosis. Wenigstens haben sich eventuelle Unterschiede 
nach 40 Tagen lncubationszeit vollkommen verwischt; denn daraus, dass 
das Tier 860 keine Immunität bcsass, lassen sich noch keine bindenden 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


301 


Schlüsso ziehen. Am 13. 1. wurden sämtliche Tiere mit 40 fach tödlicher 
Dosis subcutan geprüft; es ist kein einziges gestorben. 

Am 4. 11. wurde derselbe Versuch wiederholt, und zwar infolgendcr 
Anordnung: 

150 ccm Diphtherietoxin werden mit 1,7 ccm des 200fachen Serums gemischt 
und nach 24stündigem Stehen injiciert. Und zwar erhält das Meerschweinchen: 

Nr. 1813 5,0 ccm. Kleines Infiltrat. 

n 8,0 nun 

„ 532 5,0 „ „ „ 

„ 796 1,0 „ Glatt. 

n n n 

n 1784 1,0 „ 

„ 526 0,6 „ 

n 295 0,6 „ „ 

„ 1987 0,6 „ 

„ 927 0,2 „ „ 

» 1291 0,2 „ 

n 1835 0,2 „ „ 

Da aus dem vorherigen Versuch hervorgegangen war, dass bei un¬ 
gefähr 60 pCt. der Tiere nach 30 Tagen keine Immunität vorhanden war, 
so wurde in diesem Versuch die Prüfung erst nach 36 Tagen vorgenommen. 

Die Intracutanprüfung am 9.12. ergab nun das folgende Resultat: 
Immun erwiesen sich die Meerschweinchen 1813, 908, 532 und 295. 
Sämtliche anderen Tiere zeigten eine schwache aber deutliche Reaktion. 
Von den vier Tieren, welche sich immun erwiesen, haben drei Tiere 
5 ccm dieser Toxinmischung erhalten. Das Tier 295 hat nur 0,6 ccm 
dieser Mischung erhalten. Aus diesem Versuche scheint hervorzugehen, 
dass der Eintritt der Immunität doch in gewissem Grade von der Menge 
des injicierten Toxins abhängig ist. Am 13. 1. wurden die Tiere durch 
subcutane Injection der 40- bzw. 80 fach tödlichen Dosis geprüft; es 
starben die Tiere 526 und 1784. Es haben also die oben angeführten 
Versuche dafür gesprochen, dass der Toxinmenge innerhalb gewisser 
Grenzen doch keine so grosse Bedeutung zukommen könne. Immerhin 
muss aber zugegeben werden, dass dieser Versuch dafür spricht, dass 
ceteris paribus doch bei Einverleibung einer grösseren Toxinmenge die 
Immunität etwas früher, aber nicht unter 35 Tagen, auftritt. Sämtliche 
Versuche schienen mir eher darauf hinzudeuten, dass das zeitliche Moment 
die Hauptrolle spielt. Für diese Ansicht spricht auch der Versuchs¬ 
ausfall vom 9. 12. Die in diesem Versuche verwendeten Tiere sind in 
der in der Tabelle angegebenen Weise subcutan vorbehandelt. Die ver¬ 
wendete Toxindosis betrug stets 0,31 ccm Testtoxin. 



Datum 

Serum ver- 

Meerschw. 


Intracutan- 

Pferdenamen 

d.Prüfun 

g dünnung 

Nummer 


Befund 

prüf. 1:100 

Oktant 

25. 10. 

0,004 

86 

29. 10. 

0 . 

0 

Pallasch 

25. 10. 

0,0033 

87 

29. 10. 

0 . 

0 

Rebus 

25. 10. 

0,0025 

88 

29. 10. 

0 . 

0 

Renette 

25.10. 

0,00285 

90 

28. 10. Spur Inf., 

29.10.0. 0 

Rival 

25.10. 

0,005 

91 

29. 10. 

0 . 

0 

Tölpel 

25. 10. 

0,0033 

92 

29. 10. 

0 . 

0 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



302 


E. Löwenstein 


Digitized by 


T1 . , Datum Serumver- 

rferdenamen , „ 

d. Prüfung dunnung 

Meerschw. 

Nummer 

Refund 

lntracutan- 
priif. 1:100 

Oktant 

29. 10. 

0,003 

94 

30. 10. Strang., 2. 11. 0. 

0 

Rebus 

29. 10. 

0,002 

96 

2. 11. 0. 

0 

Rival 

29. 10. 

0,0033 

97 

2.11. 0. 

0 

Tölpel 

29. 10. 

0,002 

98 

30. 10. Strang., 2. 11. 0. 

+ 

Nr. 366 

30. 10. 

0,0025 

1 

31.10. „ tot 21. 11. 


* 370 

30. 10. 

0,00355 

3 

1.11. „ 3.11.0. 

0 

* 372 

30. 10. 

0'004 

5 

1.11. „ 4. 11. tot. 


* 374 

30. 10. 

0,004 

7 

3.11. 0. 

0 

» 380 

30. 10. 

0,00385 

9 

3. 11. 0. 

0 

Lambert, Oktant 

4. 11. 

0,003 

11 

8.11. 0. 

0 

Olive, Pallasch 

4. 11. 

0,0033 

12 

8.11. 0. 

+ 

Reklame. Rektor 

4. 11. 

0,00285 

15 

7. 12. Strang., 8. 11. 0. 

+ 

Sacramoso, Tölpel 

4. 11. 

0,0025 

16 

8.11. 0. 

0 

Rohne 

4. 11. 

0,0018 

20 

8. 11. kleines Infiltrat 

0 

Salome 

4. 11. 

0,0018 

21 

7. 11. Strang., 8. 11. 0. 

0 

Sara 

4. 11. 

0,0022 

22 

8. 11. hartes Infiltrat. 

0 


Aus diesen Versuchen geht hervor, dass von 20 Tieren 17 immun 
geworden und nur 3 empfindlich geblieben sind. Von diesen 3 Tieren, 
die eine deutliche Reaktion geboten haben, stammen 2 von denen, bei 
welchen erst 35 Tage seit der ersten Injection verflossen waren, und nur 
ein Tier, bei dem die Injection 45 Tage zurücklag, erwies sich noch 
empfindlich. Dieser Versuch beweist, dass eine einmalige Injection 
eines glattneutralisierten Gemisches genügt, um eine hohe Im¬ 
munität zu erzielen. Höchst merkwürdigerweise erreicht diese Im¬ 
munität nicht etwa schon gegen den 16. Tag ihren Höhepunkt, wie wir 
es bei anderen Antigenen zu beobachten gewohnt sind, sondern erst nach 
dem 45. bis 50. Tage. Dabei scheint die Grösse der einverleibten Toxin¬ 
menge in der Tat nur eine geringe Rolle zu spielen, die sich auf eine 
Beschleunigung des Eintrittes der Immunität beschränkt. Auch hier 
zeigt sich, dass es für die Erzielung einer Immunität ohne Belang ist, 
ob die Tiere Krankheitserscheinungen gezeigt haben oder nicht. Es ist 
eben nicht der geringe eventuelle Ueberschuss von Toxin (Toxon), welcher 
die Immunität auslöst; denn dieser geringe Ueberschuss von frei¬ 
gebliebenem Diphtherietoxin wäre durchaus nicht imstande, eine so hohe 
Immunität herbeizuführen. Der Toxinüberschuss beträgt ja bei diesen 
Versuchen, insbesondere aber bei den Versuchen, bei welchen die Meer¬ 
schweinchen keinerlei Krankheitssymptorae gezeigt haben, höchstens Yio 
der tödlichen Dosis. Meine Versuche an mit belichtetem Toxin vor¬ 
behandelten Tieren haben gezeigt, dass selbst nach 6 monatlicher, wieder¬ 
holter Injection mit Bruchteilen der tödlichen Dosis keine Immunität 
beim Meerschweinchen zu erzielen ist. Es kann also der geringe allfällige 
Ueberschuss von freiem Toxin nicht für die entstandene Immunität ver¬ 
antwortlich gemacht werden. 

Am 13. 1. wurden auch diese Tiere mit der 40 fachen Dosis subcutan 
geprüft; cs starben die Tiere Nr. 90, 15 und 12. Es hat also durch die 
Intracutaninjection — bis auf das Tier Nr. 90 — schon das richtige Ver¬ 
suchsergebnis Vorgelegen. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


303 


Wirkung der Getrenntinjection. 

Um eine Vorstellung darüber gewinnen zu können, wie gross die 
Antigenmenge beim Toxin sein muss, die genügt, um nach der Resorption 
eine Immunität zu erzielen, bin ich von folgendem Versuch ausgegangen: 
Es wurde Meerschweinchen Diphtherietoxin injiciert und nach 40 bis 
60 Minuten das Antitoxin nachgeschickt, so dass die Tiere sicherlich 
eine gewisse Menge von Diphtherietoxin resorbiert haben, wenn auch 
nicht das ganze einverleibte Diphtherietoxin. Wir können aber bei der 
raschen Bindung des Diphtherietoxins im Organismus annehmen, dass doch 
der grösste Teil des injicierten Diphtherietoxins wirklich im Organismus 
gebunden wurde. Die zu diesem Versuche benützten Meerschweinchen 
verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Becher. 

Am 14. 5. 1913 erhielten diese Meerschweinchen die 2-, 4- bzw. 8fache Dosis 
letalis von Diphtherietoxin. Farland vom 8. 6. 0,09, Titre 0,0125, in das Herz inji¬ 
ciert. Nach 20 bzw. 45 Minuten wurden 20, 40 und 80 Immunitätseinheitefl eines 
800fachen Serums intracardial nachinjiciert. 

Meerschweinchen Nr. 788 (245 g Gew.) und 731 (250 g) erhalten 0,0025 Toxin 

(2 fach). Nach 45 Minuten 20 Immunitätseinheiten. Glatt. 

Meerschweinchen Nr. 720 (265 g) und 775 (270 g) erhalten 0,05 Toxin (4fach). 

Nach 45 Minuten 40 Immunitätseinheiten. Glatt. 

Meerschweinchen Nr. 711 (240 g) und 793 (245 g) und 753 (250 g) erhalten 

0,1 Toxin (8fach). 80 Immunitätseinheiten nach 20 Minuten. Glatt. 

Nach 80 Tagen (5. 8.) wurden diese Meerschweinchen subcutan auf ihre Wider¬ 
standsfähigkeit gegenüber Diphtherietoxin geprüft. Die Tiere, die die 2fache letale 
Dosis erhalten hatten: 

Meerschweinchen Nr. 788 erhält 0,02 ccm Toxin. Tot am 8. 8. 

71 71 71 ^6 „ „ ?1 71 8 . 8 . 

Die Tiere, die die 4fache letale Dosis erhalten hatten: 

Meerschweinchen Nr. 720 erhält 0,02 ccm Toxin. Tot am 11. 8. 

71 71 71 0,06 „ „ 71 71 0 . 8 . 

Die Tiere, die die 8fache letale Dosis erhalten hatten: 

Meerschweinchen Nr. 711 erhält 0,02 ccm Toxin. Tot am 7. 8. 

Ti Ti *03 j, 0,06 A „ fl n 7. 8. 

71 71 *33 77 0,1 fl „ A fl *• 8 . 

Controlltiere: 

Meerschweinchen Nr. 512 erhält 0,008ccm Toxin. Tot am 12. 8. 

ii 7i 821 A 0,009 A A A A 9. 8. 

A „ 204 „ 0,01 „A „ „ 8.8. 

Aus diesem Versuche geht hervor, dass selbst die Tiere, welche die 
8 fache letale Dosis erhalten haben, keine Spur einer Immunität besitzen. 

Eine andere Serie von Meerschweinchen habe ich zur intracutanen 
Auswertung benützt, da doch nicht ausgeschlossen war. dass der Impuls 
zur Antitoxinbildung nicht ausreichend war. Es wurden die Meer¬ 
schweinchen, welche intracardial die 4 fache tödliche Dosis Diphtherie¬ 
toxin 0,05, und nach den angegebenen Intervallen 4 Immunitätseinheiten 
erhalten hatten, am 11. 8. intracutan geprüft. 


Difitized 


by Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



304 


E. Löwen stein 


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Meerschweinchen Nr. 742 

erhält 

das 

Serum nach 

20 Minuten. 

Tot am 

77 

» 1404 

77 

77 

77 77 

30 „ 


n 

„ 726 

77 

77 

77 77 

40 „ 


n 

n 312 

77 

77 

77 77 

40 „ 


77 

, 571 

77 

77 

77 77 

40 „ 


V 

* 901 

77 

77 

77 77 

40 „ 



Protokoll vom 

11. 8 . Intraoutanprüfung. 






1 : 100 

1 :500 

1 : 1000 

Meerschweinchen ! 

Nr. 742 


+++ 

+ 

+ 


77 

* 1404 


+++ 

++ 

+ 


r) 

„ 726 


+++ 

++ 

+ 


n 

* 312 


+++ 

+ 

+ 


n 

« 571 


+++ 

+ 

0 


TI 

« 901 


+++ 

+ 

0 

Controlle: 

77 

_ 1706 


+++ 

+ 

+ 

• 

n 

« 1512 


+++ 

+ 

+ 


Am 25. 8. und am 20. 10. wurde dieser Versuch mit dem¬ 
selben Erfolg wiederholt. Es ergab sich also, trotzdem diese Meer¬ 
schweinchen die 4 fache tödliche Dosis resorbiert hatten, dass nicht 
die Spur einer Immunität, ja nicht einmal eine Sensibilisation zurück¬ 
geblieben war. 

Auch Kretz hat auf den Rat Ehrlichs bei Pferden einen Versuch 
angestellt, um entscheiden zu können, ob ein übercompensiertes Toxin 
ebenso geeignet ist zur Antitoxinerzeugung, wie ein Toxin, das durch die 
präventive Injection derselben Serummenge ungiftig gemacht wurde: 
„Es wurden mit einem Toxin XV und einem Serum 150 4 Pferde mit 
übercompensierten Giftmengen immunisiert. Das Pferd Draga erhielt ein 
durch ca. 18 Stunden bei Zimmertemperatur abgelagertes Gemenge 
intravenös, Donar das gleiche Gemenge subcutan in entsprechenden 
Mengen und Intervallen einverleibt. Die Pferde Deraagog und Dandy 
erhielten dieselben Quanten Serum präventiv subcutan und die ent¬ 
sprechenden Toxindosen 12—15 Stunden später, und zwar Demagog 
intravenös und Dandy subcutan injiciert.“ „Nach vollendeter Probe¬ 
immunisierung ergab die Bestimmung des Serumwertes: Draga unter 
2fach, Donar 3fach, Demagog 20fach und Dandy 500 fach.“ 

Auf Grund dieses Versuches nahm Kretz seinen Einwand gegen 
die Ehrlichsche Erklärung der chemischen Neutralisation beider Com- 
ponenten zurück. 

Meine Versuche sprechen ebenfalls dafür, dass eine Bindung 
zwischen Toxin und Antitoxin stattfinden muss, die erst sehr 
langsam im Organismus gespalten wird. 

Combinierte Impfung. 

Verfolgt man das Verhalten der Tiere, welche zuerst eine Toxin¬ 
antitoxinmischung erhalten und später eine intracutane Prüfung durch¬ 
gemacht haben, so zeigt sich, dass die grösste Anzahl der so vor¬ 
behandelten Tiere eine hohe Immunität besass. Folgende Protokolle 
mögen dieses Verhalten veranschaulichen: 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


305 


Protokoll vom 5. 9. 


Meerschweinchen Nr. 

61 erhält am 12. 

7. 

0,0015 Serum + 0,3 Testtoxin. Glatt. 

7) 


71 

62 „ 

* 15. 

7. 

0,0018 

71 

+ , 

1 71 

n 


71 

63 , 

* 12- 

7. 

0,0014 

71 

+ 0,3 , 

1 71 

n 


71 

64 „ 

» 15- 

7. 

0,00285 

71 

+ 0,3 , 

1 77 

71 


71 

67 „ 

» 15- 

7. 

0,0028 

11 

+ 0.3 „ „ 

71 


71 

68 „ 

„ 15. 

7. 

0,0025 

71 

+ 0,3 

n Strang. 

n 


71 

74 „ 

* 15- 

7. 

0,0033 

71 

+ 0,3 , 

n Glatt. 

r> 


71 

81 „ 

„ 15- 

7. 

0,004 

71 

+ 0,3 , 

Strang. 

77 


71 

82 „ 

„ 15. 

7. 

0,00285 

71 

+ 0,3 , 

. Glatt. 

7) 


71 

80 „ 

„ 21. 

7. 

0,005 

71 

+ °» 3 n n 





Intracutane 

Prüfung. 










1 : 100 


1 : 500 

1 : 1000 

Meerschweinchen 

Nr. 61 

5.9. 

| 16. 9. 


+ 

0 


0 

0 

0 

0 




/»4> 

[ 5.9. 


+++ 


+ + + 

+++ 


71 


71 

| 16.9. 


+++ 


+++ 

+++ 





5.9. 


+ 


? 

0 


71 


71 W 

16.9. 


0 


0 

0 





5.9. 


+ 


V 

0 


71 


n b4 

| 16. 9. 


0 


0 

0 




ar 

[ 5. 9. 


+ 


+ 

0 


71 


» u ' \ 16.9. 


0 


0 

0 




/*U 

5.9. 


0 


0 

0 


71 


71 

16.9. 


0 


0 

0 




KO i 

[ 5.9. 


++ 


+ 

0 


71 


71 

16. 9. 


0 


0 

0 




C, 1 5.9. 


+++ 


++ 

+ 


71 


71 

16. 9. 


0 


0 

0 





5.9. 


0 


0 

0 


71 



16. 9. 


0 


0 

0 

Auch 

die 

rp. 

liere 

vom 

29. 7. zeigen dasselbe 

Verhalten: 


Meerschweinchen Nr 

. 577 

25. 8. 

16. 9. 


0 

0 

0 


0 

0 

0 

0 




1 Q9Q 

25. S. 



0 

0 



7) 


16. 9. 


0 


0 

0 




1440 , 

25. 8. 


++ 


+ 

+ 

71 


TI 

144- | 

16. 9. 


0 


0 

0 




408 i 

25. 8. 


+++ 


++ 

+ 

;> 


71 

16. 9. 


0 


0 

0 





25. 8. 


+++ 


++ 

0 

71 


71 


16. 9. 


0 


0 

0 




,mo ( 25. 8. 


++ 


0 

0 

71 


71 

1 | 

16. 9. 


0 


0 

0 

Dass 

es 

sich 

hier wirklich 

bei 

diesen 

Tieren um eine hohe Im- 


munität gehandelt hat, die auch gegenüber der subcutanen lnjection 
standhielt, geht aus dem Versuche vom 2. 10. hervor. 


Meerschweinchen Nr. 62 erhält 0,02 ccm Toxin subcutan. Tot am 7. 10. 
n n 508 „ 0,04 „ n .. Glatt. 

ti n ^ n ^,06 n n n rt 


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Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




306 


E. Löwenstein, 


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Meerschweinchen 

Nr 

. 67 

erhält 

0,1 

ccm 

Toxin subcutan. 

Kleines Infiltrat. 

n 

V 

68 

71 

0,1 

71 

71 

71 

Glatt. 

y) 

j] 

74 

fl 

0,1 

fl 

fl 

fl 

fl 

n 

TI 

73 

V 

0,2 

71 

71 

71 

71 

r> 

n 

634 

71 

0,3 

71 

71 

71 

71 

n 

n 

80 

71 

0,3 

71 

71 

71 

71 

n 

71 

81 

71 

0,4 

71 

71 

71 

71 

n 

71 

408 

71 

0,5 

71 

71 

71 

Strang. 

ri 

r> 

1442 

71 

0,5 

71 

71 

71 

Kleines Infiltrat. 

n 

71 

82 

71 

1,0 

71 

reines 

Toxin. 

Kleiner Strang. 


Controlltiere: 

Meerschweinchen Nr. 712 erhalt 0,005 ccm. Tot am 6. 10. 

* „ M6 „ 0,007 „ „ „ 6. 10. 

n » 1004 ti 0,01 „ „ „ 5. 10. 

Die Meerschweinchen, welche als erste Injection eine Mischung von 
Toxin und Antitoxin und als zweite Injection eine minimale Dosis von 
reinem Diphtherietoxin erhalten haben, haben also eine hohe Immunität 
erworben, welche der 200fachen tödlichen Dosis standhielt. Bei diesen 
Tieren wurde die intracutane Injection erst einige Wochen später vorge¬ 
nommen; da es sich aber darum handelte, möglichst durch eine Injection 
binnen kurzer Zeit eine hohe aktive Immunität zu erzielen, so wurde 
in einer Reihe von Versuchen die Mischung von Toxin und Antitoxin 
subcutan und Diphtherietoxin in den entsprechenden Verdünnungen intra- 
cutan gleichzeitig injiciert. 

Protokoll vom 2. 10. 

1. 2,4 ccm Toxin -f 0,12 ccm Serum. Davon erhält: 

Meerschweinchen Nr. 1232 0,8 ccm. Tot am 4. 10. 

* „ 1951 0,8 „ „ * 4. 10. 

„ „ 1459 0,8 + 0,1 ccm der Verdünnung 1:100 intracutan. Keine 

Reaktion. Tot am 4. 10. 

2. 2,4 ccm Toxin + 0,15 ccm Serum. Davon erhält: 

Meerschweinchen Nr. 1205 0,8 ccm. Tot am 4. 10. 

„ n *78 0,8 „ „ „ 4. 10. 

„ „ 1535 0,8 + 0,1 ccm intracutan. Hautstelle negativ. Totam4.10. 

3. 2,4 ccm Toxin + 0,018 ccm Serum. Davon erhält: 

Meerschweinchen Nr. 1910 0,8 ccm. Tot am 4. 10. 

» » 538 0,8 „ „ „ 5. 10. 

„ r 1184 0,8 + 0,1 ccm intracutan. Hautstelle negativ. Totam4.10. 

4. 2,4 ccm Toxin + 0,021 ccm Serum. Davon erhält: 

Meerschweinchen Nr. 1804 0,8 ccm. Kleines Infiltrat. Hielt aus. 

„ „ 435 0,8 v „ n 7 ) Tot erst am 4. 11. 

n „ 494 0,8 + 0,1 ccm intracutan. Tot am 4. 10. 

5. 2,4 ccm Toxin + 0,03 ccm Serum. Davon erhält: 

Meerschweinchen Nr. 38 0,8 ccm. Glatt. 

* „ 1867 0,8 r „ 

j, v 1148 0,8 + 0, l ccm intracutan. Hautstelle positiv. Totam4.10. 


Goi igle 


Original fro-m 

UNIVERS1TY OF MICHIGAN 



Ueber Immunisierung mit atoxiscben Toxinen usw. 


307 


6. 2,4 ccm Toxin + 0,06 ccm Serum. Davon erhält: 

Meerschweinchen Nr. 912 0,8 ccm. Glatt. 

„ n 1146 0,8 „ „ 

„ „ 1785 0,8 + 0,1 ccm intracutan. Hautstelle negativ. Glatt. 

7. 2,4 ccm Toxin + 0,3 ocm Serum. Davon erhält: 

Meerschweinchen Nr. 933 0,8 ccm. Glatt. 

n 77 0,8 „ n 

„ „ 1231 0,8 + 0,1 com intracutan. Hautstelle negativ. Glatt. 


Diese Tiere wurden am 15. 10. intracutan mit der Verdünnung 1: 100 ge¬ 
prüft. Sämtliche Tiere haben mit geringen Quantitätsunterschieden positiv reagiert. 
Am 27. 10. wurden sie abermals intracutan mit der Verdünnung 1* 100 geprüft und es 
erwies sich: 

Meerschweinchen Nr. 1804 stirbt am 28. 10. 

„ „ 435 bekommt eine Paralyse, reagiert aber negativ, stirbt am4.11. 

„ „ 1867 bleibt immun. 

n n v n 

Empfindlich sind geblieben die Tiere Nr. 912, 1146 und 1231. 


Es hat sich also hier gezeigt, dass die gleichzeitige Subcutan- 
und Intracutaninjection nicht imstande ist, eine Immunität mit einem 
Schlage zu erzielen. Hingegen war auffallend, dass die Tiere sich ge¬ 
genüber der Intracutaninjection so ausserordentlich empfindlich erwiesen 
haben. Denn die Tiere Nr. 494 und 1148, von denen beide ßegleittiere 
überlebt haben, sind auf die minimale Dosis von 1 mg Diphtherietoxin 
am 4. 10. nach 2 Tagen eingegangen. Es scheint also die gleich¬ 
zeitige Injection von Bruchteilen der einfach tödlichen Dosis von 
Diphtherietoxin an verschiedenen Körperstellen die Wirkung des Toxins 
ausserordentlich zu verstärken. 

Da bei diesen Tieren durch das Bestreben, mit unterneutralisierten 
Dosen zu arbeiten, und durch die intracutane Injection eine so hohe 
Sterblichkeit der Versuchstiere eingetreten ist, so wurde in dem Versuche 
vom 6. 10. das Prinzip festgehalten, die subcutane Injection mit einem 
überneutralisierten Gemisch und die intracutane Injection mit 
schwächeren Diphtherietoxin-Verdünnungen von 1:100 und 1:500 vor¬ 
zunehmen. Die Tiere mussten diesen Eingriff glatt überstehen und 
gleichzeitig darüber Aufschluss geben, ob wirklich durch die gleichzeitige 
Intracutaninjection von Diphtheriegift eine Verstärkung der Giftwirkung 
herbeigeführt wird. 


Protokoll vom 6. 10. 


1. 2,4 ccm Toxin + 0,21 ccm Serum. Jedes Tier bekommt 0,6 ccm von der 
Mischung. 

Nr. 494 glatt. I Diese beiden Tiere erhalten zur Controlle der Wirkung der Intra- 
„ 1535 „ / cutaninjection nur die subcutane Injection. 


7 ! 

71 


729 

1205 


7 ) 

n 


Intracutanreaktion positiv. 

71 7 ) 


Die beiden Tiere erhalten die subcutane 
Injection des Diphtherie-Antitoxin¬ 
gemisches und intracutan 1 : 100. 


1910 „ Reaktion positiv. I Subcutan Diphtherie-Antitoxingemisch + 1:500 

78 „ „ Ti ( intracutan. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



308 


E. Löwenstein 


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Nr. 


2 . 

322 

1749 

167 

756 

1993 

1504 


2,4 ccm Toxin + 0,024 ccm Serum, 
glatt. Die Tiere erhalten die Subcutaninjection allein. 
n n n n ri 
„ Intracutanreaktion positiv 


7 7 

Subcutaninjection des Diphtherie-Anti¬ 
toxingemisches und Intracutaninjection 
von 1:100. 

Subcutan Diphtherie-Antitoxingem.+ 1:500 Intracutanreaction negat. 

n n 1' 500 „ v 


>sitiv. 1 

” J 


3. 

Nr. 1G63 
„ 1148 
* 908 

„ 771 

„ 1184 
n 5M 


2,4 ccm Toxin + 0,027 ccm Serum, 
glatt. Subcutaninjection allein. 


Subcutan Diphtherie-Antitoxingem.+ 1:100 Intracutanreaction negat. 

n n „+1:100 „ „ 

n n n +l:ä00 „ „ 

n n « + 1 : jOO _ _ 


Nr. 

7 

7 

7 

7 

7 

7 


4. 2,4 ccm Toxin + 0,03 ccm Serum. 
1951 glatt. Subcutaninjection allein. 


220 

1956 

1354 

1449 

878 

1826 


Subcutan Diphtherie-Antitoxingem. +1:100 Intracutanreaction negat. 

+ 1:100 
+ 1:500 
+ 1:500 
+ 1:500 


Nach 9 Tagen, am 15. 10. wurden 12 Tiere intracutan mit der 
Verdünnung 1 : 100 geprüft, um festzustellen, ob durch die Simultan- 
irapfung bereits eine Immunität eingetreten sei. Diese 12 Tiere wurden 
so ausgewählt, dass für jede Fragestellung ein Tier verwendet wurde. 
Es hat sich nun gezeigt, dass nach 9 Tagen bei keinem einzigen Tier 
eine Immunität eingetreten war. Daraus geht hervor, dass selbst bei 
starker Ueberneutralisation der passive Schutz nach 9 Tagen schon er¬ 
loschen und der aktive Schutz noch nicht wirksam ist. Nach 21 Tagen 
wurden dann sämtliche 24 Tiere intracutan geprüft und jetzt hatte 
sich das Versuchsergebnis in dem Sinne geändert, dass von den 
12 Tieren, die nach 9 Tagen schon geprüft worden waren, 4 Tiere, 
von denen, welche noch nicht geprüft worden waren, 3 Tiere sich immun 
erwiesen. Aus diesem Versuchsausfall muss man schliessen: 


1. Wird die subcutane und die intracutane Impfung gleichzeitig vor¬ 
genommen, so resultiert noch keine Immunität. 

2. Die intracutane Impfung darf auch nicht vor 9 Tagen vor¬ 
genommen werden, wenn man eine Immunität erzielen will. Denn cs 
zeigt sich, dass die nach 9 Tagen vorgenommene Intracutanprüfung auf 
das Eintreten der Immunität anscheinend ohne Einfluss gewesen ist; denn 
bei der Prüfung nach 21 Tagen haben die intracutan geprüften Tiere 
keinen höheren Procentsatz an immunen Tieren aufgewiesen, als die ein¬ 
mal subcutan injicierten Tiere. 

3. Zum Auftreten einer Immunität nach einer subcutanen Injection 
von überneutralisierten Toxingemischen kommt es erst sehr spät zur 
Entwicklung einer aktiven Immunität. 


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Ueber Immunisierung mit atoxisohen Toxinen usw. 


309 


4. Die Tiere, welche sich nach 21 Tagen immun erwiesen haben, 
waren sämtlich mit hoch überneutralisierten Gemengen injiciert worden, 
so dass der freie Toxinüberschuss wirklich nicht die Bedeutung besitzt, 
die aus den früheren Arbeiten anzunehmen ist. 

Am 19. 11. wurden nun die Tiere, welche am 27. 10., also nach 
21 Tagen, das erstemal intracutan geprüft worden waren, wieder intra- 
cutan geprüft und jetzt zeigte sich, dass von den 12 Tieren 11 immun 
waren, und ein einziges Tier (Meerschweinchen Nr. 1956) empfindlich ge¬ 
blieben war. Die am 4. 12. vorgenommene subcutane Immunitäts¬ 
prüfung ergab folgendes Resultat: 

Protokoll vom 4. 12. 

Subcutane Injeotion von concentriertem Diphtheriegift. Ais Texttoxin wurde ein 
Toxin verwendet, von dem 5 mg ein Meersohweinchen am 5. Tage töteten. 
Meerschweinchen Nr. 1956 erhält 0,05ccm reines Texttoxin subcutan. Am 5.12. kleines 

Infiltrat, 6.12. grosses Infiltrat, 7. 12. tot. 
„ „ 1205 „ 0,1 „ reines Texttoxin subcutan. 

„ „ 1993 „ 0,1 „ 

„ „ 322 „ 0,2 „ 

„ * 494 „ 0,2 „ 

n » 1749 „ 0,2 „ 

71 >1 167 » 0,2 „ 

„ „ 878 „ 0,3 „ 

„ „ 1910 „ 0,4 „ 

„ „ 1951 „ 0,5 „ 

„ „ 1663 „ 0,5 „ 

ii ,i H84 „ 0,6 „ 

Alle Tiere bis auf Nr. 1956 sind am 12. 12. gesund. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass nach 43 Tagen 11 von 
12 Tieren immun waren. Die Immunität war 43 Tage nach der sub- 
cutanen Injection von überneutralisiertem Toxin und 22 Tage nach der 
intracutanen Prüfung eingetreten. Auch hier zeigt sich, dass die gleich¬ 
zeitige Intracutanirapfung ohne jede Rückwirkung auf den Eintritt der 
Immunität geblieben ist. Dass es sich hier nicht bloss um eine Immunität 
der Haut, sondern um eine Immunität des gesamten Organismus ge¬ 
handelt, beweist der Ausfall der subcutanen Prüfung. Schon in diesem 
Versuche hat das Tier 1184 sogar die 120 fache tödliche Dosis ohne 
Krankheitserscheinung vertragen. Um aber die Höhe der erreichten 

Immunität feststellen zu können — ohne Rücksicht auf den Anti¬ 
toxingehalt — musste noch eine grosse Reihe von Tieren auf die Höhe 
der aktiven Immunität hin geprüft werden. So wurden die Tiere, welche 
am 7. 11. und 24. 11. intracutan geprüft worden waren, am 4. 12. einer 
subcutanen Prüfung unterzogen, und zwar erhielten die Tiere folgende 
Dosen Diphtherietoxin 1 ): 

Meerschweinchen Nr. 1288 0,1 ccm. 

ii ,i 1166 0,1 „ 

„ „ 614 0,2 „ Stirbt am 6. 12. 

1) Das Protokoll vom 7. 11 gibt Aufschluss über die Vorbehandlung (s. S. 2%). 


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310 


E. Löwenstein, 


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Meerschweinchen Nr. 1053 0,2 ccm. 

n 354 0,2 „ 

,i 882 0,2 „ 

„ 82G 0,3 „ 

„ 1911 0,3 „ 

„ 1394 0,4 „ 

„ 160 0,4 „ 

„ 1455 0,5 „ 

„ 920 0,6 „ 

n 031 0,6 „ 

Alle Tiere bis auf Nr. 614 überleben. 

Am 9. 12. wurde dieser Versuch wiederholt, da die Immunität der meisten Tiere 
durch Dosen von 0,6 ccm noch nicht gebrochen wurde. Die Tiere vom 6. 10 (siehe 
Protokoll), welche am 15. 10., 27. 10. und 19. 11. intracutan geprüft worden waren 
und bei der letzten Intracutanimpfung sich bis auf eines immun erwiesen haben, wurden 
auch mit grossen Dosen subcutan injiciert, und zwar erhielt das Meerschweinchen 
Nr. 771 0,3 ccm = 60 tödliche Dosen. 11. 12. kleines Infiltrat. 


„ 220 0,5 
1354 0,5 
1504 0,5 
756 0,5 
1826 0,5 
554 0,6 
1449 1,0 


= 100 „ 

Ganz kleines Infiltrat. 

n n n 

n 


11. 12. tot. 


n v 

Leichte Strang. 

= 120 tödliche Dosen. 

= 200 „ 

„ 729 1,0 „ Kleines knopfförmiges Infiltrat. 

Alle Tiere bis auf Nr. 220 überleben. 


Strang. 

Hartes Infiltrat. 


Die Tiere vom 2. 10. wurden am 15. 10., 27. 10. und 19. 11. intracutan geprüft 
und haben sich bei der letzten Prüfung, bis auf das Tier Nr. 933, immun erwiesen: 
Meerschweinchen Nr. 1231 erhält 0,1 ccm (trächtig). 


77 

71 

38 

77 

0,5 

77 

77 

77 

1867 

77 

0,5 

77 

7t 

7) 

912 

77 

0,5 

77 

71 

77 

1146 

77 

0,5 

77 

71 

V 

1785 

77 

0,5 

77 

71 

Ti 

933 

77 

0,5 

77 

71 

7) 

377 

77 

0,5 

77 


Tot am 10. 12. 


Alle Tiere bis auf Nr. 933 überleben. 


Prüfung der Tiere vom 19. 9: 

Meerschweinchen Nr. 597 erhält 0,5 ccm. I Meerschweinchen Nr. 1073 erhält 0,5 ccm. 
n n "0/ 7 ) 9,5 77 i Ti n v 0,5 v 

i> JI 1422 „ 0,5 „I „ 1509 „ 0,5 „ 

Alle Tiere überleben. 


Aus diesen Versuchen geht also hervor, dass eine einzige Injection 
von 0,3 ccm mit Antitoxin entgifteten Diphtherietoxins genügt, um eine 
Immunität im Meerschweinchen hervorzurufen. Die Menge des über¬ 
schüssigen Antitoxins ist dabei ohne wesentlichen Einfluss auf den Ein¬ 
tritt der Immunität. Der letztere erfolgt erst nach 40—50 Tagen. 


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Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


311 


lieber den Antitoxingehalt von Meerschweinchen, welche mit über- 
neutralisierten Toxinmengen snbcntan injiciert worden waren. 

Es lag nahe, bei den Tieren, welche sich immun gezeigt hatten, 
eine Antitoxinprüfung vorzunehmen. Aus der Reihe der angeführten 
Protokolle sei das vom 6. 8. herausgegriflfen. 

Das Meerschweinchen Nr. 1958 hat am 9. 6. 0,8 ccm Texttoxin + 0,0025 ccm 
Diphtherieserum erhalten (glatt); sein Serum verhält sich folgendermassen: 

Meerschw. Nr. 1150 erhält 1 ccm Serum + 0,02 ccm Toxin. Glatt. 


n 

n 1430 

n 0,5 n 

n 

+ 0,02 

77 

n 

77 

n 

, 695 

r 0,2 „ 

n 

+ 0,02 

77 

71 

Klein, lnfilt. am 15.8. tot. 

n 

„ 1643 

« 1 A 

n 

+ 0,04 

77 

r> 

Am 12.8. glatt, am 16.8. 
Paralyse, am 21.8. tot. 

n 

„ 1541 

o 

o 

Ui 

ü 

71 

+ 0,04 

7 ) 

n 

Starkes Inf., am 9.8. tot. 


Die Controllen verhalten sioh folgendermassen: 

Meerschw. Nr. 963 erhält 0,4 ccm Toxin + 1,0 ccm Kochsalz. 8. 8. tot. 

* a 411 „ 0,02 „ „ +1,0 „ „ 9.8. „ 

a a 1067 a °> 01 a a + 1,0 a a 10 * a 

Aus diesem Versuche geht hervor, dass selbst nach einer einmaligen 
Injection des überneutralisierten Toxins nach 60 Tagen noch Antitoxine 
vorhanden waren. Injiciert man solchen Tieren ein einziges Mal reines 
Toxin, so steigt natürlich der Antitoxingehalt ausserordentlich an. 
Das Meerschweinchen Nr. 1442 ist dafür ein lehrreiches Beispiel. 
Dieses Tier hat am 2. 10. 0,5 ccm reines Diphtherietoxin erhalten und 
ohne Krankheitserscheinungen vertragen. Am 22. 10. wurde sein Serum 
geprüft: 


Meerschweinchen Nr. 

1460 erhält 0,5 ccm Serum + 0,02 ccm 

Toxin. Glatt. 

r> 7) 

1908 „ 0,5 „ 

* + 0,05 „ 

Ti n 

V 11 

995 „ 0,5 „ 

„ +0,5 „ 

Strang. 

n 77 

1847 „ 0,5 „ 

n +1)0 „ 

„ Am 23. 10. tot. 


Das Meerschweinchen Nr. 408 hat am 2. 10. ebenfalls 0,5 ccm reines Diphtherie¬ 
toxin bekommen. Sein Serum verhält sich folgendermasen: 

Meerschweinchen Nr. 1416 erhält 0,5 ccm Serum + 0,3 ccm Toxin. Glatt. 
n n 1350 „ 0,5 „ ,, + 0,5 „ „ v 

r. n 1790 » °> 5 „ n +0,02 „ „ 

Das Meerschweinchen Nr. 82 hat am 2.10. 1 ccm reines Diphtherietoxin erhalten. 
Sein Serum verhält sich folgendermassen: 

Meerschweinchen Nr. 377 erhält 0,5 ccm Serum + 0,02 ccm Toxin. Glatt. 

n n 836 7) °> 5 n n + °>°5 n 7 n 

„ v 542 „ 0,5 „ „ + 0,5 „ „ ., 

Das Verhalten der Controlltiere ist folgendes: 

Meerschweinchen Nr. 1002 erhält 0,006 ccm Toxin. Tot am 25. 10. 

«■ n 439 „ 0,008 „ , „ * 27. 10. 

„ „ 297 „ 0,01 „ „ „ „ 24. 10. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass es mit Leichtigkeit gelingt, 
Meerschweinchen auf diesem Wege gegen hohe Dosen von Toxin in einem 
Zeitraum von etwa 40 Tagen zu immunisieren und ein Antitoxin zu ge- 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 15, Bd. »)| 


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312 


E. Löwen stein, 


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winnen. Ob die aktive Immunität dem Antitoxingehalt parallel geht, 
kann ich jetzt noch nicht entscheiden. Entsprechende Versuche sind aber 
ihrer Beendigung nahe. 

Interessant ist nun das Verhalten der Tiere, welche zu diesen Serum¬ 
auswertungen benutzt worden sind; denn bei der Intracutanprüfung am 
11. 11., also 20 Tage nach der Injection, erwiesen sich alle Tiere noch 
empfindlich. Am 1. 12., das ist 38 Tage nach der Subcutaninjection des 
neutralisierten Gemisches und 19 Tage nach der Intracutanprüfung, er¬ 
wiesen sich sämtliche Tiere gegenüber der Intracutanprüfung immun. 
Diese Erscheinung ist umso auffallender, da auch die Tiere, welche nur 
sehr geringe Toxindosen (0,02, 0,05) erhalten haben, sämtlich immun 
geworden sind. 

Wie aus dem Protokoll vom 22. 10. hervorgeht, sind die folgenden 
drei Tiere mit dem Serum des Tieres Nr. 1442 in folgender Weise vor¬ 
behandelt worden: 

Meerschweinchen Nr. 1460 erhielt 0,5 ccm Serum + 0,02 ccm Toxin. 

* * 1908 * 0,5 „ „ +0,05 „ „ 

„ „ 995 „ 0,5 „ „ + 0,2 „ „ Kleiner Strang. 

Nachdem sich am 1. 12. die Tiere gegenüber der Intracutanirapfung 
immun gezeigt haben, wurden die Tiere am 9. 12 sämtlich subcutan mit 
der 100 fachen tödlichen Dosis injiciert und keines der Tiere starb im 
Verlaufe der Beobachtungszeit. Die mit dem Serum des Meerschwein¬ 
chens Nr. 408 injicierten Tiere verhielten sich genau so. 

Meerschw. Nr. 1416 erhielt 0,5 ccm Serum + 0,3 ccm Toxin. Glatt. \ 

„ „ 1350 „ 0,5 „ „ + 0,05 „ „ „ > bleiben gesund, 

n n 1790 r> °> 5 n n +0,02 „ „ „ ' 

Auch diese Tiere hielten die 100 fache tödliche Dosis ohne Krank¬ 

heitserscheinungen aus. Die mit dem Serum des Tieres Nr. 82 geimpften 
Meerschweinchen zeigten dasselbe Verhalten: 

Meerschweinchen Nr. 542 erhiolt 0,5 ccm Serum + 0,5 ccm Toxin. Kleiner Strang. 
„ „ 836 „ 0,5 „ „ +0,05 „ „ Glatt. 

n n ^ * n » r> + 0,02 „ v „ 

Sämtliche Tiere halten die 100 fache Dosis aus. Aus diesem Ver¬ 
such geht hervor, dass Tiere, welche nur 0,02 ccm Diphtherietoxin 
erhalten haben, das mit einem homologen Serum neutralisiert war, und 
2 mal intracutan mit 1 mg Toxin geimpft worden waren, 47 Tage nach 
der Injection eine hohe Immunität besessen haben. Der nächstliegende 
Einwand, dass die Wirkung des homologen Serums noch die Immunität 
bedingt hat, ist nicht stichhaltig, denn die Tiere 995 und 542 haben 
gewiss keinen so grossen Ueberschuss an Antitoxin gehabt und haben 
doch eine hohe Immunität besessen. Allerdings kann bei diesen Tieren 
das Entstehen der Immunität auf die in dem Gemisch enthaltene Toxin¬ 
menge von 0,5 bzw. 0,2 ccm zurückgeführt werden. Dass es sich aber 
hier um einen aktiven Immunisierungsprocess handeln muss, geht aus 
dem Protokoll vom 11. 11. hervor. Ara 11. 11. waren nämlich die Tiere 
1460, 1908, 995, 1416, 1350, 1790, 542, 836 und 377 intracutan ge- 


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Uebor Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


313 


prüft worden und hatten sämtlich eine deutliche, wenn auch schwache 
intracutane Reaktion auf die Injection von 1:100 gezeigt. Infolgedessen 
muss man wohl die durch die Injection des homologen antitoxischen 
Serums entstandene Immunität als erloschen ansehen und mit der Möglich¬ 
keit rechnen, dass diese geringen Toxinmengen im Verein mit der einzigen 
Intracutanimpfung imstande sind, diese hohe Immunität zu verursachen. 

Auf die dritte Möglichkeit haben Schattenfroh und Grassberger 
hingewiesen: „Wie das coraplicierte Toxin oder die Toxin-Antitoxin¬ 
verbindung im Tierkörper zur immunisatorischen Wirkung kommt, mussten 
wir dahingestellt sein lassen. Wir dachten an eine weitgehende Lösung 
der Bindung und hielten es für möglich, dass das Gift die Immunisierungs¬ 
vorgänge einleitet, während das Antitoxin die giftempfindlichen Zellen 
schützt. Es lässt sich aber auch die Annahme nicht von der Hand weisen, 
dass der Toxin-Antitoxincoraplex als solcher noch Affinitäten 
im Körper findet.“ 

Um einen Aufschluss über diese Möglichkeit zu erhalten, musste man 
untersuchen, in welcher Weise wiederholte Injektionen von überneutra¬ 
lisierten Toxinmischungen immunitäterzeugend wirken. 

Versuch vom 12. 11. 

30 ccm Toxin werden mit 3 ccm eines 200fachen Serums gemischt, nach 24stän¬ 
digem Contact in folgenden Dosen injiciert: 

Meerschw. Nr. 1824 erhält 0,5 ccm. 1 Meerschw. Nr. 778 erhält l,0ccm. 


75 

r> 

1877 

r» 

0,5 

n 


77 

1372 

77 

1,0 

77 

77 

7) 

701 

n 

0,5 

n 

77 

77 

1543 

77 

1,0 

77 

V 

V 

1914 

7) 

0,5 

n 

77 

77 

712 

77 

1,0 

77 

n 

71 

983 

r> 

0,5 

7) 

71 

77 

1341 

77 

1,0 

?7 

77 

- 

1377 

77 

0,5 

71 

77 

77 

899 

77 

1,0 

77 

n 

n 

285 

TI 

0,5 

75 

77 

77 

799 

77 

1,0 

77 

n 

n 

255 

n 

0,5 

77 

77 

77 

414 

77 

2,0 

77 


Alle Tiere bis auf Nr. 712 sind glatt. 


Am 15. 11. werden alle Tiere mit 1 ccm desselben Gemisches 
reinjiciert. Nur die Tiere 1877, 701 und 414 erhalten 2 ccm; die Tiere 899 
und 1543 werden nicht injiciert, um die Wirkung der ersten Injection 
controllieren zu können. Am 24. 11. werden diese Tiere intracutan 
geprüft, und es erweisen sich nur die Tiere 701 und 285 immun. Am 
1. 12. werden die Tiere abermals geprüft, und es erweisen sich immun 
die Tiere 701, 285, 1377, 1914, 255, 1877 und 983. Am 9. 12. erweist 
sich ausserdem immun das Tier Nr. 899. 

Ueberblicken wir nun diesen Versuch, so ergibt sich Folgendes: 
Von den Tieren, die nur eine subcutane Injection bekommen haben, ist 
ein Tier nach 27 Tagen immun und ein Tier empfindlich. Am 24. 11., 
also 9 Tage nach der zweiten Injection, erweisen sich zwei Tiere immun, 
die zweimal injiciert worden waren, eines davon (701), das zweimal mit 
je 2 ccm des Gemisches injiciert worden war. Am 1. 12. erweisen sich 
acht Tiere und am 9. 12. neun Tiere als immun. Empfindlich geblieben 
sind sechs Tiere, darunter auch das Tier 414, das zweimal mit je 2 ccm 
des Gemisches injiciert worden war. Es scheint also, wie wenn dem 

21 * 


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314 


E. Löwenstein, 


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gesamten „Toxin-Antitoxincomplex als solchem nicht noch besondere 
Affinitäten im Körper zukommen“. Praktisch geht aus diesem Versuch 
hervor, dass die nach drei Tagen vorgenommene Reinjection das Entstehen 
der Immunität nicht beschleunigt. Bei diesem Versuch hat es sich, ab¬ 
gesehen von der theoretischen Bedeutung der Frage, darum gehandelt, 
eine Diphtherieschutzimpfung zu finden, welche lückenlos von der Dauer 
der passiven Immunität zur aktiven Immunität überführt. Da der passive 
Impfschutz ungefähr nach 10 Tagen erloschen und die aktive Immunität 
nach meinen Versuchen erst nach 20—40 Tagen eintritt, so wäre mit 
einer Diphtherieempfmdlichkeit des injicierten Organismus zu rechnen, 
die 10—20 Tage dauern kann. Deshalb musste die Reinjection mit dem 
überneutralisierten Toxingemisch schon nach 7, längstens aber nach 
10 Tagen vorgenommen werden. 

Ara 27.11. wurde ein zweiter solcher Versuch gemacht, in dem 
30 ccm Toxin + 3 ccm Serum eines 200 fachen Diphtherieserums ver¬ 
wendet wurden, also eine rund 12 fache Lieberneutralisation. 
Meerschweinchen Nr. 1278 erhält 0,5 ccm. Meerschweinchen Nr. 1693 erhält 2,0 ccm. 

„ * 1881 * 0,5 „ . * „ 1508 „ 2,0 „ 

r> n -81 n 0,5 „ : „ n 115 „ 2,5 „ 

Die folgenden Tiere wurden mit derselben Toxin-Antitoxinmischung, 
die am 3. 11. verwendet worden war, injiciert: 

Meerschweinchen Nr. 1680 erhält 0,5 ccm. Meerschweinchen Nr. 276 erhält 2,0 ccm. 

* 77 I, 0 > 5 * * 77 1233 77 W 77 

77 77 r) V 77 „ 1159 „ 2,0 „ 

Am 4. 12. wurden sämtliche dieser Tiere mit demselben Toxin¬ 
gemisch, das schon bei der ersten Injection verwendet worden war, in 
der Menge von 0.5 ccm reinjiciert. 

Am 13. 12. wurden diese Tiere sämtlich intracutan geprüft und es 
zeigten sämtliche Tiere eine deutliche Reaktion; es gelingt also 
nicht, durch eine zweite Injection, mag dieselbe nach 3 oder 
nach 8 Tagen vorgenommen werden, den Eintritt der Immunität 
wesentlich zu beschleunigen. 

Um nun die Dauer der erzielten Immunität zu prüfen, wurden 
die Meerschweinchen, welche am 2. 10. schon geprüft worden waren, 
am 9. 12. abermals einer Prüfung mit grossen Dosen Diphtherietoxin 
unterzogen, und zwar 

Meerschweinchen Nr. 508 erhält 0,5 ccm reines Diphtherietoxin = 100 tödliche Dosen, 


77 

77 

63 

77 

1,0 

J1 

n 

77 

= 200 

77 

77 

77 

77 

67 

77 

1,0 

77 

77 

77 

= 200 

77 

77 

77 

77 

68 

77 

2,0 

77 

77 

77 

= 400 

77 

77 

77 

77 

74 

77 

2,0 

77 

77 

77 

= 400 

77 

77 

77 

77 

634 

77 

2,0 

77 

77 

A 

= 400 

77 

77 

77 

77 

80 

77 

3,0 

77 

77 

77 

= 600 

77 

77 

77 

77 

408 

77 

3,0 

77 

77 

77 

= 600 

77 

77 

A 

77 

1442 

77 

3,0 

77 

71 

77 

= 600 

77 

77 

77 

77 

82 

77 

5,0 

77 

77 

77 

= 1000 

77 

71 


Sämtliche Tiere haben 48 Stunden nach der Injection ein mehr 
oder minder grosses Infiltrat, aber dasselbe bildet sich zurück und die 


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Ueber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


315 


Tiere bleiben sämtlich am Leben. Die Tiere haben also durch eine 
relativ kurze Vorbehandlung eine ausserordentlich hohe Immunität er¬ 
worben. Die Vorbehandlung hat sich auf die Injection eines Glatt¬ 
gemisches und 2 intracutane Diphtherietoxininjectionen beschränkt. Trotz¬ 
dem war schon eine Immunität gegen die 200 fache tödliche Dosis auf¬ 
getreten. Durch die Injection der 200 fachen tödlichen Dosis wurde die 
Immunität so gesteigert, dass sie selbst nach 10 Wochen, in denen gar 
keine Injectionen gemacht wurden, durch 1000 tödliche Dosen nicht ge¬ 
brochen wurde. Auffallenderweise ist aber der Antitoxingehalt dieser 
Tiere kein so besonders hoher. Wie aus den Versuchen vom 22. 10. her¬ 
vorgeht, hat z. B. das Tier Nr. 1442 ein minderwertiges Serum besessen, 
denn 0,5 ccm Serum mit 0,2 ccm Toxin gemischt, war noch nicht voll¬ 
ständig neutralisiert. Das Serum des Tieres Nr. 82 kann höchstens als 
ein 2faches Serum bezeichnet werden. 0,5 ccm Serum haben 0,5 ccm 
meines Toxins mit Strang neutralisiert. Trotzdem hat dieses Tier die 
1000fache tödliche Dosis, allerdings mit Infiltratbildung, ausgehalten. 

Es ist natürlich ausserordentlich schwierig, über das Verhältnis von 
aktiver Giftimmunität und Antitoxingehalt des Blutes sich exakte Vor¬ 
stellungen zu machen, aber aus meinen früheren Erfahrungen, die ich 
gemeinsam mit v. Eisler publiciert habe, geht doch hervor, dass die 
Höhe der aktiven Giftimmunität direkt abhängig ist von dem Antitoxin¬ 
gehalt des Blutes. Auch bei diesen Diphtherieversuchen sehen wir 
schliesslich doch, wie leicht Meerschweinchen Diphtherieantitoxin produ- 
cieren können. Schattenfroh und Grassberger hingegen sind der 
Ansicht, dass die aktive Giftimmunität und Antikörpergehalt des Blut¬ 
serums nicht in strenger quantitativer Beziehung zueinander stehen, da 
sich bei ihren Versuchen herausgestellt hat, dass die durch die Gemische 
absolut giftfest gemachten Tiere nur wenig Antitoxin in ihrem Blut ge¬ 
führt haben. „Erst durch eine nachfolgende Injection von Giftlösung 
erlangte das Serum der Impflinge einen hohen Antitoxingehalt. Ver¬ 
gleicht man rechnerisch die in extremen Fällen gefundenen Werte des 
Blutantitoxins und jener Giftmenge, die das mit einem Gemisch immuni¬ 
sierte Tier reaktionslos verträgt, so fällt das Missverhältnis sofort in die 
Augen, das mitunter so weit geht, dass der Antitoxinvorrat des Blutes 
des Impflings zur Neutralisation des nachträglich ohne Schaden einver¬ 
leibten Giftes nur knapp ausreicht. Es führen derartige Beobachtungen 
nicht notgedrungen zur Annahme einer histogenen Immunität, da auch 
die Vorstellung einer ungleichmässigen Antitoxinverteilung im Körper für 
die beobachteten Erscheinungen eine vollauf genügende Erklärung findet. 
Es muss keineswegs der gesteigerte Antikörpervorrat eines immunisierten 
Tieres jederzeit in einer ebenso starken Erhöhung des Blutantitoxins sich 
äussern. (Sollte man etwa gar die Annahme machen, dass die histogene 
Giftimmunität nichts anderes ist als eine antitoxisch bedingte, durch 
Fixation des Antitoxins an den giftempfindlichen Zellen?) Dass nicht 
immer ein Parallelismus zwischen dem aktiv erlangten Giftschutz und 
dem Antitoxingehalt des Serums besteht, zeigen auch die bekannten 
Erscheinungen, die gelegentlich bei mit Tetanus- oder Diphtheriegift be- 


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316 


li. Löwenstein, 


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handelten Pferden auftreten. Ueberempfindliche Tiere können reichlich 
Antitoxin in ihrem Blute führen.“ 

Bei den Diphtherieversuchen hingegen tritt wirklich nach einer 
Injection eines Glattgemisches eine aktive Immunität auf, welche dem 
Antitoxingehalt des Blutes entspricht. Grassberger und Schattenfroh 
haben aber mit Glattgemischen keine aktive Giftimmunität erzielen 
können. „Bei systematischer Prüfung dieses Verhaltens der Meer¬ 
schweinchen ergibt sich nun die bemerkenswerte Tatsache, dass in der 
Tat Injectionen von neutralen und überneutralisierten Gemischen niemals 
zu einem Giftschutz führen, dass aber unvollständig abgesättigte Gift¬ 
serumgemische in einer einzigen Injection eine weitgehende, vielfach ab¬ 
solute Immunität gegen das Gift gewähren.“ Deshalb scheinen die 
Giftbindungsverhältnisse beim Rauschbrandtoxin zwar eine sehr weit¬ 
gehende Parallelität mit dem Diphtherietoxin aufzuweisen, aber doch 
nicht vollkommen übereinzustimmen. 

Ueberblicken wir nun diese Versuche, so ergibt sich, dass Meer¬ 
schweinchen durch ein mit Antitoxin überneutralisiertes Toxin nach 
einem Zeitraum von 40—50 Tagen eine Immunität erworben haben. 
Wie können wir uns nun das Entstehen dieser Immunität vorstellen? 
Wir wissen, dass es nicht möglich ist, mit reinem giftigem Diphtherie¬ 
toxin Meerschweinchen zu immunisieren. Die Iramunisierungsschwierig- 
keit lag aber stets darin, dass die Tiere vorher an der Diphtherie¬ 
vergiftung zugrunde gingen, trotzdem oder vielleicht gerade, weil wir 
gezwungen waren, nur mit kleinsten Dosen zu arbeiten, die eben nur 
imstande sind, überempfindlich, aber nicht immun zu machen. Wir 
haben bis jetzt noch keinen Entgiftungsmodus des Diphtheriegiftes ge¬ 
kannt wie beim Tetanusgift. Während es beim Tetanusgift gelingt, 
quantitativ die antitoxinerzeugende Fähigkeit beim Entgiftungsprocess 
zu erhalten, war beim Diphtherietoxin die Entgiftung durch das Anti¬ 
toxin die einzige Möglichkeit, grössere Antigenmengen zur Resorption zu 
bringen. 

In welcher Weise erfolgt nun die Resorption des durch das Anti¬ 
toxin entgifteten Diphtherietoxins? Bisher war man der Ansicht, dass 
diese physiologisch neutrale Mischung als eine einheitliche Verbindung 
vom Organismus empfunden wird, obzwar wir über den Charakter der 
Verbindung trotz der Arbeiten von Ehrlich einerseits, Arrhenius und 
Madsen andererseits durchaus nicht im klaren waren. Für die resul¬ 
tierende Immunität sind drei Erklärungen naheliegend: 

1. Der Charakter dieser Verbindung ist derart, dass der Körper auf 
beide Teile dieser Verbindung Reaktionsprodukte bildet; 

2. Diese beiden Oomponenten schliessen sich gar nicht zu einer 
Verbindung zusammen, sondern existieren nebeneinander in wirk¬ 
samer Form; 

3. Die in vitro eingetretene Verbindung wird im Organismus wieder 
gesprengt. 

Die zweite Möglichkeit, dass Toxin und Antitoxin getrennt neben¬ 
einander existieren können, ist durch die Arbeiten von Ehrlich, Kretz, 


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Uebcr Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


317 


Schattenfroh und Grassberger doch unwahrscheinlich geworden. Es 
muss als ein wesentlichstes Ergebnis der klassischen Arbeiten Ehrlichs 
auf diesem Gebiete angesehen werden, dass eine direkte Einwirkung des 
Antitoxins auf das Toxin doch stattfinden muss. Ueber den Charakter 
dieser Verbindung allerdings fehlen klare Vorstellungen. 

Man hat nun versucht, wenigstens in vitro aus der Verbindung von 
Toxin und Antitoxin eine der Componenten wieder freizumachen. 
Morgenroth hat für das Neurotoxin des Cobragiftes erwiesen, dass es 
sich aus seiner Verbindung mit dem Calmetteschen Antitoxin durch 
Erhitzen in saurer Lösung wiedergewinnen lässt. Das durch die Säure 
abgespaltene Toxin wird nämlich durch Erhitzen zerstört, während das 
Neurotoxin durch die Gegenwart von Säuren thermostabil und so vor 
der Zerstörung geschützt wird. Allerdings handelt es sich bei diesem 
Toxin eigentlich nicht um ein Toxin, sondern um ein Ferment. „Dieses 
Ferment, welches als Lecithinase bezeichnet wird, spaltet aus dem 
Lecithin einen der beiden Fettsäurereste ab und es bleibt eine Verbindung 
übrig, welcher hämolytische Eigenschaften zukommen. Der in dem 
Calmetteschen Serum enthaltene Antikörper, welcher zu diesen Be¬ 
standteilen des Cobragiftes in Beziehung tritt, muss demnach als 
specifisches Antiferment aufgefasst werden, und die durch die Säure 
bedingte Dissoziation als die Trennung eines Fermentes von seinen 
specifischen Antifermenten.“ 

Jacoby hat für ein anderes Ferment, das Lab bzw. Pepsin, das 
gleiche Verhalten gegenüber dem im normalen Pferdeserum vorkomraenden 
Antilab nachgewiesen. 1907 hat nun Morgenroth dieselben Versuche 
mit dem Diphtherietoxin gemacht. Nachdem schon Dörr vorher gezeigt 
hatte, dass das Diphtherietoxin durch lproc. Salzsäure entgiftet und durch 
Neutralisieren die Giftigkeit wiederhergestellt werden kann, haben Morgen¬ 
roth und Willanen den Nachweis erbracht, dass eine Vereinigung von 
Diphtheriegift und Diphtherieantitoxin selbst nach mehrtägigem Kontakt 
durch Säurezusatz wieder für Kaninchen giftig wird. Diese Abspaltung 
des Toxins aus dem neutralen Toxin-Antitoxingemisch konnte selbst nach 
5—9tägigem Verweilen der Giftmischung im Eisschrank noch demonstriert 
werden. Indes scheint doch eine Verfestigung der Verbindung eingetreten 
zu sein, denn nach dieser Zeit war der durch die Säurespaltung freiwerdende 
Giftanteil bedeutend kleiner. Die Kaninchen starben nach 5 bzw. 7 Tagen 
ohne charakteristische Befunde. Da auch bei erheblichem Antitoxin¬ 
überschuss und nach 5 tägigem Stehen im Eisschrank die Spaltung noch 
in allen Versuchen gelang, so muss man wohl annehmen, dass die Säure 
imstande ist, die Verbindung zwischen üiphtherietoxin und Antitoxin 
wieder zu zerlegen. Später hat Leuchs bei Botulismusgtft dasselbe 
Verhalten constatieren können. Morgenroth und Asher haben dieselbe 
Frage auch beim Abrin und seinem Antitoxin in dem Sinne beantworten 
können, dass die bereits neutralisierten Gemische auch noch nach 
mehreren Tagen durch Salzsäurezusatz wieder in Antigen und Antikörper 
zerlegt werden können; da nun diese Zerlegbarkeit für das Cobra neuro- 
toxin, das Cobra hämolysin (nach neueren Arbeiten Lecithinase), Diphtherie¬ 
gift, Labenzym, Botulismusgift und Abrin nachgewiesen ist, so hält es 


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318 


E. Löwenstoin 


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Morgenroth für sehr wahrscheinlich, „dass hier eine allgemeine, die 
Beziehungen zwischen Toxin und Antitoxin, Enzym und Antienzym be¬ 
herrschende Gesetzmässigkeit vorliegt“. 

Trotzdem sind diese Versuche noch nicht imstande, uns der Lösung 
der Frage wesentlich näherzubringen, v. Behring nimmt an, „dass die 
Einwirkung des Antitoxins auf das Toxin abläuft mit 3 Reaktionen, die 
jede für sich eine Endreaktion sein kann, die aber auch sich aufeinander- 
folgen können 1. mit dem Eintritt einer reversiblen Adsorption, 2. mit 
einer chemischen Bindung zu einem combinierten und dadurch vergrösserten 
Molekül, 3. mit einem fermentativen Abbau des durch Adsorption mit 
dem Antitoxin verbundenen Toxins oder des chemisch combinierten Toxin- 
Antitoxinmoleküls im anaphylaktisch gewordenen tierischen Organismus 
unter Mitwirkung von Complementen.“ 

Welches Material geben nun die vorstehenden Untersuchungen in die 
Hand, um eine dieser drei Möglichkeiten wahrscheinlicher machen zu 
können? Welcher Versuch spricht dafür, dass die beiden Teile zu einer 
Verbindung zusammentreten, deren Componenten doch jede ihren Anti¬ 
körper im Organismus hervorzurufen imstande ist? 

Wir sehen, dass solche Tiere eine aktive Immunität und einen dem¬ 
entsprechenden Antitoxingehalt erworben und nebenher auch anaphylaktisch 
gegenüber dem Pferdeserum werden. Trotzdem möchte ich dies letztere 
Moment nicht zu hoch einschätzen, weil die anaphylaktogene Eigenschaft 
doch nichts über die Funktion des Eiweisses aussagt. Würde die zweite 
Anschauung richtig sein, dass die beiden Componenten nebeneinander 
existieren, so müsste die Antitoxinproduktion und mit ihr die Immunität 
ebenso früh einsetzen, wie wenn man das Toxin allein einspritzen würde. 
Statt dessen aber tritt die Immunität nach Injection von Neutralgemischen 
erst nach 40—50 Tagen in Erscheinung. Ueberhaupt unterscheidet sich 
die durch Injection neutraler Gemische entstandene Immunität nur in 
einem Punkte von der durch Toxin allein erzeugten, nämlich in dem 
Zeitpunkte des Auftretens der Immunität. Die durch Toxin allein er¬ 
zeugte Immunität erreicht nach 15—18 Tagen gewöhnlich ihren Höhe¬ 
punkt, wohingegen die durch das neutrale Gemisch erzeugte erst nach 
40—50 Tagen erreicht. Das deutet schon daraufhin, dass die Resorption 
des die Immunität erzeugenden Bestandteiles entweder später einsetzt 
oder langsamer vor sich geht. Dieser Umstand spricht sowohl gegen 
die erste wie gegen die zweite Möglichkeit. 

Hingegen gewinnt die dritte Möglichkeit, dass die ein¬ 
getretene Verbindung im Organismus wieder langs-am gelöst 
wird, ausserordentlich an Wahrscheinlichkeit. Dieser verspätete 
Eintritt der Immunität ist nur damit zu erklären, dass man annimmt, 
dass das Antitoxin langsam abgebaut wird und zwar derart, dass die 
freiwerdenden kleinen Toxinmengen, die aber schliesslich doch das ganze 
einverleibte Toxin darstellen, als Antigene wirken. Dass durch Zerstörung 
des Antitoxins das Toxin wieder frei werden kann, ist eine in der Im¬ 
munitätslehre nicht unbekannte Erscheinung. So hat 1895 Calraette schon 
gefunden, dass aus einer unschädlich gewordenen Mischung von Kobragift 


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lieber Immunisierung mit atoxischen Toxinen usw. 


31!) 


und dem zugehörigen Antitoxin durch 10 Minuten langes Erwärmen auf 
68 0 das Kobragift in giftiger Form wiedergewonnen werden kann. Bei 
68 0 wird nämlich das Antitoxin, aber nicht das Kobragift weniger wirk¬ 
sam gemacht. Wassermann arbeitete mit Pyocyaneusgift und Pyo- 
cyaneus-Antitoxin und fand, dass eine unschädliche Mischung dieser 
beiden Stoffe wieder giftig wird durch Erhitzen auf 100°. Auch hier 
wird das Antitoxin, aber nicht das Gift durch Erhitzen zerstört. Martin 
und Cherry haben antitoxisches Schlangenserum mit Schlangeftgift ge¬ 
mischt und dann versucht, durch Filtration unter hohem Druck mittels 
einer Gelatinehaut als Filter, das Schlangengift im Filtrat wiederzufinden, 
aber diese Methode hat sich zur Trennung der beiden Coraponenten nicht 
geeignet erwiesen. Aber die Tatsache, dass es gelingt, mit physiologisch 
neutralen Toxin-Antitoxinverbindungen eine Immunität zu erzeugen, die 
erst so spät eintritt, spricht sehr für den Zerfall der Toxin-Antitoxin¬ 
verbindung im Organismus. 


Schlussfolgerungen. 

1. Meerschweinchen, welche die Injection eines Toxin-Antitoxin- 
geraisches erhalten haben, mag dasselbe über-, glatt- oder unterneutralisiert 
sein, werden immun. 

2. Diese Immunität tritt erst nach einer Zeit von 20—50 Tagen ein. 

3. Es muss durch völlige Zerlegung der Toxin-Antitoxinverbindung 
das ganze einverleibte Toxin zur Resorption kommen, da bei getrennter 
Toxin-Antitoxininjection die im Bereiche der Anwendungsmöglichkeit 
liegenden Toxindosen nicht zur Immunitäterzeugung ausreichen. 

4. Nach meinen Versuchen sind bei Anwendung von Pferde¬ 
serum mindestens 40 neutralisierte tödliche Dosen notwendig, um eine 
Immunität gegen die 10fache tödliche Dosis beim Meerschweinchen zu 
hinterlassen. 

5. Die Höhe der erzielten Immunität steigt bei Vergrösserung der 
Toxindosis mit bis zu 1 ccm Toxin, ungefähr 200 tödlichen Dosen. Dar¬ 
über hinaus habe ich durch Steigerung der Toxindosis nur eine Be¬ 
schleunigung des Eintritts der Immunität um 7 Tage gesehen. 

6. Bei Verwendung von unterneutralisierten Toxinlösungen sind die 
Immunisierungsresultate durchaus nicht besser als bei glatt und über¬ 
neutralisierten Toxinlösungen. 

7. Die Anwendung von unterneutralisierten Toxinlösungen zu pro¬ 
phylaktischen Zwecken ist aus dem Grunde zu widerraten, weil die 
Immunität zu spät eintritt. Ausserdem können wir die Wirkung unter¬ 
neutralisierter Toxinlösungen beim Menschen nicht mit Sicherheit voraus¬ 
sehen. 

8. Dagegen wäre die Wirkung der Injection von überneutralisierten 
Toxinen auf ihre prophylaktische Brauchbarkeit in der Praxis zu prüfen; 
sie hat den Vorzug, dass auch während der Zeit der dringendsten 
Infectionsgefahr der'Organismus mit Antitoxin versorgt ist. 

9. Die Immunität ist eine aktive, dauernde. 


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320 


E. Löwe ns toi n, 


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10. Die Immunität von mit überneutralisierten Gemischen injicierten 
Meerschweinchen wird durch die intracutane lnjection von 1 mg Diphtherie¬ 
toxin ausserordentlich gesteigert. 

11. Solche Meerschweinchen besitzen eine Immunität, die sich gegen¬ 
über der subcutanen lnjection bis zur 100- und 200fachen Dosis bewährt. 
Nach der lnjection der lOOfachen tödlichen Dosis besitzen solche Meer¬ 
schweinchen eine Immunität gegen 1000fache tödliche Dosen. 

12. * Verwendet man ein homologes Serum zur Neutralisierung des 
Toxins, so reichen auch sehr geringe Mengen zur Erzielung der Immunität 
aus, wenn eine intracutane lnjection eingeschoben wird. 

13. Die Wirkung der intracutanen lnjection tritt nur dann ein, wenn 
sie nach dem vollständigen Abklingen der durch den Antitoxinüberschuss 
bedingten Immunität vorgenommen wird. 

14. Die nach der lnjection von Glattgemischen entstehende aktive 
Immunität ist stets vom Antitoxingehalt des behandelten Tieres abhängig. 

15. Injiciert man Meerschweinchen eine neutrale Mischung subcutan 
gleichzeitig mit einer intracutanen Diphtheriegiftmenge von 1 mg, so 
sterben die Tiere, falls nicht ein sehr grosser Antitoxinüberschuss im 
Toxin vorhanden ist. 

16. Das Radium und Finsenlicht sind nicht imstande, Diphtheriegift 
energisch abzuschwächen. Hingegen besitzt das Quecksilberlicht der 
Quarzlampe eine ausserordentliche Zerstörungskraft für das Diphtherie¬ 
gift. Das Diphtheriegift wird durch das Licht der Quarzlampe aber so 
tief abgebaut, dass mit dem entgifteten Toxin keine Immunität, sondern 
nur eine Ueberempfindlichkeit ausgelöst werden kann. 


Literaturverzeichnis. 

1. A rloing, Nicolas et Antoine, Compt. rend. Soc. de Biol. 1901. T. 53. p. 13* 

2. Arloing et Nicolas, Ibid. 1901. T. 53. p. 36. 

3. Atkinson, Journ. of Med. Research. Vol. 9. p. 173. 

4. Babes, Bull, de l’Acad. de med. Paris. 1895. T. 34. p. 216. 

5. v. Behring, Einführung in die Lehre der Infectionskrankheiten. Hirschwald 1912. 

6. Derselbe, Blutserumtherapie. 1892. 

7. Derselbe, Infection und Immunität. 1891. 

8. Derselbe, Deutsche med.Wochenschr. 1913. 

9. Calmette, Schlangengifte. Handbuch von Kraus und Levaditi. 

10. Clintock und S. Ferry, Centralbl. f. Bakteriol. 1911. Bd. 59. S. 456. 

11. Danycz, Compt. rend. de l’Acad. des scienc. 1904. p. 138. 

12. Dorr, Biochem. Zeitschr. 1908. 

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Verlag Deutike. 

17. Dieselben, lieber die Beziehungen zwischen Toxin und Antitoxin. Ibidem. 

18. Jakoby, Biochem. Zeitschr. 1906. Bd. 1. 

19. Kretz, Zeitschr. f. Heilk. 1901. 


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Original fro-m 

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Ueber Immunisierung mit atoxischep Toxinen usw. 


321 


20. Löwenstein, Wiener klin.Wochenschr. 1903. 

21. Derselbe, Zeitschr. f. Hygiene. 1909. Bd. 62. 

22. v. Eisler und Löwenstein, Centralbl. f. Bakteriol. 1912. Bd. 60. 

23. Dieselben, Ebenda. 1913. Bd. 61. 

24. Morgenroth, Berliner klin.Wochenschr. 1905. 

25. Morgenroth und Willanen, Virohows Arch. 1907. Bd. 190. 

26. Morgenroth und Asher, Centralbl. f. Bakteriol. 1911. Bd. 59. 

27. Pawlowsky und Maksutow, Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 21. S. 485. 

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29. Th. Smith, Journ. of Med. Research. 1907. Vol. 16. S. 359. 

30. Leuchs, Zeitschr. f. Hygiene. 1910. Bd. 65. 


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X. 


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Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau 
(Geh.-Rat Prof. Dr. J. Pohl). 

Ueber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch 

andere Alkohole. 

Von 

Ernst Asser. 

(Mit 1 Abbildung im Text.'! 


I. 

Die berechtigtes Aufsehen erregenden, gehäuften und vielfach letal 
endigenden Fälle von Methylalkoholvergiftungen in Berlin im Dezember 
des Jahres 1911 haben aufs Neue die Aufmerksamkeit auf diesen Alkohol 
gelenkt und die bisher mehr den Pharmakologen als den Praktikern ver¬ 
trauten specifisehcn Eigenschaften dieses Körpers auch weiteren Kreisen 
bekannt gemacht. Die klinischen Erscheinungen, wie sie unter Leitung 
Stadelraanns und Magnus-Levvs beobachtet worden, finden sich bei 
R. Levy (1) gut zusaramengestellt. Das Wesentliche dieser Erfahrungen 
geht dahin, dass der Methylalkohol im Gegensatz zum Aethylalkohol 
schon in kleinen, ja man könnte sagen in kleinsten Mengen wie 6 ccm, 
und sogar bei Einatmung schwere Störungen, insbesondere am Nervus 
opticus, hervorrufen kann. Die nachhaltige Wirkung dieses Alkohols war 
bereits in der ersten Experimentalreihe über denselben sichergestellt, 
nicht minder seine Fähigkeit, an parenchymatösen Organen degenerative 
Veränderungen hervorzurufen (4). Wenn auch seither für das Tier centrale 
Störungen durch denselben anatomisch nachgewiesen worden sind, wie 
Blutungen in Pons, Medulla oblongata und Rückenmark (2), so ist doch 
Vieles noch völlig unaufgeklärt, insbesondere die elcctiv destruierende 
Wirkung auf Opticusfasern und Opticuscentra, auf die Medulla oblongata, 
die Ursache der plötzlichen, oft binnen einer Stunde tödlich ablaufenden 
Fälle. Dies ist nur durch eine specifischc Ueberempfindlichkeit des mensch¬ 
lichen Nervensystems zu deuten. Wenn deshalb Versuche an Hunden und 
an anderen Tierarten von vornherein als in dieser Richtung nicht erfolg- 
verheissend und beweisend angesehen werden dürften, so könnten doch 
Einzelheiten der Vergiftung, wie schon bisher, so auch weiterhin durch 
das Experiment erkannt werden. 

Es ist festgestellt, dass ein intermediäres Produkt der Methylalkohol¬ 
oxydation, die Ameisensäure, sich mit Bestimmtheit im Harn nach- 
weisen lässt. Die Erfahrung, dass diese Formiatausscheidung beim Tier 
sehr langsam erfolgt, während zugeführtes Formiat den Körper sehr rasch 
verlässt, spricht für langanhaltendes Zurückgehaltenwerden unseres Alkohols: 
gewiss eine nicht unwichtige Tatsache zur Erklärung seiner nachhaltigen 
Wirkung. Vom Formiat selbst ist irgend welche schädliche Wirkung 


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lieber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch andere Alkohole. 323 

nicht erweislich, und die Zurückführung der specifischen Schädlichkeit 
unseres Alkohols auf dieses Salz, das grammweise gereicht reaktionslos 
vertragen wird, erscheint unbegründet. Der von Kröl erst jüngst exakt 
erbrachte Nachweis vermehrter Ammoniakausscheidung nach Methyl- 
alkoholreichung beim Hunde ist der Ausdruck für die Entstehung einer 
durch Oxydation schwer angreifbaren Säure, eben der Ameisensäure; die 
ausgeschiedenen Ammoniakwerte erscheinen wohl zu gering, als dass das 
Wesen der Methylakoholvergiftung in einer Acidosis, d. h. einer toxischen 
Alkalientziehung liegen könnte. Dazu sind die am Menschen notorisch 
toxischen Alkoholdosen zu klein, ausserdem wird ja gerade durch die 
Ammoniakvorschiebung der gefährlichen Alkalientziehung vorgebeugt. Die 
Kreischen Ammoniakwerte stehen in vollkommener Uebereinstiramung 
mit den oben erwähnten Erfahrungen über die Art der Formiatausscheidung 
nach Methylalkoholdarreichung. 

Ausgehend von der Tatsache, dass die meisten der in Berlin und 
anderswo dem Methylakohol zum Opfer gefallenen Menschen notorische 
Säufer, Schnapstrinker, gewesen, dass ferner der Alkohol nicht allein, 
sondern in Gemengen mit anderen aufgenommen worden ist und wird, 
habe ich es übernommen, folgende, meines Wissens noch nicht be¬ 
handelte Frage zu analysieren: Wird die Oxydation des Methyl¬ 
alkohols durch andere Alkohole beeinflusst? 

Man könnte sich wohl das Bild konstruieren, dass bei gleichzeitiger 
Anwesenheit von Methylalkohol und Aethylalkohol der letztere Alkohol 
seiner fast totalen Oxydationsfähigkeit entsprechend besonders leicht ver¬ 
brannt, der Methylalkohol in seiner Verbrennung zurückgedrängt wird; 
dann müsste er eben noch länger als sonst unverändert im Körper 
kreisen und könnte hierdurch besonders schädlich wirken. Der Auf¬ 
klärung dieser Frage wurde eine Reihe von Versuchen gewidmet, über 
die im Nachstehenden berichtet werden soll. 

II. Methodik. 

Zur Bestimmung der ausgeschiedenen Forraiatmengen im Harn wurde 
das Sealasche Verfahren benützt; dieses besteht bekanntlich darin, dass 
man durch Wägen des Quecksilberchlorürs, welches aus einer Sublimat¬ 
lösung beim Erwärmen mit Ameisensäure ausfällt, die Araeisensäure¬ 
mengen genau zu bestimmen vermag 1 )* (HCOOH-f 2HgCl = Hg 2 Cl 2 -j- 
2HC1 + C0 2 .) Bei der Prüfung der Methode auf ihre Zuverlässigkeit in 
bezug auf Harn ergab sich, dass von einer vorher gewogenen Formiat- 
menge, die normalem Kaninchenharn zugesetzt wurde, 98,3 pCt. wieder¬ 
gewonnen wurden. Pohl (4) fand bei gleichen Versuchen 100,1, 100,3, 
99,4 pCt.; die Werte über 100 pCt. erklären sich durch das Vorhanden¬ 
sein von geringen Ameisensäuremengen im normalen Harn. An dieser 
Stelle möchte ich vorwegnehmen, dass ich bei allen zu schildernden Ver¬ 
suchen diese geringen Normalmengen unberücksichtigt gelassen habe, da 
sie sich ja auf sämtliche Versuche gleichmässig verteilen und so die 
Beurteilung des Gesamtbildes in keiner Weise zu beeinträchtigen vermögen. 

1) Genaue Angaben siehe in den methodischen Arbeiten von H. Finke, Biochem. 
Zeitschr. Bd. 51. S. 253. 


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Ernst Asser 


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Der Gang der Fütterung und Verarbeitung des Harnes geschah also kurz 
in folgender Weise: Eine gemessene Menge frisch über Kaliumcarbonat 
destillierten und als chemisch rein befundenen Methylalkohols wurde mit 
einer entsprechenden Menge Wassers — meist wurden 30 bis 50 proc. 
Lösungen gefüttert — verdünnt und dem Versuchstier mittels Schlund¬ 
sonde verabfolgt. Sodann kam das Tier in den Käfig, welcher es ermög¬ 
lichte, den Urin ohne Verlust aufzufangen, und verblieb darin während 
der ganzen Versuchsdauer. Die tägliche Urinmenge wurde gemessen und 
ein aliquoter Teil derselben nach Filtration und Ansäuern mit Phosphor¬ 
säure bis zum Aufhören der sauren Reaktion destilliert; die Destillation 
nahm oft mehrere Tage in Anspruch. Das Destillat wurde in Natrium¬ 
carbonat aufgefangen, sodann am Wasserbade bis auf 20 ccm eingeengt, 
quantitativ filtriert, neutralisiert und mit dem mehrfachen Volumen kalt 
gesättigter Sublimatlösung versetzt. Auf dem erhitzten Wasserbade 
folgte sodann die Fällung des Calomels; nach einige Stunden langem 
Stehenlassen in der Kälte wurde auf vorher getrocknetes und gewogenes 
Filter filtriert und nach abermaligem Trocknen im Ofen bei 100° und im 
Exsiccator durch Wägen des beschickten Filters aus der Gewichtsdifferenz 
die gewonnene Calomelraenge bestimmt. 1 g Calomel entspricht 0,09756 
freier Ameisensäure, die mit 0,1442 multiplicierte Calomelmenge ergibt 
das vorhandene ameisensaure Natron. Die anderenorts gemachte Erfahrung, 
dass das schliesslich gewonnene Calomel verunreinigt wäre, kann ich nach 
meinen Versuchen, die sich auf über 200 Harndestillate erstrecken, nicht 
bestätigen, vielmehr erhielt ich stets rein weisses Quecksilberchlorür. 

Nun komme ich auf die Methodik der später zu beschreibenden 
Exhalationsversuche; ich habe mich fast genau an die Anordnungen 
von Völtz und Dietrich (5) gehalten, deren nach der Niclouxschen 
Methode vorgenommenen Versuche auf folgendem beruhen: 

Bei Gegenwart von Schwefelsäure wird Kaliumbichromat durch Al¬ 
kohol reduciert. Ist der Alkohol völlig oxydiert, dann wird keine Chrom¬ 
säure mehr reduciert, und ein geringer Ueberschuss von Bichromat bewirkt 
einen Farbenuraschlag der bis dahin grünblauen Lösung in gelbgrün. 
Um nun die Menge des durch Chromsäurc oxydierten Alkohols zu be¬ 
stimmen, ist es nötig festzustellen, wieviel Alkohol die benutzte ßichromat- 
lösung noch zu oxydieren vermag. 1 g Kaliumbichromat kann 0,2632 ccm 
Aethylalkohol oxydieren. Durch Titration wird festgestellt, wieviel ccm 
der benutzten Lösung nötig sind, um 5 ccm einer wässrigen alkoho¬ 
lischen Lösung, welche 0,1 Volumenprocent Alkohol enthält, zu oxydieren, 
was aus dem Eintritt des Farbenumschlages, d. h. dem Verschwinden des 
blauen und dem Auftreten des gelben Tones hervorgeht. Wenn das 
Auge durch Uebung an diese Titration gewöhnt ist, lassen sich aus dem 
Mittel mehrerer angestellten Versuche sehr genaue Zahlen eruieren. Es 
handelt sich also um eine titrimetrische Methode; das Optimum ihrer 
Resultate wird erreicht, wenn die Titrierflüssigkeit soweit verdünnt ist, 
dass höchstens 1 Teil Alkohol in 500 Teilen der Lösung enthalten ist. 

Die Modifikation dieser für den Aethylalkohol gütigen Niclouxschen 
Methode für Untersuchungen am Methylalkohol beruht darauf, dass 1 g 


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Ueber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch andere Alkohole. 325 


Kaliumbichromat, welches 0,2632 ccm Aethylalkohol zu oxydieren ver¬ 
mag, zu seiner Reduktion nur 0,123 ccm Methylalkohol bedarf; der 
geringere Wert erklärt sich dadurch, dass der Aethylalkohol nur zu Essig¬ 
säure, der Methylalkohol indes vollständig oxydiert wird. Die vorgelegte 
Lösung enthielt 40,66 g Kaliumbichromat in 1 1. Die Titrationen wurden 
alle annähernd bei dem oben erwähnten Optimum von 0,05 pCt. Alkohol¬ 
gehalt ausgeführt. Völtz und Dietrich fanden bei ihren Vorversuchen 
ca. 100 pCt. des zur Reduction der Chromsäure verbrauchten Alkohols 
durch die Titration wieder, und meine eigenen Vorversuche bestätigen 
diesen Befund. 

Die Anordnung der Exhalationsversuche und die weitere Verarbeitung 
des Materials war, kurz zusammengefasst, folgende: 

Zur Verfügung stand eine Glasglocke von ca. 50 cm Durchmesser 
und annähernd derselben Höhe. Sie wurde, durch Wasser abgedichtet, 
auf eine Unterlage gebracht, welche nach aussenhin zwei Oeffnungen hatte, 
eine genügend grosse für den Eintritt von Luft, die andere zum Absaugen 
der unter der Glocke befindlichen Luft, somit der Exhalationsluft des 
Tieres. Das Absaugen wurde mittels einer Wasserstrahlpumpe vor¬ 
genommen; wenn diese mit dem entsprechenden Druck arbeitete, war 
irgendein Verlust nicht zu befürchten; ausserdem schien es mir als ein 
Vorteil der Versuchsanordnuug, dass das Versuchstier, sofern es die der 
Glocke entsprechende Grösse besass, ohne jede Beschränkung seiner 
Atmung beliebig lange dem Versuch ausgesetzt sein konnte und dass 
seine Beobachtung eine so einfache war. Zwischen der absaugenden 
Oeffnung der Glockenunterlage und der Wasserstrahlpumpe wurden nun die 
zum Auffangen der Exhalationsluft bestimmten Kaliumbichroraat-Vorlagen 
in Form von Drechselschen Flaschen angebracht. Um ein beliebiges Aus¬ 
wechseln derselben zu ermöglichen, wie es zur Erlangung exakter Werte 
nötig ist, bediente ich mich folgenden Systems von Absorptionsgefässen: 

zuftrömendiF\ ^ unc ^ 

Außenluft \_/ pumpe 

Auf diese Weise konnte ich beliebig entweder die Vorlagen Ia 
und Ib oder Ha und IIb einschalten, ohne den Versuch zu unterbrechen. 
Sobald in dem in Betrieb befindlichen Zweigsystera die Farbe der Flüssig¬ 
keit auf eine starke Reduction der Chrorasäure hinwies, wurde der andere 
Zweig durch Oeffnen der Klemme eingeschaltet und die Vorlageflüssigkeit 
in den abgenommenen beiden Flaschen erneuert. Für den Fall, 'dass 
einmal eine völlige Reduction der in diesen ersten Flaschen enthaltenen 
Chromsäure durch den exhalierten Alkohol cintreten sollte oder die 
Saugkraft der Wasserstrahlpumpe so stark würde, dass nicht reducierter 
Alkohol durch die ersten beiden Vorlagen hindurchginge, wurden, um 
trotzdem Verluste zu vermeiden, noch drei weitere Vorlagen III, IV 
und V zum Auffangen dieses eventuellen Alkoholrcstes eingeschaltet. 
In praxi zeigte es sich, dass sie zwar bei den 24stündigen Exhalations- 
versuchen nicht in Anspruch genommen wurden, hingegen bei einem 


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326 


Ernst Asser, 


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siebentägigen Versuch noch, wenn auch geringe Alkoholmengen reduciert 
hatten. Nach dem jedesmaligen Auswechseln der Systeme Ia und b 
und IIa und b wurde die in den abgenommenen Flaschen enthaltene 
Flüssigkeit titrimetrisch untersucht, ebenso nach Abbruch des Versuches 
die letzten Vorlagen III, IV und V. ln den Flaschen befand sich ein 
Gemisch von Schwefelsäure und Kaliumbichromat (44,6 g auf 1 Liter 
Aqua dest.) zu gleichen Teilen, und zwar in Flasche Ib und IIb je 400, 
III, IV und V je 200 ccm. 

III. Versuche. 

Die ersten Versuche über die Ausscheidung der Ameisensäure im Harn wurden 
am Kaninchen vorgenommen. Ein Kaninchen von 2400 g (Versuch I) wurde mit 15ccm 
reinen Methylalkohols, verdünnt mit demselben Volumen Wasser, gefüttert; die Formiat- 
ausscheidung betrug 

am 1. Tage nach der Fütterung 0,1115 g 

* 2. „ „ „ „ 0,1577 g 

„ 3- » n » n 0,0076 g 

am 4. u. 5. „ „ „ „ 0,0043 g 

Da der erhaltene Wert für diese beiden letzten Tage die normalerweise im 
Kaninchen Vorgefundene Ameisensäuremenge durchaus nicht übertrifft, darf man an¬ 
nehmen, dass in diesem Falle die erhöhte Ameisensäureausscheidung mit dem 3. Tag 
ihr Ende erreicht hat. In diesen 3 Tagen sind also insgesamt 0,2758 g Formiat aus¬ 
geschieden worden. In einem zweiten Falle (Versuch 11) mit entsprechenden Verhält¬ 
nissen betrug die Formiatmenge 0,2950 g. Ein drittes Tier zeigte unter denselben 
Bedingungen überhaupt keinen wägbaren Calomelniederschlag, sondern nurOpalescenz, 
während in einem vierten Falle bei Fütterung mit 25 ccm CHoOH die ausgeschiedene 
Formiatmenge nur 0,0922 g betrug. Diese Inconstanz und die Kleinheit der Werte an 
sich, welche die Deutung von Vergleichsversuchen schwierig erscheinen Hessen, ver- 
anlasste mich, von der weiteren Verwendung dieser Tierspecies abzusehen, und so 
wurden alle im folgenden zu schildernden Versuche an Hunden vorgenommen. Es 
wurde dabei in der Weise vorgegangen, dass dasselbe Tier zunächst mit Methyl¬ 
alkohol gefüttert und die ausgeschiedene Formiatmenge bestimmt wurde; dann erhielt es 
die zum Vergleich heranzuziehende Substanz plus Methylalkohol, und die ausgeschiedene 
Ameisensäure wurde gleichfalls bestimmt. Waren an einem Hunde mehrere Versuchs¬ 
reihen vorgenommen, so wurde von Zeit zu Zeit ein Controllversuch mit reiner Methyl¬ 
alkoholfütterung eingeschoben, um sicher zu sein, dass die zum Vergleich herange¬ 
zogene Formiatmenge auch jetzt noch annähernd gleich ausgeschieden werde und 
nicht etwa durch dauernde Störung der Oxydationsverhältnisse des Tieres infolge der 
vorangegangenen Versuche verändert worden sei. Um den Einfluss der Individualität 
der einzelnen Tiere auszuschalten, mussten eine grössere Anzahl solcher Versuche an 
verschiedenen Hunden angestellt werden ; sie nahmen folgenden Verlauf: Nach Fütterung 
von 25 ccm Methylalkohols schied ein etwa 10 kg schwerer Hund (Versuch III) 

9 am 1. Tage 0,0916 g Formiat 

* 2. „ M632g „ 

r 3. „ 1,2634 g „ 

„ 4. „ 0,5800 g „ 

„ 5- Ti 0,3036 g „ 

77 6. „ 0,1018 g „ 

im Harn aus, zusammen 3,5952 g Ameisensäure. Ein zweites und drittes Tier er¬ 
gaben bei dergleichen Versuchsanordnung 3,1212 und 4,5814g Formiat. Mit dem 
6. Tage pllegte die abnorme Erhöhung der Ameisensäureausscheidung abgeklungen 


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Ueber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch andere Alkohole. 3*27 


zu sein, weshalb sich auch alle folgenden Versuche auf Harnuntersuchungen 
während dieser ersten 6 Tage beschränken. Selbstverständlich wurde, um sicher zu 
sein, wiederholt eine Controlle auch an späteren Tagen vorgenommen, welche jedooh 
in keinem Falle wesentlich andere Werte ergab. Sodann wurden zum Teil dieselben, 
zum Teil andere Hunde mit grösseren und kleineren Mengen von Methylalkohol 
gefüttert, und es ergab sich hierbei folgendes (Versuch IV und V): Zwei mit 45 resp. 
50 ccm gefütterte Tiere schieden aus 2,7265 bzw. 2,8878 g Formiat. Zwei Tiere, 
denen je 12,5 ccm CH 3 OH gereicht wurde, zeigten im Ham 1,8492 und 1,3708 g 
Formiat. Es ergab die Uebersicht der Versuche, dass sich bei Darreichung von 
25 ccm CH s OH die Formiatwerte von 3,1 bis 4,6 g bewegten. Bei Dosen von 12,5 ccm 
erhielt man etwa die Hälfte, bei Dosen von 45—50 ccm war die Ausscheidung des 
Formiats nicht nur nicht entsprechend gesteigert, sondern sogar verringert. Wollte 
man daher die Ausscheidung bei gleichzeitiger Darreichung anderer Agentien prüfen, 
so war es am günstigsten, bei annähernd 25 ccm Methylalkohol zu bleiben. Die zu 
diesen Fütterungsversuchen benutzten Hunde wogen 6—13 kg. 

Sodann gingen wir über zur Verabreichung von Aethylalkohol an Tiere, deren 
Formiatausscheidung für 25 ccm Methylalkohol festgestellt war. Vorher war es 
nötig zu prüfen, ob etwa die Ausscheidung von Formiat bei Fütterung von Aethyl¬ 
alkohol in irgend einer Weise beeinflusst würde. Der dahin zielende Controllversuch 
ergab bei achttägiger Beobachtung, dass dies sicher nicht der Fall war. Ich lasse 
nun zwei Versuche mit combinierter Fütterung von Methyl- und Aethylalkohol folgen 
(Versuch VI): Ein Hund von 8 1 /* kg erhielt mittels Schlundsonde 25 ccm CH s OII 
+ 25 ccm C 2 H 5 0H; seine Ausscheidungsverhältnisse während der folgenden 6 Tage 
verliefen folgendermassen: 

am 1. Tage 580 ccm Harn mit 0,0852 g Formiat 

* 2. „ 760 „ „ „ 0,7658 g , 

r> 3. „ 860 „ „ „ 0,6435 g „ 

„ 4 - * 920 „ „ „ 0,2648 g „ 

t, 5. „ 1500 „ n „ 0,1707 g „ 

* 6. „ 1350 „ „ „ 0,0060 g „ 

Das ergibt eine Gesamtformiatmenge von 1,9360 g gegenüber einor solchen von 
3,1—4,6 g bei reiner Methylalkoholdarreichung. Die Form der Curve ist insofern die 
gleiche geblieben, als auch hier das Maximum der Ausscheidung am 2. und 3. Tage 
erfolgt, nur die einzelnen Werte sind kleiner geworden. Die gleichen Resultate zeigte 
ein homologer Versuch (Versuch VII), bei welchem ein Tier von O 1 /^ kg 20ccm Methyl- 
und 15 ccm Aethylalkohol zusammen erhielt: 

am l.Tage 375 ccm Harn mit 0,0352g Formiat 
71 n tj 7 ) n 0,2404 g „ 

n „ 700 „ „ „ 0,7892 g „ 

» 4. „ 500 „ „ „ 0,2096 g „ 

am 5. u. 6. „ 1075 „ „ „ 0,4433 g „ 

Zusammen schied dieses Tier 1,7177 g Formiat aus; die Formiatmengo ist hier 
geringer als sie oben nach 12,5 ccm Methylalkohols beobachtet wurde. Es ist also 
nach Aethylalkoholzufuhr ein Minus von Formiat vorhanden. 

Was das äussere Verhalten der Tiere in diesen Combinationsversuchen anlangt, 
so möchte ich hervorheben, dass eine stärkere Rauschwirkung bei combinierter 
Fütterung als bei Methylalkohol allein nicht zu beobachten war, dass überhaupt eine 
wesentliche Aenderung im äusseren Bilde nicht auftrat. 

Nun ging ich über zur Combination des Methylalkohols mit Amylalkohol und 
Aceton (Versuch VIII): Hund von SY 2 kg, welcher auf 45 ccm CH 3 OH allein in 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie 15. lid. .)*) 


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328 Ernst Asser, 

7 Tagen 2,7265 g Formiat ausgeschieden hatte, erhielt 45 ccm Methylalkohol 
+ 5 ccm Amylalkohol: 

am 1. Tage 975 ccm Harn mit 0,1796 g Formiat 


» 2. 

n 

915 

77 

77 

77 

0,5986 g 

77 

„ 3. 

77 

1030 

77 

77 

77 

0,2896 g 

77 

n 4. 

77 

850 

77 

n 

77 

0,1130 g 

77 

„ 5. 

77 

900 

77 

77 

77 

0,2410 g 

77 

am 6.u. 7. 

77 

1000 

77 

77 

77 

0,0644 g 
1,4862 g 

77 

Formiat. 


Das ist ungefähr die Hälfte der Ausscheidung nach Fütterung mit derselben 
Methylalkoholmenge ohne Corabination mit C ß H 11 OH. Aehnlich verhielt es sich bei 
Combination mit Aceton (Versuch IX): Hund von 12 kg lieferte auf 25 ccm CH 3 OH 
innerhalb von 6 Tagen 3,5952 g Formiat; er erhielt später 25 ccm CH 3 OH + 25 ccm 
Aceton und schied in der gleichen Zeit folgende Formiatmengen aus: 


am 

1 . 

Tage 475 

ccm 

Harn 

mit 0,0060 g 

Formiat 

77 

2 . 

77 

900 

77 

77 

n 0,1795 g 

77 

77 

3. 

77 

470 

77 

»7 

v 0,4516 g 

77 

77 

4. 

77 

680 

77 

77 

„ 0,4340 g 

77 

77 

5. 

77 

880 

77 

77 

* 0,0440 g 

7? 

77 

6 . 

77 

640 

77 

77 

„ 0,0020 g 

1,1171g 

77 

Formiat. 


Nach einmonatiger Pause erhielt der gleiche Hund nochmals das gleiche 
Quantum, also 25ccmCH 3 OH + 25ccm Aceton und zeigt folgende Ausscheidungscurve: 


am 

1 . 

Tage 540 

ccm 

Harn mit 0,1188 g 

Formiat 

77 

2. 

77 

200 

77 

77 

„ 0,4885 g 

77 

77 

3. 

77 

920 

77 

77 

„ 0,4592 g 

77 

77 

4. 

77 

755 

77 

r 

„ 0,0665 g 

77 

77 

5. 

77 

800 

77 

77 

„ 0,0064 g 

77 

77 

6. 

77 

590 

77 

77 

n 0,0056 g 

77 







1,1560 g 

Formiat. 


Sodann liess ich dem Hund abermals zwei Wochen Ruhe und verabfolgte ihm nur 
25 ccm CH 3 OH, worauf er seinen anfänglichen Ausscheidungswert nicht nur wieder 
erreichte, sondern sogar übertraf, indem er in sechs Tagen 4,5814 g Formiat im Harn 
erscheinen liess. 

Durch diese Anordnung des Versuches sollte dargetan werden, dass die Hemmung 
in der Ausscheidung von Ameisensäure nach der combinierten Fütterung nicht auf 
eine dauernde Schädigung irgendwelcher Art zurüokzuführen ist, sondern dass das 
Tier, wenn man ihm einige Zeit zur Erholung gönnt, dann wieder in der anfänglichen 
Weise reagiert. 

Bevor ich des Näheren auf die Deutung des beschriebenen Resultates 
eingehe, sei noch hervorgehoben, dass so kleine Mengen wie 15 ccm Alkohol 
und so schwach narkotisierende Stoffe wie das Aceton erniedrigend auf 
die Formiatwerte eingewirkt haben. Da das Aceton nach Versuchen von 
L. Schwarz (6) und Müller zu den unangreifbaren Stoffen gehört, ist 
das Phänomen auch beim Aethylalkohol nicht durch das Inbeschlag¬ 
genommensein der Zellen mit oxydativen Leistungen zu erklären. Dies 
geht auch daraus hervor, dass Zusatz von anderen sicher leichtest 
oxydierbaren Stoffen eine homologe Hemmung nicht hervorgerufen haben. 
Wenigstens verlief der nachfolgende Versuch in diesem Sinne: 


Gck igle 


Original fro-m 

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Ueber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch andere Alkohole. 329 


Ein Hund von S l / 2 kg hatte 25 ccm (Versuch X) Methylalkohol erhalten und 
darauf in 6 Tagen 3,1212 g Formiat ausgeschieden; wurde ihm mittels Schlundsonde 
25 ccm CH 3 OH + 25 g Traubenzucker beigebracht, so ergaben sich folgende Werte: 
am 1 . Tage 280 ccm Harn mit 0,0002 g Formiat 
* * 215 „ „ „ 0,8748 g „ 

n 3 - „ 380 „ „ t, 0,5470 g „ 

» 4 - „ 630 „ „ „ l,H 88 g „ 

n 5. „ 310 „ „ „ 0,4298 g „ 

„ 6 . „ 800 „ „ „ 0,3884 g „ 

3,3590 g Formiat. 

Am 7. Tage ging trotz des hohen Formiatwertes vom Vortage nooh kaum Säure ins 
Destillat über. Es hatten seither Stepphuhn und Schellbach (7) in Gottliebs 
Laboratorium Versuche veröffentlicht, die für die Annahme sprechen, dass der Zucker 
selbst über Ameisensäure abgebaut wird. Doch scheint schon nach den minimalen 
Formiatausscheidungen des Normalharns diese Quote der Zuckeroxydation allzu ge¬ 
ringfügig, als dass sie als Gegenbeweis gegen die Gültigkeit obigen Versuches heran¬ 
gezogen werden könnte. 

Hierher gehört dann auch ein weiterer Versuch (Versuch XI) mit Glycerinzusatz: 
Ein Hund von fast 13 kg erhielt 25 ccm Methylalkohol + 10 ccm Glycerin: 

am 1. Tage 750 ccm Harn mit 0,1006 g Formiat 

„ 2. * 1000 „ „ „ 0,3864 g „ 

n 3- * 460 „ „ „ 0,7404g „ 

„ 4. „ 820 „ „ „ 0,5494 g „ 

n 5. „ 950 7 , t, 77 0,0984 g „ 

„ 6 . „ 4G0 „ „ „ 0,0248 g „ 

1,9000 g Formiat. 

Zehn Tage später schied er auf Fütterung von 25 ccm CH 3 OH 2,0334 g Formiat, also 
fast den gleichen Wert aus. 

Diese letzteren Befunde haben nicht allein für das in Rede stehende 
Thema Bedeutung, sondern sind auch von einem weiteren Gesichtspunkte 
nicht unwichtig. Nach den Erfahrungen Rosenfelds (9) „die Fette ver¬ 
brennen im Feuer der Kohlenhydrate 14 könnte man zur Verallgemeinerung 
dieser spcciellen These geneigt sein und annehmen, dass die Oxydation 
eines leicht verbrennbaren Körpers Anstoss zur Oxydation eines zweiten 
geben kann; auf den Methylalkohol ist diese Anschauung jedenfalls nicht 
übertragbar. 

IV. 

In den vorstehenden Methylalkoholversuchen wurde nach Aethyl- 
alkohol, Amylalkohol und Aceton ein Absinken der Formiatwerte des 
Harns beobachtet. Hierfür lassen sich folgende Möglichkeiten entwerfen. 
Es handelt sich entweder 

a) um eine Oxydationssteigerung, eine Förderung der Formiat- 
verbrennung, oder 

b) um eine Oxydationshemmung, um eine Störung der Formiat- 
bildung, z. B. durch Zunahme der Exhalationsmenge un- 
geänderten Methylalkohols oder 

c) um Eintritt einer andersartigen Verarbeitung des Methylalkohols 
oder des Formiats unter diesen abnormen Bedingungen. 

Hierüber sollten nachfolgende Versuche Aufschluss bringen. 


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330 


Ernst Asser, 


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DieTiere erhielten auch hier zunächst reines Natriumformiat in wässriger Losung, 
um ihre Normalausscheidungsquote durch den Harn kennen zu lernen. Dieser wurde 
genau in der oben beschriebenen Weise behandelt. Es wurden je 2 g chemisch reines, 
vorher getrocknetes Natrium formicicum verabreicht, die Ausscheidung derselben war 
im wesentlichen nach dem 2. Tage beendet (Versuch XU). 

Hund von 11 kg liefert dann 

am 1. Tage 760 ccm Harn mit 0,3140 g Formiat 

„ 2. „ 570 „ „ „ 0,0248 g „ 

zusammen 0,3388 g Formiat. 

Am darauffolgenden Tage betrug die Ausscheidung nur 0,0040 g. Subtrahieren wir 
hiervon den aus dem Mittel vieler Versuche gefundenen Wert für die tägliche normale 
Ameisensäureausscheidung bei einem Hund dieses Gewichtes 0,008 g, so bleibt ein 
Rest von 0,3238 g Formiat, das sind 16,14 pCt. der verabfolgten Menge. 

Hund von kg liefert 

am 1. Tage nach der Fütterung 0,2708 g Formiat 
„ 2. „ „ r 0,0516 g r 

zusammen 0,3224 g, nach Abzug der Normalwerte 0,3064 g Formiat oder 15,32 pCt. 

Hund von 9,2 kg liefert 

am 1. Tage 820 ccm Harn mit 0,3620 g Formiat 

r 2. „ 780 „ r 0,0370 g „ 

zusammen 0,3990 g, nach Abzug der Normalwerte 0,3830 g Formiat oder 19,15 pCt. 

Die Resultate dieser Versuche entsprechen dem von Pohl bei 
gleicher Anordnung gefundenen mittleren Wert von 18 pCt. Was das 
klinische Verhalten der gefütterten Tiere anlangt, so verhielten sie sich, 
wie es schon bekannt, gegenüber der Natriumformiat-Lösung völlig 
reaktionslos. 

Nun combinierte ich auch hier die Ameisensäuredarreichung mit 
einer gleichzeitigen Gabe von alkoholischen Substanzen und lasse die 
Resultate folgen: 

Hund von 12,3 kg erhielt 2 g Na. formic. + 5 ccm CgHjjOH und schied aus 
am 1. Tage 1160 ccm Harn mit 0,1388 g Formiat 
,. 2. r 1130 ,. ,, 0,0464 g „ 

„ 3. v 1355 r „ „ 0,0288 g „ 

zusammen 0,2140 g, nach Abzug der Normalwerte 0,1900 g Formiat oder 9.50 pCt. 
Bei diesem Versuch wurde, da am 3. Tage nach der Fütterung die erhöhte Aus¬ 
scheidung noch anhielt, der Wert dieses Tages mitgerechnot. 

Hund von 9,5 kg erhielt 2 g Na. formic. + 25 ccm G 2 H 5 OH und schied aus: 
am 1. Tage 800 ccm Harn mit 0,0804 g Formiat 
„ 2. „ 530 „ „ „ 0,0260 g „ 

zusammen 0,1064 g, nach Abzug der Normal werte 0,0904 g Formiat oder 4,5 pCt. 

Hund von 11,5 kg erhielt 2 g Na. formic. + 25 ccm Aceton und schied aus: 
an» 1. Tage 920 ccm Harn mit 0,2660 g Formiat 
„ 2. ,, 780 „ ,, ., 0,0140 g ,, 

zusammen 0.2800 g, nach Abzug der Normalwerte 0,2640 g Formiat oder 13,20 pCt. 
der verabfolgten Menge. 

Aus diesen Versuchen geht hervor, dass es unter dem Einfluss der 
Alkohole verglichen mit der Norm zu einer leichten Steigerung der 


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Ueber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch andere Alkohole. 331 


Fähigkeit der Formiatoxydation kommt. Bevor aus diesem Befunde ein weit¬ 
gehender Schluss gezogen wird, ist es noch nötig, auch auf die zweite oben 
erwähnte Möglichkeit, die Aenderung der Alkoholexhalation einzugehen. 
In dieser Richtung liegen Versuche von Völtz und Dietrich vor; sie 
fanden bei Untersuchung der Exhalationsluft nach Methylalkoholdarreichung 
am Hunde in den ersten 48 Stunden im Mittel von drei Versuchen 21,5 pCt. 
der gefütterten Menge CH 3 OH wieder. Da es mir wichtig erschien, zu 
untersuchen, ob der protrahierten, sich über circa eine Woche erstreckenden 
Formiatausscheidung im Harn nicht auch vielleicht eine längere Exhalation 
des Methylalkohols seitens des Versuchstieres entspräche, stellte ich einen 
dahingehenden Versuch mit folgendem Resultat an: 


Ein Hund von 4 kg wurde mit 25 ccm Methylalkohol gefüttert und sofort unter 
die Glocke gebracht, ln der im Teil I dieser Arbeit beschriebenen Weise wurde nnn 
die Exhalationsluft eine Woche hindurch durch die Kaliumbichromat + Schwefelsäure 
enthaltenden Vorlagen hindurch gesaugt und der in ihnen aufgefangene Methylalkohol 
titrimetisch bestimmt. Das Tier wurde täglich für einige Minuten zur Fütterung und 
Tränkung aus der Glocke gelassen, und wies in seinem Verhalten, da der Raum 
unter der Glocke ihm seiner Grösse entsprechend genügend Bewegungsfreiheit liess, 
andererseits auch bei der Anordnung des Versuches die Atmung in keiner Weise be¬ 
hindert war, niemals darauf hin, dass es den einwöchigen Aufenthalt in diesem Ge¬ 
fängnis besonders lästig empfinde. 

Durch die Vorlagen wurden nun folgende Mengen von Methylalkohol gebunden 
(Versuch XIII): 


In der 1.— 5. Stunde 0,978 ccm \ 


11 

„ 6. 

- 24. 

ii 

2,501 


„ 25. 

- 30. 

ii 

0,834 

71 

„ 31. 

— 48. 

ii 

2,450 

n 

„ 49. 

- 54. 

ii 

0,537 

11 

n 35. 

— 72. 

ii 

1,768' 

11 

„ 73. 

— 78. 

ii 

0,113 


„ 79. 

- 95. 

ii 

2,400 


„ 96. 

-123. 

ii 

•— 


„124. 

-144. 

ii 

— 

11 

„ 145. 

-168. 

ii 

— 


am 1. Tage 3,479 — 13,9 pCt. 

„ 2. „ 3,284 = 13,1 „ 

„ 3. „ 2,305 = 9,2 „ 

„ 4. „ 2,513 = 10,0 „ 

„ 5. „ 1,185 = 4,7 ,, 

„ 6. „ 0,565 = 2,3 „ 

„ « 0,418= 1,7 „ 


In den nicht gewechselten letzten Vorlagen 0,213 = 0,9 pOt., zusammen 
13,962 ccm CH 3 OH = 55,8 pCt. der verabfolgten Menge. 


Die Werte für die ersten 48 Stunden stimmen annähernd mit den 
von Völtz und Dietrich gefundenen überein; dass indes in den folgenden 
Tagen noch so beträchtliche Mengen des aufgenommenen Methylalkohols 
exhaliert werden, dürfte nicht ohne Interesse sein für das Oxydations¬ 
problem des Methylalkohols und in Hinblick auf die klinischen Er¬ 
scheinungen, welche bei den Vergiftungen mit diesem Stoff gemacht 
wurden. 

Da wir nun bei Benutzung des obigen Verfahrens den exhalierten 
Alkohol nur durch Reduction der Chromsäure bestimmen, konnten wir 
den Einfluss des Aethylalkohols auf die Methylalkoholexhalation durch 
Titration der Exhalationsluft nicht eruieren, indem aus der blossen 
Reduction des Chromates kein Rückschluss auf die Natur des reducierenden 
Stoffes möglich gewesen wäre. Ein anderes für den vorliegenden Fall 


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Ernst Asser, 


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332 

anwendbares Verfahren ist mir nicht bekannt, deshalb musste zu folgender 
indirekten Anordnung geschritten werden: 

Obige Versuche zeigten, dass es auch unter dem Einfluss der Aethyl- 
alkoholzufuhr zu einer leichten Steigerung der Formiatoxydation kam. 
Eine solche könnte mit einer Hemmung der Oxydation des Aethylalkohols 
parallel gehen, was sich in einer Steigerung der Exhalationsquote äussern 
müsste. Um dies festzustellen, wurden folgende Versuche (XIV, XV) 

unternommen: 

Hund von 4,5 kg erhalt 12,5 ccm Aethylalkohol und kommt unter die Glocke, 
unter welcher er 23 Stunden verbleibt. Das Auffangen der Exhalationsluft sowie die 
Verarbeitung der reducierten Chromsäure aus den Vorlagen ist eingangs beschrieben. 
In der Exhalationsluft fand ich in der 

1.— 3. Stunde nach der Fütterung 0,326 ccm = 2,61 pCt. 

4.- 7. „ „ „ „ 0,326 „ = 2,61 „ 

8-10. „ „ „ „ 0,119 „ =0,95 „ 

11-23. „ * r 0,227 „ =1,82 „ 

zusammen also 0,998 ccm oder 7,98 pGt. des gereichten Aethylalkohols. 

Nach der 23. Stunde exhalierte das Tier noch weitere Stunden unter der Glocke 
in neu beschickte Vorlagen, ohne indes noch Alkohol zu liefern. Die Chromsäure in 
den letzten drei Vorlagen des Systems war gleichfalls unangegriffen. 

Fünf Tage später erhält derselbe Hund mit der Schlundsonde 12,5 ccm Aethyl¬ 
alkohol + 2 g trocken gewogenes, chemisch reines Natriumformiat. Bei gleicher Ver¬ 
suchsanordnung exhalierte das Tier in der 

1.—• 3. Stunde nach der Fütterung 0,326 ccm = 2,61 pCt. 

2-6. „ „ „ 0,227 „ =1,82 „ 

9. „ „ „ ri 0,119 „ 0,95 T 

10.-25. „ „ „ 0,326 „ =2,61 „ 

zusammen 0,998 ccm oder 7,98 pCt. des gefütterten Aethylalkohols. 

Nach der 25. Stunde fand sich keine weitere Alkoholexhalation, auch hier zeigte 
die Chromsäure der letzten drei Vorlagen keine titrimetrisch nachweisbare Reduction. 

Dürfen wir dieses Resultat mit Formiat -f- Aethylalkohol auf den 
Methylalkohol -f- Aethylalkohol übertragen, dann würde die Aethylalkohol- 
eombination gewiss nicht dadurch zum Anlass für eine Minderausscheidung 
von Formiat werden, dass die Exhalation der Methylalkohole in die Höhe 
geht, sondern eher in einer Förderung der Formiatoxydation. Zur end¬ 
gültigen Lösung dieser Frage wäre es sehr erwünscht gewesen, auch den 
Umfang der Formiatoxydation bei Acetondarreichung — das selbst un¬ 
angreifbar ist — festzustellen, doch zwangen mich äussere Gründe hier 
meine Versuche abzubrechen. 

Für die aphoristische Anschauung einer Hemmung der Methylalkohol¬ 
oxydation durch Zufuhr eines zweiten Alkohols haben meine Versuche 
keine Stütze gebracht, hingegen haben sie die neue Tatsache der Aenderung 
der Oxydationsverhältnisse bei Alkoholcombinationen ermittelt. 

V. Formiatoxydation nach chronischem Alkoholgenuss. 

Lin weiterer Wunsch war es, zu erfahren, ob ein an einen bestimmten 
Alkohol bereits gewöhnterOrganisinus in der Verarbeitung des Methylalkohols 
ein Abweichen von der Norm erkennen lässt, was im Hinblick auf die klinischen 
Erfahrungen hei den Massenvergiftungen mit Methylalkohol wuchtig schien. 


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Ueber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch andere Alkohole. 333 


Zu diesem Zwecke reichte ich dem Versuchstier neun Tage hindurch steigende 
Dosen von Aethyl- + Amylalkohol und gab ihm dann Methylalkohol (Versuch XVI). 
Der Versuch nahm folgenden Verlauf: Hund von 12kg erhält mittels Schlundsonde 
am 1. Tage 25 ccm Aethylalkohol + 5 ccm Amylalkohol 


2 . 

3. 

4. 

5. 

6 . 

7. 

8 . 

9. 


25 

35 

25 

30 

35 

35 

35 

35 


+ 5 
+ 2 
+ 5 
+ 6 
+ 7 
+ 6 
+ 6 
+ 6 


zusammen 270 ccm Aethylalkohol u.48 ccm Amylalkohol. 

Das Tier hat sich während dieser Periode täglich in mehrstündigem Rauschzustand 
befunden. Am Tage nach der letzten Fütterung erhielt der Hund, welcher übrigens 
während der Rauschperiode allmählich 1kg zugenommen hatte, 25 ccm Methylalkohol; 
seine Formiatausscheidung im Harn während der nächsten sechs Tage betrug: 
am 1. Tage 620 ccm Ham mit 0,3120 g 


2 . 

3. 

4. 

5. 

6 . 


530 

710 

490 

500 

480 


0,2784 „ 
0,8032 „ 
0,1174 „ 
0,0168 „ 
0,0024 „ 


insgesamt 1,5302 g Formiat. 

Um für diese Zahl den Vergleichswert zu haben, war derselbe Hund zwei Wochen 
vor Beginn der chronischen Alkoholdarreichung ebenfalls mit 25 ccm Methylalkohol 
gefüttert worden und hatte, wie folgt, Ameisensäure ausgesohieden: 

1. Tage 580 ccm Harn mit 0,0924 g 


am 

n 

r> 

77 


2 . 

3. 

4. 

5. 

6 . 


260 

250 

380 

150 

420 


0,9226 „ 
1,2822 „ 
1,1322 „ 
0,7557 „ 
0,3963 „ 


zusammen 4,5814, also das dreifache. In der Zeit zwischen diesen beiden Versuchen 
blieb das Tier unbenutzt. 

Nun unternahm ich denselben chronischen Fütterungversuch mit nachträglicher 
Darreichung von Natrium formicicum. 


Hund von 13,5 kg hatte auf Gabe von 2 g Natrium formicicum 

am 1. Tage 760 ccm Harn mit 0,3140 g Natrium formicicum 
77 77 ^70 77 ” 77 0,0248 „ 77 77 

zusammen nach Abzug der Normalquote 0,3228 g oder 16pCt. der gereichten Substanz 
ausgeschieden, jetzt erhielt er zunächst 

am 1. Tage 25 ccm Aethylalkohol + 5 ccm Amylalkohol 


77 

2. 

77 

25 

77 

77 

+ 5 77 

77 

77 

3. 

77 

30 

77 

77 

+ 6 77 

71 

77 

4. 

77 

30 

77 

77 

+ 7 77 

77 

r> 

5. 

77 

30 

77 

77 

+ 7 n 

77 

77 

6. 

77 

30 

71 

77 

+ 6 _ 

77 

77 

7. 

77 

35 

77 

77 

+ 7 » 

77 

77 

8. 

7 ) 

30 

77 

77 

+ 6 „ 

77 


insgesamt 235 ocm Aethylalkohol u. 49 ccm Amylalkohol. 


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334 E. Asser, lieber Aenderung der Methylalkoholoxydation durch andere Alkohole. 


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Am Tage darauf wurdem ihm mit der Schlundsonde 2 g Natrium formicicum ein¬ 
geführt, und er lieferte: am Tage vor der Fütterung 0,0070 g, also einen durchaus 
normalen Wert, 

am 1. Tage 680 chm Harn mit 0,0148 g 

„ 2. „ 600 „ „ „ 0,0008 „ 

„ 3. „ 400 „ „ „ 0,0938 „ 

zusammen 0,1094 g, nach Abzug der normalen Ausscheidungswerte 0,0854 g Formiat 
oder 4,27 pCt. der gefütterten Menge. Die nächsten Tage wiesen wieder normalen 
Wert auf. 

Ich muss darauf verzichten, aus diesem geringen Versuchsmaterial 
weitergehende Schlüsse zu ziehen, immerhin ist von Interesse, dass die 
Ausscheidung der Ameisensäure in der Nachperiode noch immer ein ge¬ 
steigertes Zersetzungsvermögen des Körpers anzeigt, ähnlich wie es früher 
bei gleichzeitiger Darreichung von Aethylalkohol der Fall gewesen ist, 
ein Moment, welches ein Pendant darstellt zu der von Psychophysiologen 
festgestellten Nachwirkung einer starken Alkoholdosis. 

Es liegt bereits eine Studie von Pringsheim (8) vor, die sich mit 
dem Schicksal des Aethylalkohols bei gewöhnten und nicht gewöhnten 
Tieren beschäftigt. Der Autor beobachtet eine schnellere Oxydation im 
gewöhnten Organismus; ein Befund, der vielleicht in obigen Versuchen 
sein Analogon findet. 

Zum Schluss noch eine Bemerkung: 

Der Einfluss der Alkohole auf Oxydationen wurde bisher quantitativ 
nur mit der Nenckischen Methode der Benzoloxydation zu Phenol unter¬ 
sucht und zwar mit dem Resultat, dass die Alkoholzufuhr hemmend auf 
die Phenolbildung wirkt. Meine Befunde haben in gewissem Sinne das 
Gegenteil ergeben; zum mindesten warnen sie davor, Beobachtungen an 
aromatischen Substanzen ohne weiteres auf Fettkörper zu übertragen. 


Literatur. 

1. R. Lewy, lieber Methylalkohol und Methylalkohol Vergiftung. Diss. Berlin 1912. 

2. Rühle, Münchener ined. Wochenschr. 1912. S. 964. 

3. Kidl, lieber das Wesen der Methylalkoholvergiftung. Arch. f. exper. Pathol. u. 
Pharmakol. 1913. Bd. 72. S. 444. 

4. Pohl, lieber Oxydation des Methyl- und Aethylalkohols im Tierkörper. Ebenda. 
Bd. 31. S. 281. 

5. Völtz und Dietrich, Beteiligung des Methyl- und Aethylalkohols am gesamten 
Stoffumsatz im tierischen Organismus. Zeitschr. f. Biochem. Bd. 40. S. 15. 

6. L. Schwarz, Oxydation des Acetons. Arch. f. exp. Path. u. Pharmakol. Bd. 40. 
S. 169. 

7. 0. Stepphuhn und H. Schcllbach, Ueber die Ameisensäure als Zwischen¬ 
produkt der klinischen Zuckerspaltung. Zeitschr. f. exper. Chemie. 1912. Bd. 80. 
S. 274. 

8. .!. Pringsheim, Untersuchungen über das Wesen der Alkoholtoleranz. Zeitschr. 
f. Biochemie. 1908. Bd. 12. S. 143. 

9. Rosenfeld, Congr. f. innere Med. 1906. S. 448. 


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XI. 


Aus der II. med. Universitäts-Klinik der Königl. Charite zu Berlin 
(Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. Fr. Kraus). 

Der gesamte Energie* und Stoffumsatz beim aktiven 
anaphylaktischen und beim Anaphylatoxinfleber. 

Von 

Prof. Dr. Rahel Hirsch und Dr. Erich Leschke. 

(Hierzu Tafeln II-V.) 

I. Aktives anaphylaktisches nnd Anaphylatoxinfleber. 

Die von v. Behring entdeckte Erscheinung der Ueberempfind- 
lichkeit, die Richet später mit dem Namen der Anaphylaxie belegte, 
hat durch die Arbeiten der letzten Jahre für die Immunitätswissen¬ 
schaft eine Fülle von neuen Fragestellungen und Ergebnissen gebracht, 
aber auch für die klinische Medizin ein besonderes Interesse gewonnen. 
Ist doch eine ganze Reihe von Krankheitserscheinungen namentlich 
bei den Infectionskrankheiten der Ausdruck von anaphylaktischen Re¬ 
aktionen. Das gilt vor allem für das Fieber (Friedberger, Schitten- 
helm, Weic.hardt und Hartmann), für die Aenderungen des Blut¬ 
bildes (Schittenhelm, Weichardt und Grisshammer, Schlecht), 
des Blutdruckes (ßiedl und Kraus) und des Eiweissstoffwechsels 
(Friedemann und Isaac, Schittenhelm und Weichardt, Segale, 
Manoiloff). 

Alle diese Reaktionen des überempfindlichen Organismus beruhen 
auf der Wirkung von Eiweissspaltprodukten, die bei der parenteralen Ver¬ 
dauung durch das Serum entstehen. Die Anaphylaxie ist demnach 
bloss eine Teilerscheinung des parenteralen Eiweissabbaus 
(Schittenhelm und Weichardt). 

Die Tatsache, dass die parenterale Einverleibung von art¬ 
fremdem Eiweiss in kleinen Mengen Fieber, in grossen Mengen 
Temperatursturz hervorruft, ist von Krehl 1 ) festgestellt und durch 
zahlreiche Nachprüfungen bestätigt worden. E. Friedberger 2 ) gebührt 
das Verdienst, gezeigt zu haben, dass die Temperaturänderungen 
des anaphylaktischen Organismus in gleicher Weise verlaufen 

1) Krehl, Arch. f. experim. Pathol. 1895. Bd. 35. S. 222. 

2) E. Friedberger, Naturforscherversammlung Königsberg 1910. Berl. klin. 
Wochenschr. 1910. Nr. 42. Münch, med. Wochenschr. 1910. Nr. 50. Deutsche 
med. Wochenschr. 1911. Nr. 11 (Verein f. innere Med.). — Friedberger und 
Mita, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 1911. Bd. 10. H. 1. 


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336 


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Kahel Hirsch und Kr ich Loschke, 

und auf dem gleichen Prinzipe beruhen, lnjiciert man einem 
normalen Versuchstier eine geringe Menge artfremden Eiweisses und 
wartet darauf 14 Tage oder länger ab, reinjiciert ihm dann von dem 
gleichen artfremden Eiweiss eine gewisse Menge, so tritt je nach der 
Menge des reinjicierten Eiweisses Fieber oder Temperaturabfall ein. 
Dazwischen liegt eine Grenze, bei der die Temperatur normal bleibt, 
und das gleiche ist der Fall, wenn man sehr geringe Eiweissmengen re¬ 
injiciert, die keine Temperatursteigerung bedingen. Man erhält also nach 
Friedberger folgende Werte: 1. die Grenze für Temperatursturz, 2. die 
obere Konstanzgrenze, 3. die Grenze für Fieber, 4. die untere Konstanz¬ 
grenze. 

Das für die gesamte Fieberlehre wichtige Ergebnis dieser 
Untersuchungen besteht also darin, dass, um Friedbergers 
eigene Worte anzuführen, „der normale Organismus die Fähig¬ 
keit hat, das parenteral zugeführte artfremde Eiweiss unter 
Bildung von fiebererregenden Stoffen abzubaucn. Beim im¬ 
munisierten Tier ist infolge des Vorhandenseins von Antikörpern 
diese Fähigkeit ganz enorm gesteigert, so dass sich die Bildung 
fiebererzeugender Mengen von Gift oft schon aus viel tausend¬ 
fach, ja millionenfach kleineren Eiweissraengen ermöglichen 
lässt als beim normalen Tier u . 

Wir bezeichnen dieses Fieber bei aktiv anaphylaktischen Tieren 
durch Reinjection desselben artfremden Eiweisses, mit dem sie vor¬ 
behandelt, d. h. sensibilisiert worden sind, als aktives anaphylaktisches 
Fieber. 

Es bedeutete nun einen wichtigen Fortschritt in der Erkenntnis der 
anaphylaktischen Phänomene, dass es gelang, durch Behandlung von 
normalem Eiweiss mit frischem Serum im Reagenzglase Substanzen zu 
erhalten, die bei normalen Tieren die gleichen Erscheinungen der Ana¬ 
phylaxie auslösen wie das reinjicierte Eiweiss beim sensibilisierten Tier, 
und die E. Fried b erg er darum als Anaphylatoxin bezeichnet hat. 

E. Friedberger hat auch als erster in Gemeinschaft mit Mita 1 ) 
über Versuche berichtet, in denen es ihm gelungen ist, durch intra¬ 
peritoneale Injection von Anaphylatoxin bei Meerschweinchen in kleinen 
Mengen Teraperatursteigerung und in grossen Mengen Temperaturabfall 
zu erzeugen, Versuche, die von Thiele und Embleton 2 ) nachgeprüft 
und bestätigt wurden. Der eine von uns [Leschke 3 )] hat dann weiter¬ 
hin die Einwirkung des Anaphylatoxins auf die Temperatur bei 
verschiedenen Tierarten (Meerschweinchen, Kaninchen, Hund) unter¬ 
sucht mit den) Ergebnis, dass die eigentliche anaphylaktische Wirkung 
des Anaphylatoxins und seine Einwirkung auf die Temperatur miteinander 
parallel gehen, indem grosse Mengen zum Tode, untertödliche Mengen 
zum Temperatursturz und noch kleinere Mengen zum Fieber führen. 
Durch intravenöse Injection von Anaphylatoxin kann man namentlich 

1) E. Friedberger und Mita, Zeitschr.f. Immunitätsforsch. 1911. ßd. 10. H.l. 

2) Thiele und Embleton, Ebenda. 1912. Bd. 10. S. 178. 

3) E. Leschke, Diese Zeitsehr. 191o. ßd. 14. S. 151. 


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Energie- u. StolTurnsatz leim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anaphylatoxinfieber. 337 


bei Hunden und Kaninchen eine Teraperatursteigerung bis 41 0 und mehr 
erzeugen, die in der 2.—4. Stunde ihren Höhepunkt erreicht und erst 
in der 6.—10. Stunde abgeklungen war. Dabei gelang es, durch 
die Dosierung und die Intervalle der Anaphylatoxininjectionen 
jede beliebige Form der Fiebercurve experimentell zu erzeugen. 
Die Unterschiede in den Fiebercurven beim Meerschweinchen, die rasch 
ansteigen und rasch wieder abfallen, auch beim Hunde und Kaninchen, 
wurden dadurch erklärt, dass das Serum des Meerschweinchens etwa 
fünfmal mehr Complement enthält als das des Hundes und infolge dieses 
höheren Compleraentgehaltes das injicierte Anaphylatoxin schneller abbaut 
und damit unwirksam macht, als es das Serum des Hundes oder 
Kaninchens zu tun vermag. Es sei gleich an dieser Stelle aus¬ 
drücklich vermerkt, dass das Allgemeinbefinden der Tiere 
beim Anaphylatoxinfieber in keiner Weise alteriert war und 
namentlich keinerlei Zeichen von Collaps aufwies. Im Gegen¬ 
teil ist das Characteristicum des anaphylaktischen Collapses 
ja grade der Temperatursturz, also grade das Gegenteil von 
Fieber, wie ihn H. Pfeiffer in klassischer Weise beschrieben hat. 

II. Der gesamte Energie- und Stoffumsatz beim Anaphylatoxinfieber und 
beim aktiven anaphylaktischen Fieber. 

Der eben geschilderte Verlauf des Anaphylatoxinfiebers bei Kaninchen 
und Hunden und die Möglichkeit der experimentellen Erzeugung einer 
protrahierten Teraperatursteigerung ohne jede sichtbare Alteration des 
Allgemeinbefindens und im besonderen der Nahrungsaufnahme und -Ver¬ 
wertung Hessen uns das Anaphylatoxinfieber als besonders geeignet 
erscheinen zu einer genauen Untersuchung des gesamten Energie- und 
Stoffumsatzes bei dieser Form des anaphylaktischen, d. h. durch parenterale 
Eiweissspaltprodukte erzeugten Fiebers. 

Wir gingen dabei von der allgemein herrschenden Ansicht aus, 
dass das Anaphylatoxinfieber ein Beispiel für das bei anaphylaktischen 
Reaktionen überhaupt auftretende Fieber sei, und wenn nicht identisch, 
so doch durchaus in Parallele zu setzen sei mit dem Fieber bei anderen 
Formen der Anaphylaxie [aktive und passive Anaphylaxie 1 )]. 

Diese Arbeitshypothese, im Anaphylatoxinfieber ein Beispiel für das 
anaphylaktische Fieber überhaupt zu haben, erwies sich jedoch als nicht 
haltbar. Vielmehr führten unsere Versuche zu dem Ergebnis, dass das 
Anaphylatoxinfieber und das Fieber bei der aktiven Anaphylaxie im 
Stoffwechsel sich durchaus verschieden voneinander verhalten können. 

Es liegt uns fern, auf Grund dieses Befundes die seit der Entdeckung 
des Anaphylatoxins controverse Frage nach der Identität der Anaphyla¬ 
toxin Vergiftung mit dem anaphylaktischen Shock überhaupt hier aufrollen 
zu wollen, vielmehr begnügen wir uns mit der Mitteilung der objectiven 
Ergebnisse unserer Stoffwechseluntersuchungen und der aus ihnen folgenden 
Schlüsse über den Zusammenhang oder vielmehr das Fehlen eines Zu- 

1) Friedberger, Ueber anaphylaktisches Fieber. 30. Congr. f. innere Med. 
Wiesbaden 1913. 


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338 


Rahel Hirsch und Erich Leschke 


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samraenhanges zwischen Aeriderungen der Temperatur und Aenderungen 
des Stoffwechsels. 

Eine vorläufige Mitteilung unserer Versuchsergebnisse beim Anaphyla- 
toxinfieber haben wir schon in einer früheren Arbeit der einen von uns 
|R. Hirsch] 1 ), sowie auf dem vorjährigen Congrcss für innere Medicin 
in Wiesbaden 2 ) 3 ) gegeben. 

Ebensowenig wie beim Anaphylatoxinfieber ist auch beim aktiven 
anaphylaktischen Fieber oder bei der Anaphylaxie überhaupt der 
gesamte Energie- und Stoffumsatz bisher untersucht worden. 

Nur über den Eiweissumsatz bei der aktiven Anaphylaxie finden 
wir bereits einige Angaben in der Literatur. Dass parenteral ein verleibtes 
artfremdes Eiweiss beim normalen Tier abgebaut und im wesentlichen 
als Harnstoff ausgeschieden wird, hat zuerst Förster 4 ) festgestellt, und 
ist von Brown 5 ), Friedemann und Isaac 6 ), Heilner 7 ), Schittenhelm 
und Weichardt 8 ) bestätigt worden. Nur bei hungernden Tieren steigert 
die Injection artgleichen oder artfremden Serums die N-Ausscheidung in 
mässigem Grade. Auch der respiratorische Stoffwechsel erleidet nach 
den Versuchen von Heilner (1. c.) an hungernden Kaninchen durch die 
parenterale Einverleibung von Eiweiss keine Beeinflussung. Die ersten 
Versuche über den Eiweissstoffwechsel bei der Anaphylaxie haben Friede¬ 
mann und Isaac (1. c.) an der Krausschen Klinik angestellt. Die 
wesentlichen Ergebnisse ihrer Untersuchungen waren die folgenden: 
Während der normale Organismus beim Fleischfresser (Hund) parenteral 
einverleibtes Eiweiss abbaut und im wesentlichen als incoagulablen 
Stickstoff ausscheidet, oder beim Pflanzenfresser (Ziege) einfach retiniert, 
besitzt der immunisierte (d. h. anaphylaktische) Organismus gegenüber 
dem normalen eine erhöhte Fähigkeit, artfremdes Eiweiss parenteral ab¬ 
zubauen. Dabei ist „nach der Immunisierung die Eiweissinjection von 
einer beträchtlichen Vermehrung des Harnstickstoffes gefolgt, 
die die injicierte Stickstoffmenge sehr erheblich übertrifft“ 
(1. c., Bd. 1, S. 17). Diese Mehrausscheidung trat jedoch nur dann ein, 
wenn zwischen der letzten sensibilisierenden Injection und der im Stoff¬ 
wechselversuch untersuchten Reinjection ein Zeitraum lag, der zur Aus¬ 
bildung des anaphylaktischen Stadiums notwendig ist, also mindestens 
12 Tage. In diesem Falle wurden in der Tat neben dem injicierten 


1) Rahel Hirsch, Trypanosomen—Wärmestich—Anaphylatoxinfieber beim 
Kaninchen. Diese Zeitschr. 1913. Bd. 13. 

2) Rahel Hirsch, Anaphylatoxinfieber und Gesamtenergie- und -Stoffuinsatz. 
30. Gongr. f. innere Med. Wiesbaden 1913. 

3) Erich Leschke, Untersuchungen über anaphylaktisches Fieber. 30. Congr. 
f. innere Med. Wiesbaden 1913. 

4) Förster, Zeitschr. f. Biologie. 187G. 

f)) Brown, Journ. of exp. med. Bd. 6. p. 207. 

6) Friedemann und Isaac, Diese Zeitschr. 1905. Bd. 1. II. 3; 1906. Bd. 3. 
S. 209; 1907. Bd. 4. 

7) Hei 1 net*, Zeitschr. f. Biologie. 1907. Bd. 32. H. 1. 

8) Schittenhelm und Weichardt, Diese Zeitschr. 1912. Bd. 11. S. 69. 


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Energie- u. Stoffumsatz beim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anaphylatoxinfieber. 339 

Stickstoff noch 5,75 g N obendrein ausgeschieden. Im präanaphylak¬ 
tischen Stadium dagegen wurde bei einer Reinjection nicht nur keine 
Mehrausscheidung, sondern sogar unter Umständen eine gewisse Retention 
von Stickstoff erzielt. Friedemann und Isaac haben allerdings diese 
Deutung ihren Versuchen am Hunde nicht gegeben, sondern die divergenten 
Ergebnisse bei der Injection am 9. und am 12. Tage auf „zufällige Un¬ 
regelmässigkeiten 14 und möglicherweise auf die verschieden grossen Vor¬ 
behandlungsdosen geschoben, da ihnen der Zeitpunkt des Eintretens des 
anaphylaktischen Stadiums nicht bekannt war. Wir halten es bei der 
grossen Bedeutung, die die Versuche von Friedemann und Isaac für 
die Frage des parenteralen Eiweissstoffwechsels bei der Immunität be¬ 
sitzen, für notwendig, hierauf hinzuweisen und ihren Versuchen an Fleisch¬ 
fressern die richtige Deutung zu geben, die sie erst für die Beantwortung 
der Frage nach der verschiedenen Einwirkung des parenteral einverleibten 
Eiweisses im normalen, präanaphylaktischen und anaphylaktischen Stadium 
tauglich machen. Demnach wird im normalen Zustand parenteral 
ein verleibten Eiweiss vom Fleischfresser (Hund) als incoa- 
gulabler Stickstoff im Urin ausgeschieden, im präanaphylak¬ 
tischen Stadium ebenfalls ausgeschieden, zum Teil jedoch 
re tiniert, während es im anaphylaktischen Stadium Deine ausser¬ 
ordentlich hohe Stickstoffmehrausscheidung zur Folge hat. 

Während es in den Versuchen von Friederaann und Isaac nicht 
zu eigentlichen anaphylaktischen Erscheinungen kam, da die Re¬ 
injection auf subcutanem Wege erfolgte (auf die letzten, noch nicht ge¬ 
nügend aufgeklärten Versuche über die Giftwirkung artfremden*Eiweisses 
bei der Fleischfütterung können wir hier nicht eingehen), haben Schitten- 
helm und Weichardt in ihren klassischen Arbeiten über Eiweissumsatz 
und Ueberempfindlichkeit 2 ) den Eiweissstoffwechsel bei der anaphylak¬ 
tischen Reaktion untersucht. Sie benutzten hierzu die intravenöse Re¬ 
injection, die namentlich bei Hunden allein zu ausgesprochenen, akuten 
Erscheinungen führt, und fanden dabei gleichfalls eine Vermehrung der 
Stickstoffausscheidung. Wir geben einige von ihren Zahlen: Hund 15. 
Intravenöse Reinjection von 20 ccm Eiereiweiss. Steigen der N-Aus- 
scheidung von 1,88 auf 2,88, 3,32, 2,65, 2,41 am Injectionstage und 
den drei folgenden Tagen. Hund 10. Intravenöse Reinjection von 20 ccm 
Eiereiweiss. Steigen der N-Ausschcidung von 2,38 auf 2,78, 2,75. Neben 
der gesteigerten N-Ausfuhr, die auf eine toxische Schädigung der Körper¬ 
zellen zurückzuführen sein dürfte, fand sich gleichfalls eine Vermehrung 
des Allantoin und der Purinkörper im Urin als Ausdruck des infolge 
der intensiven Leukocytose gesteigerten Nucleinstoffwechsels. Schitten- 
helra und Weichardt kamen zu dem Schluss, dass wir durch die Ver¬ 
folgung des Stickstoffwechsels ebenso wie die der Leukocytenwerte einen 

1) Es ist natürlich nicht notwendig, dass bei diesen Versuchen auch andere 
anaphylaktische Erscheinungen, namentlich in den ersten Tagen des anaphylaktischen 
Stadiums in Erscheinung treten. In den Versuchen von Friedemann und Isaac 
fehlten sie schon aus dem Grunde, weil die Reinjection subcutan erfolgte. 

2) Diese Zeitschr. 1912. Bd. 10. S. 418 u. 442. Bd.ll.S. 69; Münchener med. 
Wochenschr. 1910. Nr. 34; 1911. Nr. 16; 1912. Nr. 2. 


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340 


Rahel Hirsch und Erich Leschke, 


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weitergehenden Einblick in die Schädigung des Organismus bei der 
Anaphylaxie erhalten als durch die früher allein übliche Messung der 
Temperatur. Einer anaphylaktischen Reaktion mit nur geringen Aende- 
rungen der Temperatur kann eine enorme und langandauernde Steigerung 
der Stickstoffzersetzung entsprechen neben intensiver Alteration des 
Allgemeinbefindens. 

Segale 1 ) hat gleichfalls den N-Stoffwechel bei der akuten aktiven 
Anaphylaxie untersucht, ohne jedoch auch Temperaturmessungen an¬ 
gestellt zu haben. Auch er fand in allen Fällen eine „forte eliminazione 
di azoto u . Wir wollen seine Versuche in einer kleinen Tabelle zusammen¬ 
stellen, da die Originalarbeit den meisten Lesern nur schwer zu beschaffen 
sein wird und die Ergebnisse doch verdienen, gekannt und berücksichtigt 
zu werden. 


fl 

3 

EE 

Tag nach 
der Sensibili¬ 
sierung 

Reinjection 

mit 

Rinderscrum 

Stickstoff; 

vor der 
Reinjection 

1. Tag | 2. Tag 

ausscheidung in Gramm 

nach der Reinjection 

1- Tag 

2. Tag 3. Tag 

4. Tag 

1 . 

25. Tag 

2 ccm intravenös 

2,23 1 2,61 

1 

5,89 

4,15 f 


2. 

15. . 

2 „ 

9,14 ! 9,58 

Anurie 

11,64 7,14 

— 

3. 

15. „ 

2 . 

5,89 5,42 


7,15 6,12 

— 

4. 

40. * 

1 - 

1,73 1,8 

2,92 

1 

1,71 | 2,24 

2,81 


AmJTage der Reinjection bestand infolge des anaphylaktischen Shocks 
zugleich Anurie in allen vier Fällen, im zweiten und dritten Falle auch 
am nächstfolgenden Tag. Dadurch werden die Ergebnisse dieser Ver¬ 
suche sehr beeinträchtigt. Die Anurie nach der Reinjection erklärt Segale 
durch die „forte congestione splancnica che lo shock anafilattico determina u . 

Schliesslich hat Manoiloff 2 ) vor einigen Monaten über die Beteili¬ 
gung des N-Stoffwechsels bei der Anaphylaxie des Kaninchens berichtet. 
Da der Wert von N-Bilanzen bei Kaninchen infolge der mannigfaltigen 
bei diesen Tieren in Betracht kommenden Versuchsfehler nur ein sehr 
zweifelhafter ist, hat Manoiloff seine Versuche bei drei bis vier Tage 
hungernden Tieren angestellt und in dem zwei- bis dreimal täglich durch 
den Katheter entnommenen Urin in dreitägigen Mengen den Stickstoff 
bestimmt. Dabei fand er in allen Fällen eine erhebliche N-Mehr- 
ausscheidung, während die Temperatur gleichzeitig stark ab¬ 
fiel. N-Stoffwechsel und Temperatur gingen also völlig ent¬ 
gegengesetzte Wege; die Temperatur sank bis 35,9°. Die N-Mehr- 
ausscheidung dauerte, mehrere Tage an. Der ausgeschiedene N stammte 
auch hier nicht aus dem artfremden Eiweiss, sondern aus dem Zerfall 
des eigenen Körpereiweisses. Wir wollen aus seiner ziemlich unübersicht¬ 
lichen Zusammenstellung die wichtigsten Ergebnisse seiner Versuche gleich¬ 
falls tabellarisch wiedergeben. 

1) M. Segale, Sul ricambio nella anafilassi da siero. Biochimia e terap. speri- 
ment. 1913. Vol. 4. p. 162. 

2) E. Manoiloff, Sur la maniere dont Pazote se coraporte ohez les lapins au 
rours des accidents anaphylactkjues. .lourn. de physiologie et de patliologie generale. 
März 1913. Tome 15. No. 2. p. 255. 


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Energie- u. Stoffumsatz beim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anaphylatoxinfieber. 341 


Kaninchen 1 

Stickstoffausscheidung 3 Tage 

vor der nach der 

Reinjection Reinjection 

Temperatur¬ 
sturz bis 

1 . 

0,95 

1,83 

36,lo 

2. 

1,45 

2,10 

37,4o 

3. 

1,73 

2,45 

36,70 

4. 

1,45 

2,50 

36,7° 

5. 

1,20 

1,62 

37,00 

G. 

1,07 

2,64 

36,9° 

7. 

1,00 

2,46 

35,90 

8. 

0,94 

1,23 

36,3° 

9. 

1,62 

2,71 

35,90 

10. 

1,12 

2,58 

35,90 

11. 

1,00 

2.54 

36,00 

12. 

1,00 

1,71 

37,0° 


Aus diesen Versuchen geht die Steigerung des Stickstoffurasatzes 
infolge von Zerfall körpereigenen Eiweisses deutlich hervor. 

Im Gegensatz zu diesen Autoren hat Heilner 1 ) nur im präanaphy¬ 
laktischen Stadium eine Steigerung der N-Ausscheidung gefunden, im 
anaphylaktischen dagegen eine beträchtliche Verminderung 
derselben (1,61 auf 0,92, 1,50 auf 1,12 und 0,98 auf 0,42 g N). 

Alle diese Arbeiten berücksichtigen jedoch lediglich den 
N-Umsatz. Ueber den gesamten Stoff- und Energieumsatz bei 
der Anaphylaxie sind bisher unseres Wissens Untersuchungen noch 
nicht angestellt worden 2 ). Und doch kann nur die Kenntnis des gesamten 
Kraft- und Stoffwechsels uns in der Erkenntnis der beim parenteralen 
Eiweissabbau sich abspielenden Vorgänge, die nicht nur eine iramuno- 
biologische, sondern auch eine ausserordentliche klinische Bedeutung be¬ 
sitzen, fördern. 

Eigene Versuche. 

In Folgendem wollen wir eine kurze Beschreibung unserer eigenen 
Versuche über den Gesamt-Energie- und Stoffumsatz beim 
Anaphylatoxinfieber und beim aktiven anaphylaktischen Fieber 
geben. Wir haben zuerst das Anaphylatoxinfieber untersucht. 

Die Herstellung des Anaphylatoxins geschah auf sterilem Wege, 
um jede Mitwirkung von Bakterien auszuschliessen. 

0,1 ccm steriles Menschenserum wurde mit 0,1—0,2 ccm sterilem 
präcipitierendem Antimenschenserum vom Titer 1:10000 versetzt und 
eine Stunde im Brutschrank gelassen. Darauf wurde das hierbei ent¬ 
standene specifische Präcipitat centrifugiert, mit physiologischer NaCl- 
Lösung ausgewaschen und mit frischem, compleraenthaltigem Serum durch¬ 
geschüttelt und 1 Stunde bei 37° und 20 Stunden im Kühlschrank digeriert. 
In den ersten Versuchen wurde zur Anaphylatoxinabspaltung aus dem 
Präcipitat frisches, eomplementhaltiges Meerschweinchenserum in der 
Menge von 6—8 ccm benutzt, in den späteren Versuchen jedoch frisches 

1) Zeitschr. f. Biol. 1912. Bd. 58. S. 333. 

2) Nur Löning hat den Gasstoff Wechsel beim anaphylaktischen Shock unter¬ 
sucht und ihn beim Temperatursturz und Collaps erniedrigt gefunden. Arch. f. exp. 
Path. 1911. Bd.GG. S. 84. 


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342 


R&hel Hirsch und Erich Leschke, 


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Hundeserum für die Versuche an Hunden in der Menge von etwa 15 ccm. 
Auf diese Weise war das Anaphylatoxin in der Mehrzahl der Versuche in art¬ 
eigenem Serum gelöst, obwohl dieser Umstand, wie der eine von uns [Leschke 1 )] 
bereits mitgeteilt hat, für das Anaphylatoxinfieber ohne Bedeutung ist. 

Das digerierte Präcipitat wurde abcentrifugiert und das klare, sterile 
Anaphylatoxin, das natürlich für jeden Versuch frisch hergestellt wurde, 
abgegossen und intravenös injiciert. 

Bei den Versuchen über den gesamten Energie- und Stoffumsatz beim 
aktiven anaphylaktischen Fieber sind wir folgenderraassen vor¬ 
gegangen. 

Wir haben den bereits früher zu den Stoffwechselversuchen bei Ana¬ 
phylatoxinfieber benutzten Hund durch drei subcutane Injectionen von je 
10 ccm Kaninchenserum am 6. 4., 11. 4. und 10. 5. 1913 aktiv sensi¬ 
bilisiert. Nach Eintritt des anaphylaktischen Stadiums haben wir ihn 
durch intravenöse Reinjection von 1 ccm Kaninchenserum in aktives 
anaphylaktisches Fieber versetzt. Kleinere Mengen erwiesen sich 
als unwirksam. Bei der Reinjection von 1 ccm Kaninchenserum trat 
neben dem Fieber, das sich meist über vier bis sechs Stunden erstreckte 
und in der zweiten Stunde Werte von 39,3, 39,7—40,5 erreichte, auch 
meist Erbrechen und Abgang von blutigem Schleim aus dem After auf, 
also das klassische Syraptomenbild der Enteritis anaphylactica von 
Schittenhelm und Weichardt 2 ). Im übrigen war jedoch das All¬ 
gemeinbefinden des Hundes nicht besonders alteriert, er verhielt sich, 
soweit er nicht Pressbewegungen machte, namentlich von der zweiten 
Stunde an, ganz ruhig im Stoffwechselkäfig. 

Wir betrachten es als einen besonderen Vorteil, dass wir die Unter¬ 
suchungen über das Anaphylatoxinfieber und über das aktive anaphylak¬ 
tische Fieber an demselben Hunde machen konnten, einem Tier, das sich 
durch seine ruhige Gemütsart und seine absolute Regelmässigkeit in der 
Nahrungsaufnahme und in seinen excretorischen Functionen zu solchen 
mühevollen und grosse Sorgfalt erheischenden Untersuchungen des gesamten 
Energie- und Stoffumsatzes ganz besonders eignete. 

In der Vorperiode war es gelungen, den 9400 g schweren Hund 
durch Darreichung von 150 g Hundekuchen und 400 ccm Wasser im 
Körpergleichgewicht zu halten. Die Stickstoffbilanzen, die direkt 
bestimmten Calorienbilanzen, das Körpergewicht zeigten ent¬ 
sprechende Gleichgewichts werte. 

Dieser Hund eignete sich ausserordentlich gut für Calorimeter- 
versuche, erstens, weil er absolut ruhig sich im Kasten verhielt 
und zweitens, weil er im Kasten niemals Urin Hess und niemals 
Stuhl darin absetzte. 

Für die Bestimmung und Bewertung des Respirationswassers 
ist dies von grösster Bedeutung, wie wir später sehen werden. 

1) Diese Zeitschrift. 1913. Bd. 14. S. 154. 

2) Ueber das Verhalten der Temperatur beim aktiv anaphylaktischen 
Fieber des Hundes und Kaninchens siehe die vorstehende Arbeit des einen von 
uns (Leschke) im 1. Heft dieses Bandes. 


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Energie- u. Stoffumsatz beim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anaphylatoxinüeber. 343 


Das Tier wurde unmittelbar, ehe es in den Kasten kam, gefüttert. 
Es frass stets die Nahrung mit einem Male auf. 

Um dem Einwand begegnen zu können, dass während des Aufent¬ 
haltes im Calorimeter die Körpertemperatur gesunken sein könnte, haben 
wir oft stündlich Messungen der Rectaltemperatur vorgenomraen, was 
wir auch früher stets schon an Tagen, an denen das Tier nicht im Kasten 
war, durchgeführt hatten. Da der Kasten sofort wieder geschlossen wird, 
und die Wärmecurve genau registriert vorliegt, kann die Wärme- 
production einwandsfrei berechnet werden. 

Da dies bei den Sauerstoff- und Kohlensäurewerten bei häufigem 
Oeffnen des Kastens nicht möglich ist, verzichten wir auf Mitteilung der 
betreffenden Werte. 

Der Hund wurde stets vor Beginn des Versuches und nach Be¬ 
endigung desselben gewogen und dann in seinen Stoffwechselkäfig ge¬ 
setzt. Er Hess Urin regelmässig dann erst im Käfig, so dass die ge¬ 
wonnenen Stickstoffzahlen einwandsfrei sind. 

Anaphylatoxinfieber oder aktives anaphylaktisches Fieber 
kann bei entsprechender Dosierung des Anaphylatoxins bzw. 
des artfremden Serums (in unserem Falle Kaninchenserum) bei 
Fiebertemperatur zur Einschränkung der Wärmeproduction 
führen. 

Tabelle I. 

Calorienbilanz beim Anaphylatoxinfieber and beim aktiven anaphylaktischen Fieber. 

Directe Calorimetrie. 


Datum 

Calorien- 

zufuht* 

Calorien- 

abgabe 

Calorien¬ 

bilanz 

Bemerkungen 



I. Anaphylatoxinfieber. 

4. 2. 1913 

690 

687,45 

+ 2,55 

Normaler Versuch. 

6 . 2. 1913 

690 

695,23 

- 5,23 

do. 

11.2. 1913 

690 

665 

+ 25,0 

2 ccm Anaphylatoxin intravenös. Tempe¬ 
ratur nach 2 Stunden 39,7°, normal 38,3°. 

13. 2. 1913 

690 

675 

+ 15 

2x3 ccm Anaphylatoxin intravenös. Um 
10 Uhr 38,3°, 11 Uhr 39,2», 12 Uhr 
40,3», 1 Uhr 40», 2V< Uhr 39,3», 4 Uhr 
37,9«, 6 Uhr 40». 8 Uhr 38». 

19. 3.1913 

690 

702,48 

- 12,48 

4 ccm Anaphylatoxin intravenös. Tempe¬ 
ratur nach 1 Stunde 39,6°, nach 5 Stunden 
40,4°. 

26. 3. 1913 

690 

740 

— 50 

Normaler Versuch. 

1.4.1913 

690 732,8 

j 

II. Aktive 

— 42,8 

s anaphyJ 

1 g Pepton subcutan. Temperatur unver¬ 
ändert. 

aktisches Fieber. 

2. 6 . 1913 

690 

872 

— 182 

i 

1 ccm Kaninchenserum intravenös. Tempe¬ 
ratur: 9 Uhr 38,4°, 10 Uhr 38,8°, 11 Uhr 
39,8o, 4 Uhr 39®. 

Normaler Versuch. 

5. 6 . 1913 

690 

854 

1 — 164 

10 . 6 . 1913 

920 

931,4 

- 11,4 

1 ccm Kaninchenserum. Nach 1 Stunde 
39,6°, nach 5 Stunden 38,3°; sehr un¬ 
ruhig, starker Tenesmus. 

12. 6 . 1913 

920 

880 

+ 40 

1 ccm Kaninchenserura intravenös. Um dem 
Tenesmus vorzubeugen Pantopon 0,3 g, 
darauf keine Störungen, sehr ruhig. Tem¬ 
peratur: 9 V> Uhr 38,3°, 12 Uhr 39,3 

2 Uhr 39,30. 


Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. 


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Energie- u. StofTumsatz beim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anaphylatoxinfieber. 345 


auf 39,7° wurden 25 Calorien retiniert und bei einem weiteren Ver- 
weiteren Versuch von 3 ccm Anaphylatoxin intravenös appliciert, wurden 
15 Calorien vom Körper zurückbehalten, bei einer Erhöhung der 
Körpertemperatur um 2,3° (40,3°). In allen Versuchen wurden wieder¬ 
holt stundenweise Messungen der Rectalkörpertemperatur vorgenommen: 
Niemals, in keinem Falle zeigte sich Collapstemperatur. Auch 
bei den aktiv erzeugten Fieberversuchen trat niemals Temperatur¬ 
sturz ein. 

Wird die Dosierung gesteigert, wie am 19. 3. 13 auf 4 ccm Ana¬ 
phylatoxin, so wird die Bilanz negativ. 

Bei dem aktiv erzeugten anaphylaktischen Fieber wird der Gesamt- 
Stoff- und Energieumsatz unter dem Einfluss der starken moto¬ 
rischen Unruhe, des intensiv sich geltend machenden Tenesraus 
beeinflusst, die Bilanzen werden in hohem Masse negativ. Dass die 
motorische Unruhe, der Tenesmus Ursache der Stoffwechselsteigerung 
sind, geht aus der Tatsache hervor, dass, nachdem durch Pantopon, 
0,3 g, der Darmstörung vorgebeugt worden war und das Tier sich ruhig 
verhielt, die Calorienbilanz bei Fiebertemperatur — 39,3° — wieder 
positiven Ausschlag um + 40 Calorien zeigte. Bei der Injection von 
Kaninchenserum — bei den aktiven Fieberversuchen — tritt bezüglich 
der Dosierung in dem Gesamt-Stoff- und Energieurasatz das Gegenteil 
nie bei den Versuchen mit Anaphylatoxin zutage: Mit steigernder 
Dosis Einschränkung der Wärmeproduction. 

Es zeigte sich hierbei die zunächst verblüffende Tatsache, dass 
bei der Reinjection von 16 ccm Kaninchenserum bei einer Fieber¬ 
temperatur von 40,1 0 die Calorienbilanz stark positiv wurde: 
-f- 155 Calorien, also eine erhebliche Einschränkung der Wärme¬ 
abgabe stattfand. 

Dieser Versuch beweist deutlich, dass beim Fieber die 
Temperatur und der Stoffumsatz durchaus nicht parallel zu 
gehen brauchen, wie das bisher meist angenommen worden ist. 
Vielmehr kann beim anaphylaktischen Fieber, das zweifellos 
auch in der menschlichen Pathologie seine Analoga hat, trotz 
hoher Temperatursteigung die Curve des Energie- und Stoff¬ 
umsatzes sinken und die Wärmeabgabe vermindert sein. 

Bemerkenswert ist auch der Versuch vom 25. 7., bei dem sich der 
Hund infolge einer am 22. 7. erfolgten Reinjection von 2 ccm Kaninchen¬ 
serum intravenös, die zu besonders schweren anaphylaktischen Er¬ 
scheinungen geführt hatte, sich im Zustande der Antianaphylaxie befand. 
Es war schon a priori zu erwarten, dass infolge der Antikörperabsättigung 
durch die letzte Injection das intravenös reinjicierte, artfremde Serum 
nicht so schnell parenteral abgebaut werden und durch seine toxischen 
Spaltprodukte den Stoffumsatz nicht in der gleichen Weise beeinflussen 
könnte, wie es das beim sensibilisierten, anaphylaktischen Tier tut. In 
der Tat verhielt sich der antianaphylaktischc Hund bei der Reinjection 
nicht nur klinisch wie ein normales Tier, sondern er wurde auch in 

23* 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



34(5 


Rahel Hirsch und Erich Leschke, 


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seinem gesamten Energie- und Stoffumsatz nicht in irgendwie nennens¬ 
werter Weise alteriert. Im 24 Stundenversuche ergab sich eine ge¬ 
ringe Unterbilanz von 12 Calorien, wie sie auch normalerweise be¬ 
obachtet wird. 

Im Zusammenhang mit diesen Versuchen beim Anaphylatoxin- und 
aktiven anaphylaktischen Fieber haben wir auch den Einfluss des Peptons 
auf den gesamten Energie- und Stoffwechsel untersucht. Wir benutzten 
hierbei ein besonders reines Wittepepton, das weder subcutan noch intra¬ 
venös bei Meerschweinchen, Kaninchen oder Hunden jemals zu Fieber 
führte. Vielmehr liess es in kleinen und mittleren Dosen die Temperatur 
der Versuchstiere gänzlich unbeeinflusst, während es in hohen Dosen 
(beim Hunde 2—5 g subcutan) nur zu einer einstündigen geringen 
Temperatursenkung um etwa 1 0 führte, wie der eine von uns in früher 
Veröffentlichten Versuchen ausführlich angegeben hat 1 ). 

Auch in dem Versuche vom 1. 4. 13 blieb die Temperatur nach der 
subcutanen Injection von 1 g Wittepepton unbeeinflusst. Trotzdem 
zeigte sich bei der Untersuchung des gesamten Energie- und Stoffumsatzes 
eine vermehrte Wärmeabgabe von 42,8 Calorien, also eine Unterbilanz. 
Da das Allgemeinbefinden des Hundes in keiner Weise gestört war, 
können wir diese vermehrte Calorienabgabe wohl auf die Wirkung des 
Peptons beziehen und in Parallele setzen zu der schon von Krehl und 
Matth es 2 3 ) gefundenen und seitdem oftmals bestätigten Erhöhung des 
Eiweissumsatzes nach Injection von Deuteroalbumosen und Pepton. Irgend 
eine Beziehung des Peptons zu der Anaphylaxie lässt sich jedoch aus 
diesen Stoffwechselversuchen ebensowenig ableiten wie aus den Unter¬ 
suchungen der Temperatur, des Blutdruckes u. a. 

Die Versuche mit Thymin-Poehl, die in die Tabelle mit auf¬ 
genommen worden sind, sind von Rahel Hirsch im Hinblick auf thera¬ 
peutische Versuche mit diesem Präparat [an Basedowkranken s )\ an¬ 
gestellt worden. Die Versuche sind nur hinzugefügt, um die Continuität 
der Tabelle nicht zu unterbrechen. 

Die Stickstoffbilanz. 

Im folgenden geben wir eine Uebersicht über die Stickstoffaus¬ 
scheidung während der gesamten Dauer der Versuche, von denen 
die im Februar—März—April ausgeführten den Einfluss des Anaphyla- 
toxinfiebers, die im Juni—Juli ausgeführten den Einfluss des aktiven 
anaphylaktischen Fiebers auf den Eiweissstoffwechsel zeigen. Der 
Stickstoff wurde in der Nahrung (Hundekuchen), dem zweitägen Urin und 
dem Kot fortlaufend nach Kjeldahl bestimmt. 

1 ) E. Leschke, Diese Zeitsehr. 1913. Bd. 14. 

2) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1897. Bd. 38. S. 284 und 1898. 
Bd. 40. S. 430. 

3) Rahel Hirsch, Tbymin in der Behandlung des Morbus Basedowii und 
Thymin als Schlafmittel. Deutsche med. Wochenschr. 1913. Nr. 44. 


Gck igle 


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Energie- u. Stoffumsatz beim aktiven anaphylaktisch, u. boim Anaphylatoxinfieber. 347 


Tabelle III. 


Stickstoffwechsel beim Anaphylatoxinfieber (2tägige N-Bilanz). Februar-März-April. 
Körpergewicht 9350 g. Normale Temperatur 38,3°. 


Datum 

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Ges.-N 

Bilanz 

Bemerkungen 

Febr. 1913 

l.u. 2 . 

10,5 

8,54 

1,30 

9,84 

+ 0,66 

— 

3. u. 4. 

10,5 

8,63 

1,30 

9,93 

+ 0,57 

— 

5.u. 6 . 

10,5 

8,72 

1,30 

10,02 

+ 0,48 

— 

7.u. 8 . 

10,5 

8,96 

8,79 

1,30 

10,26 

+ 0,24 

— 

9. u. 10. 

10,5 

1,30 

10,09 

+ 0,41 

— 

11. u. 12. 

10,5 

8,68 

1,30 

9,98 

+ 0,52 

Am 11.: 1 ccm Anaphylatoxin intra- 

13. u. 14. 

10,5 

6,09 

1,30 

7,39 

+ 3,11 

venös. Temperatur nach 1 Stunde 39,2°, 
nach 2 Stunden 40,3°. 

Am 18: 3 ccm Anaphylatoxin intra- 

15. u. 16. 

10,5 

7,02 

1,45 

8,47 

+ 2,08 

venös um 10 Uhr; um 11 Uhr 89,2°, um 
12 Uhr 40,8®, 1 Uhr 40®, 2 Uhr 45 Min. 
39,3«, 4 Uhr 87,9», 6 Uhr 38®, 8 Uhr 38®. 

17. u. 18. 

10,5 

8,79 

1,45 

10,24 

+ 0,26 

— 

19. u. 20. 

10,5 

9,98 

1,45 

11,43 

— 0,98 

Am 19.: 4 ccm Anaphylatoxin intravenös. 

21 . u. 22 . 

10,5 

9,11 

1,45 

10,56 

— 0,06 

Temperatur nach 1 Stunde 89,6°, nach 
5 Stunden 40,4°. 

*23. u. 24. 

10,5 

9,96 

1,47 

11,43 

— 0,93 

— 

26. u. 26. 

10,5 

5,69 

1,47 

7,16 

+ 8,84 

Am 25. und 26.: Protrahiertes Ana¬ 

27. u. 28. 

10,5 

i 

8,29 

1,47 

9,76 

+ 0,74 

phylatoxinfieber. 6 Injectionen von 
1—4ccm Anaphylatoxin. Fieberzacken 
von 40,5°, 40,7°, 40,1°, 40,1° und 41°*). 

Hirz 







l.u. 2 . 

10,5 

3,79 

1,52 

10,31 

+ 0,19 

— 

3. u. 4. 

10,5 

8,98 

1,52 

10,5 

0 

— 

5. u. 6. 

10,5 

8,99 

1,52 

10,51 

— 0,01 

— 

7. u. 8 . 

10,5 

9,42 

1,52 

10,94 

— 0,44 

— 

9. u. 10. 

10,5 

9,634 

1,58 

11,214 

— 0,714 

— 

11 . u. 12 . 

10,5 

9,763 

1,58 

11,343 

— 0,843 

— 

13. u. 14. 

10,5 

9,54 

1,58 

11,12 

— 0,62 

— 

15. u. 16. 

10,5 

9,76 

1,64 

11,4 

— 0,9 

— 

17. u. 18. 

10,5 

9,98 

1,64 

11,62 

— 1,12 

— 

19. u. 20 . 

10,5 

9,45 

1,64 

11,09 

— 0,59 

— 

21 . u. 22 . 

10,5 

9,49 

1,64 

1,64 

11,13 

— 0,63 

— 

23. u. 24. 

10,5 

9,51 

11,15 

— 0,65 . 

— 

25. u. 26. 

10,5 

9,49 

1,64 

11,13 

— 0,63 

— 

27. u. 28. 

10,5 

9,76 

1,65 

11,41 

— 0,91 

— 

März/April 







31. u. 1. 

10,5 

10,349 

1,65 

11,999 

-1,499 

1 g Pepton (Witte). 

2.u. 3. 

10,5 

9,6 

1,65 

11,25 

— 0,75 

2 g Pepton (Witte). 

4. u. 5. 

10,5 

8,5 

1,65 

10,15 

+ 0,35 

— 

6 .u. 7. 

10,5 

8,625 

1,65 

10,275 

+ 0,225 

— 


•) Die Fiebercurve ist reproduciert in dem Vortrage von E. Leschke: Untersuchungen über 
anaphylaktisches Fieber. 30. Congress für innere Medicin. Wiesbaden 1913. S. 82. 


Nachdem der Hund 12 Tage lang sich annähernd im Stickstoff¬ 
gleichgewicht befunden hatte — die Werte schwankten zwischen +0)24 


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348 


Rahel Hirsch und Erich Lescbke, 


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und —[—0,66 g N —, traten unter dem Einfluss der Anaphylatoxin- 
Injectionen bei Fiebertemperaturen von 40,3° und 40,4° positive 
Bilanzen auf von +3,1 g N, +2,03 g N, +3,34 g N. 


Tabelle IV. 

Stickstoffwechsel beim aktiven anaphylaktischen Fieber (tägliche N-Bilanz). 


Gewicht 9350 g. Normale Temperatur 38,3 °. 


Datum 

N- 

Zufuhr 

g 

Harn- 

N 

g 

Fäces- 

N 

g 

Gesamt- 

N 

g 

N-Bilanz 

g 

Bemerkungen 

Jnnil913 







1 .— 2 . 

5,25 

4,246 

1 

5,246 

+ 0,004 

— 

2 - 3. 

5,25 

5,234 

1 

6,234 

— 0,984 

1 ccm Kaninchenserum intravenös. 
Temperatur 39,8°. 

3.— 4. 

5.25 

5,035 

1 

6,035 

— 0,785 

— 

4.— 5. 

5,25 

5,568 

1 

6,568 

— 1,318 

— 

5.— 6. 

5,25 

5,894 

1 

6,894 

— 1,644 

— 

6.— 7. 

5,25 

6,023 

I 

7,023 

— 1,773 

— 

7.— 8. 

7 

5,9 

1 

6,9 

+ 0,1 

— 

8.- 9. 

7 

5,892 

l 

6,892 

+ 0,108 

— 

9.—10. 

7 

5,923 

1 

6,923 

+ 0,08 

— 

10 .—11. 

7 

7,24 

1 

8,24 

-1,24 

1 ccm Kaninchenserum intravenös. 
Starker Tenesmus; unruhig. Tem¬ 
peratur 38,3°, auf 39,6° gestiegen. 

11.—12. 

7 

8 

1 

9 

— 2,0 

— 

12.-13. 

7 

5,9 

1 

6,9 

+ 0,1 

1 ccm Kaninchenserum intravenös. 
Um dem Tenesmus vorzubeugen 
nachher 3 Tabletten Pantopon ä 0,1g; 
vollkommen ruhig. Temperatur von 
38,3° auf 39,3° gestiegen. 

13.—14. 

7 

7,6 

1 

8,6 

- 1,6 

— 

14.—15. 

7 

5,4 

1,285 

6,685 

+ 0,315 

— 

15.—16. 

7 

! 5,4 

1,285 

6,685 

+ 0,315 

— 

16.—17. 

7 

6,74 

1,285 

8,025 

- 1,025 

— 

17.-18. 

7 

5,78 

1,285 

7,065 

— 0,065 

— 

18.—19. 

7 

G 

1,285 

7,285 

— 0,285 

— 

19.-20. 

V 

4,7 V 

v 

V 

V 

Erbrechen nach 2 ccm Kaninchen¬ 
serumintravenös. Temp. um 10 Uhr 
38,4°, llVtUhr 39,1 o, 2 Uhr 39,7°. 

20.—21. 

7 

6,8 

1,285 

8,085 

— 1,085 

— 

21.-22. 

7 

j 6,4 

1,285 

7,685 

— 0,675 

— 

23.-24. 

7 

! 4,5 

0,71 

5,21 

+ 1,79 

— 

24.-25. 

7 

7,4 

0,71 

8,1 

-1,1 

— 

25.-26. 

7 

V. 

0,71 

7,81 

— 0,81 

— 

26.-27. 

7 

i 7,86 

0,71 

8,57 

-1,57 

6 ccm Kaninchenserum. Temperatur 
unverändert: Verhalten normal (Anti¬ 
anaphylaxie). 

27.-28. 

7 

7,3 

0,71 

8,01 

— 1,01 

— 

28.-29. 
30.6. bis 

7 

7/2 

0,71 

7,91 

— 0,91 

■— 

1.7. 

7 

, 4,40 

0,71 

7,17 

— 0,17 

— 

Juli 







1.— 2. 

7 

4,41 

0,64 

5,05 

+ 1,95 

Thvminfabletten (Poch 1) 350,5g. 

2.— 3. 

7 

5,59 

0,64 

6,23 

+ 0,77 

do. 

3.— 4. 

7 

4,6 

0,64 

5,24 

+ 1,76 

do. 

4.— 5. 

7 

5,1 

0,64 

5,74 

+ 1/26 

do. 

5.- 6. 

7 

5,5 

0,64 

6,14 

+ 0,86 

do. 

6.- 7. 

7 

5,5 

0,64 

6,14 

+ 0,86 

— 


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Energie- u. Stoflfumsatz beim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anaphylatoxinfieber. 345) 


Tabelle IV (Fortsetzung). 


Datura 

N- 

Zufuhr 

g 

Harn- 

N 

g 

Fäces- 

N 

g 

Gesamt- 

N 

g 

N-Bilanz 

g 

Bemerkungen 

Juli 1913 

7.— 8. 

7 

5,4 

0,64 

6,04 

+ 0,9« 

Thymintablctten (Poehl) 3 a 0,5 g. 

8 — 9. 

7 

4,1 

0,64 

4,74 

+ 2,26 

do. 

9.—10. 

7 

4,5 

0,64 

5,14 

+ 1>86 

do. 

10 .—11. 

7 

4,128 

0,625 

4,753 

+ 2,247 

— 

11 .-12. 

7 

3,641 

0,625 

4,266 

+ 2,734 

— 

12.—13. 

7 

3,745 

0,625 

4,370 

+ 2,63 

— 

13.—14. 

7 

3,824 

0,625 

4,449 

+ 2,501 

— 

14.-15. 

7 

3,356 

0,625 

3,981 

+ 3,019 

— 

15.—16. 

7 

3,248 

0,625 

3,873 

+ 3,13 

— 

16.-17. 

7 

2,157 

0,625 

2,782 

+ 4,218 

16 ccm Kaninchenserum. Tempe¬ 

17.—18. 

7 

2,79 

0,625 

3,415 

+ 3,585 

ratur um 11 Uhr 38,1°, 1 Uhr 40,1°, 
6 Uhr 38°. Allgemeinbefinden normal, 
ruhig. 

18.—19. 

7 

1 3,212 

0,625 

3,837 

+ 3,163 

— 

20 .—21. 

7 

; 4,232 

0,678 

4,910 

-t- 2,09 

— 

21 .—22. 

7 : 

! 4,314 

j 

0,678 

4,992 

+ 2,01 

— 


Bei dem aktiven anaphylaktischen Fieber zeigt die Stick- 
stoffcurve die gleichen Verhältnisse wie die Gesamt-Calorien- 
Bilanz. 

Am Tage der grossen Reinjection von 16 ccm artfremden Serums 
(Kaninchenserums) wurden 4,2 g N retiniert. Auch an den folgenden 
Tagen kam es nicht zu einer stärkeren Ausschwemmung von Stickstoff, 
sondern die N-Bilanz blieb dauernd positiv. Es handelt sich also 
nicht um eine einfache Retontion von Stickstoff, sondern um 
eine wirkliche Einschränkung des Stick Stoffwechsels durch 
die bei der aktiven Anaphylaxie entstehenden toxischen Spalt- 
producte des erhöhten parenteralen Eiweissabbaues. 

Die Injection von Pepton (Witte) führt zu einer geringen Mehr¬ 
ausscheidung von Stickstoff, die aber nur bei der ersten Injection 
die auch normaler Weise gefundenen Werte überschreitet. 


Das Respirationswasser. 

Da das Tier durch die längere Zeit hindurch fortgesetzten Injectio- 
nen bei gleichmässiger Hundekuchenfütterung in seinem Körpergewicht 
stark reduciert war, so dass zu befürchten war, dass der Hund zugrunde 
gehen werde, musste die Nahrungszufuhr erhöht werden. Am 
2. Juni betrug das Körpergewicht 9560 g und war schon am 5. Juni 
auf 9150 g gesunken. Die Hundekuchenzufuhr wurde deshalb um 50 g 
erhöht. Die Wasserdarreichung blieb dieselbe. Das Körpergewicht 
sank trotzdem weiter ab. 

Von dem Tage der erhöhten Calorienzufuhr an trat auffallend 
starke Vermehrung des RespirationsWassers ein. Auch an den 
Tagen, da der Hund durchaus ruhig normal im Calorimeter lag, zeigte 
sich die vermehrte Calorienabgabe durch die Wasserverdunstung. 


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350 


Kabel Hirsch und Erich Leschke, 


Wie nochmals betont sei: das Tier liess niemals Urin im 
Calorimeter und setzte auch keinen Stuhl darin ab, das Calorimeter 
war stets durchaus trocken und rein. Es kann sich also, da auch die 
Versuchsbedingungen — abgesehen von der erhöhten Calorienzufuhr — 
ganz genau dieselben geblieben waren wie zuvor, nur um stark ver¬ 
mehrtes Respirationswasser aus inneren Gründen handeln.. 


Tabelle V. 

Dan Verhalten des KespirationNwasserN beim Anaphylatoxinfieber und aktiven 

anaphylaktischen Fieber. 

Tägliche Versuchszufuhr: 400 ccm. 


Tag 

Wasserverdunstung 

Körper¬ 

gewicht 

Bemerkungen 


g 

Calorien 

g 


11.2. 1913 

53,3 

32 

9350 

Anaphylatoxinfieber. 

13. 2. 1913 

57,4 

34,5 

9100 

do. 

19. 3. 1913 

177 

106,2 

7750 

do. 

20. 3. 1913 

337 

202,2 

7820 

— 

26. 3. 1913 

213 

127,8 

7740 

Anaphylatoxinfieber. 

1.4. 1913 

127,8 

76,7 

7500 

1 g Pepton. 

Zwischen 1. April bis Ende Mai erhält der Hund, da sein Körpergewicht stark reducicrt 
war, gemischte Kost, es werden keine Versuche mit ihm angestellt. Das Körpergewicht 



steigt an auf 9500 

1 g- 

2. 6. 1913 

266 | 

159,6 

9560 

1 ccm Kaninchenserum intravenös. 




Temperatur unverändert. 

5. 6. 1913 
(200HR. 920 Gal.) 

} 261 

156,6 

9350 

— 

10. 6. 1913 

400 | 

240 

9150 

1 ccmKaninchenserura. Temperatur 





steigt bis 39,6 °, nur eine Stunde, 
sehr unruhig, starker Ten es- 





mus. 

12. 6. 1913 

400 

240 

9000 

1 ccm Kaninchenserum. 9V 2 Uhr 





38,3°, 12 Uhr 39,3<>, 2 Uhr 39,3°. 

17.6. 1913 

454 1 

272,4 

9280 

3 Tabl. Pantopon ä 0,1 g, sehr ruhig. 

19. 6. 1913 

465 i 

279 

8730 

2ccmKaninchenserum. Tenes- 


1 



mus. Erbrechen. 

24. 6. 1913 

450 

270 

9150 

— 

25. 6. 1913 

425 | 

255 

8900 

6 ccm Kaninchenserum. Temp. 


1 



unverändert. (Antianaphy- 

lax ie.) 

2.6. 1913 

482 1 

289,2 

8750 

— 

10.6.1913 

562,8 

337,7 

8720 

— 

16.7. 1913 

436,2 

261,72 

8770 

16 ccm Kaninchenscrum. Kein 




Shock. Erbrochenes wieder auf¬ 
gefressen. 



Die Kohlensäureproduction und die Sauerstoffaufnahme. 

Da bei diesen Versuchen der Kasten öfters geöffnet werden musste, 
um die Rectaltemperatur des Tieres zu messen, verzichten wir auf die 
Wiedergabe der genaueren Kohlensäure- und Sauerstoffwerte. 


Erklärung der Curven auf Tafeln II—V. 

Sämtliche Stoffwechselvcrsuche wurden in dem Respirations- 
caloriraeter unserer Klinik, das Rahcl Hirsch bereits früher aus- 


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Energie- u. Stoffumsalz beim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anapbylatoxinfieber. 351 


führlich beschrieben hat 1 ), ausgeführt. Die Registrierung der von dem 
Tiere gelieferten Wärme geschieht bei diesem Apparat selbsttätig durch 
das Pyrometer von Siemens & Halske (an Stelle des alten Rubner- 
schen Volumeters). Der Pyrometer registriert nur die producierte Wärme 
und ist vom Drucke ganz und gar unabhängig. Zur Controlle des Pyro¬ 
meters dienen sehr feine Thermometer, die auf 0,05° C geaicht und in 
demselben Calorimeterraume versenkt sind, der die Platinspirale des 
Pyrometers enthält, ebenso auch weitere Thermometer, welche die Tempe¬ 
ratur des umgebenden Wasserbades angeben. 

Während aller Versuche, die meist 24 Stunden in Anspruch nahmen, 
wurde der gesamte Stoffwechselapparat Tag und Nacht stündlich 
controlliert, namentlich wurden alle Thermometer stündlich abgelesen und 
die Ablesungen notiert. 

Die Registrierung der producierten Wärme durch das Pyrometer 
erfolgt in Abständen von einer Minute auf langsam rotierendem Registrier¬ 
papier. Die so gewonnenen Curven geben also ein getreues Ab¬ 
bild der gesamten Wärmeproduction in jeder Minute. Gerade 
hierin liegt ein weiterer, wesentlicher Vorzug des Pyrometers. 

Wir reproducieren auf den beigefügten Tafeln die Curven 
der Wärmeproduction in ganz unveränderter Weise, so wie sie 
aus dem Registrierapparat des Pyrometers herauskommen. 
Nur haben wir in den Fieberversuchen die Temperatur darüber auf¬ 
gezeichnet, um auch die zeitlichen Differenzen zwischen Stoffwechsel- 
und Temperaturänderung zum Ausdruck zu bringen. 

Tafel H. 

Curve l. Wärmeproduction des Hundes im Normalzustand 
der normalen Körpertemperatur (38,3°). Da das Tier sich ganz 
ruhig verhielt, verläuft auch die Curve der Calorienproduction durchaus 
gleichmässig. 

Curve 2. Wärmeproduction beim Anaphylatoxinfieber. In 
diesem Versuche erfolgte auf die intravenöse Injection einer grossen 
Menge von Anaphylatoxin (4 ccm) ein Temperaturanstieg von der ersten 
bis zur sechsten Stunde, während die Wärmeproduction ziemlich regel¬ 
mässig verläuft und nur in der vierten Stunde eine geringfügige Erhebung 
zeigt. 

(Der Anstieg der Curve in der ersten Stunde bedeutet natürlich 
keinen Anstieg in der Wärmeproduction des Tieres, sondern ist nur der 
Ausdruck der Einstellung des vorher leeren Apparates auf die höhere 
Temperatur, die die Körperwärme des Tieres erzeugte. In den meisten 
Curven haben wir dieses Anfangsstück aus Gründen der Uebersichtlich- 
keit abgeschnitten). 

Wir sehen also in diesem Versuche trotz der hohen Fieber¬ 
temperatur keine nennenswerte Erhöhung des Stoffwechsels. 
Erst lange nach dem Abklingen des Anaphylatoxinfiebers, nämlich in der 
11.—13. Stunde, steigt die Wärmeerzeugung etwas in die Höhe, obwohl 

1) Kahel Hirsch, Fieber und Chininwirkung im Fieber. Diese Zeitschr. 1913. 
Bd. 13. 


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352 


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Kahel Hirsch und Erich Leschke, 

die Temperatur unverändert bleibt. Im gesamten Verlauf des 24 Stunden¬ 
versuches war in der Tat nur eine geringfügige Steigerung des Energie- 
und Stoffumsatzes zu finden, die sich in einer negativen Calorienbilanz 
von —12,48 Calorien äusserte. 

Curve 3. Wärmeproduction beim protrahierten Anaphyla¬ 
toxinfieber des Hundes. 

Auf die erste Injection von 3 ccm Anaphylatoxin steigt die 
Temperatur innerhalb *2 Stunden von 38,3° auf 40,5°, während 
die Stoffwechselcurve ganz unverändert bleibt. Erst nach der 
5. Stunde, während die Temperatur zur Norm zurückkehrt, steigt der 
Stoffwechsel vorübergehend etwas an. Das gleiche Verhalten findet sich 
bei der 2. Injection von 3 ccm Anaphylatoxin, nach der auch die 
Temperatur alleinansteigt, während der Stoffwechsel auf dem 
gleichen Niveau bleibt. Die grösseren Ausschläge der Curve in den 
folgenden Stunden sind auf das unruhigere Verhalten des Hundes zurück¬ 
zuführen. 

Trotz der zweimaligen Steigerung der Temperatur ist der gesamte 
Stoff- und Energieumsatz in diesem 24 Stundenversuche eingeschränkt. 
Der Hund hat bei einer Zufuhr von 690 Calorien nur 675 Calorien aus¬ 
gegeben, also 15 Calorien gespart (positive Bilanz). 

Tafel III. 

Curve 4. Wärmeproduction beim Anaphylatoxinfieber des 
Hundes. 

Nach intravenöser Injection von 2,3 ccm Anaphylatoxin erfolgt 
innerhalb 2 Stunden ein Temperaturanstieg auf 39,8 °, während 
die Stoffwechselcurve ganz gleichmässig verläuft. Nach dem 
Absinken der Temperatur sinkt die Stoffwechselcurve unter die 
Norm, und zwar zeigt sie diese Tendenz in geringem Grade schon in 
der 5.—8. Stunde, ausgesprochener noch in der 13.—18. Stunde. Die 
Zacken der Curve in der 19. und 22. Stunde rühren von der Unruhe 
des Tieres her, die sich immer gegen das Ende des Versuches zu steigerte. 

Curve 5. Normalcurve der Wärmeproduction des Kaninchens 
bei normaler Körpertemperatur (39,0—39,6°). 

Die Curve zeigt den gleichmässigen Verlauf der Calorienproduction 
des ruhenden Tieres im Normalzustände. 

Curve 6. Wäi raeproduction beim Anaphylatoxinfieber des 
Kaninchens. 

Auf die intravenöse Injection von 0,8 ccm Anaphylatoxin steigt 
die Temperatur innerhalb 2 Stunden auf 41,2 °, der Stoffwechsel 
dagegen sinkt, wie die Pyrometercurve zeigt. Erst mit dem Abklingen 
des Anaphvlatoxinliebers steigt die Caloriencurve wieder zur Norm, um 
nachher wieder abzusinken. Die gesamte Calorienproduction betrug 
während 17 Stunden nur 136 Calorien gegenüber 168 und 170 Calorien 
in den Normalversuchen, was also einer positiven Bilanz von etwa 
32—34 Calorien entspricht 1 ). 

1) Kahel Hirsch, Trypanosomen - Wärmestich - Anaphylatoxinfieber beim 
Kaninchen. Diese Zeitschr. 1913. Bd. 13. 


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Energie- u. Stoffumsatz beim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anaphylatoxinfieber. 353 


Curve 7. Wärmeproduction beim Anaphylatoxinfieber des 
Kaninchens. 

In der ersten Stunde nach der intravenösen Injection von 0,8 ccm 
Anaphylatoxin steigt die Temperatur auf 40,3°, in der zweiten Stunde 
auf 40,7 °. Die Caloriencurve, die infolge der Herausnahme des Tieres 
aus dem Apparat für die Injection etwas gesunken ist, erreicht trotz 
des hohen Fiebers ihre alte Höhe nicht mehr, sondern stellt sich 
dauernd auf ein etwas niedereres Niveau ein. Dem entspricht auch ein 
beträchtliches Zurückbleiben der gesamten Wärmeproduction 
gegenüber der Norm: im 17 Stundenversuche wurden nur 139,8 Calorien 
gegenüber 168—170 Calorien im Normalzustände ausgegeben, was einer 
positiven Bilanz von etwa 28—30 Calorien entsprechen würde. 

Tafel IV. 

Curve 8. Wärmeproduction beim aktiven anaphylaktischen 
Fieber des Hundes. 

Bei den Versuchen mit aktiver Anaphylaxie zeigt sich in den 
Caloriencurven stets eine ausgesprochene Steigerung des Stoffwechsels in 
den beiden ersten Stunden, die wohl ausschliesslich auf die Press- und 
Würgbewegungen des Tieres infolge der akuten Enteritis anaphy- 
lactica zurückzuführen ist. Nachher verläuft die Curve wieder gleich- 
massig, und zwar meist etwas unter dem Niveau der Normalcurve. 
Diese geringe Einschränkung des Stoffwechsels im weiteren Verlaufe wird 
aber übercompensiert durch die Erhöhung desselben in den ersten beiden 
Stunden, so dass der Gesamteffekt eine negative Calorienbilanz ist, die 
in diesem Versuche nur den geringen Betrag von — 11,4 Calorien aus¬ 
macht. 

Curve 9. Wärmeproduction beim aktiven anaphylaktischen 
Fieber des Hundes. 

Diese Curve zeigt deutlich die Divergenz zwischen Temperatur 
und Stoffwechsel. Die Stoffwechselcurve erhebt sich nur unmittelbar 
im Anschluss an die intravenöse Reinjection des artfremden Serums über 
die Norm und verläuft schon von der zweiten Stunde ab wieder auf dem 
alten Niveau gleichmässig weiter. Die Temperaturcurve dagegen steigt 
in der zweiten Stunde, in der also der Stoffwechsel wieder normal ver¬ 
läuft, bis auf 39,8 0 und hält sich auf dieser Höhe bis zur vierten Stunde 
nach der Injection (8. Stunde des Versuchs). Wir sehen also in der 
deutlichsten Weise, dass auch bei hohem Fieber der Stoffwechsel normal 
verlaufen, ja sogar eher etwas eingeschränkt sein kann. 

Curve 10. Wärmeproduction beim aktiven anaphylaktischen 
Fieber. 

Diese Caloriencurve zeigt, wie wichtig es ist, den Ablauf der Wärme¬ 
production in jeder Minute zu registrieren. Denn wenn man bei diesem 
Versuche nur das Ergebnis der gesamten Calorienbilanz kennen würde, 
die auf 690 eingenommene Calorien 672 ausgegebene Calorien angibt 
und somit mit einem Minus von 182 Calorien abschliesst, würde man 
geneigt sein, eine erhebliche Steigerung des Stoffwechsels infolge des 
aktiven anaphylaktischen Fiebers anzunehmen. Freilich würde man 


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' 354 


Kabel Hirsch und Erich Leschke, 

schon stutzig werden, wenn man bei dem nach 3 Tagen vorgenommenen 
Normalversuch bei der gleichen Calorienzufuhr eine annähernd ebenso 
hohe Calorienabgabe findet wie an dem Fiebertag, nämlich 854 Calorien, 
also eine Unterbilanz von — 164 Calorien. Schon dieser Umstand weist 
darauf hin, dass die Calorienzufuhr zu niedrig war und dadurch leicht 
ein gesteigerter Stoffwechsel vorgetäuscht werden konnte. Sie wurde 
demgemäss in der Folgezeit auch von 690 auf 920 Calorien erhöht. 

Betrachtet man nun die Curve der Wärmeproduction, so sieht 
man während des Fiebers, das 39,8° erreichte, nicht nur keine 
Erhöhung, sondern eine geringe Einschränkung der Wärme¬ 
bildung, die von der 1. bis zur 8. Versuchsstunde anhält. Von der 
8. Stunde ab verläuft die Caloriencurve ebenso gleichmässig weiter, nur 
ist ihr Niveau ein etwas höheres und entspricht dem des Normalzustandes. 
Ohne viel Wert auf diese geringe Differenz legen zu wollen, erscheint es 
uns doch wichtig, darauf hinzu weisen, dass auch bei diesem Versuche 
trotz des Fiebers der Stoffwechsel keine Steigerung, sondern 
eher eine geringe Einschränkung erfährt. 

Tafel V. 

Curve li. Wärmeproduction beim aktiven anaphylaktischen 
Fieber nach hoher Reinjectionsdosis. 

Bei diesem Versuche waren die klinischen Erscheinungen der Enteritis 
anaphylactica trotz der grossen Reinjectionsmenge (16 ccm artfremdes 
Serum) nur geringe. Der Hund erbrach zwar, frass aber bald das Er¬ 
brochene wieder auf. Der Fieberanstieg erfolgte erst in der zweiten 
Stunde nach der Injection zugleich mit einem hohen Anstieg der Wärme¬ 
production. Letztere hält sich auch noch in der 3. und 4. Stunde nach 
der Injection (5. und 6. Versuchsstunde) über der Norm. Am Ende der 
6. Versuchsstunde erreicht die Caloriencurve die normale Höhe, sinkt 
aber in den folgenden Stunden fast um eine ganze Strichbreite unter 
dieselbe und hält diesen niederen Stand (mit Ausnahme einer kurzdauernden 
Erhebung in der 10. Stunde) bei, obwohl die Temperatur in der 7. Ver¬ 
suchsstunde noch auf 40,1 0 beharrt, in der 9. Stunde noch 39 0 beträgt 
und erst in der 11. Versuchsstunde (9. Stunde nach der Injection) zur 
Norm zurückkehrt. Die Discrepanz zwischen Temperatur- und 
Stoffwechselverlauf und die Einschränkung der gesamten 
Wärmeproduction auch beim aktiven anaphylaktischen Fieber 
tritt in der Curve deutlich hervor. Die Wärmeersparnis betrug in diesem 
Versuche 155,08 Calorien. 

Curve 12. Wärmeproduction bei der Antianaphylaxie. 

Infolge einer vor 2 Tagen erfolgten Reinjection mit artfremdem 
Serum, die zu schweren anaphylaktischen Erscheinungen geführt hatte, 
befand sich der Hund am Versuchstage (25. 6. 13) im Stadium der 
Antianaphylaxie. Die intravenöse Reinjection von 6 ccm artfremden 
(Kaninchen) Serums führte daher zu keinerlei klinischen Erschei¬ 
nungen. Die Temperatur blieb gleichfalls unbeeinflusst. Dem¬ 
entsprechend zeigt auch die Curve der Wärmeproduction einen 
durchaus normalen Verlauf. 



Original from 

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Energie- n. Stoffamsatz beim aktiven anaphylaktisch, u. beim Anaphylatoxinfieber. 355 


Zusammenfassung. 

1. Aktives anaphylaktisches Fieber und Anaphylatoxinfieber können 
zur Einschränkung des Gesamt-Stoff- und Energiehaushaltes 
führen. 

2. Diese Einschränkung tritt deutlich in der Stickstoffcurve 
und in der direkt bestimmten Calorienproduction zu Tage. 

3. Beim Anaphylatoxinfieber ist im allgemeinen die Bilanz des ge¬ 
samten Energie- und Stoffurasatzes dauernd positiv. Nur 
bei intravenöser Injection grösserer Anaphylatoxinmengen 
(4—6 ccm) wurde eine negative Bilanz bei derselben Ernährung 
gefunden. 

4. Beim aktiven anaphylaktischen Fieber zeigt sich die Divergenz 
zwischen Fiebertemperatur und Stoffwechsel namentlich bei 
sehr grossen Dosen. 16 ccm Kaninchenserum intravenös re- 
injiciert lösen keinerlei Shockwirkung aus. Das Tier bleibt 
vollständig ruhig und die Calorienbilanz wird stark positiv, 
Die grossen Reinjectionsmengen artfremden Serums wirken 
demnach bei dem aktiven anaphylaktischen Fieber auf den 
Stoffwechsel ebenso wie die kleinen Injectionsmengen von 
Anaphylatoxin. 

5. Kleinere Reinjectionsmengen (1—2 ccm artfremden Serums) 
führen beim aktiv anaphylaktischen Hunde zu Fieber bis 40°. 
zugleich aber auch zu dem Symptomenbild der Enteritis anaphylac- 
tica (Schittenhelm und Weichardt) mit Erbrechen, Durchfall und 
heftigen Pressbewegungen. Unter dem Einfluss derselben wird 
die Bilanz des gesamten Energie- und Stoffumsatzes selbstr 
verständlich negativ. Schaltet man die durch die Darm¬ 
störung hervorgerufenen Pressbewegungen durch Pantopon 
aus, so zeigt die Calorienbilanz trotz des Fiebers (40,3°) 
wieder positive Werte.. 

6. Im Stadium der Antianaphylaxie führt die Reinjection selbst 
grösserer Mengen artfremden Serums zu keiner nennens¬ 
werten Aenderung des Energie- und Stoffumsatzes. 

7. Pepton (Witte) führt bei subcutaner Injection selbst grosser 
Mengen (1—5 g) beim Hunde nicht zu Temperatursteigerung. 
Dagegen steigert es den gesamten Energie- und Stoffumsatz 
in geringerem Masse, wie sowohl die direkte Calorimetrie 
als auch die Stickstoffbilanz beweist. 

8. Als das für die Lehre vom Fieber wichtigste Ergebnis unserer 
Untersuchungen betrachten wir die Feststellung, dass beim 
Fieber der Stoff- und Energieumsatz und die Temperatursteige¬ 
rung mit einander nicht parallel zu gehen brauchen. Vielmehr 
kann bei hoher Temperatursteigerung sowohl im Anaphyla¬ 
toxinfieber als auch im aktiven anaphylaktischen Fieber 
der gesamte Energie- und Stoffumsatz eingeschränkt sein, 
d. h. eine positive Bilanz zeigen. 


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XII. 

Aus der I. medizinischen Universitäts-Klinik in Wien. 

Studien über den Purinstoffwechsel. 

I. Mitteilung: 

Der Einfluss des Adrenalins auf die Allantoinausscheidung 

beim Hunde. 

Von 

Prof. Dr. W. Falta. 

Seitdem die Untersuchungen von Burian und Schur gezeigt hatten, 
dass die Ausscheidung der Harnpurine hauptsächlich von zwei Factoren 
beeinflusst wird — nämlich von dem bei purinfreier Kost zum Abbau 
gelangenden purinhaltigen Körpermatcrial (endogener Factor) und von 
dem Puringehalt der Nahrung (exogener Factor) —, bewegen sich die 
Untersuchungen über den Purinstoffwechsel hauptsächlich nach zwei 
Richtungen. Einerseits wurde die Ausscheidung der Purinkörper im 
Harn bei peroraler oder parenteraler Zufuhr verschiedenartigen purin¬ 
haltigen Materiales eingehend im Tierexperiment und beim Menschen 
studiert. Andererseits hat man mit Erfolg die einzelnen Phasen des 
fermentativen Abbaues festgestellt und, indem man studierte, in welchen 
Organen die wirksamen Fermente vorhanden sind, aufgedeckt, welche 
Organe sich hauptsächlich am Purinabbau beteiligen. Ueber diejenigen 
Vorrichtungen im Organismus aber, die unter physiologischen Verhält¬ 
nissen den Purinstoffwechsel regeln, ist bisher so gut wie nichts bekannt. 
Der tiefe Einblick, den uns die Studien über den Einfluss des Blutdrüsen¬ 
systems und des vegetativen Nervensystems auf die Regulation des Stoff¬ 
wechsels (respiratorischer Stoffwechsel, Eiweissstoffwechsel, Kohlehydrat¬ 
stoffwechsel usw.) gebracht haben, liess erwarten, dass diese beiden 
Faktoren auch in den Purinstoffwechsel regulierend eingreifen. Ich habe 
mich gemeinsam mit mehreren Mitarbeitern schon seit mehr als fünf 
Jahren mit dieser Frage beschäftigt. Für mancherlei in dieser Beziehung 
wertvolle klinische Beobachtungen suchten wir zuerst eine experimentelle 
Grundlage zu schaffen. Eine kurze Mitteilung der ersten mit Dr. Priestley 
ausgeführten Versuche findet sich bereits in einem 1909 in der Wiener 
klinischen Wochenschrift veröffentlichten Artikel (1). Ausführlicher habe 
ich gemeinsam mit Dr. Nowacynski (2) über klinische Beobachtungen 
bei Akromegalie und hypophysärer Dystrophie berichtet. Bei jener fanden 
wir eine auffallend hohe, bei dieser auffallend niedrige Werte für den 
endogenen Harnsäurefactor, ln meinem Buch über die Blutdrüsen¬ 
erkrankungen (3) ist der uns leitende Gedankengang ebenfalls angedeutet. 


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Studien über den PurinstofTwechsel. 


357 


Die interessanten Urtersuchungen von Abi (4) über den Einfluss 
des Splanchnicustonus auf den Purinstoffwechsel und die bedeutsame Mit¬ 
teilung von E. Michaelis (5) über den Harnsäurestich veranlassen mich, 
vorerst jene Versuche mitzuteilen, die ich gemeinsam mit Dr. Priestley 
über den Einfluss des Adrenalins auf die Allantoinausscheidung beim 
Hund anstellte. Ich will mich darauf beschränken, folgenden langfristigen 
und genau durchgeführten Stoffwechselversuch zu beschreiben. 

Versuchsprotokoll 277. 

23 kg schwerer Hund wird täglich mit der gleichen Menge rohen, sorgfältig 
von Fett befreiten Pferdefleisches und der gleichen Menge von Reis und Speck gefüttert. 
Der Harn wird täglich durch Katheterisieren abgegrenzt. 


Periode 

U-StickstofF 
p.d. im Mittel 

Basenstickstoff 
! p. d. ira Mittel 

Allan toinstickstoff j 
i p. d. im Mittel | 

Dextrose 
p.d.im Mittel 

3 Tage. 

4 Tage (tägl. 3X3 ccra 

0,0065 

0,0030 

0,3218 

— 

Pituitr. infund. subc.) 

0,0238 

0,0074 

0,2970 

— 

6 Tage. 

4 Tage (tägl. 3X3 mg 

0,0038 

0,0069 

0,3010 

— 

Adrenalin subc.). 

0,0207 1 

0,0055 

0,3940 

4,84 

4 Tage. 

0,0082 | 

0,0040 j 

0,2640 

i — 


In der viertägigen Periode mit subcutaner Injection von täglich 
9 ccm Pituitrinura infundibulare (Parke Davis) zeigen sich im Purinstoff¬ 
wechsel nur sehr geringe Veränderungen, auf die ich hier nicht weiter 
eingehen will. 

Hingegen tritt in der Adrenalinperiode eine mächtige 
Steigerung der Allantoinausscheidung auf, die ca. 30 pCt. be¬ 
trägt, auch die Harnsäureausscheidung ist etwas gesteigert. Ob diese 
Steigerung der Allantoinausscheidung mit der bei Adrenalininjectionen regel¬ 
mässig auftretenden Hyperleukocytose [Berteili, Falta u. Schweeger (6)] 
in ursächlichem Zusammenhang steht, möchte ich vorderhand dahingestellt 
sein lassen. Jedenfalls zeigt dieser Versuch, dass die durch das Adrenalin 
bedingte Erregung des sympathischen Nervensystems einen mächtigen 
Einfluss auf den Purinstoffwechsel ausübt, die derjenigen nicht viel nach¬ 
steht, die E. Michaelis nach dem Claude Bernardschen Zuckerstich 
beobachtete. Die Beziehung dieser beiden Versuchsreihen (Adrenalin- 
injection resp. Zuckerstich) wird noch viel inniger, wenn man bedenkt, 
dass wir heute die Wirkung des Zuckerstichs durch eine durch denselben 
erfolgende Entladung des chromaffinen Gewebes erklären. Dafür spricht, 
dass das chroraaffine Gewebe nach dem Zuckerstich seine Chromierbar- 
keit verloren hat [Kahn (7)], ferner die gleiche Aenderung der Blut¬ 
verteilung nach Zuckerstich und Adrenalininjection [Falta und Priest¬ 
ley (8)], die Blutdrucksteigerung [E. Neubauer (9)] und natürlich auch 
die Glykosurie. 

Die Untersuchungen über den Einfluss des Adrenalins auf die Harn¬ 
säureausscheidung beim Menschen führten zu einem anderen Resultat. 

Ueber diese wird demnächst Dr. L. Zehner ausführlich berichten. 


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358 


W. Falta, Studien über den Purinstoffwechsel. 


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Literatur. 

1) Falta, W., Weitere Mitteilungen über die Wechselwirkung der Blutdrüsen. Wiener 
klin. Wochensohr. 1909. Nr. 30. 

2) Falta, W., und Nowacsynski, Berl. klin. Wochenschr. 1912. Nr. 38. 

3) Falta, W., Die Erkrankungen der Blutdrüsen. Berlin 1913. Springer. 

4) Abi, R., Ueber die Beziehungen zwischen Splanohnicustonus und Harnsäureausfuhr. 
Congr. f. inn. Med. 1913. — Pharmakologische Beeinflussung der Harnsäureaus¬ 
scheidung. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1913. Bd. 74. S. 191. 

5) Michaelis, Edgar, Diese Zeitschr. 1913. Bd. 14. S. 255. 

6 ) Bertelli, Falta und Schweeger, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 71. 

7) Kahn, R. H., Pflügers Arch. 1911. Bd. 140. S. 209. 

8 ) Falta, W., und G. B. Priestley, Berl. klin. Wochenschr. 1911. Nr. 47. 

9) Neubauer, E., Biochem. Zeitschr. 1912. Bd. 43. S. 335. 


Druck von I,. Schumacln*r, Berlin N. 4. 


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XIII. 

Aus dem Laboratorium der II. med. Klinik der Kgl. Charite, Berlin. 

Experimentelle Beiträge 
zur Frage der Zuckerzerstörung bei Diabetes. 

(Der respiratorische Quotient beim Pankreasdiabetes und 
die actuelle Blutreaction unter dem Einflüsse von Strychnin- 

injectionen.) 

Von 

Dr. V, Iwanoff. 

lieber das Wesen des Diabetes existieren in der Medicin principiell 
verschiedene Ansichten: 

Man sieht den Diabetes entweder an als Folge einer Zuckerver¬ 
geudung oder als Folge verminderter Zuckerzerstörung, oder als eine 
infolge von Zuckervergeudung sekundär entstandene Verminderung der 
Zuckerzerstörung. Bis jetzt sind diese Auffassungen nur Hypothesen 
gewesen, deren Richtigkeit man aus den bisherigen Experimenten am 
menschlichen oder experimentellen Diabetes zu prüfen versucht hat. Die 
Auffassung, dass der Diabetes die Folge einer vermehrten Zuckermobili¬ 
sation ist, scheint dabei in neuerer Zeit an Boden zu gewinnen. 

Die einfachste Beweisführung für die Auffassung der verminderten 
Zuckerverbrennung beim Diabetes wäre die, zu zeigen, dass ein schwerster 
Fall von Diabetes des Menschen überhaupt keinen Zucker mehr ver¬ 
brennt. Eine solche Auffassung ist ja bei den oft maximalen Zucker¬ 
ausscheidungen zunächst als naheliegend anzusehen, sie muss aber trotz¬ 
dem erst bewiesen werden, da man sich ja auf den Standpunkt stellen 
kann, dass zu jeder Muskelleistung nur Kohlehydrate verbrannt werden 
können, und ein schwerer Diabetes verrichtet doch noch Muskelarbeit. 
Ein Beweis für eine solche Zuckerverbrennung beim schweren Diabetes, 
auch wenn sie nur minimal stattfindet, ist nur ausserordentlich schwer 
und überhaupt nur indirekt zu führen. Verminderung der Zuckeraus¬ 
scheidung nach körperlichen Bewegungen beim schweren Diabetes kann 
dabei nicht als ein vollgültiger Beweis für einen wirklichen Zuckerver¬ 
brauch angesehen werden, das könnte auch Folge circulatorischer Ver¬ 
änderungen sein, die vielleicht reflectorisch auf die Ausscheidung des 
Zuckers von Einfluss sind. Lüthje hat sich ebenfalls die Frage vor¬ 
gelegt, ob nach der Pankreasexstirpation der Hund die Fähigkeit ver¬ 
loren hat, Zucker zu zerstören. Er hat, um diese Frage zu beantworten, 
seine Versuchshunde solange hungern lassen, bis der Urin zuckerfrei 
wurde, und bei solchen Hunden hat er dann das Blut auf Zucker unter¬ 
sucht. Er fand bei dem ersten Versuchshund, dem das Pankreas exstir- 
piert war und dessen Urin zuckerfrei geworden, in dem aus der Carotis 
entnommenen Blute 0,203 pCt. Zucker. Dann wurde der Hund gefüttert 
und im Urin zeigte sich wieder Zucker. Darauf hat er den Hund 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie, lö liti. .) j 


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360 V. Iwanoff, 

hungern lassen, bis der Urin wieder zuckerfrei wurde und im Blute 
konnte er 0,097 pCt. Zucker nachweisen. Bei dem zweiten Versuchs¬ 
hund konnte Lüthje bei derselben Versuchsanordnung 0,312 pCt. Zucker 
im Blute nachweisen. Es geht nach Lüthje daraus hervor, dass, wenn 
der Zucker nicht ausgeschieden wird, er unbedingt zerstört worden sein 
muss. Diese Beweisführung, die allerdings viel Wahrscheinliches an sich 
hat, kann aber auch für die Frage der Zuckerzerstörung als keine 
zwingende angesehen werden. 

Ferner hat Heinzheimer, indem er die Tatsache feststellt, dass 
schon Külz eine Verminderung der Glykosurie bei Diabetikern nach 
Muskelarbeit beobachtet hat, folgende Versuche gemacht: Er lässt Hunde 
Muskelarbeit leisten, deren calorischer Wert grösser ist, als der zuge¬ 
führten Nahrung und dem kreisenden Zucker entspricht. Heinzheimer 
fand nun, dass der Hund nicht alle Calorien durch den circulierenden 
Zucker decken konnte und trotzdem Zucker ausschied. Daraus sollte 
nach Heinzheimer hervorgehen, dass der diabetische Hund zwar nicht 
ganz, aber zum Teil die Fähigkeit, Zucker zu zerstören, eingebüsst hat, 
dass andererseits das Wesen des Pankreasdiabetes nicht eine Ueber- 
produktion von Zucker sei, sondern das Verlorengehen der Fähigkeit, 
mit Zucker rationell zu wirtschaften. 

Schliesslich haben Reicher und Stein gezeigt, dass bei Diabetikern 
der respiratorische Quotient niedriger ist, wenn viel Zucker ausgeschieden 
wird, und dass, wenn der Blutzuckerspiegel steigt, zu gleicher Zeit auch 
der respiratorische Quotient steigt. Auch Mohr macht auf zwei Tat¬ 
sachen aufmerksam, den Abfall des respiratorischen Quotienten nach 
Genuss einer eiweissreichen Mahlzeit, wobei gleichzeitig viel Zucker im 
Urin erscheint, und sein Ansteigen in späteren Stadien auf Werte, die 
einer Verbrennung von kohlehydrathaltigen Substanzen entsprechen. 

Das sind auch nur indirekte Beweise, sie stehen und fallen mit der 
Bedeutung des respiratorischen Quotienten. Einen in gleicher Richtung 
indirekten Beweis haben auch Borges und Salomon geliefert, die 
pankreas-diabetischen Hunden die Leber exstirpiert haben, und die danach 
eine Steigerung des respiratorischen Quotienten bis auf 1 beobachtet 
haben. Daraus schliessen sie, dass eben nur Kohlehydrate verbrannt 
worden sein können. 

Auf die Bedeutung dieser Versuche und ihre kritische Beleuchtung 
durch Rolly (Januar 1914) wollen wir hier nicht eingehen. 

Auf dem Congress für innere Medicin im Jahre 1912 hat Brugsch 
über Respirationsversuche gemeinsam mit Plesch an pankreasdiabetischen 
Hunden durchgeführt, die einer Strychninwirkung ausgesetzt wurden, be¬ 
richtet. Diese Versuche ergaben ein Steigen des respiratorischen Quotienten 
auf hohe Werte, und zwar auf Werte über 0,8 hinaus, die zunächst an¬ 
nehmen lassen, dass in der Tat kohlehydrathaltiges Material auch beim 
pankreasdiabetischen Hunde zur Verbrennung gelangt. 

Nun hat Rolly gegen die Steigerung des respiratorischen Quotienten 
bei diesen Versuchen gewisse Ein wände gemacht, deren Berechtigung sich 
zunächst durchaus nicht absprechen lässt. Diese Einwände sind folgende: 
Beim Diabetes werde eine Veränderung der Blutalkalescenz beobachtet, 


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Experimentelle Beitrage zur Frage der Zuckerzerstörung bei Diabetes. 361 


ferner gebe die Zuntz-Geppertsche Versuchsanordnung keine einwands¬ 
freien Resultate, weil es bei dieser Versuchsanordnung zu einer Mehr¬ 
ausscheidung von Kohlensäure durch Ueberventilation der Lunge kommen 
könne. 

Um dem letzteren Einwand zu begegnen, haben wir nun auf Ver¬ 
anlassung von Professor ßrugsch wiederum Versuche über die Grösse 
des respiratorischen Quotienten bei normal- bzw. pankreasdiabetischen 
Hunden unter Strychnin Vergiftung angestellt; die Hunde wurden aber nur 
mit Fleisch bzw. Fett ernährt. Die Versuchsanordnung bei Fleisch- und 
Fettnahrung wurde deshalb gewählt, weil man sich sagen konnte, dass, 
wenn der kohlehydratgenährte, pankreasdiabetische Hund einen hohen 
respiratorischen Quotienten, der nahe an 1 herankommt, aufweist, und 
dieser Quotient zum Teil durch Abdunsten von Kohlensäure bei der Zuntz- 
Geppertschen Versuchsanordnung infolge der erhöhten Lungenventilation 
zu erklären ist, dass dann auch der nicht kohlehydratgenährte Hund 
einen gleichen oder annähernd gleichen respiratorischen Quotienten auf¬ 
weisen müsste, falls wirklich im ersteren Falle die Höhe des Quotienten 
in erster Linie durch eine Mehrabdunstung von Kohlensäure aus dem 
Blute bzw. Gewebe oder durch ein Austreiben von Kohlensäure durch 
abnorme Säurebildung im Blut bedingt ist. 

Bezüglich der Versuchsanordnung sei noch erwähnt, dass die Ver¬ 
suche nicht eher begonnen wurden, bevor der Hund sich an die Atmung 
im Respirationsversuche gewöhnt hatte. Im übrigen wurden die Versuche 
nach der in der II. raedicinischen Klinik üblichen Methodik ausgeführt. 

Hund I. 15 kg schwerer Hund wurde 3 Tage vor den Versuchen auf 200 g 
Pferdefleisch- und 20 g Schmalzkost gesetzt. Während der folgenden 3 Tage wurde 
der respiratorische Quotient bestimmt und zwar zweimal täglich, vor- und nachmittags. 
— Am 7. Tage wurde wieder der Ii.-Qu. bestimmt und gleich darauf Strychnin ein¬ 
gespritzt. Nach der Strychnineinspritzung wurde wieder der R.-Qu. festgestellt, wenn 
es ging vor den Krämpfen und während derselben. 

Am 17. 6. 1912 wurde der Hund auf die oben angegebene Kost gesetzt, am 10. 0. 
vormittags wurde zum erstenmal der R.-Qu. bestimmt und es ergab sich folgendes: 
Versuchsdauer 25 Min. Ausgeatmete Luft 35,6 Liter auf 0° 760 mm Druck reduciert. 

Analyse mittels der Ablesung: 

a) Bürette 1 (Atmungsluft) 100,35 Thermobar. 94,2 

b) „ 2 (von C0 2 befreite Luft) 96,4 „ 94,3 

c) „ 3 (von C0 2 und 0 2 befreite Luft) 82,65 „ 94,3 

Nun wurde die Correction auf folgende Weise gemacht: 

100,35 : X = 94,2 : 94,3 oder X Bürette 1 : 100,44 
96,4 : X = 94,3 : 94,35 „ „ 2 : 96,44 

100,44 — 96,44 =. 4 ccm T C0 2 in 100,44 ccm 
Atmungsluft procentual berechnet kommt es auf 3,983 ccm C0 2 in der ausgeatmeten 
Luft. 96,44 — 82,65 = 13,79 ccm 0 2 in 100,44 Ausatmungsluft, also 13,792 pCt. 

ln der eingeatmeten Luft waren enthalten 20,922 pCt., durchschnittlich ge¬ 
nommen; es sind also 20,922 — 13,792 = 7,18 pCt. 0 2 vom Organismus zurückgehalten 
und verbraucht. Daraus ergibt sich ein R.-Qu. von 0,6. Während der Versuchsdauer 
hat der Hund insgesamt 2556,08 ccm 0 2 verbraucht oder in 1 Min. 102 ccm 0 2 und 
pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 6,8 ccm 0 2 . 

24* 


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362 


V. Iwanoff, 


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Am selben Tage nachmittags. Yersuchsdauer 30 Min. Ausgeatmete Luft 62,6 Liter 
auf 0° 760 mm Druok reduoiert. 

Bürette 1: 100,7 Thermobar. 97,7 
7) 2 * 97,75 „ 97,7 

„ 3: 81,6 „ 97,7 

Es ergibt sich daraus 2,93 pCt. C0 2 in der ausgeatmeten Luft und 4,88 pCt. 0 2 
von der eingeatmeten Luft zurückbehalten und verbraucht oder R.-Qu. ~ 0,6. Daraus 
lässt sich berechnen, dass der Organismus des Versuchshundes 6,4 ccm O 0 pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht zurückbehalten und verbraucht hat. 


Am 11. 6. vormittags. Versuchsdauer 17 Min. Ausgeatmete Luft 34,4 Liter 
auf 0° 760 mm reduciert. 

Bürette 1: 101,00 ccm Thermobar. 97,9 
„ 2: 97,75 „ „ 97,9 

n 3: 81,9 „ v 9<,9 

Daraus ergibt sioh der R.-Qu. 3,218 : 5,229 = 0,63 und 0 2 -Verbrauch pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 6,7 ccm. 


Am selben Tage nachmittags. Yersuchsdauer 20 Min. Ausgeatmete Luft 34 Liter 
auf 0° 760 mm Druck reduciert. 

Bürette 1: 100,3 Thermobar. 94,9 
„ 2: 96,35 „ 94,9 

„ 3: 81,2 „ 94,9 

Daraus ergibt sich der R.-Qu. = 3,938 :5,818= 0,677; 0.,-Verbrauch pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 6,5 ccm. 


12. 6. vormittags. Versuchsdauer 18 Min. Ausgeatmete Luft 30 Liter. 

Bürette 1: 100,3 Thermobar. 98 
„ 2: 96,3 „ 98 

„ 3: 81,35 „ 98 

II.-Qu. = 3,988 : 6,077 — 0,656 
0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 6,7 ccm. 

Am selben Tage nachmittags. Vorsuchsdauer 15 Min. Ausgeatmete Luft 31 Liter. 
Bürette 1: 100,65 Thermobar. 96,8 
* 2: 97,3 „ 96,8 

„ 3: 81,3 „ 96,8 

K.-Qu. = 3,328 : 4,922 = 0,61 

Ö 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 6,7 ccm. 


Am 13. 6. wurde zuerst der ll.-Qu. und Minutenverbrauch direkt vor derStrychnin- 
einspritzung bestimmt und es ergab sich: Versuchsdauer 18 Min. Ausgeatmete Luft 
30 Liter. 


Bürette 1: 100,2 Thermobar. 98,5 
„ 2: 96,4 „ 98,6 

n 3: 81,35 v 98,0 
R.-Qu. = 3,792 : 5,903 = 0,64 

0 2 -Verbrauch pro Minute uud Kilogramm Körpergewicht 6,5 ccm. 


Es wurde nun 0,001 g Strychnin eingespritzt und nach 10 Min. der R.-Qu. be¬ 
stimmt. Es ergab sich: Yersuchsdauer 15 Min. Ausgeatmete Luft 33,95 Liter. 
Bürette 1: 100,35 Thermobar. 98,5 
„ 2: «>G,4 „ 98,5 

3: 80,9 „ 98,5 

R.-Qu. = 3,936» ; 5,475 — 0,72 

t > 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 8,2 ccm. 


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Experimentelle Beiträge zur Frage der Zuckerzerstörung hei Diabetes. 363 


Es wurde noch einmal Strychnin eingespritzt und zwar 0,0005 g. Es traten noch 
keine Krämpfe ein, doch bei Beklopfen konnte man deutlich Tetanie auslösen. Ver¬ 
suchsdauer 13 Min. Ausgeatmete Luft 30,6 Liter. 

Bürette 1: 100,4 Thermobar. 98,0 
„ 2: 95,85 „ 98,0 

„ 3: 80,6 „ 98,0 

R.-Qu. =r 4,532 : 5,733 = 0,79 

Öo-Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 8,9 ccm. 

Es wurde weiter Strychnin eingespritzt, bis Krämpfe eintraten und es ergab sich 
ein R.-Qu. = 3,204 : 3,698 = 0,87. 

Es konnte direkt vor dem Tode noch einmal der R.-Qu. bestimmt werden, der¬ 
selbe betrug 2,034 : 2,918 = 0,69. Die Atmung war aber bei den letzten zwei Analysen 
forciert und die Versuchs- ebenso wie die Controllbürette füllten sich kaum in 1 Min., was 
beiderBorechnungdesMinutenvolumenverbrauchs zu ungenaue Resultate ergeben würde. 

Hund II. Dieselbe Kost und ebenso die R.-Qu.-Bestimmung vor- und nach¬ 
mittags in derselben Weise wie bei Hund I. Darauf zweimal täglich 0,1 pro Kilogramm 
Körpergewicht Phlorizin eingespritzt und 2 Tage lang wieder vor- und nachmittags 
R.-Qu.-Bestimmung. Danach Strychnineinspritzung und R.-Qu. vor und nach der 
Einspritzung festgestellt. 

Am 17. 6. vormittags: R.-Qu. = 3,59 : 5,43 = 0,66; pro Minute und Kilogramm 
Körpergewicht 5,7 ccm 0 2 -Verbrauch. 

Am selben Tage nachmittags: R.-Qu. = 3,1 : 4,6 = 0,67; pro Minute und Kilo¬ 
gramm Körpergewicht 5,9 ccm 0 2 -Verbrauch. 

Am 2. Tage vormittags: R.-Qu. = 3,242 : 5,062 = 0,04; pro Minute und Kilo¬ 
gramm Körpergewicht 6,1 ccm 0 2 -Verbrauch. 

Nachmittags: R.-Qu. = 3,532 : 5,698 = 0,62; pro Minute und Kilogramm 
Körpergewicht 6,4 ccm 0 2 -Verbrauch. 

Am 3. Tage vormittags: R.-Qu. = 3,141 : 5,219 = 0,6; pro Minute und Kilo¬ 
gramm Körpergewicht 6,05 ccm 0 2 -Verbrauch. 

Nachmittags: R.-Qu. = 3,5 : 5,12 = 0,68; pro Minute und Kilogramm Körper¬ 
gewicht 6,5 ccm 0 2 -Verbrauch. 

An demselben Tage um 8 Uhr abends wurde Phlorizin 0,1 pro Kilogramm 
Körpergewicht eingespritzt. 

Am nächsten Tage, 20. 6., 8 Uhr vormittags wieder dieselbe Menge Phlorizin 
eingespritzt. Um 10 Uhr vormittags und 6 Uhr nachmittags R.-Qu. gemessen. Es 
ergab sich vormittags: R.-Qu. = 2,899 : 4,886 = 0,59; pro Minute und Kilogramm 
Körpergewicht 6 ccm 0 2 -Verbrauch. Nachmittags: R.-Qu. = 3,2 : 5,5 = 0,58; 
pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 5,8 ccm 0 2 -Verbrauch. 

Um 8 Uhr abends desselben und 8 Uhr früh des nächsten Tages wurde dieselbe 
Menge Phlorizin eingespritzt. 

Am nächsten Tage, 21. 6., vormittags: R.-Qu. = 2,95 : 5,12 = 0,57; pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 5,9 ccm 0 3 -Verbrauch. 

Nachmittags: R.-Qu. = 3,2 : 5,5 = 0,58; pro Minute und Kilogramm Körper¬ 
gewicht 5,7 ccm 0 2 -Verbrauch. 

Am 22. 6., also an den Tagen der Phlorizineinspritzung, wurde der Urin auf 
Zucker untersucht ebenso wie auf GesamtstickstofTmenge. 

Was die Zuckerbestimmung betrifft, haben wir uns der Bertranschen Methode 
bedient, wie sie in dem Abderhalden sehen Handbuch angegeben ist, während die 
GesamtstickstolTbestimmung nach Kjeldahl vorgenommen wurde. 

Am 21. 6. haben wir in dem Urin 29,365 g Zucker und 11,005 g Stickstoff fest¬ 
gestellt. Also das Verhältnis D : N = 2,6 : 1. 


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364 V. Iwan off, 

Am 22. 6. betrug die Zuckermenge 74,592 g und der GesamtstickstolT 27,906 g 
oder D :N = 2,6: 1. 

Am Abend desselben Tages wurde wieder dieselbe Menge Phlorizin eingespritzt 
und nächsten Tage vormittags, nachdem wieder Phlorizin eingespritzt worden, wurde 
der R.-Qu. bestimmt. Es ergab sich folgendes: R. - Qu. = 3,307 : 5,542 = 0,594; 
0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 5,7 ccm. 

Es wurde sofort nach der letzten Gasanalyse 0,001 g Strychnin eingespritzt und 
nach 10 Min. betrug der R.-Qu. = 3,792 : 4,605 = 0,82; 0 2 -Verbrauch pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 6,7 ccm. 

Nach 2 weiteren Strychnineinspritzungen ä 0,002 g wurde wieder die Gasanalyse 
vorgenommen. Nach der ersten Einspritzung betrug der R.-Qu. bei starken Krämpfen 
2,839:4,398 = 0,646 ; 0 2 -Verbrauch proMinute und KilogrammKörpergewicht6,15ccm. 
Nach der zweiten Einspritzung direkt vor dem Tode R.-Qu. = 6,75 : 8,472 = 0,79; 
0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 6,45 ccm. 

Hund IIL Bei derselben Kost (200 g Fleisch und 20 g Schmalz) wurde die 
ersten drei Tage die Gasanalyse vorgenommen und hat folgendes ergeben: 

1. Tag vormittags: R.-Qu. = 2,943 : 4,513 = 0,65; 0 2 -Verbrauch pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 6,1 ccm. 

Nachmittags: R.-Qu. = 3,1 : 4,62 = 0,69; 0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilo¬ 
gramm Körpergewicht 6,25 ccm. 

2. Tag vormittags: R.-Qu. = 2,896 : 4,947 = 0,57; 0 2 -Verbrauch pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 6,1 ccm. 

Nachmittags: R.-Qu. = 3,244 : 4,674 = 0,6; 0 2 -Verbrauch pro Minute und 
Kilogramm Körpergewicht 6,5 com. 

3. Tag vormittags: R.-Qu. = 3,292 : 5,112 = 0,64; 0 2 -Verbrauch pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 6,3 ccm. 

Nachmittags: R.-Qu. = 3,56 : 5,47 = 0,65; 0 2 -Verbrauch pro Minute und 
Kilogramm Körpergewicht 6,5 ccm. 

Am nächsten Tage (5. 7.) wurde die Pankreasexstirpation gemacht. Am 6. 7. 
zeigte der Urin 1,05 pCt. Zuckergehalt und die Gesamtmenge des Zuckers betrug 7,35 g. 
R.-Qu. = 3,097 : 5,587 = 0,55; 0 2 -Vorbrauch pro Minute und Kilogramm Körper¬ 
gewicht 5,9 ccm. 

Am 7.7. enthielt der Urin schon übev2pCt. Zucker. R.-Qu. = 3,25:5,07=0,57; 
0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 5,75 ccm. 

Am 8. 7. ergab die Gasanalyse R.-Qu. = 3,45 : 5,85 = 0,589; 0 2 -Verbrauch 
pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 5,87 ccm. 

Gleich darauf wurde 0,0005 g Strychnin eingespritzt und 10 Min. darauf betrug 
dor R.-Qu. = 3,373:4,754 =0,703; 0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körper¬ 
gewicht 6,75 ccm. Nach weiterer Einspritzung von 0,001 g Strychnin traten stärkere 
Krämpfe auf und der R.-Qu. betrug 3,298 : 4,28 = 0,771; 0 2 -Verbrauch pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 7,2 ccm. 

Hund IV. Bei dem4. Hund wurden dieselben Versuche angestellt wiebei Hund III 
und die Gasanalyse ergab in den ersten drei Tagen: R.-Qu. 0,65, 0,72 bzw. 0,61 
und 0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 5,7, 6,2 bzw. 6,1 ccm. 

Am 4. Tage wurde das Pankreas exstirpiert und drei Tage darauf enthielt der 
Urin 3,256 pCt. Zucker mit einer Gesamtmenge von 27,82 g und Gesamtstickstoff 
10,92 g. R.-Qu. = 2,7 : 4,12 = 0,65 und 0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm 
Körpergewicht 6,3 ccm. 

Es wurde 0,001 g Strychnin eingespritzt und 10 Min. darauf R.-Qu. =4,1187:4,47 
= 0,936; 0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 7,35 ccm. Der 
Hund blieb am Leben und am folgenden Tage vor der Strychnineinspritzung 


Gck igle 


Original fro-m 

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Experimentelle Beiträge zur Frage der Zuckerzerstörung bei Diabetes. 365 


R.-Qu. = 2,698 : 4,442 — 0,607 ; 0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körper¬ 
gewicht 6,45 com. 

Nach 0,001 g Strychnin betrug der R.-Qu. = 3,94 : 5,86 = 0,673; 0 2 -Verbrauch 
pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 6,72 ccm. Nach einer neuen Strychnin¬ 
einspritzung von 0,002 g R.-Qu. = 3,68 : 5,23 = 0,704; 0 2 -Verbrauch pro Minute 
und Kilogramm Körpergewicht 7,12 com. 

Nach der letzten Strychnineinspritzung von 0,002 g R.-Qu. =4,27:5,73 = 0,75; 
0 2 -Verbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht 7,31 ccm. 

Besprechung der Versuche. 

Wenn wir unsere Versuchsergebnisse zusatnmenstellen, so wird sich 
folgendes ergeben: 


Hund I. Vor der Strychnineinspritzung. 


C0 2 -Gehalt der 
ausgeatmeten 
Luft in pCt. 

0 2 -Verbrauch 
in pCt. 

R.-Qu. 

0 2 -Verbrauch 
pro Minute und 
Kilogramm 
Körpergewicht 

3,983 

7,13 

0,555 

6,8 ccm 

2,932 

4,884 

0,6003 

6,4 * 

3,218 

5,229 

0,634 

6,7 „ 

3,938 

5,818 

0,677 

6,5 * 

3,988 

6,077 

0,656 

6,7 „ 

3,328 

! 4,922 

1 0,61 

6,7 „ 

3,792 

5,903 

1 0,642 

6,5 „ 

Nach der Strychnineinspritzung. 

3,93 t) 

5,742 

0,719 

8,2 ccm 

4,532 

5,733 

0,79 

8,9 r 

3,204 

3,698 

0,866 


2,034 

, 2,918 

0,69 


Hund 

II. Vor der 

Phlorizincinspritzung. 

3,59 

5,43 

0,66 

5,7 ccm 

3,1 

4,6 

0,67 

5,9 „ 

3,242 

5,062 

0,64 

6,1 „ 

3,532 

5,698 

0,619 

6,4 „ 

3,141 

5,219 

0,601 

6,5 „ 

3,5 

5,122 

i 0,68 

6,5 „ 

Nach der Phlorizincinspritzung. 

2,899 

4,886 1 

0,593 i 

6,0 ccm 

3,2 

5,5 

0,58 

5,80 „ 

2,95 

5,12 1 

0,57 

5,90 r 

3,20 

5,50 1 

0,58 

5,70 * 

3,307 

5,542 

1 0,59 

5,75 * 

Nach der Strychnincinspritzung. 

3,792 

4,605 

0,82 

6,70 ccm 

2,839 1 

| 4,398 

i 0,648 

6,15 „ 

6,75 | 

8,472 

l 0,79 

6,45 „ 

Hund 

III. Vor der Pankreasexstirpation. 

2,943 

4,513 1 

0,649 

6,1 ccm 

3,1 

4,6 1 

0,69 ! 

6,25 „ 

2,896 

4,947 

0,57 

6,1 „ 

3,244 

4,674 

0,69 

6,5 

3,292 

5,112 

1 0,64 

6,3 „ 

3,56 

5,47 

| 0,65 

6,05 „ 


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366 


V. L w a n o f f, 


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C0 2 -(iehalt der 
ausgeatmeten 
Luft in pCt. 

0 2 -Verbrauch 
in pCt. 

' 0 2 -Verbrauch 

w n | pro Minute und 

* * u * 1 Kilogramm 

| Körpergewicht 


Nach der Pankreasexstirpation. 

3,097 

5,587 

0,55 I 5,9 ccm 

3,25 

5,07 

0.64 | 5,75 . 

3,45 

5,85 

0,589 ! 5,87 „ 

Nach der Strychnineinspritzung. 

3,343 

4,754 

0,703 ! 0,75 ccm 

3,298 

4,28 

0,771 7,2 , 

Hund IV. Vor der Pankreasexstirpation. 

3,21 

4,93 

0,65 | 5,7 ccm 

3,35 

4,65 

0,72 | 6,2 „ 

3,15 

5,16 

0,61 | 6,1 „ 


Nach der Paukreascxstirpation. 

2,7 

4.12 

0,65 | 6,3 cem 

2,69 

4,44 

0,607 | 6,45 „ 

Nach der Strychnineinsprilzung. 

4,187 

4,47 

0,936 ! 7,35 ccm 

3,94 

5,86 

0,673 ! 6,72 „ 

3,68 

5,23 

0,704 i 7,12 „ 

4,27 

5,73 

0,75 7,31 r 


Ueberblicken wir nun die Resultate, so finden wir beim ersten 
normalen Hunde vor der Strychnineinspritzung einen respiratorischen 
Quotienten, der zwischen 0,55 und 0,68 liegt. Nach der Strychnin- 
injection steigt der respiratorische Quotient auf Werte von 0,69 bis 0,87. 
Der Sauerstoffbedarf pro Minute und Kilogramm Körpergewicht steigt 
dabei von durchschnittlich 6,6 auf 8,5. Der Wert von 0,87, den wir 
als respiratorischen Quotienten gefunden haben, ist zwar nicht sehr hoch, 
liesse sich indessen vielleicht als Folge einer gewissen Kohlehydrat¬ 
zersetzung ansprechen. Wir betonen dabei, dass beim Normalhund unter 
kohlehydrathaltiger Ernährung und Strychnineinwirkung der respiratorische 
Quotient viel mehr (bis auf Werte nahe an 1) in die Höhe geht. 

Beim zweiten Hund, bei dem durch Phlorizin eine Glykosurie erzeugt 
wurde, liegt unter gleichen Verhältnissen der respiratorische Quotient 
vor der Strychnineinspritzung zwischen 0,61 und 0,68. Nach der 
Phlorizineinspritzung sinkt der respiratorische Quotient auf einen Wert, 
der um 0,58 liegt. Der Sauerstoffverbrauch vor der Einspritzung pro 
Kilo Körpergewicht beträgt etwa 6,2 durchschnittlich, nach der Phlorizin¬ 
einspritzung etwa 5,8. Dieser Phlorizinhund weist nach der Phlorizinein¬ 
spritzung ein Ansteigen des respiratorischen Quotienten, bis zu einem Werte 
von 0,82, auf. Der Sauerstoffbedarf pro Kilo Körpergewicht und Minute 
liegt durchschnittlich bei 6,4. Daraus geht hervor, dass unter dem Ein¬ 
fluss des Phlorizins und des Strychnins der respiratorische Quotient nicht 
auf einen derartigen Wert steigt, dass man aus ihm notgedrungen eine 
Zersetzung von Kohlehydrat annehmen muss. 

Beim Hund III liegt vor der Pankreasexstirpation der respiratorische 
Quotient bei etwa 0,66 und fällt nach der Pankreasexstirpation auf etwa 


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Experimentelle Beiträge zur Frage der Zuckerzerstörung bei Diabetes. 367 


durchschnittlich 0,59. Nach der Strychnineinspritzung steigt er bis auf 
0,711. Der Sauerstoffverbrauch pro Minute und Kilo Körpergewicht be¬ 
trägt vor der Operation 6,2, nach der Operation sinkt er auf 5,8 und 
steigt nach der Strychnineinspritzung durchschnittlich auf 7 ccm. Das 
Facit aus diesem Versuche ergibt also nur ein geringes Steigen des 
respiratorischen Quotienten und ein geringes Ansteigen des Sauerstoff¬ 
verbrauches. Die Steigerung des respiratorischen Quotienten ist keine 
derartige, dass man etwa daraus auf eine Zuckerzersetzung schliesscn 
könnte. 

Versuche an Hund IV. Vor der Pankreasexstirpation beträgt der 
respiratorische Quotient durchschnittlich 0,66, sinkt nach der Pankreas¬ 
exstirpation auf niedere Werte zwischen 0,61 und 0,65 und steigt nach 
der Strychnininjection vorübergehend auf einen Wert von 0,94, um dann 
allerdings wieder auf Werte zu fallen, die sich um 0,7 halten. Der 
Sauerstoffverbrauch liegt vor der Pankreasexstirpation um 6 ccm pro 
Kilo Körpergewicht und Minute, nach der Pankreasexstirpation bei etwa 
6,4 und steigt nach der Strychnineinspritzung durchschnittlich auf 7,1. 
Es ergibt sich also aus diesen Versuchen zunächst, dass die Zucker¬ 
verluste, wie sie durch Phlorizinvergiftung oder durch Pankreasexstirpation 
bedingt werden, zu einer Verminderung des respiratorischen Quotienten 
führt, die man ungezwungen wohl auf eine Ausschaltung, zum mindesten 
aber eine Verminderung der intermediären Kohlehydratverbrennung zurück¬ 
führen kann. Nach den Strychnininjectionen steigt der respiratorische 
Quotient, mit einer Ausnahme beim Hund IV auf Werte, aus denen 
man ungezwungen auf eine Kohlehydratverbrennung schliessen könnte. 
Im Versuch IV ist dabei der Wert von 0,936 als respiratorischer Quotient 
auffallend hoch, wir wollen indessen keine grossen Schlüsse aus diesem 
Wert ziehen, weil er singulär ist. Trotzdem erscheint in allen Versuchen 
das Steigen des respiratorischen Quotienten mit dem gleichzeitigen Steigen 
des Sauerstoffverbrauches wichtig und weist daraufhin, dass, wenn auch 
die Werte von 0,8 im allgemeinen kaum überschritten werden, doch die 
Möglichkeit einer Kohlehydratverbrennung nicht ausgeschlossen, ja wohl 
wahrscheinlich ist. Bei kohlehydratgenährten Pankreashunden steigt, wie 
wir aus den persönlichen Mitteilungen von ßrugsch und Plesch wissen, 
der Wert bei gleicher sonstiger Versuchsanordnung für den respiratorischen 
Quotienten über 0,8 an. In unseren Versuchen bleibt er bis auf die eine 
erwähnte Ausnahme, Hund IV, unter diesem Wert. Wir können daraus den 
Schluss ziehen, dass das Steigen des respiratorischen Quotienten beim 
kohlehydratgenährten pankreaslosen Hund, der durch Strychnininjection 
Muskelarbeit zu leisten gezwungen wird, wohl nicht auf einer Ueber- 
ventilation der Lungen beruht, sondern in der Tat die Folge veränderter 
Verbrennungsverhältnisse ist. 

Nachdem wir nunmehr festgestellt haben, dass sowohl bei dem 
kohlehydratfrei genährten pankreasdiabetischen Hunde, wie phlorizin- 
diabetischen Hunde durch Strychnininjection eine Steigerung des respira¬ 
torischen Quotienten zustande kommt, ohne dass wir uns indessen für 
berechtigt halten, den strikten Schluss zu ziehen, dass diese Steigerung 
auf der Verbrennung kohlehydrathaltigen Materials beruht, haben wir uns 


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368 


V. Iwan off, 


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die Frage vorgelegt, ob eventuell die Steigerung durch eine Zunahme 
der Säure im Blute bedingt sein könnte, wodurch es zur Mehrabsonderung 
von Kohlensäure aus dem Blute kommen könnte. Einen derartigen Ein¬ 
wand hat bereits Rolly gegen die Respirationsversuche erhoben. Zu 
diesem Zwecke haben wir zunächst die Blutreaction mittelst der Gas¬ 
kettenmessung untersucht. Es wurde dem Hunde vor der Pankreas¬ 
exstirpation, nach der Pankreasexstirpation und nach der Vergiftung mit 
Strychnin Blut entnommen, und die Wasserstoffionen- bzw. Hydroxylionen- 
Concentration bestimmt. Es zeigte sich in allen Fällen keine wesentliche 
Aenderung der Wasserstoffionen-Concentration, mit anderen Worten, die 
aktuelle Reaction des Blutes blieb auch im Pankreasdiabetes, 
bzw. unter der Einwirkung von Strychnin annähernd die gleiche 
wie vorher. 


Hund 1. Vor der Pankreasexstirpation bei gewöhnlicher Nahrung und 20 ( 


Temperatur wurde gemessen - - ' Millivolt, Ph = 

boy — i,DD 


7 SO 

H' (Wasserstoffionen- 


concentration) = 


0,32 • 10 


-, OH' (Hydroxylionenconcentration) = 


3,75 - 10 


0,28- 10 ‘ ' ’ ' 4,28- 10 ' 

Es wurde das Pankreas exstirpiert und zur Nahrung nur Fleisch und Fett (200 g 
Fleisch und 20 g Fett) gegeben. Am zweiten Tage nach der Pankreasexstirpation 
enthielt der Urin 2,1 pCt. Zucker, nach Bertrand bestimmt. Gaskettenmessung ergab bei 


* 684 u ir u —7,46 u , 0,35 • 10 

20° Temperatur - n Millivolt. Ph = - „ . 1P = 

689 7 — *,oo’ 0,28 • 10 


3,43 • 10 


7 , OH' = 

7 4,28 • 10 ‘ 

Darauf Strychnin eingespritzt. Blut während der Krämpfe abgenommen und unter- 

680 _ y 400 

sucht. Es ergab sich bei der Gaskettenmessung Millivolt, Ph = - ■» 

682 — 7,436 

H < _ 9,40_il0 1 0H , _ 3,00^10 - T 

0,32-IO -7 ’ 3,75 • 10 — 

Auf Acetonkörper wurde nicht untersucht. 


Hund 2. Vor der Pankreasexstirpation wurde die 1P Bestimmung zweimal ge¬ 
macht und es betrugen die Ph-Werte — 7,56 bzw. — 7,51 am ersten und — 7,5 bzw. 
— 7,52 am zweiten Tage, die durchaus normal sind. 

Am ersten Tage der Pankreasexstirpation und bei Fleischfettnahrung, die bis 
zum Ende eingehalten wurde, fiel die Zuckerprobe deutlich positiv aus, und 


0,33- 10 


3,636 • 10 


Buttersäuren wurden nicht nachgewiesen 


H' = ,, OIP = 

0,35- 10 ' 3,428* 10 ‘ 

im Urin. 

Am zweiten Tage nach der Pankreasexstirpation Zucker 1,0 pCt. Buttersäuren 
}< _ 0,42-10 7 nlI , _ 2,857-10 7 


fehlen. H' 


OII' = 


7 ‘ 


0,43* 10 ' 2,790-10 

Am dritten l'age Zucker 2,3 pCt., Aceton und Acetessigsäure deutlich positiv. 


IP = 


0,43- 10 


- OIP = 


0,40- 10 


V 


2,79 • 10 
3,00-10 


1) Die Zahlen sind doppelt, weil die Yersuchscontrollen auch angegeben 
worden sind. 


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Experimentelle Beiträge zur Frage der Zuckerzerstörung bei Diabetes. 369 


Am vierten Tage Zucker im Urin 2,1 pCt., Aceton und Acetessigsäure positiv. 


/tf-Oxybuttersäure fehlt. H' = ~~ ~ 7 , 


l 7 0H< _ 3,63 • 10 
0,35- 10 V 3,43 - 10 


Am fünften Tage Zucker 2,25 pCt., Aceton und Acetessigsäure deutlich positiv. 


tf-Oxybuttersäure fehlt. II' = 

0,40 10 7 


OH* 


3,43 10 


3,00 • 10 
0,52 • 10 


— V 


Am 7. Tage vor der Strychnineinspritzung H' =- 

0,56*10 7 


OH'= 2,30 ’ — 
2,14-10 


Nach der Strychnineinspritzung II' = 


0,78 • 10 
0,75* 10 


- 7 » 


oh' = L“1ÜL 

1,60* 10 


— 7 


Ueberblicken wir diese Versuche, so können wir den Schluss ziehen, 
dass die aktuelle Reaction des Blutes sich beim Pankreasdiabetes auch 
dann nicht ändert, wenn durch Muskelkrämpfe das vermehrte Auftreten 
organischer Säuren im Blute wahrscheinlich wird. 


Die Arbeit ist auf Veranlassung und unter Leitung von Prof. 
Dr. Brugsch ausgeführt. 


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XIV. 

Aus dem Laboratorium der II. med. Klinik der Kgl. Charitd, Berlin. 

Die Aenderung der Blutalkalescenz beim Pankreasdiabetes 
unter dem Einfluss von Muskelkrämpfen. 

Von 

Max Sass, 

Medicinalpraktikant. 


Eine derjenigen Fragen, deren Studium noch vertieft werden muss, 
ist die Frage der Reaction des Blutes; ganz besonders gilt das von der 
Reaction des Diabetikerblutes. Wissen wir doch, dass z. B. der Exitus 
des Diabetikers unter dem Stigma der Säurevergiftung erfolgt, infolge¬ 
dessen sollte man erwarten, dass, wenn auch das Blut ein starkes Neu- 
tralisationsbestreben hat, sich doch Vorgänge am Blute abspielen, die auf 
die Reaction des Blutes einen Einfluss haben. 

Früher hat man das Blut für alkalisch angesehen und hat unter 
Alkalesccnz des Blutes die Eigenschaft des Blutes verstanden, gegen 
Lackmus oder Lackmoid alkalisch zu reagieren. Statt dieser titrimetrischen 
Methode besteht heute die Möglichkeit, direkt den Alkalcscenzgrad des 
Blutes durch die Ermittelung des Hydroxylionengehaltes zu bestimmen. 
Wenn man sich dieser Methode bedient, so stellt es sich nach R. Höher 
(1) heraus, dass der Hydroxvlionengehalt des normalen Blutes ungefähr 
gleich dem der Wasserstoffionen ist, d. h., dass das Blut physico-chemisch 
eine so gut wie neutrale Flüssigkeit ist. Man nennt das die actuelle 
Reaction. Diese actuelle Reaction des Blutes kann durch einige 
Factoren beeinflusst werden. Hierher gehört der Gehalt des Blutes an 
Kohlensäure. Höber gibt an, dass das Blut zwar innerhalb der physio¬ 
logischen Schwankungen des COo-Gehaltes annähernd neutrale Reaction 
beibehält, dass aber das venöse Blut doppelt so viel H+-Ionen enthalten 
kann, als das arterielle. Das würde mit anderen Worten besagen, dass 
das venöse Blut durch den Gehalt an C0 2 saurer wäre, als das arterielle. 
Auch das Lebensalter spielt insofern eine Rolle bei der actuellen Reaction 
des Blutes, als der H+-Ionengehalt des Blutes von Erwachsenen am ge¬ 
ringsten, der von Säuglingen und besonders lebensschwachen, früh¬ 
geborenen Säuglingen am höchsten ist. Luftverdünnung scheint den 
li+-Gehalt des Blutes etwas zu erhöhen. 

Beim Coma diabeticum hat man nun vermittels der Titrationsmethode 
meist eine Abnahme der Blutalkalinität festgestellt. Nun aber hat 
Benedict (2) den Hydroxvlionengehalt bestimmt und gefunden: 

1. dass der Gehalt des Diabetikerblutes an OH sich auch in den 
Fällen mit abnormer Säureproduction nicht von der Norm unterscheidet, 
d. h. dem OH -Gehalt nach das Blut eine neutrale Flüssigkeit ist; 

2. dass bei dem Coma diabeticum ein Absinken des OH -Gehaltes 
unter die Norm stattfinden kann, aber nicht eonstant vorkommt. Selbst 


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Die Aenderung der Blutalkalescenz beim Pankreasdiabetes usw. 


371 


in den Fällen mit tatsächlich niedrigem OH~-Gehalt bewegen sich die 
Werte hart an der Grenze der neutralen Reaction. 

Das Blut hat also die Tendenz, die doch zweifellos abnorme Säure¬ 
bildung durch vermehrte Alkaliabgabe zu neutralisieren. Dies geht auch 
aus der Arbeit von A. Szilli (3) hervor, welcher Tieren intravenös Säuren 
injicierte und fand, dass die Alkalinität des Blutes mit der zugeführten 
Säuremenge nicht proportional sinkt. Dadurch, dass dieselbe Säuremenge 
anfangs die Alkalinität des Blutes erheblich mehr herabsetzt wie später, 
schliesst er, dass das Alkali, welches der Körper zur Neutralisierung der 
eingeführten Säure braucht, nicht allein aus dem Blute, sondern auch 
aus den Zellen des übrigen Organismus stammt. 

Die Bestimmung des Hydroxylionengehaltes ergibt also ein Resultat, 
welches dem mit Hilfe der Titrationsmethode und der C0 2 -Bestimmung 
gerade entgegengesetzt ist und, wenn sie allein ausschlaggebend wäre, 
die ganze Acidosetheorie hinfällig machen würde. 

Nun ist aber das Alkali des Blutes in diesem in zwei Formen vor¬ 
handen: einmal als freies, chemisch locker gebundenes, hauptsächlich als 
kohlen- und phosphorsaures Alkali, und zweitens als Alkali, welches mit 
Eiweissstoffen des Blutes feste, unlösliche Verbindungen eingegangen ist. 
Bei der Bestimmung der Hydroxylionen können natürlich nur die freien 
H+-Ionen bestimmt werden, und da diese, wie Loewy-Zuntz (4) gezeigt 
haben, gegenüber den festgebundenen erheblich in der Minderzahl sind, 
so erhalten wir durch die Bestimmung des Hydroxylionengehaltes keine 
exacte Aufklärung über die Reaction des Diabetikerblutes. 

Um die Alkalescenzänderung des Blutes zu ermitteln, bleibt uns 
also nur eine indirecte Methode, und diese besteht entweder darin, dass 
man bestimmt, um wieviel der C0 2 -Gehalt des Blutes abgenommen hat 
(Verdrängung der C0 2 durch stärkere Säuren) oder darin, dass man das 
Blut gegen Lackmus oder Lackmoid austitriert; es muss aber dann unter 
letzteren Verhältnissen sowohl das locker- wie festgebundene Alkali be¬ 
stimmt werden. 

Wir haben uns nun, auf Veranlassung von Professor Brugseh, die 
Frage vorgelegt: ist eine Aenderung der Alkalescenz des Blutes unter 
solchen Bedingungen zu constatieren, unter denen erfahrungsgemäss 
organische Säuren, z. B. Milchsäure, im Blute aufzufinden sind, und weiter 
haben wir uns die Frage vorgelegt, ob ein Hund, bei dem eine Aende¬ 
rung des Kohlehydratstoffwechsels durch Exstirpation des Pankreas be¬ 
wirkt ist, unter ähnlichen Verhältnissen Abweichungen hinsichtlich dieser 
Alkalinitätsänderung zeigt. 

Zu diesem Zwecke exstirpierten wir einer Anzahl von Hunden das 
Pankreas total und setzten sie, ebenso wie eine Anzahl normaler Hunde, 
unter Strychninwirkung. Das Blut wurde alsdann vor und während der 
Krämpfe und nach dem Tode untersucht, mittelst der Alkalescenzbe- 
stiramung von Loewy und Zuntz, bei der das Verhältnis zwischen fest 
und locker gebundenem Alkali ausgewertet wird. 

Wir beschreiben zunächst die Versuche und werden daran die daraus 
gezogenen Schlussfolgerungen anschliessen. 


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372 


Max Sass, 


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Methodik der Versuche. 

Die Methode, welche ich bei meinen Versuchen anwendete, ist die¬ 
selbe, wie sie K. Brandenburg in seiner Arbeit „Ueber das diffusible 
Alkali und die Alkalispannung des Blutes in Krankheiten“ angibt. Sie 
ist eine Modification der zuerst von Loewy und Zuntz mitgeteilten 
Methode und gestaltet sich folgendermassen: Dem Hunde werden etwa 
80—100 ccm Blut abgelassen, und dieses wird durch Schlagen defibriniert. 
Hiervon werden 5 ccm mit der 4 fachen Menge Aqua dest. versetzt und 
dadurch lackfarben gemacht. Dann wird die Alkalescenz durch Titration 
mit V25 Normalweinsäure gegen Läckmoidpapier bestimmt. Hierauf 
werden 20 ccm Blut in einen feuchten Pergamentschlauch von etwa 15 cm 
Höhe und 4 cm Lichtung gebracht. Der Pergamentschlauch ist an einem 
Ende durch einen Gummistopfen verschlossen und muss vor jeder Be¬ 
nutzung auf seine Dichtigkeit hin geprüft werden. Sodann wird er in 
einen Glascylinder von etwa 20 cm Höhe und 5 cm Lichtung hinein¬ 
gestellt, in dem sich 50 ccm einer mit isotonischer Kochsalzlösung her¬ 
gestellten Natronlauge befinden, deren Procentgehalt an Alkali den fünften, 
bzw. den sechsten Teil von dem des Blutes beträgt. Das Blut im Per¬ 
gamentschlauch muss öfters mit einem dicken Glasstabc uragerührt werden. 
Nach 24stündigem Stehen in einem nicht zu warmen Raume wird das 
Alkali der Innen- und Aussenflüssigkeit wie vorhin titriert. 

Sämtliche Titrationen wurden doppelt ausgeführt. Als Indieator 
benutzte ich das nach Loewyscher Vorschrift von Apotheker Dr. 
Wartenberg hergestellte Lackmoidpapier. 

Versuch I. Einem ca. 6—7 kg schweren Hunde wurden ca. 100 ccm Blut ab¬ 
gelassen zu Versuch I a. 

Nach einigen Tagen wurde ihm 1 mg Strychnin subcutan injiciert. 12 Minuten 
später trat der erste Krampf auf. Noch während des Krampfes wurde angefangen, Blut 
zu entnehmen zu Versuch 1b«. Die Blutentnahme dauerte 13 Minuten. Während dieser 
Zeit traten 3 Krämpfe auf. Es wurde dann wiederum 1 mg Strychnin injiciert, darauf 
folgten nach 7 Minuten Krämpfe und nach weiteren 2 Minuten der Tod. Nach dem 
Tode wurde sofort der Bauch eröffnet und Blut aus der Vena cava inf. zu Versuch 1b ß 
entnommen. 

Die Zeit von der 1. Injection bis zum Tode betrug 43 Minuten; dem Hunde 
wurden im ganzen 2 mg Stryohninum nitricum injiciert. 

Versuchl: Am Hunde ohne Pankreas-Exstirpation, 
a) Vor der Strychnin-Injection. 


Blutalkalescenz für 100 ccm: 416,0 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; kein Fäulnisgeruch, Aussendüssigkeit z.T. gelblich 
verfärbt. 




ccm Flüssigkeit 


ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

Alkalescenz der 
Aussenflüssigkeit 
zur Alkalescenz 
des Blutes (A : J) 


aussen 

innen 

aussen innen 


vor 

: nach 

vor i 

nach 

vor nach 1 vor 

nach 

vor nach 

I. 

50,0 

1 48,0 : 

20,0 1 

22,0 

5,0 4,0 25,0 

24,5 

1 

1:5 1:6,1 

11. 

50,0 

46,0 

20,0 

21,5 

4,2 3,0 25,0 

23,4 

1:6 l : 6,5 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Die Aenderung der Blutalkalescenz beim Pankreasdiabetes usw. 


373 


b) Nach der Strychnin-Injection. 


«) Während der Krämpfe. 

Blutalkalescenz für 100 ccm: 256,0 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; kein Fäulnisgeruch; Aussenflüssigkeit klar. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A 

: J 

aussen 

innen 

aussen 

innen 


vor 

| nach 

vor 

nach 

vor 

| nach 

vor 

nach 

vor 

| nach 

I. 

11. 

50,0 

50,0 

47,5 

47,5 

! 20,0 
20,0 

22,0 

22,0 

3,2 

2,7 

1 l '~ 

1,9 

16,0 

16,0 

5,0 

6,9 

1:5 

1 : 6 

1 : 2,9 

1 :3,6 


ß) Nach dem Tode. 

Blutalkalescenz für 100 ccm: 208,0 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; kein Fäulnisgeruch, Aussenflüssigkeit klar. 







1 ccm 

n/25 Weinsäure 

i zur 1 




ccm Flüssigkeit 

Neutralisation von 10 ccm 







i 

Flüssigkeit 


A : J 


aussen 

innen 

aussen 

i 

j innen 



vor 

| nach 

| vor 

j nach 

vor 

| nach 

vor 

| nach 

vor | nach 

I. 

50,0 

46,5 

20.0 

23,0 

2,6 

1,8 

13,0 

8,2 

1:5 ! 1 : 4,5 

11 . 

50,0 

1 47,0 1 

20,0 | 

22,5 

2,2 

1,5 

13,0 j 

7,3 

1:6 | 1 : 4,8 


Versuch II. Einem ca. 6 kg schweren Hunde wurden ca. 80 ccm Blut ent¬ 
nommen zu Versuoh IIa. Darauf wurde ihm 1 mg Strychnin subcutan injiciert. Nach 
8 Minuten trat der erste Krampf auf. Es wurde sofort Blut entnommen zu VersuchIlbcr. 
Die Blutentnahme dauerte 15 Minuten. Während dieser Zeit traten mehrere kleinere 
Krämpfe auf. 30 Minuten nach der ersten Injection wurde eine zweite gemacht von 
l / 2 mg, eine dritte ebensolche nach weiteren 20 Minuten. Während dieser Zeit wurden 
die Krämpfe heftiger und die Blutentnahme wurde fortgesetzt. 20 Minuten nach der 
dritten Injection wurde eine vierte gemacht, wiederum 1 / 2 mg. Nach 7 Minuten trat 
unter heftigen Krämpfen der Tod ein. Nach dem Tode wurde sofort der Bauch er¬ 
öffnet und aus der Vena cava inf. Blut zu Versuch II bß entnommen. 

Die Zeit von der 1. Injection bis zum Tode betrug 77 Minuten; es wurden ins¬ 
gesamt 2 x / 2 mg Strychninum nitricum injiciert. 

Versuch II : Am Hunde ohne Pankreas-Exstirpation, 
a) Vor der Strychnin-Injection. 

Blutalkalescenz für 100 ccm: 374,4 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A: J 

aussen 

! innen 

| vor | nach 

aussen 

innen 

vor 

nach 

vor | nach 1 

vor 

nach 

vor | nach 

1 . 

11. 

50,0 

50,0 

46,0 

46,0 

20,0 

1 20,0 

i 24,0 

i 

4,7 3,6 

3,9 3,6 

23,4 

‘23,4 

24,1 

23,9 

1 

1:5 ! 1 : 6,7 
1:6 1 : 6,6 


Digitized by 


Go igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 

















374 


Max Sass 


Digitized by 


b) Nach der Strycbnin-lnjection. 
u) Während der Krämpfe. 


Blutalkalescenz für 100 com: 300,8 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 




ccm Flüssigkeit 

ccm n 25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A : J 

aussen 

vor 1 nach , 

innen | 

vor | nach | 

aussen ! innen 

vor j nach j vor nach 

vor | nach 

I. 

50,0 ! 

47,0 | 

20,0 

22,5 

; i i 

3,8 | 2,4 | 18,8 j 17,2 

1:5 1 : 7.2 

11. 

50,0 i 

47,0 | 

20,0 | 

23,0 

3,1 | 2,3 1 18,8 1 16,5 

1:6 ! 1 : 7,2 





ß) Nach dem Tode. 


Blutalkalescenz für 100 ccm: 185,6 mg NaOH. 


Dialyse: 

Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 





1 

ccm n 25 Weinsäure zur 




ccm Fli 

üssigkeit 

Neutralisation von 10 ccm 







Flüssigkeit 

A : J 


aussen 

innen 

aussen ( innen 



vor ! 

nach 

1 vor i 

nach 

vor nach i vor | nach 

vor | nach 

L. 

50,0 

48,0 

20,0 

21,5 

! 

2,3 ! 1,5 j 11,6 9,3 

1 

1:5 j 1 : 6,2 

II. 

50,0 

48,0 

; 20,0 

21.0 

1,9 1 1,5 11,6 i 9,4 

1:6 11: 6,3 


Versuch III. Einem 7 kg schweren Hunde wurde das Pankreas total exstir- 
piert. Bis zum folgenden Tage hatte der Hund keinen Urin gelassen. Erst bei der nun 
folgenden Strychninvergiftung gelang es, etwas Urin aufzufangen; bei der geringen 
Menge aber war es nicht möglich, einen Zuckergehalt sicher nachzuweisen. Vor der 
Strychnin-Injection wurde dem Hunde Blut abgolassen zu Versuch lila. Dann wurde 
ihm 1 mg Strychnin subcutan injieiert, nach 26 Minuten wiederum 1 mg, nach weiteren 
39 Minuten l j 2 mg, nach weiteren 15 Minuten und weiteren 24 Minuten wiederum je 
1 / 2 mg. 7 Minuten nach der vorletzten lnjection trat der erste Krampf auf. Daraufhin 
versuchte ich, dem Hunde Blut abzulassen. Es bestand jedoch ein derartiger Spasmus 
der Gefässe, dass eine Blutentnahme unmöglich war. 11 Minuten nach der letzten 
lnjection wurde dem Hunde nochmals 1 mg Strychnin injiciert und nach 19 Minuten 
trat unter heftigen Krämpfen der Tod ein. Nach dem Tode wurde sofort Blut aus der 
Vena cava inf. zu Versuch III bfi entnommen. 

Die Zeit von der 1. lnjection bis zum Tode betrug 2 Stunden 12 Minuten; es 
wurden insgesamt 4 1 / 2 mg Strychninum nitricum injiciert. 

Versuch 111: Nach Pankreas-Exstirpation. Zuckergehalt des Harns nicht 

nachweisbar. 

a) Vor der Strychnin-Injection. 


Blutalkalescenz für 100 ccm: 393,6 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A : J 


aussen innen 

vor nach vor nach 

aussen 

vor nach 

innen 

vor nach 

vor 

| nach 

l. 

7 ' " $• 

50,0 , 46,5 20.0 22,5 

i 

4,8 o.S 

24.6 24.5 

1 : 5 

1 1 : 6.5 

11. 

50,0 47,0 20,0 23.0 

4,1 3,3 

24,6 24,6 

1 : 6 

| 1 : 7,4 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Aenderung der Blutalkalescenz beim Pankreasdiabetes usw. 


375 


b) Nach der Strychnin-Injection. 

u) Während der Krämpfe war eine Blutentnahme wegen Spasmus der Gelasse 
nicht möglich. 

ß) Nach dem Tode. 

Blutalkalescenz für 100 ccm: 316,8 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruoh. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A 

: J 

aussen 

innen 

aussen 

innen 

• 

vor | 

nach 

vor 

nach 

vor 

| nach 

vor 

nach 

vor 

! nach 

1 . 

50,0 

47,0 

20,0 

23,0 

4,0 

3,0 

19,8 

20,0 

1 : 5 

1:6,6 

II. 

50,0 

47,5 

20,0 | 

22,5 

3,3 

2,6 

19,8 

19,8 

1:6 

1 : 7,6 


Versuch IV. Einem $ l / 2 kg schweren Hunde wurde das Pankreas exstirpiert. 
Als nach 2 Tagen der Zuckergehalt des Urins 3 l j 2 pCfc. betrag, wurde dem Hunde 
Blut abgelassen zu Versuoh IVa. Die Blutentnahme dauerte 15 Minuten. Darauf 
wurden dem Hunde 2 mg Strychnin subcutan injiciert. Nach 15 und nach 30 Minuten 
erhielt er wiederum je 1 mg Strychnin, also im ganzen 4 mg in l / 2 Stunde. 5 Minuten 
nach der letzten Injection trat der erste heftige Krampf auf, dem bald mehrere folgten. 
Während der Krämpfe wurde Blut entnommen zu Versuch IVba. Diese Blutentnahme 
dauerte 31 Minuten. Sie wurde erschwert durch Spasmus der Gefässe. Nach weiteren 
ca. 15 Minuten erfolgte der Tod unter starken Krämpfen. Sofort nach dem Tode wurde 
aus der Vena cava inf. Blut zu Versuch IV bß entnommen. 

Die Zeit von der 1. Injection bis zum Tode betrug 1 Stunde 22 Minuten, es 
wurden im ganzen 4 mg Strychninum nitricum injicirt. 

Versuch IV: Nach Pankreas-Exstirpation. Zuckergehalt des Harns 3 l /2 pW- 
a) Vor der Strychnin-Injection. 


Blutalkalescenz für 100 ccm: 406,4 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit z. T. schwach gelblich verfärbt, 
kein Fäulnisgeruch. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A 

: J 

aussen 

| innen 

aussen 

innen 


vor 

nach 

| vor 

nach 

vor 

nach 

vor | nach 

vor | 

nach 

I. 

50,0 

46,0 

20,0 

23,0 

5,1 

4,4 

i 

25,4 | 24,4 

1:5 

1 : 5,5 

II. 

50,0 

46,0 

20,0 

23,0 

4,2 

3,5 

25,4 1 24,5 

1:6 

1 :7,0 


b) Nach der Strychnin-Injection. 
a) Während der Krämpfe. 


Blutalkalescenz für 100 com : 326,4 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A 

: J 

aussen 

innen 

aussen 

innen 


vor 

nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

I. 

50,0 

46,0 

20,0 

23,5 

4,1 

3,0 

20,4 

17,3 

1:5 

1 :5,8 

II. 

50,0 

47,5 

20,0 

21,0 

3,4 

2,3 

20,4 

16,1 

1 : 6 

1 : 7,0 


Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. Jo. Bd. ‘Jfj 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



376 


Max Sass, 


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ß) Nach dem Tode. 

Blatalkalescenz für 100 ccm: 265,6 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A: J 

aussen 

innen 

aussen 

innen 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

1. 

11. 

50,0 

50,0 

46,0 

48,0 

20,0 

20,0 

23,0 

20,5 

3,3 

2,8 

2,4 

2,2 

16,6 

16,6 

16,3 

15,7 

1:5 

1 : 6 

lc 6,8 

1 :7,1 


Versuch V. Einem 9—10 kg schweren Hunde wurde das Pankreas exstirpiert. 
Am nächsten Tage enthielt der Harn 3 pCt. Daraufhin wurde dem Hunde Blut ab¬ 
gelassen zu Versuch Va. Die Blutentnahme dauerte ca. 45 Minuten. Hierauf wurden 
ihm 2 mg Strychnin subcutan injiciert, nach 30 Minuten und nach weiteren 15 Minuten 
wiederum je 1 mg und nach weiteren 20 Minuten noch l / 2 mg Strychnin. 1 Minute 
nach der letzten Injection trat der erste grosse Krampf aut, dem in kurzen Abständen 
mehrere folgten. Nach dem ersten Krampfe wurde dem Hunde Blut entnommen zu 
Versuch Vbcr. Wegen des starken Spasmus der Gefässe war es nicht möglich, die ge¬ 
wöhnliche Blutmenge zu erhalten. Die Blutentnahme dauerte 28 Minuten, nach welcher 
Zeit der Tod unter heftigen Krämpfen eintrat. Nach dem Tode wurde aus der Vena 
cava inf. Blut zu Versuch Vbß entnommen. 

Die Zeit von der 1. Injection bis zum Tode betrug 1 Stunde 34 Minuten; es 
wurden im ganzen i 1 ^ mg Strychnin injiciert. 

VersnchV: Nach Pankreas Exstirpation. Zuckergehalt des Harns 3 p(’t. 
a) Vor der Strychnin-Injection. 

Blutalkalescenz für 100 ccm: 409,6 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A 

: J 

aussen 

| innen 

aussen 

innen 


vor 

nach 

| vor 

| nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

I. 

50,0 

45,5 

20,0 

24,0 

5,1 

4,1 

25,6 

25,0 

1:5 

1 : 6,1 

II. 

50,0 

45,0 

20,0 

24,0 

4,3 

3,6 

25,6 

24,7 

1 : 6 | 

1 :6,8 


b) Nach der Strychnin-Injection. 
a) Während der Krämpfe. 


Blutalkalescenz für 100 ccm: 342,4 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A 

: J 


aussen 

innen 

aussen 

innen 




vor 

| nach ^ 

vor | 

nach 

vor ! nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

1. 

50,0 

i 

45,0 

20,0 ! 

24,0 

3,6 2,7 

21,4 

20,5 

1:6 

1:7,6 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Die Aenderung der Blutalkalescenz beim Pankreasdiabetes usw. 


377 


ß) Nach dem Tode. 


Blutalkalescenz für 100 ccm: 281,6 mg NaOH. 

Dialyse: Dauer 24 Stunden; Aussenflüssigkeit klar, kein Fäulnisgeruch. 



ccm Flüssigkeit 

ccm n/25 Weinsäure zur 
Neutralisation von 10 ccm 
Flüssigkeit 

A: J 

aussen i 

| innen 

aussen 

| innen 

vor | 

| nach 

vor 

nach 

vor 

nach 

vor | 

| nach 

vor 

nach 

I. 

II. 

25,0 

50,0 

23,0 

45,0 

10,0 

20,0 

12,0 

24,0 

3,5 

2,9 

2.7 

1.8 

17,6 

17,6 

17,6 

16,0 

1 : 5 

1 : 6 

1 : 6,5 

1 : 8,8 


Wenn wir die Resultate nunmehr hier zusammenfassen, so ergibt 
sich folgendes: 

An einem normalen Hunde, der nicht operiert worden war, zeigt 
sich an dem nüchtern untersuchten Blut, dass die Alkalescenz nach 
titrimetrischer Bestimmung sinkt, sobald durch Strychnin-lnjection Krämpfe 
hervorgerufen werden. Besonders tritt auch ein Sinken der Alkalescenz 
nach dem Tode ein. Die Ursache dieses Sinkens der Alkalescenz muss 
auf eine Production von Säure zurückzuführen sein (wahrscheinlich Milch¬ 
säure). Wurde den Hunden das Pankreas exstirpiert und die gleich¬ 
sinnigen Versuche angestellt, so ergab sich allerdings auch ein Sinken 
der Alkalinität. Dieses Sinken betrug vielleicht V 4 des Wertes der 
Gesamt-Alkalinität, war aber quantitativ weit geringer als das Sinken 
der Alkalinität beim nichtoperierten Hunde. Ein gleiches Resultat ergab 
der Versuch 4 und 5. Auch hier war ein Sinken der Alkalinität zu 
constatieren, doch nicht so erheblich wie in den Normalversuchen. Wenn 
wir diese Versuche beurteilen, dann müssen wir doch sagen, dass in der 
Tat durch Entstehung von Säuren bei der Arbeit eine Herabminderung 
der Alkalinität des Blutes möglich ist, dass aber die Pankreasexstirpation 
eine derartige Herabminderung nicht bewerkstelligt. Das kann auf der 
Unmöglichkeit beruhen, hier den Zucker in vollem Masse zu zerstören, 
wie es der gesunde Hund tut; wissen wir doch, dass zur Muskelarbeit 
zum mindesten (wenn nicht etwa allein) Kohlehydrate in Umsatz ge¬ 
bracht werden, und dass da, wo Krämpfe auftreten, reichlich Milchsäure 
produciert wird. — Es ist nun für die geringere Herabsetzung der 
Alkalescenz nicht etwa die Exstirpation des Pankreas verantwortlich zu 
machen in dem Sinne, dass diese die Strychninkrämpfe nicht zustande 
kommen lässt; im Gegenteil haben die Hunde weit grössere Krämpfe 
aufgewiesen als die nicht operierten. Man hätte danach also gerade 
ein starkes Herabsinken der Alkalinität erwarten können. 

Wir kommen daher zu dem Schluss, dass in der Tat ein Säuren¬ 
zuwachs, wie er durch Krämpfe beim gesunden Tier entsteht, eine Herab¬ 
setzung der Alkalinität des Blutes hervorruft, ohne dass der Hydroxylionen- 
gehalt des Blutes sich wesentlich zu ändern braucht. Dass er sich 
wirklich nicht erheblich ändert, beweisen Versuche Iwanoffs, die in 
gleicher Richtung angestellt sind und in der vorangehenden Arbeit nieder¬ 
gelegt sind. 

25 • 


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Original fro-m 

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378 Max Sass, Die Aenderung der Blutalkalescenz beim Panfaceasdiabetes usw. 


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Weiter zeigen unsere Versuche, dass die Pankreasexstirpation zwar 
nicht die Herabsetzung der Alkalinität des Blutes bei Auftreten von 
Krämpfen hindert, dass aber trotz vermehrter Krämpfe die Herabsetzung 
der Alkalinität eine geringere ist als gegenüber der Norm, und wir deuten 
diese geminderte Herabsetzung am ehesten als die Folge einer gewissen In- 
sufficienz der Kohlehydratzerlegung, bedingt durch die Pankreasexstirpation. 

Die Arbeit ist auf Veranlassung und unter Leitung von Prof. 
Dr. Brugsch ausgeführt. 


Literatur. 

1) R. Hob er, Physikal. Chemie des Blutes und der Lymphe. Handbuch der Bio¬ 
chemie des Menschen und der Tiere. 1909. 2. Bd. 2. Teil. S. 10. 

2) H. Benedict, Der Hydroxylionengehalt des Diabetikerblutes. Arbeiten auf dem 
Gebiete d. chem. Physiologie, herausgegeb. von Dr. F. Tangl. 1906. 3. H. S. 106. 

3) A.Szilli, Experimentelle Untersuchungen über Säureintoxikationen. Ebenda. S.82. 

4) Loewy-Zuntz, Ueber die Bindung der Alkalien in Serum und Blutkörperchen. 
Pflügers Archiv. 1894. 58. Bd. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



XV. 

Aus der II. medicinischen Klinik der Kgl. Charit6, Berlin. 

Ueber die Einwirkung von Oxychinolin und einiger 
Derivate auf den Purinstoffwechsel. 

Von 

Felix Boenheim, 

Medicinalpraktikant 


Im Jahre 1908 berichteten Nicolaier und Dohm 1 ) über Versuche, 
die sie mit 2-Phenylchinolin-4-carbonsäure angestellt hatten, wobei sie 
sowohl beim Menschen, als auch beim Hunde eine starke Zunahme der 
Harnsäureausscheidung constatierten. Der Urin war trübe, die Reaction 
sauer, und die Trübung verschwand beim Zusatz von Alkalien und beim 
Erwärmen, während sie beim Stehen bei Zimmertemperatur zunahm, so 
dass der Harn undurchsichtig wurde. Diese Ergebnisse wurden im Laufe 
der nächsten Jahre von vielen Autoren bestätigt, die das unter dem 
Namen Atophan in den Handel gekommene Mittel auch beim Gichtiker 
anwandten. Da beim Hunde das Allantoin eine der Harnsäure beim 
Menschen entsprechende Stellung einnimmt, so musste beim Hunde noch 
die Allantoinausscheidung unter dem Einflüsse des Atophans festgestellt 
werden. Starkenstein 2 ) sah einen Rückgang des Allantoins, während 
in vitro, wie er berichtet, „eine Störung der Oxydation der Harnsäure 
durch überlebende Organe bei Gegenwart von Phenylchinolincarbonsäure“ 
nicht stattfindet. Frommherz 3 ) dagegen fand zweimal einen starken 
Anstieg der Ausscheidungscurve des Allantoins, während beim dritten 
Versuche die Allantoinausscheidung stark heruntergesetzt war. Schitten- 
helm und Ullmann 4 ) schliesslich berichten, dass sie nach Atophan 
keine Vermehrung des Allantoins constatieren konnten. 

Von anderen Derivaten der Chinolincarbonsäure geben Nicolaier 
und Dohm 5 ) an, dass sie nach 1,5 g 2-Phenylchinolin-3.4-dicarbonsäure 
eine Vermehrung der Harnsäure von 0,5501 auf 0,9202 bzw. von 0,5434 
auf 0,9477 fanden. Nach 2-Phenylchinolin-4.8-dicarbonsäure betrug die 
Steigerung 0,60 g. Nach 0,5 g 2-Phenyl-3-oxychinolin-4-carbonsäure 
fanden sie eine Vermehrung von 0,5501 auf 0,8000. Nach 2,5 g 2-Phenyl- 


1) Ueber die Wirkung von Chinolincarbonsäure und ihre Derivate auf die Aus¬ 
scheidung der Harnsäure. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 93. H. 4. 

2) Ueber die Beeinflussung des Purinstoffwechsels durch Phenylcinohoninsäure 
(Atophan). Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1911. Bd. 65. H. 3 u. 4. 

3) Zur Kenntnis der Wirkungsweise der Phenylcinchoninsäure auf den Purin¬ 
stoffwechsel des Höndes. Biochem. Zeitschr. 1911. Bd. 35. 

4) Ueber den Nucleinstoffwechsel unter dem Einfluss des Atophans. Zeitschr. 
f. experim. Pathol. u. Therap. 1913. Bd. 12. H. 2. 

5) a. a. 0. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



380 


Felix Boenheim, 


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6-methylchinolin-4-carbonsäure stieg die Harnsäuremenge von 0,6657 auf 
1,0138 und nach 0,7 g 2-Oxyphenylchinolin-4-carbonsäure von 0,5501 
auf 0,8461 und nach 2,3-Diphenylchinolin-4-carbonsäure von 0,6688 auf 
1,3540. Von anderen Chinolincarbonsäure-Derivaten findet eine Ver¬ 
mehrung der ausgeschiedenen Harnsäure nach Acitrin l ) und nach Isatophan, 
d. h. Ortho-methoxy-2-phenylchinolin-4-carbonsäure und Novatophan, 
d. h. nach dem methylierten Ester des Atophans statt. 

Wir haben uns nun selbst mit der Frage der hamsäuremobilisierenden 
Wirkung einer Reihe von Körpern beschäftigt, die Chinolinderivate dar¬ 
stellen und die uns von Herrn Professor Brugsch und von Herrn 
Professor Wolffenstein zur Verfügung gestellt wurden, denen wir dafür 
auch an dieser Stelle danken. Es wurde die Wirkung dieser Körper 
auf die Allantoin- und Harnsäureausscheidung des Hundes untersucht. 
Die Bestimmung der Harnsäure geschah nach der Methode von Krüger- 
Schmidt 2 ), die des Allantoins nach der combinierten Methode von 
Wiechowski und Abderhalden-Einbeck 3 ). 

Die Versuche wurden an Hunden angestellt, die 250 g Fleisch, 
150 g Brot und W'asser ad libitum bekamen. Die Körper wurden mittags 
12 l)hr gegeben, und der Urin dann, soweit nichts anderes bemerkt ist, 
24 Stunden lang gesammelt und frisch untersucht. 

Vorauszuschicken ist noch, dass eine harnsäurevermehrende Wirkung 
sich am Hunde in einer relativen Vergrösserung der Allantoinausscheidung 
mit einer oft damit verbundenen relativen Verminderung der Harnsäure¬ 
ausscheidung geltend macht. 

Es wurde zunächst ein Mittel per os gegeben, das seiner chemischen 
Zusammensetzung nach Acctylsalicylsäurc-8-oxychinolin ist. (Diese 
Formel, wie auch die folgenden, mit Ausnahme der für Cinchosal, ver¬ 
danke ich Herrn Professor Wolffenstein.) Der Urin war danach trübe, 
grünschwarz. Er enthielt kein Blut. Ueber das Verhalten des ersten 
Hundes vor, während und nach dem Medikament gibt die folgende 
Tabelle I Auskunft. 

Tabelle 1. 


Datura 

Harnsäure 

Allantoin 

Durchschnittswert 

0,0314 

0,61302 

23. 2. 1 g 

24. 2. 

0,0327 


25. 2. 

0,0340 

— 

26. 2. 

0,0343 

— 

lh. 3. 2 g 

17. 3. (30 Stunden) 

0,0259 

_ 

18. 3. 

0,0188 

— 

19. 3. 

0,0149 

— 

31. 3. 3 g 

1. 4. 

0,0312 

0,83733 

2. 4. 

verloren 

0,64597 

3. 4. 

o,oosr, 

0,49874 


1) G. Klemperer, Zum Verständnis der Atopbanwirkung. Therapie d. Gegen¬ 
wart. 1913. 54. dg. H. ß. 

2) Abderhalden, Handbuch der biochem. Arbeitsmethoden. Bd. 3. 

3) Abderhalden, a. a. U. 


Gen igle 


Original ffom 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Die Einwirkung von Oxychinolin und einiger Derivate auf den Purinstoffwechsel. 381 


Datum 


Harnsäure 

Allantoin 

4. 4. 

Durchschnittswert 

5 K 

0,0314 

0,61302 

5. 4. 

0,0117 

0,59264 

6. 4. 


0,0086 

0,5096 

7. 4. 

9. 4. 

10 g 

0,0064 

0,71392 

10. 4. 

0,0091 

0,30738 

11. 4. 


0,0075 

0,39105 

12. 4. 


0,0075 

0,98456 


Wir ersehen daraus, dass die Dosis von 1 g fast ohne Wirkung auf 
die Harnsäureausscheidung bleibt. Im Gegensatz zu den später gereichten 
Dosen steigt der Wert noch bis zum dritten Tage, wo er seinen Höhe¬ 
punkt mit einer Zunahme von 8,7 pCt. erreicht. Schon bei 2 g findet 
ein starkes Sinken statt, das genau wie bei den grösseren Dosen bis 
zum dritten Tage anhält, an dem ein Minus von 52,4 pCt. der aus¬ 
geschiedenen Harnsäuremenge zu constatieren ist. Nach 3 g nimmt die 
Harnsäure bis um 73 pCt., nach 5 g bis um 79,4 pCt. und nach 10 g 
bis um 76,1 pCt. ab. Die Allantoinausscheidung, die erst nach Dosen 
von 3 g an bestimmt wurde, steigt nach 3 g am ersten Tage nicht un¬ 
wesentlich (um 36,5 pCt.), erreicht am zweiten Tage etwa die Norm 
(Vermehrung um 5,4 pCt.) und sinkt am dritten Tage um 18,6 pCt., so 
dass in diesen drei Tagen im ganzen doch 24 pCt. mehr ausgeschieden 
wurden, als der Norm entspräche. Nach grösseren Dosen erfolgt zunächst 
eine Abnahme, die bei 10 g fast 50 pCt. beträgt, der aber am dritten 
Tage ein Anstieg folgt, der nach 10 g den normalen Durchschnittswert 
um 60,7 pCt. überschreitet. Die Summe der während der drei Tage 
ausgeschiedenen Allantoinroenge war etwa normal. 

Zur Nachprüfung der Resultate wurde das Mittel einem zweiten 
Hunde gegeben. Wie sich seine Harnsäure und Allantoinausscheidung 
dabei verhielt, zeigt Tabelle II. 

Tabelle II. 


Datum 


Harnsäure 

Allantoin 


Normalwert 

0,0465 

0,34057 

3. 5. 

5 g 


4. 5.\ 

zusammen 

0,0182 

0,44119 

4. 5./ 

untersucht 

0,0182 

0,44119 

6. 5. 


0,0364 

0,47104 

17. 5. 



18. 5.\ 

zusammen 

0,0211 

0,25560 

19. 5./ 

untersucht 

0,0211 

0,25560 

20. 5. 


0,0364 

0,29676 


Auch bei diesem Hunde finden wir einen starken Rückgang der aus¬ 
geschiedenen Harnsäure, die aber schon am ersten Tage mit einem Werte 
von 61,5 pCt. nach 5 g und einem solchen von 55,3 pCt. nach 10 g 
seine Höhe erreicht hat. Dann findet wieder ein Steigen statt, ohne dass 
aber am dritten Tage schon die Norm wieder erreicht wäre. Vielmehr 
bleibt auch dann die Ausscheidungsmenge noch immer um etwa 1 / t zurück. 
Was die Allantoinausscheidung betrifft, so findet hier ein viel stärkeres 
Steigen nach 5 g statt, als im ersten Versuche (bis fast 40 pCt.), nach 
10 g dagegen folgt ein beträchtlicher Rückgang um 25 pCt. bzw. 13 pCt. 


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Original fro-m 

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382 


Felix Boenheim, 


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Da die beiden Versuche nicht ganz übereinstimmende Resultate er¬ 
gaben, so wurde das Mittel noch bei einem dritten Hynde ausprobiert 
(vgl. Tabelle III). 

Tabelle UI. 


Datum 


H arnsäure 

Allantoin 

16. 6. 

Normalwert 

5 g 

0,0484 

0,16592 

17. 6. 

0,0406 

0,24644 

18. 6. 


0,0343 

0,15372 

19. 6. 

20. 6. 

10 g 

0,0801 

0,23957 

21. 6. 


0,01468 

0,11766 

22. 6. 


0,05264 

0,34380 

23. 6. 


0,06104 

0,43599 


Wir sehen hier, dass die ausgeschiedene Harnsäuremenge nach 5 g 
bis zum dritten Tage sinkt, und zwar bis um 37,5 pCt. Nach 10 g 
beobachten wir einen Anstieg der Curve am 2. Tage um 10,4 pCt. und 
am 3. Tage bis auf 27,1 pCt. Allerdings fand am Tage, nachdem das 
Medikament gereicht war, ein Rückgang um 68,75 pCt. unter die Norm 
statt, so dass die in dieser Periode ausgeschiedenen Mengen doch noch 
um etwa 31 pCt. hinter dem Normalwert Zurückbleiben. Ganz besonders 
hoch steigen bei diesem Hunde die ausgeschiedenen Allantoinmengen: 
nach 5 g: + 48,2 pCt., + 7,2 pCt., + 44,6 pCt. Nach 10 g: + 28,9 pCt., 
+ 107,2 pCt., + 122,6 pCt. 

Wir können also dahin resümieren, dass kleine Dosen von Acetyl- 
salicylsäure-8-Oxychinolin wirkungslos sind, dass nach mittleren Dosen 
weniger Harnsäure ausgeschieden wird und dass hierbei eine kleine Ver¬ 
mehrung der ausgeschiedenen Allantoinmenge stattfindet. Nach grossen 
Dosen von 5 g sind diese Eigenschaften in noch gesteigertem Masse 
vorhanden, während nach 10 g am ersten Tage ein erheblicher Rückgang 
des Allantoins erfolgt, dem allerdings in zwei Fällen ein sehr rapides 
Ansteigen folgt. Vielleicht handelt es sich dabei um eine vorübergehende 
Lähmung der Harnsäuremobilisierung. Eine Giftigkeit ist anscheinend 
nicht vorhanden, da selbst nach 10 g keine Symptome bei den Hunden 
zu merken waren. Diese Eigenschaft und seine zweifellos vorhandene 
Wirkung auf den Purinstoffwechsel erlauben es wohl, es auch beim 
Menschen auszuprobieren. 


Als zweites Mittel wurde 8-Oxychinolinglyccryläther zweimal ip 
Dosen von 5 ccm subcutan beim ersten Hunde ausprobiert (Tabelle IV). 

Tabelle IV. 


Datum 


Harnsäure 

Allantoin 

4. 3. 

Durchschnittswert 
5 ccm 

0,0314 

0,61302 

5. 3. 


0,0369 

0,60856 

6. 3. 


0,0353 

verloren 

7. 3. 

8. 3. 

5 ccm 

0,0340 

0,99600 

9. 3. 


0.0369 

0.51527 

11. 3. 


0,0448 

0,742365 


Die Bestimmung vom 10. 3. ist verloren gegangen, 


Gck igle 


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Die Einwirkung von Oxychinolin und einiger Derivate auf den Purinstoffweohsel. 383 


Die Ergebnisse der beiden Versuche stimmen vollkommen überein. 
In beiden Fällen findet eine Vermehrung der ausgeschiedenen Harnsäure 
statt, und zwar war diese Vermehrung beim 1. Versuch am ersten Tage 
am stärksten. Sie betrug 17,4 pCt. Die Allantoinausscheidung war im 
zweiten Versuch bedeutend geringer als im ersten. Während sie dort 
am ersten Tage normal war und dann um 62,5 pCt. stieg, fiel sie im 
zweiten Versuch zunächst um 15,9 pCt., um dann auf nur 21,5 pCt. zu 
steigen. 

Zur Probe wurde nun ein anderer Körper gegeben, und zwar 
Phenylcinchonisalieylsäureaethylester (genannt Cinchosal). Der 
Körper wurde Herrn Prof. Brugsch von Prof. Boruttau übergeben. 
Es wurden dem ersten Hunde drei Tabletten = 2 g 80 mg per os ge¬ 
geben. Das Resultat war, dass die Harnsäure zurückging und dass die 
Allantoinausscheidung etwas stieg, besonders am dritten Tage, an dem 
eine Vermehrung um 13,4 pCt. bei einer gleichzeitigen Abnahme der 
Harnsäure im Urin um etwa 25 pCt. zu constatieren war (vgl. Tabelle V). 

Tabelle V. 

Datum Harnsäure Allantoin 

Durchschnittswert 0,0314 0,61302 

19. 4. 2 g 80 mg 

20. 4.1 zusammen 0,0163 0,62657 

21. 4./ untersucht 0,0163 0,62657 

22. 4. 0,0075 0,69463 

Aehnlich war das Verhalten des zweiten Hundes nach 6 Tabletten 
Cinchosal, d. h. nach 4,1 g in bezug auf die Harnsäure im Urin (siehe 
die folgende Tabelle VI). 

Tabelle VI. 


Datum 


Harnsäure 

A1lanto 

28. 4. 

Durchschnittswert 
4,1 g 

0,0465 

0,34057 

29. 4. 

0,0343 

0,79060 

30. 4. 


0,0301 

0,15168 

1. 5.1 

zusammen 

0,0161 

0,08400 

2. 5./ 

untersucht 

0,0161 

0,08400 


Auch hier ist ein starkes Abnehmen zu constatieren, so dass am 
ersten Tage nur 72,3 pCt., am zweiten Tage 63,8 pCt. und am dritten 
und vierten Tage nur noch je 34 pCt. der normal ausgeschiedenen Menge 
gefunden wurden. Die Allantoinausscheidung stieg zunächst um 131,9 pCt., 
um dann sehr rapide zu fallen, so dass am dritten Tage nur y 4 des 
normalen Wertes ausgeschieden wurde. Im Ganzen wurde im Laufe 
von 3 Tagen die normale Menge Allantoin ausgeschieden. Es sei noch 
bemerkt, dass der Hund während dieser Zeit den grössten Teil seines 
Brotes liegen Hess. 

Als letztes Mittel wurde eine salzsaure Oxychinolinlösung, die 
10 pCt. freies Oxychinolin enthält, subcutan gegeben. Der Urin wurde 
danach trübe, grünschwarz. Das Ergebnis des ersten Versuches, der am 
zweiten Hunde angestellt wurde, geht aus Tabelle VII hervor. 


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384 F. Boenbeim, Die Einwirkung von Oxychinolin auf den Purinstoffwechsel. 


Tabelle VII. 


Datum 


Harnsäure 

Allantoin 


Durchschnittswert 

0,0465 

0,34057 

22. 5. 

2 ccm 


23. 5. 


verloren 

verloren 

24. 5. 


0,0259 

0,19009 

25. 5. 
27. 5. 

5 ccm 

0,0238 

0,23180 

28. 5. 


0,0259 

0,21420 

29. 5.1 

zusammen 

0,0196 

0,34380 

30. 5./ 

untersucht 

0,0196 

0,34380 


Nach 2 ccm findet also sowohl eine Abnahme der Harnsäure um 
etwa die Hälfte, als auch eine solche des Allantoins um 44,3 pCt. bzw. 
32 pCt. im Ham statt. Während die Harnsäure nach 5 ccm dasselbe 
Verhalten zeigt, finden wir hier beim Allantoin zwar noch am ersten 
Tage dieselbe Zahl wie nach 2 ccm, aber schon am zweiten Tage wird 
die normale Menge wieder ausgeschieden. 

Ein Kontrollversuch mit denselben Mengen am dritten Hunde be¬ 
stätigte im wesentlichen das Verhalten der Harnsäure, nur dass die 
Werte nicht so tief sanken, mit Ausnahme des dritten Tages nach 5 ccm, 
wo, wie im ersten Versuche, die Ausscheidung um 58,3 pCt. hinter dem 
Durchschnittswert zurückblieb. Ganz anders fiel dagegen dieses Mal 
das Verhalten des Allantoins aus (vgl. Tabelle VIII). 


Tabelle VIII. 


Datum 


Harnsäure 

Allantoin 

23. 6. 

Durchschnittswert 
2 ccm 

0,0484 

0,16592 

24. 6. 


0,0342 

verloren 

25. 6. 


0,0392 

0,28556 

26. 6. 

26. 6. 

5 ccm 

0,0343 

0,30688 

27. 6. 


0,04928 

0,19992 

28. 6. 


0,04592 

0,33582 

29. 6. 


0,01984 

0,38726 


Die ausgeschiedene Allantoinmenge ist also bedeutend vermehrt, 
schon nach 2 ccm um 72,3 bzw. 84,9 pCt. und nach 5 ccm sogar um 
20,5 pCt., 102,4 pCt., 133,1 pCt. Leider zeigte das Tier dabei starke 
Vergiftungserscheinungen. Die dem Tiere am 27. 6. gegebene Nahrung 
war fast unberührt geblieben, und auch in den folgenden Tagen rührte 
der Hund sein Fressen nicht an. Er sass ruhig in einer Ecke seines 
Käfigs und machte den Eindruck eines schwer kranken Tieres. Auch 
als er nach Abschluss dieses Versuches aus dem Versuchskäfig heraus¬ 
genommen wurde, erholte er sich nicht vollständig im Laufe von etwa 
14 Tagen. Eine weitere Beobachtung wurde aufgegeben. 

Zum Schluss möchte ich auch noch an dieser Stelle Herrn Professor 
Brugsch für die Ueberlassung dieses Themas und für die Förderung, 
die er dieser Arbeit zuteil werden liess, meinen besten Dank aussprechen. 


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XVI. 


Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Jena 
(Vorstand: Prof. Dr. H. Kionka). 

Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 

Von 

Dr. med. Arnold Holste, 

Assistenten des Instituts. 

(Mit 1 Abbildung im Text) 


Um die bekannten Unsicherheiten bei der Anwendung der Digitalis¬ 
blätter zu vermeiden, hat man zwei Wege eingeschlagen. Entweder be¬ 
nutzt man die sogen. Folia titrata, d. h. Blätter, welche auf einen be¬ 
stimmten Wirkungswert durch Tierexperiment eingestellt sind, oder man 
verwendet die wohlcharakterisierten Glykoside, sowie die Spezialpräparate 
der Digitalis und die Herzwirkung besitzenden Substanzen anderer Pflanzen, 
welche physiologisch oder chemisch eingestellt in den Handel gebracht 
werden. So erklärt sich das grosse Interesse, welches der Standardisierung, 
d. h. der Bestimmung des physiologischen Wirkungswertes von Herzmitteln 
entgegengebracht wird. Die Versuche, ein passendes Verfahren für diesen 
Zweck ausfindig zu machen, datieren zurück bis in die Mitte des vorigen 
Jahrhunderts. Es liegt nicht in dem Rahmen dieser Arbeit, eine chrono¬ 
logische Uebersicht dieser Methoden und ihrer umfangreichen Literatur 
zu geben, um so weniger, als dies bereits von verschiedenen Autoren 1 ) 2 ) 
geschehen ist; dagegen wird es angebracht sein, die in neuerer Zeit ge¬ 
bräuchlichsten Verfahren kurz zu charakterisieren. 

Focke 3 ) benutzt als Versuchstiere Feldfrösche („Ranae temporariae“), 
welche in der Zeit von Anfang Juli bis Ende September gefangen sind, 
und legt grosses Gewicht auf die Regulierung der Aussentemperatur, 
welcher die Frösche längere Zeit vorher ausgesetzt sein müssen, um eine 
mittlere Reaktionsfähigkeit zu erzielen. Das zur Untersuchung benutzte 
Digitalisinfus wird so hergestellt, dass 2 g pulverisierter Digitalisblätter 
mit 20 ccm kochenden Wassers übergossen und nach 30 Minuten durch 
Leinwandläppchen filtriert werden; der Rückstand wird ausgepresst. Dem 


1) Edmunds and Haie, The physiological Standardization of Digitalis. Public 
Health and Marine-Hospital Service of the United States. Hygienic Laboratory. 
Bulletin 48. Washington 1909. 

2) 0. Schmiedeberg, Untersuchungen über die Bestimmung des pharmako¬ 
logischen Wirkungswertes der getrookneten Blätter von Digitalis purpurea. Arch. f. 
exp. Pathol. u. Pbarmak. 1910. Bd. 62. S. 307 u. 308. 

3) C. Focke, Arch. d. Pharmazie. 1910. Bd. 248. S. 345. — Die Weiter¬ 
entwicklung der physiologischen Digitalisprüfung. Diese Zeitschr. Bd. 14. 


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386 Arnold Holste, 

aufgebundenen Tiere wird das Herz freigelegt und in jeden Oberschenkel- 
lymphsack 0,3 ccm des Infuses eingespritzt. Innerhalb von 7—20 Minuten 
soll der Ventrikel Stillstehen. Der Valor ergibt sich aus dem Frosch¬ 
gewichte p, geteilt durch das Produkt aus der Dosis d und der bis zum 

Ventrikelstillstande verstreichenden Zeit t: v = ^ ^ Neuerdings sucht 

Focke bei dem Digitalisinfus mit einer Injektionsmenge von 1 j 50 des 

Froschgewichtes auszukommen und untersucht gleichzeitig „mit dem zu 
prüfenden Präparate ein ebenso hergestelltes Testpräparat a . 

Gottlieb 1 ) benutzt Infuse, resp. Lösungen von bestimmter Kon¬ 
zentration und injiziert systematisch kleiner werdende Mengen derselben, 
um die kleinste Dosis ausfindig zu machen, welche bei Temporarien von 
30 g Gewicht innerhalb 30 Minuten eben noch systolischen Ventrikel¬ 
stillstand hervorruft. Diese Dosis minima bezeichnet er als die „Wirkungs¬ 
einheit 14 . 

Hartung 2 ) spritzt nach der Angabe von Boehm Temporarien von 
23—26 g Gewicht 0,3—0,4 ccm der Giftlösung vom Maul her in den 
Bauchlymphsack ein und lässt den Frosch 30 Minuten in sitzender 
Stellung. Dann wird schnell das Herz freigelegt und der Ventrikel¬ 
zustand konstatiert. Auf Innehaltung möglichst gleicher Aussentemperatur 
wird Wert gelegt. 

E. Weis 3 ) arbeitet nach der 1 Stunden-Methode, welche von Worth 
Haie und R. Cushny stammt. Einem in Rückenlage aufgebundenen 
Frosche von bestimmtem Gewicht, welcher l / 2 Stunde einer Aussen- 
temperatur von 22 0 C ausgesetzt worden ist, wird durch das Maul in 
den „oberen Lymphsack tt das zu untersuchende Mittel injiziert. Nach 
einer Stunde wird das Herz freigelegt. Wenn dieses stillsteht, wird 
einem neuen Frosche eine kleinere Dosis, im entgegengesetzten Falle eine 
grössere Menge eingespritzt, um in gleicher Weise systematisch fort¬ 
schreitend, die „gesuchte Enddosis a festzustellen. 

Heinz 4 ) injiziert Temporarien von möglichst gleichem Gewichte 
(30 g), welche unter denselben Bedingungen gehalten worden sind, ab¬ 
nehmende Mengen der zu prüfenden Substanz und von g-Strophanthin 
subkutan und bestimmt die kleinste Dosis, welche tötlich wirkt, und 
welche während einer Stunde den Ventrikel in Systole stillstellt. Diese 
kleinsten Dosen der beiden Substanzen werden miteinander verglichen 
und der Wirkungswert des g-Strophanthins mit 1000 angesetzt. Zu gleicher 
Zeit bestimmt Heinz bei Mäusen die kleinste tötliche Dosis des zu 
untersuchenden Präparates und vom g-Strophanthin sowohl per os, wie 
subkutan. Der mit diesen beiden Werten anzustellende Vergleich ergibt, 


1) R. Gottlieb, Ueber die physiologische Wertbestimmung von Arzneimitteln. 
Münch, med. Wochenschr. 1908. 55. Jahrg. Nr. 24. S. 1268. 

2) C. Hartung, Zur Frage der Wertbestimmung von Digitalispräparaten. Arch. 
f. exp. Pathol. u. Pharmak. 1912. Bd. 69. S. 25. 

3) E. Weis, Heber den physiologischen Wirkungswert einiger Digitalispräparate. 
„Das österreichische Sanitätswesen“. 1912. Beil. z. Nr. 22. 

4) R. Heinz, Wertbestimmung von Digitalispräparaten, Darmstadt 1913. S.-A. 

a.E.Mercks Jahresber. 1912. 


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Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


387 


wieviel von der per os verabreichten Substanz durch „die Verdauungs¬ 
säfte“ zerstört, oder aus einem anderen Grunde nicht zur Resorption ge¬ 
langt ist. Nach der Zeit, welche von dem Eintritte der ersten Er¬ 
scheinungen bis zur „EndWirkung“ bei Frosch und Maus verstreicht, teilt 
Heinz die Herzmittel in drei Klassen ein, in „akute, langsam und 
protrahiert wirkende“. Ausserdem werden Blutdruckversuche an Kaninchen 
und Katzen ausgeführt, welch letzteren die betreffenden Präparate auch 
per os gegeben werden, um nach dem eventuellen Auftreten von Er¬ 
brechen ein Urteil über die Verträglichkeit der Substanz zu gewinnen. 

Im Gegensatz zu diesen Injektionsmetboden arbeitet Straub 1 ) mit 
dem isolierten Froschherzen. Er benutzt Esculenten und führt durch die 
Aorta eine Kanüle in den Ventrikel. Durch die Spitze des heraus¬ 
geschnittenen und in einer Feuchtkammer zu untersuchenden Herzens 
wird ein Platinhäkchen gesteckt, welches die Bewegungen auf den Schreib¬ 
hebel überträgt. Ein besonderes Gewicht wird auf eine minimale Be¬ 
lastung der Hebelachse gelegt. Die mit 0,6 proc. Kochsalzlösung bereitete 
Giftflüssigkeit wird durch die Kanüle in den Ventrikel hineingebracht; und 
zwar in so kleiner Menge, dass weder die Kochsalzlösung, noch der Füllungs¬ 
druck die Erscheinungen beeinflussen. Beobachtet werden Aenderungen 
des Rythmus uud der systolische Stillstand. 

Benutzt man eine solche Injektionsmethode zur Untersuchung der 
Blätter der Digitalis, so wird man in zwiefacher Hinsicht Schwierigkeiten 
begegnen. Stellt man nämlich, wie von mancher Seite geschieht, ein 
hochprozentiges Infus mit nur wenig Wasser her, so lassen sich zwar die 
dann erforderlichen kleinen Mengen bequem zur Einspritzung verwenden, 
dagegen wird ein relativ grosser Teil der wirksamen Substanzen, wie 
Schmiedeberg 2 ) nachgewiesen hat, nicht mitextrahiert; die gewonnenen 
Resultate entsprechen also nicht dem effectiven Wirkungswerte. Ver¬ 
wendet man aber andererseits exakt hergestellte Aufgüsse von geringer 
Konzentration, welche nach Schmiedebergs Untersuchungen 2 ) den obigen 
Fehler ausschliessen, so werden die dann zur Injektion erforderlichen 
grossen Flüssigkeitsmengen ebenfalls zu wissenschaftlichen Einwendungen 
Veranlassung geben müssen. Bei der Prüfung der Glykoside selber oder 
anderer chemischer Substanzen kann durch eine geeignete Konzentrierung 
der zu untersuchenden Giftlösung das Bedenken bezüglich der ein¬ 
zuspritzenden Flüssigkeitsmenge sicher ausgeschlossen werden, jedoch 
entsteht sowohl bei den Lösungen, als auch bei den Aufgüssen eine 
neue Schwierigkeit, und zwar hinsichtlich der Resorption. Da die von 
dem Momente der Einspritzung bis zum Ventrikelstillstande verstreichende 
Zeit von den AufsaugungsVorgängen unmittelbar beeinflusst wird, kann 
unter Umständen eine schwach wirkende Substanz, welche leicht resorbiert 
wird, die am Herzen zu beobachtende Endwirkung schneller hervorrufen, 
als Körper viel stärkeren Effektes, welche den Resorptionsvorgängen 
grösseren Widerstand entgegensetzen. Nicht minder wichtig ist der Um- 


1) W. Straub, Ueber die Wirkungd es An tiarins am ausgeschnittenen, suspendierten 
Froscbherzen. Aroh. f. exp. Path. u. Pharm. 1901. Bd. 45. S. 347. 

2) 0. Schmiedeberg, 1. c. S. 309. 


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388 


Arnold Holste, 


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stand, dass die Resorptionsfähigkeit der Frösche grossen Schwankungen 
unterworfen ist. Wenn auch Weis 1 ) diesen Faktor durch Verringerung 
des zu injizierenden Quantums der Einzeldosis und Verlängerung der 
Beobachtungszeit nach Möglichkeit ausschalten will, so wird das doch 
immer nur bis zu einem gewissen Grade geschehen können. 

Diese Ueberlegungen berechtigen zu dem Schlüsse, dass einer Unter¬ 
suchungsmethode der Vorzug zu geben ist, welche mit dem isolierten 
und in einen künstlichen Kreislauf eingeschalteten Froschherzen arbeitet. 
Zu diesem Zwecke eignet sich der Williamssche Froschherzapparat am 
besten, weil er es ermöglicht, dass der durch die Tätigkeit des Herzens 
in Zirkulation erhaltenen Nährflüssigkeit die zu untersuchende Giftlösung 
zugesetzt und die letztere in direkte Berührung mit der Innenfläche der 
Herzwand gebracht wird. Ein grosser Vorteil dieser von Schmiede¬ 
berg 2 ) beschriebenen Methode, nach welcher auch Krailsheimer 3 ) und 
ich 4 ) 5 ) 6 ) gearbeitet haben, beruht darin, dass die Wirkung des Giftes un¬ 
mittelbar nach der Vermischung mit der Nährflüssigkeit an dem Herzen 
zur Geltung kommt, sodass dieser Zeitpunkt als Anfang der Beobachtungs¬ 
zeit genau fixiert werden kann. Nachstehend gebe ich eine Abbildung 
des von mir bei meinen Versuchen benutzten WiUiamsschen Apparates, 
In derselben Form befindet er sich im Strassburger Pharmakologischen 
Institut im Gebrauche, abgesehen von einigen kleinen Abänderungen, 
welche ich für praktisch befunden und infolgedessen angebracht habe. 
Hierzu gehört die Vorrichtung zur permanenten Berieselung (Kugel II) 
an Stelle des von Schmiedeberg und Krailsheimer verwandten 
Becherchens, welche ich bereits früher beschrieben 4 ) habe. Neu ist ferner 
die direkte bogenförmige Anschmelzung des T-Rohres an die Kugel I, 
wodurch Unzulänglichkeiten mit dem sonst zur Einschaltung des T-Rohres 
erforderlichen kleinen Schlauchstückchen vermieden werden, sowie die 
Aichung der Kugel. Mit Hilfe des Aichstrichcs der Kugel I vermag man 
nämlich sofort zu konstatieren, ob das Herz von der Zirkulationsflüssig¬ 
keit durchzulassen anfängt, eine Erscheinung, welche durch die äussere 
Berieselung mit Kugel II oder bei der früheren Anwendung des Becherchens 
im Anfänge verdeckt wird. Die vor dem Manometer eingeschaltete kleine 
Kugel mit der Glasperle erschwert das Uebertreten der Blutmischung in 
das erstere. Bezüglich der Arbeitsmethode verweise ich auf die von 
Schmiedeberg 7 ) gegebene Beschreibung und bemerke nur, dass bei 


1) E.Weis, Ueber den physiologischen Wirkungswert einiger Digitalispräparate. 
Pharmaz. Praxis. 1912. II. 7—9. S. 2 u. 3. 

2) 0. Schmiedeberg, 1. c. S. 311. 

3) R. Krailsheimer, Beiträge zur Bestimmung des Wirkungswertos einiger 
Stoffe der Digitalingruppe. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1910. Bd. 62. S. 296. 

4) A. Holste, Ueber die Bestimmung des pharmakologischen Wirkungswertes 
der Blätter von Digitalis purpurea. Arch.f. exp. Path. u. Pharm. 1911. Bd.66. S.161. 

5) Derselbe, Ueber den Einfluss der Giftmenge und Giftkonzentration der Stoffe 
der Digitalingruppe auf die Wirkung am Froschkerzen. Ebenda. 1912. Bd.70. S. 435. 

6) Derselbe, Systole und Diastole des Herzens unter dem Einfluss der Digitalin¬ 
wirkung. Ebenda. 1912. Bd. 70. S. 439. 

7) 0. Schmiedeberg, 1. c. S. 311. 


Gck igle 


Original fru-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Zur WertbestimmoDg von Herzmitteln. 389 

allen nachstehende« lisperinvenlrn als Kal>rll‘issig,^H eine Mischung von 
einem Teile defibrinicrlen Einderblutcs mit zwei Teilen (Et9preg Koidßjaiz- 
lösong verwandt dieselbe Flüssigkeit diente &tieli zpr Be¬ 

rieselung. Di« im kunstliehf>D' Kreisläufe (Kusel 1.1 zirkulierende Menge- 
der Nähr.llitssigkeu' betrug bei alle« Versuchen 30 em. 

Eine- iiuSserst wichtige Frage ist die des vu verwendenden Froseb- 
uiatomls. Fouke bezeichnet diu TemporariM E als die. zur "physiologischen 
VVeft-liestitimrunK von IlerztniitplB. geeignetstv; Fros.dis|iezjes und hat durch 
eingehende 1 htersuebungen festgestcllt, dass die verschiedensten. Faktoren -} 
bei den in Frage s'tebenilen C ; ntcrsucliung;en eine wichtige Rolle .spielen. 
.Nicht mir die Jahreszeit, in .welcher man die Tiere verwende!., sondern 
an«jh das iteschlm bt, das öewiebt und der•Ernäfiruflgszusiaud der Frösche-, 


■•'.Vf 


mmmrni 


mmmm. 


nicht minder die ■ Aiiasimtgniperatur 


in weh her sic sinh befiminn, sind 
von grösster Bedeutung für den Ablauf der hei reffenden. Experimente.; 
Dieselbe Auffassung v'erltitt Wehs 3 / und konstatiert, ausserdem, da.53. bei 
den Eseulenton die Empfindlichkeit gegen die einzelnen DigBniisgiykoside. 
viel geringer und die Resorption bedeute?«:! .langsamer ist als b»u den 
Tempoi-nrien Auch Si.-bmicdebcrgE verwandte bei seinen Versuche«: 
!U!s.'t,fäliesslnr.H'.Tcmp<>rariem. Mehre Erfahrungen' summen .mir. den Am 
sthiimmgeti dieser drei Autoren' vollkommen uherem. und ich bin iu 


1)/G. FpekOj Busse Zeitscbri Bil. 14. S. 41, 

-3) Denu'it'i;, Areh. f. Plianuaz. .1907. Bd. 24:V 8. C4(j. 


Pharmazeut. Praxis. U'll H. 7-4». S. i. 
4) 0. 81 tim 1 ed ehigrg« <r. 8, 711 


Go gle 


•Orjgir.Efkfrofn-- . V •: S 

f Mi-cKiöA u 





390 


Arnold Holste, 


Digitized by 


der Lage, die Temporarien als diejenige Froschart zu bezeichnen, welche 
sich zur Vornahme der physiologischen Wertbestimmung am isolierten 
Herzen mit Hilfe des Williamsschen Apparates in Deutschland jeden¬ 
falls ausschliesslich eignet. 

Ich erachte es für unbedingt erforderlich, möglichst gleich grosse, 
gleich schwere und unter denselben Bedingungen gehaltene Temporarien 
männlichen Geschlechts und desselben Fanges zu verwenden, sowie die 
Einstellungen ohne Unterbrechung schnell hintereinander und unter allen 
Umständen zur gleichen Jahreszeit vorzunehmen. Mit Rücksicht auf die 
von allen Untersuchern anerkannte Bedeutung der Aussentemperatur habe 
ich die nach den soeben mitgeteilten Bedingungen ausgesuchten Tiere vor 
dem Gebrauche 24 Stunden lang einer Zimmertemperatur von 19—20° 0 
ausgesetzt. Sämtliche nachstehenden Untersuchungen sind von Anfang 
September bis Mitte November 1913 an frisch gefangenen Fröschen aus¬ 
geführt worden. Die Gegenüberstellung der von Schmiedeberg und 
mir bei der Untersuchung der Digitalisblätter des Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amtes in zwei aufeinander folgenden Jahren gewonnenen Resultate ergibt 
eine passende Illustration zu dem eben Gesagten; und zwar um so mehr, 
als beide Serien von Experimenten an Temporarien vorgenommen worden 
sind. In beiden Fällen wurden Infuse der Digitalisblätter im Verhältnis 
von . 1,0: 100,0 benutzt, welche in der von Schmiedeberg 1 2 ) be¬ 
schriebenen Weise hergestellt waren. 

Folia Digitalis. 

Menge d. Aufgusses in Entsprechende Menge Ventrikelstillstand 

50 com Nährflüssigkeit der Blätter in Minuten 

I. Versuche im Januar und Anfang Februar 1910. [Nach Schmiedeberg 1 ).] 



Blätter A: 


2 ccm 

0,02 g 

23 Minuten 

3 „ 

0,03 g 

10 n 


Blätter B: 


2 ccm 

0,02 g 

27 Minuten 

3 * 

0,03 g 

21 * 


11. Versuche im Winter 1910/11. [Nach Holste 2 ).] 



Blätter A: 


2 ccm 

0,02 g 

25,7 Minuten 

3 „ 

0,03 g 

20,0 „ 


Blätter B: 


2 ccm 

0,02 g 

29,2 Minuten 

3 „ 

0,03 g 

22,5 „ 


III. Versuche im April und Mai 1911. [Nach Holste 2 ).] 
Blätter A: 

2 ccm 0,02 g 25,0 Minuten 

__ 3 „ 0,03 g 20,4 „ 

1) 0. Schmiedeberg, 1. c. S. 313, 317, 318, 322, 325. 

2) A. Holste, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. 1911. Bd. 66. S. 163fT. 


Gougle 


Üii 'frcn 

UMIVERSITY OF MICHIGAN 



Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


391 


2 ccm 

Blätter B: 

0,02 g 

27,23 

Minuten 

3 7) 

0,03 g 

21,5 ' 

7) 

IV. Versuche 

im Juni 1911. 

[Nach Holste 

M] 

2 ccm 

Blätter A: 

0,02 g 

23,8 

Minuten 

3 * 

0,03 g 

13,0 

n 

2 ccm 

Blätter B: 

0,02 g 

27,5 

Minuten 

3 TJ 

0,03 g 

21,8 

n 


Aus der Zusammenstellung ergibt sich unmittelbar, dass selbst bei 
Verwendung ein und derselben Froschgattung, sowie unter Innehaltung 
der gleichen äusseren Bedingungen, wie es im vorliegenden Falle ge¬ 
schehen ist, die Jahreszeit die allergrösste Bedeutung für die Resultate 
besitzt. Mit anderen Worten, die Widerstandsfähigkeit der Froschherzen, 
auch wenn sie annähernd gleich grossen und kräftigen Exemplaren ent¬ 
stammen, ändert sich nach der Jahreszeit. Sie ist grösser bei frisch ge¬ 
fangenen Tieren, als bei den hungernden Fröschen gegen Ende des 
Winters oder während der Laichzeit. 

Diese Tatsachen geben die Erklärung dafür ab, dass es, wie 
Schmiedeberg 1 2 ) auseinandergesetzt hat, nicht möglich ist, den Wirkungs¬ 
wert eines Herzmittels durch Untersuchungen am Froschherzen mit einer 
bestimmten Masseinheit zu messen. Dagegen gelingt es wohl, Korrelations¬ 
werte zu schaffen und fcstzustellen, welche Quanten der zu untersuchenden 
Substanz und eines chemisch wohl charakterisierten Körpers einander 
entsprechen, wenn man als Vergleichsobjekt die Zeit benutzt, innerhalb 
welcher der Ventrikelstillstand erfolgt. Auf Grund der obigen Auseinander¬ 
setzungen muss ich die Forderung aufstellen, dass jedes Mal die Unter¬ 
suchungen sowohl des zu prüfenden Präparates, wie des Vergleichs¬ 
objektes zu gleicher Zeit und an demselben Froschmateriale ausgeführt 
werden, da nicht nur allein der erstere, sondern selbstredend auch der 
zum Vergleich herangezogene Körper, wie Schmiedeberg 3 ) und ich 4 ) 
vom g-Strophantin nachgewiesen haben, zu den verschiedenen Jahres¬ 
zeiten Wertschwankungen unterworfen ist. Natürlich wird man solche 
Zeitpunkte für diese Experimente wählen, wo gesunde und kräftige 
Frösche in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, und kann sich die 
Aufgabe vielleicht dadurch erleichtern, dass man von dem Vergleichs¬ 
präparate eine noch grössere Serie von Werten schafft, als wie ich es in 
dieser Arbeit getan habe, um bei späteren Untersuchungen zunächst 


1) A. Holste, Aroh. f. exp. Patb. u. Pharm. 1911. Bd. 66. S. 163IT. 

2) 0. Schmiedeberg, 1. c. S. 322 u. 323. 

3) Derselbe, Ebenda. 

4) A. Holste, 1. o. S. 162 u. 163. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie 11 . Therapie 15. Bd. •_)(j 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



392 


Arnold Holste, 


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durch Stichproben festzustellen, ob nennenswerte Differenzen vorhanden 
sind oder nicht. Ein zweiter wesentlicher Vorteil, welcher durch die 
Festlegung einer solch grösseren Wertserie des Korrelationsobjektes, 
namentlich für die fortlaufende Einstellung ein und desselben Präparates, 
entsteht, beruht darin, dass die zu berechnenden Differenzen und infolge¬ 
dessen die zu interpolierenden Werte kleiner werden oder vollständig in 
Wegfall kommen, sodass unter Umständen die ermittelten Valenzen der 
beiden Körper direkt einander entsprechen. 

Nach diesen Prinzipien habe ich die in Deutschland im Handel be¬ 
findlichen Herzmittel, soweit ich dieselben habe bekommen können, unter¬ 
sucht und als Vergleichsobjekte das Gratus-Strophanthin (g-Strophanthin 
Thoras), das Kombe-Strophanthin (k-Strophanthin Böhringer) und das 
Cyraarin herangezogen. Diese drei Körper werden von den betreffenden 
Fabriken chemisch rein dargestellt und eignen sich infolgedessen ganz 
besonders zu einem solchen Standard. Die Berechnung der Differenzen 
ist nach der von Schmiedeberg 1 ) angegebenen und von mir 2 ) bereits 
geübten Methode ausgeführt worden. Ich bin mir dabei wohl bewusst, 
dass die mit Hilfe einer solchen Interpolation gefundenen Werte nicht in 
jedem Falle als absolut richtig bezeichnet werden dürfen, namentlich 
dann nicht, wenn nur wenig Einzel werte durch den Versuch festgelegt 
sind und infolgedessen die Differenzen zwischen den geprüften Gaben¬ 
grössen unter Umständen recht hohe werden. 

Indem ich dazu übergehe, die Ergebnisse meiner Untersuchungen zu 
besprechen, bemerke ich, dass bei den Spezialpräparaten der Digitalis 
stets der zu Injektionszwecken bestimmte Ampulleninhalt geprüft worden 
ist. Um vergleichbare Werte zu erhalten, habe ich in jedem einzelnen 
Falle genau abgemessen 1 ccm dieses Ampulleninhaltes untersucht, weil 
dieses Quantum meistens als Dosis therapeutica von den Fabrikanten 
angegeben wird. Nebenbei bemerkt, habe ich gefunden, dass die Ampullen 
dieser Spezialpräparate nicht immer die auf den Etiketten angegebene 
Menge der Lösung enthielten; so fehlten z. B. an dem zu 1,1 ccm an¬ 
gegebenen Inhalte bestimmter Ampullen mehrere Male 0,2 ccm, indem in 
dem Bauche der Phiolen 0,8 ccm und in dem Halse 0,1 ccm, zusammen 
also nur 0,9 ccm vorhanden waren. Im Nachfolgenden werden zunächst 
die oben genannten 3 Standardsubstanzen, darauf sämtliche untersuchten 
Präparate hinsichtlich ihrer Wirkungswerte einzeln besprochen und zum 
Schlüsse eine tabellarische Zusammenstellung sämtlicher Resultate im 
Vergleich mit den entsprechenden Mengen der oben genannten drei 
Vergleichskörper gegeben. Bezüglich einer genaueren Charakterisierung 
der einzelnen Präparate verweise ich auf meine kürzlich veröffentlichte 
Arbeit 3 ). 

1) 0. Schmiedeberg, 1. c. 

2) A. Holste, 1. c. 

3) Derselbe, Ueber lokale Reizwirkung von Herzmitteln mit Rücksicht auf 
deren Verwendbarkeit zur subkutanen Injektion. Arch. f. exp. Rath. u. Pharm. 1913. 
Bd. 73. S. 457. 


Google 


Original fro-m 

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Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


393 


A. Differenzwerte der drei Standardsubstanzen pro Minute. 


I. g-Strophanthin. 

0,1 mg g-Strophanthin bewirken den V.-Stillstand in . . . 

v/ ?* rt rt rt rt n rt 

demnach entsprechen 0,2 0,1 =0,1 rag einer ZeitdifTcrenz von 

und: 0,1:9,2 = 0,01087 „ „ 

II. k-Strophanthin. 

‘ 0,1 mg k-Strophanthin bewirken den V.-Stillstand in . . . 

Bj2 n rt rt rt rt r> • 

demnach entsprechen 0,2 0,1 =0,1 mg einer ZeitdifTcrenz von 

und: 0,1:6,9 = 0,0145 „ „ r 

in. Cymarin. 

0,02 mg Cymarin bewirken den V. Stillstand in. 

0?05 „ „ w v . 

demnach entsprech. 0,05 - 0,02 = 0,03 rag einer ZeitdifTcrenz von 
und: 0,03 : 6,4 = 0,004687 „ „ 


18,6 

Min. 

9,4 

rt 

9,2 

Min. 

1 

rt 

14,3 Min. 

7,4 

r> 

6,9 

Min. 

1 

r> 

17,9 

Min. 

11,5 

w 

6,4 

Min. 

1 

rt 


B. Zusammenstellung der gewonnenen Resultate und Berechnung der 
äquivalenten Mengen g-Strophanthin, k-Strophauthin und Cymarin. 

1. g-Strophanthin (Thoms). 

Aus dem Samen von Strophantus-Gratus von der Chemischen Fabrik Güstrow 
(Dr. Hillringhaus und Dr. Heilmann) hergestellt und identisch mit dem Thomssehen 
kristallisierten Strophanthin; kurz bezeichnet als g-Strophanthin. Untersucht wurde 
der Ampulleninhalt; nach Angabe der Fabrik enthält 1 ccm des Ampulleninhaltes 1 mg 
g-Strophanthin in 0,8 proc. Kochsalzlösung. 


Nummer 

Menge der Substanz j 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt dcsV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

0,1 mg 

19 

j 

2 

3 

0,1 „ 

0,1 „ 

18 

18 

[ 18,6 

4 

0,1 „ 

19,5 

) 

5 

0,2 „ 

10 

' 1 

6 

0,2 „ 

9 

9,4 

7 

0,2 „ 

9 

8 

0,2 „ 

9,5 

\ 


1. Berechnung des äquivalenten Wertes von k-Strophanthin. 

a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,1 mg g-Strophanthin = 18,6 Min. 

0,1 * k- „ = 14,3 , 

Differenz = —4,3 Min. 

4,3 mal 0,0145 = 0,06235. 

Also entspricht 0,1 mg g-Strophanthin = 0,1 mg k-Strophanthin 

- 0,06235 g _ „ 

= 0,03765 mg k-Strophanthin 

b) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,2 mg g-Strophanthin = 9,4 Min. 

0,2 „ k- * = 7,4 „ 

Differenz = 2,0 Min. 

2,0 mal 0,0145 = 0,0290. 

Also entspricht 0,2 mg g-Strophanthin = 0,2 mg k-Strophanthin 

- 0,0290 „ 

= 0,1710 mg k-Strophanthin 
26* 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




394 


Arnold Holste, 


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11. Berechnung des äquivalenten Wertes von Cymarin. 
a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,1 mg g-Stropbanthin = 18,GMin. 

0,02 „ Cymarin = 17,9 w 

Differenz = —0,7 Min. 

0,7 mal 0,004687 = 0,00328. 

Also entspricht 0,1 mg g-Strophanthin = 0,02 mg Cymarin 

— 0,00328 „ 


= 0,01672 mg Cymarin 

b) Es bewirken den Ventrikclstillstand 

0,2 mg g-Strophanthin = 9,4 Min. 

0,05 „ Cymarin = 11,5 „ 

Differenz = +2,1 Min. 

2,1 mal 0,004687 = 0,00984. 

Also entspricht 0,2 mg g-Strophanthin = 0,05 mg Cymarin 

-f- 0,00984 „_„ 


= 0,05984 mg Cymarin 


2. k-Strophanthin (Böhringer). 

Das amorphe Glykosid aus dem Samen von Strophanthus Combe Oliver, von 
C. F. Bühringer & Söhne in Mannheim-Waldhof fabriziert und k-Strophanthin genannt. 
Lösung von 5 mg : 5 ccm aq. dest. 1 ccm = 1 rag. 


Nummer 

der 

Versuche 

Menge der Substanz 
in 50 ccm 
Nährflüssigkeit 

Zeit bis zum 
Eintritt desV.-Still- 
standes in Minuten 

Dieselbe 

im 

Durchschnitt 

1 

0,1 mg 

14,5 

\\ 

2 

0,1 , 

14,5 

} 14,3 

3 

0,1 „ 

14 

/ 

4 

0,2 „ 

7 

i 

5 

0,2 „ 

7 

7)4 

6 

0,2 

7,5 

7 

0, 2 l 

8 

’ 


I. Berechnung des äq ui valenten Wertes in g-Strophanthin, 
a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,1 mg k-Strophanthin = 14,3 Min. 

0,1 * g- * = 18,6 , 

Differenz = +4,3 Min. 

4,3 mal 0,01087 = 0,04674. 

Also entspricht 0,1 mg k-Strophanthin = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,04674 „_*_ 


= 0,14674 mg g-Stropbanthin 

1)) Es bewirken den Ventrikclstillstand 

0,2 mg k-Strophanthin = 7,4 Min. 

0,2 „ g- „ = 9,4 g 


Differenz = +2,0 Min. 

2,0 mal 0,01087 = 0,02174. 

Also entspricht 0,2 mg k-Strophanthin = 0,2 


+ 0,02174 


mg g-Strophanthin 


= 0,22174 mg g-Strophanthin 


11. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 
a) Es bewirken den Ventrikclstillstand 

0,1 mg k-Strophanthin = 14,3 Min. 

0,02 „ Cymarin = 17,9 „ 

Di Heren /. = +3,6 Min. 

3,6 mal 0,004687 - 0,01687. 


Gougle 


Original fro-m 

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Zur Wertbestimmung von Herzmitteln, 


395 


Alsu entspricht 0,1 mg k-Strophanthin = 0,02 mg Cymarin 

+ 0,01687 , 

= 0,03687 mg Cymarin 

b) Es bewirken den Ventrikclstillstand 

0,2 mg k-Strophanthin = 7,4 Min. 

0,05 „ Cymarin = 11,5 „ 

Differenz = +4,1 Min. 

4,1 mal 0,004687 = 0,01921. 

Also entspricht 0,2 mg k-Strophanthin = 0,05 mg Cymarin 

+ 0,01921 » 

= 0,06921 mg Cymarin 

3. Cymarin. 

Das wirksame Prinzip von Apocynum cannabinum indicum, hergestellt von den 
Elberfelder Farbenfabriken vorm. Bayer & Co. Untersucht wurde der Ampulleninhalt; 
nach Angabe der Fabrik enthält jede Ampulle etwa 1,2 ccm Lösung. 1 ccm derselben 
entspricht 1 mg (0,001 g) Cymarin. 


Nummer 

Menge der Substanz 
in 50 ccm 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

1 mg 

6 

1 

2 

3 

1 . 

1 * 

5,5 

5,5 

5,75 

4 

1 * 

6 


5 

0,25 „ 

8,5 


6 

0,25 „ 

8 

j 8,3 

7 

0,25 „ 

8,5 

8 

0,05 B 

11 

) 

9 

0,05 „ 

11,5 

} 11,5 

10 

0,05 „ 

12 

J 

11 

0,02 „ 

17,5 

1 

12 

0,02 „ 

18 

17,9 

13 

0,02, 

18 

14 

0,02 , 

18 

\ 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes io g-Strophanthin. 

a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 mg Cymarin = 5,75 Min. 

0,2 * g-ätrophanth in = 9,4 „ 

Differenz = +3,65 Min. 

3,65 mal 0,01087 = 0,03968. 

Also entspricht 1 mg Cymarin = 0,2 mg g-Strophanthin 

+ 0,03968 „ _ „ 

= 0,23968 mg g-Strophanthin 

b) Es bewirken den Vcntrikelstilistand 

0,25 mg Cymarin = 8,3 Min. 

0,2 „ g-Strophan thin = 9,4 „ 

Differenz = +1,1 Min. 

1,1 mal 0,01087 = 0,01196. 

Also entspricht 0,25 mg Cymarin = 0,2 mg g-Strophanthin 

+ 0,01196 „ 

= 0,21196 mg g-Strophanthin 

c) Es bewirken den Ventrikclstillstand 

0,05 mg Cymarin = 11,5 Min. 

0,2 „ g-Strophan thin = 9.4 „ 

Differenz = -2,1 Min. 

2,1 mal 0,01087 = 0,02283. 

Also entspricht 0,05 mg Cymarin — 0,2 mg g-Strophanthin 

•— 0,02283 „ 

= 0,17717 mg g-Strophanthin 


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Original fro-m 

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Arnold Holste 


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306 


d) Es bewirken den Vcntrikclstillstand 

0,02 mg Cymarin = 17,9 Min. 

0,1 „ g-Strophant hin = 18,6 „ 

Differenz = +0,7 Min. 

0,7 mal 0,01087 =0,00761. 

Also entspricht 0,02 mg Cymarin =0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,00761 , 


= 0,10761 mg g-Strophanthin 


11. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 mg Cymarin = 5,75 Min. 

0,2 „ k-Strophanth in = 7,4 „ 

Differenz = +1,65 Min. 

1,65 mal 0,0145 = 0,02393. 

Also entspricht 1 mg Cymarin = 0,2 mg k-Strophanthin 

+ 0,02393 „_„ 


= 0,22393 mg k-Strophanthin 

b) Es bewirken den Vcntrikclstillstand 

0.25 mg Cymarin = 8,3 Min. 

0,2 „ k-Strophanth in = 7,4 „ 

Differenz = — 0,9 Min. 

0,9 mal 00145 = 0,01305. 

Also entspricht 0,25 mg Cymarin = 0,2 mg k-Strophanthin 

-0,01305 „ 


= 0,18695 mg k-Strophanthin 

c) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,05 mg Cymarin = 11,5 Min. 

0,2 n k-Strophanth in = 7,4 „ 

Differenz =—4,1 Min. 

4,1 mal 0,0145 = 0,05945. 

Also entspricht 0,05 mg Cvmarin = 0,2 mg k-Strophanthin 

-0,05945 „ 


= 0,14055 mg k-Strophanthin 

d) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,02 mg Cymarin = 17,9 Min. 

0,1 „ k-Strophanth in =14,3 „ 

Differenz = -3,6 Min. 

3,6 mal 0,0145 = 0,05220. 

Also entspricht 0,02 mg Cvmarin = 0,1 mg k-Strophanthin 

-0.05220 „ 


= 0,04780 mg k-Strophanthin 


4. Digitoninum crystall. Merck. 

Von E. Merck, Darmstadt, aus dem Digitalissamen gewonnen und zu der Klasse 
der Saponinsubstanzen zu rechnen. 

Lösung von 3 mg: 7 I / 2 ccm aq. dest. + 2 ! / 2 ccm 96 proc. Alkohol. 1 ccm = 0,3 mg. 


Nummer 

der 

Versuche 

Menge der Substanz 
in 50 ccm 
Nährflüssigkeit 

Zeit bis zum j Dieselbe 

Eintritt desV.-Still-j im 

Standes in Minuten , Durchschnitt 

! 1 

1 

0,3 mg 

Kein Stillstand in 60 Minuten 

o 

0,6 „ 

do. 

3 

1,0 * 

do. 


5. Digitalin. pur. puh. germanie. Merck. 

Gelblieh-weissos Pulver, von E. Merck, Darmstadt, aus Digitalissamen gewonnen, 
ist ein Gemenge von Digital in, amorphem Digitonin und Digitalem. 


Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


397 


LüsuDg von 3 mg : 8 y 2 ccm aq. dcst. -f- IV 2 ccm 96proc. Alkohol. 1 ccm — 0.3 mg. 


Nummer 

Menge der Substanz 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

0,3 mg 

Kein Stillstand in 

75 Minuten 

2 

0,6 „ 

» rt * 

60 


6. Digitalin. pur. amorph. Merck. 

Gelb-braunes, amorphes Pulver; hergestellt von E. Merck, Darmstadt. 

Lösung von 3 mg: 8 l /a ccm aq. dest. -j- 1 1 / 2 ccm 96proc. Alkohol. 1 ccm = 0,3 mg. 


Nummer 

Menge der Substanz 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

0,3 mg 

21 

1 

2 

0,3 „ 

22,5 

! [ 21,6 

3 

0,3 „ 

21 

4 

0,3 „ 

22 

) 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Digitalin. pur. amorph. Merck = 21,6 Min. 

0,1 „ g-Strophanthin = 1 8,6 „ 

Differenz = —3,0 Min. 

3 mal 0,01087 = 0,03261. 

Also entspricht 0,3 mg Digitalin. pur. amorph. Merck = 0,1 mg g-Strophanthin 

-0,03261 „ 

— 0,06739 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Der zu berechnende Differenzwert wird zu gross, da 0,3 mg Digitalin. pur. amorph. 
Merck den Ventrikelstillstand in 21,6 Minuten, 0,1 mg k-Strophanthin aber in 14,3 Minuten 
herbeiführen. Es müssten also kleinere Mengen als 0,1 mg k-Strophanthin als Vergleichs¬ 
werte herangezogen werden. — Der für das Digitalysat Bürger (s. tabellarische Ueber- 
sicht) mit 17,6 Minuten berechnete k-Strophanthinwert beträgt 0,052 mg; infolgedessen 
beträgt der für Digitalin. pur. amorph. Merck mit 21,6 Minuten anzunehmende Wert 
weniger als 0,05 rag. 

III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Digitalin. pur. amorph. Merck = 21,6 Min. 

0,02 „ Cymarin = 17,9 „ 

Differenz = - 3,7 Min. 

3,7 mal 0,004687 = 0,01734. 

Also entspricht 0,3 mg Digitalin. pur. amorph. Merck =0,02 mg Cymarin 

- 0,01734 » 

= 0,00266 mg Cymarin 

7. Digitalin. verum Kiliani. 

Amorphes, weisses Pulver von C. F. Böhringer & Söhne, Mannheim-Waldhof. 
Lösung von 3 mg: 8 V 2 ccm aq. dest. + P /2 ccm 96proc. Alkohol. 1 ccm = 0,3 mg. 


Nummer 

Menge der Substanz 

l Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt desV.-Still-j 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

0,3 mg 

Kein Stillstand in 

60 Minuten 

2 

0,3 „ | 

do. 



Digitized by 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Arnold Holste, 


Digitized by 


31)8 


8. Digitalein Merek. 

Von K. Merck, Darmstadt, identisch mit dem „Digitalein Schmiedeberg“. 

Lösung von 3 mg: 8 V 2 ccm aq. dcst. + IV 2 ccm 96proc. Alkohol. 1 ccm = 0.3 mg 


Nummer 

der 

Versuche 

Menge der Substanz 
in 50 ccm 
Nährflüssigkeit 

Zeit bis zum 
Eintritt desV.-Still- 
standes in Minuten 

Dieselbe 

im 

Durchschnitt 

1 

1 mg 

8 

1 

2 

1 . 

8 

} 8 

3 

1 * 

8 

I 

4 

0,3 „ 

15 

1 

5 

0,3 „ 

15 

1 > 14,7 

6 

0,3 „ 

14 

:l 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 mg Digitalein Merck = 8,0 Min. 

0,2 „ g-Strophanthi n = 9,4 „ 

Differenz = -t 1,4 Min. 

1,4 mal 0,01087 = 0,01522. 

Also entspricht 1 mg Digitalein Merck = 0,2 mg g-Strophanthin 

+ 0.01522 „ 

= 0,21522 mg g-Strophanthin 

b) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Digitalein Merck = 14,7 Min. 

0, l „ g-Strophanthi n = 18,6 „ 

Differenz = +3,9 Min. 

3,9 mal 0,010S7 = 0,04239. 

Also entspricht 0,3 mg Digitalem Merck = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,04239 „ 

= 0,14239 mg g-Strophanthin 


II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 rag Digitalein Merck = 8 Min. 

0,2 „ k-Strophanth in = 7,4 „ 

Differenz = —0,6 Min. 

0,6 mal 0,0145 = 0,00870. 

Also entspricht 1 mg Digitalein Merck = 0,2 mg k-Strophanthin 

-0,00870 „ 

= 0,19130 mg k-Strophanthin 

b) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Digitalein Merck = 14,7 Min. 

0,1 „ k-Strophant hin = 14,3 „ 

Differenz = —0,4 Min. 

0,4 mal 0,0145 = 0,00580. 

Also entspricht 0,3 mg Digitalein Merck = 0,1 mg k-Strophanthin 

-0,00580 „ _ „ 

= 0,09420 mg k-Strophanthin 


III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 
a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 mg Digitalein Merck = 8 Min. 

0,05 „ Cymarin = 11,5 „ 

Differenz = + 3,5 Min. 

3,5 mal 0,004687 = 0,01640. 


Also entspricht 1 mg Digitalem Merck = 0,05 mg Cymarin 

+ 0,01640 „ 


= 0,06640 mg Cymarin 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


399 


b) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Digitalein Merck = 14,7 Min. 

0,02 * Cymarin = 17,9 „ 

Differenz =+3,2 Min. 

3,2 mal 0,004687 = 0,01499. 

Also entspricht 0,3 mg Digital ein Merck = 0,02 mg Cymarin 

+ 0,01499 „ 

= 0,03499 mg Cymarin 

9. Digitalein Zyma. 

Hergestellt von der Chemischen Fabrik Zyma, A.-G., in Aigle (Schweiz) und 
St. Ludwig (Eisass). 


Nummer 

Menge der Substanz 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

4 mg 

8 

\ g 

2 

4 „ 

8 

/ 8 

4 

2 „ 

16 

1 16 

3 

2 , 

16 

/ 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

4 mg Digitalem Zyma = 8,0 Min. 

0,2 „ g-Strophanthi n = 9,4 „ 

Differenz = -f-1,4 Min. 

I, 4 mal 0,01087 =0,015218. 

Also entspricht 4 mg Digitalein Zvma = 0,2 mg g-Strophanthin 

+ 0,015218 „ 

= 0,215218 mg g-Strophanthin 

b) Es bewirken den Vcntrikelstillstand 

2 mg Digitalein Zyma = 16 Min. 

0,1 „ g-Strophanth in — 18,6 „ 

Differenz = +2,6 Min. 

2.6 mal 0,01087 = 0,02827. 

Also entspricht 2 mg Digitalein Zyma = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,02827 „ 

= 0,12827 rag g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

4 mg Digitalein Zyma= 8 Min. 

0,2 „ k-Strophanthi n = 7,4 „ 

Differenz = —0,6 Min. 

0,6 mal 0,0145 = 0,00870. 

Also entspricht 4 mg Digitalein Zyma = 0,2 mg k-Strophanthin 

— 0,00870 „ _ » 

= 0,19130 mg k-Strophanthin 

b) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

2 mg Digitalein Zyma = 16,0 Min. 

0,1 „ k-Strophanth in = 14,3 „ 

Differenz = — 1,7 Min. 

1.7 mal 0,0145 = 0,02465. 

Also entspricht 2 mg Digitalein Zyma = 0,1 mg k-Strophanthin 

-0.02465 „ 

= 0,07535 mg k-Strophanthin 


Difitized 


by CjOOglc 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



400 


Arnold Holste 


Digitized by 


III. Berechnung des äquivalenten Wer tos in Cy marin, 
a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

4 mgDigitaleYn Zyma = 8 Min. 

0,05 „ Cyraarin = 11,5 „ 


b) 


Differenz = +3,5 Min. 

3,5 mal 0,004687 = 0,01640. 

Also entspricht 4 mg Digitalem Zyma = 0,05 mg Cymarin 

+ 0,01640 . 

„ . = 0.06640 mg Cymarin 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

2 mg DigitalcYn Zyma = 16 Min. 

0,02 „ Cymarin = 17,9 „ 


Differenz = +1,9 Min. 

1,9 mal 0,004687 = 0,00890. 

Also entspricht 2 mg DigitalcYn Zyma = 0,02 mg Cyraarin 

+ 0,00890 „ 


= 0,02890 mg Cymarin 


10. Digitoxin, crystall. Merck. 

Weisses, kristallinisches Pulver von E. Merck, Darrastadt. 

Lösung von 3 mg: 1 ccm Glycerin + 2 ccm 96 proc. Alkohol -f- 7 ccm aq. dest. 
1 ccm = 0,3 mg. 


Nummer 

Menge der Substanz 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

2 

0,2 mg 

0,2 „ 

1 14 

13,5 

1 

| 13,75 

3 

4 

0,3 „ 

0,3 „ ! 

10 1 

9,5 | 

} 9,75 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,2 mg Digitoxin, crystall. Merck = 13,75 Min. 

0,1 „ g-Strophanthin =18,6 „ 

Differenz — +4,85 Min. 

4,85 mal 0,01087 = 0,05272. 

Also entspricht 0,2 mg Digitoxin, crystall. Merck = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,05272 „ 

= 0,15272 mg g-Strophanthin 

b) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Digitoxin, crystall. Merck = 9,75 Min. 

0,2 „ g-Strophanthin = 9,4 „ 

Differenz = —0,35 Min. 

0,35 mal 0,01087 = 0,00380. 

Also entspricht 0,3 mg Digitoxin, crvstall. Merck = 0,2 mg g-Strophanthin 

— 0,00380 » _ „ 

= 0,19620 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes im k-Strophanthin. 
a) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,2 mg Digitoxin, crystall. Merck = 13,75 Min. 

0,1 „ k-Strophanthin = 14,3 „ 

Differenz = +0,55 Min. 

0,55 mal 0,0145 = 0,00798. 

Also entspricht 0,2 mg Digitoxin, crvstall. Merck =0,1 mg k-Strophanthin 

+ 0,00798 , 

= 0.10798 mg k-Strophanthin 


Gck igle 


Original fro-m 

UMIVERSITY OF MICHIGAN 



Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


401 


in 


Digitized by 


b) Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Digitoxin, ciystall. Merck = 9,75 Min. 

0,2 „ k-Strophantbin = 7,4 „ 

Differenz = —2,35 Min. 

2,35 mal 0,0145 = 0,03408. 

Also entspricht 0,3 rag Digitoxin, crvstall. Merck = 0,2 mg k-Strophanthin 

-0,03408 „ 

= 0,16592 mg k-Strophanthin 


a) 


b) 


III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,2 mg Digitoxin, crystall. Merck = 13,75 Min. 

0,02 w Cymarin = 17,9 „ 

Differenz = +4,15 Min. 

4,15 mal 0,004687 = 0,01946. 

Also entspricht 0,2 mg Digitoxin, crystall. Merck = 0,02 mg Cymarin 

+ 0,01946 » , 

= 0,03946 mg Cymarin 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Digitoxin, crystall.Merck = 9,75 Min. 

0,05 „ Cymarin = 11,50 „ 


Differenz = +1,75 Min. 

1,75 mal 0,004687 = 0,00820. 

Also entspricht 0,3 mg Digitoxin, crystall. Merck = 0,05 mg Cymarin 

+ 0,00820 „ 

= 0,05820 mg Cymarin 


11. Oitalin Kraft. 

Amorphes Glykosid, aus den Digitalisblättern hergestellt von Apotheker Dr. F. Kraft 
Brugg (Schweiz). 

Lösung von 3 mg: 10 ccm aq. dest. 1 ccm = 0,3 mg. 


Nummer 

Menge der Substanz 
in 50 ccm 

Zeit bis zum ! Dieselbe 

der 

Eintritt desV.-Still-| im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten | Durchschnitt 

1 

0,3 mg 

15 » 

2 

3 

0,3 „ 

0,3 „ 

j U j 14 ’ 4 

4 

0,3 „ 

1 14,5 1 } 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Gitalin Kraft = 14,4 Min. 

0,1 w g-Strophant hin 18,6 „ 

Differenz = +4,2 Min. 

4,2 mal 0,01087 = 0,04565. 

Also entspricht 0,3 mg Gitalin Kraft = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,04565 „ 

= 0,14565 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 mg Gitalin Kraft = 14,4 Min. 

0,1 w k-Strophant hin = 14,3 „ 

Differenz = —0,1 Min. 

0,1 mal 0,0145 = 0,00145. 

Also entspricht 0,3 mg Gitalin Kraft = 0,1 mg k-Strophanthin 

— 0,00145 , 

= 0,09855 mg k-Strophanthin 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



402 


Arnold Holste 


Digitized by 


III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

0,3 rag Gitalin Kraft = 14,4 Min. 

0,05 „ Cymarin — 11,5 „ 

Differenz = -2,9 Min. 

2,9 mal 0,004687 = 0,01359. 

Also entspricht 0,3 mg Gitalin Kraft = 0,05 mg Cymarin 

— 0,01359 „ , 

= 0,03641 mg Cymarin 

12. Digifolin. 

Hcrgcstcllt von der Gesellschaft für Chemische Industrie zu Basel, enthält die 
therapeutisch wirksamen Digitalisglykoside nach Ausscheidung der saponinartigen Sub¬ 
stanzen und Kaliumsalze. 


Nummer 

der 

Versuche 

Menge der Substanz 
in 50 ccm 
Nährflüssigkeit 

Zeit bis zum 
Eintritt desV.-Still-i 
Standes in Minuten | 

Dieselbe 

im 

Durchschnitt 

1 

1 ccm 

I 16 ! 


2 

1 . 

16,5 

1 

3 

1 . 

15,6 , 

> 14,8 

4 

1 . 

13 ! 

l 

5 

1 ■ 

13 

/ 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digifolin = 14,8 Min. 

0,2 mg g-Strophant hin = 9,4 „ 

Difleronz = —5,4 Min. 

5,4 mal 0,01087 = 0,05869. 

Also entspricht 1 ccm Digifolin = 0,2 mg k-Strophanthin 

— 0,05869 , » _ 

= 0,14181 mg k-Strophanthin 


II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 
Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digifolin = 14,8 Min. 

0,1 mg g-Strophanthin = 14,3 » 


Differenz = 0,5 Min. 

0,5 mal 0,0145 = 0,00725. 

Also entspricht 1 ccm Digifolin = 0,1 mg g-Strophanthin 

- 0,00725 » _ 


= 0,09275 mg g-Strophanthin 


III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 
Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digifolin = 14,8 Min. 

0,02 mg Cymarin = 17,9 „ 


Differenz = 4- 3,1 Min. 

3,1 mal 0,004687 = 0,01453. 

Also entspricht 1 ccm Digifolin = 0,02 mg Cymarin 

+ 0,01453 „ 


13. Digalen. 


= 0,03453 mg Cymarin 


Nach Angabe der herstellenden Firma F. Hoffmann-La Roche in Grcnzach das 
Digitoxinum solubile CJoötta. 


Nummer 

Menge der Substanz 

| j 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

1 Eintritt dcsV.-Still-j 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten | 

Durchschnitt 

1 

1 ccm 

i 17,5 | 

i 

2 

1 , 

! 16 

| 17,25 

3 

1 „ 

1 16.5 1 

4 

1 „ 

19 

/ 


Gck igle 


Original ffom 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


403 


L. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digalen = 17,25 Min. 

0,1 mg g-Strophanth in = 18,60 „ 

Differenz = +1,35 Min. 

I, 35 mal 0,01087 = 0,014675. 

Also entspricht 1 ccm Digalen = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,014675 , 

= 0,114675 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digalen = 17,25 Min. 

0,1 rag k-Strophanth in = 14,30 „ 

Differenz = — 2,95 Min. 

2,95 mal 0,0145 = 0,042775. 

Also entspricht 1 ccm Digalen = 0,1 mg k-Strophanthin 

- 0,042775 „ 

= 0,057225 mg k-Strophanthin 

III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 

Es bewirken den Vcntrikelstillstand 

1 ccm Digalen = 17,25 Min. 

0,02 mg Cyma rin =17,9 » 

Differenz = +0,65 Min. 

0,65 mal 0,004687 = 0,003047. 

Also entspricht 1 ccm Digalen = 0,02 mg Cymarin 

+ 0,003047 , 

= 0,023047 mg Cymarin 

14. Digipan Dr. Haas. 

Aus der Fabrik von C. H. Burk in Stuttgart, enthält die Digitalis-Glykoside mit 
Ausnahme des Digitonins. 


Nummer 

i 

Menge der Substanz 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

1 ccm 

14,5 

1 

2 

1 » 

14,5 

} 14,3 

3 

1 „ 

14 



I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digipan = 14,3 Min. 

0,1 mg g-Strophant hin = 18,6 „ 

Differenz = +4,3 Min. 

4,3 mal 0,01087 = 0,04674. 

Also entspricht 1 ccm Digipan = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,04674 „ 

= 0,14674 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digipan = 14,3 Min. 

0,1 mg k-Strophanthin = 14,3 „ 

Also 1 ccm Digipan = 0,1 mg k-Strophanthin 



Original fro-m 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 



404 


Arnold Holste, 


Digitized by 


III. Berechnung des äquivalenten Wertes in C-ymarin. 


Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digipan = 14,3 Min. 

0,02 mg Cymarin = 17,9 ,, 

Differenz = +3,6 Min. 


3,6 mal 0,004687 = 0,01687. 

Also entspricht 1 ccm Digipan = 0,02 

+ 0,01687 


mg Cy marin 


= 0,03687 mg Cy marin 


15. Digipnratttm. 

Von Knoll & Co. in Ludwigshafen a. Rh., repräsentiert die wirksamen Digitalis- 
glykotannoide in gleichbleibendem Verhältnis. 


Nummer 

Menge der Substanz 
in 50 ccm 

! j 

Zeit bis zum | 

Dieselbe 

der 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Vorsuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten j 

Durchschnitt 

1 

1 ccm 

! 15 


2 

1 * 

15 

l 

3 

1 , 

14,5 1 

/ 1 u, i 

4 

1 , 

17 

5 

1 , 

17 

t 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikclstillstand 

1 ccm Digipuratum = 15,7 Min. 

0,2 mg g-Strophan thin = 9,4 „ 

Differenz = —6,3 Min. 

6,3 mal 0,01087 = 0,06848. 

Also entspricht 1 ccm Digipuratum = 0,2 mg g-Strophanthin 

- 0,06848 „ 

= 0,13152 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digipuratum = 15,7 Min. 

0,1 mg k-Strophanthin = 14,3 * 

Differenz = —1,4 Min. 

1,4 mal 0,0145 = 0,0203. 

Also entspricht 1 ccm Digipuratum = 0,1 mg k-Strophanthin 

— 0,0203 , 

= 0,0797 mg k-Strophanthin 

III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digipuratum = 15,7 Min. 

0,02 mg Cymarin = 17,9 „ 

Differenz = +2,2 Min. 

2.2 mal 0,004687 = 0,01031. 

Also entspricht 1 ccm Digipuratum = 0,02 mg Cymarin 

+ 0,01031 „ 

= 0,03031 mg Cymarin 


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Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHtGAN 



Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


405 


16. Digitalysatum Bürger. 

Vom Apotheker Joh. Bürger, Wernigerode am Harz, aus frischen Harzer Digitalis- 
bliittern hergestellt. 


Nummer 

der 

Versuche 

Menge der Substanz 
in 50 ccm 
Nährflüssigkeit 

Zeit bis zum 
Eintritt desV.-Still- 
standes in Minuten 

Dieselbe 

im 

Durchschnitt 

1 

1 ccm 

24 

\ 

2 

1 . 

11 

} 17,G 

3 

1 „ 

18 

! J 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digitalysatum Bürger = 17,6 Min. 

0,1 mg g-Strophanthin = 18,6 „ 

Differenz = -f 1,0 Min. 

1 mal 0,01087 = 0,01087. 

Also entspricht 1 ccm Digitalysatum Bürger = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,01087 » 

= 0,11087 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digitalysatum Bürger = 17,6 Min. 

0,1 mg k-Strophanthin = 14,3 „ 

Differenz = - 3,3 Min. 

3,3 mal 0,0145 = 0,04785. 

Also entspricht 1 ccm Digitalysatum Bürger = 0,1 mg k-Strophanthin 

- 0,04785 » _ 

= 0,05215 mg k-Strophanthin 

III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digitalysatum Bürger = 17,6 Min. 

0,02 mg Cymarin = 17,9 „ 

Differenz = H 0,3 Min. 

0,3 mal 0,004687 = 0,001406. 

Also entspricht 1 ccm Digitalysatum Bürger = 0,02 mg Cymarin 

+ 0,001406 „ 

= 0,021406 mg Cymarin 


17. Digitalem. 

Aus der Chemischen Fabrik Parke, Davis & Co., Detroit (Mich., U.S.A.). „Eine asep¬ 
tische, alkoholfreie, nicht reizende und permanente Digitalis-Lösung“ (Fabrikangabe). Im 
Digitalon sollen die „reizenden und inaktiven Substanzen“ der Digitalis bis auf ein Mini¬ 
mum reduziert, dagegen die physiologisch wirksamen Bestandteile nahezu vollständig 
erhalten sein. 


Nummer 

der 

Versuche 

Menge der Substanz 
in 50 cCra 
Nährflüssigkeit 

Zeit bis zum 
Eintritt desV.-Still- 
standes in Minuten 

Dieselbe 

im 

Durchschnitt 

1 

1 ccm 

i 

12 

) 

2 

1 *■ 

1 12 

> 11,8 

3 

1 , 1 

! 11,5 

) 


Digitized by 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




406 


Arnold Holste, 


Digitized by 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digitalon = 11,8 Min. 

0,2 mg g-Strophant hin = 9,4 „ 

Differenz = —2,4 Min. 

2.4 mal 0.01087 = 0,026088. 

Also entspricht l ccm Digitalon = 0,2 mg g-Strophanthin 

- 0,02609 „ 

= 0,17391 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digitalon = 11,8 Min. 

0,1 mg k-Strophant hin = 14,3 „ 

Differenz = + 2,5 Min. 

2.5 mal 0,0145 = 0,03625. 

Also entspricht 1 ccm Digitalon = 0,1 rag k-Strophanthin 

+ 0,03625 » 

= 0,13625 mg k-Strophanthin 

III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccra Digitalon = 11,8 Min. 

0,05 mg Cyma rin = 11,5 y 

Differenz = - 0,3 Min. 

0,3 mal 0,004687 =^0,00141. 

Also entspricht 1 ccm Digitalon = 0,05 mg Cymarin 

-0,00141 „ 

= 0,04859 mg Cymarin 


18. Digifnsum Kallmann. 

Eine Tinctura Digitalis aquosa titrata. Fabrikant Apotheker A. Kulimann in 
Engelhartszell. 


Nummer 

Menge der Substanz 

! 1 

I Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten ^ 

Durchschnitt 

1 

1 ccm 

9,5 1 

1 

2 

i . 

9 

10,1 

3 

i , 

11 

4 

i „ 

11 i 

) 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digifusum Kullraann = 10,1 Min. 

0,2 mg g-Strophanthin = 9,4 „ 

Differenz = —0,7 Min. 

0,7 mal 0,01087 = 0,007609. 

Also entspricht 1 ccm Digifusum Kullmann = 0,2 mg g-Strophanthin 

-0,00761 „ 

= 0,19239 mg g Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Es bewirken den Vcntrikclstillstand 

1 ccm Digifusum Kullmann = 10,1 Min. 

0,1 mg k-Strophanthin = 14.3 „ 

Differenz = +4,2 Min. 

4,2 mal 0,0145 = 0,06090. 

Also entspricht 1 ecin Digifusum Kullmann = 0,1 mg k-Strophanthin 

+ 0,06090 „ _ „ 

= 0,16090 mg k-Strophanthin 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


407 


III. Berechnung des äquivalenten Wortes in Cymarin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

1 ccm Digifusum Kulimann = 10,1 Min. 

0,05 mg Cymarin = 11,5 „ 

Differenz = +1,4 Min. 

1,4 mal 0,004687 = 0,00656. 

Also entspricht 1 ccm Digifusum Kuli mann = 0,05 mg Cymarin 

+ 0,00656 „ 

= 0,05656 rag Cymarin 

19. Infas. folior. Digital, purp. 1,0:100,0. 

Bereitet in der Hofapotheke zu Jena aus Harzer Blättern vom August 1913. 


Nummer 

Menge der Substanz 

1 

Zeit bis zum 

Dieselbe 

der 

in 50 ccm 

Eintritt desV.-Still- 

im 

Versuche 

Nährflüssigkeit 

Standes in Minuten 

Durchschnitt 

1 

3 ccm 

13 

} 12,5 

2 

3 , 1 

12 


I. Berechnung des äquivalenten Wertes in g-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikel Stillstand 

3 ccm Infus, folior. Digital, purp. = 12,5 Min. 

0,1 mg g-Strophanthin = 18,6 „ 

Differenz = -1-6,1 Min. 

6,1 mal 0,01087 = 0,06631. 

Also entspricht 3 ccm Infus, folior. Digital, purp. = 0,1 mg g-Strophanthin 

+ 0,06631 „ _ » 

= 0,16631 mg g-Strophanthin 

II. Berechnung des äquivalenten Wertes in k-Strophanthin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

3 ccm Infus, folior. Digital, purp. = 12,5 Min. 

0,1 mg k-Strophanthin = 14,3 „ 

Differenz =4-1,8 Min. 

1,8 mal 0,0145 = 0,02610. 

Also entspricht 3 ccm Infus, folior. Digital, purp. = 0,1 mg k-Strophanthin 

-f 0,02610 ,, _ „ 

= 0,12610 mg k-Strophanthin 

III. Berechnung des äquivalenten Wertes in Cymarin. 

Es bewirken den Ventrikelstillstand 

3 ccm Infus, folior. Digital, purp. = 12,5 Min. 

0,05 mg Cymarin = 11,5 „ 

Differenz = —1,0 Min. 

1,0 mal 0,004687 = 0,004687. 

Also entspricht 3 ccm Infus, folior. Digital, purp. = 0,05 mg Cymarin 

— 0,00469 „ 

= 0,04531 mg Cymarin 

Es entsprechen also 3 ccm dieses Infuscs mit 12,5 Minuten dem Wirkungswerte 
von 3 ccm des gleichprocentigen Infuses der Blätter A des Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amtes in meiner oben mitgeteilten Versuchsserie vom Juni 1911 mit 13 Minuten. Aus 
der hohen Wirksamkeit dieser 3 ccm am Eroschherzen im Vergleich mit der beim 
Menschen gewöhnlich per os zu verabreichenden Infusmenge lässt sich annähernd er¬ 
messen, ein wie grosses Quantum der wirksamen Digitalis-Glykoside von den ver¬ 
dauenden Fermenten l ) abgebaut werden muss. 


1) A. Holste, Ueber das Verhalten der Stoffe der Digitalingruppe gegen Fermente 
(Enzyme). Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 68. S. 3‘23. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. IS. Bd. 27 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



408 


Arnold Holste, Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. 


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C. Tabellarische Uebersicht. 




i 

1 

Zeit bis z. 
Eintritt d. 

Berechnete äquivalente Mengen 

Nr. 

Substanz 

j Menge 

V.-Still¬ 
standes 
in Min. 

g-Stro¬ 
phanthin 
in mg 

k-Stro- 
1 phanthin 
| in mg 

I 

Cy marin 
in mg 

1 

g-Strophanthin 

0,1 mg 

! 18,6 

_ 

0,038 

0,017 


r> 

: o,2 „ 

1 9,4 

— 

j 0,171 

0,060 

2 

k-Strophanthin 

I 0,1 „ 

14,3 

0,147 

1 

0,037 


n 

, 0,2 „ 

7,4 

0,222 

— 

0,069 

3 

Cy marin 

1 1,0 * 

5,75 

0,240 

0,224 

— 


r 

: 0,25 „ 

8,3 

0,212 

0,1 S7 

— 



0,05 „ 

11,5 

0,177 

0,141 

— 



! 0,02 „ 

17,9 

0,108 

0,048 

— 

4 

Digitonin. eryst. Merck 

0,3 mg 

— 

— 

— 

| ~ 


f» 

0,6 „ 

— 

— 

— 



n 

1,0 „ 

— 

— 

— 

i — 

5 

Digitalin. pur. pulv.gcrm. M.l 

0,3 * ! 

— 

— 

— 

i — 


r> \ 

0,6 B 

— 

— 

— 

1 — 

6 

Digitalin. pur. amorph. M. 

0,3 „ 

21,6 

0,067 

< 0,050 

0,003 

7 

Digitalin. ver. Kiliani 

0,3 „ 

— 

— 

— 

— 

8 

Digitalei'n Merck 

1,0 , , 

8,0 

0,215 

0,191 

0,066 


V 

0,3 „ | 

14,7 

0,142 

0,094 

0.035 

9 

Digitalein Zyma 

4.0 „ 

8,0 

0,215 

0,191 1 

0,066 



2,0 „ 

16,0 

0,128 

0,075 

0,029 

10 

Digitoxin, eryst. Merck 

0,2 „ 

13,75 

0,153 

0,108 

0,039 


V j 

0,3 . 

9,75 

0,196 

0,166 

0,058 

11 

Gitalin Kraft 

0,3 „ 

14.4 

0,146 

0,099 

0,036 

12 

Digifolin 

1 ccm \ 

14,8 

0,141 , 

U,093 

0,1)35 

13 

Digalen 

1 - ! 

17,25 

0,115 ' 

0,057 

0,023 

14 

Digipan 

i „ 

14,3 

0,147 

0,100 ! 

0,037 

15 

Digipuratum 

i „ 

15,7 

0,132 

0,080 

0,030 

16 

Digitalysat Bürger 

1 - 

17,6 

0,111 

0,052 , 

0,021 

17 

Digitalon 

1 - 

11,8 

0,174 

0,136 

0,049 

18 

Digifus. Kullmann 

i „ i 

10,1 

0,192 

0,161 

0,057 

19 

Infus, folior. Dig. purp. 

1,0 : 100,0 ! 

3 ccm 

I 

12,5 

0,166 

0,126 

0,045 


Aus der obigen Zusammenstellung ersieht man, dass die Digitalis- 
Glykoside mehr oder weniger stark wirksam sind, während die als Sapo¬ 
nine charakterisierten Substanzen, bzw. Mischungen derselben keine Wirkung 
auf das Froschherz besitzen. Auch das Digitalin. ver. Kiliani rief in der 
zum Vergleich herangezogenen Menge innerhalb einer Stunde keinen Still¬ 
stand hervor. Die von mir untersuchten Spezialpräparate des Handels 
erwiesen sich sämtlich als wirksam, besitzen aber, untereinander ver¬ 
glichen. verschiedene Stärke. Die Valenzen hochgestellter Extrakte bzw. 
Tinkturen, wie Digifus. Kullmann oder Digitalon, sind selbstverständlich 
grösser, als diejenigen anderer Spezialpräparate, welche meist mit dem 
Bestreben hergestellt werden, die wirksamen Digitaliskörper unter Aus¬ 
scheidung der Ballaststoffe möglichst zu isolieren. Zur Beurteilung der 
für das Digitalisinfus ermittelten Werte verweise ich auf die am Ende 
der Protokolle gemachten Bemerkungen. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



XVII. 


Aus der I. inneren Abteilung (Prof. L. Kuttner) und dem chemischen 
Institut (Prof. W. Löb) des Rudolf Virchow-Krankenhauses, Berlin. 

Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 

1. Mitteilung: 

Purinstoffwechseluntersuchungen bei Gicht, Erythema nodo- 
sum, Purpura haemorrhagica, (Quinkeschem Oedem), Psori¬ 
asis, Asthma bronchiale, Colitis membranacea. 1 ) 

Von 

Dr. Alfred Lindemann, 

Assistenzarzt der I. inneren Abteilung des städtischen Rudolf Virchow-Kraukenhauses. 

(Mit 24 Curven im Test.) 


Die Einboziehung der physiologischen und pathologischen Chemie 
in das Rüstzeug des internen Klinikers hat im Laufe der letzten Jahre 
einen ungeahnten Einblick in die Pathochemie der Stoffwechselkrankheiten 
geboten. Die natürliche Folge war eine Controlle oder gar eine völlige 
Aenderung unserer bisherigen Anschauungen über derartige Zustände, 
wie sie von verschiedensten Seiten gefordert und auch durchgeführt 
worden sind. Wie die Auswertung des Blutzuckers die Beurteilung und 
Prognose des Diabetes in andere Bahnen lenkte, so hat die Untersuchung 
des Purin- bzw. Kalkstoffwechsels das bisher so vage Gebiet der gichtischen 
und der übrigen so zahlreichen chronischen Gelenkerkrankungen wesentlich 
eingeengt und viele Fälle dieser Art einer exacten Diagnose und ge¬ 
eigneten Therapie zugängig gemacht. ZahlreicheStoffwechseluntersuchungen, 
die in solchen Fällen anfänglich lediglich zu diagnostischen Zwecken aus¬ 
geführt worden waren, boten mir bei nachträglicher Gegenüberstellung 
der klinischen und physiologischen Untersuchungsergebnisse derart inter¬ 
essante Gesichtspunkte, dass eine systematische Fortführung der Versuche 
und eine Mitteilung derselben geboten schien. Mit Rücksicht auf den 
Charakter dieser Publikation als klinischer Beitrag habe ich bei der 
Reichhaltigkeit der einschlägigen Literatur von einer Besprechung der¬ 
selben Abstand genommen; nur an Stellen, wo ein Hinweis auf Vor¬ 
untersucher aus untersuchungstechnischen Gründen oder zur Stützung meiner 
Ansichten sich als nötig erwies, sind die betreffenden Autoren genannt. 

I. Der Pnrinstoffweehsel bei Gicht und anderen verwandten Stoff¬ 
wechselstörungen. 

Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass bei gesunden In¬ 
dividuen, trotz der Differenzen untereinander, der individuelle Wert der 
Harnsäureausscheidung im Urin bei gleichbleibenden Versuchsbedingungen 
ein relativ constanter ist. Bei purinfreier Ernährung zeigt so der normale 
Mensch eine gleichmässige endogene Harnsäureausscheidung von 0,3—0,5 g 
pro Tag (Individualconstante). Bei Verfiitterung eines purinhaltigen 

1) Eingegangen Anfang Dezember .1013. 


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Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



410 


Alfred Lindemann, 


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Stoffes, z. B. 10 g hefenucleinsaures Natrium (Schittenhelm), steigt be¬ 
kanntlich die Menge der im Urin ausgeschiedenen Harnsäure deutlich an 
(endogene +• exogene Harnsäure) und zwar am stärksten am Tage der 
Verbitterung der purinhaltigen Zulage. Es erscheint so die .Hauptmenge 
der verfütterten superponiertcn exogenen purinhaltigen Zulage am ersten 
Versuchstage, am zweiten nähert sich die Curve in steilem Abfall wieder 
der individualconstante oder hat sie schon erreicht, am dritten ist nach 
Angaben fast aller Voruntersucher (Hösslin u. Kato, Hirschstein, His, 
Brugsch, Bloch, Pollak) nur noch ein Harnsäurewert in Höhe der 
endogenen Constante nachweisbar (Hirschstein beobachtete an dem 
der Zulage folgenden Tage sogar zunächst einen steilen Abfall unter die 
Norm). Einen derartig normalen Ablauf des Purinstoffwechselversuchs 
konnte auch ich in einer grossen Zahl von Fällen beobachten. Mit Rück¬ 
sicht auf die sich mehrende Anerkennung dieser Befunde verzichte ich auf 
eine eingehende Mitteilung dieser Untersuchungsresultate. Nach zahlreichen 
übereinstimmenden Untersuchungen ist die absolute Menge der exogenen 
Harnsäure bei dieser Versuchsanordnung sehr verschieden; es beruht diese 
Tatsache einmal auf einer wiederholt festgestellten ungleichen Zusammen¬ 
setzung des hefenucleinsauren Natriums (Pollak u. a. m.); andererseits 
darf nach Brugsch 1 ) die Tatsache nicht ausser Acht gelassen werden, 
dass die Leber besonders reichlich nach Purinfütterung Purinbasen retiniert. 
Absolut einwandfreie Schlüsse lassen sich also nur aus den zeitlichen 
Verhältnissen des Purinstoffwechsels ziehen. 

Anders beim stoffwechselgestörten Menschen. Neben der besonderen 
Verlaufsart der endogenen Harnsäurecurve vor, in und nach dem acuten 
Gichtanfall (anakritisches Depressionsstadium, Stadium der Harnsäureflut, 
postkritisches Depressionsstadium, Umber) gelten als besonders auffallend 
in der Pathochemie der Gicht zwei Beobachtungen. Einmal verläuft die 
endogene Harnsäurecurve ausserhalb des Anfalles abnorm tief; dann aber 
ist die Ausscheidung der exogenen Harnsäure oft auffallend verringert und 
über mehrere Tage verschleppt, und zwar so, dass die Curve in dieser 
Zeit langsamer ansteigend eventuell erst in der folgenden Periode den 
Gipfel erreicht und auch jetzt nur langsam abfällt, so dass die Werte 
der Vorperiode garnicht oder sehr spät wieder erreicht werden. Wie ich 
bereits bei Besprechung des normalen Stoffwechsels betonte, ist es nicht 
angängig, lediglich aus dem Umstande einer nur geringfügig erhöhten 
Harnsäureausscheidung am Tage der purinhaltigen Zulage bei normaler 
endogener Harnsäurecurve in Vor- und Nachperiode irgend einen Schluss 
auf das Vorhandensein einer Störung des Purinstoffwechsels zu ziehen. 
Für diese ist unbedingt neben dieser Retention eine Verschiebung der 
Harnsäurcausscheidung (eventuell mit erst später auftretendem Curven- 
gipfel) auf spätere Tage zu verlangen. 

Von diesen Gesichtspunkten ausgehend haben wir, vor allem unter 
Berücksichtigung der Tatsache, dass auch beim normalen Menschen am 
Tage nach der Verfütterung von 10 g hefenucleinsaurem Natrium nach 
anfänglicher spitzer Curve noch eine geringe Vermehrung der Gesarat- 

1) Brugsch in Kraus und Brugsch, Specielle Pathologie und Therapie 
innerer Krankheiten. 101 «4. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


411 


harnsäure über den endogenen Wert gelegentlich beobachtet werden kann, 
den Stoffwechselversuch auf Vorschlag von Herrn Professor Kuttner 
auf diese Weise vereinfacht, dass wir stets in Vor-, Versuchs- und Nach¬ 
periode den Urin zweier Tage gleichzeitig untersuchten und auch die 
10 g hefenucleinsaures Natrium in 4 Portionen ä 2,5 g über 2 Tage 
verteilt dem Kranken zuführten. Dementsprechend erhöhen sich die 
physiologischen Werte der endogenen Harnsäurecurve für unsere Auf¬ 
zeichnungen von 0,3—0,5 auf 0,6—1,0 pro Periode. Vor Einsetzen des 
wirklichen Versuches wurde durch Verfütterung einer praktisch purin- 
freien Diät über mehrere Tage (in schweren Fällen bis zu 8 Tagen) der 
Spiegel der Gesamtharnsäureausscheidung möglichst dem der endogenen 
Harnsäure nahegebracht. Die sämtlichen chemischen Untersuchungen 
wurden in der chemischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses 
nach der Folinschen Methode—und zwar jede Analyse doppelt—ausgeführt. 

Eine ganze Reihe von Vorsichtsmassregeln sind nun bei der An¬ 
stellung derartiger Stoffwechselversuche zu beobachten. Es versteht sich 
eigentlich von selbst, dass fortlaufend die Zusammensetzung und Menge 
der Nahrung genau controlliert wurde (möglichster Ersatz des tierischen 
Eiweisses durch pflanzliches; Vermeidung zu kohlehydrat- oder fettreicher 
Nahrungsstoffe); dass Medicamente, vor allem Jod, Theobromin, Theo¬ 
phyllin, Coffein, Urotropin, Alkalien, Salzsäure, Bariumsulfat, Wismut, 
Uzara, Arsen, Brechwurz, Colchicin, Atophan, Natrium salicylicum, Chloral, 
Radium, Thorium, Alkohol, Kaffee, Tee, Kakao während Anstellung der 
Versuche nicht zur Anwendung kamen. Aber noch weitere störende 
Momente sind zu berücksichtigen: Da das Verhalten der Purinkörper bei 
Muskelarbeit ein ganz anderes ist als bei Ruhe, so müssen — falls die 
Versuchsresultate Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit machen 
sollen — grössere körperliche Anstrengungen während der ganzen Dauer 
der Untersuchung vermieden werden. Auch eine Erhöhung der Körper¬ 
temperatur äussert sich durch eine Störung im normalen Verlauf der 
endogenen Harnsäurecurve; das gleiche gilt von der Menstruation, welchen 
Umstand ich an anderer Stelle noch gesondert besprechen werde. Es 
wurde aus diesen Gründen der Stoffwechselversuch stets in fieberfreien 
Zeiten, bei Frauen unter Vermeidung der Tage der Menstruation durch¬ 
geführt, wenn nicht specielle Fragestellungen eine Anstellung des Ver¬ 
suches gerade zu dieser Zeit erforderten. Erwähnen will ich noch, dass 
nach den Beobachtungen Blochs die Röntgenbestrahlung beim gesunden 
Menschen einen vermehrten Zerfall von nucleinhaltigem Gewebe bedingt. 

Dass durch eingehende Untersuchung des Urins (Tagesquantum, 
specifischcs Gewicht, Sediment usw.) eine Nierenerkrankung bei den dem 
Stoffwechselversuch zu unterwerfenden Patienten ausgeschlossen werden 
muss, versteht sich von selbst (Retentionsurikämie); auch andere Krank¬ 
heiten wie Leukämie, Phosphorvergiftung, Saturnismus, Alkoholismus, 
Typhus, Diabetes usw. sind nicht ohne Einfluss auf den Purinstoffwechsel 
und bedürfen strengster Berücksichtigung. 

Hat man alle diese Fehlerquellen ausgeschaltet, so wird in der Regel 
das nun gewonnene Resultat des Stoffwechselversuches ein brauchbares sein. 
Aber noch eine äussere Störung ist zu gewärtigen. Es ist darauf zu achten, 


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Alfred Lin dem an n, 


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dass dem Patienten, besonders bei länger dauernden Versuchen die purin- 
freie Diät zusagt, damit er nicht in einen Hungerzustand gerät, in dem 
nach Hirschstein, allerdings bei strengster Durchführung, die Harnsäure¬ 
ausscheidung um mehr als die Hälfte herabgesetzt ist (0,181 g tägliche 
Harnsäureausscheidung gegen 0,37 g bei purinfreier Diät). Zweitägige 
Schwankungen des Harnsäurespiegels im Bereich von 0,15—0,2 g würden 
bei mangelnder Appetenz des Kranken immerhin schon auf diese Weise 
erklärt werden können. Um aber eine derartige Beeinflussung des Purin¬ 
stoffwechsels auszuschliessen, habe ich stets das Körpergewicht controlliert 
und konnte ich mit Ausnahme einiger weniger minimaler und schnell 
vorübergehender Störungen stets eine Zunahme desselben feststellen. 

Betonen will ich an dieser Stelle noch, dass mir nur der Nachweis 
einer Störung des normalen Ablaufs des Purinstoffwechsels diagnostisch 
verwertbar erscheint; dass es also nicht erlaubt ist, mit Rücksicht auf 
im Purinstoffwechselversuch gewonnene normale Resultate das Vorliegen 
einer gichtischen Erkrankung a priori abzulehnen (vgl. S. 416). 

Ich berichte nun zunächst über die Ergebnisse meiner Beobachtung 
bei Fällen reiner Gicht, bei der der Ablauf des Purinstoffwechsels 
bisher am besten bekannt ist. Analog den Angaben der Voruntersucher konnte 
auch ich ausserhalb des Anfalles vor allem die zwei Cardinalstörungen 
feststellen: Tiefer Stand der endogenen Harnsäurecurve, Verschleppung 
und Retention der exogenen Harnsäure. Der Nachweis von Harnsäure 
im Blut bei längerer purinfreier Kost wurde in den erstbeobachteten 
Fällen mit positivem Resultate durchgeführt; später habe ich aber von 
einer solchen Untersuchung Abstand genommen, weil nach neueren Unter¬ 
suchungen (Brugsch und Schittenhelm) auch das Blut normaler, purin- 
frei ernährter Menschen constant nachweisbare isolierbare Mengen von 
Harnsäure enthält (die Berichte von Bass und Weintraud auf dem 
30. Deutschen Congress für innere Medicin bestätigen diese Feststellung) 
und andererseits Fälle von typischer Gicht bei purinfreier Diät zeitweise eben¬ 
solche Harnsäurewerte oder noch erheblich geringere im Serum als Gesunde 
aufweisen [Ehrmann und Wolff 1 2 )]- Mehrere Auffälligkeiten in den einzelnen 
Fällen veranlassen mich zur Mitteilung einiger besonders typischer Befunde: 

Beobachtung l. A. B., Nr.5274/1911. 52jähr. Frau. Klinische Diagnose: 
Arthritis urica. Als Kind Pocken, sonst nie ernstlich krank. Seit 2 Jahren zu- 


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1) Ehrmann und Wolff, Münchener med. Wochenschr. 1913. Nr. 38. S. 2115. 

2) In der obigen und in den folgenden Curven bedeutet jeder Punkt die Menge 
der Harnsäureausscheidung in zwei Tagen. Innerhalb der mit » gekennzeichneten 
Periode wurden 10 g hefenucleinsaures Natrium in 4 Portionen a 2,5 g verfüttert. 


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Zur Frage der Stoflwechsclerkrankunge». 


413 


nehmende Schwellung und Versteifung fast aller Gelenke des Körpers; Bewegungen 
äusserst schmerzhaft. Faustbildung und Gehen seit mehreren Monaten unmöglich. 
Status: Kleine, schlecht genährte Frau. Hochgradige typische Veränderungen 
gichtischen Charakters an Händen, Ellbogen und Füssen. Teigige Verdickungen der 
Sehnenscheiden, keineTopbi, keine ausgesprochenen Schleimbeutelveränderungen. Das 
Resultat des Purinstoffwechselversuohes ist aus vorstehender Curve ersichtlich. Von 
besonderem Interesse ist der niedrige Stand der Harnsäurecurve in der zweitägigen 
Periode der Verfütterung des hefenucleinsauren Natriums (m): 0,088 g gegen 0,13 g 
endogene Harnsäure. Im Blut Harnsäure -f. Nach Ablauf des Stoffweohselversuches 
wurde durch etwa 85tägige purinfreie Diät eine wesentliche Besserung erzielt, so dass 
beide Hände wieder zur Faust geballt, die Schultern zur Horizontalen gehoben werden 
können und freies Gehen wieder ermöglicht ist. 

Beobachtung 2. C. Sehr., Nr. 9436/1911. 53jähr. Mann. Feilenhauer. 
Klinische Diagnose: Bleivergiftung, Arthritis urica. Bisher angeblich nie 
Bleikolik oder Lähmungon gehabt. Seit Jahren Erscheinungen eines „chronischen 
Rheumatismus“ unter besonderer Beteiligung der Finger-, Hand-, Knie-, Fuss- und 
Grosszehgelenke. Status: Kräftiger Patient, mässiges Fettpolster. Zunge belegt, 
Zähne schlecht, Stomatitis, Bleisaum, Foetor ex ore. Herz und Lungen ohne Ab¬ 
sonderheiten; Blutdruck maximal 140 mm, 2 Wochen später 120 mm Hg. Urin frei von 
Eiweiss und Cylindem, tägliche Menge 1200—1500 ccm; spez. Gewicht 1012—1015. 



Die Conturen der Hand-, Knie- und Fussgelenke verwischt; mässige Deformierung; 
Musculatur atrophisch. Röntgenuntersuchung des linken Fusses: Starke Arteriosklerose 
der Untersohenkelgefässe, geringen Grades auch an einzelnen Stellen der Arterien des 
Fusses. Spitzenbildungen und leichte Ausfaserungen besonders an der grossen Zehe 
(Prof. Levy-Dorn). Der Purinstoffwechsel versuch (vgl. vorstehende Curve) ergibt 
einen abnorm tiefen Stand der endogenen Harnsäurecurve, eine verminderte Aus¬ 
scheidung in der zweitägigen Periode der Zulage von 10 g hefenucleinsaurem Natrium 
sowie eine Retention und Verschleppung der exogenen Harnsäure über weitere 12 Tage. 
45tägige purinfreie Ernährung sowie Radiumtrinkkur ergeben eine auffallende Besserung 
(die endogene Harnsäurecurve wurde durch Zufuhr der Radiumemanation nicht im ge¬ 
ringsten beeinflusst). 

Beobachtung 3 . G. M., Nr. 10031/1911. 45jähriger Mann. Klinische 
Diagnose: Arthritis urica, Rippenbruch. Seit 15 Jahren stets im Winter 
„rheumatische“ Beschwerden, derentwegen bereits öfter privatärztliche und Kranken¬ 
hausbehandlung. 5 Tage vor der jetzigen Aufnahme Rippenfractur durch Sturz. Seit 



einem Tage Schwellung und Rötung der rechten Hand. Status: Patient in mittlerem 
Ernährungszustände. An den inneren Organen kein krankhafter Befund. Das rechte 


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Alfred Lindemann, 


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Handgelenk ist massig geschwollen, gerötet; es bestehen leichte Deformitäten, auch 
an den Fingern. Röntgenologisch kein besonderer Befund. Das linke Handgelenk 
ist verdiokt; bei Bewegungen desselben, die erheblich eingeschränkt sind, Knirschen 
und Reiben. Auch in beiden Knie- und im rechten Schultergelenk deutliches Knirschen. 
Bruch der 10. und 11. rechten Rippe. Der Purinstoffwechsel ergibt vorstehendes 
Resultat. Die endogene Constante steht in zweitägiger Periode unter 0,1 g. Auf 
Zufuhr von 10 g hefenucleinsaurem Natrium erfolgt in der zweiten und den nächst¬ 
folgenden Perioden nur eine ganz geringe Mehrausscheidung von Harnsäure gegenüber 
dem endogenen Wert; und auch nach einer erneuten Zufuhr von 10 g hefenucleinsaurem 
Natrium tritt nicht nur nicht eine Mehrausscheidung, sondern sogar eine ganz gering¬ 
fügige Retention von Harnsäure auf. 

Die drei bisher beschriebenen Fälle typischer Gicht haben neben 
dem Tiefstand der endogenen Harnsäurecurve und der Verschleppung der 
Ausscheidung der exogenen Harnsäure vor allem ein Symptom gemeinsam; 
das ist ein deutliches Heruntergehen des Harnsäurespiegels weit unter 
den Wert der individuellen endogenen Harnsäureconstante innerhalb der 
beiden Tage der Verfütterung von 10 g hefenucleinsaurem Natrium, inner¬ 
halb einer Zeit, in der der gesunde Mensch die zugeführten Harnsäure¬ 
bildner vollkommen wieder ausscheidet, indem er eine einperiodige Er¬ 
höhung des Harnsäurespiegels zeigt. Ich brauche wohl kaum zu betonen, 
dass der Stoffwechselversuch nicht zur Zeit eines typischen Gichtanfalls 
durchgeführt ist; dass wir es also nicht mit dem sogenannten „ana- 
kritischen resp. postkritischen Depressionsstadiura“ Umbers im Gicht¬ 
anfall zu tun haben. Ich möchte viel eher annehmen, dass in diesen 
drei Fällen einer sehr schweren Störung des Purinstoffwechsels der Or¬ 
ganismus auf die plötzliche Zufuhr eines relativ starken Harnsäurebildners 
nach vorheriger längerer purinfreier Diät nicht nur nicht mit einer ver¬ 
schleppten Ausscheidung der exogenen Harnsäure, sondern sogar zunächst 
mit einer Depression der endogenen Harnsäurecurve weit unter die für 
den betreffenden Fall gefundene Constante antwortet; dass also der Or¬ 
ganismus auf den gesetzten hohen Reiz zunächst mit einer noch schwereren 
Retention sogar im endogenen Stoffwechsel reagiert. Dieses conträre 
Depressionsstadium — wie ich diese wider Erwarten eingetretene 
Herabsetzung der Harnsäureausscheidung nach zweitägiger Verabreichung 
eines Harnsäurebildners bezeichnen möchte — habe ich bisher in der 
Literatur nirgends erwähnt gefunden; ich möchte deshalb Nachuntersucher 



besonders darauf aufmerksam machen und um gelegentliche Controll- 
untersuchungen auch in derart schweren, klinisch schon vollkommen 
sicheren Fällen bitten. Nur in Fall 7 der Arbeit von Rösslin und Kato 1 ) 

1) Deutsches Archiv f. klin. Med. 1910. Bd. 99. 


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Zur Frage der Stoffwecbselerkrankungen. 


415 


tritt eine solche Depression in Erscheinung, auf die allerdings die ge¬ 
nannten Autoren selbst nicht aufmerksam machen. Die Untersuchung 
betraf eine 53 jährige Frau mit Gicht und leichter Schrumpfniere. Das 
Protokoll über die Harnsäureausscheidung gebe ich vorstehend in 
Curvenforra. Es ist dazu zu bemerken, dass in diesem Falle die 
Depression der Harnsäurecurve ebenso wie in meinen drei Beobachtungen 
sich über zwei volle Tage erstreckte (vgl. weiterhin Beobachtung Nr. 11). 

Zur Erklärung dieses Phänomens kann ich mich nur vermutungs¬ 
weise äussem. Es ist anzunehmen, dass bei reichlicher Harnsäureretention 
der Organismus sich vor der Harnsäureüberschwemraung vielleicht durch 
einen anormalen Harnsäureabbau zu schützen sucht, der etwa zu Glykokoll 
führt, welches im Urin ausgeschieden wird. Dadurch wird eine allzu 
reichliche Harnsäureaufspeicherung im Organismus vermieden; gleichzeitig 
erklärt die anormale Tendenz, dass der Ausscheidungswert der Harnsäure 
im Urin unter den endogenen Wert sinkt. Die Ueberflutung des Organismus 
mit Harnsäure wäre dann der Anlass zur reichlicheren Glykokollbildung, 
die sich, nach der einmaligen Einstellung des Organismus auf diesen 
anormalen Process, gleichzeitig auch auf einen Teil der endogenen Harn¬ 
säure erstrecken würde. Diese Auffassung stützt sich auf die Beob¬ 
achtungen von Hirschstein, der durch Verfütterung purinreichen Thymus 
eine hohe Glykokollausscheidung im Urin herbeiführte. Er konnte weiter 
feststellen, dass die Glykokollausscheidung innerhalb der Harnsäure¬ 
retentionsperioden gesteigert ist, dass sie während der Harnsäureflut im 
Anfall sogar vollkommen verschwinden kann. Wenn man hieraus mit Umber 
den Schluss zieht, dass einmal die Retention von Harnsäure in den Ge¬ 
weben des Gichtischen das intermediäre reichlichere Auftreten von 
Glykokoll begünstigt, so dass es zur Ausscheidung desselben im Harn 
kommt, dass andererseits in Zeiten der Harnsäureausschwemmung zur 
intermediären Entstehung von Glykokoll in den Geweben die Gelegenheit 
weniger günstig ist, so mag man vielleicht auch für die von mir nach 
Verfütterung von 10 g hefenucleinsaurem Natrium in Fällen schwerer 
Gicht beobachtete starke Verminderung der endogenen Harnsäureaus¬ 
scheidung weit unter die Individualconstante eine reichlichere secundäre 
Bildung und Ausschwemmung von Glykokoll verantwortlich machen 
dürfen. Das Auftreten von Glykokoll wäre dann als Zeichen einer 
relativen Insuflicienz des Harnsäurestoflfwechsels anzusehen. Ich behalte 
mir vor, Fälle von Gicht, die das beschriebene conträre Depressions¬ 
stadium zeigen, nach dieser Richtung hin weiter zu untersuchen. In¬ 
zwischen will ich auf diese interessanten Fragen nicht weiter eingehen, 
auch der Zusammenhang des Purinstoffwechsels mit dem Phosphorstoff¬ 
wechsel (Vogt) oder dem Stickstoffwechsel (Burian u. Schur) sowie 
die Streitfrage, ob die Harnsäure ein Endprodukt im Stoffwechsel des 
Menschen sei (Wichowsky) oder eventuell durch Uricolyse weiter ab¬ 
gebaut wird (Brugsch u. Schittenhelm, Burian), können hier nicht 
in extenso besprochen werden. Dass die Harnsäurewerte auf die eine 
oder andere Weise beeinflusst sind, ist sicher; ebenso sicher ist aber 
auch, dass die in der von uns angewandten Versuchsanordnung nachweis¬ 
baren Störungen des Purinstoffwechsels für die Diagnose der Gicht 


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416 


Alfred Lindemann, 


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praktisch verwertbar sind. Ein negativer Ausfall namentlich einmaliger 
Untersuchungen des Harnsäurestoffwechsels schliesst natürlich das Be¬ 
stehen eines Gichtleidens nicht aus. Die Bedeutung einer derartig ver¬ 
änderten Harnsäureausscheidung für die Pathogenese der Gicht soll dabei 
gar nicht berührt werden. 

Abgesehen von diesem conträrcn Depressionsstadium treten die 

übrigen anerkannten Symptome der Gicht: Tiefstand der endogenen 

Harnsäurecurve, Retention und Verschleppung im exogenen Stoffwechsel 
in den beschriebenen wie auch in den folgenden Fällen deutlich zu Tage. 

Beobachtung 4. Fr. Sp., Nr. 5474/1911. 56jährige Frau. Klinische 

Diagnose: Arthritis urica -f- Erythema nodosum. Vor vier Jahren Durch¬ 
fälle mit starkem Gewichtsverlust; gleichzeitig traten an verschiedenen Stellen 
des Körpers hin und wieder blaurote Flecken auf. ln letzter Zeit angeblich 
Nierenreizung mit Eiweissausscheidung. Seit längerer Zeit bestehen wechselnd 
Schwellungen sowie Schmerzen bei Bewegungen in Arm-, Knie- und Fussgelenken. 
Status: Mittelgrosse, relativ kräftige Frau. Herz und Lunge ohne Absonderheiten. 
Splanchnoptose. Urin frei von Eiweiss; keine Cylinder; specifisches Gewicht zwischen 
1012 und 1016; normale Tagesmengen; alimentäre Glykosurie e saccharo (130 g). 

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Curve 5. 

Das rechte Ellbogengelenk, beide Fuss- und Kniegelenke zeigen zeitweilig geringe 
Verwaschungen der Contouren; keine Deformierung. Schleimbeutel an Ellbogen, 
Patella und Achillessehnen verdickt und auf Druck schmerzhaft. Keine typischen 
Gichtanfälle; keine Tophi. Der Stoffwechselversuch (vgl. Curve) ergibt eine starke 
Erniedrigung in der endogenen, eine deutliche Retention und Verschleppung in der 
exogenen Harnsäurecurve. (Verschiebung des Curvengipfels in die erste Nachperiode.) 
Zwei Tage nach Ablauf des Stoffwechsels zeigen sich schmerzhafte, 
knötchenförmige, blaurote Infiltrate in der Haut beider Unterschenkel 
und Vorderarme; gleichzeitig beginnt eine starke Entzündung der 
rechten Bursa aehillea. Bei Eröffnung derselben entleert sich Blut, Eiter nnd 
eine krümelige Masse, in der allerdings Harnsäure nicht nachweisbar ist. Nach 
längerer Zufuhr purinfreier Diät wird Patientin gebessert entlassen. 

Beobachtung 5. Fr. Gl’., Nr. 5407/1911. 45jährige Frau. Klinische 
Diagnose: Chronische Gelenkerkrankung (Gicht?). Vater an Zuckerkrankheit 
gestorben. Jetzige Erkrankung begann vor 2 Jahren mit Schmerzen in Armen und 
Schultern; langsamer Uebergang derselben auf die unteren Extremitäten (vor allem 




Curve 6. 


Knie). Typische Gichtanfälle nicht beobachtet. Status: Kräftige, gut genährte Frau. 
Innere Organe der Brusthöhle gesund. Beide Knie zeigen verschwommene Contouren, 
Bewegungsbeschränkung, Druckschmerzhaftigkeit, desgl. Fuss- und Schultergelenke. 


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Zur Frage der Stoffwochseierkrankungen. 


417 


Tophi, Schleirabeutelschwellungen oder Sehnenscheidenverdickungen nicht vorhanden. 
Wassermann negativ. Köntgenbild: Condylen des Femur und der Tibia zugespitzt 
und zum Teil etwas umgebogen; Gelcnkspalt getrübt (Professor Levy-Dofn). Der 
Purinstoffwechselversuch ergibt vorstehendes Resultat: es zeigt die Curve einen 
deutlichen Tiefstand der endogenen Harnsäurecurve (0,41—0,5 g in 2 Tagen) sowie 
eine verminderte Ausscheidung der exogenen Harnsäure. Der Fall ist klinisch nicht 
völlig eindeutig, wie auch schon die Trübung des Gelenkspalts im Röntgenbild be¬ 
weist; dementsprechend zeigt der Stoffwechselversuch, neben der allerdings deutlichen 
Erniedrigung der endogenen Harnsäurecurve, kaum eine Verschleppung der super- 
ponierten exogenen Purinkörper. Uebereinstimmend damit ergab eine längere purin- 
freie diätetische Behandlung, sowie auch eine später einsetzende Radiumkur keine 
wesentliche Besserung. 

Diese Mitteilung ausgewählter Fälle möge genügen, um über die 
Störung des Purinstoffwechsels bei reiner Gicht ein Uebersichtsbild zu 
geben. Natürlich ist in diesen sogenannten typischen Fällen die klinische 
Diagnose auch ohne Stoffwechselversuch mit Hilfe der Anamnese, des 
Allgemeinbefundes, des Röntgenbildes usw. meist schon durchzuführen. 
Anders aber beim Vorliegen einer irregulären Gicht (Kraus), die nach 
längerem Bestehen zu Gelenkveränderungen führt, welche ähnlich wie bei 
der Arthritis deformans sich in Deformierungen der Knochen, Ver¬ 
dickungen der Gelenkkapseln, spindeliger Auftreibung der Gelenke, 
Ankylose, Exostosenbildung usw. dokumentieren. Besonders erschwert 
wird die Erkenntnis dieser Krankheitsbilder, weil sie sehr oft torpide, 
d. h. ohne charakteristische Anfälle langsam progredient verlaufen. Ist 
nun aber klinisch überhaupt die Grenze zwischen atypischer Gicht und 
Arthritis deformans zu ziehen? Erschwert schon der Umstand sehr die 
Diagnose, dass der akute Gichtanfall durchaus nicht immer das Gross¬ 
zehgelenk, sondern oft andere Gelenke, wie Fusswurzel-, Sprung-, Knie-, 
Ellbogen- oder Handgelenke, primär befallen kann (Umber), so um so 
mehr noch die Tatsache, dass eine ganze Anzahl von Kranken derart 
seltsame und schwer zu deutende Gelenkveränderungen darbieten, dass 
überhaupt garnicht der Gedanke an Gicht, sondern eher der Verdacht 
einer Tuberkulose, einer Lues usw. hochkommt. Zur Klärung solcher 
Fälle dürfte eine im Stoffwechselversuch nachgewiesene Störung des Harn¬ 
säurestoffwechsels das berufene diagnostische Hilfsmittel sein. Als Bei¬ 
spiel führe ich die Ergebnisse einiger Stoffwechseluntersuchungen in 
solchen atypischen Fällen von Gicht an. 

Beobachtung 6 . 0. And., Nr. 3580/1911. 32jähr. Mädchen. Klinische 
Diagnose: lokalisierte Erkrankung beider Fuss- und Sprunggelenke 
(Verdacht auf Tbc.?). Der Fall wird später bei Gelegenheit der Erörterung des Zu¬ 
sammenhanges des Purinstoffwechsels mit Störungen der inneren Sekretion von einem 
anderen Gesichtspunkte besprochen. Hier sollen nur die Resultate des Stoffwechsel¬ 
versuches dargelegt werden. Bis zur jetzigen Aufnahme ist Patientin angeblich nie 
ernstlich krank gewesen. Familienanamnese ohne Belang. Ueber Störungen der 
Menstruationstätigkeit siehe folg. Seite. Seit 6 Wochen klagt die Kranke über starke 
Schmerzen und Schwellung in beiden Fussgelenken sowie über leichtes Ziehen in den 
Knien. Status (vom 8. 8. 12): Schwächliches Mädchen in geringem Ernährungs¬ 
zustände. Excessive Myopie (— 12 Dioptr.) mit Ringstaphylomen. Beide Fuss- und 
Sprunggelenke sind stark geschwollen, gerötet, bei Bewegung und auf Druck schmerz- 


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418 


Alfred Lindemann, 


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empfindlich; Gehen und Stehen völlig unmöglich. Herz frei. Körpertemperatur 
bis 37,5°. Eine öwöchige antirheumatische Behandlung bleibt ohne Erfolg; die 
teigige Schwellung nimmt eher noch zu. Kein Erguss. Eine Röntgenuntersuchung, 
die wegen Verdachts auf beiderseitige Knochenerkrankung vorgenommen wurde, er¬ 
gibt keinerlei pathologischen Befund. Eine weitere 3wöchige Schien- und Bade¬ 
behandlung (elektrische Compressen, Heissluft, Fango-, Sandbäder) ist ohne Einfluss; 
(|ie Schwellung bleibt in gleioher Weise bestehen, die Bewegungsbeschränkung nimmt 
besonders rechts zu. Ein neues Röntgenbild (3. 10. 12) zeigt, dass der Processus 
posterior tali links arrodiert ist; die Contour ist etwas ausgefasert, an einer Stelle etwas 
excaviert. Im rechten Os naviculare und in den Keilbeinen sieht man einzelne durch¬ 
gängige Flecken. Man muss an Tuberculose denken! (Prof. Levy-Dorn). Vom 
9. 10. bis 28. 12. 12 Diathermie und Hochfrequenztherapie mit nur ganz geringem Er¬ 
folg im linken Fussgelenk; hier lässt die Schwellung etwas nach, die Bewegung wird 
freier. Ein jetzt nach Erschöpfung der ganzen Therapie ausgeführter Purinstoffwechsel- 
versuch ergibt das höchst auffallende Resultat (vgl. Curve), dass die endogene Harn- 



Curve 7. 


säurecurve in eminent starker Weise erniedrigt ist. Bei 16, toilweise noch später 
vorgenommenen Untersuchungen im 2X24stündigem Urin stand der endogene Harn¬ 
säurespiegel zwischen 0,097 und 0,2 g. Die Curve der exogenen Harnsäure zeigt 
dementsprechend nach Verfütterung von 10 g hefenucleinsaurem Natrium eine deutliche 
Retention und Verschleppung über 6 Tage. Alles in allem also die typischen Symptome 
schwerster Harnsäureretention im endogenen und exogenen Stoffwechsel bei völlig 
atypischer Krankheitsform. In diesem Falle wies der Stoffwechselversuch den richtigen 
Weg zur Therapie. Eine über 76 Tage sioh erstreckende Zufuhr purinarmer Nahrung 
brachte bei gleichzeitiger Darreichung von Atophan (mit 5tägigen Intervallen) die 
Schwellung und Bewegungsbeschränkung völlig zum Schwinden. Gehen und Stehen 
war nach Verordnung einer Einlage — geringfügige Spitzfussstellung rechts als Folge 
der langen Bettruhe bei versteiftem Gelenk — fast ohne Störung wie früher möglich. 
Am 27. 3. 13, also b l / 2 Monate nach der 2. Röntgenaufnahme, ergab eine erneute 
Röntgenuntersuchung des Fusses keinerlei ausgeprägten Befunde mehr. Was die Ent¬ 
stehung der Erkrankung und ihren wahrscheinlichen Zusammenhang mit einer Störung 
der inneren Secretion angeht, so möchte ich daraufhinweisen, dass ein Zusammenhang 
der vorliegenden Gelenkerkrankung mit einer Störung der Function der Ovarien sehr 
wahrscheinlich ist. Denn die Patientin verlor, ohne dass eine Schwangerschaft vorlag, 
einen Monat vor Beginn der Erkrankung die Menstruation, die dann nach Ablauf der 
diätetischen Therapie, etwa 6 Monate später, spontan wieder eintrat und fortan normal 
und regelrecht verlief 1 ). 

1) Vorgreifend will ich bereits an dieser Stelle einen kurzen Bericht über meine 
weiteren Untersuchungen in diesem Sinne geben. Ich beobachtete die endogene Harn¬ 
säureausscheidung mehrerer Patientinnen vor, zur Zeit und nach der Menstruation und 
konnte in den drei bisher untersuchten Fällen (Fall 1 identisch mit Beobachtung 6 
dieser Arbeit, Fall 2 identisch mit Beobachtung 10, Fall 3: multiple Sklerose mit 
normalem Stoffwechsel) den untenstehenden auffallenden Befund erheben. Ohne 
Uebertreibung kann man hier — ebenso wie beim typischen Gichtanfall — gewisser- 
massen von einem prämenstruellen Depressionsstadium, von einer intramenstruellen 


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Zur Frage der Stoff Wechselerkrankungen. 


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Eine solch auffallende Klärung wird man nun nicht in jedem Falle 
erwarten dürfen. Eine Reihe von weiteren Beobachtungen steht mir zur 
Verfügung, die zeigen, dass auch isolierte Störungen des Abbaus der 

Harnsäureflut, von einem postmenstruellen Depressionsstadium sprechen. Auf eine 
Erklärung dieser höchst auffallenden Versuchsresultate kann ich mich zurzeit noch 
nicht einlassen; ich vermag nicht einmal zu sagen, ob eine solche Beeinflussung der 
endogenen Harnsäurecurve durch die Ovarialtätigkeit einen physiologischen Vorgang 
darstellt. Betonen will ich nur, dass die durch die Menstruation bedingte Blut¬ 
beimengung zum Urin keinesfalls zu einer solch auffallenden Steigung der endo¬ 
genen Harnsäurecurve führen kann, denn einerseits fällt das erste Depressions¬ 
stadium in 2 der Fälle gerade in diese Zeit der Biutausscheidung und andererseits 


Fall 1. 

Harnsäure-lndividualconstante 0,1—0,2 g pro 2 Tage. 



Curve 8. 


Fall 2. Ilarnsiiure-lndividualconstante Fall 3. Harnsäure-lndividualconstante 
0,5—0,G5 g pro 2 Tage. 0,58—0,G2 g pro 2 Tage. 



Curve 9. Curve 10. 

enthält das menschliche Blut keinesfalls so reichlich Harnsäure, dass auf diese Weise 
die jeweilig beobachtete Harnsäureflut etwa erklärt werden könnte. 


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Alfred Lindemann, 

exogenen Harnsäure mit ähnlichen, wenn auch weniger schweren Krank¬ 
heiten vergesellschaftet sein können. Die physiologische Deutung dieser 
Untersuchungsresultate wird keine so leichte sein; jedenfalls bin ich aber 
von der Richtigkeit meiner Beobachtungen überzeugt, einmal, weil ich in 
4 Fällen gleichartige Befunde erheben konnte, dann aber auch mit Rück¬ 
sicht auf den durch die diätetische Behandlung erreichten Erfolg. 

Nachstehend berichte ich über diese Fälle: 

Beobachtung 7 . Fr.Eisf., Nr. 19/1912. 36jähr.Frau. Klinische Diagnose: 
Chronische Gelenkerkrankung (subacuter Gelenkrheumatismus?). Zwei¬ 
mal in der Jugend an Gelenkrheumatismus erkrankt. Jetzt seit ca. 40 Tagen zu¬ 
nehmende Schmerzen, Verdickungen und Versteifungen in den Fussgelenken, später 
in Knie-, Schulter- und Ellbogengelenken. Status: Schwächliche, aber nicht kachek- 
tische Frau. Atypische Schwellung der Fuss-, Knie- und Handgelenke. Keine Rötung, 
keine Knochendeformierung; nur ganz geringe Steigerung der Körpertemperatur. Alte 
Mitralinsufficienz. Antirheumatische Therapie (14 Tage) ohne Erfolg. Der PurinstofY- 
wechselversuoh (cf. Curve) ergibt eine normale Höhe der endogenen Harnsäurecurve, 


f. 10 

§ 0.9 
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^ 0.6 
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Curve 11. 


dagegen eine deutliche Retention und Verschleppung der exogenen Harnsäure (über 
6 Tage). Besonders auffallend war eine wesentliche Zunahme der Beschwerden in fast 
allen befallenen Gelenken innerhalb der zweiten Periode (der Verfütterung von 10 g 
hefenucleinsaurem Natrium), die ca. 5 Tage, d. i. fast während der ganzen Zeit der 
Verschleppung anhielt. Wesentliche Besserung nach purinfreier Diät. 

Beobachtung 8. E.L., Nr.7673/1913. 46jähr. Frau. Klinische Diagnose: 
Arthritis urica. Als Kind Masern. Im 28. Lebensjahr zum ersten Mal Schmerzen 
in den Füssen, besonders im rechten Grosszehgelenk. Diese Anfälle wiederholten sich 
öfters, bis im 44. Lebensjahr Schmerzen in Fingern, Hand-, Ellbogen- und Kniegelenke 
hinzutreten. Periode regelmässig. Status: Mittelgrosse, kräftige Frau. Innere Organe 
ohne nachweisbare krankhafte Veränderungen. Wassermann negativ. Sämtliche 
Fingergelenke, beide Hand-, Knie- und vor allem das linke Ellbogengelenk sind de¬ 
formiert, stark versteift, auf Druck und bei Bewegung schmerzhaft. Andeutung von 
Heberdenschen Knoten; keine Tophi; Schwellung und Verdickung der Sehnen¬ 
scheiden und Sohleimbeutel. Im Röntgenbild starke Atrophie der Handknochen; viel¬ 
fach Laounen in den Carpalknochen; Gelenkteil von Radius und Ulna erweicht; Auf¬ 
lagerungen am Processus styloideusulnae; Knie wolkig getrübt(Professor Levy-Dorn). 
Der PurinstolTwechselversuch (cf. nachstehende Curve) ergibt einen normalen Stand 



der endogenen Harnsäurecurve, dagegen eine wesentliche Retention und Verschleppung 
der Ausscheidung der exogenen Harnsäure. Der Gipfel der Curve entspricht der der 
Purinzulage folgenden Periode. Purin freie Diät und Diathermie ergeben eine gute 
Besserung. 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


421 


Beobachtung 9 . 0. Str., Nr. 1752/1913. 44jähr. Mann. Klinische Dia¬ 
gnose: Subacute Gelenkerkrankung (Arthritis urica?). Bis zur jetzigen 
Beobachtung ca. 10mal in klinischer Behandlung wegen Rheumatismus. Jetzige Be¬ 
schwerden Anschwellung des rechten Fusses und des rechten Daumens. Status: 
Mittelgrosser Mann in leidlich gutem Ernährungszustände. Innere Organe frei von 
schwereren Veränderungen. Die grosse Zehe des rechten Fusses leicht gerötet und 
geschwollen; jede Bewegung angeblich schmerzhaft. Im Röntgenbild Kopf des Meta¬ 
tarsus I an der Aussenseite etwas abgeflacht und rauh; kein bestimmtes Zeichen für 
Arthritis urica (Professor Levy-Dorn). Ueber den Puriustoffwechselversuch belehrt 
die nachstehende Curve. Die Ausscheidung der endogenen Harnsäure bewegt sich 


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in normalen Grenzen, die der exogenen Harnsäure ist vermindert und über 6 Tage 
verschleppt. 

Beobachtung 10. M.H., Nr.3958/1911. 31jähi.Frau. Klinische Diagnose: 
Localisierte Erkrankung beider Kniegelenke mit Erguss und wesent¬ 
licher Kapselverdickung. Bisher nie ernstlich krank; seit 1 / 2 Jahr zunehmende 
Schmerzen in beiden Knien beim Gehen und Stehen, Anschwellung der Gelenke; 
bald ausgesprochene Bewegungsbeschränkung. Familienanamnese ausser Belang. 
Status (am 11.9.11): Mittelkräftiges Mädchen in mässigem Ernährungszustände. 
Herz frei. In rechter Lunge alter ausgeheilter Spitzenherd (ohne Aenderung während 
20monatiger Behandlung). Von sämtlichen Körpergelenken sind ausgesprochen nur 
die beiden Knie befallen (ältere geringfügige Versteifung der linken Hand). Die Con- 
touren der Knie sind vollkommen verstrichen, leichte Ergüsse sind nachweisbar, die 
Kapsel zeigt eine sehr deutliche teigige Verdickung, besonders im Bereich der oberen 
Recessus; hier deutliches Knirschen. Die Bewegung ist activ stark, passiv weniger 
behindert. Die Körpertemperatur erreicht gelegentlich die Höhe von 37,2—37,3°. 
Wassermann sehe Reaction im Blut negativ (2mal). Der Kalkstoffwechsel zeigt nor¬ 
male Verhältnisse. Die Röntgenuntersuchung ergibt am 9.11.11: Rechtes Knie: 
Patella etwas abgehoben. Im Gelenk leichte w T olkige Trübung; Knochen Veränderungen 
nicht erkennbar; am 1. 7. 12 in beiden Gelenken diffuse Trübung; über dem Condylus 
externus femoris rechts vorn ein etwa erbsengrosser Schatten (Professor Levy-Dorn). 
Im Verlauf von Monaten erzielen antirheumatische Behandlung, Radiumkataphorese- 
bäder, Radiumtrinkcur, Fibrolysin *), Bi ersehe Stauung, Massage, Fangopackungen, 
Heissluft- und Dampfbehandlung, Schwammdruckverbände teils gar keine, teils nur 
vorübergehende geringfügige Besserung. Nach 15monatiger Behandlung war ein 
durchgreifender Erfolg noch nicht erzielt, aber auch noch keinerlei ätiologisches 
Moment gewonnen. Ein jetzt ausgeführter Purinstoffwechsel versuch ergab eine nor¬ 
male Höhe der endogenen llarnsäurecurve, dagegen eine ausgesprochen deutliche 
Retention der exogenen Harnsäure, sowie eine verschleppte Ausscheidung derselben 

1) Bemerkenswert war die Wirkung des Fibrolysins in diesem Falle. Nachdem 
die ersten vier Spritzen ohne jede Störung gut vertragen wurden, erhob sich jedesmal 
innerhalb 3 —6 Stunden nach den nächsten Injectionen, auch bei Reduction der Dosis 
auf 7 10 , die Körpertemperatur in spitzer Zacke bis auf 40° und höher (bei 78 weiteren 
Injectionen). Eine Schädigung wurde niemals beobachtet; eher schien die Bewegungs¬ 
fähigkeit der Knie sich etwas zu bessern und der Schmerz nachzulassen. 


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Alfred Lindemann, 


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über 4 Tage. Eine 64 Tage durcbgeführte strenge purinfreie Ernährung, sowie lange 
fortgesetzte Behandlung mit Diathermie zeitigte einen Erfolg, der unter Berücksichti¬ 



gung der langen Dauer der Erkrankung und der fast völligen Erfolglosigkeit jeder 
anderen Therapie innerhalb eines Zeitraumes von 15 Monaten als ein relativ guter zu 
bezeichnen ist. Patientin vermag bereits wieder auf beiden Beinen zu stehen und mit 
Unterstützung — allerdings bei gebeugten Knien — einige Schritte zu gehen. Eine 
erneute Röntgenuntersuchung am 19. 5. 13 ergab: Links einzelne Auflagerungen auf 
Patella und Gelenkfläche des Femur; rechts Patella oben arrodiert; Gelenk erscheint 
wolkig getrübt. 

Von besonderem Interesse war in diesem Falle noch das wieder¬ 
holte Auftreten von Thrombosen der beiderseitigen Venae saphenae im 
Verlauf der Erkrankung. Nach Brugsch 1 ) entstehen dieselben auf dem 
Boden einer Phlebitis, die ihrerseits wieder von einer auf uratischer Ent¬ 
zündung beruhenden Periphlebitis ihren Ausgang nimmt. 

Wie soll man nun derartige Fälle beurteilen? Sind sie noch der 
echten Gicht zuzuzählen, oder ist eine solche auszuschliessen, etwa weil 
die Ausscheidung der endogenen Harnsäure völlig normal ist? Sicher¬ 
lich besteht der Satz Lüthjes, „die endogene Harnsäurecurve liegt beim 
Gichtiker ausserhalb des Gichtanfalls abnorm tief“, in diesem positiven 
Sinne durchaus zu Recht; doch erinnere ich hier an die bereits mitge¬ 
teilte Erfahrungstatsache, dass zwar der Nachweis einer verminderten 
bzw. verlangsamten Ausscheidung der endo- und exogenen Harnsäure für 
das Vorliegen einer gichtischen Erkrankung absolut beweisend ist, dass 
aber ein^ normaler Ablauf des Purinstoffwechsels keinesfalls gegen die 
Diagnose Gicht verwertet werden darf. Was nun den von mir wieder¬ 
holt erhobenen Befund einer normalen endogenen Harnsäureausscheidung 
bei gleichzeitigem Nachweis einer verminderten und verschleppten 
Ausscheidung der exogenen Harnsäure in Fällen von chronischen Gelenk¬ 
leiden angeht, so möchte ich gerade mit Rücksicht auf diese letztgenannte 
Erfahrung glauben, dass wir hier sichere Zeichen einer Purinstoffwechsel¬ 
störung vor Augen haben. Ich neige der Auffassung zu, dass wir es in 
derartigen Krankheitsfällen mit einer verminderten Toleranz des Organis¬ 
mus gegen Harnsäurebildner zu tun haben, derart, dass der Stoffwechsel 
dem endogenen Harnsäureabbau noch gewachsen ist, dass er aber die 
exogene Harnsäure, sobald die Zufuhr deren Producenten die wesent¬ 
lich erniedrigte Toleranzgrenze überschreitet, retiniert und verschleppt 
ausscheidet. Zur Stütze dieser Auffassung möchte ich an die Beob¬ 
achtungen von Noordens erinnern, der feststellte, dass die Intensität 
der Abweichung der Hexogenen arnsäurecurve bei den verschiedenen 

1) Brugsch in Kraus und Brugsch, Specielle Pathologie und Therapie 
innerer Krankheiten. 1913. 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


423 


Kranken entsprechend der Schwere der Stoffwechselstörung und der augen¬ 
blicklichen Belastung des Organismus mit Harnsäurebildnern eine sehr 
verschiedene ist; er fand, dass z. B. ein bestimmter Gichtiker bei einer 
Zulage von 200 g Fleisch die exogen entstandene Harnsäure noch prompt 
ausschied wie ein Gesunder, dass dagegen derselbe Kranke bei einer 
Verfütterung von 300—400 g Fleisch eine verschleppte und erniedrigte 
Curve zeigte. 

Wir müssen also annehmen, dass es schon gewisse quantitative Ab¬ 
stufungen in der Toleranz gegen zugeführte Harnsäurebildner gibt; und 
es will mir scheinen, als ob diese geringfügigen Störungen schon als die 
ersten Vorstufen einer gichtischen Erkrankung aufgefasst werden dürften. 

Eine Anzahl dieser Fälle stellen unter dem Bilde einer polyarti- 
culären jugendlichen Erkrankung die eventuellen Vorläufer einer späteren 
typischen Gicht dar [Friedrich Müller 1 )]- Nach Strangcways (citiert 
nach Müller) werden Purinstoffwechselstörungen in milderer Form 
häufig gerade bei jenen chronisch verlaufenden Fällen sogenannter rheu¬ 
matoider Arthritis der Frau beobachtet, deren Differentialdiagnose von 
den anderen nicht uratischen chronischen Gelenkerkrankungen so grosse 
Schwierigkeiten darbietet; die geringfügige Störung des Harnsäurestoff¬ 
wechsels führt unter diesen Umständen nur zu schwächeren chronischen 
Reizzuständen der Gelenke, wobei die Entzündungserscheinungen milder 
sind und die proliferierenden Processe mehr in den Vordergrund treten. 

Ein weiterer Fall verdient auf Grund des höchst seltsamen Ablaufs 
des Purinstoffwechsels aus der Reihe der übrigen Beobachtungen hervor¬ 
gehoben zu werden: 

Beobachtung ll. Ci. R., Nr. 1295/1912. 36jähr. Mädchen. Klinische Dia¬ 
gnose: Arthritis urica, Purpura haemorrhagica, Quinckesches Oedem (?). 
Seit etwa einem Jahr, angeblich nach einer Paratyphusinfection, Schwere in den 
bliedern mit Kopfdruok und Schmerzen im rechten Knie. Vor 3 / 4 Jahr Gallenblasen¬ 
erkrankung (Stein?). Vor 6 Monaten der linke kleine Finger von der Kuppe bis zum 
Mittelglied blaurot und schmerzhaft, später die gleichen Veränderungen in der rechten 
grossen Zehe. Seit J / 4 Jahr am rechten Bein zahllose, kleine, punktförmige Haut¬ 
blutungen, die zur Zeit der Aufnahme auch beide Unterarme völlig bedecken. In 
letzter Zeit wiederholt am Halse uud in den Supraclaviculargruben ödematöse, in 
wenigen Stunden regelmässig zurückgehende Anschwellungen der Haut, die eventuell 


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als Quinckesches Oedem anzusprechen sind. Menstruation regelmässig. 5 Ge¬ 
schwister der Kranken sind an Diabetes gestorben. Status: Kräftige Patientin in 


1) Friedrich Müller, Differentiation of the diseases included under chronic 
Arthritis. XVII. Intern. Congr. of Med. London 1913. 

Zeitschrift f. erp. Pathologie u. Therapie. 15. Bil. 90 


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Alfred Lindemann, 


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gutem Ernährungszustände. An inneren Organen keine krankhaften Veränderungen 
nachweisbar. Leber, Gallenblase zurzeit ohne Absonderheit. Am rechten öein, sowie 
an beiden Unterarmen zahlreiche punktförmige, rote Blutileckchen. Im rechten Knie 
ist ein geringer Erguss sowie Knirschen bei activer und passiver Bewegung nachweis¬ 
bar. Handgelenke und Grosszehe zurzeit ohne nachweisbare Veränderungen. Der 
PurinstofTwechselversuch ergibt das in vorstehender Curve skizzierte recht auf¬ 
fallende Resultat. Irrtümer in der Anstellung des Versuches sind ausgeschlossen, da 
die Patientin, eine recht verständige Schwester unseres Krankenhauses, es mit der 
Behandlung ihres Leidens und mit der Diät äusserst ernst nahm und dazu unter 
dauernder Controlle stand. 

Ich bin geneigt, diesen Fall als eine Combination von harnsaurer 
Diathese und Gicht aufzufassen, so paradox eine solche Zusammen¬ 
stellung auch klingen mag. Für eine Diathese spricht der dauernd 
abnorm hohe Wert der endogenen Harnsäurecurve (0,95—1 g pro Periode); 
dass aber dabei die Toleranz des Organismus gegen Harnsäurebildner im 
Sinne einer Gicht gesunken ist, zeigt die Fortführung des Versuches, 
indem auf Zufuhr von 10 g hefenucleinsaurem Natrium nicht nur nicht 
eine vermehrte Ausscheidung, sondern sogar eine äusserst starke Re¬ 
tention von Harnsäure in Erscheinung tritt 1 ). Wie in den drei erst¬ 
beschriebenen, vollkommen ähnlichen Beobachtungen (cf. S. 412—414) 
glaube ich auch hier diesen auffallenden Befund so erklären zu können, 
dass die plötzliche Zufuhr eines relativ grossen Harnsäurebildners infolge der 
Ueberschreitung der erniedrigten Toleranzgrenze zunächst wieder shock- 
weise die Ausscheidung der diesmal anormal reichlich ausgeschiedenen 
endogenen Harnsäure (Diathese) verhindert und dass sich dieser Vorgang, 
als nach 6 Tagen noch nichts von der wohl teilweise noch überschüssigen 
exogenen Harnsäure ausgeschieden war, noch einmal wiederholt hat. 

Dass wir mit der Auffassung dieses Falles als Purinstoffwechsel¬ 
störung auf dem richtigen Wege waren, zeigte der Umstand, dass eine 
mehr als 6 Monate fortgesetzte purinarme Ernährung die gesamten Be¬ 
schwerden völlig zum Schwinden brachte. Vor allem sind die Haut¬ 
blutungen und das localisierte Oedem seit Verfütterung der purinarmen 
Diät nicht mehr zum Ausbruch gekommen. 

Gesetzt den Fall, dass meine Auffassung derartiger Versuchsergebnisse 
sich als richtig erweisen wird, so hiesse es doch der Beurteilung Gewalt 
antun, wenn man ohne weiteres die gefundene Stoffwechselstörung als 
ätiologisches Moment für die gesamten Krankheitssymptome hinstellen 
wollte. Weit eher scheint mir die Anschauung berechtigt, die ich bereits 
kurz angedeutet habe und an anderer Stelle noch weiter vertreten werde, 
dass der verminderte Abbau der Harnsäurebildner neben den übrigen 
beschriebenen Störungen in irgend einer Weise lediglich ein Symptom in 
dem grossen Krankheitsbilde der gestörten inneren Secretion darstellt. 
Dieser Auffassung gibt schon His Ausdruck, wenn er sagt, dass bei der 
echten Gicht ausser der Harnsäure noch andere Noxen wirksam sind, 


1) Ich möchte betonen, dass derartige Beobachtungen durchaus nicht zU den 
Seltenheiten gehören; dass wir ihnen vielmehr, bei einem allerdings grossen Material, 
wiederholt begegneten. 


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Zur Präge der Stoffwechselerkrankungen. 


425 


und dass die Purinstoffwechselschädigung nur einen Teil des gichtischen 
Symptomencoraplexes ausmacht. 

So viel über meine Beobachtungen bei der Gicht. Es gibt nun eine 
ganze Reihe von Krankheiten und Krankheitssymptomen, die von alters- 
her — sei es vom hereditären Gesichtspunkt oder als Begleitsymptom 
der Gicht — mit dieser in irgend einen Zusammenhang gebracht 
worden sind. So kehren in der Anamnese zahlreicher Gichtiker immer 
die Angaben wieder, dass Eltern, Geschwister oder der Kranke selbst 
an Gallensteinen, Migräne, Fettsucht, Diabetes usw. gelitten haben. Be¬ 
sonders in der französischen Literatur wird dieser Veranlagung „Arthri- 
tisme a besondere Bedeutung beigelegt (Diathcse arthritique bzw. oligo- 
trophique; Verlangsamung des Stoffwechsels). Von anderen wird über 
die auffallende Häufigkeit bemerkenswerter Complicationen berichtet, die 
sich besonders in der Haut localisieren sollen. Hauteruptionen der ver¬ 
schiedensten Art, Psoriasis, Urticaria, pruriginöses Ekzem, Psoriasis linguae, 
Hautjucken, Herpes sind beobachtet 1 ). Es sei hier auch auf die Beob¬ 
achtung Umbers verwiesen, dass der acute Gichtanfall in der Haut sich 
localisieren kann, wo sich dann circumscripte Rötung, Schwellung und 
intensiver Schmerz bemerkbar machen. Auch echtes Asthma bronchiale 
ist in gewissen Zusammenhang mit der Gicht gebracht worden (Umber). 
Zudem sei bemerkt, dass Ebstein (zitiert nach Umber) über hartnäckige 
Obstipation und hämorrhoidale Beschwerden als Complication der Gicht 
berichtet. Erst in letzter Zeit veröffentlichte Croftan 2 ) 3 Fälle von 
Migräne, bei denen der endogene Harnsäurewert niedriger als normal, 
die Ausscheidung der exogenen Harnsäure verlangsamt und verringert 
war (bei zwei weiteren Fällen gesteigerte Harnsäureausscheidung im 
Anfall). Bisher waren es meist wohl nur die empirische Erfahrung des 
gleichzeitigen Vorkommens einer dieser Erkrankungen mit Gicht oder die 
Tatsache, dass bei vielen Gichtikern immer wieder die gleichen Angaben 
betreffs Familiendisposition oder persönlicher Anamnese wiederkehren, 
die diese Auffassung eines solchen Zusammenhanges stützen; sichere 
Unterlagen für die Annahme derartiger Beziehungen fehlen aber noch 
vollkommen. Dementsprechend betont Umber noch in der Auflage seines 
Lehrbuches von 1909, dass, wenn auch mehrfach der Versuch unter¬ 
nommen wurde, die Neigung Gichtischer zu Ekzemen, Psoriasis, Haut¬ 
jucken, Furunculose zahlenraässig auf Grund der Anamnese und des 
klinischen Befundes darzutun, doch jede Spur eines Beweises für die 
specifisch gichtische Natur derartiger Störungen fehle. 

Ich habe deshalb bei einer grösseren Zahl von Kranken, die an 
obigen Krankheitsformen litten, mein Augenmerk auf den Purinstoffwechsel 
und dessen Störungen gerichtet, und in letzter Zeit vor allem solche 

1) So schreibt Auspitz schon 1883 in v. Ziemssens Handbuch, Bd. 9, 1.Hälfte: 
Man ist stets darüber einig gewesen und ist es auch heute, dass die sogenannten 
aouten Exantheme, ferner die verschiedenen Hautaffectionen bei Typhus, Syphilis usw., 
Blutergüsse in die Haut und das subcutane Gewebe, Ekzeme u. dergl. bei Diabetes, 
Gicht, Rheumatismus usw. als Erkrankungen des Stoffwechsels aufzufassen sind. 

2) Croftan, Interstate med. journ. 1912. No. 19. p. 21. Referat: Centralbl. 
f. d. ges. Med. u. ihre Grenzgeb. Bd. 3. S. 29. 

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Fälle zur Untersuchung herangezogen, die gar keine oder nur gering¬ 
fügige Symptome einer begleitenden Gelenkerkrankung aufwiesen. Vor 
allem wurden untersucht Fälle von Hauterkrankungen: Purpura haeraor- 
rhagica, Quinckesches Oedem, Erythema nodosum, Psoriasis; Fälle von 
Asthma bronchiale juvenile, Fälle von Colitis raucosa bzw. membranacea. 

Ich möchte von vorneherein aufs schärfste betonen, dass ich keines¬ 
wegs auf dem Standpunkte stehe, dass alle Fälle dieser genannten 
Krankheitsformen nun unbedingt in irgend einer Weise eine Störung des 
Purinstoffwechsels aufweisen müssten — ich beobachtete selbst zahlreiche 
Fälle mit völlig normalem Abbau der Purinsubstanzen —. Auch soll in 
keinerlei Weise a priori die ätiologische Fragestellung als gelöst be¬ 
trachtet werden. Meine Aufgabe soll es nur sein, an der Hand eines 
relativ grossen Materials über diese bisher noch sehr ungeklärten Ver¬ 
hältnisse zu berichten und so zu möglichst zahlreichen Nachuntersuchungen 
den Anstoss zu geben. 

Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass Fälle, die durch acute 
Gelenkerscheinungen, Fieber, Mitbeteiligung des Herzens den Eindruck 
einer rheumatischen Erkrankung (Peliosis, Erythema nodosum) machten, 
überhaupt nicht berücksichtigt wurden; auch die übrigen Beobachtungen 
über Asthma, Colitis mucosa usw. erfolgten erst, wenn durch eingehende 
Untersuchung das Vorliegen bisher anerkannter ätiologischer Momente 
ausgeschaltet werden konnte. 

Wenn ich nun mit der Besprechung der Hauterkrankungen beginne, 
so mögen zunächst zwei Beobachtungen Erwähnung finden, die ich in 
anderem Zusammenhänge bereits weiter vorn besprochen habe. 

Beobachtung 12. Fr. Sp., Nr. 5474/1911, 56jähr. Frau. Klinische Dia¬ 
gnose: Arthritis urica, Erythema nodosum (genauere Angaben vgl. S. 416). 
Zwei Tage nach einem Purinstoffwechselversuch (Verfütterung von 
10 g liefenucleinsaurem Natrium), der eine starke Erniedrigung in der 
endogenen Harnsäurecurve (etwa 0,3 g in zwei Tagen) sowie eine deut¬ 
liche Retention und Verschleppung in der exogenen ergab, kam es 
zur Eruption schmerzhafter, knötchenförmiger blaurote Infiltrate in 
der Haut beider Unterschenkel und Vorderarme (typisches Erythema 
nodosum). 

Beobachtung 13. CI. R., Nr. 1295/1912, 36 jähr. Mädchen. Klinische 
Diagnose: Arthritis urica, Purpura haemorrhagica, Quinkesches Oedem 
(genauere Angaben vgl. S. 423). Im Verlauf einer typischen Gicht (Anfall im 
Grosszehgelenk) kommt es zum wiederholten Auftreten ödematöser, in 
wenigen Stunden regelmässig zurückgehender Hautanschwellungen 
im Bereich des Halses und der Supraclaviculargruben. Die gleiche Patientin 
bietet die Symptome einer typischen Purpura haemorrhagica in der Haut des 
rechten Beines und beider Unterarme, die unter langdurchgeführter purinfreier Diät, 
ebenso wie das flüchtige Oedem, bisher bereits seit einem Jahre nicht mehr in Erscheinung 
getreten ist. Der PurinstofTwechselversuch zeigte neben einer leichten harnsauren 
Diathesc eine Störung besonders für die Ausscheidung der exogenen Harnsäure (zwei¬ 
malige Depression unter die anormal hohe Individualconstante für endogene Harnsäure). 

Eine Reihe weiterer Fälle folgen, die teils in ausserordentlicher Klar¬ 
heit das Zusammentreffen eine Purinstoffwechselstörung mit den in Frage 
stehenden Krankheitsbildern zeigen. 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


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Beobachtung 14. Fr. Go., Nr. 9732/1910, 2294/1911 (zweimal), 21 jähr. 
Mann. Klinische Diagnose: Chronische Gelenkerkrankung. Erythema 
nodosum. Die Eltern des Kranken sind gesund. Vor zwei Jahren „Gelenk¬ 
rheumatismus 14 . Pat. bemerkte damals Schmerzen in beiden Kniegelenken, sowie 
das Auftreten eines „Ausschlages 44 an den Beinen: stecknadelkopfgrosse und 
grössere rote Stellen, teils isoliert, teils zusammenfliessend. Mit Abschwellen der 
Knie verschwand auch damals der „Ausschlag 44 wieder. In der Zwischenzeit wieder¬ 
holten sich Gelenkschwellungen und „Ausschlag 44 öfter; letzterer griff, zuletzt in 
Knötchenform, auf Gesicht und Arme über. Dreimalige längerdauernde klinische Be¬ 
obachtung. Status: Blass aussehender junger Mensch von mittlerem Ernährungs¬ 
zustände. Herz, Nieren und Lungen frei. Magen: Motilität und Secretion normal. 
Nervensystem: Reflexe vorhanden; leichter Exophthalmus; Stellwag, Moebius negativ, 
Graefe positiv. Zur Zeit der jeweilig stärksten Ausbreitung des Erythems bestehen an 
beiden Beinen, Armen und am Stamm zahlreiche Stecknadelkopf- bis kirschgrosse, 
zum Teil isolierte, zum Teil confluierende, leicht erhabene, auf Druck nicht ver¬ 
schwindende schmerzhafte rotblaue Flecken und knötchenförmige Verdickungen (In¬ 
filtrate). An verschiedenen Stellen Kratzeffekte und blutende Durchbrüche der Haut. 
Gleichzeitig finden sich schmorzhafte Schwellungen der Ellbogen-, Knie- und Fuss- 
gelenke. Kein Fieber. Purinstoffwechselversuch vgl. die folgende Curve (die Harn¬ 
säure wurde in diesem Falle im 1 x 24stündigem Urin bestimmt). Die 


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Curve der endogenen Harnsäure verläuft ausserordentlich niedrig (0,02 g gegen 0,3 
bis 0,5 g beim Gesunden 1 ); die exogene Harnsäure wird sehr stark retiniert und über 
3 Tage verschleppt ausgeschieden. Dementsprechend brachte eine schon relativ kurze 
Zeit verfütterte purinfreie Diät stets einen vollen Erfolg: Das Erythem verschwand 
schnell und völlig, dio Gelenkbeschwerden gingen zurück. Der Purinstoffwechsel¬ 
versuch wurde wiederholt angestellt und ergab stets übereinstimmende Resultate. 
Eine solche Controlle brachte die Probe aufs Exempel: nach längerer purinfreier 
Ernährung wurden an Stelle von 5 g hefenucleinsaurem Natrium 245 g 
Thymus zugeführt (2,425 g Harnsäure); am nächsten und zweitnäohsten 
Tage kam es zur Eruption eines starken Erythema nodosum fast über 
den ganzen Körper sowie zu einer ausgesprochenen Exacerbation der 
Gelenkbeschwerden. In der anfallsfreien Zeit waren keinerlei Veränderungen an 
den Gelenken nachweisbar. 

Beobachtung 15 . H. M., Nr. 5139/1911. 27 jähr. Frau. Klinische Dia¬ 
gnose: Erythema nodosum. Dio Mutter der Pat. leidet an Gallensteinen, der 
Vater an Fettsucht. Selbst bisher nie ernstlich krank. Seit einigen Tagen Schmerzen 
in beiden Füssen und Knien; gleichzeitig Auftreten schmerzhafter Knoten an 

1) Pollak (Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 88 , S. 224) bezeichnet einen von 
ihm beobachteten Wert von 0,061 g für die tägliohe endogene Harnsäureausscheidung 
als äusserst selten und abnorm tief. 


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ur*.’]■. passive Bewegung schmerzhaft. An den »irUeren :'Jl*äf1ö7i der,IJntety Mfld .Ohrt* . 
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gooser !• un en o nell^ Neurose; Fr y thermä Tiodo>UK'. ' In. Anamnese und 
Status äUrigcspruniibne Syminome nmor schweren lünctioneilen ’SkÄ.; Ftiogcnde , 
Röte des tiosicbts, Alilionuppen ifsr Thyieuidea dentlirts verirtuS^nvF nusg«sproclvene 
i.ympliocyj.e:;: :?-i pt;.;, geringe Eosinophilie (ä Ati bejdo)i Hat er sc henkeln 

zahl rare he knotehenthrmige, auf .Druck mir wenig schmerzhafte roifdaue Erhebungen 
in di*r Kant, hem Fieber: Lehmke frei. Der ‘ Fürin$t 0 ff\vec.foel vertue h zeig» emo 
DoitiiaVe endogene HärhftaurFöiRTe,, wrihrend die 4ü$.schejd'$e'r.ogftgäjnity 1ldnu?5ure 

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. X%?’ ®fb b lioteiftä'a^jreb: - SÄ^jtftm.Sr $*• 

-Beobachtung 37 . M. 11 , v Nr. aOTA/llMri. : # :-MKhr. Frau. K.tniische Dia* 
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lang. L‘o- in leizRa Aaii au InRuvutat zunehünmdeii, Asthuiaanf;\11 e sollen seit dem 
12. 1 0 ^eririg^rem Lrade bt'>loh*m, mR der IhiherliUserRwickidiig 

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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


429 


Mit Verlauf der ersten Tage purinfreier Ernährung beginnt eine äusserst schnelle Ab¬ 
heilung der psoriasisartigen Erkrankung, sowie eine wesentliche Besserung der asth¬ 
matischen Beschwerden. Nach 22tägiger Zufuhr purinfreier Nahrung sind die Haut- 
efflorescenzen vollkommen abgeheilt. Der Purinstoffwechselversuch zeigt eine gering- 



Curve 19. 


fügige Depression der endogenen Harnsäurecurve (0,46—0,59 g in 2 Tagen) sowie 
eine verminderte und stark verschleppte Ausscheidung der exogenen Harnsäure. 
Patientin ist von dem guten Einfluss der Diät auf ihr Leiden derart überzeugt, dass 
sie nach den bisherigeh Misserfolgen der medicamentösen Therapie um genaue 
Unterweisungen bittet, um zu Hause ihre Diät danach einrichten zu können. 

Beobachtung 18 . Fr. Fr., Nr. 7150/1911. 28jähr. Frau. Klinische Dia¬ 
gnose: Multiple Sklerose; Purpura haemorrhagica. Es bestehen die Sym¬ 
ptome einer multiplen Sklerose: Abblassung der temporalen Hälfte des linken Sehnerven, 
Fehlen des rechten Bauchdeckenreflexes, leichter Spasmus beider Beine, beiderseitiger 
Babinsky. Wassermann negativ. Etwa drei Wochen nach Aufnahme ins Kranken¬ 
haus kommt es am linken Bein zur Eruption zahlreicher anfangs hochroter kleiner 
Blutflecken, die ohne stärkere Schmerzen und ohne Fieber langsam eine blaugrüne 
Farbe annehmen und dann unter purinfreier Ernährung bald und völlig verschwinden. 
Gelenke stets frei. Der Purinstoffwechselversuch ergab bei normalem Stande der 


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endogenen Harnsäurecurve (an der untersten zulässigen Grenze) eine über 4 Tage 
verschleppte Ausscheidung der exogenen Harnsäure. — Bemerkenswert an diesem 
Falle ist noch eine deutliche Störung nach Art des Hyperthyreoidismus: leichte Ver- 
grösserung der Thyreoidea, etwas weite Lidspalte, alimentäre Glykosurie e saccharo 
(bei 120 g 3,2 g), geringfügige Lympbocytose (25 pCt.). Nach Eintreten einer wesent¬ 
lichen Remission der multiplen Sklerose entzog sioh Patientin der weiteren Beob¬ 
achtung. 

Protokolle über Stoffwechselversuche an ähnlichen Fällen habe ich 
bis auf eins in der bisherigen Literatur nicht gefunden; es ist mir daher 
leider ein Vergleich nicht möglich. Dieser eine Fall stammt aus der 
Beobachtungsreihe von Hösslin und Kato (1. c.). Eine 52jährige 
Patientin bietet die Symptome eines leichten subchronischen Gelenk¬ 
rheumatismus in beiden Schultergelenken; gleichzeitig finden sich an 
beiden Unterarmen, dem linken Zeigefinger, den Unterschenkeln, ebenso 


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430 


Alfred Lindemann, 


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am linken Oberschenkel und den Nates in der Subcutis derbe, dicke, bis 
walnussgrosse, zum Teil cohfluierende Infiltrate (Erythema nodosum). 
Der Stoffwechselversuch ergab das nachstehende Resultat. Nach Auf- 


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fassung von H. u. K. ist die Harnsäureausscheidung der Hauptsache 
nach in drei Tagen beendet; die folgenden Werte seien ziemlich sicher 
durch die nicht ganz zuverlässige Nahrungsaufnahme beeinflusst. In 
meinen Beobachtungen dürfte eine solche eigenmächtige Beeinflussung 
des Stoffwechsels seitens des Patienten kaum möglich gewesen sein. 
Auch will es mir scheinen, als ob meine Fälle auch aus weiteren 
folgenden Gründen noch recht beweisend wären: 

1. In drei der vier Fälle von Erythema nodosum war neben 
der Retention und Verschleppung der exogenen Harnsäure gleichzeitig 
eine deutliche Störung der Ausscheidung der endogenen Harnsäure 
nachweisbar; einmal wurde sogar der ausserordentlich niedrige Wert von 
0,02 g als Individualconstante beobachtet; ein Wert, der noch weit hinter 
dem bisher niedrigsten von Pollak beobachteten (0,061) zurücksteht. 
Aber auch der vierte Fall scheint der Beobachtung wert, trotzdem hier 
die endogene Harnsäurecurve in normaler Höhe verläuft. Es findet sich 
dagegen eine deutliche Störung in der Ausscheidung der exogenen Harn¬ 
säure, und zwar derart, dass der Curvengipfel erst innerhalb der anf 
die Verfütterung von hefenucleinsaurera Natrium folgenden zweitägigen 
Periode erreicht wird. Als ausserordentlich wichtig will es mir er¬ 
scheinen, dass es zweimal durch Zufuhr eines relativ grossen Harnsäure¬ 
bildners gelang, ein typisches Erythema nodosum experimentell zu er¬ 
zeugen. 

2. In zwei Fällen von Purpura haemorrhagica (einmal combiniert 
mit Quinkeschem Oedem) ergab der Purinstoffwechselversuch eine deut¬ 
liche Störung der exogenen Harnsäureausscheidung. 

3. In einem Fall von hartnäckiger Psoriasis, die durch diätetische 
Behandlung schnell und ergiebig bekämpft werden konnte, zeigte der 
Stoffwechselversuch eine leichte Depression im endogenen, eine Retention 
und verschleppte Ausscheidung im exogenen Stoffwechsel. 

Ich möchte nicht verfehlen, an dieser Stelle auf die Beobachtungen Salomons 1 ) 
hinzuweisen, der durch Darreichung einer eiweissarmen Kost (die nach seinem Bericht 
auch als sehr purinarm bezeichnet werden kann) eine eklatante Wirkung bei Urticaria 
erzielte. Salomon stellt sich auf den Standpunkt, dass die Urticaria entweder der 
Ausdruck einer Antikörperbildung auf das Eindringen artfremden Eiweisses oder die 


1) Salomon, Wiener klin. Wochenschr. 1913. Nr. 35. 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


431 


Folge von Schädigungen durch im Darm entstehende Basen (Ergamin) ist; eine Auf¬ 
fassung, die auch nach meiner Meinung sicher für einen Teil der Fälle zu Recht besteht. 

Leider kamen weitere uncomplicierte Fälle dieser Art, die eine ein¬ 
wandsfreie Beurteilung gestatteten, nicht in meine Behandlung. Um 
wenigstens einen wenn auch sicher nicht vollgültigen Anhaltspunkt für 
die Häufigkeit der Vergesellschaftung einer der obigen Hautaffectionen 
mit einer nachweisbaren Störung des Purinstoffwechsels zu geben, möchte 
ich mitteilen, dass in der gleichen Zeit ca. 10 weitere Fälle von Ery¬ 
thema nodosum, Purpura haemorrhagica, Peliosis rheumatica usw. in 
Beobachtung standen, bei denen entweder schon die eindeutigen Begleit¬ 
symptome einen infectiösen Process vermuten Hessen oder der angestellte 
Stoffwechselversuch einen völlig normalen Abbau der Purinkörper ergab. 
Ich betone nochmals, dass die Untersuchungen stets erst nach Ablauf 
des acuten Stadiums an fieberfreien Tagen unter Vermeidung der Zeiten 
der Menstruation bei strengster Bettruhe und Ausschaltung sämtlicher 
Medicamente vorgenommen wurden. 

Hiermit verlasse ich das Gebiet der Hauterkrankungen und gehe zur 
Besprechung mehrerer Fälle von Asthma bronchiale juvenile bzw. Colitis 
muco-membranacea über. 

Beobachtung 19 . M. H. Nr. 5075/1912. 23jähr. Mädchen. Klinische Dia¬ 
gnose: Asthma bronchiale juvenile; Psoriasis (vgl.S.428). Bei einem jungen 
Mädchen, bei dem seit dem 12. Lebensjahre, vor allem aber seit Einsetzen der Pubertät, 
schwere asthmatische Anfälle in grosser Zahl auftreten, ergibt der Purinstoffwechsel- 
versuch eine geringfügige Depression der endogenen Harnsäurecurve (0,46—0,59 g) 
sowie eine verminderte und stark verschleppte Ausscheidung der exogenen Harnsäure. 
Nach Verfütterung purinfreier Nahrung deutliche Besserung der Beschwerden. 

Beobachtung 20. A. Sch. Nr. 7414/1912. 33jährige Frau. Klinische 
Diagnose: Asthma bronchale juvenile; Volumen pulmonum auctum. 
Patientin soll angeblich kurz nach der Geburt, im 7. sowie im 14. Lebensjahr zur 
Zeit des Auftretens der ersten Menstruation, eine allgemeine Psoriasis gehabt haben. 
Von dieser Zeit der einsetzenden Periode, die meist regelmässig und gleich kräftig 
verlief, machten sich in kurzen Intervallen starke Anfälle von Luftmangel und Asthma 
bemerkbar, die die Kranke wiederholt in privatärztliche und klinische Behandlung 
führten. In letzter Zeit mehren sich die Anfälle in unangenehmer Weise, vor allem 
vor und während der Menstruation. Letzte Periode vor 8 Tagen; im Anschluss daran 
eine Reihe schwerer Anfälle. Eltern gesund. Status: Mittel kräftiges Mädchen in ge¬ 
ringem Ernährungszustände. Gesicht leicht cyanotisch; Thorax fassförmig; ziemlich 
starke Zuhilfenahme der Auxiliarmuskeln beim Atmen. Tiefstand der unteren Lungen¬ 
grenzen, mittelstarkes Emphysem. Täglich 1 bis 2 schwere asthmatische Anfälle von 
etwa x / 2 — 3 / 4 Stunden Dauer, die unter grösseren Morphiumdosen und bei dauernder 
Ruhelage an Intensität und Zahl langsam verlieren. Der Purinstoffwechselversuch er¬ 
gibt höchst interessante Resultate (vgl. die folgende Curve): Recht auffallend war 
zunächst das völlige Schwinden der asthmatischen Anfälle in der 5tägigen Vorperiode 
purinfreier Ernährung (in den 7 vorherigen Tagen waren 7 zeitweilig sehr schwere 
Anfälle zu verzeichnen). Die endogene Harnsäurecurve steht relativ tief (0,41—0,58 g 
in 2 Tagen); die Ausscheidung der exogenen Harnsäure ist deutlich verschleppt und 
zwar in solchem Grade, dass der hohe Gipfel der Ausscheidungscurve erst in die 
Nachperiode fällt. Diese Verschleppung scheint nun die Ursache einer höchst inter¬ 
essanten Tatsache zu sein: Am zweiten Tage der Verfütterung des hefe- 
nucleinsauren Natriums ( 10 g) sowie am nächstfolgenden Tage kommt 


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je ein starker asthmatischer Anfall zur Beobachtung, während inner¬ 
halb weiterer 14 Tage purinfreier Ernährung die Patientin sich eines 
ausgezeichneten Wohlbefindens erfreute. Nun erfolgten wieder 4 schwere 



Curve 22. 


Anfälle, die mit dem Eintritt der Periode zusammenfallen [Harnsäureretention im prä¬ 
menstruellen Depressionsstadium (?) (cf. S. 419)]. Auch diese Patientin erkannte den 
guten Erfolg der diätetischen Behandlung in hohem Grade an und bat ebenfalls um 
eingehende Belehrung zweoks selbständiger Herrichtung einer geeigneten Kost. 

Beobachtung21. M.G. Nr.1947/1910. 23jähr.Mädchen. KlinischeDiagnose: 
Asthma bronchiale juvenile; Colitis muco-membranosa (Eosinophilie). 
Mit 5 und 7 Jahren Lungenentzündung; mit 11 Jahren „Ltfngenkatarrh“. Seit dieser 
Zeit ereignen sich täglich 3 — 4 mehr oder weniger schwere Anfälle von Luftmangel, 
die mit zunehmendem Alter an Intensität und Zahl dauernd zunehmen. Die Men¬ 
struation setzte mit 16 Jahren zum erstenmal für drei Tage ein, erfolgte dann aber 
stets nur in grossen Zwischenräumen. Ihr Beginn kündigte sich jedesmal durch 
stärkere und häufigere Asthmaanfälle an. Seit 26 Monaten ist die Periode völlig aus¬ 
geblieben; seit dieser Zeit sind die Anfälle wesentlich stärker. Seit 9 Jahren dauernd 
in Krankenhausbehandlung, seit 3 Jahren in unserer Anstalt. Am 21. September 1912 
setzte ohne irgend welche vorausgegangene nachweisbare Schädigung eine starke 
hämorrhagische Nephritis und Pyelitis mit hohem Fieber ein, die etwa zwei 
Monate anhielten, ln dieser ganzen Zeit von Anfang Oktober bis Ende De¬ 
zember 1912 ereignete sich kein einziger nennenswerter Asthmaanfall, 
während sonst innerhalb der letzten 9 Jahre nicht mal ein anfallsfreier Tag beobachtet 
werden konnte. Seit Januar 1913 erleidet die Kranke täglich wieder 6—8 Anfälle. 
Status: Sehr schmächtiges Mädchen in geringem Ernährungszustände. Volumen pul¬ 
monum auctum. Herztöne rein. Geringer Exophthalmus; Glanzauge; Vergrösserung 
des rechten und mittleren Lappens der Thyreoidea; Blutbild: 65 pCt. Leukocyten, 
22 pCt. Lymphocyten, 14 pCt. eosinophile Leukocyten. Uterus klein, retroflektiert, 
Ovarien nicht palpabel. Ausgesprochene Colitis spastica mucosa. In der Darmspül- 
llüssigkeit grosse Mengen eosinophiler Leukocyten. Der Purinstoffwechselversuch ergab 



Curve 23. 


vorstehendes Resultat: Tiefstand der endogenen, deutliche Verschleppung über sechs 
Tage in der exogenen Harnsäurecurve (Curvengipfel in der ersten Nachperiode). 


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Zar Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


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, Die letzte Beobachtung betrifft, ähnlich der vorstehenden, einen reinen 
Fall von Colitis spastica mucosa. 

Beobachtung 22. M. L., Nr. 4284/1911. 18jähr. Mädchen. Klinische Dia¬ 
gnose: Asthenia universalis; Colitis muco-membranacea (Eosinophilie); 
linksseitiger abgeheilter Spitzenherd. Seit 2 Jahren Schmerzen im Leib, die 
sich namentlich im linken Hypogastrium lokalisieren. Status: Grazil gebautes 
Mädchen in massigem Ernährungszustände. Ueber der linken Lungenspitze verschärftes 
Exspirium. Tremor palpebraium, linguae et manuum; Dermatographie; leichte Ver- 
grösserung des rechten Lappens der Thyreoidea: geringfügige Lymphocytose (26 pCt.); 
Senkung beider Nieren; Colon ascendens, transversum und descendens als dünne 
Stränge palpabel. Im Spülwasser des Darmes nach Kotentleerung grosse Mengen 
zähen Schleims, in dem zahlreiche eosinophile Zellen nachweisbar sind. Alimentäre 
Glykosurie e saccharo (2,6 g : 100 g) und ex amylo (1,68 g : 100 g); Blutzuckergehalt 
nüchtern 0,079. Purinstoffweohselversuoh: DieCurve der endogenen Harnsäure steht an 


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der untersten Grenze des Normalen (0,56—0,57 g in 2 Tagen); die exogene Harnsäure 
wird langsamer und deutlich (über 6 Tage) verschleppt ausgeschieden. Der Gipfel 
der Harnsäurecurve liegt in der zweiten auf die Verfütterung des hefenucleinsauren 
Natriums folgenden zweitägigen Periode. 

Zweifellos haben wir es auch in den vier zuletzt beschriebenen Be¬ 
obachtungen mit ausgesprochenen Störungen des Purinstoffwechsels zu tun. 

In allen drei Fällen von Asthma bronchiale juvenile verläuft die 
endogene Harnsäurecurve abnorm tief oder an der unteren Grenze des 
Normalen. Dazu erfolgt die Ausscheidung der exogenen Harnsäure 
deutlich verspätet. In zwei Fällen erreicht die Curve den Gipfel erst in 
der ersten Nachperiode; im dritten ereignet sich die bemerkenswerte Be¬ 
obachtung, dass am zweiten Tage der Verfütterung des hefenucleinsauren 
Natriums (10 g) sowie am nächstfolgenden Tage je ein starker asthmatischer 
Anfall einsetzt, während die Kranke in einer 5tägigen Vor- und 14tägigen 
Nachperiode bei purinfreier Ernährung eines ausgezeichneten Wohlbefindens 
sich erfreute. Die drei beschriebenen Krankheitsfälle sind die einzigsten 
dieser Art, die in meine Beobachtung kamen. 

Auch die Beobachtungen bei dem einen Fall von Colitis muco- 
membranacea wollen mir recht eindeutig erscheinen: Die Curve der 
endogenen Harnsäure verläuft an der unteren Grenze des Normalen; die 
exogene Harnsäure wird abnorm langsam und über 6 Tage verschleppt 
ausgeschieden (deutliche Verschiebung des Curvengipfels). In mehreren 
anderen Fällen gleicher Krankheitsform konnte keinerlei Störung des 
Purinstoffwechsels beobachtet werden; allerdings bot auch keiner derselben 
so ausgeprägt die Symptome des eosinophilen Schleimkatarrhs des Colon 
bzw. der Störung der inneren Sekretion wie der beschriebene. 

Die exsudative Diathese verdient nochandieserStelle eine eingehende 
Erwähnung. Die häufige Vergesellschaftung von Milchschorf und Ekzemen 


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(hauptsächlich im Kindesalter) mit meist später auftretenden Erscheinungen 
wie Asthma bronchiale, Enteritis membranacea und Anschwellen des 
lyraphoiden Gewebes infolge von Reizzuständen in den Schleimhäuten der 
oberen Luftwege sowie die dauernde Eosinophilie im Blute solcher 
Individuen weisen, wie schon Stoerk und Horak 1 ) betont haben, auf 
einen engen Zusammenhang bzw. eine gemeinsame Grundlage derartiger 
Krankheitsformen hin. Eine schöne Bestätigung in dieser Richtung 
bringen die Untersuchungen Kerns 2 ), der bei 6 Kindern mit exsudativer 
Diathese in einer der meinigen ähnlichen Versuchsanordnung eine ver¬ 
schleppte, mehrere Tage dauernde Ausfuhr der Harnsäure beobachtete. 
Mit Recht glaubt K. sich zu dem Schluss berechtigt, dass durch die 
Auffindung dieser Tatsache die Vermutung einer Zusammengehörigkeit von 
exsudativer Diathese und Gicht nähergerückt ist 

Zusammenfassung. 

Werfen wir nochmals einen Rückblick über die mitgeteilten Be¬ 
obachtungen, so können wir feststellen: 

1. Die typische Gicht charakterisiert sich durch den be¬ 
kannten eigentümlichen Ablauf des Purinstoffwechsels (Tief¬ 
stand der endogenen Harnsäurecurve, verringerte und ver¬ 
schleppte Ausscheidung der exogenen Harnsäure). 

2. In drei (bzw. vier) Fällen typischer Gicht wurde eine 
weitere auffallende Störung des Purinstoffwechsels beobachtet, 
nämlich ein Abfall der endogenen Harnsäurecurve unter die 
Individualconstante in der Periode der Belastung des Organismus 
mit 10 g hefenucleinsaurem Natrium (conträres Depressions- 
stadiura). 

3. Mehrere klinisch nicht ganz eindeutige atypische Fälle 
von Gicht (mit Schmerzattacken i'm Grosszehgelenk, Tophi, 
Sehnenscheiden- bzw. Schleimhautverdickungen, mehr oder 
weniger typischem Röntgenbild) zeigten eine weniger deutliche 
Störung des Purinstoffwechsels, insofern, als die endogene 
Harnsäurecurve in normaler Höhe (manchmal allerdings auch 
abnorm tief) verlief, während die Ausscheidung der exogenen 
Harnsäure einen atypischen Verlauf nahm (Retention und ver¬ 
schleppte Ausscheidung). Der gleiche Befund konnte bei 
mehreren Kranken erhoben werden, die ein Sy mp to menbild 
darboten, das in einzelnen Fällen sogar als isolierte Gelenk¬ 
erkrankung (Verdacht auf Tuberculose?) aufzufassen war. ln 
einem dieser Fälle wurde eine deutliche Zunahme sämtlicher Be¬ 
schwerden nach Einnahme von 10 g hefenucleinsaurem Natrium 
beobachtet. 

4. Ein Fall von Gicht + Purpura haemorrhagica + Quinkc- 
schem Oedem (?) wurde im Stoffwechsclversuch als eine Com- 
bination von harnsaurer Diathese und Gicht erkannt. 

1) Zur Klinik des Lymphatismus. Berlin 1913. Urban u. Schwarzenberg. 

2) Jahrb. f. Kinderheilk. 1913. Bd. 78. H. 2. S. 141. 


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Zar Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


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5. Vier Fälle von Erythema nodosum boten deutliche 
Störungen des Purinstoffwechseis dar; in zwei derselben mit 
gleichzeitiger Störurfg im endogenen und exogenen Stoffwechsel 
gelang es durch Verfütterung von 10 g hefenucleinsaurem 
Natrium bzw. 245 g Thymus eine neue typische Erythem¬ 
eruption experimentell zu erzeugen. 

6. In zwei Fällen von Purpura haemorrhagica ergab der 
Purinstoffwechselversuch eine deutliche Störung der exogenen 
Harnsäureausscheidung; desgleichen in einemFall von Psoriasis 
(günstige Beeinflussung durch diätetische Therapie). 

7. In Fällen von Migräne kann eine Störung des endo- und 
exogenen Purinstoffwechseis beobachtet werden (Croftan). 

8. In drei Fällen von Asthma bronchiale juvenile verläuft 
die endogene Harnsäurecurve abnorm tief oder an der Grenze 
des Normalen; daneben erfolgt die Ausscheidung der exogenen 
Harnsäure deutlich verspätet (2raal Verschiebung des Curven- 
gipfels in die erste zweitägige Nachperiode). Im dritten Falle 
kommt es am zweiten Tage der purinhaltigen Zulage sowie am 
nächstfolgenden Tage zur Entwicklung je eines starken Asthma¬ 
anfalles innerhalb einer anfallsfreien purinfreien fünftägigen 
Vor- und 14tägigen Nachperiode. 

9. In einem Falle von Colitis rauco-membranacea zeigte 
sich eine Störung des endogenen und exogenen Stoffwechsels 
(Curvengipfel in der zweiten zweitägigen Nachperiode). 

10. In Fällen von exsudativer Diathese kann beim Kind 
eine Störung des Purinstoffwechseis beobachtet werden (Kern). 

11. Die Mehrzahl der beschriebenen Fälle (mit Ausnahme 
der reinen gichtischen Erkrankungen) boten mehr oder weniger 
deutliche Symptome einer Störung der inneren Sekretion 
(Exophthalmus, Graefe, Moebius, Stellwag, Thyreoideaver- 
grösserung, relative Lymphocytose, Eosinophilie, alimentäre 
Glykosurie, Menstruationsanomalien). 

12. Die Frage, ob in obigen Fällen die Purinstoffwechsel¬ 
störung nur symptomatisch oder eventuell pathognomonisch 
ist, wird durch vorstehende Untersuchungen nicht gelöst. 


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XVIII. 


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Aus der I. inneren Abteilung (Prof. L. Kuttner) und dem chemischen 
Institut (Prof. W. Löb) des Rudolf Virchow-Krankenbauses, Berlin. 

Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 

II. Mitteilung: 

Kalkstoffwechseluntersuchungen ßei chronischen 
deformierenden Gelenkerkrankungen. 

Von 

Dr. Alfred Lindemann, 

Assistenzarzt der I. inneren Abteilung des städtischen Rudolf Vircliow-Krankenhauses. 


Untersuchungen über den Kalkstoffwechsel des Menschen begegnen 
in letzter Zeit einem zunehmenden Interesse bei Klinikern und Physiologen. 
Die Pathogenese der Rachitis geht auf diesem Wege der Klärung ent¬ 
gegen; die Kenntnis des Zusammenhanges der Spasmophilie mit Störungen 
im Kalkhaushalt eröffnet der Therapie neue Bahnen; die Behandlung der 
Arteriosklerose durch Kalkentziehung, die Förderung der Phagocytose, 
die Beeinflussung der Blutgerinnung durch Kalksalze, die eventuelle Dc- 
calcification des Organismus bei Tuberulcose wird discutiert. Aber nur 
wenige Autoren haben sich bisher mit derartigen Stoffwechseluntersuchungen 
beschäftigt bei Fällen chronischer Arthritis; einer Krankheit, bei der die 
Veränderungen im An- und Abbau des Knochens — und damit des 
Kalkes — in Form der Knochendeformierungen uns tagtäglich vor Augen 
treten. Die nachfolgenden Beobachtungen beziehen sich auf Untersuchungen 
bei derartigen Krankheitsfällen und stellen somit gewissermassen den 
Abschluss der seinerzeit von Hirschberg 1 ) aus unserer Abteilung ge¬ 
brachten Publication dar. 

Es dürfte selbstverständlich sein, dass der wachsende jugendliche 
Organismus eines wesentlichen Teils des zugeführten Nahrungskalkes 
zum Aufbau des knöchernen Skeletts bedarf; dass somit beim Kinde 
eine Gegenüberstellung von Ein- und Ausfuhr ein Minus zu ungunsten 
der letzteren zeigen muss. Anders stehen die Verhältnisse beim normalen 
vollentwickelten Organismus. Hier ist zwar die Knochenentwicklung im 
grossen und ganzen beendet, aber bei der Vielseitigkeit seiner Aufgaben 
im menschlichen Körper nimmt das Calcium auch jetzt noch in der 
Physiologie und Pathologie des Stoffwechsels eine ganz hervorragende Stelle 
ein. Nach Emmerich und Loew 2 ) ist der Kalk von grosser Bedeutung 
für die Herztätigkeit, für die Function der Zellkerne, der drüsigen Organe, 
des Nervensystems; dazu erhöht er die Phagocytose und die natürliche 
Resistenz gegen gewisse Infectionskrankheiten (Tubereulose, Milz, Rotlauf). 

1) Berliner klin. Wochenschr. 1911. Nr. 4(>. 

2) Emmerich und Loew, Ueber die Wirkung der Kalksalze bei Gesunden 
und Kranken. München 1913. 


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Zur Frage der Stoffweohselerkrankungen. 


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Auch jetzt wird also dem menschlichen Organismus immer noch eine 
reichlich zu bemessende Menge Calcium zugeführt werden müssen, die 
auf Grund der Untersuchungen einer ganzen Reihe von Autoren (Bertram, 
v. Bunge, Oberndörffer usw.) auf täglich 560 bis 3300 mg CaO an¬ 
gegeben worden ist. Allgemein bindende Schlüsse auf die etwaige Höhe 
eines menschlichen täglichen Kalkbedürfnisses des Erwachsenen darf man 
aber aus den Untersuchungsresultaten der genannten Autoren nicht ziehen, 
weil fast jeder derselben unter anderen Bedingungen und auch mit einer 
verschieden zusammengesetzten Diät gearbeitet hat. Einschlägige Be¬ 
rechnungen in dieser Richtung bringen auch Emmerich und Loew, die 
in der Tagesration des deutschen Soldaten einen Kalkgehalt von 519 mg 
feststellten. Wenn die genannten Autoren die auf diese Weise täglich 
zugeführte Kalkmenge als um etwa 50 pCt. zu niedrig bezeichnen und 
deswegen eine Herabrainderung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten 
unserer Soldaten befürchten, so will es mir doch scheinen, als ob die 
Leistungsfähigkeit unseres Heeres uns eines anderen belehre und recht 
eindringlich vor einer solchen schematischen Fixierung eines sogenannten 
menschlichen Kalkbedürfnisses warne. Zu berücksichtigen dürfte aller¬ 
dings dabei sein, dass mancher Soldat unseres Heeres sich nicht auf die 
Zufuhr der ihm zustehenden Ration (750 g Brot, 150 g Fleisch, 125 g 
Kartoffel, Reis, Erbsen) beschränkt, sondern aus eigener Tasche sich Zu¬ 
lagen verschafft, die aber anderen ebenso leistungsfähigen Kameraden 
nicht zugängig sind. Das eine lehren diese Beobachtungen: jedenfalls 
sind wir über das äusserste Maximum und Minimum der täglich wünschens¬ 
werten Kalkzufuhr orientiert; ein Ueberschreiten der Grenzen bietet aber 
lür den gesunden Organismus weder Vor- noch Nachteile, denn stets 
wird der überflüssige Kalk ohne Schädigungen, nach anfänglicher Retention, 
grösstenteils mit dem Kot wieder ausgeschieden [Voorhoeve 1 )]. Ich 
möchte mich für den menschlichen Organismus dahin aussprechen — 
was Kochmann und Petzsch 2 ) im Tierversuch bereits experimentell 
festgelegt haben —, dass es nicht möglich ist, ohne weiteres eine be¬ 
stimmte tägliche minimale Kalkmenge als notwendig für die Aufrecht¬ 
erhaltung des Kalkgleichgewichtes aufzustellen. Ihre Höhe ist vielmehr 
je nach der Zusammensetzung und Art der täglichen Nahrungszufuhr 
sehr verschieden. Nicht von einem täglichen Kalkbedürfnis des mensch¬ 
lichen Organismus, sondern höchstens von einem Kalkoptimum bei Zufuhr 
einer bestimmten Nahrung kann also die Rede sein; und es schwanken 
daher auch die Werte für dieses Optimum in weiten Grenzen (cf. die 
Tabellen weiter unten). 

Im grossen und ganzen scheint mir überhaupt die Frage nach der 
Höhe des menschlichen Kalkbedürfnisses an Wichtigkeit weit zurückzu¬ 
stehen hinter derjenigen, wie sich der Kalkumsatz regelt, d. h. ob sich 
bezüglich des Verhältnisses von Gesamteinfuhr und Ausfuhr gewisse 
stehende Regeln ergeben; ob etwa der Organismus sich in ein Kalk¬ 
gleichgewicht einstellt. Um hierüber ein Urteil zu gewinnen, ist es nötig, 


1) Deutsches Aroh. f. klin. Med. 1913. Bd. 110. 

2) Biochem. Zeitschr. 1911. Bd. 32. S. 10 u. 27. 


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den normalen Ablauf des Kalkstoffwechsels in seinen Einzelheiten zu 
verfolgen. 

Als Ausscheidungsorgane für den Kalk kommen im gesunden 
Organismus vor allem die Nieren und der Darm in betracht. Im Inhalt 
des letzteren finden sich naturgemäss auch die mit dem Speichel, dem 
Magensaft, der Galle, dem Pankreassecret abgesonderten Kalkmengen. 
Zahlreiche Untersuchungen haben nun gezeigt, dass die Resorption des 
Nahrungskalkes im Anfangsteil des Dünndarms vor sich geht [Raud- 
nitz 1 ) u. a. ra.], während die Wiederausscheidung vor allem durch den 
Dickdarm und die Nieren stattfindet. Eine schwer zu lösende, für unsere 
Untersuchungen aber auch weniger interessierende Frage ist dabei die, 
wieviel von dem im Darminhalt auffindbaren Kalk den unresorbierten 
Nahrungsstoffen entstammt und wieviel davon nach anfänglichem Ueber- 
tritt in den Kreislauf durch Secretion in den Dickdarm zurückgelangt ist, 
nachdem er im Organismus die ihm zustehenden Functionen erfüllt hat. 
Wichtiger für die Beurteilung der Kalkstoffwechselpathologie ist dagegen 
die Erkenntnis, in welchem Verhältnis die Ausscheidung des resorbierten 
Kalkes durch Niere und Dickdarm vor sich geht; vor allem deswegen, 
weil zahlreiche Berichte in der Literatur vorliegen über Untersuchungen, 
in denen nur die Werte für den Urinkalk festgestellt und aus diesen 
allein unter Zugrundelegung gewisser Verhältniszahlen bindende Schlüsse 
auf die Gesamtausfuhr gezogen worden sind (Boekelmann und Staal, 
Sendtner, Strauss u. a. m.). Jedenfalls muss man auf Grund der Er¬ 
gebnisse der neueren Untersuchungen von der Normierung eines be¬ 
stimmten Verhältnisses zwischen Harn- und Kotkalk absehen, da das¬ 
selbe recht schwankend sein kann, je nachdem im Ueber- oder Minder- 
raass gewisse Factoren zur Geltung kommen, die hemmend oder fördernd 
in den Kalkstoffwechsel der Versuchsperson eingreifen: Ruhe und Be¬ 
wegung (Hoppe-Seyler, Kochmann und Petzsch 1. c.), anormale 
Darmtätigkeit, dieGrösse der täglichenWasserzufuhr, grössere Schwankungen 
des Körpergewichts [Lewin 2 )], die Geschlechtsfunctionen (Sperinaverlust, 
Menstruation, Gravidität, Lactation; Voorhoeve 1. c.) beeinflussen den 
Kalkumsatz des Gesunden in mehr oder weniger deutlichem Masse; die 
Zusammensetzung der täglichen Nahrung [Kaufmann und Mohr 3 ), 
Biernacki 4 5 ) u. a. m.J, die verschiedene Bindung des zugeführten CaO 
an organische oder anorganische Substanzen [Oeri 6 )], der Gehalt der 
Nahrungsmittel an Phosphorsäure [Fürth 6 )] und an erdigen Wässern 
[Hans Horst Meyer 7 )], die Zufuhr von Medicamenten (Salzsäure, Milch¬ 
säure, Chinasäure) [Hudler 8 )], die Grösse der Salzsäureabscheidung der 

1) Arch. f. experim. Pathol. u. Phannakol. 1893. Bd. 31. S. 343. 

2) Deutsche med. Wochenschr. 1905. 11. 6. S. 218. 

3) Deutsches Arch. f. klin. Med. 1902. Bd. 74. S. 140. 

4) Centralbl. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Stoffwechsels. 1909. Nr. 12 u. 13. 

5) Zeitschr. f. klin. Med. 1909. Bd. G7. S. 288. 

G) Probleme d. physiolog. u. patholog. Chemie. Leipzig 1912. 

7) Zeitschr. f. Balneologie. 1910—11. 3. .Ig. S. 409. 

8) Ueber die Behandlung der Bechterew’schen Krankheit mit kalkarmer Diät. 
Inaug.-Dissert. Leipzig 1908. 


Gck igle 


Original fro-m 

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Zur Frage der StofTwechselerkranknngen. 


439 


Magenschleimhaut (Raudnitz 1. c.) sowie die Reaction des Urins [Obern- 
dörffer 1 )] bleiben nicht ohne Wirkung auf die Resorption bzw. den Ort 
der Wiederausscheidung des bereits resorbierten Kalks. Dazu greifen 
zahlreiche Krankheiten, wie Nephritis [von Noorden und Ritter 2 ), 
Dennstedt und Rumpf 3 ), Brauneck 4 )], Diabetes [Naunyn 5 ), Ger¬ 
hard und Schlesinger 6 ), Magnus-Levy 7 )], Calcarurie (Voorhoeve 
1. c.), Phosphaturie [Sendtner 8 ), Boekelmann und Staal 9 )], Colitis 
[Soetbeer 10 ), Tobler 11 )] störend ein in die Verteilung des Kalkes auf 
Urin und Kot. Alles in allem kann man wohl sagen, dass der grösste 
Teil des Calciums vom gesunden Organismus stets durch den Darm aus¬ 
geschieden wird; der kleinere Teil tritt als lösliches Kalksalz durch die 
Nieren in den Urin über (nach von Noorden 3,9—28,9 pCt.). Diese 
Ueberlegungen zeigen, dass wir uns bei der Anstellung eines Kalkstoff¬ 
wechselversuches niemals allein auf die Bestimmung des Urinkalks be¬ 
schränken dürfen, sondern dass in jedem Fall gleichzeitig eine quantitative 
Untersuchung des Kotes erfolgen muss. Sehr lehrreich wird diese Forde¬ 
rung illustriert durch die in meinen Tabellen in einer besonderen Rubrik 
gegebene Gegenüberstellung des procentuellen Verhältnisses des Urinkalks 
zum CaO-Gehalt der Nahrung in normalen und pathologischen Fällen. 

Soll man also zur Aufstellung der Behauptung eines sogenannten 
Kalkstoffwechselgleichgewichts berechtigt sein, so muss es gelingen, bei 
Individuen mit normalem Stoffwechsel — sofern nicht eine allzu reich¬ 
liche Menge Kalk verfüttert wird — die Gesamtheit des zugeführten CaO 
im exacten Stoffwechselversuch wieder im Urin und Kot aufzufinden. 
Unberechtigt will mir der Vorwurf erscheinen, der immer wieder gegen 
Stoffwechseluntersuchungen dieser Art erhoben wird: dass man nämlich 
sich nur auf die Controlle einer einzigen Substanz beschränke, deren 
Umsatz im Stoffwechsel durch so zahlreiche Factoren und andere Stoffe 
beeinflusst wird. Für Stoffwechseluntersuchungen über den Gesamtnahrungs¬ 
umsatz sind derartige Vorwürfe sicher berechtigt, da hier die eine Sub¬ 
stanz die andere unter gewissen Bedingungen zu vertreten vermag; für 
meine Beobachtungen, in denen es lediglich darauf ankommt, die per os 
zugeführte CaO-Menge wieder in den Excreten (ohne Rücksicht auf ihre 
Verteilung auf Urin und Kot) nachzuweisen, sind sie hinfällig. 

Ich lasse nun die leider nur sehr spärlichen Aufzeichnungen aus 
der Literatur über derartige Untersuchungen an Gesunden folgen. Be¬ 
merken will ich, dass ich — entsprechend der vorn von mir geäusserten 

1) Berliner klin. Wochenschr. 1904. Nr. 41. S. 1068. 

2) Zeitschr. f. klin. Med. 1891. 19. Suppl. S. 197. 

3) Ebenda. 1906. Bd. 58. S. 84. 

4) Mitteil. a. d. Würzburger med. Klin. 1886. 2. 

5) Nothnagel. 1898. S. 198. 

6) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1899. Bd. 42. S. 83. 

7) Ebenda. 1899. Bd. 42. S. 149. 

8) Münchener med. Wochensohr. 1888. Nr. 40. 

9) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1907. Bd. 56. S. 260. 

10) Jahrbuoh f. Kinderheilkunde. 1901. 54. 1. 

11) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1904. Bd. 52. S. 116. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. Bd. 2JJ 


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140 


Al fred Lind*mann, 


Amialmie pine* tagfchc/t ;Kslkoplimnm& bei b.es.tifmrtl£r Nahrung welchem 
sich in -Grenzen zwischen etwa ;VOu nml 3000 ing Cab) bewegt und dessen 
t^ebersehreiten un bedingt zu o e.mfcr eventuell vorühergehendeti RdentiiVn 
lijljri — von einer WiedetgaW ^olcber Fndokdle absehe, aus denen 
aMgeoNclieifdfch. ist, dass .lediglich' eine zu grosse CaO*.Zulöbr Rüber 
3000 (Xig pro Tag); M der hepbachieren Retention geführt hat ffe R bei 
Vo'orhoeve ? 0er ir a m; t Herxheim er. 0ffringa. Buekeiroarin nml 

»Slaal m a. tu.) 

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Itntfr^frl'ungen an Tuhwiilösen bei, Uil ■)* k eirtuum und Swwil (1. t\ | 

U'-Ru-hUten j« eniern Vernein? an einer 2? j&brigcn PtUicmm mit ojuuipler Sklerose 
die Twulvnsr 7,um Ca*Okn:i»ge\nriit l)ie au^edeiuiUMri'iikasticliun^n von Birkrier 
und B/?rg'R sowie von Ktor»e n ) sind für uns.-re Zwecke, nicht heranzu/ieben. weil 
hei don oröteren der grosse erstrebte Gewichts«erlügt die fteuueilung der KesulUto 
trübt und der lütter* seine Versuche mu an li ran km ad er her künstlich durch Sünna 
hv.w. C^lomel in d^r ji6rnjale.n‘ Verd^utirvgsüit^lieit gestörten Menschen anstellie. 

Was .nun die Boobachtangen der einzelnen Autoren .angeht, **<> ist 
zu denselben folgendes -zu bemoxkon: 

Ute rnlorsuehungen Bertram*. ersuheme$ gegen jeden Kipwand 

gesichert. 

15 fa Itsclit.f. Biologie. IfiYi B<U£ ‘S.ßi:X 
*2\ Alle Gewichte sind itt MiHigraHim angegeben, 

Zi B&tliuetWirt. WoDüsusohn ISU7 Kr 2£h S. 4 16 „ 

-\f Skandmai. Aich, f, Hm'oh UI04. Ivo. ik ;s U-i.. 

^ Berliner klm. NVorluiUsehi, H>04. Nf. if. e j'% 



U. Arolu t* bim. Mod 1 ’dU 1. Bd. 70 S. 5R. 
i M ; /viUehr. i. Hin, Med, Ud. V, H. ;> u. »X 
J l) '•Cordialtl. i\ innere M'ed lUtpv dVhrg v dd. Kr, 24. 


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MJESftV BR 5 ITT-ÖF-.M6/f&AN 





Zur Frage der StofTwechselerkrankungen. 


441 


Die Werte für CaO-Ein- und -Ausfuhr im Versuch Herxheimers 
habe ich der Publication Voorhoeves entnommen und muss ich letzterem 
die Verantwortung für die Richtigkeit derselben überlassen; in der mir 
zugängigen Arbeit Herxheimers (l. c.) konnte ich die genannten Werte 
für die Bilanz nicht auffinden, auch schienen mir die Angaben für die 
CaO-Zufuhr nicht so präcise, wie Voorhoeve sie angibt. 

Gegen die Untersuchungen Renvalls ist der Einwand Voorhoeves 
voll berechtigt, dass dieselben in höchst ungenauer Weise angestellt sind 
(keine Stuhlabgrenzung zwischen den 5—8 tägigen Einzelperioden, Ge¬ 
wichtsverlust von 7,8 Pfund in 22 Tagen, jugendliches Alter der Ver¬ 
suchsperson usw.). Wenn auch Renvall obendrein noch an einer Calca- 
rurie leidet (mehr als 50 pCt. des Kalkes werden im Urin ausgeschieden), 
so will es mir aber doch immerhin noch als erlaubt erscheinen, dass 
man die in dem gesamten 32 tägigen Versuch gewonnenen Werte, für 
den eine Kotabgrenzung am Anfang und Ende stattgefunden hat, für 
eine Gegenüberstellung von Einfuhr und Gesamtausfuhr im Urin und 
Kot — aber auch nur für diese — verwerten darf. Störend für die 
Beurteilung bleibt allerdings immer der Umstand, dass im Laufe des 
Versuches die Menge des täglich zugeführten Kalks in relativ weiten 
Grenzen wechselt. Diese Tatsachen, vor allem aber wohl das jugend¬ 
liche Alter, dürften die Retention von 5,5 pCt. bedingt haben. 

Zu den Resultaten Oeris bemerkt dieser selbst, „die Bilanz zeigt 
ein geringes Deficit, das vielleicht mit der Abnahme des Körpergewichts 
in Zusammenhang steht. Auch in der Literatur finde ich öfter geringe 
Kalkverluste verzeichnet; allerdings sind dieselben einerseits fast durch¬ 
weg kleiner und andererseits ist die Einfuhr wesentlich geringer als in 
unserem Fall“. Mir scheinen die von Oeri als zulässig bezeichneten 
Fehler von 5—lOpCt. bei der CaO-Bestimmung im Urin als etwas weit 
begrenzt, so dass wohl hierin teilweise die Differenz begründet sein kann; 
auch ist die Milch bei einer täglichen Zufuhr von 1500 ccm mit einem 
CaO-Gchalt von nur 0,147 pCt. in Rechnung gestellt. 

Die Kalkretention im Falle Offringa ist wohl dadurch bedingt, 
dass die tägliche CaO-Zufuhr sich mit 2689,4 mg der höchst zulässigen 
Grenze nähert, bei der der normale Mensch physiologischerweise einen 
Teil des zugeführten Kalks retiniert. Der von Voorhoeve nachgewiesene 
Rechenfehler ist Offringa tatsächlich unterlaufen: Die tägliche Bilanz 
ist, genau berechnet, mit 115 mg positiv (statt +26 nach Offringa 
und +116 nach Voorhoeve). 

Voorhoeves Versuch ist einwandsfrei durchgeführt und ergibt brauch¬ 
bare Resultate. 

Auch aus diesen Protokollen kann man mit Sicherheit keine be¬ 
stimmten Normen für die Höhe eines menschlichen Kalkbedürfnisses 
herauslesen. Deutlich erkenntlich ist dagegen die Tendenz des gesunden 
Organismus, sich auf ein Kalkstoffwechselgleichgewicht einzustellen, d. h. 
die Grösse der Ausfuhr nach der der Einfuhr zu regeln. Die teilweise 
recht grossen Differenzen in der Bilanz (bis 3,7 pCt.) beruhen wohl 
zum Teil auf den bereits erwähnten Momenten (Gewichtsverlust während 

29* 


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442 


Alfred Lindemann, 


des Versuchs; eventuell zu niedrige Bewertung des Kalkgchalts einiger 
Nahrungsmittel, z. B. der Milch) oder auf unvermeidlichen Versuchsfehlern, 
die ich später bei Besprechung meiner eigenen Resultate genauer erörtern 
werde. Jedenfalls befinde ich mich aber im Einverständnis mit einer 
Anzahl von Voruntersuchern, wenn ich für gesunde, während der Zeit 
eines Kalkstoffwechselversuches gleichmässig ernährte Erwachsene bei 
nicht zu reichlicher Kalkzufuhr — als wahrscheinliches Optimum möchte 
ich die Menge von 1500—2000 mg bezeichnen — das Vorhandensein 
eines Kalkstoffwechselgleichgewichts voraussetze. Und weiterhin wird ein 
Vergleich der einzelnen Untersuchungsresultate meiner verschiedenen Ver¬ 
suchspersonen untereinander um so mehr berechtigt sein und um so be¬ 
wegendere Schlüsse erlauben, solange die Nahrungszufuhr in jedem 
Versuch und die Bedingungen des letzteren vollkommen die gleichen sind. 
Ich habe deshalb als Grundlage meiner Versuche täglich zirka 1680 bis 
1860 rag CaO bei möglichst gleichbleibender Nahrung und Bettruhe ver¬ 
füttert und fand dementsprechend bei Individuen mit normalem Kalkstoff¬ 
wechsel in wiederholten Versuchen die gesamte zugeführte Kalkmenge 
in den Excreten wieder. 

So viel über die Verhältnisse im gesunden Organismus. Eine aller¬ 
dings recht kleine Reihe von Untersuchungen [von Noorden u. Belgard t 1 ), 
Hudler 2 ), Hirschberg 3 )] haben nun gezeigt, dass bei bestimmten Formen 
chronischer Gelenkerkrankungen, in denen es entweder zu einem patho¬ 
logischen Anbau (Deformierungen, Spangenbildung usw.) oder Abbau von 
Knochensubstanz (Lacunenbildung?) kommt, der Kalkstoffwechsel in be¬ 
stimmter Richtung gestört ist, sei es in Form einer Retention oder Mehr¬ 
ausschwemmung über die Einfuhr. Leider sind einige weitere Berichte 
der Literatur über Untersuchungen im gleichen Sinne für unsere Zwecke 
unbrauchbar, weil jeweilig ein wichtiger Factor ausser Acht gelassen ist, 
sei es, dass entweder die Bestimmung der mit der Nahrung zugeführten 
Calciummengcn nicht in genügend genauer Weise vorgenommen ist [Rum pf 4 )], 
oder lediglich die im Urin ausgeschiedenen Kalkmengen bestimmt wurden 
[Schüller 3 )]. 

Werfen wir nun die Frage auf, ob man überhaupt berechtigt ist, 
aus einer solchen negativen oder positiven Kalkbilanz Schlüsse zu ziehen 
auf eventuelle Knochengewebseinschmelzung oder -neubildung im kranken 
Organismus, so möchte ich mit Nachdruck darauf hinweisen, dass kleine 
Differenzen zwischen Ein- und Ausfuhr überhaupt nicht zur Grundlage 
einer derartigen Beurteilung gemacht werden dürfen; diese müssen viel¬ 
mehr mit Rücksicht auf die zahlreichen nicht zu umgehenden Versuchs¬ 
fehler (tageweise verschiedener Gehalt der Milch an CaO, geringfügige 
Verluste bei Gewinnung resp. Abgrenzung der Excrete, zulässige Rechen¬ 
fehler bei der Berechnung der nur in Stichproben angestellten Analysen usw.) 
übersehen werden. Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus die 

1) Berliner klin. Wochenschr. 1894. Nr. 10. S. 235. 

2) Inaug.-Diss. Leipzig 1908. 

3) Berliner klin. Wochenschr. 1911. Nr. 46. 

4) Ebenda. 1897. S. 263. 

5) Ebenda. 1900. Nr. 5IT. 


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Zur Frage der StofTwechselerkrankungen. 


443 


in Tabelle I gegebenen Protokolle aus der Literatur über Stoffwechsel¬ 
untersuchungen an Gesunden, so finden wir auch hier geringfügige 
Differenzen nach Plus und Minus; trotzdem trete ich der Mehrzahl der 
betreffenden Autoren bei, die diese Resultate als normale betrachten und 
annehmen, dass sich die betreffenden Versuchspersonen im Kalkstoffwechsel¬ 
gleichgewicht befunden haben. Auch meine weiter unten folgenden Be¬ 
obachtungen an Patienten mit normalem Kalkstoffwechsel weisen der¬ 
artige geringfügige Differenzen, wenn auch meist in kleinerem Masse, auf. 
Ich halte mich dementsprechend für berechtigt, derartige tägliche Ab¬ 
weichungen bis etwa 30 mg zur negativen oder positiven Seite (bis etwa 
90 mg = 1,5 pCt. der Zufuhr in dreitägiger Periode) als Versuchsfehler 
irgendwelcher Art zu bezeichnen. Hiermit soll keinesfalls gesagt sein, 
dass diese geringen Differenzen zwischen Ein- und Ausfuhr im gegebenen 
Fall nicht bereits das erste Zeichen einer Stoffwechselstörung darstellen 
können; nur will es mir dünken, dass aus derartig geringen Abweichungen 
bei gerechter Würdigung unserer klinischen und chemischen Untersuchungs¬ 
technik keine bindenden Schlüsse erlaubt seien. Nicht unerwähnt will ich 
lassen, dass 0. Cohnheim in seinem Lehrbuch 1 ) der Meinung Ausdruck 
gibt, dass kurzdauernde Versuche der Gegenüberstellung von Kalkein- und 
-ausfuhr diagnostisch nicht besonders verwertbar seien, weil Kalk, Magnesia 
und Phosphorsäure vom menschlichen Organismus nur ganz langsam aus¬ 
geschieden würden. Demgegenüber möchte ich feststellen, dass ich ein¬ 
mal mich mit der Grösse der verfütterten Kalkmengen im Bereich der¬ 
jenigen Werte hielt, bei deren Zufuhr der Mensch sich anerkannter- 
massen in ein Kalkgleichgewicht einstellt (vgl. Tabelle 1), dass anderer¬ 
seits der Stoffwechselversuch stets über eine längere Zeit (3 resp. 6 Tage) 
ausgedehnt wurde und bei derartiger Anordnung fast stets gleichwertige 
Resultate ergab. 

Die umstehende Tabelle II (cf. folgende Seite) enthält die bisher in 
der Literatur niedergelegten Protokolle über Kalkstoffwechselversuche in 
Fällen von chronischer Gelenkerkrankung. 

Ueber die von von Noorden und Belgardt publicierten Fälle 
konnte ich ausser den in der Tabelle II beigebrachten Werten keine 
weiteren Angaben in der Literatur auffinden, v. Noorden stellte in 
seinem diesbezüglichen Vortrage 2 ) eine weitere Publication über diese 
Beobachtungen in Form einer lnaugural-Dissertation Belgardts in Aus¬ 
sicht; ob eine solche erschienen ist, kann ich nicht entscheiden. Jeden¬ 
falls ist es mir trotz vieler Bemühungen nicht gelungen, dieselbe zu 
finden. Trotzdem wollte ich diese, wenn auch nur äusserst unvoll¬ 
ständigen Protokolle nicht völlig übergehen, weil sie doch die erste 
Berichterstattung über die in Frage stehenden Untersuchungen darstellen. 

Fall 4 und 5 (Hirschberg) stellen meiner Meinung nach einwands¬ 
freie Fälle einer Kalkretention bei chronischem Gelenkrheumatismus 
dar. (Aufspeicherung von 11,2 pCt. bzw. 39 pCt. der zugeführten CaO- 
M engen.) 


1) Die Physiologie der Verdauung und Ernährung. 1908. S. 352. 

2) Berl. klin. Woohenschr. 1894. Nr. 10. S. 235. 


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444 


Alfred Lindemann, 


Tabelle II. 


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Anfuhr 

CaO-Ausfubr 



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*T3 

a 

d 

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Autor 

Krankheit 

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r a a 
u 

d -o 

s § 

o 3 

zufuhr 

an CaO 

pro 

Tag 

im 

Urin 

pCt. des 
aufgenora- 
menon CaO 

im Kot 

Total- 

Ausfubr 

Bilanz 
pro Versuch 


1 

v. Noorden 
und Belgardt 

Arthritis deformans 
(Fall Z) 

y 

? 

y 

y 

y 

y 

y 

+ 1280D 
pro Tag 


2 

v. Noorden 
und Belgardt 

Arthritis deformans 
(Fall L) 

y 

V 

V 

V 

y 

y 

y 

+ 750 
pro Tag 


3 

v. Noorden 
und Belgardt 

Subacut. Gelenkrheu¬ 
matismus 

y 

y 

y 

y 

y 

y 

y 

— 420 
pro Tag 


4 

Hirschberg 

Chron. Gelenkrheuma¬ 
tismus (Frau R.) 

3 

55802) 

1860 

600 

10 

4300 

4900 

+ 680 

11.: 

5 

Hirschberg 

Chron. Gelenkrheuma¬ 
tismus (Fräulein B.) 

3 

4S00 

1600 

180 

3,75 

2800 

2980 

+ 1820 

3’? 

6 

Hirschberg 

Chron. ankyl. Spondy¬ 
litis (Morbus Bccii- 
terew) (Herr Sch.) 

3 

4800 

1600 

130 

2 

4700 

4830 

— 30 

n.r:; 

7 

Hudler 

j Untersuchungen am 
> gleichen Kranken 

5 

13250 

2650 

1785,2 

13,5 

6627,5 

8412,7 

+ 4837,3 1 2 3 > 

3»’4 

8 

Hudler 

1 zirka 3 Jahre früher 

' 12 

11400 

950 

4055,9 

35,5 

10905,9 

14961,8 

— 3561.8 

«M 0 

9 

Hirse hb erg 

Chron. ankyl. Spondy¬ 
litis (Strümpell- 
Marie) (Frau W.) 

! 3 

55802) 

1860 

94 

! 1.7 

i 

1 

2600 

2694 

+ 28S6 

51-: 

10 

Hirschb erg 

Chron. Gelenkrheuma¬ 
tismus (Frau M.) 

3 

55802) 

1860 

500 

9,0 

4050 

4550 

+ 1030 

li» 

11 

Hirschberg 

Chron. Gelenkrheuma¬ 
tismus (Frau K.) 

3 

4800 

1600 

1300 

30 

3100 

4400 

+ 400 

8.4 

12 

Hirschberg 4 ) 

Chron. Gicht (Herr G.) 

3 

55802) 

1860 

3500 

62,5 

4500 

8000 

— 2420 

m 

13 

Hirschberg 

Acute Gicht (Frau Sch.) 

3 

4800 

1600 

3100 

64,5 

2700 

5800 

— 1000 

*>« i. • 


Besonders lehrreich sind die Beobachtungen 6, 7, 8 an einem Pa¬ 
tienten mit Bechterewscher Krankheit. Im Jahre 1907 stellte Hudler 
bei Gelegenheit seiner Untersuchungen an diesem Kranken fest, dass in 
einer fünftägigen Periode bei täglicher Zufuhr von 2650 mg CaO ins¬ 
gesamt 4837,3 mg retiniert und in einer gleich darauffolgenden 12tägigen 
Periode bei täglicher Zufuhr von 950 mg insgesamt 3561,8 mg CaO aus¬ 
geschwemmt wurden. Aus diesen Befunden ist nun aber keinesfalls der 
Schluss erlaubt, dass der in Frage stehende Patient an einer Störung 
des Kalkstoffwechsels leidet; vielmehr scheint mir hierein grosser Irrtum 
in der Versuchsanordnung vorzuliegen, insofern als dem Kranken in der 
ersten fünftägigen Periode eine zu reichliche Menge CaO (2650 mg) zu¬ 
geführt wurde, deren Ueberschuss dann, analog den Beobachtungen Voor- 

1) Alle Gewichte sind in Milligramm angegeben. 

2) In seiner Tabelle gibt Hirschberg 5,6 g, im ausführlichen Protokoll 5,58 g 
als CaO-Einfuhr an. 

3) Die anderslautenden Zahlen Hudlers finden ihren Ursprung in einem Rechen¬ 
fehler dieses Autors. 

4) Für alle hier erwähnten Fälle Hirschbergs konnte aus der Grösse des 
Trockenkotes und dem pCt-Gebalt desselben an CaO die Kalkausscheidung im Kot 
berechnet werden. In Hirschbergs Tabelle folgen hier zwei Fälle, in denen dies 
mangels Angaben über die Grösse des Trockenkots nicht gelang; dieselben sind des¬ 
wegen fortgelassen. 


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Zur Frage der StofTwechselerkrankungen. 


445 


hoeves, nach anfänglicher Aufspeicherung bei Verfütterung eines wesent¬ 
lich geringeren täglichen CaO-Quantums (950 mg) in der anschliessenden 
zweiten Periode fast ganz zur Ausscheidung kommt, sodass jetzt die 
Kalkbilanz negativ wird. Dass dieser Erklärungsversuch für die schein¬ 
bar widersprechenden Resultate der Hudlerschen Versuche auf richtiger 
Basis beruhen, zeigen die 3 Jahre später gewonnenen Untersuchungs¬ 
ergebnisse Hirschbergs am gleichen Patienten, der nur 1600 mg CaO 
täglich verfütterte. Bei dieser Versuchsanordnung schied der Kranke in 
dreitägiger Periode bei einer Gesamtzufuhr von 4800 mg CaO 4830 mg 
in Urin und Kot aus, sodass die Ausfuhr die Einfuhr sogar noch um 
30 mg (= 0,63 pCt. der Gesamtzufuhr) überschreitet. Meiner Auffassung 
nach befindet sich demnach der in Frage stehende Patient im Kalkstoff¬ 
wechselgleichgewicht, wobei ich die Differenz von 30 mg CaO in 3 Tagen, 
analog meinen Darlegungen weiter oben, für die Folgen von Versuchs¬ 
fehlern usw. ansehen möchte. Hirschberg selbst kam allerdings zu 
der entgegengesetzten Auffassung einer Kalkretention auf Grund einer be¬ 
reits als irrtümlich bezeichneten Ueberlegung, dass eine Verminderung 
der Kalkausscheidung im Urin unter 10 pCt. der Einfuhr — der betreffende 
Kranke schied in 3 Tagen nur 130 mg CaO = 2 pCt. im Urin bei einer 
Gesamtzufuhr von 4800 mg aus — zur Annahme einer Anomalie im 
Kalkstoffwechsel berechtige; er übersah dabei aber die chronische Ne¬ 
phritis des Kranken, die nach den Erfahrungen von Dennstedt und Rumpf 
(1. c.), Brauneck (1. c.), sowie von Noorden und Ritter (1. c.) für die 
verminderte Kalkausfuhr im Urin einen hinreichenden Grund abgibt. Von 
besonderem Interesse scheint mir eine Gegenüberstellung der Urinbefunde 
Hudlers und Hirschbergs zu sein: ersterer fand in der Retentions¬ 
periode eine CaO-Ausfuhr im Urin von 13,5 pCt. .der Gesaratzufuhr und 
in der Ausschwemmungsperiode eine solche von 35,5 pCt., während 
Hirschberg nur 2 pCt. des insgesamt zugeführten CaO im Urin wieder¬ 
fand. Dementsprechend finden sich im Protokoll Hudlers keinerlei An¬ 
gaben über eine etwa bestehende Nephritis, während Hirschberg 3 Jahre 
später analog der verminderten CaO-Ausscheidung im Urin eine chro¬ 
nische Nephritis mit Albuminurie bis 2 pM. und Ausscheidung von 
hyalinen und granulierten Cylindern festzustellen vermochte. Von diesen 
Gesichtspunkten ausgehend wird man auch den Misserfolg der diätetischen 
Therapie erklären können; nach Hirschberg war die Besserung nur 
eine geringe und vorübergehende; im Verlauf einer langdauernden 
Krankenhausbehandlung nahm der Process unaufhaltsam zu. 

Die folgenden zwei Beobachtungen Hirschbergs (9 und 10) scheinen 
mir wieder gegen jeden Zweifel gesichert. Anders dagegen Fall 11, den 
ich auf Grund meiner Auffassung, unter Einbeziehung des Kotkalks in 
die Beurteilung, für eine Stoffwechselstörung ansehen muss. Auch in 
diesem Falle Hess Hirsch berg sich lediglich durch die Werte des Urin¬ 
kalks leiten und sprach, unter Ausserachtlassung der Werte für den 
Kotkalk, diesen Stoffwechsel als einen normalen an, weil 30 pCt., also 
weit mehr als die angebliche Norm von 10 pCt. des per os zugeführten 
CaO im Urin wieder ausgeschieden wurden. Betrachtet man aber den 
Gesamtstoffwechsel, so sieht man, dass von 4800 mg CaO insgesamt 


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AIfred Lindemann, 

nur 4400 in Urin und Kot sich wiederfinden, sodass also 400 mg oder 
8,4 pCt. der Gesamtzufuhr im Organismus retiniert worden sind. 

Hiermit wären die Literaturangaben über Kalkstoffwechselunter¬ 
suchungen mit positiver Bilanz in Fällen chronischer Gelenkerkran¬ 
kungen erschöpft. Was nun die Beurteilung derartiger stärkerer Kalk¬ 
retentionen angeht, so stimme ich von Noorden völlig bei, wenn er die 
Zurückhaltung knochenbildender Mineralien in bestimmte Beziehungen 
zum örtlichen Process bringt und als sicheren Beweis dafür anspricht, 
dass sich der betreffende Kranke in einer Periode lebhafter Neubildung 
von Knochensubstanz befindet. Die Frage der Aetiologie soll hier nicht 
discutiert werden. 

Das Entgegengesetzte wäre im Falle einer negativen Kalkbilanz an- 
zunehraen. Für den citierten Fall von Gelenkrheumatismus (von Noorden 
und Belgardt, Nr. 3) hält es von Noorden wohl für möglich, dass zu¬ 
folge der durch lange Bettruhe bedingten Inactivitätsatrophie der Bewegungs¬ 
organe von den nicht ordnungsgemäss gebrauchten Knochen Substanz ab¬ 
schmilzt, sodass die mineralischen Bestandteile des Knochengewebes in den 
Excreten erscheinen (420 mg pro Tag). Dass eine solche Knochen- 
einschraelzung bei acutem Gelenkrheumatismus statthat, zeigt uns das 
Röntgenogramm im geeigneten Fall. 

Eine ähnliche Veränderung, d. h. ein Verschwinden von Knochen¬ 
substanz, an deren Stelle dann harnsaure Salze treten, finden wir bei 
der Gicht. Vielleicht sind in diesem Sinne die zwei von Hirschberg 
.untersuchten Fälle von Gicht mit stark negativer Kalkbilanz aufzufassen 
(Nr. 12 u. 13, Tab. II), die dieser allerdings als im Kalkstoffwechsel¬ 
gleichgewicht stehend bezeichnet (mit Rücksicht auf die Werte für den 
Urinkalk), die aber unter Einbeziehung des Kotkalks eine stark negative 
negative Bilanz aufweisen. 

Nach diesen Vorbesprechungen möchte ich zur Darlegung meiner 
eigenen Beobachtungen übergehen. 

Meine Untersuchungen erstrecken sich lediglich auf Fälle von 
schweren chronischen Gelenkerkrankungen mit mehr oder weniger hoch¬ 
gradigen Knochenveränderungen, sowie von chronisch ankylosierender 
Spondylitis (Morbus Strümpell-Marie). Bei mehreren dieser Kranken 
wurde ebenfalls der Purinstoffwechsel geprüft; die Protokolle über diese 
Untersuchungen sind in möglichster Kürze mitgeteilt. 

Von äusserster Wichtigkeit für das Gelingen des Kalkstoffwechsel¬ 
versuches und die Gewinnung möglichst einwandsfreier Resultate ist nun, 
wie bereits betont wurde, die Herrichtung der Probediät und eine pein¬ 
liche Aufmerksamkeit für zahlreiche Momente während des Versuches. 
Mit folgender Anordnung glaube ich nach Möglichkeit Fehler und Un¬ 
genauigkeiten ausgeschaltet zu haben: Die zu untersuchenden Patienten, 
die keine der oben genannten den Kalkumsatz störenden Leiden auf¬ 
wiesen (Phosphaturie, Verdauungsstörungen, Nephritis usw.), wurden bei 
Bettruhe drei bis fünf Tage mit einer wenig kalkreichen Diät (ca. 1000 mg 
pro Tag) ernährt und während dieser Zeit bereits in der geeigneten Ent¬ 
leerung und Aufbewahrung ihrer Excremente angelernt. Die auf diese 


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Zur Frage der Stoffweohselerkrankungen. 


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Weise vor Beginn des eigentlichen Stoffwechselversuches erreichte Reini¬ 
gung des eventuell mit Calciumsalzen überladenen Organismus schien uns 
von besonderer Wichtigkeit; vor allem mit Rücksicht auf die schon beim 
Gesunden einsetzende Retention von CaO bei allzu reichlicher, das 
Optimum des betreffenden Menschen überschreitender Zufuhr von Kalk, 
die naturgemäss zufolge der nun langsam vor sich gehenden Eliminierung 
der noch überschüssigen Kalksalze zu einer Mehrausscheidung über die 
Zufuhr in der Periode des eigentlichen Stoffwechselversuches führen würde. 
Zeigt sich eine solche verschleppte Ausscheidung — allerdings bei Ver- 
fütterung grosser Dosen — schon beim Gesunden (cf. Voorhoeve und 
den citierten Fall von Hudler), so umsomehr noch beim Stoffwechsel¬ 
gestörten, bei dem eventuell Resorption oder Ausscheidung in irgend 
einer Richtung gestört sind. Die Befürchtung, dass durch eine solche 
kurzfristige Beschränkung in der Zufuhr eine Kalkverarmung des Körpers 
eintreten und dadurch eine Retention des nun in der Zeit des Stoff- 
wechselversuchcs zugeführten Kalkes sich ereignen könnte, ist nach den 
Resultaten meiner Untersuchungen an Stoffwechselnormalen als hinfällig 
zu bezeichnen. Es ist auch kaum anzunehmen, dass beim Erwachsenen 
eine über nur drei Tage fortgesetzte geringfügige Kalkbeschränkung der¬ 
artige Folgen zeitigen könnte. 

Nachdem auf diese Weise der infolge zu reichlicher Zufuhr eventuell 
überschüssige Kalk aus dem Organismus ausgeschwemmt ist, gab ich in 
der Nacht vor Beginn des eigentlichen Stoffwechselversuches (ca. 6 Stunden 
nach Beendigung der Abendmahlzeit) ca. 1 / 2 g Carmin zwecks Abgrenzung 
des Kotes und begann am nächsten Morgen für drei Tage mit der Ver- 
fütterung der von Hirschberg zusammengestellten Versuchsdiät 1 ). Diese 
besteht pro Tag aus: 

200 g Reis mit Bouillon aus Liebigs Fleischextrakt (kalkfreies 
Wasser), 

200 g Aleuronatbrot, 

100 g geschabtes Rindfleisch, 

1000 g Vollmilch (Kalkgehalt 1600 mg); 

dazu Honig und 2 Flaschen kalkfreien Selterswassers. 

Die Menge des mit dieser Diät aufgenommenen Kalks beträgt pro 
Tag 1860 mg, für den dreitägigen Versuch 5580 mg CaO. In zwei 
Fällen wurden neben einem Liter Vollmilch pro Tag nur kalkfreie Zu¬ 
lagen (Honig, Aleuronatbrot, Selterswasser) verfüttert, sodass in den drei 
Versuchstagen insgesamt nur 4800 mg CaO dem Organismus zugeführt 
wurden. Hirschberg betont als besonders vorteilhaft, dass in beiden 
Formen der Versuchsdiät die Milch die wesentlichste Quelle für den 
Nahrungskalk bildet; ein Umstand, der deshalb von besonderer Bedeutung 
ist, weil wir wissen, dass der Kalk der einzelnen Nahrungsmittel, ins¬ 
besondere wenn er in organischer oder anorganischer Bindung dem Körper 
zugeführt ist, verschieden vom Organismus resorbiert bzw. ausgeschieden 

1) Der Umstand, dass ich die gleiche Versuchsdiät wie Hirschberg benutzte, 
will mir für die Beurteilung der von uns beiden gewonnenen Resultate und für den 
Vergleich derselben von besonderer Wichtigkeit scheinen. 


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Alfred Lindemann, 


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wird. Geringe Abweichungen in der CaO-Zufuhr kamen dadurch zu¬ 
stande, dass die Versuchspersonen nicht die gesamte zugewiesene Nahrung 
bewältigen konnten oder wegen grossen Appetits noch Zulagen (in Form 
von Milch) erhalten mussten. Diese Aenderungen wurden durch Zurück¬ 
wiegen der betreffenden Reste oder Zuwiegungen festgelegt. 

Die Berechnung des Verbrennungswertes der Probediät ergibt, dass 
bei regelrechter Einnahme derselben täglich ca. 2250 Calorien der Ver¬ 
suchsperson zugeführt werden. Da diese Menge für eine ruhende Person 
eine hinreichende Ernährung darstellt, beobachteten wir auch durchweg 
keine Gewichtsabnahme während der Zeit des Versuches. Dieser Um¬ 
stand ist keineswegs zu vernachlässigen, denn nach Müller 1 ) ist im 
Hungerzustande der Kalkstoffwechsel wesentlich gestört, insofern als 
sodann durch Körperzerfall freiwerdendes CaO im Kot erscheint. 

In der auf den Stoffwechselversuch folgenden Nacht erfolgte eine 
erneute Kotabgrenzung mittels Carmin. 

Diese Abgrenzungen auf leeren Magen bewährten sich ausgezeichnet; in manchen 
Fällen wurde nur eine ganz kleine rotgefärbte Kotsäule als Grenze abgesetzt. Zum 
Zwecke der Controlle, ob etwa in den nun folgenden Tagen ein nachträgliche Aus¬ 
scheidung von Kalksalzen in den Dickdarm das Resultat des Stoffwechselversuches 
nicht trüben würde, habe ich in mehreren Fällen bei sofort nach Ablauf des Versuches 
neu einsetzender kalkarmer Ernährung die nächstfolgenden Kotentleerungen einer 
Untersuchung unterworfen; dieselben enthielten nur ganz geringe Mengen CaO, wie 
wir sie bei kalkarmer Diät zu finden gewohnt waren. 

Bei der Auffangung des Urins wurde selbstverständlich darauf ge¬ 
achtet, dass am Anfang und Ende der Versuchszeit die Blase völlig ent¬ 
leert war. Die Zeit der Menstruation habe ich bei Anstellung des 
Stoffwechsels stets gemieden. 

Es ist selbstverständlich, dass schon einige Zeit vor Anstellung des 
Versuches und während desselben von jeglicher medieamentösen oder 
sonstigen Therapie abgesehen wurde. 

Die gesamten chemischen Untersuchungen wurden in der chemischen 
Abteilung des städtischen Rudolf Virchow-Krankenhauses nach der Aron- 
schen Methode ausgeführt, und zwar stets als Doppelanalysen von 2 g 
Trockenkot bzw. 200 g Urin der in den drei Tagen ausgeschiedenen 
Excremente. 

Bestimmte Ueberlegungen veranlassten hierbei Gutmann zu einer Abänderung 
des ursprünglichen Aron sehen Verfahrens 2 ). Für die Calciumbestimmung in 
organischen Substanzen ist das Verfahren von Aron nur dann geeignet, wenn die 
Menge der Alkalien eine bestimmte Concentration nicht überschreitet, da sonst bei der 
Alkoholfällung Alkalien mitgerissen und mitbestimmt werden. Auch kommt es vor, 
dass bei der Säuregemischveraschung Calciumverbindungen an der Kolbenw^and an¬ 
gebrannt werden, die bei dem Sammeln des Calciumsulfats nur äusserst unvollkommen 
entfernt werden können, ln Anlehnung an das Aronsche Verfahren führt deshalb 
Gut mann das ausgefällte Calciumsulfat durch Kochen mit Sodalösung in Calcium¬ 
carbonat über und fällt das Calcium in ganz schwacher essigsaurer Lösung mit 
Ammoniumoxalat. 

1) Zeitschr. f. Biologie. 1S*4. Bd. 20. S. 327. 

2) Biochem. Zeitschr. Bd. 58. H. 6. S. 470. 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


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Ich gehe nun zur Darlegung meiner Untersuchungsresultate über; 
und zwar bespreche ich zunächst die Fälle mit normaler Bilanz. 

Fall l. M. Sch., 65jähr. Frau, Nr. 1089/1913. Diagnose: Chronische 
deformierende Gelenkerkrankung. Bis zum Einsetzen des Klimakteriums vor 
15 Jahren ist Pat., abgesehen von einem Wochenbettfieber, stets gesund gewesen. Im 
Verlauf der Wechseljahre traten jeweilig zur Zeit, wenn die Menstruation einsetzen 
sollte, Eruptionen von Wasserblasen an den Innenflächen der Hände auf. Im 
August 1910 bekam Pat. plötzlich ein steifes Genick „infolge von Zug u . Allmählich 
griffen Schmerzen und Versteifung auf die Ellbogen-, Hand-, Fuss- und besonders 
Kniegelenke über. Im Verlaufe einer zweimonatigen Krankenhausbehandlung Anfang 
1911 (Bäder, Phoenix, Radiuminhalationen) besserte sich der Zustand derart, dass 
die Frau für etwa D/o Jahre alle Hausarbeit verrichten konnte. Eine neue Ver¬ 
schlechterung setzte im Oktober 1912 ein und erstreckte sich besonders auf die Knie- 
und Handgelenke. Status: Alte Frau in leidlichem Ernährungszustände. Herz, 
Lungen, Bauchorgane und Nervensystem ohne krankhaften Befund; Blut: aus¬ 
gesprochene Lymphocytose (34 pCt); Wassermannsche Reaction negativ; Urin: 
Eiweiss —, Sediment 0. Die Contouren der Hand-, Finger- und besonders der Knie¬ 
gelenke sind fast ganz verwischt: Auftreibungen, Bewegungsbeschränkungen, Ver¬ 
dickungen der Gelenkkapseln, geringfügige Deformierungen. Röntgenuntersuchung: 
Starke Atrophie der Knochen beider Hände; Interpbalangealgelenke in Beugestellung 
und fast verstrichen; Carpus zusammengedrängt; Gelenkfläche zwischen Ulna und 
Radius erscheint zackig. Knie ebenfalls atrophisch; Gelenkspalt verstrichen (Professor 
Levy-Dorn). 

Ein nach der vorn skizzierten Methode angestellter Kalkstoffwechsel¬ 
versuch ergab folgendes Resultat: 

Gesamtzufuhr an CaO in 3 Tagen. 5580 mg 

(also pro Tag 1860 mg) 

/ Menge: 3200 g \ 

CaO-Ausfuhr im Urin: j Spec. Gew.: 1015 > 1978 mg 

1 Reaction: sauer * 
in pCt. der Zufuhr 35,5 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (67,9 g Trockenkot) 3639 „ 
Gesamtausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . 5617 „ 

Bilanz.— 37 „ 

in pCt. zur Zufuhr. 0,6 pCt. 

Innerhalb dreier Tage erfolgt also bei einer Zufuhr von 5580 mg 
eine Ausscheidung von 5617 mg, mithin eine Ausschwemmung von 37 mg 
pro 3 Tage. Mit Rücksicht auf die vorn besprochenen Versuchsfehler 
stehe ich nicht an, diesen Stoffwechsel als einen normalen zu bezeichnen 
und die Patientin als im Kalkstoffwechselgleichgewicht sich befindlich 
zu betrachten. Von einer diätetischen Behandlung mit kalkarmer Diät 
wurde daher Abstand genommen. 

Fall 2. P. II., 52jähr. Frau, Nr. 1633/1912. Klinische Diagnose: 
Chronische deformierende Gelenkerkrankung. In der Jugend keine 
schwereren Erkrankungen; vor 10 Jahren Bruch des rechten Vorderarms. Seit 
5 Jahren Schwellungen, Bewegungsbeschränkungen anfänglich in den Gelenken der 
rechten unteren Extremität, später auch in Händen, linkem Fuss, Knie und Nacken. 
Starke Schmerzen sind niemals aufgetreten; nur bei Bewegung der Glieder nach 
längerer Ruhelage unangenehme Sensationen, die aber nach einiger Zeit nachlassen. 


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Menopause seit 2 Jahren. Keine Geburten. Status: Kleine schwächliche Frau; ge¬ 
ringes Fettpolster; atrophische Musculatur. Typische Veränderungen der chronischen 
deformierenden Arthritis (Ankylosen, Osteophytenbildung, Deformierungen) im Bereich 
der Schulter-, Hand-, Finger-, Knie- und Fussgelenke. Röntgenogramm der Hände: 
Processus styloideus ulnae beiderseits deformiert. An den Contouren der kleinen 
Knochen sieht man verschiedentlich Unregelmässigkeiten: Zacken, Auflagerungen. Die 
Gelenkflächen der Phalangen zeigen ähnliche Veränderungen; ausserdem als Ausdruck 
der Contractur Uebereinanderlagerungen. Am stärksten betroffen erscheint der kleine 
Finger rechts (Prof. Levy-Dorn). Cor: alte Mitralinsufficienz. Lungen und Bauch¬ 
organe ohne wesentliche Besonderheit. Blutbild: relative Lymphocytose (32 pCt.) 
Wassermannsohe Reaction negativ. Urin: Eiweiss negativ, Sediment 0. 

Ein über drei Tage durchgeführter Kalkstoffwechsel ergab folgendes 
Resultat: 

Gesamtzufuhr an CaO in 3 Tagen. 5580 mg 

(also pro Tag 1860 mg) 

{ Menge: 2810 ccm \ 

Spec. Gew.: 1012 > 330 mg 
Reaction: sauer J 
in pCt. der Zufuhr 5,92 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (63 g Trockenkot) 5334 „ 


Gesamtausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . 5664 „ 

Bilanz.— 80 „ 

in pCt. zur Zufuhr.1,45 pCt. 


Entsprechend den vorn aufgestellten Grundsätzen ist dieser Stoff¬ 
wechsel als ein normaler zu bezeichnen (tägliche Differenz 26,6 mg CaO); 
die Ausfuhr hält fast der Einfuhr das Gleichgewicht. Dementsprechend 
brachte eine über 40 Tage (unter zeitweiliger Einschaltung eines anderen 
Regimes) durchgeführte kalkarme Ernährung keine nennenswerte Aenderung 
des Krankheitsbildes. Auch die Behandlung mit Fangopackungen, Radium- 
kataphorese-, Licht-, Solbädern, Massage, medico-mechanischen Uebungen 
blieb resultatlos. 

Fall 3 . Fr. B., 56jähr. Frau, Nr. 6033/1911. Klinische Diagnose: 
Chronische deformierende Gelenkerkrankung. Früher angeblich stets gesund. 
Seit 4 1 /*, Monaten Schmerzen, Schwellungen und zunehmende Versteifung in beiden 
Knie-, Ellbogen-, Handgelenken und besonders im Kiefergelenk. Menopause seit 
8 Jahren. Status: Mittelkräftige Frau in leidlichem Ernährungszustände. Innere 
Organe ohne nachweisbar krankhaften Befund; Blutbild: relative Lymphocytose 
(29pCt.); Wassormannsche Reaction —; Urin: Eiweiss —; Sediment: Epithelien. 
Beide Knie-, Ellbogen- und Handgelenke versteift und hochgradig schmerzhaft bei Be¬ 
wegungen; leichte Ulnardeviation der Hände. Kiefergelenke derart in der Bowegung 
beschränkt, dass bei OelTnung des Mundes nur ein Spalt von etwa 1 cm zwischen den 
Zahnreihen frei wird. Röntgenbild: Linke Hand: Knorpelschwund an einzelnen 
Interphalangealgelenken; Zuspitzung und Zackonbildung, besonders am Grundgelenk 
des 3. und 5. Fingers. Rechte Hand: Processus styloideus ulnae etwas deformiert; Os 
triquetrum ebenfalls, zeigt einzelne Lakunen; ganze Hand atrophisch; Deformierungen 
besonders am Metacarpo-phalangealgelenk des Daumens und am ersten Interphalangeal- 
gelenk des Index. Sämtliche Phalangen sind etwas ulnarwärts subluxiert infolge 
Wegschleifens der Gelenkknorpel. Linker Ellbogen: Gelenkspalt verschmälert; Auf¬ 
faserung am pioximalen Ende der Ulna- sowie an der Trochlea des Humerus (Prof. 
Levy-Dorn). Ein nach den in meiner ersten Abhandlung niedergelegten Grundsätzen 


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Zur Frage der Stoffweohselerkrankungen. 


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angestellter Purinstoffwecbselversuch ergab ein normales Resultat (0,78 g, 1.25 g 
[10 g hefenucleinsaures Natrium], 0,97 g, 0,79 g, 0,81 g Harnsäure im Urin). 

Die Resultate eines über sechs Tage durchgeführten Kalkstoffwechsel¬ 
versuches sind die folgenden: 

Gesamtzufuhr an CaO in 6 Tagen. 11230 mg 

(also pro Tag ca. 1870 mg) 

{ Menge: 8270 ccm » 

Spec. Gew.: 1020 > 3000 mg 
Reaction: sauer ' 
in pCt. der Zufuhr 26,7 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (67,7 g Trockenkot) 8400 „ 


Gesamtausfuhr in Urin und Kot in 6 Tagen . . 11400 „ 

Bilanz.—170 „ 

in pCt. zur Zufuhr. 1,5 pCt. 


Mit Rücksicht auf die praktisch normalen Resultate beider Stoff¬ 
wechseluntersuchungen wurde in diesem Fall von jeder diätetischen 
Therapie abgesehen. Es sej nebenbei bemerkt, dass durch die ander¬ 
weitig angewendeten therapeutischen Massnahmen ein nennenswerter 
Erfolg nicht erzielt wurde. 

Fall 4. B. M., 50jähr. Frau. Nr. 6058/1912. Klinische Diagnose: 
Chronische ankylosierende Gelenkerkrankung; Spondylitis (Strümpell- 
Mariescher Symptomenkomplex). Als Kind Scharlach. Im Alter von 38 Jahren 
stellten sich krampfartige Schmerzen in den Waden ein, die vorübergehend nachliessen, 
dann aber auf Knie, Oberschenkel und Hüfte übergingen. Seit ca. 6 Monaten Zunahme 
der Beschwerden: Schmerzen und Bewegungsbeschränkungen in Knien und Hüften, 
Erschwerung der Beugung der Wirbelsäule und des Gehaktes (leicht watschelnder 
Gang). Menopause seit ca. 10 Jahren. Status: Kräftig gebaute Patientin mit reich¬ 
lichem Fettpolster und starker Muskulatur der oberen Extremitäten. Die inneren 
Organe, vor allem das Nervensystem, zeigen völlig normalen Befund. Wassermann- 
sche Reaction —; Urin: Albumen —; Sediment 0. Es besteht eine ausgesprochene 
Bewegungsbeschränkung im untersten Teil der Wirbelsäule (vom 9. Brustwirbel ab¬ 
wärts ist dieselbe völlig fixiert) und in den Hüftgelenken. Wurzelsymptome. Die 
Gelenke der Extremitäten sind vollkommen frei beweglich. Röntgenuntersuchung: 
Gelenkspalt in den Hüftgelenken beiderseits aufgehoben; Kopf der Oberschenkel de¬ 
formiert; knöcherne Wucherungen in und um die Pfannen herum. Am 9. Brust¬ 
wirbel sieht man auf der linken Seite Verknöcherungen; sonst vom 8. Brustwirbel 
abwärts keine deutlichen Veränderungen (Professor Levy-Dorn). 

Protokoll über einen dreitägigen Kalkstoffwechselversuch: 

Gesamtzufuhr an CaO in 3 Tagen. 5580 mg 

(also pro Tag 1860 mg) 

{ Menge: 3550 ccm j 
Spec. Gew.: 1025 > 1210 mg 
Reaction: sauer * 
in pCt. der Zufuhr 20,7 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (58 g Trockenkot) . 4290 „ 


Gesaratausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . 5500 „ 

Bilanz.+ 80 „ 

in pCt. zur Zufuhr.1,4 pCt. 


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Alfred Lindemann, 


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Der Kalkstoffwechsel bewegt sich also in normalen Grenzen; dem¬ 
entsprechend vermochte auch eine längere Zeit durchgeführte kalkarme 
Ernährung keine nennenswerten Erfolge zu zeitigen. Auch eine hydro¬ 
therapeutische Behandlung (Dampfstrahl, Radiumkataphoresebäder, Be¬ 
wegungsbad, Massage) gab keine besseren Resultate. Erst die Be¬ 
handlung mittels Diathermie führte nach einiger Zeit zu subjectiver und 
objectiver Besserung (freiere Bewegung des unteren Wirbelsäuleabschnittes). 
Es soll aber ausdrücklich betont werden, dass die Behandlung mit hoch¬ 
frequenten Strömen keinerlei Einfluss auf den Ablauf des Kalkstoff¬ 
wechsels an sich hatte: Der folgende dreitägige Kalkstoffwechselversuch, 
während dessen die Patientin 2 mal täglich je 30 Minuten diathermiert 
wurde, zeigt in seinen Resultaten nicht nur nicht eine nennenswerte Ab¬ 
weichung von dem ersten Versuch, sondern sogar auffallende Ueberein- 
stimrüungen in den Endwerten. 

Gesamtzufuhr an CaO in 3 Tagen. 5580 mg 

(also pro Tag 1860 mg) 

{ Menge: 3530 ccm \ 

Spec. Gew.: 1020 > 648 mg 
Reaction: sauer ' 
in pCt. der Zufuhr 11,1 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (45,2 g Trockenkot) 4840 „ 


Gesamtausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . . 5488 „ 

Bilanz.+ 92 „ 

in pCt. zur Zufuhr.1,6 pCt. 


Die auffallende Uebcreinstimmung in den Resultaten beider Stoff¬ 
wechselversuche scheint mir sehr für die Richtigkeit und Brauchbarkeit 
der Untersuchungstechnik zu sprechen. 

Ich gehe nun zur Besprechung der Fälle mit gestörtem Kalkstoff- 
vvechsel über. 

Falls. E. P., 23jiihr. Mädchen, Nr.3110/1913. Klinische Diagnose: Chro¬ 
nische Gelenkerkrankung. Als Kind Masern; mit 15 Jahren nächtliche epilep¬ 
tische Krämpfe; im 19. Lebensjahr Brustfellentzündung. Im Verlauf der letzten vier 
Jahre öfters schwere Anfälle von „Heissen“ in fast allen Gelenken des Körpers, be¬ 
sonders aber in den Hand-, Schulter- und Fussgelenken, sodass die Kranke in dieser 
Zeit etwa 1 1 / 2 Jahre in Krankenhäusern zubrachte. In den letzten Monaten auffallende 
Verdickung der Handwurzel- und Fussgelenke. Menstruation regelmässig, sehr stark; 
während derselben stets starke Zunahme der Beschwerden. Status: Kräftiges Mäd¬ 
chen in gutem Ernährungszustand. Innere Organe nicht krankhaft verändert. Urin 
frei von Eiweiss; Sediment: vereinzelte Epithelien. Im rechten Schultergelenk sammt- 
artiges Knirschen; Bewegung hier wie im linken und in beiden Ellbogengelenken frei. 
Im linken Handgelenk beim Rotieren leises Knacken. Beugen und Strecken frei. 
Hechts Handgelenk bei Beugung schwach, bei Streckung stark behindert; Mittelhand 
in ihren Conturen verwaschen, leichte Deformierung, geringe ulnare Deviation. Die 
Epiphysen der Fingerknochen sowie die Fingergelcnke beiderseits ziemlich stark ver¬ 
dickt. An beiden Knien geringe Verwaschung der Conturen, leises Knirschen bei 
Bewegung. Die Fusswurzel ist beiderseits stark verbreitert; ausgesprochene Plattfuss- 
bildung (die früher nicht bestanden haben soll). Verdickung der Malleoli externi; 
leichte Ergüsse. Röntgenbefund: Contractur im Gelenk zwischen 1. und 2. Phalanx 
des 5. Fingers beiderseits: Atrophie der Carpalknochen und der Gelenkenden der 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


453 


Metaoarpalknochen und Phalangen; für Arthritis deformans kein bestimmter Anhalts¬ 
punkt. Controlle nach 1*/, Monat: Atrophie der rechten Mittelhand hat zugenommen. 
Die Grenzen der kleinen Knöchelchen sind etwas verwaschen (Professor Levy-Dorn). 

Ein über drei Tage sich erstreckender Kalkstoffwechselversuch bot 
nachfolgendes Ergebnis: 

Gesamtzufuhr an CaO in 3 Tagen. 5580 mg 

(also pro Tag 1860 mg) 

{ Menge: 2320 ccm \ 

Spec. Gew.: 1018 > 693 mg 
Reaction sauer > 
in pCt. der Zufuhr 12,4 pCt. 

Ausfuhr im Kot (71g Trockenkot; sehr fettreich) 4620 „ 


Gesamtausfuhr im Urin und Kot in 3 Tagen . . 5313 „ 

Bilanz.+267 „ 

in pCt. zur Zufuhr. 4,8 pCt. 


Im Gegensatz zu den Resultaten der bisher beschriebenen fünf Stoff¬ 
wechseluntersuchungen, in denen eine Bilanz von höchstens 1,6 pCt. der 
Zufuhr sich ergab, finden wir in diesem Falle eine Retention von 267 mg = 
4,8 pCt. der mit der Nahrung dem Körper einverleibten CaO-Mengen. 
Kann man, ohne sich eines groben Irrtums schuldig zu machen, Diffe¬ 
renzen bis 1,5 bzw. 1,6 pCt. in der Bilanz noch als die Folgen der vorn 
erwähnten zahlreichen unvermeidlichen Versuchsfehler auffassen, so dürfte 
dies für Retentionen in der hier nachgewiesenen Höhe doch nicht mehr 
erlaubt sein. Obendrein möchte ich betonen, dass in den von mir als 
normal verlaufend bezeichneten Stoffwechseluntersuchungen sich die ge¬ 
ringen Differenzen nach Plus und Minus bemerkbar machten, während 
in den folgenden acht Untersuchungen stets nur eine Retention zur Be¬ 
obachtung kam. In dem in Frage stehenden Falle wurde durch Ver- 
fütterung einer kalkarmen Diät eine leidliche Besserung erzielt. 

Fall 6 . M. H., 46 jähr. Frau, Nr. 6277/1912. Kl inische Diagnose: Chro¬ 
nische deformierende Gelenkerkrankung. (2 ! / 3 Monat alte) Fractura 
Colli humeri et malleoli interni sinistri. Die chronische Gelenkerkrankung 
begann im Jahre 1893 mit Schmerzen in fast allen Gelenken; seit dieser Zeit war die 
Patientin in ihrer Arbeitsfähigkeit jedes Jahr etwa sechs Wochen wegen gleicher Be¬ 
schwerden behindert. Neben den Schmerzen bei Bewegungen stellten sich bald Ver¬ 
dickungen der Knochenenden und Versteifungen der Gelenke ein, so dass seit 1896 
völlige Arbeitsunfähigkeit bestand. Am 12. 12. 12 fiel die Kranke beim Herunter¬ 
gehen einer Treppe hin; sofort Schmerzen im linken Schulter- und Fussgelenk. Men¬ 
struation zurzeit noch vollkommen regelmässig. Status: Stark gealterte Frau in 
mittlerem Ernährungszustände. Innere Organe ohne besonderen krankhaften Befund. 
Urin enthält kein Eiweiss; Sediment: Epithelien, vereinzelte Leukocyten. Wasser- 
mannsche Reaction negativ. Blutbild: Relative Lymphocytose (32 pCt.). Im linken 
Schultergelenk bei Bewegung starke Schmerzen mit Crepitation; linkes Fussgelenk 
geschwollen; Druckempfindlichkeit an beiden Malleolen, besonders am inneren. Das 
rechte Ellbogengelenk, beide Hand- sowie sämtliche Fingergelenke stark, beide Knie- 
und Fussgelenke weniger stark deformiert; schwere Bewegungsbeschränkung. Mittel¬ 
starke Kyphoskoliose der Lendenwirbelsäule, deren Beweglichkeit durch Anlagerung 
von Knochensubstanz ebenfalls behindert ist. Die Röntgenuntersuchung ergibt am 
12. 12. 12: Malleolus int. sin. abgebrochen mit Dislocation nach vorn und innen; die 


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454 


Alfred Lindemann, 


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Fussknochen sind atrophisch und erheblich deformiert; linker Hameruskopf nach 
unten laxiert, Collum cbirurgicum durchbrochen. Controlluntersuchung am 16. 1. 13.: 
Linke Schulter: Dislocation ad longitudinem bzw. Einkeilung. Linker Ellbogen: 
Olecranon zugespitzt und von Callusmassen umgeben; gröbere Dislocationen scheinen 
nicht zu bestehen; Ulna zeigt an der Ansatzstelle des Humerus verwaschene Struktur 
(Professor Levy-Dorn). 

Am 18. 2. 13, also 70 Tage nach Erleiden der Knochen¬ 
brüche, wurde ein Kalkstoffwechselversuch angestellt, der folgendes 
Resultat ergab: 

Gesamteinfuhr an CaO in 3 Tagen. 5580 mg 

(also pro Tag 1680 mg) 

{ Menge: 3730 ccm » 

Spec. Gew.: 1018 1 699 mg 
Reaction: sauer ' 
in pCt. der Zufuhr 12,5 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (71g Trockenkot) . 4420 „ 


- - - v o / 77 

Gesamtausfuhr im Urin und Kot in 3 Tagen . . 5119 „ 

Bilanz.-(-461 „ 

in pCt. zur Zufuhr. 8,3 pCt. 


Es werden also in dreitägigem Stoffwechselversuch bei einer Gesamt¬ 
zufuhr von 5580 mg CaO insgesamt 461 mg = 8,3 pCt. im Organismus 
zurückbehalten. Bei vorurteilsfreier Betrachtung mag aber dieser Fall 
nicht als recht beweisend erscheinen, weil 70 Tage vor Anstellung des 
Kalkstoffwechselversuches ein zweifacher Knochenbruch sich ereignet hatte, 
der natürlich infolge der Callusbildung zu einer Verschiebung im Mineral¬ 
stoffwechsel führen muss. Jedenfalls beeinflusste eine zwei Monate lang 
durchgeführte kalkarme Ernährung (kurze Intervalle mit anderem Regime) 
in ausgezeichneter Weise die chronischen Bewegungsstörungen, so dass 
Patientin in wesentlich besserem Zustande als vorher das Krankenhaus 
verliess. An den bereits vor Einsetzen der diätetischen Behandlung völlig 
consolidierten Knochenbrüchen wurde keinerlei Veränderung wahrgenommen. 

Fall 7 . L. F., 63 jähr. Mann, Nr. 1910/1912. Klinisohe Diagnose: Chro¬ 
nische deformierende Spondylitis. Patient stammt aus gesunder Familie. 
Mit 43 Jahren 3 / 4 Jahr lang wegen „Ischias“ behandelt. Vor 14 Jahren angeblich 
an „Gicht“ erkrankt. Seit Anfang 1912 starke Schmerzen im Kreuz und in den Hüft¬ 
gelenken; Bewegungsbeschränkungen beim Bücken und Strecken. Status: Alter 
gut genährter Mann von kräftigem Körperbau. Herz, Lungen, Bauchorgane, Nerven¬ 
system ohne Absonderheit. Urin frei von Eiweiss und Zucker; Sediment 0. Wasser¬ 
mann sehe Reaction negativ. Blutbild: Relative Lymphocytose (31 pCt.). Die Be¬ 
wegungen der Lendenwirbelsäule sind erschwert und schmerzhaft. Am Dornfortsatz 
des zweiten und dritten Lendenwirbels äusserlich geringfügige Deformierungen sicht¬ 
bar. Röntgenuntersuchung: An den Halswirbeln nicht deutlich Abnormes; sämtliche 
Wirbel der Lendenwirbelsäule, vielleicht mit Ausnahme des ersten, deformiert. Die 
unteren Enden zeigen Fortsätze von teilweise recht beträchtlicher Natur, am stärksten 
der dritte Lendenwirbel auf der linken Seite; der zweite Lendenwirbel ist gegen den 
dritten auffallend verschoben, und zwar ist die linke Seite dieses Wirbels caudal 
gegen den unteren Wirbel verschoben, während die rechte Seite entsprechend cephal 
gedreht ist. Der Wirbel ist an dieser Stelle stark convex nach innen eingebogen; 
der Processus transversus des fünften Lendenwirbels ist links unförmig verdickt. — 


Gougle 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


455 


Stark ausgeprägte Spondylarthritis (Professor Levy-Dorn). Die sämtlichen übrigen 
Gelenke des Körpers zeigen völlig normale Contour und Beweglichkeit. 

Ein vom 20.—23. 5. 13 durchgeführter Kalkstoffwechselversuch er¬ 
gab nachstehendes Resultat: 

Gesamteinfuhr an CaO in 3 Tagen. 

(also pro Tag 1860 mg) 

( Menge: 4000 ccm j 
Spec. Gew.: 1018 > 1164 mg 
Reaction sauer l 
in pCt. der Zufuhr 20,9 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (61,2 g Trockenkot) 3702 „ 
Gesamtausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . 

Bilanz. 

in pCt. der Zufuhr. 

Es besteht also eine deutliche Kalkretention (11 pCt.) Von einer 
diätetischen Therapie musste abgesehen werden, weil der Kranke vor¬ 
zeitig das Krankenhaus verliess. Es steht natürlich ausser allem Zweifel, 
dass die einmal bestehenden Knochendeformierungen an der Wirbel¬ 
säule selbst durch eine langdauernde kalkarme Ernährung kaum hätten 
beeinflusst werden können; wohl aber wäre ein weiteres Fortschreiten des 
Krankheitsprocesses mit einiger Wahrscheinlichkeit zu verhindern gewesen. 

Fall 8 . A. K., 47jähr. Frau, Nr. 2764/1913. Klinische Diagnose: Chro¬ 
nische deformierende Gelenkerkrankung. Als Kind Masern, sonst stets ge¬ 
sund. Im Juni 1912 letzte regelmässige Menstruation, soitdem nur vierteljährlich. 
Mit dem Zeitpunkt des Einsetzens des Klimakteriums begannen in schneller Folge 
Symptome einer chronischen deformierenden und ankylosierenden Gelenkerkrankung 
sich bemerkbar zu machen (vor allem in den Hand-, Schulter- und Fussgelenken), 
die während des ganzen letzten Jahres privatärztlicho und Krankenhausbehandlung 
erforderten. Als die Kranke am 17. 7. 13 zur Aufnahme gelangte, bot sie dio Zeiohen 
einer akuten Exacerbation der chronischen Gelenkerkrankung: Beide Knie-, Hand- und 
sämtliche Fingergelenke waren äusserst stark geschwollen, gerötet und in ihrer aktiven 
Bewegungsfähigkeit beschränkt; beide Oberarme nur bis zur Wagerechten zu heben, 
bei jeder Bewegung deutliches Knirschen; die Conturen der Fusswurzeln und -gelenke 
beiderseits deutlich verwischt, besonders rechts; auf dieser Seite starke Deformierung 
und Ankylose. Wassermannsohe Reaction negativ. Blutbild: relative Lymphocytose 
(31 pCt.). Urin enthält kein Eiweiss; Sediment: Epithelien. Starke Adipositas. 
Steigerung der Körperwärme. 

Ein nach Abklingen des acuten Nachschubs angestellter Kalkstoff¬ 
wechselversuch ergab folgendes Resultat: 

Gesamteinfuhr an CaO in 3 Tagen. 4800 mg 

(also pro Tag 1600 mg) 

{ Menge: 3100 ccm \ 

Spec. Gew.: 1017 J 994 mg 
Reaction: sauer > 
in pCt. der Zufuhr 20,7 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (44,7 g Trockenkot) 2300 „ 


Gesamtausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . 3354 „ 

Bilanz.+ 1246 „ 

in pCt. zur Zufuhr. 25,9 pCt. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie 11 . Therapie. 15 . Bd. 20 


5580 mg 


4866 „ 
+614 „ 
11 pCt. 


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456 


Alfred Lindemann, 


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29 pCt. der zugeführten CaO-Mengen werden also im dreitägigen 
Stoffwechselversuch retiniert. Diesem Befunde entsprechend brachte eine 
diätetische Therapie, unter Ausschaltung jeglicher medicamentösen Be¬ 
handlung, einen ausgezeichneten Erfolg. Mit Ausnahme des rechten 
Fussgelenks, das naturgeraäss nicht mobilisiert werden konnte, gewannen 
die übrigen Gelenke eine gute Bewegungsfähigkeit zurück, so dass die 
Kranke bei ihrer Entlassung einen weit besseren Befund darbot als jemals 
zuvor im vorhergehenden Jahre. 

Fall 9. Ck. M., 33jähr. Mädchen, Nr. 8051/1912. Klinische Diagnose: 
Chronische deformierende Gelenkerkrankung. Die Mutter der Kranken litt an 
chronischem Gelenkrheumatismus, starb an Arteriosklerose. Mit 13 Jahren Scharlach; 
im gleichen Jahre Beginn der Menstruation, die jedesmal mit Schmerzen in Leib und 
Kreuz sehr stark einsetzte und 8—10 Tage dauerte. 1907 zweimal Blinddarm¬ 
entzündung (?) 1908 rechter Eierstock entfernt „wegen zu starker Blutungen“. Fünf 
Monate nach dieser Operation setzte die jetzige Erkrankung ein mit Schmerzen, 
Schwellungen und sehr schnell auftretenden Versteifungen in Finger-, Handgelenken 
und im linken Knie; im Laufe des nächsten Jahres wurden teils neben-, teils nach¬ 
einander fast sämtliche übrigen Gelenke befallen. Verschiedene Badekuren ohne Er¬ 
folg. Status: Schwächliches Mädchen in mittlerem Ernährungszustände. Herz,Lungen, 
Bauchorgane ohne krankhafte Veränderung; Uterus in normaler Lage, Ovarien nicht 
palpabel. Pupillen reagieren auf Licht und Accommodation, leichte Aocommodations- 
schwäche, geringe Protrusio bulbi, weite Lidspalte; starke Dermographie; Thyreoidea 
nicht vergrössert; starkes Schwitzen, zeitweiliges Herzklopfen. Blutbild: relative 
Lymphocytose (37 pCt.), Eosinophilie (6 pCt.) Wassermannsche Reaction negativ; 
Urin frei von Eiweiss und Zucker, Sediment 0. Fast sämtliche Gelenke des Körpers, 
mit Ausnahme der der Wirbelsäule, zeigen hochgradige Versteifung und mehr oder 
weniger starke Deformierung; am wenigsten befallen rechtes Knie und linke Hüfte; 
im linken Knie ein Erguss nachweisbar. Gehen und Stehen unmöglich; extrem starke 
Schmerzen in den Gelenken, sowie ziehende, „rheumatische 44 Sensationen in den 
Hüften und beiden unteren Extremitäten. Diese gesamten Beschwerden nehmen schon 
einige Tage vor jeder Menstruation, vor allem aber während derselben, in erheblicher 
Weise zu, so dass der Kranken nur mit grossen Morphiumdosen in dieser Zeit einige 
Linderung zu schaffen ist. Röntgenuntersuchung: Linker Handgelenkspalt fast ganz 
verstrichen; vereinzelte Lacunen im Os lunatum, Os naviculare. Carpusknochen 
differenzieren sich zum Teil recht wenig; besonders ist schlecht zu erkennen die 
Grenze zwischen Os naviculare, lunatum und capitatum. Kniegelenk: Starker Knorpel¬ 
schwund; äussere Contur des Condylus externus femoris wie angefressen. Rechtes 
Hüftgelenk: Gelenkspalt verengt; wellige Contur an dem Pfannenrande; Kopf pilzartig 
deformiert, atrophisch und namentlich in seinen oberen Partien fleckig getüpfelt. 

Ein über drei Tage ausgedehnter Kalkstoffwechselversuch hatte 
folgendes Ergebnis: 

Gesamteinfuhr an CaO in 3 Tagen. 5580 mg 

(also pro Tag 1860 mg) 

{ Menge: 5470 ccm , 

Spec. Gew.: 1016 > 1110 mg 
Reaction: sauer ' 
in pCt. der Zufuhr 19,9 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (50,4 g Trockenkot) 3210 „ 
Gesamtausfuhr in Urin und Stuhl in 3 Tagen . 4320 „ 

Bilanz.+ 1260 „ 

in pCt. der Zufuhr. 29 pCt. 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


457 


Der Stoffwechselversuch zeigt, dass 29 pCt. der zugeführten Calcium¬ 
salze im Organismus retiniert werden. Langdauernde Ernährung mit 
kalkarmer Diät brachte anfänglich einen günstigen Erfolg, doch wurde 
dieser leider bald wieder durch Neuaufflackern der Erkrankung im rechten 
Hüftgelenk sehr in Frage gestellt. 

Fall 10 . A. V., 25jähr. Mädchen, Nr. 4904/1911. Klinische Diagnose: 
Chronische deformierende Gelenkerkrankung. Als Kind Masern, Scharlach, 
Diphtherie, im 12. Lebensjahr Gelenkrheumatismus, Chorea und Herzerkrankung. Seither 
öfters Gelenkschmerzen und langsam zunehmende Knochenverdickungen. Jetzt seit 
etwa acht Tagen erneuter Rückfall; Schmerzen und Schwellung des linken Hand¬ 
gelenks und der Knie. Periode regelmässig. Status: Mittelgrosses Mädchen in 
mässigem Ernährungszustände. Beide Handgelenke geschwollen, druokempündlich 
und bewegungsbeschränkt. Mittelstarke ulnare Deviation. Verdickungen der Epiphysen 
zahlreicher Fingerknochen. Die Conturen beider Kniegelenke sind verwischt; kein Er¬ 
guss ; Knochensubstanzanlagerungen an Tibia und Fibulakopf links. Bewegung der 
Knie beschränkt. Alte Mitralinsufficienz. Was s er mann sehe Reaction negativ. Urin 
enthält kein Eiweiss; Sediment 0. Blutbild: 4300000 Erythrocyten, 6200 Leukocyten 
(31 pCt. Lymphocyten). Die durch die akute Exacerbation ausgelösten Schmerzen lassen 
ohne jede medicamentöse Therapie unter kalkarmer Diät äusserst schnell nach; auch 
Fällt die anfangs um 38° stehende Körpertemperatur nach fünf Tagen zur Norm herab. 

Der angestellte Stoffwechselversuch ergab eine äusserst schwere 
Störung des Mineralstoffwechsels: 

Gesamteinfuhr an CaO in 3 Tagen. 4800 mg 

(also pro Tag 1600 mg) 

I Menge: 3310 ccm . 

CaO-Ausfuhr im Urin | Spec. Gew.: 1022 > 850 mg 
y Reaction: sauer > 
in pCt. der Zufuhr 17,7 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (49,5 g Trockenkot) 1760 „ 


Gesaratausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . 2630 „ 

Bilanz.+2170 „ 

in pCt. der Zufuhr. 45,2 pCt. 


Eine wochenlang durchgeführte Ernährung mit kalkarmer Kost 
brachte insofern einen durchgreifenden Erfolg, als die Kranke zum 
mindesten eine wesentlich bessere Gebrauchsfähigkeit ihrer Knie und 
Hände gewann, als sie sie vor dem jetzigen Recidiv besessen hatte. 
Ein Verschwinden der Deformierungen der Gelenkenden der Knochen 
konnte natürlich nicht erwartet werden. 

Fall ll. M. Sch., 27 jährige Mädchen, Nr. 6682/1912. Klinische Diagnose: 
Chronische ankylosierende Gelenkerkrankung, Spondylitis (Strümpell- 
Mariescher Symptomencomplex). Familienanamnese ohne Belang. Die jetzige 
Erkrankung begann im Alter von 6 Jahren mit Schmerzen und Versteifungen im linken 
Kniegelenk und breitete sich in der Folgezeit auf fast sämtliche Gelenke, vor allem 
der unteren Extremitäten aus. Verschiedene Badekuren brachten keine Besserung. 
Im Alter von 24 Jahren zeigten sich zum ersten Mal offene blutende Stellen an beiden 
Unterschenkeln, die trotz verschiedentlicher Behandlung nicht verheilten und bis zur 
jetzigen Krankenhausaufnahme an Grösse und Ausdehnung Zunahmen, ln letzter Zeit 
äusserst starke Schmerzen im Rücken, im Kreuz sowie in den unteren Extremitäten. 
Im Alter von 12 Jahren zum ersten Mal Menstruation, die seitdem regelmässig eintrat. 

30* 


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458 


Alfred Lindemann, 


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Status: Grazile, leidlich genährte Patientin. Herz, Lungen ohne krankhaften Befund. 
Milz zweifingerbreit unterhalb des Rippenbogens palpabel. Wassermannsche Re- 
aotion negativ. Urin frei von Eiweiss und Zucker; SedimentO. Blutbild: 4300000 Erythro- 
cyten, 6800 Leukocyten (39 pCt. Lymphocyten). Schulter- und Ellbogengelenke frei; 
in den Handgelenken nur ganz geringe Excursionen möglich, Interphalangealgelenke 
fast ganz versteift, Krallenhand. Die Wirbelsäule ist in ihrem Halsteil nur in geringem 
Grade, im Lendenteil dagegen hochgradig in ihrer Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt. 
In den Hüftgelenken Excursionen von nur etwa 15—20° möglioh, Abduction sehr er¬ 
schwert. Beugung der Kniegelenke rechts bis 90°, links weniger. Rechtes Talocrural- 
gelenk in 90° versteift, links Excursionen von etwa 10° möglich. Zehengelenke links 
total ankylosiert, rechts nur gering beweglioh. Ausgesprochene Deviationen nicht vor¬ 
handen; ebensowenig reibende Geräusche bei Bewegung der Gelenke. Deutliche 
Atrophie der Streckmuskulatur der Arme und Unterschenkel. Die Haut über den am 
stärksten betroffenen Gelenken ist atrophisch und glänzend. Gehen ist zur Zeit der 
Aufnahme garnioht, Stehen nur mit Unterstützung möglich. Es bestehen deutliche 
Wurzelsymptome in Form zeitweilig extrem starker Schmerzen in Hüften und beiden 
Beinen nach Art tabischer lanoinierender Schmerzen; diese nehmen in fast unerträg¬ 
licher Weise jedesmal zur Zeit der Periode an Stärke zu. Röntgenuntersuchung: 
Kopf des Femur beiderseits, besonders links, deformiert. Gelenkspalt verschmälert, 
teilweise verknöchert; fleckige Structur der Knochen. Lumbosacralgelenk links de¬ 
formiert. Die Processus transversi links verschmälert; Gelenke zwischen Vertebrae 
lumbales IV und V verknöchert; ferner Verknöcherung des centralen Teils der Inter- 
vertebralscheiben des V.—XI. Zwischenwirbelraums. Hände: die einzelnen Carpal- 
knoohen sind leicht durchgängig und voneinander kaum differencierbar; die Gelenk¬ 
enden fast sämtlich mehr oder weniger stark deformiert, am stärksten die Enden von 
Radius und Ulna. An verschiedenen Gelenkenden Auffaserungen und Aushöhlungen. 
(Professor Levy-Dorn.) — An der Vorder- und Aussenseite beider Unterschenkel 
blaurote, wenig hypertrophische Wunden und Narben von eigentümlicher Gestalt, die 
entfernt sogenannten Blitzfiguren ähneln; ihre Grundform ist die eines Baumes mit 
Zweigen und Verästelungen. Ein naoh den in Mitteilung I gegebenen Grundsätzen 
angestellter Purinstoffwechselversuch hatte folgendes Ergebnis: 


Erste zweitag. Periode (purinfreie Diät).0,5g Harnsäure im Urin 

Zweite „ „ (purinfreie Diät + 10g nucleinsauresNatr.) 1,08g „ „ 

Dritte „ „ (purinfreie Diät). 0,732g „ „ 

Vierte „ „ (purinfreie Diät).'0,579g „ „ 


Demnach verläuft die endogene Harnsäureourve relativ tief (0,5 g pro 2 Tage); 
auch wird die exogene Harnsäure sicher verlangsamt ausgesohieden. 

Die Prüfung des Kalkstoffwechsels ergab nachfolgendes Resultat: 

Gesamtzufuhr an CaO in 3 Tagen. 5451 rag 

(also pro Tag etwa 1817 mg) 

{ Menge: 3950 ccm \ 

Spec. Gew.: 1018 | 370 mg 
Reaction: sauer > 
in pCt. der Zufuhr 6,8 pCt. 


CaO-Ausfuhr im Kot (48 g Trockenkot) 4770 „ 
Gesamtausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . 5140 „ 

Bilanz.+ 311 „ 

in pCt. der Zufuhr. .5,7 pCt. 


Mit Rücksicht auf den Ausfall der beiden Stoffwechseluntersuchungen 
wurde die Kranke über 5 Monate abwechselnd mit einer purin- und kalk¬ 
armen Diät ernährt mit dem Erfolg, dass im Verlauf des zweiten Monats 


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Zur Frage der Stoffwechselerkrankungen. 


459 


das Gehen am Stock and später auch ohne Unterstützung, wenn auch 
zunächst mit Schwierigkeiten, unter Verschiebung des ganzen Beckens inkl. 
Wirbelsäule wieder möglich wurde. Die noch vorhandenen Wunden an den 
Füssen heilten ab; die starken lancinierenden Schmerzen blieben allerdings 
unverändert bestehen. Am Ende der Behandlung war eine Rumpf¬ 
bewegung nach vorn und nach den Seiten in geringem Grade möglich; 
dagegen hatte die Bewegungsfähigkeit der einzelnen kleinen Gelenke teil¬ 
weise in auffallender Weise zugenommen, derart, dass z. B. das anfangs 
fast ganz versteifte rechte Handgelenk nach allen Richtungen ziemlich aus¬ 
gedehnt bewegt werden konnte. Ein am Ende der Behandlung erneut 
vorgenommener Kalkstoffwechselversuch ergab ein dem vorstehenden fast 
vollkommen gleiches Resultat. Während dieses Controllversuches wurde 
die Patientin, ebenso wie die erstbeschriebene Kranke mit Strümpell- 
Mari eschem Symptomencomplex (Nr.4 der Tabelle III), 2 mal täglich 30 Mi¬ 
nuten mit Diathermie behandelt. Auch in diesem Falle zeigte sich wiederum 
kein Einfluss dieser Behandlungsmethode auf den Kalkstoffwechscl. 

Gesamtzufuhr an CaO in 3 Tagen . . ... . . 5670 mg 

(also pro Tag etwa 1890 mg) 

{ Menge: 3800 ccm \ 

Spec. Gew.: 1016 > 550 mg 
Reaction: sauer ' 
in pCt. der Zufuhr 9,7 pCt. 

CaO-Ausfuhr im Kot (64,5 g Trockenkot) 4794 „ 
Gesamtausfuhr in Urin und Kot in 3 Tagen . . 5344 „ 

Bilanz.-f- 326 „ 

in pCt. zur Zufuhr.5,7 pCt. 

Erneut möchte ich auf die deutliche Uebereinstimmung der Versuchs¬ 
resultate in solchen Fällen hinweisen, in denen zweimal zu verschiedenen 
Zeiten die Stoffwechseluntersuchung vorgenommen wurde. 

Im folgenden stelle ich die Untersuchungsresultate der einzelnen Fälle 
noch einmal kurz zusammen. 


Tabelle III. 




9 

Ge- 


1 CaO-Ausfuhr 



e n u 



2 a 





Total- 

Aus- 

fuhr 



L» 

o 

S 

e 

3 

Krankheitsbezeichnung 

ersucbsdi 
in Tage 

samt- 
zufuhr 
an CaO 

Zufuhr 
pro Tag 


5) ® 

Üvffl 

im Kot 

Bilanz 

Isl 
>«! 
S 9 



> 









1 

Chron. deform. Gelenkerkrankung 

3 

55800 

1860 

1978 

35,5 

3639 

5617 

— 37 

0,6 

2 


3 

5580 

1860 

330 

5,92 

5334 

5664 

— 80 

1,45 

3 


6 

11230 

1870 

3000 

26,7 

8400 

11400 

. — 170 

1,5 

4 

Strümpell-Mariesche Krankheit, j 

3 

3 

5580 

5580 

1860 

1860 

1210 

648 

20,7 

11,1 

4290 

4840 

5500 

5488 

+ 30 
+ 92 

1,4 

1,6 

5 

Chron. Gelenkerkrankung. 

3 

5580 

1860 

693 

12.4 

12.5 

4620 

5313 

+ 267 
+ 461 

4,8 

8,3 

6 

Chron. deform. Gelenkerkrankung 

3 

i 5580 

1860 

699 

4420 

5119 

7 

„ „ Spondylitis .... 

3 

1 5580 

1860 

1164 

20.9 

3702 

4866 

+ 614 

11 

8 

„ „ Gelenkerkrankung 

3 

1 4800 

! 1600 

994 

20,7 

2360 

3354 

+ 1246 

25,9 

9 

rt r> r> 

3 

i 5580 

1860 

1110 

19,6 

3210 

4320 , 

+ 1260 

29 

10 

n v n 

3 

4800 

1600 

850 

17,7 

1760 

2630 1 

+ 2170 

45,2 

11 

Strümpell-Marie sehe Krankheit. j 

3 

3 

5451 

5670 

! I 

etwa 1817 
etwa 1890 

370 
550 1 

6,8 

0,7 

4770 

4794 

5140 

5344 

i 

+ 311 
+ 326 

5,7 

5,7 


1) Alle Gewichte sind in Milligramm angegeben. 


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Alfred Lindemann, 

Aus den mitgeteilten Tatsachen sind Schlüsse allgemeiner und 
specieller Art erlaubt. 

Was die ersteren angeht, so beweisen meine Beobachtungen die 
nur durch ganz vereinzelte Literaturangaben gestützte Behauptung, dass 
Stoffwechseluntersuchungen vorstehender Art auf richtiger physiologischer 
Basis beruhen, d. h. dass der menschliche Organismus das Bestreben 
zeigt, sich bei nicht allzu reichlicher Zufuhr auf ein gewisses Kalkgleich¬ 
gewicht einzustellen, ln verschiedenen Untersuchungen entsprach die 
Kalkausfuhr in Urin und Kot — unter Abrechnung gewisser Differenzen, 
die als Folge von unvermeidlichen Versuchsfehlern aufzufassen sind — 
der Einfuhr desselben in den Nahrungsmitteln. Aeusserst beweisend er¬ 
scheinen mir für die Richtigkeit meiner Methode und Technik die fast 
gleichlautenden zu verschiedenen Zeiten gewonnenen Resultate der doppelt 
untersuchten Fälle (Nr. 4 und 11; einer normal, einer pathologisch). Da¬ 
mit ist die Berechtigung zur Anstellung derartiger Versuche augenschein¬ 
lich. Als berechtigt anzuerkennen sind dann aber auch eventuelle 
Schlüsse auf eine Störung des Kalkstoffwechselgleichgewichts, die aus 
abweichenden Resultaten bei Anwendung einwandsfreier Technik und 
kritischer Würdigung der für Stoffwechseluntersuchungen gesteckten 
Grenzen abgeleitet werden. 

Volle Aufklärung geben meine Untersuchungen über die Frage, ob 
die quantitative Bestimmung des mit dem Urin ausgeschiedenen Kalks 
allein genügt, um über den Ablauf des Kalkstoffwechsels ein klares Bild 
zu erlangen. In den Fällen mit normalem Stoffwechsel schwanken die 
Werte des Urinkalks zwischen 5,9 pCt. und 35,5 pCt. des mit der Nahrung 
aufgenommenen Calciumoxyds, bei Vorhandensein einer Stoffwechsel¬ 
störung zwischen 6,8 pCt. und 20,9 pCt. der Zufuhr. In 6 von 7 Fällen 
mit Stoffwechselstörung wurde mit dem Urin mehr wie 10 pCt. des 
Nahrungskalkes ausgeschieden. Diese Tatsache ist ein neuer Beweis 
gegen die bereits früher verurteilte Auffassung, dass Gelenkkranke, die 
bei Bettruhe und einer Kalkzufuhr in der beschriebenen Zusammen¬ 
setzung und Menge nicht mehr als 10 pCt. des aufgenommenen CaO im 
Urin entleeren, zur Annahme einer Anomalie im Kalkstoffwechsel be¬ 
rechtigen und zur diätetischen Behandlung im Sinne einer Kalkentziehung 
geeignet sind. Zur Klärung eines der in Frage stehenden Krankheits¬ 
bilder bedarf es vielmehr des exacten Stoffwechselversuches mit quanti¬ 
tativer Bestimmung des CaO-Gehaltes in Urin und Kot. 

Grosse Schwierigkeit bietet die diagnostische Verwertung der ge¬ 
wonnenen Versuchsresultate. Trotzdem die klinische und röntgenologische 
Untersuchung Gelenk- und Knochendeformierungen, Knochenverdickungen, 
Gelenkfixationen und -Subluxationen in verschiedener Intensität fast bei 
allen Kranken aufdeckte, fand sich im Stoffwechselversuch bei der einen 
Kategorie der Fälle eine CaO-Retention, während in der anderen der Stoff¬ 
wechsel ungestört verlief. In 4 von 11 Fällen, in denen stellenweise eine 
ausserordentlich starke Deformierung der Knochen und Gelenke bestand, 
hielt sich, von geringen durch Versuchsfehler bedingten Differenzen ab¬ 
gesehen, die CaO-Ein- und Ausfuhr das Gleichgewicht. Von besonderem 
Interesse sind in dieser Beziehung die beiden Fälle von Strümpell- 


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Zur Frage der StolTwechselerkrankungen. 


461 


Maries ehern Symptomenkomplex, die ein glücklicher Zufall mir zuführte: 
hatte ich bei dem einen derselben (Fall 11) eine deutliche CaO-Retention 
in doppeltem Versuch feststellen können, so wurde ich anfangs durch die 
Resultate der Stoffwechseluntersuchung im anderen Falle (Nr. 4) überrascht, 
die, ebenfalls in zwei Ausführungen, so gut wie normale Resultate ergab, 
trotzdem die Röntgendiagnose auch bei dieser Kranken deutliche und 
reichliche Knochennoubildung erkennen liess. Irrtüraer in irgend einer 
Richtung darf ich wohl für ausgeschlossen halten, da gerade in diesen 
beiden Fällen die Stoffwechseluntersuchung in doppelter Ausführung mit 
mehreren Monaten Differenz ausgeführt worden war. 

Wie ist aber nun eine solche Divergenz zu erklären? Dreierlei 
Möglichkeiten kommen in Betracht: Einmal kann ein verschiedener 
Krankheitsprocess vorliegen, insofern als keinerlei Anbau von Knochen¬ 
substanz und damit von CaO im erstbeschriebenen Fall stattgefunden 
hat; dem widersprechen die Resultate der klinischen und röntgeno¬ 
logischen Untersuchung. Zweitens besteht die Möglichkeit, dass 
neben den im Röntgenbild sichtbaren Knochenneubildungen an anderen 
Stellen des Skeletts Knocheneinschmelzungen stattgefunden haben, 
sodass An- und Abbau sich eventuell decken würde; hierfür oder 
hiergegen lassen sich Beweise kaum erbringen. Drittens muss die Frage 
ventiliert werden, ob nicht etwa in den Fällen mit normalen Stoffwechsel¬ 
resultaten der Krankheitsprocess zum Stillstand gekommen ist, sodass 
demzufolge eine Retention von CaO zur Zeit des Versuches nicht mehr 
in Erscheinung treten konnte. Auch für oder gegen diese Anschauung 
können wir Beweise nicht erbringen; doch will es mir nach dem Ausfall 
des zweiten Stoffwechsel Versuches im zweiten Fall von Strümpell- 
Mari eschcr Krankheit, der trotz wesentlicher subjectiver und objectiver 
Besserung der Symptome nach einer ca. 5 Monate lang durchgeführten 
kalkarmen Ernährung eine Kalkretention in genau dem gleichen Ver¬ 
hältnis wie zu Anfang der Behandlung aufdecktc, scheinen, als ob eine 
solche Besserung oder gar ein Stillstand der Erkrankung sich nicht sehr 
schnell und so ausgeprägt — und vor allem nicht durch Rückkehr zum 
Kalkgleichgewicht — im Stoffwechsel versuch anzeigen würde. Auf Grund 
dieser Tatsachen glaube ich als wesentlichstes Resultat meiner Unter¬ 
suchungen betonen zu dürfen, dass mit Hilfe eines Kalkstoffwechselversuches 
bei negativem Ausfall desselben keinesfalls eine klinische Diagnose nach 
irgend einer Richtung hin erhärtet werden kann.- Es ist vielmehr die 
sichere Erkenntnis gewonnen, dass nur eine im CaO-Stoffwechselversuch 
nachgewiesene Retention in diagnostischer Hinsicht verwertbar ist, 
während ein normaler Ablauf des Stoffwechsel Versuches nicht gegen die 
Diagnose einer chronischen Knochen- bzw. Gelenkerkrankung spricht; 
wir erhalten lediglich Aufklärung darüber, ob in diesem oder jenem Falle 
zur Zeit der Untersuchung eine mehr oder weniger lebhafte Fixierung von 
Calcium vor sich geht, die dann natürlich die klinisch erkennbaren Krank¬ 
heitssymptome bedingt hat. (In gleicher Weise habe ich in meiner ersten 
Mitteilung über Purinstoffwechseluntersuchungen mich dahingehend fest¬ 
gelegt, dass normale Stoffwechselversuchsresultate das Vorliegen einer 
gichtischen Erkrankung keineswegs ausschliessen.) 


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Alfred Lindemann, 


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Als nicht unwichtig wollen mir die Resultate Hirschbergs in den 
beiden Fällen von Gicht (Nr. 12 u. 13, Tabelle II) in der von mir modi- 
ficierten Auffassung, sowie auch der Befund Belgardts in dem einen 
Fall von acutem Gelenkrheumatismus (Fall 3, Tabelle II) erscheinen. In 
diesen Untersuchungen zeigte sich ein starker Ausschlag der Bilanz nach 
der negativen Seite, sodass also auch aus derartigen Befunden einer 
Ausschwemmung eventuell brauchbare Fingerzeige für die Diagnostik zu 
gewinnen wären. 

Trotz der vorgenommenen Einschränkung — dass nur eine wesent¬ 
lich positive oder negative, nicht aber eine balancierende Bilanz zu 
diagnostischen Schlüssen berechtigt — sinkt der Wert der beschriebenen 
Stoffwechseluntersuchungen nun keineswegs; denn wenn auch die Resul¬ 
tate derselben für die Einordnung des in Frage stehenden Krankheits¬ 
falles in eines der Schemen der Schulraedicin nicht die Möglichkeit geben, 
so bieten sie doch überaus wertvolle Handhaben für die Therapie. In 
allen meinen Fällen, in denen der Stoffwechselversuch eine wesentliche 
Retention von CaO verriet, brachte eine längere oder kürzere Zeit fort¬ 
gesetzte Ernährung mit kalkarmer Diät — sofern dieselbe durchführbar 
war — eine wesentliche Besserung der subjectiven und objectiven Krank¬ 
heitssymptome (Nachlassen der Schmerzen, Behebung von Bewegungs¬ 
beschränkungen in gewissem Grade usw.). Dass natürlich knöcherne 
Ankylosen oder allzu reichliche Knochenanlagerungen, deren Beginn in 
schweren Fällen schon jahrelang zurücklag, durch ein solches diätetisches 
Regime nicht zum Verschwinden gebracht werden können, dürfte selbst¬ 
verständlich sein. 

Zusammenfassung. 

1. Bei nicht zu reichlicher Zufuhr von CaO (tägliches 
Optimum zwischen 1500 und 2000 mg bei vorwiegender Milch¬ 
nahrung) stellt sich der gesunde menschliche Organismus in 
ein Kalkgleichgewicht ein, derart, dass die Kalkausfuhr in 
Urin und Kot sich in gewissen Grenzen mit der Einfuhr deckt. 

2. Die Tatsache des Vorhandenseins eines solchen Kalk¬ 
gleichgewichts beim Gesunden berechtigt zur Anstellung von 
Kalkstoffwechseluntersuchungen in der näher beschriebenen 
Form. 

3. Bei Anstellung derartiger Stoffwechselversuche darf 
man sich nicht auf die quantitative Bestimmung des Urinkalks 
allein beschränken; ein exacter Stoffwechselversuch mit 
quantitativer Bestimmung des CaO-Gehaltes in Urin and Kot 
muss verlangt werden. 

4. In vielen Fällen chronischer deformierender Knochen- 
bzw. Gelenkerkrankung findet sich im Kalkstoffwechsel versuch 
eine Störung der Bilanz nach der positiven Seite. 

5. In Fällen von chronischer Gicht oder von subacutcm 
Gelenkrheumatismus (von Noorden und Belgardt) kann eine 
Ausschwemmung von Kalk beobachtet werden. 


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Zur Frage der StofTwechselerkrankungen. 


463 


6. Nur eine im Stoffwechselversuch nachgewiesene Retention 
bzw. Ausschwemmung von CaO berechtigen zu Schlussfolgerungen, 
denn selbst in Fällen schwerer Erkrankung kann ein normaler 
Stoffwechselablauf beobachtet werden. 

7. Therapeutisch empfiehlt sich in Fällen, in denen im 
exacten Stoffwechselversuch (Urin-(-Kot) eine Kalkretention 
nachgewiesen worden ist, eine diätetische Behandlung in Form 
einer kalkarmen Ernährung (cf. die Vorschläge Hirschbergs). 
Dieselbe führt zur subjectiven und objectiven Besserung, hat 
aber keinen Einfluss auf den weiteren Ablauf des Kalkstoff- 
wechscls. Natürlich sind die übrigen therapeutischen Mass¬ 
nahmen bei der Behandlung derartiger Kranker, vor allem 
die Massage der atrophischen Musculatur, nicht zu vernach¬ 
lässigen. 

8. Eine Anzahl der beschriebenen Fälle boten mehr oder 
weniger deutliche Symptome einer Störung der inneren Se- 
cretion (Exophthalmus, Graefe, Moebius, Thyreoideavergrösse- 
rung, relative Lymphocytose, Eosinophilie, Menstruations- 
anomalien). 

9. Die gleichzeitige. Untersuchung des Purinstoffwechsels 
ergab in einem Falle einen normalen Ablauf desselben; in 
einem zweiten Falle bestand eine geringfügige Retention im 
endogenen sowie eine verschleppte Ausscheidung im exogenen 
Harnsäurestoffwechsel. 

10. Ueber die Fragen, ob etwa eine primäre Stoffwechsel¬ 
störung in irgend einer Richtung zu den beschriebenen Kalk¬ 
ablagerungen führt oder ob lediglich der einfache Aufbau 
von neuer Knochensubstanz Kalk aus dem Allgemeinhaushalt 
entzieht, soll auf Grund vorstehender Untersuchungen kein 
Urteil gefällt werden. 


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XIX. 

Aus dem pathologischen Institut der Universität zu Würzburg. 

Leberglykogen und Diabetes mellitus. 

Von 

Prof. Konrad Helly, 

Prosektor am Institut. 


Die folgenden Ausführungen haben die Tatsache zum Ausgangs¬ 
punkt, dass in der pathologischanatoraischen Literatur einerseits, in der 
klinisch-experimentalpathologischen andererseits ein wesentlicher Unter¬ 
schied darin besteht, wie das Verhalten des Leberglykogens beim Diabetes 
mellitus dargestellt wird. Es ist dies um so auffallender, als seit 
Minkowskis bekannter grösserer Abhandlung, in welcher diese Gegen¬ 
sätzlichkeit zum ersten Male deutlich zum Ausdruck kommt, bereits 
20 Jahre verflossen und innerhalb dieser Zeit verschiedene Arbeiten er¬ 
schienen sind, in welchen diese Frage eine wichtige Grundlage der jeweils 
angestellten Betrachtungen bildet. 

In Kürze lässt sich diese Gegensätzlichkeit dahin zusammenfassen, 
dass von ersterer Seite in den gebräuchlichen Lehrbüchern, also gewisser- 
massen als Lehr- und Schulmeinung, die Glykogeninfiltration der Leber 
als beim Diabetes mellitus zur Beobachtung kommende Erscheinung ver¬ 
zeichnet wird. In diesem Sinne drücken sich mehr oder minder überein¬ 
stimmend beispielsweise aus die Lehrbücher von Aschoff, Kaufmann, 
Ribbert, Schmaus-Herxheimer (insbesondere mit Bezug auf das 
Kernglykogen), sowie Schwalbe. Von der anderen Seite wird nicht 
minder übereinstimmend daran festgehalten, dass die schwere Form dieser 
Erkrankung, besonders im experimentellen Pankreasdiabetes, durch raschen 
und mehr oder minder vollständigen Glykogenschwund in der Leber ge¬ 
kennzeichnet sei und auch da gewann diese Darstellung eine gleiche 
Bedeutung, wie jene andere in der pathologischen Anatomie; ja sie er¬ 
langte sogar ausschlaggebende Bedeutung durch den Umstand, dass sie 
zu einer wichtigen Grundlage der Theorien über den Diabetes wurde, 
ln diesem Sinne hatte sie schon Minkowski in der genannten Arbeit 
verwertet und die gleiche Rolle spielt sie in den beiden gegenwärtig 
namhaftesten monographischen Darstellungen der Zuckerkrankheit von 
Naunyn und v. Noorden. 

Von vornherein ist nun als am wahrscheinlichsten anzunehmen, dass 
die Angaben beider Seiten zutreffen, für jede aber gewisse Sonder¬ 
bedingungen in Frage kommen, die eben nur für das beziehungsweise 
Beobachtungsmaterial der betreffenden Arbeitsrichtung gelten. Um also 
die Befunde beider genannten Richtungen miteinander in Einklang zu 


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Leberglykogen und Diabetes mellitus. 


465 


bringen, wird es nötig sein zu erforschen, wodurch jeweils der Glykogen¬ 
schwund bedingt sein könnte, oder, wofern diese Frage sich nicht ein¬ 
deutig sollte lösen lassen, zumindest festzustellen, ob derselbe tatsächlich 
jene ausschlaggebende Bedeutung für das Zustandekommen schwerer Dia¬ 
betesformen beanspruchen darf, welche ihm diesbezüglich zugeschrieben wird. 

Da muss nun hervorgehoben werden, dass Minkowski selbst sich 
keineswegs in diesem Sinne bindend ausgesprochen hat. Seine dies¬ 
bezügliche Zurückhaltung ist wohl in erster Linie eine Folge seiner 
Beobachtung, dass die linksdrehenden Kohlehydrate zum grossen Teil im 
Organismus verwertet, zum Teil aber in Traubenzucker umgewandelt 
und als solcher ausgeschieden werden. Wichtig war dabei die Fest¬ 
stellung, dass im Organismus des pankreasdiabetischen Tieres aus links¬ 
drehendem Kohlehydrat ein rechtsdrehendes Glykogen gebildet wird, 
während ein solches nach Zufuhr rechtsdrehender Kohlehydrate nicht 
zur Ablagerung gelangt. Damit war zunächst einmal erwiesen, dass 
weder die Bildungs-, noch die Ablagerungsfähigkeit des Glykogens in 
einem notwendigen Zusammenhang, sei es als Ursache, sei es als Folge, 
mit dem Diabetes stehen müsse. Minkowski betrachtet wohl einen 
solchen Zusammenhang als gegeben, lässt es aber als fraglich erscheinen, 
ob die vorausgesetzte Umwandlung des Glykogens in Zucker als Ursache 
für die Glykosurie angesehen werden kann, oder ob sie nicht vielleicht 
erst die Folge des Diabetes sei. Ganz richtig fällt die Bemerkung, dass 
es schwer einzusehen sei, warum das aus Traubenzucker stammende 
Glykogen sofort wieder saccharificiert werden soll, wähend das aus Lävu- 
lose gebildete sich in sehr erheblicher Menge in der Leber, wie in den 
Muskeln anhäufen kann. Viel plausibler sei unzweifelhaft die Annahme, 
dass das Pankreas in der Norm irgend eine besondere Function bei dem 
Verbrauche des Zuckers zu erfüllen habe und dass der Ausfall dieser 
Function die Ursache des Diabetes sei. Sinngemäss nimmt Minkowski 
auch weiter an, dass für den normalen Verbrauch der Dextrose die Mit¬ 
wirkung des Pankreas erforderlich sei, hingegen nicht für den Verbrauch 
der Lävulose. 

Obgleich diese Ansichten des Genannten in der Folgezeit vielfach 
citiert wurden und als hinlänglich bekannt angesehen werden dürfen, 
mögen sie doch hier wieder Platz Anden, da aus ihnen wohl nicht immer 
die richtigen Folgerungen gezogen wurden und ferner, weil gerade die 
Forschungen der jüngeren Zeit darauf hinzuweisen scheinen, dass die 
wichtigste Quelle der diabetischen Stoffwechselstörung nicht auf dem 
Wege Glykogen-Zucker oder umgekehrt zu suchen sei, sondern wahr¬ 
scheinlich viel eher in Hemmungen des Zuckerverbrauches in den Geweben. 
Diese Form der Störung erscheint aber, wie man sieht, in den Minkowski- 
schen Ausführungen bereits ins Auge gefasst. 

Ist nun die Anschauung richtig, dass der extreme Glykogenschwund, 
wie er im experimentellen Pankreasdiabetes beschrieben wird, nicht zur 
Charakteristik des genuinen menschlichen Diabetes gehört, selbst wenn 
man auch diesen als pankreatogene Störung betrachtet, dann geht daraus 
hervor, dass das experimentelle und das natürliche Krankheitsbild einander 
nicht so vollständig entsprechen können, wie vielfach angenommen wird. 


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466 


Konrad Helly, 


Diese Schlussfolgerung müsste an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn es 
gelingt, das Experiment so zu leiten, dass trotz andauernder hochgradiger 
Glykosurie der Glykogenschwund vermieden oder doch wenigstens merklich 
gehemmt würde. Nun hatte Minkowski selbst ja schon die Beobachtung 
gemacht, dass nach partieller Pankreasexstirpation der Glykogenschwund' 
erst dann einsetzt, wenn der zurückgelassene Pankreasrest dem völligen 
Schwund anheimfällt und damit die schwere Glykosurie einzutreten be¬ 
ginnt. An andererstelle (Helly 12) habe ich bereits darauf verwiesen, 
dass, nach dem anatomischen Bilde betrachtet, ebensowenig das Experiment 
der Totalexstirpation als der schliessliche völlige Pankreasuntergang nach 
Partialexstirpation dem menschlichen Diabetes entspricht, wie ja auch ein 
wesentlicher Unterschied (Helly 13a) zwischen der Kachexia strumipriva 
nach Schilddrüsentotalexstirpation und etwa dem Myxödem nach Schild¬ 
drüsenerkrankung ist. Dass aber Minkowskis Angabe über den Glykogen¬ 
schwund im Experiment leicht zu bestätigen ist, haben wiederholte Nach¬ 
untersuchungen bewiesen und ersah ich auch aus eigenen Versuchen. 

Es lag nun der Gedanke nahe, den Versuch zu unternehmen, ob 
sich nicht schwere Glykosurie nach Partialcxstirpation bei Verhinderung 
des Pankreasunterganges erzielen Hesse. Der Weg hierzu schien durch 
die Versuche Sandmeyers sowie Abelmanns gegeben, wobei nach 
Partialexstirpation Pankreaszusatz zur Nahrung eine bessere Ausnützung 
derselben und offenbar im Zusammenhang damit ein rascheres Eintreten 
der Glykosurie ergeben hatte. Allerdings waren diese Versuche in der 
gewöhnlich üblichen Weise unternommen worden, d. h. unter Belassung 
oines vom Darme vollständig abgeschalteten und daher dem schliess- 
lichen völligen Schwunde anheimfallenden Drüsenrestes. Es war also zu 
erwarten, dass unter Belassung eines genügend kleinen darmständigen 
Restes in natürlicher Verbindung mit seiner Mündung ein ähnliches Er¬ 
gebnis, wie in den Versuchen der Letztgenannten, erzielt werden dürfte, 
jedoch ohne das zu vermeidende Untergehen des Drüsenrestes. Daraufhin 
unternommene Versuche, über welche ich in Kürze bereits berichtet habe 
(Helly 12, 13), ergaben bald eine Bestätigung dieser Annahme. 

Leider war mir die Tatsache entgangen, dass bereits im Jahre 1910 
eine gleiche Versuchsanordnung von Thiroloix et Jacob gewählt worden 
war. Um so erfreulicher ist die Uebereinstimmung im Versuchsergebnis, 
da dieselben gleichfalls die Angabe gemacht hatten, dass es auf diesem 
Wege gelingt, einen experimentellen Diabetes von längerer Dauer und ohne 
die extreme Abmagerung zu erzielen, welche die gewöhnliche Versuchs¬ 
anordnung begleitet und die gleichfalls nicht dem gewöhnlichen Durch¬ 
schnittsbild des menschlichen Diabetes entspricht, selbst wenn derselbe 
tödlich verläuft, sondern nur ganz gewissen Formen zukommt. 

Was nun meine eigenen Beobachtungen betrifft, erstrecken sich die¬ 
selben auf Exstirpationsversuche an insgesamt 31 Hunden sowie auf einige 
normale als Vergleichsobjekte benutzte Controlltierc. Es wurden teils 
Total- und Partialexstirpationen nach der alten Methodik geübt, teils 
wurde der soeben erwähnte neuere Weg der Partialexstirpation mit Be¬ 
lassung eines darmständigen Restes samt seiner Mündung eingeschlagen. 
Die Beobachtungsdauer erstreckte sich von wenigen Tagen bis zu 5 Monaten. 


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Leberglykogen and Diabetes mellitus. 


467 


Während der Versuchszeit erhielten die Tiere teils Pferdefleisch, teils ge¬ 
mischte Kost; ja es erwies sich sogar wiederholt als geradezu schädlich, 
ausschliesslich nur Fleisch zu geben und deshalb wurden Wirtshaus¬ 
abfälle, Milch, statt Pferdefleisch auch Rindermagen und dergleichen Ab¬ 
wechselungen befolgt. 

Die Totalexstirpationen ergaben insgesamt eine rolle Bestätigung des 
rapiden Glykogenschwundes in der Leber. Um diesbezüglich ein tunlichst 
sicheres Urteil gewinnen zu können, wurde grundsätzlich jedem Tier 
zugleich mit der Pankreasexstirpation auch ein kleines Stückchen Leber 
entnommen, an welchem nur der histologische Glykogennachweis geführt 
wurde, während nach Beendigung des Versuchs jeweils dieser Nachweis 
sowohl histologisch als auch quantitativ nach Pflüger durchgeführt ^ 
wurde. Infolge dieser regelmässigen Controllen konnte wiederholt ein 
bedeutendes Schwanken im normalen Glykogcngehalt beobachtet werden, 
ohne dass Krankheitserscheinungen hierfür eine Erklärung geboten hätten, 
selbstverständlich auch ohne Bestehen einer Glykosurie. Nicht mit Unrecht 
mahnt daher Pflüger zu besonderer Vorsicht bei allen Beurteilungen des 
Ergebnisses von Glykogenversuchen. An dem Endergebnis, dem völligen 
oder fast völligen Glykogenschwund nach Pankreastotalexstirpation, ist 
jedoch nicht zu zweifeln, ln den günstigsten Fällen Hessen sich nur 
noch 0,065 pCt. Glykogen in der Leber nachweisen, für gewöhnlich aber 
bedeutend weniger, wofern eine quantitative Bestimmung überhaupt noch 
möglich war. 

Merklich anders stellt sich jedoch das Ergebnis nach Partialexstirpation 
auf Grund der neueren Methode. Während bei diesen Versuchstieren der 
Zuckergehalt im Harn sich dauernd auf einer namhaften Höhe erhalten 
Hess — im Durchschnitt 8—10 pCt. — und die Tiere gleichzeitig sich 
dauernd anscheinend völlig wohl befanden, im Gewicht nur wenig ab- 
nahmen und zeitweise sogar darin constant blieben, vermochte ich doch 
beispielsweise in einem Falle (XXVI) nach einer Versuchszeit von 5 Monaten 
noch 0,3 pCt. Glykogen nachzuweisen, also eine, wenn auch verminderte, 
so doch wesentlich höhere Menge als nach Totalexstirpation. Gerade 
dieser Versuch ist aber noch dadurch bemerkenswert, dass es sich um 
einen Hund handelte, weleher schon im normalen Controllstück einen 
verhältnismässig geringen Glykogengehalt zeigte und als ihm nach 
2 Monaten wieder ein kleines Leberstückchen zur Glykogencontrollc ent¬ 
nommen wurde, in diesem eine nur unwesentliche Verminderung, soweit 
sich dies histologisch beurteilen lässt, gegen den Anfangszustand erkennen 
Hess. Einen gleichen Schlusswert des Leberglykogens beobachtete ich 
in einem anderen Versuch (XXIX) nach 2 1 / 2 monatiger Dauer, nach 
welcher Zeit der Hund wegen beginnender Schwäche getötet wurde und 
nun bei der Obduction nebst reichlichen Askariden im Darm eine 
locale abgesackte Eiterung zwischen den Darmschlingen im Operations¬ 
gebiet zeigte. 

Derartige Coraplicationen "beeinflussen jedoch das Versuchsergebnis 
in einem ganz erheblichen Grade. Nicht nur, dass die Tiere einen plötz¬ 
lichen Gewichtsverlust aufweisen, der nur sehr schwer, wenn überhaupt, 
wieder hereinzubringen ist, wofern sie nicht vollends rasch zugrunde 


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468 


Konrad Helly, 


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gehen, auch im Glykogengehalt der Leber drücken sich solche Störungen 
sehr deutlich aus. So konnten wiederholt nach Parlialexstirpationen der 
älteren Methode (XVIII) und der neueren (XIII, XXII, XXX), wenn der 
Tod schon in den ersten Tagen infolge von Complicationen eingetreten 
war, nur Spuren von Glykogen nachgewiesen werden. Zum Teil stimmen 
diese Beobachtungen mit den Erfahrungen überein, welche Meixner am 
menschlichen Leberglykogen bei verschiedenen Todesarten sammelte. 
Danach hängt dessen Menge in der Leiche in erster Linie von der Todes¬ 
art ab und zwar zunächst von der Länge der Zeit, die vom Nachlassen 
der lebenswichtigen Functionen bis zu deren Stillstand vergeht. Dabei 
könne das Glykogen in kurzer Zeit sehr beträchtlich abnehmen. 

Hatte sich nun in meinen Versuchen der Glykogenschwund zwar 
nicht vollkommen verhindern lassen, geht doch andererseits aus ihnen 
hervor, dass seine Stärke und die Höhe und Dauer der Glykosurie nicht 
in jenem zwingenden Verhältnisse zueinander stehen müssen, wie dies 
vielfach angenommen wird, sondern dass es sich viel eher um Parallel¬ 
erscheinungen handelt, möglicherweise bewirkt durch den Ausfall be¬ 
stimmter Pankreasfunctionen, welche nicht einmal für beide die gleichen 
sein müssen. Anderenorts (Helly 13b) habe ich diese Auffassung 
bereits zu begründen versucht; hier seien nun noch einige weitere Tatsachen 
und in der Literatur niedergelegte Beobachtungen angeführt, welche diese 
Auffassung ebenfalls rechtfertigen dürften. 

Was zunächst den Glykogenbefund in der Leiche an Diabetes Ver¬ 
storbener betrifft, sei hier, abgesehen von den eingangs herangezogenen 
Lehrbuchverweisungen, auf die Arbeiten Gierkes und Rosenbergs 
sowie die von Pflüger gegen den angeblichen Glykogenschwund citierten 
Beobachtungen Ehrlichs am Lebenden und Külz’ verwiesen, welche 
erkennen lassen, dass keine Berechtigung gegeben ist, den Befund des 
Glykogenschwundes, wie er im Experiment unter gewissen Voraussetzungen 
aufzutreten pflegt, ohne weiteres auf die menschliche Pathologie zu über¬ 
tragen oder gar zur Grundlage der Theorien über den Diabetes zu 
machen. Besonders charakteristisch ist in dieser Beziehung eine Be¬ 
obachtung Ehrlichs an der Leiche. Bei einem 25jährigen Mädchen war 
nach einjähriger Krankheitsdauer mit merklicher Abmagerung von 46,35 kg 
auf 36,20 kg und terminaler Pneumonie, wobei schliesslich auch der 
Appetit darniederlag, der Tod eingetreten. Bei der Section fand sich 
im Pankreas reichliche Bindegewebsvermehrung auf Kosten des Parenchyms, 
im ganzen also ein Fall, welchen wir zu den schweren Formen akuteren 
Verlaufes bei jugendlichen Individuen rechnen dürfen und für die man 
am ehesten zur Annahme geneigt sein könnte, dass das Experiment der 
Totalexstirpation ein geeignetes Vergleichsobject schaffe. Gerade in diesem 
Falle fand sich jedoch in der Leber ein so reichlicher Glykogengohalt 
(leider ohne quantitative Angabe), dass Ehrlich sich veranlasst sah, eine 
diesbezügliche Abbildung zu geben, auf welcher man tatsächlich alle Leber¬ 
zellen durch Jod sattbraun gefärbt bemerkt. Meixner knüpft hieran die 
sehr zutreffende Kritik: „Allerdings wäre gerade in diesem Falle mit 
Rücksicht auf die dem Tode vorangehenden Erscheinungen der grosse 
Glykogengehalt nicht zu erwarten.“ 


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Leberglykogen und Diabetes mellitus. 


469 


Reste von Glykogen waren übrigens in Ehrlichs Fällen fast stets 
nachzuweisen, wobei auch schon des Kernglykogens Erwähnung getan ist, 
allerdings, wie es scheint, ohne dass diese topographische Beziehung 
richtig erkannt worden wäre. Unter den Fällen mit viel Glykogen in 
der Leber werden besonders auch solche hervorgehoben, wo während des 
Lebens strenge Fleischdiät beobachtet war. 

Unter meinen eigenen Beobachtungen verfüge ich nebst glykogen¬ 
armen Fällen beispielsweise auch über einen Fall eines im typischen 
, Coma verstorbenen 24jährigen Diabetikers, welcher bei milder Jahreszeit 
j (September) erst am folgenden Tage zur Obduktion kam und dabei noch 
! 0,45 pCt. Glykogen in der Leber aufwies, welche Quantität auf mindestens 
1 1 / 2 pCt. zu erhöhen ist, wenn man erwägt, dass mir Controllversuche 
am Hunde ergaben, dass bei Aufbewahrung des Organes im Kühlschrank 
der Glykogengehalt von 24 zu 24 Stunden in den Verhältnissen von 
3,5 : 3,0 : 2,5 absinkt. Bezeichnend für die Wirksamkeit von Complicationen 
ist eine andere Beobachtung, in welcher es sich um einen fettleibigen 
43jährigen Diabetiker handelte, welcher zwar nur den dritten Teil des 
vorbezeichneten Glykogengehaltes aufwies, welcher aber an den septischen 
Folgen einer sehr schweren, mit ausgebreiteter Vereiterung einhergegangener 
Furunculose zugrunde gegangen war. Es stimmt diese Beobachtung voll¬ 
kommen mit denen im Tierversuch überein, die eben auch zeigen, dass 
es umso eher gelingt, den Glykogenschwund in der Leber zu hemmen, 
je weniger Complicationen der verschiedensten Art in Frage kommen, 
wie insbesondere eiternde Processe, Diarrhoen u. dgl. 

Wenn nun auch nicht zu verkennen ist, dass auch ein Glykogen¬ 
gehalt von 1 / 2 pCt. eine Verminderung gegenüber der Norm bedeutet — 
Naunyn bezeichnet sogar den Befund von Külz mit 0,6 pCt. als „also 
auch sehr wenig“ —, so liegt m. E. das Schwergewicht der Betrachtung 
nicht so sehr im Vergleich mit der Norm, als vielmehr in dem mit dem 
Befund nach Totalexstirpationen einerseits, nach partiellen der neueren 
Methode andererseits; denn es zeigen diese, trotzdem bei ihnen die Höhe 
der Glykosurie mindestens gleichen Grades, ihre Dauer aber bedeutend 
länger ist, als bei jenen, doch nicht den extremen Glykogenschwund 
derselben. Es besteht also ein augenscheinlicher Mangel an Congruenz 
zwischen der Höhe der Zuckerausscheidung und dem etwa erzielten 
Glykogenschwund und lässt daher vermuten, dass derselbe nur eine 
Secundärerscheinung darstellt. 

Tatsächlich wurden solche Unstimmigkeiten schon von Verschiedenen 
gefühlt und mehrfach zu erklären versucht. Naunyn, welcher bekannt¬ 
lich die Glykogenverarmung der Organe, speziell der Leber, als „Dyszo- 
amylie“ bezeichnete, bemerkt, dass man mit Rücksicht auf die Hyper- 
glykogenie eher eine Glykogenbereicherung der Leber erwarten müsste, 
als eine Verarmung, im Gegensatz zum Verhalten bei gesteigertem Zuckcr- 
verbrauch, z. B. durch gesteigerte Muskeltätigkeit. Es erscheine daher 
als sehr unwahrscheinlich, dass diese Verarmung der Leber und Muskeln 
an Glykogen beim Diabetischen als einfache Folge des Zuckerhungers 
im Organismus anzusehen sei. „Wir kommen also dahin, dass der beim 
Diabetes mellitus bestehende Glykogenmangel in den Organen der Aus- 


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druck einer besonderen, dieser Krankheit eigentümlichen Störung des 
Zuckerstoffwechsols sei“. Die Dyszoamylie bewirke eine Störung der 
Regulierung des Zuckergehaltes im Blut und dadurch die Glykosurie. 

Pflüger hält daran fest, dass selbst bei der schweren Form des 
Diabetes eine kräftige Glykogenbildung in der Leber vorhanden sein kann, 
jedoch wandle die mächtige Fermentwirkung das Glykogen nur wieder 
sofort in Zucker um. „Ist diese Wirkung stärker als die Bildung des 
Glykogens, so ist die Leber bald frei von Glykogen“. 

Nach v. Noorden lässt sich die gewaltige Höhe der Zuckerproduction 
in schweren Diabetesfällen trotz eiweissarmer und kohlehydratfreier Kost 
nur auf dem Umwege über die Fettsäuren erklären, die überhaupt keine 
Glykogenbildner sind, weder direct noch indirect. Der Genannte ver¬ 
sucht auch eine Erklärung für das widersprechende Verhalten des Lävu- 
losefütterungsversuches mit reichlichem Glykogenansatz gegenüber dem 
gegensätzlichen Verhalten bei Dextrosefütterung damit zu erbringen, dass 
eine Verschiedenheit beider Glykogenarten bestünde, stösst jedoch dies¬ 
bezüglich auf die gegenteilige Ansicht z. B. von Biedl, welcher ebenso 
wie Naunyn einen derartigen Unterschied nicht anerkennen will. Wenn 
v. Noorden vermutet, dass das intracellulare Kohlehydrat (Glykogen) 
zum Abbau der Acetonkörper nötig ist und weiterhin die Gefahr der 
Acetonurie im Auftreten des Coma erblickt, so ergäbe sich daraus ein 
Zusammenhang zwischen Glykogenschwund und Coma, mit welchem bei¬ 
spielsweise meine oben mitgeteilte Beobachtung im Widerspruch steht. 

Geht schon aus all diesem hervor, dass zwischen dem Glykogen¬ 
gehalt der Leber und der in Blut und Harn zum Ausdruck kommenden 
Störung des ZuckerstoflWechsels beim Diabetes keineswegs eine derartig 
gesetzmässig bindende Beziehung bestehen muss, wie dies vielfach an¬ 
genommen wird, so wird dies noch deutlicher aus jenen schon oben er¬ 
wähnten Beobachtungen Ehrlichs von stärkerem Glykogengehalt trotz 
reiner Fleischdiät. Wäre der angeblich so regelmässige Glykogenschwund 
wirklich von ausschlaggebender Bedeutung für die pathologische Zucker¬ 
ausscheidung, dann müsste man ganz besonders in derartigen Fällen 
eine vollkommene Glykogenverarmung erwarten, wenn sie, wie im Experi¬ 
ment der Totalexstirpation schon sonst unter allen Umständen einträte. 
Dass aber die genannten Beobachtungen kein Unicum darstellen, geht 
auch aus der noch älteren Angabe von Külz hervor, in welcher es sich 
um einen 27jährigen Diabetiker handelte, der vor seinem Tode ebenfalls 
strenge Fleischdiät befolgte und in seiner Leber nennenswerte Glykogen¬ 
mengen beherbergte — Külz beziffert sie auf mindestens 10—15 g im 
ganzen Organ —, was umso bemerkenswerter ist, als genügend Be¬ 
dingungen für einen weitgehenden Glykogenschwund gegeben gewesen 
wären. Der Tod war nämlich nach 28ständiger Agone eingetreten, 
34 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme, und die Obduction war 
nach 12 Stunden vorgenommen worden. 

Ebensowenig, wie der Glykogenschwund für den Diabetes charakte¬ 
ristisch ist, gehört auch das gegensätzliche Verhalten nach Dextrose- 
bzw. Lävulosefütterung zu einer derartigen Charakteristik. Dies geht 
deutlich aus Neubauers Versuchen hervor, welcher nach Phosphor- 


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Leberglykogen und Diabetes mellitus. 


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Vergiftung, nach welcher es zu einem raschen Glykogenschwund in der 
Leber kommt, die gleiche Gegensätzlichkeit bemerken konnte. Anderer¬ 
seits haben aber Frank und Isaac (11a) die Beobachtung gemacht, 
dass bei phosphorvergifteten Tieren trotz dieses starken Glykogenschwundes 
sich nach Pankreasexstirpation doch noch eine bedeutende Glykosurie 
einstellt, und daraus den Schluss gezogen, dass dieselbe nur eine Folge 
von Beeinträchtigung des Zuckerverbrauches in den Organen sein könne, da 
ja eine übermässige Zuckerproduction in der Leber nicht mehr möglich wäre. 

Es ist gewissermassen nur ein weiteres Glied in der Kette der Be¬ 
weise gegen die unbedingte Zusammengehörigkeit eines angeblich regel¬ 
mässigen Glykogenschwundes mit pathologischer Zuckerausscheidung, 
wenn Frank und Isaac (11b) an weiterer Stelle darüber berichten, 
dass der rapide Glykogenschwund in der Leber nach Phosphorvergiftung 
zu keiner Zeit von Hyperglykämie gefolgt ist und eine Erklärung hiefür 
darin suchen, dass offenbar das Glykogen hiebei in der Leber in Milch¬ 
säure verwandelt werde, daher deren Vermehrung im Harne. Immerhin 
glauben jedoch die Genannten den Pankreasdiabetes als Störung der 
Glykogenfixation betrachten zu sollen. 

Nun hat aber Pollak (09a) bei hungernden Kaninchen und Hunden, 
auch solchen, welche durch Strychninkrämpfe völlig glykogenfrei gemacht 
worden waren, durch wiederholte Zufuhr von Adrenalin in steigenden 
Dosen Glykogenaufstapelung in der Leber beobachten können und zwar 
in einer Höhe, wie sie sonst nur bei kohlehydratgefütterten Tieren zur 
Beobachtung komme. Die Muskeln waren dabei völlig oder fast völlig 
glykogenfrei. Da nun aber die Tiere dabei im Hunger gleichwohl Zucker 
im Harn ausschieden, verlegt Po llak dessen Quelle in eben dieses Leber¬ 
glykogen und so sehen wir, dass in durchaus widersprechender Weise 
von verschiedenen Autoren das eine Mal der Glykogenschwund der Leber, 
das andere Mal die Glykogenvermehrung in derselben als Quelle der 
pathologischen Zuckervermehrung in Anspruch genommen wird. In einer 
zweiten Arbeit bringt Pollak (09b) denn auch zum Ausdruck, dass die 
Frage der Abhängigkeit einer Glykosurie vom Glykogenbestand schwierig 
zu beantworten sei. Immerhin scheine der Pankreas- und Phloridzindiabetes 
nicht an die Anwesenheit von Glykogen in der Leber gebunden zu sein. 

Damit soll nun freilich nicht etwa in Abrede gestellt werden, dass 
im Leberglykogen eine Zuckerquelle zu erblicken ist, wie dies schon den 
bekannten Claude Bernardschen Feststellungen entspricht. Unter ge¬ 
wissen Umständen mag denn auch eine Hyperglykämie und Glykosurie 
ausschliesslich auf diese Quelle zu beziehen sein. So vermochte Elias, 
z. T. in Gemeinschaft mit Kolb, zu zeigen, dass es gelingt, durch ver¬ 
hältnismässig geringe Säureraengen Glykogen aus der Leber zu mobili¬ 
sieren, wodurch Hyperglykämie und Glykosurie entsteht, was durch 
positive Serienversuche an glykogenreichen, durch negative Versuche an 
glykogenarmen Tieren bewiesen wurde. Es ist jedoch eben durch solche 
Versuche ein Gegenbild gegen die oben erwähnten Versuche von Frank 
und Isaac geschaffen (Erzeugung von Pankreasdiabetes an glykogen¬ 
armen Tieren) und damit gezeigt, dass für den Zuckergehalt in Blut 
und Harn sehr verschiedene Quellen in Betracht gezogen werden müssen, 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 15. BU. ‘»i 


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wie dies ähnlich ja auch für den Glykogenschwund in der Leber gilt. 
Die vorstehenden Citate aus der Literatur geben dafür genügend Belege, 
denen als weiteres Beispiel die Angabe von Grünwald angereiht werden 
kann, welcher fand, dass jede bilaterale schwereNierenschädigung zur gleichen 
Erscheinung führt. Andererseits wissen wir aber aus vielfältigen Obductions- 
erfahrungen, dass ein namhafter Glykogenschwund vorhanden sein kann, 
ohne dass diabetische Erscheinungen während des Lebens bestanden hätten. 

Wie wir sahen, hat bereits Minkowski dem Gedanken eines im 
Diabetes gestörten Zuckerverbrauches Raum gegeben, wie sich zu einer 
ähnlichen Betrachtung auch Frank und Isaae veranlasst sahen. Eine 
besondere Stütze findet dieser Gedanke nun durch die Versuche von 
Knowlton und Starling, welche mit Hilfe des künstlichen Herz- 
Lungenkreislaufes von Hunden nachweisen konnten, dass Durchströmung 
mit Blut eines pankreasdiabetischen Tieres den normalen Zuckerverbrauch 
des Herzens von ca. 4 mg auf ein Minimum reduziert, während umge¬ 
kehrt das Herz des pankreasdiabetischen Hundes bei Durchströmung mit 
dem Blut eines normalen Tieres wieder ungefähr normalen Zuckerverbrauch 
zeigt. Offenbar produciere also das Pankreas normalerweise in das Blut 
eine für die Assimilation und den Verbrauch desZuckers notwendige Substanz. 

Diesen Versuchen misst auch Biedl grosse Bedeutung bei, welcher 
ebenfalls bemerkt: „Die Ausschüttung der Glykogenvorräte kann nicht 
die einzige Quelle für die Zuckervermehrung im Blute darstellen. Denn 
sie ist unabhängig von dem Glykogenbestande u . Doch betrachtet Biedl 
den Wegfall der Pankreastätigkeit als Ursache für die Verhinderung der 
Glykogenstapelung und der Entfernung der normalen Hemmungen des 
Glykogenzerfalles und der Zuckerbildung. Dadurch werde Ausschüttung 
und rascherer Abbau des Glykogens, Glykolyse, Hyperglykämie und 
Glykosurie veranlasst. 

Kehren wir nun zur eingangs vollzogenen Fragestellung zurück, so 
können wir jetzt eher die Befunde der pathologisch-anatomischen und 
der klinisch-experimentellen Arbeitsrichtung mit einander in Einklang 
bringen, bzw. die vorhandenen Verschiedenheiten überbrücken. Zunächst 
einmal hat sich ergeben, dass die pathologisch-anatomische Angabe des 
erhaltenen und bisweilen sogar reichlichen Glykogenbestandes in der 
Leber beim Diabetes mellitus des Menschen zu Recht besteht, wie ja 
auch in jüngster Zeit wieder von Loeschke bestätigt wurde. Daraus 
allein geht schon hervor, dass alle jene Versuche der künstlichen Er¬ 
zeugung eines dem menschlichen Diabetes analogen Bildes beim Tier, in 
welchen ein Glykogenschwund als ständige Regel auftritt, nicht ihrem 
beabsichtigten Zweck wirklich gerecht werden. Man kann nicht dagegen 
cinwenden, dass die Totalexstirpation nur gleich die schwerste Form des 
Diabetes schaffe, denn wir sahen ja, dass im menschlichen Krankheits- 
bild auch bei dieser eine glykogenreiche Leber zur Beobachtung kommen 
kann, bisweilen sogar wider alles Erwarten. 

Da sich nun gezeigt hat, dass sich mit Hilfe der Partialexstirpation 
des Pankreas unter Belassung eines darmständigen Restes in natürlicher 
Verbindung mit seiner Mündung ein dem genuinen Krankheitsbilde besser 
angenäherter Symptomencomplex erzielen lässt und dabei auch der 


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Leberglykogen und Diabetes mellitus. 


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Glykogenschwund wesentlich eingeschränkt werden kann, so geht daraus 
weiter hervor, dass das Bild nach Totalexstirpation überhaupt eine über¬ 
triebene Folge der ebenfalls übertriebenen Versuchsbedingungen darstellt, 
in welcher der Glykogenschwund ein secundäres Moment bedeutet, even¬ 
tuell eine Parallelerscheinung als Folge der vollständigen Pankreasaus¬ 
schaltung, wie diese ja auch nach den von Fleckseder bestätigten 
Versuchen Lombrosos zu einer Störung des Fettstoffwechsels durch 
Ausfall einer innersecretorischen Function führen kann. Alle diese 
Störungen, inbegriffen der vermehrten Zuckerausscheidung, mögen wohl 
auf verschiedene, partiale, innersecretorische Functionen des Pankreas 
zurückzuführen sein und damit ist die Möglichkeit gegeben, dass bei der 
natürlichen Erkrankung electiv die eine oder andere geschädigt wird, 
während die Totalexstirpation natürlich alle zusammen vernichten muss. 

Halten wir an dieser Auffassung fest, dann erledigt sich die weitere 
Frage von selbst, nämlich die, wodurch jeweils der Glykogenschwund 
bedingt sein könnte, sofern wir mit der Methode der Totalexstirpation 
arbeiten. Für die Ergebnisse nach partieller Exstirpation neuerer Methode 
hingegen kommt die ganze Reihe derjenigen Complicationen und Neben¬ 
umstände als einen Glykogenschwund auslösende Momente in Frage, 
welche im Experiment sowohl, wie im natürlichen Krankheitsbild in 
diesem Sinne erfahrungsgemäss wirksam sein können, ungerechnet die 
bisweilen recht erheblichen individuellen Verschiedenheiten im Glykogen¬ 
gehalt der Leber auch unter ganz normalen Verhältnissen. 

Eine besondere Beantwortung muss nun aber die Frage erhalten, ob 
für das Zustandekommen schwerer Diabetesformen ein etwaiger Glykogen¬ 
schwund jene ausschlaggebende Bedeutung beanspruchen darf, welche 
ihm vielfach zugeschrieben wurde. Dass wir diese Frage mit einem 
Nein werden beantworten dürfen, geht z. T. ja schon aus den gegen¬ 
stehenden positiven Glykogenbefunden hervor, über welche im Vorher¬ 
gehenden nach anderer und eigenen Beobachtungen berichtet wurde. 
Auch dass ein analoges Versuchsergebnis lediglich die Frage einer richtig 
geleiteten Methode des Experimentes zu sein scheint, konnte gezeigt 
werden. Es gibt aber noch eine einfache Ueberlegung, welche zu einer 
gleichsinnigen Beantwortung dieser Frage zu führen geeignet ist. 

Gehen wir nämlich von der Tatsache aus, dass doch einerseits ein 
mehr minder continuierlicher Kohlehydratstrom die Leber passiert, anderer¬ 
seits aber der Glykogenbestand der Leber gar nicht so selten auf ein 
Minimum herabsinken kann, ohne dass Hyperglykämie oder Glykosurie 
in Erscheinung tritt, so ist eigentlich damit allein schon erwiesen, dass 
die Bildung oder die Fixation von Glykogen in der Leber nicht zu den 
Grundbedingungen für die Regulation des Zuckerstoffwechsels gehören 
können. Aeusserstenfalls könnte eine bestimmte individuelle quantitative 
Niveauhöhe des Leberglykogens hier insofern von Belang sein, als 
während eines Absinkens derselben eine erhöhte Zuckerausschüttung er¬ 
folgen könnte, die ihr Ende erreichen müsste, sobald wieder eine be¬ 
liebige Niveauconstanz erreicht ist, selbst wenn sie gleich Null wäre. 
Wollte man die völlige Gleichgültigkeit dieser Niveauhöhe im gedachten 
Sinne nicht zugeben, dann müsste man geradezu zur Gegenforderung ge- 

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langen, dass eine ständige und ins Ungemessene fortschreitende Anreiche¬ 
rung des Leberglykogens den Ausdruck dafür bilde, dass die Aus¬ 
scheidung der zugeführten oder im Organismus producierten Kohlehydrate 
in Form von Zucker unterbleibt. Es wäre dagegen nicht möglich, etwa 
die Annahme zu vertreten, dass ein periodisches Schwanken des Leber¬ 
glykogengehaltes allein den Schüben in der Kohlehydratzufuhr entsprechen 
könne; denn es müsste dann zumindest ein ebensolches periodisches, aber 
entgegengesetzt gerichtetes Schwanken im Blutzuckergehalt nachweisbar 
sein, was den Tatsachen nicht entspricht. 

Aus diesen Erwägungen geht also hervor, dass weder der Glykogen¬ 
bestand der Leber, noch überhaupt irgend ein anderer Process für die 
Zuckerregulation in reversibler Weise wirksam sein kann, sondern es 
kann hierfür nur ein irreversibler Process in Frage kommen, bei dem 
also der Blutzucker ständig verbraucht wird, sei es als Aufbau-, sei es 
als Arbeits- oder Ausscheidungsmaterial. Die diabetische Kohlehydrat¬ 
stoffwechselstörung wäre damit von der Frage des Leberglykogens weit¬ 
gehend losgelöst und in erster Linie als eine Störung des Zuckerver¬ 
brauches wahrscheinlich gemacht, wie es ja den oben citierten Ansichten 
mehrerer Autoren und vor allem den Versuchsergebnissen von Knowltor. 
und Starling entspricht. 

Zusammenfassend kann also gesagt werden: 

Das Experiment der Pankreastotalexstirpation schafft kein adäquates 
Vergleichsbild zum natürlichen Diabetes mellitus des Menschen; dagegen 
lässt sich hierin eine bessere Anpassung durch die Partialexstirpation 
unter Belassung eines darraständigen Restes in natürlicher Verbindung 
mit seiner Mündung erzielen. 

Falls im Verlaufe des natürlichen oder experimentellen Diabetes ein 
Glykogenschwund in der Leber eintritt, stellt er eine Parallel-, Secundär- 
oder Complicationserscheinung dieser Erkrankung dar, nicht aber eine 
notwendige Grundbedingung oder Erklärungsmöglichkeit für deren Zu¬ 
standekommen überhaupt. 

Anatomische und experimentelle Beobachtungen zeigen, dass selbst 
sehr schwere Diabetesformen mit bisweilen sogar recht erheblichem 
Glykogengehalt in der Leber verlaufen können. 

Theoretische Erwägungen und bereits bekannte experimentelle Er¬ 
fahrungen sprechen dafür, dass der pathologischen Zuckerausscheidung 
im Diabetes im wesentlichen eine Zuckerverbrauchsstörung zugrunde liegt. 


Literatur. 

Biedl (13), Innere Sekretion. 2. Aufl. Berlin-Wien 1913. 

Ehrlich (83), (Jeher das Vorkommen von Glykogen im diabetischen und im normalen 
Organismus. Zeitschr. f. klin. Med. VI. 1883. 

Elias (13), lieber die Rolle der Säure im KohlehydratstofTwechsel. lieber Säure¬ 
diabetes. Biochem. Zeitschr. XLVIII. 1913. 

Derselbe und Kolb (13), Ueber die Rolle der Säure usw. II. Ebenda. Lll. 1913. 
Fleekseder (08), Ueber die Rolle des Pankreas bei der Resorption der Nahrungs- 
stotTe aus dem Darm. Archiv f. exp. Pathol. LIX. 1908. 


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Leberglykogen und Diabetes mellitus. 


475 


Frank und Isaac (11a), Beiträge zur Theorie experimenteller Diabetesformen. Archiv 
f. exp. Pathol. LXIV. 1911. 

Dieselben (11b), Ueber das Wesen des gestörten Stoffwechsels bei der Phosphor¬ 
vergiftung. Ebenda. 

Gierke (05), Das Glykogen in der Morphologie des Zellstoffweohsels. Zieglers Beitr. 
XXXVIII. 1905. 

Grünwald (11), Ueber die Abhängigkeit des Glykogengehaltes der Leber von der 
Nierenfunktion. Arohiv f. exp. Pathol. LXIV. 1911. 

Helly (12a), Entspricht der experimentelle Diabetes des Hundes dem natürlichen des 
Menschen? Verhandl. Deutscher Naturforscher u. Aerzte. 1912. 

Derselbe (12b), Pathologie der Pankreassekretion. Krehl-Marchand, Handb. d. 
allg. Pathol. Bd. II. 1913. 

Derselbe (13a), Diskussion zu Fahr. Verhandl. d. Deutschen pathol. Gesellsob. 
XVI. 1913. 

Derselbe (13b), Experimentelle Glykosurie und menschlicher Diabetes. Verhandl. 
Deutscher Naturforscher u. Aerzte. 1913. 

Knowlton und Starling (12a), Ueber den Zuckerverbrauch im normalen und im 
diabetischen Herzen. Vorläuf. Mitteil. Centralbl. f. Physiol. 1912. 
Dieselben (12b), Experiments on the consumption of sugar in the normal and the 
diabetic heart. Journ. of Physiol. XLV. 1912. 

Külz (76), Zur Kenntnis des menschlichen Leberglykogens. Pflügers Arohiv. XIII. 1876. 
Loeschke (13), Sind die herrschenden Anschauungen über das Wesen der diabetischen 
Stoffwechselstörung mit den anatomischen Befunden vereinbar? Münch, med. 
Woohenschr. 1913. 

Lombroso (07), Zur Frage über die innere Funktion des Pankreas mit besonderer 
Rücksicht auf den Fottstoffwechsel. Archiv f. exp. Pathol. LVI. 1907. 
Meixner (1911), Das Glykogen der Leber bei verschiedenen Todesarten. Beitr.gerichtl. 
Med. I. 1911. 

Minkowski (93), Untersuchungen über den Diabetes mellitus nach Exstirpation des 
Pankreas. Archiv f. exp. Pathol. XXXI. 1893. 

Naunyn (06), Der Diabetes mellitus. II. Aufl. Wien 1906. 

Neubauer (09), Ist der Unterschied im Verhalten der Glykogenbildung aus Lävulose 
bzw. Dextrose beim Diabetes für diesen charakteristisch ? Archiv f. exp. Pathol. 
LXI. 1909. 

v. Noorden (12), Die Zuckerkrankheit und ihre Behandlung. IV. Aufl. Berlin 1912. 
Pflüger (05), Das Glykogen und seine Beziehungen zur Zuckerkrankheit. II. Aufl. 
Bonn 1905. 

Pollak (09a), Experimentelle Studien über Adrenalindiabotes. Archiv f. exp. Pathol. 
LXI. 1909. 

Derselbe (09b), Kritisches und Experimentelles zur Klassifikation der Glykosurien. 
Ebenda. 1909. 

Kosenberg (10), Histologische Untersuchungen über das Leberglykogen. Zieglers 
Beitr. XLIX. 1910. 

Thiroloix et Jakob (10a), Diabete pancreatique expörimental. Bull. Soc. med. 
d’Hopital. Paris 1910. 

Dieselben (10b), Diabete pancreatique experimental sans amaigrissement. Ebenda. 
1910. 

Dieselben (10c), Diabete pancreatique ä duree prolongce. Ebenda. 1910. 
Dieselben (12), Formes prolongees du diabete experimental. C. r. Ac. Sc. 1912. 

Ferner die Lehrbücher der pathologischen Anatomie von Asch off, Kaufmann, 
Ribbert, Schmaus-Herxheimer und Schwalbe. 


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xx. 

Aus dem Centralhospital zu Petoemboekan (Sumatras Ostküste). 

Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren 
Chemotherapie. 

Von 

Dr. G. Baermann. 

Die echte Pneumokokken-Pneumonie in jeder Form ist so eingehend 
von berufenster Seite bearbeitet worden, dass ihre reine pathologische 
Anatomie an sich und ihre Klinik in weitgehender Weise klargelegt ist. 
Die fast unübersehbare Literatur ist in verschiedenen Sammelwerken 
übersichtlich zusaramengestellt, ein Hinweis darauf genügt hier. 

Der Infectionsmechanismus der Pneumokokken-Pneumonie, ihre 
Epidemiologie, die Art der Einzelübertragung von Mensch zu Mensch, der 
Entscheid, ob sie als Septikämie oder als primäre Lokalerkrankung mit 
Neigung zur Septikämie je nach der Angriffskraft des speciellen Pneumo¬ 
kokkenstammes und der vorliegenden inviduellen Verhältnisse aufzufassen 
ist, der Mechanismus bei dem Zustandekommen von Krisis und Lysis, die 
mit Krisis, Lysis und Leukocytose in engem Zusammenhang stehenden 
Iramunitätsverhältnisse entbehren jedoch noch heute trotz reichlicher, 
eingehender Untersuchungen in mehr oder minder weitgehender Weise 
einer definitiven Klärung. 

Es war deshalb kein müssiges Beginnen, diesen letzteren, noch mehr 
oder minder unentschiedenen Fragestellungen an einem grossen Material 
nachzugehen. Ich habe im Verlauf mehrerer Jahre den Gang unserer 
Pneumokken-Pneumonien, die Bewegung der Erkrankungs- und Mortalitäts¬ 
ziffern genau verfolgt und so aus etwa 600 Fällen ein Bild erhalten, 
das für einen Teil der obigen Fragestellungen nicht ganz uninteressant 
ist. Von diesen 600 Fällen ist etwa die Hälfte genau bakteriologisch 
mit Blut- und Sputumcultur untersucht und durch längere Zeit verfolgt. 

Das vorliegende Material erhält dadurch noch einen gewissen 
specifischen Wert, dass es aus einem wenig fluctuierenden 
Krankenmaterial aus etwa 18 000 javanischen Arbeitern hervor¬ 
gegangen ist. Diese 18 000 Arbeiter stehen alle unter ganz ähnlichen 
Lebens- und Arbeitsbedingungen, sie stehen zum allergrössten Teil 
zwischen dem 17.—35. Lebensjahr. Dazu kommt, dass diese Arbeiter 
unter festen jahrelangen Gontracten arbeiten, dass sie seit Jahren unter 
unserer einheitlich geleiteten ärztlichen Controlle stehen, dass sie ein- bis 
zweimal jährlich Mann für Manu untersucht werden, dass für alle Kranken 
Hospitalverpflegung vorgeschrieben ist, das heisst, dass alle Kranken in 
unserem grossen Centralhospital behandelt werden müssen. Es kann 


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Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren Chemotherapie. 


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somit keine irgendwie oder irgendwo gehäufte besondere Erkrankungs¬ 
form der Beobachtung und weiteren Klärung entgehen. Kurz, es ist unter 
diesen Verhältnissen eine dauernde und übersichtliche Information und 
Beobachtung des gesamten hygienischen Zustandes ermöglicht. 

Dieses selten günstig gelagerte Material berechtigt nun zu fester 
formulierten Schlüssen, als dies bei anderweitig unter weniger günstigen 
Umständen bearbeiteten Fragestellungen möglich ist. 

Es liegt mir natürlich absolut ferne, in diesem Rahmen eine er¬ 
schöpfende Darstellung aller dem klinischen Beobachter und auch 
dem Therapeuten wichtig und interessant erscheinenden und bei so 
grossen Beobachtungszahlen auch nicht ganz seltenen Besonderheiten zu 
behandeln, die sich ja mit wenigen Ausnahmen mit bekannten, da und 
dort publicierten Erfahrungen decken. Hier soll nur auf einen Teil der 
obigen Fragestellungen eingegangen werden. Eine interessante und wenig 
geklärte Frage ist die der Epidemiologie und der Uebertragungs- 
weise der echten Pneumokokken-Pneumonie; in directem Zusammenhang 
damit steht die Frage nach der Genese im Einzelfalle. 

Nach den Untersuchungen von Fraenkel, Sternberg, Netter und 
Wolf, Kruse und Pansini, Besangon und Griffon und vielen 
anderen trägt ein grosser Teil aller Gesunden, vielleicht sogar alle mehr 
oder minder reichlich Pneumokokken in Mund- oder Nasenhöhle. Die 
Pneumokokken sind zum Teil tiervirulent, wie die Infectionsversuche von 
Netter und Wolf an Kaninchen dargetan. Der Pneumococcus steht, 
worauf ich bereits früher hingewiesen habe, bei gleicher Localisation in 
Mund- und Nasenhöhle unter ähnlichen Bedingungen wie der Meningo- 
coccus, und auch die Epidemiologie dieser beiden Erkrankungen zeigt 
weitgehende Analogien. 

Die Frage jedoch, ob gerade die in der Mund- oder Nasen¬ 
höhle enthaltenen Pneumokokken (oder Meningokokken) stets auch 
wirklich die Erreger der betreffenden speciellen Pneumonie des 
Trägers sind, ist bis heute unentschieden, sie könnten auch unter be¬ 
stimmten Bedingungen von anderer Seite stammen und der Mundstamra 
für den Träger irrelevant sein. 

Wir haben nun hier auf unseren 28 Pflanzungen im Laufe der letzten 
Jahre eine ganze Reihe von genau beobachteten, zeitlich und local scharf 
begrenzten Endemien verfolgt, die sich durch eine grosse Differenz des 
Gesamtbildes der einzelnen Endemien deutlich unterscheiden. Die Mortalität 
schwankte zwischen 3 pCt. und 30 pCt., die Einzelfälle der Endemien 
zeigten zum Teil von vornherein ein typisches Gepräge, das heisst, es 
fehlte einmal ein häufiger und weitgehender Einbruch von Pneumokokken 
in das Blut, Complicationen von seiten der befallenen Lunge selbst, der 
Pleurahöhle, des übrigen Organismus, während andererseits schwere, 
eigenartige primäre Allgemeinerscheinungen, massenhafter Einbruch von 
Pneumokokken in die Blutbahn, oft von kleinen centralen Herden aus¬ 
gehend, Lungenabscesse oder Gangrän, Empyem und Meningitis, ulceröse 
Endocarditis, echte primäre Septikämie in geradezu auflallender und 
nicht misszuverstehender Weise gehäuft waren. Da hier — wie er¬ 
wähnt — dieArbeitsart einheitlich ist, da auf dem circumscripten 


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G. Baermann, 


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Gebiet einer Einzelpflanzung Witterungs- oder Temperatur¬ 
differenzen ausgeschaltet werden können, da sich diese Endemien 
oft nur aus einem der grossen Arbeiterhäuser rekrutierten und in 
einem entfernter gelegenen fehlten, so muss doch mehr oder minder ge- 
zwungenermassen ein Factor gesucht werden, der die Häufung, die 
Schwere und Eigenart des Krankheitsbildes erklärt, und dieser Factor 
kann eigentlich nur in der Annahme eines besonders virulenten Er¬ 
regers gefunden werden, dessen Uebertragung durch Inhalation bei dem 
relativ engen Zusammenwohnen in den grossen Arbeiterhäusern ohne 
weiteres begreiflich ist. Es erscheint dagegen etwas gezwungen, an¬ 
zunehmen, dass unter den gegebenen Bedingungen plötzlich eine grössere 
Zahl von Arbeitern in hohem Masse gegen die Invasion eigener Pneumo¬ 
kokken unresistent werden sollten, dass plötzlich auf einem bestimmten 
Platze bei einer Reihe von Pneumokokkenträgern die eigenen Pneumo¬ 
kokken eine erhöhte Virulenz erreichen, so dass die circumscripte Häufung 
solch besonders gearteter, schwerer Fälle erklärt werden könnte. 

Und diese Endemien kommen plötzlich, verlaufen kurz, verschwinden 
rasch wieder, um an bestimmten Orten entweder unter ganz anderen 
äusseren Witterungsverhältnissen und auch unter eventuell ganz anderen 
Arbeitsbedingungen einmal wiederzukehren oder bei ganz gleichen Witterungs¬ 
und Arbeitsbedingungen an einem bestimmten Platz überhaupt nicht mehr 
aufzutreten. Diese Beobachtung ist nicht vereinzelt, sondern wir 
haben sie wiederholt gemacht. Es ist im übrigen auch von anderer 
Seite, wohl zuerst von Jürgensen auf diese Möglichkeiten hingewiesen 
worden. Eine ganze Reihe von Autoren haben ähnliche Endemien be¬ 
schrieben, Kiewit de Jonge, Leede, Kutschera, Reiche und 
Schomerus und andere. 

Ein weiterer' Fingerzeig sind die hier recht häufigen Hospital- 
infectionen mit Pneumokokken, deren Ausschaltung natürlich unmög¬ 
lich ist. Es ist ohne weiteres klar, dass bei einer Belegzahl von etwa 
500 Kranken der eine oder andere Kranke auch ohne besondere Vor¬ 
bedingungen einmal eine Pneumonie acquiriert. Der überwiegende Teil 
unserer Nosokoraialinfectionen verläuft jedoch so schwer und so typisch 
Fall für Fall — auch bei kräftigen, nicht durch eine andere Erkrankung 
geschwächten Kranken —, dass diese Eigenart nicht übersehen werden 
konnte. Warum verläuft nun gerade diese Nosokomialpneumonie be¬ 
sonders schwer? Sollte sie dies nicht einem besonders gearteten viru¬ 
lenten Erreger verdanken, der in unseren Sälen vielleicht dauernd vor¬ 
handen ist, der vielleicht auch nicht stets derselbe bleibt, aber von einer 
besonderen Pneumonieform stets wieder eingeschleppt wird? 

Es liegt mir natürlich ferne, anzunehmen, dass die endemische Ueber¬ 
tragung die alleinige Uebertragungsform der Pneumonie sein soll, 
zumal sie ja nur sozusagen durch Indicienbeweise gestützt werden kann. 
Auch wir sehen hier Reihen von sporadischen Fällen, die ausser 
allem Zusammenhang stehen und bei denen Witterungsverhältnisse und 
damit zusammenhängend eine eventuell veränderte Resistenz eine be¬ 
friedigende Erklärung selbst für eventuelle Häufung geben. Es muss 
noch darauf hingewiesen werden, dass wir gerade gegen Ende der heissen, 


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Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren Chemotherapie. 


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trockenen Zeit, im Beginn der grossen Regenzeit, in heissen Zeiten mit 
intermittierenden, schweren, aber kurzen Regen die Pneumonie an Zahl 
und Schwere oft zunehmen sehen, aber diese Häufung ist eine all¬ 
gemeine, mehr über das ganze grosse uns angeschlossene 
Pflanzungsgebiet (von etwa 30000 ha) verbreitete, sie entbehrt 
der scharfen örtlichen und zeitlichen Begrenzung und Eigen¬ 
art, die die beschriebenen Endemien als etwas Besonderes 
kennzeichnet. 

Wie nun im besonderen die Uebertragung stattGndet, wird durch 
diese endemischen Häufungen nicht erklärt. Es ist aber anzunehmen, 
dass primär doch die Inhalation die führende Rolle spielt, dass den in¬ 
halierten, fremden Pneumokokken aber eine besonders grosse aggressive 
Kraft innewohnen muss, die selbst bei geringgradigen Störungen der Cir- 
culations- und Abwehrverhältnisse diejenige der saprophytisch im eigenen 
Speichel vorhandenen Pneumokokken weit übertrifft. Es ist ohne weiteres 
zuzugeben, dass auch bei der endemischen Uebertragung in beschränktem 
Masse alle sonst das Eintreten der pneumonischen Infection begünstigenden 
Momente als prädisponierend in Betracht gezogen werden können, das 
ändert jedoch nichts an der Annahme einer primären, endemischen Ueber¬ 
tragung durch Inhalation. 

Eine zweite wichtige Frage ist die nach der eigentlichen Art der 
Pneumonie, d. h. ob die echten croupösen und gewisse Bronchopneumo¬ 
nien als primär locale pulmonale Erkrankungen oder ob sie als primär 
septikämische Processe mit secundärer Localisation aufzufassen 
sind. Diese Frage ist noch nicht sicher entschieden. Durch zahl¬ 
reiche Untersuchungen (Prochaska, Weber, Rosenow, Wiens, die 
neueren Untersuchungen von Jochmann) ist nur nachgewiesen, dass in 
70—100 pCt. bei echter Pneumokokken-Pneumonie Pneumokokken in 
wechselnder Anzahl im Blut nachgewiesen werden können. Morgenroth 
konnte sie im Leichenblut stets nachweisen. Auf Grund dieser Ergebnisse 
neigt die allgemeine Meinung zurzeit dazu, dass bei jeder echten Pneumo¬ 
kokken-Pneumonie mehr oder minder reichlich Erreger ins Blut übertreten. 

Wir selbst haben bei 300 Pneumonien genaue und zum Teil wieder¬ 
holte culturelle Blutuntersuchungen gemacht und zwar in drei Gruppen. 

Die erste Serie wurde mit kleinen Blutculturen untersucht, 
bei denen 6 ccm erwärmten Agars mit 2 ccm frisch aus der Vene ent¬ 
nommenen Blutes gemischt und zu einer Platte gegossen wurden, je 
zwei Platten im ganzen. 

Die Ausbeute war gering, wir erhielten nur etwa 30 pCt. positive 
Resultate, die Culturen waren, abgesehen von den echten schweren septi- 
kämischen Fällen, nur spärlich (2—40 Colonien). 

Eine zweite Serie wurde mit der Wiensschen Dextrose-Pepton¬ 
lösung (5 Röhrchen je 2 ccm Blut) gemacht als Anreicherung. Das posi¬ 
tive Resultat stieg auf 64 pCt., gleichzeitige kleine Blut-Agar-Mischplatten 
gaben uns die nötige ziffernmässige Auskunft über die echten schweren 
Septikämien. 

Bei der dritten Serie wurden relativ grosse Mengen Blutes, 20 bis 
25 ccm, mit leicht alkalischem Agar, dem 1 pCt. Dextrose zugefügt, ver- 


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G. Baermann 


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mischt, in grosse Platten gegossen. Diese Methode ergab 55 pCt. positive 
Resultate. 

Aus diesen an einer grossen Zahl von Pneumonien angestellten 
Untersuchungen ist zu entnehmen, dass entsprechend der 
heute gültigen Ansicht die Pneumokokken in der Ueberzahl 
der Fälle die Barriere nach der Blutbahn zu überschreiten, 
vielleicht stets, da vereinzelte ins Blut übertretende Pneumokokken 
bei genesenden Fällen wohl rasch vernichtet werden. 

Der Uebergang ins Blut ist im Hinblick auf die enorme Menge der 
Erreger, auf die grosse Oberfläche des Erkrankungsherdes, auf den dichten 
Contact mit dem Circulationssystem nicht verwunderlich. 

Der Uebergang scheint nach unseren Erfahrungen in der Ueberzahl 
der Fälle schon am 1., 2. und 3. Krankheitstage, soweit dieser Termin 
sicher zu umgrenzen ist, zu erfolgen, später ist er selten. Wir verfügen 
jedoch über sicher beobachtete Fälle, in denen ein Uebergang erst am 

3. oder 4. Krankheitstage erfolgt, während das Blut vorher frei war. 
Wir verfügen ferner über zwei Fälle, bei denen aus anderen Gründen 
vor der im Hospital erfolgten pneumonischen Infection häufig 
Blutculturen bis dicht an den Ausbruchstermin der Pneumonie heran 
gemacht wurden, die jedoch steril waren. Diese Beobachtung spricht gegen 
die Annahme einer primären Septikämie mit secundärer pulmonaler Locali- 
sation als Regel. Ganz sicher ist natürlich bei allen diesen Beobach¬ 
tungen eine primäre, sehr geringgradige und deshalb dem Nachweis durch 
die Bluteultur entgehende Septikämie nicht auszuschliessen. Mit dem 
Eintritt der Krisis, gewöhnlich schon ein bis zwei Tage vorher, ver¬ 
schwinden die Pneumokokken, wenn es sich um genesende Fälle handelt, 
aus der Blutbahn. Nach der kritisch oder lytisch erfolgten Entfieberung 
gelang es uns in fünf Fällen: einmal am 2., dreimal am 3. und einmal am 

4. Tage spärlich Pneumokokken nachzuweisen. Es handelte sich in einem 
Falle (4. Tag) um einen schwer anämischen Mann, bei dem die Resorption 
der Herde sich lange Zeit verzögerte. 

Ein Fall ist besonders bemerkenswert, der während drei Monaten 
nach dem ohne chronische Veränderungen erfolgten Ablauf der Pneumonie 
von Zeit zu Zeit vereinzelte, aber ganz sicher identificierte Pneumokokken 
in der Blutbahn aufwies. Wir machten die Blutuntersuchung, da der 
Kranke von Zeit zu Zeit nicht gut erklärbare kurze Teroperatursteige- 
rungen zeigte. Es konnten an ihm ausser einer etwas beschleunigten 
Herzaction mit etwas undeutlichem ersten Ton keine pathologischen Er¬ 
scheinungen nachgewiesen werden. Dieser Fall kam vier Monate nach 
der Pneumonie aus anderen Ursachen zum Exitus und zur Section und 
es wurde bei ihm eine kleine, ganz circumscripte, leicht verrucöse, ganz 
oberflächlich ulcerierte Klappen-Endocarditis am Aortenzipfel der Mitralis 
und in dem Herde selbst sichere Pneumokokken gefunden; es 
handelte sich um einen typischen Fall von Endocarditis lenta durch 
Pneumokokken. Vielleicht sind die von Ti/zoni und Pansini in 
einzelnen Füllen erhobenen, noch Monate nach Ablauf der primären Pneu¬ 
monie positiven Blutbefunde in dieser Weise zu deuten. 


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Die vorstehenden Erfahrungen bei der Züchtung von Pneumokokken 
aus dem Blute, die sich im übrigen gut mit den anderweitig erhobenen 
decken, zeigen, dass zum absoluten Nachweis der Pneumokokken in 
der Blutbahn am geeignetsten die Wienssche Pepton-Dextroselösung, für 
ziffernmässigen und deshalb prognostisch verwertbaren Nachweis die 
grosse Dextrose-Agar-Blut-Mischcultur (20—25 ccm Blut) am geeignesten 
ist. Nach unseren Erfahrungen ist jedoch zur klinischen Charakterisierung 
eines Falles, zur genaueren Präcisierung der Prognose eine so weit¬ 
gehende Blutuntersuchung nicht nötig, da die in so geringer Zahl und 
in einer relativ kurzen Zeit in die Blutbahn übertretenden Pneumokokken 
in der Mehrzahl der Fälle zwar nicht für die allgemeinen secundären 
Organveränderungen, aber doch wenigstens für den definitiven Ausgang 
irrelevant sind und eines besonderen prognostischen Wertes entbehren. 
Es genügt deshalb für klinische Zwecke die einfache, leicht alkalische 
Blut-Agar-Mischcultur (6 ccm Agar: 2 ccm Blut, 2 Platten), denn sie 
zeigt ohne weiteres diejenigen Fälle an, bei denen die Pneumokokken 
gehäuft im Blut kreisen, bei denen also der Blutbefund prognostisch in 
die Wagschale fällt. 

Alle diejenigen Fälle nun — mit nur ganz vereinzelten 
Ausnahmen —, die in dieser Agar-Mischcultur hunderte oder oft 
unzählbare, selbst im Blutausstrich nachweisbare (siehe auch Schott¬ 
müller) Pneumokokken enthalten, sind infaust. Wir haben 35 der¬ 
artige Fälle gesehen, nur 2 genasen, alle anderen gingen gewöhnlich 
foudroyant zugrunde. 

Diese 2 Fälle waren etwas besonders gelagert (es handelt sich bei 
beiden um echte croupöse Unterlappen-Pneumonien). 

Bei dem ersten Fall wurden etwa 500 Culturen pro (kleine) Platte 
nur einmal, am 2. Krankheitstage, dann nicht mehr nachgewiesen; im 
zweiten Falle handelte es sich um eine schwer anämische Frau, die bei 
einer Lcukocytenzahl von 4600 vier Tage lang bis 24 Stunden vor der 
einsetzenden Krisis etwa 200—400 Culturen pro (kleine) Platte aufwies 
und die kritisch genas. Vielleicht konnten hier bei der durch chronische 
Anchylostomiasis bedingten weitgehenden allgemeinen Atrophie und Re¬ 
sistenzerniedrigung, die im Blute kreisenden Bakterien im Beginn der 
Erkrankung überhaupt nicht abgetötet werden und stellte dieser Fall 
ein reines Bild der gewöhnlichen Zahl der bei genesenden Fällen 
überhaupt ins Blut übertretenden Pneumokokkenzahl dar. Im 
Verlauf der Erkrankung stellte sich dann unter Auftreten einer raässigen 
relativen Hyperleukocytose die vielleicht erst erworbene Normal-Resistenz 
ein und diese führte zur Vernichtung der im Blute kreisenden Keime. 

Dass die Septikämie stets der primäre oder wenigstens der 
wichtigste Factor für den letalen Ausgang der Infection ist, ist wohl 
sicher nicht der Fall. Wir haben eine kleine Reihe von besonders 
gelagerten Fällen beobachtet, die zum Tode gekommen sind und bei denen 
bei wiederholten Blutuntersuchungen in vivo Pneumokokken nicht nach¬ 
gewiesen werden konnten, also wohl nur in ganz geringer Zahl oder 
überhaupt nicht im Blute kreisten. Wir sehen natürlich von den Fällen 
ab, wo durch wandernde oder primär ausgebreitete Pneumonien eine 


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G. Baermann, 


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weitgehende Einengung des Atmungsfeldes gegeben, wo durch Defecte 
am Circulationssystem, durch schwere Complieationcn wie Lungenabscess, 
acute Gangrän, doppelseitiges Empyem, der letale Ausgang ohne weiteres 
verständlich ist. Ich möchte hier gerade auf Fälle hinweisen, die bei zum 
Teil nur kleinen centralen Herden rasch zum Tode kommen und bei 
denen die obigen Momente, besonders eine primäre Schwäche des Circu- 
lationssystems oder anderweitige Organveränderungen nicht verantwortlich 
gemacht werden können. Sie treten zum Teil endemisch auf, sind primär 
schon durch allgemeine schwere Erscheinungen wie Benommenheit, Con- 
vulsionen, rasch einsetzenden kleinen weichen Puls, schwere Albuminurie 
mit Cylindern, rapide Abmagerung charakterisiert, alles Momente, die 
schon am 1. oder 2. Krankheitstage einen infausten Ausgang erwarten 
lassen. 

Hier muss die noch umstrittene hohe Toxinwirkung besonders viru¬ 
lenter Stämme absolut in Betracht gezogen werden. Autolytisch im Herde 
gebildete giftige Producte (Dold und F. Meyer) können hierbei wohl 
nicht verantwortlich gemacht werden. 

Wenn auch von Schottmüller für die mit schweren nervösen Er¬ 
scheinungen einhergehenden Fälle locale, kleinste Bakterienherde im 
Centralnervensystem nachgewiesen wurden, so würde dieser Befund selbst 
bei nicht nachweisbarer, ganz geringer Blutinfection der rein toxischen 
Auffassung dieser eigenartigen Fälle nicht widersprechen. 

Die Fälle sind noch besonders dadurch charakterisiert, dass sie fast 
stets keine Hyperleukocytose, vereinzelt sogar eine Hypoleukocytose auf¬ 
weisen, was bei den zum Teil recht kräftigen Individuen auf eine rasche 
und schwere toxische Lähmung der Lcukocytencentren hinweist. 

Solche Fälle kommen auch einmal zur Heilung, der letale Ausgang 
ist jedoch der weitaus häufigere. 

Ich möchte noch ganz kurz den Heilungsmechanismus und 
die damit im Zusammenhang stehende Immunitätsfrage berühren, 
soweit mein Material darüber gewisse Aufschlüsse geben kann. Nach 
den vielseitigen Untersuchungen, die wir besonders Neufeld und Haendel 
verdanken, ist wohl bei den zur Genesung kommenden Fällen eine vor¬ 
kritische Aufspeicherung von Iramunitätsstoffen anzunehmen und die Krise 
ist eben der Ausdruck der genügend concentrierten Masse von gebildeten 
Immunstoffen, ganz ähnlich wie das bei Recurrens der Fall ist. Dass 
mit der Krisis und Resorption eine weitgehende Zerstörung und vielleicht 
auch Entgiftung der zerfallenden Pneumokokken einhergeht, haben 
Rosenows Punctionsversuche sehr wahrscheinlich gemacht. 

Die nicht selten zu beobachtenden echten Recidive, die nach 5 bis 
30 Tagen auftreten und denselben Lappen, oft aber auch andere Lungen¬ 
partien befallen können, verlaufen stets kurz, leicht, und einen tödlichen 
Ausgang solcher echten Recidivpneumonien haben wir ebensowenig wie 
A. Fraenkcl gesehen. 

Die Beobachtungen, die wir selbst und andere an Pneumonikern 
bei Behandlung mit Recon valesecntenserum, die Neufeld und 
Haendel bei experimenteller Mäuscseptikämie mit Reconvalescenten- 
serum gemacht, lassen über die Bildung von Abwehrstoffen wohl keinen 


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Zweifel. Morgenroth konnte Mäuse, deren Pneumokokkenseptikäraie 
durch Aethylhydrocuprein geheilt war, nach 8—10 Tagen nicht mehr 
inficieren. 

Die Rolle der Hyperleukocytose für den Heilungsvorgang ist 
noch nicht geklärt. Wenn auch immunisatorisch auftretende Bakteriotropine 
mit secundärer Phagocytose beim Heilungsvorgang eine weitgehende Rolle 
zu spielen scheinen, so hat dieses Ergebnis für die Bedeutung der Hyper- 
leukocytose bestimmte Aufschlüsse nicht gegeben. Eine vermehrte Pro¬ 
duction von Leukinen (Gruber) im Gefolge der Hyperleukocytose wurde 
in Erwägung gezogen. 

Der Kliniker kann sich nicht der Tatsache entziehen, dass 
Fälle, die eine sofort auftretende, genügend hohe Leukocytose auf¬ 
weisen, auch bei schwerer Erkrankung eine günstigere Prognose geben, 
als Fälle, die nur normale oder verminderte Leukocytenzahl aufwiesen. 
Wir haben unter unseren Fällen eine Durchschnittssterblichkeit von etwa 
19 pCt. (oder eine Sterblichkeit an Pneumonie von 0,6 pCt.). 20 pCt,. 
unserer Pneumonien, die hier wegen ihrer Schwere überhaupt in Betracht 
kommen, weisen normale oder eine erniedrigte Leukocytenzahl auf und 
von diesen 20 pCt. kamen wiederum 40 pCt. ad exitum; etwa 25 pCt. 
verliefen unter langsamer Lysis oder protrahiert und nur 35 pCt. hatten 
einen normalen Verlauf, und diese 35 pCt. waren zum Teil Broncho¬ 
pneumonien. 

Leukocytose und Prognose des Falles correspondieren in gewissem 
Masse, das bestimmende Moment für den einzelnen Fall kann einmal 
die Reactionsfähigkeit des Organismus oder die Schwere der primären 
Giftwirkung des Erregers sein. Primär schwere Fälle mit niederer 
Leukocytenzahl haben in der Ueberzahl der Fälle eine recht schlechte 
Prognose. 

Zur Stütze möchte ich noch anfügen, dass Kranke mit chronischen 
Schädigungen des hämatopoetischen Systems (vor allem bei chronischer 
Anchylostomiasis — auch nach Abheilung der Anämie) der Pneumonie 
in ungleich höherem Masse zum Opfer fallen; sie bringen gewöhnlich 
eine echte grosse Hyperleukocytose nicht auf. Es darf aber natürlich 
nicht übersehen werden, dass bei ihnen auch das Herz und die grossen 
drüsigen Organe, überhaupt die allgemeine Resistenz in weitgehendem 
Masse geschädigt sind, was schon für sich ein sehr ungünstiges Moment 
bildet. Es ist noch auffallend, dass diese Kranken häufig eine langsame 
lytische Entfieberung, protrahierte unregelmässige Temperaturen und pro¬ 
trahierte Resorption zeigen und zur Bildung chronischer Pneumonien 
neigen. 

Wenn ich nun noch kurz einige Verhältniszahlen erwähne, die 
aus dem ziemlich reichhaltigen Material gewonnen sind, und hieran 
da und dort eine kurze Bemerkung knüpfe, so ist das über die 
reine, klinische Beobachtung hinausgehende Interesse des Materials 
eigentlich erschöpft. Auf 511 Pneumonien (90 Pneumonien scheiden aus, 
im zweiten Teil behandelt) treffen 326 oroupüse und 115 Broncho¬ 
pneumonien. 


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G. Baermann, 


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Von 326 croupösen 
Pneumonien zeigten: 

Hyperleukocytose. 75pCt. 

Werte zwischen 4 und 9000 Leukocyten 20 „ 
Werte unter 4000 Leukocyten .... 5 „ 


Von 115 Broncho¬ 
pneumonien zeigten: 
45pCt. 


Zu den Leukocyten-Werten ist besonders zu erwähnen, dass es sich 
in einem Teil der Fälle um Anämiker gehandelt hat. 

Unter den 511 Pneumonien fanden sich 67 abortive Pneumonien 
fast nur croupöser Natur mit 1—2 tägiger Dauer. 

Von 326 croupösen Pneumonien weisen vorübergehend Eiweiss 
auf 33 pCt., 6 pCt. davon Cylinder; an einen Fall schloss sich eine acute 
parenchymatöse Nephritis an; die Kranke erlag einer grossen weissen 
Niere, sie hatte im Verlauf der Pneumonie mässig reichlich Pneumokokken 
im Blut (10 Culturen pro Platte) aufgewiesen. In acht Fällen bestanden 
bereits bei Einsetzen der Pneumonie davon unabhängige Veränderungen an 
den Nieren, von denen drei recht ungünstig beeinflusst wurden. 

Von 115 Bronchopneumonien wiesen vorübergehend Eiweiss auf 
30 pCt., davon 8 pCt. gleichzeitig Cylinder. 

Von den 67 abortiven Pneumonien weisen 46 pCt. vorüber¬ 
gehend Eiweiss auf. Für diesen relativ hohen Prozentsatz ist wohl 
der rapide und auf einmal erfolgende Untergang der Pneumokokken, 
* vielleicht auch die bei der raschen Lösung und Resorption der oft aus¬ 
gedehnten Anschoppungen in grosser Menge ins Blut übertretenden Abbau- 
producte verantwortlich zu machen. Bei 18 pCt. der 67 abortiven 
Pneumonien werden Pneumokokken im Blut nachgewiesen, jedoch in 
geringer Anzahl, nie jedoch über die rasche kritische Lösung hinaus. 


Von 326 croupösen Von 115 Broncho¬ 
pneumonien zeigten: pneumonien zeigten: 


Continua . 

50pCt. 

17 pCt. 

Unregelmässiges oder remittierendes Fieber 

40 „ 

73 „ 

Intermittierendes Fieber. 

' * 

5 n 

Kein Fieber. 

3 » 

5 » 

Kritische Entfieberung. 

73 „ 

35 „ 

Lytische Entfieberung. 

27 « 

65 „ 

Uebergang in chronische Pneumonie . . . 

9 „ 

10 „ 

Lungenabscess. 

5 Fälle 

3 Fälle (gestorben, 

Operiert und geheilt. 

2 » 

2 multipel) 

Gestorben . 

3 « 


Hievon multipel . 

2 A 


Lungengangrän . 

o 

° n 

2 „ (gestorben) 

Hiervon operiert, geheilt . 

1 Fall 


Gestorben . 

2 Fälle 


Empyem . 

12 „ 

^ n 

Operiert, geheilt . 

8 » 

1 Fall 

Gestorben . 

2 « 

2 Fälle 

Doppelseitig; gestorben . 

0 

“ 71 


Pleuritis exsudativa . 

21 « 

14 „ 

Eitrige Pericarditis . 

Trockene Pericarditis mit weitgehenden Ver¬ 

“ r> 


wachsungen . 

9 

A r> 

1 Fall 


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Original from 

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Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren Chemotherapie. 


485 


Localisation. 



Croupöse 

Bronchopneumonische 


Form 

Form 

Rechter Oberlappen . . 

. . . . 9pCt. 

6pCt. 

„ Mittellappen . 

.... 10 „ 

^ r> 

„ Unterlappen . 

.... 27 „ 

29 „ 

Linker Oberlappen . . 

.... 7 „ 

^ „ 

„ Unterlappen. . 

.... 30 „ 

29 „ 

Ganze rechte Lunge . 

.... 7 „ 

4 „ 

„ linke Lunge . . 

.... o „ 

3 „ 

Verschiedene Lungen . 

.... 5 „ 

— 

Diffuse Herde .... 

.... — 

>2 „ 


Die auffallende Congruenz in der Bevorzugung der Unterlappen ge¬ 
genüber den Oberlappen (30 pCt. gegen 7,5 pCt.) zeigt, dass bestimmte 
anatomische Vorbedingungen das Haften der Infection an einem be¬ 
stimmten Lungenabschnitt begünstigen. 

Echte Recidive, die durch 6 bis 25 tägige fieberfreie Intervalle, durch 
Verschwinden und Wiedererscheinen der physikalischen Erscheinungen, 
der Pneumokokken im Sputum und Blutcultur (ßlutcultur nur 3 Fälle) 
als solche charakterisiert waren, wurden 14 beobachtet. Der Mechanismus 
eines Durchbruchs der Immunität scheint ähnlich dem des Recidivtyphus 
zu sein. 

Die 511 aufgeführten Pneumonien waren alle, so weit dies durch 
Blut und Sputumcultur nachweisbar, durch echte Pneumokokken verursacht. 
Auf diese Zahl echter, localisierter, pneumonischer Infectionen trafen 

1. 3 echte, reine Septikopyäraien ohne bei der Section nach¬ 
weisbare Lungenherde, mit Lungenherden 35 Fälle. 

2. Echte, rein eitrige Cerebrospinalmeningitis durch Pneumo¬ 
kokken: ohne Lungenherde 3 Fälle, mit Lungenherden 1 Fall. 
Mit Septikämie gepaart 5 Fälle. 

3. Hirnabscess, mit Lungenerscheinungen gepaart 1 Fall. 

4. Acute ulceröse Endocarditis mit mächtigen ulcerösen Zer¬ 
störungen der Mitral-Tricuspidal-Aortenklappen: 2 Fälle. Beide 
wiesen massenhafte, dauernd nachweisbare Pnedmokokken im 
Blut auf. Bei 1 Fall fand sich auch ein Abscess hinter dem 
Aortenzipfel der Mitralis auf, dieser Fall kam erst am 34. Tage 
post infectionem zu Exitus. 1 Fall von postpneuraonischer 
Endocarditis lenta (oben erwähnt). 

5. 1 Fall von Puerperalsepsis (ohne Lungenherde). 

6. 2 Fälle von primärer Otitis. 

7. 2 Fälle echter traumatischer Pneumonie. 

8. 3 Fälle von schwerer embolischer Colitis ulcerosa. 2 Fälle von 
echter ausgebreiteter croupöser Enterocolitis. Diese letzteren 
5 Fälle waren mit Septikopyämie und Lungenherden gepaart, 
einer mit grossem Pneumokokken-Muskelabscess. 

9. Combinationen von Typhus und echter croupöser Pneumokokken¬ 
pneumonie 5 Fälle (1 Fall wies in den ersten Tagen Typhus¬ 
bacillen und wenig Pneumokokken im Blut auf). 


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G. Baermann, 

10. Echte Mischinfectionen mit Streptokokken 3 Fälle mit töd¬ 
lichem Ausgang (croupöse Lungenherde). Einmal wurden Strepto¬ 
kokken mit Pneumokokken im Blut gepaart nachgewiesen, ein¬ 
mal nur Pneumokokken. 

11. Mischinfection mit Staphylokokken 6 Fälle. Alle geheilt. (Blut- 
cultur ergab in 3 Fällen nur Pneumokokken.) 

Auf die 511 Pneumonien trafen in der Beobachtungszcit andersartige 
Pneumonien: 

Reine Streptokokken-Pneumonien. (Streptococcus erysipelatis), 
5 Fälle. Alle tödlich. Bei 3 gleichzeitig schwere, echte Streptokokken- 
septikämie, 2 primäre, rasch tödlich verlaufende Fälle. 

Reine Pyocyaneus-Pneumonlen. 2 Fälle. 

1. Fall, schwerer Allgemeinstatus. Hyperleukocytose. Einen Monat 
lang unregelmässiges Fieber bis 39°, langsame Resorption der broncho- 
pneumonischen, diffusen Herde; geheilt. Der Pyocyaneusbacillus wird 
aus dem Sputum und Lungenpunctat in absoluter Reincultur gezüchtet, 
das Sputum grüngelb, mit intensivem, typischem Geruch. Puls nicht 
über 72—86. Im Verlauf wiederholt einzelne Pyocyaneusbacillen im Blut. 

2. Fall, wies gleich im Beginn der Erkrankung 20—40 Colonien 
von Pyocyaneusbacillen im Blute auf (ohne weitere bedeutende Ver¬ 
mehrung der Blutcolonien). Zunehmende schwere, allgemein septische 
Erscheinungen, denen er nach 12 Tagen erlag. Die Lunge zeigte eine 
typisch gefärbte, grüngelbe, zähe, schleimige Schnittfläche mit zahlreichen 
Einschmelzungsherden, Reincultur von Pyocyaneusbacillen aus Lunge, 
Milz, Nieren. 

Reine Tetragenus-Pneumonie. 1 Fall, bei gleichzeitiger schwerer 
Tetragenusseptikämie (durch Collargolinjection?) rasch geheilt. 

Echte Friedländer-Pneumonie. 3 Fälle, 2 davon waren tödlich, 
einer dieser Fälle wies einige (10 Colonien pro Platte) Bacillen im 
Blute auf. 

Es bleibt noch mitzuteiien, dass wir auf einzelnen Estates eine 
Reihe von kleinen Endemien rein katarrhalischer Affectionen 
mit kurzen Fiebern (auf die schon C ursch mann hingewiesen) beob¬ 
achtet, die bei näherer Untersuchung der Sputumcultur sich als höchst 
wahrscheinlich durch Pneumokokken verursacht erwiesen. In ganz ver¬ 
einzelten Fällen konnten wir durch grosse Blutculturen und Anreicherung 
vereinzelte Pneumokokken im Blute nachweisen. Auch diese schon zeit¬ 
lich und local begrenzten, aber gleichartigen leichten Endemien weisen 
darauf hin, dass nicht immer die Infection von dem im Munde sapro- 
phytisch lebenden Pneumokokken ausgehen muss, sondern dass auch 
Contactmöglichkeiten wahrscheinlich sind. 

Chemotherapeutische Versuche. 

Die Geschichte der Therapie der Pneumonie ist eine recht wechsel¬ 
volle, die Irrwege, die die Therapie gegangen, sind mannigfaltig, eine 
causale Therapie wurde wiederholt versucht, oft mit Enthusiasmus auf- 
genommen, aber wie so viele therapeutische Hoffnungen rasch w'ieder 


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Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren Chemotherapie. 


487 


vergessen und begraben. Nur das Chinin, dessen specifische Wirkung 
besonders von Aufrecht verfochten wird, hat längere Zeit wenigstens 
innerhalb einzelner Schulen seinen Platz behaupten können. 

Felix Rosenthal hat vor kurzem diese causal-chemotherapeutischen 
Versuche kritisch zusammengestellt. Das Facit aus den früheren Ver¬ 
suchen war, dass eine wirklich causale Chemotherapie noch nicht ge¬ 
funden und dass eben nur der Gesamtorganismus, vor allem das Herz 
und die Ciroulation zum Kampfe gegen die Infection gerüstet und im 
Kampfe selbst weitgehend unterstützt werden konnte. 

Durch die Immunserumbehandlung, deren Anfänge mit dem Namen 
G. und F. Klemperer eng verknüpft sind, und die in ihrer weiteren Ent¬ 
wickelung durch Römer einerseits und Neufeld und Haendel anderer¬ 
seits experimentell ausgebaut und wohl mit zweifellosem Erfolg auch auf 
die Therapie der menschlichen Pneumonie übertragen wurde, ist auf 
anderem Wege eine causale Therapie versucht und auch bis zu einem 
gewissen Grade erreicht worden. 

Morgenroth und Levy haben nun anschliessend an Trypanosomen¬ 
heilversuche von Morgenroth und Halberstädter, auf exacte Versuche 
gestützt, in einem höheren Homologen des Hydrochinins, dem Aethyl- 
hydrocuprein (Optochin), ein specifisches pneumococcocides Agens ge¬ 
funden. Diese Versuche schlossen im Princip an die Chinintherapie der 
Pneumonie an und wurden zuerst mit Methylhydrocuprein oder Hydro¬ 
chinin gemacht. Chinin und Hydrochinin entwickelten bei der experi¬ 
mentellen Pneumokokkeninfection keine oder nur ganz geringe chemo¬ 
therapeutische Qualitäten. 

Das Aethylhydrocuprein, das durch Eintritt der Aethylgruppe in die 
Seitenkette des Chinolinkernes zum höheren Homologen des Methyl¬ 
hydrocuprein oder Hydrochinin wird, zeigte plötzlich und sprunghaft 
— wie das auch bei anderen Heilmitteln mit complicierter Structur der 
Fall ist — ganz exquisite pneumococcocide Eigenschaften, die soweit gingen, 
dass unter bestimmter Versuchsanordnung bis zu 100 pCt. Heilung bei 
der experimentellen Pneumokokkenseptikämie der Mäuse erzielt wurde. 

Die experimentellen Grundlagen ergaben, dass sowohl eine prophy¬ 
laktische und eine Schutzwirkung, als auch eine Heilwirkung selbst noch 
bei ausgeprägter Septikämie zu erreichen war. Die Resultate und die Ver¬ 
suchsanordnung sind in den Arbeiten von Morgenroth und Levy, Morgen¬ 
roth und Kaufmann ausführlich niedergelegt, vor kurzem dann von 
F. Rosenthal erneut zusammengestellt worden, so dass sich eine 
Wiederholung hier erübrigt. Die bei der Mäuse-Septikämie angewandte 
Dosierung war zwar, auf menschliche Gewichtsverhältnisse übertragen, eine 
massige und unmögliche. Es war aber im Hinblick auf den Mangel 
jeder Abwehrstoffe bei der Maus, der stets eine tödliche Pneumokokken¬ 
septikämie aufkomraen lässt, einerseits, dann auf die im Princip doch 
in der Ueberzahl locale Erkrankung des Menschen und vor allem im 
Hinblick auf die dem Menschen zur Verfügung stehenden, schon im 
Normalserum vorhandenen Abwehrstoffe andererseits, nicht ausgeschlossen, 
dass eine Dosierung bei der Pneumonie des Menschen gefunden werden 
könne, dieHeilwirkung unter Vermeidung von Giftwirkung ermöglichen würde. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 1">. B«l. 


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Böhncke hat nach dem Vorgang von Neufeld und Engwer (Meer¬ 
schweinchenversuche bei experimenteller Pneumonie) bei der experi¬ 
mentellen Mäuseseptikämie eine combinierte Behandlung mit Pneumo¬ 
kokkenserum und Aethylhydrocuprein versucht und exact nachgewiesen, 
dass bei Schutzversuchen die Heilwirkung von 33 pCt. bei reiner Chemo¬ 
therapie, von 66 pCt. bei reiner Serotherapie auf 100 pCt. Heilung bei 
combinierter Therapie gesteigert werden kann, dass bei Heilversuchen, 
beginnend 1—2 Stunden nach der Infection, der Heilerfolg von je 11 pCt. 
auf 83 pCt. gesteigert werden kann, dass der Schwellenwert des Pneumo¬ 
kokkenserums durch die Combinationstherapie um das 20—100 fache der 
tödlichen Infectionsdosis gesteigert werden könne. Besonders die gleich¬ 
laufenden Versuche von Neufeld und Engwer waren interessant, da 
sie bewiesen, dass das Aethylhydrocuprein auch bei einer der mensch¬ 
lichen Pneumonie ähnlichen Localerkrankung, der experimentellen Meer¬ 
schweinchenpneumonie, wirksam war. 

Ein wichtiger Factor der Chemotherapie war, dass sie die bei der Sero¬ 
therapie nicht seltene und verhängnisvolle Resistenz gewisser heterologer, 
in ihrem Ab wehr vermögen atypischer Pneumokokkenstämme zum grössten 
Teil auszuschalten vermag, obwohl nicht übersehen werden darf, dass 
Böhncke einen Stamm (Marks) beobachtete, der imstande war, die 
toxische Grenze des Aethylhydrocupreins erheblich zu erniedrigen. Es 
gelang bei diesem letzteren Stamm mit relativ niedrigen Aethvlhydro- 
cupreindosen unverkennbare Heilwirkungen zu erzielen. Da bei der 
Therapie der menschlichen Pneumonie die Aethylhydrocupreindosis wegen 
der Nebenwirkungen auf das Nervensystem an sich eine relativ niedere 
sein muss, ganz erheblich niedriger als im experimentellen Mäuseversuch, 
so ist gerade diese Gefahr bei der Chemotherapie der menschlichen 
Pneumonie nicht sehr ins Gewicht fallend. 

Die weitere Verfolgung dieser experimentellen Untersuchungen durch 
Morgenroth und seine Mitarbeiter zeigte, dass nicht die massive Einzel¬ 
dosis, durch die an sich toxische Wirkungen drohen, sondern kleinere 
verteilte, wiederholte Dosen — also eine Dauerwirkung — bei Heilver¬ 
suchen das therapeutische Optimum ergaben. Besonders die subcutane 
Anwendung der öligen Lösung der freien Alkaloidbase, bei der eine lang¬ 
same Resorption garantiert ist, ergab bis zu 100 pCt. Heilung im Schutz¬ 
versuch. 

Aehnlich wie bei Protozoen tritt auch bei den Pneumokokken, die 
ja den Protozoen durch ein besonders gleichartiges Verhalten gegen be¬ 
stimmte Reagentien nahe stehen, bei gewissen Stämmen eine rasch ein¬ 
setzende Arznei Festigkeit gegen Aethylhydrocuprein auf. 

Die Dosierung war so, dass im Tierversuch 0,5 ccm der 2 proc. 
öligen Lösung oder 0,01 der Base pro 20 g Maus, 4tägig alle 24 Stunden 
gegeben, die Normalheilungsdosis darstellte. 

Geringere Dosen waren ungenügend; 0,7 ccm der 2 proc. öligen 
Lösung genügten als einmalige Dosis im Schutz versuch für die Sterili¬ 
sierung. 

Beim combiniertcn Serum - Aethylhydrocuprein - Versuch 
(Böhncke) genügte dagegen bereits eine einmalige Injection von 0,45 ccm 


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Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren Chemotherapie. 


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der 2 proc. öligen Lösung der Base plus 0,0007 Serum zur Schutz- und 
Heilwirkung. 

A. Frankel 1 ) und A. E. Wright 2 ) haben die croupöse menschliche 
Pneumonie mit Aethylhydrocuprein behandelt. Während sich Wright 
absolut ablehnend verhält, gibt A. Frankel eine Heilwirkung, die sich 
vor allem in einer Beschleunigung der Krisis kundtut, im begrenzten 
Masse zu. Kurz zusammengefasst waren seine Resultate wie folgt: 

21 Fälle kamen zur Beobachtung: 

1. deutliche Heilwirkung ..... 6 Fälle 

2. zweifelhafte Heilwirkung .... 9 „ 

3. keine Heilwirkung.6 „ 

Es handelte sich um eine Pneumonie-Epidemie von gutartigem Cha¬ 
rakter mit Neigung zu verspäteter Krisis bzw. Lysis. Die Dosierung 
war 0,5 pro Einzelgabe bis zu 2,5 g pro die. ln 3 Fällen wurden bei 
hoher Dosierung Amblyopien beobachtet, die zwar in 2 Tagen nach Aus¬ 
setzen des Medicaments total zurückgingen, aber immerhin die Dosierungs¬ 
grenzen bestimmten. Die spätere Dosierung war 1,5 g pro die, in 3 Dosen 
ä 0,5 g per os. 

A. Frankel verkennt nicht die Heilwirkung, hält aber das Aethyl¬ 
hydrocuprein in seiner jetzigen Form zum klinischen Gebrauch für un¬ 
geeignet. 

Als ich hier meine Versuche mit Aethylhydrocuprein, das mir 
durch freundliche Vermittlung von Professor Morgenroth durch die 
vereinigten Chininfabriken Zimmer & Co. in Frankfurt a. M. in dankens¬ 
werter Weise zur Verfügung gestellt wurde, im vergangenen Jahre be¬ 
gann, waren sowohl die Arbeiten von Neufeld und Engwer, wie von 
Böhncke, A. Fränkel, Wright noch nicht erschienen. Es musste 
deshalb die Dosierung und Grenze beim Menschen (bei Versuchen an 
Malariakranken) zuerst bestimmt werden. 

Ich schicke dies auch deshalb voraus, da wir nur einen Teil unserer 
Kranken mit Aethylhydrocuprein allein, dagegen die Ueberzahl com- 
biniert mit Reconvalescentenserum behandelt haben, da es uns 
nach unseren Erfahrungen, die wir mit Reconvalescentenserum (an etwa 
50 besonderen Fällen) gemacht, möglich schien, die Aethylhydrocuprein- 
dosis durch Combination mit Reconvalescentenserum bei gleichbleibender 
Wirkung zu erniedrigen. Ich hebe dies nicht aus irgendwelchen Priori¬ 
tätsgründen, sondern nur zur Constatierung der Tatsache hervor, dass 
mir bei Beginn dieser Combinationstherapie die mehr oder minder gleich¬ 
gerichteten experimentellen Arbeiten von Neufeld und Engwer und 
Böhncke unbekannt waren. Reconvalescentenserum entfaltet, wenn 
es nur kurz nach der Krisis bei einer echten mit Continua und steiler 
Krisis verlaufenen Pneumonie entnommen wird, nach unseren Erfahrungen, 
die übrigens in Versuchen von Neufeld und Händel eine gewisse 
Stütze finden, in einer ganzen Reihe von Fällen einen deutlichen, wenn 


1) A. Fränkel, Berl. klin. Wochenschr. 1912. Nr. 14. Vereinsbeil. 

2) A. E. Wright, Lancet. 14. u. 21. Dec. 1912. 

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auch nicht mächtigen therapeutischen Effect. Vorbedingung ist, dass es 
in genügend grosser Dosis von 40—100 ccm 1, 2 bis 3 mal wiederholt 
gegeben wird. 

Die Anwendung von Reconvalescentenserum ist wiederholt und mit 
recht verschiedenem Erfolg versucht worden. (Literatur zusammengestellt 
bei Neufeld, Pneumokokken, Handbuch von Rolle-Wassermann.) 

Exacte Wertbestimraungen sind natürlich bei Reconvalescentenserum, 
wenn es nicht von Fall zu Fall auf seinen Schutz wert im Mäuseversuch 
austitriert wird, nicht möglich, für die klinische Verwendung, wenn die 
oben auseinandergesetzten Bedingungen erfüllt werden, aber auch nicht 
absolut notwendig. 

An sich ist die sich gegenseitig steigernde Wirkung von Serum und 
Aethylhydrocuprein bisher nur empirisch festgestellt, in ihrem inneren 
Zusammenhang jedoch noch keineswegs klargestellt und eigentlich theo¬ 
retisch nicht recht verständlich. Es ist hierauf auch von Friedberger 
in der Discussion zu dem Vortrag von Neufeld und Engwer hinge¬ 
wiesen worden. Vielleicht ist die sich gegenseitig ergänzende Wirkung 
wenigstens bei der menschlichen Pneumonie rein quantitativ zu er¬ 
klären, und zwar so, dass durch das Aethylhydrocuprein zahlreiche 
Pneumokokken abgetötet werden, dass die sich cumulierende Bildung 
von Abwehrstoffen ihren Schwellenwert, der die Krisis ermöglicht, gegen 
diese durch wiederholte Behandlung dauernd herabgerainderte Masse von 
Infectionserregern früher und leichter erreicht. Es wäre in diesem Falle 
die Annahme einer Begünstigung der Bildung von Abwehrstoffen durch 
Aethylhydrocuprein nicht absolut nötig und die Wirkung des Aethyl- 
hydrocupreins bei fehlender Beeinflussung der Leukocytencurve und der 
Phagocytose verständlich. Ganz ohne Wirkung auf die Bildung von Anti¬ 
stoffen scheint jedoch das Aethylhydrocuprein nicht zu sein, da Morgen¬ 
rot h und Levy septikämische Mäuse, die durch Aethylhydrocuprein ge¬ 
heilt waren, nach 8—10 Tagen nicht mehr inficieren konnten. 

Ich möchte vor dem Eingehen auf die Einzel versuche einige Worte 
über die allgemeine Bewertung eines therapeutischen Effects bei der 
Pneumonie sagen. 

Diese Bewertung ist überaus schwierig und kann meiner Ansicht 
nach bei kleineren Beobachtungsreihen nicht statistisch nachgewiesen 
werden, wenn die Heilerfolge nicht mächtig, rasch, gleichartig und 
eklatant sind. 

Es liegt dies in der Art der Erkrankung an sich begründet, die bei 
scheinbar schwerem Beginn einmal abortiv verlaufen kann, die anderer¬ 
seits bei relativ leichtem Beginn durch Invasion grösserer Lungenbezirke, 
durch massenhaften Einbruch von Pneumokokken in die Blutbahn, durch 
andere locale Complicationen, durch besondere Toxität zu schwerem, 
eventuell infaustem Verlauf übergehen kann. Wenn auch der Charakter 
einer momentan herrschenden Epidemie einheitlich zu sein pflegt, so ist 
bei kleineren Versuchsreihen der Einwand des Zufalles nicht ganz zurück¬ 
zuweisen. Ziffernmässig können nur ganz besonders grosse Versuchs¬ 
reihen, die über verschiedene Endemien und über grosse Spannen Zeit 
sich erstrecken, ein sicheres Resultat ergeben. Für kleinere Versuchs- 


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Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren Chemotherapie. 


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reihen, die Hunderte von Beobachtungen nicht überschreiten, kann eigentlich 
nur die sorgfältige klinische Bewertung, Beobachtung und gesamte Be¬ 
trachtung des einzelnen Falles als Kriterium für einen therapeutischen 
Erfolg herangezogen werden, die hier dann ganz erheblich mehr leistet 
als irgendwelche vergleichende statistische Ziffern; aber auch sie ist wie 
gesagt nicht frei von Ueberraschungen und Täuschungen. 

Es war mir deshalb bei der besonders für unsere Arbeiter hygienisch 
überaus wichtigen Pneumoniefrage ein Bedürfnis, unser Material der letzten 
Jahre eingangs kurz zu behandeln, um die hier bestehende Grundlage 
für eine genaue klinische und bakteriologische Untersuchung und Be¬ 
wertung des Falles darzutun und zu garantieren. Von dem Gesichts¬ 
punkt dieser klinischen, abwägenden Beobachtung des einzelnen 
Falles nach seiner Eigenart und seinen Verlaufschancen möchte 
ijch auch mein Urteil über den chemotherapeutischen Wert des 
Aethylhydrocupreins aufgefasst wissen. Ich habe hier — 
namentlich bei der eombinierten Behandlung — mich des be¬ 
stimmten Eindruckes eines deutlichen Heilwertes des Aethyl¬ 
hydrocupreins nicht verschliessen können. Ich werde seine 
Anwendung nicht nur aus experimentellen, sondern bereits 
aus rein therapeutischen Gründen» fortsetzen. Ich kann aber 
nicht verhehlen, dass sein Heil wert bei der menschlichen 
Pneumonie in dem jetzigen Anwendungsmodus noch sehr weit 
von dem bei dem experimentellen Mäuseversuch erreichten 
entfernt ist. 

Zunächst nun unsere Dosierung und Anwendungsart: Die ersten 
Versuche bei Pneumonie (nach orientierenden Versuchen bei Malaria) 
wurden mit intravenösen Injectionen einer 1 / 2 P roc - warmen Lösung 
von Aethylhydrocuprein. hydrochloricum in 0,5proc. NaCl-Lösung und 
zwar mit je 150 ccm = 0,75 g Aethylhydrocuprein gemacht. Diese 
Injectionen rufen kurz vorübergehende leichte Schwindelerscheinungen 
hervor, Thrombosen der Venen werden vereinzelt beobachtet (Malaria¬ 
versuche), dieErscheinungen gehen rasch vorüber, Amblyopie oderCylindrurie 
wurde nicht beobachtet. 

1. Fall. 2. Krankheitstag: Ausgebreitete croupöse Pneumonie der ganzen rechten 
Lunge, Leukocyten 7600. Status gravis, Puls gut. Im Blut Massen von Pneumo- 
kokkencolonien. 0,75 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. intravenös, 24 Stunden später 
dasselbe. Die Pneumokokken werden nicht vermindert, der Kranke stirbt am 3. Tag 
nach Beginn der Behandlung. Section: Septische Organe, in Lunge frisches blutiges 
Infiltrat. In allen Organen Pneumokokken. Keine Einwirkung. 

2. Fall. Schwere Hospitalinfection. Linker Unterlappen. Status gravis, Leuko¬ 
cyten 28800, im Blut einzelne Pneumokokken. Am 3. und 4. Krankheitstage je 0,75 g 
Aetbylhydroouprein. hydrochl. intravenös, Pneumokokken verschwinden, Krisis tritt 
erst 4 Tage später ein, die Continua fällt nach der Aetbylhydrocupreininjection von 
39,6° auf 38,2°. Allgemeinbefinden nicht geändert; die Lösung und Resorption trat 
nach der Krisis sehr rasch und vollständig ein. Einwirkung fraglich. 

3. Fall. SohwererFall. Leukocyten 12000. Rechter Unterlappen. HoheContinua. 
Einzelne Pneumokokken im Blut, die am 3. Behandlungstage verschwinden. Am 
2., 3., 4. Krankheitstage je 0,75 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. intravenös, am 6. Tage 
Krisis mit rascher Lösung. Kein deutlicher Einfluss auf den Verlauf. 


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Behandlung mit intramuscnlären Injectionen der öligen Lösung 
der freien Aethylhydrocupreinbase. 

Es wurde stets eine 5proc. Lösung der Base in reinem sterilisiertem 
Sesamöl benutzt. Das Aethylhydrocuprein löst sich in dieser Concentration 
bei leichter Erwärmung, des Oeles sehr leicht und vollständig. 

Dielnjectionen sind im allgemeinen schmerzhaft und führen zu Infiltraten. 
Schmerzen und Infiltrate gehen rasch zurück, wir haben niemals Absccsse 
oder Nekrosen gesehen. 

Die Dosis war 1. zweimal täglich 0,5 2—5 Tage 

2. dreimal „ 0,5 2—5 „ 

3. viermal „ 0,25 2—5 „ 

4. viermal „ 0,5 2 „ 

Bei dieser Dosierung haben wir niemals Amblyopien beobachtet. Die 
Injectionen wurden in Intervallen von 12 bzw. je 8 oder 6 Stunden ge¬ 
macht, so dass bei der langsamen Resorption der öligen Lösungen eine 
dauernde Aethylhydrocupreinzufuhr garantiert war. 

Es ist von Morgenroth und seinen Mitarbeitern ja schon darauf 
hingewiesen worden, dass die fractionierte, in bestimmten Intervallen ge¬ 
gebene Dosis, das heisst die Dauerwirkung das therapeutische Optimum 
bildet. Bei den mit Reconvalescentenserum combinierten Fällen wurden 
täglich einmal gleichzeitig mit den ersten Injectionen 20—40—50 ccm 
Serum subcutan gegeben. Die intramusculären Injectionen der öligen 
Lösung wurden in die Nates gemacht. 

1. Fälle, die nur mit der öligen Lösung allein behandelt wurden. 

1. Schwerer Fall. Hyperleukocytose. Ganze rechte Lunge. Continua bis 39°. 
Am 3. und 4. Krankheitstage je dreimal 0,5 Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung 
subcutan, Krisis tritt am 2. Tag der Cupreinbehandlung ein, sehr rasche Lysis des 
Infiltrates, rasch entlassen. Deutliche Einwirkung. 

2. Schwerer Fall. Leicht remittierende 6tägige Continua, Hyperleukocytose. 
Linker Unterlappen. Am 2., 3., 4. Tage je zweimal 0,5 g Cupreinbase in öliger 
Lösung subcutan. Krisis tritt erst zwei Tage später ein. Rasche Lysis des Infiltrates, 
totale Heilung. Fragliche Einwirkung. 

3. Sehr schwerer Fall. Hyperleukocytose. Leicht remittierende Continua 
mit lytischem Abfall. Rechter Mittel- und Oberlappen. Am 2., 3., 4., 5. Tage je 
dreimal 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung. Rascher lytischer Abfall der 
Temperatur vom 6. Tage. Gute und rasche Lösung des Infiltrates und rasche Er¬ 
holung. Deutliche Einwirkung. 

4. Carneficierter rechter Unterlappen, leichte Hyperleukocytose. Rechter Ober¬ 
und Mittellappen frisch befallen. Dilatatio cordis. Am 2. und 3. Krankheitstage 
zweimal 0,5 g Cupreinbase in öliger Lösung. Am 4. Krankheitstage gestorben. 
Section: Hepatisation des rechten Ober- und Mittellappens, im Unterlappen alte 
Carnefication und Schrumpfung mit röhrenförmigen Bronchiektasien. Herzmuskel 
rigide, gelbrot, lleckig, Höhlen dilatiert mit weiten Kammerostien, Wand etwas 
hypertrophisch. Keine Einwirkung. 

5. Schwerste Pneumonie mit massenhaften Pneumokokken im Blut. Ganze 
rechte Lunge infiltriert. Aufnahme am 2. Krankheitstage. Am 3. und 4. Krankheitstage 
viermal 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung. Am 5. Krankheitstage sind 


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lieber Pneumokokken-Pneuraonie und deren Chemotherapie. 


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die Blutcolonien an Zahl vermindert. Exitus. Section: Septische Organe, ganze rechte 
Lunge hepatisiert, centrale Einschmelzungsherde. Einwirkung auf die im Blute 
kreisenden Pneumokokken (?). 

2. Fälle mit combinierter Behandlung. 

Oelige Lösung der Base mit Reconvalescentensernm. 

1. Mittelsohwerer Fall. Hyperleukooytose, ohne Pneumokokken im Blut. 
Linker Unterlappen. Leicht remittierende Continua. Am 2. und 3. Krankheitstage je 
zweimal 20 ccm Serum mit je zweimal 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung. 
Steile Krisis am 3. Tage. Rasche totale Resorption. Deutliche Einwirkung. 

2. Mittelschwerer Fall. Kleine remittierende Continua. Hyperleukocytose. 
Rechter Mittel- und Unterlappen. Am 2. und 4. Krankheitstage je zweimal 20 ccm 
Serum mit je zweimal 0,5 g Aethylhydrooupreinbase in öliger Lösung. Steile Krisis 
am 5. Krankheitstage. Rasche Lysis und Resorption der ausgebreiteten Infiltrate, 
rasche Erholung. Deutliche Einwirkung. 

3. Leichter Fall. Hyperleukocytose. Linker Unterlappen. Continua 39,5. 
Am 2. Krankheitstage 40 ccm Reconvalescentenserum + zweimal je 0,5 g Aetbyl- 
bydrocupreinbase in öliger Lösung. Am 3. Tage steiler kritischer Abfall auf 37,4. 
Rasche totale Heilung. Deutliche Einwirkung. 

4. Schwerer Fall. Hyperleukocytose. Rechter Mittel- und Unterlappen mit 
grossem pleuritischem Erguss. Tief remittierendes Fieber bis 39,5°. Am 2., 3., 
4. Krankheitstage je 30 ccm Serum mit dreimal je 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in 
öliger Lösung. Am 5. Tage steile Krisis. Das Exsudat kehrt nach einmaliger 
Entleerung nicht wieder zurück. Rasche Resorption der Infiltrate und rasche all¬ 
gemeine Erholung. Deutliche Einwirkung. 

5. Sehr schwerer Fall. Geringe Hyperleukooytose. Rechter und linker 
Oberlappen. 7 tägige hohe Continua (40,3°). Am 3., 4., 5., 6. Tage je 20 ccm Serum 
und zweimal je 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung. Am 7. Tage Krisis, 
dann auffallend rasche Erholung. Einwirkung sehr wahrscheinlich. 

6. Mittelsohwerer Fall. Hyperleukocytose. Ganze linke Lunge. Tief 
remittierendes Fieber bis 39°. Am 3., 4., 5., 7. Tage je zweimal 0,5 g Aethylhydro¬ 
cupreinbase in öliger Lösung und je 20 ccm Serum. Krisis am 7. Tage. Rasche Re¬ 
sorption und rasche Erholung. Einwirkung fraglich. 

7. Sehr schwerer Fall. Croupöse Pneumonie der ganzen rechten Lunge, 
wandernd. Hyperleukocytose. 6tägige Continua, dann bis zum 12. Tage tief remittie¬ 
rendes Fieber bis 39°. Ende der Temperatur am 12. Tage kritisch. Am 1., 2., 3., 
4., 8., 10. Tage je zweimal 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung und täg¬ 
lich je 20 ccm Serum. Der sehr schwere Fall wurde ganz wider Erwarten 
geheilt. Einwirkung wahrscheinlich. 

8. Sehr schwerer Fall, mit schwerer Anchylostomiasis complioiert. Hyper¬ 
leukooytose. Die Pneumonie wandert vom Unterlappen in die Spitze des Oberlappens. 
8 tägige hohe Continua. 150—200 Culturen im Blut (kleine Platte). Schwere all¬ 
gemeine Erscheinungen, septische Stühle, Herzdilatation mit lnsufficienzerscheinungen. 
Vom 3. Krankheitstage an je zweimal 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung 
mit je 20 ccm Serum täglich bis zur Krisis am 8. Tage. Das Blut wird am 5. Krank¬ 
heitstage steril. Das Infiltrat besteht fort, wird jedoch im weiteren Verlauf total ge¬ 
löst und resorbiert. Einwirkung sehr wahrscheinlich. 

9. Mittelschwerer Fall. Hyperleukocytose. Rechter Oberlappen. Am 
2. Krankheitstage zweimal 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung mit 20 ccm 
Serum. Steile Krisis am 3. Tage. Infiltrat löst sich sehr rasch. Deutliche Ein¬ 
wirkung. 


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10. Sehr schwerer Fall. Sehr hohe Leukocytenzahl, massenhaft Pneumo¬ 
kokken im Blut. Rechter Unterlappen. Am 3. und 4. Krankheitstage jo viermal 0,25 g 
Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung mit je 40 ccm Serum. Am 5. Krankheitstage 
gestorben. Keine Verminderung der Pneumokokken in der Blutbahn. Section: Hepa¬ 
tisation des rechten Unterlappens, septische Organe. Käsige Tuberculose der Hilus- 
drüsen mit frischen Knötchen im Lungengewebe. Myodegeneratio cordis, Anchylostomi- 
asis mit Dilatation. Allgemeine Organatrophie. Keine Einwirkung. 

11. Sch were Pneumonie. Vereinzelte Pneumokokken im Blut, die am 4.Tage 
verschwinden. Hyperleukocytose. Rechter Unterlappen. Am 2., 3., 4. Krankheits¬ 
tage je zweimal 0,5 g Aethylhydrocupreinbase in öliger Lösung subcutan mit je 30 ccm 
Serum. Tief remittierendes Fieber mit Krisis am 4. Tage. Aetbylhydrocuprein aus¬ 
gesetzt. Vom 6. Tage 5 tägige hohe Continua mit rascher Einschmelzung des ganzen 
Unterlappens. Gestorben. Section: Grosser Abscess des rechten Unterlappens (im 
Abscesseiter Staphylokokken und wenige Pneumokokken), frische miliare Tuberculose- 
aussaat in beiden Lungen. Einwirkung fraglich. 

. 3. Fälle, die mit Aetbylhydrocuprein. hydrochl. per os behandelt wurden. 

Ich übergehe 6 Fälle, die im Beginn der Versuche teils mit Aethyl- 
hydrocuprein allein, teils mit Serum combiniert mit Dosen von unter 
0,75 g täglich behandelt wurden; bei ihnen war eine Einwirkung nicht 
zu constatieren. 

Die Dosierung war dann zwei-, drei- bis viermal 0,5 g Aethylhydro- 
cuprein. hydrochl. oder sechs- bis achtmal 0,25 g in 24 Stunden in gleichen 
Pausen Tag und Nacht gegeben. Amblyopien wurden nicht beobachtet. 

1. Schwerer Fall (Hospitalinfection). Hyperleukocytose, 4 tägige leicht re¬ 
mittierende Continua bis 39°. Linker Unterlappen. Am 2., 3., 4. Krankheitstage je 
dreimal 0,5 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. Am 5. Tage Krisis. Rasche Resorption 
und totale Heilung. Einwirkung deutlich. 

2. Mittelschwerer Fall. Hyperleukocytose. Linker Unterlappen. 5 tägiges 
tief remittierendes Fieber bis 39°. Vom 2.—5. Krankheitstag täglich je sechsmal 0,25 g 
Aethylhydrocuprein. hydroohl. Am 5. Tage Krisis. Rasche totale Lösung. Ein¬ 
wirkung deutlich. 

3. Mittelschwerer Fall. Hyperleukocytose. Rechter Unterlappen. Tempe¬ 
ratur von 39,5°. Am 2. Krankheitstage je sechsmal 0,25 g Aethylhydrocuprein. 
hydroohl. Am 3. Tage Fällt die Temperatur steil ab. Rasche und totale Lösung. 
Einwirkung deutlich. 

4. Schwerer Fall. Hyperleukocytose. Rechter Mittel- und Unterlappen. 
10 tägiges, unregelmässiges, remittierendes Fieber bis 39°. Vom 3. Krankheitstage 
täglich sechsmal 0,25 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. Am 10. Tage entGebert, ohne 
Lösung des Unterlappen - Infiltrates, am 14. Tage Recidiv im rechten Oberlappen. 
Ausgang: Carnefication des rechten Unterlappens. Keine Einwirkung. 

5. Schwerer Fall. Hyperleukocytose. Linker Unterlappen. 5 tägige Con¬ 
tinua. Vom 2.-4. Tage je sechsmal 0,25 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. Krisis am 
t>. Tage. Rasche und totale Resorption. Einwirkung wahrscheinlich. 

6. Sehr schwerer Fall. Mit schweren Allgemeinerschcinungen. Hyper¬ 
leukocytose. Hohe Continua. Vom 3.-9. Krankhoitstage täglich achtmal 0,25 g 
Aethylhydrocuprein. hydrochl. Krisis am 9. Tage. Deutlicher Rückgang der All¬ 
gemeinerscheinungen am 5. Tage. Lösung des Infiltrates etwas verzögert, doch total. 
Einwirkung sehr wahrscheinlich. 

7. Schwerer Fall. Asthma bronchiale mit acuter eitriger Bronchitis und 
ausgebreiteten bronchopneumonischen Herden in beiden Lungen. Hyperleukocytose. 


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Uebor Pneurnokokken-Pneumonio und deren Chemotherapie. 


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Tief remittierendes, unregelmässiges Fieber. Vom 3.-6. Krankheitstage täglich acht¬ 
mal 0,25 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. Temperatur fällt vom 8. Tage an lytisch, 
die Herde werden resorbiert. Einwirkung fraglich, doch wahrscheinlich. 

4. Fälle, die mit Aethylhydrocuprein. hydrochl. per os und Serum 
combiuiert behandelt wurden. 

1. Mittelschwerer Fall. Hyperleukocytose. Ganze rechte Lunge. Hohe 
Continua. Am 2., 4., 6. Tag je zweimal 0,5 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. und 
20 ccm Serum täglich. Am 6., 7., 8. Tag lytischer Abfall der Temperatur. Lösung 
des Oberlappens etwas verzögert, doch total. Rasche Erholung. Einwirkung 
wahrscheinlich. 

2. Schwerer Fall. Hyperleukocytose. Linker Unterlappen. 4 tägige hohe 
Continua. Am 2., 3., 4. Tag je viermal 0,25 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. mit je 
30 ccm Serum täglich. Am 4. Tag steile Krisis, rasche totale Heilung und Erholung. 
Deutliche Einwirkung. 

3. Schwerer Fall. Hyperleukooytose. Linker Unterlappen. Am 2. und 
3. Krankheitstage je dreimal 0,5 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. mit 40 ccm Serum 
täglich. Am 3. Tage Krisis mit rascher Lösung. Am 6. Tag Recidiv im rechten 
Unterlappen. Am 1. und 2. Recidiv-Krankheitstag je dreimal 0,5 g Aethylhydro¬ 
cuprein. hydrochl. mit täglich 30 ccm Serum. Am 3. Tage Krisis, rasohe Lösung. 
Einwirkung deutlich. 

4. Schwerer Fall. Hyperleukocytose. Tief remittierendes Fieber bis 39,5°. 
Ganze rechte Lunge. Pericarditis exsudativa purulenta acuta, massenhafte Colonien 
in der Blutcultur vom 2. Krankheitstage an. Vom 2. Krankheitstage an je sechsmal 
0,25 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. mit 50 ccm Serum. Am 4. Tage Verminderung 
der im Blut kreisenden Pneumokokken. Am 4. Tage gestorben. Seotion: Septische 
Organe, frisches kleines Empyem rechts. Pericarditis purulenta; rechts perihilärer, 
alter, abgekapselter Käseherd. Einwirkung sehr fraglich. (Verminderung der 
im Blut kreisenden Pneumokokken?) 

5. Schwerer Fall. Aufnahme am 4. Krankheitstag. Rechter Unterlappen. 
Hypoleukooytose, massenhaft Pneumokokken im Blut, am 4. Tag viermal 0,5 g Aethyl¬ 
hydrocuprein. hydrochl. und 50 ccm Serum. Am 5. Tag Exitus. Blutbefund unver¬ 
ändert. Septische Organe, kleine Abscesse im hepatisierten rechten Unterlappen. 
Keine Einwirkung. 

6. Sehr schwerer Fall. Croupöse Pneumokokken-Pneumonie dos linken 
Unterlappens mit Typhus abdominalis. Anfangs leichte Hyperleukocytose, dann 
Hypoleukocytose. Hohe viertägige Continua bis 39°. Vom 1.—4. Krankheitstag je 
30 ccm Serum und sechsmal 0,25 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. täglich. Am 4. Tag 
Temperaturabfall bis 38°. Einsetzen remittierender, niederer, unregelmässiger 
Temperaturen. Status gravis erheblich gebessert, Typhuserscheinungen bestehen fort. 
Einwirkung deutlich. 

7. Sehr schwerer Fall. Hyperleukocytose. Linker Oborlappen. Vom 
1.—3. Tag täglich sechsmal 0,25 g Aethylhydrocuprein. hydrochl. 3 tägige Con¬ 
tinua mit Krisis am 3. Tag und einsetzender Lösung. 3 tägige fieberfreie Periode. 
Am 6. Tage setzt erneut eino hohe 5 tägige Continua mit schweren Allgemeinerschei¬ 
nungen und erneutem Infiltrat ein. Erneute gleiche Aethylhydrocuprein-Gabe ohne 
deutliche Einwirkung (arzneifest?); es werden deshalb am 3. und 4. Recidivtage je 
30 ccm Serum beigegeben. Krisis am 5.Tag mit totaler Lösung und rascher Heilung. 
Einwirkung deutlich. 

8. Schwerer Fall (Hospitalinfection). Hyperleukocytose. Rechter Mittel¬ 
und linker Unterlappen. Hohe Continua. Täglich sechsmal 0,25 g Aethylhydrocuprein 
vom 1.—4. Tag keine deutliche Besserung; es werden am 5. und 6. Tag je 30 ccm 


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G. Baermann, 


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Serum beigegeben. Am 6. Tage kritischer, steiler Abfall. Langsame, doch totale 
Lösung. Einwirkung wahrscheinlich. 

Uebersehen wir die in den kurzen Protokollen enthaltenen Resultate, 
so kann man sich — wie eingangs hervorgehoben — des Eindrucks 
einer deutlichen Beeinflussung der Infection, das heisst einer 
Heilwirkung, durch Aethylhydrocuprein bei den uncompliciert ge¬ 
lagerten Fällen nicht entziehen. 

Alle diejenigen Fälle, die zum Exitus gekommen, wiesen Be¬ 
sonderheiten und Coraplicationen auf, die die Situation erheblich er¬ 
schwerten und auch sonst gewöhnlich rettungslos zum Tode führen; 
gegen sie ist das Aethylhydrocuprein absolut machtlos. Es kommt eine 
zweite Gruppe von schweren (zum ganz kleinen Teil mit anderweitigen 
Veränderungen complicierten) Fällen, die sonst wenigstens teilweise eine 
ungünstige Prognose erwarten Hessen, sie kamen alle zur Heilung, zum 
Teil mit überraschend schnell einsetzender Krisis. Besonders hervor¬ 
zuheben ist die fast stets .erfolgte rasche totale Lösung des Infiltrates 
und die rasche Erholung des Patienten. 

Einige Fälle sind deshalb interessant, weil sie nach längerem oder 
kürzerem Fieber und symptomfreien Intervallen ein typisches Recidiv 
zeigten. Zwei dieser Recidive reagierten auf Aethylhydrocuprein gut, 
zwei Fälle waren gegen Aethylhydrocuprein allein scheinbar refraetär, 
doch schien es auch hier bei späterer Serumbeigabe eine Wirkung zu 
entfalten. Ein Fall wies bis 200 Colonien pro Blutplatte auf — sonst 
eine prognostisch sehr ungünstige Erscheinung —; die zahlreichen im 
Blut circulierenden Pneumokokken waren am 2. Tage der combinierten 
Serum-Aethylhydrocupreinbehandlung verschwunden. 

Da die vereinzelten im Blut nachzuweisenden Kokken im allgemeinen 
1—2 Tage vor oder mit der Krisis zu verschwinden pflegen, so möchte 
ich auf ihre eventuelle Beeinflussung durch das Aethylhydrocuprein keinen 
besonderen Wert legen. 

Die mittelschweren und leichten Fälle zeigten zum grossen Teil 
eine vorzeitig einsetzende definitive Krisis. Ein Entscheid über die 
therapeutische Beeinflussung dieser Fälle ist besonders schwierig, da 
gerade leichte Fälle hier oft zu abortivem Verlauf neigen. 

Das Schwergewicht möchte ich auf die Beeinflussung der 
schweren Fälle legen, denn hierunter waren Fälle, deren Rettung so¬ 
wohl von mir als auch von meinen Mitbeobachtern dem Aethylhydro¬ 
cuprein zugeschrieben werden musste. Ich gebe natürlich ohne weiteres 
zu, dass auch hier nur ein Eindruck und kein unumstösslicher Beweis 
gewonnen werden konnte. Wenn auch das Aethylhydrocuprein allein 
eine Einwirkung nicht verkennen lässt, so waren die Erfolge für unser 
Empfinden bei der Combination mit Serum rascher, markanter und 
häufiger. Es stimmt dies ohne Weiteres mit den experimentellen Ergeb¬ 
nissen von Engwer und Neufeld, von Boehncke überein. Genauer 
wird sich die Serumgabe zu dem Aethylhydrocuprein noch ermitteln 
lassen, wenn ein genau titriertes hochwertiges Serum angewandt wird. 
Ich glaube, dass es auf diesem Wege vielleicht gelingen wird, die Aethyl- 


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Ueber Pneumokokken-Pneumonie und deren Chemotherapie. 


497 


hydrocupreindose noch schärfer zu präcisieren und sicher unter der 
toxischen Grenze zu halten und dabei doch bessere Resultate zu erzielen. 

Als geeignete Dosierung möchten wir nach unseren Versuchen 
empfehlen; Bei primär leichten Fällen alle 8 Stunden je 10 ccm einer 
5proc. öligen Lösung der freien Aethylhydrocupreinbase in Sesamöl oder 
Olivenöl, intrarausculär, bis zur Krisis. Diese Anwendung öliger Lösung 
der Aethylhydrocupreinbase gewährt eine langsame Resorption, eine gleich- 
mässige Verteilung des Aethylhydrocupreins über eine gewisse Zeitspanne, 
hat jedoch — weniger bei unseren wenig sensiblen Arbeitern — aber 
wohl bei empfindlichen Personen gewisse Unbequemlichkeiten durch das 
schmerzhafte Infiltrat. Wir haben dies zu umgehen versucht, indem 
wir durch innerlich gegebene, kleine fractionierte Dosen von 0,25 bis zur 
Tagesdose von 2 g in achtmaligen Gaben, genau über 24 Stunden ver¬ 
teilt, die gleiche Dauerwirkung zu erzielen suchten und auch erzielten. 
Diese kleinen Dosen werden bis zur Krisis, also im allgemeinen 3—4 Tage, 
eventuell natürlich länger gegeben. Diese Art der Dosierung hat den 
weiteren Vorteil, dass wir bei einem Durchschnittskörpergewicht unserer 
Javanen von 40 kg! bei 2 g pro die niemals eine Amblyopie gesehen 
haben. Es hängt der Eintritt einer Amblyopie scheinbar von ganz be¬ 
stimmten Resorptions- oder Abbau-Bedingungen ab, wie mir Spülungs¬ 
versuche, die ich mit Aethylhydrocuprein und Chininlösung bei Dys- 
enterikern von Appendicostomien aus gemacht, gezeigt haben. Ich habe 
hier bereits nach einer einmaligen Spülung von lg Chinin : 500 ccm 
Aqua bzw. 0,75 g Aethylhydrocuprein : 500 ccm Aqua 3 Tage dauernde 
hochgradige Amblyopien erlebt, während zahlreiche intravenöse und sub- 
cutane Injectionen von Chinin, Hydrochinin und Aethylhydrocuprein in 
gleicher Dosis niemals eine solche erzeugten. Eine Erklärung hierfür 
steht aus. Vielleicht spielen bestimmte organotrope Eigenschaften, die 
durch eine chemische Umsetzung des Präparats je nach dem Applications- 
ort erst erworben werden, eine Rolle. 

Die obengenannte Dosierung kann durch Beigabe von Serum in ihrer 
Wirkung verstärkt werden. Eine Ueberschreitung der toxischen Dosis 
wird so vermieden. Es ist dies für die Einführung des Aethylhydro¬ 
cupreins eine Lebensbedingung, da bei erhöhter Dosis Amblyopie eintritt 
und diese eine allgemeine Einführung eben ausschliesst. Corabination 
mit hochwertigem Iramunserum soll in weiteren Versuchen noch erprobt 
werden. Wichtig ist, dass die Therapie möglichst früh einsetzt, nur 
dann ist auch die günstige, frühe, definitive Krisis zu erreichen, aber 
auch bei Einsetzen der Therapie am 3. oder 4. Krankheitstag glauben 
wir noch eine Einwirkung gesehen zu haben. 

Fassen wir das Resultat in kurzen Worten zusammen, so ergibt 
sich der Schluss: 

Aethylhydrocuprein zeigt auch bei der menschlichen Pneu¬ 
monie eine unverkennbare heilende Wirkung, es wird Sache 
weiterer Beobachtungen sein, vor allem die Combinations- 
therapie mit Heilserum noch genauer zu formulieren. 

Petoemboekan, 1. Sept. 1913. 


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XXI. 


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Aus der inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses Neukölln 
(Direktor: Prof. Dr. Jürgens). 

Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch 
Bismutum subnitricum. 

Von 

Dr. med. J. Zadek, 

Assistenzarzt 


So altbekannt das Magisterium Bismuti auch sein mag und so häufig 
es auch von jeher Anwendung gefunden hat und täglich erfährt: geklärt 
ist die Frage schädlicher oder gar tödlicher Wirkung keineswegs, ins¬ 
besondere gibt es für den kritischen Beobachter keine befriedigende 
Deutung für die Art der Bedingungen und näheren Umstände, unter 
deren Einfluss das Präparat so verderbliche Folgen nach sich ziehen 
kann. Um so wichtiger erschien mir — angeregt durch die Beobachtung 
eines hierher gehörenden Falles — eine Klärung des schwierigen Problems, 
da meiner Ueberzeugung nach ein so häufig verordnetes und im Hand¬ 
verkauf erhältliches, allgemein verbreitetes Mittel der grössten Beachtung 
bedarf, wenn es toxische Wirkungen zu entfalten vermag, deren Stärke 
den Grundsatz des verständigen Therapeuten: „nihil nocere u in merk¬ 
würdigem Licht erscheinen lässt. 

Will man nun den Ursachen schädlicher Einflüsse bei inneren Gaben 
von Bismutum subnitricum nachgehen, kann man die toxischen Wirkungen 
bei äusserlicher Anwendung des Mittels nicht übergehen, wobei die 
Frage nach etwaigen Beziehungen beider zueinander secundärer Natur 
ist. Diese äussere Vergiftung ist schon lange, besonders Chirurgen, 
bekannt gewesen; sie kommt bei der Verwendung des Präparates zu 
Verbänden und Umschlägen bei Wunden, Verbrennungen (Wismutbrand¬ 
binde!), geschwürigen Processen, ferner auch nach Injectionen von Wismut¬ 
pasta besonders bei Tuberculose, zustande, beruht auf der Resorption von 
Wismut, ist also ihrem Wesen nach eine Metallvergiftung. Dementsprechend 
sind die Symptome und der meist günstige Verlauf ähnlich denen ver¬ 
wandter Metalle, vor allem des Quecksilbers: Centrale Krämpfe, Ent¬ 
zündung der Ausscheidungsorgane: Nephritis haemorrhagica, Stomatitis 
ulcerosa mit grauschwarzer Verfärbung, herrührend von der Bildung von 
Schwefelwismut, Colitis ulcerosa mit derselben Tingierung gleicher 
Aetiologie, Diarrhöen, Pigmentierungen usw. Zwar haben noch u. a. 
Schüler (1) 1895 und v. Bardeleben (2) 1892 jegliche Gefahr der 
Intoxication bei der Wundbehandlung mit Bismutum subnitricum — 
v. Bardelebcn spricht von 10 bis 20 g — bestritten, und ferner sollen 


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Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch Bismutum subnitricum. 49 9 


nach Mühlig (3) die Angaben aus der älteren Literatur über Wismut¬ 
metallvergiftungen von Pott, Odier, Traill, Werneck usw. auf Ver¬ 
unreinigung mit Blei und Arsen zurückzuführen sein. Jedoch liegen eine 
ganze Reihe von guten Beobachtungen vor, wonach es nach äusserer An¬ 
wendung mittlerer Mengen einwandfreier Präparate zu mehr oder minder 
schweren Intoxicationen gekommen ist. Ich nenne nur Mühlig (3), der 
das angewandte Präparat auf Arsen und Blei von anderer Seite unter¬ 
suchen Hess, ohne solche Verunreinigungen zu finden, ferner Gauch er (4) 
(4 Fälle), Kocher (5) (6 Fälle), Dreesmann (6), Petersen (7), 
Dalchö (8), Stefanowitsch (9), Lebedeff (10), Meyer (11), Dalchc 
und Villejean (12), Langhans (13), Riedel (14), Israel (15), Stein¬ 
feld und Meyer (16), die ausdrücklich angeben, dass bei der Intoxication 
das Freiwerden von Salpetersäure keine Rolle spiele; aus der jüngsten 
Literatur endlich: L. M. Warfield (17) und H. Pape (18). Im grossen 
und ganzen handelt es sich bei diesen Beschreibungen um ähnliche 
Krankheitsbilder mit demselben oben kurz skizzierten Symptomencomplex; 
fast stets unter günstigem Ausgang. 

Demgegenüber sind innerliche Vergiftungen von Bismutum 
subnitricum, nach Symptomen und Verlauf von den äusseren Metall¬ 
vergiftungen völlig verschieden, viel seltener geblieben und erst in neuerer 
Zeit bekannt geworden, nachdem Rieder 1906 grössere Dosen von 
Magisterium Bismuti (50 g) zu Röntgenzwecken empfohlen hatte. So 
lesen wir bei v. Jacksch (19) und Liebreich und Langaard (20), 
„dass bei Verwendung unlöslicher (Bi)salze in Dosen von 8—10 g, ja 
30 g keine Vergiftung eingetreten ist“, und „dass das unlösliche Bismutum 
subnitricum, innerlich genommen, unschädlich ist“; ebenso bei Böhm (21): 
„Vergiftungen sind nach internem Gebrauch auch grosser Dosen kaum 
beobachtet.“ Um so mehr Aufsehen mussten die bald nach der An¬ 
wendung der Wismutraahlzeit aufgetretenen Intoxicationen erregen. Die 
Symptome bestanden dabei in schwerem Collaps wenige Stunden nach 
der Verabreichung, dann folgten Cyanose, Atemnot, bisweilen Krämpfe 
und Exitus unter irreparabler Atemlähmung. Ara auffallendsten war 
dabei der rasche Eintritt und die Schwere der Intoxication, die jeder Be¬ 
handlung trotzte, dann der rapide letale Ausgang, im Gegensatz zu dem 
mehr protrahierten günstigen Verlauf der äusseren Vergiftung; dazu kam 
das Fehlen jeglicher Anzeichen einer Wismutraetallintoxication. 

Unter entsprechender Würdigung dieses abweichenden Verhaltens 
wurde dann auch bald in typischen Fällen als Ursache eine Nitrit¬ 
vergiftung, also eine Säurevergiftung mit nachfolgender, offenbar rasch 
einsetzender und das ganze Blutsystem beherrschender Methämoglobinämie 
festgestellt. So hat E. Meyer (22) einen Fall von Nitritvergiftung mit 
letalem Ausgang veröffentlicht, wobei der Patient drei Stunden nach der 
Darreichung der Wismutmahlzeit (50 g) ganz acut unter schwerem Collaps 
zugrunde ging. Bei der Section konnte im Darm Nitrit nachgewiesen 
werden, das Blut zeigte die charakteristische braune Farbe und den 
spektroskopischen Streifen des Methämoglobins. Zeichen einer Wismut¬ 
metallvergiftung fehlten. Ebenso Bennecke und Hoffraann (23). Hierher 
gehören weiterhin die Fälle, in denen nach rectalen Einläufen von Bismutum 


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J. Zadek, 


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subnitricum — ebenfalls zu Röntgenzwecken — Vergiftungen unter Nitrit- 
und Methämoglobinbildung mit tödlichem Ausgang eingetreten sind, wie 
sie Hildebrand (24) und Böhme (25) beschrieben haben. Dieser konnte 
ausserdem im Blut und in der Pericardflüssigkeit salpetrige Säure direct 
nachweisen. Wenn auch Rautenberg (26) bei seinem Fall von Methämo¬ 
globinämie nach' Einlauf von 50 g Bismutum subnitricum mit Sesamöl 
geneigt ist, die Ursache der Intoxication dem Oel zuzuschreiben, erscheint 
heute die Deutung als typische Nitritvergiftung ex Wismut bei weitem 
wahrscheinlicher. Nach Böhme (25) sind schliesslich die früheren Be¬ 
obachtungen Rautenbergs sowie die von Wordan, Sailer, Pancoast 
und Davis (27) — Bismutum subnitricum per os zu Durchleuchtungs¬ 
zwecken — als reine Nitritvergiftungen aufzufassen. 

Ob nun beide Arten von Intoxicationen nach Anwendung von Bismutum 
subnitricum, an sich principiell verschieden, derartig differenciert werden 
können, dass die Wismutmetallvergiftung ausschliesslich nach 
äusserer Anwendung, die Säure- d. h. Nitritvergiftung nur 
nach interner Verabreichung des Mittels eintritt, ist noch nicht 
genügend geklärt. Soviel scheint festzustehen, dass Nitritbildung nach 
äusserlicher Anwendung nicht beobachtet wurde und ist das auch ein¬ 
leuchtend gegenüber den für eine Reduction viel günstiger liegenden 
Resorptionsverhältnissen im Magendarmcanal. Dagegen bleibt die Frage 
offen, ob auch Wismutmetallintoxicationen nach interner Verabreichung 
— also vom Magendarmtractus aus — möglich sind. 

Hans Meyer (28) hat gezeigt, dass Wismutsalze von normalen Ver¬ 
dauungswegen nicht aufgenommen werden, wohl aber nach vorheriger 
Anätzung (Krotonöl), wo „es dann im Blut und den Organen nachweisbar 
und durch den Darm und die Nieren wieder ausgeschieden wird u . 
Binz (29) glaubt, dass durch grosse Mengen Salzsäure im Magen dieser 
durch Wismut angeätzt werden kann, so dass grössere Mengen zur 
Resorption kommen. Aus der Literatur, die für diese Frage in Betracht 
kommt, möchte ich die Patientin von Cohn (30) erwähnen, die nach 
geringen Bismutum subnitricum-Gaben (4x0,3 g pro die längere Zeit 
hindurch) nach einigen Tagen deutliche Zeichen einer Metallintoxication 
bot mit Verfärbung der Lippen und des Zahnfleisches usw. Ebenso das 
Kind von A. Prior (31), das (irrtümlicherweise) innerhalb von 36 Stunden 
10 g Bismutum subnitricum erhielt und mit schwerer Vergiftung unter 
ähnlichen Symptomen erkrankte. 

Dagegen vertreten gerade die neueren Beobachter [Groedel (32) 
und Böhme (25)] die Anschauung, dass bei stomachaler Einverleibung 
keine Wismutmetallvergiftungen zu fürchten sind, indem nur bei äusserlicher 
Anwendung des Mittels auf grosser Wundfläche die Möglichkeit zur Ab¬ 
spaltung und Resorption des Wismuts gegeben ist. 

Mir scheint jedenfalls heute soviel festzustehen, dass, mögen auch 
vereinzelte Wismutmetallintoxicationen nach interner Verabreichung erfolgt 
sein, wir eine ganz bestimmte Vergiftung ausschliesslich nach 
per os oder rectal verabreichten Bismutum subnitricum-Dosen 
kennen, die unter dem Bilde der Nit ritintoxi cation mit 
Methämoglobinämie verlaufend keine gemeinsamen Züge mit 


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Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch Bismutum subnitricum. 501 


der äusseren Metallinloxication aufweist. Ganz besonders wichtig 
erscheint mir dieser principielle Unterschied mit Rücksicht auf den 
Ausgang, der bei der typischen. Nitrit Vergiftung letal ist, während die 
äussere Metallvergiftung zwar protrahiert, aber doch ausnahmslos günstig 
verläuft. 

Wie steht es nun aber mit der Pathogenese der Nitritintoxication? 
Zunächst muss man daran festhalten, dass sie erst seit Einführung der 
Ri cd ersehen Mahlzeit — vornehmlich bei Kindern — eine Rolle spielt, 
mit anderen Worten: Die Menge des verabreichten Magisterium 
Bismuti scheint von ausschlaggebender Bedeutung zu sein. Ob 
dem wirklich so ist, ob allein rein quantitative Verhältnisse für das Zu¬ 
standekommen der Säureintoxication in Betracht zu ziehen sind, erscheint 
sehr fraglich, so bequem es auch auf den ersten Blick auf Grund der 
in der Literatur niedergelegtcn Beobachtungen ist. Schon 1899 hat 
Lewin (33) sich offenbar bei der „Dosenfrage“ mit hierher gehörenden 
Fällen beschäftigt; er verzeichnet die Tatsache, dass ein Patient in 
80 Tagen 1600 g Bismutum subnitricum erhielt „und doch nicht starb“, 
während ein anderer, der 7,5 g innerlich bekam, acut zugrunde ging! 
In der neueren Literatur, seitdem man die Nitritvergiftung als solche 
erkannt hat, ist die „Dosenfrage“ bemerkenswerterweise kaum berührt 
werden; man spricht allgemein von „grösseren“ oder „grossen“ Gaben. 
Nur Groedel (32) — der auch Lewin citiert — meint nebenbei, dass 
die Giftwirkung nicht von der Grösse der Dosis abhängig zu sein scheint. 

Wenn dem also nicht so ist, könnten für eine Nitritbildung im Magen¬ 
darmcanal nur ganz besondere Verhältnisse in Betracht kommen. Denn 
wie es auf der einen Seite a priori einleuchtend ist, dass es zur Nitrit¬ 
bildung und nachfolgender Methämoglobinämie nicht so grosser Mengen 
von Magisterium Bismuti bedarf [cf. Böhme (25)], wie sie in der Wismut- 
raahlzeit und im Einlauf verabreicht werden, ist fernerhin diese typische 
Vergiftung ein unter derartig schweren, alarmierenden Symptomen stehender, 
irreparabler, acut letal endender Vorgang, dass die Möglichkeit aus¬ 
geschlossen erscheint, es könnten öfter Nitritintoxicationen nach geringeren 
Gaben von Bismutum subnitricum, wie sie tagtäglich allenthalben An¬ 
wendung finden, übersehen worden sein. Da weiterhin die überwiegende 
Anzahl von Riedcrschen Mahlzeiten zu Röntgenzwecken ohne irgendwelche 
Störungen gegeben, andererseits vereinzelte Fälle von tödlichen Ver¬ 
giftungen nach geringeren inneren Gaben bekannt geworden sind, die 
zwar damals nur zum Teil als Nitritintoxicationen aufgefasst wurden, 
aber zweifellos sämtlich hierhergehören, folgt schon aus allen diesen 
theoretischen Erörterungen, dass die Grösse der Wisrautdosis allein 
keineswegs für die in Rede stehende Vergiftung verantwort¬ 
lich gemacht werden kann, sondern nur insofern, als die unter dem 
Einfluss ganz besonderer Verhältnisse und Bedingungen stehende Möglich¬ 
keit der rein qualitativen Nitritbildung durch die Menge des verabreichten 
Bismutum subnitricum eine Steigerung erfahren kann. 

Mit der Frage, welcher Art nun wohl diese für eine Spaltung und 
Reduction des Magisterium Bismuti in Betracht kommenden Besonder¬ 
heiten sind, hat sich Böhme (25) beschäftigt; im Anschluss an einen 


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J. Zadek, 

beobachteten Fall von Nitritvergiftung mit Methämoglobinämie, bei dem 
es sogar gelungen war, die salpetrige Säure im Blut und in der Pericard¬ 
flüssigkeit nachzuweisen und unter Berücksichtigung eines kurz vorher 
beschriebenen — oben erwähnten — Falles von Bennecko und Hoff- 
mann(23), bei dem zunächst die die Spaltung und Reduction auslösende 
Ursache der mit dem Wismutbrei zusammen gereichten Buttermilch zu¬ 
geschrieben worden war, ist Böhme zu experimentellen Untersuchungen 
übergegangen. Auf Grund zahlreicher Reagensglas- und Tierversuche 
kommt er zu Ergebnissen bezüglich der Nitritintoxication, die sich dahin 
zusamraenfassen lassen, dass bei interner Darreichung „grosser“ Mengen 
Bismutum subnitricum beim Menschen durch die Bildung und Resorption 
von salpetriger Säure Vergiftungen hervorgerufen werden „können“, die 
unter dem Bilde der Methämoglobinämie verlaufen, ohne dass dabei etwa 
eine Resorption von Wismutmetall eine Rolle spiele. Diese Entstehung 
von salpetriger Säure aus Bismutum subnitricum, die nach Böhme offen¬ 
bar durch bakterielle Einwirkung im Magendarmcanal zustande kommt, 
kann im Reagensglas durch Zusatz von Bakterienreinculturen oder von 
Fäcesaufschwemmung leicht nachgewiesen werden; sie tritt in den ge¬ 
nannten Versuchen besonders leicht bei Einwirkung von Kinderkot auf 
und lässt sich auch — wenn auch nur schwer und nach gewissen Pro- 
ceduren (cf. Böhme) — im Tierexperiment nach weisen. 

So verdienstvoll nun auch diese Versuche von Böhme zweifellos 
sind (war er doch der erste, der der Frage der Möglichkeit einer Bildung 
und Resorption von salpetrigen Säuren überhaupt experimentell näher 
trat), über das eigentliche, ursächliche Wesen der Nitritvergiftung, d. h. 
über ihre Entstehungsbedingungen, können seine Ergebnisse nichts 
Sicheres sagen. Wenn Böhme gefunden hat, dass Kinderfäceswismut- 
aufschweramungen besonders leicht Nitrit bildeten, stimmt das gut mit 
der Tatsache überein, dass die Intoxikation in vivo vornehmlich bei 
Kindern vorgekommen ist. Dass Nitrate leicht durch Bakterien zu 
Nitriten reduciert werden, ist bekannt und durch Maassen (34) 1901 
zusammenfassend gezeigt worden, indem die Mehrzahl der Bakterien aus 
Salpeter salpetrige Säure zu bilden imstande sind usw. Wenn man die 
Reduction also als durch die Bakterienflora des Magendarracanals bedingt 
annehmen will, bedeutet das letzten Endes nur eine Verschiebung der 
Frage nach der Entstehungsursache der Nitritbildung, nämlich von 
welchen Bedingungen oder Einflüssen denn die Einwirkung 
der Bakterien auf das Bismutum subnitricum mit der Not¬ 
wendigkeit der Entstehung von salpetriger Säure abhängig 
ist. Natürlicherweise hat auch Böhme diese Seite zu beleuchten ver¬ 
sucht: er konnte gewisse Momente, die auf den ersten Blick verantwort¬ 
lich erschienen, ausschliessen; so stellte er fest, dass die Qualität der 
Nahrung — wenigstens in den Fällen, in denen er Wismutfäcesauf- 
schweramungen untersuchte — ohne jeden Einfluss auf das Resultat der 
Nitritbildung war. Ebenso ergaben sich bei den verschiedensten Bakterien¬ 
arten diesbezüglich irgendwie auffallenden Differenzen, wenngleich Böhme 
die Möglichkeit in Erwägung zieht, es könnte die jeweilige Bakterien- 
ilora des Magendarmcanals von Einfluss sein. Da er selbst angibt, dass 


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Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch Bismutum subnitricum. 503 

die Nitritbildung in denjenigen Stuhlwismutmischungen, deren Reaction 
alkalisch war, ebenso prompt eintrat wie in den häufigeren Fällen, wo 
sie sauer war, scheint mir daraus schon hervorzugehen, dass chemisch 
differente Verhältnisse im Verdauungstractus, speciell im Magensaft, wohl 
kaum den fraglichen Process irgendwie beeinflussen können; dafür sprechen 
auch die Versuche an Katzen, bei denen erst dann Nitrit nachzuweisen 
war, wenn eine Kinderfäceswismutaufschwemmung direct in eine ab¬ 
gebundene Dünndarmschlinge eingenäht wurde, wobei wohl die rasche 
Resorptionsmöglichkeit eines acut eingebraehten Depots -an günstiger 
Stelle eine grössere Rolle spielt als die Umgehung des Magens an sich. 
Am auffälligsten jedoch und zu den tatsächlich beim Menschen beob¬ 
achteten tödlichen Vergiftungen in einem gewissen Gegensatz stehend, 
erscheint der Umstand, dass bei den Tierversuchen von Böhme wohl 
eine Nitritbildung in den Fäces (und auch vereinzelt im Blut), aber kein 
tödlichet Ausgang unter dem klinischen Bilde der beim Menschen beob¬ 
achteten Nitritintoxicationen mit Methämoglobinämie gesehen wurde. 
Böhme selbst hält es für möglich, dass die verabreichten Dosen dazu 
zu gering waren, und es ist jedenfalls — gerade mit Rücksicht auf die 
uns hier interessierende „Dosenfrage“ — wichtig, festzustellen, dass der 
Autor beim Endergebnis seiner Versuche und Beobachtungen nur von 
der Möglichkeit der Bildung und Resorption von salpetriger 
Säure bei interner Darreichung „grösserer“ Mengen von Bis¬ 
mutum subnitricum spricht; es würde sich also auch hiernach letzthin 
in der Hauptsache um quantitative, nicht principielleVerhältnisse handeln. 

Ich wende mich nun zur Beschreibung eines Falles von Nitrit¬ 
vergiftung nach Bismutum subnitricum und gebe zunächst einen Auszug 
aus der Krankheitsgeschichte: 

Wilhelm R., 60 Jahre alt, Productenhändler, aufgenommen am 15. 9. 13, klagt 
seit über einem Jahre über Magenbeschwerden, Appetitlosigkeit, Widerwillen gegen 
Fleisch und Saucen, unregelmässiges Erbrechen, besonders nach Aerger, Abmagerung, 
Schwäche, Herzbeklemmung usw. Status: Mässig kräftiger Mann, dem Aussehen 
nach jünger als seine Jahre. Fühlbare Atherosklerose der Temporalis und Brachialis, 
allgemeine Schwäche, Zittern beim Stehen. Cor.: Leichte Arhythmie. Pulmones.: 
Mässiges Emphysem. Abdomen: Weich in den unteren Partien, im Epigastrium 
allgemeines Resistenzgefühl, Leber etwas vergrössert mit stumpfem Rand. Magen¬ 
gegend frei von besonderer Resistenz und Druckschmerz, Magensaft nach Ewaldschem 
Probefrühstück: 120 ccm, gut chymificiert, Lackmus sauer, freie Salzsäure (Congo, 
Günzburg) negativ, Salzsäuredeficit 17,5, Gesamtacidität 13, Milchsäure negativ, 
Sanguis negativ. Stuhl bei fleischfreier Kost sanguishaltig. Urin frei. Nervensystem 
o. B. Temperatur, Puls normal. Diagnose: Atherosklerose, Carcinoma ventriculi 
et hepatis. Therapie: Fleischfreie blande Brei-Diät, etwas Mixtura Pepsini (es wurde 
keine Salzsäure gegeben!). 

Nachdem am Tage vorher Diarrhöen eingetreten waren, erhielt der Patient 
am 22.9. früh 6 Uhr nüchtern zwecks Röntgendurchleuchtung 250 g 
Griesbrei mit 50 g Bismutum subnitricum (es wird seit Jahren stets Bismutum 
carbonicum zu Röntgenzwecken verwendet; versehentlich wurde in diesem Falle Bis¬ 
mutum subnitricum verabfolgt). Er nahm nichts weiter zu sich und sollte um 12 Uhr, 
also nach 6 Stunden, durchleuchtet worden. Während der Vormittagsvisite fühlte 
Patient sich ganz wohl, erst kurz vor 12 Uhr fiel der Schwester das bleiche 
Aussehen des Patienten auf; er warf sich unruhig im Bett umher, klagte 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie, 15. Bd. $3 


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J. Zadek, 


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über Uebelkeit und Atemnot, wurde dann bald blass - cyanotisch; kein 
Erbrechen. Atmung unregelmässig, schwacher Puls, irregulär. Blässe dauernd zu¬ 
nehmend. Magen und Darm wurden mit je 20 Liter Wasser gespült, Excitantien 
(Campher, künstliche Atmung). 12 Uhr Bewusstlosigkeit, irreguläre Herz¬ 
tätigkeit, kleiner, fadenförmiger Puls, Collaps. Ohne wieder zum Bewusst¬ 
sein gelangt zu sein, tritt um 1 Uhr der Exitus unter den Zeichen tiefsten Collapses ein. 

Die Seotion (Prosektor Dr. Ehlers) ergab unter Bestätigung der klinischen 
Diagnose einer diffusen Atherosklerose Folgendes: 

Jej un um Schleimhaut etwas geschwollen, fleckweise gerötet, mit schwärzlichen 
Streifen; Inhalt schleimig-grünlich, auch schwarz gefärbt. Im lleum die Schleimhaut 
ebenfalls ödematös, blass, mit zahlreichen hirsekorngrossen Follikeln, gelegentlich un¬ 
regelmässig geformten grünlichen, z. T. schwärzlichen Flocken und Streifen. Inhalt 
wie beim Jejunum, ausserdem schwärzliche Körnchen. Duodenum enthält Speisebrei, 
graugrünlich, stark angefüllt. Dickd arm Schleimhaut durchweg ödematös, reichlich 
geschwollene Follikel und ganz vereinzelte grauschwärzliohe Flecken und Streifen, in 
den Falten etwas Schleim, der schwärzlich-grünliche Körnchen enthält. Inhalt wässrig, 
graugrünlich mit spärlich schwärzlichen Körnchen. Rectalschleimhaut blass. Magen¬ 
schleimhaut leicht diffus gerötet. Am Pylorus vom Magen auf das Duodenum über¬ 
greifend ein ringförmiges und schalenförmiges Carcinom, das die Magenwand voll¬ 
ständig durchsetzt hat und auf die regionären Lymphdrüsen übergegangen ist. Diese 
sind in knollige, hühnereigrosse Tumoren verwandelt, die auf dem Schnitt markig aus- 
sehen. Die retroperitonealen und die portalen Lymphdrüsen sind ebenso verändert. 
Im Magen selbst wenig graugrünlicher Inhalt mit einzelnen schwarzliohen Körnchen. 
Das Pankreas ist an der Aussenseite des Carcinoms fest angehoftet, das Carcinom hat 
auf den Kopf übergegriffen, Schwanz frei. Leber vergrössert, überragt den Rippen¬ 
bogen um 4 Querfinger, von Carcinomknoten durchsetzt. Gehirn, Herz, Lunge, die 
übrigen Abdominalorgane zeigen nichts Bemerkenswertes oder Pathologisches. Das 
im übrigen dunkle braunrote Blut wurde nicht untersucht. 

Nachdem schon dieses Ergebnis der Section in Zusammenhang mit 
dem klinischen Geschehnis eine Nitritvergiftung als sehr wahrscheinlich 
annehmen liess, wurde der Inhalt des Magens und der verschiedenen 
Darmabschnitte mikroskopisch und chemisch untersucht. Die Reaction 
des Magen- und Darminhalts war sauer. Er enthielt weder freie Salz¬ 
säure noch Milchsäure oder andere abnorme saure Produkte (keine 
niederen Fettsäuren); Sarcine, Hefebakterien waren kaum vorhanden. 
Wismut 1 ) liess sich im ganzen Darmkanal deutlich nachweisen, im 
Magen nur in Spuren. Nitrit 2 ) wurde im Magen- und Dickdarminhalt 
nirgends gefunden, dagegen einwandfrei in allen Teilen des Dünn¬ 
darms (je eine Portion aus Duodenum, Jejunum, lleum wurde unter- 

1) Nachweis: Etwas Magen- bzw. Darminhalt wird in einem Rundkolben mit 
Salzsäure und Kaliumchlorat versetzt, erwärmt, bis nach Zerstörung der organischen 
Substanz die Flüssigkeit ganz hell erscheint; man gibt dreimal Wasser hinzu, dampft 
auf ein kleines Volumen ein, fällt durch Einleiten von Schwefelwasserstoff Wismut¬ 
sulfid als weissen Niederschlag. Dieser wird, abfiltriert, in ein wenig concentrierter 
Salzsäure gelöst. Diese Lösung zeigt dann bei starker Verdünnung mit Wasser die 
Eigentümlichkeit, sich zu trüben, infolge von Bildung von Wismutoxychlorid. 

2) Nachweis: Vermischung des Darminhalts mit der fünf- bis zehnfachen Menge 
Wasser, verreiben, filtrieren, Filtrat mit dem Lun ge sehen Reagens (Sulfanilsäure 
mit «-Naphthylamin oder /-Phenylendiamin in verdünnter Essigsäure oder Schwefel¬ 
säure) versetzen: Bei Anwesenheit von salpetriger Säure Rotfärbung. 


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Ueber die Ursachen der Xitritvergiftung durch Bismutum subnitricum. 505 


sucht), während Salpetersäure 1 ) im Magen und Dünndarm fehlte, aber 
im Dickdarm nachweisbar war. 

Auf Grund dieser Befunde kann es trotz fehlenden Nachweises der 
Methämoglobinämie nicht zweifelhaft sein, dass wir es hier mit einem 
typischen Fall von Nitritvergiftung nach interner Darreichung von Bis¬ 
mutum subnitricum zu tun haben, wobei die lntoxication und Resorption 
der Hauptsache nach offenbar im Dünndarm vor sich gegangen ist. 

Sucht man der Entstehungsursache der Bildung von salpetriger Säure 
in diesem Falle nachzugehen, so ist zunächst ihr Fehlen im Mageninhalt 
eine weitere Stütze für die Annahme, dass Magensaftverhältnisse keine 
Rolle für den in Rede stehenden Prozess spielen können, zumal da so¬ 
wohl freie Salzsäure wie pathologische saure Substanzen allenthalben 
fehlten; per os war Salzsäure nicht gereicht worden noch irgend etwas, 
das die Spaltung und Reduction zu erklären vermöchte. Abnorme 
Stagnationsverhältnisse oder übermässige Chymusmengen waren nicht 
vorhanden, besondere Bakterienarten wurden auf den ausgesäten Platten 
nicht gefunden, indem das Bacterium coli überwucherte. Es lag vielleicht 
nahe, das Carcinora als auslösende Ursache verantwortlich zu machen: 
Irgendwelche sicheren Anhaltspunkte dafür haben wir nicht, zumal da 
es keine Stenose verursacht hatte und bei der Section keine nennens¬ 
werten Secretionsraengen (Krebsmilch) gefunden wurden, die etwa für die 
Reduction in Betracht kämen: überdies spricht gegen eine solche An¬ 
nahme auch das Nichtvorhandensein des Nitrit im Magen selber, während 
seine Hauptmasse gerade im unteren Dünndarm gefunden wurde. Aller¬ 
dings ist dabei zu berücksichtigen, dass der Magen und Dickdarm ante 
exitum mit Wasser gespült und also von dem Inhalt zum grössten Teil 
befreit worden waren. Da jedoch — wie oben gezeigt — im Magen¬ 
inhalt deutliche Wisrautraengen nachgewiesen wurden, ist das Fehlen der 
salpetrigen Säure besonders auffallend. 

Nach diesem bezüglich der Entstehungsursache der Nitritbildung 
negativen Ergebnis ging ich an eine systematische Prüfung der ganzen 
Frage der Säurevergiftung nach Bismutum subnitricum. Unter Zugrunde¬ 
legung der oben kurz skizzierten Versuche Böhmes suchte ich diese zu 
erweitern, indem besonderer Wert darauf gelegt wurde, möglichst reich¬ 
haltiges und morphologisch, chemisch und biologisch verschiedenartiges 
Material zu verwenden und vor allem Faeces, Urin usw. von den Patienten 
auf Nitritbildung zu untersuchen, die therapiae oder experimenti causa 
kleinere Dosen von Bismutum subnitricum erhalten hatten: Die Resultate 
dieser Prüfungen lassen sich aus folgender Tabelle leicht entnehmen. 

1) Nachweis neben salpetriger Säure schwierig: Man muss letztere erst zerstören 
durch Kochen des Darminhalts mit Ammoniak bzw. Ammoniumsulfat. Ist Nitrat vor¬ 
handen, so zerfällt dasselbe in elementaren Stickstoff beim Kochen. Die abgekühlte 
Lösung gibt dann, mit verdünnter Salzsäure oder Schwefelsäure angesäuert und filtriert, 
folgende Reactionen bei Anwesenheit von HNO s : 

a) Nach Zusatz von einigen Tropfen oiner Lösung von 0,1 g Diphenylamin in 
1 Liter conoentrierter H 2 S0 4 : Blaufärbung; 

b) Nach Zusatz von Brucin in concentrierter H 2 S0 4 : Rotfärbung, unten 
mehr gelb. 


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506 


J. Zadek, 


Material und Herkunft 

Beschaffenheit und specielle Umstände 

Reaction 



a) dickbreiiger normaler Stuhl nach gemischter Kost. 

1 X s *uer. 2 • ilvi' 


von Magendarm- | 
gesunden j 

b) dünnbreiiger resp. llüssiger Stuhl bei vorübergehendem Durchfall 

SV 


c) bei fleischfreier Diät (nach 3 Tagen). 

alkalisch 


d) bei dauernder vegetabilischer Diät. 

do. 



c) bei Obstipation. 

de. 


von Magencarcinom-f 

a) mit Obstipation. 

sauer 


kranken \ 

b) ohne Obstipation. 

de. 


/ 

a) Dünndarminhalt Magendarmgesunder. 

alkalisch 


von Leichen { 

b) „ Magcncarcinomkranker. 

do. 


c) Dickdarminhalt Magendarmgesunder. 

neutral 


\ 

d) „ Magencarcinomkranker. 

sauer 


. 

a) normaler Stuhl Magendarm- und StofTwechselgesunder . . . 

neutral 


1 

b) dyspeptischer (grüner) Stuhl. 

sauer 

■r. 


c) dünnflüssiger Stuhl. 

1 X »Ikal., 2»^ 



d) bei dauernd vegetabilischer Diät. 

alkalisch 


j 

e) nach Gaben von lg Bism. subnitr. bei normalen Kindern (lOjähr.) 

do. 

r fJ-i 

( 

0 * * r lg » » * dyspept. „ .... 

sauer 



a) normaler Stuhl Magendarmgesunder. 

alkalisch 


von Patienten, die 1 

b) dünnflüssiger Stuhl bei vorübergehender Diarrhoe. 

sauer 


kleinere Dosen l 

c) bei Tbc. intestini (dauernde tägliche Gaben von ca. 10 g) . . 

2X sluer - 1 . 


(6—15 g pro die) < 

d) bei fleischfreier Diät (nach 3 Tagen) . 

alkalisch 


Bismut. subnitric. J 

e) bei dauernd vegetabilischer Diät. 

neutral 


erhalten hatten l 

f) bei chronischer Obstipation. 

alkalisch 



g) nach einmalig. Gabe v. 11,5g nitrithaltig. Bism. subnitr., norm. Stuhl 

sauer 



a) bei normaler Fütterung: normaler Stuhl. 

neutral 


[ 

b) nach einmaliger Gabe von 10 g Bism. subnitr.. . 

do. 


von Kaninchen u. j 

c) r täglich.Verfütterung v.ca. 10g Bism. (nach 3 Tagen) . . . 

db. 


Meerschweinchen ( 

d) „ „ „ „ „ 10g Bism. mit Kinderfaces . . . 

schwach sau r 


(„K.“ und „M. u ) 1 

e) r einmaliger „ r „ 30g Bism. subnitr. 

neutral 


f 

f) * r r r „ 10g nitrithaltigem Bism. . . . 

schwach saur: 



g) r w „ „ „ 10g nitrithaltig. Bi. m. Kinderfaces 

do. 


von Magendarm- ( 

a) ohne Zusatz. 

sauer 


gesunden \ 

b) nach Einnahme von 5 g Bism. subnitr. ( 3 / 4 Std.). 

do. 


bei gutartiger Ste- ( 

a) ohne Zusatz. 

do. 


nose \ 

b) nach Einnahme von 5 g Bism. subnitr. ( 3 / 4 Std.). 

do. 

z 

von Magencareinom-f 

a) ohne Zusatz. 

do. 

«t 

kranken \ 

b) nach Einnahme von 5 g Bism. subnitr. (nach 3 / 4 Std.) . . . 

do. 


| 

a) Magendarmgesunder.. . 

do. 

C 

vnn 1 iPicliPn c 

b) bei Magencarcinom. 

do. 


\ vH 1JL1UK11 \ 

1. mit Stenose (Stauung). 

do. 

GJ 

l 

L\ ohne Stenose.. 

do. 

bC 

bei fehlender freier / 

a) nach Zusatz von 5 g Bism. subnitr. (nach 3 (4 Std.) .... 

do. 

cS 

Salzsäure < 


1 

a 

bei Hyperacidität t 

b) ohne Zusatz. 

do. 



a) bei Carcinomkranken mit Stenose. 

do. 


im Erbrochenen ( 

l 

b) bei Hysterie. 

c) bei Urämie. 

do. 

do. 



d) bei einfacher Hvperacidität. 

do. 


<1. h. Aufbewahrung im Brutschrank bei 37° C. - -) d. h. in einem Falle positive Keakt - 


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Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch Bismutum subnitricum, 507 


Verhalten der Nitritreaction im Filtrat der wässerigen Aufschwemmung: 


Ohne Zusatz 

Nach Zusatz von 1 g Bismutum subnitricum zu ca. 10 g 

Na*h Zusatz 
v. 1 f nitrit¬ 
haltigem Bis¬ 
mutum zu ca. 

10 g 

Nitrit 

im Urin 

Sofort 

Nach 

12 Std. 1 ) 

Sofort 

Nach 12 Std.«) 

Nach 24 Std.«) 

Nach 48 Std.») 

L 


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1 mal 2 mal — 

1 mal +, 2 mal — 

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3 mal +, 1 mal — 

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nicht geprüft 

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+ (K+M) 

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do. 


n vier anderen Fällen negativ. 


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Google 


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Material und Herkunft 

Besch affen h eit und spcciellc Umstände 

Reaction 


im Sputum | 

a) bei Bronchitis.. 

b) bei Asthma. 

c) bei Tbc. pulmonum. 

neutral 

do. 

do. 

Urin 

von Stoffwechsel- l 
gesunden l 

von Leichen | 
bei Cystitis { 

a) bei gewöhnlicher Kost. 

b) nach Gaben von 5 g Bism. subnitr. 

a) Stoffwcchselgesunder. 

b) bei Cvstitis und Pyelitis. 

c) bei Diabetes (Coraa). 

d) bei Magencarcinomkranken. 

a) ohne Zusatz. 

b) nach Gaben von ca. 5 g Bism. subnitr. 

sauer 

do. 

do. 

alkalisch 

sauer 

do. 

do. 

alkalisch 

i 

<v 

i 

! , 

a) Reinkulturen. 

_ 

•* e 

Bact. coli { 

b) aus normalem Stuhlgang gezüchtet. 

— 

-Hs 

1 

c) aus norm. Stuhlgang gezüchtet von Pat., die 10gBi.subn.bekamen 

— 

5 « 

Bact. typhi 

Reinkultur. 

— 

«fl 

Bakterien gemische 

— 

— 

GQ 

j (Sapropliyten) 




Die einzelnen Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen sich mit 
Rücksicht auf die uns interessierenden Fragen dahin erläutern: Secrete 
und Excrete des menschlichen und tierischen Organismus zeigen, frisch 
geprüft, keine freie salpetrige Säure [unter Zugrundelegung der Unter¬ 
suchung mit dem Lungeschen Reagens (cf. oben)]; dagegen besitzen 
sie die Fähigkeit der Nitritbildung, d. h. für unsere Fälle, aus Bismutum 
subnitricum die Säure zu reducieren unter begünstigenden Umständen, 
die vor allem in der längeren Einwirkung fäulnisbegünstigender Momente 
zu suchen sind. Dies wurde daraus geschlossen, dass die zeitliche Ein¬ 
wirkung des Magisterium ßismuti, im besonderen auf die Verdauungssäfte 
von ausschlaggebender Bedeutung ist, während weder qualitativ durchaus 
differente Nahrungszufuhr, noch besondere krankhafte Zustände im orga¬ 
nischen oder chemisch-biologischen Getriebe von irgendwelchem specifischem 
Einfluss auf den fraglichen Process sind. Wenn bei der Untersuchung 
des Sputums, insbesondere bei Verwendung eines solchen mit Tuberkel¬ 
bacillen und Toxinen, ferner beim cystitischen Urin die Nitritbildung 
besonders rasch und intensiv auftrat, beweist das nur wieder, dass der¬ 
artige Reductionsmittel, wie das leicht faulende Sputum, besonders ge¬ 
eignet sind; dasselbe folgt auch aus der Tatsache der raschen Nitrit- 
bildung bei Verwendung von Saprophyten im Gegensatz zu der langsam 
eintretenden Rcduetion bei offenbar geringere Fäulnistendenz aufweisenden 
anderen Bakteriencuhuren. Es zeigten sich — besonders auch öfters in 
den einzelnen Versuchsfällen derselben Reihe — manchmal kleine Ver¬ 
schiedenheiten, für die ich keine genaue Erklärung geben kann: 
principiell gemeinsam, durchgreifend in allen Versuchen und 


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Original ftom 

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lieber die Ursachen der Nitritvergifiung durch Bismutum subnitricum. 509 



Verhalten der Nitritreaction im Filtrat der wässerigen Aufschwemmung: 



Ohne 

Zusatz 

Nach Zusatz von 1 g Bismutum subnitricum zu ca. 10 g 

Nach Zusatz 
v. 1 g nitrit- 

Nitrit 

im Urin 

Sofort 

1 Nach 

12 Std.*) 

Sofort 

, Nach 12 Std. *) 

Nach 24 Std.') 

Nach 48 Std.*) 1 

haltigem Bis¬ 
mutum zu ca. 

10 g 

_ 

_ 

_ 


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nicht geprüft 

nicht geprüft 

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do. 

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i 

— 

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+ 

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+ 

do. 

— 


konstant allein ergab sich nur die Tatsache der Möglichkeit 
der Nitritbildung aus Bismutum subnitricum unter fäulnis¬ 
begünstigenden Momenten; dass diese im Reagensglas bei der 
Prüfung der einzelnen Substanzen in der Hauptsache von der zeitlichen 
Einwirkung allein abhängig ist, erscheint ebenso klar wie das aus unseren 
Versuchen hervorgehende Factum, dass für die Pathogenese der mensch¬ 
lichen Nitritvergiftungen neben abnormen Säuren-, Gärungs- oder anders¬ 
artigen Fäulnisprocessen 1 ) auch Stauungs- oder Retentions- und Stenose¬ 
verhältnisse — also in letzter Hinsicht zeitlich fördernde und be- 


1) Streng genommen hat man sich zu erinnern, dass diese Vorgänge im all¬ 
gemeinen derart differenciert werden müssen, dass das eigentliche „Faulen“ (= Ab¬ 
bau des Eiweisses zu teilweise übelriechenden [Skatol, Indol, Amine] Producten der 
aromatischen und Fettreihe basischer und saurer Natur wie auch zu Gasen) dem Ei- 
weiss der Darmsecrete, das „Garen“ den Kohlehydraten (= Spaltung zu Fettsäuren 
[Milchsäuregärung, Buttersäuregärung] und Kohlensäure), das „Ranzen“ den Fetten 
(= Bildung von niederen, durch eigentümlichen Geruch ausgezeichneten Fettsäuren 
[Buttersäure und andere Fettsäuren]) zukommt. Bei Fäulnis resultiert alkalische, bei 
Ranzen und Gärung saure Reaction. Da sich jedoch in diesbezüglichen Versuchen 
(Prüfung auf Nitrit mit ,faulem 4 Fleisch, ,vergorener 4 Milch, ,ranziger 4 Butter usw.), 
die der Kürze halber hier keine nähere Erläuterung gefunden haben, keine nennens¬ 
werten Unterschiede ergaben, da ferner die Reaction des Materials zu unseren und 
auch schon Böhmes Versuchen keinen Einfluss auf die Reduction zu salpetriger Säure 
erkennen liess, überdies die genannten Erscheinungen wohl meist Hand in Hand gehen, 
kann man wohl diese einzelnen Begriffe — wie wohl sonst auch — für unsere Frage 
in den umfassenden Ausdruck der Fäulnisvorgänge verallgemeinern. 


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Original fro-m 

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510 


Zadek, 


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schleunigende Fäulnisvorgänge verantwortlich zu machen sind; 
in diesem Sinne also können auch organische Erkrankungen, vornehmlich 
im Magendarmkanal, oder chemisch differente, abnorme Säfteverhältnisse 
im menschlichen und tierischen Organismus ihr Teil an der Säurevergiftung 
haben, indem die genannten Veränderungen die Fäulnis und damit die 
durch jene vornehmlich bedingte Reduction positiv beeinflussen. 

Das und nichts anderes ergab sich auch aus meinen Versuchen mit 
den Kinderfäces, bezüglich derer schon Böhme eine besonders leichte 
Nitritbildung nachgewiesen hatte. Bei uns trat diese Erscheinung dann 
deutlich rascher und intensiver ein, wenn diarrhoische und dyspeptische 
Stühle zur Verwendung gelangten, d. h. mit Bismutum subnitricum ver¬ 
setzt wurden — oder, anders gesagt, wenn pathologische, den kindlichen 
Organismus so sehr in Mitleidenschaft ziehende Fäulnis- und Gärungs- 
processe vorhanden waren. Hierbei treten zeitliche Verhältnisse mehr 
in den Hintergrund, weil eben meist die genannten krankhaften Vorgänge 
einen dauernden Zustand abnormer Gärung und Fäulnis darstellen, wobei 
die Reduction rasch einzutreten vermag. Dieselben Gesichtspunkte sind 
massgebend für die Erscheinung, dass wir nach kleinen Gaben Bismuti 
subnitrici ausschliesslich bei Kindern mit Dyspepsie im frisch entleerten 
Stuhl öfters Nitrit finden, dagegen niemals in den Fäces anderer Kinder 
oder Erwachsener, auch nicht diarrhoischen. 

Ist es nun einfach so, dass die Nitritbildung bei diesen von graduellen, 
quantitativen Momenten abhängig ist und inwieweit hängt mit dieser 
Frage der Eintritt der Methämoglobinämie zusammen? Wir haben niemals 
beim Erwachsenen nach Gaben bis zu 15 g pro die — auch unter be¬ 
günstigenden Fäulnis Vorgängen und organischen krankhaften Zuständen im 
Magendarmcanal — Nitrit im Stuhl gefunden; grössere Dosen (etwa 50 g) 
zu geben, konnte ich mich nicht entschlossen. Änderetseits war durch 
unsere Versuche gezeigt worden, dass der kindliche Organismus im 
dyspeptischen Säurezustand sehr wohl aus Magisterium Bismuti Nitrit 
bildete, aber nicht unter Methämoglobinämie daran zugrunde 
ging; dasselbe Verhalten wiesen aber auch die Tiere, die grosse Dosen 
(50—75 g) verfüttert bekommen hatten: ebenso wie bei Böhme fand 
man im Stuhl öfters salpetrige Säure, aber keine Methämoglobinämie, die 
Tiere blieben munter, gingen nicht zugrunde; auch jene nicht, die mit 
nitrithaltigen Fäces dyspeptischer Kinder verfüttert waren. Und wenn 
Groedel (32) angenommen hat, dass die Nitritintoxication nur bei 
Kindern überhaupt beobachtet würde, so trifft dies nicht zu: der Fall 
von E. Meyer (22) und der unsrige sprechen dagegen. Letzten Endes 
haben wir eben nur unter bestimmten Bedingungen eine Erklärung für 
die Nitritbildung, nicht aber für die Methämoglobinämie und den letalen 
Ausgang, wie beides in den beobachteten typischen Nitritvergiftungen 
beim Menschen zum Ausdruck kommt. 

So sehr wir also immer mehr auf Grund des Vorausgeschickten 
principiellen Verhältnissen und Vorbedingungen für das Zustandekommen 
der Säureintoxication eine ausschlaggebende Rolle zubilligen müssen: hier 
bleibt eine Lücke. Auf der einen Seite die bisher bekannt gewordenen 
foudroyant verlaufenden Nitritvergiftungen mit Methämoglobinämie und 


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Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch Bismutum subnitricum. 511 


Exitus, auf der anderen die Unmöglichkeit, experimentell Nitrit mit 
Methämoglobinämie bei Tieren und Menschen, selbst in pathologischen 
Magendarmverhältnissen zu erzeugen. Selbst wenn man der Grösse der 
Dosis neben besonderen begünstigenden Fäulnisprocessen eine Bedeutung 
beimessen will (die nach dem oben Ausgeführten sicherlich nicht allzusehr 
ius Gewicht fallen dürften) und besonders in Anbetracht der Ueberlegung, 
dass bei den zahllosen grossen Gaben von Bismutum subnitricum zu 
Röntgenzwecken — sicherlich überwiegend bei pathologischem Ver- 
dauungstractus — der Procentsatz der beobachteten Intoxicationen auch 
relativ sehr gering ist, bleibt der rapide Eintritt und Verlauf der tat¬ 
sächlich gesehenen Nitritvergiftungen unaufgeklärt und hat die ganze 
bisherige Lösung des Problems trotz der zahlreichen Versuche etwas Un¬ 
befriedigendes. 

Alle diese Ueberlegungen und Erwägungen brachten mich — gewisser¬ 
maßen mit Notwendigkeit und per exclusionem — darauf, die Auf¬ 
merksamkeit dem Präparat selbst zuzuwenden. Da es sich hier nur um 
die Lösung der Frage nach der Herkunft des gebildeten Nitrits handelte, 
also nur besondere etwaige nitritbegünstigende Momente in Betracht 
kamen, erübrigte sich eine Untersuchung und Feststellung etwaiger Ver¬ 
unreinigungen des Präparates mit Arsen oder Blei, wie sie eventuell bei 
der Wismutmetallintoxication eine Rolle spielen. Während im deutschen 
Arzneibuch derartige Beimengungen als möglich betrachtet und eine 
specielle Prüfung darauf eingehend beschrieben und gefordert wird, findet 
sich dort nirgends eine Angabe bezüglich der Möglichkeit einer reductions- 
begünstigenden Coraponente im Präparate selbst. Auffallend jedoch ist, 
dass im deutschen Arzneibuch dem Gehalt des Magisterium Bisrauti an 
Wismutoxyd und dementsprechend an Wismut selbst eine Schwankungsbreite 
eingeräumt wird (79 — 72 pCt. Wismutoxyd = 70,8—73,5 Wismut), wie 
sie unter ähnlichen Umständen sonst nicht üblich ist. 

Jedenfalls ging ich nunmehr daran, Bismutum subnitricum-Präparate 
verschiedenster Herkunft direct auf salpetrige Säure zu untersuchen unter 
Zugrundelegung derselben Reaction mit dem Lungeschen Reagens, wie 
es früher Verwendung gefunden hat; ausserdem dieselbe Probe nach 
einmaligem Aufkochen des Präparates mit Salzsäure. Ich prüfte zunächst 
die Mengen der einzelnen Stationen unseres Krankenhauses, wie sie von 
der eigenen Apotheke geliefert, seit mehr oder weniger längerer Zeit in 
Standgefässen im Arzneischrank aufbewahrt werden. Das Ergebnis von 
über ein Dutzend Untersuchungen war ein absolut negatives. Niemals 
zeigte sich, auch nach Kochen mit Salzsäure, Rotfärbung. Leider war 
mir gerade das Präparat, das seinerzeit bei dem oben beschriebenen Fall 
zur Verwendung gekommen war, nicht mehr zugänglich; wie schon er¬ 
wähnt, wird bei uns nach wie vor nur Bismutum carbonic-um zu 
Röntgenzwecken verabreicht. 

Da ich mit der Prüfung der zwölf auf den Stationen vorhandenen 
Mengen nur die von einer Apotheke stammenden Präparate mit stets 
gleicher Bezugsquelle untersucht hatte, unterwarf ich zwanzig weitere in 
Berliner Apotheken und Droguerien in den verschiedensten Teilen der 
Stadt aufgekauften Präparate derselben Reaction: Ich war nun nicht 


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wenig überrascht, als ich bei einer, der Reihenfolge nach neunten, in 
einem Drogengeschäft erhaltenen Menge von Magisterium Bismuti eine 
deutlich positive Nitritreaction erhielt. Auch andere Nitritproben 
fielen sämtlich positiv aus, das Präparat wies ausserdem bei näherer 
Prüfung einen deutlich stechenden Geruch nach salpetriger Säure auf, 
kqrzum, es konnte kein Zweifel mehr an der Richtigkeit des Gefundenen 
walten. 

Natürlicherweise nahm ich nun die Versuche mit diesem nitrithaltigen 
Präparat wieder auf. Wenn auch begreiflicherweise von der Darreichung 
beim Menschen absolut Abstand genommen werden musste, blieben doch 
vor allem neben den bekannten Prüfungen die Tierexperimente. Aus 
äusseren Gründen habe ich das Ergebnis auch dieser Versuche vorweg¬ 
genommen: die Resultate befinden sich unter der vorletzten Rubrik der 
oben verzeichneten Tabelle. Bedauerlicherweise konnte nur eine be¬ 
schränkte Zahl der früheren Ausführungen wiederholt werden, da mir nur 
eine kleinere Menge von Material zur Verfügung stand; die zweite von 
derselben Drogerie bezogene Probe von Bismutum subnitricum wies be¬ 
zeichnenderweise keine salpetrige Säure auf; es konnte mir keine Ge¬ 
wissheit darüber gegeben werden, ob die mir zuerst verabfolgte Menge 
der örtlichen und zeitlichen Herkunft nach mit der zweiten identisch war; 
wir dürfen jedoch ohne Zweifel annehmen, dass dem nicht so ist. 

Zieht man das Facit aus den mit diesem nitrithaltigen Präparat an- 
gestellten Beobachtungsresultaten mit besonderem Hinblick auf jene mit 
(wie nachträglich zur Sicherheit eigens — auch nach vorherigem Kochen 
mit Salzsäure — festgestellt wurde) nitritfreiera Bismutum subnitricum 
angestellten, so ergibt sich zunächst, dass mit solchem Material ver¬ 
setzte Mengen von Fäees usw. ausnahmslos bald Nitrit zeigten. 
Bei diesem an' sich selbstverständlichen Ergebnis ist nur bemerkens¬ 
wert, dass zur Erzielung positiver Resultate quantitativ sehr geringe 
Mengen Pulver gegenüber grossen Versuchssubstraten genommen zu werden 
brauchten. 

Von Interesse sind weiterhin die Tierversuche. Wohl zeigte sich 
hier ausnahmslos nach Verabreichung von nitrithaltigem Wismut in den 
frisch entleerten Fäees positive Nitritreaction, jedoch trat weder 
Methämoglobinämie noch überhaupt eine irgendwie merkliche 
Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens ein. Nicht unwichtig 
war die Beobachtung, dass die Tiere — es gelangte ein Meerschweinchen 
und ein Kaninchen zur Verwendung — dieses mit Milch vermengte Präparat 
trotz Hungers nicht spontan frassen, sondern künstlich gefüttert werden 
mussten, während sie das nitritfreie Bismutum subnitricum anstandslos 
genommen hatten. Auch trotz hoher Dosen und selbst nach Verfüttern 
einer Mischung von dyspeptischen Kinderfäces mit nitrithaltigem Wismut 
trat keine Methämoglobinämie mit Exitus ein. Nach dem oben Aus¬ 
geführten unterliegt es für mich keinem Zweifel, dass diese Erscheinungen 
aus dem Grunde nicht eintraten, weil bei den gesunden Tieren kein 
abnormer Fäulniszustand im Magendarmcanal bestand, wie er nach 
unseren Untersuchungen die toxische Wirkung der Nitritbildung wesentlich 
beeinflusst. Auch dieses Ergebnis bildet eine weitere Stütze für die An- 


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Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch Bismutum subnitricum. 513 


nähme, dass quantitative Verhältnisse allein für die in Rede 
stehende Intoxication nicht verantwortlich zu machen sind. 

Letzten Endes musste es für die Lösung unserer Fragen ganz be¬ 
sonders wichtig erscheinen, wie sich, analog den früheren Versuchen mit 
nitritfreiem Wismut, der menschliche Organismus nach internen Gaben 
von Salpetrige-Säure-haltigem Magisterium Bismuti verhielt. Mit grösseren 
Dosen durfte man unmöglich experimentieren und auch für kleinere konnte 
ich mich nur zu einem Versuch am eigenen Körper entschliessen. Während 
ich nach Einnahme von 10 g nitritfreien Präparates bei gemischter Kost 

— in Uebereinstimmung mit den früheren Ergebnissen — in den Fäces 
keine salpetrige Säure feststellen konnte, gelang mir dies sofort, 
nachdem ich den Rest des mir zur Verfügung stehenden 
Mat.erials von nitrithaltigem Bismutum subnitricum (es waren 
genau 11,5 g) nüchtern genommen hatte. Im Urin dagegen waren 
nur neben Spuren von Wismut Nitrate, keine Nitrite zu finden. Dabei 
traten keine irgendwie nennenswerten Störungen des Allgemeinbefindens 
auf, schon in der nächsten Stuhlportion war die Nitritreaction negativ. 
Zu der eigenen Anwendung im krankhaften, irgendwie Fäulnis begünstigenden 
Magendarmzustand, wie er sicherlich für eine Resorption des Nitrits mit 
Methämoglobinämie und allgemein toxischer Wirkung mit verantwortlich 
zu machen ist, bot sich mir leider keine Gelegenheit. 

Wichtig und principiell von Bedeutung ist jedoch diese gefundene 
Tatsache gegenüber der auch von anderer Seite geäusserten Annahme 
(Böhme), dass wohl öfters Nitrit aus Bismutum subnitricum gebildet, 
aber wieder oxydiert und durch Darm und Nieren ausgeschieden würde. 
An und für sich hatte diese Hypothese nicht viel Wahrscheinliches, da 

— gerade unter pathologischen Processen — die reducierende Eigenschaft 
der Bakterien viel zu gross ist gegenüber oxydierenden Einflüssen solcher 
oder etwa anderer Substrate; das Ergebnis unseres Versuches sprach 
auch direct dagegen, indem das eingeführte Nitrit glatt wieder ausge¬ 
schieden wurde. 

Ob nun tatsächlich in den bisher beobachteten Fällen von 
Nitritvergiftung mit Methämoglobinämie und tödlichem Aus¬ 
gang, sowie in dem unsrigen, nitrithaltiges Magisterium Bis¬ 
muti zur Verwendung gelangte, kann ich naturgeraäss nicht 
entscheiden. Gegenüber dem relativ seltenen Vorkommnis einer Nitrit¬ 
vergiftung bei so zahllosen gut vertragenen Wismutmahlzeiten und der 
so überaus häufigen Anwendung des Mittels überhaupt, gewinnt diese 
Annahme viel an Wahrscheinlichkeit; und auch in unserem Falle ist es 
durchaus nicht unmöglich, weil gerade das hier zur Verwendung ge¬ 
kommene Präparat nachgewiesenermassen längere Zeit unbenutzt auf der 
Station aufbewahrt worden war. Theoretisch einleuchtend ist es viel¬ 
leicht, wenn man überhaupt der Beimengung von freier salpetriger Säure 
zum Präparat keine so einschlägige Bedeutung beimessen will, indem 
der — wenigstens gesunde — Organismus damit, wie auch mit dem 
gebildeten Nitrit fertig wird; zugegeben, dass dem so sein mag: meiner 
Ansicht nach erübrigt sich diese Erörterung, da das praktische Durch¬ 
probieren ergeben hat, dass unter mindestens 21 ganz verschiedenen 


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J. Zadek, 


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Präparaten nur in einem Nitrit nachweisbar war, dessen Vorkommen im 
Bismutum subnitricum also sicherlich ebenso wie die Nitritintoxicationen 
zu Seltenheiten gehören. 

Alle schon bekannten und neu gefundenen Tatsachen zusammen¬ 
genommen, gelangen wir zu der Anschauung, dass für die Pathogenese 
der typischen Nitritintoxication mit Methämoglobinämie und Exitus nach 
internen Gaben von Bismutum subnitricum nicht allein etwa quanti¬ 
tative Verhältnisse angeschuldigt werden können, wenn auch — in 
Analogie mit anderen toxischen Wirkungen — grössere Dosen zweifellos 
auch hier den Vorgang unterstützen und beschleunigen können. Von 
principieller, ausschlaggebender Bedeutung sind aber stets jeweilig 
pathologische Fäulnis begünstigende Einflüsse im Magendarm¬ 
kanal, die die Nitritresorption mit ihren Folgeerscheinungen fördern, 
und schliesslich die Beschaffenheit des zur Verwendung ge¬ 
kommenen Präparates. Nur wenn diese beiden Momente vorhanden 
sind, kommt es — vielleicht unter Mitwirkung grösserer Mengen — zur 
typischen Nitritvergiftung, indem nitrithaltiges Wismut unter dem be¬ 
günstigenden Einfluss ebengenannter Fäulnisprozesse Gelegenheit zur rapiden 
Entfaltung der lntoxication hat und den tödlichen Ausgang herbeiführt. 

Pathologische Magendarmprocesse lassen sich ex post in den ge¬ 
nauer beobachteten Fällen stets aus den Krankengeschichten bzw. Sections- 
protokollen nach weisen: In dem Fall von E. Meyer (22) handelte es 
sich um eine Strictur im Dünndarm, bei Bennecke und Hoffmann (23) 
um gleichzeitige Darreichung von Buttermilch (Fäulnis!), in unserem Falle 
um kurz vorher aufgetretene, besonders vermerkte Diarrhoen usw.; und 
wenn auch in allen diesen Fällen der Nachweis, dass nitrithaltiges Wis¬ 
mut verabreicht wurde, nicht vorliegt, so müssen wir das nach dem 
Gesagten ohne weiteres annehmen und haben nur damit eine einleuchtende 
Erklärung für die sonst rätselhaft erscheinende Tatsache, dass so zahl¬ 
reiche grosse Wismutgaben auch bei pathologischen Magendarmvorgängen 
ohne Reaction verlaufen sind; das stimmt nur mit dem offenbar seltenen 
Vorkommnis einer Nitritvergiftung gut überein. 

Ich bin mir wohl bewusst und möchte es an dieser Stelle noch 
betonen, dass es in pharmaceutischen und Apothekerkreisen wohl — 
wenn auch, wie ich mich überzeugt habe, nicht durchgehend — bekannt 
ist, dass das Bismutum subnitricum nach längerem Aufbewahren Nitrit 
enthalten kann. Nachträglich habe ich diese Auskünfte erhalten 1 ), 
d. h. nachdem ich auf Grund der Analysen und Beobachtungen zu der 
Untersuchung des Präparates selbst übergegangen war in der Annahme, 
dass in ihm selbst ein wesentlicher Factor zu dem Auftreten der töd¬ 
lichen Nitritvergiftung zu suchen sei. Dann konnte ich auch in der 
Literatur zwei diesbezügliche Angaben finden, nämlich bei Herzog und 
Hammer (35) und bei Anselmino und Gilg (36); diese schreiben: 
„Bisweilen nimmt das Präparat im Verlaufe der Aufbewahrung einen 
deutlichen Geruch von salpetriger Säure an. Man muss alsdann das 

1) Herr Dr. Rewald (Berlin) war so liebenswürdig, mir dahingehende Auf¬ 
klärung zu geben, wofür ihm an dieser Stelle bestens gedankt sei. 


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Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch Bismutum subnitriöum. 515 

basische Wismutnitrat, in dünner Schicht ausgebreitet, bei lauer Wärme 
austrocknen a . Ob die Autoren diese Tatsache zu den von ihnen auch 
angeführten Nitritvergiftungen nach Einnahme des Präparates in Beziehung 
setzen, geht aus ihrer Schilderung nicht hervor. Jedoch haben sich die 
beiden Letztgenannten ebenfalls mit dem schwankenden Wismutoxyd- 
bzw. Wismutgehalt beschäftigt. 

Da jedoch die Tatsache des Vorkommens nitrithaltigen 
Wismuts in der medicinischen Literatur und in ärztlichen 
Kreisen meines Wissens unbekannt ist, jedenfalls in den 
Erörterungen zu den beobachteten Nitritvergiftungen keine 
Rolle gespielt hat, glaubte ich, bei der Bedeutung, die das 
Magisterium Bismuti in allgemein therapeutischer Hinsicht ge- 
niesst, besonders darauf hinweisen zu müssen. Wohl ist man dazu 
übergegangen, das Präparat in grossen Dosen zu Röntgenzwecken allgemein 
wohl nicht mehr zu verwenden; es erscheint auch kaum angebracht, die 
so lange geübte Darreichung kleinerer Dosen zu therapeutischen Zwecken 
allgemein als Kunstfehler zu betrachten, bloss weil vielleicht einmal 
nitrithaltiges Wismut unterlaufen könnte; immerhin unterbleibt wohl seine 
Darreichung besser bei Kindern überhaupt und bei Erwachsenen mit 
Verdacht auf schwerere pathologische Magendarmstörungen. 

Dagegen scheint mir der Vorschlag nicht zu weit gegangen zu sein, 
ein Mittel, das unter besonderen Bedingungen manchmal eine oder gar 
mehrere an sich schwer schädigende Substanzen aufweisen kann, vom 
Handverkauf völlig auszuschliessen. Bisher kann es in jeder be¬ 
liebigen Menge von jedermann ohne weiteres erstanden werden, und es 
ist in diesem Sinne vielleicht nicht nur als ein Zufall anzusehen, wenn 
auf meiner Suche nach „verdorbenem“ Bismutum subnitricum gerade 
eine „Droguerie“ in der zweifelhaft erscheinenden Lage war, mir damit 
dienen zu können. 


Literaturverzeichnis. 

1) Schüler, Leith. Lancet. 1895. Vol. 2. p. 770. 

2) v. Bardeleben, Ziegler. Cit. nach Centralbl. f. Chir. 1897. Bd. 24. S. 928. 

3) F. Mühlig, Ueber Wismutvergiftung. Münchener med. Wochenschr. 1901. Nr.15. 

4) Gaucher, Therapeut. Monatshefte. 1896. S. 37. 

5) Kocher, Volkmannhefte. 1882. Nr. 224. (Chir. 12.) S. 1917. 

6) Dreesmann, UeberWismutintoxicationen. Berliner klin.Wochenschr. 1901. Nr.36. 

7) Petersen, Deutsche med. Wochenschr. 1883. Nr. 25. S. 367. 

8) Dalchd, Annales d’Hyg. publ. T. 16. Nr. 10 und Virohow-Hirsch Jahresb. # 

9) Stefanowitsch, Cannstadts Jahrb. d. ges. Med. Bd. 169. 11. 1. 

10) Lebedeff, Ebenda. 

11) Meyer, Dissert. Würzburg 1883. 

12) Dalch6 und Villejean, Bull, de Thes. 1888. Nr. 15 u. 30. 

13) Langhans, Zeitschr. f. Chir. Bd. 22. S. 575. 

14) Riedel, Centralbl. f. Chir. 1883. 

15) Israel, Ebenda. (Diskussion.) 

16) Steinfeld und Meyer, Arch. f. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 20. H. 1 u. 2. 

17) L. M. Warfield, Bismut. poisoning. American. Joutn. of Ihe med. sc. 1912. 
Vol. 144. p. 647. 


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516 Zadek, Ueber die Ursachen der Nitritvergiftung durch Bismutum subnitricum. 


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18) Hans Pape, Ueber einen Fall von acuter Wismutvergiftung von der Bauchhöhle 
aus. Inaug.-Dissert. Jena 1912. 

19) v. Jacksch, DieVergiftungen. l.Bd. v. Nothnagels speciellerPathol. u.Therapie. 

20) Liebreich und Langaard, Compendium der Arzneiverordnung. S. 118. 

21) Böhm, Lehrbuch der allgemeinen und speciellen Arzneiverordnungslehre. 1903. 
3. Aufl. 

22) E. Meyer, Vergiftung durch Bismutum subnitricum und sein Ersatz durch Bis¬ 
mutum carbonicum. Therapeut. Monatshefte. 1908. S. 388. 

23) Bennecke und W. Hoffmann, Fall von Wismutvergiftung. Aerztl. Verein 
Marburg. 26. 2. 1906. Münchener med. Wochenschr. 1906. Nr. 19. 

24) Hildebrand, Ueber die Methoden, durch Einbringen schattengebender Sub¬ 
stanzen usw. Fortschritte auf d. Gebiet d. Röntgen-Strahlen. Bd. 11. H. 2. 

25) Böhme, Ueber Nitritvergiftung nach interner Darreichung von Bismutum sub¬ 
nitricum. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1907. Bd. 57. 

26) Rautenberg, Berliner klin. Wochenschr. 1906. Nr. 43. 

27) Wordan, Sailer, Pancoast und Davis, oit. nach University of Penna Med. 
Bull. August 1906. 

28) Hans Meyer, Aroh. f. experim. Pathol. Bd. 20. S. 40. 

29) Binz, cit. nach Mühlig (3). 

30) M. Cohn, Kurze Mitteilung zur innerlichen Verabreichung von Bismutum sub¬ 
nitricum. Therapeut. Monatshefte. 1896. S. 466. 

31) Ad. Prior, Ein Fall von Wismutintoxication bei interner Darreichung von 
Magisterium Bismuti. Münchener med. Wochenschr. 1907. Nr. 39. 

32) M. Groedel, Ueber die Zulässigkeit der Verabreichung grosser Wismutdosen. 
Wiener klin. Rundschau. 1908. Nr. 17. 

33) Lewin, Die Nebenwirkungen der Arzneimittel. Berlin 1899. 

34) Maassen, Arbeiten aus dem kaiserl. Gesundheitsamt. 1901. Bd. 18. 

35) Herzog und Hammer, Chemische und physikalische Prüfungsmethoden des 
Arzneibuchs. S. 101. 

36) Anselmino und Gilg, Commentar zum deutschen Arzneibuch. 1910. 5. Ausg. 
S. 299. 


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XXII. 


Aus dem Obuchow-Männerkrankenhause zu St. Petersburg 
(Chefarzt: Geh.-Rat A. A. Netschajeff). 

lieber die Salvarsantherapie der Syphilis 
des Nervensystems. 

Von 

l)r. G. Iwaschenzoff, 

Assistenzarzt. 

(Mit 16 Abbildungen im Text.) 


Die weitaus grösste Mehrzahl der Affectionen des Nervensystems 
steht in ätiologischem Zusammenhang mit der Syphilis. 

Die Syphilis ist die einzige Krankheit, gegen welche die Menschen 
seit jeher mit specifischen Mitteln bewaffnet sind. 

Aus diesen beiden Thesen müsste sich, hätte man denken dürfen, 
eine dritte ergeben, welche die Macht des Neurologen als Therapeuten 
verkündete. In Wirklichkeit aber müssen wir, ohne die therapeutische 
Bedeutung des Quecksilbers und des Jods für eine relativ geringe Gruppe 
von sozusagen manifester Syphilis des Nervensystems beeinträchtigen zu 
wollen, gewissenhaft anerkennen, dass die Neuropathologie bis auf den 
heutigen Tag ein Gebiet bleibt, auf dem der Arzt grosse Befriedigung 
bei der Diagnose der Krankheit, zugleich aber grosse Enttäuschung bei 
den Versuchen, dieselben zu beseitigen, erfährt. Diese Lage hat unter 
den Aerzten zweierlei Art von Verhalten gegenüber dem Angebot von 
verschiedenen neuen Mitteln geschaffen, die direct oder indirect auf die 
Behandlung der Nervenaffectionen gerichtet sind: während die skeptisch 
veranlagten Aerzte a priori und vollständig alles, teilweise vielleicht 
auch Nützliches, verwerfen, waren die optimistisch veranlagten Aerzte, 
die unter allen Umständen einen Erfolg erzielen wollten, geneigt, auch 
Präparaten Bedeutung beizumessen, die eigentlich indifferent waren. 
Wenn wir an die Bedeutung der Suggestion denken würden, die in den 
Fragen der Therapie im allgemeinen und in der Therapie der Nerven¬ 
krankheiten insbesondere eine so wichtige Rolle spielt, so würden wir 
die Hartnäckigkeit der verschiedenen Ueberzeugungen leicht begreifen, 
welche durch die persönlichen Beobachtungen ihrer Vertreter unterstützt 
werden. 

Nach allem Gesagten ist es verständlich, welche Aufregung das Auf¬ 
tauchen des Salvarsans hat hervorrufen müssen, und in welchem abnormen 
Milieu seine klinische Prüfung hat stattfinden müssen. Die Verkündung 
der Liquidation der Tabes und der progressiven Paralyse ging Hand in 
Hand mit vollständiger Verneinung der Nützlichkeit des Präparats, vielleicht 
sogar schon vor der Anwendung desselben. 


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G. Iwaschenzoff, 


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2—3 Monate nach dem Auftauchen des Präparats konnte man 
fast die gesamte medicinische Weit in Anhänger und Gegner desselben 
einteilen. 

Während die ersteren in dem Bestreben, ihre Hoffnungen zu ver¬ 
wirklichen, bereit waren, jede Remission der Krankheit als Heilung 
anzusehen und vorwärts stürmten, ohne sich umzublicken, waren die 
Gegner bestrebt, vor allem ihren aprioristischen Skepticismus zu recht- 
fertigen und richteten ihre ganze Aufmerksamkeit auf Complicationen. 
Die seit den ersten Tagen nach dem Erscheinen des Präparats ein¬ 
laufenden zahlreichen Mitteilungen haben in bezug auf die Frage der 
Heilkraft desselben keine Aufklärung gegeben und eine solche zu geben 
auch nicht vermocht. Die günstigen Mitteilungen büssten ihre Bedeutung 
ein, sobald man an die kurze Dauer der Beobachtungen dachte. Die 
ungünstigen Mitteilungen, denen hauptsächlich die Beschreibung von allen 
möglichen Complicationen zugrunde lag, gaben sich am häufigsten keine 
Mühe, sich über die Ursachen der Complicationen zu orientieren. Man 
musste abwarten in der Hoffnung, dass die Zeit Aufklärung über die 
Angelegenheit bringen wird. 

Stehen aber nicht auch jetzt nach 4 Jahren zahlreiche Aerzte auf 
derselben Stelle, und hegen sie nicht dasselbe Bedenken? Wie konnte 
auch Aufklärung in bezug auf die Frage der Heilkraft des Salvarsans 
dasjenige quantitativ reiche, aber verschiedenartige, systemlose Material 
geben, welches der Aufmerksamkeit der Collegen von zahlreichen Autoren 
unterbreitet wurde, wobei fast jeder derselben eifersüchtig seine Dosierung 
(um 0,1 mehr oder weniger), seine Technik, die sich häufig lediglich 
durch die Form des Gefässes oder der Nadel unterschied, und seine 
Indicationen hütete? In welchem Masse die Stimmen überzeugend sind, 
die vor dem Präparat, welches nach der Meinung einzelner Autoren die 
Bezeichnung „mörderische Droge u verdient, warnen, so muss man, was 
das Material betrifft, folgendes anerkennen. Wenn die reichliche Anzahl 
der Beobachtungen bis zu einem gewissen Grade einen günstigen Factor 
bildet, so stellt die Verschiedenartigkeit derselben in bezug auf die 
Dosierung, Anwendungsmethoden, die Auswahl des Materials, wiederum 
einen Factor dar, der, wenn er auch nicht jede Bedeutung der Reich¬ 
lichkeit beseitigt, den Sinn derselben stark ändert. Die schlechte Seite 
dieser Verschiedenartigkeit, welche in demselben Masse das Resultat des 
Suchens der Wahrheit wie auch der Eigenliebe der einzelnen Autoren 
ist, liegt in den mit den einzelnen ungeeigneten Methoden verknüpften 
Complicationen. Die vorteilhafte Seite liegt darin, dass man nach dem 
Schwanken der Anzahl der Complicationen je nach den Anwendungs¬ 
methoden über die Unschädlichkeit des Präparats als solchen urteilen kann. 

Wenn wir uns nun der bestehenden Kritik des Präparats zuwenden, 
so müssen wir zur Entschuldigung ihrer Voreingenommenheit an alles er¬ 
innern, was eingangs gesagt ist. Wären nicht diese schrecklichen Ent¬ 
täuschungen bei der Behandlung der Syphilis und besonders bei der 
Parasyphilis des Nervensystems vorhanden gewesen, welche dem Auf¬ 
tauchen des Präparats vorangegangen waren, so wäre die Kritik objcctiver 
gewesen. Sie hätte nicht das Präparat dessen beschuldigt, dass es das 


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Ueber die Salvarsantberapie der Syphilis des Nervensystems. 


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nicht leiste, was a priori unmöglich war. Sie hätte die Eigenschaften 
des Präparats und die Resultate der einen oder der anderen Anwendungs¬ 
methode auseinander gehalten; sie hätte nicht die einzelnen Fälle, in 
denen Misserfolge bzw. Complicationen zu verzeichnen waren, ver¬ 
allgemeinert; sie hätte einerseits vor den Fällen, die zu Hoffnungen be¬ 
rechtigten, nicht die Augen geschlossen und hätte andererseits nicht von 
erreichter Heilung dort gesprochen, wo es sich um Beobachtungen von 
kurzer Dauer handelte, wenn auch der Erfolg an und für sich sehr be¬ 
deutend war. Die Kritik hätte sich nicht verwandelt in eine hartnäckige, 
halb verächtliche Nichtanerkennung seitens der Mehrzahl der Aerzte, die 
keine eigene Erfahrung hatten, in erbitterte Ausfälle der Personen, die 
Misserfolg hatten, aber auch nicht in die bisweilen unmässige Anpreisung 
seitens der Personen, die Gelegenheit hatten, sich von dem bedeutenden 
Wert des Präparats zu überzeugen. 

Nun fragt es sich: Sind wir berechtigt anzunehmen, dass die vier 
verflossenen Jahre uns keine Aufklärung gebracht haben? 

Nein, dies Ist nicht der Fall. Wenn wir alle Uebertreibungen in 
bezug auf Einzelheiten, die Voreingenommenheit und die Eilfertigkeit der 
Beobachtungen und Schlussfolgerungen abstreifen, so müssen wir zwei 
Grundsätze in den Vordergrund stellen, die sich deutlich bemerkbar 
gemacht haben: erstens die Wirksamkeit des Präparats wurde mehrmals 
von verschiedenen Autoren bei verschiedenen Untersuchungsmethoden und 
bei verschiedener Dosierung beobachtet. Dieser Umstand spricht dafür, 
dass ein gewisser Heilwert dem Präparat als solchem zukommt, und 
dass wir, wenn wir zweckmässige Indicationen, Dosierung und An¬ 
wendungsmethoden für das Präparat haben würden, unbedingt zu guten 
Resultaten gelangen würden; zweitens im Gegensatz zu dem, wenn auch 
bisweilen unbedeutenden und unbeständigen, aber doch wahrnehmbaren 
Heilwert des Präparats, der allen möglichen Dosierungen und Anwendungs¬ 
methoden desselben gemeinsam ist, liegt die Mehrzahl der mit der An¬ 
wendung des Präparats verknüpften Complicationen, und zwar der 
schwersten, am häufigsten in einzelnen Punkten der Beobachtungen, und 
muss infolgedessen ganz bestimmt auf die einzelnen Anwendungsmethoden, 
auf die unrichtige Auswahl des Materials und auf die übermässige 
Dosierung zurückgeführt werden. 

Wir würden also, wenn wir eine zweckmässige Dosierung ausarbeiten, 
dieselbe individualisieren und eine richtige Einführungsmethode anwenden 
würden, unbedingt zur Anerkennung der Ungefährlichkeit des Präparats 
gelangen. 

Die Gesamtmasse der Beobachtungen über das Präparat hat somit 
seinen Heilwert und seine Unschädlichkeit dokumentiert. Sie hat es 
einstweilen nur in allgemeinen Zügen getan, ohne ein die Frage er¬ 
schöpfendes Material geliefert zu haben. Das muss man anerkennen; 
man darf sich darüber nicht wundern, auch nicht darüber ungehalten sein. 
Eine vierjährige Frist ist an und für sich natürlich nicht ausreichend, 
um über die Wirkung irgend eines Präparats auf so langwierige und 
irreguläre Affektionen wie Syphilis und „Parasyphilis“ des Nervensystems 
eine genaue Aufklärung geben zu können. Das Quecksilber wird schon 

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während einer unvergleichlich längeren Zeit geprüft, und doch gibt es 
bis auf den heutigen Tag Anhänger und Gegner der Quecksilberbehandlung. 
Auch war die Prüfung des Salvarsans mit der Ausarbeitung neuer und 
complicierter Anwendungsraethoden verknüpft. Das Präparat selbst bot 
seiner Wesenheit nach etwas Neues, was aber nur nach bestimmten Richtungen 
hin im Laboratorium schön und genau erforscht, in der Klinik aber zu jung war. 

Jeder einzelne Fall von Complication bewirkte eine Unterbrechung 
des klinischen Experimentes, eine Abweichung desselben seitwärts; er 
beunruhigte durch die sich aufdrängende Frage, ob wir nicht mehr 
schaden als heilen. Nun, die Furcht, das Grundprincip der Therapie, 
nicht zu schaden, liess die Beobachter solche Methoden, solche Dosen 
wählen, die von vornherein nicht imstande waren, irgendwelche bemerk¬ 
baren Resultate zu liefern. Und doch konnten die Complicationen bei 
den kleinsten Dosen sehr gross sein, und zwar aus dem einfachen Grunde, 
weil sie in der Mehrzahl der Fälle nicht durch das Salvarsan als solches 
bedingt waren. 

Das ist der Grund, weshalb erst seit der Zeit, wb die Natur nicht 
nur einzelner Complicationen sondern auch der unvermeidlich scheinenden 
(und deswegen quasi unbedingt mit dem Salvarsan verknüpften) deutlich 
erwiesen war, die Ausarbeitung der Methoden und der Dosierung rasche 
Fortschritte machten. Die Frage des Wasserfehlers, dieses gewaltige 
Verdienst Wechselmanns, erscheint uns besonders interessant. 

Es ist nicht möglich, die Gefährlichkeit jeder Voreingenommenheit 
anschaulicher darzutun. Indem wir Salvarsan in Salzlösung lösten und 
im Salvarsan etwas mit allen möglichen Gefahren Drohendes erblickten, 
waren wir halb und halb geneigt, mit der Tatsache des gleichzeitigen 
Vorhandenseins von NaCl in der Lösung zu rechnen. Aber wer hätte 
die Harmlosigkeit des Wassers angezweifelt? Unwillkürlich drängt sich 
einem der Gedanke auf, ob wir auch nicht jetzt eine Reihe von ein¬ 
fachsten Tatsachen übersehen, welche Complicationen verursachen, aber 
sich dem Gesichtskreis der Menschen entziehen, welche ihre ganze Auf¬ 
merksamkeit, alle ihre Zweifel, auf das Präparat richten. 

Nicht minder wichtig als die Aufklärung der Ursache der Com¬ 
plicationen, die mit dem Präparat als solchem in keinem Zusammenhänge 
stehen, war die Ausarbeitung der Methode der Beurteilung seiner Heil¬ 
kraft. Die Prüfung des Salvarsans in der Nervenklinik stiess im Vergleich 
zur Prüfung desselben in der syphilidologischen Klinik auf Bedingungen, 
die für eine rasche Beurteilung der Salvarsanwirkung natürlich ungünstig 
waren. Es versteht sich von selbst, wie schwer es ist, über den Still¬ 
stand eines jeden chronischen Processes zu urteilen, der obendrein die 
Eigenschaft besitzt, zu remittieren, und wie gering die Hoffnung auf den 
Rückgang der begleitenden objectivcn Symptome ist. Wenig war auch 
das, was man von der Wassermannschcn Reaction erwarten konnte. 
Wenn also zur Erzielung bestmöglicher Resultate als Grundbedingung 
systematische Studien, umsichtige Entschlossenheit, Differenzierung von 
zufälligen Erscheinungen und Ausarbeitung neuer Controllmethoden für 
die Beobachtungen erforderlich waren, so nimmt es nicht wunder, dass 
für die Frage der Salvarsantherapie der Nervcnsyphilis diejenigen Arbeiten 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


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tatsächlich wertvoll und erleuchtend waren, die mit den experimentellen 
Beobachtungen im Laboratorium eng verknüpft waren. Dank diesen 
letzteren fürchten wir jetzt die Dosen nicht mehr, die unglaublich er¬ 
schienen; wir wissen jetzt, wie Complicationen zu vermeiden sind; wir 
haben schliesslich neue Controllmethoden bekommen. 

Die neuesten Methoden der Untersuchung der Cerebrospinalflüssigkeit 
haben den Gang der Beobachtungen stark verändert. Ihre Ausarbeitung 
wird zweifellos nicht nur die Indicationen erweitern, sondern für die Be¬ 
obachtungen einen weit objectiveren Beurteilungsmassstab schaffen. Die 
Stellung von neuen Forderungen an die künftigen Beobachtungen gibt 
uns das ßecht, die bereits gemachten Beobachtungen zusammenzufassen. 
Aus diesem Grunde halte ich es für angebracht, einen kurzen Bericht 
über die Beobachtungen mit Salvarsanbehandlung der Syphilis des Nerven¬ 
systems zu erstatten, die in dem Obuchow-Krankenhaus für Männer 
in St. Petersburg, und zwar in der Abteilung des Herrn Dr. Giese an¬ 
gestellt worden sind. 

Diese Beobachtungen erheben auf grösste Genauigkeit keinen An¬ 
spruch, weil diese im Milieu der Spitalsarbeit nicht zu erreichen ist. 
Vielmehr liegt der Wert der Beobachtungen in folgenden Momenten: 

1. Die weitaus grösste Mehrzahl der Fälle wurde stationär behandelt, 
wobei die Kranken zuvor längere Zeit ohne jede specifischo Behandlung 
oder bei Behandlung mit Quecksilber und Jodkalium beobachtet wurden. 

2. Das Material ist nach den Intensitätsgraden der Erkrankungen 
verschiedenartig: jede Gruppe weist frische und veraltete Fälle auf. 

3. Es wurden verschiedene Anwendungsmethoden und verschiedene 
Dosierungen des Salvarsans und des Neosalvarsans geprüft. 

4. Einige Beobachtungen erstrecken sich auf einen Zeitraum von 
2 und sogar 3 Jahren. 

. 5. Die Beobachtungen wurden nicht von mir allein, sondern von 
einer ganzen Reihe von Aerzten geleitet, was Voreingenommenheit und 
Parteilichkeit ausschliesst. Die Untersuchung der Sensibilität nach der 
Behandlung wurde ausgeführt, ohne dass man die Störungen vor der 
Behandlung kannte. Der Status eines jeden Kranken wurde von Dr. Giese 
aufgezeichnet, der weder über die in Aussicht genommene Behandlung, 
noch über die Eigenart der bereits geübten Behandlung unterrichtet war. 

Wir haben unsere Beobachtungen teils noch vor der Freigabe des 
Präparats in Angriff genommen und waren infolgedessen genötigt, tastend 
vorzugehen; somit ist es durchaus natürlich, dass wir zu Beginn unserer 
Arbeit, wo wir uns noch mit der Eruierung der Dosis und der Methode 
befassten, die trostlosesten Fälle auswählten. Da das Krankenmaterial 
Tagelöhner, im besten Falle kleine Handwerker umfasste, hatten wir es 
in der weitaus grössten Mehrzahl der Fälle mit Alkoholikern und mit 
Personen zu tun, welche, von der Syphilis abgesehen, mit verschiedenen 
chronischen Krankheiten behaftet waren. Es ist leicht zu verstehen, 
wie wenig man unter diesen Verhältnissen auf ermunternde Resultate 
hoffen durfte. Nichtsdestoweniger konnten wir, nachdem wir die ersten 
Gruppen der Kranken hinter uns hatten, und irgend welche gefährliche 

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Complicationen nicht aufgetreten waren, Fälle von zweifelloser günstiger 
Wirkung des Präparats feststellen. Dieser Umstand veranlasste uns, in 
Verbindung mit den dringenden Bitten der Kranken, die Salvarsan- 
behandlung auch bei frischen Formen und in energischerer Dosierung 
anzuwenden. Statt der von uns im ersten Beobachtungsjahr acceptierten 
Methode der wiederholten (3—9) intravenösen Infusionen von alkalischen 
Salvarsanlösungen in Dosen von 0,2—0,3 mit Zeitabständen von je 
14 Tagen, begannen wir 3—12 Infusionen zu je 0,4—0,5 in 8 tägigen 
Zeitabständen zu machen. Seit dem Erscheinen des Neosalvarsans be¬ 
gannen wir neben dem alten Präparat auch das neue anzuwenden und 
zwar in entsprechenden Dosen, d. h. statt 0,4—0,5 Salvarsan 0,6—0,75 
und sogar 0,9 Neosalvarsan zu verabreichen. 

Die intramusculäre Einführung des Salvarsans, welche wir bei einem 
geringen Teil der ersten Fälle angewendet hatten, haben wir bald ganz 
aufgegeben. Seit der Anwendung von grossen Salvarsandosen und haupt¬ 
sächlich seit der Anwendung des Salvarsans bei frischen Fällen wurden 
auch die Resultate deutlicher, wobei sie in einzelnen Fällen geradezu 
verblüffend waren. Andererseits wurde es weit schwieriger, die Stabilität 
der Resultate zu verfolgen. Nach Erlangung der Arbeitsfähigkeit ver- 
liessen die Patienten das Krankenhaus, wobei sie nicht selten vollkommen 
verschwanden. Wenn man aber die von den Patienten bekundete Zu¬ 
friedenheit mit der Behandlung, ihren dringenden Wunsch, möglichst 
viele lnjectionen zu erhalten, ihr Versprechen, im Falle einer Verschlimme¬ 
rung wiederzukommen, in Erwägung zieht, so kann man annehmen, dass 
wenigstens in einem Teil der Fälle die von uns erzielte Besserung bis 
jetzt (Ende 1913) anhält. 

Die entlassenen und nach einiger Zeit zurückgekehrten Patienten 
zeigten in der Mehrzahl der Fälle stabile Affectionen, die der Behand¬ 
lung trotzten, wobei die Verschlimmerung ihres Zustandes während ihres 
Aufenthaltes ausserhalb des Krankenhauses am häufigsten durch anhaltendes 
Trinken erklärt werden konnte. Ueberhaupt kann man sagen, dass die Re¬ 
sultate der Behandlung desto stabiler wurden, je intelligenter der Kranke war. 

Unsere Beobachtungen umfassen 163 Fälle. Da wir es für unmög¬ 
lich halten, alle uns zur Verfügung stehenden Krankengeschichten wieder¬ 
zugeben, und in Berücksichtigung der Ausführung über die neuen Me¬ 
thoden zur Controllierung der Behandlungsresultate, welche unseren Be¬ 
obachtungen hauptsächlich archivarisches Interesse sichern, haben wir 
beschlossen, nur einige besonders illustrative und besonders sorgfältig beob¬ 
achtete Fälle wiederzugeben und an dieselben die Zahlenbefunde der 
analogen Beobachtungen anzufügen. 

Die Zahl der behandelten Myelitiden beträgt 39. Der syphilitische 
Charakter der Affection wurde, von der Ausschliessung aller andern 
Ursachen abgesehen, durch die Wassermannsche Reaction (im Blute) und 
bei negativem Ausfall derselben durch die Angaben der Anamnese fest¬ 
gestellt. 13 Personen wurden mit Salvarsan in Dosen von 0,2—0,3 in 
Zeitabständen von je 14 Tagen behandelt, 19 Personen mit Salvarsan 
in Dosen von 0,4—0,5 in 8 tägigem Zeitabstand, 7 Personen mit Neo¬ 
salvarsan in Dosen von 0,6—0,75—0,9 mit 8 tägigen Zeitabständen. 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


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Die Resultate dieser Methoden miteinander zu vergleichen ist sehr 
schwer, da die Mehrzahl der Fälle, die mit kleinen Dosen und in Zeit¬ 
abständen von je 14 Tagen behandelt worden waren, Affectionen mit 
V 2 —6 jähriger Dauer darboten. 

In den Fällen aber, die mit grossen, einmaligen Dosen und mit 
Neosalvarsan behandelt worden sind, handelt es sich um Erkrankungen, 
die von 14 Tagen bis zu l j 2 Jahre gestanden, wobei nur in einzelnen 
Fällen die Existenzdauer der Krankheit 3 Jahre betrug. Nun wissen 
wir aber, dass gerade bei der Behandlung der Myelitiden der möglichst 
frühzeitige Beginn der Behandlung von der grössten Bedeutung ist. 

Es wäre naiv, anzunehmen, dass das Salvarsan imstande ist, befeits 
entwickelte Narben zu beseitigen. 

In 8 Fällen waren wir in der Lage, eine bedeutende Besserung fest¬ 
zustellen, welche einer Genesung fast gleichkam. 

In 11 Fällen wurde ein mehr oder minder bedeutender allgemeiner 
Erfolg constatiert. 

In 4 Fällen haben haben wir einen Rückgang der einzelnen Krank¬ 
heitssymptome wahrgenommen. 

In 14 Fälten ergab die Behandlung gar kein Resultat. 

In einem Falle wurde fortschreitende Verschlimmerung constatiert, 
während ein Fall einen tödlichen Verlauf nahm. 

Um dem Einwand zu begegnen, dass das Bettregime allein genüge, 
um die zu Beginn der Erkrankung stürmischen Erscheinungen nach und 
nach zum Abklingen bringen zu lassen, machen wir auf die Fälle besonders 
aufmerksam, welche die Wirkung des Präparats sowohl auf ältere (bis 
zu 3 Jahren) Processe, als auch auf Erkrankungen demonstrieren, die 
nicht nur auf das Bettregime reagierten, sondern trotz der Quecksilber¬ 
behandlung sich immer verschlimmerten. 

Bei der Untersuchung des HeilungsVerlaufes bei unseren Patienten 
konnten wir vor allem Besserung der Sensibilität constatieren. Nicht 
selten erklärte der Patient schon 2—3 Tage nach der ersten Injection 
selbst, dass in den paralysierten Extremitäten die Sensibilität wieder auf¬ 
getreten oder schärfer geworden sei, und dies wurde auch durch die 
objectiven Untersuchungen bestätigt. In engem Zusammenhang mit dieser 
Erscheinung steht augenscheinlich die Tatsache der raschen günstigen 
Einwirkung des Präparates auf etwaigen Decubitus. Besonders illustrierend 
ist in dieser Erscheinung folgender Fall: 

Der Patient K. leidet seit etwa 6 Monaten an Paralyse der unteren Extremitäten. 
Das Gehvermögen ist vollständig aufgehoben, sämtliche Sensibilitätsarten sind bis 
zum Kreuz erloschen, und nur der Schmerz- und Tastsinn ist vom Niveau der Leisten¬ 
falten an bis zur Lumbalgegend in sehr schwachem Grade erhalten. Während des 
letzten Monats hatte sich im Kreuz etwas links von der Miitellinie ein handteller¬ 
grosser, sehr tiefer Decubitus entwickelt, der von nekrotischen Rändern umgeben und 
mit schmutzigem Detritus bedeckt ist. Weder die locale Behandlung noch die Behand¬ 
lung mit Quecksilber und Jodkalium hatten es vermocht, die Entwicklung des De¬ 
cubitus aufzuhalten. 8 Tage nach der ersten Injection von Salvarsan von 0,4 begann 
der Decubitus sich zu reinigen. Ein ziemlich grosses Stück Bindegewebe grenzte sich 
ab und fiel aus, wobei man eine frische, granulierende Oberfläche erblickte. Innerhalb 


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4 Wochen, während welcher Zeit 3 mal 0,4 Salvarsan injiciert wurde, heilte der 
Decubitus mit glatter Narbe ab. Hand in Hand mit der Heilung des Decubitus ging 
die Wiederherstellung der Sensibilität in der Gegend der Glutäen und der Ober¬ 
schenkel. Der Patient begann um das Bett herum zu laufen. 

Unmittelbar auf die Wiederherstellung der Sensibilität folgten Ver¬ 
änderungen in der motorischen Sphäre: Die paralysierten Extremitäten 
erlangten Bewegungsfreiheit, die paretischen Extremitäten konnten freiere 
und ergiebigere Bewegungen vollziehen. Die krankhaften Bewegungen 
und Contracturen verschwanden oder Hessen nach. Desgleichen ver¬ 
schwanden die Schmerzen. Die Störungen der Harnentleerung und.des 
Stuhlgangs besserten sich. Kein einziges Mal gelang es, das Verschwinden 
der einmal aufgetretenen pathologischen Reflexe (der Symptome von 
Babinski, Mendel-Bechterew, Oppenheim u. a.) zu beobachten, wohl 
aber wurde mehrmals Abnahme der Steigerung der Sehnenreflexe festgestellt. 

Als Illustration für rasche und fast vollständige, noch obendrein 
stabile Genesung möchten wir die parallelen Krankengeschichten zweier 
Patienten Vorbringen, welche eine seltsame Duplicität darbieten (Fall 1 und 2). 

Fall l (Nr. 9817). E. B., 32 Jahre alt, aufgenommen am 13. 4. 13. Lues seit 
8 Monaten. Im Dezember hatte der Patient anderswo 0,5 Salvarsan in die Vene und 
20 Quecksilberinjectionen erhalten. Seit 8 Tagen Erscheinungen von Paralyse der 
linken unteren Extremität. 

Status praesens :VollständigeParalyse der unteren linken Extremität. Spastischer 
Zustand derselben. Knie- und Achillessehnenreflex hochgradig gesteigert. Babinski 
und Mendel-Bechterew links. Clonus des linken Fusses. Schmerzhaftigkeit bei Druck 
auf den XII. Brustwirbel. Hochgradige Abschwächung sämtlicher Sensibilitätsarten an 
der rechten unteren Extremität und der rechten Hälfte des Rumpfes vom Anfang des 
XII. Segments. Stark ausgeprägte Harnretention. Beugung des Kopfes beschränkt 
und schmerzhaft. Die linke Pupille ist grösser als die rechte. 

Am 21. 4. 0,6 Neosalvarsan. Am 28. 4. 0,6 Neosalvarsan. Am 7. 5. desgleichen 
0,6. Am 12. 5. wiederum 0,6 Neosalvarsan. Sämtliche Injectionen verliefen glatt 
ohne die geringste Complication. Allmähliches Verschwinden der einzelnen Symptome, 
und am 13.5. constatiert man folgenden Status: Pupillen gleichmässig, Bewegungen des 
Kopfes vollkommen frei und schmerzlos. Die Kraft der linken unteren Extremität gleicht 
derjenigen der rechten. Der spastische Zustand derselben ist verschwunden. Clonus 
des linken Fusses andauernd. Es zeigte sich Clonus der linken Patella. Beim Gehen 
schleift der Patient das linke Bein kaum nach. Die Sensibilität ist fast vollständig 
wieder hergestellt. Die Harnentleerung ist normal. 

Ein Jahr später, nämlich am 25.5.13: Sensibilität vollkommen wieder hergestellt, 
sonst ist der Zustand unverändert. 

Fall 2 (Nr. 9292). A. M., 38 Jahre alt, aufgenommen am 7. 4. 12. Seit 6 Mo¬ 
naten Lues. Im Dezember 1911 hatte der Patient anderswo 0,5 Salvarsan und einige 
Einreibungen bekommen. Seit etwa 14 Tagen Paralyse der liuken unteren Extremität 
und Parese der rechten. Vollständige Harnretention, so dass der Patient katheterisiert 
werden muss. 

Status praesens am 10.5.: Vollständiges Unvermögen Harn zu lassen. 
Schwäche in der unteren rechten Extremität, vollständige Paralyse der unteren linken. 
Spastischer Zustand der beiden unteren Extremitäten, besonders der linken. Babinski 
beiderseits. Hochgradige Herabsetzung der Sensibilität an der rechten unteren Ex¬ 
tremität und vom Niveau des XII. Segmentes in der rechten Hälfte des Rumpfes. 
Gürtclschraerz. Es besteht eine gewisse Rigidität des Hinterhauptes. RW. +++. 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


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Am 16. 4. 0,6 Neosalvarsan. Am 23. 4. wiederum 0,6. Am 2. 5. desgleichen 
0,6 Neosalvarsan und am 12. 5. wiederum 0,6 Neosalvarsan. Sämtliche Injectionen 
verliefen vollkommen glatt. Einige Tage nach der Injeotion spontanes Harnlassen und 
Verschwinden der Schmerzen. Status am 13. 5.: Der Patient lässt häufig Harn, aber 
stets spontan. Er geht, ohne sich auf einen Stock stützen zu müssen. Der Gang ist 
etwas spastisch paretisch. Beugung des Kopfes frei. Gürtelgefühl leichten Grades. 
Mendel-Bechterew links. An der rechten unteren Extremität ist die Sensibilität kaum 
bemerkbar herabgesetzt. RW. negativ. 

Es haben somit 2 fast gleichzeitig eingclieferte Patienten mit voll¬ 
kommen analogen, sehr schweren Affectionen (nach dem Typus der 
Brown-Sequardsohen Paralyse) einen Monat nach Beginn der Be¬ 
handlung, nachdem sie je 4 Injectionen von je 0,6 Neosalvarsan bekommen 
hatten, das Krankenhaus verlassen. Der eine derselben (Fall 2) klagte 
noch über unbedeutendes Gefühl von Compression im Anus. Beide Pa¬ 
tienten urinierten vollkommen regelmässig. Sie hatten normalen Gang 
und zeigten nur eine geringe Herabsetzung der Sensibilität an der linken, 
unteren Extremität. Die Wassermannsche Reaction, die früher positiv 
war, wurde negativ. Am 25. Mai wurden die beiden Patienten in der 
wissenschaftlichen Sitzung der Aerzte des Obuchow-Männerkrankenhauscs 
demonstriert. Beide erfreuten sich eines vorzüglichen subjectiven Be¬ 
findens, während man objectiv bei denselben nur eine geringe Verlang¬ 
samung der Bewegungen der linken unteren Extremität jedoch bei voll¬ 
ständig labilem Gang feststellen konnte. Später und bis auf den heutigen 
Tag fühlte sich der eine Patient vollkommen gesund, während der andere 
sich bis Mitte Sommer (3 Monate nach der Behandlung) wohl fühlte. Er 
reiste im Sommer nach einem Schwefelbad, trieb dort augenscheinlich 
mit den Schwefelbädern Missbrauch und klagte nach seiner Rückkehr 
über Verschlimmerung seines Zustandes und Wiederauftreten der Schmerzen. 
RW. negativ. Objectiv konnte nur eine Verschlimmerung des Ganges 
festgestellt werden. Die Beobachtung ist unterbrochen worden. 

Wenn man von diesen beiden Fällen spricht, muss man ihre Be¬ 
deutung als Beweise dafür betrachten, dass man 1. geringe Salvarsan- 
dosen bei der Behandlung der Syphilis im I. und II. Stadium sorgfältig 
vermeiden muss, um sich vor derartigen Neurorecidiven zu schützen, und 
dass 2. eine derartige Complication, wenn sie einmal eintritt, mit Sal- 
varsan energisch behandelt werden muss. 

Aus den folgenden Krankengeschichten geht hervor, dass die Be- 
nandlung auch in folgenden Fällen ein ebenso glänzendes Resultat er¬ 
geben hat. 

Fall 3 (Nr. 7244). M. S. Aufgenommen am 12. 3. 1912. Seit einem Jahre Lucs. 
Der Patient hatte (ausserhalb des Krankenhauses) bereits 2 Salvarsaninjectionen be¬ 
kommen, zwischen denen ein Zeitabstand von 6 Monaten lag. Quecksilber hat er nicht 
bekommen. Seit circa 14 Tagen Schwäche in den Beinen. RW. -p-j"- Status am 
12.3.: Vollständige Paralyse der beiden unteren Extremitäten. Spastischer Zustand 
derselben. Mendel-Bechterew stark ausgeprägt. Babinski nicht vorhanden. Knie- und 
Achillessehnenreflex gesteigert. Stuhl- und Harnretention. Herabsetzung der Sensi¬ 
bilität vom Gürtel bis zu den Füssen. Es wurde Bietsche Mixtur verordnet, und am 
13. 4. konnte man eine gewisse Besserung der Sensibilität feststellen. Der Patient war 
imstande, sich auf den Stock stützend, zu gehen. 


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Am 14. 4. bekam der Patient 0,6 Neosalvarsan, am 20.4. 0,4 Salvarsan, am 1. 5. 
0,4 und am 8. 5. 0,5 Salvarsan. Rasche Besserung. Status am 18. 5.: Gang (ohne 
Stock) kaum bemerkbar spastisch. Der Patient uriniert 5—6 mal täglich. Kein un¬ 
willkürlicher Harnabgang; ganz geringfügige Herabsetzung der Sensibilität auf einer 
handtellergrossen Stelle am Kreuz oberhalb der Symphyse. Ein Jahr später derselbe 
Zustand. Der Patient ist vollkommen arbeitsfähig. 

Neben diesem Palle, bei dem schon die Quecksilberanwendung eine ge¬ 
wisse Besserung ergeben hatte, ist noch folgender Fall von besonderem Interesse. 



Fall 4 (Nr. 13334). A. S. Aufgenommen am 2. 6. 1911, Lues seit 2 Jahren. Der 
Patient wurde mangelhaft behandelt. RW. —|—(—. Seit ungefähr einem Monat Schwäche 
erst in der linken, dann in der rechten unteren Extremität. Harnentleerung erschwert, 
Gang mangelhaft, Kniereflexe etwas geschwächt. Babinski, Mendel-Bechterew. Hoch- 

1 ) a = Hochgradige bzw. totale Herabsetzung sämtlicher Sensibiiitätsarten. 
b — Bedeutende Herabsetzung sämtlicher Sensibilitätsarten, 
c = Geringfügige Herabsetzung sämtlicher Sensibilitätsarten. 

(1 = Steigerung des Temperaturgefühls. 


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gradige Herabsetzung der Sensibilität vom Niveau des Nabels ab, besonders an der 
linken unteren Extremität. Schukowski, dorso-flectorisches Symptom von Bechterew 
links. Der Patient hat 30 Queoksilbereinreibungen bekommen und wurde am 27.7.1911 
entlassen. Er geht etwas besser, muss sich aber auf den Stook stutzen. Die Sensi¬ 
bilität hat sich nioht wieder hergestellt. 

Der Patient wurde am 6. 9. 1911 sub Nr. 21023 wieder aufgenommen. Hoch¬ 
gradige Verschlimmerung. Harnincontinenz. Unwillkürlicher Abgang von flüssigem 
Stuhl. Die Schmerzen in der Lumbalgegend haben zugenommen. Der Patient geht 

Abb. 2. 




» i 

Fall 4. (Nach 2 l l 2 Monaten). Nach einer Hg-Kur. 

mit Mühe an den Wänden entlang. Die linke untere Extremität kann er zweimal so 
wenig hochheben wie die rechte (rechte 70°). Kniereflex rechts fast 0, links gesteigert. 
Achillessehnenreflex rechts fast 0, Babinski links nicht stark ausgeprägt. Clonus der 
Füsse. Muskelgefühl in den Zehen fehlt. Die Sensibilitätsstörung ist stärker ausge¬ 
prägt als bei der ersten Entlassung. RW. -|—f-. Am 21. 9. 0,4 Salvarsan, am 22. 9. 
Temperatur 37,5 und leichtes Frösteln. Am 29. 9. 0,4 Salvarsan und am 5. 10. das¬ 
selbe. Am 12. 10. wiederum dasselbe. Am 13.10. Temperatur 37,8, allgemeine Zer¬ 
schlagenheit. Am 30. 10. Kniereflexe rechts herabgesetzt, links gesteigert. Babinski 
beiderseits. Wiederherstellung des Muskelgefübls in den Zehen und vollständige 


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Wiederherstellung der Hautsensibilität. Der Patient geht ohne Stock. Der Harnabgang 
bessert sich. Stuhl stets willkürlich. RW. negativ. Im weiteren Verlaufe Besserung 
der Harnentleerung. Der Patient zeigte sich mehrmals im Laufe des Jahres. 

Fall 5 (Nr. 7603). E. T., 32 Jahre alt. Aufgenommen am 17. 3. 1912. Lues seit 
3 Jahren. Der Patient wurde bis zuletzt mit Quecksilber sorgfältig behandelt. Vor 
iy 2 Monaten stellten sich Schmerzen in der Magengrube ein, 10 Tage später wurden 
die Beine schwach* Harnretention. 


Abb. 3. 



a 






Fall 4. Bei der II. Aufnahme. (3 Wochen nach der I. Entlassung.) 


Status praesens: Der Patient uriniert mit grosser Mühe, mit schwachem Strahl, 
3—4mal täglich, ab und zu unwillkürlicher Harnabgang. Kopfbewegung schmerzhaft 
und ruft auch Schmerzen in der Lumbalgegend hervor. Kniereflex gesteigert, be¬ 
sonders rechts. Achillessehnenreflex links herabgesetzt. Babinski, Mendel-Bechterew 
rechts. Das Bechterewsche dorsoflectorische Symptom beiderseits vorhanden. Herab¬ 
setzung sämtlicher Sensibilitätsarten, besonders rechts (bis zu vollständigem Verlust) 
vom Niveau des V. Lumbal Wirbels. Gang (ohne Stock) spastisch, paretisch. Es be¬ 
steht somit Schwächung sämtlicher Muskeln der unteren Extremitäten, ausgenommen 
des Quadriceps und der Adductoren der rechten unteren Extremität. RW. + 

Am 23. 3. 0,4 Saivarsan, am 30. 3. 0,5 Salvarsan, am 7. 4. 0,4 Salvarsan, am 14. 4. 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


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0,4 Salvarsan. Keine Complioation. Status am 15.4.: Bedeutende Besserung der 
Harnentleerung. Der Patient geht besser. Die Sensibilität ist fast vollständig wieder¬ 
hergestellt. Status am 18. 5. 1912: Der Patient uriniert 3—4mal täglich unter gering¬ 
fügigem Drängen. Muskelkraft gut. Eine unbedeutende Schwächung ist nur in den 
Muskeln, die den linken Fuss erheben, zu beobachten. Der Patient geht vollkommen 
frei. Die Sensibilität ist wiederhergestellt. RW. negativ. Die weitere Beobachtung hat 
bis jetzt irgend welche Veränderungen nicht feststellen können. 


Abb. 4. 



Fall 4. Bei der II. Entlassung. Nach einer Salvarsankur. (Normal.) 


Ganz analog diesem Fall ist eine weitere Beobachtung, welche gleich¬ 
falls 1V 2 Jahre ausgeführt wurde. Nicht minder illustrativ war das Resultat 
in folgendem, sehr altem Falle, der obendrein mit geringen Dosen be¬ 
handelt wurde. 

Fall 6 (Nr. 6741). A. S., 37 Jahre alt. Aufgenommen am 1. 3. 1911. Lues seit 
2 Jahren. Während dieser Zeit hatte der Patient 68 Quecksilbereinreibungen und 
ausserdem Jodkalium bekommen. Seit iy 2 Jahren trat nach und nach Schwäche in 
den beiden unteren Extremitäten ein. Dann gesellte sich Harnincontinenz hinzu. Ob¬ 
stipation. Krämpfe in den unteren Extremitäten. 

Status praesens am 29. 3.: Der Patient liegt, ohne sich aufzurichten. 
Schmerzhaftigkeit bei der Percussion der Wirbel vom 7. Brust- bis zum 2. Lumbal- 
wirbel. Knie- und Sehnenreilexe hoohgradig gesteigert. Babinski. Mendel-Bechterew 


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an beiden unteren Extremitäten. Vom Niveau des 1. Lumbalwirbels sind bis zum Knie 
sämtliche Sensibilitätsarten herabgesetzt. Das Ausfliessen des Harns fühlt der Patient 
nicht. RW. -|—|-. Am 29.3. 0,3 Salvarsan, am 8.4. 0,2 Salvarsan, am 22.4. 0,2 Sal- 
varsan, am 6 . 5. 0,2 Salvarsan, am 20. 5. wiederum 0,2 Salvarsan. Jede Injection 
wurde von einer Temperaturerhöhung bis 39,8° und Schüttelfrost begleitet (Wasser- 
fehler nicht ausgeschlossen). Am 3. 4. begann der Patient sich selbst auf den Beinen 
aufzurichten. Er geht wenig, aber ohne Stock. Status am 20. 5.: Sensibilität wieder¬ 
hergestellt, ausgenommen die der Gegend der linken Gesässhälfte. Patient uriniert 
4—5 mal täglich und einmal des Nachts, wobei er das Ausfliessen des Harns fühlt. 
Gang gut. iy 2 Monate lang änderte sich der Zustand des Patienten in keiner Weise. 
Nach 2 Monaten starb der Patient an Sepsis, die von einer vereiterten Leistendrüse 
ausgegangen war. 

Fall 7 (Nr. 8557). G. M., 24 Jahre alt. Aufgenommen am 1. 4. 1911. Lues seit 
\ l / 2 Jahren. Er wurde mangelhaft behandelt. Seit 5 Tagen Schwäche in den Beinen. 
Am 3. 4. RW. -f. 

Status praesens: Der Patient kann nicht gehen. Parese der Beine, besonders 
des linken. Kniereflex gesteigert. Clonus beiderFüsse. An der linken unteren Extremi¬ 
tät Kernigsches Symptom. Schmerzhaftigkeit bei Percussion am XII. Brustwirbel und 
an den Lumbalwirbeln. Bei der Untersuchung der Sehnenreflexe constatiert man 
krampfhafte Contracturen der Beine, besonders des linken. Gesteigerte Schmerz¬ 
sensibilität bis zum Gürtel. Temperatur- und Tastsinn an beiden Unterschenkeln 
(später bis zum Gürtel) geschwächt. Harnvorhaltung. Lumbalschmerzen. Am 13. 4. 
0,2 Salvarsan. Am 14. 4. haben die Schmerzen zugenommen. Am 29. 4. 0,2 Sal¬ 
varsan, Schüttelfrost, Schmerzen. Am 16. 5. 0,2 Salvarsan, Erbrechen, Gürtelschmerz. 
Am 23. 5. 0,2 Salvarsan, Erbrechen, schwache „anaphylaktoide“ Reaction. Während 
der Behandlung allmähliche Besserung. Status am 25.5.: Der Patient geht ohne 
Stock, der Harn fliesst freier ab. Die Krämpfe in den Beinen sind verschwunden. 
Sämtliche activen Bewegungen sind freier. Die Steigerung des Kniereflexes ist ge¬ 
blieben. Es besteht andauernder Clonus der Füsse, besonders links. Patient wird 
entlassen. Am 21. 12. wurde er wieder aufgenommen. (Sub Nr. 19053.) Er hatte in 
der Zwischenzeit schwere Phlegmone, Erysipel, sowie eine Exacerbation seiner Cystitis 
überstanden. RW. + + • Der Patient geht mit Mühe. Harn retiniert wie früher. Ab 
und zu Harnincontinenz. Sämtliche Sensibilitätsarten von der Mitte des Oberschenkels 
ab geschwächt. Clonus der Füsse. Babinski links. 

3. 1. 0,4 Salvarsan, ohne Reaction. Am 10.1. 0,4 Salvarsan, ohne Reaction. 
Status am 31. 1.: Patient geht ohne Stock gut. Uriniert häufig, unwillkürlicher Harn¬ 
abgang selten. Kraft der Beine etwas grösser. 14. 3. RW. negativ. 

Im Herbst 1913 folgender Status: Patient geht gut. Er vermag* den Harn zu 
halten, muss aber häufig urinieren. Steigerung der Sehnenrefiexe und Babinski links 
bestehen noch wie vorher. 

Der letzte Fall (Nr. 7) ist insofern von Interesse, als die vorzüg¬ 
lichen Resultate des ersten Injectionscyclus (Gesamtdosis 0,8) nach 
7 Monaten, nachdem der Patient Erysipel, Phlegmone und Exacerbation 
seiner Cystitis überstanden hatte, fast auf 0 zurückgegangen sind. 2 neue 
Injectionen zu 0,4 genügten aber, um den Patienten wieder aufzurichten. 
Wir beobachten den Patienten bis auf den heutigen Tag: Er läuft Schlitt¬ 
schuh, führt verschiedene körperliche Arbeiten aus und klagt lediglich 
über in unbedeutendem Grade zurückgebliebene Störung der Harnent¬ 
leerung. RW. im Blute bei wiederholten Untersuchungen negativ. 

Auf die Fälle 8 und 9, welche die Gruppe von Kranken illustrieren, 
die zwar eine geringere, aber immerhin bedeutende Besserung davon- 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 531 

•getragen haben, machen wir besonders aufmerksam,, weil es sich hier um 
Affectionen handelt, die in hohem Masse auf die Salvarsanbehandlung 
reagierten, nachdem die längere Behandlung mit anderen Mitteln sich als 
fruchtlos erwiesen hatte. 

Fall 8 (Nr. 29166). Th. M., 38 Jahre alt. Aufgenommen am 29. 12. 1910. Seit 
3 Jahren Schwäche der Beine. RW. -|—|—|-. Trotz der Quecksilberbehandlung 
nahmen die Schwäche der Beine und die Harninoontinenz bis zur letzten Zeit (ein¬ 
schliesslich der l^monatigen Behandlung im Krankenhause) immer zu. 

Status am 10. 2. 1911: Der Patient geht nur mit grosser Mühe und muss sioh 
auf einen Stock stützen. Schwäche der Beine, krampfhafte Contractur derselben. 
Knie- und Achillessehnenreflex gesteigert. Clonus der Füsse. Babinski, Mendel-Bech¬ 
terew und Schukowski an beiden Beinen. Sämtliche Sensibilitätsarten vom Niveau der 
Lumbalgegend herabgesetzt, von der Mitte der Oberschenkel ganz erlosohen. Muskel- 
gefübl fehlt in den unteren Extremitäten. Fusssohlen- und Cremasterreflex fehlen. 
Harnincontinenz. 11.2. 0,4 Salvarsan, Schüttelfrost. 4.3. 0,4 Salvarsan, 18.3. 
0,2 Salvarsan, 1. 4. 0,2 Salvarsan, 15. 4. 0,2 Salvarsan, 29. 4. 0,2 Salvarsan, 16. 5. 
0,2 Salvarsan. Sämtliche lnjectionen, die erste ausgenommen, verliefen ohne Reaction. 

18.4. : Fussohlenreflex beiderseits, Cremasterreflex links vorhanden. 

3. 5.: Das Muskelgefühl ist zurückgekehrt, selbst in den Zehen. Unwillkürlicher 
Harnabgang kommt nicht mehr vor. Der Patient geht weit sicherer. Die Bewegungen 
der Beine sind weit freier, besonders die des rechten Beines. 

Sensibilität stellt sich oberhalb der Knie wieder ein. 

20.5. : Sensibilität stellt sich rasch wieder ein, Patient wünscht entlassen zu 
werden. 

Fall 9 (Nr. 12062). A. I., 35 Jahre alt. Aufgenommen am 16. 5. 1911. Lues 
seit 10 Jahren. Seit 5 Jahren Schwäche in den Beinen. Quecksilber- und Jodbehand¬ 
lung ohne Erfolg. 

Status praesens am 25.5.: Patient geht sehr schlecht. Es besteht Harn¬ 
incontinenz, die aber in Harnretention übergeht, sobald der Patient den Versuch 
maobt zu urinieren. Gefühl von Taubsein in den Armen, Ataxie der Arme, besonders 
des linken und der Beine. Verlust des Muskelgefühls in den Zehen und in dem Fuss- 
gelenk. Es bestehen Babinski, Mendel-Bechterew, Bechterewsches dorso-flectorisches 
Symptom, Clonus der Füsse und beiderseits hochgradige Steigerung des Knie- und 
Achillessehnenreflexes. RW. am 23. 5. negativ. Vom 16. 5. bis zum 25. 7. Ver¬ 
schlimmerung des Allgemeinzustandes und Sensibilitätsstörungen: Tastsinn im Rumpfe 
und an den Beinen erloschen, Sohmerzsinn überall geschwächt und fehlt an den Beinen. 
Am 14.8. 0,4 Salvarsan, am 14.9. 0,4 Salvarsan, am 21.9. 0,3 Salvarsan, Erbrechen, 
Schüttelfrost, Gliederreissen. Am 29.9. 0,3 Salvarsan, am 12.10. 0,3 Salvarsan, 
leichter Schüttelfrost. 5. 11.: Die Kraft des rechten Armes beträgt 135, die des linken 
110. Die Ataxie des rechten Armes ist verschwunden. Es hat sich Muskelgefühl in 
den rechten Zehen und in den beiden Fussgelenken eingestellt. Der Patient geht weit 
besser. Er uriniert alle halbe Stunde (früher floss der Harn tropfenweise ununter¬ 
brochen). Geringe Abschwächung sämtlicher Sensibilitätsarten am Niveau der Glutäal- 
gegend und des linken Beines von vorn. Nach 5 Monaten, während der Zustand des 
Patienten auch nicht die geringste Verschlimmerung gezeigt hatte, wurde die Beob¬ 
achtung unterbrochen. 

Wie bereits oben erwähnt, hatten wir neben diesen ermunternden 
Resultaten 14 Fälle (allerdings meist veraltete, teilweise auch mit zweifel¬ 
hafter Aetiologie), die auf die Behandlung nicht reagierten. Von diesen 
Fällen möchte ich nur den einen wiedergeben, der von besonderem Inter¬ 
esse ist. 


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G. Iwaschenzoff, 


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Patient N. K. (Nr. 29781), aufgenommen am 28. 12. 11. Lues seit 5 Jahren. 
4 Monate vor der Aufnahme hatten wir den Patienten wegen syphilitischer Stenose des 
Kehlkopfes, die mit Aphonie einherging, behandelt. Er hatte viermal zu je 0,4 bis 
0,5 Salvarsan bekommen. Das Resultat war ein ausgezeichnetes. Gegen Ende der 
Behandlung war die Stimme rein und die Atmung frei. Die früher positive Re- 
action (+++) wurde nach l 1 /^ Monaten negativ. 3 Monate nach der Salvarsan- 
behandlung kam der Patient wieder und klagte über plötzlich aufgetretene Schwäche 
und Schmerzen im linken Bein, sowie über Rückenschmerzen. Er liess sich auf unser 


Abb. 5. 



Fall 9. Bei der Aufnahme. 


Anraten sofort in das Krankenhaus aufnehmen, und innerhalb 3 Tagen entwickelte 
sich unter unseren Augen vollständige Paraplegie der unteren Extremitäten. Harn¬ 
retention. Hochgradige Steigerung des Knie- und Achillessehnenreflexos. Babinski 
beiderseits. Sensibilität vom Niveau des XII. Segments herabgesetzt. Erectio 2 Tage 
lang. RW. ±. Es wurde sofort die Salvarsanbehandlung eingeleitet. Es wurden in- 
jiciert am 5. 1. 0,45, am 13. 1. 0,4, am 21. 1. 0,4, am 27. 1. 0,4. Am 6. 2. konnte 
man unbedeutende Bewegung in den Extremitäten wahrnehmen. 

4. 5. Einige Wiederherstellung der Sensibilität im rechten Bein. Spastische 
Erscheinungen unverändert. Babinski, Bendel-Bechterew, Schukowski, Clonus der 
Füsse beiderseits. Muskelgefühl in den Zehen erloschen. RW. negativ. Wiederum 


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Ueber die Saivarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


533 


Behandlung. Am 28. 5. 0,4 Salvarsan, 12. 5. 0,4, 20. 5. *0,6 Neosalvarsan. Bis zum 
26. 12. 12, an welchem Tage der Patient nach einer anderen Abteilung gebracht wurde, 
gar keine Veränderungen. 

Dieser Fall ist sehr rätselhaft. Vor allem ist hier die Aetiologie 
unklar. Die entstandene Myelitis als Neurorecidiv zu deuten, ist schwer, 
und zwar aus folgenden Gründen: 1) Der Patient machte schon das 
3. Syphilisstadium durch. 2) Wäre dies ein Neurorecidiv, so hätte man, 


Abb. 6. 



Fall 9. Vor der Salvarsankur. 


weil die Behandlung so frühzeitig eingesetzt hatte, einen grösseren Erfolg 
von der Behandlung erwarten dürfen. Die fast vollständige Resultat¬ 
losigkeit der Behandlung scheint überhaupt gegen die syphilitische Natur 
der entstandenen Myelitis zu sprechen, bei der obendrein die Wassermann- 
sche Reaction kein bestimmtes positives Resultat ergab. Würde man 
überhaupt annehmen, dass die Syphilisspirochäten gegenüber dem Salvarsan 
eine besondere Widerstandsfähigkeit erlangen können, so würde man 
andererseits daran denken müssen, dass im vorliegenden Fall auch die 
unmittelbar nach der Salvarsanbehandlung eingeleitetc Quecksilberbehand- 


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534 


G. Iwaschenzoff, 


lung resultatlos bliebe. Alle diese Momente sind jedoch nur von relativer 
Bedeutung. Eine toxische Wirkung des Salvarsans kann man mit Sicher¬ 
heit ausschliessen. Dies geht daraus hervor, dass die wiederholte und 
dabei intensive Salvarsanbehandlung, wenn sie auch keinen grossen 
Nutzen brachte, die Affection jedenfalls nicht verschlimmerte. 

Um mit den Beobachtungen über die Behandlung der Myelitiden abzu- 
schliessen, wollen wir uns nun dem Falle mit tödlichem Ausgang zuwenden. 


Abb. 7. 




Fall 9. 



Nach der Salvarsankur. 


Status praesens: Stark abgemagerter Patient mit deutlich ausgesprochener 
Arteriosklerose. Leidet seit etwa einem Monat an Erscheinungen von Meningo-Myelitis 
des Halsteiles. Parese der Arme, Paralyse der Beine. Es besteht eine gewisse Spannung 
der Halsmuskeln. Die Halswirbel sind schmerzhaft. Harnretention. Nachlassen der 
Hautsensibiiität an den Ober- und Unterschenkeln. Babinski, Mendel-Bechterew 
beiderseits. Hochgradige Steigerung der Sehnenreflexe. RW. +++. 

Die erste Injection von 0,4 Salvarsan überstand der Patient gut unter unbe¬ 
deutender Temperaturreaction. Er klagt aber über Kopfschmerzen, die erst nach 
4 Tagen verschwanden. Am 7. Tage bekam der Patient 0,3 Salvarsan injiciert. Am 
anderen Tage Atemnot. Hochgradige Abschwächung der Atmung und Verringerung 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


5-35 


der Excursionen der rechten Hälfte des Brustkorbes. Frequenter Puls (bis 120). Nach 
2 Tagen stellte sich eine gewisse Besserung ein, am 6. Tage folgto aber Verschlimme¬ 
rung und am 8. Tage nach der 2. Injection der Exitus unter Erscheinungen von 
Lungenödem. 

Section: Sclerosis nod. aortae. Oedema pulmonum. Hyperplasia lienis chronica, 
lnduratio cyanotica hepatis et renum. Leptomeningitis fibrosa chronica. Sclerosis 
cerebri. Myelitis transversa partis cervicalis ex compressione (?). 

Der Halsteil des Rückenmarks zeigt sich durch reichliche Fibrinablagerungen 
stark comprimiert. Eine mikroskopische Untersuchung fand leider nicht statt. 

Wenn der Tod des Patienten mit der angewendeten Behandlung in 
Zusammenhang gebracht werden soll, so erscheint uns als die einzig 
mögliche Erklärung die Annahme einer starken Herdreaction, welche in¬ 
folge der bestandenen Compression eine Functionsstörung der vitalen 
Centren herbeigeführt hatte. Jedenfalls kann der tödliche Ausgang nicht 
auf Rechnung des Präparats als solchen gesetzt werden, sondern viel¬ 
leicht auf die Anwendungsmethode desselben, die im vorliegenden, über¬ 
haupt hoffnungslosen Fall vielleicht zu energisch war. 

Unsere Beobachtungen über Lues cerebrospinalis umfassen 14 Fälle, 
von denen 7 je 0,4—0,5 Salvarsan alle 8 Tage, 5 je 0,2—0,3 alle 
14 Tage und 2 je 0,6—0,75 Neosalvarsan alle 8 Tage bekamen. Diese 
Gruppe von Kranken hätte a priori die meisten Erfolge versprechen 
müssen; die Mehrzahl der Autoren, welche Salvarsan in der Nerven- 
klinik anwendete, constatierte gerade bei der Behandlung dieser Form 
besonders günstige Resultate. 

Jedoch scheint der Erfolg der Behandlung auch in dieser Gruppe, 
analog mit der von uns ausgesonderten Gruppe von syphilitischen Myeli¬ 
tiden, in directem Zusammenhang mit der rechtzeitigen Anwendung des 
Präparats zu stehen. Der Process braucht nur mehr oder minder weit 
fortgeschritten zu sein, seine Tätigkeit sozusagen fixiert zu haben, und die 
Hoffnung auf den Regress der Symptome geht verloren, so dass wir im 
besten Falle nur einen Stillstand des Processes constatieren müssen. 
Dadurch dürfte augenscheinlich die Tatsache zu erklären sein, dass neben 
den 5 Fällen, welche ein vorzügliches Resultat ergeben haben, wir 5 Fälle 
haben, welche eine unbedeutende Besserung zeigten, sowie auch 4 Fälle, 
die auch unverändert geblieben sind. Von den letzteren Fällen möchte 
ich den einen, der besonders illustrativ ist, mitteilen. 

Fall 10 (Nr. 11483). K. B., 28 Jahre alt, aufgenommen am 3. 5. 11. Lues seit 
5 Jahren. Seit 6 Monaten Schmerzen in der Wirbelsäule, sowie in den Armen und 
Beinen, krankhafte Contracturen der Extremitäten usw. 

Status praesens am. 12. 8 .: Die linke Pupille ist grösser als die rechte. Es 
besteht geringe Ataxie im rechten Arm. Spastischer Zustand der Beine. Der Patient 
kann weder gehen, noch die Beine flectieren. Es besteht Clonus des Fusses, der bei 
der geringsten Berührung in eineu allgemeinen Krampf der ganzen Extremität übergeht. 
Babinski, Bechterew, Mendel-Bechterew beiderseits. Sensibilität nicht gestört. Häufige 
Krämpfe in den Extremitäten, Contracturen der Rumpfrauskeln. RW. ++. Am 
12.8. 11 0,4 Salvarsan, am 14.9. 0,4 Salvarsan, Temp. 38,6, Schüttelfrost. 21.9. 
0,3 Salvarsan, 28. 9. 0,3 Salvarsan, 5. 10. 0,3 Salvarsan, 13. 10. 0,3 Salvarsan, 

Zeitschrift f. exp. Pathologie a. Therapie. 15. Bd. 


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6 . 11. 0,3 Salvarsan, 9. 12. 0,4 Salvarsan, 2. 3. 12 0,4 Salvarsan, 9. 3. 0,4 Salvarsan, 
16.3. 0,4 Salvarsan, 12.5. 0,6 Neosalvarsan. RW. am 7.11.11 +, am 14.3.12 H—I—h- 
Am 25.5. 12 +++. Im ganzen wurden injiciert: 3,9 Salvarsan und 0,6 Neosalvarsan. 
Der Patient wurde ohne jede objective Besserung entlassen. 

Von den Fällen, die ein gutes Resultat ergeben haben, führen wir an: 

Fall 11 (Nr. 14045). L. F., 44 Jahre alt, aufgenommen am 10.6. 11. Lues 
seit 20 Jahren. Seit 8 Monaten Kopfschmerzen, Kopfschwindel und Ohrensausen. 
Harnretention. Schmerzen in den unteren Extremitäten und Gefühl von Taubsein in 
denselben. Der Patient hört und sieht schlecht. 

Status praesens: Rechte Augenspalte grösser als linke. Pupillen reagieren 
nicht auf Licht. Tremor. Kniereflexe hochgradig gesteigert. Clonus der Füsse und 
der Patella. Babinski, Mendel-Bechterew und Oppenheim beiderseitig. Der Patient 
geht sehr schlecht. Sein Gang ist spastisch, paretisch. Sensibilität normal. Während 
der Krankheit hat der Patient 36 Einreibungen bekommen, aber ohne Erfolg. Im 
Krankenhause blieb er 3 Monate, ohne dass sich eine Aenderung bemerkbar gemacht 
hätte. 

12.9.11 0,4 Salvarsan, Temp. 39,1°, Gliederreissen. 14.10. 0,4 Salvarsan, 
Ternp. 38,8°, Schüttelfrost. 23. 9. 0,3 Salvarsan, ohne Reaction. 

Status am 3. 10. 11: Schmerzen, Gliederreissen, Kopfschmerzen verschwunden. 
Der Patient geht ohne Stock. Schwäche in den Knien zurückgeblieben. 1 1 / 2 Jahre 
lang fühlt er sich wohl. Er ergibt sich dem Trünke. 

Am 13. 2. 13 kommt der Patient wieder mit den früheren Erscheinungen, Kopf¬ 
schmerzen, sowie mit Verschlimmerung sowohl des Allgemeinbefindens, als auch des 
Ganges. 

Er bekommt bis zum 13. 3. 13 Einreibungen und Bietsche Mixtur innerlich, wo¬ 
bei sich eine gewisse Besserung bemerkbar macht. Am 13. 3. 0,9 Neosalvarsan, am 
20. 3. 0,9 Neosalvarsan, am 28. 3. 0,9 Neosalvarsan, am 4. 4. 0,9 Neosalvarsan, am 
28. 5. Kopfschmerzen verschwunden, Gang wieder gerade. Des Nachts bisweilen 
Rückenschmerzen. 

Fall 12 (Nr. 14533). M., 32 Jahre alt, aufgenommen am 16. 6. 11. Lues seit 
einem (?) Jahre. Seit ungefähr 3 Wochen Kopfschmerzen und Schwäche in den 
rechten Extremitäten. 

Status praesens: Aphasie. Der Kopf ist bis zur linken Schulter geneigt. 
Rigidität des Hinterhauptes, Schluckvermögen erschwert. Der Patient kann nicht 
spucken. Zwangsweinen, seltener Zwangslachen. Vollständige Paralyse der rechten 
Extremitäten. Pareso der linken Extremitäten, besonders der linken unteren Extremität. 
Spastischer Zustand der Arme. Kniereflex gesteigert. Babinski und Mendel-Bechterew 
beiderseits. Linke Braue kann weniger in die Höhe gezogen werden als die rechte. 
Die rechte Augenspalte kleiner als die linke. Oberflächliche Atmung. Harnincontinenz. 
Bis zum 30. 8. 11 bekam der Patient 30 Einreibungen und begann etwas zu gehen. 
Die Armbewegungen begannen sich wieder herzustellen. * 

Am 13. 8. 0,4 Salvarsan, Temp. 39,5°, Schüttelfrost. 

Am 14. 9. 0,3 Salvarsan, Temp. 38,2°, gutes subjeotives Befinden. 

Am 21. 9. 0,4 Salvarsan, ohne Reaction. 

Am 30. 9. Mimik besser, Schlucken frei, wenn sich der Patient auch manchmal 
verschluckt. Die Bewegung des rechten Armes ist kaum beschränkt. Die Kraft der 
rechten Hand beträgt nach dem Dynamometer 70, die der linken 135. Der Patient 
geht gut, leidet nicht an Kopfschmerzen und vermag den Harn zu halten. Gutes all¬ 
gemeines subjectives Befinden. 

Somit trat an Stelle des traurigen, hilflosen Zustandes des Patienten, 
in dem er sich 2 1 j 2 Monate lang befunden hatte, l l / 2 Monate nach der 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


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ersten Injection vollständige Wiederherstellung der Gesundheit und der 
Arbeitsfähigkeit. Allerdings wurde in diesem Falle schon vor Beginn der 
Salvarsanbehandlung unter dem Einflüsse der Quecksilberbehandlung 
Besserung constatiert. Jedoch war der Einfluss des Präparates sehr 
illustrativ, indem dasselbe rasche, allgemeine Zunahme der Kräfte und 
Beschleunigung des Genesungstempos unmittelbar nach der ersten Injection 
zur Folge hatte. 

Ausschliesslich mit Salvarsan wurde folgender Fall behandelt. 

Fall 13 (Nr. 29171). W. Sch., 35 Jahre alt, aufgenommen am 19. 12. 11. Lues 
seit 3 Jahren. Seit 8 Monaten Schwäche, Kopfschmerzen, Kopfschwindel. Zeitweise 
versagt die Zunge ihren Dienst. Geräusch und Gefühl von Schwere im Kopfe. 
Schmerzen und Contractur in den unteren Extremitäten. 

Status praesens am 30. 12.: Seit 2 Tagen kann der Patient nicht mehr gehen. 
Die rechte Augenspalte ist kleiner als die linke. Pupillen unregelmässig und reagieren 
schwach auf Licht. Kniereflexe gesteigert. Babinski beiderseits. Spastischer Zustand 
der Extremitäten. Sensibilität nicht gestört. Am 29. 12. RW. + ++. 30. 12. 

0,4 Salvarsan; 6 . 1. 12 0,4 Salvarsan; 13. 1/0,4 Salvarsan; 21. 1. 0,4 Salvarsan. 
Sämtliche Injeotionen verliefen ohne Reaction. 

26. 1.: Der Patient kann gut gehen. Weder Kopfschwindel noch Kopfschmerzen. 
Sprache frei. An den Beinen keine Contractionen mehr. Nach 2 Monaten RW. negativ. 
Das in einem Monat erzielte ausgezeichnete Resultat hält bis auf den heutigen Tag 
(Mai 1913) an. 

Ohne bei den 4 Fällen von Lues cerebri länger zu verweilen, deren 
Beobachtung zu oberflächlich war, als dass man derselben ernste Be¬ 
deutung beimessen dürfte, möchten wir nur hervorheben, dass in beiden 
Fällen die Kopfschmerzen, der Kopfschwindel und das hartnäckige Ohren¬ 
sausen sehr rasch verschwunden sind. Die ausserordentlich heftigen 
Kopfschmerzen, die in einem dieser Fälle den Patienten 10 Tage lang 
nicht schlafen Hessen und weder auf Quecksilber noch auf Jodkalium 
reagierten, verschwanden nach der ersten Injection von 0,5 Salvarsan 
und kehrten 3 Monate lang nicht mehr wieder, während der die ursprüng¬ 
liche positive Reaction (-\—|—|-) negativ geworden ist. Die Beobachtung 
wurde unterbrochen. 

Ausserordentlich günstig ist folgender Fall von Lues cerebelli. 

Fall 14 (Nr. 13038). I. N., 28 Jahre alt, aufgenommen am 23. 5. 12. Lues 
seit 7 Monaten. Seit l l / 2 Monaten heftige Kopfschmerzen, besonders des Nachts. 
Doppelsehen. Nachlassen des Gehörs. Deutlich ausgeprägte Stauungspapillen (sehr 
breite Venen, Blutergüsse nicht vorhanden). Schmerzhaftigkeit des Halsteiles der 
Wirbelsäule und der Halsmuskeln. Leichte Parese des linken Facialis. Am linken 
Augapfel sieht man kleine, nystagmusartige Zuckungen. Knie- und Achillessehnen¬ 
reflex gesteigert. Linke Extremitäten geschwächt. Mendel-Bechterew beiderseits. Der 
Gang erinnert gewissermassen an denjenigen, der für Erkrankungen des Kleinhirns 
charakteristisch ist. Es besteht eine gewisse Hyperästhesie vom Gürtel ab an den 
Ober- und Unterschenkeln. Beugung des Kopfes schmerzhaft. Rigidität der Hinter¬ 
hauptmuskeln. RW. am 12. 6 . positiv (+++). 

7. 6 . 0,6 Neosalvarsan; 9. 6 . 0,6 Neosalvarsan; 12. 6 . 0,75 Neosalvarsan; 15. 6 . 
0,75 Neosalvarsan; ohne Reaction. 16.6.: Seit dem dritten Tage nach der ersten 
Injection keine Kopfschmerzen mehr. Beugung des Kopfes schmerzfrei. Die Percussion 
ruft weder am Kopf noch an der Wirbelsäule Schmerzen hervor. Gang vollkommen 

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G. Iwascbenzoff, 


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normal. Stauungspapille verschwunden. Mimik normal. Es ist eine gewisse Schwer¬ 
hörigkeit zurückgeblieben. Leider forderte der Patient seine Entlassung, um auf das 
Land zu gehen, was uns unmöglich machte, die Stabilität des erzielten Resultats 
nachzuprüfen. 

Hemiplegie haben wir im ganzen 18mal gehabt. 9 bekamen je 
0,2—0,3 Salvarsan in 14 tägigen Abständen. 8 bekamen je 0,4—0,5Salvarsan 
in 8 tägigen Abständen. 1 bekam 0,75 Neosalvarsan in 14tägigen Ab¬ 
ständen. 

Auf diese Gruppe wollen wir nicht besonders ausführlich eingehen, 
weil die erzielten Resultate weit weniger klar und beweiskräftig sind. 

Es ist allgemein bekannt, wie schwer es ist, in jedem einzelnen 
Falle den Charakter des localen Processes kategorisch zu eruieren, der 
das klinische Bild der Hemiplegie hervorgerufen hat. ln der weitaus 
grössten Mehrzahl der Fälle handelt es sich um Apoplexien, und die 
Lues spielt hier nur eine fördernde Rolle, indem sie eine Erkrankung der 
Gefässe verursacht. Natürlich ist es in diesen Fällen schwer, eine 
irgendwie deutliche Wirkung des specifischen Antisyphiliticums voraus¬ 
zusetzen. Aber stets wird eine Besserung des Allgemeinzustandes con- 
statiert, welche einer objektiven Feststellung nicht zugängig ist. Irgend¬ 
welche Schlüsse auf Beschleunigung der Wiederherstellung der Bewegung 
in den paralysierten Extremitäten wollen wir nicht machen. Ueberhaupt 
bezweckt bei mit Hemiplegie behafteten Personen die Salvarsanbehandlung 
nicht etwa Heilung der Hemiplegie, sondern Heilung ihres Grundleidens 
bzw. die Verhütung von weiteren Complicationen. Eine mehr oder minder 
intensive Wirkung des Präparates kann man dann erwarten, wenn irgend 
ein speeifischer Herdprocess oder Endoarteriitis vorliegen. Interessant 
erscheinen uns 2 Krankengeschichten, die sich auf 2 Fälle hereditärer 
Syphilis beziehen. 

Fall 15 (Nr. 24976). F. S., 22 Jahre alt, aufgenommen am 22. 10. 11. Lues 
negativ. RW. i++. Huschinsonsche Zähne. Verdickung beider Tibien. Vor 2 Jahren 
stellte sich plötzlich Paralyse des rechten Armes, Parese des rechten Beines und des 
rechten Facialis ein. Vollständige Aphasie. Kernigsches Symptom. Nackenstarre. Der 
Patient vermag nicht den Blick zu fixieren. Scharf ausgeprägter, paretischer Gang, wobei 
sich der Patient stützen muss. Spastischer Zustand der rechten Extremitäten. Sehnen¬ 
reflexe gesteigert. Am 4. 12. bekommt der Patient 0,3 Salvarsan. 9. 9.: Kernigsches 
Symptom verschwunden. Nackenstarre nicht mehr vorhanden. Der Patient kann selbst 
essen. Am 11. 9. 0,4 Salvarsan. Der Patient geht ohne Stock. Kann zweisilbige 
Worte aussprechen. Am 18. 11. 0,4 Salvarsan; am 25. 11. 0,4 Salvarsan; am 2. 12. 
0,4 Salvarsan. 22. 2. 12: Der Patient läuft gut. Kraft des rechten Armes 70, die des 
linken 80. Bewegungen des rechten Beines frei und regelmässig. Kniereflexe aus¬ 
geglichen. Der Patient vermag den Blick gut zu fixieren. Sprache mangelhaft, 
RW. am 14. 1. negativ; am 30. 1. negativ. 

Man kann nicht umhin, anzuerkennen, dass die Genesung ausser¬ 
ordentlich rasch vor sich ging, und dass der Zustand des Patienten bis 
auf die Sprachstörung nichts zu wünschen übrig liess. Es muss noch 
mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass die Wassermannsche 
Reaction, welche bei hereditärer Syphilis so hartnäckig zu sein pflegt, 
auf die Behandlung wich. 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 539 

Fall 16 (Nr. 10384). N. G., 13 Jahre alt, aufgenommen am 25. 4 . 11. Am Tage 
der Aufnahme hatte sich beim Knaben, nachdem er einen Schlag ins Gesicht be¬ 
kommen hatte (der Knabe erzählte später, dass sein Lehrmeister den Gesichtskrampf, 
der sich bei ihm auch früher einstellte, für eine Grimasse hielt und infolgedessen ihm 
den Schlag versetzt habe), plötzlich linksseitige Paralyse eingestellt. Die Untersuchung 
bei der Aufnahme ergibt: Parese der linken Extremitäten, Abschwächung sämtlicher 
Sensibilitätsarten links, Verlust des Muskelgefühls, permanentes Zittern der Extremitäten, 
besonders der Arme (in toto), Ataxie derselben, Babinski und Oppenheim links, links¬ 
seitige Steigerung der Knie- und Achillessehnenreflexe, sehr schlechter Gang, 
Nystagmus, hydrocephalischer Schädel, Stigmata luetica. Gehör im linken Ohr herab¬ 
gesetzt. Die Kraft des linken Armes beträgt 0, die des rechten 50—60. Der Knabe 
vermag sich zu erinnern, dass er schon in früher Kindheit in den linken Extremitäten 
an Zuckungen und an krampfhaftem Kopfschütteln gelitten hat. RW. +++. Am 6.5. 
0,1 Salvarsan; am 7. 5. Gehör besser; am 19. 5. 0,2 Salvarsan, Schüttelfrost, 
Temp. 38,9°. 22. 5.: In einigen Gegenden ist die Sensibilität wieder hergestellt. Die 
Kraft des linken Armes beträgt 10,5. 21. 5. Sensibilität wieder hergestellt, sonst 
Zustand unverändert. Entlassung. Am 26. 10. 11 Wiederaufnahme sub Nr. 24910. 
Die Zuckungen sind in den linken Extremitäten weniger ausgeprägt als in den rechten, 
steigern sich aber während der Arbeit. Die Bewegungen der linken Extremitäten sind 
langsamer und weniger ergiebig als die der rechten. Kraft der linken Hand 40, die 
der rechten 50. Schlechter Gang. Normale Sensibilität. Hyperextension nicht vor¬ 
handen. Cyanose der Extremitäten. Reflexe wie bei der ersten Aufnahme. 

RW. am 16. 11. negativ; am 24. 11. 0,2 Salvarsan; am 2. 12. 0,2 Salvarsan; am 
27. 1. 12 RW. +++; am 15.2.: Patient geht ohne Stock. 16. 3. 0,3 Salvarsan; 
30. 3. 0,3 Salvarsan; 4. 4. RW.+. 

Die Zuckungen des Kopfes sind verschwunden. Die Arme sind ruhig. Das 
Intentionszittern des linken Armes ist geringfügig. Die Kraft der Hände beider¬ 
seits 50. Die Beugung im Ellbogen ist bedeutend stärker. Der Patient vermag den 
linken Arm ebenso zu heben wie den rechten, ohne ihn, wie früher, zu schwingen. 
Die Kraft des linken Oberschenkels ist geringer als die des rechten. Der Knie- und 
Achillessehnenreflex ist jedooh beiderseits gleich bedeutend stärker geworden. Hyper¬ 
extension der Beine unmöglich. Muskelgefühl und Hautsensibilität normal. Der Patient 
geht gut (ohne Stock). Cyanose der Extremitäten verschwunden. 

Der Knabe wurde also nicht nur von seinen Leiden geheilt, die ihn in das 
Krankenhaus brachten, sondern erlangte obendrein einen besseren Zustand als vor 
der Entstehung der Hemiplegie. Von der Besserung der Krankheitserscheinungen 
abgesehen, klagte der Knabe nicht mehr über Kopfschmerzen, die ihn früher ge¬ 
peinigt hatten. 

Sehr demonstrativ reagierte auf die Salvarsanbehandlung ein Fall 
von syphilitischer Meningitis spinalis. 

Fall l8 (Nr. 25170). A., aufgenommen am 29. 9. 1911, in die Abteilung für 
Tuberculöse mit Erscheinungen des III. Stadiums der Tuberculose. Auf Befragen 
stellt der Patient Lues in Abrede. 14 Tage nach der Aufnahme in das Krankenhaus 
beginnt der Patient über Schmerzen in der Lumbalgegend zu klagen. Nach und nach 
stellen sich Erscheinungen von Meningitis spinalis ein und am 8. 11. constatiert 
Dr. Giese folgendes: Spannung der Hinterhauptmuskeln. Linke Pupille grösser als 
die rechte. Schwache Lichtreaction. Parese der Beine, besonders des rechten. 
Kernigsches Symptom, besonders rechtsseitig. Kniereflex rechts stärker als links. 
Achillessehnenreflex desgleichen. Lumbalmuskeln gespannt. Beugung des Kopfes 
schmerzhaft. Vollständige Unbeweglichkeit der Wirbelsäule im Brust- und Lumbal¬ 
teil. Die physiologische Lordose ist verwischt. Beim Stehen hält der Patient das 
rechte Bein im Hüftgelenk flectiert. Der ganze Brustteil der Wirbelsäule ist nach 


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rechts gekrümmt. Rechte Schulter hoohgehoben. Kopf nach der rechten Schulter ge¬ 
neigt. Beim Gehen (der Patient geht sehr schlecht, wenn er sich auch stützt) neigt 
er den Rumpf nach vorn und drückt die rechte Hand fest gegen die Rippen. 
WR. +++ Der Patient gibt zu, dass er im Jahre 1901 Lues hatte. 

Die Schmerzen haben in den letzten Tagen stark zagenommen. 

Am 10. 12. 0,3 Salvarsan; am 12. 12. Schmerzen intensiver. Am 16. 12. 
0,4 Salvarsan; am 20.12. Schmerzen weit geringer; 23.12. 0,3 Salvarsan; am 28.12. 
Sohmerzen vollständig verschwunden. Der Patient geht weit leichter. Er klagt zeit¬ 
weise über Schmerzen im linken Knie und in der Crista ilei. Objectiv constatiert man 
geringe Schwellung des linken Knies. 

Status praesens am 3.2.1912: Spannung der Oocipitalmuskeln versohwunden. 
Spannung der Abdominal- und Lumbalmuskeln versohwunden. Brustteil der Wirbel¬ 
säule bleibt fixiert. Verkrümmung der Wirbelsäule nach rechts verschwunden. Patient 
geht mit Mühe, aber weit besser als früher. WR. +++ Es wird mit einer neuen 
Salvarsankur begonnen. 

Am 3.2. 0,4 Salvarsan, ohne Reaction; am 18.2. 0,4 Salvarsan, ohne Reaction. 
28. 2.: Ausser geringen Lumbalschmerzen, die des Nachts aultreten, hat der Patient 
sonst keine weiteren Beschwerden. Er geht vollkommen gut, ermüdet aber rasch 
(Atemnot). 

Es muss hervorgehoben werden, dass die Salvarsankur den Lungenprocess nach 
keiner Richtung bin beeinflusst hat. 

Ein vorzügliches Resultat wurde in einem Falle von Meningitis basilaris 
luetica erzielt: 

Ausser heftigsten Kopfschmerzen bestanden Ptosis des rechten Augenlides, 
Diplopie, Beschränkung der Beweglichkeit des rechten Auges nach aussen und Herab¬ 
setzung der Sensibilität an der rechten Hälfte des Gesichts und des Kopfes im Ver¬ 
ästelungsgebiet des N. trigeminus (WR.+++). Es wurde eine Injection von 0,5 Sal¬ 
varsan in die Vene und einen Tag darauf eine solche von 0,4 Salvarsan in die 
Muskeln (B lasch ko-Wechsel mann) gemacht. Schon 2 Tage nach der Injection ver¬ 
schwanden die Kopfschmerzen. Nach 14 Tagen gingen auch sämtliche übrigen Er¬ 
scheinungen fast vollständig zurück. 

Wir kommen nun zur Besprechung der Beobachtungen der Tabes dor- 
salis. Wir hatten im ganzen 48 Fälle: 18 bekamen intravenöse Injection 
von 0,3—0,4—0,5 Salvarsan in 8 tägigen Abständen. 16 bekamen 
0,2—0,3 Salvarsan, gleichfalls in 8 tägigen Abständen. 5 bekamen 
0,6—0,75 Neosalvarsan intravenös in 8 tägigen Abständen, während 9 
mit Salvarsan nach der gemischten Methode (intravenös und intramusculär) 
behandelt wurden. Mit Ausnahme von 4 Fällen, die zum I. Stadium 
gehörten, gehörten sämtliche übrigen Fälle zum II. und III. Stadium. 
Bedeutende Besserung allgemeiner Natur wurde 23 mal constatiert, 
Besserung der einzelnen Symptome oder nur der subjectiven Symptome 
wurde 15 mal festgestellt. Ganz resultatlos verlief die Behandlung in 
10 Fällen. 

Als Illustrationen möchte ich folgende Fälle wiedergeben: 

Fall 19 (Nr. 2585). I. B., 37 Jahre alt, aufgenommen am 7. 11. 1911. Lues 
seit 13 Jahren. Vor 8 Jahren linksseitige Hemiparese, seit einem Jahr Erscheinungen 
von Tabes. 

Status am 8 . 11.: Lancinierende Schmerzen. Gürtelgefühl. Harnincontinenz, 
ab und zu Harnretention. Reaction der Pupillen auf Licht kaum wahrnehmbar. Knie- 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


541 


und Achillessehnenreflex erloschen. Romberg + ++. Filzgefühl unter den Füssen. 
Der Pat. geht nur mit Stock oder die Wände entlang. Störung des Muskelgefühls in 
den oberen und besonders in den unteren Extremitäten. Ataxie. Herabsetzung des 
Schmerz- und Tastsinnes in beiden Beinen und bis zum Gürtel, sowie den Ulnar¬ 
oberflächen entlang. Es besteht ein Gürtel von Hyperästhesie für die Temperatur. 
Am 29. 3. R.W. +. Der Pat. verblieb bis zum 2. 3. 1912 zu Bett, ohne dass sich 
eine Besserung einstellte. Am 2. 3. 0,4 Salvarsan; am 9. 3. 0,4 Salvarsan; am 16.3. 
0,4 Salvarsan; am 23. 3. 0,4 Salvarsan; sämtliohe Injectionen verliefen ohne Reaction. 


Abb. 8. 



Fall 19. Vor der Salvarsankur. 

Am 25. 4. Reaction der Pupillen auf Licht lebhafter. Störung des Muskelgefühls bis 
zu den Knien und in den Händen. Der Pat. vermag den Harn zu halten und ohne 
Stock zu gehen. Sensibilität kaum herabgesetzt von der Mitte der Oberschenkel und 
auf der Ulnaroberfläche des Armes. Gürtelgefühl verschwunden. Am 25. 5. Schmerzen 
verschwunden. Der Pat. uriniert 2 mal täglich, wobei er nur wenig drängt. Es hat 
sich Harndrang eingestellt. Der Pat. fühlt das Ausfliessen des Harns. Filzgefühl 
unter den Füssen verschwunden. Muskelgefühl nur in den Zehen erloschen. Sensi¬ 
bilität fast vollständig wiederhergestellt. Der Pat. klagt nur über ein gewisses un¬ 
angenehmes Gefühl im Kopfe und Dunkelsein in den Augen bei langem und raschem 


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Gehen. Der Pat. ist stark anämisch. Er steht nun seit einem Jahre unter Beobachtung. 
Sein Zustand verschlimmert sich nicht. Am 20. 4. RW. negativ. 

Fall 20 (Nr. 29368). M. B., 39 Jahre alt, aufgenommen am 23. 12. 1911. Lues 
neg. RW.++. Seit 4 Jahren Erscheinungen von Tabes. Status am 28. 12.: Argyll- 
Robertson. Knie- und Achillessehnenreflex 0. Lancinierende Schmerzen. Harn- 
incontinenz, bisweilen Harnretention. Herabsetzung des Schmerz- und Tastsinnes an 
der Ulnaroberfläche der Arme, am Rumpf vom Niveau des Nabels und auf beiden 

Abb. 9. 





Fall 19. Nach der Salvarsankur. 


unteren Extremitäten. Ataxie der Beine. Romberg. Verlust des Muskelgefühls an 
den Zehen. Der Gang des Pat. ist stark schwankend. Am 31. 12. 0,4 Salvarsan; 
am 7. 1. 1912 0,4 Salvarsan: am 14. 1. 0,4 Salvarsan; am 21. 1. 0,4 Salvarsan: die 
letzten3Injectionen wurden von einerTemperaturerhöhung begleitet. 28.1.: Schmerzen 
verschwunden. Der Pat. vermag den Ham stets zu halten, er uriniert viel leichter. 
Sein Gang ist gut. Subjectivcs Befinden ausgezeichnet. Bedeutende, fast vollständige 
Wiederherstellung der Sensibilität. Nachdem wir don Pat. ein Jahr lang nicht gesehen 
hatten, baten wir ihn um schriftliche Auskunft. Wir erhielten die Antwort, dass er 
sich ganz ausgezeichnet fühle. Der Pat. ist als Hausknecht angestellt, also imstande, 
bedeutende körperliche Arbeiten zu leisten. 


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lieber die Salvarsantherapie der Syphilis des Norvensystems. 


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Fall 21 (Nr. 5643). S., 31 Jahre alt, aufgenommen am 22. 2. 1911. Lues seit 
13 Jahren. Der Pat. hat 200 Einreibungen, 20 Hg-lnjectionen und viel Jodkalium er¬ 
halten. Seit 3 Monaten lancinierende Schmerzen sowie Schwäohe in den unteren Ex¬ 
tremitäten. Der Pat. geht selbst mit Stock sehr schlecht. Harnretention. Argyll- 
Robertson. Knie- und Achillessehnenreflex erlosohen. Ataxie der unteren Extremi¬ 
täten. Hypotonie. Herabsetzung der Sensibilität in den Armen. Romberg. Verlust 
des Muskelgefühls in beiden Füssen. R\V. +++. Am 4. 3. 0,3 Salvarsan; am 18.3. 
0,2 Salvarsan, Steigerung der Schmerzen. Temp. bis 38,1. Am 1.4. 0,2 Salvarsan; 

Abb. 10. 




Fall 19. Bei der Entlassung. 

am 15. 4. 0,2 Salvarsan; am 29. 4. 0,2 Salvarsan, Terap. 38 mit Schüttelfrost. Am 
16.5. 0,2 Salvarsan; am 23. 5. 0,2 Salvarsan. Am 18.3.: Pat. geht ohne Stock. 
Bedeutende Wiederherstellung der Sensibilität. Schmerzen geringer. Am 24. 5.: Pat. 
läuft viel besser. Die Schmerzen haben nachgelassen. Muskelgefühl in den linken 
Zehen wieder hergestellt. 

Fall 22 (Nr. 26054). E., 38 Jahre alt, aufgenoramen am 16.11.1911. Lues 
seit 15 Jahren. Seit ungefähr 6 Monaten Erscheinungen von Tabes, Gehvermögen er¬ 
loschen. Hochgradige Ataxie, besonders der unteren Extremitäten. Argyll-Robertson. 
Abschwächung des Sehvermögens. Harnincontinenz. Homberg stark ausgesprochen. 
Bedeutende Störung der Sensibilität (eingehend nicht untersucht). RW. H—b+. 


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Am 18. 12. 1911 0,4 Salvarsan intramusculär, am 29. 12. desgl. Nach der 2. Injection 
Erbreohen, Diarrhöe und scharlachähnliches Exanthem am ganzon Körper. Temp. 
bis 37,5 am 3. Tage. Alles verschwand am 7. Tage. Es sind nnr Infiltrate an der 
Injectionsstelle zurückgeblieben. 

Am 29. 2. 1912 0,4 Salvarsan intravenös. Diarrhöe und Erbrechen 4 Tage lang. 
Am 1. 3. 0,3 Salvarsan intravenös. Während der Injection stellten sich ausser dem 
Erbrechen ziemlich starke, anaphylaktoide Reactionen ein. Temp. bis 38. 3 Tage lang 
anhaltende Colitis haemorrhagica. 



Am 15. 3. 0,3 Salvarsan intramusculär, Erbrechen ohne Temperaturreaction. 
Am 7. 5. 0,3 Salvarsan intramusculär, ohne Reaction. Am 17. 5. 0,2 Salvarsan intra¬ 
venös, Temp. bis 31,2 und Diarrhöe. Trotz aller Complication (Wasserfehler nicht 
ausgeschlossen 1911) erklärte der Fat. schon am 23. 3., dass er sich wohler fühle, 
dass er auf den Beinen fester sei und dass sich sein Sehvermögen gebessert habe. 
Objectiv konnte eine Besserung nicht festgestellt werden. Am 4.5. 1912: Der Pat. 
geht ohne Stock. Harnentleerung normal. Das Sehvermögen hat sich gebessert. 
Ara 29. 5.: Ataxie geringer. Der Pat. geht fast gut. Ausgezeichnetes subjectives Be¬ 
finden. Entlassung. Beobachtung unterbrochen. 


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Ueber die Saivarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 545 

Fall 23 (Nr. 2832). Th. M., 28 Jahre alt, aufgenommen am 14. 1. 1912. Lues 
seit 5 Jahren. Seit etwa 3 Jahren Erscheinungen von Tabes. Pat. wurde mit Queck¬ 
silber und Jodkalium behandelt. Abschwächung des Sehvermögens. Lancinierende 
Schmerzen und schwankender Gang. Filzgefühl unter den Füssen. Des Nachts un¬ 
willkürlicher Harnabgang, und überhaupt fühlt der Pat. das Ausfliessen des Harns 
nicht. Argyll-Robertson. Knie- und Achillessehnenreflex erloschen. Romberg. Gang 
sehr schlecht. Verlust des Muskelgefühls in den beiden kleinen Zehen der beiden 
Füsse. Starke Herabsetzung der Hautsensibilität aller Arten vom Niveau der Leisten- 


Abb. 12. 



Fall 23. Nach der Salvarsankur. 

falte und des Kreuzes. RW.++. Am 21.1. 0,4 Salvarsan; am 27. 1. 0,4 Salvarsan; 
am 3. 2. 0,4 Salvarsan ohne Reaction. 

3. 3.: Der Pat. geht viel besser und rascher. Vollständige Wiederherstellung 
der Hautsensibilität am Gesäss und Oberschenkel. Besserung derselben an den Unter¬ 
schenkeln. Wiederherstellung des Muskelgefühls. Der Pat. vermag den Harn zu halten 
und uriniert 3—4 mal täglich, wobei er das Ausfliessen des Harns fühlt. Sehvermögen 
nicht besser, aber nicht schlimmer. Subjectives Befinden ausgezeichnet. Das Resultat 
der Behandlung hielt ein Jahr an. Beobachtung wurde unterbrochen. 


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G. Iwaschenzoff, 

Fall 24 (Nr. 27925). Th. G., 35 Jahre alt, aufgenommen am 21.12. 1912. 
Lues neg. RW. +++. Seit 6 Monaten Erscheinungen von Tabes. Pupillen un¬ 
regelmässig. Argyll-Robertson. Knie- und Achillessehnenreflex erloschen. Romberg. 
Ataxie der unteren Extremitäten. Lancinierende Schmerzen. Herabsetzung der Haut¬ 
sensibilität an den unteren Extremitäten von der Mitte der Oberschenkel und auf der 
Ulnaroberfläche der Arme. Am 30. 12. 0,4 Salvarsan; am 5. 1. 1913 0,4 Salvarsan; 
am 13. 1. 0,4 Salvarsan; am 21. 1. 0,4 Salvarsan ohne Reaction. Am 30. 1.: Eine 
sehr geringfügige Herabsetzung der Sensibilität ist nur am linken Fusse zurückgeblieben. 
Schmerzen verschwunden. Der Gang ist viel besser. 


Abb. 13. 



Fall 24. Vor der Behandlung 


Fall 25 (Nr. 16714). I., 42 Jahre alt, aufgenommen am 16. 7. 1911. Lues seit 
15 Jahren. 

Am 19.5.1911 entwickelte sich linksseitige Hemiparese. Gehvermögen erloschen. 
Pupillen reagieren schwach auf Licht. Rechte Pupille grösser als die linke. Paralyse 
des linken Armes und Beines. Der Pat. vermag die Finger kaum zu bewegen. 
Biernacki auf beiden Armen. Knie- und Achillessehnenreflex erloschen. Seit 2 Jahren 
lancinierende Schmerzen. Gang selbst mit Stock sehr schwankend. Seit einem Jahr 
Sehschwache. Herabsetzung des Muskelgefühls und der Hautsensibilität an beiden 
unteren Extremitäten sowie am Kumpf bis zur Lumbalgegend. 



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Ueber die Salvarsan therapie der Syphilis des Nervensystems. 


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10. 7. Die Bewegungsfähigkeit der linken Extremitäten stellt sich wieder her. 
Am 11. 8 . RW. ++. Am 12. 8 . 0,4 Salvarsan; Temp. 39,4° Schüttelfrost; am 19.8. 
0,4 Salvarsan, ohne Reaction; am 14.9. 0,3 Salvarsan; heftige Schmerzen. 16.9. 
Patient geht viel besser. Schmerzen geringer. Gewisse Wiederherstellung der Haut¬ 
sensibilität. Der Patient zeigt sich 2 l / 2 Jahre lang immer wieder. RW. negativ. Er 
geht gut, selbst ohne Stock. Dient als Wäohter in einer Regierungsanstalt, wobei er 
viel laufen muss. Ueber Rückkehr der Schmerzen klagt er nicht. Sensibilität in be¬ 
deutendem Grade wieder hergestellt. 


Abb. 14. 



c 1 ) 


Fall 24. Nach der Behändlung mit Salvarsan. 

Fall 26 (Nr. 20682). M. K., 39 Jahre alt, aufgenommen am 2. 9. 1911. Lues 
wird zugegeben. Schwäche in den Beinen. Schwankender Gang. Seit über einem 
Jahre auch Schmerzen in den Beinen. Argyll-Robertson. Unbedeutende Ataxie in den 
Armen. Knie- und Achiriessehnenreflex erloschen. Romberg. Ataxie der Beine. Zeit¬ 
weise Harnincontinenz. Herabsetzung der Hautsensibilität in der Umgebung der Brust¬ 
warzen, sowie unten am Körper und an den Beinen. RW.++. Beim Gehen schwankt 


1) Durch einen Irrtum des Zeichners wurde in obiger Abbildung eine falsche 
Schraffierung eingezeichnet; es soll eine diagonale Schraffierung sein. 


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G. Iwaschenzoff, 


der Patient stark. Filzgefühl unter den Füssen. 4 Injectionen zu je 0,4 Salvarsan in 
8 tägigen Zwischenräumen phne Reaction. Nach der Injection erklärte der Patient, 
dass die Schmerzen verschwunden und die Bewegungen kräftiger und sicherer ge¬ 
worden seien. Die Sensibilität hat sich merklich wieder hergestellt. Der Patient ver¬ 
mag den Harn zu halten und weit besser zu gehen. RW.—. Entlassung am 25. 10. 
RW. nach 4 Monaten negativ. Der Patient zeigte sich nach einem Jahre wieder. Die 
Untersuchung ergab bedeutende Besserung der Sensibilität, die mit Ausnahme eines 
Streifens in Höhe des IV.—XII. Segments überall normal war. Ataxie der Beine be- 


Abb. 15. 



Fall 26. Vor der Behandlung. 


deutend geringer, kaum wahrnehmbar. Lebhafte Fusssohlenreflexe. Gang fast normal, 
schwankend nur bei Wendungen bei geschlossenen Augen. Schmerzen nicht vor¬ 
handen. Der Patient erklärte, dass er sich in der letzten Zeit etwas schlechter fühle, 
dass er sich aber nach den Injectionen dermassen erholt habe, dass er im Frühling 
des Jahres 1912 der Auerhahnjagd obliegen konnte, die bekanntlich mit Hochspringen 
im Halbdunkel auf unebenem, hügeligem Boden verknüpft ist und grosse Geschick¬ 
lichkeit und Stabilität erfordert. Man könnte sich eine noch schwerere Stabilitäts¬ 
prüfung für den Tabiker kaum ausdenken. Während der ganzen Zeit nach der Be¬ 
handlung und bis auf den heutigen Tag dient der Patient als Wagemeister, muss viel 
laufen und hat sich nicht mehr behandeln lassen. Der Patient ist zweifellos Neura- 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 


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stheniker. Irgend welche Erscheinungen, welche für das Fortschreiten des Krankheits- 
processes gesprochen hätten, konnten wir nicht erweisen. KW. dt. Dem Patienten 
wurde Brom verordnet. */ 2 Jahr später war der Zustand des Patienten, wie er brief¬ 
lich mitteilte, unverändert. 

Wir beschränken uns auf die Mitteilung dieser Fälle. Die übrigen 
18 Fälle, in denen bedeutende Besserung erzielt wurde, stimmen in vieler 
Beziehung überein. Nur auf einen Fall möchte ich kurz eingehen, der 
den Einfluss des Präparats auf tabische Arthropathie beschreibt. 


Abb. 16. 



Fall 26. Nach der Behandlung mit Salvarsan. 

Der Patient B. ist 36 Jahre alt. Er wurde wegen Lues nicht behandelt, eine In- 
fection wurde auch nicht constatiert. Vor 11 Jahren Ulcus penis. Seit mehr als einem 
Jahre heftige Schmerzen in den Beinen und im Körper: lancinierende und reissende. 
Paradoxe Pupillenreaction. Romberg schwach angedeutet. Achillessehnenreflex er¬ 
loschen, Kniereflex lebhaft. Ab und zu Störung der Harnentleerung. Gewisse Störung 
der Hautsensibilität an den unteren Extremitäten. Vor einem Monat schwoll das linke 
Knie rasch an. Der Patient klagt über Knacken im Knie. Beim Gehen knickt das¬ 
selbe auch ein. Schmerzen im Knie weder bei Bewegung noch bei Palpation vor¬ 
handen. Kniedimension stark vergrössert. Deutlich ausgeprägtes Exsudat. Ferner 
Oedem. Deutlich wahrnehmbares Knacken. RW. +++. Nach 4 Injectionen von je 


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0,75 Neosalvarsan in 8tägigen Zwischenräumen verschwand das Exsudat und die 
Dimension des Knies wurde normal. Der Patient geht frei. Das Knacken im Knie ist 
verschwunden. Der Patient steht seit 2 Jahren und 3 Monaten unter Beobachtung. 
Die lancinierenden Schmerzen sind noch vorhanden, sie exacerbieren zeitweise. Rom¬ 
berg kaum angedeutet. Ataxie kaum vorhanden. Gang vollkommen normal, Harn¬ 
entleerung desgleichen, Kniereflex lebhaft. Es besteht eine gewisse Verlangsamung 
der Durchleitung der Schmerzempfindungen an den Unterschenkeln. Knie normal. 
Am 1. 10. 1913 RW. +. 

Arthropathie haben wir in 6 Fällen beobachtet. Von den rait- 
geteilten Fällen abgesehen, haben wir bedeutende Besserung noch in 
2 Fällen constatiert. In den übrigen 3 Fällen, die sehr veraltet waren, 
blieb jede Besserung aus. In diesen Fällen wurde übrigens auch keine 
Besserung der Sensibilität constatiert. 

Malum perforans haben wir einmal und zwar mit gutem Erfolg be¬ 
handelt. Die Behandlung wurde aber unterbrochen, so dass wir es für 
untunlich halten, auf diesen Fall einzugehen. 

Die erloschenen Kniereflexe wieder zu beleben ist uns kein einziges 
Mal gelungen. 

Eine Besserung der Pupillenreaction haben wir mehrere Male beob¬ 
achtet, wenn auch nicht in besonders stark ausgeprägtem Grade. 

Wenn wir die bei der Tabesbehandlung erzielten Resultate, wenn 
auch nur an den mitgeteilten Fällen, zusammenfassen, können wir un¬ 
möglich dieselben als unbedeutend betrachten. Wir sehen die Einwendung 
voraus, dass es sich um einen Einfluss der Psyche, um gewöhnliche 
Remission des Krankheitsprocesses gehandelt haben konnte. Wir glauben 
jedoch nicht, dass die Suggestion allein ausgereicht haben konnte, um 
eine ganze Reihe von Symptomen, Störungen des Muskelgefühls, der 
Harnentleerung und sogar Arthropathie mit eingeschlossen, dauernd zu 
beseitigen. Es muss mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass 
bei weitem nicht alle Patienten, besonders zu Beginn unserer Arbeit, ge¬ 
neigt waren, auf das Präparat grosse Hoffnungen zu setzen bzw. seiner 
Heilkraft zu vertrauen; neben grossen Optimisten, welche von einer be¬ 
deutenden Besserung sprachen, trotzdem jede objective Bestätigung für 
ihr subjectives Befinden fehlte, hatten wir Patienten, die sich nicht ent¬ 
schlossen konnten, einen objectiv festgestellten Erfolg zuzugeben. Von 
Interesse ist es, dass die Besserung bei weitem nicht immer unmittelbar 
oder bald nach der Injection sich einzustellen pflegte, so dass die Kranken, 
wenn sie von den ersten 2 bis 3 Injectionen keinen Erfolg merkten, den 
nachfolgenden Injectionen hoffnungslos entgegen sahen, während sie dann 
ungefähr 14 Tage nach der letzten Injection plötzlich erklärten, dass sie 
sich weit wohler fühlen. Was nun die Remission betrifft, so geben wir 
zwar die Möglichkeit solcher im einzelnen Falle zu, können aber un¬ 
möglich die von uns beobachteten Besserungen alle auf Rechnung zu¬ 
fälliger Remissionen setzen. Eine solche Congruenz wäre weit rätsel¬ 
hafter und sonderbarer als die Tatsache des günstigen Einflusses des 
spezifischen Mittels. 

Wir sind weit davon entfernt, annchmen zu wollen, dass wir auch 
nur in einem einzigen Falle die Tabes geheilt haben. Mögen es Re- 


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Ueber die Salvarsantherapie der Syphilis des Nervensystems. 551 


missionen sein, zufällig sind sie nicht, sondern durch die Behandlung 
bedingt. Der weise Spruch: „post hoc, „non est“ propter hoc,“ der 
sehr rasch vergessen wird, wenn es sich um Complicationen handelt, 
wird in Anwendung auf die Salvarsantherapie zweifellos missbraucht. 
Das aprioristische Misstrauen in den günstigen Einfluss des Präparats 
auf die syphilitische Affection des Nervensystems und darunter (jetzt 
schon ausser Zweifel) auf die Tabes ist unverständlich. Es wäre weit 
seltsamer, wenn das Präparat unwirksamer gewesen wäre. 

Wir halten cs nicht für möglich, schon jetzt den Grad und die 
Grenzen des Einflusses des Präparats zu bestimmen, glauben aber getrost 
behaupten zu dürfen, dass sie mit der fortschreitenden Vervollkommnung 
der Anwendungsmethoden und der Dosierung unabwendbar fortschreiten 
werden. Neben dem Misstrauen in die Heilwirkung des Salvarsans 
wurde stets die Befürchtung ausgesprochen, dass man besonders bei 
Tabes von seiten des Sehnerven Complicationen erhalten würde. Dass 
diese Befürchtungen sich nicht verwirklicht haben, ist durch viele Arbeiten 
bereits erwiesen. Unser bescheidenes Material gibt uns doch das 
Recht, zu behaupten, dass wir viermal zweifellose Besserung des Seh¬ 
vermögens wahrgenommen haben, ohne auch nur in einem einzigen 
Falle eine im Vergleich zum normalen Verlauf irgend wie beschleunigte 
Verschlimmerung des bereits geschwächten Sehvermögens beobachtet zu 
haben. 

Von Erkrankungen, die ätiologisch mit der Syphilis gewöhnlich nicht 
in Zusammenhang gebracht werden, haben wir drei Fälle von Polyneuritis 
bei Syphilitikern mit positiver Wassermannscher Reaction beobachtet. 
In allen drei Fällen wurde anamnestisch starker Alkoholismus festgestellt. 
Die Schmerzen, die sich bei den Patienten des Nachts verschlimmerten, 
haben nachgelassen. In allen Fällen konnte man nicht nur Nachlassen 
der Schmerzen und allgemeine Wiederherstellung der Kraft, sondern an¬ 
scheinend auch Wiederherstellung der Sensibilität beobachten. 

Die Beobachtungen sind jedoch zu oberflächlich, als dass man irgend 
welche Schlüsse auf die specifische Bedeutung und Wirkung des Präparats 
ziehen dürfte. Vier Fälle von Neuritis bei Syphilitikern mit positiver 
Wassermannscher Reaction (zwei Fälle von Affection des N. ischiadicus, 
ein Fall von Affection des N. radialis und ein Fall von Affection des 
Plexus brachialis) zeigten unter dem Einflüsse der Behandlung mit Sal- 
yarsan iallein, also ohne Salicylpräparate und ohne äusserliche Mittel, 
Wannenbäder, Massage, nur ziemlich langsam Besserung, so dass wir 
uns nicht entschlossen konnten, die Massage noch länger hinauszuschieben, 
wodurch die Reinheit der Beobachtung gestört war. 

Drei Fälle von schwerer Neurasthenie (positive Wassermannschc 
Reaction) mit Nachlassen des Gedächtnisses, mit Kopfschmerzen und ver¬ 
ringerter Arbeitsfähigkeit zeigten rasch allgemeine Zunahme der Kräfte 
und der Stimmung, sowie Verschwinden der Kopfschmerzen. In einem 
Falle von Chorea minor bei einem 14 jährigen Knaben wurde ein positives 
Resultat nicht erzielt. Desgleichen blieb ein Fall von Atrophia mus- 
culorum progressiva bei einem hereditär belasteten (RW. -|—|—|-) Jüng¬ 
ling vollkommen unbeeinflusst. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 16. Bd. 3 g 


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Wie wurde nun die Behandlung vertragen? 

Auf diese Frage können wir mit Entschiedenheit folgendes ant¬ 
worten: vorzüglich, wenn sie mit genügender Vorsicht gehandhabt 
wurde. Die Complicationen der Salvarsaneinspritzungen mit Reaction 
von seiten der Temperatur sind fast vollständig verschwunden, seitdem 
die Bedeutung des Wasserfehlers erkannt wurde. Die Reaction, die wir 
als „anaphylaktoide“ (wegen ihrer äusseren Aehnlichkcit mit den ana¬ 
phylaktischen Erscheinungen) bezeichnet haben, scheint eigentlich weder 
durch die Dosen noch durch die Anwendungsmethode bedingt zu sein. 
Allerdings haben wir diese Reaction nur ab und zu beobachtet, seitdem 
wir die Methode der kleinen Dosen mit grossen Zwischenpausen verlassen 
haben. Drei- oder viermal haben wir sie bei der ersten Einspritzung 
von Salvarsan oder Neosalvarsan bei Patienten gesehen, die mit Arsen 
nicht behandelt worden sind. Alle diese Tatsachen zwingen uns, die 
Annahme fallen zu lassen, dass die Multiplicität der Injectionen sowie 
deren geringe Dosierung für die Entstehung der Reaction von exclusiver 
Bedeutung sind. 

Man muss jedoch zugeben, dass die Beschaffenheit der Methode in 
kleinen Dosen mit 14 tägigen Zwischenpausen zweifellos imstande ist, 
den Eintritt der Reaction häufiger zu machen und dieselbe zu steigern. 
Die Frage, ob es sich hier um eine Reaction auf die Salvarsangruppe 
oder das Arsen handelt, ist bis auf den heutigen Tag noch nicht end¬ 
gültig gelöst. Wechselmann, der unseren Hinweis auf die Bedeutung 
der wiederholten Injection sowie darauf, dass die Reaction besonders 
häufig bei Patienten mit Affection des Nervensystems beobachtet wird, 
bestätigt und der die Reaction als Reflex vom N. depressor erklärt, be¬ 
trachtet dieselbe als specifisch für die Salvarsangruppe. Wir können 
diese Annahme nicht bestätigen. Indem wir über Fälle verfügen, wo die 
Reaction nach Einführung von Neosalvarsan bei einem gegen Salvarsan 
empfindlichen Patienten aufgetreten ist, halten wir die negative Beob¬ 
achtung nicht für beweiskräftig, um so weniger, als die Reaction bei 
weitem nicht constant ist: Nachdem sie bei einer Injection aufgetreten 
ist, kann sie bei den folgenden Injectionen (mag es sich auch um Salvarsan 
handeln) ausbleiben. Zweifellos steht die Reaction von der „Temperatur- 
reaction“ abseits, d. h. letztere begleitete die erstere nach der Einführung 
der Wechsel mann sehen Technik (Beseitigung desWasserfehlers) nicht mehr. 
Desgleichen muss auch die Annahme einer Beeinflussung durch technische 
Fehler im allgemeinen und durch Alkalisation im speciellen in Wegfall 
kommen 1 )- Abgesehen davon, dass bei unserer jetzigen grossen Erfahrung 
und besonders bei vorsichtiger Alkalisation der Lösung (zur Vermeidung 
von Thrombophlebitis) jene Annahme vollkommen willkürlich erscheint, 
möchten wir darauf hinweisen, dass die Reaction wenn nicht häufiger, 
so doch mindestens ebenso häufig bei der Anwendung von Neosalvarsan 
beobachtet wird. Die Tatsache, dass wir die Reaction gerade dann 
häufiger als die anderen Autoren beobachteten, als wir uns der Methode 


1) Diese Annahme ist in der Anmerkung von Leredde zum Aufsatz von Karl 
Ziegler in den „Abhandlungen über Salvarsan“, Bd. 3, zum Ausdruck gebracht. 


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der kleinen Dosen mit grossen Zeitabständen bedienten, muss eben auf 
die Methode und ausserdem noch auf die Eigenarten des Materials 
(Affection des Nervensystems) zurückgeführt werden. 

Ohne uns auf Betrachtungen über das Wesen der Reaction einlassen 
zu wollen, behaupten wir, dass bei all ihrem theoretischen Interesse 
praktisch das eine wichtig ist: sie ruft irgend welche stabilen Verände¬ 
rungen augenscheinlich nicht hervor. Natürlich gibt uns dies nicht das 
Recht, zu sagen, dass diese Reaction überhaupt indifferent ist. 

Irgend welche bedeutenden Complicationen anderer Art, wie sie von 
anderen Autoren beschrieben werden, haben wir bis auf die mitgeteilten 
Fälle nicht beobachtet. Die von uns in der Regel wahrgenommene 
Exacerbation der Krankheitssymptome, speciell der Schmerzen, während 
der ersten 24 Stunden nach der Injection findet ihre Erklärung in der 
Herxheiraerschen Reaction. Dass man mit dieser ernst zu rechnen hat, 
zeigt unser Fall mit dem letalen Ausgang. 

Als Gegengewicht zu allen Complicationen, die beobachtet worden 
sind und eventuell noch beobachtet werden können, kommt die allgemeine, 
ausgezeichnete günstige Wirkung des Präparats auf das subjectivc Be¬ 
finden und auf die körperliche Stärke der Patienten in Betracht, was 
bei weitem nicht unwichtig ist. 

Auf Grund aller vorstehenden Ausführungen glaube ich folgendes 
behaupten zu dürfen: Die Anwendung von Salvarsan und von Neosal- 
varsan ist bei der Behandlung der Syphilis des Nervensystems nützlich. 
Bei vernünftiger Vorsicht und bei richtiger Technik ist sie ungefährlich, 
bei gewisser Beherrschung der Technik einfach. Welchem Präparat ist 
nun der Vorzug zu geben, dem Neosalvarsan oder dem Salvarsan? 

Ich glaube, dass der Unterschied in den therapeutischen Eigen¬ 
schaften der Präperate so geringfügig ist, dass die Wahl des einen der 
beiden Präparate von der persönlichen Sympathie, und von der Ge¬ 
wöhnung an die eine oder die andere Technik abhängt. Zwar ist die 
Anfertigung der Neosalvarsanlösung leichter, aber bei gewisser Uebung 
gelingt auch die Lösung des Salvarsans und die Alkalisation der Sal- 
varsanlösung rasch und genau. Ausserdem kann man, wenn man mit 
Salvarsan arbeitet, die Lösung für mehrere Kranke auf einmal anfertigen, 
was unter den Bedingungen der klinischen Arbeit wichtig, beim Neo¬ 
salvarsan aber absolut unzulässig ist, weil das letztere sehr rasche Arbeit 
erheischt. Von der geringen Anzahl von Complicationen, die mit dem 
Präparat als solchem und nicht mit der Herstellungstechnik der Lösung 
oder dem Injectionsprocess selbst im Zusammenhang stehen, werden 
Exantheme häufiger bei Neosalvarsan beobachtet. 

Welche Methode und Dosis sind zu wählen? 

Unsere Arbeit gibt auf diese Frage keine kategorische Antwort. 
Sofern wir die Resultate der von uns angewendeten, verschiedenen Me¬ 
thoden zusammenfassen können, können wir nur eins sagen: Den Vor¬ 
zug verdient die Methode der intravenösen Injection in 8 tägigen Zwischen¬ 
räumen; die Gesamtdosis, welche während der ganzen Cur zur Injection 
gelangt, muss weit grösser sein als diejenige, die man bis jetzt zu in- 
jicieren pflegt. Die Dosierung der einzelnen Injectionen muss man indi- 

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554 G. I waschenzoff, lieber die Salvarsantherapio der Syphilis des Nervensystems. 

vidualisieren, mit kleinen Dosen (0,3 Salvarsan bzw. 0,5 Neosalvarsan) 
beginnend und dann beim Erwachsenen nicht über 0,5 Salvarsan bzw. 
0,75 Neosalvarsan hinausgehend. Von der grossen Bedeutung der Arbeiten 
von Dreyfus und Leredde und anderer Autoren haben wir schon oben 
gesprochen. 

Der Erfolg eines jeden chemotherapeutischen Mittels setzt sich 1. aus 
der Specifität des Mittels und 2. aus der angewendeten Methode und 
Dosierung zusammen. 

Sämtliche Arbeiten der Anhänger des Salvarsans bestätigen, und 
sämtliche Arbeiten der Gegner können die Grundeigenschaft des Präparats, 
nämlich seiner specifischen Wirkung auf die Syphiliserreger nicht wider¬ 
legen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass das Salvarsan, wenn es in 
den verschiedenen Syphilisstadien angewendet wird, nicht in gleicher 
Weise wirksam ist. Neben der Frage der Zugängigkeit der Spirochäte 
in dem einen oder dem andern Stadium entsteht die Frage der even¬ 
tuellen Mutation der Spirochäten und der mit dieser verbundenen Schwan¬ 
kungen im Grade der Specifität des Präparats. Daran, dass jede 
Specifität verschwindet, kann man nicht wohl denken. Das ist der Grund, 
der mich schon früher veranlasste, zu sagen, dass nicht der Umstand 
wunderlich ist, dass das Präparat bei der Behandlung der Tabes wirk¬ 
sam ist, sondern dass es wunderlich wäre, wenn dasselbe indifferent ge¬ 
wesen wäre. Mi. das Präparat der Spirochäte der sagenhaft werdenden 
„Parasyphilis“ gegenüber weniger specifisch sein als der Spirochäte des 
III. Stadiums gegenüber. Specifisch ist aber doch das Präparat, und 
folglich geht die Frage der Heilkraft desselben auch in diesem Stadium 
lediglich auf rationelle Methoden und genügende Dosierung hinaus. So¬ 
lange uns das Laboratorium kein neues, wirksameres gegeben hat, sind 
wir verpflichtet, beharrlich, systematisch, entschieden und vorsichtig 
unsere Technik, unsere Methoden zu vervollkommnen, durch deren 
Variierung wir schon jetzt manche Erkrankungen heilen, andere, die 
aussichtslos galten, lindern. 


Dtück von L. Schumacher, Berlin N. 4. 


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