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Full text of "Zeitschrift Für Experimentelle Pathologie Und Therapie 17.1914 UM"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

EXPERIMENTELLE PATHOLOGIE 

UND 

THERAPIE. 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


L. BRIEGER (BERLIN), H. E. HERING (CÖLN), 
F. KRAUS (BERLIN), R. PALTAUF (WIEN), 
J. POHL (BRESLAU). 


SIEBZEHNTER BAND. ERSTES HEFT'. 

MIT 4 TAFELN UND 19 ABBILDUNGEN IM TEXT. 


BERLIN 1914. 

VERLAG VON AUGUST HIRSCHWALD. 

NW. UNTEB DEN LINDEN 08. 


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Inhalt. 


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I. Aus dor II. med. Klinik der Kgl. Charite, Berlin. Die Beziehungen 

der Form der Initialgruppe des Elektrocardiogramms zu den beiden 
Herzventrikeln. Von G. F. Nicolai (Berlin) und S. Vögelmann 
(Moskau). (Mit 3 Abbildungen im Text.). 1 

II. Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charite, Berlin (Director: Geh-Rat 
Prof. Dr. Kraus). Der Einfluss des Lebensalters auf die relative 
Grösse der J- und Jp-Zacke. Von Dr. S. Vögelmann (Moskau). 

(Mit 2 Abbildungen im Text.). II 

III. Aus der hydrotherapeut. Anst. der Univ. Berlin (Leiter: Geh. Med.-Rat 
Prof.Dr. Brieger). Untersuchungen über dasWesen der hydriatischen 
Reaction. Von Arthur Hirschfeld. (Mit 3 Abbildungen im Text.) 16 

IV. Aus dem pharmakologischen Inst, der Univ. Tokio. Experimentelle 

Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich zur Beriberi des 
Menschen. Von Dr. med. R. Tasawa, Assistenten am Institut . . 27 


V. Aus der med. Poliklinik der Univ. Bern (Director: Prof. II. Sahli — 
Oberarzt: Priv.-Doc. Dr. Fritz Seiler). Untersuchungen über die 
BeeinflussungderLeukocytenzahlen durch DigitalisunddioCombination 
von Digitalis und salicylsaurem Natrium. Von Mauja Löwenstein 
(Kischinew).- 47 

VI. Aus der III. med. Klinik der Univ. in Wien (Vorstand: Prof. Dr. 

F. Chvostek). Beiträge zur Pathologie des Oedems. (1. Mitteilung.) 

Von Dr. L. Hess und Dr. H. Müller. 7)0 

VII. Aus der III. med. Klinik der Univ. in Wien (Vorstand: Prof. Dr. 

F. Chvostek). Beiträge zur Pathologie des Oedems. (2. Mitteilung.) 

Von Dr. L. Hess und Dr. H. Müller. 72 

VIII. Aus der III. med. Klinik (Vorst.: Prof. Chvostek) und dem Inst, 
f. allg. u. exp. Pathol. (Vorst.: Hofrat Paltauf) der k. k. Univ. Wien. 

Ueber experimentellen Morbus Brightii. Von J. Wiesel und L. Hess. 

(Hierzu Tafeln I—IVund 7 Abbildungen im Text.).74 

IX. StudieüberdieChemiederNierensteine. Von Max Kahn, M.D.,Ch.D., 

New York, Director des Beth Israel Hospital, Chemisches Laboratorium 88 

X. Aus d. pharmakol.lnst. d. Univ. Jena. Ueber den Einfluss von Chloriden 

auf die Resorption von Sulfatlösungen im Dünndarm. Von H. Kionka 98 
XL Aus dem pharmakol. Inst, der Univ. Jena. Die Wirkungen der Erd¬ 
alkalien auf das isolierte Froschherz. Von H. Kionka . . . . 108 

XII. Aus dem pharmakol. Inst, der k. k. böhmischen Univ. in Prag (Vorst.: 

Prof. K. Ritter v. Lhotäk). Kritisches und Experimentelles über die 
cumulativeWirkungder Strophanthine. Von cand. med. Kare 1 Klein, 
Demonstrator am Institut. (Mit 2 Abbildungen im Text.) ... 127 

XIII. Aus dem pharmakol. Inst, der k. k. böhmischen Univ. in Prag (Vorst.: 

Prof. K. Ritter v. Lhotäk). Ueber die Gewöhnung an Strophanthin, 
mit Benutzung eines reflektorischen Speichelflusses als Indicator 
studiert. Von cand. med. Karel Klein, Demonstrator am Institut. 

(Mit 2 Abbildungen im Text.).143 


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Aus der II. medicinischen Klinik der Königlichen Charite, Berlin. 

Die Beziehungen der Form der Initialgruppe 
des Elektrocardiogr&mms zu den beiden Herzventrikeln. 

Von 

G. F. Nicolai (Berlin) und S. Vögelmann (Moskau). 

(Mit 3 Abbildungen im Text.) 


An der Tatsache, dass das Elektrocardiogramm ein Aequivalent der 
mechanischen Herztätigkeit ist, zweifelt heute wohl niemand mehr, und 
wenn August Hoffmann 1 ) einmal gesagt hat, dass das Elektrocardio¬ 
gramm mit der Contraction nichts zu tun habe, so dürfte er wohl selbst 
diesen vor einigen Jahren ausgesprochenen Satz kaum noch aufrecht er¬ 
halten wollen. 

Auch darüber herrscht wohl heute keine Meinungsverschiedenheit 
mehr, dass die A-Zacke (P-Zacke nach Einthoven) das Aequivalent 
der Vorhofstätigkeit ist; nachdem Einthoven 2 3 ) selbst seine frühere ab¬ 
weichende Meinung 8 ) berichtigt hatte, ist dies durch die Untersuchungen 
von Kraus und Nicolai 4 ) und von Samojloff 5 ) einwandfrei sicher¬ 
gestellt worden. 

Endlich gehen auch darüber die Meinungen nicht mehr auseinander, 
dass die Summe aller übrigen Zacken, d. h. also die J-Zackengruppc 
und die F-Zackengruppe (Einthoven Q-, R-, S-, T-, U-Zacken) im ganzen 
das Aequivalent der Ventrikeltätigkeit ist. Auch dies ist durch die Arbeit 
von Einthoven 6 ) Samojloff 7 ), Kraus und Nicolai 4 ) vollkommen 
sichergestellt worden. Sogar noch etwas weiter geht die Uebereinstimmung, 


1) Hoffmann, Die Kritik des Elektrocardiogramms. Verhandl. d. 26. Congr. f. 
innere Med. 1909. 

2) Einthoven, Weiteres über das Elektrocardiogramm. Pflügers Arch. Bd. 122. 
S. 575. 

3) Derselbe, Lieber das menschliche Elektrocardiogramm. Ebenda. Bd. 80. 
S. 152. 

4) Kraus und Nicolai, Das Elektrocardiogramm des gesunden und kranken 
Menschen. Berlin 1910. 

5) Samojloff, Engolmanns Arch. f. Anat. u. Physiol. Suppl. 1906. S.207. — 
Weitere Beiträge zur Elektropbysiologie des Herzens. Pflügers Arch. Bd. 135. S. 417. 

6) Einthoven, Ueber das menschliche Elektrocardiogramm. Pflügers Arch. 
Bd. 80. S. 152. — Weiteres über das Elektrocardiogramm. Ebenda. Bd. 122. S. 573. 

7) Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Pflügers 
Arch. Bd. 135. S. 468. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 17. Bd ] 


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G. F. Nicolai und S. Vögel mann, 


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niemand leugnet, dass die Initinalzackengruppc den Anfang (lnitium) und 
die Finalzackengruppe das Ende (Finis) der Ventrikeltätigkeit bedeutet. 
Es geht dies — abgesehen von den Untersuchungen der oben genannten 
Forscher — vor allem aus den messenden Versuchen von Rautenberg 1 ) 
und Kahn 2 3 ) hervor. 

Da also, wie gesagt, die Bedeutung der Atriumgruppe und der 
Ventrikelschwankung (bestehend aus Initial- und Finalgruppe) ganz zweifels¬ 
ohne ihren jedesmaligen Bezeichnungen entspricht, so wollen wir in 
Folgendem diese Bezeichnungsweisc auch beibehalten. 

Differenzen bestehen nur über die Frage, ob und inwieweit im 
einzelnen die Form der Ventrikelschwankung (J -f- F) mit der mechanischen 
Tätigkeit des Herzens in Uebcreinstimmung zu bringen ist. Da unsere 
Feststellungen, unabhängig von ihrem rein tatsächlichen Wert, auch auf 
diese Frage, welche jüngst von dem einen von uns 8 ) in Pflügers Archiv 
sehr ausführlich behandelt worden ist (worauf wir verweisen), ein neues 
Licht zu werfen geeignet sind, wollen wir das wesentliche der dies¬ 
bezüglichen Differenzen auseinandersetzen. 

Kurz zusaramenfassend kann man sagen, dass es in dieser Beziehung 
zwei Meinungen gibt, denn erstens kann man annehmen, dass das Herz 
sich in allen seinen Fasern gleichzeitig zusamraenzicht und dass daher 
das Elektroeardiogramm der Ausdruck einer einmaligen Muskelcontraction 
sei. Während nun aber der Skelettmuskel bei einer derartigen Contraction 
einen diphasischen Strom hervorruft, sei der Herzmuskel so beschaffen, 
dass er einen derartig eigentümlichen Strom aufweist, wie ihn die 
Ventrikelschwankung mit ihren vier, fünf oder auch noch mehr Zacken 
bietet. Diese Ansichten stützten sich ursprünglich hauptsächlich auf 
Versuche (an Tieren, auch niederen), wonach fast alle Herzen, auch bei 
einfachster Zusammensetzung ein dem menschlichen Herzen ähnliches 
Elektroeardiogramm zeigen sollten. Dies ist, wie aus vorläufig noch 
nicht veröffentlichten Versuchen hervorgeht, nur insofern richtig, als eben 
alle Wirbeltierherzen embryonal eine Schleife bilden, während es 
weder für das Krebsherz noch etwa für die einzelnen Herzabschnitte 
irgendwie zutrifft. Neuerdings treten — wenigstens bedingt — für diese 
Ansicht auch Garten 4 * * ) und seine Schüler ein, die auch beim mensch¬ 
lichen Herzen unter Bedingungen, wo sie es anders erwartet hätten, ein 
normales Elektroeardiogramm erhalten haben. 

Wir können an dieser Stelle auf eine Kritik dieser Versuche nicht 
eingehen, sondern stellen ihnen einfach die andere auch von uns ver¬ 
tretene Meinung gegenüber; denn zweitens kann man annehmen, dass das 

1) Rauten b erg, Elektroeardiogramm und Herzbewegung. Berlinerklin.Wochen¬ 
schrift. 1910. S. 2193. 

2) Kahn, Zeitmessende Versuche an Elektrocardiogrammen. Pflügers Arch. 
Bd. 132. S. 227—228. 

3) Nicolai, Principielles und Experimentelles über das Elektroeardiogramm. 
Pflügers Arch. 1914. Bd. 155. S. 97. 

4) Garten, Zusatz zu der Arbeit von E. Clement. Zeitschr. f. Biolog. 1912. 

Bd. 58. S. 130. — Die Production von Elektricitat. Handb. d. vergl. Physiol. 1910. 

Herausgegeb. von Winterstein. 


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Beziehung, der Initialgruppe des Elektrocardiogramms zu den beiden Herzvontrikeln. 3 

Herz sich nicht synchron, sondern successive zusammenzieht, und dass 
der durch die Erregungsleitung bestimmte Weg der Con- 
tractionswelle die specielle Form des menschlichen Elektro¬ 
cardiogramms wie die übrigen Tierelektrocardiogramme be¬ 
dingt. 

Diese zuerst von Gotch 1 ) für das Tierherz und von Nicolai 2 ) für 
das Säugerherz ausgesprochene Ansicht ist wohl heuto im Princip von 
den meisten Forschern acceptiert (Einthoven, Hoffmann, die Wiener 
Schule usw.), wenn auch im einzelnen über die Art des Erregungs¬ 
ablaufes durchaus noch keino Uebereinstimmung zwischen den Forschern 
herrscht. 

Diese Meinungsdifferenzen sind für unser Thema belanglos, dagegen 
ist es notwendig, auf gewisse, leider niemals beachtete Consequenzen 
hinzuweisen, die jenachdem verschieden sind, ob man im Elektro- 
cardiogramm das Abbild des elementaren Muskelstroms oder — wie wir 
es tun — die Folge einer Contractionswelle sieht. 

Wenn nämlich das Elektrocardiograram die Muskeltätigkeit unabhängig 
von der Art ihres Ablaufes zum Ausdruck bringen würde, so könnte das 
Elektrocardiogramm dadurch nicht geändert werden, dass man den Er¬ 
regungsablauf ändert. Wenn sich also bei einer experimentell erzeugten, 
oder sonstwie sicher beobachteten Aenderung des Erregungsablaufes eine 
nachweisliche Aenderung des Elektrocardiogramms ergeben sollte, so 
spricht dies ganz unbedingt dafür, dass in der Form des Elcktrocardio- 
gramms tatsächlich der Erregungsablauf eine wesentliche Rolle spielt. 

Diese Aenderung des Erregungsablaufes lässt sich nun aber auf zwei 
ganz verschiedene Ursachen zurückführen: 

1. Selbstverständlicherweise auf eine Aenderung des Erregungs¬ 
ablaufes im Herzen, 

2. auf eine Lageveränderung des ganzen Herzens. 

Denn die Verlagerung des Herzens im Körper, an dem von un¬ 
veränderlichen Stellen aus abgeleitet wird, ist darum nichts anderes als 
eine Aenderung des Erregungsablaufes, weil — gleichgültig wie auch der 
Erregungsablauf im einzeln verläuft — eine Verschiebung des Herzens 
den Erregungsablauf relativ zum Körper ändern muss. Denken wir uns 
in Abb. 1 die Lage des Herzens schematisch jedesmal durch das schraffierte 
Feld und den Erregungsablauf durch den Pfeil angedeutet, so kommt es 
für die Form des Elektrocardiogramms natürlich nur darauf an, wie der 
Pfeil relativ zu den beiden ableitenden Elektroden Ar und Al verläuft. 
Man sieht aus der Abbildung sehr deutlich, dass die normale Form 

1. auch dann vorhanden ist, wenn in dem steilgestellten Herzen 
die Erregung mehr nach dem linken Ventrikel zu verläuft (Abb. 1B), 
bzw. in dem quergelagerten Herzen mehr nach dem rechten Ventrikel 

1) Gotch, Preliminary Com. Proc. Roy. Soc. Vol. 79. p. 323. 

2) Nicolai, Ueber den Ablauf der Erregungsleitung im Säugetierherzen. Central¬ 
blatt f. Physiol. 1907. Bd. 21. H. 20. S. 679-682. 

1 * 


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G. F. Nicolai und S. Vögelmann, 


zu verläuft (nicht gezeichnet), dass die Form aber gleichmässig 
abgeändert wird, wenn 

2. das ganze Herz steil steht (Abb. 1 C) oder die Erregung in dem 
normal gelagerten Herzen mehr nach dem rechten Ventrikel ver¬ 
läuft (Mitralform) (Abb. 1 D), 

3. das ganze Herz quergelagert ist (Abb. IE) oder die Erregung in 
dem normal gelagerten Herzen mehr nach dem linken Ventrikel 
verläuft (Aortenform) (Abb. 1 F). 


Abb. 1. 



Normale Lagerung mit Steile Lagerung mit Quere Lagerung mit 

normalem Erregungsablauf. normalem Erregungsablauf, normalem Krrcgungsablauf. 



Steile Lagerung mit Normale Lagerung mit Normale Lagerung mit 

linksgerichtetem Ablauf. rechtsgerichtetem Ablauf. linksgerichtetem Ablauf. 


Dass tatsächlich eine Verlagerung des Herzens von Einfluss auf die 
Form des Elektrocardiogramms und insonderheit auf die Form der Initial¬ 
gruppe ist, konnte schon Aug. Hoffmann 1 ) gemeinschaftlich mit seinem 
Schüler Grau 2 ) zeigen. Denn wenn durch irgend welchen Einfluss die 
Spitze des Herzens nach rechts verlagert wird, so wird die Jp-Zacke 
relativ grösser, wenn dagegen die Herzspitze durch irgend welchen Ein¬ 
fluss nach links verlagert wird, so wird die Jp-Zacke kleiner. 

Die Versuche Hoffmanns bestätigen also in gewisscrWeise unsere 
Ansicht. 

Man kann aber der Entscheidung dieser Frage auch auf anderem 
Wege näher kommen. Man kann nämlich zu bestimmen versuchen, ob 
im Durchschnitt eine regelmässige Beziehung besteht zwischen den Elektro- 

1) Aug. Hoffmann, Zur Deutung des Elektrocardiogramms. Pflügers Arch. 
1910. H. 11 u. 12. S. 577. 

2) Grau, Ueber den Einfluss der Herzlage auf die Form des Elektrocardiogramms. 
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 69. H. 3 u. 4. 


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Beziehung, der Initialgruppe des Elektrocardiogramms zu den beiden Herzventribeln. 5 


cardiogrammen und der gleichzeitig beobachteten Röntgenform des Herzens. 
Es ist dabei — aus den an der Hand der in Abb. 1 auseinandergesetzten 
Gründen — gan? gleichgültig, ob die röntgenologische Formänderung in 
einer Verlagerung des Herzens besteht oder ob sie dadurch zustande ge¬ 
kommen ist, dass der rechte bzw. linke Ventrikel hypertrophiert ist und 
daher die Erregung im Herzen mehr oder weniger dem rechten bzw. 
linken Ventrikel zugeführt wird. 

Für die Beurteilung dieser Frage kommt aus denselben Gründen, 
aus denen Linetzky 1 ) die Beziehung des Elektrocardiogramms zu dem 
Lebensalter, Herzgrösse und dem Blutdruck auf statistischer Grundlage 
aufgebaut hat 1 ), ebenfalls nur die Methode der grossen Zahlen in Betracht. 

Als Material wurde zum Teil dasselbe Material benutzt, das schon 
Linetzky seinen Rechnungen zu Grunde gelegt hatte. 

Wir wollen aber bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass die Linetzky- 
schen Resultate für die Frage, ob das Elektrocardiogramm vom Er¬ 
regungsablauf abhängig ist, nicht in Betracht kommen. Er hatte seiner¬ 
zeit den Einfluss von Alter, Blutdruck und Herzgrösse auf das Elektro¬ 
cardiogramm studiert. Nun könnte man aber, ausgehend von der 
Gartenseiten*) Vorstellung, sagen, dass, wenn diese Factoren das Bild 
des Elektrocardiogramms zu ändern imstande sind, das eben daran liegt, 
dass der alte Muskel an sich ein anderes Elektrocardiogramm gibt, bzw. 
dass der Muskel, der gegen einen hohen Widerstand arbeitet, eine andere 
Zuckungsform und daher auch ein anderes Elektrocardiogramm habe als 
der Muskel, der gegen niederen Widerstand arbeitet; auch der Einfluss 
der Herzgrösse wäre nicht absolut beweisend. Da grosse Horzen auch 
meist mehr oder weniger pathologisch sind, so könnte ein solcher Zustand 
auch auf die histologischen Eigenschaften des Muskels von Einfluss sein, 
und dies könnte eine Aenderung des Elektrocardiogramms ergeben, auch 
wenn seine Form nur vom einzelnen Muskel abhängen würde. 

Anders ist es, wenn man den isolierten Einfluss des rechten und 
des linken Herzens auf das Elektrocardiogramm untersucht. Wenn die 
Vergrösserung des rechten Herzens einen anderen (eventuell sogar einen 
entgegengesetzten) Einfluss als die Vergrösserung des linken Ventrikels 
auf das Elektrocardiogramm ausübt, so kann dies nur daran liegen, dass 
eben die einzelnen Teile des Elektrocardiogramms von verschiedenen 
Teilen des Herzens beeinflusst werden. 

Die Ergebnisse dieser statistischen Rechenarbeit sind in Folgendem 
niedergelegt, und zwar ist vorläufig nur der Versuch gemacht, die Form 
der Initialgruppe in Beziehung zu bringen zur Grösse des rechten und 
des linken Ventrikels. Es scheinen ähnliche Beziehungen auch für die 
Finalgruppe zu bestehen (bei überwiegendem rechten Herzen ist 
F. grösser als bei überwiegendem linken Herzen), doch möchten 
wir dies einer späteren Arbeit überlassen, da wir uns bei dieser Be¬ 
hauptung nicht auf genau bestimmte Zahlen beziehen können. 

1) Linetzky, Die Beziehungen der Form des Elektrocardiogramms zu dem 
Lebensalter, der Herzgrösse und des Blutdrucks. Diese Zeitschr. S. 675. 

2) Garten, Zusatz zu der Arbeit von E. Element. Zeitschr. f. Biol. 1912. 
Bd. 58. S. 130. 


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G. F. Nicolai und S. Vögelmann, 


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Material. 

Am günstigsten wäre es, nur gesunde und normale Subjectc zu unter¬ 
suchen. Da wir aber niemals genau wissen, ob ein Herz gesund, vor 
allem nicht, ob es normal ist, und da ausserdem auch physiologische 
Bedingungen, z. ß. das Alter, von grossem Einfluss sind, so kann man 
aus dem mehr oder weniger pathologischen Material nur dann richtige 
Urteile gewinnen, wenn man eine grosse Zahl von Fällen betrachtet. 
Nur dann können die kleinen Schwankungen, die durch Alter, Lage, 
Blutdruck und verschiedene andere Störungen bedingt sind, ausgeglichen 
werden. 

Das Material, welches uns zur Verfügung stand, umfasste Elektro- 
cardiograrame und Röntgenogramme von etwa 1800 Patienten. Aus 
dieser Zahl wurden auf Grund der Anamnese und des objectiven Unter¬ 
suchungsbefundes alle diejenigen ausgeschlossen, welche an hochgradiger 
Arteriosklerose litten, welche dauernde Extrasystolien und Allodromien 
aufwiesen. Die jugendlichen Personen unter 20 Jahren, die aus bisher 
unaufgeklärtem Grunde sehr grosse Jp-Zacken haben, wurden weggelassen. 
Es blieben dann noch etwa 500 Patienten übrig, deren Elektrocardio- 
grarame und Röntgensilhouette ausgemessen werden konnten. 

Ergebnisse der Statistik. 

ln jeder der 500 Elektrocardiogrammkurven wurde die J-Zacke so 
wie die Jp-Zacke in mindestens 5 Einzel-Elektrocardiograramen sorgfältig 
gemessen und dann jedesmal der Mittelwert berechnet. Aus der so ge¬ 
messenen Grösse der J- und Jp-Zacke wurde dann das Verhältnis der 
beiden Zacken bestimmt, wobei jedesmal der Wert der Jp-Zacke = 1 ge¬ 
setzt wurde. Wenn also beispielsweise die J-Zacke = 13 und die Jp- 
Zacke = 3 mm gemessen wurde, so wurde das Elektrocardiogramm unter 
4,3 rubriciert (denn die J-Zacke war 4,3 mal grösser als die Jp-Zacke). 
Es geschah dies, um die einzelnen Elektrocardiogramme leichter gruppieren 
zu können. Andererseits wurden die Abstände des rechten und linken 
Herzrandes von der Mittellinie in den vorhandenen Röntgensilhouetten ge¬ 
messen. Aus denselben Gründen wie bei den Elektrocardiogramraen wurde 
auch hier nur die Verhältniszahl genommen, und zwar setzten wir den 
rechten Diameter = 1. Wenn also z. B. der rechte Diameter 4 und der 
linke 7 betrug, so wurde das Röntgenograram unter 1,75 rubriciert (denn 
der linke Diameter war 1,75 mal grösser als der rechte). 

Die einzelnen Fälle wurden nach dem röntgenologisch ermittelten 
Verhältnis des linken zum rechten Diameter transversus geordnet. Wir er¬ 
hielten Werte von 1,2—3,6 (der Wert 1,2 bedeutet, dass das Herz ziemlich 
central steht, der Wert von 3,6 bedeutet, dass der linke Ventrikel sehr 
stark hypertrophiert ist). Entsprechend dieser röntgenologischen Skala 
wurden die Elektrocardiogramme in 13 Gruppen eingeteilt, und in jeder 
Gruppe wurden die Mittelwerte aus dem Verhältnis von J zu Jp bestimmt, 
und zwar wurde dieser Mittelwert für je 100 Elektrocardiogramme immer 
einzeln bestimmt, um es anschaulich zu machen, welche Abweichungen 
von den gefundenen Mittelzahlen etwa Vorkommen. Die folgende Tabelle 


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Beziehung, der Initialgruppe desElektrocardiogramms zu den beiden Herzventrikeln. 7 


enthält die Zusammenstellung der Resultate und dürfte nach dem Ge¬ 
sagten sich selbst erklären. Die Mittelwerte aus allen Messungen sind 
in der fettgedruckten Zahl angegeben, darunter befindet sich der wahr¬ 
scheinliche Fehler, der nach der Gausschen Formel berechnet wurde, 

F = ± 0,674 

f n-(n—1) 

in welcher F den wirklichen Fehler, S die Summe der Quadrate aus den 
Abweichungen der einzelnen Werte vom Mittelwert bezeichnet, und n die 
Anzahl der Beobachtungen. 



Mittelwerte 

Das Verhältnis des linken zum rechten Mittclabstand nach Rüntgenogramm 


aus je 

1,2 

1,4 

1,6 

1,8 

2,0 

2,2 

2,4 

2,6 

2,8 

3,0 

3,2 

3,4 

3,6 

o, / 

© 1 

II 1 
) 

•o «- ( 

1. Hundert 

2. Hundert 
8. Hundert 

4. Hundert 

5. Hundert 

2,6 

2,4 

2,3 

2,9 

3,0 

2,4 

2.3 

3.2 
2,5 
2,5 
2,4 

2.3 

3.8 

2.8 
2,7 
2,5 
2,4 

3.9 
3,0 
3,0 

2.9 
2,6 

4,0 

3.3 
3,1 

2.3 
2,7 

4,0 

3,6 

3,1 

3,0 

2,8 

4.2 

3.9 

3.2 
3,1 

2.9 

4,4 

4.2 
3,6 

3.2 
3,1 

4,7 

4.3 
4,0 

3.4 
3,3 

4,6 

4,0 

4,1 

3,5 

4.9 
5,1 
4,5 

3.9 

5,5 

6,2 

5,2 

4,4 

1 

Mittelwert 

2,4 

2,6 

|2,6 

2,9 

1 8,1 

3,1 

8,3 

3,5 | 

3,7 i 

3.9 

4,0 | 

4,6 

5,3 

I 

® cö f 
SN ( 

ä 

Wahrschein¬ 
licher Fehler 

j- 

0,06 

0,12 

0,11 

0,17 

0,15 

0,19 

0,15 

0,17 

0,18 

0,18 

0,15 

0,18 

0,25 


Uebersichtlicher erscheinen die Resultate in den Kurven der Abb. 2. 
Hier bezeichnet die Abscisse das Verhältnis des linken zum rechten 
Ventrikel, dio Ordinate das Verhältnis der J-Zacke zur Jp-Zacke; jo 
weiter nach rechts, desto grösser ist also relativ der linke Ventrikel, 
je weiter nach oben, desto grösser ist also relativ die J-Zacko 1 ). 

Da alle Kurven von links unten nach rechts oben verlaufen, so sieht 
man deutlich: je grösser der linke Ventrikel, desto grösser ist J, 
und da die Kurven auch nach links und unten verlaufen, so sieht man 
deutlich: je grösser der rechte Ventrikel, desto grösser ist Jp. 

Die nicht unterbrochenen Linien geben die Ergebnisse von je 100 Einzel¬ 
messungen wieder, und man sieht, dass die Kurven zwar im einzelnen 
etwas von einander abweichen, aber doch im ganzen annähernd identisch 
verlaufen. 

Die Mittelwerte werden durch die stark ausgezogeno mittlere (puncticrt 
gezeichnete) Kurve dargestellt, und die sie umgebende schraffierte Fläche 
bezeichnet die wahrscheinliche Fehlerbreite. 

Man erkennt daraus deutlich, dass der Einfluss des Verhältnisses 
des rechten zum linken Ventrikel auf das Elektrocardiogramm 
auf alle Fälle ausserhalb der Fehlergrenze liegt. Denn es lässt 

1) In den Kurven sind die Punkte genau angegeben, in der Tabelle sind da¬ 
gegen der Uebersicbtlichkeit halber die zweiten Decimalen überall (ausser beim wahr¬ 
scheinlichen Fehler) weggelassen. In der letzten Columne findet sich ausserdem eine 
allerdings vollkommen belanglose Differenz (5,3 statt 5,2 in der Kurve), worauf dieso 
beruht und ob die Zahl 5,2 oder 5,3 richtig ist, lässt sich im Augenblick nicht an¬ 
geben, da Herr Dr. Vögel mann die Kurven mit nach Russland genommen hat und 
jetzt wegen des Krieges nioht erreichbar ist. 


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8 


G. F. Nicolai und S. Vögelmann, 


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sich eine annähernd gleichmässig gekrümmte parabelförraige Linie durch 
das schraffierte Feld legen. An Zahlen ergibt sich folgendes: 

Wenn der rechte Ventrikel annähernd ebenso gross ist wie der 

linke (^=1,2), so ist die Jp-Zacke relativ gross (etwa 40 pCt. der 
J-Zacke), wenn dagegen der linke Ventrikel den rechten an Grösse weitaus 
überwiegt (51 = 3,6), so ist die Jp-Zacke nur halb so gross (etwa 20pCt. 
der J-Zacke). 

Diese eben angegebenen Verhältniszahlen sind sicherlich richtig, 
und damit dürfte erwiesen sein, dass das Verhältnis des rechten zum 
linken Ventrikel, oder genauer gesagt, des rechten zum linken Diameter 
transversus von wesentlichem Einfluss auf die Form der J-Gruppe ist. 

Die absoluten Werte der einzelnen Zacken, die wir unseren Berechnungen 
zugrunde gelegt haben, sind dagegen aus folgenden Gründen nicht richtig. 

Es musste uns auffallen, dass im ganzen und im Durchschnitt die 
J-Gruppe grösser ist als es in dem Buch von Kraus und Nicolai im 
Durchschnitt angegeben ist. Es liess sich leicht feststellen, dass dies 
daran lag, dass wir bei diesen Versuchen diesmal unseren Berechnungen 
Kurven zugrunde gelegt haben, die nicht wie früher mit dem Edelmann- 
schen Saitengalvanometer aufgenommen waren, sondern mit einem Apparat, 
den der eine von uns durch die Firma Dr. Erich F. Huth hat construieren 
lassen. Diese Apparate zeichnen nun leider, wie wir uns gerade bei dieser 
Gelegenheit überzeugen konnten, nicht dasselbe Elektrocardiogramm wie die 
Einthovenschen und Edelmannschen Apparate, und zwar dürfte diese 
unangenehmeTrägheit, abgesehen von anderen Umständen, daher rühren, dass 
es der Firma Huth — wenigstens damals — nicht gelang, so dünne Fäden, 
wie Edelmann sie besitzt, herzustellen. Für die hier vorliegenden Fragen, 
wo es sich ja nur um Verhältniszahlen handelt, kommt dieser Umstand 
nicht in Betracht, für andere Dinge jedoch dürfte dies ungemein wichtig 
sein. Wir können daher die günstige Empfehlung, die wir seinerzeit dem 
Huthschen Instrumentarium ausgestellt haben, nicht mehr aufrecht er¬ 
halten. Vor allem auch, weil die Firma Huth nicht in der Lage oder 
nicht gewillt war, die mannigfachen Uebelstände abzustellen. In der 
II. medizinischen Klinik der Charite wird daher von jetzt ab wieder der 
Edelmannsche Apparat benutzt 1 ). 

1) Der erste mir seinerzeit gelieferte Apparat zeigte diesen Fehler nicht, offenbar 
war er mit einem von der Firma Edelmann gelieferten Faden versehen, ich muss 
also bedauern, in meiner damaligen Mitteilung einer Täuschung zum Opfer gefallen 
zu sein. Da der von der Firma Huth gelieferte Apparat auch in sonstiger Beziehung 
erhebliche technische Mängel hat, von denen ich damals glaubte, dass sie bei der 
späteren Fabrikation behoben werden könnten, was jedoch nicht geschehen ist, so habe 
ich die Firma Edelmann gebeten, nach denselben praktischen Principien, nach denen 
ich seinerzeit den Apparat bei der Firma Huth habe anfertigen lassen, einen praktischen 
Elektrocardiographen für den Arzt zu construieren. Wie die Firma mir mitteilt, sind 
die Vorarbeiten so weit vorgeschritten, dass dieser Apparat demnächst fertiggcstell 
sein wird. Dieser Apparat wird dann hoffentlich die Vorzüge eines bequem zu hand¬ 
habenden Instruments mit der von den älteren Apparaten dieser Firma her bekannten 
vorzüglichen Empfindlichkeit vereinigen. 


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10 Nicolai u. Vögel mann, Bezieh, der Initialgruppe des Elektrocardiogramms usw. 


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In der Abb. 3 sind die Herz-Röntgensilhouetten gezeichnet und die 
dementsprechenden Elektrocardiograrome. 

Abb. 3. 















— 







1 






1 





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V 






v 




1 


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J 





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□ 




r 













-- 

— 



Zusammenfassung. 

Aus unseren Versuchen geht also in tatsächlicher Beziehung hervor, 
dass bei grossem linken Ventrikel die J-Zacke, bei grossem rechten 
Ventrikel die Jp-Zacko wächst. 

Wir folgern aus diesen Versuchen: 

1. Dass es richtig ist, dass die erste Ableitung (das Zweihände- 
Elcktrocardiogramra) am besten das relative Verhältnis vom 
rechten zum linken Ventrikel wiedergibt, wie es der eino von 
uns an anderer Stelle schon aus theoretischen Gründen wahr¬ 
scheinlich gemacht hat. 

2. Dass die Möglichkeit einer Veränderung der J-Gruppe durch eine 
abweichende Stellung des Herzens (also durch einen abweichenden 
Contractionsablauf, relativ zu den beiden Armen) beweist, dass 
die einzelnen Teile des Elektrocardiogramms von verschiedenen 
Teilen des Herzens bedingt werden. 


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II. 


Aus der II. medicinischcn Klinik der Königlichen Charite, Berlin 
(Director: Geh.-Rat Prof. Dr. Kraus). 

Der Einfluss des Lebensalters auf die relative Grösse 
der J- und Jp-Zacke. 

Von 

Dr. S. Vögelmann, Moskau. 

(Mit 2 Abbildungen im Text) 


Funaro und Nicolai (1) haben zuerst gezeigt, dass die Jp-Zacke 
bei Säuglingen aussorordentlich gross ist, eventuell sogar grösser als die 
J-Zacke. Diese auffallende Grösse bleibt bis zum ersten Jahre bestehen, 
dann sinkt sie sehr rasch. Heubner(2) hat deswegen die Jp-Zacke als 
Säuglingszacke bezeichnet. Auch Kraus (3) sagt in den Verhandlungen 
der Gesellschaft der Naturforscher und Aerzte, dass die „Jp-Zacke“ bei 
Kindern und jungen Erwachsenen, hauptsächlich bei dem weiblichen Ge¬ 
schlecht, relativ gross sei. 

Es fragt sich nun, ob die Jp-Zacko auch im späteren Lebensalter 
sich mit den Jahren noch weiterhin verändert. Da diese Aenderungen 
zweifellos relativ klein sind, lässt sich diese Frage sicher nur auf der 
Grundlage eines grossen statistischen Materials entscheiden. Die einzige 
Arbeit, welche sich in dieser Weise mit dem Einfluss des Lebensalters 
auf das Elektrocardiogramms beschäftigt, ist die von Linctzky (4), doch 
hat dieser nur die J- und F-Zacke berücksichtigt. 

Ich folgte daher gern einer Aufforderung von Prof. Nicolai, diese 
Lücke auszufüllen, und habe aus dem Material, das schon in meiner 
Arbeit mit Nicolai (5) beschrieben ist, die Grösse der Jp-Zacke für die 
einzelnen Lebensalter nach denselben Prinzipien, die dort, sowie in der 
Arbeit von Linetzky (4) geschildert sind, berechnet. Doch zeigte es 
sich, dass die Durchrechnung von 400 Elektrocardiogrammen bereits ge¬ 
nügte, da ich hierbei einwandfreie und vergleichbare Resultate erhielt. 

Da das Material, das mir zur Verfügung stand, nur verhältnismässig 
sehr wenig Kinder-Elektrocardiogramme enthielt, war ich gezwungen, nur 
die Altersstufen über 15 Jahren zu berücksichtigen. Die gewonnenen 
Resultate sind in bezug auf die absolute Grösse der einzeluen Zacken 
nicht ohne weiteres mit den betreffenden Angaben von Funaro und 
Nicolai zu vergleichen, weil aus denselben Gründen, die in unserer oben 
citierten Arbeit auscinandergcsetzt sind, die „Jp-Zacken“ relativ zu gross 
sind, weil ein Apparat mit einem zu dicken und deshalb zu stark ent¬ 
spannten Faden benutzt wurde. Doch kommt dies für das Endresultat 


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12 S. V ö g e l m a n n, 

nicht in Betracht, weil es hierbei ja nur auf die allmähliche Veränderung 
der Jp-Zacke ankoramt. 

In der folgenden Tabelle I sind die Ergebnisse der 400 Berechnungen 
zusammcngestellt und zwar eingetcilt in Gruppen von je 100. Die fett¬ 
gedruckten Zahlen in den unteren beiden Reihen geben die Mittelwerte 
und deren wahrscheinliche Fehler an. 


Tabelle I. 



Mittelwerte 
aus je 100 Be¬ 
obachtungen 

Das Lebensalter in 

J a h r e n 

15-20 

21—30 

| 31-40 

41-50 

51-60 

61-70 

Mittlere Grösse 1 

1. Hundert 

30 

30 

39 

37 

36 

! 35 

der Jp-Zacke für) 

2. Hundert 

44,4 

39,1 , 

31 

33,5 

36,6 

32 

J = 100 in Milli- j 

3. Hundert 

46 

35 

43 

26 

s 27 

26 

metern » 

4. Hundert 

45 

36 

32 

34 

! 31 

1 23 

Mitttelwert . . . 

. 

41,3 

35 

36,2 

32,6 

32,6 

29 

Wahrscheinliche Fehler 1 ) . . . | 

2,6 

1,2 

1,9 

1,5 | 

1,6 

1,8 


1) Nach Gausscher Formel: v - 

F = ± 0,674 l - , v 

f n n — 1). 


Die Abb. 1 gibt diese Mittelwerte, zeigt dasselbe in Kurvenform, 
die 4 nicht unterbrochenen Kurvenlinien geben die Einzelwerte von je 
100 Beobachtungen, die punctiert gezeichnete Kurvenlinie gibt den Mittel¬ 
wert und die schraffierte Fläche zeigt die wahrscheinliche Fehlerbreite. 



Ziffer in JdOren 70 20 30 40 30 60 70 

Abb. 1. 

Man sieht aus diesen Kurven schon auf den ersten Blick sehr deut¬ 
lich, dass die Grösse der Jp-Zacke vom 15. bis zum 70. Lebens¬ 
jahre continuierlich sinkt, dass dieses Sinken vom 15. bis zum 25. Jahre 
aber ausserordentlich viel schneller erfolgt als später. Dies Resultat 
war zu erwarten, wenn man die ausserordentliche Grösse der Jp-Zacke 


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Der Einfluss des Lebensalters auf die relative Grösse der J- und Jp-Zacke. 13 

bei Neugeborenen bedenkt, dieselbe muss ja in dem ersten Lebensjahrzehnt 
noch viel bedeutender fallen, und von Kraus und Nicolai (12) ist 
daher auf S. 101 ihres Buches auf Grund einer ungefähren Schätzung die 
Grösse der Jp-Zackea nnähernd so angegeben, wie ich es tatsächlich 
gefunden habe. 

Nimmt man nun die Werte von Heubner (2), Funaro und 
Nicolai (1), nach denen die Jp-Zacke bei Neugeborenen fast ebenso 
gross ist wie die J-Zacke (also 100 pCt. beträgt), hinzu und berücksichtigt 
man den Umstand, dass die wirkliche Kurve innerhalb der schraffierten 
Fläche verlaufen muss, so ergibt sich etwa die + — + — + -Linie als die 
wahrscheinliche Kurve der wirklichen Grösse-der Jp-Zacke. Diese Kurve, 
die ja nur wenig von der wirklich gefundenen mittleren Kurve abweicht, 
lege ich den folgenden Betrachtungen zu Grunde. 

Im Alter von 15 Jahren beträgt sie durchschnittlich 43 pCt. der 
J-Zacke, mit 25 Jahren ist sie bereits auf 36 pCt. (also um etwa 16 pCt. 
ihres ursprünglichen Wertes) gesunken und in den folgenden 40 Jahren 
sinkt sie dann nur noch bis auf 30 pCt., d. h. um weitere 14 pCt. ihres 
ursprünglichen Wertes. 

Wenn wir uns fragen, was dieses Ergebnis zu bedeuten hat, so 
müssten wir nach den Ergebnissen meiner Arbeit mit Nicolai (5) 
schliessen, dass beim Säugling der Anteil des rechten Ventrikels wesent¬ 
lich grösser ist als beim Erwachsenen, wir können weiter schliessen, 
dass dies Verhältnis sich im ersten Lebensjahr schnell ändert, um dann 
nur noch allmählich geringer werdende Aenderungen zu zeigen. 

Dies Ergebnis stimmt vollkommen mit den anderweitig, vor allen von 
den Anatomen festgestellten Verhältnissen überein. Schon Beneke (6) hat 
Bestimmungen der Herzvolumina von Kindern aus verschiedenen Alters- 
perioden veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die Masse des Herzens 
beim Neugeborenen relativ grösser ist und dass hieran das rechte Herz 
wesentlich beteiligt ist. Die Gesamtmasse sinken dann noch im 1. bis 

2. Lebensjahre auf ein relatives Minimum, um vom 3. bis zum 7. Jahre 
wieder erheblich zu steigen. Hiermit stehen die Angaben von Gerhardt (7) 
und auch die Erfahrungen von Dusch (8) im Einklang, wonach bei der 
objectiven Untersuchung an Lebenden das Herz von Kindern zwischen dem 

3. —8. Lebensjahre relativ grösser erscheint als bei den Erwachsenen, 
um dann allmählich zu wachsen. Gierke (9) konnte dabei noch fest¬ 
stellen, dass bei den hcrausgeschnittenen Kinderherzen der rechte und 
linke Ventrikel zumeist ziemlich gleich waren. Genaue Messungen der 
relativen Grösse des rechten und linken Ventrikels im Kindesalter finden 
wir schon bei Bednar (10). Beim Neugeborenen differiert die Dicke der 
Wand des linken und des rechten Ventrikels nur wenig von einander 
(Fötusherz), und es verhält sich das Gewicht des Ventrikels wie 1,3 : 1, 
beim Erwachsenen wie 2,62:1. Auch die Befunde von ltilliet und 
Barthez (11) über die Grösse des rechten und linken Ventrikels bis 
zum Alter von 6 Jahren weichen nur wenig von den Befunden Bednars 
ab. Zur Erläuterung ist umstehend eine Vergleichungstabelle der Messung 
wiedergegeben. 


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S. Vögel mann, 


Tabelle 11. 

Masse für die Dicke der Ventrikelnwandungen in Centimetern. 



Linker Ventrikel 

Rechter Ventrikel 

Bei Neugeborenen nach Bednar . 
Bis zum Alter von 6 Jahren nach 

0,44-0,68 

0,34-0,44 

Rilliet und Barthez. . . . 

nicht ganz 1,0 

0,3 


In jüngster Zeit hat nun der schwedische Forscher Wideröe (13) 
(Die Massen Verhältnisse des Herzens) sehr genaue Messungen des relativen 
Gewichts des rechten und linken Ventrikels an Leichen ausgeführt. Seine 
Resultate sind in der Kurve der Abb. 2 wiedergegeben. Man sieht, dass 
die Kurvenforro, welche anatomisch das Verhältnis des rechten zum linken 
Ventrikel bestimmt, genau übereinstimmt mit der Kurvenform, welche ich 
aus der Messung des Elektrocardiogramms bekommen habe (vgl. Abb. 1). 

Verhältnis des rechten zum linken Ventrikel. 



Abb. 2. 

Es ist dies also ein neuer und offenbar vollkommen schlagender 
Beweis, dass die von uns in der vorigen Arbeit ausgesprochene Meinung, 
dass — praktisch genommen — die J-Zackc dem linken und die Jp- 
Zacke dem rechten Ventrikel entspricht, richtig ist. 


Literatur. 

1. Funaro und Nicolai, Das Elektrocardiogramm des Säuglings. Centralbl.f.Phys. 
Bd. 22. Nr. 2. 

2. Heubner, Das Elektrocardiogramm des Säuglings und des Kindes. Monatsschr. 
f. Kinderh. 1908. Bd. 7. 

3. Kraus, Zur Lehre vom Elektrocardiogramm. Verhandl. d. Ges. f. Naturf. Münchener 
raed. Wochenschr. 1908. Nr. 45. 

4. Linetzky, Die Beziehungen der Form des Elektrocardiogramms zu dem Lebens¬ 
alter, der Herzgrösse und des Blutdrucks. Diese Zeitschr. 1911. Bd. 9. 


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Der Einfluss des Lebensalters auf die relative Grösse der J- und Jp-Zacke. 15 


5. Nicolai und Vögelmann, Die Beziehungen dor Form der Initialgruppen des 
Elektrocardiogramms zu den beiden Herzventrikeln. Diese Zeitscbr. 1914. 

6. Handbuch der Kinderkrankheiten von Gerhard. Bd. 4. II. Abt. S. 2G9. 

7. Gerhardt, Lehrbuch der Auscultation und Percussion. 3. Aufl. S. 292. 

8. Dusch, Die Krankheiten desMyocardiums. Handb.d.Kinderkrkh.v. Gerhard. S.271. 

9. Gierke, Ueber Lage und Grösse des Herzens im Kindesalter. Jahrb. f. Kinder- 
heilk. Bd. 2. N. F. S. 394. 

10. Bednar, Die Krankheiten des Neugeborenen und Säuglings. III. Wien 1853. 

11. Rilliet et Barthez, Traitö clinique et pratique des maladies des enfants. 
2. 6d. Paris. 

12. Kraus und Ni oolai, Das Elektrocardiogramm des gesunden und kranken Menschen. 
Leipzig 1910. 

13. Wideröe, Die Massenverhältnisse des Herzens unter pathologischen Zuständen. 
Christiania 1911. 


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III. 


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Aus der hydrotherapeutischen Anstalt der Universität Berlin 
(Leiter: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Brieger). 

Untersuchungen über das Wesen der hydriatischen 

Reaction. 

Von 

Arthur Hirsehfeld. 

(Mit 3 Abbildungen im Text.) 


Wenn ein Kältereiz die Haut eines Menschen trifft, so wird an dieser 
Stelle die Haut blass, die in der Haut verlaufenden feinen Blutgefässe 
und die Capillarcn contrahieren sich. Aber nicht nur an der von dem 
Reiz betroffenen Stelle tritt dieser Effect ein, sondern sämtliche peripheren 1 ) 
Gefässe der Haut reagieren auf den Kältereiz mit einer Contraction, 
während die Gefässe des Inneren sich compensatorisch erweitern. Bei 
der Wirkung einer Kälteapplication auf die Haut muss man zwischen 
einem primären und secundären Effect unterscheiden. Die primäre 
Wirkung eines Kaltreizes besteht, gleichgültig, ob ein localer oder all¬ 
gemeiner Kältereiz eingewirkt hat, in einer Contraction der peripheren 
Gefässe. Die secundäre Wirkung ist je nach der Dauer des Kältereizes 
und seiner Intensität, sowie dem Füllungs2ustande der Gefässe ver¬ 
schieden. 

Hat ein kurzer, kräftiger Kältereiz eingewirkt, so werden sich gleich 
nach dem Aufhören dieses Reizes die peripheren Gefässe stark erweitern; 
man erkennt dies an einer lebhaften Rötung der Haut. Lässt man längere 
Zeit hindurch den Kältereiz einwirken, so erhält man einen Zustand, bei 
dem die Haut blass bleibt und sich nach dem Aufhören des Reizes nicht 
rötet, in solchen Fällen friert der Badende. Uebt man einen noch länger 
dauernden kräftigen Kältereiz aus, so sieht man, wie sich z. B. unter 
einem lange liegenden Eisbeutel die Haut hochrot mit einem Stich ins Bläu¬ 
liche verfärbt. Diese Farbe bleibt noch längere Zeit nach dem Aufhören des 
Kältereizes bestehen. Die nach einem kurzen kräftigen Kältereiz folgende 


1) Unter den Gefässen der Peripherie hat man die Summe der Capillaren und 
der grösseren sowie kleineren Gefässe der Arme und Beine sowie des Kopfes, mit Aus¬ 
nahme des Gehirns, und des Rumpfes zu verstehen; die Gefässe des Inneren sind da¬ 
gegen die des Gehirns und der Brust- und Bauchhöhle, wobei die der Bauchhöhle, des 
Splanchnicusgebietes, eine prädominierende Rolle einnehmen. Man vergleiche hierzu 
die zusammenfassenden Arbeiten von E. Weber, Der Einfluss psychischer Vorgänge 
auf den Körper, Berlin 1910, Julius Springer, und 0.Müller und E. Veiel, Sammlung 
klinischer Vorträge, 194/196 und 199/201. 


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Untersuchungen über das Wesen der hydriatischen Reaction. 17 

Rötung der Haut nennt man die Reaction oder die hydriatisch reactive 
Rötung. 

Je nach der Dauer und Intensität der Kälteapplicationen erhält man 
verschiedene Effecte, nämlich eine reactive Rötung nach kurzen, intensiven 
Proceduren, das Ausbleiben einer Reaction nach längeren Proceduren 
und eine bläulich-rote Verfärbung der Haut während und nach lang 
dauernden und stark kalten Wasseranwendungen. 

Es fragt sich nun, wie diese verschiedenen Effecte zu erklären sind? 

Das Eintreten der bläulich-roten Verfärbung der Haut ist von den 
Autoren durch eine Gefässlähmung erklärt worden. So schreibt Matthes 1 ): 
„Excessive thermische Reize, und zwar sowohl Kälte wie Wärme, führen 
Gefässerweiterungen unter Lähmungen der Gefässe herbei.“ Wie diese 
zu erklären sind, gibt er nicht an, er lässt nur die Frage offen, ob sie 
auf einer Dilatatorenreizung, das seiner Ansicht nach Wahrscheinlichere, 
beruhen, oder durch Ermüdung, also eine rein musculäre Erscheinung, 
zu erklären sind. Bei dieser Erweiterung der Gefässe sinkt jedenfalls 
stets der Tonus [Matthes 1 )]. 

Wir müssen uns nun bei der Untersuchung dieser Frage Folgendes 
vergegenwärtigen. Durch den starken Kältereiz werden, wie durch jeden 
Kältereiz, die Gefässe contrahiert. Dass sich hierbei die Capillaren und 
die grösseren Gefässe verschieden verhalten, ist bisher nicht bewiesen; 
die für ein differentes Verhalten der oberflächlichen und tieferen Gefässe 
sprechenden Versuche, die mittels der verschiedensten sphygraographischen 
Methoden angestellt sind, lassen keine eindeutige Lösung der Frage zu, 
da die Erklärung sphygmographischer Aufnahmen der Pulsdruckkurven 
mit den grössten Schwierigkeiten verknüpft, ja bisweilen unmöglich ist 2 ). 
Wir können also m. E., ohne einen principiellen Fehler zu begehen, an¬ 
nehmen, dass dje Contractionsänderungen der oberflächlichen Gefässe in 
gleicher Weise bei den tiefer gelegenen Gefässen zu finden sind. Mit 
der Erreichung der primären Contraction ist aber in dem vorliegenden 
Falle die Kälteapplication noch nicht beendet; denn jetzt beginnt die 
Eisblase oder der starke Kältereiz 3 ) direct abkühlend auf die Haut zu 
wirken. Die Kälte l^ann, wie wir aus Versuchen von Silva 4 ) wissen, 
die obersten Schichten durchdringen und eine nicht unbeträchtliche Tiefen¬ 
wirkung entfalten, d.h. allmählich wird progressiv von aussen nach innen 
das unter der Eisblase liegende Gewebe abgekühlt. Die peripheren Ge¬ 
fässe werden dabei, wie Lewin und ich 5 ) zeigen konnten, unter Blut¬ 
drucksteigerung contrahiert. Analog wie die hautrötenden Mittel auch in 
den tieferen Schichten hyperämisierend wirken 6 ), werden durch die Kälte- 

1) Matthes, Lehrbuoh der klinischen Hydrotherapie. S. 34. 

2) Vgl. Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 4. Aufl. Bd. 1. 
S. 261. 

3) Es ist hierbei gleichgültig, ob der Kältereiz in einer Eisblase, einem Chlor- 
äthylspray, sehr kalten feuchten Umschlägen, oder anderen Proceduren besteht. 

4) Silva, La Riforma medica. 1886. No. 253. 

5) Hirschfeld und Lewin, Die Wirkung des Herzschlauchs auf das Herz und 
die Gefässe. Zeitschr. f. physik. u. diät. Ther. 1914. H. 1. 

6) A. Bier, Hyperämie als Heilmittel. 1903. S. 21. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie o. Therapie. 17. Bd. 2 


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18 


Arthur Hirschfeld, 


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Wirkung ausser den oberflächlichen auch die tieferen Gefässe eontrahiert. 
Infolge dieser schlechteren Blutversorgung und als die directe Folge der 
Abkühlung werden auch die Nerven in Mitleidenschaft gezogen. Aus 
Versuchen, die Goldscheider 1 ) über die Hautsensibilität angestellt hat, 
geht hervor, dass nach der Abkühlung die Erregbarkeit für Temperatur¬ 
reize herabgesetzt war, sowohl für flächenhafte, wie für punktförmige 
Reize. Das Gefühl für Kälte hört also verhältnismässig früh unter einer 
Eisblase auf, die Sensibilität ist zuerst herabgesetzt und später, wenn 
die Haut bläulich-rot wird, gänzlich erloschen; denn nach Grützner 2 ) 
wird beim Säugetier durch Kälte die Erregbarkeit aller Nervenfasern 
herabgesetzt. Auf dieses Princip sich stützend, stellte Trendelenburg 3 ) 
seine Versuche über die reizlose Ausschaltung von Rückenmarksabschnitten 
an, indem er Teile des Rückenmarks abkühlte, und so die unteren Centren 
unabhängig von dem Einflüsse der höheren Centren machte. Etwas 
Aehnliches kommt für die Wirkung der Eisblase auf die Gefässnerven in 
Frage. Die Erregbarkeit der Nerven des unter der Eisblase liegenden 
Gewebes wird herabgesetzt, und allmählich werden die Gefässe dem 
Nerveneinfluss entzogen. Sic hängen dann hinsichtlich ihrer Blutfüllc 
nicht mehr von der Beeinflussung durch die Vasomotoren ab, sondern 
von dem Blutdruck, der, wie aus den vorhin erwähnten Versuchen hervor¬ 
geht 4 ), erhöht ist. Es wird also in das unter der Eisblase liegende Ge¬ 
webe mehr Blut hineingepumpt, als normalerweise bei einem Kältereiz 
in ihm vorhanden ist. Es entwickelt sich eine arterielle Hyperämie. 
Durch die Venen wird aber nicht, der vermehrten Zufuhr entsprechend, 
das Blut wieder fortgeschafft, und cs entsteht allmählich eine Stase, die 
sich durch eine bläulich-rote Verfärbung der Haut kund gibt. 

Auf diese Weise hat man sich die Hyperämie bei langen, intensiven 
Kälteproceduren zu erklären. Sie kommt durch eine Lähmung der Gefäss¬ 
nerven infolge der intensiven Abkühlung zustande, ist aber keineswegs 
auf eine Ermüdung der Vasoconstrictoren zurückzuführen. Die bei einer 
nicht so lange dauernden Kälteprocedur auftretende Abblassung der Haut 
beruht dann darauf, dass die Herabsetzung der Nervenerregbarkeit sich 
noch nicht hat ausbilden können und demzufolge auch alle Folgezustände 
dieser herabgesetzten Nervenerregbarkeit ausgeblieben sind. In diesem 
Falle bleibt die Haut blass, weil die primäre Contraction der Gefässe 
nicht einer Gefässerweiterung Platz gemacht hat. 

Wie steht es nun aber mit der nach kurzen, kalten Proceduren auf¬ 
tretenden Rötung, der sogen, hydriatischen Reaction? 

Die bisher beschriebenen Zustände sind während einer Kälte- 
application zu beobachten. Die reactive Rötung ist dadurch ausgezeichnet, 
dass sie erst nach einer Kälteprocedur, und zwar nach einer kurzen, 
intensiven auftritt. Mit den Ursachen dieser Reaction haben sich schon 

1) Goldscheidor, Beiträge zur Lehre von der Hautsensibilität. Zeitschr. f. 
klin.Med. Bd. 74. H. 3 u. 4. 

2) Grützner, Pflügers Arch. f. Physiol. Bd. 17, S. 215; Bd. 53, S. 83; Bd. 58, 
S. G9. 

3) Trendelenburg, Pflügers Arch. f. Physiol. 1910. Bd. 136. 

4) Hirsehfeld und Lewin, a. a. 0. 


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Untersuchungen über das Wesen der hydriatischen Reaction. 


19 


von jeher die Hydrotherapeuten beschäftigt, da sie ja die Grundlage einer 
wirklich rationellen Hydrotherapie bildet. 1 2 3 4 5 

Winternitz 1 ) glaubt, „dass zahlreiche Momente dafür sprechen, 
dass Gefässerweiterung auf Kälte kein passiver Vorgang, sondern ein 
activer sei. Wahrscheinlich wird unter thermischen Reizen eine Erregung 
der Heraraungsnerven hervorgerufen, die die Wirkung der Vasoconstrictoren 
überwindet 44 . Nun ist die Lehre von den Hemmungsnerven, deren 
Bestehen in erster Linie Sherrington 2 ) vertritt, physiologisch durchaus 
nicht bewiesen. Im Gegenteil ist von den Physiologen die Existenz be¬ 
sonderer Hemmungsnerven nur zur einfacheren Erklärung complicierter 
Vorgänge angenommen worden. Es handelt sich dabei um Annahmen, 
die nur zur Deutung einer ganz bestimmten Erscheinung gemacht wurden, 
und die bisher bei genauerer Nachprüfung der Sachlage immer als un¬ 
begründet zurückgewiesen werden konnten [vgl. H. Munk 3 ), A. Hirsch¬ 
feld 4 )]. Somit müssen wir in jedem Falle danach trachten, ob nicht 
eine andere Erklärung, als die der Annahme von Heramungsnerven, 
unserem physiologischen Denken vollständig genügt. 

Ausserdem behauptet Winternitz und seine Schule, dass die 
secundäre Erweiterung der Gefässe nach Kältereizen nicht mit einer 
Herabsetzung des Tonus, sondern mit einer Tonussteigerung verbunden 
sei. Diese physiologisch unmögliche Auffassung unterzieht Matthes 6 ) 
in seinem Lehrbuche einer eingehenden kritischen Würdigung, ln der 
Tat können wir uns nicht vorstellen, wie sich ein Gefäss erweitern soll, 
ohne dabei an Tonus, d. h. an Spannung, zu verlieren. Diese Auffassung 
ist nur möglich, wenn man sich die Gefässe als elastische Röhren vor¬ 
stellt, die durch die Dilatation über ihre Mittelstellung gedehnt werden, 
und nun das Bestreben haben, in ihre Mittelstellung zurückzukehren. 
Auf diesen Punkt soll später eingegangen werden. 

Buxbaum 6 ), ein Schüler von Winternitz, ist auf die Frage nach 
dem Wesen der Reaction nicht näher eingegangen. Er definiert die 
Reaction als eine active Erweiterung der Gefässe, ohne dies näher zu 
begründen. Strassburger 7 ) dagegen beschäftigt sich eingehender mit 
diesem Problem, dem er mit folgender Erklärung näher zu kommen 
sucht: Nach seiner Ansicht darf man wohl annehmen, „dass zugleich 
mit den Vasoconstrictoren die Vasodilatatoren gereizt werden. Es ist eine 
auch sonst in der Physiologie bekannte Tatsache, dass bei gleich starker, 


1) Winternitz, Die Hydrotherapie auf physiologischer und klinischer Grund¬ 
lage. II. Aufl. Bd. I. S. 52. 

2) Sherrington, Philosoph, transactions. Ser. B. Vol. CXC. 

3) H. Munk, Ueber das Verhalten der niederen Teile des Cerebrospinalsystems 
nach der Ausschaltung höherer Teile. Sitzungsber. d. Kgl. Akad. d.Wissensch. 1909. 
44. Bd. S. 1106. 

4) A. Hirschfeld, Das Verhalten der Reflexe nach der Querdurchtrennung des 
menschlichen Rückenmarks. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1912. 

5) Matthes, a. a. 0. S. 25. 

6) Buxbaum, Lehrbuch der Hydrotherapie. 11. Aufl. S. 68. 

7) Strassburger, Einführung in die Hydrotherapie und Thermotherapie. 
1909. S. 38. 


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Arthur Hirschfeld 


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gleichzeitig erfolgender Reizung dieser beiden Nervenarten die Vaso- 
constrictoren das Uebergewicht bekommen und somit eine Gefässverengerung 
bewirken. Die Reizung der Dilatatoren hält dafür aber länger vor, so 
dass nach Abklingen der Vasoconstriction nunmehr durch einen activen 
Nervenvorgang, nicht also einfach passiv durch Nachlassen des Tonus, 
eine Gefässerweiterung auftritt. u 

Diese von Strassburger angenommene gleichzeitige Reizung der 
Vasoconstrictoren und Vasodilatatoren ist durch nichts bewiesen. Im 
Gegenteil deuten die bisher gemachten Erfahrungen darauf hin, dass 
durch einen kurzen Kältereiz nur die Vasoconstrictoren gereizt werden. 
Der Kältereiz ist ein absolut specifischer Reiz und erregt als solcher nur 
die Vasoconstrictoren, wohingegen ein Wärmereiz, wofern er nicht excessiv 
hohe Temperaturen erreicht, die als Schmerzreize wirken, eine Vaso¬ 
dilatation hervorruft. Es erscheint überhaupt fraglich, ob diese Vaso¬ 
dilatation auf einer directen Nervenerregung beruht, d. h., ob es echte 
Vasodilatatoren gibt. Zwar sind in der Medulla oblongata z. B. von 
E. Weber 1 ) Centren gefunden worden, nach deren Reizung eine Er¬ 
weiterung der Hirngefässe aufgetreten ist, allein damit ist die Existenz 
echter Vasodilatatoren noch nicht bewiesen. Durch die Erregung von 
Vasodilatatoren müssten sich die Gefässe erweitern und die in den Ge- 
fässen liegenden Muskeln müssten länger werden, damit dieser Effect 
zustände käme. Physiologisch hat man aber bisher nur beobachtet, dass 
durch eine Nervenreizung eine Muskelcontraction eintritt. Die Blut¬ 
gefässe besitzen normalerweise einen Tonus, genau wie die quergestreiften 
Muskeln befinden sich die Muskeln der Blutgefässe in einem Zustande 
fortwährender, wenn auch geringer Spannung. Treffen nun Reize den 
Körper, die eine Vasodilatation mit sich bringen, so wird mehr oder 
weniger dieser Zustand der Spannung aufgehoben, ohne dass deshalb ein 
activcr Vorgang dabei mitzuspielen braucht. Mit dieser Ansicht stimmen 
recht gut Versuche überein, die ich vor einiger Zeit 2 ) veröffentlicht habe. 
Durch ein Kohlensäurebad werden die peripheren Gefässe stark erweitert. 
Hebt man nach einem solchen einen Kältereiz aus, so müsste bei dem 
Bestehen echter Vasodilatatoren dieser Reiz ziemlich wirkungslos aus- 
fallen, man sieht aber, dass man fast immer, auch bei erweiterten Ge- 
fässen, eine deutliche Vasoconstriction erhält. Auch während eines 
Kohlensäurebades kann man, wie aus noch unveröffentlichten Versuchen 
hervorgeht, immer bei bestehender Erweiterung der peripheren Gefässe 
durch Einwirkung eines Kältereizes eine vorübergehende Vasoconstriction 
erhalten, und wenn man während eines Kohlensäurebades die Aufmerksam¬ 
keit des Badenden zu fesseln versucht, so sieht man, dass die er¬ 
weiterten Blutgefässe sich bei jeder Aufmerksamkeitsfesselung prompt 
zusammenziehen. Auch die Versuche von Bowditch und Warren 3 ), die 

1) E. Weber, Ueber die Selbständigkeit des Gehirns in der Regulierung seiner 
Blutversorgung. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1908. S. 457ff. 

2) A. Hirschfeld, Beiträge zur Wirkung der Bäder auf den Kreislauf. Einige 
Versuche über die Beeinflussung der Gefässreflexe durch kohlensäurehaltige Bäder. 
Veröffentl. d. Centralstelle f. Balneol. Bd. 1. H. 6. 

3) Bowditch and Warren, Journ. of Physiol. 1886. Vol. VII. 


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Untersuchungen über das Wesen der hydriatischen Reaotion. 


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gefunden hatten, dass die gefässerweiternden Nerven durch schwache 
Ströme von geringer (Frequenz, die gefässverengernden Nerven durch 
stärkere Ströme von höherer Frequenz erregt werden, können zwanglos 
anders erklärt werden, indem diese stärkeren Ströme als Schmerzreize 
wirksam sein können. 

Ganz den Ausführungen von Winternitz schliesst sich Glax 1 ) an, 
wenn er die Reaction in folgender Weise beschreibt: „Lassen wir auf 
eine Hautstelle einen flüchtigen Kältereiz einwirken, so bemerken wir zu¬ 
nächst ein kurz dauerndes Erblassen der Haut, welches von einer länger 
andauernden Rötung gefolgt ist. Der Kältereiz hat eine Contraction der 

glatten Muskelfasern der Blutgefässe und der Haut ausgelöst.Die 

Arterien, Capillaren und Venen verengern sich, die Haut wird anämisch 
und zeigt das bekannte Bild der Cutis anserina; kurz darauf folgt eine 
wahrscheinlich auf Erregung der Vasodilatatoren beruhende Erweiterung 
der Blutgefässe, eine active Congestion ohne Verlust des Tonus.“ Gegen 
diese Ansicht kann man dieselben Gründe geltend machen, wie gegen 
die Ausführungen von Winternitz. Weder die von Winternitz und 
seiner Schule noch die von Strassburger aufgestellten Theorien können 
unserem physiologischen Denken genügen; sie sind vielmehr Hypothesen, 
die nur zur Erklärung dieses einen Phänomens aufgestellt sind. 

Von einem gänzlich anderen Gesichtspunkte geht Baruch 2 ) aus. 
Nach ihm zerfällt die Reaction in eine Nerven- oder Reflexreaction und 
Gefäss- oder vasomotorische Reaction, die zwar gewöhnlich zusammen 
wirken, dennoch aber gesondert betrachtet werden müssen. 

Die Nerven- oder Reflexreaction ist eine mehr allgemeine Antwort 
des ganzen Organismus auf den starken thermischen Reiz. Durch den 
thermischen Reiz werden die sensiblen Nervenfasern erregt, von dort aus 
wird der Reiz dem Centralorgan übermittelt, und dann folgt als Reaction 
ein allgemeiner nervöser Vorgang, der sich entweder in einer reflectorischen 
Vertiefung der Atmung oder in einem allgemeinen Gefühl von Erfrischung 
des ganzen Organismus kund geben kann. Diese Nervenreaction tritt 
z. B. dann auf, wenn man einen Ohnmächtigen mit Wasser besprengt 
und ihn so zum Leben zurückruft. 

Principiell verschieden und in diesem Zusammenhänge uns mehr 
interessierend ist die vasomotorische oder Gefässreaction. Sie trägt mehr 
localen Charakter. Durch den Kältereiz wird die Haut und das darunter 
liegende Gewebe mit allen seinen Capillaren abgekühlt. Am energischsten 
tritt dies dann ein, wenn man die Haut durch einen Chloräthylspray 
zum Gefrieren bringt. Dabei wird dann die betreffende Hautpartie voll¬ 
ständig anämisch. Sio wird dies dadurch, dass durch die extreme Ab¬ 
kühlung die in der Haut und in den Gefässen liegenden glatten Muskel¬ 
fasern, die glatten Musculi arrectores pilorum und die ebenfalls glatten 
Muskelfasern der Tunica propria der Gefässe, auf das Aeusserste con- 
trahiert werden. Nun sind die in der Hydrotherapie ausgeübten Reize 
nie so weitgehend, wie die bei der Anwendung eines Aethylchloridspravs, 


1) Glax, Lehrbuch der Balneotherapie. 1897. Bd. 1. S. 51. 

2) Baruch, Hydrotherapie. Berlin 1904. 


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Arthur Hirsclifeid 


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immerhin werden auch durch die relativ viel schwächeren Reize die 
glatten Muskelfasern der Haut energisch zusammengezogen, man bekommt 
eine „Gänsehäute Dadurch wird das Blut aus den Capillaren der Haut 
herausgepresst und zu den inneren Organen getrieben, die Haut wird 
relativ anämisch. Das von dem Kältereiz betroffene Gewebe ist gegenüber 
der Umgebung kälter, da sich das Blut aus der von dem Kältereiz getroffenen 
Stelle zurückgezogen hat, und es entwickelt sich eine collaterale Hyperämie. 

P. Schultz 1 ) hat beim Frosch festgestellt, dass Kälte mässig reizend 
auf die glatten Muskelfasern wirkt. Während des Kältereizes sind also 
die glatten Muskelfasern und die elastischen Fasern des ganzen vom 
Kältereiz betroffenen Gewebes contrahiert und das in ihm befindliche 
Blut fortgedrängt. Hört nun der Kältereiz auf, so strömt das Blut gierig 
in das relativ anämische Gewebe; denn nach den Arbeiten von Bier 2 ) 
unterliegt es keinem Zweifel, „dass anämisch gewesene Gewebe mit 
grosser Kraft arterielles Blut anlockend Mit dem Aufhören des Kälte¬ 
reizes drängt nun das Blut vermöge des Bi ersehen „Blutgefühis a in das 
relativ anämische Gewebe. Dabei werden die glatten Muskelfasern der 
Haut, die durch den Kältereiz auch abgekühlt waren, wieder erwärmt. 
Indem nun das neu hinzutretende Blut, das wärmer ist als die ab¬ 
gekühlte Stelle, als Warmreiz wirkt, müssen sich die glatten Muskelfasern 
der Haut ausdehnen, und zwar muss die Ausdehnung über die vor der 
Einwirkung des Kaltreizes innegehabten Nullstellung erfolgen. Mit der 
Ausdehnung der glatten Muskelfasern wird nun mehr Platz geschaffen 
und die Blutgefässe können sich erweitern, so dass also bei dem Zustande¬ 
kommen der rcactiven Rötung zwei Vorgänge beteiligt sind, die sich 
gegenseitig ergänzen, nämlich das „Blutgefühl a der Gewebe und die durch 
die Erschlaffung der glatten Muskelfasern bedingte Erweiterung der Gefässe. 

Nach der Baruchsehen Theorie hat man sich die Reaction also so 
vorzustellen, dass durch den Kältereiz die glatten Muskelfasern der Haut 
contrahiert werden und dadurch das Blut aus dem vom Kältereiz ge¬ 
troffenen Gewebe verdrängt wird. Nach dem Aufhören des Reizes strömt 
das Blut wieder in die relativ anämischen Partien 3 ), erwärmt die ab¬ 
gekühlten Stellen und bringt die contrahierten Muskelfasern zur Er¬ 
schlaffung. Dadurch werden dann die Gefässe stark erweitert, so dass 
das Resultat die reactive Rötung ist. 

Diese Theorie fällt in dem Augenblick, wenn es nicht gelingt, die 
Anteilnahme der glatten Muskelfasern an dem Zustandekommen der 
Reaction nachzuweisen. Auf Anregung des Herrn Prof. Baruch habe 
ich 4 ) es unternommen, diese Frage experimentell nachzuprüfen. 

Die Beeinflussung der glatten Musculatur durch thermische Reize ist 
bisher nur an Kaltblütern untersucht worden. P. Schultz 5 ) konnte an 

1) P. Schultz, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1897. 

2) Bier, Die Entstehung des Collateralkreislaufes. Virchows Arch. Bd. 147. 

3) Ob nicht das „Blutgefühl“ auf diese Erschlaffung der glatten Muskelfasern 
zurückzuführen ist, bedarf noch der genauen Nachprüfung. 

4) A. Hirschfeld, Die Wirkung thermischer Reize auf die glatte Musculatur 
des Menschen. Demonstration in der llufelandschen Gesellschaft, Sitz. v. 11. 12.1913. 

5) P. Schultz, a. a. 0. H. 1. 


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Untersuchungen über das Wesen der hydriatischen Reaction. 


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der glatten Musculatur des Frosches zeigen, dass die Wärme erschlaffend, 
die Kälte raässig reizend wirkt. Dabei wird durch jede Temperatur¬ 
schwankung infolge Nervenreizung eine reflectorische Contraction des 
glatten Muskels erzielt, welche sich nicht bei Lähmungen vorfindet, da 
sie die Intaktheit des Nervenapparates voraussetzt. 

Die glatte Musculatur des Menschen ist bisher in bezug auf ihr Ver¬ 
halten nach thermischen Beizen noch nicht untersucht worden. Für die 
Hydrotherapie und Balneologie ist aber das im Tierversuch gewonnene 
Resultat noch nicht beweisend. Erst wenn durch Versuche am Menschen 
eine Uebereinstimmung damit festgestellt ist, erlangt der Tierversuch be¬ 
weisende Kraft. Dies kommt daher, weil die Haut des Tieres von der 
des Menschen absolut verschieden ist. Schon durch das blosse Vor¬ 
handensein des Pelzes kann eine hydriatische Procedur nicht so wie 
beim Menschen wirken. Denn einmal kann das Wasser nicht so leicht 
zur Haut gelangen, sodann aber treten beim Tier ganz andere Ver- 
dunstungsverhältnisse ein, da sich viel mehr Wasser in den Haaren des 
Pelzes festsaugt, als dies beim Menschen je der Fall sein kann. Aus 
diesen Gründen können auch chemisch differente Bäder, wie Soolbäder, 
Kohlensäurebäder u. a. hinsichtlich ihrer physiologischen Wirkung nicht 
an Tieren untersucht werden, weil das wirksame chemische Agens 
während des doch immerhin nur kurze Zeit dauernden Versuches garnicht 
bis zur Haut des Tieres vorzudringen braucht. 

Ausser an den Eingcweiden und -am Auge findet sich glatte Musculatur 
am Scrotura. Da das Scrotum ein Hautorgan ist, so wird man aus 
seinem Verhalten bei hydriatischen Procedurcn Schlüsse auf die hydriatische 
Rötung ziehen dürfen. Das Scrotum besitzt drei Systeme von Muskel¬ 
fasern, unter denen eins quergestreifte Muskelfasern enthält, der Musculus 
cremaster, während die beiden anderen, die Tunica vaginalis communis 
oder Musculus cremaster internus und die Tunica dartos, glatte Muskel¬ 
fasern haben. Die Tunica dartos ist cs, „welche die leichte Verschieblich¬ 
keit des Hodens im Hodensack bedingt und durch ihre Contraction die 
Haut des Scroturas in Falten und Runzeln legt“ 1 2 ). 

Bei Bewegungen des Hodens hat man zwei Typen zu unterscheiden. 
Der Hoden kann plötzlich in die Höhe steigen. Es ist dies ein 
reflectorischer Vorgang, der durch Contraction des mit quergestreiften 
Muskelfasern ausgestatteten Musculus cremaster zustande kommt. Diese 
reflectorische Contraction des Scroturas kann] man z. B. bei der Ereetion 
des Penis oder als Begleiterscheinung bei der Defäcation beobachten. 
Diese Bewegung ist nicht zu verwechseln mit der langsam eintretenden 
Contraction des Scrotums nach thermischen Reizen. Da es sich hier um 
eine Contraction der glatten Musculatur handelt, so tritt sie viel lang¬ 
samer ein und dauert viel länger als die Contraction der quergestreiften 
Muskelfasern [vgl. hierzu die Arbeit von Edward B. Mcigs-)]. Zudem 


1) Rauber-Kopsch, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 7. Aull. Bd. 1. 
S. 285. 

2) E. B. Meigs, Contributions to the general phvsiology of smooth and striated 
muscle. The Journ. of experimental Zoology. 1912. Vol. XIII. No. 4. p. 497. 


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Arthur Hirschfeld, 


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ist sie von der reflectorischen Contraction des Musculus cremaster so ver¬ 
schieden, dass man nach einigen Versuchen sofort sagen kann, ob eine 
Contraction des Scrotums durch Tätigkeit des quergestreiften Musculus 
cremaster oder durch die der glatten Tunioa dartos zustande gekommen ist. 

Die Versuchsanordnung war folgendermassen: In einem während 
einer Versuchsreihe constanten Abstand wurden verschiedene Photographien 
des Scrotums hergestellt. Die Versuche wurden an gesunden Personen 
vorgenommen. Zuerst wurde eine Aufnahme des normalen Hodens ge¬ 
macht, sodann wurde eine hydriatische Procedur gegeben und dann 
wieder eine photographische Aufnahme gewonnen. Dann folgte wieder 
eine hydriatische Procedur und eine anschliessende Aufnahme usw. Auf 
diese Weise wurde die Versuchsperson hintereinander einer Reihe von 
hydriatischen Proceduren unterworfen, die teils localer Natur waren 
(Kühlungen), teils allgemeiner (Vollbäder, Soolbäder, Kohlensäurebäder, 
Wechselduschen). In jedem Bade blieb die Versuchsperson etwa zehn 
Minuten; doch wurden auch Versuche angestellt, bei denen die Dauer der 
einzelnen Proceduren länger oder kürzer war. Die photographischen 
Aufnahmen wurden in den Baderäumen unserer Anstalt gemacht, und 
zwar mittels Blitzlicht. Eine Beinflussung der Scrotumcontraction durch 
den plötzlichen sehr hellen Lichteinfall kommt nicht in Frage, da die 
Aufnahme schon beendet ist, bevor irgendwelche durch das Blitzlicht be¬ 
wirkten Effecte eintreten können. Die Aufnahmen selbst erfolgten so, 
dass die Versuchsperson in einem bestimmten Abstand vom Apparat 
stand. Der Penis wurde mit einem Tuch hochgebunden, und zwar ge¬ 
schah dies in allen Versuchen auf die gleiche Weise. Nach den Bade¬ 
versuchen wurde die Versuchsperson nicht abgetrocknet; etwaige durch 
die Verdunstung auftretende Fehler sind in allen Versuchen die gleichen, so 
dass dadurch das Resultat einer Vergleichung nicht beeinflusst werden kann. 

Im Folgenden will ich aus einer grossen Zahl von Versuchsreihen 
eine wiedergeben, bei der hintereinander ein Lichtbad, eine kurze wechsel¬ 
warme Fächerdusche und eine Trockenpackung mit localer l / 2 Stunde 
dauernder starker Kühlung des Scrotums gegeben wurde. 

Abbildung 1 stellt das Aussehen des Scrotums nach einem 15 Minuten 
dauernden Lichtbade dar. Wir sehen das Scrotum mächtig vergrössert 
ohne irgendwelche Runzeln und Falten. Abbildung 2 stellt ein Scrotum 
dar; es ist aus derselben Versuchsreihe, auf dem eine halbe Stunde eine 
Kühlflasche gelegen hatte, durch die kaltes Wasser geflossen war. Man 
sieht, dass das Scrotum vollständig contrahiert ist. Das Septum, das 
die beiden Testikel von einander trennt, tritt mächtig hervor, und zu 
beiden Seiten ordnen sich parallele Falten an, die in ihrer Tiefe ein 
treffendes Bild von der starken Contraction des Scrotums geben. Während 
in der ersten Abbildung das Scrotum blaurot gefärbt war, ist es nach 
dieser excessiven Kälteeinwirkung ganz blass geworden. Treibt man 
die Abkühlung nicht so weit, sondern begnügt man sich durch eine kurze 
wechselwarme Fächerdusche 1 ) einen kräftigen Kaltreiz auszuüben, so nimmt 

1) Bei der Wechsel warmen Fächerdusche wurde zuerst eine warme Dusche von 
etwa 2 Min. Dauer, eine etwa 20Sec. dauernde Abkühlung, eine folgende Erwärmungvon 
1 Sec. Dauer mit sich anschliessender kräftiger Abkühlung von 30 Sec. Dauer appliciert. 


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UntersHdmn^ir.üWi d*i$ Wenßu der hydrtuu*chen lU-achon. 25 

. 

das Scrotiiffi nachher »eine-hochrote Farbe.an, man sieht — Äbbitdong 3 - - 
ao den Fatienv "s/war immer mmjt etwas ocmtriihicrt ist, dass aber 
dk. Göritraetioiv keine so starke ist', wie. ii) dfej: yorht?r®obör»dort Abbildung,: 


Ja, das Skrotum beginnt sogar schon Zu erschlaffen, denn sein« linke 
Seite zeigt fast keine tiefe Runzeln mehr. 

Aus diesen Versuchen geht also zur Genüge- hervor,..dass, .«'in /,u- 
sawstK-nhang von iiydnaiiseher .read feer Rofuim ma .lern Cor,tradions- 


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26 Arthur Hirsch fe Id, Untersuchungen über das Wesen der hydriatischen Reaction. 


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zustande glatter Muskelfasern besteht, indem nämlich die glatten Muskel¬ 
fasern bei Eintritt der Reaction erschlaffen, während sie bei einem starken 
Kältereiz, der keine Reaction hervorruft, contrahiert sind. 

Eine wesentliche Stütze hat die Baruchsche Theorie durch die 
jüngst erschienenen histophysiologischen Studien über die Temperatursinne 
der Haut des Menschen von Gösta Häggquist 1 ) erfahren. Dieser Autor 
hat gefunden, dass in specifischer Auslese an allen Kältepunkten der 
Haut kleine Muskelbündel von glatten Muskelfasern vorhanden sind, die 
weder mit einem Haarfollikel, noch mit dem Corpus papillare in Ver¬ 
bindung treten, die also keine Arrcctores pilorum sind. Es ist sehr 
wahrscheinlich, dass diese glatten Muskelbündel im Sinne der von Baruch 
entwickelten Theorie tätig sind. 

Die Theorie von Baruch lässt aber einen nicht unwesentlichen 
Punkt ausser Acht, nämlich die Beteiligung der Vasomotoren an dem 
Zustandekommen der Reaction. Wir wissen, dass durch einen Kältereiz 
die Gefässe der gesamten Peripherie contrahiert werden, ein Effect, der 
sicher auf nervöser Basis beruht. Durch diese Contraction der peripheren 
Gefässe werden aber vielleicht die Nerven der Peripherie schlechter er¬ 
nährt, so dass sie bei dem Eintreten der folgenden Reaction mehr oder 
weniger ausgeschaltet sind. 

Jedenfalls muss man sich das Zustandekommen der reactiven Rötung 
folgendermassen erklären: 

Trifft ein Kältereiz den Körper, so tritt eine active Verengerung der 
peripheren Gefässe ein. Daneben contrahieren sich, teils durch nervösen 
Reiz, teils direct unter der abkühlcnden Wirkung des kalten Wassers die 
glatten Muskelfasern, so dass die schon contrahierten Gefässe noch mehr 
zusammengepresst werden. Hat dann der Kältereiz aufgehört, so strömt 
infolge des „Blutgefühls“ das Blut begierig in die relativ anämischen 
Teile. Dabei findet dann eine Erwärmung der glatten Muskelfasern 
statt, die um so intensiver wirkt, als vorher eine, wenn auch geringe, 
Abkühlung stattgefunden hat, so dass schon ein um ein wenig wärmeres 
Blut als ein kräftiger Wärmereiz wirkt. Auf diesen Wärmereiz hin er¬ 
schlaffen die peripheren Gefässe und erweitern sich, sie können dies um 
so mehr, als auch die in der Haut liegenden glatten Muskelfasern er¬ 
schlaffen, und so für eine starke Erweiterung der Gefässe günstige Vor¬ 
bedingungen schaffen. 

Die von Baruch vasomotorische oder Gefässreaction genannte Folge 
einer kurzen, energischen Abkühlung zerfällt also in einen nervösen und 
musculären Anteil. Daher erscheint die Einteilung Baruchs in Nerven- 
oder Reflexreaction und Gefäss- oder vasomotorische Reaction hinsichtlich 
des Ausdrucks nicht zutreffend, da ja auch die vasomotorische Reaction, 
wenigstens teilweise, mit Hilfe von Nerven- und Reilexvorgängen zustande 
kommt. Man wird wohl besser von einer allgemeinen und einer localen 
Reaction sprechen. 

1) G. Häggquist, Anatomischer Anz. Bd. 45. 11. 2 u. 3. S. 46. 


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IV. 

Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tokio. 

Experimentelle Polyneuritis, besonders bei Vögeln, 
im Vergleich zur Beriberi des Menschen. 

Von 

Dr. med. R. Tasawa, 

Assistenten am Institut. 


I. Einleitang. 

Wie es Eijkman 1 ) zum ersten Male beschrieben und andere Forscher 
bestätigt haben, ruft bei Vögeln die einseitige Fütterung mit entschältem 
und poliertem Reis motorische Lähmungen und entsprechende multiple 
Degenerationen der peripheren Nerven hervor. Die Autoren sind der 
Ansicht, dass diese Geflügelkrankheit, die sogen. Polyneuritis gallinarum, 
identisch mit der Beriberi beim Menschen ist; auf Grund dieser Annahme 
ist schon eine Reihe verschiedenartiger Theorien, oder vielmehr Hypothesen, 
über die Aetiologie und das Wesen der Beriberi entwickelt worden. 

Jedoch scheint mir ein solcher Schluss zu frühzeitig und kühn zu 
sein, namentlich, weil die Frage über die Identität zwischen Polyneuritis 
gallinarum und Beriberi meiner Ansicht nach eigentlich noch nicht end¬ 
gültig gelöst worden ist. Deshalb habe ich es unternommen, die 
Symptomatologie, die Pathologie sowie die ätiologischen Momente beider 
Krankheiten im einzelnen miteinander zu vergleichen. 

Da Beriberi in Europa wohl kaum vorkommc, und eine den meisten 
Aerzten unbekannte Erscheinung darstellt, möchte ich zunächst kurz auf 
ihr klinisches Krankheitsbild und die anatomischen Befunde eingehen, um 
diese dann mit den Ergebnissen meiner Tierexperimente zu vergleichen. 

Die Krankheit, wie sie in Japan während der heissen Jahreszeit, namentlich bei 
jungen Männern, sehr häufig vorkommt, kann in ihrer Symptomatologie und ihrem 
Verlauf sehr verschieden* sein. In vielen Fällen treten nur verhältnismässig leichte, 
sensible und motorische Störungen auf, die meist nach mehreren Wochen wieder ver¬ 
schwinden. In schwereren Fällen dagegen leidet der Patient lange Zeit (nicht selten 
viele Monate, ja sogar Jahre) an Lähmungen und Muskelatrophien. In anderen Fällen 
wieder sind Anasarka und Hydrops dos ganzen Körpers vorhanden, oder es tritt sogar 
eine schwere Störung der Circulation und Respiration, sowie Jactation mit Erbrechen 
ein. Unter so mannigfaltigen Erscheinungen, bei denen die Störungen des Nerven¬ 
systems und die des Kreislaufs besonders hervorzuheben sind, unterscheidet man nach 


1) Eijkman, C., Eine beriberiähnliche Krankheit der Hühner. Virchows Arch. 
1877. Bd. 148. S. 523. 


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R. Tasawa 


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den eben beschriebenen bemerkbarsten Symptomen gewöhnlich vier verschiedene 
klinische Formen: 

1. Die rudimentäre Form oder das Anfangsstadium, 

2. die atrophische Form, 

3. die hydropische Form, 

4. die acute perniciöse oder cardiale Form. 

Diesekünstlichen Abgrenzungen einzelner klinischer Krankheitsbilder sind natürlich 
in praxi nie scharf, sondern es gibt verschiedene (Jebergangs- oder gemischte Formen. 
Oft geht auch die eine Form in eine andere über, z. B. die hydropische in die 
atrophische oder die rudimentäre, besonders nach Ueberanstrengungen, schnell in die 
cardiale Form. 

Die gewöhnlichen Klagen der Patienten sind: Schwere und Mattigkeit der Beine, 
Wackeln der Kniee, Parästhesien am Unterschenkel, Spannung der Waden, Appetit¬ 
losigkeit, Gefühl der Völle, Stuhlverstopfung, Palpitationen, Dyspnoe bei jeder Be¬ 
wegung u. a. Objectiv findet man meist ein Oedem an der Tibiakante, leichte Hyp- 
ästhesie an der Innenfläche der unteren Extremitäten, Druckschmerz in den Waden- 
muskeln, Steigerung oder Abschwächung der Sehnenreflexe, erhöhte Pulsfrequenz, 
verstärkte Herzaction, Accentuation besonders des Mitral- oder auch des 2. Pulmonal¬ 
tones u. dgl. 

ln schweren Fällen verbreitet sich die Hypästhesie allmählich nach oben bis 
zum Rumpf hinauf; oft beginnt sie an den Fingerspitzen oder in der Umgebung des 
Mundes oder auch in der Umgebung des Nabels. An den hypästhetischen Stellen 
sind oft auch Parästhesieen vorhanden, während totale Anästhesie oder Hyperästhesie 
nicht häufig sind. Die motorischen Störungen können an den unteren Extremitäten 
weitere Fortschritte machen, die Patienten stolpern leicht, gehen breitbeinig und un¬ 
sicher, bis schliesslich die Beine überhaupt nicht mehr bewegt werden können. In 
schweren Fällen werden auch die oberen Extremitäten ergriffen; von einfacher Ver¬ 
minderung der Greifkraft bis zur schlaffen Lähmung der ganzen Hand und der Finger, 
wobei die Dorsalreflexion aufgehoben ist, kommen alle Grade vor. Auch das Zwerch¬ 
fell (von M. Miura besonders hervorgehoben), die Bauch- und andere Rumpfmuskeln 
und die von den Hirnnerven versorgten Muskeln können ergriffen werden. Diesen 
Lähmungen folgt früher oder später eine Atrophie der Musculatur und die elektrische 
Reaction ändert sich bis zur totalen Entartungsreaction. An den gelähmten Körper¬ 
teilen kommt es oft zu Muskelcontracturen; so entsteht am häufigsten der Pes equino- 
varus. Motorische Reizerscheinungen sind bei der Beriberi selten, Wadenmuskel¬ 
krämpfe kommen gelegentlich im Beginn der Krankheit vor. Die Sehnenreflexe sind 
herabgesetzt oder verschwunden, nur im Anfangsstadium oder in der Reconvalescenz 
können sie verstärkt sein. 

Ausser dem Oedem an der Tibiakante, einem der frühesten Symptome, kommt 
auch ein von diesem seiner Natur nach zu differencierendes allgemeines Oedem vor, 
welches a. a. auf Stauung infolge von Herzschwäche zurückgeführt wird. Es beginnt 
gleichfalls an den unteren Extremitäten, geht aber dann auf den ganzen Körper, auch 
auf die serösen Höhlen, über. 

Treten schwere Störungen von seiten der Circulations- und Respirationsorgane 
in den Vordergrund, so klagen die Kranken selbst in der Ruhe über Brustbeklemmung, 
Palpitationen und Dyspnoe. Der Puls wird frequent und kann auf 120 oder noch mehr 
steigen. Ueber der beiderseitig vergrösserten Herzdämpfung hört man accentuierte 
und unreine Töne oder ein systolisches Geräusch. An den peripheren Arterien, be¬ 
sonders der Femoralis, kann man Töne oder Geräusche feststellen. Dann stellen sioh 
Durst, Uebelkeit und Erbrechen ein. Die Harnmenge ist vermindert, sie kann auf 
100 ccm in 24 Stunden oder sogar noch weniger sinken. Die Indicanreaction ist bei 
vielen Beriberikranken deutlich, in schweren Fällen sind auch eine geringe Menge von 


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Experiment. Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich z.Beriberi d. Menschen. 29 

Eiweiss, sowie Cylinder häufig.) Der Kranke atmet rascher bei immer stürmisch 
werdender Herzaction. Zu der blassen Hautfarbe tritt, besonders sub finem vitae, 
Cyanose hinzu. Schliesslich walzt sich so ein junger, kräftiger Mann unruhig in Angst 
und Qual unter lautem Schreien hin und her, bis er endlich, ruhiger geworden, stirbt. 
Ganz acute Fälle können in wenigen Tagen, ja auch innerhalb 24 Stunden, durch 
Herzlähmung zum Tode führen; ein solcher Zustand kann sich aber auch wieder 
bessern und heilen, indem die Zahl der Atemzüge und Pulsschläge in einigen Tagen 
abnimmt. 

Bei Beriberi ist das Bewusstsein gewöhnlich bis zum Tode klar, sehr selten 
kommen der Korsakoffsche Symptomencomplex oder andere Geistesstörungen vor. 

Die allgemeine Ernährung leidet anfangs wenig, später wird sie mehr oder 
weniger beeinflusst. 

Die Beriberikranken können schon durch Bettruhe und dergleichen sioh bedeutend 
bessern; sie werden symptomatisch mit Diureticis, Abführmitteln, Herztonicis, Blut¬ 
entziehung, Ortswechsel, Massage, Elektricität u. a. behandelt. 

Die für uns wichtigsten anatomischen Befunde bei Beriberikranken sind: 
Dilatation, meist auch Hypertrophie des Herzens, besonders des rechten, Stauung im 
ganzen Venensystem und in verschiedenen Organen, Flüssigbleiben des Blutes, Wasser¬ 
sucht (oft auch Lungenödem), anämische Hautfarbe und Cyanose bei gutem Er¬ 
nährungszustand (acute Todesfälle); verschiedene degenerative Veränderungen an ver¬ 
schiedenen Organen, insbesondere den Nerven und Skelettmuskeln, aber auch an Herz 
und Gefässwand, Leber und Niere; regenerative Vorgänge in den Muskeln und Nerven. 
Hypertrophie des lymphatischen Apparates im Magen und Darm, Hypertrophie der 
Marksubstanz der Nebenniere. Die Befunde in den einzelnen Fällen sind natürlich je 
nach dem klinischen Verlauf verschieden. 


II, Experimentelle Studie^ über die sogen. Vogelberiberi (Polynenritis 

gallinarum). 

Meine Untersuchungen, die ich ira Sommer 1911 begonnen habe, 
erstrecken sich zunächst auf Tierexperimente an etwa 200 Hühnern und 
150 Tauben. Die Ergebnisse meiner Beobachtungen sind seit April 1912 
zum grossen Teil schon japanisch veröffentlicht worden. Hier möchte 
ich vorläufig die Resultate ganz kurz zusammen fassen, um dem Leser 
eine allgemeine Uebersicht zu ermöglichen. Die genauen Beschreibungen 
und Versuchsprotokolle werde ich später veröffentlichen. 

A. Vogelberiberi, hervorgerufen durch Fütterung mit geschältem 

und poliertem Reis. 

1. Allgemeines Krankheitsbild. 

Werden Hühner oder Tauben dauernd ausschliesslich mit Wasser und 
geschältem und poliertem Reis gefüttert, so nimmt ihre Fresslust und 
ihr Ernährungszustand allmählich sehr stark ab. Zugleich werden die 
Bewegungen träge, die Vögel stehen ruhig mit geschlossenen Augen; die 
Tauben sitzen nicht auf den Stangen, sondern auf dem Boden und zwar 
dicht bei einander. Flügel und Schwanz hängen schlaff herunter, das 
Gefieder wird matt und glanzlos. Der Kamm der Hühner wird anämisch 
und vom Rande aus cyanotisch. Das Bewusstseiu scheint stets gewöhnlich 
getrübt zu sein. Der Stuhl wird relativ früh diarrhoisch und grünlich. 
Kurz, der allgemeine Zustand sieht sehr heruntergekommen aus und 
zeigt nun keine Aehnlichkeit mehr mit dem anfänglichen lebendigen Zu- 


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stand; die Vögel magern auch fast bis zum Skelett ab. Dann treten 
motorische Störungen auf, etwa nach 20 Tagen seit Beginn des Versuches 
oder später. Hierbei ist bei Hühnern der häufigste Befund der, dass sie, 
statt wie bisher zu stehen, auf den Fersen sitzen und nicht mehr auf¬ 
stehen können. Schon mehrere Tage vorher kann man bemerken, dass 
sie beim Gehen wackeln und leicht stolpern. Dieser Zustand entspricht 
einer Lähmung der Wadenmuskeln, wodurch die Plantarflexion der Füsse 
unmöglich wird, die beim Stehen nötig ist. Tauben ziehen den Kopf 
stark nach hinten auf den Rücken; diese Erscheinung wurde bald durch 
die Lähmung der vorderen Muskeln und Contraction der gesunden An¬ 
tagonisten (Toyama), bald durch einen Krampf der Hintermuskeln er¬ 
klärt, und man unterschied infolgedessen bei Tauben eine Krampf- und 
eine Lähmungsform (Toyofuku und Saito). Aehnliche Bilder kommen 
auch bei Hühnern vor. Dann sterben die Vögel und man findet bei 
ihnen anatomisch meist eine Degeneration der Nerven (Polyneuritis 
gallinarum). 

Als Kontrolle wurden verschiedene Hühner und Tauben nur mit 
Wasser gefüttert. Diese starben unter einer ähnlichen Abmagerung und 
Schwäche, doch zeigten sich dabei keine motorischen Störungen und 
Degenerationen der Nerven. 

Das Krankheitsbild der Versuchstiere ist fast immer dasselbe; 
gelegentlich treten die motorischen Störungen relativ früh auf, während 
die Abmagerung verhältnismässig unbedeutend ist, oder umgekehrt — 
dies ist relativ selten — der Tod stellt sich als Folge der Abmagerung 
und Schwäche ein, ohne deutliche motorische Störungen, wie bei den 
einfach verhungerten Controlltieren. 

Schon diese allgemeine Uebersicht über das Krankheitsbild der sog. 
Vogelberiberi zeigt uns, dass hier relativ einfache Verhältnisse 
vorhanden sind, die ganz im Gegensatz zu den mannigfaltigen Symptomen 
und dem Verlauf der menschlichen Erkrankung stehen. Wir wollen nun 
die Veränderungen der wichtigsten Organsysteme der Tiere noch im ein¬ 
zelnen besprechen und sie dabei mit den Befunden beim Menschen vergleichen. 

2. Störungen von Seiten des Nervensystems. 

Vor dem Auftreten der eigentlichen Motilitätsstörungen nehmen die 
meisten Hühner eine eigentümliche Körperhaltung an; ihr Kopf ist nach 
hinten gezogen, der Rumpf mehr aufrecht gehalten und die Beine sind 
häufig gespreizt. Die motorischen Störungen bei Hühnern und Tauben 
sind teils Lähmungen, teils Reizungserscheinungen. 

a) Lähmungserscheinungen. Von vornherein sei bemerkt, dass 
eine Anzahl von Erscheinungen, z. ß. das Herabsinken der Flügel und 
des Schwanzes wahrscheinlich hauptsächlich auf der allgemeinen Schwäche 
beruht, weil man sie auch bei den Controlltieren sehen kann. Dagegen 
sind die Erscheinungen, welche auf die Degeneration der peripheren 
Nerven und Muskeln zurückzuführen sind, z. B. die Lähmung der Beuge¬ 
muskeln der Füsse, als die Folge von Reisfütterung zu betrachten, weil 
man diese Symptome nie an den verhungerten Hühnern beobachtet. Die 
Degeneration der Nervenfasern ist an dem herausgeschnittenen N. ischia- 


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Experiment. Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich z.Beriberi d. Menschen. 31 


dicus schon in frühen Stadien der Lähmung nachweisbar. Die Lähmung 
schreitet dann allmählich fort und bei den eingegangenen Tieren ist die 
Degeneration des N. ischiadicus und M. gastroenemius natürlich hoch¬ 
gradig. 

Die Degeneration der peripheren Nerven und Muskeln und die da¬ 
rauf folgenden Lähmungserscheinungen sind meines Erachtens fast die 
einzige Aehnlichkeit zwischen Polyneuritis gallinarum und Beriberi. 

Ausser diesen peripheren und den erstgenannten von allgemeiner 
Schwäche nicht differenzierbaren Lähmungserscheinungen gibt es aber 
noch solche, die centralen Ursprungs sind und als eine Form von 
Asthenie gedeutet werden können. Man sieht nämlich bei Hühnern 
manchmal relativ früh, meist am Ende der Erkrankung, ziemlich acut 
auftretend, eine wahrscheinlich dasselbe bedeutende Erschlaffung der 
Skelettmusculatur fast am ganzen Körper, so dass eine Feststellung der 
befallenen Muskeln unmöglich ist. Wenn man das gelähmte Tier mit 
einer genügenden Menge des alkoholischen Extractes der Reiskleie be¬ 
handelt, geht die Erscheinung sehr schnell zurück. Die auf allgemeine 
Schwäche und periphere Lähmung zurückgeführten Erscheinungen ver¬ 
schwinden dagegen ziemlich schwer oder nur langsam bei der gleichen 
Behandlung. Dass die Lähmung bei den frühen acuten Fallen (s. o.) 
nicht peripherer Natur ist, davon kann man sich auch überzeugen, wenn 
man die betreffenden peripheren Nerven blosslegt und elektrisch reizt; 
es treten dann an den gelähmten Teilen starke Muskelcontractionen auf. 
Auch mikroskopisch findet sich an solchen Nerven keine fortgeschrittene 
Veränderung, höchstens eine Anschwellung des Axenzylinders. 

b) Motorische Reizerscheinungen. Die motorischen Reiz¬ 
symptome sind am häufigsten an Nacken- und Rückenmuskeln beobachtet 
worden; es kommt auch vor, dass sie sich zu wirklichen Krämpfen des 
ganzen Körpers ausbilden. 

Am häufigsten treten Contracturen der Nackenmuskeln, und zwar 
bei Tauben, auf; der Kopf wird dabei stark nach hinten gezogen, oft so 
intensiv, dass die Tiere nach hinten überfallen. Dabei scheint es, als 
ob die Tiere zwangsmässig diese unnatürliche Haltung annehmen. Zeit¬ 
weise sieht man aber vor dem Zurückziehen des Kopfes wiederholt eine 
forcierte Bewegung nach vorn, die dann durch äussere Veranlassungen, 
etwa bei dem Fluchtversuch der Tiere, plötzlich sich in die opisthotonische 
Stellung umwandelt. 

Ausserdem wurden noch Erscheinungen bei Tauben beobachtet, welche 
den Zwangsbewegungen sehr ähnlich waren, die bei einseitiger Verletzung 
der Bogengänge oder auch des Kleinhirns, oder der Zweihügel bezw. bei 
der Reizung der anderseitigen Stellen Vorkommen. Sie müssen als eine 
Folge von Coordinationsstörungen aufgefasst werden. Erscheinungen 
dieser Art sind die eigenartige Drehung des Kopfes, die bei verbundenen 
Augen hochgradiger wird, Kopfnystagmus, Reitbahnbewegung u. a. 

Auch fielen die Tauben manchmal bei dem Versuche zu fliegen, 
nach hinten über und rollten mehrmals wie eine Kugel um ihre Quer¬ 
achse, einige Meter nach hinten, bis man sie gefunden hatte. 

Bei einigen Tauben wurde auch steifer, spastischer Gang beobachtet. 


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Zuckungen der Beine, Flügel und des Kopfes kommen auch bei 
Tauben und Hühnern nicht selten vor. Ein wirklicher typischer epilepti- 
former Krampfanfall, an dem sich der ganze Körper beteiligt, wurde 
gleichfalls ab und zu beobachtet, und zwar tritt er bei den Vögeln, die 
schon deutliche Lähmungserscheinungen zeigen, auf. Bei solchen Fällen 
sind die Sehnenreflexe gewöhnlich deutlich gesteigert. 

Die motorischen Reizungssymptome pflegen meistens plötzlich durch 
leichte äussere Veranlassungen aufzutreten und bleiben danach dauernd 
bestehen. Durch lnjcction von Reiskleieextract oder eine Aethernarkose 
gehen die Erscheinungen vollständig zurück, deshalb mus man sie als 
Folge der centralen Reizung betrachten. Es kommt auch vor, dass 
solche kranken Tauben keine, oder höchstens eine nur unbedeutende 
Degeneration der Nervenfasern zeigen. Die Reizerscheinungen finden sich 
auch bei Hühnern, viel häufiger aber bei Tauben. 

Wir haben also bei unseren Versuchstieren einerseits 
Lähmungserscheinungen peripherer und centraler Art be¬ 
obachtet, deren Feststellung gegenüber den immer auf¬ 
tretenden einfachen Schwächesymptomen manchmal nicht leicht 
ist, andrerseits centrale Reizungserscheinungen, die besonders 
bei den Tauben stark ausgeprägt waren. Die motorischen 
Störungen bei der menschlichen Beriberi sind hauptsächlich peri¬ 
pherer Natur und zwar die Folge der degenerativen Veränderungen an 
den Nerven und Muskeln; die sonstigen Reizungs- bezw. Lähmungs¬ 
erscheinungen, welche man bei den Versuchs vögeln beobachtet hat, treten 
bei Beriberikranken im allgemeinen nicht auf. 

c) Störungen der Sensibilität. Die Sensibilitätsstörungen lassen 
sich bei Vögeln objektiv natürlich nicht mit Sicherheit constatieren, aber 
bei der Degeneration der Nerven ist es sehr wahrscheinlich. Es ist kein 
seltenes Ereignis, dass Hühner häufig ihre eigenen Zehen immer wieder 
mit dem Schnabel verletzen und bluten lassen, was wohl das Vorhanden¬ 
sein von Parästhesien bezw. Anästhesien vermuten lässt. 

3. Erscheinungen von Seiten der Circulation und Respiration. 

Die Respiration wird im allgemeinen mit dem Fortschreiten der 
Erkrankung allmählich langsamer und auch beim Auftreten der motorischen 
Störungen meistens ganz ruhig; die von einigen Autoren angegebene 
Dyspnoe habe ich gewöhnlich nicht beobachtet. 

Die Herztöne werden allmählich bedeutend leiser, als in der ge¬ 
sunden Zeit. Der Herzschlag nimmt während der Versuche im all¬ 
gemeinen an Frequenz ab. Aber es kommt auch vor, dass die Zahl der 
Herzschläge und der Atemzüge inmitten des Verlaufs, insbesondere am 
Ende, sich wieder zu vermehren beginnt, ohne weiterhin abzunehmen, 
was ich besonders bei Hühnern beobachtet habe. 

Im Gegensatz dazu nimmt bei beriberikranken Menschen die Frequenz 
der Herzschläge bei frischen Fällen gewöhnlich zu, und die Herzaction 
ist verstärkt; eine Bradycardie tritt nur erst in der Reconvalescenz auf. 
Die Atmung ist gleichfalls beschleunigt und dyspnoisch. 


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Experiment. Polynouritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich z. Beriberi d. Menschen. 33 


Mit der Herabsetzung des Ernährungszustandes verliert der Kamm 
der Hühner allmählich seine schöne feuerrote Farbe und eine cyanotische 
Verfärbung schreitet vom Rande her über ihn fort. Man sieht aber auch 
an einfach verhungerten Controlltieren eine ähnliche anämische Ab¬ 
blassung und leichte cyanotische Verfärbung. 

Das aus der Carotis gewonnene Blut der kranken Tiere ist ziemlich 
venös und wird erst durch Schütteln hellrot. Diese Veränderung ist 
wohl die Folge des mangelhaften Gaswechsels. 

Der Blutdruck der erkrankten Hühner ist oder kann häufig trotz 
der Abmagerung und allgemeinen Schwäche garnicht oder nur wenig er¬ 
niedrigt sein. Wenn man aber dabei künstliche Atmung einleitet, so sinkt 
er deutlich und steigt erst durch Aufheben derselben wieder bis zur an¬ 
fänglichen Höhee mpor. Dass diese Erscheinung nicht die Folge der 
mechanischen Reizung des Respirationstractus, sondern die der vermehrten 
Ventilation des Blutes ist, kann man sehr leicht durch einen Versuch 
an gesunden oder den Controlltieren nachweisen, die nie eine solche Er¬ 
scheinung zeigen. Das Hochbleiben des Blutdruckes ist durch die Reizung 
des Gefässcentrums und zugleich der Gefässwand durch die stagnierende 
Kohlensäure verursacht; dafür sprechen die Verminderung der Respirationen 
und der Befund, dass das Carotisblut der kranken Hühner venös ist, 
und erst durch Schütteln an der Luft arteriell hellrot wird. Der Blut¬ 
druck, den man nach der Arterialisation des Blutes durch künstliche 
Respiration beobachtet, ist also die wirkliche Höhe und gerade so niedrig, 
wie man bei der allgemeinen Schwäche der kranken Hühner erwarten 
kann. 

Beim letalen Ausgang steht die Respiration zuerst still, und wenn 
man die Brust gleich aufmacht, so schlägt das Herz noch weiter fort, 
ist also das Ultimum moriens. 

Bei der äusseren Besichtigung, wie auch bei der Scction findet man 
eine allgemeine Anämie. 

Das Herz der gestorbenen Tiere ist atrophisch, der rechte Ventrikel 
ist deutlich dilatiert und mit Blut gefüllt, seine Wand ist schlaff und 
dünn und zeigt keine Hypertrophie. Das linke Herz ist auch oft 
dilatiert, aber niemals hypertrophisch. So erhält man in bestimmten 
Fällen ein ähnliches Bild wie bei den einfach verhungerten Controll- 
hühnern. Ich habe einige Male die Hühner moribund seciert, um das 
Verhalten des Herzens zu beobachten; es schlägt einige Zeitlang fort, 
wie schon beschrieben, und steht schliesslich in der Diastole still. 

Bei der Section von beriberikranken Menschen findet man aber in 
den meisten Fällen neben der Dilatation des rechten Ventrikels eine 
Hypertrophie. 

Die Bauchvenen sind fast immer mehr oder weniger stark gefüllt, 
nur in geringem Masse natürlich bei den stark anämischen Tieren. Leber 
und Nieren sind bald cyanotisch, bald anämisch. Die Milz ist atrophisch 
und zeigt wenigstens makroskopisch niemals eine deutliche Stauung, 
ebenso das Pankreas. Die Venen an den Hirn- und Rückenmarkshäuten 
sind häufig auch ziemlich stark gefüllt. Blutungen an der Haut oder 
den inneren Organen habe ich nie beobachtet, ausser an den Zehen, für 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 17. Bd. 3 


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die ich in einigen Fällen eine Verletzung mit dem Schnabel als Erklärung 
gefunden habe. Oedeme und Wasseransammlungen in den serösen 
Höhlen fehlen im allgemeinen; die Haut scheint sogar wasserärmer zu 
seien, wobei an Diarrhöen oder auch möglicherweise an eine vermehrte 
Diurese einerseits, die Atrophie der Drüsen in der Haut andererseits zu 
denken ist. Nur im Herzbeutel sieht man manchmal eine relativ grosse 
Menge (etwa 4—5 ccm) einer gelblichen klaren Flüssigkeit. 

Bei Beriberi ist das Oedem eines der wichtigsten Symptome und 
auch allgemeine Wassersucht mit Hydrops in den serösen Höhlen — 
Hydropericard, Ascites und Hydrothorax — kommen gleichfalls vor. 

4. Körpergewicht, Temperatur und Störungen von Seiten der 

Verdauungsorgane. 

Durch die dauernde ausschliessliche Fütterung mit Wasser und ent- 
schältera und poliertem Reis nimmt das Körpergewicht der Vögel in 
allen Fällen allmählich ab, meistens bis auf 60 pCt. des ursprünglichen 
Gewichtes, manchmal aber noch stärker. Wichtig ist, dass die motorischen 
Störungen erst nach einem solchen Verlauf auftreten. 

Bei der Autopsie weisen die Hühner und Tauben meistens hoch¬ 
gradige Abmagerung auf; Haut, Muskeln und innere Organe sind 
atrophisch, das Fettgewebe ist stark vermindert und sogar fast ganz 
geschwunden. 

Die rectale Temperatur sinkt allmählich bis zum Tode. 

Die Abnahme des Körpergewichts und die Erniedrigung der Körper¬ 
temperatur zeigen ein ganz ähnliches Verhalten wie die einfach ver¬ 
hungerten Controlltiere. 

Bei den beriberikranken Menschen leidet der allgemeine Ernährungs¬ 
zustand anfangs wenig und wird nur in den späteren Stadien mehr oder 
weniger beeinflusst. Ein solches Sinken der Temperatur kommt auch 
nicht vor, freilich sind die Meinungen der Autoren darüber geteilt, ob 
die Beriberikrankheit Fieber hat oder nicht. 

Ein interessantes und in bezug auf den Ernährungszustand sehr 
wichtiges Symptom ist die Veränderung des Appetites. J)ie Versuchs¬ 
tiere nehmen zuerst den polierten Reis gierig auf, sie fangen aber nach 
einer kürzeren oder längeren Zeit an, allmählich das Futter zu ver¬ 
weigern, und im ersten Augenblick sieht es so aus, als ob der Appetit 
herabgesetzt ist. Bei näherer Beobachtung erkennt man aber, dass die 
Fresslust im Gegenteil für andere Stoffe sogar sehr gesteigert ist; die 
Tiere suchen nämlich in ihrer Umgebung, was geniessbar ist, und fressen 
nicht nur die eventuell gefundenen Körner unpolierten Reises, Insekten, 
Würmer usw., sondern auch Federn, Blätter, Papier, kurz, fast alle 
mögliche Substanzen, die gewöhnlich ungeniessbar sind. Nur polierten 
Reis verweigern sie. Diese eigentümliche Störung des Appetites kann 
man als specifisch für diese Krankheit ansehen, weil sie durch die Be¬ 
handlung mit einem wirksamen Extract der Reiskleie innerhalb mehrerer 
Stunden prompt zurückgeht. Es scheint mir, dass die Verweigerung des 
polierten Reises instinktiv auftritt und den Organismus vor der durch 
ungeeignete Fütterung hervorgerufenen Ernährungsstörung schützt. 


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Experiment. Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich z. Beriberi d. Menschen. 35 

Bei Beriberikranken ist die Appetitlosigkeit ein fast immer vor¬ 
handenes Symptom, man darf diese aber nicht mit dem oben beschriebenen 
gleichstellen; hier ist die Esslust überhaupt meiner Erfahrung nach durch 
Behandlung mit Reiskleieextract nicht zu beseitigen. 

Eine nötige Folge der Nahrungsverweigerung durch die Tiere ist 
natürlich die schon beschriebene Abmagerung. Aber nicht allein die 
einseitige Ernährung sagt den Tieren nicht zu, denn andere Stoffe, z. B. 
unpolierten Reis (siehe unten) allein fressen sie ganz gern, ohne zu er¬ 
kranken, sondern es spielen bei der Abmagerung sicher auch andere 
Momente, Assimilationsstörungen, speciell Störungen der Function des 
Magen und Darmes, vielleicht auch Fehler in der Zusammensetzung der 
Nahrung, eine grosse Rolle. Man beobachtet nämlich gewöhnlich eine 
Störung der motorischen Function des Kropfes und damit eine Stagnation 
der Speisemassen an dieser Stelle. Selbst des Morgens enthält der Kropf 
stets eine gewisse Menge von Speisen, obwohl die Tiere mehrere Tage 
lang wenig oder garnichts gefressen haben. Ist diese Störung eingetreten, 
so kann man auch durch zwangsraässige Fütterung mit poliertem Reis 
die Abmagerung der Versuchsvögel nicht verhüten. 

Die stagnierte Speisemassc verfällt schliesslich einer sauren Gärung; 
man kann mit der Sonde aus dem Kropf einen stark sauer reagierenden 
Saft entnehmen, und bei der Section sieht man im Kropf reichliche 
Mengen von macerierten, gelblichen Reiskörnern, die stark sauer riechen 
und reagieren. 

Durch Injection von Reiskleieextract ist diese Motilitätsstörung des 
Kropfes leicht zu beseitigen, denn die Tiere fressen danach sogar ziem¬ 
lich reichlich, ohne dass Stagnation von neuem auftritt. 

Die Stühle werden im Verlauf der Krankheit immer dünnflüssiger, 
meistens grünlich und reagieren die ganze Versuchsdauer hindurch stets 
sauer. Bei der Section ist der Darminhalt ebenfalls dünnflüssig und 
grünlich gefärbt. Die Darmschleimhaut ist in einem katarrhalischen 
Zustand. 

Bei den Beriberikranken ist der Stuhlgang entweder verstopft oder 
normal; nach Miura treten Diarrhöen selten auf, nach Aoyama stellen 
sie stets eine Complication dar. 

Einigemale habe ich an Versuchshühnern einen künstlichen Anus an¬ 
gelegt und dadurch Harn und Kot getrennt gesammelt. In dem so ge¬ 
wonnenen Harn waren weder Eisweiss, Zucker, Gallenfarbstoff noch deut¬ 
liche Indicanreaction nachweisbar. Der Harn der Berberikranken ent¬ 
hält bald vermehrtes Indican und in schweren Fällen auch geringe Menge 
von Eiweiss. 

Ueber den Gehalt an Blutzucker bei kranken Hühnern kann ich 
nichts Bestimmtes sagen, das Resultat ist sehr schwankend; die Zucker¬ 
menge ist bald ziemlich hoch, bald garnicht vermehrt gegenüber den ge¬ 
sunden Tieren. 

Bei Beriberikranken zeigt der Zuckergehalt des Blutes nach meiner 
Untersuchung keine Veränderung sowohl am Morgen nüchtern, als auch 
nach den Mahlzeiten. 

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5. Verlauf und Prognose. 

Solange man die Reisfütterung fortsetzt, ist die Krankheit aus¬ 
nahmslos progressiv und zeigt keine Neigung zur Besserung, sondern 
sie schreitet nach dem Ausbruch immer ständig bis zum letalen Aus¬ 
gang ziemlich rasch fort, nur die zur rechten Zeit eingeleitete Behandlung 
mit Reiskleieextract oder ein geeigneter Nahrungswechsel können die Er¬ 
krankung aufhalten und mit grosser Schnelligkeit heilen. 

Dies ist bei der Beriberi des Menschen nicht der Fall. Es ist gar 
keine seltene Beobachtung, dass die Kranken in der hiesigen Klinik 
Beriberi als intercurrente Krankheit bekommen und durch geeignete Be¬ 
handlung unter gleichbleibender Nahrung doch allmählich ausheilen; dabei 
ist dieHauptnahrung gekochter polierter Reis mitZusatzvon frischem Gemüse, 
wenig Fisch oderFleisch, und die Ernährung bleibt ziemlich constant dieselbe. 

Nach unseren Erfahrungen in der hiesigen Klinik wurden sogar die 
Kranken wieder gesund, die nach der Erkrankung besonders mit japanischem 
conserviertem Fleisch und Gemüse, ausser poliertem Reis, ernährt wurden. 
Die Conserven sind ja bekanntlich häufig als die Ursache des nicht 
seltenen Auftretens der Beriberi unter den Schiffsleuten beschuldigt, und 
in der Tat sind solche conservierten Nahrungsmittel nach meinen Experi¬ 
menten an Vögeln weniger vitaminhaltig, d. h. weniger fähig, die Tiere 
vor Polyneuritis zu schützen, als die frischen Nahrungsmittel. Diese 
Beobachtung scheint mir nicht ohne Wert zu sein, besonders für die 
Identitätsfrage von Beriberi und Polyneuritis gallinarura. 

6. Die Wirkung des Reiskleieextractes, der sogenannten Vita¬ 
mine, bei Polyneuritis gallinarura. 

Der Reiskleieextract wurde folgendermassen hergestellt: die luft¬ 
trockene Reiskleie wurde mehrmals mit absolutem Alkohol extrahiert, 
das Extract unter vermindertem Druck abgedampft, der Rückstand im 
Wasser aufgenommen, und diese wässerige Lösung wurde mit Aether 
entfettet. Der so bereitete Extract war am Vogel stark wirksam; er 
wurde meist subcutan, selten intramusculär angewendet, manchmal aber 
auch innerlich dargereicht. 

Die Symptome, welche durch Behandlung mit dem Reiskleieextract 
überraschend schnell, oft sogar schon in einigen Stunden zurückgehen, 
sind die motorischen Störungen, welche ich als central bedingt aufgefasst 
habe, nämlich die motorischen Reiz- und Lähmungserscheinungen, ferner 
die Störungen des allgemeinen Befindens, d. h. die Trübung des Bewusst¬ 
seins und die Asthenie, der Widerwillen gegen den polierten Reis, die 
Stagnation der Speisemassen im Kropf, die subnorme Körpertemperatur, 
wahrscheinlich auch die mangelhafte Arterialisation des Blutes und die 
Erniedrigung des arteriellen Blutdruckes. 

Wenn man auch den kranken Hühnern nach der Injection von 
Kleieextract nichts ausser Wasser gibt, so ist doch am folgenden Tage 
die vorher subnormale Körpertemperatur deutlich wieder erhöht. Weil der 
Calorienwert des entfetteten Extractes ganz minimal sein muss, so muss 
man die Temperatursteigerung als Folge der Wiederherstellung der Wärme¬ 
regulation und der Stoffwechsel Vorgänge annehmen. 


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Experiment. Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich z. Beriberi d. Mensohen. 37 

Mehrere Stunden nach der Injection ist eine Erniedrigung des Blut¬ 
drucks durch künstliche Atmung nicht mehr festzustellen; die Höhe des¬ 
selben ist deutlich grösser als die, welche kurz vor der Behandlung nach 
der Einführung der künstlichen Atmung gemessen worden ist. 

Diesen frappanten Erfolgen steht eine zweite Reihe von Symptomen 
gegenüber, welche durch die Behandlung mit Reiskleieextract nicht so 
schnell zurückgehen. Die Degeneration der peripheren Nerven und 
Muskeln, und die dadurch verursachte periphere Lähmung bleiben lange 
Zeit bestehen und die Tiere zeigen keine oder nur eine geringe Zunahme 
des Körpergewichtes trotz des gesteigerten Appetites, wenn man ihnen 
neben den Injectionen von Kleieextract polierten Reis und Wasser gibt. 

Im ganzen verschwinden die als functionelle Störungen anzu¬ 
sprechenden Symptome sehr schnell, aber die organischen Veränderungen 
brauchen eine viel längere Zeit um zu heilen oder gehen überhaupt nicht 
zurück. 

Was die Wirkungsweise des Reiskleieextractes anlangt, so scheint 
es sich nicht einfach um den Ersatz einer fehlenden Substanz zu handeln; 
er wirkt zu prompt und zwar selbst in einer sehr kleinen Menge, wie 
ein stark wirksames Pharraacum. Das allgemeine Krankheitsbild ver¬ 
bessert sich mit einer geradezu überraschenden Schnelligkeit. Der Ex- 
tract erweist sich also als ein Spccificum gegen diese Vogel¬ 
krankheit. 

Neben der therapeutischen Wirkung kommt aber dem Reis¬ 
kleieextract auch noch eine prophylaktische Wirkung bei der Poly¬ 
neuritis gallinarum zu; behandelt man nämlich die Tiere subcutan oder 
innerlich damit, so kann man den Ausbruch der Krankheit verhindern. 

Durch die Güte der Professoren Aoyama, K. Miura, Irisawa und 
ihrer Assistenten habe ich Gelegenheit gehabt, in der hiesigen Universitäts¬ 
klinik die Wirkung des Reiskleieextractes beziehungsweise des Orycanins 
(Zuzuki) bei Beriberikranken genau zu beobachten. Irgendeine be¬ 
merkenswerte objective oder subjective Besserung war nicht zu con- 
statieren, abgesehen von der einigemal beobachteten Vermehrung der 
Harnmenge; es ist also eine specifische heilende Wirkung, wie man sie 
bei der Vogelberiberi sieht, überhaupt nicht vorhanden. Bei den frischen 
progressiven Fällen, schreitet die Krankheit sogar immer fort, trotz der 
Behandlung mit Reiskleieextract. Ich will bemerken, dass ich bei dieser 
Prüfung auch grosen Dosen des Extractes, entsprechend vielen 100 g Reis¬ 
kleie, mehrmals angewandt habe. 

B. Fütterung mit poliertem Reis und verschiedenen Nebenspeisen. 

Füttert man Hühner mit poliertem Reis und einer passenden Menge 
einer geeigneten Nebenspeise z. B. Eigelb, besser dem Rückstand von 
ausgekochtem Fisch etc., so tritt nach einer längeren Zeit eine deutliche 
periphere Lähmung auf. Die anderen bei reiner Fütterung mit poliertem 
Reis beobachteten Symptome wie Abmagerung, Anämie, Cyanosc des 
Kammes, subnormale Körpertemperatur, Widerwillen gegen polierten Reis, 
Stagnation desselben im Kropf, motorische Reizerscheinungen, Asthenie 
etc. kommen überhaupt nicht oder nur in einem leichten Grade vor. 


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Der Blutdruck bleibt gleichfalls normal, und zeigt keine Veränderung bei 
Einleitung der künstlichen Atmung. Die Respiration ist auch bei diesen 
Fällen ruhig und nicht dyspnoisch, oder die Zahl der Atemzüge ist ziemlich 
stark vermindert. Die Herzaction zeigt gleichfalls keine wesentliche 
Veränderung, wenigstens keine Verstärkung wie bei den Beriberikranken. 
Die kranken Hühner leben lange Zeit ganz ruhig, ohne irgendwelche un¬ 
angenehme Empfindungen zu äussern. Das einzige in die Augen fallende 
Symptom ihrer Krankheit ist die Lähmung ihrer Beine; sie stehen nicht 
wie gesunde Tiere auf den Zehen, sondern hocken auf den Fersen. 
Aendert man die Art oder Menge der Nebenspeise, so kann sich der 
Krankheitszustand wieder bessern und sogar heilen. Tut man das nicht, 
so ist die Krankheit immer progredient, es tritt allmählich Abmagerung 
und Schwäche und schliesslich der Tod ein. 

Aus diesen Experimenten ist ersichtlich, dass bei Vögeln nach 
Fütterung mit poliertem Reis und bestimmten Nebenspeisen eine typische 
Polyneuritis Vorkommen kann, ohne dass Abmagerung und die andern 
oben beschriebenen Symptome auftreten. Trotzdem sind aber die Sym¬ 
ptome und der Verlauf ganz anders als bei der cardialen Form der Beri- 
beri. Die sogenannte atrophische oder auch die rudimentäre Form der 
Beriberi mit der Degeneration der peripheren Nerven und Muskeln hat 
einige Aehnlichkeiten, aber es fehlen bei der Vogelberiberi viele Sym¬ 
ptome, besonders die von seiten der Circulation und Respiration und der 
Verlauf weicht auch ziemlich deutlich ab. Was die hydropische Form 
der Beriberi betrifft, so habe ich allgemein Wassersucht an den kranken 
Hühnern nie beobachtet, nur manchmal eine relativ grosse Menge Herz¬ 
beutelflüssigkeit. 

Diese neue Fütterungsweise wird empfehlenswert sein, 
wenn man die Erkrankungen des Menschen und der Vögel mit¬ 
einander vergleichen will, da hier die Polyneuritis in relativ 
reiner Form auftritt. 

C. Ausschliessliche Ernährung mit Rohrzucker, geschälter Gerste, 
Weizenmehl, Weissbrot oder ausgekochtem Fischfleisch. 

Holst und Fröhlich 1 ) haben schon durch Fütterung von Vögeln mit 
anderen Amylaceen Neuritis hervorgerufen. Gerade mit einigen Arten 
von entschälter Gerste, welche von den Japanern als Hauptnahrung, 
mit Reis gemischt, gegessen und sehr oft bei uns als Schutzmittel gegen 
Beriberi bezeichnet werden, habe ich Hühner und Tauben gefüttert und 
bei diesen, wie durch Reisfütterung, eine typische Degeneration der 
Nerven mit folgenden Lähmungen und anderen motorischen Störungen 
hervorgerufen. Man hält auch Brot für ein Schutzmittel gegen Beriberi; 
ich habe jedoch an mit japanischem Weissbrot gefütterten Hühnern 
gleichfalls eine Degeneration der Nerven und Lähmungen bemerkt (Tauben 
blieben länger vor der Krankheit geschützt), und mit Weizenmehl ge¬ 
fütterte Hühner starben auch fast unter ähnlichen Symptomen. Die 


1) Holst, Axel und Theodor Fröhlich, Experimental studies relating to Ship- 
Beri-Beri and Scurvy. Journal of Hygiene. Oktober 1907. Vol. VII. No. 5. 


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Experiment. Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich z.Beriberi d. Menschen. 39 

interessantesten Experimente stellt aber die Ernährung von Hühnern und 
Tauben mit Rohrzucker dar, die mir nach einigen Schwierigkeiten 
jedoch gelungen ist. Ich habe nämlich eine gewisse Menge Nährsalz dem 
zugesetzt und zwangsweise gegeben, dazu natürlich Wasser. Die Dege¬ 
neration der Nerven und die Lähmungen treten nach kürzerer Zeit ein, 
und die Tiere verlieren noch weniger an Körpergewicht, als die mit Reis 
genährten Vögel. Diese bei den genannten, verschiedenen Fütterungs¬ 
versuchen hervorgerufene Krankheit ist genau dieselbe wie bei Reis¬ 
fütterung. Als Beweis für die Identität kann ich nicht nur die Dege¬ 
neration der Nerven, sondern auch noch klinisch gleiche Symptome und 
besonders auch dieselbe Wirkung des Reiskleiextractes resp. der Reis¬ 
kleie, sowohl therapeutisch, als auch prophylaktisch, anführen. 

Eins der wichtigsten Ergebnisse auch dieser Versuche ist, dass durch 
Zusatz von Eiweisskörpern oder Nährsalzen zum Zucker wie zum Reis 
keine Schutzwirkung ausgeübt wird. Jedoch blieben die Versuchstiere 
ziemlich lange Zeit vor der Krankheit geschützt, wenn man ihnen neben 
Zucker, Salzen und Wasser den Reisklcieextract innerlich oder subcutangab. 

Schliesslich habe ich noch Hühner mit dem ausgekochten und aus¬ 
gepressten Rückstand von Fischen genährt und immer die einer 
Degeneration entsprechende Lähmung gesehen. 

Die schon seit langem durch Fütterung mit poliertem Reis bei 
Vögeln hervorgerufene Krankheit ist also nicht als eine specifische zu 
bezeichnen, sondern man kann ein ähnliches Bild auch durch einseitige 
Ernährung mit anderen Stoffen erzeugen. Die Unterschiede sind meines 
Erachtens sogar nur so gering, dass ich die Krankheiten selbst als 
identisch bezeichnen möchte; nur die Zahl der Tage bis zum Auftreten 
der Erscheinungen ist verschieden, so dass die Quantität der wirksamen 
Stoffe in den einzelnen verwendeten Nahrungsmitteln verschieden sein 
muss. Die genauen Einzelheiten dieser Versuche und die Protokolle 
werde ich demnächst ausführlich mitteilen. Auf die vorbeugend wirkenden 
Nebenspeisen werde ich unten im Capitel „Aetiologie und Wesen“ noch 
genauer zu sprechen kommen. 

D. Pathologische Anatomie. 

Die Sectionsbefunde der ausschliesslich mit Reis gefütterten Hühner 
sind kurz zusammengefasst folgende. Bei der äusseren Besichtigung 
ist die Abmagerung und allgemeine Anämie auffallend, die bei den mit 
poliertem Reis und Nebenspeisen gefütterten Fällen bei weitem geringer 
ist. Die Haut ist atrophisch, verdünnt und trocken. Das Unterhautfett¬ 
gewebe und das sonstige Fett im Körper sind stark reduziert. Die 
Musculatur ist ebenfalls atrophisch. Weder Stauung noch Wassersucht 
sind festzustellen. Blutungen in die Haut, Muskeln oder inneren Organe 
werden in der Regel nicht gefunden, abgesehen von den schon genannten 
Blutungen an den Zehen. Seröse Häute o. V., nur der Herzbeutel 
enthält manchmal eine relativ grosse Menge, d. h. etwa 4—5 ccm einer 
gelblichen klaren Flüssigkeit. Das Herz ist meist ziemlich stark 
atrophisch; die rechte Herzhälftc ist deutlich dilatiert und mit Blut 
gefüllt, aber ihre Wand ist schlaff und garnicht hypertrophisch, 


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sondern eher verdünnt. Das Jinke Herz ist auch zuweilen dilatiert, 
aber gleichfalls niemals hypertrophiert. Zu denselben Ergebnissen ist 
Segawa 1 ) durch exacte Messungen gekommen. Bei den mit poliertem 
Reis und Nebenspeisen gefütterten Hühnern sind die Veränderungen 
am Herzen geringfügiger. Bei einem mit poliertem Reis und con- 
servierter Nahrung gefütterten Huhn habe ich im Epicard Petechien 
gesehen. An den Lungen habe ich makroskopisch keine bemerkens¬ 
werten Veränderungen feststellen können. Eine Ansammlung von Flüssig¬ 
keit in der Bauchhöhle habe ich nie gefunden. Die Bauchvenen sind 
fast immer mehr oder weniger stark gefüllt, nur im geringsten Masse 
natürlich bei den Fällen von starker allgemeiner Anämie. Leber und 
Nieren sind bald ziemlich deutlich cyanotisch, bald anämisch. Das 
Gewicht der Leber ist meist verhältnismässig wenig vermindert, ihr 
Parenchym ist oft getrübt. Die Milz ist dagegen immer atrophisch, 
ihre Kapsel ist grauwcisslich, verdickt und gerunzelt, die Pulpa ist atro¬ 
phisch, die Follikel sind schwer, die Balken dagegen deutlich sichtbar. Ein 
Bild . wie die gewöhnliche Stauungsmilz ist überhaupt nicht zu sehen. 
Das Pankreas ist auch atrophisch. 

Der Kropf ist leicht katarrhalisch entzündet, seine Wand ist ver¬ 
dünnt; er enthält meistens saure Speisereste. Die Schleimhaut des 
übrigen Verdauungstractus ist gleichfalls in katarrhalischem Zustande. 
Die Musculatur des Hintermagens ist deutlich atrophisch. 

Die Hoden sind atrophisch. 

E. Aetiologie und Wesen der Krankheit. 

Durch die ausschliessliche Ernährung mit gut poliertem und ge¬ 
waschenem Reis tritt die Motilitätsstörung bei Hühnern fast stets auf, 
wenn man unter strengen Cautelen es vermeidet, dass die Versuchstiere 
Insekten, Grasknospen usw. finden und auffressen. Es kommt jedoch 
auch ausnahmsweise, besonders bei jungen Hühnern, vor, dass die Tiere 
vor dem Auftreten der erkennbaren motorischen Störungen an Abmagerung 
und Schwäche wie bei der einfachen Inanition zu Grunde gehen. Dies 
ist bei Tauben nicht selten. Jedenfalls erkranken alle Tiere und gehen 
zugrunde. 

Im Allgemeinen kann man sagen, dass es bei Hühnern und 
Tauben keine Verschiedenheiten der Disposition gibt, ausser der 
individuellen Schwankung in bezug auf die Dauer bis zum Ausbruch der 
Krankheit bzw. bis zum Tode. 

Der Zusatz von Eiweiss, Oel, anorganischen Salzen zur Reisnahrung 
hat keine verhindernde Wirkung auf den Ausbruch der Krankheit. Der 
Extract der Reiskleie, innerlich oder subcutan gegeben, wirkt sowohl 
prophylaktisch, als auch heilend gegen die Krankheit. Reiskleie selbst 
ist natürlich ebenfalls wirksam. Ucber 120 °C einige Stunden lang er¬ 
hitzte Reiskleie habe ich statt der Nährsalze gleichfalls in einigen Ver¬ 
suchen angewandt und sie allein oder mit Eiweiss und Oel poliertem 
Reis zugesetzt und gefunden, dass sic jetzt keine prophylaktische und 

1) Zeitschr. d. med. Gesellschaft zu Tokio. 1913. 


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Experiment. Polyneuritis, besonders bei Vögeln, imVergleioh z. Beriberi d. Menschen. 41 


heilende Wirkung mehr hat. Zusatz von Nebenspeisen, wie Eigelb, 
Fische oder Fischsuppe, Rindfleisch, Bohnen oder Kartoffeln usw., 
zu poliertem Reis wirkt schützend oder heilend wie die Reiskleie oder 
deren Extract, es müssen also physiologisch gleiche oder ähnlich wirk¬ 
same Stoffe auch in solchen Nahrungsmitteln enthalten sein; die Tat¬ 
sache, dass Eiweiss, Fett und Salze keine Schutzwirkung besitzen, ist 
ja schon bekannt und ich habe dies auch selbst bestätigen können. Die 
Conserven wirken nach meiner Untersuchung im allgemeinen viel 
schwächer als die entsprechenden frischen Nahrungsmittel. Ich habe 
Hühner und Tauben mit entschältem, aber nicht poliertem Reis und 
Tauben mit Bohnen, welche in Wasser erweicht und peinlich enthäutet 
waren, längere Zeit genährt und in voller Gesundheit erhalten können. 
Ebenso zeigen Weizenkörner eine vorbeugende Wirkung. Wirksame Stoffe 
sind also ausser in der Reiskleie auch in den äusseren Schichten ver¬ 
schiedener Getreidekörner, in Bohnen, Kartoffeln, Eigelb, Fischfleisch, 
Fischsuppe, Rindfleisch u. a. enthalten. Ich glaube, dass man in fast 
allen von der Natur bereiteten Nahrungen wirksame Stoffe finden kann. 

Dass die einseitige Fütterung mit Zucker, entschälter Gerste, Weizen¬ 
brot oder ausgekochtem Fisch, dieselbe Krankheit hervorruft, habe ich 
schon erwähnt. 

Die Krankheit ist also nicht etwa für den polierten Reis specifisch, 
sondern sie ist einfach durch den Mangel an einem bzw. mehreren in 
der Reiskleie enthaltenen wirksamen Stoffen oder den mit ihnen physio¬ 
logisch analog wirkenden Substanzen in der aufgenommenen Nahrung 
hervorgerufen. 

Als Ursache muss man also an eine Ernährungsstörung und zwar 
eine Störung im Stoffwechsel, denken; die Bildung der giftigen Stoffe 
durch die abnorme Gärung im Verdauungstractus als Aetiologie der 
Polyneuritis gallinarum ist ja häufig angenommen worden, aber die Tat¬ 
sache, dass der Reiskleieextract subcutan injiciert sogar in einigen 
Stunden schon eine deutliche Heilwirkung zeigt, ist mit dieser Annahme 
schwer vereinbar. 

Trotzdem habe ich eine Reihe von Versuchen darüber ausgeführt. 
Zunächst habe ich Gärungsmilchsäure ziemlich reichlich dem unpolierten 
Reis zugesetzt und damit die Vögel gefüttert, dabei sind sie ganz gesund 
geblieben bzw. durch den Zusatz derselben zu dem polierten Reis trat 
keine Beschleunigung der Erkrankung ein. Dann habe ich einigen mit 
poliertem Reis gefütterten Vögeln so viel Natriumbicarbonat gegeben, dass 
das Excret ziemlich stark alkalisch reagierte, ohne damit das Auftreten 
der Erkrankung zu verhüten. Um die Gärung zu unterdrücken, habe ich 
auch Thymol innerlich verabreicht, jedoch gleichfalls ohne Erfolg. Jeden¬ 
falls scheint mir nach diesen Versuchen eine enterogene Vergiftung als 
Aetiologie ausgeschlossen zu sein. 

Die Krankheitserscheinungen und die Wirkungsweise des Reiskleie- 
extractos an ihnen lassen mich fast ungezwungen an eine Vergiftung und 
zwar eine Autointoxication, wie etwa die Tetanie, denken. Ich habe 
nämlich eine grosse Menge (etwa 50 ccm) Blutplasma oder Blutserum 
von kranken Hühnern einigen schon lange mit poliertem Reis gefütterten, 


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aber noch nicht kranken Hühnern intraperitoneal injiciert, ohne sie damit 
krank zu machen. Also zurzeit muss ich mich begnügen, den Mangel 
an specifischen Stoffen (Vitamine Funks) als causalen Factor der Poly¬ 
neuritis gallinarum anzunehmen. Die Bezeichnung „partielle Inanition“ 
passt einigermassen, um die Entstehung der Krankheit auszudrücken, 
aber ich kann mich der Meinung nicht anschliessen, den „Vitamin¬ 
hunger“ etwa im Sinne des „Eisenhungers“, hervorgerufen bei der 
experimentellen Anämie durch eisenarrae Nahrung, anzunehmen. 

III. Experimente an Säugetieren. 

Ich habe auch viele Hunde und einige Kaninchen mit poliertem, ge¬ 
kochtem Reis, mit cntschälter gekochter Gerste, Zucker u. a. gefüttert. 
Nach einer weit länger dauernden Fütterung als bei den Vögeln traten 
die an diesen beobachteten Symptome, wie Widerwillen gegen Reis, Ab¬ 
magerung, allgemeine Schwäche, subnorme Temperatur, Verlangsamung 
der Atmung und Herzschläge u. a. auf. Aber eine unzweideutige motorische 
Lähmung konnte ich nur bei einem Kaninchen constatieren, welches mit 
cntschälter Gerste gefüttert war. Hier möchte ich noch einmal betonen, 
dass bei der Beriberi des Menschen die periphere motorische Lähmung 
eines der wichtigsten Symptome ist. 

IV. Die ausschliessliche Ernährung mit geschältem und poliertem Reis 

beim Menschen. 

Die dem Mehlnährschaden (Czerny) entsprechende Ernährungsstörung 
solcher Kinder, welche mit Schleim aus poliertem Reis ernährt werden, 
der sogen. Reisnährschaden, ist häufig mit der sogen. Säuglings- 
beriberi, die entsteht, wenn ein Kind von einer beriberikranken Mutter 
gestillt wird, verglichen worden, und zwar werden beide Erkrankungen 
bald als identisch, bald als vefschieden hingestellt. Die durch aus¬ 
schliessliche Fütterung mit poliertem Reis hervorgerufene Krankheit der 
Vögel und Hunde ist dem Reisnährschaden der Kinder sehr ähnlich, 
nicht nur in ätiologischer Beziehung, sondern auch in den Symptomen 
und im Verlauf [Saito und Toyofuku 1 ), Tasawa 2 )]. Die Symptome 
der Vogelkrankheit, Widerwillen gegen Reisschleim, Abmagerung, Ver¬ 
langsamung der Atmung und Herztätigkeit, subnormale Temperatur, 
Anämie, Hypertonie der Skelettmuskeln, Somnolenz, Diarrhöe, Fehlen 
der Herzhypertrophie u. a. sind auch bei dem Rcisnährschaden beobachtet 
[Hirota, K. Okamoto 3 )]. Dagegen erinnern die Erscheinungen der 
Säuglingsberiberi mehr an die Symptome der acuten schweren Form der 
Beriberi bei Erwachsenen und sind ganz verschieden von den oben be¬ 
schriebenen. 


1) Toyofuku und Saito, lieber die beriberiähnliche Krankheit der Vögel. 
Ijishinbun. 1911. No. 8dl. (.Japanisch.) 

2) R. Tasawa. Japanische Gesellschaft für Krankheiten der Verdauungsorgane. 
Deccniber 1912, und deren Zeitschrift, Januar 1914. 

3) K. Okamoto, Ucbor den Reisnährschaden der Säuglinge. Japan. Zeitschr. 
f. Kinderheilk. 1910 und 1911. 


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Experiment.Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleioh z. Beriberi d. Menschen. 43 


Z. Hirota hat zuerst den Reisnährschaden klinisch von der Säuglings- 
Kakke diffcrenciert, und seine Ansicht fand nachher bei uns viele Zu¬ 
stimmung [K. Okamoto, Tasawa 1 )]. Wenn nun der Reisnährschaden 
der Säuglinge eine mit der Polyneuritis gallinarum identische Krankheit 
ist, so muss der Reiskleieextract auch gegen ihn wirksam sein. Leider 
habe ich erst in wenigen Fällen von typischem Reisnährschaden die 
Wirkungsweise des Extractes prüfen können, weil die Erkrankung 
glücklicherweise eine seltene ist. In einigen Fällen sah ich aber nämlich, 
gemeinsam mit Dr. Utsuno, eine deutliche Besserung des allgemeinen 
Befindens, Verschwinden des Widerwillens gegen Reisschleim, Steigerung 
der Temperatur bis zur Norm, Vermehrung der Herzschläge, Vermehrung 
der Diurese bei einem hydropischen Fall usw. 

Moszkowski 2 ) hat neuerdings durch 230 Tage lang fortgesetzte 
fast ausschliessliche Ernährung mit poliertem Reis eine Erkrankung be¬ 
kommen, die er als identisch mit der Boriberi erklärt. Nach seiner Be¬ 
schreibung kann ich die Krankheit nicht als Beriberi bezeichnen; be¬ 
sonders spricht seine Angabe, dass die Krankheit durch den wirksamen 
Extract von Reiskleie hach wenigen Tagen geheilt wurde, gerade gegen 
Beriberi, weil, wie ich schon erwähnt habe, der Reiskleieextract keine 
solche specifische Wirkung gegen Beriberi hat, was nicht nur von mir, 
sondern von vielen unserer erfahrenen Kliniker behauptet wird. Seine 
Krankheit, wahrscheinlich die Segelschiffberiberi von Nocht oder eine 
ihr naheverwandte Krankheit, ist nach der Wirkung des Reiskleieextractes 
der gleichen Kategorie wie die Polyneuritis gallinarum zuzurechnen. 

V. Schlussbetrachtungen. 

Die klinischen und anatomischen Befunde bei der Hühner- und 
Taubenkrankheit, welche bei der streng einseitigen Fütterung mit ent- 
schältem und poliertem Reis zu beobachten sind, sind also ziemlich ver¬ 
schieden von denen bei der Beriberi des Menschen; eine sichere Aehnlich- 
keit zwischen beiden besteht nur in den degenerativen Veränderungen der 
peripheren Nerven und Muskeln und den entsprechenden Lähraungs- 
erscheinungen. 

Durch den Zusatz von geeigneten Nebenspeisen zu poliertem Reis 
kann man an Vögeln eine Polyneuritis hervorrufen, ohne dass gleichzeitig 
die anderen Krankheitssymptome, stärkere Abmagerung usw. auftreten. 
So gefütterte Fälle werden zum Studium über die Identität der Vogel¬ 
krankheit mit der Beriberi besonders geeignet sein, nicht nur theoretisch, 
weil die Menschen auch Nebenspeisen aufnehmen, sondern auch sympto¬ 
matisch und anatomisch. Aber auch hier zeigten sich ebenso nur die 
genannte Degeneration und Lähmung wohl als der einzige ähnliche 
Punkt, und das ganze Krankheitsbild entspricht keiner Form der Beriberi. 

Die Vogelkrankheit ist ferner nicht für die Reisfütterung specifisch; 
Zucker, Weizenbrot, entschälte Gerste, der Rückstand von ausgekochtem 

1) R. Tasawa, Japanische Gesellschaft für Krankheiten der Verdauungsorgaue. 
December 1912, und deren Zeitschrift, Januar 1914. 

2) W. Caspari und M. Moszkowski, Weiteres zur Beriberifrage. Borlinor 
klin. Wochenschr. 1913. Nr. 33. S. 1515. 


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Fischfleisch sind auch imstande, dieselbe Krankheit hervorzurufen. Aus 
allen diesen Versuchen, speciell auch der prophylaktischen Wirkung des 
Reiskleieextractes, erkennt man wohl ohne weiteres, dass die Krankheit 
im Allgemeinen bei Mangel an gewissen Stoffen im Futter eintritt, und 
man hat diese als Vitamine bezeichnet. Als causalen Factor muss 
man eine Ernährungsstörung und zwar eine Störung im Stoffwechsel an¬ 
nehmen. Eine Vergiftung durch exogene bzw. enterogene Gifte ist wohl 
sicher ausgeschlossen. Die Vitamine sind nach U. Suzuki u. a. 1 ), sowie 
C. Funk 2 3 ) nicht nur in der Reiskleie, sondern auch in verschiedenen 
anderen animalischen und vegetabilischen Nahrungsmitteln enthalten, und 
meine Versuche an Vögeln bestätigen dies in vollem Masse. 

Dass der Reis bei uns die Hauptnahrung bildet, ist ja allgemein 
bekannt; aber wir nehmen gleichzeitig noch verschiedene andere Nahrungs¬ 
mittel als Nebenspeisen auf. Wenn also Beriberi ätiologisch dieselbe 
Krankheit wäre, so müsste die in den Nebenspeisen enthaltene Vitamin- 
raenge der Hauptfactor sein, der den Ausbruch der Beriberi bestimmt. 

Unter Berücksichtigung dieses Umstandes habe ich viele Epidemien 
von Beriberi beobachtet, bei Fischern auf Paramuschir, einer unbewohnten 
Insel der Kurilen 8 ), und im Küstengebiet von Sibirien, sowie an Bord 
von Handelsschiffen auf Rückreisen von den Südseeinseln. Nach diesen 
Untersuchungen, die zum Teil schon veröffentlicht, zum Teil bald er¬ 
scheinen werden, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass der Mangel 
an Vitaminen nicht als die directe Ursache der Beriberi an¬ 
zunehmen ist. 

Die Beriberi tritt nämlich, obwohl die Bedingungen in bezug auf 
Nahrung, Arbeit, Lebensweise, Alter, Geschlecht, Klima, Dauer der 
Reise usw. anscheinend immer ganz die gleichen sind, nie constant auf, 
sondern nur in gewissen Fällen, dann aber häufig in ganzen Epidemien. 
In gewissen Jahren ist die Morbidität besonders hoch, in den anderen 
niedrig, und in demselben Jahre und an demselben Ort sind meist nur 
gewisse Gruppen von Fischern oder Schiffern von der Krankheit befallen, 
während die anderen ganz davon verschont blieben. Dabei sind oft die 
Gerste und die Nebenspeisen, Fisch, Bohnen, Kartoffeln, Zwiebeln u. a. 
garnicht unbedingt mangelhafter, manchmal sogar reichlicher vorhanden 
gewesen, als bei den gesund gebliebenen Menschen. 

Es geht aber auch mit Sicherheit aus diesen Untersuchungen sowie 
sonstigen Beobachtungen hervor, dass bei der Beriberi die Disposition 
eine sehr grosse Rolle spielen muss. Im Gegensatz dazu gibt es bei der 
Polyneuritis gallinarum keine individuelle Verschiedenheit in bezug auf 
Morbidität. 

Ferner habe ich auch bei diesen Beriberiepidemien viele Fälle 
beobachten können, die unter derselben Nahrung und Lebens- 


1) Suzuki, Shimamura und Odake, üeber Oryzanin, ein Bestandteil der 
Reiskleie und seine physiologische Bedeutung. Biocbem.Zeitschr. 1912. Bd.43. S.89. 

2) C. Funk, lieber die physiologische Bedeutung gewisser bisher unbekannter 
Nahrungsbestandteile, der Vitamine. Ergebn. d. Physiol. 1913. Bd. 13. S. 126. 

3) Mit Dr. T. Fujinami und Dr. S. Shimitu. 


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Experiment. Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich z. Beriberi d. Menschen. 45 


weise wie zur Zeit des Ausbruchs wieder ausgeheilt sind. Im 
Hospital der Universität Tokio ist es auch nicht selten, dass die Kranken 
als intercurrente Krankheit Beriberi bekommen und ohne Nahrungswechsel, 
unter derselben Lebensweise, allein durch symptomatische Behandlung 
mit Diureticis, Abführmitteln, Herztonicis usw. wieder genesen. Ich habe 
sogar einige solche Kranke neben Reis als Hauptnahrung ausschliesslich 
mit conserviertem Fleisch und Gemüse ernährt, und die Kranken sind 
gleichfalls gesund geworden. Die Conserven sind aber bei der Poly¬ 
neuritis gallinarum viel schwächer wirksam als die entsprechenden frischen 
Nahrungsmittel, also sozusagen weniger vitaminhaltig. 

Der alkoholische, entfettete Reiskleieextract zeigt eine als 
Specificum anzuerkennende Wirkung, sowohl therapeutisch, als auch pro¬ 
phylaktisch, gegen die Vogelkrankheit. 

Wenn Polyneuritis gallinarum ätiologisch identisch mit der Beriberi 
des Menschen wäre, so müsste der Extract auch gegen Beriberi günstig 
wirken. Nach unseren eigenen Erfahrungen hat jedoch der Extract selbst 
in einer grosse Dose, entsprechend vielen hundert Gramm Reiskleie, bei 
der menschlichen Beriberi keinen oder wenigstens keinen an die 
specifische Wirkung bei Vögeln erinnernden Erfolg. 

Durch die einseitige Fütterung mit poliertem oder gekochtem Reis 
und Wasser ist es bei weitem schwerer bei Hunden und Kaninchen 
als bei Vögeln unzweideutige periphere motorische Lähmungen festzustellen; 
die Versuchstiere magern stark ab und gehen nach längerer Zeit wahr¬ 
scheinlich an einfacher Schwäche zugrunde. 

Bei Beriberi, wo die periphere Lähmung eines der wichtigsten 
Symptome ist, ist die Sache ganz anders; die Ernährung der Kranken 
leidet anfangs wenig, die Abmagerung kommt erst später secundär hinzu, 
wobei die Verdauungsstörung, der gesteigerte Eiweisszerfall (K. Miura, 
Terunchi, Onodera) und die degenerative Atrophie der Skelettmuskeln 
als Hauptursache aufzufassen sind. Ebenso kam es bei den von mir ge¬ 
sehenen Beriberiepidemien, im Gegensatz zu den Verhältnissen bei den 
Tierexperimenten, niemals vor, dass neben Menschen, die an typischer 
Beriberi erkrankt waren, solche in grösserer Menge sich fanden, die nur 
an starker Abmagerung und Schwäche litten, ein Krankheitsbild, das wir 
bei Hunden und Kaninchen ja immer beobachtet haben. Auch dieser 
Punkt spricht gegen die Identität dieser Erkrankungen. 

Dass der polierte Reis als Hauptnahrung eine gewisse Beziehung 
zum Ausbruch der Beriberi haben kann, will ich nicht bestreiten. Be¬ 
kanntlich begünstigen schlechte hygienische Verhältnisse und andere 
schwächende Momente das Auftreten der Krankheit, und deshalb ist es 
wohl möglich, dass der Vitaminmangel in der Nahrung eine Disposition 
für Beriberi bildet. Aber einer Behauptung, dass der polierte Reis 
bzw. der Vitaminmangel als die directe Ursache der Beriberi 
anzunehmen sei, kann ich mich nach meinen Untersuchungen 
und unseren bisherigen Kenntnissen über die Vitamine nicht 
anschliessen, und bin der Meinung, dass die durch einseitige 
Ernährung mit poliertem Reis bzw. durch Vitaminmangel allein 
hervorgerufene Krankheit nicht mit Beriberi identisch ist. 


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46 Tasawa, Exp. Polyneuritis, besonders b. Vögeln, im Vergleich z.Beriberid. Mensch. 


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Der Reisnährschaden der Säuglinge verhält sich klinisch ganz anders 
als die Säuglingsberiberi, dagegen hat er eine grosse Aehnlichkeit mit der 
beschriebenen Krankheit der Vögel und Säugetiere, welche durch Vitamin¬ 
mangel hervorgerufen wird. Reisnährschaden ist wahrscheinlich 
identisch mit Polyneuritis gallinarum. 

Obwohl wir darüber keine Erfahrung haben, so ist die Segel¬ 
schiff beriberi von Nocht wohl auch eine Erkrankung, die mit der 
Polyneuritis gallinarum und dom Rcisnährschaden der Säug¬ 
linge in eine Krankheitsgruppe, der sogen, „partiellen Unter¬ 
ernährungskrankheiten 44 gerechnet werden muss. 

Was Moszkowski durch die fortgesetzte vegetabilische Nahrung 
am eigenen Körper hervorgerufen hat, scheint mir nach seiner Be¬ 
schreibung wohl etwas anderes als Beriberi zu sein. Besonders aber 
seine Angabe, dass die Krankheitssymptome durch geringe Mengen des 
Kleicextractes nach wenigen Tagen verschwanden, spricht gogen meine 
Erfahrung über die Wirkung des Kleicextractes an Beriberikranken. 
Moszkowskis Krankheit ist wahrscheinlich nichts anders als 
ein Reisnährschaden bei Erwachsenen. 

Zum Schluss spreche ich besonders Herrn Prof. H. Hayashi meinen 
herzlichsten Dank aus für die Anregung und reichliche Hilfe bei meinen 
Untersuchungen. Ferner erlaube ich mir Herrn Director Prof. J. Takahashi 
und den Herren Professoren und Collegen der internen Klinik, besonders 
Herrn Prof. T. Irisawa, meinen verbindlichsten Dank für ihre liebens¬ 
würdige Unterstützung bei der Untersuchung klinischer Fälle auszudrücken. 
Schliesslich bin ich auch der japanischen Bcriberi-Studiencommission für 
pecuniäre Unterstützung meiner Untersuchungen zu grossem Dank ver¬ 
pflichtet. 


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V. 


Aus der medicinischen Poliklinik der Universität Bern 
(Director: Prof. H. Sahli — Oberarzt: Priv.-Doc. Dr. Fritz Seiler). 

Untersuchungen über die Beeinflussung der Leukocyten- 
zahlen durch Digitalis und die Combination von Digitalis 
und salicylsaurem Natrium. 

Von 

Mauja Löwenstein (Kischinew). 

Es darf wohl als feststehend angenommen werden, dass die weissen 
Blutkörperchen — in erster Linie die neutrophilen polymorphkernigen, 
seltener aber, dann unter anderen Bedingungen, auch die Lyrophocyten 
— im Kampfe des Organismus mit den mannigfachen an ihn heran¬ 
tretenden Schädigungen eine wichtige Rolle als Schutzorgane spielen. 

Die Art und Weise der Schutzwirkung scheint aber eine recht ver¬ 
schiedene zu sein, wechselnd auch nach der Art der den Körper treffenden 
Schädigungen. Ueber diesen Punkt gehen die Ansichten noch ausser¬ 
ordentlich weit auseinander. 

Es steht noch offen, ob und wieweit die weissen Blutkörperchen — neben 
den wohl allgemein acceptierten phagocytärenFunctionen — anderBildungder 
Alexine, Bakteriolysine, Agglutinine und anderer Schutzstoffe beteiligt sind. 

Die Tatsache, dass bei einer Reihe von Krankheiten, besonders bei 
Eiterungen und fieberhaften Infectionskrankheiten, die Zahl der im Blute 
circulierenden weissen Blutkörperchen ganz beträchtlich anzusteigen pflegt, 
wird als Stütze dieser Ansicht gelten. Bei der Pneumonie wird das Fehlen 
einer Leukocytose geradezu als prognostisch schlimmes Zeichen angesehen. 
Es ist aber nicht zulässig, aus diesen Beobachtungen den Schluss zu ziehen, 
dass die Intensität der Abwehrfunctionen des Organismus mit der Zahl der 
weissen Blutkörperchen, d. h. mit der Leukocytose parallel geht. Es wäre 
denkbar, dass unter gewissen Einflüssen die Schutzwirkung der Leuko- 
cyten an Intensität zunimmt, ohne dass ihre Zahl ansteigt und umgekehrt. 

In Anbetracht der grossen Bedeutung, welche den weissen Blut¬ 
körperchen im Kampfe mit den Schädigungen des Organismus zugeschrieben 
wird, war man allgemein bestrebt, die Zahlenverhältnisse der weissen 
Blutkörperchen bei den verschiedenen Krankheiten und ihre Beeinflussung 
durch unsere therapeutischen Hilfsmittel zu studieren. An zahllosen Tier¬ 
experimenten wurde der Einfluss der mannigfaltigen Medicamente an den 
verschiedenen physikalischen Proceduren auf die Zahl der verschiedenen 
weissen Blutkörperchen untersucht. R. Gehrig 1 ) hat kürzlich eine Zu¬ 
sammenstellung der einschlägigen Arbeiten vorgenommen und dabei ge¬ 
zeigt, dass angeblich eine sehr grosse Zahl von Medicamenten die Zahl 
der weissen Blutkörperchen zu beeinflussen vermag. R. Gehrig zeigte 

1) R.Gehrig, UebermedicamentöseLeukocytose. DieseZeitschr. Bd. 17. S. 161 IT. 


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48 


Mauja Löwenstein, 


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aber im weiteren, dass zur Erzeugung dieser Beeinflussung, speciell zur 
Erzeugung einer Leukocytose,‘die allerverschiedenartigsten Stoffe, welche 
sonstige pharmakologische Aehnlichkeiten nicht im entferntesten auf¬ 
weisen, geeignet sein sollen, so dass irgend eine Regel oder ein Gesetz 
aus den vorhandenen Beobachtungen nicht abgeleitet werden kann. 
Schliesslich sind in der Literatur sehr zahlreiche sich direct wider¬ 
sprechende Untersuchungen aufzufinden, in dem von einem Autor ein 
Stoff als leukocytoseerregend angesehen wird, der von anderer Seite als 
völlig unwirksam oder sogar lcukocytenvermindernd bezeichnet wurde. 

Gerade diese Widersprüche in den mitgeteilten Untersuchungsresultaten 
und die noch nicht aufgeklärten Verhältnisse über die Beziehungen zwischen 
weissen Blutkörperchen (Zahl und Art) und den Schutzvorgängen im 
Organismus lassen es wünschenswert erscheinen, die ganze Frage noch¬ 
mals einer genauen Prüfung zu unterziehen. 

Auf Veranlassung von Herrn Privatdocenten Dr. Fritz Seiler habe 
ich in der medicinischen Universitätspoliklinik eine Anzahl von Unter¬ 
suchungen über die Einwirkung von Digitalis und einer Combination von 
Digitalis und Natrium salicylicum angestellt, nachdem R. Gehrig 
einige Versuche mit Natr. salicyl. und anderen pharmakologisch ver¬ 
wandten Stoffen vorgenommen hatte. 

Wir haben Digitalis- und Salicylpräparate speciell ausgewählt, weil 
deren leukocytoseerregende Wirkung sehr oft angenommen wird und weil 
es sich um Präparate handelt, deren Anwendung bei den verschiedenen 
Erkrankungen, speciell solcher infectiöser Natur, weit verbreitet ist. Die 
Auffassung liegt sehr nahe, dass die günstige Wirkung von Digitalis- und 
Salicylpräparaten möglicherweise auf einer stimulierenden Beeinflussung 
der Leukocyten beruht, und dass sich diese in einer deutlich nachweis¬ 
baren Leukocytose äussert. 

Was die Digitalis betrifft, so wurde seinerzeit besonders durch 
Petresco und dann durch Pikl und Höpfel auf die günstige Wirkung 
bei Pneumonie hingewiesen. Es ist dies eine jedem Praktiker bekannte 
Erfahrung. Pikl und Höpfel erklärten diese günstige Wirkung durch 
die Annahme einer Mehrleistung des Herzens und damit verbundener 
besserer Durchblutung der Lungen und geringerer Anschoppung in den 
Bronchialgängen. Diese Erklärung erscheint nach allem, was wir über 
die Wirkung der Digitalis auf das Herz wissen, ohne weiteres richtig zu 
sein. Naegeli-Ackerblom gab nun aber eine ganz andere neue Er¬ 
klärung. Er schrieb den günstigen Verlauf der mit Digitalis behandelten 
Pneumonien einer durch die Medication hervorgerufenen Leukocytose zu, 
da er bei seinen Versuchen eine deutliche Zunahme der Leukocyten ge¬ 
sehen hatte. Er injicierte einem Kaninchen 0,2 Fol. Digit, im Infus und 
fand nach 24 Stunden eine Vermehrung der weissen Blutkörperchen auf 
das Doppelte. Auch beim gesunden Menschen fand er eine intensive 
leukocytoseerregende Wirkung der Digitalis. 

Seine Versuche wurden von anderer Seite aufgenommen. Herzig 1 ) 
hat bei Kaninchen durch subcutane Injectioncn von Digitalisinfus eben¬ 
falls eine Leukocytose erzielt, jedoch nur bei Dosen, die V 2 — I m g 

1) Ch. Herzig, Arch. f. exp. Path. u. Ther. ßd. 53. 


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Untersuchungen über die Beeinflussung der Leukocytenzahlen durch Digitalis usw. 49 

Digitoxin entsprachen; bei grösseren Dosen fehlte die Leukocytose, es 
fand im Gegenteil sogar eher eine Abnahmo der weissen Blutkörperchen 
statt. Diese Abnahme glaubte er als Folge einer Blutdrucksteigerung 
erklären zu können, da nach Winogrodow ein erhöhter Blutdruck die 
Zahl der Lcukocyten herabsetzen soll. 

Auch Bard 1 ) hat bei Pneumonikern unter dem Einfluss von Digitalis 
eine Steigerung der Zahl der weissen Blutkörperchen beobachten können, 
und seine Beobachtungen zusammen mitKamptmann auf experimentellem 
Wege zu unterstützen gesucht. 

Diese Experimente und Untersuchungen scheinen mir nicht ganz 
einwandfrei zu sein; erstens, weil .die Ergebnisse der Tierexperimente nicht 
verallgemeinert werden können, zweitens kommt spcciell bei der Pneu¬ 
monie ein neuer Factor hinzu, nämlich die schon an und für sich bei 
Pneumonie bestehenden Schwankungen der Leukocytose. Bei Pneumonie 
ist bekanntlich der Grad der Leukocytose sehr wechselnd, und der Beweis, 
dass allfällige Steigerung der Leukocytose im Verlaufe der Krankheit 
durch eine Medication hervorgerufen worden sei und nicht ein Ausdruck 
der Beeinflussung der weissen Blutkörperchen durch die Krankheit an und 
für sich darstellt, ist wohl kaum mit Sicherheit zu bringen. Sogar bei völlig 
normalen Menschen kommen tägliche Schwankungen der absoluten Zahlen 
der weissen Blutkörperchen vor, so dass selbst in Fällen ohne Leuko¬ 
cytose die Beurteilung einer Medication hinsichtlich ihrer Wirkung auf die 
Leukocytcn nur mit Vorsicht, unter Berücksichtigung dieser Schwankungen, 
erfolgen darf. 

Um diesen Schwankungen, die schon normalerweise Vorkommen 
können, in richtiger Weise Rechnung zu tragen, habe ich Controllversuche 
an acht normalen Personen angestellt, indem ich an 2—3 Tagen inner¬ 
halb einer Woche das Blut nach den gebräuchlichen Methoden auf weisse 
Blutkörperchen untersuchte. Die Zählung habe ich so vorgenommon, 
dass in der Breuerschen Kammer die ganze Kammer und im Ausstriche 
500 Leukocyten von mir gezählt wurden. 

Die Untersuchungen habe ich am Vormittag stets zur selben Stunde 
ausgeführt, um so weit als möglich Fehler auszuschliesscn, und habe 
Schwankungen erhalten, die sich in recht beträchtlichen Breiten bewegen. 

Ich teile im Folgenden diese an gesunden jüngeren Leuten vor¬ 
genommenen Zählungen mit. Im Anschlüsse an die Versuche mit Digitalis 
habe ich alsdann auch noch die Wirkung der combinierten Medication von 
Digitalis und Natrium salicylicum geprüft. Diese Combination wird 
bekanntlich in der Praxis recht oft und mit gutem Erfolge bei ver¬ 
schiedenen Erkrankungen, ganz besonders häufig bei acuter Polyarthritis 
mit Endocarditis und bei Pleuritiden und Pericarditiden angewendet. Nach 
den Untersuchungen von R. Gehrig 2 ) ist zwar für mittlere Dosen (bis 5,0 
pro die) von Natr. salicyl. eine leukocytoseerregende Wirkung verneint 
worden, aber es schien der Vollständigkeit halber angezeigt, doch auch noch 
die Combination dieser zwei in der Literatur als leukocytoseerregcnde 
Substanzen angeführten Mittel hinsichtlich dieser Wirkung zu untersuchen. 

1) Compt. rend. de la soc. de biologie. 1905. 

2) Diese Zeitschr. Bd. 17. S. 161. 

Zeiteehrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 17. Bd. 4 


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Manja X7 w « n 5 ta in, 


I. < (iruiro)UiHtet's«chu«gen iilK'r &U-. SthWiinkiingen; der Zahle!« 
der «rissen Blutkörperchen bei Oesituileii. 

Wie oben gesasl, habe ich bei einer Anialil \’Oii 'gesunde» .jüngeren 
Leuten an verschiedenen Tagen innerhalb einer Woche du- Leukoevten 
nach den oben angegßbießCfj Methoden uniersucht und gebe in n;n h- 
htoiiender Tabelle die erzielten Resultate: 

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Aus dieser Tabelle g*’ht hervor* »las*; *cHmn unrnmlerwiVisf! ganx tuS 
tra^lilliehe Seiuvan’kuujeu dm (ies;nuUaii| ihr wessen lliui km pereben 
YOrkonitmn 

Wenn wir 4fe hoohsto bei • Sjiem Uiitmnv.httm gefundene Gesamt¬ 
zahl als 100 }»l f, b‘'/nn iiiH-n ;mi kmmow wir di«" anderen Ga^aml/aham 
umref-hmMi in tbi VminiHmb /u ulo.sm Xahl in(K Wir erhalten dann 


folgendes i.iiM »Im» mmnMen S.id^yankunj:eu .vl'cftevn^^'rJ.e 
beim naiiWichoji : ; / ■ ^ 

>;uitn^cj I- UKH T 7 : VI 

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Bereobr-n wir .Xe absoluten Werte für die 'sVurrophilcn und f«f die 
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■ihrer. Werte beim Gesunden. 

Tabelle I). 


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Untersuchungen über die Beeinflussung der Leukocytenzahlen durch Digitalis usw. 51 


Es kommen somit auch hier, bei den absoluten Werten der Neutro¬ 
philen und der Lymphocyten beim nämlichen Individuum bei Unter¬ 
suchungen, welche sich alle 2— 3 Tage wiederholten, Schwankungen in 
beträchtlichen Breiten vor. Für dieselben können wohl kaum die Fehler¬ 
grenzen der obenerwähnten Zählmethoden allein zur Erklärung heran¬ 
gezogen werden. Wir müssen vielmehr annehmen, dass die gefundenen 
Verschiebungen im weissen Blutbilde wirklich in dem Masse existieren 
und als Ausdruck uns unbekannter Einflüsse und Vorgänge im Organismus 
normalerweise auftreten. Sowohl bei den Neutrophilen als auch bei den 
Lymphocyten fand ich bei den verschiedenen Zählungen bald ein An¬ 
steigen, bald ein Sinken der Werte, bald folgt dem ersten Anstieg 
wieder eine Senkung, bald dem ersten Absinken nachträglich wieder ein 
Anstieg. Die Schwankungen betragen auch hier, wie bei den Gesamt¬ 
zahlen, gelegentlich bis zu 50 pCt. Nur in wenigen Fällen waren die 
Verschiedenheiten der Werte sehr gering, d. h. unter 20 pCt. 

Gestützt auf die Resultate dieser Controlluntersuchungcn werden wir 
die Resultate unserer weiteren Experimente mit Vorsicht beurteilen. 

II. Untersuchungen Über die Beeinflussung der Leukocyten 
durch Digitalis. 

A. Fälle von Klappenfehlern mit leichterer Decompensation. 

1. Frau E.B., 42J., Mitralstenose. Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,30—0,35 g 
Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 8100 Leukocyten, davon 54pCt. Neutroph. und 86pCt. Lymphocyt. 
Nach 6 Tagen . . . 5400 „ * 59 „ „ „ 37 „ 

«9 „ ... 6400 „ „ 64 „ „ * 28 „ 

» 4,0 g Digitalis, 

einige Tage nach d. 

letzten Dose.... 8800 „ „ 59 „ „ „30* „ 

Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 0,3—2 pCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung gebessert. 

2. F.W., 55 J., Mitralinsufficienz. Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,25 g Herba 
Digitalis. 

Vor der Behandlung 6400 Leukocyten, davon 76pCt. Neutroph. und 20pCt. Lymphocyt. 


Nach 4 Tagen . 

. 7200 

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. 59 » 

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. . 4800 

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, 16 „ • 

. . 4000 

Ti 

n 55 v 

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„ 39 , 

* 


Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 0,4—l,OpCt. 
Der Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung gebessert. 

3. Frl.F.K., 19 J., Wäscherin. Mitralinsufficienz. Bekommt Digitalisinfus, täglich 
0,25 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 8700 Leukocyten, davon 61 pCt. Neutroph. und 30pCt. Lymphocyt. 
Nach 8 Tagen . . . 7800 „ „ 31 „ „ „ 62 „ 

„ 12 „ ... 6400 „ „ 38 „ „ „ 48 „ 

Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 2,0—3,0pCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung bedeutend gebessert. 

4* 


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52 


Mauja Löwenstein, 


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4. Frl. J. Scb., 27 J., Magd. Mitralinsuffioienz, Bronchitis. Bekommt Digitalis- 
infus, täglich 0,30— 0,35 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 5500 Leukocyten, davon 69pCt. Neutroph. und 30pCt. Lymphocvt. 
Nach 3 Tagen . . . 8800 „ * 75 „ „ „ 21 * * 

« 6 B ... 5500 „ * 71 „ * „ 23 „ 

Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwisohen 0,6—2,0pCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung gebessert. 

5. Frau G. J., 61 J., Köchin. Mitralinsuffioienz. Bekommt Digitalisinfus, täglich 
0,30—0,35 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 4500 Leukocyten, davon 54pCt. Neutroph. und 40pCt. Lymphocyt. 
Nach 3 Tagen . . . 3600 „ „ 59 „ „ „ 37 „ * 

* 7 • ... 4100 „ B 52, * „ 43 „ 

Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 1—3 pCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung gebessert. 

6. Frau E. G., 54 J. Mitralinsuffioienz. Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,25 g 
Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 6400 Leukocyten, davon 55pCt. Neutroph. und 34pCt. Lymphocyt. 


Nach 4 Tagen . 

. 5500 

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. 3700 



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n 

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n 

32 

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Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwisohen 2—5 pCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung gebessert. 

7. H. K., 47 J., Packer. Mitralinsuffioienz. Bekommt Digitalisinfus, täglich 
0,25 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 5200 Leukocyten, davon 72pCt. Neutroph. und 19 pCt. Lymphocyt. 
Nach 4 Tagen . . . 5300 „ * 70 „ „ „ 21 „ * 

Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 1— 2 pCt. 
Der Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung bedeutend wohler. 

B. Fälle mit Herzdilatation (Myocarditis), Nephritis, 
Emphysembronchitis usw. 

8. Frau A. W., 35 J. Myocarditis, Herzdilatation, inäqualer Puls; subjectiv: 
Herzklopfen, Dyspnoe. Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,35 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 8400 Leukocyten, davon 53pCt. Neutroph. und 38pCt. Lymphocyt. 


Nach 3 Tagen . 

. . 6500 

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, 6 „ . 

. . 8000 

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. . 6600 

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Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 0,5—-4pCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung nicht gebessert. 

9. v. A., 52 J. MyocarditiSj Herzdilatation, kleiner Puls, abgelaufener Gelenk¬ 
rheumatismus. Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,30 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 9000 Leukocyten, davon 60pCt. Neutroph. und 25pCt. Lymphocyt. 
Nach 3 Tagen . . . 5000 r „ 44 „ „ „40„ „ 

„ 5 .... 6800 „ „ 60 „ fl . 20 r 


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Untersuchungen über die Beeinflussung der Leukocytenzahlen durch Digitalis usw. 53 


Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 3—9 pCt. 

10. Frl. M. K., 14 J. Herzdilatation, Arhythmie, unregelmässiges systolisches 
Geräusch an der Mitralisklappe, Druck 85—90. Bekommt Digitalis, täglich 0,2 g 
Herba Digitalis pulver. 

Vor der Behandlung 7 300 Leukocy ten, davon 18pCt. Neutroph. und 68pCt. Lymphocyt. 


Nach 6 Tagen . . 

. 6900 


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55 

» 32 „ 

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Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 10—17pCt. 
Die Pat. hat keine Würmer. Es konnte keine Ursache der Eosinophilie angegeben 
werden. Sie fühlte sich während und nach der Behandlung bedeutend gebessert. 


11 . F.K., 50J., Fabrikarbeiter. Myocarditis, Herzdilatation, Dyspnoe. Bekommt 
Digitalisinfus, täglich 0,25 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 11400 Leukocy ten, davon 67pCt. Neutroph. und 24pCt. Lymphocyt. 


Nach 4 Tagen . 

. . 11200 

55 

. 49 „ 

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. . 6000 

55 

. 60 „ 

55 

. 29 


Die grossen Mononucleären zeigen keine wesentlichen Schwankungen, die Werte 
der Uebergangsformen bewegen sich zwischen 3— 8 pCt., diejenigen der eosinophilen 
Zellen zwischen 1—3 pCt. Der Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung 
bedeutend gebessert. 

12. J. Sch., 62 J., Mechaniker. Diffuse Bronchitis, Asthma, Herzdilatation, 
Schrumpfniere. Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,25 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 11700 Leukocyten, davon 83pCt. Neutroph. und 14pCt. Lymphocyt. 


Nach 4 Tagen . 

. . 11600 

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. . 8500 

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. 78 , 

55 

. 16 . 

55 


Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 0,5—2 pCt. 
Der Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung bedeutend gebessert. 

13 . M.S., 48 J., Wochenmagd. Myocarditis, linksseitige Herzdilatation, Bronchitis. 
Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,35 g Herba Digitalis. 

Vor der Behandlung 6900 Leukocyten, davon 54pCt. Neutroph. und 39pCt. Lymphocyt. 
Nach 3 Tagen . . . 5000 „ „54 „ „ «38« „ 

Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 0,8—2 pCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung nicht gebessert. 


14 . Frau R. K., 48 J, Chronische Nephritis, Herzdilatation, wenig Albumen. 
Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,3—0,35 g Herba Digitalis. 


Vor der Behandlung 10000 Leukocyten, davon 75 pCt. Neutroph. und 22pCt. Lymphocyt. 
Nach 3 Tagen . . . 7 200 „ „ 71 „ „ „17,, 

» 3 » • • • 8700 „ „ 64 „ „ * 24 „ 

„ 8 „ ... 7000 „ „ 60 „ „ „ 31 „ 


Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 0,5—1 pCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung gebessert. 


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Mauja Löwenstein, 


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III. Untersuchungen über die Beeinflussung der Leukocyten durch 
combinierte Anwendung von Digitalis + Natrium salicylicum. 

A. Fälle von Klappenfehlern mit leichterer Decompensation. 

1. J. K., 47 J., Schreiner. Mitralinsufficienz, Bronchitis diffusa. Bekommt 
Digitalisinfus, täglich 0,30—0,35 g Herba Digitalis + 2 g Natr. salicyl. 

Vor der Behandlung 3400 Leukocyten, davon 45pCt. Neutroph. und 51pCt. Lymphocyt. 


Nach 3 Tagen . . 

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» 59 . 

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Die grossen Mononucleären und Uebergangsforraen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 1—2 pCt. 
Der Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung bedeutend gebessert. 

2. K. Z., 23 J., Verkäuferin. Mitralinsufficienz, Endocarditis, acuter Gelenk- 
rheumatismus. Bekommt Digitalisinfus, täglich 0,35 g Digitalis + 3 g Natr. salicyl. 
Vor der Behandlung 5300 Leukocyten, davon 53pCt. Neutroph. und 43pCt. Lymphocyt. 


Nach 4 Tagen . . 

. 4700 

r» 

» 46 „ 


» 48 „ 


» 7 , . . 

. 4800 

r> 

» 44 „ 

r» 

» 60 r 

V) 

»11 » 

. 5400 

n 

» 56 , 

rt 

» 35 . 

V 

»15 » . • 

. 4700 

V 

» 62 „ 

T) 

» 32 , 



Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 2—5 pCt. 
Die Pat. fühlte sich im Anfänge der Behandlung gebessert, später Status stationär. 

B, Fälle mit Herzdilatation (Myocarditis), Bronchitis usw. 

3. F. G., 56 J., Schlosser. Myocarditis, diffuses feuohtes Rasseln. Bekommt 
Digitalisinfus, täglioh 0,30—35 g Herba Digitalis + 2,60 g Natr. salicyl. 

Vor der Behandlung 4700 Leukocyten, davon 50pCt. Neutroph. und 32pCt. Lymphocyt. 
Nach 3 Tagen . . . 4200 „ *„ 49 „ „ „ 37 * „ 

«7 „ ... 4300 » „53„ „ „30„ „ 

Die grossen Mononucleären zeigen keine wesentlichen Schwankungen, die Werte 
der Uebergangsformen bewegen sich zwischen 5—10 pCt., diejenigen der eosinophilen 
Zellen zwischen 2—7 pCt. Der Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung 
nicht gebessert. 

4. FrauA.W., 63 J. Bronchitis chronica, Emphysem, Herzdilatation. Bekommt 
Digitalisinfus, täglich 0,25 g Herba Digitalis -f- 2 g Natr. salicyl. 

Vor der Behandlung 11000 Leukocyten, davon 69pCt. Neutroph. und 26pCt. Lymphocyt. 


Nach 4 Tagen . . 

. 9300 

V 

» 63 „ 


» 25 r 

V 

»12 » 

. 7200 

r 

» 44 „ 

r 

r öO W 

n 

»18 » 

. 8500 

r 

» 47 , 

r 

. 46 „ 

n 

»23 „ . . 

. 9100 

r 

» 65 r 

n 

» 29 „ 

r 


Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen0,40—5,OpCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung nur wenig gebessert. 

5. K. K., 69 J., Haushälterin. Myocarditis, Emphysem, Bronchitis diffusa. Be¬ 
kommt Digitalisinfus, täglich 0,25 g Herba Digitalis -j- 2,0 g Natr. salicyl. 

Vor der Behandlung 8500 Leukocyten, davon 55pCt, Neutroph. und 40pCt. Lymphocyt. 
Nach 4 Tagen . . . 6800 „ „ 52 ,, „ „ 41 „ „ 

Die grossen Mononucleären und Uebergangsformen zeigen keine wesentlichen 
Schwankungen, die Werte der eosinophilen Zellen bewegen sich zwischen 0,4—l,OpCt. 
Die Pat. fühlte sich während und nach der Behandlung nicht gebessert. 


Gck igle 


Original fro-m 

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Untersuchungen über die Beeinflussung der Leukocytenzahlen durch Digitalis usw. 55 


Zusammenfassung der Ergebnisse, 
a) Gesamtzahl der Leukocyten. 

Wenn wir die Schwankungen der Gesamtzahlen der Leukocyten bei 
den verschiedenen Untersuchungen, die an ein und demselben Individuum 
angestellt wurden, in ihren proccntualen Verhältnissen zu einander be¬ 
rechnen, wie wir es für die normalen Werte getan haben, so erhalten 
wir folgende Resultate: 


Nummer 

1. 2. 3. 4. 5. 6. 

Bemerkungen 

1 

92: 61: 73:100 

leichte Zunahme 

2 

89:100: 72: 67:55 

„ Abnahme 

3 

100: 89: 74 


4 

62:100: 80: 91 

„ Zunahme 

5 

100: 80: 91 

„ Abnahme 

6 

99: 85:100: 74:66:57 

*» » 

7 

98: 100 

keine Aenderung 

8 

100: 77: 96: 69:79 

leichte Abnahme 

9 

100: 55: 76 

fl fl 

10 

96: 99:100:100 

keine wesentliche Aenderung 

11 

100:100: 59: 54:53 

Abnahme 

12 

90: 90: 100: 52:65 

leichte Abnahme 

13 

100: 77 

« ») 

14 

100: 72: 87: 70 

fl A 


Es geht hieraus hervor, dass bei unseren 14 Fällen nur 2 mal eine 
leichte Zunahme, 10 mal eine leichte Abnahme und 2 mal keine wesent¬ 
liche Veränderung der Gesamtzahlen der Leukocyten durch die Digitalis 
erzeugt wurde. Die Schwankungen sind aber im Vergleiche zu den mit¬ 
geteilten physiologischen Schwankungen so gering, dass überhaupt nicht 
an eine Beeinflussung der Gesamtleukocytenzahl durch Digitalis gedacht 
werden kann. 

b) Neutrophile Leukocyten (Digitalis allein). 

Ich stelle hier die absoluten Zahlen der neutrophilen Leuko¬ 
cyten zusammen, wie sie sich aus den oben mitgeteilten Untersuchungs¬ 
protokollen berechnen lassen: 


Nummer 

Vor 

der Be¬ 
handlung 

j 

Während der Behandlung 

Am 

Ende 

Bemerkung 

e n 


1 

i 

4374 

3186; 4096 

i 

| 5192 

leichte Zunahme 

nach 4 g Digitalis 

2 

4864 

4248; 3328; 2352 

: 2200 

„ Abnahme 


4 g 

fl 

3 

5307 

2618 

2432 

« fl 

„ 

2g 


4 

3795 

6600 

! 4905 

r Zunahme 


2g 


5 

2430 

2124 

2132 

kerne Schwankungen 

A 

2g 

„ 

6 

3520 

2695; 3380; 2544;2322 

1924 

leichte Abnahme 

n 

5 g 

fl 

7 

3744 

— — — 

3710 

keine Schwankungen 


lg 

.. 

8 

4452 

2210; 4880; 3762 

4356 

A A 


4 g 

.. 

9 

5400 

2200 

4080 

leichte Abnahme 


2 g 

r 

10 

1314 

2139; 3572 

1 3400 

„ Zunahme 

fl 

3g 


11 

7638 

5488; 3876; 1922 

> 3600 

bedeutende Abnahme 

V 

4 g 

„ 

12 

9711 

8236; 9360; 4624 

i 6205 

*• A 


4g 

« 

13 

3726 

— — — 

2700 

leichte Abnahme 

n 

lg 

„ 

14 

7500 

5112; 5568 

, 4200 

A fl 

V 

3g 

fl 


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56 


Mauja Löwenstein 


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Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich: 

in 3 Fällen . . . leichte Zunahme, 

„ 6 „ ... „ Abnahme, 

„2 „ ... bedeutende Abnahme, 

„3 „ ... keine Schwankungen. 

Sowohl die leichte Zunahme als die leichte Abnahme fallen noch in 
die Grenzen der schon oben angegebenen Schwankungen der normalen 
Werte. In 2 von 14 Fällen erfolgte eine bedeutende Abnahme. 


c) Lymphocyten (Digitalis allein). 

Analoge Zusammenstellung der absoluten Zahlen der Lymphocyten, 
wie sie soeben für die Neutrophilen gegeben wurde. 


Nummer 

Vor 

der Be¬ 
handlung 

Während der Behandlung 

Am 

Ende 

Bemerku 

n 

gen 


1 

2916 

1998; 1792 

2640 

keine Schwankungen nach 4 g 

Digitalis 

2 

1280 

2376; 1456; 2208 

1560 



4g 

V 

3 

2610 

4832 

3072 



2g 


4 

1650 

1848 

1265 



2g 

m 

5 

1800 

1332 

1763 

*5 » 


2 g 

T. 

6 

2176 

2145; 2470; 1632; 1333 

1184 

leichte Abnahme 

„ 

5 g 

T 

7 

988 

— — _ 

1113 

keine Schwankungen 

V 

i g 


8 

3192 

4030; 2880; 1710 

1914 

leichte Abnahme 


4 g 

r 

9 

2270 

2000 

1360 


„ 

2 g 

T 

10 

4964 

3519; 2432 

2400 

bedeutende Abnahme 

n 

3g 


11 

2736 

3920; 2312; 805 

1740 

leichte Abnahme 


4 g 


12 

1638 

2204: 2470; 1632 

1360 

keine Schwankungen 

w 

4g 

r 

13 

2691 

— — — 

1900 

leichte Abnahme 

r 

1 g 

r. 

14 

2200 

1224; 2088 

| 2170 

keine Schwankungen 

V 

3g 

n 


Daraus ergibt sich: 

in 8 Fällen . . . keine Schwankungen, 

„5 r ... leichte Abnahme, 

„ 1 Falle . . . bedeutende Abnahme. 

Die leichten Schwankungen nach oben und nach unten übertreffen 
auch hier die bei normalen Werten angegebenen Schwankungen nicht. 


Zusammenfassung der Resultate über Digitalis -j- Natrium salicylieum. 
a) Gesamtzahl der Leukocyten. 

Die Schwankungen der Gesamtzahlen während der Behandlung mit 
Digitalis + Salicyl erreichen die Werte der physiologischen Schwankungen 
kaum, so dass eine Beeinflussung der Gesamtleukocytenzahl durch die 
Medicaraente nicht festgestellt werden konnte. 

b) Neutrophile Leukocyten (Digitalis + Natr. salicyl.). 

Ich stelle hier die absoluten Zahlen der neutrophilen Leukocyten, 
zusammen, wie sie sich aus den oben mitgeteilten Untersuchungsprotokollen 
ergeben. 


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Untersuchungen über die Beeinflussung der Leukocytenzablen durch Digitalis usw. 57 


Nummer 

Vor 

der Be¬ 
handlung 

Während 
der Behandlung 

Am 

Ende 

Bemerkungen 

1 

1530 

1353; 2784; 3186 

3245 

leichte Zunahme nach 4 g Dig. + 24g Natr. sal. 

2 

2890 

2162; 2112; 3024 

2914 

keine Schwank. *6g„-f48g* „ 

3 

2350 

2058 

2279 

- 

» v» 2 g v - j 16g „ T 

4 

7590 

5859; 3168; 3995 

5915 

leichte Abnahme r 4 g * +32g „ r 

5 

4675 

— — — 

3536 

r 

v v 1 8 r “f” r) r> 


Daraus ergibt sich: 

in 1 Falle . . . leichte Zunahme, 

„ 2 Fällen . . . leichte Abnahme, 

„2 „ ... keine Schwankungen. 

Die Schwankungen nach oben wie nach unten überschreiten die 
Grenzen der schon normal vorkommenden Schwankungen nicht. 


c) Lymphocyten (Digitalis Natr. salicyl.). 

Analoge Zusammenstellung der absoluten Zahlen der Lymphocyten, 
wie sje soeben für die Neutrophilen gegeben wurde. 


Nummer | 

Vor 

der Be¬ 
handlung 

Während 
der Behandlung 

Am 

Ende 

Bemerkungen 

1 

1734 

■ 

2624; 2016; 1782 

1870 

keine Schwank, i 

nach 4 g Dig. -f 24 g Natr. sal. 

2 

2279 

2256; 2880; 1890 

1504 

leichte Abnahme 

, 6 g „ +48 g , 

3 

1504 

1504 

1290 

keine Schwank. 

r 2g „ -j- 16 g „ 

4 

2860 

2325; 3600 ; 3910 

2639 


» 4 g „ +32 g „ * 

5 

3400 

— — — 

2788 

leichte Abnahme 

. lg , + 8g r „ 


Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich: 
in 3 Fällen keine Schwankungen, 

„2 „ leichte Abnahme, die noch in die Grenzen der normalen 

Schwankungen fällt. 

Schlussfolgerungen. 

1. Entgegen der in der Literatur angegebenen leukocytoseerregenden 
Wirkung von Digitalis und Salicyl konnte klinisch weder eine derartige 
Wirkung der Digitalis allein, noch der Combination von Digitalis -{-Natrium 
salicylicum festgestellt werden. 

2. ln einer Anzahl von Beobachtungen sinkt sogar die Gesamt- 
leukocytenzahl während der Behandlung. Es sind das meistens solche 
Fälle, bei denen zu Anfang der Behandlung eine Leukocytose bestand, 
welche alsdann im Verlaufe der Beobachtung entsprechend der subjectiven 
und objectiven Besserung des Zustandes des Patienten zur Norm zurück- 


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58 Löwen stein, Ueber die Beeinflussung der Leukocytenzahlen durch Digitalis usw. 

kehrte. Eine weitere Steigerung der Leukocytose durch die geprüften 
Mcdicamentc während des Krankheitsverlaufes konnte ebenfalls nicht 
nachgewiesen werden. 

3. Wenn überhaupt eine Beeinflussung der Leukocyten durch die 
angeführten Substanzen (Digitalis, Natrium salicylicum) besteht, so kann 
dies nicht eine Vermehrung der absoluten Werte, sowohl der Gesamtzahl 
als auch der einzelnen Lcukocytenarten (speciell Neutrophile) sein. 

Am Schlüsse meiner Arbeit sei es mir erlaubt, meinem verehrten 
Lehrer Herrn Privatdocent Dr. Fritz Seiler für die lehrreiche Anleitung 
meinen innigsten Dank auszusprechen. 


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VI. 


Aus der III. medicinischen Klinik der Universität in Wien 
(Vorstand: Prof. Dr. F. Chvostek). 

Beiträge zur Pathologie des Oedems. 

1. Mitteilung. 

Von 

Dr. L. Hess und Dr. H. Müller. 

Einleitung. 

Die Bedingungen, von denen die Abscheidung und Resorption der 
Gewebsflüssigkeit im weitesten Sinne des Wortes bestimmt wird, sind in 
vielen Punkten so dunkel und ihre Bedeutung für Pathologie und Klinik 
so gross, dass der Versuch, den in Rede stehenden Fragenkomplex 
neuerdings einer Analyse zu unterziehen, von vornherein nicht un¬ 
berechtigt erscheinen dürfte. Seit den grundlegenden Untersuchungen, 
die sich an die glänzenden Namen von Cohnheim, Stricker, C. Ludwig, 
Heidenhain und Starling knüpfen, haben nicht allein die Hilfsdisci- 
plinen der klinischen Medicin einen grossen Aufschwung genommen; 
auch klinische Forschungen haben unser Tatsachengebiet vielfach be¬ 
reichert. Waren Stauung, Entzündung und Hydrämie — mit oder ohne 
Alteration der Capillarwand je nach Ansicht der Autoren — für die 
älteren Pathologen die allgemeinsten Bedingungen für die Entstehung 
von Oedemen und Hydropsien, wurde somit der physiologischen und 
pathologischen „Transsudation“ der Gefässe, beziehungsweise deren Inhalt 
die ausschlaggebende Rolle zuerkannt, so lassen die Errungenschaften 
der modernen physikalischen Chemie in den Zustandsänderungen der 
Gewebscolloide, die unter den verschiedensten Umständen (z. B. Aendc- 
rungen der Acidität) Platz greifen, Momente erkennen, die den Flüssig¬ 
keitsverkehr vielleicht in nicht minder hohem Grade bestimmen. Die 
Bedeutung dieser Erkenntnisse für die Klinik (der Epilepsie, Katatonie, 
des Pseudotumor cerebri usw.) haben Rcichardts 1 ) Untersuchungen 
über Hirnraaterie und Hirnschwellung in ein klares Licht gerückt 2 ). Wenn 
Martin Fischers 3 ) geistvoller Versuch, die ganze Oedemfrage von 
einem ähnlichen Gesichtspunkte aus schematisch zu lösen, als gescheitert 
angesehen werden muss, da er den einfachsten anatomischen Tatsachen 
nicht gerecht wird, so weisen doch seine und Reichardts Untersuchungen 
einen neuen Weg, der gangbar und hoffnungsvoll erscheint. 

1) Reichardt, M., Ueber die Untersuchung des Gehirns mit Hilfe der Wage. 
Jena 1906. — Ueber die Hirnmaterie. Monatsschr. f. Psychiat. 1908. Bd. 24. S. 285. 

2) Vgl. hierzu Pötzl, 0., Zur Frage der Hirnschwellung. Jahrbücher f. Psych. 
u. Neurol. 1910. Bd. 31. S. 244. 

3) Fischer, M., Das Oedem. Autorisierte deutsche Ausgabe von K. Schorr 
und Wo. Ostwald. Dresden 1912. 


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60 L. Hess und H. Müller, 

Den Fortschritten der physikalischen Chemie reihen sich in jüngster 
Zeit Erfolge auf experimentell-pathologischem und pharmakologischem 
Gebiete an, die einerseits die Möglichkeit der Erzeugung und medica- 
mentösen Beeinflussung von Hydropsien erweitert haben, anderseits ein 
Verständnis jener für den Hydrops und die Haemorrhagia per diapedesin 
postulierten Capillarwandalterationen anbahnen dürften. 

Die Erkenntnis des Einflusses ferner, der gewissen photodynamischen 
Stoffe bei der Genese von Oedemen [W. Hausmann 1 )] und anderen 
Transsudationen 2 ) zukornmt, stellt ein principiell neues Moment in der 
Oedempathologie dar, das nicht bloss theoretisch, sondern auch klinisch 
Berücksichtigung verdient. 

Den exogenen Krankheitsursachen, in deren Erforschung und Be¬ 
kämpfung die bakteriologische Aera so schöne Erfolge zeitigte, werden 
in neuerer Zeit von klinischer Seite endogene Momente gegenüber gestellt. 
Betreffen diese zunächst Anlage und Struktur der verschiedenen Gewebs- 
elemente (Gefässe, Keimdrüsen, Schilddrüse), so ist es klar, dass auch 
der je nach Anlage differente Chemismus des Körpers, die fermentativen 
Vorgänge in den Zellen und Gewebsflüssigkeiten, deren Gesamtheit als 
intermediärer Stoffwechsel bezeichnet wird, den Ablauf aller Lebens¬ 
vorgänge, auch der „krankhaften“ modificieren muss. Gewisse auf dem 
Gebiete des intermediären Eiweissstoffwechsels bekannt gewordene „Par- 
ektropien“ und deren Beziehungen zur intestinalen Autointoxikation bieten 
die Handhabe für das Studium jener eigenartigen Haut- und Schleimhaut¬ 
öderae und -blutungen, wie sie im Gefolge intestinaler und nervöser 
Störungen zuwoilen beobachtet werden. 

Gegenstand dieser und der folgenden Abhandlungen sind klinische 
und experimentelle Studien über Hydropsien und Capillarblutungen im 
Bereiche des grossen Kreislaufs. Die Pathologie des Lungenkreislaufs 
und des Lungenödems werden einer getrennten Erörterung unterzogen 
werden. 

I. Toxische Hydropsien und Oedeme. 

A. Hydropsien durch aromatische Diamine. 

I. Versuche mit Toluylendiamin. 

Subcutane Einverleibung von Toluylendiamin ergab bei Versuchs¬ 
tieren 3 ) eindeutige, für das Studium experimenteller Oedeme interessante 
Resultate. Wir wollen mit der Besprechung dieser beginnen. 

Wir verwendeten frisch bereitete, lOproc. wässerige Lösungen. Die¬ 
selben müssen erhitzt und warm injiciert werden, da die Substanz beim 
Erkalten leicht ausfällt. Unsere Versuchstiere waren weisse Ratten, 
Kaninchen und Hunde. An Meerschweinchen konnten wir mit Toluylen¬ 
diamin weder Anämie noch Hydrops erzeugen. Die Dosis betrug für 

1) Hausmann, W., Biochein. Zeitsc-hr. 1910. Bd. 14. S. 275. — Wiener klin. 
Wochenschr. 1908. Nr. 44. 

2) z. B. bei Hydroa aestivalis (Linser, Verhandl. d. deutschen Congr. f. Der¬ 
matologie. Bern 1906; Ehrmann, Archiv f. Dermat. 1905 u. 1909; Perutz, Wiener 
klin. Wochenschr. 1910. Nr. 4). 

3) Wiener klin. Wochenschr. 1914. Nr. 6 u. 11. 


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Beiträge zur Pathologie des Oedems. 


61 


Ratten im Durchschnitt 0,05 g pro Tier, für Kaninchen 0,4 g, für Hunde 
0,35 g pro Kilo Körpergewicht (bei Meerschweinchen ergaben Dosen von 0,2 
bis 1,7 g pro Kilo ein negatives Resultat). In den angeführten Dosen 
verläuft die Vergiftung peracut, indem sie bei der Ratte im Laufe von 
6 bis 12 Stunden, beim Kaninchen innerhalb 12 bis 36 Stunden, beim Hund 
etwa in der gleichen Zeit, manchmal aber erst nach Reinjection der Anfangs¬ 
dosis an dem der ersten Einspritzung folgenden Tage zum Tode führt. 

Die Tiere werden einige Stunden nach der Injection apathisch, die 
Atemfrequenz steigt an, während ziemlich constant die Herzaction sich 
deutlich verlangsamt. Dieser Zustand, der bei kleinen Tieren oft schon 
D/j Stunden nach der Injection eintritt, hält in der Regel 2—4 Stunden 
an, bis sich unter zunehmender Schwäche und Somnolenz der Tod ein¬ 
stellt. Zuweilen kommt es zu allgemeinen Krämpfen und Jactationen 
und zu Unregelmässigkeiten der Atmung. Beim Hund konnten wir 
wiederholt unmittelbar vor dem Tod Opisthotonus feststellen. Im Gegen¬ 
satz zu dem bekannten chronischen Vergiftungsbild (Stadelmann, 
Schmiedeberg, Joannovics und Pick u. a.) finden sich bei der Autopsie 
der acut vergifteten Tiere weder Icterus, noch Pleiocholie, noch Milz¬ 
schwellung, dagegen constant Transsudate, und zwar Hydrothorax bei 
der Ratte, Ascites, Hydrothorax und Hirnödem beim Kaninchen, 
Ascites, Hydrothorax, Hydropericard und Hirnödem beim Hund. Zuweilen, 
jedoch nicht regelmässig, liess sich bei der Ratte Oedem der Gesichts¬ 
haut constatieren. Mikroskopisch erweisen sich alle Organe als normal 
bis auf geringfügige Parenchymdegeneration in Niere und Leber und die 
durch den Hydrothorax bedingten Veränderungen in den Lungen: die¬ 
selben sind in der Regel hochgradig atelektatisch, zuweilen lässt sich 
schon mit freiem Auge seröse Durchtränkung des Lungengewebes von 
der Art des entzündlichen Lungenödems feststellen. Histologisch sind 
einzelno Alveolen mit seröser Flüssigkeit erfüllt, die Adventitia der 
Arterien durch Flüssigkeit auseinander gedrängt, in der sich spärliche 
polynuclcäre Leukocyten vorfinden. Auf die Beschaffenheit der Trans¬ 
sudate gehen wir später des Näheren ein. 

Die soeben skizzierten Befunde konnten wir an Hunden (8), Kanin¬ 
chen (10), Ratten (22) erheben. Die Constitutionsformcl des verwendeten 
Präparates ist: 

CH 3 



NH, 


Als Beleg führen wir aus unseren Versuchsprotokollen folgende 
Beispiele an: 

Ratte A 56 , schwarz-weiss, 140 g schwer, erhält am 27. 11. 10 Uhr vor¬ 
mittags 0,5 ccm der lOproc. Lösung subcutan. Um die Mittagsstunde liegt das Tier 
somnolent im Käfig. Die Atmung scheint stark beschleunigt. Dieser Zustand hält den 
ganzen Nachmittag an. Um 5 Uhr nachmittags Zuckungen in den Extremitäten. 
Irreguläro Atmung. Auffallende Verlangsamung des Herzschlages. 11 Uhr nachts 


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62 


L. Hess und H. Müller, 


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wird das Tier in Aethomarkose getötet. Bei der Obduktion reiohlich Flüssigkeit 
im Thorax, oa. 3,5 ccm (d. i. ungefähr 2,5 pCt. des Körpergewichtes), starke 
Durchfeuchtung der Abdominal Organe, Milz hellrot, nicht vergrössert (0,55 g 
schwer, kleines Durchschnittsgewicht). Kein Gesichtsödem. 

Kaninchen Al 82 , weiss, 380 g schwer, erhielt am 2. 4. 7 Uhr abends 
1 ccm der lOproc. Toluylendiaminlösung. Am 3. 4. morgens werden allgemeine 
Krämpfe und Jactationen beobachtet. Die Atmung unregelmässig, lange Atempausen. 
Während derselben die Reflexe erloschen, während auf der Höhe der sehr energischen 
Inspirationen durch Kneifen noch Reflexe auslösbar sind. Die Pupillen weit, auf Licht 
kaum reagierend. Die Hornhaut schlaff. Um 12 Uhr mittags wird das Tier getötet. 
Bei der Obduction die parietalen Abdominalgefässe weit, injiciert. Im Abdomen 
etwa 5 ccm seröser, gelblich gefärbter Flüssigkeit. In der Pleurahöhle 
rechts ziemlich reichlicher, seröser, ein wenig blutig tingierter (arte- 
ficiell?) Erguss. Die Milz klein, die übrigen Organe, mit freiem Auge betrachtet, 
annähernd normal, ebenso mikroskopisch, bis auf trübe Schwellung in Herz und 
Nieren. 

Hund A 234 , 6300 g schwer, erhält am 2. 5. 11 Uhr vormittags 1,3 g und 
um 4 Uhr nachmittags 1,0 g Toluylendiamin subcutan, kurze Zeit darauf heftige 
Krämpfe, die nach l / 2 Stunde einer bis zum Abend anhaltenden Dyspnoe Platz machen. 
Um 7 Uhr 30 Min. abends tritt der Tod ein unter den Erscheinungen von Lungen¬ 
ödem. Die Obduction ergibt in beiden Pleurahöhlen ca. 40 ccm alkalisch 
reagierende, hellgelbe Flüssigkeit. Abdomen, Pericard frei von Flui¬ 
dum; dagegen besteht Hydrocephalus externus. Kein Icterus, Milz klein, 
die inneren Organe normal. 

Da nach der Theorie fünf isomere Körper der gleichen Zusammen¬ 
setzung denkbar sind, war es notwendig zu untersuchen, ob die ge¬ 
schilderte Wirkung bloss der Meta-Verbindung 1:2:4 zukommt oder 
auch den Isomeren. Es standen uns zur Verfügung: 

Toluylendiamin 1:3:4 und Toluylendiamin 1:2:5 

CII a CH 3 



NH 2 


Dosierung und Application waren die gleichen wie in den obigen 
Versuchen. Die Experimente fielen sämtlich negativ aus, in 
keinem Falle kamen Hydropsien zur Beobachtung. 

Wir führen kurz folgende Beispiele an: 

Versuche mit Toluylendiamin 1:3:4 (lOVersuche). 

Ratte A 187 erhält am 18. 4. mittags 0,5 g Toluylendiamin 1:3:4 subcutan. 
Am 19. 4. mittags wird das sterbende, seit Stunden tief apathische Tier getötet. Kein 
Hydrothorax, kein Gesichtsödem. 

Kaninchen A 230 , 775 g Gewicht, erhält am 28. 4. 0,3 und, da es sich wohl 
befindet, am 29. 0,5, am 30. 1,0 g Toluylendiamin 1:3:4. Am 1.5. tot. Leber hoch¬ 
gradig verfettet, Milz klein, kein Icterus, kein Ascites, im Thorax 
einige Tropfen Transsudat. 


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Versuche mit Toluylendiamin 1:2:5 (lOVersuche). 

Kaninchen A 262 erhält am 24. 5. 0,1 g Toluylendiamin 1:2:5. Gewicht 
des Tieres 900 g. Am nächsten Tage tot. In der Bauchhöhle Spuren von 
Flüssigkeit. 

Kaninchen A 261, ebenfalls 900 g schwer, erhält am gleichen Tage 0,2 g des 
Giftes. Tod nach 3 Stunden. Bei der Autopsie nirgends freie Flüssigkeit. 

Ratte A 256 , 100 g schwer, erhält 0,08, Ratte A 257 , 80 g schwer, 0,05 g 
des Giftes. Beide Tiere tot nach 3 Stunden. Kein Hydrops. 

Wir kommen somit zu dem Schlüsse: 

ra-Toluylendiamin in geeigneter Dosis subcutan injiciert 
erzeugt bei Tieren (Hund, Kaninchen, Ratte, Maus) hydropische 
Ergüsse in den Körperhöhlen. 

Die Frage, die sich aus diesen Feststellungen unmittelbar ergibt, ist 
die folgende: 

a) Kommt die Fähigkeit, Hydrops zu produzieren, auch anderen 
Diaminen der aromatischen Reihe zu? 

b) Ist der in Rede stehende Effect auch mit aliphatischen Diaminen 
zu erzielen? 

2. Versuche mit Phenylendiamin. 

Die Injectionen erfolgten subcutan an Ratten und Kaninchen in 
warmer wässeriger 5proc. Lösung. (Die Lösungen wurden immer frisch 
bereitet.) Die Dosis betrug im Durchschnitt 0,03—0,05 bei der Ratte, 
ohne Rücksicht auf die Grösse des Tieres, 0,4 pro Kilogramm Körper¬ 
gewicht beim Kaninchen. 

Als Beispiel führen wir an: 

Ratte A 183 , 65 g schwer, erhält am 4. 4., 1 Uhr nachm., 0,03 g m-Phenylen- 
diamin subcutan in die Haut des Rückens. Um 3 Uhr nachmittags bereits deut¬ 
lich erkennbares Gesiohtsödem. Um 7 Uhr Tod. Bei der Autopsie im 
Abdomen Spuren, in der Pleurahöhle mehrere Kubikcentimeter seröse 
Flüssigkeit. 

Kaninchen A 224 , 1000 g schwer, erhält am 26. 4. 1 Uhr nachmittags 0,4 g 
m-Phenylendiamin (in 10 ccm etwas angewärmten Wassers gelöst). Das Tier ist wenige 
Stunden später tief apathisch, wird am 27. 4. morgens tot vorgefunden. 

Peritoneal -und Pleurahöhle sind bei der Autopsie frei von Flüssig¬ 
keiten. Im Pericard etwa 3 ccm klares, langsam gerinnendes Fluidum. 
Ausgesprochener Hydrocephalus externus (fast 1 ccm Flüssigkeit in der 
Schädelhöhle). 

Kaninchen A 233, 900 g schwer. Injection von 0,4 g m-Phenylendiamin (wie 
oben) am 2. 5: Am 3. 5. tot. Im Abdomen und Pericard Spuren freier 
Flüssigkeit, im Thorax reichlich 20 ccm alkalisches Fluidum. Der 
Harn in der Blase dunkel, braunschwarz, eiweissfrei. 

Ortho- und para-Phenylendiarain dagegen vermochten ebenso wie 
die homologen Derivate des Toluol keinen Hydrops zu producieren. Es 
erübrigt sich, die negativen Versuche anzuführen. 


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L. Hess und H. Müller 


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3. Versuche mit Naphthylendiamia 1 ). 

Es standen uns aus der grossen Zahl möglicher Isomerer bloss zur 
Verfügung 

Naphthylendiamin 1 : 2 und Naphthylendiamin 1 : 5 
NH 2 



NH 2 


Ratte A 241, 60 g schwer, erhält am 8 . 5. 2 Uhr 0,01 g Naphthylendiamin 1:2 
subcutan in 4 ccm heissen Wassers gelöst. 9. 5. tot. Kein Hydrops. 

Ratte A 242 , 60 g schwer, erhält am 13. 5. 5 ccm einer heissgesättigten 
wässrigen Naphthylendiamin 1 : 5-Lösung. 9. 5. 10 ccm. Tier überlebt. Obduktion: 
Kein Hydrops. 

4. Versuche mit aliphatischen Diaminen. 

Als solche verwendeten wir: 

Aethylendiamin, 

Propylendiamin, 

ßutylendiamin (Tetramethylendiamin, Putrcscin), 
Pentamethylendiamin [Cadaverin 2 )]. 

Mit keiner der genannten Substanzen licss sich Hydrops 
hervorrufen 3 ). 

Ratte A 214 , 60 g schwer. 22. 4. mittags Injection von 0,05 ccm Aethylen¬ 
diamin (mit Wasser verdünnt). Nach 5 Stunden tot. Kein Ascites, kein Hydrothorax. 

Ratte A 232, 70 g schwer, erhält am 30. 4 . 0,03 ccm Aethylendiamin (in 1 ccm 
Wasser). Am folgenden Tage tot aufgefunden. Ohne Hydropsien. 

Ratte A 207 , 55 g schwer, erhält am 25. 4. 0,05 ccm, am 26. 4. 0,1 ccm, am 
27. 4. 0,3 ccm Propylendiamin (mit Wasser verdünnt) subcutan. Am 27. abends tot. 
Kein Ascites, kein Hydrothorax. 

Ratte A 227 , 40 g schwer, erhält am 27.4. 0,05 ccm Pentametylendiamin (eben¬ 
falls mit Wasser verdünnt) subcutan. Nach 5 Stunden tot. Keine Ergüsse. 

Ratte A 254, 60 g schwer, erhält am 14.5. 10 Uhr vormittags 0,06ccm ßutylen¬ 
diamin in 1 ccm Wasser gelöst. Am 15. 5. früh tot. Ohne Hydrops. 

Kaninchen 259 , 400 g schwer, erhält am 23. 5. mittags 0,4 ccm ßutylendiamin. 
In der Nacht tot. Kein Hydrops. 

Somit folgern wir aus den citicrten Versuchen: 

Die aromatischen Meta-Diamine Toluylen- und Phenylen¬ 
diamin führen bei Tieren nach subcutaner Injection zu Hydrops. 

Die im Anschluss an unsere Injectionen auftretenden Ergüsse lassen 
sich etwa in der folgenden Weise charakterisieren: 


1) Bezüglich des Verhaltens des Naphthalin-Kernes im Tierkörper 6 . Friede¬ 
mann und Türk, Biochem. Zeitschr. 1913. Bd. 55. S. 4G3. 

2) Von Interesse wegen seiner Verwandtschaft mit Fausts Sepsin. 

3) Nach S. Fraenkel, Arzneimittelsynthese, 3. Aufl., 1912, S. 84, sind die 
aliphatischen Diamine physiologisch gänzlich unwirksam. 


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In den serösen Körperhöhlen und im Subduralraum der Tiere finden 
sich wasserklare, hellgelb gefärbte Fluida, die bald nach der Entnahme 
aus dem Tierkörper, auch dann, wenn keine Blutbeimengung erfolgt ist, 
zu festen Gallerten erstarren. 

Ihre Menge schwankt zwischen 1 bis 3 pCt. des Körpergewichtes. 
Was ihre Localisation betrifft, so ist bei den Ratten die Pleurahöhle 
die Prädilectionsstelle für den Hydrops, während bei Hunden und 
Kaninchen auch die anderen Hohlräume des Körpers von Ergüssen be¬ 
troffen werden. 

Die Reaction ist gegen Lackmus alkalisch, gegen Phenolphthalein 
neutral. 

Das specifische Gewicht (pyknometrisch bestimmt) beträgt: 



Transsudat 

Blut 

Serum 

bei der Ratte . . . 

. . . 1025 

1058 

1032 

Kaninchen (239) . . 

. . 1024 

1058 

1033 

Hund (225) .... 

. . . 1027 

— 

— 

Hund (234) .... 

. . . 1025 

1081 

1046 


Der Eiweissgehalt nach Esbach betrug 20—25 pM. 1 ) bei Hunden 
und Kaninchen. Zucker liess sich mit Fehlings und Nylanders Reagens 
nicht nachweisen. 

NaCl betrug im Blute vor dem Versuch 0,295 pCt., nach dem Ver¬ 
such 0,335 pCt., im Transsudat 0,570 pCt. 

Wir gingen bei der NaCl-Bestimmung in der Weise vor, dass wir nach dem Vor¬ 
gang von Oppler 2 ) das Giweiss des (mit Ammonoxalat versetzten) Blutes bzw. des 
Transsudates mit Uetaphosporsäure ausfällten und in dem Filtrat die Chloride gravi- 
metrisch bestimmten. Verluste von Cl-lonen durch Absorption an Eiweiss finden 
hierbei in nachweisbarer Menge nicht statt. 

Die jeweils angewendeten Diamine konnten in der Hydropsflüssig- 
keit jedesmal nachgewiesen werden, und zwar entweder durch Diazotierung 
und nachträgliche Kuppelung mit Resorcin [Abelin 3 )] oder durch directe 
Kuppelung mit Paranitrodiazobenzolsulfat (Azophorrot P. N. Höchst) bei 
schwach essigsaurer Reaction [schöne Rotfärbung 4 )]. 

Der Harn der Tiere war frei von Eiweiss und Zucker. Die Harn- 
secretion war ungestört. Mikroskopisch fanden sich in den Transsudaten 
ganz vereinzelte zellige Elemente. 

Es galt nun, über die Genese unserer Hydropsien Klarheit zu ge¬ 
winnen. 

Da Herz und Nieren — makrospisch und histologisch — frei von 
schwereren Veränderungen waren und keine wesentliche Beeinträchtigung 
ihrer Function erkennen Hessen, da ferner Entzündungserscheinungen an 
den serösen Membranen fehlten, der Gehalt der Transsudate an Zellen 
ungemein gering, ihr specifisches Gewicht relativ niedrig war, kann die 

1) Ausnahmsweise bis 60 pM. 

2) Oppler, Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1910. Bd. 70. S. 198. 

3) Abelin, Deutsche med. Wocbenschr. 1911. S. 1771, und 1912. S. 81. 

4) Von Feri (Wiener klin. Wochenschr. 1912. Nr. 1) zum erstenmal zur An¬ 
stellung der sogen. Diazo-Roaction im Harn angewendet. 

ZeiUehrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 17. Bd. 5 


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L. Hess und H. Möller, 

cardiale, renale und entzündliche Genese mit grosser Wahrscheinlichkeit 
abgelehnt werden. 

Für die Erklärung kommt somit, wenn wir den Anschauungen folgen, 
die über die Genese der Hydropsien beim Menschen in der Literatur 
niedergelegt sind, nur noch in Betracht: 

1. eine Blutveränderung mit erhöhter Filtrationsfähigkeit (Hydrämie); 

2. eine Membranveränderung der Capillaren bzw. des Endothel¬ 
überzuges der Serösen mit vermehrter Durchlässigkeit; 

3. eine Combination beider Bedingungen; 

4. eine erhöhte secretorische Tätigkeit der Capillaren (lymphagoge 
Giftwirkung, R. Heidenhain); 

5. Aenderungen in dem Wasserbindevermögen der Gewebe (Lazarus, 
Barlow, Länderer, Gross und Reichel). 

Anstatt in theoretische Erörterungen einzutreten, wollen wir einst¬ 
weilen die beobachteten Tatsachen sprechen lassen. 

Die Untersuchung des Blutes ergab bei den Versuchstieren nach¬ 
stehende Resultate: 

Ratte A 56 . Vor der Tolaylendiamin-Injection, die am 27. 11. 10 Uhr vor¬ 
mittags erfolgt, Zahl der Erythrocyten 6000000, 5 Uhr nachmittags: 9960000, 8 Uhr 
abends: 9940000. Im gefärbten Blutpräparat zur Zeit der Hyperglobulie keine kern¬ 
haltigen roten Zellen nooh sonstige Zeichon gesteigerter Knochenmarkstätigkeit. (Ge¬ 
zählt und gefärbt wurde Blut aus der Schwanzvene.) 

Ratte A 204 . Vor der Injection 8000000 Erythrocyten. Naoh der Injection von 
0,05 g Toluylendiamin 1:2:4 13600000 Erythrocyten. Reichlich Hydrothorax post 
mortem. 

Ratte A 202 . Vor der Injection 9200000 Erythrocyten. Naoh Injection der 
gleichen Giftdosis 13120000 Erythrocyten. Reichlich Hydrothorax. 

Ratte A 53 . Vor der Injection 8800000 Erythrocyten. 7 Stunden nach der In¬ 
jection (bei eben noch schlagendem Herzen getötet) 12120000 Erythrocyten. 

Kaninchen A 239 . Vor der Injection 4700000Erythrocyten, nachher 5600000. 

Hund A 234 . Vor der Injection 6200000 Erythrocyten, nach derselben (un¬ 
mittelbar vor dem Todo) 8200000 Erythrocyten 1 ). 

Bezüglich des specifischen Gewichts konnten wir ermitteln: 

Blut Serum Blut Serum 

Kaninchen 239 . . . vorher: 1045 1028 nachher 1058 1033 

Hund 224 . „ 1056 1040 „ 1081 1046 

Das Blutkörperchenvolumen, mittelst Hämatokrit 2 ) bestimmt, betrug 
in je einem Falle beim 

Kaninchen A 239 . vorher 35 nachher 43 

Hund A 234 . »46 „ 55 

Die Zahlen verhältnisse der roten Zellen und des specifischen 
Gewicht es des Bl utes und des Serums, ferner die Blutkörperchen¬ 
volumina sprechen gleichsinnig gegen die Annahme einer 

1) Bei Versuchen, die länger als 24 Stunden dauern, unterbleibt die Hyper¬ 
globulie, da oft schon am 2. Tage Blutzerfall und Icterus eintritt. 

2) Methode nach Hedin. 


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Beiträge zur Pathologie des Oedems. 


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Hydrämie, sie machen im Gegenteil eine Bluteindickung im 
hydropischen Stadium wahrscheinlich. 

Vergleichen wir damit das Verhalten des Blutes bei einer anderen 
mit (renalem) Hydrops verbundenen Intoxication, bei der Uranintoxication. 

Kaninchen A 216 , 1300 g schwer, erhält am 22., 23., 24. 4. 1913 je 0,005 g 
Uranylnitrat subcutan. 

Vor der Injection .... 4160000 


Am 23. 4. 4000000 im Harn Eiweiss -f- 

Am 24. 4. 4200000 im Harn Eiweiss -|—\- 

Am 25. 4. 2680000 Tier anurisch, nachmittags tot. 


Bei der Autopsie schwere Urannephrose. Im Abdomen etwa 15 ccm klare, rasch¬ 
gerinnende, eiweissreiche Flüssigkeit. Im Thorax etwa 10 ccm Fluidum von der 
gleichen Beschaffenheit. Esbach 20 pM. Im Pericard etwa 1 com. An der Schädel¬ 
basis kein Erguss. Gehirn nicht besonders feucht. 

Analog war der Versuch mit Kaninchen A 215, 1400 g schwer, das am 23., 
24., 25., 26., 27. 4. jo 0,005 g Uranylnitrat subcutan erhielt. 

Hier ergaben die Blutzählungen: 

Vor der Injection . . . 4500000 Am 26. 4. 3800000 

Am 24. 4. 4600000 Am 27. 4. 4200000 

Am 25. 4. 2000000 Am 28. 4. 3440000 

Bei der Obduction in der Bauchhöhle 40 ccm schwach alkalisch reagierende, 
relativ langsam gerinnende Flüssigkeit. Im Thorax etwa 7, im Pericard 0,5 com. Im 
Gehirn keine Flüssigkeitsansammlung. Das Tier hatte bis zum 28. Harn gelassen, 
trotzdem bestand deutliche Hydrämie, was sich sowohl aus der Abnahme derErythrocyten- 
zahl, als auch aus dem niedrigeren specifischen Gewicht des Blutes 1032 (gegenüber 
1046 der Norm) ergibt. Interessanterweise betrug das specifisoheGewichtdes Serums 1018, 
das des Ascites 1017, das der Pleuraflüssigkeit ebenfalls 1017. 

Also in beiden Fällen — ebenso in zwei weiteren Controllen, von 
deren Wiedergabe wir absehen — Hydrämie im Gegensatz zu der 
Bluteindickung bei der Diamin Vergiftung. Ob die Schwankungen 
der Erythrocytenzahlen, wie sie der 2. Versuch zeigt, mit Aenderungen 
in der Verteilung der Flüssigkeit zwischen Blut und Körperhöhlen Zu¬ 
sammenhängen, müssen wir unentschieden lassen. 

Diese Tatsachen scheinen uns deshalb von Interesse, weil sie viel¬ 
leicht zur Klarlegung der verwickelten Bedingungen verwertbar sind, die 
dem renalen Oedem des Menschen zugrunde liegen. Mag auch beim 
nierenkranken Menschen Hydrämie bestehen — wie auch wir uns in 
zahlreichen Fällen überzeugen konnten —, so geht sie doch, wie Senator 
mit Recht hervorhebt, dem Eintreten der Wassersucht nicht voraus, was 
notwendig wäre, wenn sie als die Ursache dieser gelten solle. „Und 
wenn auch zugegeben werden kann, dass sie in chronischen Fallen viel¬ 
leicht schon vor der Wassersucht vorhanden ist“ — Präödem der 
französischen Autoren (Widal, Benard und Vaucher) —, „so gilt dies 
für die meisten acuten Fälle (z. B. der Scharlachwassersucht) gewiss 
nicht, zumal sich die Wassersucht sehr oft gleichzeitig mit der Albumi¬ 
nurie oder wenig später als diese einstellt, zu einer Zeit, wo ein nennens¬ 
werter Verlust von Eiweiss (im Sinne von R. Bright) noch gar nicht statt- 

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L. Hess und H. Müller, 


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gefunden hat u l ). Zu wiederholten Malen hatten wir Gelegenheit, das Bestehen, 
ja manchmal sogar dio Zunahme von Oedemen zu beobachten trotz aus¬ 
giebiger Diurese, so dass also auch die Annahme einer hydrämischen Plethora 
als allgemeine Bedingung für Hydropsitfh wenig berechtigt sein dürfte 2 3 ). 
Die experimentelle Feststellung hydropischer Ergüsse ohne Störung der 
Nierenfunction bei eingedicktem Blut scheint uns daher vom allgemein 
pathologischen Standpunkt als Beitrag zu einer künftigen Oedemtheorie 
nicht ohne Belang. 

II. 

Es erhebt sich nunmehr die Frage nach der Natur der Membran¬ 
läsion, die unseren experimentellen Hydropsien zugrunde liegen könnte. 

Die Vermehrung der Erythrocyten und die Zunahme des specifischen 
Gewichtes des Blutes sowie des Erythrocytenvoluraens lassen eine er¬ 
höhte Durchlässigkeit der Capillarwand für Flüssigkeit vermuten. Den 
directen Beweis hierfür suchten wir durch die Beobachtung von Tieren 
zu erbringen, bei denen wir hydrämische Plethora künstlich erzeugten. 

Kaninchen, die durch eine Trachealcanüle atmeten 8 ), infundierten wir 
in der Art der Magnussehen Versuche 4 * ) in die Vena jugularis grössere 
Quanten 0,9proc. Kochsalzlösung. Die Temperatur der Flüssigkeit betrug 
41—45° C. Ihre Einlaufsgeschwindigkeit war derart reguliert, dass pro 
Minute ungefähr 5—6 ccm einflossen. Um den Einfluss der Narcotica 
auf die Gefässwand zu vermeiden (Dastre und Loye, Magnus), wurden 
die Experimente ohne Narkose ausgeführt. 

1500 g sohweres Kaninchen erhielt am 26. 4. 12 Uhr mittags 0,6 g Toluylen¬ 
diamin 1:2:4 subcutan. 5 Uhr 30 Min. nachmittags, zu einer Zeit, da die Tiere 
erfahrungsgemäss bereits Hydrops besitzen, Beginn der Kochsalzinfusion. Infundiert 
wurden 910 ccm. Um 7 Uhr wird das Tier getötet. Gewicht 2400 g. Während des 
Versuches zunehmende Auftreibung des Abdomens, Harn- und Stuhlabgang. Aus 
Nase und Mund geringe Secretion. Bei der Autopsie erweist sich das Unterhaut- 
zellgewobe im ganzen Bereich des Abdomen, besonders deutlich ausgesprochen in der 
Weichen- und Schultergegend, stark durchfeuchtet, mit Bläschen bedeckt, die flüssigen 
Inhalt führen. Die Musculatur vom Unterhautzellgewebe durch Flüssigkeit abgehoben. 
Im Abdomen reichlich 150 ccm wasserhelles, bald sulzig erstarrendes Transsudat. 
Die parietalen und mesenterialen Gefässe weit, bis in die feinsten Aestohen injiciert. 
In der Blase goldgelber, klarer, schwach sauer reagierender Harn. Die Nierenkapsel 
zeigt beiderseits, dem Gefässverlauf folgend, Oedem. Das Nierenbecken durchfeuchtet. 
Auch das perivesicale Gewebe von reichlichem Oedem durchtränkt. In beiden Pleura¬ 
höhlen wasserhelle Flüssigkeit. Gesamtmenge etwa 15 ccm. Das mediastinale Gewebe 
enorm durchfeuchtet. Im Herzbeutel ungefähr \ l / 2 ccm Fluidum. Die Reaction aller 
Transsudate alkalisch. Die Lunge ödematös. Die Haut und das Unterhautzellgewebe 
des Schädels sehr feucht. Im retrobulbären Raum reichlich Flüssigkeit, ebenso an 
der Schädelbasis viel Fluidum. Das Gehirn sehr feucht, die Ventrikel kaum erweitert. 
Die Nickhaut ödematös, chemotisch geschwollen. 

1) Senator, H., Die Erkrankungen der Nieren. Wien 1896. 

2) Für die „nervösen“ und toxischen (autotoxischen) Oedeme der Klinik fehlt 
jeder Anhaltspunkt für Hydrämie. 

3) Versuchsteohnik von Ph. Kn oll. 

4) Magnus, R., Ueber die Entstehung der Hautödeme. Arch. fexp.Pathol. 1899, 

Bd. 42. S. 250. 


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Beiträge zur Pathologie des Oedems. 


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Die mikroskopische Untersuchung zeigt Atelektasen in den Lungen. Die Nieren 
annähernd normal. Die Submucosa des Darmes stark durchfeuchtet. Das ödematöse 
Subcutangewebe durchsetzt von zahlreichen pseudoeosinophilen Leukocyten. Die 
Gefässe sämtlioher Organe im Hämalaun-Eosin- und van Gieson-Präparat und bei 
Elasticaiarbung intact. 

Vergleichen wir damit das normale Controlltier. 

Ein 1900 g schweres Kaninohen erhält am 27. 4. 4 Uhr 20 Min. naohmittags 
1120 ccm Kochsalzlösung unter den gleichen Bedingungen infundiert. Dauer des 
Versuches über 2 1 / 2 Stunden. 

Nachdem etwa 300 ocm Flüssigkeit eingelanfen, beginnt der Stuhl feucht zu 
werden. Allmählich kommt die Harnsecretion in Gang. Der Harn licht, klar wie 
Wasser. Aus der Nase keine Seoretion. 

Bei der Autopsie weder im Subcutangewebe, nooh an der Schädelbasis, noch 
in der Augenhöhle, noch im Herzbeutel Flüssigkeit vorhanden. Im Abdomen 10 bis 
15 com, in den Pleuren knapp 10 ccm Fluidum. In den Därmen, namentlich im 
Dünndarm, viel Wasser. Die inneren Organe normal, bis auf mässige Cysticercose. 

Hydrämische Plethora durch intravenöse Kochsalzinfusion führt also 
in Uebereinstimmung mit den Versuchen von Cohnheim und Lichtheim 
und Magnus zur Transsudation in die Körperhöhlen, aber nicht zu 
Anasarka, auch dann nicht, wenn das eingegossene Flüssigkeitsquantum 
ein sehr beträchtliches ist und die langsame, mehr als 2 1 / 2 Stunden 
währende Infusion das Auftreten einer durch Hydrämie bedingten Wand¬ 
veränderung der Capillaren a priori erwarten liesse. 

In dem Parallelversuch hingegen, in dem die Wasser- 
eingiessung auf der Höhe der Toluylenwirkung erfolgt, ist 
trotz kürzerer Versuchsdauer nicht bloss die Transsudation in 
den Körperhöhlen unvergleichlich ergiebiger, auch das Unter¬ 
hautzellgewebe ist in weitester Ausdehnung von Transsudat 
durchtränkt, die Musculatur des Abdomens von dem subcutanen 
Zellstratum abgehoben, die pariotalen und visceralen Gefässe 
des Abdomens sind bis in die feinsten Verzweigungen weit 
injicirt. Sollte es noch eines weiteren Beweises bedürfen, dass die 
toxische Wandalteration der Capillarmembran zu erhöhter Filtration ge¬ 
führt hat, so scheint er uns in der folgenden Beobachtung zu liegen, für 
die wir in der Literatur keine Analogien vorfinden konnten. 

Hat man mittels Capillarpipette beispielsweise aus der Bauchhöhle 
eines toluylenvergifteten, hydrämischen Tieres unmittelbar nach dem Tode 
die Flüssigkeit aufgesaugt und die letzten Reste sorgfältig mit Watte- 
bäuschchen entfernt, so kann man nach geraumer Zeit — 15 bis 20 Minuten 
— beobachten, dass sich das Transsudat erneuert und dass sich, wenn 
man dieses entfernt hat, das Spiel von neuem und immer wieder von 
neuem wiederholt. Es erinnert dieser Vorgang im gewissen Sinne an 
den bekannten Versuch von Magnus, der bei Durchströmung toter Tiere 
enorme Oedeme der Haut und der Subcutis hervorrufen konnte. Seine 
Experimente waren nur dann von Erfolg begleitet, wenn sie ungefähr 
J / 2 Stunde nach dem Tode einsetzten. So lange Zeit scheint nach 
Meinung des Autors nötig zu sein, um die Capillaren aus dem über¬ 
lebenden in den toten Zustand überzuführen. Die Zeit, die bis zum Ein- 


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L. Hess und H. Müller, 


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tritt des von uns beobachteten Phänomens verstrich, mag ungefähr die 
gleiche gewesen sein; bei den normalen hydrämischen Controlltieren 
haben wir ähnliches niemals gesehen. 

Bekanntlich haben Cohnheim und Lichtheim in ihrer viel citierlen 
Abhandlung „Ueber Hydrämie und hydrämisches Oedem“ 1 ) neben der 
hydrämischen Plethora eine Gefässwandschädigung für das Zustande¬ 
kommen des Hydrops postuliert — ein Postulat, dem sich in der Folge 
eine Reihe namhafter Autoren (Knoll, Lukjanow, Senator, Starling, 
Askanazy, Fleischer, Dembrowski, Dastre und Loye) anschloss. 

Wenn Cohnheim diese Gefässwandschädigung von aussen her durch 
locale Application von Entzündungsreizen hervorrief und so locale Oedeme 
erzeugte, so waren die Versuche von Magnus, der von der Blutbahn 
aus durch toxische Agenzien die Gefässwände zu alterieren und universelle 
Hydropsie zu erzeugen suchte, eine wesentliche, für die Anwendung der 
Cohnheimschen Lehre auf die menschliche Pathologie notwendige Er¬ 
gänzung. 

Die Diamine, mit denen es uns zum ersten Male gelang, Hydrops 
hervorzurufen, reihen sich den von Magnus 2 ) verwendeten Capillargiften 
(Aether, Chloroform, Chloralhydrat, Phosphor) in gewissem Sinne an, mit 
denen sie interessanterweise eine Eigenschaft teilen, auf die wir später 
noch einmal verweisen werden: die Lipotropie. 

Im principiellen Gegensatz zu den genannten Substanzen 
sind aber die Diamine imstande, ohne Hydrämie — im Gegenteil 
— unter dem Bilde der Bluteindickung, ohne Nierenstörung — 
die alle obigen Pharmaca im Gefolge haben — bloss durch 
Steigerung der Filtration, Hydrops herbeizuführen. 

Und so kommen wir denn zu dem Schlusssätze: 

Aromatischem-Diamineerzeugennachsubcutanerlnjection 
ohne Hydrämie, durch Alteration der Capillaren, Hydrops 3 ). 

Wir wollen hier für einen Augenblick Halt machen und in das Wesen 
jener Capillarläsion tiefer .einzudringen versuchen, die wir als peracute 
ra-Diamin-Wirkung supponieren. 

Die Lipotropie, die — wie oben erwähnt — den aromatischen 
Diaminen zukommt, ist eine auffällige Erscheinung und führt dazu, in 


1) Virohows Archiv. 1877. Bd. 69. S. 106. 

2 ) 1. c. 

3) Aenderungen der Permeabilität von Membranen durch Zusatz bestimmter 
Substanzen (zumeist Nicht-Elektrolyten) wurden von Pflanzenphysiologen häufig be¬ 
obachtet (Zoth, O’Sullivan, Fernbach, Bechamp, Pantanelli). Namentlich 
Pfeffer und seine Schüler haben eine grosse Zahl diesbezüglicher Untersuchungen 
unternommen. Auch in diesen Beobachtungen handelt es sich zumeist um lipotrope 
Stoffe (Alkohol, Aceton, Aether, Acetate). Ueber den Mechanismus dieser Wirkung 
ist nichts Näheres bekannt. Hierher gehören ferner Beobachtungen über Erhöhung 
der Durchlässigkeit von Colloidschichten bei Zusatz von Resorcin, Phenol usw., wie 
sie in der Photographie schon seit langem praktisch verwertet werden, ferner die in 
der Histologie schon lange verwendeten Zusätze von Anilin, Pyridin, organischen 
Säuren zu Farben und Beizen, um gewisse Färbungen intensiver zu gestalten. 


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Beiträge zur Pathologie des Oedems. 


71 


ihr eine für das Auftreten von Hydrops notwendige Vorbedingung zu 
vermuten. Betrachten wir ferner die Reihe jener Gefässgifte, die in den 
Magnusschen Versuchen bei gleichzeitiger Kochsalzinfusion Anasarca 
zur Folge hatten, Aether, Chloralhydrat, Chloroform 1 ), so finden wir 
vorwiegend lipotrope Substanzen, während die nicht lipotropen — Fluor¬ 
natrium, Nitrite — die letzteren trotz ihrer gefässerweiternden Wirkung 
unwirksam blieben. Aus diesem Grunde scheint es uns auch plausibel, 
die ödemfördernde Wirkung des Amylnitrit bei Urantieren (F. P. Richter) 
mit der Lipotropie dieses Salzes in Beziehung zu bringen 2 3 ). 

Dass der Angriffspunkt des Toluylendiamin und wohl auch der anderen 
aromatischen Diamine in den Protoplasmalipoiden zu suchen ist, dafür 
lassen sich — von ihren Löslichkeitsverhältnissen abgesehen — mehrere 
experimentelle Tatsachen anführen. Im Innern des Erythrocytenleibes 
treten nach Injection von Toluylendiamin Zerfallsproducte auf, die ähnlich 
wie die Innenkörper bei der Pyrodinanämie lipoider Natur sein dürften 
[Pappenheim, Hess und Müller 8 )]. Bei chronischen Intoxicationen 
kommt es im Rückenmark zum Zerfall nervöser Elemente unter dem 
Bilde strangförmiger Degeneration [Mosse und Roth mann 4 5 )]. In den 
inneren Organen — besonders der Leber — wird, wenn das Gift durch 
längere Zeit gereicht wird, oft hochgradige Steatose beobachtet 6 ). 

Es dürfte somit nicht unbegründet scheinen, wenn wir in der Capillar- 
läsion, die wir beim Diaminhydrops supponieren, eine Teilerscheinung der 
allgemeinen, an den Lipoiden der Zellen angreifenden Giftwirkung er¬ 
blicken. Ob etwa ausserdem Aenderungen im Wasseranziehungsvermögen 
der Gewebe bei der Transsudation durch Diaminwirkung mit eine Rolle 
spielen, können wir vorläufig mit Sicherheit nicht ausschliessen. 

1) Vielleicht gehört auch die von Cohn he im als localer Reiz angewendete Jod¬ 
tinktur hierher. 

2) Dass möglicherweise dieser Umstand und nicht die Gefässdilatation eine Rolle 
spielt, dafür spricht ferner eine Beobachtung von Hess und Wiesel (unveröffentlichte 
Untersuchung), die den gleichen Effect — Steigerung der Transsudation in die Körpor- 
höhlen und gelegentlich Hautödem — bei Combination von Uran mit dem vaso- 
oonstrictorischen Adrenalin erzielten. 

3) Wiener klin. Woohenschr. 1913. Nr. 45. 

4) Deutsche med. Wochenschr. 1906. 

5) Dies gilt auch, wie wir uns in einigen Untersuchungen überzeugen konnten, 

in exquisiter Weise vom Toluylendiamin 1:3:4. 


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VII. 


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Aus der III. medicinischen Klinik der Universität in Wien 
(Vorstand: Prof. Dr. F. Chvostek). 

Beiträge zur Pathologie des Oedems. 

2. Mitteilung. 

Von 

Dr. L. Hess und Dr. H. Müller. 


B. Oedeme und Hydropsien durch aromatische Hydrazine. 

Das Gesichtsödem, das wir als constante Begleiterscheinung der 
chronischen Pyrodinrergiftung an Ratten beobachten konnten (Hess und 
Müller 1 ), veranlasste uns, unsere Versuche auch auf andere Hydrazine 
auszudehnen. Tatsächlich ergab sich, dass ebenso wie das Pyrodin 
das Tolylhydrazin, und zwar von den 3 isomeren Körpern bloss 
die Metaverbindung, beiTieren in gesetzmässiger Weise Hydrops 
bzw. Oedem produciert. 

1. Versuche mit Acetylphenylhydrazin. 

(Hydracetin, Pyrodin, C 6 H 6 NH . NH . CH 8 CO ab symm.) 

Wir zogen für unsere Versuche das Acetylderivat, das eine chro¬ 
nische Darreichung ermöglichte, der um vieles giftigeren Base vor. Da 
es sich, wie aus den folgenden Mitteilungen hervorgehen wird, bloss um 
principielle Fragen handelte, konnten wir von der Anwendung anderer 
Phenylhydrazinderivate und Carbacide einstweilen absehen. Wir ver¬ 
wendeten lproc. wässrige Lösungen in subcutaner Injection. Die ein¬ 
malige Dosis betrug 0,01 g pro 200 g Tier. 

a) Versuche mit Ratten (71 Versuche): 

Ratte B 12 erhält am 7. 6 . 1913 0,01 g Pyrodin subcutan, die gleiche Dosis 
am 8 ., 9., 10. Getötet am 10. für andere Zwecke. Starkes Gesichtsödem. 

Ratte A 54 . Am 27., 28., 29. und 30. 12. je 0,01 g Pyrodin. Am 30. deut¬ 
liches Oedem der Lider und des Gesichts. 

Ratte A 80 , 81 und 82 . Am 3., 6 ., 8 ., 9. und 10. 2. je 0,01 g Pyrodin. 
Am 10. Gesichtsödem stark entwickelt. Am 22., 23. und 25. abermals die 
gleiohe Dosis injiciert. Am 25. wird wiederum Gesiohtsödem notiert. Am 3., 4. und 
5. 3. nach Darreichung der gleichen Dosen zum dritten Uale Oedem bei allen 3 Tieren. 

b) Versuche mit Kaninchen (9 Versuche): 

Kaninchen A 282 , 820 g schwer, erhält am 16., 17. und 18. 5. je 0,04 g 
Pyrodin. Am 19. morgens tot. Die Obduction orgab im Pleuraraum etwa 3, im 
Abdomen 8 com klare Flüssigkeit. 

1) Wiener klin. Wochenschr. 1914. Nr. 6 . 


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Beiträge zur Pathologie des Oedems. 


73 


Kallinchen A 298 , 1300 g schwer, am 3., 4. und 5. 7. je 0,06 g Pyrodin sub- 
cutan. Am 6 . tot. Im Abdomen und im Thorax je 5 ccm freies Fluidum. 

Kaninchen A 303 , 1800 g schwer, am 7. und 8 . je 0,09 g, am 9 . 0,10 g 
Pyrodin. Am 10. tot. Im Thorax etwa 15 ccm gelbliche, ziemlich klare 
Flüssigkeit. Giweissgehalt etwa 25 pCt. Im Abdomen kein Transsudat. 

Bei Trockenfutter — Haferkost — blieb der Hydrops gewöhnlich 
aus, z. B. 

Kaninchen A 284 , 1600 g schwer, erhält an 3 aufeinander folgenden Tagen 
(am 23., 24. und 25. 11.) je 0,08 g Pyrodin. Tod am 26. Bei der Obduction finden 
sich bloss Spuren freier Flüssigkeit im Abdomen, Pericard und in der Pleurahöhle. 

Experimente mit Hunden (5) fielen ausnahmslos negativ aus. 

2 . Versuche mit Tolylhydrazin (Thz.). 

(C 6 H 4 CH 3 NH. NH 2 .) 

Es wurden sämtliche 3 isomere Verbindungen verwendet. Die Ap¬ 
plication des Giftes erfolgte subcutan. 

a) Ratte A 286 , 90 g schwer, erhält am 19. 6 . 0,01 m-Thz. in Wasser. Nach 
etwa 6 Stunden tot. Im Thorax etwa 1 com Transsudat. 

Ratte A 289 , 85 g schwer, am 23. und 24. 7. je 0,006 m-Thz. Am 24. abends 
tot. Im Bauch und Thorax je 1 ccm Fluidum. 

b) Kaninchen A 290 , 450 g schwer, erhält am 26. 5. 0,03 m-Thz. Nach 
3 Stunden tot. Deutlich freie Flüssigkeit im Abdomen und Thorax. 

Kaninchen A 291 , 450 g schwer, erhält am 27. 6 . 0,015 m-Thz. Nach 
einigen Stunden tot. Freies Fluidum iü Brust und Bauch. 

Kaninchen A 295 , 330 g schwer, am 29. 6 . 0,015 m-Thz. Am folgenden 
Tage tot. Geringe Quantitäten Ascites und Hydrothoraxflüssigkeit. 

Controllversuche mit Hydroxylamin und Hydrazinhydrat (neutra¬ 
lisiert) ergaben bei Ratten und Kaninchen keinen Erguss. 

Der Magnussche Versuch, auf der Höhe der Pyrodinvergiftung 
durchgeführt, ergab analog dem ra-Toluylendiamin hochgradigen Ascites, 
Hydrothorax und Hydropericard, Oedem der Brustmusculatur und merk¬ 
liche Durchfeuchtung der Haut in den Axillen. Nach Abtupfen der 
Flüssigkeit im Abdominalraum sammelte sich auch hier post mortem 
immer wieder von neuem Fluidum an. 

Mit 0 - (7 Versuche) und p-Tolylhydrazin (5 Versuche) konnten wir 
niemals Flüssigkeitsansammlungen in den Körperhöhlen oder Hautödem 
erzeugen. 

Pyrodin und m-Tolylhydrazin erzeugen somit bei sub- 
cutaner Application Hydropsien. 


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VIII. 


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Aus der III. medicinischen Klinik (Vorstand: Prof. Chvostek) u. d. Institut 
für allgemeine und experimentelle Pathologie (Vorstand: Hofrat Paltauf) 
der k. k. Universität Wien. 

Ueber experimentellen Morbus Brightii. 

Von 

J. Wiesel und L. Hess. 

(Hierzu Tafeln I—IV und 7 Abbildungen im Text.) 


Eine der Hauptursachen, warum die Ergebnisse der experimentellen 
Nierenforschung nur mit Vorsicht zur Aufklärung der Folgen der patho¬ 
logischen Nierenfunction beim Menschen herangezogen werden dürfen, 
ist in dem Umstande begründet, dass die bis jetzt im Tierversuche 
hervorrufbaren Nierenvoränderungen sich mit den beim Menschen vor¬ 
kommenden kaum vergleichen lassen. Vor allem war es bis jetzt nicht 
möglich, durch Gifte regelmässig pathologische Processe am glomerulären 
Apparat in einer Form hervorzurufen, die in Analogie mit den Folgen 
der Glomerulonephritis dos Menschen zu setzen wäre. Denn der beim 
Menschen vorkommende Morbus Brightii, die sogenannte „glomerulärc 
Schrumpfniere“, die ja die häufigste chronische Nierenerkrankung dar¬ 
stellt, entwickelt sich bekanntlich aus einem Processe, an dem von Haus 
aus die Glomeruli hervorragend beteiligt sind. Schrumpfnieren auf dem 
Boden einer derartigen primären Glomeruluserkrankung zu erzeugen, 
wobei natürlich auch der tubuläre Apparat nicht ungeschädigt bleibt, 
ist bis jetzt nicht gelungen. 

Acute, der menschlichen Glomerulonephritis vergleichbare Processe 
konnte Baehr zwar in einigen Fällen dadurch erzeugen, dass er Uran¬ 
nitrat direct in die Nierenarterien seiner Versuchstiere injicierte; aber die 
behandelten Kaninchen gingen ausnahmslos schon in acuten Stadien zu¬ 
grunde, so dass es ihm nicht möglich war, Schrumpfnieren zu sehen. 

Bis auf Baehr war es zwar gelungen, mittels verschiedener Gifte 
den tubulären Apparat in seinen verschiedenen Abschnitten zu schädigen, 
wodurch wohl schwere Krankheitsbilder entstehen, aber in Formen, wie 
sie die menschliche Pathologie kaum kennt, denn eine tubuläre Nephro- 
cirrhose kommt beim Menschen sehr selten — wenn überhaupt je — 
zur Beobachtung. Eben der Umstand, dass die experimentellen Nieren¬ 
schädigungen den glomerulären Abschnitt regelmässig verschonen, nimmt 
auch den Functionsprüfungen derartig kranker Nieren insofern ihren Wert, 
als sie ebenfalls nur wenig für die menschliche Pathologie beweisen, 
da sie bis jetzt an in einer Form erkrankten Nieren vorgenommen 
wurden, die die menschliche Pathologie kaum je aufweist. Zwar sahen 


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Zrit&'hnft J. e>PiutM&jU*-- u.-The.nfph\ 17. B<L 


Ftg. J. Reine Trannephrins; man beachte die besondere Beteiligung des Kanälchen 

Wochen. 


Systems, Hei ß Blutungen in den Giomerulus. Krankheitsdavur ea. 2 


Tu). L 



Fig. 2. IVan-AsdrpualitbNephritis nach ca. S Wochen; Mengen der verabreichten 
Substanzen wie in Versuch 17. Starke Hi ml ege webs jJroii ferat io n, interstitielle Herde; 

bei G GlorncTuhi^ri >t. 


- Ftt^bCftHthWrock ii»< h eiwi völ» Akhf>rt t't.sdj 


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Fig. 3. Akute AdrenalindJ ran-Nephritis. Die Veränderungen am Kanälchensystem 
wesentlich geringer als in Fig. 1; Blutungen in die Gionteruli bei B; Kompression 

des Knauelinhalfs. 




Fig. 4. Chronischer M. Brightii. Versuchsanordnung wie bei Versuch 16. Lebensdauer 
des Tieres 5 Monate. Bei G. v. verödeter, bei G. in bindegewebiger Umwandlung 

begriffener Glom. 


Fok«Unik< • Farbeutirhtdnick nach pmer üimiito'plnttc von Krisen. 





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7i. A^cr M. firightU uiu-h V<-i <.•; 

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CdometfiUti«’-tun-l f V? 


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Ta f. IV ; 



Zritxrhrift f. o.rper. Pathologie o. Therapie. 17. BiL 


r. Chronischer M. Brightii. Beobachtungsdiatier ca. ein halbes Jahr. Bei (7. 
an /.wci Stellen verlöteter Glonjerulus, bei Ge. -tark verdicktes Gefab. 



Ftg. 8. Subakmer M. Brigbtji. 2 1 Vmotradge Krankheu^daucr. I"> ccm der 1 ran-, 
150 Tropfen der Adrcnalmlösung, Bei B. durch Blutung zcnrjstOrrer Gloxncrnlus. 
bei U. v. in Verödung begriffener. 


Ftiks.mUo-1-Arhenwchtfpick nach einer L*»mK'H‘p»A»to vcirt Altert Prw/u 


Original item 

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Ueber experimentellen Morbus Brightii. 


75 


einzelne Beobachter, vor allem bei der Uranniere, hier and da Mit¬ 
beteiligung der Glomeruli, aber nur ausnahmsweise und in sehr geringem 
Umfange. Wie schon erwähnt, konnte Baehr mittels directer Injection 
von Urannitrat in die Nierenarterie in den Glomeruli Processe erzeugen, 
die mit denen der acuten und subacuten Glomerulitis des Menschen ver¬ 
gleichbar sind. Die Endausgänge des Processes konnte er jedoch nicht 
studieren. Auch ist seine Methode nicht zweckmässig, da sie immerhin 
einen grösseren operativen Eingriff voraussetzt. Jedenfalls aber war er 
der erste, dem es in nicht zufälliger Weise gelang, die menschliche 
Glomerulitis bis zu einem gewissen Grade zu imitieren. 

Versuche beim Tiere, die Glomeruli primär zu schädigen, liegen 
schon aus früherer Zeit vor. So unternahm es Ribbert, durch Injection 
verdünnter Jodlösungen in die Nierenarterie Glomerulitis hervorzurufen. 
Aber diese Versuche schlugen fehl, auch in den analogen Baehrs, der mit 
dieser Methode bloss tubuläre Nephrocirrhosen erhielt. 

Nach subcutanen Uraninjectionen sah man bloss gelegentlich Glome- 
rulusveränderungen. So beobachtete Christian bei einzelnen uranver¬ 
gifteten Tieren hyaline, tropfige Gebilde in den Capillarschlingen der 
Glomeruli, einmal Fibrinthromben, Mackenzie (nach Baehr) stellen¬ 
weise Blutungen, die sich aber nicht im Kapselraum selbst, sondern 
innerhalb der visceralen Lagen der Kapsel fanden. Suzuki, dem wir 
die ergebnisreichste Darstellung über experimentelle Nephritis verdanken, 
beobachtete einmal, gleichfalls nach Uranvergiftung, Hämorrhagien in dem 
Kapselraume, sowie Nekrosen einzelner Schlingen. Bei der chronischen 
Uranvergiftung sah Suzuki secundäre Erweiterung der Glomerulus- 
kapseln und Compressionsatrophie des Glomerulus, aber bis zuletzt gar 
keine entzündlichen Veränderungen dieser Gebilde, so dass er sagt, Hass 
die sogenannte Uran-Schrumpfniere mit der beim Menschen häufigsten 
Form der Schrumpfniere, der sogenannten secundären, nicht in Beziehung 
gebracht werden kann. Auch bei Scheel findet sich eine kurze Notiz 
über Schlingennekrose nach Uran Vergiftung. Baehr selbst sah einmal 
nach subcutaner Uraninjection (0,00035 g Urannitrat) bei einem Kaninchen, 
das am 10. Versuchstage einging, eine Glomerulonephritis catarrhalis, 
ferner Schlingennekrosen und deutliche Epithelproliferation am äusseren 
Blatte der Bowmansehen Kapsel mit Bildung von typischen Halbmonden. 
Diesen einmaligen Befund führt Baehr auf eine Uranüberompfindlichkeit 
des Tieres zurück. Alle übrigen Autoren, die experimentelle Nephritiden 
erzeugten (Ophüls, Dickson, Smith, Suzuki), waren wohl in der 
Lage, tubuläre Schrumpfnieren hervorzurufen, glomeruläre dagegen nicht. 
Die Versuche mittels anderer Substanzen — Sublimat, Chrom, Cantha- 
ridin (Ellinger) usw. — glomeruläre Nierenschrumpfungen zu erzeugen, 
schlugen ebenfalls fehl. Auch in den an sich sehr bedeutenden Unter¬ 
suchungen von Schlayer und seinen Mitarbeitern fanden sich selbst 
nach Verwendung von „vasculären“ Giften keinerlei nennenswertere 
Gefässveränderungen. 

Baehr gelang es, wie bereits angeführt, durch Injection von Uran¬ 
nitrat in die Nierenarterie Glomerulusveränderungen zu erzielen. Er 
spritzte seinen Tieren 0,00035—0,0008 g Urannitrat in 0,5—1,0 g Wasser 


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J. Wiesel und L. Hess, 


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ein. Die so behandelten Tiere lebten 2 Tage bis zu ca. 3 Monaten. Er 
unterscheidet mehrere Stadien: im ersten Stadium fand er das Bild der 
Coagulationsnekrose. Die Epithelkerne waren nicht mehr färbbar, die 
Schlingen geschwollen und blutarm, im Lumen fand sich Fibrin, in 
einzelnen Schlingen degenerierte weisse und rote Blutkörperchen. Der 
Epithelüberzug der Schlingen war stellenweise nekrotisch. Gelegentlich 
beobachtete er totale Zerstörung des Glomerulus infolge Blutaustrittes 
aus den Schlingen. Das zweite Stadium war charakterisiert durch deut¬ 
liche Schwellung und Proliferation der glomerulären und capsulären 
Epithelien mit Bildungen syncytialer Structuren. Die proliferierten 
epithelialen Elemente zeigen Mitosen. Die nekrotischen Schleifen werden 
in diesem Stadium in streifige hyalin aussehende Massen umgewandelt. 
Im dritten Stadium sah Baehr Dilatation und Ektasien der Capillar- 
schlingen mit Ausbildung von Lacunen durch Blutaustritt in die Kapsel¬ 
räume sowie syncytiale Adhäsionen zwischen beiden Kapselblättern. Im 
vierten Stadium endlich konnten Bilder gesehen werden, die an die 
Glomerulitis adhaesiva erinnerten, Schrumpfungen waren aber, da die 
Tiere zu früh starben, nicht stark ausgebildet. 

ln einer früheren Arbeit 1 ) studierten wir den Einfluss des Adrenalins 
auf das klinische Verhalten uranvergifteter Tiere. Bei der anatomischen 
Untersuchung der Nieren von Kaninchen, welche acut oder chronisch mit 
Uran, beziehungsweise Chrom und Adrenalin behandelt wurden, fanden 
wir regelmässig Veränderungen in den Glomerulis (neben mehr minder 
ausgeprägten tubulären Processen), die sich sehr wohl mit den Vorgängen 
bei der acuten, subacuten und, da wir einzelne Tiere durch viele Monate 
am- Leben erhielten, auch mit der chronischen Glomerulusnephritis ver¬ 
gleichen lassen. Es gelingt also durch diese combinierte Behandlungs¬ 
methode Schrumpfnieren unter hervorragender Beteiligung der Glomeruli 
und, wie wir hervorheben wollen, auch oft recht erheblicher des übrigen 
Nierengefässsystems zu erzeugen. 

Durch intravenöse Adrenalininjection allein gelang es uns ebenso¬ 
wenig wie der Mehrzahl der anderen Autoren, charakteristische Ver¬ 
änderungen hervorzurufen. Bloss Braun sah atherosklerotische Processe 
an den Nierengefässen; über Veränderungen an Glomerulis wird nichts 
erwähnt, ebensowenig wie von anderen Untersuchern. Schlayer sah 
nach Injection von Adrenalin direct in das Nierenparenchym schrumpf¬ 
nierenähnliche Vorgänge, wobei es sich aber doch wohl nicht um Aus¬ 
gänge von Nephrosen oder Nephritiden, sondern bloss von Infarcten 
handelte. Uns selbst gelang es niemals, durch intravenöse Injection von 
Adrenalin die Nierengefässe oder die Glomeruli zu schädigen. Erst die 
Combination des Adrenalins mit Uran oder Chrom führt zu constanten 
Glomerulusschädigungen. Wir versuchten auch Cantharidin, Blei, Sublimat 
und andere Nierengifte, aber mit negativem Erfolge. 

Wie schon in unserer ersten Mitteilung hervorgehoben wurde, konnten 
wir auch in dieser Versuchsreihe sehen, dass die Adrenalindarreichung 
sehr oft imstande ist, klinisch die Uranschädigung zu bessern, selbst in 

1) Lieber die Wirkung von Adrenalin bei acuten experimentellen Nephropathien. 


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Ueber experimentellen Morbns Brightii. 


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sehr schweren Fällen. Bei der genauen histologischen Untersuchung ergab 
sich aber die Tatsache, dass trotz der klinischen Besserung die Nieren 
schwer erkrankt waren. Auch scheint es uns hervorhebenswert, dass 
nach einer gewissen Anzahl von Injectionen, die individuell variiert, falls 
weiterer Vergiftung schwerere acute Nachschübe in den kranken Nieren 
sich nicht finden lassen, selbst dann nicht, wenn kurz vor der Autopsie 
noch einmal oder mehrere Male grössere Gaben von Uran bzw. Chrom 
'oder Adrenalin gereicht wurden, sondern dass sich bloss die Anzeichen 
der chronischen Entzündung ergeben. Es scheint sich also nach unserer 
Auffassung eine Art Gewöhnung an die Gifte ausgebildet zu haben. Dass 
es gelingt, durch die gleichzeitige Injection von Adrenalin neben den 
Parenchymgiften ausserordentlich grössere Gaben letzterer dem Tiere ein¬ 
zuverleiben als ohne Adrenalin, haben wir gleichfalls bereits in unserer 
ersten Publication hervorgehoben. 

Was die angewandte Methodik anbelangt, so sei bemerkt, dass 
nach einer oder mehreren Uraninjectionen entweder sofort durch mehrere 
Tage 2—4 Tropfen einer 1 prora. Adrenalinlösung intravenös injiciert 
wurden oder nach einigen Uraninjectionen eine Pause in der Dauer 
von mehreren Tagen eingeschaltet und erst dann mit der Adrenalin- 
injection begonnen wurde. In einer zweiten Versuchsreihe gaben wir 
gleichzeitig von vornherein Adrenalin und Uran ebenfalls durch ver¬ 
schieden lange Zeit, wobei die Tiere entweder unmittelbar im An¬ 
schlüsse an die letzte Injection getötet wurden oder die letzte Vergiftuug 
durch verschieden lange Zeit überlebten. Um dem Einwande zu begegnen, 
dass die klinische Besserung auf Sistieren der Urandarreichung beruhe, 
haben wir wieder in anderen Fällen trotz der schweren Symptome, die 
die reine Uran Vergiftung zur Folge hat, weiter Uran, aber nunmehr auch 
Adrenalin, gegeben. Die brauchbarsten Resultate in bezug auf die Er¬ 
zeugung typischer Glomerulusveränderungen erhielten wir dann, wenn wir 
von vornherein Adrenalin mit Uran combinierten oder dadurch, dass wir 
nach Abklingen der Symptome der acuten Uranvergiftung Adrenalin 
durch mehrere Tage injicierten, dann eine Pause durch 3—4 Wochen ein- 
treten Hessen und dann nochmals während mehrerer Tage Adrenalin 
entweder allein oder combiniert mit einer neuerlichen Urandosis injicierten. 
Das Uran wurde ausnahmslos in Form einer 5 proc. Nitratlösung intra¬ 
peritoneal und zwar jedesmal x / 4 — x / 2 ccm gegeben, Chrom als doppelt¬ 
chromsaures Kalium in 5 proc. Lösung subcutan. Um zu zeigen, wieviel 
von den Parenchymgiften gegeben werden kann, ohne dass die Tiere 
zugrunde gehen, einzelne ganz besonders empfindliche Exemplare aus¬ 
genommen, falls nur gleichzeitig Adrenalin injiciert wird, sei hervor¬ 
gehoben, dass eine Anzahl unserer Kaninchen bis zu 150 mg Uran 
innerhalb mehrerer Monate erhielten. Einige unserer Tiere beobachteten 
wir bis zu 8 Monaten; von unseren Versuchstieren leben einzelne nunmehr 
seit etwa einem Jahre trotz oft wiederholter Uran-Adrenalininjection. 

Da es zu weit führen würde, unsere sämtlichen Versuchsprotokolle 
in allen ihren verschiedenen Combinationen hier wiederzugeben, so be¬ 
schränken wir uns darauf, einzelne Typen herauszugreifen, die für gewisse 
Stadien der Erkrankung als charakteristisch anzusehen sind. Die Zahl 


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J. Wiesel und L. Hess 


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unserer Versuche beträgt im ganzen gegen 70, darunter Serien gleich¬ 
bleibender Versuchsanordnung, deren Resultate sich fast vollständig 
decken. Zunächst ein Beispiel einer acuten Uran-Adrenalinvergiftung: 

Versuch 28 . Ein 1500 g schweres Tier erhielt am 26. 12. l / 2 ccm Urannitrat 
intraperitoneal und 3 Tropfen der Adrenalinlösnng intravenös. Am 27., 28. und 29. 
wird die gleiche Dosis verabreicht. Am 28. ist der Harn klar, ziemlich reichlich und 
enthält zum erstenmal geringe Mengen von Eiweiss. Am 31. steigt die Eiweissmenge 
auf etwa l l / 2 pM. an. An diesem Tage wieder 4 Tropfen Adrenalin. Am 1. 1. ist 
das Tier krank, der spärliohe Harn enthält grosse Eiweissmengen und Blut. Das Tier 
erhält abermals 4 Tropfen Adrenalin, stirbt aber am 2. 1. Makroskopisch erschienen 
die Nieren unverändert. Am tubulären Apparate finden sich nur massige degenerative 
Veränderungen, von denen hauptsächlich, wie Suzuki nachgewiesen batte, die Ueber- 
gangsabsohnitte der gewundenen Kanälchen betroffen sind. Die Glomeruli sind diffus 
erkrankt. Vor allem finden sich Blutungen verschiedener Grösse in den Kapselräumen 
neben Nekrose der Schlingen. In den einzelnen Malpighischen Körperchen, die auch 
dadurch besonders vergrössert erscheinen, ist der Blutaustritt ein ziemlioh mächtiger. 
Neben derartigen Glomerulis finden sich solche, deren Schlingen gebläht, plump er¬ 
scheinen, blutleer sind. Das ganze Gebilde ist sehr zellreich und füllt den Kapsel¬ 
raum völlig aus. Die Kapselepithelien selbst erscheinen gequollen. Vielfach sieht man 
hier bereits interstitielle Herde. 

Versuch 62 . Ein 1700 g schweres Kaninchen erhält am 4. 6 . */ 4 ccm Uran 
und 3 Tropfen Adrenalin, am 6 . 1 Tropfen Adrenalin. Am 8 ., als in dem reichlichen 
Harne Eiweiss deutlich erkennbar war, abermals */ 4 ccm Urannitrat und 3 Tropfen 
Adrenalin. Am 10. ist die Eiweissmenge ungefähr unverändert geblieben, das Tier 
erhält an diesem Tage sowie am 12., 14. und 16. gleichfalls 3 Tropfen, am 17., 18. 
und 19. je x / 4 ocm Urannitrat und 3 Tropfen Adrenalin; am 20. und 21. je 3 Tropfen 
Adrenalin; am 23. wurde das Tier getötet. Bei diesem Tiere erwiesen sich die 
Glomeruli gleichfalls schwer erkrankt. Neben den schon beschriebenen ganz acuten 
Veränderungen sieht man im Kapselraum ein reichlich Fibrin enthaltendes Exsudat, 
das an einzelnen Stellen auch zahlreiche rote Blutkörperchen einschliesst, daneben 
Schlingennekrosen. An einzelnen Körperchen sind die Blutungen so beträchtlich, dass 
der Kapselraum fast durch Blut ausgefüllt erscheint, dem peripher die comprimierten 
Gefässschlingen kappen- oder halbmondförmig aufsitzen. In den Glomerulis, deren 
Inhalt nicht hämorrhagisch ist, sieht man einen schwach eosinfärbbaren zellarmen 
Inhalt. Meist handelt es sich bloss um geronnene Massen, nur sehr selten konnten 
wir das Auftreten von Epithelhalbmonden beobachten. Die Kapseln beteiligen sich 
insofern am Processe, als das Kapselepithel am äusseren Blatte zu wuchern 
scheint. An anderen Stellen sieht man aber auch Exsudation zwischen die beiden 
Kapselblätter. 

Versuch 17 . 1400 g schweres Kaninchen. Am 1., 2. und 3. 12. je l / 2 ccm 

Uranlösung, als am 6 . reichlich Eiweiss und Blut im spärlichen Harn gefunden wird, 
2 Tropfen Adrenalin. Ebenso am 7. und 8 . je 2 Tropfen Adrenalin. 6 pM. Eiweiss. 
Am 9. 1 / 2 ccm Uran, am 10. ist die Eiweissmenge wesentlich gesunken. Am 11. 
2 Tropfen Adrenalin, am 12. bloss Spuren von Eiweiss. Am 16. wieder 1 / i ccm Uran, 
die Eiweissmengen steigen an, im Sediment Cylinder. Am 21.—23. Eiweiss. Starke 
Oligurie, viel Blut. Am 27. 2 Tropfen Adrenalin. Am 31. wird das Tier getötet. 
Am tubulären Apparat finden sich nur geringfügige Veränderungen, dagegen aus¬ 
gedehnte interstitielle. Die Schlingen der Glomeruli sind collabiert, die Gliederung 
des Knäuels verwischt. Das collabierte Knäuel liegt der Kapsel an, wobei es mit dem 
visceralen Blatte der Bowmansehen Kapsel verwachsen scheint. Die Kapsel selbst ist 
verdickt, zellarm; an anderen Glomerulis wieder sieht man gleichfalls die verdickte 


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Ueber experimentellen Morbus Brightii. 


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Kapsel, die dem Knäuelinhalte dicht anliegend, denselben zu comprimieren scheint. 
Stellenweise hyalin degenerierte Schlingen und beginnende Bindegewebsproliferation. 

Versuch 16. 1270 g schweres Kaninohen. Dieses Tier erhält am 2.12. 1 / A ccm 
Urannitrat intraperitoneal, am 3. und am 7. je x / 2 ccm Urannitrat. Am 12. geringe 
Eiweissmenge. Am 14. l j 2 ccm Uran, 2 Tropfen Adrenalin, ebenso am 15. und 16. 
Am 17. Oligurie, reichlicher Harn, 2 Tropfen Adrenalin. Am 18. weniger Eiweiss, 
die Harnmenge ist gestiegen, 2 Tropfen Adrenalin und 1 / 2 com Uran. Am 19. grosse 
Harnmenge, viel Eiweiss, 3 Tropfen Adrenalin. Im Harn reiohlich Cylinder. Die 
Eiweissmenge steigt bis zum 25. auf 2 pM. Vom 22.—30. täglich je 3 Tropfen 
Adrenalin. An letzterem Tage kein Eiweiss mehr nachweisbar. Neuerliche Ver¬ 
abreichung von Uran duroh 3 Tage. Am 3. Tage reichlich Eiweiss. Vom 4.—16. 
Adrenalin, worauf der Harn eiweissfrei wird. Nunmehr bleibt das Tier trotz Injection 
von 8 / 4 ocm Uran fast eiweissfrei. Am 17. Uran, worauf die Eiweissmenge auf 2pM. 
anstieg; im Sediment Cylinder, rote Blutkörperchen. Am 19., 21., 22. Adrenalin, von 
da an bekommt das Tier täglich l j 2 ccm Uran und 3 Tropfen Adrenalin. Vom 24. 1. 
bis 8. 2. je 4 Tropfen Adrenalin. Die Eiweissmengen erreichen höchstens lpM. Nach 
einer weiteren einmaligen Urangabe stieg die Eiweissmenge so hoch, dass sie am 
Esbach sehen Röhrchen nicht mehr abgelesen werden konnte. Vom 24. 2. bis 5. 4. 
täglich je 3 Tropfen Adrenalin, worauf die Eiweissmenge wieder absank. Am 27. 4. 
wurde das Tier getötet. Die Nieren waren kleiner, an der Oberfläche finden sioh 
zahlreiche seichte Einkerbungen, die Kapsel ist nur sehr sohwer abziehbar, auf 
dem Durohschnitte ist die Rinde deutlich verschmälert. Histologisch erweist sich 
das Nierenparenchym in weitem Umfange sohwer verändert, die Tubuli teils 
atrophisch, teils regeneriert, die Glomeruli an Zahl vermindert; an den erhaltenen 
sind die Kapseln verdickt, die Schlingen kaum in ihrer ursprünglichen Anordnung 
mehr erkennbar, die zugrunde gegangenen durch Bindegewebe ersetzt, das peripher 
einwächst. Eine Reihe von Glomerulis hat sich bereits vollständig in hyaline Gebilde 
mit undeutlichen Grenzen umgewandelt. 

Aehnliche Verhältnisse finden wir bei einem Chrom-Adrenalinversuche. Das 
Kaninchen erhielt vom 22. 2. bis 14. 8. im ganzen 37 / 4 ccm einer 5proc. Chromlösung 
und dazu regelmässig 2—3 Tropfen Adrenalin. Zeitweise bestand ausgesprochene 
Polyurie. Die Eiweissmengen stiegen niemals über 1 pM. 

Wir wollen nunmehr die histologischen Veränderungen zusammen¬ 
fassend besprechen, die wir an den Nieren unserer Versuchstiere beobachten 
konnten, wobei wir uns nicht nur auf die wenigen vorhergehend skizzierten 
Versuche berufen. Als erste sinnfällige Veränderung an den Glomerulis 
möchten wir das auffallende Plump- und Geblähtwerden der Schlingen 
und das Verschwinden der Schlingenzeichnung bezeichnen sowie eine Ver- 
grösserung der Knäuel im ganzen, wodurch letztere den ganzen Kapsel¬ 
raum erfüllen und vielfach der sonst sichtbare schmale Spalt zwischen 
dem Gloraerulus und dem visceralen Blatte der Bowmanschen Kapsel 
verschwunden ist (Abb. 1 u. 2). Dabei sind die Glomeruli ganz oder 
beinahe ganz blutleer. Das ganze Gebilde erscheint ausserordentlich 
kernreich. Ob die Kerne des epithelialen Glomerulusüberzuges gewuchert 
sind, lässt sich hier ebensowenig entscheiden wie in den Anfangsstadien 
der menschlichen Glomerulonephritis. Stellenweise sind die Lumina der 
Schlingen mit einer mehr oder weniger homogenen Masse gefüllt, die 
man gelegentlich auch im Vas afferens sieht; diese Masse enthält 
Erythrocytentrümmer. Wucherungen an den Endothelien der Bowraan- 
schen Membran lassen sich nicht nachweisen. 


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SO J. Wiesel und L. Hass, 

, Ein anderes. Einsetzeo des Procrsses ist durch das Auftreten von 
Exsudat hu Knpsclraura charakterisiert. ,Das Exsudat enthalt, auffallend 
viel Fibrin, kann'aber auch hämorrhagisch sein. • In einzelnen Fällen» 
wo der KapselinhaU bloss, -aus Blut • zu 'bestehen scheint, dürfte es sich 
wohl um directe lUutnngen aus den geschädigten Schlingen handeln. 
Dieses fibmios, hämorrhagische Exsudat b?w. der Bluterguss ist an vielen 

‘lass es z«r pempirisa^if des Sqliliitgenapparates 
komm?» w.tdebfifvi dteg. ze)Ireiehe oopap&gte Masse ba{btftk»d%iä>g der 
Blutung ;>•:■>f.vii:« fÄkh. 3). Etwa noch sichtbare ■ Schlingen' sind ganz 
blutleer in ]Muti tilöniernlis, wo iIas lixsudat wertiger reichlich oder 
weniger hämorrhagisch ist, liegt der geae.in'o Knäueiinhah als eine mehr 


Veisue.h 38...' 1 * e ?m InumUn-M f Ifi Trupfei» 
AÜr.öürvliu icuerjuilh ;> Taggn. V< rs< •letiietcn der 
äclitingfoiieirhiiiuig. bciminfiid? y.fliv.r'u. linnig. 


V«rsii«tV ?.8.. I)asnf!t.e Tirv wie hei Ah.b. 1. 
Ltbe 111 truib:r»i{ u 81 ^t in wtö ■vergr> ; sseti, sehr «dt; 
riieti, MhiiH völlig die Kapsel -, deutliche Auitaie. 


eompäe.ie Masse der gtulohnien Kapsel las' vml!>tändig an unrl es .linden 
•sieh im KajosHiannj aussrnlem .nur spärliche, h-.inkbrmge, mir Eosin färb-' 
bkrk gt?rtj.niiene Massen (Abb» 4h Das Exkudät ertihitlt fast immer nur eine 
geringe Anzahl epitheliales: und ei.dolholi.-ilef Elemente, nVeisl bandelt fcs 
sieh nur um librir».Jvmidafitirt.. so dass das Aufireten von Epithel« 
halhmiiielim kam« jo zu sehe« ist. : in diesem Suniium findet sieh bereu., 
eine- Beteiligung des 'Kapselimrforhtds, huiem dieses fyt wuchern beginn! 
'Hid Äueli dm Kapsel -schon- ;ui einzdoeii Sffllofi. Verdickt erscheint, -während 
•iVt ..Hmicren 8töjJgii eme. liojluVjggptj hyaline Schicht an das tiapsel- 
ejbfhei iuen/l 

In den 'weileren. Stadien s< hwmdM. das Exsudat ..ms der Mehrzahl 
der (i1of«i»:?ttl.tj deren Scidingen /mvi gm***.« Teile zugrunde gegangen 
sind und dadurch zu einer Verkieuvtrung ■ Jsr t;|.iraevriii fuhren. An ihre 



, J ’’//,'/.’ !' v V,'/ ■/' ' • ', 4 \* » V ' ;*••• '■ v \'*' v ’’’-"• V» tV'v'-Pv./- ' .*:*'•* 7 > •; V * *;'•’• 

• . 

Stelle Iriti. oin. tttohr minder zdlnnchcs f>ir.cleg.**.\v«l-c(Abu. t>r 

(.tlörrjern)u.s erscheint darin oftmals gegen. v dk?. t-tugßhnng m£$| mehr 

' 

At'b. 3. 


Versuch 0*2. : >; 4 ccm Uranuiirat ~f 30 Tropfen Adrenalin innerhalb 1Ü Tagen 

gradige Blutung in don Vrtotneinlus mit Parker roaipression der Schlingen 


'Versuch ß‘2. Dasselbe Tier wjtr h.id'/Vtob ^ Ufli.stttöi;Uh|vraum enthalt 
■ein kernarines EssH.iat: der Kapsfelildfbdt d%l m $äj|r >* . iß 0 *t bßreb^ v.in der 

■Kapsel her Gewebe einzäum-hsoii *. Mv-mpn-m *Gv Kup^ dhhiÜpr 


deutlich abgrenzbar. Dieses Studio in ' j.s.i also <hm;h Organisnüorr ti.*> 
Exsudats, .-hyaline Degeneration muj Vmlirknug der Kaf^rl c.baraktemb^t 

Zsiisehciffc f. $tgu P*tböJüj,rie ftvTlidra^t» JA 1 ••} p 




Of:i gVn-a I fror 


pH$ii zßdlby 










.Nebim äitfäMt» äitormi VrjrAoilerfunjot man aber .immer'aut-h keeeiite 
anderer nhar&ktßiiÄii'it <i*.r- !> Hbdifngmi in (len KapsidraWj'ft, 

''i>j!»fj.rteäion tlci /»-iltvi-in.-ü Schlinger! nstf. Am n«l;uLaren Apparate finde* 
man jene 11 ri^ep, die beivi^ von ändernd Aotor-u, vor atUmi 

besonders pnaä von Sn/iiki, beschriebe» wurden. Je mehr, kiiemeruli 
veraiujert fsiitil, deslb ersohwefter ist du- Fniieiiiung der gOM':liadigtu!i und 
abgesluÄsendi i‘!j>iUieliGJt.' Als Ausdrmk der fijne.lionelKmdStdrung linde! 
man Veffehmij; der.-.erkrankten Tubuius;'o!len, die auch toikvivisv zerfallen, 
so dass Verf'eitü'igSherde zusiamle kommen. hu 'Bijulegcwebo findet rtiair 
al» fVösdrüek des dtireh das vfugrühd^chctv des .Parehehv ins' -gtäe&iet» 
Ueiitns Kiirideeileii fuhreniln Herde, die auch i’lasmazflleo enthalten 


Vcrstieli %%' .«f • «*>&• tarÄ.bfc. % Der selir -XfiUrf-rähe.. Kniiucimualt liegt- der 

vcrdioklex» ai !:•':< Jiq. h:, ./«:!;vn'i^ninu, v,m. durch bot * 4 *$ ; nicht »leuthvl' 

ai^t,c.ti/här \hL 


'(.we'IHi del/Sere d!ar( •doigcns sieh nü^fi in vereinzelten et krankten 
•.tl.iiuefulis findet). Ihev-e 'dteuhnr giossUoileiK. japart! oriseh'/.n Vorgänge 

hnben se.idi.-.s.s!ie : !» Neuloibmcg von Bindegewebe yajr F«>iäty Welshes' -lim 
so s.arkm- liiavoiiut!. je mehr eb« dem vigentijvheii f kueneiiy m zugrunde 
gegangen - i>1; hl, .dein ' Idassd, als dtp.. \Aörg.a»sf.d am 

ehonej-yijiren und üd.uhiren Apparate /um llntere'nitge des | J urenc-l>vms 

iniiien, eitl.xviekelti -mb in .ünplm-;;--oigsage. Se.ltOU makroskopisch 
.seköti derartige tViere» wie (äiüöoftWrt;: ans, ■ cUk-v verfetteten .hirerichvnw- 
;jiis<dj!!.«re v.-ffaiei! -didi dnreli ..jov ..*.o>ii.ilieiuV ! r ;i»!.uiig 1 die sieh besonders 
an der AtisseoMei.e .]<•:.aldmbeji Dir- vbrMdimälcno Kinde ist 
feicMebi y.Mi l-o.dee, dittvkzngn,, die Tibmii. die den erkrankten 
r immer,dm angeboren, atrophn-iib?.vA .••iiinbi'.tm» und an du.« Oloniernlis 
se.li-.r sii-nt. mau in grosse;' Ausdehnung KapselJeniiekougeo, adhäsive 




Ünher mft.fi teilen AJor.tets ilfigbAil. 


Pn^esse. und hyalb^.fkgiM^mtiQri, ' ßs r^viUiercn Sö hMologiWhe IliUUr, 
die der äetjiimlareu Sehhuupfniere analog iw .setzen sind. An den grosseren 
Gelassen sieht mim in Fm/cd rum Fällen V».vrdiidjünft(?.n, in einem Falle 
fanden wir <>me ^'i|;eniÄt;tjg^. wie tjT^sro^^H|^^ y -•'Z 

Es gelingt also durch du* omibipierte l-ru?K.V/.Wv Chrom-Adrenal in- 
Vergiftung ' nichl; nur mmte Sidiädurnngmi der Giomendi mit ganz 
.charakteristischen Veränderungen ho< \ or/mut>n, sondern auch chronische 
Nttrcrilnsionen zu setzen, vorausgesetzt dass «he Tiere lang«-. Zeit am 
Leben bleiben und ihnen so grosse Gilt dosen verabreicht werden körnten. 

Einer besonderen Erwähnung bedürfet* .noch die 'Veränderungen der 
kleinen Nien v narterien. Schon m^sabaeuren Stadium sieht man Degeneration?-’ 
ersoheinnngen, oho- sich/in erster Einir au den dastischnn Fasern ab- 

:.. „■ . ‘ ;.... AhiE <v., ; . 


Wm. 



Versur-h n! Jji{?r hnäueonbaU tss* vcc<d:i>ion)jtfi an seiner SEot?. hyaline Massetv Uß4 . 
k'-njarmts lii}eh-e»*ivvhr-; uO^rsliUi'U.v fäVKvüiohiOfh 

spielen: Streckung derselben.; teilweise mu-mger- imd nuerzernilh Tn 
späteren Siadirf: erschein i besonders die In» min. S.o stark verdickt.- dass 
stellenweise das Emden fast vollständig hddr. An nnzelhim Schrumpf¬ 
et ere/i sehen die Geiass wände wo myxomaios verdieki aus. Es beteiligen 
sieh also audi dh> lyhoRen Nir-VenerFisse am patheiocGchcn Prmvs*«-. 

VVTnn wir die eben besehrlebrncn Nie{a>uveruuderiin^en mit; den enl- 
spreidiejideu Stadion der ueineir und etiftmGeheii Glohnumiooephri«]:* des 
.Meusdien vnrgieiehne so ist ■sicherlich Parallele gcsüukU, Ehis 

beffiiU in erster Linie die Anfungssladieo des Processus, wo: me früher 
schon Löhlcri», neuerdings windet Vah r nes.hiMei! haben: uns Vgr- 
schwinden der 8(;idinrengn.ippicrung. ihr Plnmpwerden, die NUdmren- 
blahung. die relative Anämie (die wir aber-gleich Fahr als mehr etwas 
unbedingt Charakteristisches für das Anfangssiadium Sudlet;), dir Aus¬ 
bildung rrnes oft bäiOohhagisehen Ergusses in den Kapselrämii vmkprh ht 





ft-l -f. W icißi timl L. iTess, 

den Atiiangsstadiett der nwmssfcfelteü Nopliritis. Die degetierafiven V'er- 
dbvdeftthgfHi am lobularen Apparate linden wir hier wie dorr dam-Aen 
müoliten wir herrorheben, (lass, »lie in einzebmn' Fallen ganz coiosnalen 
Blutergüsse in die Kapseiräume mit <*OMM-cuti vct iföubgracjigster C'iim- 
pressäoii der Sehlmgcu und die Alfenbar dadurch bedingten Nekrosen ■ bei 
der mefist'iiliehßri <^|otrteruJobephritifs wohl nur ausnährtj*weise gcfimdim 
werden durften. Auch im zweite» Sipdiiir«, das beim Menseln;» durch 
die grosse Jiiteu&itäl der gxsudalheii Vorgänge, 2» denen mcIi. bereits 
l'iadiferatiMnsziistande gesellen, weiter darSHi Märkere Beteilig uni; der 
Kapseln am Entzüiidyngspronesse, sowie durch das Auftreten stärkerer 
int.! rhiilieller Vorgänge und dure.li ausgedehnte pimmohymat.örsß Vor- 

Abb 7. 


. vjte.e 


,-v % >%ik ' , v 4 #'' *« '•Ä*.* i 

wmmmMkl 




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Vcr^u.e)j I 5 r; "‘tot. Vs 4 ^*- HY.tj.itfc in 

' ‘ -y' £■’. v->'>.* ' ku^brirjZh! ^bUiks - 

•’ v /. t * >> : V A'f: : ,.7:^ 77 . ‘* ' ! 

andenmgen eluirakicnsiert ist, lassen sich bei mtsonm «nfKoimomoIIen 
XcphrdMk*n Analogie?» finden- Ah knier^hied' sei nrrch cinmai berVorgc- 
hohcij, dass steh bei der ext*cr.\n.icnt.{;]]?:n Nephritis* nur seHeu nusp^sprochcnc 
fi'HibiijoiHllnldnri^ auijimk-u hisst, s-aitlnn dnsr, Hmr Porim.m zustande- 
kommen, die sich der. wtraca-pillätvn GlomcmÜijs (Fahr) nähern "Piese 
Cih)i(*«’i uli .kh/incn juvrdhrkh. ..ebimso wie Mm. Mtmsch^n yer|UTf*sso?t er- 
&tIfe1neo mit! wirfimUm \7rldri.ynpok und bnFeil ; .vbopnnnnile 1ivaJnusieruug 

ebenso wm <p den ent s pna* Mulen .-$» ad um der niens7dirhea Nephritis/- 

Iti Nuckem Mmron wir über onrh mdu vnü.s’ \ rrddun*: der 

Glnmeruff mk {Jmw^n.clluu^ jj^r^ m hyaivnp,. Jvugcdir setmo. Im 

ictt.ten Stadium sahn» wir rbrisso an i-ei dm- ;:nrej.;-.v:h^n Islemerulo- 
nepiiri^: dns Mensolmu -.'äMr ; 
in uenh hblmrern Masse ais vorher;.; verödet, . bei den inehV...'vöiiig er- 


Co gle 




Ueber experimentellen Morbus Brightii. 


85 


ödeten starke Kapselverdickung ähnlich wie beim Menschen. Dagegen 
war es uns in unseren Fällen (Gefässverdickung) bis jetzt mit Ausnahme 
von einigen Tieren nicht möglich, mit Sicherheit eine sinnfällige Herz¬ 
hypertrophie nachzuweisen; allerdings gibt es kaum eine Methode, die 
einwandsfrei beim Kaninchen eine vorhandene Massenzunahme des Herzens 
festzustellen imstande ist. In einer zweiten Serie von Untersuchungen 
werden wir über die Resultate der Wägungsmethode des Herzens bei 
nierenkranken Hunden berichten. Es sei aber noch hervorgehoben, dass 
wir in einzelnen Fällen nicht nur Flüssigkeitsergüsse in Pleura- und 
Peritonealraum sahen, sondern auch Oedem des Unterhautzellgewebes an 
den hinteren Extremitäten. Die hierher gehörigen Fragen müssen einer 
späteren Mitteilung Vorbehalten bleiben, es soll nur erwähnt werden, dass 
die Infusion schwacher Säuren bei unseren nierenkranken Tieren zu 
Oedem, ja sogar Gesichtsödem, führte. 

Wir wollen nunmehr untersuchen, inwieweit die vorher mitgeteilten 
acuten Befunde sich mit dem klinischen Verhalten der Tiere in Ueber- 
einstimmung bringen lassen, möchten aber betonen, dass zum Studium 
der Klinik der Nierenerkrankungen das Kaninchen sicherlich nicht ein 
besonders geeignetes Tier darstellt. Besonders in den mehr subacuten 
und chronischen Stadien stehen die klinischen Befunde, wenigstens beim 
Kaninchen, bis jetzt nicht in klarem Abhängigkeitsverhältnisse vom 
anatomischen Verhalten. Hier liegt ein grosser Unterschied zwischen 
den klinischen und anatomischen Befunden insofern vor, als letztere sehr 
wohl im Gegensätze zu den ersteren Vergleichsmöglichkeiten mit der 
menschlichen Nephritis erlauben. Bloss in acuten Stadien entspricht der 
klinische Befund dem anatomischen. Bei der acut durchgeführten Ver¬ 
giftung, wo es sich um Tiere handelte, die nur wenige Injectionen von 
Uran und Adrenalin erhalten hatten, entsprachen Hämaturie, Oligurie, 
Ausscheidung oft sehr beträchtlicher Eiweissmengen, Cylinderbildung, 
kurz vor dem Tode auftretende Anurie, die manchmal 1—1 1 j 2 Tage an¬ 
hält, ferner Krampfzustände, die an urämische erinnern, Flüssigkeits¬ 
ergüsse in den Pleuren und im Abdomen, seröse Durchtränkung des 
Unterhautzellgewebes der hinteren Extremitäten, die wir in einigen Fällen 
sahen, durchaus dem Bilde der hämorrhagischen Glomerulonephritis. 
Anders verhalten sich die Tiere bei den subacuten und chronischen 
Formen. So fiel es vor allem auf, dass, trotzdem sich bei der mikro¬ 
skopischen Untersuchung die schweren Glomerulusveränderungen fanden, 
klinisch vor allem die Eiweissausscheidung modificierbar ist. Wird näm¬ 
lich ein derartiges Tier durch nochmalige Urandarreichung sehr stark 
albuminurisch, so genügen eventuell trotz weiterer Darreichung von Uran 
wenige Tropfen von Adrenalin, um nicht nur die Eiweissausscheidung 
herabzusetzen, sondern auch die Diurese zu heben und das Tier in seinem 
Allgemeinverhalten zu bessern. Bei der Nekropsie finden sich aber 
deutliche Glomerulusveränderungen, gelegentlich auch ein acuter Nach¬ 
schub der parenchymatösen Erkrankung. Wie diese Tatsache zu erklären 
ist, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Wir müssen aber annehmen, 
dass ebenso wie in manchen Formen menschlicher Glomerulonephritis 
des zweiten Stadiums nur eine feinere Analyse der Function die Nieren- 


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86 


J. Wiesel und L. Hess, 


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Schädigung aufdeckt und jede Eiweissausscheidung fehlen kann, auch hier 
durch die vicariierende, durch das Adrenalin zu erhöhter Tätigkeit ge¬ 
brachte Function der noch intacten Glomeruli die Schädigung ausgeglichen 
wird. Ebensowenig können wir es bis jetzt erklären, warum eine sinn¬ 
fällige Herzhypertrophie selbst bei weit fortgeschrittener Glomerulitis 
fehlt, obwohl auch derartiges beim Menschen beobachtet wird. Das 
Gleiche gilt von den Netzhautveränderungen. Während Oedeme in dem 
acuten Stadium bei der Uran-Adrenalin- weniger, bei der Chrom-Adrenalin- 
Intoxication des öfteren angetroffen werden, verlaufen die chronischen 
Formen ohne Oedeme sowohl bei gemischter gewöhnlicher Ernährung als 
auch bei Kochsalzzufuhr. Dagegen treten hier sofort Oedeme auf, auch 
Gesichtsödem, wenn man schwache Säurcnlösungen, z B. l j 10 Normal¬ 
salzsäure per os oder intravenös zuführt. Dieses Verhalten, das noch 
Gegenstand der Untersuchung bildet, scheint uns dafür zu sprechen, dass 
das Oedem nicht als directes Nierensymptora anzusprechen ist, sondern 
extrarenal bedingt ist, ein Standpunkt, den auch Volhard verteidigt. Von 
Wichtigkeit erscheint es uns aber, dass es möglich ist, durch Gift¬ 
wirkung, nicht durch Bakterienwirkung, die Glomeruli so zu schädigen, 
dass chronische Krankheitsbilder der Niere resultieren. 

Da es uns in dieser Mitteilung nur darum zu tun war darauf hin¬ 
zuweisen, dass es durch Combination von Uran bzw. Chrom und Adrenalin 
möglich ist, Nierenprocesse hervorzurufen, die anatomisch sich sehr wohl 
mit der Glomerulonephritis des Menschen vergleichen lassen und die durch 
eine sehr einfache Technik zur Entwicklung gebracht werden können, so 
müssen alle weiteren Fragen aus der Lehre der Nephritis, soweit sie 
einem experimentellen Studium zugänglich sind, der Zukunft überlassen 
bleiben. Immerhin glauben wir nunmehr wenigstens eine sichere Basis 
für dieses Studium gefunden zu haben. Es wird sich zeigen, inwieweit 
die Ergebnisse der Functionsprüfung, die bis jetzt in pathologisch- 
anatomischer Weise ungeeignet veränderten Nieren vorgenommen wurde, 
zu Recht bestehen. Denn wir dürfen nicht ausser acht lassen, dass 
bis jetzt die experimentell vorgenommenen Functionsprüfungen an Nieren 
erfolgte, deren glomerulärer Apparat gar nicht oder nur ausnahms¬ 
weise, und dann nur in geringem Umfange, erkrankt war. Abgesehen 
von diesen Fragen wird es notwendig sein, die Beziehungen der mensch¬ 
lichen Nephritis zum Adrenalinstoffwechsel bzw. zur pathologisch ver¬ 
änderten Nebennierenfunction zu studieren. 


Literaturverzeichnis. 

1. Baehr, lieber experimentelle Glomerulusnephritis. Zieglers Beitr. 1013. Bd. 55. 

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4. Derselbe, A further report on the production of experimental chronic nephritis 
in animals by tho administration of uranium nitrate. Ibidem. 1912. Vol. 9. 

5. Ellinger, Studien über das Cantharidin und Cantharidin-lmmunität. Arch. f. 
exp. Path. u. Pharm. 1001. Bd. 45. 


Gck igle 


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Ueber experimentellen Morbus Brightii. 


87 


6. Hess und Wiesel, Ueber die Wirkung von Adrenalin bei akuten experimentellen 
Nephropathien. Wiener klin. Woohenschr. 1913. Nr. 26. 

7. Löhlrin, Ueber die entzündlichen Veränderungen der Gloraeruli der menschlichen 
Nieren usw. Arbeiten aus d. pathol. Institut in Leipzig. 1906. 4. 

8. Ophüls, Experimental chronic nephritis. Journ. of theAmericanmed.association. 
1907. 48. 

9. Derselbe, Experimental nephritis in guinea-pigs by suboutaueous injeotions of 
chromates. Proc. of the soc. for exp. biology and med. 1911. 9. 

10. Derselbe, Experimental nephritis in rabbits by subcutaneous injections of 
chromates. Ibidem. 1911. 9. 

11. Schlayer und Takayasu, Untersuchungen über die Function kranker Nieren. 
Deutsches Arch. f. klin. Med. 1909. Bd. 98. 1910. Bd. 101. 

12. Schlayer, Dasselbe. B. Chron. vaskul. Nephritiden. Ebenda. 1911. Bd. 102. 

13. Schlayer und Hedinger, Experimentelle Studien über toxische Nephritis. 
Ebenda. 1907. Bd. 91. 

14. Suzuki, Zur Morphologie der Nierensecretion usw. Jena 1912. 

15. Takayasu, Ueber die Beziehungen zwischen anatomischen Glomerulusverande- 
rungen und Nierenfunctionen bei experimentellen Nephritiden. Deutsches Arch. 
f. klin. Med. 1907. Bd. 92. 

16. Volhard und Fahr, Die Brightsche Nierenkrankheit. Berlin 1914. 


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ix. 

Studie über die Chemie der Nierensteine 1 ). 

Von 

Max Kahn, M. D., Ch. D., New York, 

Director des Beth Israel Hospital, Chemisches Laboratorium. 


Durch die Untersuchung von 22 Nierensteinen kam Rowlands 2 ) 
zu folgenden Schlüssen: die Calculi bestehen fast ganz aus Calciumoxalat; 
Harnsäure fehlt fast immer oder kommt nur in ganz geringen Spuren 
vor; Phosphate sind in der Regel vorhanden. 

Mackarell, Moore und Thomas 3 ), die die Untersuchungen von 
Rowlands fortsetzten, fanden, dass die obigen Ergebnisse für den Calcium- 
Stoffwechsel bei Gicht- und verwandten Fällen zutreffend seien. Sie 
untersuchten 24 Steine und bestätigten Rowlands Beobachtungen. Auch 
empfahlen sie, die auf operativem oder sonstigem Wege erhaltenen 
Calculi immer zu analysieren und, wenn dieselben aus Calciumoxalat 
zusammengesetzt sich erweisen, den Patienten einer Behandlung mit 
Säuren und nicht einer Kur mit Alkalien, wie es sonst üblich war, zu 
unterwerfen. 

Ich habe eine Reihe von 16 Calculi untersucht, die von Patienten 
des Mount-Sinai- und anderer Hospitäler von New York-City herrührten. 
Die Patienten waren Emigranten aus allen Teilen Europas, hauptsächlich 
aus Russland und Oesterreich. Die Lebensgeschichte dieser Patienten 
liess das Vorhandensein von Gicht oder Gichtdiathese nicht vermuten. 
Sie waren alle Leute der ärmeren Volksschichten, die in den überfüllten 
Mietskasernen von New York lebten und keinesfalls einer genussreichen 
Lebensweise oder dem Gebrauche von Wein und Ale ergeben waren. 

Die von Rowlands und Moore erzielten Resultate sind ganz über¬ 
raschend. In jedem Lehrbuche ist zu finden, dass die aus Harnsäure 
oder deren Salzen bestehenden Nierensteine am häufigsten Vorkommen. 
Osler, Wood, Hammarsten, Halliburton, Wells, Allbutt usw. 
haben ja in verschiedenen Abhandlungen beständig behauptet, dass die 
Harnsäure und ihre Salze die häufigsten Bestandteile der Nierensteine 
seien. Die Chemie der Nephrolithen schien auch nach allen bis jetzt 
ausgeführten quantitativen Bestimmungen sichergestellt zu sein, und in 
der Tat bezweifelte ich die allgemeine Gültigkeit der von Mackarell, 

1) Aus dem Laboratorium für biologische Chemie der Columbia University, 
College of Physicians and Surgeons, New York. 

2) Rowlands, J. S., Biochem. Journ. 1908. Vol. 111. p. 346. 

3) Mackarell, W. W., Moore, B. und W. T. Thomas, Biochem. Journ. 
1910. Vol. V. p. 161. 


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Studie über die Chemie der Nierensteine. 


89 


Moore und Thomas gemachten Angaben, als ich das erste Mal von 
den Abhandlungen dieser Autoren Kenntnis nahm. 

Es ist von Interesse, sich die Ergebnisse der bisherigen Unter¬ 
suchungen zu vergegenwärtigen. In einer Reihe von 150 Fällen fand 
Brande 1 ), dass 16 Calculi ganz aus Harnsäure bestanden, während die 
restlichen Steine nur wenig davon enthielten. Fourcroy und Vauquelin 2 ) 
fanden Harnsäure bei einer grösseren Anzahl von 500, Pearson 3 ) fand 
diese Säure bei der Mehrzahl von 300 Steinen. Henry gibt an, dass 
158 von 187 Calculi einen Harnsäurekern enthielten. Bei 545 Steinen 
fand Utzmann 4 ), dass 80,9 pCt. einen Harnsäurekern enthielten, während 
5,6 pCt. aus Calciumoxalat bestanden. Jüngst wurden chemische Ana¬ 
lysen von Morris, Israel und Johnson 5 ) ausgeführt, wobei sich der 
Schluss ergab, dass die Harnsäure den überwiegenden Bestandteil ausmacht. 

Joung 6 ) sagt in Oslers „Modern Medicine“: „Die bis zur Neuzeit 
angewandten Verfahren zur quantitativen Analyse der Nierensteine waren 
so ungenau, dass sie zuweilen ganz irreführende Angaben lieferten“. 
Und weiter: „Die physikalischen Eigenschaften der Nierensteine sind sehr 
abweichend und in gewisser Hinsicht bezeichnend für deren Zusammen¬ 
setzung; sie dienten auch vielen eher als die chemische Analyse als 
Criterium hinsichtlich der Natur der Nierensteine.“ 

In der Serie von 16 Fällen, die ich untersucht habe, konnten keine 
Schlüsse aus dem Aussehen und aus der Consistenz der Steine auf deren 
chemische Zusammensetzung gezogen werden. Einige, die ganz weich 
und leicht zerreibbar waren, bestanden fast ganz aus Calciumoxalat. 
Andere wieder, die weiss, irregulär und ausserordentlich hart waren, 
zeigten einen hohen Procentgehalt an Harnsäure. Die charakteristischen 
„Maulbeersteine“, Korallensteine und „jack-stone“ wurden in dieser Serie 
nicht mitgenommen. 

Nach Rowlands haben die Grössenverhältnisse und der Bildungs- 
process der Steine mehr zu tun mit der Härte oder Weichheit der Calculi, 
als mit deren chemischen Zusammensetzung. 

Die Analysenmethoden. 

Die folgenden Analysenmethoden sind mit denjenigen von Mackarell, 
Moore und Thomas fast identisch. 

a) Die physikalischen Eigenschaften: Grösse, Form, Farbe und 
Dichte der Steine wurden notiert. Die Bestimmung der Härte oder 
Weichheit der Steine geschah einfach durch Zerquetschen, indem die zum 
Zerbrechen des Steines angewendete Kraft in Betracht gezogen wurde. 

b) Die Murexidreaction auf Harnsäure wurde bei jedem Steine aus¬ 
geführt und sie fiel auch in allen Fällen positiv aus. 


1) Brande, Hooper’s Med. Dict. 1820. 

2) Fourcroy und Vauquelin, Ann. d. chem. 1805. T. LVI. p. 258. 

3) Pearson, Tr. Roy. Philosoph. Soc. 1798. Vol. XV. p. 59. 

4) Ultzmann, citiert nach Hammarsten’s Physiol. Chem. 1908. 

5) Johnson, New York med. journ. 1905. Vol. LXXXVII. p. 209. 

6) Joung, Osler’s Modern Medicine. 1908. Vol. VI. p. 316. 


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DO Max Kahn, 

c) Die chemische Zusammensetzung: der fein gepulverte Calculus 
wurde in einem trockenen Fläschchen (dessen Gewicht vorher bestimmt 
war) sorgfältig gewogen, alsdann in einem Ofen ca. 2 Stunden getrocknet 
und nachher wieder gewogen; der Gewichtsverlust wurde als Feuchtigkeit 
berechnet. 

Quantitative Bestimmung der Harnsäure. 

Eine der Quantität des verwendeten Steines entsprechende Menge 
wurde genau gewogen, in eine Porzellanschale gegeben, mit Chlorwasser¬ 
stoffsäure (1,4) behandelt und so lange, bis noch etwas in Lösung ging, 
im Dampfbade erhitzt. Das Ganze wurde alsdann durch einen Gooch- 
tiegel filtriert, der Niederschlag gut gewaschen und bis zur Gewichts- 
constanz 1-2 Stunden bei 100° C getrocknet; dieses Gewicht wurde 
festgestellt. Nun wurde der Inhalt des Goochtiegels zunächst mit conc. 
H 2 S0 4 behandelt und nach Verdünnen der Säure mit n/20 Kalium¬ 
permanganatlösung titriert. 1 ccm dieser Permanganatlösung entspricht 
0,0075 g Harnsäure. Um genaue Resultate zu erzielen, wurde die an¬ 
gewendete Schwefelsäure, mit H 2 0 verdünnt, für sich einer Controll- 
titration unterworfen und die dabei verbrauchte Menge Permanganat von 
der vorigen Titration in Abzug gebracht. 

Quantitative Bestimmung des Calciumoxalats. 

Das nach der Behandlung des Calculus mit Salzsäure erhaltene 
Filtrat wurde zunächst mit dem Waschwasser des Rückstandes vereinigt 
und mit Ammoniurachlorid und Aramoniumhydroxyd im Ueberschusse 
versetzt. Der entstandene Niederschlag wurde filtriert und sorgfältig 
gewaschen bis zum Verschwinden der Chlorreaction (durch Silbernitrat). 
Das Filtrat und Waschwasser wurden nun zum Sieden erhitzt und so lange 
mit oxalsaurem Ammon versetzt, als noch eine Fällung stattfand. Der 
Niederschlag blieb 24 Stunden lang stehen, bis er sich vollständig ab¬ 
setzte. Die Flüssigkeit wurde alsdann abfiltriert und der Niederschlag 
gut gewaschen, so dass er frei von Chloriden war, die sonst bei der 
Permanganattitration störend sein könnten. Der Niederschlag wurde zu¬ 
nächst mit wenig heissem Wasser, alsdann mit lOproc. Schwefelsäure 
und dann wiederum mit heissem Wasser vom Filter in ein Becherglas 
gespült. Das Ganze wurde nun gemischt, abgekühlt und auf 1000 ccm 
gebracht. Davon wurden 50 ccm abpipettiert und bei einer Temperatur 
von 65° C mit n/20 Kaliumpermanganatlösung titriert. 1 ccm dieser 
Lösung entspricht 0,0019 mg Calcium oder 0,00608 rag Calciumoxalat. 

Quantitative Bestimmung des Gesamtstickstoffes. 

Eine andere Portion des Steines wurde gewogen, in einen Kjeldahl- 
kolben gegeben und der Gesaratstickstoff nach Kjeldahl bestimmt. 

Quantitative Bestimmung der Phosphate. 

Die Phosphate wurden als Phosphorpentoxyd berechnet nach der 
folgenden Methode: Eine gewogene Menge des gepulverten Steines wurde 
in einen Kjeldahlkolben und mit 20 ccm eines Gemisches von gleichen 
Teilen conc. Schwefelsäure und conc. Salpetersäure versetzt. Der 


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Studie über die Chemie der Nierensteine. 


91 


Kjeldahlkolben mit Inhalt wurde dann bis zur Entfärbung erhitzt, was 
gewöhnlich 35 Minuten in Anspruch nahm. Es wurden nun 5 Tropfen 
rauchender Salpetersäure zugesetzt und wieder bis zur Entfärbung erhitzt. 
Der Inhalt des Kolbens wurde alsdann abgekühlt und mit Wasser ver¬ 
dünnt. Das Ganze wurde zunächst mit Ammoniumhydroxyd neutralisiert 
und dann wieder mit conc. Salpetersäure angesäuert. Das Gemisch 
wurde alsdann in ein Becherglas gegeben und mit 50 ccm 60 proc. 
Ammoniumnitrat- und 25 ccm 10proc. Ammoniummolybdatlösung ver¬ 
setzt. Nach 12—24 ständigem Stehenlassen bei 60° C wurde filtriert. 
Der Niederschlag wurde mit Ammoniumhydroxyd gelöst, dann 10 ccm 
conc. Salzsäure zur Lösung gegeben und das Ganze mit 25 ccm Magnesia¬ 
mixtur versetzt. Nach einer Pause von 15 Minuten wurde Ammonium¬ 
hydroxyd im Ueberschuss zugegeben und das Gemisch alsdann 24 Stunden 
stehen gelassen. Der abgesetzte Niederschlag wurde in einem gewogenen 
Goochtiegel filtriert, geglüht und aus dem Gewichte des Magnesiurapyro- 
phosphats dasjenige des Phosphorpentoxyds berechnet. 

Die Mehrzahl der untersuchten Steine war hauptsächlich aus 
Calciumoxalat zusammengesetzt. Der Procentgehalt an Calciumoxalat 
schwankt zwischen 29,5 und 94,7 pCt. Die physikalische Beschaffenheit 
und die Dichte eines Steines waren nicht bezeichnend für seine chemische 
Constitution. Der eine mit 94,7 pCt. Calciuraoxalat war ein Ureter¬ 
stein, braun in Farbe, sehr unregulär in Gestalt, sehr weich und brüchig. 
Der Stein mit 29,5 pCt. Calciumoxalat war sehr hart, dunkelbraun in 
Farbe, spheroidal, mit vielen unregulären Vorsprüngen, der einzige Stein, 
der als „Maulbeerstein“ bezeichnet werden kann, und enthielt 7,46 pCt. 
Harnsäure und 56,2 pCt. Phosphorpentoxyd. 

Alle Steine zeigten die Murexidreaction, so dass die Harnsäure oder 
deren Salze in jedem Falle zugegen waren. Die von Rowlands und 
später von Mackarell, Moore und Thomas aufgestellte Behauptung, 
dass die Harnsäure in der Regel in urinären Calculi nicht vorkommt, 
muss also raodificiert werden. Wenn sie (die Harnsäure) auch gewöhn¬ 
lich in nur sehr geringen Mengen sich vorfindet, muss doch ihre An¬ 
wesenheit anerkannt werden. Die gefundenen Mengen Harnsäure 
schwanken zwischen 40,6 und 0,2 pCt. Nichtsdestoweniger sind die 
gewöhnlich sich vorfindenden Mengen Harnsäure sehr gering im Vergleich 
zum Calciumoxalat. Der urinäre Calculus, der so genau in den Lehr¬ 
büchern beschrieben wird, ist eine ganz seltene Erscheinung im quanti¬ 
tativen Laboratorium. Die als Harnsäure berechnete Gesamtstickstoff- 
bestimraung übertraf selten die Menge Harnsäure, die nach der von 
Moore angewendeten Methode gefunden war. 

Phosphate wurden in fast allen Calculi gefunden und in einigen 
Steinen war der Procentgehalt an Phosphaten sehr hoch. Carbonate 
wurden nicht gefunden. Das stimmt gut mit Rowlands überein, der 
Phosphate in Spuren in fast allen Steinen vorgefunden hat, Carbonate 
aber nur in 2 von 22 Fällen. 

Eine der von Mackare II, Mo ore und Thomas aus der Tatsache, 
dass sie keine Harnsäure in den Nierensteinen vorfanden, abgeleiteten 
Folgerungen ist, dass Gicht eine Krankheit ist, die im Mangel des 


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Max Kahn, 


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Calciumstoffwechsels ihre Ursache hat, und dass eher dieser Mangel, als 
die Störung in der Harnsäureausscheidung behandelt werden muss. 

Diese Annahme ist nicht berechtigt. Die Nierensteine sind nicht 
immer, selbst nicht in der Regel, durch Gicht verursacht. Die Tatsache, 
dass Gichtkranke mitunter auch an Blasengries leiden, kann nicht als 
Beweis dafür dienen, dass eine Störung in der Harnsäureausscheidung 
auch mit Podagra in causalem Zusammenhänge steht. 

Sir William Roberts 1 ) meint, dass die Annahme, Gichtkranke 
leiden beständig an Calculuskrankheiten, und dass die Patienten, die an 
Nephrolithiasis leiden, auch mit Gicht behaftet seien, eine irrige ist. In 
manchen Gegenden Indiens sind Blasengries im Urin und Nierensteine 
ganz häufige Leiden, Gicht oder Gichtdiathesis aber sind unbekannt. In 
Norfolk 2 ) sind Calculuskrankheiten sehr häufig, während Podagra selten 
vorkommt. Ein Gegenstück bilden andere Teile Englands. Wie Fagge 3 ) 
behauptet, sind dort gewisse Gegenden vorhanden, in welchen Reisende 
(nicht Gichtkranke) Lithiasis bekommen und nur beim Verlassen der 
Gegend geheilt werden. 

Einzelheiten über die Analysen der 16 Calculi. 

Die beigefügten Tabellen enthalten die gewonnenen Resultate. Eine 
kurze Geschichte (soweit erhältlich war) eines jeden Patienten und eine 
makroskopische Beschreibung eines jeden Steines sind ebenfalls beigegeben. 

Calculus 1 . Kurze Beschreibung: Der Stein bestand aus zwoi Teilen. Ein 
jeder Teil war unregulär semilunar, sehr hart, weiss und glatt. Der Stein wog 12,0466 g. 

Chemische Untersuchung: In 0,942g des gepulverten Steines waren 0,3532g 
Calciumoxalat oder 37,4 pCt. und 0,034 g Harnsäure oder 3,59 pCt. Er enthielt 
51,59pCt. Phosphorpentoxyd. 0,7569 g des Steines ergaben 0,3898g Phosphorpentoxyd. 

Calculus 2 . Geschichte: Pat. C. J. vom Mount-Sinai-Hospital. Der Stein 
wurde mir von Dr. Morris H. Kahn geliefert. Ein Ureterstein. Die Pat. hatte 
charakteristische Nierenkoliken und wurde durch Dr. Brettauer operiert. Sie war 
eine geborene Russin. 

Kurze Beschreibung: Kleiner irregulärer Stein, sehr brüchig und weich, 
braun in Farbe. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 0,5114 g, davon waren 0,0210 g 
Feuchtigkeit, so dass der getrocknete Stein 0,4904 g wog. Die Feuchtigkeit machte 
4,1 pCt. aus. Von 0,1399 g des Steines wurden 0,13254 g oder 94,7 pCt. Calcium¬ 
oxalat erhalten, und 0,003075 g Harnsäure oder 2,1 pCt. Der Betrag an Phosphor¬ 
pentoxyd von 0,1174 g war 0,0061 g oder 5,3 pCt. 

Calculus 3 . Geschichte: Der Stein wurde mir von Dr. M. H. Kahn gegeben. 
Der Pat. war in Mount-Sinai-Hospital, litt an Schmerz- und Hämaturieanfällen. 
Keine Gichtanamnese. Der Stein wurde durch Nephrotomie herausgeschnitten. 

Kurze Beschreibung: Sehr harter Stein mit spitzen Vorsprüngen. Er war 
dunkelbraun in Farbe und unregelmässig spheroidal. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 13,982 g, in getrocknetem Zu¬ 
stande 13,6805 g, die Feuchtigkeit betrug also 2,1 pCt. Betrag an Calciumoxalat von 

1) Roberts, Allbutt’s System of Medioine. 

2) Jalloly, Tr. Roy. Philosoph. Soc. 1839. Vol. LXXXIX. p. 149. 

3) Fagge, citiert nach Oslers Modern Medicine. 


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Studie über die Chemie der Nierensteine. 


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1,015 g war 0,2888 g oder 29,5 pCt. Von derselben Menge des Steines wurden 
0,07575 g Harnsäure oder 7,46 pCt. erhalten. Die Phosphate überwogen die anderen 
Bestandteile: 1,3971 g des Steines ergaben 0,78212 g Phosphorpentoxyd oder 56,2pCt. 

Calculus 4. Klinisohe Geschichte unbekannt. Pat. L. M., Israelit von der 
ärmeren Bevölkerung, wanderte nach den Vereinigten Staaten aus. Der Stein wurde 
mir von Dr. M. H. Kahn gegeben. 

Kurze Beschreibung: Der Stein war dreieckig in Gestalt, glatt, hart, grau 
in Farbe und von regelmässiger Form. 

Chemische Untersuchung: Getrocknet wog der Stein 0,5940 g. Gewichts¬ 
verlust beim Trocknen 0,0069 g = 1,08 pCt. Feuchtigkeit. In 0,2340 g des Steines 
wurden 63,4 pCt. Calciumoxalat und 40,06 pCt. Harnsäure gefunden, ln 0,1256 g 
des Steines waren 7,3 pCt. Phosphorpentoxyd. 

Calculus 5. Geschichte: Pat. A. S., männlich, vom Mount-Sinai-Hospital. 
Lange Gesohiohte von Sohmerzen, Hämaturie, Pyurie und endlich Sepsis. Am Pat. 
wurde Nephrektomie vorgenommen. Der Stein wurde mir von Dr. M. H. Kahn ge¬ 
geben. 

Kurze Beschreibung: Der Stein war in mehrere Teile zerbrochen. Er war 
glatt mit unregelmässigen Facetten, weisslich-gelb in Farbe und sehr hart. 

Chemische Untersuchung: Der getrocknete Stein wog 14,9483 g, Gewichts¬ 
verlust beim Trocknen 0,0477 g = 0,23 pCt. Feuchtigkeit. Der Stein war fast ganz 
aus Calciumoxalat zusammengesetzt: 94,1 pCt. Harnsäure war 0,2pCt. und Phosphor¬ 
pentoxyd 6,1 pCt. 

Calculus 6. Geschichte: Der Stein war aus der vorderen Niere desselben 
Pat. A. S. (5). Es wurde Nephrotomie ausgeführt. 

Kurze Beschreibung: Der Stein war sehr klein, glatt, fest und gelblich- 
weiss in Farbe. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 2,4505 g. Die Feuchtigkeit betrug 

3.2 pCt. Es ist von Interesse zu bemerken, dass dieser Stein, herrührend vom selben 
Pat. wie Calculus 5, 72,3 pCt. Calciumoxalat und 23,6 pCt. Harnsäure enthielt. Es 
ist eine bemerkenswerte Erscheinung, wenn eine diathetische Störung in ursächlichem 
Zusammenhang mit Nierensteinen stehen sollte. Die Menge Phosphorpentoxyd betrug 

4.3 pCt. 

Calculus 7. Eine Krankheitsgeschichte des Pat. war nicht vorhanden. 

Kurze Beschreibung: Der Stein war glatt, rund und hart. Er war flach 
und gelb. 

Chemische Untersuchung: Getrocknet wog der Stein 6,0971g. Die Feuchtig¬ 
keit betrug 1,3 pCt. In 0,4163 g des Steines war 0,385 g Calciumoxalat oder 90,5 pCt. 
und 0,374 g Harnsäure oder 9,01 pCt. Der Phosphorpentoxydbetrag war 0,5 pCt. 

Calculus 8. Keine Krankheitsgeschichte des Pat. 

Kurze Beschreibung: Glatter, weisser und harter Stein. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 4,0349 g. Feuchtigkeit war 
0,04 pCt. In 0,5914 g des Steines war 91,7 pCt. Calciumoxalat und 1,01 pCt. Harn¬ 
säure. Phosphorpentoxyd war 6,4 pCt. 

Calculus 9. Der Stein wurde mir von Dr. J. Rosenbloom gegeben. Keine 
Geschichte des Pat. 

Kurze Beschreibung: Ein sehr harter und unregelmässiger Stein. War 
gelblich-weiss in Farbe. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 5,7725 g. Die Feuchtigkeit 
betrug 0,1324 g oder 0,02 pCt. 0,9133 g des Steines lieferten 0,86023 g Calciumoxalat 


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M a x Kahn, 


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oder 94,2 pCt. und 0,0164 g oder 1,8 pCt. Harnsäure. Von 0,2784 g des Steines wurde 
0,01281 g Phosphorpentoxyd oder 4,6 pCt. erhalten. 

Calculus 10. Pat. S. S. vom Mount-Sinai-Hospital. Der Stein wurde mir von 
Dr. M. H. Kahn geliefert. 

Kurze Beschreibung: Grosser, weisser Stein. Er war sehr hart, so dass er 
mit einem Stössel zerbrochen werden musste. Er war sehr rauh und sehr unregel¬ 
mässig. Bestand aus drei Stücken. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 2,8904 g. Er enthielt 81,6 pCt. 
Calciumoxalat, 9,3 pCt. Harnsäure und 9,5 pCt. Phosphorpentoxyd. 

Calculus 11 . Keine Krankheitsgeschichte des Pat. 

Kurze Beschreibung: Grosser, weisser Stein. War sehr hart, musste mit 
einem Stössel zerbrochen werden. Er war sehr rauh und sehr unregelmässig und be¬ 
stand aus drei Stücken. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 15,9125 g. Aus 0,3136 g des 
Steines wurde 0,2314 g oder 73,8 pCt. Calciumoxalat und 0,0235 g oder 7,5 pCt. Harn¬ 
säure erhalten. Phosphorpentoxyd wurde 20,1 pCt. gefunden, d. h. 0,4182 g des 
Steines gaben 0,08405 g Pentoxyd. 

Calculus 12. Krankheitsgeschichte: Pat. war im Mount-Sinai-Hospital; 
war ein New Yorker Immigrant. Geschichte von Nierensteinsymptomen. Der Stein 
wurde mir von Dr. M. H. Kahn gegeben. 

Kurze Beschreibung: Der Stein war braun, hell, weich, glatt, gleichmässig 
und oval in Gestalt. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 0,9329 g. Die Feuchtigkeit be¬ 
trug 0,0041 g. 0,2179 g des Steines lieferten 0,17919 g Calciumoxalat = 80,4 pCt. 
und 0,0224 g Harnsäure = 10,3 pCt. 0,1745 g des Steines gaben 0,01137 g Phosphor¬ 
pentoxyd = 6,5 pCt. 

Calculus 13. Krankheitsgeschichte: Ureteraler Stein, der mir von 
Dr. M. H. Kahn gegeben wurde. Wurde durch Nephrotomie herausgenommen. 

Kurze Beschreibung: Der Stein lag in drei kleinen Stücken vor. Ein glatter, 
dunkler, runder Calculus, von ausserordentlicher Härte. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 0,1612 g und bestand aus 91,3pCt. 
Calciumoxalat, 2,46 pCt. Harnsäure und 5,23 pCt. Phosphorpentoxyd. 

Calculus 14. Keine Krankheitsgeschichte des Pat. Der Stein wurde mir von 
Dr. M. H. Kahn gegeben. 

Kurze Beschreibung: Der ganze Stein war rund, unregelmässig, mit spitzigen 
Vorsprüngen, von der Grösse einer Walnuss. Das untersuchte Stück war weiss wie 
Kalk, eher brüchig, obwohl in den Flächen fest und sehr unregelmässig. 

Chemische Untersuchung: Der ganze Stein wurde nicht gewogen. Das 
analysierte Stück wog 1,6064 g, wovon 0,0016 g Feuchtigkeit war. Von 0,2467 g des 
gepulverten Steines war 0,17318 g Calciumoxalat oder 70,2 pCt. und 0,0298 g oder 
12,1 pCt. Harnsäure. Phosphorpentoxyd war in der Menge von 16,9 pCt. vorhanden. 

Calculus 15. Krankheitsgeschichte: Aus der Niere post mortem von 
Dr. J. Rosenbloom herausgenommen. Keine klinische Geschichte des Pat. 

Kurze Beschreibung: Der Calculus war dunkelbraun, in mehrere Stücke zer¬ 
brochen und wie die Pelvis der Niere gestaltet. War sehr hart und zackig. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 12,3471 g, davon 0,3 pCt. 
Feuchtigkeit. Das untersuchte Stück gab 90,37 pCt. Calciumoxalat, 3,4 pCt. Harn¬ 
säure und 6,21 pCt. Phosphorpentoxyd. 


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Studie über die Chemie der Nierensteine. 


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Calculus 16. Keine Krankheitsgeschichte des Pat. Der Stein wurde mir von 
Dr. Rosenbloom gegeben. 

Kurze Beschreibung: Grau-weisser, brüchiger Stein, rund mit einigen Vor¬ 
sprüngen. Er zerbröckelte sehr leioht beim leisesten Druck. 

Chemische Untersuchung: Der Stein wog 9,7621 g. Die Feuchtigkeit botrug 
3,1 pCt. 0,2317 g des Steines lieferten 0,2114 g Calciumoxalat = 91,3 pCt. Der 
Betrag an Harnsäure von derselben Menge des Steines war 0,0156 g oder 7,2 pCt. 
Phosphorpentoxyd war 2,1 pCt. 


Procenttabelle der Bestandteile der Calculi. 


Nummer 

Gewicht 

Feuchtig¬ 
keitin pCt. 

Ca-Oxalat 

in pCt. 

P-Pentoxyd 
in pCt. 

Harnsäure 

in pCt. 

Gesamt¬ 
stickstoff 
in pCt. 

1 

12,0446 

6,11 

37,4 

51,59 

3,59 

0,91 

2 

0,5114 

4,1 

94,7 

5,3 

2,1 

1,2 

3 

13,982 

2,1 

29,5 

56,2 

7,46 

4,2 

4 

0,6009 

1,08 

63,4 

7,3 

40,06 

27,3 

5 

14,998 

0,23 

94,1 

6,1 

0,2 

1,3 

6 

2,4505 

3,2 

72,3 

4,3 

23,6 

12,9 

7 

6,175 

1,3 | 

90,5 

9,01 

0,5 

4,21 

S 

4,0349 

0,04 

91,7 

6,4 

1,01 

0,76 

9 

5,7725 

0,02 

94,2 

4,6 

1,8 

1,02 

10 

2,8904 

0,15 

81,6 

9,5 

9,3 

3,72 

11 

15,9125 

0,4 

73,8 

20,1 

7,5 

3,1 

12 

0,9329 

0,43 

80,4 

6,5 

10,3 

4,62 

13 

0,1612 

0,05 

91,3 

5,23 

2,46 

1,09 

14 

1,6064 

0,099 I 

70,2 

16,9 

12,1 

4,3 

15 

12,3471 

0,3 

90,37 

6,21 

3,4 

i 2,58 

16 

9,7621 

3,1 | 

91,3 

2,1 

7,2 

! 5,81 


In ihren Abhandlungen behaupten Mackarell, Moore und Thomas, 
dass Gichttophi wohl fast ganz aus Calciumoxalat bestehen, im Gegen¬ 
satz zu der vorherrschenden Meinung, dieselben seien aus Salzen der 
Harnsäure zusammengesetzt. Sie besassen kein Tatsachenmaterial und 
ihre Behauptung war eine rein hypothetische. Ich war in der Lage, die 
Zusammensetzung von drei Tophi zu erforschen — zwei aus dem Ohr¬ 
läppchen und eins aus einer gichtischen Ablagerung in einem Gelenke. 
Diese Concretionen*lagen allerdings in solchen kleinen Mengen vor, dass 
eine quantitative Untersuchung nicht vorgenommen werden konnte. Ich 
führte deshalb nur die Murexidreaction aus, und sie lieferte in allen 
diesen drei Fällen ein negatives Ergebnis. H. Matthes und 
E. Ackerman 1 ) untersuchten später eine sehr grosse gichtische Con- 
cretion und fanden, dass sie 46,7 pCt. Feuchtigkeit und 41,7 pCt. Trocken¬ 
substanz enthielt und dass in letzterer 76,72 pCt. harnsaures Natrium 
war. Diese Untersuchung stimmt ganz mit den Beobachtungen von 
Wollaston überein, der als erster festgestellt hat, dass gichtische Tophi 
meistens aus Natrium- und Aramoniumbiurat zusammengesetzt sind und 
nicht aus Calciumcarbonat, wie man damals allgemein glaubte. ’ 


1) H. Matthes und F. Ackerman, Chemisches Centralbl. 1909. Bd. 80. 
S. 1496. 


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9G 


Max Kahn, 


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Schlussfolgerungen. 

1. Die grosse Mehrzahl der Nierensteine besteht aus Calciumoxalat; 
zuweilen ist dieses Calciumsalz der alleinige Component des Steines. 

2. Harnsäure und ihre Salze werden in kleinen Mengen in allen 
Nierensteinen gefunden; es ist aber eine Seltenheit, einen Stein zu finden, 
der hauptsächlich aus Harnsäure oder Uraten bestehen soll. 

3. Gestalt, Farbe, Dichte usw. eines Steines bilden kein Kriterium 
hinsichtlich seiner chemischen Zusammensetzung. 

4. Gichtische Tophi sind nicht immer aus Harnsäure oder deren 
Salzen zusammengesetzt. Die Murexidreaction mit den drei untersuchten 
Concretionen fiel beständig negativ aus. 

Diese Untersuchungen wurden im Laboratorium des Herrn Prof. 
William J. Gies ausgeführt, dem ich meinen aufrichtigen Dank für seine 
freundliche Hilfe und Ratschläge ausspreche. Auch bin ich den Herren 
DDr. Jacob Rosenbloom und Morris H. Kahn sehr verpflichtet, die 
mir freundlichst das Material für die chemischen Versuche verschafften. 

Vorschläge für die Behandlung der Nephrolithiasis. 

Es ist vielfach üblich, alkalische Lösungen für die Behandlung der 
mit Steinkrankheit behafteten Patienten zu empfehlen. Wegen ihrer 
vermeintlichen wundervoll lösenden Wirkung auf Nierenconcretionen waren 
die Lithiurasalze in hohem Ansehen. Whytc und Deften betrachteten 
die alkalischen Flüssigkeiten als wahre Lösungsmittel der Nierensteine. 
Hoffmann, Springsfield, Aiston, Leger u. a. empfahlen alkalische 
Behandlung für Nephrolithiasis. Morgagni, der an Blasengries gelitten 
hat, wandte als Heilmittel eine halbe Drachme Kaliumcarbonat an. „Die 
Säure in seinem Urin wurde neutralisiert, die Schmerzen in den Lenden 
Hessen nach, sein Urin war weniger beschwert und zuletzt wurde darin 
Pottasche im Ueberschusse gefunden. a Aus Pepys Tagebuche entnehmen 
wir folgende Procedur der Behandlung der Steine: „Und in der Saison 
werden wir nach Tunbridge Wells gehen, um das Wasser zu trinken und 
von unserem Blasengriesleiden ganz los zu werdej/, dessen Ende wir 
durch Einnahmen kleiner Dosen Terpentins herbeigeführt haben. u Noch 
heutzutage ist es üblich, dass ein jeder, der es sich leisten kann, nach 
Bade- und Trinkwaserkurorten geht, um die alkalischen Wässer gegen 
Gicht und Blasengries einzunehmen. Wir betrachten es als absurd, sich 
vorzustellen, dass die Mengen Alkalimetall, die die Niere im Urin aus¬ 
scheidet, ausreichend wären, um auch nur eine theoretische Lösung der 
Steinconcretionen auszuüben. 

Die Tatsache, dass, wie gezeigt wurde, die Mehrzahl der Nierensteine 
aus unlöslichen Calciurasalzen und nicht aus Harnsäure oder deren Salzen 
zusammengesetzt sind, muss uns notgedrungen die Notwendigkeit einer 
Aenderung in der Therapie der Nierensteine nahe bringen. Die thera¬ 
peutischen Massregeln für die Behandlung unlöslicher Calciumsalz- 
concretionen sind vollständig verschieden von denjenigen, die für Harn¬ 
säure angewendet werden. Die gebräuchliche antacide Behandlung ist 


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Studie über die Chemie der Nierensteine. 


97 


der angezeigten gerade entgegengesetzt, denn während Harnsäure und 
ihre sauren Salze in alkalischen Medien löslich und in sauren unlöslich 
sind, verhalten sich Calciumoxalat und -phoshat genau umgekehrt, indem 
sie sich in einem alkalischen Mittel ausscheiden und in einem sauren in 
Lösung gehen. 

Ich bin deshalb zum Schluss gekommen, dass alle durch Operation 
oder sonstwie erhaltenen Calculi einer Analyse unterworfen werden müssen 
und dass, wenn sie sich aus Calciumsalzen zusammengesetzt erweisen, 
keine antacide Behandlung zur Anwendung kommen sollte, die nur 
geeignet wäre, ein schnelleres Wachstum oder die Möglichkeit dazu herbei¬ 
zuführen; cs ist vielmehr angezeigt, in solchem Falle es mit einer Säure- 
Kur zu versuchen. 


Zeitschrift f. oxp. Pathologie u. Therapie. 17. lld. 


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X. 

Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena. 

Ueber den Einfluss von Chloriden 
auf die Resorption von Sulfatlösungen im Dünndarm. 

Von 

H. Kionka. 

Ueber die Resorption von Salzlösungen im Dünndarm sind unter 
meiner Leitung im hiesigen Institut seit Jahren eine Reihe von Unter¬ 
suchungen angestellt worden. Zunächst stellte ich (1) gemeinsam mit 
Kolb (2) an isotonischen Lösungen fest, wie sich bei einem Gemisch 
verschiedener Salze die einzelnen Ionen in ihrer Resorbierbarkeit beein¬ 
flussen. Ausserdem wurden von Frey (3) Versuche über die Resorption 
von verschiedenen Salzlösungen und von Zuckerlösungen angestcllt. 
Bolgar (4) untersuchte die Resorption der Bromide, Lindig(5) die der 
Ca-Salze. Die weiteren Untersuchungen beschäftigten sich mit der Frage 
nach der schnelleren oder langsameren Resorption von Sulfatlösungen, 
und zwar untersuchte Weise (6) die Verhältnisse der Resorption von 
hypertonischen Natrium- und Magnesiumsulfatlösungen bestimmter Con- 
centration und von Gemischen beider Salze, Co bet (7) die Bittersalz¬ 
resorption bei steigender Concentration. 

Bei letzterer Untersuchungsreihe wurden auch Lösungen geprüft, 
denen eine kleine Menge Kochsalz zugesetzt war. Auch Weise hatte 
schon einige derartige Versuche angestellt und dabei zeigte sich, dass 
sowohl die Vorgänge der Resorption wie vor allen Dingen das Verhalten 
der Darmschleimhaut eine wesentliche Beeinflussung durch den Gehalt 
auch nur verhältnismässig geringer Kochsalzmengen erleiden. 

Diese Frage ist aber von grosser praktischer Bedeutung, führen wir 
doch therapeutisch fast immer Salzgemische, niemals reine Sulfate als 
Abführmittel dem Körper zu. Nur selten gibt man unvermischtes Bitter¬ 
salz oder Glaubersalz. Meist verwendet man das alkalische Glaubersalz- 
Kochsalzgemisch, welches als künstliches Karlsbader Salz (Sal Carolinum 
facticium) officinell ist, oder man lässt Bitterwasser trinken. 

Die Bitterwässer enthalten aber alle mehr oder weniger grosse 
Mengen von Kochsalz. Es schien mir daher wünschenswert, noch einmal 
genauer die Frage zu untersuchen, wie sich denn die Resorption von 
Sulfatlösungen im Dünndarm bei Anwesenheit von verschiedengrossen 
Kochsalzmengen gestaltet. 

Die Versuchsanordnung bei diesen Versuchen war dieselbe, wie die 
in früheren aus dem Institut hervorgegangenen Arbeiten angewandte: 

Hunden mittlerer Grösse, welche vor dem Versuch mindestens 
24 Stunden gehungert hatten, wurde in Morphium-Aethernarkose die 


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Ueber d.Einfluss von Chloriden aufd. Resorption von Sulfatlösungen im Dünndarm. 99 

Bauchhöhle in der Linea alba eröffnet und der Dünndarm hervorgehoben. 
Zwei möglichst gleich lange Darmschlingen wurden isoliert abgebunden 
und in jede 50 ccm der auf ihre Resorption zu prüfenden Flüssigkeit auf 
Körpertemperatur erwärmt eingelassen. Danach wurde der Darm re- 
poniert und die Wunden durch Nähte geschlossen. Nach x / 2 Stunde, 
während welcher der Hund in Aethernarkose ruhig gehalten wurde, 
wurde das Tier durch Inhalation hochconcentrierter Chloroformdämpfe 
getötet, die Bauchhöhle wieder eröffnet und der Darm vom Mesenterium 
wieder abgetrennt. Die isolierten Darmschlingen wurden entleert, ge¬ 
waschen und gemessen. Das Volumen der zurückerhaltenen Flüssigkeit 
wurde gemessen und ihr Gefrierpunkt nach der Beckmannschen Me¬ 
thode bestimmt. Die benutzten Darmteile wurden alsdann in der ganzen 
Länge aufgeschnitten und die Schleimhaut auf ihren Zustand geprüft 
bzw. mikroskopisch untersucht. 

Die chemische Untersuchung erstreckte sich auf die Bestimmung 
des Sulfates, des Chlors und manchmal auch des Magnesiums. 

Das Sulfat wurde mit BaCl 2 als BaS0 4 in angesäuerter Lösung 
heiss gefällt und absetzen gelassen. Die klare Flüssigkeit wurde durch 
ein Filter abgegossen, der Niederschlag durch Decantieren ausgewaschen, 
dann quantitativ aufs Filter gebracht, getrocknet, stark durchgeglüht und 
gewogen. Die gefundene Menge BaS0 4 wurde auf S0 4 -lonen umgerechnet. 

Zur Chlorbestiramung wurde das Filtrat in einer Porzellanschale 
mit Salpeter und etwas Soda versetzt, über dem Wasserbade einge¬ 
dampft und der Trockenrückstand über dem Dreibrenner so lange erhitzt, 
bis die entstehende Schmelze vollkommen weiss geworden war. Nach 
dem Erkalten wurde die Schmelze mit Wasser und chlorfreier Salpeter¬ 
säure gelöst und das Chlor durch Titration nach Volhard bestimmt. 

Das Magnesium wurde nach Zusatz von (NH 4 )0H und (NH 4 )C1 mit 
Na2HP0 4 als (NH 4 )MgP0 4 gefällt. Der Niederschlag wurde nach zwölf- 
stündigera Stehen vollständig auf ein Filter gebracht und mit 2y 2 proc. 
Ammoniaklösung ausgewaschen und getrocknet. Der trockene Nieder¬ 
schlag wurde vom Filter losgelöst und zusammen mit der Asche des in 
der Platinspirale verbrannten Filters im Tiegel geglüht und als Mg 2 P 2 0 7 
gewogen. Die gefundene Menge Mg 2 P 2 0 7 wurde auf Mg-Ionen umgerechnet. 

In bezug auf Einzelheiten und zu beobachtende Nebenumstände bei 
dieser Versuchsanordnung verweise ich auf die Arbeit von Cobet (7). 

Ich ging aus praktischen Gründen aus von der vergleichenden 
Untersuchung zweier vielgebrauchter gut analysierter Bitterwässer, 
nämlich einem sehr kochsalzarmen: Apenta, und einem kochsalzreichen: 
Friedrichshall. Die beiden Wässer unterscheiden sich auch, wie über¬ 
haupt die kochsalzreichen sogenannten muriatischen Bitterwässer von den 
kochsalzarmen sogenannten echten Bitterwässern erheblich in der Con- 
centration. Während in 1000 ccm Apenta 
29,099 g Sulfat-Ionen und 
0,980 g Chlor-Ionen enthalten sind, sind 

in 1000 ccm Friedrichshaller Bitterwasser 
9,236 g Sulfat-Ionen, daneben aber 
9,180 g Chlor-Ionen enthalten. 


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100 


H. Kionka, 


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Zwei Versuche mit diesen beiden Wässern seien im folgenden mit¬ 
geteilt: 

Versuch I. 

Versuch mit Apenta-Bitterwasser (spec. Gewicht 1,037). Männlicher 
Hund, G x / 4 kg Gewicht, eingefüllt in eine obere und untere Darmschlinge je 50 ccm 
Bitterwasser. & der eingefüllten Lösung: — 1,09°, Resorptionsdauer: l / 2 Stunde. 

Länge der Darmschlingen oben 51 cm 
unten 62 cm 

zurückerhalten oben 66 ccm, 0,80° 

unten 60 ccm, /\: — 0,7G° 



Flüssigkeit 
Obere Schlinge 

S0 4 -lonen 

Cl-lonen 

eingeführt 

.50 ccm 

1,4550 g 

0,0490 g 

zurüokerhalten 

.6G ccm 

1,3745 g 

0,1092 g 

resorbiert 

.— 16 com 

0,0805 g 

- 0,0602 g 

„ in pCt. des Eingeführten — 32 pCt. 

5,53 pCt. 

— 122,86 pCt. 


Untere Schlinge 



eingeführt 

.50 ccm 

1,4550 g 

0,0490 g 

zurückerhalten 


1,3476 g 

0,0425 g 

resorbiert 


0,1074 g 

0,0065 g 

v in pCt. des Eingeführten — 20 pCt. 

7,38 pCt. 

30,00 pCt. 

Zustand der Schleimhaut nach dem Versuch, makroskopisch: 

mässiger Schleim- 

belag, mikroskopisch: massig viele Becherzellen. 




Versuch II. 



Versuch 

mit Friedrichshaller Bitterwasser 1,0225 

bei 15° C (spec. 

Gewicht 1,0214 bei 15° C). Männlicher Hund, $ l l 2 kg Gewicht, 

eingefüllt in eine 

obere und untere Darmschlinge je 50 ocm Bitterwasser. der eingefüllten Lösung: 

— 0,88°, Resorptionsdauer: l / 2 Stunde. 



Länge der Darmschlinge oben 55 cm 




unten 85 cm 




zurückerhalten oben 74 ccm, 

A: -0,73« 

i 


unten 45 ccm, 

A: -0,1650 


Flüssigkeit 
Obere Schlinge 

S0 4 -Ionen 

Cl-lonen 

eingeführt 

.50 ccm 

0,4618 g 

0,4590 g 

zurückerhalten 

.74 ccm 

0,4331 g 

0,4480 g 

resorbiert 

.. — 24 ccm 

0,0287 g 

0,0110 g 

„ in pCt. des Eingelührten — 48 pCt. 

6,21 pCt. 

2,32 pCt. 


Untere Schlinge 



eingeführt 

.50 ccm 

0,6418 g 

0,4590 g 

zurückerhalten 

.45 ccm 

0,4066 g 

0,1985 g 

resorbiert 

.— 5 ccm 

0,0552 g 

0,2605 g 

„ in pCt. des Eiugeführten — 10 pCt. 

11,95 pCt. 

56,80 pCt. 


Zustand der Schleimhaut nach dem Versuch: makroskopisch wenig Schleim, 
oben einzelne Hyperämien, mikroskopisch massig viel Becherzellen, oben da und dort 
erweiterte Gefässe. 


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Ueber d. Einfluss von Chloriden auf d. Resorption von Sulfatlösungen im Dünndarm. 101 


Diese Versuche sind also ausgefallen, wie wir nach unseren früheren 
Untersuchungen erwarten mussten. Die Flüssigkeit hat nach Einfüllen 
der stark hypertonischen Lösung, wie sie das Apentabitterwasser dar¬ 
stellt, in den oberen und unteren Darmschlingen zugenommen. Ebenso 
in den oberen Schlingen in dem Versuch mit Friedrichshaller Bitter¬ 
wasser, in der unteren Darmschlinge fand aber keine Wasserabgabe statt, 
sondern im Gegenteil, es wurde sogar etwas Flüssigkeit vom Darm auf¬ 
genommen. Dies hängt, wie wir gleich sehen werden, mit der starken 
Resorption der eingeführten Chlor-Ionen in den unteren Darmabschnitten 
zusammen. Hierdurch wird einmal eine rasche Concentrationsverrainderung 
der eingeführten Lösung bewirkt, sodass diese nicht mehr so stark wasser¬ 
entziehend wirken kann, sodann wird das im Anfang des Versuches in 
die Darmschlingen hinein abgegebene Wasser gleichzeitig mit der Re¬ 
sorption der Chlor-Ionen wieder aufgenommen. 

Was die Resorption der mit den Bitterwässern eingeführten Salze 
anbetrifft, so zeigt sich in beiden Versuchen die von uns schon früher 
festgestellte Tatsache, dass stets in den unteren Schlingen intensivere 
Salzresorption statthat, als in den oberen Schlingen. So wurden von 
den Sulfat-Ionen in den oberen Schlingen 5,53 bzw. im zweiten Versuch 
6,21 pCt. der eingeführten Menge, in den unteren Schlingen 7,38 bzw. 
11,95 pCt. der eingeführten Menge resorbiert. Dabei ist es gleichgültig, 
ob viel Sulfat-Ionen, wie beim Friedrichshaller Wasser ursprünglich ein¬ 
geführt wurden. Der resorbierte Anteil ist in beiden Fällen prozentual, 
wenigstens in den oberen Schlingen der gleiche. In den unteren Schlingen 
ist von der weniger concentrierten Sulfatlösung, wie sie das Friedrichs¬ 
haller Bitterwasser darstellt, mehr resorbiert worden, als vom Apenta- 
wasser mit der höheren Sulfatconcentration. 

Auch dieses ist bedingt durch die oben schon erwähnte starke 
Rückresorption von Wasser, welches, wie gesagt, eine Folge der in den 
unteren Schlingen ausserordentlich starken Chlor-Ionen-Resorption ist. 

Auch bei der Resorption der Chlor-Ionen sehen wir denselben Unter¬ 
schied zwischen dem Verhalten der oberen und unteren Schlingen. 
30 pCt. der eingeführten Chlor-Ionen sind von dem chlor-(kochsalz-) 
armen Apenta-Wasser, 56,8 pCt. von dem chlor-(kochsalz-)reichen 
Friedrichshaller Wasser in den unteren Schlingen zur Resorption ge¬ 
kommen. 

Dagegen sind von den eingeführten Chlor-Ionen in den oberen Darm¬ 
schlingen nur 2,32 pCt. aus dem kochsalzreichen Friedrichshaller Bitter¬ 
wasser resorbiert worden, während bei dem Versuch mit Apentawasser 
in der oberen Darmschlinge überhaupt kein Kochsalz zur Resorption kam, 
sondern im Gegenteil der Chlor-Ionengehalt am Ende des Versuches 
mehr als verdoppelt war. 

Auf dieses eigentümliche Verhalten des Kochsalzes waren wir früher 
schon aufmerksam geworden, namentlich haben die Untersuchungen von 
Cobet (7) uns in diesem Punkt Klarheit geschaffen. Man muss die 
Frage aufwerfen, wo denn die Chlor-Ionen in der oberen Schlinge beim 
Apenta-Versuch herkommen. 


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102 


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II. Kionka, 


Es sind eingeführt worden 

0,049 g Chlor-Ionen, zurückerhalten wurden 
0,1092 g Chlor-Ionen, es sind also hinzugekomtnen 
0,0602 g Chlor-Ionen. 

Gleichzeitig sind zur eingeführten Flüssigkeit hinzugekomtnen 16 ccm. 
In diesen waren also die 0,0602 g Chlor-Ionen gelöst. Die hinzuge¬ 
kommene Flüssigkeit enthält also 0,37 pCt. Chlor-Ionen oder, auf Koch¬ 
salz berechnet, 0,60 pCt. Die Kochsalzconcentration der in den Darm 
übergetretenen Flüssigkeit liegt also ungefähr bei 0,58 pCt. wie auch in 
den Versuchen von Co bet (7). Es hat also in der oberen Darmschlinge 
die Kochsalzvermehrung im wesentlichen nur in Steigerung der Sekretion 
durch Darmsaft ihren Grund. Ein Uebertritt von Kochsalzlösung durch 
Diffusion findet also auch bei der Kochsalzvermehrung iu der oberen 
Darmschlinge im Versuch mit Apenta-Wasser nicht statt. Es bestätigt 
dies die früher schon von Cohnheim (8) und später auch in unseren 
Versuchen von Co bet (7) festgestellte Tatsache, dass die Darmwand die 
spezielle Fähigkeit besitzt, die Diffusion von Kochsalz in den Darm zu 
hemmen. 

Schwieriger zu deuten ist das Verhalten der Chlor-Ionen in der 
oberen Darmschlinge bei dem Versuch mit Friedrichshaller und in der 
unteren Darmschlinge bei dem Versuch mit Apenta-Wasser. In beiden 
Fällen hat die Flüssigkeitsmenge zugenommen, im Friedrichshaller Ver¬ 
such oben um 24, im Apenta-Versuch unten um 10 ccm. Dabei hat der 
Gehalt an Chlor-Ionen, d. h. der Kochsalzgehalt abgenommen. Die absolute 
Menge des Kochsalzes ist also vermindert, Kochsalz resorbiert worden. 

Da es sich aber namentlich in den unteren Darmschlingen um die 
Aufnahme grosser Kochsalzmengen (30 pCt. der eingeführten Chlor-Ionen 
bei dem Apenta-Wasser und sogar 56,8 pCt. der eingeführten Chlor- 
Ionen bei dem kochsalzreichen Friedrichshaller Wasser) handelt, so wird 
wohl hierbei die schon von Cobet (7) gefundene, namentlich auf die 
unteren Darmschlingen beschränkte Fähigkeit der Darmwand mitwirken 
Kochsalz auch ohne gleichzeitige Flüssigkeitsresorption und gegen ein 
Diffusionsgefälle aus dem Darm aufzunehmen. 

Dies wären wohl die Wege, auf denen man das Zustandekommen 
der Salzresorption und der Flüssigkeitsvermehrung im Darm nach Ein¬ 
füllung der beiden verwandten Bitterwässer erklären kann. Unter sich 
zeigen aber, wie oben schon hervorgehoben, die beiden Versuche ent¬ 
sprechend der verschiedenen Zusammensetzung der angewandten Bitter¬ 
wässer principiell wesentliche Unterschiede. 

Nur in der oberen Darmschlinge ist nach Einführung von Friedrichs¬ 
haller Wasser Flüssigkeit abgegeben worden. In der unteren Darm¬ 
schlinge findet bereits eine Flüssigkeitsresorption zu 10 pCt. statt. Dem¬ 
entsprechend ist auch in der unteren Schlinge die Sulfatresorption aus 
Friedrichshaller Bitterwasser eine erheblichere (ungefähr doppelt so gross, 
wie in den oberen Darmabschnitten). 

Auch das Kochsalz zeigt in den beiden Versuchen einen Unterschied. 
In den unteren Darmabschnitten sind in beiden Fällen Chlor-Ionen zur 


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Ueber d. Einfluss von Chloriden auf d. Resorption von Sulfatlösungen im Dünndarm. 103 

Resorption gekommen. In den oberen Darmabschnitten aber nur nach 
Einführung von Friedrichshaller Wasser, während nach Einführung von 
Apenta-Wasser eine Kochsalzausscheidung stattfindet, welche, wie wir 
gesehen haben, auf starke Sekretionsvermehrung zurückzuführen ist. 

Schon aus dem verschiedenen Verhalten der Flüssigkeitsmengen bei 
dem Versuch mit diesen beiden Bitterwässern geht hervor, dass eine 
starke Flüssigkeitsabgabe durch den Darm nur zu erzielen ist mit Ein¬ 
führung von Wässern mit hoher Sulfatconcentration, wie ein solches das 
Apenta-Wasser darstellt. Gleichzeitig hiermit geht bei derartigen Wässern 
— wenigstens in den oberen Darmabschnitten — eine starke Sekretions¬ 
vermehrung und damit verbundene Kochsalzabgabe vor sich. Die sulfat¬ 
reichen Wässer bewirken eben im Darm eine lebhafte Secretion. Von 
dem secernierten Darmsaft wird das Kochsalz in den unteren Schlingen 
zurückresorbiert, die Flüssigkeit dagegen durch das sehr schlecht resor- 
bare Sulfat festgehalten. 

Eine Rückresorption von Flüssigkeit findet erst dann statt, wenn 
die Verdünnung der eingeführten Lösung soweit fortgeschritten ist, dass 
die Filtratkräfte den osmotischen Druck überwiegen. Dies ist der Fall 
bei sulfatarmen Bitterwässern, namentlich in den unteren Darraabschnitten. 
Weil bei hochconcentrierten Sulfatlösungen dieser Zeitpunkt entsprechend 
später eintritt — nicht etwa wie Co bet (7) gezeigt hat deshalb, weil 
der Flüssigkeitszuwachs ein grösserer würde — ist die Wirkung von 
stark hypertonischen Sulfatlösungen eine wesentlich intensivere: „sie 
halten länger vor u . 

Unsere früheren Untersuchungen, namentlich die Versuche von 
Weise (6) und Cobet (7) haben uns jedoch gezeigt, dass durch die 
Gegenwart grösserer Kochsalzmengen bei gleichzeitig hoher Sulfatcon¬ 
centration unter sonst gleichen Bedingungen eventuell eine Schädigung 
der Darm wand erzielt werden kann. In den oben angeführten Versuchen 
ist von einer solchen Schädigung noch nichts wahrzunehraen, auch nicht 
bei dem Versuch mit dem kochsalzreichen Friedrichshaller Bitterwasser. 
Die leichte Hyperämie der Darmschleirahaut, welche in diesen Versuchen 
beobachtet wurde, ist, wie unsere früheren Versuche ergeben haben, 
zurückzuführen auf den Einfluss des intraintestinalen Druckes, welcher 
bei der von uns gewählten Versuchsanordnung nicht auszuschalten ist, 
und der, wie wir festgestellt haben, derartige leichte Schädigungen be¬ 
wirken kann. 

Es schien mir nun wichtig festzustellen, wie sich denn bei hoher 
Concentration Lösungen von derartiger proportionaler Zusammensetzung 
wie sie einmal das Apenta-Bitterwasser, zum andern Mal das Friedrichs¬ 
haller Bitterwasser darstellen, bei Versuchen in Darmschlingen verhalten 
würden. 

Zu diesem Zweck wurden von beiden Bitterwässern Portionen künst¬ 
lich durch Einengen im Vacuum concentriert 1 ). Es kam schliesslich ein 
Apenta-Wasser mit dem specifischen Gewicht 1,066 und vom Friedrichs- 


1) Die dabei auftretenden Fällungen von Ca-Salzen wurden abfiltriert. 


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104 


H. Kionka, 


haller Bitterwasser sogar ein solches vom specifischen Gewicht 1,148 zur 
Verwendung. In beiden concentrierten Wässern wurde analytisch der 
Sulfatgehalt und der Chlorgehalt festgestellt. 

Versuch III. 

Versuch mit conoentriertem Apenta-Bitterwasser (spec.Gewicht 1,066). 
Weiblicher Hund, l l j 2 kg Gewicht, eingefüllt in eine obere und untere Darmschlinge 
je 50 ccm concentriertes Apentawasser. der eingeführten Lösung —1,69°, Re¬ 
sorptionsdauer: l / 2 Stunde. 

Lange der Darmschlingen oben 53 cm 
unten 50 om 

zurückerhalten oben 102 ccm, — 0,89° 

unten 82 ccm, —0,90° 




Flüssigkeit 

S0 4 -Ionen 

Cl-Ionen 


Obere Schlinge 



eingeführt. 

, 

50 ccm 

2,(»87 g 

0,0710 g 

zurückerhalten. 


102 ccm 

2,2929 g 

0,1894 g 

resorbiert . 

. 

— 52 ccm 

0,3158 g 

- 0,1184 g 

resorbiert in pCt. des Eingeführten - 

- 104 pCt. 

12,10 pCt. 

— 166,75 pCt. 


Untere Schlinge 



eingeführt. 


50 ccm 

2,6087 g 

0,0710 g 

zurückerhalten. 

. 

82 oem 

2,2906 g 

0,0485 g 

resorbiert . 

. 

— 32 ccm 

0,3181 g 

0,0225 g 

resorbiert in pCt. des Eingeführten 

— 64 pCt. 

12,19 pCt. 

31,72 pCt. 

Zustand der Schleimhaut 

nach 

dem Versuch: 

Makroskopisch 

normal, starker 


Schleimbelag, mikrospisch reichlieh Becherzellen. 

Versuch IV. 

Versuch mit concentriertem Friedrichshaller Bitterwasser (spec. 
Gewicht 1,148). Männlicher Hund 6 kg Gewicht, eingefüllt in eine obere und untere 
Darmschlinge je 50 ccm des concentrierten Friedrichshaller Bitterwassers. Resorptions¬ 
dauer: 1 j. 2 Stunde. 

Länge der Darmschlingen oben 60 cm 
unten 74 cm 
zuriickerhalten oben 103 ccm 
unten 115 ccm. 

A liess sich nicht feststellen, da die gesamte aus den Darmschlingen gewonnene 
Flüssigkeit eine schleimige, zähe Masse darstellte, in welcher Kotpartikelchen und Blut 
suspendiert gehalten wurden. Die Analyse konnte auch erst angostellt werden, nach¬ 
dem allmählich durch die eingetretene Fäulnis der Schleim gelöst war, da vorher 
eine gleichmässige Verteilung und Entnahme gleichmässiger Proben zu den Analysen 


nicht möglich war. 

Flüssigkeit 

S0 4 -Ionen 

Cl-Ionen 

eingeführt .... 

Obere Schlinge 
50 ccm 

2,817. r ) g 

3,9170g 

zurückerhalten . 

103 ccm 

2,8150 g 

2,8636 «r 

resorbiert .... 

— 53 ccm 

0,0025 g 

1,1534 g 

resorbiert in pCt. des Eir 

igeführten — 106 pCt. 

0,088 pCt. 

29,44 P Ct, 

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Lieber d. Einfluss von Chloriden auf d. Resorption von Sulfatlösungen im Dünndarm. 105 



Flüssigkeit S0 4 -Ionen 

Untere Schlinge 

Cl-lonen 

eingeführt. 

50 ccm 

2,8175 g 

3,9170 g 

zurückerhalten. 

115 ccm 

2,8800 g 

2,7159 g 

resorbiert . 

— 65 ccm 

(- 0,0775 g) 

1,2011g 

resorbiert in pCt. des Eingeführten 

—130 pCt. 

(— 2,75 pCt.) 

30,66 pCt. 


Zustand der Sohleimhaut nach dem Versuch: Makroskopisch und mikroskopisch 
das Bild einer schweren Enteritis haemorrhagica, Schleimhaut dunkelrot, von zahl¬ 
reichen Ecchymosen und grösseren bis zu pfennigstückgrossen Blutungen durchsetzt. 
Oberfläche mit dickem, zähem, glasigem Schleim bedeckt. Peyersche Plaques stark 
geschwollen. 

Vergleicht man diese beiden Versuche mit einander, so zeigt der 
Versuch mit dem concentrierten Apentawasser weiter nichts Neues. Ent¬ 
sprechend der höheren Concentration ist die Flüssigkeitszunahme in den 
Darmschlingen grösser als bei Anwendung des nicht concentrierten Apenta- 
wassers. Sie beträgt 104 und 64 pCt. der eingeführten Flüssigkeit im 
Gegensatz zu 32 und 20 pCt. bei Einführung des nicht concentrierten 
Wassers. Ebenso hat, genau entsprechend unseren früheren Erfahrungen 
[vgl. Weise (6)], die Resorption der S0 4 -Ionen mit der Steigerung der 
ursprünglichen Concentration derselben zugenommen. Sie betrug bei der 
Einführung von 1,45 g im normalen Apentawasser rund 6 pCt., hier beim 
concentrierten Wasser bei der Einführung von 2,69 g rund 12 pCt. 

Auch die Chlor-Ionen zeigen genau das gleiche Verhalten bei diesen 
Versuchen mit concentriertera Apentawasser, wie wir es bei dem Versuch 
mit normalem Apentawasser gesehen haben. In der oberen Darmschlinge 
findet eine Abgabe von Chlor-Ionen (166,75 pCt. des Eingeführten), in 
den unteren Schlingen eine Resorption von Chlor-Ionen (von rund 30pCt. 
des Eingeführten) statt. 

Ganz anders ist aber das Bild, welches der Versuch mit con- 
centriertem Friedrichshaller Bitterwasser gibt. Die Flüssigkeit hat in der 
oberen und auch der unteren Darmschlinge erheblich zugenommen, zu 
106 bzw. 130 pCt. der cingeführten Menge, während bei dem Versuch 
mit normalem Friedrichshaller Wasser in der unteren Darmschlinge bereits 
eine Resorption der eingeführten Flüssigkeit statthatte. 

Die eingeführten S0 4 -Ionen sind in diesem Versuch überhaupt nicht 
resorbiert worden (die Zahlen aus dem Inhalt der unteren Darmschlinge 
sind natürlich nur als auf Analysenfehlern beruhend zu deuten). Bei den 
Versuchen mit normalem Friedrichshaller Bitterwasser waren die Sulfate 
oben zu 6,2, unten zu rund 10 pCt. resorbiert worden. 

Auch die Chlor-Ionen zeigen ein gänzlich anderes Verhalten bei 
diesem concentrierten Friedrichshaller Wasser als bei dem normalen. Sie 
sind in der oberen und unteren Darmschlinge zu rund 30 pCt. des Ein¬ 
geführten resorbiert worden. Ein Unterschied im Verhalten gegenüber 
den Chlor-Ionen zwischen den oberen und unteren Darmschlingen, wie 
wir es bisher bei allen Versuchen gesehen hatten, findet hier nicht 
mehr statt. 


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106 


II. Kionka, 


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Vergleicht man hiermit die colossalen Flüssigkeitsmengen, welche 
gleichzeitig in die Darmschlingen hinein abgegeben worden sind, und 
berücksichtigt man, dass die Resorption von rund 1,2 g Chlor-Ionen in 
jeder Darmschlinge doch nur unter einer gleichzeitigen erheblichen 
Rückresorption von Flüssigkeit stattfinden konnte, so kann man 
daraus ermessen, in welch hohem Masse die Secretion von Darmsaft 
unter dem Einfluss dieses hoch concentrierten Wassers gesteigert 
worden ist. 

Es sind also durch diese Lösung Verhältnisse geschaffen worden, 
welche die Functionen der Darmschleirahaut erheblich gestört haben, und, 
wie der pathologisch-anatomische Befund der Schleimhaut am Schluss 
des Versuches zeigt, ist die Schleimhaut durch Entzündungsvorgänge aufs 
erheblichste geschädigt. 

Es ist tiun interessant zu sehen, wie gross der Unterschied ist in 
der Wirkung auf die Darmschleimhaut in functioneller und anatomischer 
Beziehung, wenn das eine Mal eine hochconcentrierte, aber kochsalzarme 
Sulfatlösung allein wirkt (wie beim concentrierten Apentawasser) und 
wenn das andere Mal neben derselben Sulfatconcentration in der Flüssig¬ 
keit noch eine erhebliche Chlor-Ionenconcentration (wie beim concentrierten 
Friedrichshaller Wasser) enthalten ist. In beiden Fällen betrug die Sulfat¬ 
concentration 5,3 bzw. 5,5 pCt. 

Beim concentrierten Friedrichshaller W T asser kam dazu noch eine 
Chlor-Ionenconcentration von rund 8 pCt. Gerade die leichte Diffusibilität 
des Kochsalzes und die Wanderungsgeschwindigkeit der Chlor-Ionen ist 
es, welche in Verbindung mit schwer diffusiblen Salzen diese starke 
Schädigung der resorbierenden Darmschleimhaut hervorruft. Für sich 
allein wird ja Kochsalz auch in hoher Concentration ira allgemeinen vom 
Darm gut vertragen, wenngleich so hohe Concentrationen wie die im 
letzten Versuch eingeführten auch schon für sich allein bekanntlich starke 
Beschwerden hervorrufen, ohne dass aber irgendeine Abführwirkung dadurch 
zustande kommt. Und andererseits schadet auch ein geringerer Kochsalz¬ 
gehalt, wie C ob et (7) gezeigt hat, unter 0,6 pCt. nichts bei gleichzeitiger 
Gegenwart noch so grosser Sulfatmengen. Treten letztere aber, wie beim 
normalen Friedrichshaller Bitterwasser, erheblich zurück, so wirkt ein 
gleichzeitiger Kochsalzgehalt im Gegenteil sogar fördernd auf die Abführ¬ 
wirkung des Wassers, ohne dass dadurch im geringsten die Functionen 
oder die Structur der Darmschleirahaut geschädigt wird. Ira Gegenteil 
ist die Abführwirkung derartig zusammengesetzter niedrig concentrierter 
kochsalzhaltiger Bitterwässer äusserst milde, findet doch in den unteren 
Darmabschnitten überhaupt keine Wasserabgabe mehr in den Darm 
hinein statt. 

Dies ist bei der praktischen Verwendung derartig zusammengesetzter 
Bitterwässer oder solcher künstlich hergestellter Salzgemische zu beachten. 


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Ueber d. Einfluss von Chloriden auf d. Resorption von Sulfatlösungen im Dünndarm. 107 


Literatur. 

I. Arbeiten aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena: 

1. Kionka, Ueber Bitterquellen. Balneol. Ztg. 1912. 

2. Kolb, Die Resorption von Salzgomischen im Darm. Congr. f. innere Med., Wies¬ 
baden 1908. 

3. Frey, Ueber Dünndarmrosorption. Biochem. Zeitschr. Bd. 19. 

4. Bolgar, Die Geschwindigkeit der Bromresorption im Darm. Arch. internat. de 
pharmacodynamie et de th6rapie. T. 20. 

5. Lindig, Die Resorption von Kalksalzen im Dünndarm. Balneol. Ztg. 1913. 

6. Weise, Ueber die Verhältnisse der Resorption hypertonischer Natriumsulfat- und 
Magnesiumsulfatlösungen im Dünndarm. Arch. internat. de pharmacodynamie et 
de th6rapie. T. 21. 

7. Cobet, Ueber die Resorption von Magnesiumsulfatlösungen im Dünndarm und die 
Wirkungsweise der salinischen Abführmittel. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 150. 

II. Cohnheim, Ueber Dünndarmresorption. Zeitschr. f. Biol. 1900. Bd. 39. 


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XI. 

Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena. 

Die Wirkungen der Erdalkalien auf das 
isolierte Froschherz. 

Von 

H. Kionka. 

Dass Barium in kleinen Dosen bestimmte Wirkungen auf die Herz¬ 
tätigkeit ausübt, welche für gewöhnlich in Parallele gestellt werden zu 
den Wirkungen der Digitalis-Glykoside, ist schon längst bekannt. Die 
Kenntnis dieser Wirkung hat dazu geführt, Bariumsalze an Stelle von 
Digitalispräparaten in die Therapie der Herzkrankheiten einzuführen. 
Ausführlichere Untersuchungen aus den letzten Jahren haben jedoch ge¬ 
zeigt, dass mindestens ein quantitativer Unterschied zwischen den Wir¬ 
kungen des Bariums und den Digitaliskörpern einschl. Strophanthus be¬ 
steht, dass die typische, die Systole anregende und zum systolischen 
Herzstillstand führende Wirkung den Bariumsalzen nur in relativ grossen 
Dosen zukommt, und dass bei Anwendung kleiner Gaben sich „Er- 
schlaffungszustände“ am Herzen zeigen, welche zuletzt zu Herzstillstand 
in Diastole führen. 

Durch die Untersuchungen von Poulsson (1) und Werschinin (2) 
wurde weiterhin gezeigt, dass ein qualitativer Unterschied in der Wirkung 
der Bariumsalze festzustellen war, je nachdem diese Salze auf das iso¬ 
lierte Herz endocardial oder exocardial einwirkten. 

Alle diese Versuche w T urden ebenso wie einige Versuche von 
Trendelen bürg (3) am überlebenden Froschherzen ausgeführt, und zwar 
wurde dazu benutzt teils der alte Williarassche Froschherzapparat, teils 
die von Straub angegebene Methode. 

Einige Beobachtungen, welche ich zufällig bei Versuchen am iso¬ 
lierten Froschherz machte, deckten sich nicht ganz mit der namentlich 
von Werschinin ausgesprochenen Ansicht über das Wesen der Herz¬ 
wirkungen des Bariums. Ich beschloss daher in eine Nachprüfung dieser 
Wirkungen einzutreten, dehnte aber diese Versuche gleichzeitig aus auf 
die anderen Erdalkalien Calcium und Strontium und fügte schliesslich 
noch einige Versuche mit Radiumemanation hinzu. In allen Fällen 
wurden die Erdalkalien in Form der leicht löslichen Chloride benutzt, 
wie dies auch von sämtlichen früheren Untersuchern geschehen war. 

Zu meinen Untersuchungen bediente ich mich der Williamsschen 
Methode, in der Form wie sie von Schmiedeberg (4) und später von 
Holste (5) umgearbeitet worden ist. Der ursprüngliche Williamsschc 
Froschherzapparat hat dabei einige Umwandlungen erfahren. Er ist in 
der Form, in welcher er jetzt im hiesigen Institut benutzt wird und in 
der ich ihn auch zu meinen Untersuchungen benutzt habe, kürzlich 


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Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Froschherz. 


109 


von Holste (5) in einer aus dem hiesigen Institut hervorgegangenen Unter¬ 
suchung über die Wertbestimmung der Herzmittel beschrieben worden. 

Die wesentlichen Unterschiede dieser Apparatur gegenüber der früher 
am isolierten Froschherz verwandten Methode bestehen darin, dass das 
Herz, welches durch seine eigene Tätigkeit den Kreislauf unterhält, nicht, 
wie dies früher geschah, in einem Becherchen hängt, in welchem sich 
Nährflüssigkeit befindet, sondern dass das Herz von aussen mit Nähr¬ 
flüssigkeit beträufelt wird. Diese Methode hat den Vorzug, dass man 
im Laufe des Versuches sofort bemerkt, wenn ein Herz durch die an¬ 
gewandte Giftlösung geschädigt und durchlässig wird. Es tritt alsdann 
endocardial zugeführte Flüssigkeit aus dem geschlossenen Kreislauf aus, 
was sofort am Absinken des Flüssigkeitsniveaus in der mit Maassstrichen 
versehenen Vorratskugel zu erkennen ist. Wir werden sehen, dass die 
Feststellung dieser Tatsache für die Deutung der Herzwirkung von 
grosser Wichtigkeit ist. 

Aus äusseren technischen Gründen muss in diesem Froschherz¬ 
apparat, wie dies auch schon in der ursprünglichen von Williams an¬ 
gegebenen Form der Fall war, das Herz unter einem Flüssigkeitsdruck 
von 20 cm arbeiten. Da bei der Straubschon Methodik dieser Druck 
nur 2 cm beträgt, so scheint es nicht ausgeschlossen, dass dieser Um¬ 
stand von Bedeutung für die Herzaction wäre. Ich habe daher in 
einigen Versuchen den ganzen Apparat horizontal gelegt und durch Ein¬ 
schaltung kürzerer Ventile den auf dem arbeitenden Herzen lastenden 
Druck bis auf 4 cm erniedrigt. Wie aus den unten folgenden Protokollen 
zu ersehen ist, ergaben sich hieraus keinerlei Unterschiede in der Wirkung. 

Ein sehr wichtiger Unterschied zwischen der von mir angewandten 
Methodik und der von Poulsson und Werschinin benutzten Methode 
liegt aber in der verwandten Nährflüssigkeit. Die genannten Autoren 
hatten nämlich Ringersche Lösung oder in einzelnen Versuchen 0,6proc. 
Kochsalzlösung oder andere Elektrolytlösungen verwandt. Nur in wenigen 
Versuchen wurde von Werschinin Chlorbarium in Blutserum gelöst benutzt. 

Wie wir aber unten sehen werden, ist Ringerlösung wegen ihres 
Kalkgehaltcs durchaus nicht indifferent für das Froschherz. Ich benutzte 
daher nach dem Beispiel von Schmiedeberg (6) eine Mischung von 
2 Teilen Salzlösung in einem Teil defibriniertem Blut. 

Es wurden stets 50 ccm dieser Nährflüssigkeit zur Unterhaltung des 
Kreislaufes verwandt. Die gleiche Flüssigkeit (mit oder ohne Giftzusatz) 
diente zur Beträufelung der Aussenseite des Herzens. 

Da die Untersuchungen von Werschinin ergeben hatten, dass es 
einen erheblichen Unterschied ausmacht, je nachdem man das Herzgift 
endocardial oder exocardial zur Einwirkung bringt, so stellte ich drei 
Reihen von Versuchen an. 

1. In der ersten Reihe wurde die zu prüfende Substanz nur der 
Kreislaufflüssigkeit zugesetzt (endocardiale Vergiftung); 

2. in der zweiten Reihe wurde sie nur der das Herz von aussen 
beträufelnden Flüssigkeit zugesetzt, während die Kreislaufflüssig¬ 
keit giftfrei blieb (exocardiale Einwirkung); und 


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H. Kionka, 


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3. in der dritten Reihe wurde sowohl der von innen einwirkenden 
Kreislaufflüssigkeit, wie der von aussen einwirkenden Einträufe¬ 
lungsflüssigkeit die zu prüfende Substanz zugesetzt (endo- und 
exocardiale Einwirkung). 

Da die Untersuchungen über die Digitaliskörper, wie namentlich in 
der oben erwähnten Arbeit von Holste deutlich gezeigt ist, ergeben 
haben, dass von grosser Bedeutung für die Feststellung der Wirkungs¬ 
stärke eines Präparates die Auswahl der Frösche ist, deren Herzen zu 
den Versuchen benutzt werden, so verfuhr ich auch bei diesen Versuchen 
nach ganz bestimmten Gesichtspunkten. Da nach anderen Erfahrungen 
constante Herzwirkungen mit Sicherheit nur an den Herzen der braunen 
Landfrösche zu erzielen sind, so benutzte ich stets nur Herzen von Rana 
fusca (= Rana temporaria L). Es wurde auch darauf gesehen, dass die 
Frösche möglichst gleiches Gewicht hatten. Es wurden stets Frösche 
im Gewicht von ungefähr 40 g zu den Versuchen benutzt. * 

Ein wichtiger Umstand bei der Anstellung derartiger Versuche ist 
bekanntlich der Kräftezustand der zu verwendenden Frösche. Auch 
meine Versuche ergaben wiederum die Richtigkeit dieser Tatsache. Es 
wurden von mir vergleichsweise Versuche angestellt mit frischgefangenen 
Fröschen im Frühjahr vor der Laichzeit und mit Fröschen, welche 
monatelang im Froschkeller gehalten wurden. 

Es ist m. E. bei solchen Versuchen unbedingt notwendig, um ver¬ 
gleichbare Resultate zu erzielen, nur Frösche derselben Art, desselben Er- 
nährungs- und Kräftezustandes und möglichst auch von ganz gleichem Ge¬ 
wicht zn benutzen. Es kommt auch so noch öfters vor, dass man zwischen 
gauz gleich verlaufenden Versuchen manchmal ein Herz findet, welches sich 
bei weitem weniger widerstandsfähig erweist als die andern. Es handelt sich 
in solchen Fällen wohl um Herzen, welche in irgendeiner Weise beim Anpassen 
des Herzens am Apparat vorher unmerklich Schaden genommen haben. 

Ausser den Versuchen in der Art, wie sie auch von den anderen 
Autoren angestellt wurden, bei denen die prüfenden Substanzmengen auf 
einmal der Nährflüssigkeit zugesetzt wurden, habe ich auch eine grössere 
Anzahl von Versuchen ausgeführt, bei denen zunächst nur eine kleinere 
Substanzmenge der Nährflüssigkeit beigemengt wurde und erst allmählich 
diese Menge im Laufe des Versuches gesteigert wurde. Die auf diese 
Weise erhaltenen Resultate zeigten erhebliche Unterschiede gegenüber den 
Versuchen mit einmaliger Darreichung. 

Es soll nun zunächst eine Anzahl von Protokollen aus den einzelnen 
Versuchsgruppen folgen. 


A. Versuche mit Chlorbarium. 

1. Endocardiale Darreichung. 

Versuch 1. 

Blutflüssigkeit mit 0,032 pCt. BaCl 2 . — Herz von frischem Frosch. 


Nach 

28 

Minuten 

erhebliche Drucksteigerung, 


31 


weitere Drucksteigerung, 

r 

52 

?* 

wieder Absinken des Blutdruckes, 


56 


weiteres Absinken, 


58 

r 

Druck wieder normal, 


GO 

r 

Versuch abgebrochen. 


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Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Froschherz. 


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V ersuch 2 . 

Blutflüssigkeit mit 0,036 pCt. BaCl 2 . — Herz von frischem Frosch. 
Nach 2 Minuten systolischer Stillstand mit sofortiger Erholung, 

„5 

r 6 
* 8 
„ io 
, 11 
„ 12 
„ 19 
, 30 


60 


Herzelevationen enorm gross und etwas verlangsamt, 

Frequenz der Herzelevationen wieder normal, die einzelnen Aus¬ 
schläge enorm gross, 

Versuch abgebrochen, da kein weiterer Stillstand. 


Versuch 3. 

Blutflüssigkeit mit 0,04 pCt. BaCl 2 . — Herz von frischem Frosch. 
Nach 2 Minuten vorübergehender systolischer Stillstand, 

* 8 „ desgl., 

* io 

, 11 , , hält an bis 

* 14 

„ 15V 2 * 

* 17—19 , 

. 20 

r 23—25 , 

r 27 ^ 

* 35 —37 , 

,38 „ definitiver Stillstand in Systole. 


Versuch 4. 


Nach 

n 


Tt 

r 


Blutflüssigkeit mit 0,048 pCt. BaCl 2 . — Herz von frischem Frosch. 
2 Minuten vorübergehender systolischer Herzstillstand, 

6 , desgl., 

8 * 

10—13 „ 

15-20, 

34 , definitiver Stillstand in Systole. 


Versuch 5. 

Blutflüssigkeit mit 0,06 pCt. BaCl 2 . — Herz von frischem Frosch. 
Sofortiger definitiver Stillstand in Systole. 

Versuch 6. 

Blutflüssigkeit mit 0,06 pCt. BaCl 2 . — Herz von altem Frosch. 

Sofortiger definitiver Stillstand in Systole. 

Versuch 7. 

Blutflüssigkeit mit 0,084 pCt. BaCI 2 . — Herz von frischem Frosch. 

Sofortiger definitiver Stillstand in Systole. 

Versuch 8, 

Blutflüssigkeit mit 0,12 pCt. BaCI 2 . — Herz von altem Frosch. 
Nach 4—6 Minuten vorübergehender Stillstand in Diastole, 

, 7—8 „ desgl., 

,9 „ nur noch vereinzelte Pulsschläge, 

,20 „ definitiver Stillstand in Diastole. 

Versuch 9. 

Blutflüssigkeit mit 0,24 pCt. BaCl 2 . — Herz von altem Frosch. 
Sofortiger Stillstand in Systole. 


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H. Kionka 


Versuch 10. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit0,012pCt. BaCl 2 . — Keine Wirkung. 
Nach 8 Minuten (Blutfl. mit 0,024pCt. BaCl 2 ) keine Wirkung, 

„13 „ „ „ 0,036 „ „ Blutdrucksenkung, 

„18 „ „ „ 0,048 „ „ langsames W’iederanstcigen, 

„23 „ „ „ 0,06 „ „ weiteres Ansteigen des Blutdrucks, 

„30 « Pulse werden bedeutend grösser und seltener, 

„36 „ (Blutfl. mit 0,072 pCt. BaCl 2 ) Pulse bleiben gross, 

„47 „ „ „ 0,084 „ „ rascher Abfall des Blutdrucks und Klein¬ 

wörden der Pulse, 

„55 „ Aufhören der Pulse, 

„58 „ definitiver Stillstand in Systole. 

Versuch 11. 

Herz von altem Frosch. — Blulflüssigkcit mit 0,012pCt. Bad 2 . — Dikrotic. 
Nach 8 Minuten (Blutfl. mit 0,012 pCt. BaCI 2 ) kleine Pulse, 

„31 „ r » 0,036 „ „ desgl., 

„42 „ „ „ 0,048 „ „ Seltcnerwerdcn der Pulse, 

„ 48 „ „ „ 0,06 „ 

r 54 „ „ „ 0,072 „ 

„71 „ vorübergehender systolischer Stillstand, 

„ 82—84 „ desgl., 

„85 „ (Blutfl. mit 0,084pCt. BaCl 2 ) sofortiges Aufhören der Pulse, 

„90 „ definitiver Stillstand in Systole. 

Versuch 12. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,0G pCt. BaCI 2 . 

Nach 2 Minuten Absinken des Blutdrucks, 

„6 „ Wiederanstieg, etwas über die Norm, 

„9 „ seltene grosse Pulse bei hohem Blutdruck. 

„30 „ weiteres Ansteigen des Blutdrucks und Seltcnerwerdcn der Pulse, 

„40 „ Blutfl. mit 0,12 pCt. BaCl 2 , 

„42 „ vorübergehendes Absinken des Blutdrucks, dann wieder Anstieg, 

. 45 „ hoher Druck, seltene grosse Pulse, 

„53 „ (Blutfl. mit 0,18pCt. Bad 2 ) Absinken des Blutdrucks, 

„58 „ Kleiner- und Unregelmässigwerden der Pulse, 

„59 „ definitiver Stillstand in Diastole. 

Versuch 13. 

Herz von altem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,024 pCt. BaCl 2 . 

Nach 2 Minuten seltene grosso Pulse, 

„ 3 „ Blutfl. mit 0,036pCt, BaCl 2 , 

„5 „ vorübergehender Stillstand in Diastole, 

„ 6 r desgl., 

„8 „ (Blutfl. mit 0,048 pCt. BaCl 2 ) fortwährend seltene grosse Pulse, 

* 12 * 0,06 „ 

„14 „ langandauernder Stillstand in Diastole, nur unterbrochen durch einzelne 

Pulse, 

„16 „ (Blutfl. mit 0,072 pCt. Bado) Pulse wie vorher, 

„30 „ Pulse werden wieder häufiger, sind aber klein, 

„37 „ seltene, kaum wahrnehmbare Pulse, 

„39 „ (Blutfl. mit 0,116pCt. BaCl 2 ) keine Veränderung des Pulses, 

„48 „ „ „ 0,13 „ „ desgl., 

„60 „ „ „ 0,154 „ desgl., 

„65 „ „ „ 0,2 „ Pulse zunächst wie vorher, immer seltener 

werdend, 

„70 „ definitiver Stillstand in Diastole. 

Versuch 14. 

Herz von altem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,024 pCt. BaCI 2 . 

Nach 3 Minuten Blutdrucksenkung, 

„7 „ Wioderanstieg, 

„13 „ Pulse werden gross und selten, 



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Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Frosohherz. 


113 


Nach35 Min. (Blutfl. mit 0,036pCt. BaCI 2 ) Blutdruck sinkt, vorübergehender Stillstand 
in Diastole, 

„ 37 „ seltene grosse Pulse bei massig hohem Druck, 

„ 43 „ (Blutfl. mit 0,048pCt. BaCl 2 ) vorübergehender Stillstand in Diastole, all¬ 

mählich wiederkehrende Pulse, 

* 50 „ Pulse wieder regelmässig, selten raittelgross, 

„ 69 „ noch dasselbe Bild, 

, 78 , (Blutfl. mit 0,06 pCt. BaCl 2 ) Auf hören der Pulse, vorübergehender Stillstand 

in Diastole, 

r 81 „ Wiedererholung, 

„ 85 „ (Blutfl. mit 0,072 pCt. BaCI 2 ) fast völliges Aufhören der Pulse, Druck sinkt 

immer mehr und steigt auch nicht wieder, Pulse erholen sich, 

, 95 , scheinbar normale Pulse, 

„ 104 „ (Blutfl. mit 0,096 pCt. BaCI 2 ) Senkung des Druckes, fast völliges Auf hören 

der Pulse, keine Erholung, 

„ 116 r definitiver Stillstand in Diastole. 


II. Exocardiale Darreichung. 

Versuch 15. 

Herz von altera Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,06 pCt BaCl 2 , 

Nach 10 Min. Pulse werden gross und selten, Blutdruck steigt, 

„ 60 „ Blutdruck wieder normal, Versuch abgebrochen. 

Versuch 16. 

Herz von altem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,06 pCt. BaCI 2 . 

Dasselbe Verhalten des Pulses und Blutdruckes wie im vorigen Versuch. Nach 
60 Minuten wird der Versuch abgebrochen. 

Versuch 17. 

Herz von altem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,6 pCt. BaCl 2 . 

Nach 3 Min. Dikrotie, 

„ 4 „ Seltenwerden der Pulse, 

„ 11 „ langsames Ansteigen des Blutdruckes, dabei grosso seltene Pulse, keine 

weiteren Erscheinungen, 

„ CO „ Versuch abgebrochen. 

Versuch 18. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,12 pCt. BaCU. — Druck¬ 
steigerung. 

Nach 4 Min. (Blutfl. mit 0,24pCt. BaCU) Dikrotie, 

* 7 * „ 0,36 „ 

„ 8 „ Dikrotie, 

„14 „ (Blutfl. mit 0,48 pCt. BäCI 2 ) Dikrotie, 

„17 „ der bisher erhöhte Blutdruck sinkt wieder ab, Pulse bleiben gross. 

„21 „ (Blutfl. mit 0,6 pCt. BaCU) Unregelmässigkeiten in der Grösse der Pulse, 

von jetzt ab wechselnd Hebungen und Senkungen der Kurve, 

„ 24 „ Blutfl. mit 0,73 pCt. BaCI 2 , 

* 36 „ „ „ 0,84 „ „ Pulsus alternans, 

41 „ „ „ 1,08 „ „ dcsgl., 

„ 47 „ „ „ 1,2 „ „ desgl., Absinken des Blutdruckes, 

. 51 „ „ „ 1,44 „ 

„ 61 „ „ „ 1,68 „ „ Dikrotie, 

„ 67 „ „ „2,16„ „ weiteres Absinken des Blutdruckes, 

„ 69 „ grosse, seltene Pulse, bei vorübergehendem, steigendem Blutdruck, 

„ 72 „ (Blutfl. mit 2,74 pCt. BaCl 2 ) Pulse zunächst klein und häufig, 

„ 75 „ wieder gross und selten, 

. 80 , (Blutfl. mit 2,98 pCt. BaCl 2 ) kleine seltene Pulse, 

„ 94 „ „ „ 3,1 „ „ Pulse werden wieder häufiger, bleiben aber klein, 

r 100 „ Pulse werden gross, gleichzeitig geringe Blutdrucksteigerung. 

„ 107 „ grosse, seltene Pulse bei hohem Blutdruck, 

„110 „ Versuch abgebiochen. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie o. Therapie. 17. Bd. g 


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114 


H. Kionka, 


1IL Endo- und exocardiale Darreichung. 

Versuch 19. 

Herz von frischem Frosch, — Blutflüssigkeit mit 0,024 pGt BaCL. 

Nach 2 Min. vorübergehender systolischer Stillstand, 

„ 3 * Wiedererholung, 

„ 7 „ Pulse und Blutdruck wieder normal, 

* 10 „ Pulse gross, etwas verlangsamt, Blutdruck etwas erhöht, 

„ 60 * Versuch abgebrochen. 

Versuch 20. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,036 pCt. BaCl 2 . 

Nach 3 Min. Absinken des Blutdruckes, 

„ 4 „ weiteres Absinken, 

* 8 „ plötzliches Kleiuwerden der Pulse, 

* 19 .. Herzstillstand in Mittelstellung. 

Versuch 21. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit zunächst nur endocardial mit 
0,024 pCt. BaCl 2 . 

Nach 1 Min. seltene grosse Pulse, unterbrochen von kurzem vorübergehenden diastolischen 
Stillstand, 

„ 3 „ (Blutfl. auch aussen mit 0,024pCt. BaCl*) Pulse selten, aber ziemlich gross, 

* 5 * Pulse werden klein, 

„ 23 „ (Blutfl. innen mit 0,036 pCt. BaCl 2 ) Pulse werden seltener, 

„ 25 * (Blutfl. auch aussen mit 0,036 pCt. BaCl 2 ) Pulse hören auf, definitiver 

Stillstand in Diastole. 

B. Versuche mit Chlorcalcium. 

I. Endocardiale Darreichung. 

Versuch 22. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,06 pCt. CaCl 2 . 

Nach 1 Min. vorübergehender systolischer Stillstand. 
r> 2 „ desgl., 

* 3 „ desgl., 

„ 6 „ grosse seltene Pulse, unterbrochen durch zeitweilige systolische Stillstände, 

dabei allmähliche Blutdrucksteigerung, 

* 30 ,. kein systolischer Stillstand mehr, 

. 40 f Herz lässt stark Flüssigkeit durch, 

* 60 „ Versuch abgebrochen. 

Versuch 23. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,1 pCt. CaCl 2 . 

Nach 2 Min. Kleinwerden der Pulse, 

„ 3 * Dikrotie, 

r 4 „ vorübergehender systolischer Stillstand, 

- 5 » desgl., 

„ 6 „ desgl., 

„ 7 „ plötzlich Gross-und Seltenwcrden der Pulse,kein systolischcrStillstand mehr. 

„ 8 „ Pulse (Diastole) immer grösser werdend, 

r 20 * peristaltische Bewegungen, 

» 30 „ desgl., 

r 48 „ desgl., Herz lässt stark durch, 

„ 50 r Pulse vorübergehend kleiner, 

r 54 , Pulse wieder gross und selten, 

„ 55 „ peristaltische Bewegungen, 

* 60 „ Versuch abgebrochen. 

Versuch 24. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,12 pCt. CaCl 2 . 

Nach 5 Min. Unregelmässigwerden der Pulse, 

* 6 * vorübergehende Stillstände in Mittelstellung, unterbrochen von seltenen 

grossen Pulsen (grosse Diastole), Herz lässt durch, 

„ 10 „ Pulse gross und unregelmässig, Herz lässt stark durch, 


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Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Froschherz. 


115 


Nach 19 Min. endocardiale Flüssigkeit (d. h. 50 ccm) einmal durchgelaufen, vorüber¬ 
gehende Stillstände in Mittelstellung. 

„ 25 „ 50 ccm Blutflüssigkeit zum zweiten Mal durchgelaufen, wiederholte Still¬ 

stände in Mittelstellung, 

* 45 „ vorübergehender Stillstand in Diastole, Pulse werden sehr selten und 

sehr gross, 

r 60 „ wiederholte Stillstände in Diastole, Versuch abgebrochen. 

Versuch 25. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,16 pCt. CaCl 2 . 

Nach 10 Min. plötzlich Aufhören der Pulse, Stilstand in Systole. 

Versuch 26. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,2 pCt. CaCI 2 . 

Nach 3 Min. vorübergehender Stillstand in Systole, 

„ 6 „ definitiver Stillstand in Systole. 

Versuch 27. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,2 pCt. CaCl 2 . 

Sofortiger Stillstand in Systole. 

Versuch 28. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,24 pCt. CaCl 2 . 

Sofortiger Stillstand in Systole. 

Versuch 29. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,12 pCt. CaCI 2 . 

Nach 2 Min. vorübergehender Stillstand in Diastole, 

„ 6 „ Pulse wieder normal, 

, 13 n (Blutfl. mit 0,18pCt. CaCI 2 ) Stillstand in Diastole, 

„18 „ allmähliche Erholung, Pulse gross und selten, 

„ 22 „ Pulse werden kleiner, 

„ 42 „ Pulse werden noch kleiner, 

. 50 , Pulse nur schwach angedeutet, 

„ 66 „ definitiver Stillstand in Diastole. 

Versuch 30. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,12pCt. CaCI 2 . 

Sofort Auf hören der Herztätigkeit, vorübergehender Stillstand in Systole. 
Nach 5 Min. vereinzelte Pulse, 
r 7 * dcsgl., 

„ 12 „ Wiedererholung, 

„15 „ normale Pulse bei erhöhtem Blutdruck, 

„ 17 „ Blutfl. mit 0,18pCt. CaCl 2 , 

„ 33 „ „ „ 0,24 „ „ Stillstand in Diastole, 

. 35 n grosse seltene Pulse, 

„ 36 „ Blutfl. mit 0,3 pCt. CaCI 2 , 

„ 37 „ vorübergehender Stillstand in Diastole, 

„ 38 „ Pulse sehr selten und gross, 

„ 40 „ (Blutfl. mit 0,36 pCt. CaCI 2 ) allmähliches Aufhören der Pulse, 

„ 48 „ Stillstand in Diastole. 

Versuch 31. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,24 pCt. CaCl 2 . 

Sofort Aufhören der Pulse, vorübergehender Stillstand in Diastole. 

Nach 30 Min. (Blutfl. mit 0,36 pCt.) Stillstand in Diastole, 

„ 32 „ schwache Erholung, 

„ 40 „ definitiver Stillstand in Diastole. 

II. Exocardiale Darreichung. 

Versuch 32. 

Herz von altem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,3 pCt. CaCl 2 . 

Keine Erscheinungen. Nach 60 Minuten Versuch abgebrochen. 

8* 


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116 


H. Kionka, 


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Versuch 33. 

Herz von altera Frosch. — Blutflüssigkeit mit 2,0 pCt. CaCI 2 . 

Pulse werden zunächst gross und selten. 

Nach 7 Minuten grosse Schwankungen in der Grösse der Pulse, fortwährend unter¬ 
brochen durch sccundenlange diastolische Stillstände, hin und wieder 
auch peristaltiscbe Bewegungen. 

„ 60 „ noch dasselbe Bild. Versuch abgebrochen. 


Versuch 34. 

Herz von altem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 2,0 pCt. CaCl 2 . 
Pulse werden sofort selten und gross. 

Nach 37—46 Min. fortwährend kürzere diastolische Stillstände, 

„46 „ diastolischer Stillstand, 

„ 49 * Aufhören des Stillstandes, 

„50 „ fortwährend wieder kürzere diastolische Stillstände, 

„60 „ noch dasselbe Bild. Versuch abgebrochen. 


Versuch 35, 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,12 pCt. CaCI 2 . 
Nach 5 Minuten (Blutfl. mit 0,18 pCt. CaCl 2 ) Pulse werden grösser, 



10 


, „ 0,24 „ 


„ 

14 

* 

„ 0,36 „ 

Pulse werd. unrcgelm, zeitweilig aussetzend, 

„ 

28 

r 

„ , 0,48 . 

Pulse gross und selten. 

* 

35 


, , 0,60 „ 


37 


diastolischer Stillstand, 


T 

39- 

-43 „ 

desgl.. 


T 

45 


(Blutfl. mit 0,72pCt. CaCl 2 ) fortwährend wiederholte diastol.Stillstände, 

„ 

49 

„ 

„ „ 0,96 „ 

desgl., 

r> 

55 

* 

1 2 

m n * t 

nur noch vereinzelte Pulse, 

n 

65 

n 

definitiver Stillstand 

in Systole. 


III. Endo- und exocardiale Darreichung. 

Versuch 36. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,1 pCt. CaCl 2 . 

Pulse werden allmählich grössor und seltener, Herz lässt stark durch. 
Nach 60 Minuten Versuch abgebrochen. 

Versuch 37. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit 0,13 pCt. CaCI 2 . 


Nach 

2 Minuten 

vorübergehender Stillstand in Mittelstellung, Pulse werden sehr gross 
und selten, Herz lässt stark durch, 


8 

T 

Innenflüssigkeit (50 ccm) einmal durchgelaufen, 


15 


fortwährende, vorübergehende Stillstände in Mittelstellung, nur durch 
einzelne grosse Pulse unterbrochen. 

- 

24 

* 

Herz hat zum zweitenmal 50 ccm Flüssigkeit durchgelassen, fortwährend 
vorübergehende Stillstände, von jetzt ab aber in Diastole, 

„ 

30 


Herz hat zum drittenmal 50 ccm Flüssigkeit durchgelassen, 

„ 

40 

* 

desgl. zum viertcnmal, 

„ 

48 


desgl. zum fünftenmal, 

>• 

60 

* 

fortdauernd dasselbe Bild: einzelne sehr grosse Pulse, unterbrochen 
durch diastolische Stillstände. Versuch abgebrochen. 


Versuch 38. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,24 pCt. CaCl 2 . 

Nach 5 Minuten die noch regelmässigen ziemlich kleinen Pulse fortwährend unterbrochen 
durch sehr grosse seltene Pulse, 

„ 13 vorübergehende diastolische Stillstände, unterbrochen durch einzelne 

sehr grosse Pulse, 

„23 „ Pulse nur noch vereinzelt und sehr klein, 

„ 24 „ (Blutfl. mit 0,36pCt. CaCI 2 ) nur noch ganz schwache vereinzelte Pulse, 

„ 28 „ definitiver Stillstand in Diastole. 


Gck igle 


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Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Froscbherz. 


117 


C. Versuche mit Chlorstrontium. 

I. Endocardiale Darreichung. 

Versuch 39. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,24 pCt. SrCI 2 . 

Nach 2 Min. Absinken der Pulse, rasche Erholung, 

„ 3 „ dasselbe, fast bis zum systolischen Stillstand — dasselbe weniger deut¬ 

lich noch während der nächsten Minuten, 

„ 10 „ Pulse wieder normal, 

„ 30 „ Pulse werden sehr gross und selten, 

„ 60 „ dasselbe. Versuch abgebrochen. 

Versuch 40. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,36 pCt. SrCl 2 . 

Nach 1 / 2 Min. Aufhören der Pulse und vorübergehender systolischer Stillstand, 

„ 7 n Wiedereinsetzen kleiner Pulse, 

„ 9 „ definitiver Stillstand in Systole. 

Versuch 41. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,36 pCt. SrCl 2 . 

Nach Va Min. vorübergehender Stillstand in Systole, 

„ 2 „ dasselbe, 

„ 3 „ wiederholt vorübergehendes Kleinwerden der Pulse, 

„ 6 „ Pulse wieder gross, 

„ 9 „ Seltenwerden der Pulse, 

„ 20 „ Ansteigen des Blutdruckes bei grossen Pulsen, 

„ 40 „ Herz lässt durch, Blutdruck sinkt, Pulse werden selten. 

. 45 „ Stillstand in Systole. 

Versuch 42. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,48 pCt. SrCl 2 . 

Nach 3 Min. Unregelmässigwerden der Pulse, 

„ 4 „ Absinken des Blutdruckes und Seltenwerden der Pulse, 

„ 5 * vorübergehender systolischer Stillstand, Herz lässt stark durch, 

„ 7 „ wiederholte vorübergehende systolische Herzstillstände bis 

, 19 „ Innenflüssigkeit (50 ccm) einmal durchgelaufen, seltene Pulse, 

„ 33 „ Innenflüssigkeit zum zweitenmal durchgelaufen, seltene, immer kleiner 

werdende Pulse, 

„ 42 „ Innenflüssigkeit zum drittenmal durchgelaufen, seltene Pulse, unterbrochen 

durch zeitweilige systolische Stillstände, 

* 50 „ Innenflüssigkeit zum viertenmal durchgelaufen, 

„ 53 „ definitiver Stillstand in Systole. 

Versuch 43. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,12 pCt. SrCl 2 . 

Nach 13 Min. (Blutfl. mit 0,18pCt. SrCl 2 ) nach leichtem Kleinerwerden der Pulse bald 
rasches Ansteigen und Seltenerwerden der Pulse, 

„ 29 „ (Blutfl. rriit 0,24 pCt. SrCl 2 ) grosse seltene Pulse, 

„ 38 „ «* n 0,3 „ „ dasselbe, 

„ 45 „ Herz versehentlich verletzt. Versuch abgebrochen. 

Versuch 44. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,12 pCt. SrCU. 

Nach 1 Min. Kleinerwerden der Pulse, 

„ 3 „ beginnende Erholung, 

* 5 * grosse Pulse, 

„ 6 ,, vorübergehend Wicderkleinwcrden der Pulse, 

* 8 „ Erholung, Dikrotie, 

f 10 Ä normale Pulse, 

, 15 „ (Blutfl. mit 0,18pCt.SrCl 2 ) Absinken des Blutdruckes, GrosswerdenderPulsc, 

„17 „ vorübergehender diastolischer Stillstand bis nach 19 Minuten, 

„ 20 „ (Blutfl. mit 0,24 pCt. SrCI 2 ) diastolischer Stillstand bis nach 23 Minuten, 

* 25 „ „ „ 0,3 „ r r r « r 2 7 „ 

Pulse alsdann gross und selten, Blutdruck niedrig, 



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118 


H. Kionka, 


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Nach 29 Min. wiederum diastolischer Stillstand bis nach 32 Minuten, 

„ 35 * (Blutfl. mit 0,36 pCt. SrCl 2 ) diastolischer Stillstand bis nach 38 Minuten, 

fl 39 „ dasselbe bis nach 41 Minuten, 

fl A » n * 30 „ 

„ 53 „ (Blutfl. mit 0,42pCt. SrCl 2 ) sofortiges Aussetzen der Pulse, diastolische 

Stillstände, unterbrochen durch einzelne Pulse, 

A T2 „ definitiver Stillstand in Diastole. 

Versuch 45. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,24 pCt. SrCI 2 . 

Nach 1 Min. vorübergehender diastolischer Stillstand, 

„ 5 fl Erholung, Pulse bleiben während des ganzen Versuches klein, 

„ 9 „ (Blutfl. mit 0,36pCt. SrCI 2 ) Pulse werden seltener, 

» 13 f. * » 0,48 „ „ desgl., 

« 27 „ „ fl 0,6 „ A desgl., 

fl 36 „ „ „ 0,72 „ „ Aufhören der Pulse, 

„ 39 „ definitiver Stillstand in Diastole. 


II. Exocardiale Darreichung. 

Versuch 46. 

Herz von altem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,48 pCt. SrCl 2 . 

Nach 4 Min. geringes Ansteigen des Blutdruckes, 

A 12 fl weiteres geringes Ansteigen, 

A 37 „ Wiederabsinken des Blutdruckes, 

„ 45 „ Blutdruck wieder normal. 

* 60 „ Versuch abgebrochen. 

Versuch 47. 

Herz von altem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 4,8 pCt. SrCl 2 . 

Nach 8 Min. werden die Pulse selten, vorübergehende diastolische Stillstände, 

A 10 „ dasselbe bis nach 12 Minuten, 

„ 40 „ Pulse immer noch gross und selten, 

A 45 „ dasselbe, vorübergehende diastolische Stillstände bis nach 60 Minuten, 

„ 63 „ Versuch abgebrochen. 

Versuch 48. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,12 pCt. SrCl 2 . Keine Wirkung. 
Nach 2 Min. Blutfl. mit 0,24 pCt. SrCl 2 , 


. 20 

r» 

* „ 0,36 „ 


Pulse werden selten und gross, 

, 24 

n 

. * 0,6 „ 

r 

dasselbe, 

„ 31 


» „ 0,66 „ 

fl 

dasselbe, 

. 34 

r> 

, „ 0,8 „ 


Pulse werden immer seltener und grösser, 

. 61 

w 

. » 1.04 „ 

fl 

dasselbe, 

. 65 

fl 

» 1,28 „ 

« 

dasselbe, 

* 67 

r> 

- . 1,76 „ 

fl 

dasselbe, 

. 70 

fl 

. - » 2,24 . 

fl 

dasselbe, 

* 87 

a 

vorübergehender diastolischer Stillstand, 

- 88 

n 

(Blutll. mit 2,72 pCt. 

SrCl 2 ) vorübergehender diastolischer Stillstand, 

„ 90 

n 

. * 3.20 , 

r 


, 100 

n 

. * 3,68 „ 


fortwährend verlängerte Diastole, 

„ 107 

r 

» . 4,26 r 

fl 

dasselbe, 

» no 


Pulse werden klein, 



„ 111 

fl 

(Blutfl. mit 4,5 pCt. SrCL) fortgesetzt kleine seltene Pulse mit stark ver- 



längerten Diastolen, 



„ 120 

fl 

Versuch abgebrochen. 




III. Endo- und exocardiale Darreichung. 

Versuch 49. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,36 pCt. SrCl 2 . 

Sofort Kleinwerden der Pulse. 

Nach 7 Min. vorübergehende diastolische Stillstände, die immer häufiger werden, 
A 20 „ vorübergehende Stillstände in Mittelstellung, 

„ 22 A definitiver Stillstand in Mittelstellung. 


Gck igle 


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Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Froschherz. 


119 


Versuch 50. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit innen 0,24 pCt. SrCl 2 . — Vorüber¬ 
gehendes Absinken des Blutdruckes und Dikrotie der Pulse. 

Nach 5 Min. Blutfl. auch aussen 0,24 pCt. SrCl 2 , 

„ 9 „ (Blutfl. innen und aussen 0,48pCt. SrCI 2 ) Pulse werden seltener, 

„ 25 * fortwährend vorübergehende Stillstände in Diastole, 

„ 28 „ (Blutfl. innen und aussen 0,6 pCt SrCl 2 ) dasselbe, 

» 42 „ * „ „ » 0,84 „ „ dasselbe, 

„ 44 „ „ „ „ „ 1,08 r „ einzelne grosse Pulse unterbrochen 

durch lange Diastolen, 

„ 87 „ Versuch abgebrochen. 

Da ich bei früherer Gelegenheit gesehen hatte, dass sich durch 
Radiumemanation nach anderer Richtung analoge Wirkungen erzielen 
Hessen, wie durch Barium- und Calciumsalze, so prüfte ich, ob etwa 
auch gegenüber dem isolierten Froschherzen Radiumemanation der Erd¬ 
alkalien ähnliche Wirkungen zu entwickeln imstande wäre. Es war dies 
bei der chemischen Verwandtschaft des Radiums mit den anderen Erd¬ 
alkalien wohl denkbar. 

Zu diesem Zweck wurden die Herzen am Apparat durchspült bzw. 
umspült von einer Flüssigkeit, welche bestand aus 125 ccm Blut-f-250 ccm 
einer mit Emanation angereicherten 0,6proc. Kochsalzlösung. Die An¬ 
reicherung dieser Lösung geschah mittels eines Neumannschen Activators 
und wurde, um eine recht hohe Concentration an Emanation zu erzielen, 
mehrere Tage lang fortgesetzt. Nach der Mischung wurde in der Blut¬ 
flüssigkeit mittels eines Engler und Sievekingschen Fontaktoskopes 
die Stärke der Radioactivität bestimmt. 

Versuch 51 (Endocardiale Darreichung). 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 22739 M.-E. im Liter. 

Nach 5 Min. und nochmals nach 9 Min. plötzliches Kleinwerden der Pulse, zeitweilig 
sogar fast völliges Aufhören bei starker Verlängerung der Diastolen. Der 
Puls erholt sich aber rasch wieder und zeigt bis nach 210 Min. keine 
Veränderung, alsdann wird der Versuch abgebrochen. 

Versuch 52 (Endo- und exocardiale Darreichung), 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit innen und aussen mit 72597 M.-E. 
im Liter. 

Nach 5 Min. sind die anfangs grossen Pulse noch grösser und seltener geworden, 

„ 25 „ werden die Pulse unregelmässig und zeigen starke Verlängerung der 

Diastolen, 

„ 30 „ sind die Pulse wieder ganz normal und bleiben es bis nach Schluss des 

Versuches, 

„184 „ Versuch abgebrochen. 

Blutflüssigkeit am Schluss des Versuches: innen = 10000 M.-E, im Liter, 

aussen = 33 M.-E. im Liter. 

Versuch 53 (Endocardiale Darreichung). 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 22739 M.-E. im Liter. 

Nach 19 Min. werden die Pulse grösser und seltener, 

„ 33 „ sind sie wieder kleiner, 

„ 42 „ ausgesprochene Dikrotie bis nach 54 Minuten, 

„ 58 „ Pulse werden wieder normal, aber Blutdruck sinkt allmählich, 

„ 88 „ die Pulse werden von jetzt ab immer seltener und kleiner, 

„ 140 „ fangen die Pulse an unregelmässig zu werden, 

r 162 „ sind die Pulse sehr klein mit stark verlängerten Diastolen, 

„ 195 „ definitiver Stillstand in Diastole. 


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120 


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Bei den Versuchen mit Radiuraemanation fällt es auf, dass, ab¬ 
gesehen von Versuch 53, in welchem das Herz schliesslich zum diastolischen 
Stillstand kam, die Wirkungen am deutlichsten waren zu Beginn der Ver¬ 
suche, d. h. innerhalb der ersten 15 bzw. 30 Minuten. Die Erklärung 
hierfür gab eine Bestimmung der Radioactivität der angewandten Blut¬ 
flüssigkeit am Schluss des Versuchs (Versuch 52). Nach dieser waren 
nämlich am Ende des Versuches, d. h. nach 184 Minuten, nur noch 
10000 M.-E. im Liter Flüssigkeit innen und 33 M.-E. im Liter Flüssig¬ 
keit aussen erhalten. 

Es ist dies auch erklärlich, denn da nach der Construction des 
Apparates die vom Herzen zurückgepumpte Blutflüssigkeit von oben in 
die Vorratskugel eintropft, so muss hei dieser Gelegenheit die darin ent¬ 
haltene Emanation allmählich abgegeben werden. Und noch mehr muss 
dies der Fall sein beim Aufträufeln der Aussenflüssigkeit auf das auf¬ 
gehängte Herz. 

Jedenfalls sprechen diese Versuche mit Radiumemanation dafür, dass 
dieser Substanz analoge Wirkungen zukoramen wie den Ion^n der Erd¬ 
alkalien. 

Wie oben schon gesagt, wurden alle diese Versuche angestellt an 
einem modificierten Williamsschen Apparat, bei welchem das Herz unter 
einem Flüssigkeitsdruck von 20 cm steht. Da es nicht ausgeschlossen 
erscheint, dass diese Druckhöhe von Bedeutung für das frühere oder spätere 
Zustandekommen eines Herzstillstandes ist, so wurden auch einige Ver¬ 
suche angestellt, bei denen durch Horizontallegen einzelner Teile des 
Apparates die Druckdifferenz zwischen Flüssigkeitsspiegel in der Vorrats¬ 
kugel und Herzspitze nur noch 6 cm betrug. 

Versuch 54. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,048 pCt. BaCl 2 . 

Das zunächst normal arbeitende Herz geht nach einigem Unregelraässigwerden 
der Pulse nach 32 Minuten in systolischen Stillstand über. 

Versuch 55. 

Herz von frischem Frosch. — Blutflüssigkeit mit 0,048 pCt. BaCU. 

Das zunächst normal arbeitende Herz geht nach einigem Unrcgelmüssigwerden 
der Pulse nach 33 Minuten in systolischen Stillstand über. 

Diese Versuche ergeben also dieselben Zahlen, welche wir bei An¬ 
wendung der gleichen Chlor-Barium-Concentration in Versuch 3 und 4 be¬ 
kommen hatten. Die Höhe des Flüssigkeitsdruckes bei dem Apparat 
übt also keinen Einfluss auf die Herztätigkeit aus. 

Aus diesen Versuchen mit Erdalkalien und Radiumemanation geht 
hervor, dass alle diese Substanzen deutlich erkennbare und gut cha¬ 
rakterisierte Wirkungen auf das isolierte Froschherz hervorrufen. Da bei 
einigen Versuchen sehr hohe Concentrationen angewandt werden mussten, 
so musste man daran denken, dass es sich vielleicht bei den beob¬ 
achteten Erscheinungen um Concentrationswirkungen handeln könnte. Das 
war zwar von vornherein nach alledem, was wir über Wirkungen von 
Salzen auf das Herz wissen, nicht anzunehmen. Es wurde aber der 
Sicherheit halber noch ein Versuch angestellt mit einer 0,24proc. Koch- 


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Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Froschherz. 


121 


Salzlösung, welche in ihrem osmotischen Wert entsprach den höchsten 
Concentrationen, welche von den Salzen der Erdalkalien endocardial an¬ 
gewandt wurden. 

Bei diesem Versuch, bei welchem die angegebene Kochsalzlösung 
endocardial einwirken gelassen wurde, während eine Blutflüssigkeit der 
gewöhnlichen Zusammensetzung zur äusseren Bespülung des Herzens 
diente, zeigten sich wohl nach etwa 60 Minuten beginnend vorübergehende 
Unregelmässigkeiten im Pulse, aber trotzdem der Versuch bis 193 Mi¬ 
nuten lang fortgesetzt wurde, auch kein zeitweiliges Aufhören der Pul¬ 
sation, also keine Erscheinung, welche auf einen systolischen oder dia¬ 
stolischen Stillstand des Herzens hinwiese. 

Wir dürfen also die beobachteten Erscheinungen auffassen als 
Wirkungen der in den angewandten Lösungen zur Wirkung kommenden 
Erdalkali-Ionen. Diese Wirkungen aufs isolierte Herz sind am stärksten 
beim Barium, dann folgt Calcium und Strontium, sie sind am schwächsten 
bei Radiumemanation. 

Wie aus obigen Protokollen zu ersehen ist, kommt es bei endocardialer 
Darreichung bei BaCl 2 nach 0,04 pCt., bei CaCI 2 nach 0,16 pCt. und 
bei SrCI 2 nach 0,36 pCt. zum definitiven Stillstand in Systole. Diese 
Concentrationen sind berechnet nach dem Gehalt der Blutflüssigkeit an 
wasserfreien Salzen, ln molecularer Concentration ausgedrückt würde 
also die in diesem Sinne wirksame Dosis betragen für 

Bad, = 2 
CaCI 2 = 14 
SrCl 2 = 8,5 

oder die Wirkungsstärken von BaCl 2 : CaCI 2 : SrCl 2 würden sich verhalten 
wie 1 : 0,143 : 0,236. 

Die Reihenfolge der 4 Elemente nach ihrem Wirkungswert gegenüber 
dem isolierten Froschherz wäre also: Ba, Sr, Ca, Ra. 

Bei diesen Wirkungen aufs isolierte Herz handelt es sich um zweierlei: 

Das eine Mal beobachtet man eine Verstärkung der Systole bis zum 
definitiven Stillstand in Systole, das andere Mal eine Vergrösserung der 
Diastole bis zum definitiven Stillstand in Diastole. 

Die erstere Wirkung kommt durch hohe Concentration der Erdalkali- 
Ionen zustande, wenn diese hohe Concentration auf einmal zurWirkung kommt. 

Diese Art Wirkung tritt verhältnismässig rasch ein, je höher die 
Concentration, umso früher. Bei schwächerer Concentration kommt es 
wohl zunächst zu vorübergehendem systolischem Stillstand, bevor der 
definitive Stillstand einsetzt. 

Bei allen solchen Fällen kann jedoch das Herz wieder zur normalen 
Tätigkeit angeregt werden, wenn hinterher das Herz mit giftfreier Nähr¬ 
flüssigkeit durchspült wird. Diese Tatsache ist längst bekannt, es sind 
deshalb} oben die von mir angestellten diesbezüglichen Nachunter¬ 
suchungen nicht mit protokolliert worden. 

Die zweite Art der Wirkung, welche schliesslich zum definitiven 
Stillstand in Diastole führen kann, sahen wir eintreten bei Verwendung 
niedriger concentrierter Lösungen. Der definitive Stillstand in Diastole 


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122 


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H. Kionka, 

tritt fast niemals ein, ohne dass schon vorher vorübergehende diastolische 
Stillstände zu beobachten wären oder es wenigstens zu typischen Ver¬ 
änderungen der Pulsform gekommen wäre. Diese Veränderungen be¬ 
stehen in einem Grösser- und Seltenerwerden der Pulse und in einer 
manchmal ausserordentlich deutlichen Verlängerung der Diastolen. In 
einzelnen Fällen kam es auch zu Dikrotie des Pulses. 

Diese Art der Wirkung tritt, wie gesagt, ein bei Verwendung einer 
Blutflüssigkeit, welche die Erdalkali-Ionen nur in geringer Concentration 
enthält. Auch diese Tatsache ist schon bekannt. Sie ist namentlich 
von Werschinin studiert worden. Dass aber nicht allein der Con- 
centrationsgrad der einwirkenden Lösung von Bedeutung für das Zu¬ 
standekommen dieser Wirkung ist, das zeigen meine Versuche, bei denen 
die Concentration der durchspülenden Flüssigkeit allmählich gesteigert 
wurde. Bei diesen Versuchen kam es vielfach auch zu derartigen dia¬ 
stolischen Erscheinungen und schliesslichera Stillstand in Diastole, obwohl 
zuletzt ganz ausserordentlich hohe Concentrationen (bei endocardialer 
Darreichung 0,2 pCt. BaCl 2 , 0,36 pCt. CaCl 2 und 0,72 pCt. SrCl 2 ) an¬ 
gewandt wurden. 

Der Grund dafür, dass das eine Mal das Herz zum Stillstand in 
Diastole, das andere Mal zum Stillstand in Systole kommt, muss noch 
in etwas anderem liegen. Schmiedeberg (6) nimmt bekanntlich an, 
dass bei der Einwirkung der Digitalis-Glykoside, wobei gleichartige Er¬ 
scheinungen zu beobachten sind, zu unterscheiden ist zwischen Wir¬ 
kungen auf Innenschichten der Herzmuskulatur und Aussenschichten der 
Herzmuskulatur bzw. die diese Muskelschichten innervierenden Nerven- 
elemente. Kommt ein Gift endocardial zur Wirkung in einer Concen¬ 
tration, welche genügend stark ist, um die Elemente der Herzinnen¬ 
schicht zu erregen, so kommt es zum Stillstand in Systole. Ist die 
Concentration der von innen her einwirkenden Giftlösung jedoch nicht 
gross genug zum Zustandekommen dieser Wirkung, so sehen wir statt 
der geschilderten Einwirkung eine Erschlaffung des Herzens eintreten, 
welche nach Schraiedeberg beruht auf einer Giftwirkung der Lösung 
auf die äussere Herzschicht. D. h. die endocardial einwirkende Lösung, 
welche nicht Gift-Ionen genug besitzt, um die systolischen „Krampf¬ 
scheinungen“ an den inneren Herzschichten auszulösen, gelangt all¬ 
mählich durch Diffusion an die äusseren Herzschichten und bewirkt nun¬ 
mehr in diesen die geschilderten diastolischen Erscheinungen bzw. Stillstände. 

Es muss dabei zunächst dahingestellt bleiben, ob es sich bei diesen 
diastolischen Erscheinungen, wie Schmiedeberg meint, um eine erregende 
Einwirkung auf „activ erschlaffende“ Muskelfasern handelt, oder ob diese 
Erscheinungen vielmehr der Ausdruck sind für eine Erschlaffung infolge 
Lähmung (Parese) der betr. Muskelfasern. 

Ich meinerseits habe stets den Eindruck gehabt, dass das letztere 
der Fall wäre, wenn ich bei den Versuchen das am Apparat arbeitende 
Herz nach einigen vorübergehenden diastolischen Erscheinungen so plötz¬ 
lich in die stärkste diastolische Erweiterung übergehen sah. 

Auch eine andere Ueberlegung lässt mich mehr zu der eben ange¬ 
gebenen Ansicht neigen. 


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Original fro-m 

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Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Froschherz. 123 

Wie oben schon gesagt, treten diese diastolischen Erscheinungen mit 
schliesslichem Stillstand in Diastole auch ein bei Einwirkung derselben 
Gifte in hoher Ionenconcentration, wenn diese Concentration nicht von 
vornherein in der angewandten Nährflüssigkeit vorhanden war, sondern erst 
allmählich durch weiteres Zusetzen von Giftflüssigkeit darin erzeugt wurde. 

Man kann sich diese Erscheinung unschwer so deuten, dass so 
schwach concentrierte Lösungen, ohne zunächst irgendwelche Wirkungen 
auf die inneren systolischen Faserschichten auszuüben, allmählich durch 
Diffusion hindurchtreten bis an die äusseren Schichten; und hier käme 
es dann zu diastolischen Wirkungen, trotzdem durch allmähliche Con- 
centrationssteigerung schliesslich eine Ionenconcentration in der Nähr¬ 
flüssigkeit erreicht wurde, welche von vornherein ausgereicht hätte die 
systolischen Fasern der Innenschicht zu erregen. 

Eine solche Erregung sehen wir aber nicht Zustandekommen, ausser 
bei dem inbezug auf die systolischen Wirkungen, wie oben schon aus¬ 
einandergesetzt, stärksten Erdalkali-Ion, dem Barium-Ion. In Versuch 10 
und 11 kam es auch bei dieser Versuchsanordnung zu systolischem 
Herzstillstand. In allen anderen Versuchen mit BaCl 2 , CaCU und SrCI 2 
überwiegen die diastolischen Wirkungen. Es scheint also, als ob die 
erregenden systolischen Wirkungen auf die Innenschicht nicht mehr Zu¬ 
standekommen könnten, wenn vorher oder gleichzeitig durch die nach den 
Aussenschichten diffundierte Flüssigkeit in diesen die erschlaffenden dia¬ 
stolischen Wirkungen ausgelöst werden. Auch diese Tatsache lässt mich, 
wie oben gesagt, zu der Ansicht neigen, dass es sich bei dieser diastolischen 
Erschlaffung nicht um erregende, sondern um lähmende Vorgänge handle. 

Ich nehme aber ebenso wie Schmiedeberg an, dass es sich bei 
diesen beiden Wirkungsarten um Einwirkungen auf zwei verschiedene 
Fasergruppen im Herzen handelt und dass die Wirkung auf die äusseren 
diastolischen Faserschichten nur dann Zustandekommen kann, wenn die 
Nährflüssigkeit durch Diffusion dort hingelangt. Die verschiedenen Ionen 
verhalten sich hierbei wohl ungleich. Die Ionen der Erdalkalien dringen 
anscheinend ziemlich rasch hindurch und bewirken dabei wahrscheinlich 
auch Veränderungen in dem mechanischen Zustande der Herzmusculatur. 
Das Herz wird für Flüssigkeit durchlässig. 

Die von mir angewandte Versuchsanordnung liess ein solches Durch¬ 
lässigwerden sofort erkennen, da das Herz frei aufgehängt war und von 
aussen überspült wurde und nicht, wie bei dem früheren Williamsschen 
Apparat in einem Becher mit Nährflüssigkeit arbeitete. Infolge dieser 
Anordnung war es ohne weiteres festzustellen, wenn von der endocardial 
einwirkenden Nährflüssigkeit ein Teil durch die Herzwand hindurchdrang 
und dadurch aus dem geschlossenen Kreislauf austrat. Es zeigte sich 
dies sofort in einem Absinken des Niveaus in der den Kreislauf ver¬ 
sorgenden Vorratskugel. 

Und so sehen wir denn auch bei sämtlichen länger dauernden Ver¬ 
suchen mit Erdalkalisalzen ein solches Durchlässigwerden des Herzens, 
wenn nicht infolge Einwirkung höherer Concentrationen es bereits vorher 
zum systolischen Stillstand gekommen ist. Calciumsalze zeigen dieses 
Durchdringen der Herzwand schon in sehr niedrigen Concentrationen 


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124 


II. Kionka, 


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ohne dass gleichzeitig bereits diastolische Erscheinungen infolge Einwirkung 
auf die äusseren Faserschichten aufzutreten brauchen. 

Dies ist z. B. regelmässig der Fall bei Verwendung der üblichen 
Ringerlösung mit 0,024 pCt. CaCl 2 . Ein Versuch an meinem Apparat 
mit Verwendung von Ringerlösung als Nährflüssigkeit ergab, dass bereits 
nach 45 Minuten die angewandte Flüssigkeitsmenge von 50 ccm einmal 
durch das Herz gelaufen war. Nach 59 Minuten waren zum zweiten 
Mal 50 ccm durchgelaufen. Dabei zeigten die Pulse keinerlei Verände¬ 
rungen. Der Versuch wurde nach 60 Minuten abgebrochen. 

Diese Tatsache zeigt uns aber, dass die Verwendung von Ringer¬ 
lösung als Nährflüssigkeit bei der Prüfung derartiger Gifte wie es die 
Erdalkali-Ionen sind, nicht zulässig ist. 

Ich nehme an, dass meine in manchen Punkten von den Befunden 
Werschinins abweichenden Resultate zum grossen Teil ihren Grund 
darin haben, dass letzterer Ringerlösung, ich aber die oben raitgeteilte 
Blutlösung als Nährflüssigkeit zu den Versuchen verwandte. 

Da es also von grosser Wichtigkeit zur Beurteilung derartiger Wir¬ 
kungen am isolierten Froschherz ist festzustellen, ob etwa das Herz 
während des Versuches für die Flüssigkeit durchlässig wird, so er¬ 
scheinen mir auch alle Methoden für derartige Versuche unzulässig, bei 
denen das Herz seine Bewegungen mittels Häkchenschreibung aufzeichnet, 
denn die bei Anbringung des Häkchens unvermeidliche Verletzung des 
Herzmuskels kann diesen von vornherein durchlässig machen. 

Nach dem bisher Gesagten erschien es natürlich, dass, wie auch 
Werschinin schon behauptet hat, man bei exocardialer Darreichung 
diastolischen Stillstand erzielt auch bei Anwendung so hoher Concen- 
trationen, welche bei endocardialer Anwendung noch systolischen Still¬ 
stand hervorrufen. 

Dies geht auch aus meinen Versuchen hervor. Trotz Anwendung 
ausserordentlich hoher Concentration konnte ich nur in Versuch 35 mit 
CaClo überhaupt einen Herzstillstand in Diastole erzielen, aber auch in 
allen anderen Versuchen mit CaCl 2 , sowie mit BaCI 2 und SrCl 2 traten 
immer nur diastolische Erscheinungen auf. Nicht ein einziges Mal beob¬ 
achtete ich einen auch nur vorübergehenden Stillstand in Systole. 

Dass ich bei ausschliesslich exocardialer Einwirkung der Giftlösungen 
fast niemals Herzstillstand erreichte, lag daran, dass ich meine Versuche 
nicht gern länger als 60 Minuten lang ausdehnte. Ich bin der Ansicht, 
dass auch bei sorgfältigster Ueberwachung der Versuche ein am Frosch¬ 
herzapparat aufgehängtes isoliertes Froschherz nicht stundenlang voll¬ 
kommen normal arbeiten kann. Die schon beim Einbinden unvermeid¬ 
lichen Schädigungen, welche zunächst nicht erkennbar sind, und wohl 
auch manche andere unübersehbare schädigende Einflüsse, die das Herz 
während des Versuches treffen, werden schliesslich zu Störungen der 
ilerzaction führen müssen. Bei dem einen Herz werden diese früher, 
bei dem andern später eintreten. Wir können daher niemals mit Sicher¬ 
heit sagen, ob die nach stundenlangem Arbeiten eines isolierten ^Herzens 
am Apparat auftretenden Veränderungen in der Herztätigkeit herrühren 
von solchen uns in Art und Grösse nicht erkennbaren äusseren Schädi- 


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Die Wirkungen dor Erdalkalien auf das isolierte Frosohherz. 


125 


gungen oder von der Giftwirkung der von uns der Nährflüssigkeit zuge¬ 
setzten Substanz. 

Bei exocardialer Darreichung muss man also, wie gesagt, sehr hohe 
Concentrationen anwenden, um überhaupt Wirkungen am isolierten Herzen 
zu sehen. Das Herz ist offenbar gegen das Eindringen von Giften von 
aussen her sehr gut geschützt. Ganz undurchlässig ist es aber auch in 
in der Richtung von aussen nach innen nicht, wie auch aus meinen Ver¬ 
suchen hervorgeht. Lässt man nun, wie ich es in einer Reihe von Ver¬ 
suchen getan habe, die Giftlösung von aussen und von innen her ein¬ 
wirken, so wird sich einmal eine Verstärkung der Wirkung zeigen, 
zweitens aber auch die Art der Wirkung verändert sein derart, dass die 
diastolischen Wirkungen die systolischen Wirkungen überwiegen. 

Das ergibt auch ein Vergleich meiner oben mitgeteilten Versuche 
mit endocardialer und exocardialer Darreichung gegenüber den Versuchen 
nur mit endocardialer Vergiftung. Interessant und nach dem bisher 
Gesagten verständlich ist es, dass in einzelnen dieser Versuche bei dem 
Antagonismus zwischen den Einwirkungen der Giftlösung auf die systo¬ 
lischen Innenfasern und die diastolischen Aussenfasern es schliesslich zu 
einem Herzstillstand in einer ausgesprochenen Mittelstellung gekommen ist. 

Es ist anzunehmen, dass auch anderweitige Schädigungen des 
Herzens nicht nur ein früheres Eintreten der Giftwirkung bewirken 
könnten, sondern auch eine Veränderung dieser Wirkung in qualitativer 
Hinsicht derart, dass — vielleicht infolge erhöhter Durchlässigkeit eines 
Herzens — schon frühzeitig diastolische Erschlaffungszustände auftreten. 

Wenn man aber vergleichende Untersuchungen anstellen will, so ist 
Vorbedingung, dass das Material, an welchem diese Versuche gemacht 
werden, ein möglichst gleichmässiges ist. Aus diesem Grunde beob¬ 
achtete ich auch die oben schon erwähnten Vorsichtsraaassregeln in der 
Auswahl der zu den Versuchen benutzten Herzen. 

Diese Resultate zu berücksichtigen, ist von grosser Wichtigkeit bei 
der Frage nach der therapeutischen Verwendbarkeit dieser Salze. 

Bekanntlich wird seit Jahren bereits BaCI 2 gelegentlich anstelle von 
Digitalispräparaten bei Herzkranken verwendet. Das Bariumsalz ist 
wohl auch das einzige, welches wirksam genug ist, um es zur thera¬ 
peutischen Verwendung geeignet erscheinen zu lassen. Aber auch bei 
diesem ist das oben Gesagte zu beachten. Grosse Dosen bringen ja, 
wie wir gesehen haben, unbedingt am isolierten Herzen systolischen Still¬ 
stand zustande. Bei kleineren Dosen, wie wir sie doch therapeutisch 
von solchen Herzmitteln nur verwenden, kommen neben diesen systo¬ 
lischen Wirkungen auch allmählich die Wirkungen auf die diastolischen 
Aussenfasern zustande. 

Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Wirkungen früher eintreten 
bei einem erschlafften oder vielleicht in der Musculatur krankhaft ver¬ 
änderten Herzen. Dass solche diastolische Erschlaffungen gerade das 
Gegenteil sind von dem, was wir therapeutisch bei der Verwendung 
solcher JBerzraittel erzielen wollen, ist selbstverständlich. 

Aus diesem Grunde muss die Verwendung von Salzen der Erd¬ 
alkalien als Herzmittel bei Herzkranken äusserst bedenklich erscheinen. 


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126 H. Kionka, Die Wirkungen der Erdalkalien auf das isolierte Froschherz. 


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Literatur. 

1. Poulsson, Ueber die verschiedene Wirkung des Bariumchlorids auf das Frosch¬ 
herz bei innerlicher und ausserlicher Application. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. 
1910. Bd. 62. S. 365. 

2. W ers oh in in , Ueber die Herzwirkung der Bariumionen. Ebenda. 1911. Bd. 66. 
S. 191. 

3. Trend elenburg, Vergleichende Untersuchungen über den Wirkungsmechanismus 
und die Wirkungsintensität glykositischer Herzgifte. Ebenda. 1909. Bd. 61. S. 256. 

4. Schmiedeberg, Untersuchungen über die Bestimmung des pharmakologischen 
Wirkungswertes der getrockneten Blätter von Digitalis purpurea. Ebenda. 1910. 
Bd. 62. S. 307. 

5. Holste, Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. Zeitschr. f. exper. Path. u. 
Therapie. Bd. 15. 

6. Schmiedeberg, Ueber den Mechanismus der Hemmungswirkung am Herzen. 
Ein Beitrag zur Physiologie des Herzens auf Grund pharmakologischer Tatsachen. 
Arch. f. Anat. u. Physiol. Physiolog. Abt. 1.910. 


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XII. 


Aus dem pharmakologischen Institut der k. k. böhmischen Universität in Prag 
(Vorstand: Prof. K. Ritter v. Lhotak). 

Kritisches und Experimentelles über die cumulative 
Wirkung der Strophanthine. 

Von 

cand. med. Karel Klein, 

Demonstrator am Institut. 

(Mit 2 Abbildungen im Text.) 

I. 

Im Jahre 1904 veröffentlichte Albert Fraenkel eine Arbeit über 
die cumulative Wirkung der Digitaliskörper 1 ). Diese Arbeit ist die 
einzige neuere Arbeit, ausschliesslich dem Problem der Cumulation der 
Digitaliskörper gewidmet, ihre Ergebnisse werden auch überall in der 
Literatur angeführt, trotzdem man gegen die experimentellen Bedingungen 
derselben Verschiedenes einwenden kann. Deshalb wurde ich von Herrn 
Prof. Lhotak aufgefordert, die Arbeit Fraenkels einer Controlle zu 
unterziehen. Ich wählte deshalb die gleiche Methode, deren sich Fraenkel 
bediente und hatte anfangs die Absicht, die ganze Arbeit Fraenkels zu 
wiederholen, aber gleich bei den ersten Versuchen wurde meine Auf¬ 
merksamkeit auf ein anderes Gebiet abgelenkt, so dass diese meine 
Arbeit nur für einige Versuche Fraenkels als Controlle dienen kann. 
Da aber Fraenkels Ergebnisse bei allen von ihm untersuchten Sub¬ 
stanzen ira Grunde identisch waren, so bin ich sicher berechtigt, auf 
Grund der Untersuchungen über Strophanthine und das Ouabain Hoff- 
mann-La Roche die ganze Arbeit Fraenkels zu beurteilen, soweit es 
natürlich überhaupt erlaubt ist, die einzelnen Digitaliskörper untereinander 
zu vergleichen. 

Die Experimente wurden an Katzen ausgeführt. Als Indicator der 
Wirkung wurde zuerst nach Fraenkels Muster die Pulsfrequenz ge¬ 
wählt, wobei natürlich alle anderen Vergiftungserscheinungen sorgfältig 
beobachtet wurden. Die Pulsfrequenz wurde mittels Mareyschen Cardio- 
graphen am Kymographion registriert, was, wie bekannt, nach ganz kurzer 
Zeit beinahe bei allen Tieren sehr glatt gelingt. Fraenkel hält die 
Veränderungen der Pulsfrequenz für „einen sicheren Gradmesser 
für die Veränderung der Kreislaufverhältnisse durch Digitaliskörper“, so 
dass er das Recht zu haben glaubt, „aus dem Eintritt und aus der Stärke 


1) A. Fraenkel, Vergleichende Untersuchungen übor die cumulative Wirkung 
der Digitaliskörper. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 51. 


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128 


Karel Klein, 


der Pulsverlangsamung auf das Bestehen einer Digitaliswirkung und auf 
den Grad derselben zu schliessen u . 

Dieser Gradmesser schien uns gleich bei den ersten Versuchen etwas 
unzuverlässig, denn es fiel uns auf, dass verschiedene Tiere grosse Dif¬ 
ferenzen in der Pulsfrequenz aufweisen. Und gleich anfangs stellte sich 
heraus, dass man unsere Versuchstiere ungefähr in zwei Typen teilen 
kann, und zwar in Katzen mit einer normal hohen Pulsfrequenz (mehr 
als 200 in der Minute) und in Katzen mit einer niedrigen Pulsfrequenz 
(unter 200 in der Minute). Fraenkel notiert diese für experimentelle 
Arbeit überaus wichtige Tatsache nicht; als normale Pulsfrequenz hält 
er 200—250 Schläge pro Minute und bemerkt auch nicht, dass er nur 
gewisse Tiere zu den Versuchszwecken gewählt hätte. Er bemerkt nur, 
dass „einzelne widerspenstige Tiere ausgeschaltet werden müssen“. Im 
Gegenteil, er hebt hervor, dass „im Vergleich zu anderen toxikologischen 
Gruppen bei den Digitaliskörpern die Individualität des einzelnen Ver¬ 
suchstieres eine sehr geringe Rolle spielt“. Diese Behauptung Fraenkels, 
insbesondere soweit sie die Pulsfrequenzveränderung betrifft, können wir 
nicht bestätigen, im Gegenteil: unsere Versuche zeigen, dass die Beur¬ 
teilung der Veränderungen der Pulsfrequenz mit einer besonderen Vorsicht 
geschehen muss und dass einzelne Tiere mit verschiedenen Verände¬ 
rungen der Pulsfrequenz reagieren. Als Versuche, die diesen Schluss 
befestigen sollten, schon abgeschlossen waren und ich Analogien aus der 
menschlichen Pathologie sammelte, fand ich in einer anderen Arbeit von 
Fraenkel diesen interessanten Passus 1 ): „Bei dem gleichmässigen Material 
gesunder Tiere stellte sich bei nichttoxischen Dosen die Pulsverlangsamung 
als eine so regelmässige Erscheinung ein, dass sie als Gradmesser für 
die Digitalis Wirkung dienen konnte, aber auch bei diesen Versuchen 
mussten zeitweise Tiere (Katzen) ausgeschaltet werden, welche, ohne 
krank zu sein, einen gegen die Norm langsamen Puls zeigten.“ Es ist 
unbegreiflich, warum Fraenkel in seiner experimentellen Arbeit diese 
für die Experimentatoren sicher wichtige Tatsache überhaupt nicht 
erwähnte, und sogar die Gleichheit der Reaktion einzelner Versuchstiere 
betonte. In der angeführten Bemerkung Fraenkels sehe ich einen 
Beweis gegen seine und für meine entgegengesetzte Behauptung. 

Als Beweis, was für eine Rolle der individuelle Vagustonus spielt, seien 
einige Versuche angeführt. 

Tabelle I. 

Katze 20. J _ Katze 13. 


8 

3 

- 4 -» 

CÖ 

Q 

Zeit 

Puls¬ 

frequenz 

Bemerkungen. 

s 

Datum 

Zeit 

Puls¬ 

frequenz 

Bemerkungen. 

10. 4. 

_ 

276 


10.4. 

_ 

180 


11.4. 

— 

272 


I 

— 

164 


12.4. 

— 

268 


1 

— 

170 


13. 4. 

— 

23G 

i 


-- 

160 


14. 4. 


220 

I 

— 

160 


15.4. 


216 


1 


188 


16. 4. 

— 

230 


1 

— 

204 



1) A. Fraenkel, Ueber Digitalistherapie. Ergehn, d. inn. Med. Bd. 1. 


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Kritisches und Experimentelles über die cumulative Wirkung der Strophanthine. 129 


Katze 26. 



K atze 

13. 

i 

Datum ( 

-! 

Zeit 

Puls¬ 

frequenz 

Bemerkungen. 

Datum. 

I 

Zeit 

Puls¬ 

frequenz 

Bemerkungen. 

17. 4. 

_ 

180 




180 


18. 4. 

— 

270 



— 

156 


19. 4. 

— 

240 



— 

192 


20. 4. 

10 h 55' 

236 

Katze wiegt 2760 g. 

20.4. 

10 h 50' 

170 

Katze wiegt 3150 g. 


11 h 25' 

268 

10 h 57' Injection von 


— 

196 (204) 

10 h 52' Injection von 


11 h 45' 

— 

0,15 mg Strophanthin j 


— 

216 

0,15 mg Strophanthin 


12 h 10' 

240 

Boehringer. Kein Er- | 


— 

212 

Boehringer. KeineVer- 


12 h 20' 

260 

brechen u. keine Ver- I 


— 

208 

giftungserscheinung. 


1 h 10' 

224 

giftungssymptome. : 


— 

208 

nach der Injection. 


1 h 35' 

212(240) 

(Die eingeklammerten : 


— 

192 



1 h 55' 

212 

Zahlen gebend. Maxi- , 


— 

216 



2 h 15' 

208 

mum d. Pulsfrequenz 


— 

220 



2 h 40' 

196 

an, wenn wählend der 


— 

192 



3 h 05' 

192 

Registrierung d. Puls 


— 

170 (220) 



3 h 45' 

184(240) 

unregelmässig war.) 


— 

204 



4 h 10' 

212 




180 



4 h 45' 

212 


| 

— 

208 ! 



5 h 20' 

184 


1 

— 

180(196) 



6h 

172 



— 

172 



7 h 36' 

204(248) 



— 

152 


21.4. 

8 h 15' 

212 

Keine Injection. 

21.4. 

— 

188 



8 h 45' 

176 

Tier munter. 


— 

132(160) 



9 h 30' 

220 



— 

132(160) 



10 h 40' 

204 



— 

168 



12 h 05' 

180 



— 

140 

Injection wie gestern. 


1 h 45' 

156 


’i 

lh 45' 

152 

Nach 20' Erbrechen. 


2 h 05' 

152 


;l 

2 h 05' 

168 (200) 

1 h 20' wieder „ 


2 h 20' 

140 



2 h 20' 

172 

1 h 45' „ 


3 h 15' 

200 



2 h 50' 

180 

Den ganzen Nach¬ 


4h 

180 



8 h 15' 

184 

mittag während der 


4 h 35' 

160 



3 h 30' 

208 

Pulsregistrierung 


5 h 10' 

160 



4h 

188 

Salivation. 

22. 4. 

8 h 30' 

192 


|! 

4 h 15' 

196 



10 h 05' 

157 


h 

4 h 35' 

224 



12h 

172 


l! 

Ij 

5 h 10' 

188(204) 


23. 4. 

— 

172 


1 

5 h 40' 

170 


24. 4. 

— 

192 


i 

6h 

192 

Keine Injection. 

25.4. 

— 

180 


22.4. 

8 h 10' 

160 


26. 4. 

— 

200 



8 h 30' 

156 


27.4. 

— 

232 



12h 

156 

Tier gesund. 

28. 4. 

— 

200 


23. 4. 

— 

160 






24. 4. 

— 

156 






25.4. 

— 

156 



Aus der Tabelle ist ohne weiteres ersichtlich, dass Strophanthin 
Boehringer in grösseren Dosen, die aber noch keine Vergiftungserschei¬ 
nungen hervorrufen, eine grosse Labilität der Pulsfrequenz herbei¬ 
führt, so dass Tachycardie mit Bradycardic in kleinen Intervallen wechselt. 
Bei der Katze 13, die normal eine niedrige Pulsfrequenz hat, kann 
man zugleich beobachten, dass der Puls mehr zu einer Beschleunigung, 
als zu einer Verlangsamung tendiert, bei der Katze mit normal hoher 
Pulsfrequenz ist eine langsam fortschreitende Verlangsamung bemerkbar. 
Es ist selbstverständlich, dass diese Beschleunigung bzw. Verlangsamung 
der Pulsfrequenz nicht mit der mathematischen Regelmässigkeit einer 
chemischen Reaktion vor sich geht, es handelt sich ja um eine sehr 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. IM. <j 


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130 


Karel Klein, 


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subtile biologische Erscheinung; aber eine allgemeine Tendenz zur 
Pulsbeschleunigung bei Tieren mit normal langsamer Pulsfrequenz 
und zur Pulsverlangsamung bei Tieren mit normal hoher Puls¬ 
frequenz ist bei dieser Versuchsanordnung evident. Diese auf den ersten 
Blick vielleicht paradoxe Erscheinung ist aber nicht ohne Analogien. 
Wie die pharmakologischen Untersuchungen der letzten Zeit lehren, hängt 
die Wirkung einer Substanz in hohem Masse von dem Zustand der 
Organe ab, auf die sie zu wirken hat. Und da beobachtete man ein 
interessantes Factum, dass nämlich toxisch wirkende Substanzen oft das 
Organ in einen Zustand zu überführen trachten, der dem entgegengesetzt 
ist, in dem das Organ vor der Wirkung des Toxicums sich befand. So 
beobachtete Vanysek 1 ) in unserem Institute, dass ein Hypertonus der 
glatten Muskel durch verschiedene Substanzen erniedrigt und Hypotonus 
durch dieselben Substanzen erhöht wird. Dale 2 ), um noch ein Beispiel 
anzuführen, gibt an, dass p-Hydroxyphenylaethylamin den trächtigen 
Katzenuterus zur Contraction bringt, bei nichtträchtigem Zustand aber 
umgekehrt die Contractionen hemmt. Es ergibt sich aus dem Gesagten 
eine wohl berechtigte Hypothese, dass wir es bei unseren Katzen mutatis 
mutandis mit einer ähnlichen Erscheinung zu tun haben: das Strophanthin 
zeigt das Bestreben, das Herz in einen seinem früheren Zustande ent¬ 
gegengesetzten Zustand überzuführen. Die Pulsverlangsamung, die man 
endlich manchmal auch bei den „langsamen“ Tieren beobachtet, ist nie 
so ausgeprägt wie bei den „schnellen“ und stellt sich immer später 
ein. Im Lichte dieser Versuchsergebnissc können wir sicher Fraenkel 
nicht zustimracn, wenn er alle Katzen als „gleichmässiges“ Material be¬ 
trachtet. 

Aber man könnte vielleicht einwenden, dass es sich in den ange¬ 
führten Versuchen um ziemlich grosse Dosen handelte, Fraenkel aber 
mit kleinen Gaben arbeitete, so dass die Verhältnisse nicht identisch 
waren. Aber wir verfügen über Experimente, die mit voller Sicherheit 
zeigen, dass die individuellen Schwankungen der Pulsfrequenz eine grosse 
Rolle spielen können, so dass sie manchmal einer richtigen Beurteilung 
des Versuches im Wege stehen. Die Pulsfrequenz einer normalen 
Katze ist nämlich nicht so constant, dass man mit Sicherheit 
bestimmen könnte, wo eine Veränderung gegen die Norm be¬ 
ginnt, insbesondere wenn es sich um kleine Abweichungen 
handelt 3 ). Es ist dann im Laufe des Versuches manchmal sehr schwer 
zu beurteilen, wo die Wirkung der applicierten Dosis beginnt und wo 
man noch mit den normalen Schwankungen zu tun hat. Die lnconstanz 
der Pulsfrequenz einer normalen Katze wollen wir durch das Schema 
der Pulsfrequenz zweier Katzen demonstrieren, die wir als Controlle zu 
anderen Zwecken benutzten und die täglich 0,25 ccm destilliertes Wasser 


1) Vanysek, 0 ücinku nekterych lätek na tonus hladkeh ovalu. Lek. Rozl. HI. 

2) II. H. Dale, The active principles of Ergot. Brit. ined. journ. 1910. p. 1610. 

3) Es ist natürlich möglich, dass Fraenkel zufällig Tiere mit regelnlässigerer 
Pulsfrequenz in die Hände bekam als wir, so dass ihm dieser Umstand nicht so sehr 
auftiel. 


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Original fro-m 

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Kritisches und K^rbnenteU^ über di ö cunmlative Wirkung der Sir^pbanHmie, 131 

subcnta.n mjicu*rt bekamen, aber m\si unter genau denselben Bedingimgen 
lebten, wie alj^ anderen in den Yersuehen. gebrauekten^ Tiere (4b* 
bildungen 1 und 2). 

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Scliema der pevlmtisclmn SfifvwaftkiiQgeai der Pulsfrerjueo?. bei der Katze 18- 


Aus di- io Schema kann mtai Jejptrt ersehen, dass hei beiden Tieren 
Perioden einer hohen . PuI s/rei|uon:? mi'. solchen, in denen e in :■ 
niedrige Put>fre-‘iuet'rv k im Vordet gfijnil Sldrt* uim-s-elrnässig 
WÖciocln, Wir hiiibwa am?di-üek}i>.h,. Üäbs {s£'slgij um langere Pe- 
nodan. handelt. und sucht uns einen /uh'ilbgrn KTunii an dem oder-jenem 
Tage. Man findet also Kd einer normalen Kat/,« Törtockm in der l’uls- 
IVeijneiiJe die .mit der)fehigtm identisch sind, die man durch Yeiabrendiüng 
der .Lb'gitaliskörfmr bcrvcuriden kann,. W'o haben wir daun du- Siebcrheu, 
dass man m dem oder jenem Versnobe. wirkliej) mit eiiier UtemilisW.ijffcMrtg. 
zu tun hat? Ans ihua f besagten . geht ab« heiMir das* m.m de Vor- 



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132 


Karel Klein, 


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ändcrung der Pulsfrequenz nur dann als einen verlässlichen Indicator der 
Digitaliswirkung betrachten kann, wo die Veränderung eine auffallende, 
andauernde und jede Zufälligkeit ausschliessende ist. 

Den Versuchen von Fraenkel haftet aber noch ein anderer ex¬ 
perimenteller Mangel an, dem man leider in vielen pharmakologischen 
Arbeiten begegnet. Die angewandte Dosis wird nämlich nur pro Kilo¬ 
gramm Tier angegeben und die so erreichten Ergebnisse werden unter¬ 
einander verglichen. In der Arbeit Fraenkels vermissen wir auch bei 
einigen Versuchen die Angabe über das Gewicht des Tieres, so dass man 
sich keine Vorstellung über die gesamte angewandte Gabe machen kann. 
Dass man durch dieses Vorgehen zu einer falschen Vorstellung über den 
Grad der VVirkungsstärke der einzelnen Substanzen gelangt, ist ohne 
weiteres klar und durch sorgfältige Berechnung der Fraenkelsehen 
Tafel kann man dann auch das Gegenteil dessen erschliessen, wozu 
Fraenkel gelangte. (An der Richtigkeit der Ergebnisse der Fraenkcl- 
schen Arbeit wollen wir natürlich nicht zweifeln, sie waren ja schon auf 
Grund der klinischen Beobachtung mit Sicherheit zu erwarten, wir wollen 
nur hervorheben, dass die Fraenkelsehen Tafeln nicht zu jenen Folge¬ 
rungen zwingen.) Es ist also notwendig, falls man vergleichbare Er¬ 
gebnisse erzielen will, auch die gesamte applicierte Gabe nicht ausser 
acht zu lassen und nicht nur die Dosis pro Kilogramm als Grundlage 
zu stellen. Dass auch diese Dosis eine Rolle spielt, ist selbstverständlich. 
Es ergibt sich daraus also die Folgerung, dass man zu Versuchen, die 
man miteinander vergleichen will, nur Tiere von möglichst gleichem 
Gewicht wählen darf, damit der Dosis pro Kilogramm ebenso wie der 
Gesamtdosis Rechnung getragen werde. Als Beweis für die Richtigkeit 
dieser Folgerung seien folgende Versuche angeführt. 


Tabelle II. 


Katze 4. 

Im Institut seit 15. 8. 1913. 

2. 9. Katze wiegt 3700 g. 9 Uhr 50 Min. 
Iojection von 0,2 mg Strophanthin 
Boehringcr, d. h. ungefähr 0,05 mg 
pro Kilogramm. 

3.9. Dieselbe Injcction. Etwa l / 2 Stunde 
später Erbrechen, das sich nach¬ 
mittags einigemal wiederholt. 

4. 9. Tier frisst nicht, keine Injcction. 

9. 9. Vollkommen gesund; 10 Uhr 45 Min. 
Injection wie am 2. 9. 

10. 9. 12Min. lOMin. Injection wie gestern, 
etwa 20 Min. nachher einigemal Er¬ 
brechen, das sich dann noch wieder¬ 
holt. 

11.9. 11 Uhr 45 Min. dieselbe Injection, 
etwa 20 Min. nachher Erbrechen. 
1 Uhr 45 Min. tot aufgefunden. 


Katze 5. 

Im Institut seit 27. 8. 1913. 

9.9. Katze wiegt 2120 g. 10 Uhr 37 Min. 
Injection von 0,1 mg Strophanthin 
Boehringer, d. h. etwa 0,05 mg pro 
Kilogramm. 

10.9. Injection wie am 9. 9., nachmittags 
einmal Erbrechen. 

11.9. Dieselbe Injection, Dachmittags 
einigemal Erbrechen. 

12.9. Tier frisst wenig, keine Injection. 
13. 9. Gesund. 

IG. 9. Injection wie am 9.9. 

17.9. Dasselbe, kein Erbrechen. 

18.9. Dasselbe, etwa 1V 2 Stunden nach¬ 
her Erbrechen. 

19. 9. Injection wie gestern, etwa V 2 Stunde 

nach der Injection Erbrechen. Saliv. 

20. 9. Dasselbe, Erbrechen, Salivation. 

21.9. Tier frisst nicht, dieselbe Injcction, 
etwa 2 Std. nachher tot aufgefunden. 


In beiden Versuchen wurde die gleiche Dosis pro Kilogramm, 
aber verschiedene Gesamtdosis injiciert. Katze 4 zeigt schon nach 
der 2. Injection schwere Vergiftungssymptome und unterliegt bei Wieder- 


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Kritisches und Experimentelles über die cuniulative Wirkung der Strophanthin©. 133 

holung des Versuches nach der 3. Injection, Katze 5 zeigt schwerere 
Vergiftungssymptome erst nach der 3. Injection und erträgt bei wieder¬ 
holtem Versuch 6 Gaben, bevor sie dadurch getötet wird. Es ist klar, 
dass da die Gesamtdosis entschieden hat; aber dass man auch die 
Dosis pro Kilogramm Tier nicht vernachlässigen darf, zeigt ein Vergleich 
des Versuchs Nr. 4 mit Nr. 8. 


Tabelle 111. 

Katze 8. (Im Institut seit 3. 9. 1913.) 

9. 9. Katze wiegt 2000 g. 10 Uhr 30 Min. Injection von 0,2 mg Strophanthin Boehringer, 
d. h. Gesamtdosis wie Katze 4, aber zweifache Gabe pro Kilogramm. Etwa 
1 Stunde nachher Erbrechen. 

10. 9. Frisst, keine Injection. 

16.9. 12 Uhr 10 Min. lüjection wie am 9.9. Nach 40 Min. Erbrechen, das sich im 
Laufe des Nachmittags einigemal wiederholt. 

17. 9. Läuft im Stalle herum, frisst. 11 Uhr 45 Min. die Hälfte der gestrigen Gabe 
subcutan injiciert. Nach 1 Stunde zweimaliges Erbrechen. Um 2 Uhr tot auf¬ 
gefunden. 

Diejenige Gesamtdosis, welche bei Katze 4 keine Vergiftungs¬ 
erscheinungen hervorrief, verursachte hier eine schwere Vergiftung und 
beschädigte bei Wiederholung des Versuches den Organismus in dem 
Masse, dass am folgenden Tage nur die halbe Dosis zur tödlichen Ver¬ 
giftung genügte. Offenbar war da wieder die Dosis pro Kilogramm 
im Spiele. 

Tabelle IV. 

Katze 25 (vgl. Katze 2 und 7). — Ina Institut seit 8. 4. 1914. 

20. 4. Katze wiegt 2400 g. Injection von 0,05 mg Strophanthin Boehringer. Dieselbe 
Injection wird dann täglich wiederholt. 

22. 4. Etwa 45 Min. nach der Injection zweimaliges Erbrechen. 

27. 4. Injection auf 0,04 mg herabgesetzt und von diesem Tage ab täglich nur 0,04 mg 
injiciert. 

29.4. Salivation, die sich bis zum 8. 5. während der Pulsrcgistrierung wiederholt. 
(Näheres siehe die folgende Arbeit.) 

11.5. Tier sehr matt, keine Salivation. 

18.5. Nachts gestorben. 

Dieses Experiment soll demonstrieren, wie man mit der Individualität der einzelnen 
Tiere zu rechnen hat. Das Tier geht vor Ablauf eines Monats nach Gaben zugrunde, 
welche andere Tiere 2 bzw. 10 Monate vertrugen! Darf man da behaupten, dass die 
Individualität der Tiere eine geringe Rolle spielt? 

Durch diese Bemerkungen und Versuche wollten wir näher die 
Versuchsbedingungen bestimmen, denn dies gehört nach unserer Ansicht 
zu den ersten Aufgaben der experimentellen pharmakologischen Forschung 
und unterscheidet auch am meisten das Experiment von der klinischen 
Beobachtung. Es wurde festgestellt: 

1. Die Veränderungen der Pulsfrequenz können nur mit 
grösster Vorsicht als Indicator der Digitaliswirkung 
benutzt werden. 

2. Katzen mit normal langsamer Pulsfrequenz reagieren 
anders (mit Pulsbcschlcunigung) auf Strophanthin- 
injectioncn als Katzen mit normal hoher Pulsfrequenz; 
sie sind deshalb zu derartigen Versuchen nicht gut ge¬ 
eignet. 


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Karel Klein, 

3. Die normale Pulsfrequenz der Katze ist periodischen 
Schwankungen, die einen Unterschied bis zu 80 Schlägen 
pro Minute aufweisen, unterworfen. 

4. Die Individualität der einzelnen Versuchstiere spielt 
demnach eine grosse Rolle. 

5. Die wirksame Gabe muss nicht nur pro Kilogramm, 
sondern auch in ihrer Gesamtheit bestimmt werden, 
denn beides übt einen Einfluss auf das Ergebnis des 
Versuches aus. 


II. 

Versuche mit Strophanthin Boehringer. 

Alle Versuchstiere wurden vor der Verwendung einige Zeit im Institute 
gehalten und der Puls wurde täglich registriert, einerseits um die an¬ 
nähernd normale Pulsfrequenz des betreffenden Tieres zu ermitteln, anderer¬ 
seits um die Tiere an die Pulsregistrierung zu gewöhnen. Bei den Ver¬ 
suchen wurde die Pulsfrequenz immer unmittelbar vor der Injection 
registriert und dann in einzelnen Versuchen einigeraal am Tage. Die 
Lösungen, die bei allen Tieren subcutan injiciert wurden, wurden jede 
Woche frisch hcrgestellt. In dieser Frist bleibt, wie durch spcciellc 
Versuche an Froschher?en festgestellt wurde, ihre Wirkungsstärke un¬ 
verändert. 

Tabelle I zeigt den Verlauf der Wirkung einer grossen Gabe. Aus 
dem Versuch 26 ist ersichtlich, dass die Pulsverlangsamung sich etwa 
nach 4 Stunden einstellt, die Verlangsamung nimmt dann fortwährend zu, 
um ihr Maximum den nächsten Tag zu erreichen. Den zweiten Tag nach 
der Injection kann man einePulsverlangsamung auch bei normal „langsamen“ 
Katzen wahrnehmen, wo sie am Tage der Injection nicht nachweisbar 
war. Ganz analoge Verhältnisse zeigt der Versuch 4 und 5, deren 
Protokolle schon oben angeführt wurden. Es ist bei diesen Versuchen 
noch hervorzuheben, dass beide Katzen zum „langsamen“ Typus ge¬ 
hörten, so dass bei ihnen eher von einer Beschleunigung als von einer 
Verlangsamung der Pulsfrequenz gesprochen werden kann. Es sind dies 
also ähnliche Vorgänge, wie wir sie bei Katze 13 näher beschrieben 
haben. 

Das Erbrechen, das sich nach grösseren Gaben einstellt, kann man 
manchmal schon innerhalb 45 Minuten, längstens 2 Stunden nach der 
Injection beobachten, was die rasche Wirkung des Strophanthins sehr 
schön demonstriert. Das Erbrechen wiederholt sich noch im Laufe der 
nächsten 6—7 Stunden. Nach dieser Zeit pflegen die Tiere nicht mehr 
zu erbrechen. Es ist interessant zu bemerken, dass diejenige Wirkung 
des Strophanthins, welche das Erbrechen verursacht, nicht parallel geht 
mit der Herzwirkung des Strophanthins; auf diese Discrepanz der Wirkung 
auf einzelne Teile des Organismus wird später noch eingegangen werden. 

Wenn einmal die Herzwirkung eingetreten ist, hält sie dann sehr 
lange an, was am besten durch den Versuch 3 demonstriert werden kann, 
wo noch am 23. Tage nach der Injection die Pulsfrequenz nicht normal ist. 


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Kritisches und Experimentelles über dio cumulativo Wirkung der Strophanthine. 135 


Tabelle V. 


Katze 3. 


Datum 

Zeit 

Pulsfrequenz 

Bemerkungen. 

Bis zum 




4. 7. 

— 

208-230 

Wiegt 2540 g. 9 Uhr früh lnjection 0,25 mg 

5. 9. 

9 Uhr 

224 

Strophanthin Boehringer (0,1 pro Kilogramm). 


JO „ 

196 

Nachher Erbrechen. 


3 * 

210 



5 „ 

200 



6 * 

210 


6. 7. 

9 „ 

160 

Frisst, keine lnjection. 

7. 7. 

— 

1 190 


8. 7. 

— 

176 


bis zum 




27. 7. 

— 

170-180 

An einzelnen Tagen sinkt die Pulsfrequenz bis 




auf 164, bzw. steigt bis auf 220 Schl, pro Min. 

28. 7. 

— 

212 

lnjection wie am 5. 7., Erbrechen 1 Stunde 


2 Uhr 

200 

nach der lnjection. 


3 „ 

160 



4 „ 

216 



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168 


29. 7. 


172 


30. 7. 

— 

170 


31. 7. 

— 

208 


1. 8. 

— 

200 


2. 8. 

— 

180 


3. 8. 

— 

192 


4. 8. 

1 i 1 ^ Uhr 

192 

lnjection wie am 5. 7., Erbrechen. 


12 „ 

220 



2 * 

200 



3 * 

232 



4 * 

228 



5 * 

216 



6 ■ 

210 


5. 8. 


190 

Munter. 

6. 8. 

— 

184 


7. 8. 

— 

200 


8. 8. 

— 

208 

lnjection wie am 5. 7., nach l / 2 Stunde Er¬ 


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brechen, in 2 Stunden tot aufgefunden. 


Die intensive Nachwirkung zeigt auch die weitere Verfolgung des 
Versuchs 3, wo wir in immer kleineren Intervallen grosse Gaben injicierten, 
um. Cumulation zu erzielen. Aus Tabelle 5 geht hervor, dass die Gabe 
0,25 mg wiederholt appliciert, bei der vierten lnjection zum Tode führt, 
obzwar seit der letzten lnjection schon 4 Tage vergangen waren und das 
ganze Benehmen des Tieres nichts von der Norm Abweichendes zeigt. 
Diese erhöhte Wirkung einer an sich nicht tödlichen Dosis kann man 
einerseits durch eine wirkliche Cumulation, d. h. durch Aufspeicherung 
des Strophanthins im Organismus bzw. im Herzen erklären, andererseits 
aber durch herabgesetzte Widerstandsfähigkeit des Herzens, welches 
wiederholt der Strophanthinwirkung unterworfen wurde. Diese Erscheinung 
ist besonders auffallend in der chronischen Strophanthinvergiftung, wie in 
einer anderen Arbeit gezeigt werden wird. Dieselbe Beobachtung machte 
auch Prof. v. Lhotäk 1 ) und nennt diese intensivere Reaktion des wieder- 

1) K. Lhotak v. Lhota, Untersuchungen über die vagusläbmende Wirkung der 
Digitaliskörper. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 58. 


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136 


lvarel Klein, 


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holt vergifteten Herzens paradoxe Curaulation. Er erklärt sie auch 
durch „herabgesetzte Lebensfähigkeit des Herzens“. Dass aber auch 
sehr viel Strophanthin im Organismus bleiben muss, zeigt der früher er¬ 
wähnte Versuch 8, wo am 2. Tage nach Application einer stark toxischen 
Dosis schon die Hälfte einer an sich sicher überhaupt nicht toxischen 
Dosis zur tödlichen Vergiftung genügt. 

In den weiteren Versuchen trachteten wir die Cumulation durch 
tägliche Injectionen von Gaben herbeizuführen, die an sich scheinbar 
überhaupt ohne jede Wirkung sind. Durch solche Dosen gelang es 
Fraenkel, wie es auch in unseren Versuchen gelang, eine merkliche 
Pulsverlangsamung und aridere Wirkungssymptome erst nach einigen Tagen 
zu erzielen und cs ist dann möglich, Tiere längere Zeit hindurch unter 
der typischen Digitaliswirkung zu erhalten, ohne dass sich Vergiftungs¬ 
symptome einstellen. Fraenkel nennt solche Dosis die therapeutische 
Dosis, denn sie lässt sich in Analogie bringen mit kleinen Digitalis¬ 
gaben, die man bei der chronischen Digitalistherapie beim Menschen 
verwendet. Zuerst seien einige Versuchsprotokolle angeführt. 

Tabelle VI. 

Katze 6. (Tier im Institut seit 27. 8. 1913, Puls täglich registriert.) 

9. 9. Katze wiegt 2590 g. Injection von 0,075 mg Strophanthin BocbriDger. Nach¬ 

mittags Erbrechen. Puls normal. 

18.9. und dann täglich dieselbe Injection bis zum 1. 10. Insgesamt also wurden 
16 + 1 Gaben injiciert. 

Bis zum 21.9. Pulsfrequenz 200—240 pro Minute. 

22.9. Pulsverlangsamung, die dann bis zum 1. 10. andauert. Pulsfrequenz bewegt 
sich zwischen 150—180 Schläge pro Minute, gegen 195—220 in der Norm. Am 
22. 9. Erbrechen, dann bis zum 1. 10. ohne Vergiftungssymptome. 

2. 10. früh. Tier frisst. Etwa y 2 ll Uhr sehr schwach, Atmung sehr beschleunigt. 

Pulsfrequenz 192. Um 12 Uhr während der Pulsregistrierung Herzspitzenstoss 

kaum fühlbar, und das Tier wurde plötzlich von klonisch-tonischen Krämpfen 
befallen. Salivation. Der Krampfanfall dauert etwa 1 Minute. 12 Uhr 13 Min. 
ähnlicher Krampfanfall, Pupille dilatiert. 12 Uhr 34 Min. Krämpfe wiederholen 
sich, der Anfall dauert über 3 Minuten, Atmung sehr beschleunigt. Nachher 
liegt das Tier bewegungslos. 1 Uhr 15 Min. macht spontan einige Schritte, nach¬ 
mittags Erholung bemerkbar, keine Injection. 

3. 10. frisst, nichts Abnormes bemerkbar, Keine Injection. 


Tabelle 

Katze 2. i 

In dem Institut seit 20. 6. 1913. ' 

25. 6. Tier wiegt 2500 g. Injection von ] 

0,05 mg Strophanthin Boehringer. 

26. 6. Keine Injection. 

27. 6. und dann täglich dieselbe Injection 

wie am 25. 6. 

1.7. Pulsverlangsamung von normalen 
210-240 auf 150-180. 

25. 7. Extreme Pulsverlangsamung (128). 
26.7. 152 Schläge pro Minute. Bei der 
Pulsregistrierung Salivation. Diese I 
reflectorische Salivation wiederholt * 
sich dann bis zum Tode des Tieres. 

20. 8. Apathie bemerkbar. 

21. S. Dasselbe. 

22. 8. nachmittags im ganzen nichts Auf¬ 

fallendes bemerkbar, Pulsfrequenz ' 
zeigt keine Abweichung gegen vorher- I 
gehende Tage. i 

23. 8. früh tot aufgefunden. I 


VII. 

Katze 7. 

In dem Institut seit 1. 9. 1913. 

9. 9. Tier wiegt 2550 g. Injection von 
0,05 mg Strophanthin Boehringer, 
und dann täglich dieselbe Injection. 

14.9. Pulsvcrlangsamung von normalen 
200—220 bis auf 150—180. Diese 
Ketardation dauert dann mit kleinen 
Schwankungen bis zum Tode des 
Tieres an. Im zweiten Monat des 
Versuchs Pulsfrequenz etwas höher, 
160 — 190 Schläge pro Minute. 

16.9. Erbrechen. 

19.9. und dann täglich reflectorische 
Salivation bei der Pulsregistrierung. 

1.11. Erbrechen. 

25. 11. frisst, nichts Abnormales bemerk¬ 

bar, nachmittags zweimal Erbrechen. 

26. 11. früh tot aufgefunden. 


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Kritisches und Experimentelles über die cumulative Wirkung der Strophanthine. 137 


Der Vergleich der Versuche 2, 6 und 7 zeigt, dass die Individualität 
des Tieres eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt, wodurch wir 
eine weitere Stütze unserer früheren Behauptung erhalten. Alle drei Katzen 
haben beinahe das gleiche Gewicht, so dass man die gefundenen Reaktions¬ 
verschiedenheiten nur durch die verschiedene Individualität jedes einzelnen 
Tieres erklären kann. Sonst wäre cs unbegreiflich, dass sich die Puls¬ 
verlangsamung bei der Katze 6 erst nach 6 Injectioncn, bei den Katzen 2 
und 7 dagegen schon nach 4 Injectionen einstellt, obzwar diese eine 
um Vs kleinere Dosis pro Kilogramm und dadurch auch eine entsprechende 
kleinere Gesamtgabo bekamen. Die verschiedene Individualität äussert 
sich auch bei Vergleich der Katze 2 mit 7. Katze 2 erbricht während 
des ganzen Versuchs überhaupt nicht, Katze 7 erbricht dagegen einigemal. 
Der Salivationsreflex stellt sich im Versuch 7 viel früher ein als im 
Versuch 2, Katze 7 geht etwa um 14 Tage später zugrunde als Katze 2. 

In allen drei Versuchen kann man eine Schwankung der Symptome 
beobachten, so dass man den Eindruck gewinnt, als ob das Tier in der 
einen Zeit mehr der Strophanthinwirkung unterliege als in der anderen. 
Das einzige Symptom, bei dem man keine Schwankungen beobachten 
kann, ist die Salivation, die sich reflektorisch bei der Pulsregistrierung 
und lnjection einstellt 1 ). Auf diese Periodicität der Symptome in einer 
protrahierten Vergiftung durch Digitaliskörper machte schon Heide 2 ) 
aufmerksam und hält sie für einen Beweis, dass „die Wirkung des 
Digitalins und Helleboreins auf das Herz bei fortgesetzter Anwendung 
keine rein cumulative ist. Es zeigt sich auch eine Accommodation durch 
Gewohnheit.“ Auch Lhotäk 3 ) beobachtete bei seinen an Kaninchen und 
insbesondere bei den an Hunden angestellten Versuchen Schwankungen 
der Symptome, die er als einen Kampf zwischen der Angewöhnung und 
Cumulation auffasst; in den späteren Versuchen gelang es auch Lhotäk, 
die Angewöhnung bei Kaninchen einwandsfrei zu beweisen und deren 
Mechanismus zu klären. Ob auch bei unseren Katzen eine Angewöhnung 
zu erzielen war und wie dieselbe dort, wo sie besteht, aufzufassen ist, 
darüber veröffentlichen wir eine besondere Arbeit. Zu den jetzt be¬ 
sprochenen Versuchen wollen wir nur bemerken, dass man nicht ge¬ 
zwungen ist, die beobachteten Schwankungen als ein Ergebnis einer An¬ 
gewöhnung zu betrachten, sondern dass es umgekehrt möglich ist, die 
Vergiftungserscheinungen durch eine Abschwächung des Organismus zu 
erklären. Dass der normale Katzenorganismus solchen gewissermassen 
periodischen Veränderungen unterliegt, zeigen die früher erwähnten Ver¬ 
suche 12 und 18. Aber wenn wir auch annehmen, dass sich in unseren 
Versuchen ein Kampf zwischen Cumulation und Angewöhnung abspielte, 
dürfen wir nicht ausser acht lassen, dass endlich die Cumulation die 
Oberhand bekam. 


1) Ausnahmen werden in der nächsten Arbeit näher besprochen werden. 

2) van der Heide, lieber die cumuhitive Wirkung des Digitalins und Helleboreins. 
Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 19. 

3) K. Ritter Lhotäk, Untersuchungen über die chronische Vergiftung mit 
Digitoxin und Digitalis. Arch. intern, de pharmacodyn. et de ther. T. 20. 


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Karel Klein 


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Man darf nämlich nicht vergessen, dass die Katzen in ziemlich kurzer 
Zeit erlagen (2, 7), oder mindestens schwere Symptome zeigten (6), dass 
sie sicher nur durch die sofortige Aussetzung der Injectionen gerettet 
werden konnten. Diese schweren Symptome bzw. der Tod stellt sich 
ganz plötzlich ein, als die Tiere keine auffallenden Symptome zeigen, 
die die drohende Katastrophe angezeigt hätten. Die Katze 2 z. ß. zeigt 
noch nachmittags am 22. August ausser einer leichten Apathie nichts 
Auffallendes — und am 23. wurde sie früh tot aufgefunden! Katze 6 
ist bis zum 1. Oktober scheinbar gänzlich gesund, am 2. Oktober früh 
frisst sie noch wie gewöhnlich — und gegen Mittag stellen sich schwere 
Krampfanfälle ein, aus denen wir eine Erholung überhaupt nicht er¬ 
warteten und die uns gewissermassen rätselhaft erscheint. Diese plötz¬ 
lich sich erstellenden Katastrophen zeigen, wie schwer der 
Organismus bei einer chronischen Vergiftung geschädigt ist. Und wenn 
es erlaubt ist, aus unseren Versuchen Folgerungen für die Therapie 
der Herzinsufficienz des Menschen bzw. für die sogenannte 
chronische Digitalisthcrapie zu crschliessen, so müssen wir die 
grösste Vorsicht verlangen. Die Katastrophe kommt unerwartet und 
sie abzuwenden liegt dann nicht mehr in der Hand des Arztes 1 ). 

Aber vom theoretischen Standpunkt ist es sehr interessant, die Er¬ 
klärung zu suchen, warum diese plötzliche Katastrophe sich ein¬ 
stellt. Der Vorgang selbst ist so überraschend und rätselhaft, dass er 
gewissermassen zu Hypothesen zwingt. Es wäre sicher das einfachste, 
den plötzlichen Tod durch die Cumulation, d. h. durch die Auf¬ 
speicherung des Strophanthins im Organismus erklären zu wollen. 
Aber wenn dies wirklich der Fall wäre, dann wäre zu erwarten, dass 
die tödlichen Vergiftungssymptome sich langsam einstellen werden, dass 
sie sich Schritt für Schritt mit der Cumulation des Giftes vergrössern 
werden, die Versuche zeigen aber gerade das Gegenteil — der Tod 
tritt ein ohne jede Vorbereitung. Man könnte da aber einwenden, 
dass die Pulsverlangsamung auch plötzlich sich offenbart und doch 
sicher nur durch Cumulation hervorgebracht wird! Warum soll also 
nicht dasselbe für die Erklärung des plötzlichen Todes gelten? Aber 
die plötzlich cintrctendc Pulsverlangsamung und der plötzliche Tod sind 
zwei verschiedene Erscheinungen. Dass die Pulsverlangsamung plötzlich 
eintritt, ist leicht begreiflich, denn die kleinen, vorangehenden Gaben be¬ 
reiten das Herz zur Retardation vor, aber her vorrufen können sic 
sie noch nicht. Erst bis die Quantität des Giftes im Herzen eine 
gewisse Höhe erreicht, tritt die Wirkung ein. Es scheint uns nicht gut 
möglich, dieselben Bedingungen für den Tod des Tieres verantwortlich 
zu machen, ln diesem Falle wäre die letzte Gabe mit einem letzten 


1) Die Angaben, welche man in der klinischen Literatur über die chronische 
Digitalistherapie findet, sind meistens nicht im Einklang mit diesem rigorosen Stand¬ 
punkt. Man behauptet, die Angst vor Digitalis sei übertrieben. Dieses 
scheinbare Missverhältnis zwischen den theoretischen Forderungen einerseits und 
den praktischen Erfolgen andererseits kommt dadurch zustande, dass die Kliniker 
mit Drogen, wir mit reinen Substanzen arbeiten. 


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Kritisches und Experimentelles über die cumulative Wirkung der Strophanthine. 139 


Schlag in eine durch vorangehende Schläge beschädigte Wand vergleichbar, 
der Tod wäre also als die directe Wirkung der letzten Injection curauliert 
mit vorangehenden lnjectionen aufzufassen. Dann müsste er auch in der 
Zeit eintreten, wo die Wirkung dieser Dosis eintritt. Aber die Wirkung 
tritt in einigen Stunden ein (grosse Gaben töten auch immer innerhalb 
weniger Stunden), der Tod dagegen etwa nach 24 Stunden nach der 
letzten Injection 1 ). Es scheint uns daher nicht gut begründet, die 
plötzliche Katastrophe bloss durch Cumulatiofl erklären zu wollen. 

Eine andere Erklärung könnte vielleicht in ungleichmässigen 
Resofptionsverhältnissen gesucht werden; auch könnte man an 
eine plötzliche, nicht näher bestimmbare Abschwächung des 
Organismus denken, aber dieso beiden Hypothesen scheinen uns zur 
Erklärung des Beobachteten unzulänglich zu sein. 

Es bleibt also nichts anderes übrig, als die Ursache des plötzlichen 
Todes unserer Versuchstiere durch eine eigentlich wenig erklärende und 
der berühmten Moliereschen virtus dormitiva opii auffallend ähnliche 
Vermutung zu umschreiben, dass das Herz, welches durch Strophan¬ 
thin zu einer erhöhten Tätigkeit durch längere Zeit angeregt 
wurde, sich erschöpft und plötzlich versagt. Die directe Wirkung 
des Strophanthins auf den Herzmuskel ist bemerkbar im Verlaufe des 
ganzen Versuches: Der Herzspitzenstoss, der im Anfang nicht zu stark 
war, wird immer stärker und stärker, und bei Tieren, bei denen anfangs 
infolge des schwachen Herzspitzenstosses die Pulsfrequenz nur mit grosser 
Schwierigkeit registriert wurde, gelingt die Registration ganz glatt. Bei 
der Section findet man den linken Herzmuskel hypertrophiert. Aber 
handelte es sich wirklich um einen Herztod? War cs nicht ein Tod des 
centralen Nervensystems, der die Katastrophe herbeiführte? Dass das 
Centralnervensystem attackiert wurde, zeigt der Salivationsreflex. Aber 
es scheint doch nicht richtig zu sein, dass es sich um eine Paralyse der 
Nervencentrcn gehandelt hätte. Bei der Katze 6 lässt sich der Puls 
während der Krampfanfälle bei beschleunigter Atmung nicht tasten, bei 
der Katze 20 schien das Herz früher still zu stehen als die Atmung. 
Die maximale Mydriase bei der Katze 6, während der Puls nicht tastbar 
und die Atmung beschleunigt ist, beweist eine Hirnanäraie, d. h. eine 
Störung der Circulation. Und das alles zwingt zu der Annahme, 
dass der plötzliche Tod durch plötzliche Herzparalyse bedingt 
ist und zwar entweder durch directe Wirkung auf den Herzmuskel oder 
auf den excitomotorischen Apparat. 

Einen analogen Fall von plötzlichem Tod eines Hundes während 
einer chronischen Vergiftung durch Pulv. folior. digit. führt auch Prof. 
Lhotäk (1. c.) an. Daraus ist ersichtlich, dass plötzliche Todesfälle 
bei jedem Digitaliskörper und bei verschiedenen Tierarten Vorkommen 
können. Im Lichte dieser Erfahrungen erscheint die Aufforderung zur 
Vorsicht bei der chronischen Digitalistherapic wohl noch berechtigter. 


1) Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass der Gipfel der Rctardation 
auch erst nach 24 Stunden erreicht wird, was sicher für die Erklärung des Todes 
durch Cumulation sprechen würde. 


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Karel Klein, 


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Versuche mit Ouabain Hoffmann-La Roche. 

Die Versuche mit dem kristallisierten Ouabain Hoffmann-La Roche 
wurden aus zwei Gründen durchgeführt. Fraenkel experimentierte mit 
dem Strophanthin Boehringer und Strophanthin Merck (bzw. Thoms) 
und gibt an, dass „zwischen beiden Präparaten weder in der Wirkungs¬ 
stärke noch im übrigen Verhalten ein Unterschied zu constatieren war a . 
Ouabain Hoffmann-La Roche nach der Fabriksangabe aus der Acocanthera 
Schimperi dargestelft, sollte mit dem Strophanthin cryst. Merck (bzw. 
Thoms) identisch sein. Schon in einer anderen Arbeit 1 ) haben wir gezeigt, 
dass gewisse Unterschiede zwischen dem g-Strophanthin und dem Ouabain 
Hoffmann-La Roche existieren (hauptsächlich im Verhalten beim Schmelzen), 
aber indem wir unsere Versuchsergebnisse an Fröschen mit denen anderer 
Autoren verglichen haben, kamen wir zu dem Schluss, dass im physio¬ 
logischen Verhalten zwischen beiden Präparaten merkliche Unterschiede 
nicht existieren. Wenn wir uns nun auf die Angaben von Fraenkel 
stützen, nach denen Strophanthin Boehringer nnd Thoms identisch sein 
sollen (und unsere jetzigen Versuche stehen damit im Einklang), so 
müssen wir auch erwarten, dass die Versuchsergebnisse, zu denen wir 
mit dem Ouabain Hoffmann-La Roche gelangen, identisch oder beinahe 
identisch mit denjenigen bei Strophanthin Boehringer sein werden, aber 
die Experimente haben diese Voraussetzung nicht bestätigt. 

Vor allem sei das Bild einer peracuten Vergiftung angeführt, das 
die enorme Wirkungsstärke des Ouabain Hoffmann-La Roche demonstriert. 

Versuch 11. Kater in der Anstalt seit 25. 9. 1913. Puls täglich registriert. 
Die Pulsfrequenz schwankt ziemlich stark. Anfangs bewegt sie sich zwischen 160—180, 
dann folgt eine etwa dreiwöchige Periode mit einer Pulsfrequenz von 200 bis 
240 Schläge pro Minute, und die letzten 10 Tage vor dem Versuch sinkt die Puls¬ 
frequenz wieder auf 150—180 Schläge pro Minute. 

9. 11. 208 Schläge pro Minute, Katze wiegt 3650 g. 

10. 11. 200 Schläge pro Minute, 0,7 mg Ouabain HofTmann-La Koche, das heisst 
0,2 mg pro Kilogramm Gewicht, subcutan injiciert. 

Etwa x / 2 Stunde nach der Injection zweimal Erbrechen, Puls unregelmässig, 
136 Schläge pro Minute. 

Etwa 1 1 / 2 Stunde nach der Injection Puls sehr unregelmässig, 220 Schläge pro 
Minute. Während der Pulsregistrierung stellen sich clonisch-tonische Krämpfe ein, 
der Kater erbricht und geht zugrunde. 

Schon aus dem Verlauf dieses Versuches könnte man auf eine grössere 
Giftigkeit des Ouabain schliessen, doch die weiteren Versuche zeigten 
dies noch viel klarer. 

Versuch 23. Katze in der Anstalt seit 3.2.1914, 216—250 Schläge pro Minute. 

16. 2. Tier wiegt 3150 g, Pulsfrequenz 204, Injection 0,06 mg Ouabain, d. h. 
0,02 mg pro Kilogramm (Gesamtdosis und auch Dosis pro Kilogramm kleiner als im 
analogen Versuch 6 mit Strophanthin Boehringer). 

17. 2. Dieselbe Injection, Pulsfrequenz 168. 

18. 2. Dieselbe Injection, Pulsfrequenz 148. 

19. 2. Dieselbe Injection, Pulsfrequenz 154. 

20. 2. Dieselbe Injection, Pulsfrequenz 168, einigemal Erbrechen. 

1) Karel Klein, 0 krystallickem ouabainu HofTmann-La Koche. 1—11. Läk. 
Kozhl. 11. 


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Kritisches und Experimentelles über die cumulative Wirkung der Strophanthine. 141 

2. 3. Nach wiederholten täglichen lnjectionen endet der Versuch letal. Er¬ 
brechen manche Tage beobachtet, manche Tage wieder ohne Erbrechen, Puls ver¬ 
langsamt, aber hier und da wieder bis auf 220 Schläge pro Minute beschleunigt. Das 
Ende des Versuches kann man nicht in Betracht ziehen, da in derselben Zeit unter 
den Anstaltskatzen eine Epidemie ausbrach, der eine Reihe von Tieren erlag. 

Obzwar bei dieser Katze weder durch Section noch bakteriologisch 
etwas gefunden wurde, kann man doch den Tod des Tieres vom toxico- 
logischen Standpunkt allein nicht betrachten. Aber der Verlauf des Experi¬ 
mentes demonstriert genügend die grössere Giftigkeit des Ouabain, haupt¬ 
sächlich wenn wir denselben mit dem Versuch 6 vergleichen. Die Puls¬ 
verlangsamung tritt schon nach der zweiten Injection ein und nach der 
fünften Injection kommt das Erbrechen mit allen anderen Vergiftungs¬ 
symptomen. Und alle anderen Versuche zeigen einen analogen Verlauf. 
Die Gabe 0,05 mg, die die Katzen bei Verwendung von Strophanthin 
Boehringer zwei Monate vertragen, tötet bei Verwendung von Ouabain vor 
einem Monat! Eine andere Katze tötet die Gabe 0,04 mg, welche bei 
Strophanthin Boehringer nicht einmal nach fünf Monaten zu Vergiftungs¬ 
erscheinungen führt, in 25 Tagen! Weiter verfügen wir über ein Experi¬ 
ment, das an derselben Katze in einem grossen Zeitintervall mit beiden 
Präparaten ausgeführt wurde und aus welchem hervorgeht, dass das 
Ouabain Hoffmann-La Roche Vergiftungserscheinungen hervorruft in Gaben, 
welche bei Strophanthin Boehringer noch nicht toxisch wirken und dass 
die Vergiftung mit dem Ouabain viel intensiver ist und länger anhält. 

Die angeführten Versuchsergebnisse zwingen uns, unsere frühere 
Behauptung, als ob zwischen dem g-Strophanthin und dem Ouabain Hoff- 
mann-La Roche in der physiologischen Wirkungsstärkc kein Unterschied 
existiere, fallen zu lassen, mindestens für Säugetiere. Ouabain Hoffma’nn- 
La Roche ist für die Katzen viel giftiger als andere Strophan¬ 
thine und ist demnach nicht identisch mit dem g-Strophanthin 
Thoms. Dadurch gewinnen wir auch einen physiologischen Beleg für 
die Versuchsergebnisse über die physikalischen Eigenschaften des 
Ouabain, wo der Unterschied zwischen dem Ouabain und dem g-Strophan¬ 
thin besonders auffallend war. 

Im übrigen ist der Verlauf einer chronischen Vergiftung mit Ouabain 
Hollmann-La Roche identisch mit einer Vergiftung mit Strophanthin 
Boehringer. Auch hier gelingt es durch kleine, an sich unwirksame 
Gaben eine Pulsverlangsaraung zu erzielen und diesen Effect ohne Be¬ 
schädigung des Tieres eine gewisse, natürlich kürzere Zeit hindurch zu 
erhalten. Dann stellt sich wieder Erbrechen, Salivation und im all¬ 
gemeinen ein ziemlich plötzlicher Tod ein. Eine Schwankung der Sym¬ 
ptome wurde auch bei diesen Versuchen beobachtet. 

Versuche mit g-Strophauthiu. 

Die Versuchsergebnisse stimmen im allgemeinen mit denjenigen 
Fraenkols überein. Sie documentieren auch unsere Behauptung, dass 
das Ouabain Hoffmann-La Roche von dem g-Strophanthin verschieden ist. 

Summarisch kann man zu den angeführten Versuchen noch eine 
kleine Notiz über einen interessanten Befund an den Dünndarm- 


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142 Klein, Kritisches u. Experimentelles üb. d. cumulativeWirkungd. Strophanthine. 


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schlingen beifügen. In einigen chronischen tödlichen Vergiftungen 
wurden die Dünndarmschlingen auffallend blass und rigid gefunden, 
bei den acuten Vergiftungen wurde nie eine ähnliche Veränderung 
beobachtet. Wir verfolgten diese Erscheinung nicht näher und können 
daher nicht mit Sicherheit behaupten, in welchem Masse sie mit der 
Vergiftung in Zusammenhang steht 1 ). In der Literatur fanden wir aber 
die Angaben von Magnus 2 ), die sehr gut unsere Befunde als eine Folge 
von Strophanthin Vergiftung erklären könnten. Magnus stellte fest, 
dass das g-Strophanthin den Tonus der Längsmusculatur des Darmes 
und zugleich die Pendelbewegungen erhöht. Der Tonus kann sogar so 
erhöht werden, dass es zu einem systolisc.hen Stillstand kommt wie 
am Herzen. Auf die Circularmusculatur wirkt es analog, es kommt zu 
einem Stillstand der Bewegungen in einer starken Contraction. 
Grosse Gaben lähmen den Darm. Auf Grund dieser Versuche könnte 
man also ganz glatt erklären, warum die Rigidität des Dünndarms nur 
in chronischen, aber nicht in acuten Vergiftungen gefunden wurde. 
Doch verfolgten wir die Frage nicht näher und können daher in eine 
nähere Discussion nicht eingehen. 

Die Versuchsergebnisse dieser Serie kann man folgendermassen zu- 
saramenfassen. 

1. Die Wirkung einer grossen Gabe Strophanthin ist durch das 
Erbrechen etwa in einer Stunde bemerkbar, die Herz Wirkung 
kommt in einigen Stunden zustande, dauert aber eine sehr 
lange Zeit (gegen einen Monat). 

2. Durch kleine, an sich unwirksame Gaben kann man eine 
typische, sogar bis zum Exitus führende Wirkung erzielen. 

3. Die Intoxication tritt im Verlauf einer chronischen Ver¬ 
giftung ziemlich plötzlich hervor. 

4. Ein zuverlässiger Indicator einer beginnenden oder einer 
entwickelten Intoxication ist der Salivationsreflex 3 ). 

5. Zwischen dem Strophanthin Boehringer und g-Strophanthin 
Merck wurden keine merklichen Unterschiede in der Wirkungs¬ 
stärke constatiert. 

6. Ouabain Hoffmann-La Roche ist giftiger als die beiden oben 
angeführten Strophanthine und kann demnach nicht als 
identisch mit dem g-Strophanthin betrachtet werden. 

7. Für die Digitalistherapie des Menschen geben die angeführten 
Versuche einen weiteren Beleg, dass es möglich ist, den 
Organismus, ohne ihn zu schädigen, längere Zeit durch kurze 
Gaben unter der typischen Digitalis Wirkung zu erhalten. 

8. Die Versuche zwingen zur Vorsicht, denn die Katastrophe 
kann plötzlich, ohne prämonitorische Symptome, eintreten. 

1) Auffallende Veränderungen bei der Defäcation (Obstipation oder Durchfall) 
wurden nicht beobachtet, was natürlich für die Beurteilung der Sectionsbefunde sehr 
wenig bedeutet. 

2) R. Magnus, Versuche am überlebenden Dünndarm von Säugetieren. V. 
Pflügers Archiv. Bd. 108. 

8) Siehe die folgende Arbeit. 


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XIII. 


Aus dem pharmakologischen Institut der k. k. böhmischen Universität in Prag 
(Vorstand: Prof. K. Ritter v. Lhotäk). 

Ueber die Gewöhnung an Strophanthin, 
mit Benutzung eines reflectorischen Speichelflusses 
als Indicator studiert. 

Von 

cand. med. Karel Klein, 

Demonstrator am Institnt. 

(Mit 2 Abbildungen im Text.; 


In einer vorangehenden Arbeit haben wir uns mit dem Verlauf der 
acuten und letalen chronischen Strophanthinvergiftungen befasst. Nun 
wollen wir einige Versuche mitteilen, aus denen hervorgeht, dass es 
möglich ist, durch lang fortgesetzte Application kleiner Strophanthin¬ 
gaben eine gewisse Gewöhnung an diese Giftsubstanz zu erzielen. Heber 
die Gewöhnung an Stoffe der Digitalisgruppe findet man insbesondere in 
der klinischen Literatur zahlreiche Anmerkungen, aus denen hervorgeht, 
dass, wie man in früherer Zeit, hauptsächlich unter dem Einfluss von 
Traube, die Möglichkeit einer Gewöhnung an DigitalisstofFe in weiten 
Grenzen zugab, man dieselbe in der neuen Zeit fast durchweg leugnet 
So leugnet z. B. Fraenkel 1 ) die Möglichkeit einer Gewöhnung an Digi¬ 
talissubstanzen vollkommen und schreibt sogar, dass es ihm gelang, 
festzustellen, dass „im Gegenteil allen untersuchten Körpern Digitoxin, 
Digitalin und dem Strophanthin eine die Gewöhnung ausschliessende 
Eigenschaft zukommt“. Diese Bemerkung zeigt, dass Fraenkel den 
Begriff der Cumulation zu eng auffasst; für ihn bedeutet allem Anschein 
nach die Cumulation eine fortlaufende Giftspeicherung im Organismus, 
die nach Analogie physikalischer Erscheinungen verläuft. Es darf aber 
nicht vergessen werden, dass sich die Cumulation in einem lebenden 
Organismus abspielt und dass der lebende Organismus mit der merk¬ 
würdigen Eigenschaft ausgestattet ist, sich gegen äussere Schädlichkeiten 
zu wehren. Es ist daher nicht einzusehen, warum die Eigenschaft der 
Cumulation diejenige der Gewöhnung ausschliessen sollte. Im Gegenteil: 
im Organismus spielt sich fortwährend, wie auch tatsächlich Prof, 
v. Lhotdk zeigte, ein Kampf zwischen der Cumulation und der Gewöhnung 
ab. Das Endresultat dieses Kampfes hängt natürlich davon ab, wer den 
Sieg davonträgt, ob das Gift oder der Organismus, aber das Resultat 
des Kampfes sagt über den Verlauf des Kampfes gar nichts aus. 

1) A. Fraenkel, Ueber Digitalistherapie. Ergehn, d. inneren Med. Bd. 1. 


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Karel Klein, 


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Aus der experimentellen Literatur sind nur die alteren Untersuchungen 
von Heide 1 ) und die neueren von Lhotak 2 * * * * * ) bekannt. Dem letztge¬ 
nannten Autor gelang es auch, die einzelnen Componenten, die bei der 
Gewöhnung im Spiele sind, zu beleuchten und auch causal miteinander 
in Zusammenhang zu bringen. Aus der neueren klinischen Literatur 
führen wir als den schönsten Fall den von Kussmaul 8 ) an, in dessen 
Arbeit auch die ältere Literatur zusammengestellt ist. 

Heide experimentierte mit Digitalin und Helleborcin an Hunden 
und Kaninchen. Wenn er kleine, allmählich steigende Gaben längere 

Zeit applicierte, so traten „die nervösen Störungen.erst sehr spät 

und ganz plötzlich auf und zeigen sich dann fast immer genau in dem¬ 
selben Augenblick, in welchem sich die meist intensive Wirkung auf das 
Herz offenbart“. „Die oben genannten Störungen des Nervensystems 
halten einige Tage bei Anwendung derselben Dosis mit ungefähr der¬ 
selben Intensität an, verschwinden dann aber ganz und gar. Das 
Nervensystem. kann sich an das Mittel so vollständig ge¬ 
wöhnen, dass von irgend einer Störung nicht mehr die Rede ist, so 
dass die Tiere, obgleich der Puls ganz bedeutend verlangsamt und un¬ 
regelmässig ist, ganz munter herumlaufen, guten Appetit zeigen und sich 
in nichts von einem nörmalen Tiere unterscheiden. Es scheint also bei 
dieser Wirkung, welche ursprünglich eine cumulative ist, ziemlich 
schnell eine Accommodation einzutreten und zur Charakterisierung des un¬ 
gleichen Verlaufes der Wirkung auf das Herz und das Nervensystem 
könnte man sagen, dass bei der Wirkung auf das Herz die Cu- 
mulation, bei derjenigen auf das Nervensystem die Accommo¬ 
dation überwiegt“. „Rückenmark, Gehirn und Digestionsapparat 
gewöhnen sich an das Gift vollkommen“, „. . . aber es darf nicht ausser 
acht gelassen werden, dass auch in der Wirkung des Helleboreins und 
Digitalins auf das Herz Accommodationserscheinungen nicht vermisst 
werden, da bei fortgesetzter Anwendung derselben Dosis dann und wann 
sich eine wenig kräftigere Wirkung zeigt.“ 

Prof. v. Lhotak gelang es bei Kaninchen durch subcutane Injec- 
tionen von Digitoxin und insbesondere durch Verabreichung von Pulv. fol. 
Digit, per os eine ungemein scharf ausgeprägte Gewöhnung zu erzielen. 
In einer Reihe von Abhandlungen verfolgte er dann die einzelnen Factoren 
dieser Erscheinung und kommt zu dem Schlüsse, dass bei der von ihm 
gefundenen Gewöhnung „ausser einer erhöhten Resistenz des Herzens 

1) v. d. Heide, Ueber die cumulative Wirkung des Digitalins und Helleboreins. 
Arcb. f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 19. 

2) Lhotak v. Lhota, Untersuchungen über die chronische Vergiftung mit 

Digitoxin und Digitalis. Arch. intern, de pharm. T. XX. — Versuche über Ge¬ 

wöhnung an Digitoxin und Digitalis. Ebenda. XX. — Untersuchungen über das Ver¬ 
halten der Digitalisstofle im Körper, besonders bei der Gewöhnung an dieselben, 
a. a. 0. XXII. — Untersuchungen über den Einfluss des Magensaftes auf die per os 

verabreichten Digitalissubstanzen und ein Beitrag zur Erkenntnis der Cumulation und 

der Gewöhnung an Digitalis und Digitalissubstanzen beim Kaninchen. a a.Ö. XXIII. 

o) Kuss maul, Ueber lange fortgesetzte Anwendung kleiner Digitalisgaben. 

Die Tlier. d. Gegenw. 1900. Neue Folge. Bd. 2. 


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Ueber die Gewöhnung an Strophanthin usw. 


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und der Musculatur (auch des Centralnervensystems) hauptsächlich eine 
Veränderung der Magensaftsecretion, oder besser gesagt, eine Adaptation 
an die wiederholt applicierten Digitalissubstanzen die Hauptrolle spielt, 
in dem Sinne, dass diese im Magen in grösserer Menge und leichter als 
gewöhnlich zersetzt werden“. 

Kussmaul referiert (1. c.) über einen an Atherosklerose Erkrankten 
(bei der Section wurden atheromatöse Veränderungen in verschiedenen 
Organen gefunden). Der Kranke „hat länger als 5 Jahre fast ununter¬ 
brochen kleine Gaben von Digitalispulver, in den ersten Jahren 0,1 g, 
später 0,12 g, zuletzt 0,12 g abwechselnd alle 3 Tage mit 0,16 g ge¬ 
nommen, ohne dass dadurch der Puls unter die normale Frequenz her¬ 
unter gebracht oder auch nur die arhythmischen Herzcontractionen in 
einen rhythmischen Gang versetzt worden wären; und doch haben diese 
kleinen Gaben das Herzfleisch befähigt, seine durch so viele und grobe 
Veränderungen an den Kreislauforganen erschwerte Arbeit genügend zu 
verrichten, und dem Kranken ein relatives Wohlsein verschafft. Trotz des 
sachten Fortschreitens seiner Krankheit vermochte er grosse Reisen zu 
Wasser und zu Lande bis zu den südlichen Grenzen Egyptens und 
Algeriens auszuführen und ertrug die Luft der Tiefe, wie die des 
Engadiner Hochtals. Erst nach & l j 2 Jahren, nachdem die ersten schweren 
Kreislaufstörungen das Bestehen grober Organleiden festgestellt hatten, 
war die Dehnung und Erweiterung des Herzens so übermässig geworden 
und allmählich auch die Nierenschrurapfung so weit vorgeschritten, dass 
die Digitalis in kleinen Gaben ihre ferneren therapeutischen Dienste ver¬ 
sagte. Damit aber war ihre Rolle ausgespielt, denn in Verbindung mit 
der ähnlich wirkenden Scilla im diuretischen Weine Trousseaus oder 
in länger fortgesetzten grösseren Gaben des Digitalispulvers 0,4 g dar¬ 
gereicht, entfaltete sie ihre toxischen Wirkungen; erreichte die Verlang¬ 
samung des Pulses hohe Grade und es stellten sich sogar zuletzt dringend 
warnende Erscheinungen seitens der Organe des Nervensystems ein“. 
Aus der beigefügten Uebcrsicht ist dann ersichtlich, wie jedes Jahr die 
verbrauchte Digitalismenge zunimrat, was durch den progredienten Verlauf 
der Krankheit zu erklären ist. 

Die Gewöhnung ist unserer Ansicht nach in diesem Falle Kussraauls 
glicht so aufzufassen, dass der Kranke gegen grössere bzw. toxische 
Gaben Digitalis immun geworden wäre, sondern offenbart sich 
dieselbe nur in dem Sinne, dass keine Folgen der Cumulation kleiner, 
an sich wahrscheinlich wenig wirksamer Gaben zum Vorschein 
kamen. Dieser Fall ist für uns deshalb von grösstem Interesse, weil er 
ein Analogon zu unseren Katzenversuchen darstellt, deren abgekürzte 
Protokolle wir zunächst anführen werden, um dann zur näheren Discussion 
derselben übergehen zu können. 

Versuch 1. Katze im Institut seit 7. 5. 1913. Puls täglich registriert. 

21. 5. Tier wiegt 2020 g, subcutane Injection 0,04 mg Strophanthin Boehringer, 
welche dann ununterbrochen täglich verabreicht wurde. 

28. 5. Merkliche Pulsverlangsamung, die bis 

11. 6. andauert. Seit diesem Tage bewegt sich die Pulsfrequenz in denselben 
Grenzen wie vor den Strophanthininjectionen. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 10 


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13. 6. Tier wiegt 2202 g. 

Vom 1. 7. wurde die halbe Gabe, aber in zweifacher Conoentration angewandt, 
die Gesamtdosis bleibt demnach unverändert. 

15. 7. stellte sich wieder eine Pulsverlangsamung, jedoch eine weniger regel¬ 
mässige ein. 

Vom 25. 7. Pulsfrequenz wieder normal. 

Vom 20. 8. reflectorische Salivation, Gewicht 2120 g. 

7. 9. Frisst sehr wenig. 

10. 9. Frisst wieder normal, nur noch eine kleine Apathie bemerkbar. 

20. 9. Apathie verschwunden, Salivation schwächer. 

3. 10. Der reflectorisohe Speichelfluss ganz geringfügig. 

Vom 5. 10. Salivationsreflex verschwunden. 

11. 10. wurde das Tier im Kasten, in den es zu den Injectionen immer ein¬ 
geschlossen wurde, absichtlich längere Zeit gehalten, bis endlich ein geringfügiger 
Speichelfluss erzwungen wurde. 

Vom 12. 10. wieder kein Speichelfluss bemerkbar, Pulsfrequenz zeigt überhaupt 
keine Abweichungen von der Norm an, die Katze ist von einem normalen Tier nicht 
zu unterscheiden. 

25. 10. Katze wiegt 2270 g, d. i. etwas mehr als zu Beginn des Versuches. 
Die injicierte Gabe wurde deshalb um 0,01 mg, d. h. auf 0,05 mg erhöht und diese 
Gabe wurde dann täglich bis zum 7. 11. injiciert. 

26. 10. Keine Veränderung bemerkbar. 

27. 10. Status quo. 

28. 10. Als das Tier zur Injection eingeschlossen wurde, zeigt es eine gering¬ 
fügige Salivation. Der Reflex steigert sich täglich, bis am 

31. 10. er vollkommen entwickelt ist, d. b. der Speichelfluss beginnt schon 
während der Pulsregistrierung. 

1. 11. Salivationsreflex, Puls sehr unregelmässig, etwa 1 Stunde nach der 
Injection zweimaliges Erbrechen. 

2. 11. Salivationsreflex, Puls unregelmässig, Tier frisst jedoch, kein Erbrechen. 
Dieser Zustand wird von Tag zu Tag ärger, das Tier verliert Fresslust, das Gewicht 
nimmt ab, deshalb wurde am 

8. 11. die tägliche Gabe wieder auf die ursprüngliche Höhe von 0,04 mg herab¬ 
gesetzt. Der Salivationsreflex ist in dem Masse ausgeprägt, dass der Speichelfluss 
schon beginnt, wenn nur jemand in den Stall cintritt. Puls unregelmässig bis zum 3.12. 

15. 11. Salivationsreflex dauert fort, Tier wiegt weniger als 1850 g. 

Vom 3. 12. wieder normale Pulsfrequenz, Salivationsreflex dauert fort. 

24. 12. Schon einige Tage ist das Tier lebhafter, frisst mehr, auch das Gewicht 
ist wieder auf 2000 g gestiegen. Salivationsreflex gering. 

26. 12. Kein Salivationsreflex. 

27. 12. Geringfügiger Speichelfluss. 

28. 12. Speichelfluss wieder verschwunden. 

Vom 1. 1. merkliche Pulsverlangsamung. 

2. 1. Speichelfluss (am Hals der Katze hat sich eine Erosion gebildet, welche 
mit Jodtinktur bepinselt wurde; das Brennen rief wahrscheinlich den Reflex wieder 
hervor). 

3. 1. Keine Salivation. 

12. 1. Wieder Salivation bemerkbar. 

Vom 13. 1. Salivationsreflex vollkommen verschwunden. 

28. 1. Puls sehr unregelmässig, nach der Injection Erbrechen. 

Vom 31. 1. Puls wieder normal, seine Frequenz wieder auf normale Höhe ge¬ 
stiegen, kein Erbrechen, kein Speichelfluss, Tier sieht wie eine normale Katze aus. 




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Original fro-m 

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lieber die Gewöhnung an Strophanthin usw. 


147 


26. 2. Während der Injection Speichelfluss, welcher sich dann bis zum Tode 
des Tiereß täglich unter denselben Bedingungen wiederholt. 

2. 3. Pulsverlangsamung. 

3. 3. Puls enorm unregelmässig, Tier frisst nicht. 

4. 3. Dasselbe, nachmittags geht das Tier zugrunde. 


Abb. 1. 



Schema des Versuchs 1. 

Vor der Erhöhung der täglichen Gabe (vgl. mit dem Protokoll). 


Abb. 2. 



Fortsetzung des Versuchs 1. Während und nach der Erhöhung der Gabe. 

(Die erhöhte Dosis wurde in dem Zeitraum vom 25. 7. bis 7. 11. appliciert, im Schema 
durch verstärkte Ordinaten dargcstellt.) 

Sectionsbefund : Die linke Herzkammer auffallend mächtig entwickelt, nahezu 
kein Lumen bemerkbar, die Dicke der Wand beträgt ungefähr 3 / 4 cm. Die rechte Herz¬ 
wand von 2—3 mm Dicke, Blut flüssig, keine Blutgerinnsel. Die Magenschleimhaut ge¬ 
schwollen, mit Schleim bedeckt; der Dünndarminhalt halbflüssig, der des Dickdarms 

10 * 


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148 


Karel Klein, 


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fest, geformt. Sonst wurden makroskopisch keine Verändernngen gefunden. Da in 
derselben Zeit unter den Anstaltskatzen eine Epidemie, der eine Reihe von Tieren 
unterlag, ausgebroohen ist, wurde die bakteriologische Untersuchung durchgeführt 1 ). 
Doch war der bakteriologische Befund negativ und auch der pathologisch-anatomische 
Befund zeigte keine Uebereinstiramung mit demjenigen anderer an der Epidemie zu¬ 
grunde gegangenen Tiere. Es bleibt demnach unentschieden, ob das TieV an der 
Epidemie oder an der Vergiftung oder an Combination beider Umstände zugrunde ge¬ 
gangen ist. 

Die Veränderungen der Pulsfrequenz werden am besten durch das beigefügte 
Schema, auf dem auch andere Symptome (Salivationsreflex,Erbreohen usw.) eingetragen 
sind, illustriert; das Schema gibt auch eine Uebersicht über die zeitlichen Verhältnisse 
der einzelnen Symptome an. 

Wenn man nun den ganzen Verlauf des angeführten Versuches über¬ 
blickt, so fällt auf den ersten Blick die Schwankung der Symptome auf: 
es stellt sich eine Pulsverlangsamung ein, dann verschwindet sie, nach 
einiger Zeit stellt sie sich von neuem ein, um sich nach einer gewissen 
Periode wieder in normale Pulsfrequenz zu verwandeln. Im Verlaufe des 
Versuches beobachtet man Perioden, wo das Tier grosso Apathie zum 
Vorschein bringt, ohne Fresslust ist, dann folgen wieder Perioden, wo 
sich das Tier überhaupt nicht von einer normalen Katze unterscheiden 
lässt. Nach einer gewissen Anzahl von Injectionen stellt sich der 
reflectorische Speichelfluss ein, nach einiger Zeit verschwindet er voll¬ 
kommen spontan; wird nun die tägliche Gabe geringfügig erhöht, kommt 
der Reflex wieder zum Vorschein. Hier und da ist auch Erbrechen be¬ 
merkbar. Diese periodischen Symptoracnschwankungen könnte man 
entweder als Ausdruck einer Angewöhnung oder als Ausdruck einer 
bisher unaufgeklärten periodisch sich wiederholenden Abschwächung des 
Organismus auffassen. Bevor wir aber an die Lösung der Frage, um 
welche Möglichkeit es sich in unseren Versuchen handelt, herantreten 
können, ist es nötig, die Bedeutung der einzelnen Symptome zu bemessen, 
um einen sicheren Gradmesser für die Beurteilung des Verlaufs der Ver¬ 
giftung in der Hand zu haben. 

Vor allem haben wir da die Pulsverlangsamung. Die Puls¬ 
verlangsamung ist während zwei Perioden im Beginn des Versuches be¬ 
merkbar und dann findet man ausser einigen kurzen Zeiträumen eine 
grossartig ausgeprägte Retardationsperiode etwa zwei Monate vor dem 
Tode des Tieres. Sind diese Perioden als eine Wirkung der Strophanthin- 
injectionen aufzufassen? In der vorangehenden Arbeit haben wir gezeigt, 
welchen Schwankungen die Pulsfrequenz einer normalen Katze unter¬ 
warfen sein kann. Wo haben wir dann die Garantie, dass die beobachteten 
Schwankungen der Pulsfrequenz wirklich eine Wirkung des Strophanthins 
gewesen sind? Es ist zwar auffallend, dass die Pulsverlangsamung etwa 
eine Woche nach dem Beginn der Injectionen, also in einer Zeit, wo die 
ersten Symptome der Strophanthinwirkung erwartet werden konnten, zum 

1) Für die gütige Untersuchung aller während der Epidemiezeit zugrunde ge¬ 
gangenen Tiere spreche ich dem Herrn Ass. Dr. Spilka, der im pathologisch-ana¬ 
tomischen Institut des Herrn Hofrats Hlava mit ausserordentlicher Gefälligkeit alle 
nötigen Untersuchungen vornahm, meinen wärmsten Dank aus. 


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Ueber die Gewöhnung an Strophanthin usw. 


149 


Vorschein kam, dass diese Pulsverlangsaraung einen ziemlich hohen Grad 
erreichte und auch in anderen, vollkommen identisch veranstalteten Ver¬ 
suchen bemerkbar war, demgegenüber aber steht die vollkommen gleich¬ 
wertige Beobachtung, dass auch die Pulsfrequenz normaler Katzen einer 
sich wiederholenden Retardation unterworfen sein kann und dass bei 
anderen, durch kleine Gaben Strophantin chronisch vergifteten Katzen 
keine Pulsverlangsamung sich einstellte. Diese beiden Beobachtungen 
erwecken in uns eine sicher begründete Skepsis über die Zuverlässlichkeit 
der Pulsverlangsamung als Indicator für die Strophanthinwirkung in unseren 
Versuchen. In der weiteren Discussion wird demnach die Pulsverlangsamung 
zwar respectiert, aber als Indicator der eingetretenen oder anhaltenden 
Wirkung wird sie nicht .betrachtet werden. 

Bei der Katze war weiter eine Verstärkung des Herzspitzen- 
stosses bemerkbar; aber dieses Symptom ist einer zuverlässlichen, 
objectiven Beurteilung sehr schwer zugänglich und ist darnach als Grad¬ 
messer der Wirkung nicht geeignet, ungeachtet dessen, dass dadurch 
eine Angewöhnung nicht erkennbar wäre, denn ein durch das Strophanthin 
zur Hypertrophie gebrachtes Herz schlägt schon für immer stärker als 
ein normales Organ. 

Die allgemeine Mattigkeit des Tieres ist auch sehr schwer 
objectiv mit Sicherheit zu beurteilen, so dass auch sie als ein sicherer 
und zuverlässlicher Indicator der beginnenden Vergiftung nicht betrachtet 
werden kann. Das Erbrechen stellt sich wieder so unregelmässig ein, 
manchmal sogar bei vollkommen normalen Tieren, dass es unmöglich 
ist, darnach den Verlauf einer chronischen Vergiftung beurteilen zu wollen. 

Es bloibt nun das letzte Symptom, das als reflectorischer 
Speichelfluss zum Vorschein kommt, als Indicator übrig. Dieses 
Symptom ist so auffallend, dass eine Objectivität in seiner Beurteilung 
vollkommen gesichert erscheint. Aber auch gegen dieses Symptom kann 
man eine sehr ernste, seinen ganzen Wert bedrohende Einwendung an¬ 
führen: ob nämlich die Salivation durch das Strophanthin hervor¬ 
gebracht wird. Die Salivation kommt reflectorisch zum Vorschein, 
und zwar in einem so hohen Grade, dass in der Zeit einer vollständigen 
Entwicklung des Reflexes das Tier von dem Speichelfluss befallen wird, 
sobald jemand in den Stall hineintritt oder sobald es die Vorbereitungen 
zur Injection sieht. Es spielt hier also sicher ein corticaler Vorgang 
eine grosse Rolle und es ist darnach die Frage berechtigt, auf welche 
Weise er hervorgerufen wird. Es ist nämlich ganz gut möglich, die 
Sache in folgender Weise aufzufassen: Die Katze, welche durch eine 
längere Zeit den täglichen Injectionen unterworfen wird, lernt im Laufe 
der Zeit- alle die Umstände, unter denen sich diese, für sie höchstens 
unangenehme Procedur abspielt, kennen (die Katzen wurden zur bequemen 
Ausführung der Injection in einen Kasten, aus dem nur der Kopf hervor¬ 
trat, eingeschlossen) und der Salivationsreflex ist dann ein Abwehr¬ 
reflex gegen diese Unannehmlichkeit, ist also kein Indicator der 
specifischen Wirkung des Strophanthins. 

Wenn die Salivation unserer Katzen wirklich einen Abwehrreflex 
(oder sogar eine Art Handlung) darstellt, so kann es sich nur um eine 


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150 


Karcl Klein, 


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Abwehr gegen die Injectionsencheirese und nicht um eine Abwehr 
gegen den injicierten Stoff handeln, denn davon hat ja die Katze 
gar keine Ahnung 1 ). In diesem Falle muss dann der reflectorischc 
Speichelfluss auch bei Katzen erscheinen, die anstatt Strophanthinlösung 
nur entsprechende Mengen destillierten Wassers injiciert bekommen. Es 
wurden zwei solche, in allen Details mit denjenigen mit Strophanthin 
identische Versuche durchgeführt, wo also die Katzen unter denselben 
Bedingungen lebten und allen anderen Proceduren (Pulsregistrierung usw.) 
unterworfen wurden, anstatt Strophanthinlösung aber nur destilliertes 
Wasser injiciert bekamen — aber es wurde nie eine Spur von 
Speichelfluss beobachtet, trotzdem die eine der Katzen (12) sich 
immer gegen die Injectionsencheiresc sehr stark wehrte, im Gegensatz zu 
allen anderen Tieren, die im ganzen ohne besondere Mühe in den 
Injectionskasten eingeschlossen wurden. Die Veränderungen der Puls¬ 
frequenz dieser beiden Katzen wurden in unserer vorangehenden Arbeit 
schematisch mitgeteilt, nun fügen wir noch hinzu, dass der Versuch 12 
beinahe 5 Monate und Versuch 18 ungefähr 7 Monate dauerte! Es geht 
daraus hervor, dass der reflectorische Speichelfluss mit den Strophanthin- 
injectionen in Zusammenhang steht. 

Dieser Zusammenhang wird durch den Verlauf des Versuchs 1 in 
der Periode nach dem 1. Oktober am besten demonstriert. Die Katze 
verlor vorher den Reflex, so dass sie durch nichts von einem normalen 
Tier abwich. Sobald aber die tägliche Gabe erhöht wurde (um 
0,01 mg täglich), stellte sich am dritten Tage die reflectorische 
Salivation wieder ein! Da kann von nichts anderem als von einer 
Strophanthinwirkung gesprochen werden. Im Versuch 25 sind dann 
ähnliche Verhältnisse bemerkbar. Hier wurde zuerst eine grössere (0,05 mg) 
und nach einer Woche eine kleinere Gabe (0,04 mg) täglich appliciert; 
nach der zweiten herabgesetzten Gabe tritt eine starke reflectorische 
Salivation ein — die applicierte Dosis hat sich mit den vorangehenden 
höheren Gaben cumuliert, aber die Salivation nimmt langsam ab, bis sie 
endlich gänzlich verschwindet —, zu gleicher Zeit ist auch wahrscheinlich 
die Wirkung der vorangehenden grösseren Gaben verschwunden. Aus 
dem Angeführten geht also hervor, dass wir berechtigt sind, den 
reflectorischen Speichelfluss als Indicator der Strophanthin¬ 
wirkung zu betrachten. Und die weiteren Erörterungen werden zeigen, 
dass wir es mit einem sehr empfindlichen Indicator zu tun haben. 

Vor allem wollen wir überlegen, ob wir es bei unserer Katze mit 
einer Angewöhnung zu tun haben. Aus dem angeführten Protokoll 
kann man ersehen, dass nach dreimonatiger Dauer täglicher Strophanthin- 
injectionen, in einer Zeit, wo das Tier vollkommen normal schien, so dass 
wir schon zu zweifeln begannen, ob die applicierte Dosis überhaupt 
wirksam war, plötzlich das Symptom der Intoxication — der reflectorische 
Speichelfluss zum Vorschein kam. An der Pulsfrequenz ist keino Ab- 

1) Es muss zugleich ausdrücklich hervorgehoben werden, dass die injicierten 
Lösungen so stark verdünnt waren, dass von einer etwaigen localen Reizwirkung gar 
keine Rede sein kann. 


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Ueber die Gewöhnung an Strophanthin usw. 


151 


weichung gegen die Norm bemerkbar, sie bewegt sich bis auf kleine Ab¬ 
weichungen fortwährend zwischen 220—240 Schlägen pro Minute. Die 
Salivation aber zeigt an, dass das Strophanthin seine Wirkung entfaltet. 
Und nach einiger Zeit stellen sich die weiteren Symptome ein — die 
Katze ist apathisch, frisst wenig, sie ist, kurz ausgedrückt, vergiftet. 
Aber die Symptome büssen an Intensität allmählich ein, die Katze frisst 
wieder wie vorher, nimmt an Gewicht zu und endlich verschwindet auch 
der Salivationsreflex. Am Ende dieser Periode stellt sich eine nach 
einigen Tagen vorübergehende Pulsverlangsamung ein. Die Katze unter¬ 
scheidet sich wieder in keinerlei Weise von einer normalen Katze. Die 
Katze hat sich an unsere Strophanthingabe gewöhnt — so urteilten wir 
anfänglich. 

Als nach 20 Tagen der scheinbar normale Zustand der Katze keine 
Veränderung zeigte und die Katze sogar an Gewicht zunahm, erhöhten 
wir geringfügig die tägliche Gabe in der Meinung, dass unsere „angewöhnte“ 
Katze auf diese Dosiserhöhung entweder überhaupt nicht oder nur ge¬ 
ringfügig reagieren werde. Aber wie wurden wir überrascht, als nach 
der 3. Injection der Salivationsreflex wieder zum Vorschein zu kommen 
begann, nach der 6. Injection schon vollständig entwickelt war, als nach 
der 7. Injection die Katze erbrach und eine starke Pulsunregelmässigkeit 
sich einstellte! Nach der 11. Injection kommt ausser der Salivation und 
Pulsarhythmie Fresslustverminderung und allgemeine Apathie zum Vor¬ 
schein. Der Zustand wird von Tag zu Tag ärger und deshalb wurde 
nach der 14. Injection die tägliche Gabe auf die ursprüngliche Höhe 
wieder herabgesetzt. Aus dem Gewicht ist am besten ersichtlich, in 
welchen Zustand die Katze durch die Erhöhung der Einzelgaben gebracht 
worden ist. Noch eine Woche nach der letzten erhöhten Injection beträgt 
das Gewicht um 420 g weniger als bei der ersten erhöhten Gabe! Und 
die tägliche Erhöhung betrug 0,01 mg, im ganzen erhielt also die Katze 
in 14 Tagen um 0,14 mg mehr als sonst appliciert, um eine Gabe, die 
an sich kaum Erbrechen hervorzurufen imstande ist. Die gesamte er¬ 
höhte Dosis betrug 0,05 mg; diese Dosis, wie die in der vorangehenden 
Arbeit angeführten Versuche 2 und 7 zeigen, ruft den Salivationsreflex 
erst nach Ablauf eines Monats bzw. 10 Tagen hervor, während wir da 
dem Salivationsreflex schon am 3. Tage, am 10. Tage sogar einer schweren 
Vergiftung begegnen! Kann ein angewöhntes Tier in dieser Weise 
reagieren? Und doch lässt ja das Verschwinden der Symptome anfangs 
Oktober mit Sicherheit eine gewisse Angewöhnung erkennen! Wie soll 
man dieses scheinbare Missverhältnis erklären? 

Zuerst wollen wir nun untersuchen, welche weiteren Gründe zur An¬ 
nahme der Existenz einer Angewöhnung führen könnten. Vor allem 
begegnen wir im Versuch 1 einem vollständigen Verschwinden aller Ver¬ 
giftungserscheinungen. Auch im Versuch 10, der in vollkommen analoger 
Weise durchgeführt wurde, begegnen wir derselben Erscheinung: der 
reflectorische Speichelfluss, der in diesem Versuche erst in der zweiten 
Hälfte des 5. Versuchsmonates sich cinstellte, verschwindet, und die 
Katze ist von einem normalen Tier nicht zu unterscheiden. Dann können 
wir noch den Versuch 6, dessen Anfang in der vorangehenden Arbeit 


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152 Karel Klein, 

mitgeteilt wurde, als Stütze der Anschauung, dass es sich um eine An¬ 
gewöhnung handelt, anführen. 

Versuch 6. In der ersten Hälfte des Versuches nach 1 -f- 16 täglichen Gaben 
von 0,075 mg Strophanthin Boehringer wurde das Tier von einigen schweren Krämpfe¬ 
anfällen befallen, aus denen es sich in 3 Tagen vollständig erholte. 

5.10., d. i. nach dreitägiger Injectionspauso wurden wieder 0,075 mg Strophanthin 
Boehringer subcutan injiciert und diese Dosis wurde bis zum Tode des Tieres täglich 
wiederholt. 

13. 10. Nach der Injection einigemal Erbrechen. 

14. 10. Injection etwas kleiner als gestern. 

18. 10. Salivationsreflex. 

19. —24. 10. Kein Salivationsreflex. 

25. 10. Salivationsreflex, nachts erbrochen. 

26. 10. Salivationsreflex, nach der Injection Erbrechen. 

27. 10. Salivationsreflex schwächer, kein Erbrechen. 

28. 10. Salivationsreflex nur angedeutet, Tier erbricht. 

29. —31. 10. Kein Salivationsreflex, kein Erbrechen. 

1. 11. Frisst nicht, erbrioht zweimal. 

2. 11. Desgleichen. 

3. 11. Frisst nicht. Injection um 11 x / 2 Uhr vormittags, um 2 Uhr tot auf¬ 
gefunden. Im Käfig weder Erbrochenes noch Spuren von Krämpfen gefunden. 


Pulsfrequenz der Katze 6. 


Datum 

Puls¬ 

frequenz 

Bemerkungen. 

Datum 

Puls¬ 

frequenz 

Bemerkungen. 

12. 

9. 

190 


9.10. 

176 

Injection, 


13. 

9. 

224 


10. 10. 

168 



14. 

9. 

232 


11.10. 

204 



15. 

9. 

228 


12. 10. 

172 



16. 

9. 

236 

Injection. 

13.10. 

200 

Injection, 

Erbrechen. 

17. 

9. 

232 


14. 10. 

180 



18. 

9. 

192 


15. 10. 

180 



19. 

9. 

224 


16. 10. 

180 



20. 

9. 

204 


17.10. 

230 



21. 

9. 

244 

r 

18. 10. 

212 

Injection, 

Salivation. 

22. 

9. 

170 

„ Erbrechen. 

19. 10. 

232 



23. 

9. 

172 

V 

20. 10. 

212 



24. 

9. 

168 

* 

21. 10. 

200 



25. 

9. 

132—160 


22. 10. 

200 



26. 

9. 

155 


23.10. 

184 



27. 

9. 

156 

m « 

24. 10. 

160 

T 


28. 

9. 

160 


25. 10. 

180 

Injection, 

Saliv., Erbr. 

29. 

9. 

160 


26. 10. 

212 

r> 

n r> 

30. 

9. 

144 


27.10. 

212 


„ kein „ 

1. 

10. 

180 

»* 

28. 10. 

200 

n 

« n 

2. 

10. 

180 

Keine Inj., Krampfe. 

29. 10. 

192 

V 

keine Salivat. 

3. 

10. 

208 

» n 

30.10. 

180 


r> n 

4. 

10. 

180 

« r» 

31. 10. 

176 


»i n 

5. 

10. 

148 

Injection. 

1. 11. 

172 

r> 

Erbrechen. 

6. 

10. 

176 

V 

2. 11. 

216 

n 


7. 

10. 

176 

V 

3. 11. 

200 


tot aufgef. 

8. 

10. 

208 







Wenn man nun die erste Versuchsperiode mit der zweiten vergleicht, 
so ist auf den ersten Blick die lange Dauer der zweiten Periode auf¬ 
fallend. Die Katze, welche in der ersten Periode schon nach der 


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Ueber die Gewöhnung an Strophanthin usw. 


153 


16. Injection von den schwersten Vergiftungssymptomen befallen worden 
ist, geht in der zweiten Periode erst nach der 30. Injection zugrunde. 
Es kann natürlich eingewendet werden, dass das Tier in der ersten 
Periode nach der 16. Injection auch nicht zugrunde ging, aber diese Ein¬ 
wendung kann mit Hinweis auf die Schwere der sich eingestellten Ver¬ 
giftungssymptome leicht widerlegt werden, denn die Symptome waren so 
bedrohlich, dass es unmöglich erscheint, dass das Tier noch die weiteren 
14 Injectionen ertragen hätte. Die zweite Periode kann demnach nicht 
anders als auch durch eine erhöhto Widerstandsfähigkeit, d. h. durch 
eine Gewöhnung des Tieres erklärt werden. 

Wir fassen die in den angeführten Versuchen beobachteten Er¬ 
scheinungen in folgender Weise auf: Die Strophanthinwirkung kommt 
nur dann zustando, wenn die Menge des Giftes im Herzen bzw. in den¬ 
jenigen Organen, an denen das Strophanthin zur Wirkung kommt, eine 
gewisse Höhe erreicht; ist sie kleiner, dann stellt sich die Wirkung nicht 
ein. Als Beweis für diese Auffassung sehen wir den Umstand an, dass 
die Wirkung erst nach einigen, an sich unwirksamen Gaben zum Vor¬ 
schein kommt. Wir setzen also voraus, dass das Strophanthin in 
den Organen aufgespeichert wird. Der Grad dieser Strophanthin¬ 
aufspeicherung ist sicher von der Concentration bzw. auch von der absoluten 
Mengo des Giftes in den Körperflüssigkeiten abhängig. Als Beweis dafür 
führen wir den Befund an, dass bei der Bestimmung der wirksamen 
Gabe sowohl die Gesamtdosis als auch die Dosis pro Kilogramm Gewicht 
eine Rolle spielt. Bei einer gewissen Strophanthinconcentration in den 
Körperflüssigkeiten speichert sich eine gewisse, dieser Concentration gerade 
entsprechende Mengo in. den Organen auf. Es wird also vorausgesetzt, 
dass einer gewissen Giftconcentration in den Körperflüssigkeiten ein 
gewisser Sättigungsgrad in den Organen entspricht, wobei natürlich der 
Sättigungsgrad der Organe nicht parallel in einer arithmetischen Reihe 
mit demjenigen der Körperflüssigkeiten fortschreitet. Gleichzeitig mit der 
Aufspeicherung des Strophanthins in den Organen geht aber ein entgegen¬ 
gesetzter Vorgang einher: Das Strophanthin wird aus den Organen aus¬ 
geschieden oder in ihnen in irgendeiner Weise unwirksam gemacht, und 
auch die absolute Menge desselben in den Körperflüssigkeiten nimmt fort¬ 
während ab (d. h. würde abnehmen, wenn nicht immer neue Injectionen 
gemacht würden). Man kann sich vorstellen, dass sich bei einer gewissen 
fortwährenden Strophanthinzufuhr zwischen der Einnahme, der Auf¬ 
speicherung in den Organen einerseits und der Ausscheidung 
bzw. der Vernichtung des Giftes andererseits ein Gleichgewicht 
ausbildet. Wird die Zufuhr erhöht, so wird sofort auch das auf¬ 
gespeicherte Organdepot erhöht. Und dies sind eben wahrscheinlich die 
Verhältnisse, denen wir in den Versuchen 1 und 10 begegneten. 

Dass die angeführte Anschauung richtig ist oder mindestens in einer 
gewissen Weise den wirklichen Verhältnissen entspricht, das zeigen Ver¬ 
suche an isolierten Froschherzen. In unseren vorjährigen Versuchen mit 
dem Ouabain 1 ) wurde die Zeit, in welcher der systolische Stillstand ein- 


1) K. Klein, 0 krystalickcm ouabainu HofFroann-La Koche. Lek. Rozbl. 11. 


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154 


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Karel Klein, 

trat, mit der sich steigernden Concentration der Giftlösung immer kürzer, 
aber immer verging zwischen dem Beginn des Versuches und dem Ein¬ 
treten der definitiven Herzsystole eine gewisse Zeit — zur Aufspeicherung 
im Herzen ist ein gewisser Zeitraum, zum Hervorbringen des Herzstill¬ 
standes eine gewisse minimale Giftmenge nötig. Dass einer gewissen 
Giftconcentration in der das Herz durchspülenden Flüssigkeit ein gewisser 
Sättigungsgrad des Herzens entspricht, zeigen die Untersuchungen von 
Holste 1 )- Bei einer gewissen, sehr geringen Strophanthinconcentration 
in der Nährflüssigkeit kam kein Herzstillstand zustande, obzwar die 
absolute Giftmenge in der Nährlösung vollkommen hinreichend war, den 
systolischen Stillstand hervorzurufen. Aus diesen Versuchen leiten wir 
aber für unsere Untersuchungen noch die weitere Consequenz ab, dass es 
nämlich möglich ist, eine derartige Strophanthinmenge zu finden, deren An¬ 
wesenheit im Herzen keine toxischen Symptome hervorruft. Diese Voraus¬ 
setzung bildet für die weiteren Ausführungen eine conditio sine qua non, und 
wir betonen sie daher absichtlich in einer besonderen Weise. Und sub specie 
der angeführten Hypothese werden wir nun die Ergebnisse unserer Ver¬ 
suche betrachten und untersuchen, wie weit sie derselben entsprechen. 

Der täglichen Gabe von 0,04 mg entspricht eine gewisse Strophanthin- 
raenge in den Organen; diese Menge speichert sich natürlich erst nach 
Ablauf einiger Zeit in den Organen auf, um aber dann bei unveränderter 
Tagesgabe schon unverändert zu bleiben. Durch den Organismus circuliert 
ein ständiger Strophanthinstrom. 

Die in den Organen aufgespeicherte Giftmenge entfaltet zuerst die 
entsprechende Wirkung (dem entsprechen die Symptomenperioden in den 
Versuchen), dann gewöhnt sich aber das Organ an die Anwesen¬ 
heit dieser bestimmten Giftmenge, die Wirkung wird schwächer 
und die Vergiftungssymptome verschwinden. Aber das Gift ist fortwährend 
in den Organen anwesend, nur seine Menge ist für die Verhältnisse 
des Organismus nicht mehr hinreichend, um irgendwelche Symptome 
hervorzurufen. Nun wird die Dosis geringfügig erhöht: Die Giftconcentration 
in den Körperflüssigkeiten nimmt zu, zugleich wird dadurch auch der 
Giftgehalt der Organe gesteigert. Die Organe, die an diesen erhöhten 
Giftgehalt nicht gewöhnt sind, fangen an zu reagieren — und dies ent¬ 
spricht der Periode der Symptome nach der Erhöhung der Gabe. Und 
es scheint sogar, dass wir in unseren Versuchen die Grenzdosis an¬ 
getroffen haben, der sich der Organismus noch zu accommodieren vermag. 
Eine weitere Erhöhung der Giftmenge in den Organen wird nicht mehr 
vertragen und es stellen sich ernste Vergiftungserscheinungen ein. Diese 
Vorstellung erklärt auch, warum im Versuch 1 die geringfügige Dosis¬ 
erhöhung eine ernste Schädigung des Tieres verursachte. 

Der Organismus ist nur einer gewissen kleinen Gabe 
accommodiert. Die angeführte Vorstellung erklärt auch den Fall von 
Kussmaul. Der Kranke hatte die Gaben von 0,1—0,12 g pro die gut 
vertragen, eine Gabe von 0,4 g pro die rief schon eine Vergiftung hervor. 


1) A. Holste, Ueber den Einfluss der Giftmenge und Giftconcentration der Stoffe 
der Digitalisgruppe auf die Wirkungam Froschherzen. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 70. 


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Ueber die Gewöhnung an Strophanthin usw. 


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Es kann angenommen werden, dass bei «einer Tagesdosis von 0,1—0,12 g 
die Digitalisstoffe im Organismus des Kranken nur in einer solchen Con- 
centration circulierten, dass in dem Herzen und den anderen Organen 
die Giftmenge eine vergiftende Höhe überhaupt nicht zu erreichen 
vermochte. Die Digitalis war aber fortwährend wirksam, bei Aussetzen 
der üblichen Gabe wurde der Kranke von Beschwerden befallen, sein 
Organismus war demnach nicht angewöhnt, sondern die gereichte 
Gabe war bei ihm gerade zur Erzielung des therapeutischen Effectes 
genügend, zur Erzielung einer Intoxication durch dio Cumulation 
reichte sic aber nicht aus 1 ). 

In den angeführten Versuchen wurde also eine gewisse Gewöhnung 
beobachtet, aber diese Gewöhnung war ziemlich labil; die früher mit- 
geteiltc Vorstellung erklärt uns aber diese Labilität in einer ziemlich 
befriedigenden Weise. Zur Demonstration der Gewöhnungslabilität sei 
der Versuch 10 in einer sehr abgekürzten Weise angeführt. 

Katze 10. Im Institut seit 23. 9. 1913, wiegt 2000 g. 

Vom 3. 10. 1913 tägliohe Injection von 0,04 mg Strophanthin Boehringer. 

7. 12. Katze wiegt 2270 g. 

Bis zum 25. 2. 1914 Katze scheinbar normal, zeigt keinen Speiobelfluss, erbricht 
nicht, Pulsfrequenz schwankt zwischen 160-190 -200 Schläge pro Minute. Perioden 
einer Pulsbeschleunigung wechseln mit denjenigen einer Pulsverlangsamung ab. 

26.2. Bei der Injection der reflectorische Speichelfluss, nach der Injection Erbreohen. 

27. 2. Salivation, Erbrechen. 

Vom 2. bis 5. 3. apathisch, frisst wenig, Salivationsreflex dauert an. 

5. 3. Pulsfrequenz beschleunigt, über 200 Schläge pro Minute, und dieso Puls¬ 
beschleunigung dauert mit kleinen Abweichungen bis zum 27. 3. an. 

13. 3. Keine Salivation bemerkbar. 

21. 3. Der Salivationsreflex kann durch absichtliche Verlängerung der Injections- 
encheirese noch erzwungen werden; von diesem Tage ab dauernd ohne Salivation. 

Vom 11. bis 16. 4. excl. hungert das Tier. 

17. 4. Reflectorischer Speichelfluss. 

18. 4. Katze normal. 

Vom 19. bis 22. 4. ecl. hungert das Tier wieder. 

23.4. Salivationsreflex. 

Der Salivationsreflex stellt sich also nach einer Schwächung des 
Organismus durch eine kurze Hungerperiode ein. Der durch Hunger 
geschwächte Organismus reagiort auf die Strophanthinmenge, 
die er vorher ohne jede Erscheinung vertragen hat. Es ist aber 
jedoch auffallend, dass sich der Salivationsreflex erst nach der Hunger¬ 
periode und nicht während derselben einstellte. Diese Erscheinung 
erklärten wir uns dadurch, dass die hungernde Katze, die während des 
Hungerns auch kein Wasser zu sich nimmt, an einem Wassermangel im 
Organismus leidet. Um uns zu überzeugen, wieweit diese Vorstellung 
richtig war, injicierten wir in der nächsten Hungerperiode dem Tiere 
ausser der Strophanthinlösung noch 5—25—45 ccm einer warmen physio¬ 
logischen NaCl-Lösung subcutan. 

1) Es scheint, dassdieDosisvonO,! usw. eine rein therapeutische Dosis nur für 
gewisse Individuen darstellt, bei anderen könnte sie vielleicht schon durch Cumulation zur 
Vergiftung führen, denn die Individualität spielt hier sicher eine ausschlaggebende Rolle. 


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25. 4. Die Hungerperiode fängfr an. 

26. 4. Bei der Injection Salivation *), 5 ccm NaCl-Lösung injiciert. 

27.4. Keine NaCl-Lösung injiciert, ein geringfügiger Salivationsreflex 
wurde erst durch Wiederholung der Injectionsencheirese erzwungen. 

28. 4. Injection von 5 -f-5 -(- 15com NaCl-Lösung (auf dreimal), der Salivations¬ 
reflex ist noch nicht regelmässig entwickelt. 

29. 4. Injection von 45 ccm NaCl-Lösung (wieder auf drei Injectionen verteilt), 
der Salivationsreflex vollkommen regelmässig. 

30. 4. Injection von 30 ccm NaCl-Lösung, Salivation regelmässig. 

1. 5. Keine NaCl-Lösung injiciert, der Reflex dauert an. 

2. 5. Zum erstenmal zu essen bekommen, wiegt 1860 g, der Salivationsreflex in 
ausgeprägter Weise entwickelt. 

6. 5. Die Salivation beginnt, sobald das Tier die Vorbereitungen zu der Injection 
sieht, und der Reflex dauert in den nächsten Tagen in derselben Stärke an. 

13. 5. Zum erstenmal keine Salivation. 

14. 5. Salivation wieder angedeutet. 

Vom 15. 5. vollständig salivationsfrei. 

Vor allem müssen wir zu erklären trachten, warum während der 
ersten Hungerperioden kein Speichelfluss, während der dritten Hunger¬ 
periode am zweiten Tage auch ohne NaCl-Lösungeinspritzung schon be¬ 
merkbar war. Vielleicht war die Katze in der dritten Hungerperiode 
durch das vorangehende Hungern mehr geschwächt als in den ersten 
zwei Perioden, aber die ausschlaggebende Rolle spielte der Wasser Verlust. 
Die ersten zwei Hungerperioden fielen in eine Zeit, wo die Temperatur 
gegen 20° C betrug, die dritte Hungerperiode dagegen wurde bei einer 
Temperatur von 10° C ausgeführt. Dass dadurch in den beiden ersten 
Hungerperioden der Wasserverlust viel höher war und dadurch den 
Salivationsreflex verhindern konnte, ist einleuchtend. 

Zwei Controlltiere, die genau dieselbe Zeit hungerten und von 
denen das eine ausgenommen die Strophanthininjectionen genau denselben 
Versuchen (Injection von NaCl-Lösungen usw.) unterworfen wurde, zeigen 
keine Spur von irgendeiner Salivation. Der Puls ist während der 
Hungerperiode etwas verlangsamt, aber es ist schwer, diese Puls¬ 
verlangsamung für eine Wirkung des Strophanthins + Organismus¬ 
schwächung zu halten. Der eingetretene Salivationsreflex zeigt jedoch an, 
dass die Gewöhnung in eine Intoxication überzugehen beginnt. 

Durch die mitgetcilten Versuche wurde gezeigt, dass es möglich ist, 
bei Katzen eine Gewöhnung an Strophanthin zu erzielen, und zwar bei 
subcutaner Application. Jetzt wollen wir uns noch etwas näher mit 
dem im Verlaufe der Vergiftung beobachteten Salivationsreflex befassen, 
obzwar dies eigentlich nicht zu unserer heutigen Aufgabe gehört, denn 
der Salivationsreflex diente uns nur als Indicator der eingetretenen bzw. ab¬ 
geschwächten Wirkung des Strophanthins. Aber die Erscheinung ist an 
sich so interessant, dass es uns zweckmässig erscheint, die einzelnen 
Möglichkeiten, durch welche der Reflex erklärt werden konnte, zu er¬ 
wähnen. 

Der beobachtete und früher näher besprochene reflectorische Speichel¬ 
fluss ist kein einfacher Reflex, sondern es sind bei demselben einige 

1) Erklärung siehe weiter unten. 


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Ueber die Gewöhnung an Strophanthin usw. 


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Züge einer gewissen Handlung bemerkbar. Es hat genügt, die Katze 1 
im Stalle in die Hand zu nehmen — und sofort stellte sich die Salivation 
ein. Der Charakter einer gewissen Handlung ist noch besser bei der 
Katze 10 ausgeprägt. Diese Katze trachtete sich im Käfig zu verstecken, 
sobald sic nur die Vorbereitungen zu dem Versuche bemerkte — und zu 
gleicher Zeit stellte sich die Salivation ein. Man wäre also sehr geneigt, 
den Reflex, wie wir schon erwähnten, als einen Abwehrreflex zu be¬ 
trachten. Dass die Tiere den Speichel als eine Abwehrmassregel gegen 
äussere Schädlichkeiten benutzen, ist allgemein bekannt. Pawlow 1 ) 
charakterisiert diese Function der Speicheldrüsen wie folgt: „Ausser 
ihrer Teilnahme an dem Verdauungssystem dienen die Speicheldrüsen mit 
ihrem Secret dem Organismus noch in anderer Weise. So sehen wir z. B., 
dass die Tiere sich mit Speichel abwaschen und vor allem denselben 

bei äusseren Verletzungen benutzen. In llebereinstimmung mit 

dieser Beobachtung sieht man bei mit Speichelfisteln versehenen Tieren 
bei jeder zerstörenden Einwirkung auf die Haut (Verbrennung, Stiche usw.) 
eine mehr oder weniger bedeutende Speichelseeretion eintreten. Dieselbe 
Erscheinung beobachtet man auch jedesmal, wenn man das Tier die 
Absicht merken lässt, ihm eine Hautverletzung beizubringen, d. h. unter 
Einwirkung des psychischen Affectes (Tolotschino w, Verhandl. d. Congr. 
in Hclsingfors. 1902).“ Diese von Pawlow angeführten, uns im Original 
leider nicht zugänglichen Versuche von Tolotschinow wären auch zur 
Auffassung des Reflexes unserer Katzen als eines Abwehrreflexes sehr 
verlockend. Aber die oben mitgeteilten Controllversuche, in denen die 
Tiere nur Wasscrinjectionen unterworfen wurden und in denen weder ein 
andauernder noch ein reflectorischer Speichelfluss beobachtet wurde, legen 
ein genügendes Zeugnis ab, dass das unangenehme Einschliessen und der 
Schmerz bei der Injection in unserer Versuchsanordnung den Reflex allein 
hervorzurufon nicht hinreichend war. In diesem Punkt stimmen also 
• unsero Versuche mit denen von Tolotschinow nicht überein, was 
vielleicht dadurch zu erklären sei, dass in unseren Versuchen die Be¬ 
schädigung des Tieres eine zu geringfügige war, um bei einem normalen 
Tiere eine Abwehr-Speichelsecretion hervorrufen zu können. 

Wie oben dargelegt wurde, kann es kaum einem Zweifel unterliegen, 
dass der reflectorische Speichelfluss in irgendeinem Zusammenhänge mit 
den Strophanthininjectionen steht. Nun bleibt aber eben die Frage 
offen, wie dieser Zusammenhang aufzufassen sei. Da wir bis jetzt 
experimentell die Frage nicht in Angriff genommen haben und erst in 
der nächsten Zeit uns damit beschäftigen wollen, bleiben uns nur 
theoretische Erklärungsversuche möglich. Die Hauptschwierigkeit dieser 
Erklärungsversuche liegt darin, dass wir den unmittelbaren Rcizfactor 
der Speicheldrüsen, der in unseren Versuchen seine Wirkung entfaltete, 
mit genügender Sicherheit nicht kennen. Wir haben hier mit zweierlei 
Factoren, mit der Strophanthinwirkung einerseits, mi,t der in seiner 
Wirkung auf das centrale Nervensystem des Tieres complicierten 
Inj ectionsencheirese andererseits zu tun. Welcher von diesen beiden 

1) J. Pawlow, Die äussere Arbeit der Verdauungsdrüsen und ihr Mechanismus. 
Nagels Handb. d? Physiol. d. Menschen. Bd. 2. S. 674. 


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Factoren entfaltet also seine Wirkung an dem Drüsenapparat? Was die 
Injectionsencheirese an sich anbelangt, wurde diese Frage oben schon in 
einem verneinenden Sinne beantwortet, es kann also vielleicht die 
Strophanthinwirkung als unmittelbarer Reiz für den secretorischen Apparat 
in Betracht kommen. 

In der Symptomatologie der Strophanthinvergiftung wird auch immer 
die Salivation angeführt, so dass eine Beeinflussung des secretorischen 
Speicheldrüsenapparates angenommen werden muss. Die Schwierigkeit 
liegt in unseren Versuchen darin, dass wir es mit einem reflectorischen 
und nicht mit einem andauernden Speichelfluss, wie dies bei Gift¬ 
wirkungen zu sein pflegt, zu tun hatten. Es ist aber möglich, den Sach¬ 
verhalt sich in folgender Weise zu veranschaulichen. Es bestand bei 
den vergifteten Katzen tatsächlich eine andauernde erhöhte Speichel- 
secretion, die aber, da wir nicht mit mit Speichelflsteln versehenen Tieren 
arbeiteten, äusserlich nicht zum Vorschein kam. Diese Secretion stieg 
auf eine gewisse Zeit nach jeder injection, so dass sich schliesslich der 
Reiz zu dem erhöhten Speichelfluss und der Reiz der Injectionsencheirese 
in dem Centralnervensystem der Katze vergesellschaftete und dadurch 
ein in hohem Grade entwickelter Speichelfluss schon während der 
Injectionsencheirese zum Vorschein kam. Wir hätten dann mit einem 
Reflex zu tun, der mit den von Pawlow beschriebenen bedingten Reflexen 
in eine Reihe zu stellen wäre. (Dies alles und auch das Folgende ist 
natürlich nur eine Voraussetzung und kein Versuchsergebnis.) 

Die Wirkung des Strophanthins auf die Speicheldrüsen braucht aber 
keine in diesem Sinne directe zu sein. Es ist möglich, dass die Salivation 
bloss eine Teilerscheinung der durch das Strophanthin hervorgerufenen 
Nausea darstellt; in den chronischen Versuchen kommt dann eben nur 
diese Teilerscheinung zum Vorschein. Ihr rellectorisches Auftreten wäre 
dann mutatis mutandis in ganz ähnlicher Weise aufzufassen, wie es bei 
der Voraussetzung einer directen Strophanthin Wirkung auf die Speichel- # 
secretion geschah. 

Endlich bleibt noch eine dritte Möglichkeit übrig, welche die Auf¬ 
fassung zur Voraussetzung hat, dass das Strophanthin allein in unseren 
Versuchen die Speicheldrüsen überhaupt nicht zur Secretion gebracht 
hat, sondern dass der psychische Affect, ähnlich wie dies in den 
Versuchen von Tolotschinow der Fall ist, die Katze zur Speichei- 
secretion anregte. Bei einer normalen Katze gelingt dies nicht, bei 
einer mit Strophanthin chronisch vergifteten mit Leichtigkeit — 
der natürliche Schluss wäre dann, dass das Nervensystem der Katze 
durch das Strophanthin auf eine höhere Stufe der Erregbarkeit gebracht 
wurde, so dass dann die Katze auf Reize reagiert, die bei einem un- 
vergifteten Tiere ohne Erfolg bleiben. Wäre dies der Fall, so müsste 
man die Spcichelsecretion durch Reize hervorrufen, die in gar keinem 
Zusammenhänge mit denjenigen Umständen stehen, die bei der täglich 
sich wiederholenden Injectionsencheirese zur Geltung kommen. Dies 
näher zu untersuchen, bleibt die Aufgabe der weiteren experimentellen 
Arbeit, denn bis jetzt besitzen wir keine einzige objective Beobachtung, 
die uns eine der angeführten Vermutungen über den wahren Charakter 
des beobachteten Reflexes als bewiesen erscheinen Hesse. Für die Be- 


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Ueber dio Gewöhnung an Strophanthin usw. 


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deutung des Reflexes als Indicator der Vergiftung bleibt diese Tatsache 
aber natürlich vollkommen belanglos. 

Es ist weiter interessant zu beobachten, dass in den eben mit¬ 
geteilten Versuchen, wo eine Accommodation an das Strophanthin erzielt 
wurde, die Vergiftungssymptome sich allmählich entwickeln und 
allmählich wieder an Intensität abnehmen: zuerst stellt sich der 
Salivationsreflex ein und dauert auch am längsten an. Das Schema des 
Versuchs Nr. 1 illustriert diese Verhältnisse in einer genügend klaren 
Weise. Der Reflex kommt nie plötzlich zum Vorschein und verschwindet 
auch niemals plötzlich, sondern es ist bei demselben immer eine Zu¬ 
nahme und dann wieder eine Abnahme an Intensität zu beobachten. 
Diese Erscheinungen stehen in einem schroffen Gegensatz zu den plötz¬ 
lichen Todesfällen, die in subchronischen, letalen Vergiftungen beobachtet 
wurden. Deshalb halten wir eine abweichende Erklärung beider Er¬ 
scheinungen für nötig und berechtigt (siehe die vorangehende Arbeit). 

Die subchronischen Versuche (Nr. 2 und 7) zwangen, zur Vorsicht 
bei der chronischen Digitalistherapie zu ermahnen. Die Versuche über 
die chronische Vergiftung fallen nicht anders aus; obzwar eine gewisse 
Gewöhnung an das Mittel nicht geleugnet werden kann, als indifferent 
für den Organismus kann man diese kleinen, lang applicierten Gaben 
jedoch nicht erklären. Gegen eine erhöhte Dosis zeigt das Tier anstatt 
einer erhöhten eine vermindernde Resistenz; es könnte beinahe mit 
einem sensibilisierten Tiere in den Immunisierungsversuchen verglichen 
werden. Und die logische Schlussfolgerung solcher Befunde muss wieder 
lauten: Grösste Vorsicht bei der Therapie, trotzdem in diesen Fällen die 
Gefahr nie so gross ist, da die Vergiftungssymptome nur allmählich sich 
entwickeln, so dass es immer genug Zeit wäre, durch Herabsetzung oder 
vollständige Aussetzung der applicierten Gabe eine Katastrophe zu ver¬ 
hüten. Es ist aber trotzdem interessant und mahnt zur Vorsicht, dass 
auch nach Dosisverminderung die Restitutio ad integrum nur sehr langsam 
zustande kommt, so dass 6 Wochen nach der letzten erhöhten Gabe das 
Tier sich noch nicht vollkommen erholt hat. 

Ein Blick auf das Schema des Versuchs Nr. 1 gibt noch einen 
anderen interessanten Befund. Es könnte erwartet werden, dass die er¬ 
wähnten Vergiftungserscheinungen an allen Organen parallel zum Vor¬ 
schein kommen werden; aber es ist dies nicht der Fall. Die Pulsfrequenz 
zeigt im Versuch Nr. 1 keine Abweichung von der Norm an, zur Zeit, da 
der Salivationsreflex erscheint und der Gesamtzustand sich verschlimmert. 
Noch auffallender ist dieses Missverhältnis in der zweiten Versuchs¬ 
periode, wo die Pulsarhythmie schon längst verschwunden ist, der Sali¬ 
vationsreflex aber immer noch andauert. Im Sinne des früher mitgeteilten 
Erklärungsversuches unserer Experimente könnten wir schliessen, dass 
entweder das Nervensystem bei einer gegebenen Strophanthincortcentration 
in den Körperflüssigkeiten einen höheren Sättigungsgrad erreicht als der 
Girculationsapparat, oder dass das Strophanthin in die Zellen des Nerven¬ 
systems langsamer eindringt, so dass die wirksame Concentration später 
darin erreicht wird. Die erste Eventualität setzt zugleich voraus, dass 
die wirksame Giftconcentration im Nervensystem eine höhere sein muss 
als im Circulalionsapparat. 


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Karel Klein, Ueber die Gewöhnung an Strophanthin usw. 


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Unsere Versuche stehen auch mit der Vermutung von Heide nicht 
im Einklang, der behauptet, das Nervensystem accoramodiere sich den 
Digitalisstoffen leichter als der Circulationsapparat. Es ist möglich, dass 
diese Vermutung für Hunde und Kaninchen und bei der Versuchsanord¬ 
nung von Heide Geltung hat, aber ihre allgemeine Geltung können 
wir auf Grund unserer Versuche nicht anerkennen. Die Vergiftungs- 
Symptome seiteps des Nervensystems kamen am Anfang der Versuche 
zwar viel später zum Vorschein als diejenigen seitens der anderen Organe, 
aber sobald das Tier „sensibilisiert 44 war, erschienen diese Symptome 
als die ersten und verschwanden als die letzten. 

Endlich ist es nötig, die Frage zu erörtern, warum in den Versuchen 
von Prof. v. Lhotäk sich die Gewöhnung bei den Kaninchen ziemlich 
leicht erzielen liess und warum dagegen dieselbe bei unseren Katzen¬ 
versuchen nur angedeutet war und keinen hohen Grad erreichte. Diese 
auf den ersten Blick vielleicht merkwürdige Erscheinung kann man jedoch 
folgendermasscn erklären: Der Organismus eines Kaninchens, d. h. der 
Organismus eines Pflanzenfressers, ist gewöhnt, in seiner täglichen Nahrung 
verschiedene Stoffe von Glykosidennatur zu erhalten und daher besitzt 
derselbe die Eigenschaft, solche Stoffe in seinen gewöhnlichen Stoffwechsel 
einzureihen. Die Digitalisglykoside stellen für den Kaninchenorganismus 
keine vollständig unbekannte Stoffe dar. Und die Gewöhnung kommt 
auch bei der peroralen Application bei den Kaninchen, wie cs Professor 
v. Lhotäk zu zeigen vermochte, hauptsächlich dadurch zustande, dass 
die Verdauungsferraentc die toxischen Substanzen zersetzen, obzwar 
auch eine erhöhte Widerstandsfähigkeit des Herzens und anderer Organe 
festgestellt wurde. Bei einer Katze, einem typischen Fleischfresser, 
begegnet man aber vollkommen anderen Verhältnissen. Der Katzen- 
organisraus kennt kaum aus seiner täglichen Nahrung irgendwelche 
Glykoside, sicher sind dieselben für ihn nicht so geläufig wie für den 
Organismus eines Pflanzenfressers, und es ist daher leicht begreiflich, 
dass die Gewöhnung bei den Katzen nicht in demselben Masse aus¬ 
geprägt ist wie bei den Kaninchen, aber dass auch bei diesen Tieren eine 
gewisse Gewöhnung sich entwickeln kann, kann kaum geleugnet werden. 

Resümee. 

1. Als zuverlässiger Indicator sowohl einer beginnenden als 
auch einer entwickelten Strophanthinvergiftung erscheint 
in unseren Versuchen der Salivationsreflex. 

2. Durch kleine Strophanthingaben kann man bei Katzen eine 
Gewöhnung an dieses Gift erzielen. 

3. Die Gewöhnung kommt sowohl am Circulationsapparat als 
auch an dem Nervensystem zum Vorschein; es besteht kein 
Parallelismus zwischen den beiden Erscheinungen. 

4. Diese Gewöhnung ist sehr labil und geht sehr leicht in 
eine Intoxication über. 

5. Der Uebergang der Gewöhnung in eine Intoxication geht 
nur allmählich vor sich. 


Druck vou L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


EXPERIMENTELLE PATHOLOGIE 

UND 

THERAPIE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 

L. BRIEGER (BERLIN), H. E. HERING (CÖLN), 
F. KRAUS (BERLIN), R. PALTAUF (WIEN), 
J. POHL (BRESLAU). 


SIEBZEHNTER BAND. ZWEITES HEFT. 

MIT 7 TAFELN. 


BERLIN 1915. 

VERLAG VON AUGUST HIRSCHWALD. 

NW. UNTER DEN LINDEN SS. 


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Inhalt. 


XIV. Aus der med. Poliklinik der Univ. Bern (Direotor: Prof. Dr. H. Sahli 
— Oberarzt: Priv.-Doc. Dr. Fritz Seiler). Ueber medicamentöse 
Leukocytose. Literarische Uebersicht, nebst eigenen Versuchen über 
die Beeinflussung der Leukocyten durch einige Antipyretica. Von 
Ren<$ Ph. Gehrig, prakt. Arzt aus Trub (Bern). 

XV. Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charitä, Berlin (Director: Geh. Med.- 
Rat Prof. Dr. F. Kraus). Beeinflussung des Blutdruckes durch hyper¬ 
tonische Lösungen. Von Karl Retzlaff, klinischem Assistenten. 
(Hierzu Tafeln V—VII.). 

XVI. Aus der Friedrichstadtklinik für Lungenkranke zu Berlin (dirigierender 

Arzt: Dr. Arthur Mayer). Zur Klinik und experimentellen Patho¬ 
logie der Beziehungen zwischen Trauma und Lungentuberculose. 
Von Arthur Mayer. 

XVII. Ueber Vaccinetherapie des Typhus abdominalis, insbesondere den 

Fornetschen Impfstoff und 14 damit behandelte Fälle im Bürgerhospital 
in Saarbrücken. Von Albrecht Mertz, früherem Assistenten der 
Anstalt. (Hierzu Tafeln VIII—X.). 

XV1IL Aus dem Roten Kreuz-Spital in Budapest (Director: Priv.-Doc. 
Dr. Böla von Imrädy). Die öpsiurie. Von Oberarzt Dr. Ludwig 
v. Szöllösy. 

XIX. Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charitö, Berlin (Director: Geheimrat 
Prof. Dr. F. Kraus). Ueber die Herkunft der localen eosinophilen 
Zellen. Von Dr. Basileios Photakis (Athen). (Hierzu Tafel XI.) 

XX. Aus der I. und III. med. Abt. (Vorstände: Prim.-Prof. Dr. G. Singer 

und Prim.-Doc. Dr. M. Weinberger) und dem path.-anat. Institut 
(Vorstand: Hofrat Prof. Dr. R. Pal tauf) der k. k. Krankenanstalt 
„Rudolfstiftung“ zu Wien. Beschleunigter Nachweis der Tuberculose 
im Tierversuch durch Milzimpfung. Von Dr. M. Damask und Dr. 
F. Schweinburg, Assistenten der Abteilungen. 

XXL Aus dem k. k. Serotherapeutischen Institut in Wien (Vorstand: Hofrat 
Prof. Dr. Paltauf). Experimentelle Studien über Immunisierung mit 
Diphthcrietoxin-Antitoxingemischen. Von Dr. Bruno Busson uud 
Dr. Ernst Löwenstein. 


Seit« 


161 


192 


200 


224 

243 

270 


274 


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XIV. 


Aus der medicinischen Poliklinik der Universität Bern 
(Director: Prof. Dr. H. Sahli — Oberarzt: Priv.-Doc. Dr. Fritz Seiler). 

Ueber medicamentöse Leukocytose. 

Literarische Uebersicht, nebst eigenen Versuchen über die 
Beeinflussung der Leukocyten durch einige Antipyretica. 

Von 

Ren6 Ph. Gehrig, prakt. Arzt aus Trub (Bern). 


Einleitung. 

Obwohl die ersten Arbeiten über weisse Blutkörperchen schon aus 
den fünfziger Jahren stammen (Hirth, Moleschott), so wurden die 
Leukocyten doch nur ganz allmählich und viel später in den engeren 
Interessenkreis des Klinikers hereingezogen. Der Begriff einer Leuko¬ 
cytose taucht erst zu Beginn der neunziger Jahre auf. Es hing das zu¬ 
sammen mit der Vervollkommnung der Untersuchuogsapparate, so dass 
Arbeiten auf dem Gebiete der Leukocytose ,erst von diesem Zeitpunkte 
an Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit erheben können. 

Am klinischen Materiale wurden die ersten Lcukocytosen bei Infektions- 
zuständen beobachtet, und dieser Tatsache haben die meisten Hypothesen 
zur Erklärung der Leukocytose Rechnung getragen. In erster Linie wurde 
beim Zustandekommen der Leukocytose die Toxinwirkung der Infektions¬ 
erreger als ursächliches Moment angesehen, die Leukocytose selbst aber 
als eine Verteidigungsraassregel des Organismus gegenüber der Infektion. 

Schon lange vor der Festlegung des Begriffes der Leukocytose war 
es aber bekannt, dass durch die Einverleibung verschiedener, hauptsäch¬ 
lich ätherischer Substanzen, wie die ätherischen Oele, Aether, Campher 
u. a., eine Vermehrung der weissen Blutkörperchen zu Stande gebracht 
werde (Hirth, Binz, Meyer). Wie bei den Infektionskrankheiten wurde 
auch bei diesen, durch die erwähnten Substanzen erzeugten Leukocytosen 
die Giftwirkung als das wirksame Agens bei der Erzeugung der Leuko¬ 
cytose betrachtet. 

Auch heute noch wird die Leukocytose ganz allgemein als Abwehr- 
massregel des Organismus gedeutet. Metschnikoff berief sich zur Be¬ 
gründung dieser Ansicht besonders auf die phagocytären Eigenschaften 
der Leukocyten, die in vitro an zahllosen Versuchen bewiesen wurden. 
Bei der Erklärung toxischer Leukocytosen fällt die Phagocytenlehre stark 
ins Gewicht; es wurde für verschiedene Schwermetallc, sowie für Arsenik 
von ßesredka und für Jod festgestellt, dass sie nach ihrer Einführung 
in den Organismus fast vollständig von den Leukocyten aufgenommen 
und so aus dem Körper eliminiert werden (Stassano, Baldoni, 
Vilentschik). 

Zeitschrift f. eip. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. \ j 


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Ren4 Ph. Gehrig, 


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Von der Metschnikoffschen Schule wurden später eine Reihe 
chemisch gelöster Substanzen auf die Lcukocytose zurückgeführt, welche 
als Alexine, Opsonine, Antitoxine und Agglutinine bezeichnet werden, 
und denen die Bekämpfung der Toxine zugeschrieben wird (Halm, 
Büchner, Jacob). 

Löwy und Richter versuchten die antitoxische Kraft des Blutes mit 
dessen Alkalesccnz zu erklären, deren Stärkegrad mit dem Leukocytengehalt 
des Blutes parallel gehen soll; doch fand diese Ansicht wenig Anklang. 

Pankow stellte schon 1895 die Behauptung auf, dass die bakteri- 
cide und antitoxische Kraft des Blutes durchaus von dessen Leukocytcn- 
gehalt abhängig sei, wie man sich die Entstehung und Wirkungsweise 
der Leukocytose auch denken möge. 

Man versteht angesichts dieser Auffassungen die grosse Bedeutung, 
welche der künstlichen Erzeugung einer Leukocytose zur Bekämpfung 
der Infectionskrankheiten beigemessen wurde und teilweise noch bei¬ 
gemessen wird (Hofbauer, Pankow). 

Mit dieser Anschauung lässt sich aber die Tatsache nicht in Ein¬ 
klang bringen, dass einige Infektionskrankheiten, wie Typhus und Malaria, 
ohne Vermehrung der Lcukocytenwerte einhergehen. 

Auf weitere Schwierigkeiten stiess man, als versucht wurde, sich 
über das Zustandekommen der Leukocytose eine wissenschaftliche 
Vorstellung zu machen. 

Zunächst hiess es dem Einwande begegnen, die Schwankungen in 
der Lcukocytenzahl seien nur in den peripheren Gefässen zu finden 
(Schulz, Silverman). Jacob und Scmjakin erbrachten den Beweis, 
dass sowohl bei Leukocytose wie bei Leukopenie sich der Gehalt des 
Blutes an Leukocyten im ganzen Kreislauf ändert. 

Von Beginn an brauchten die Theorien über die Entstehung der 
Leukocytose den Begriff der Chemotaxis, d. h. der chemischen Anlockung 
von in Reserve gehaltenen oder neugebildeten Leukocyten durch die 
Noxe. Zahllose Versuche in vitro sollten die anziehende Kraft toxischer 
Substanzen auf die Leukocyten beweisen; doch sind alle diese Versuche 
eines direkten Beweises der Chemotaxis als zweifelhaft zu bezeichnen 
(Sahli). Der Begriff der Chemotaxis steht aber trotzdem heute noch 
den anderen Anschauungen voran. 

Ein weiterer Schritt in der Aufklärung dieser Frage wurde durch 
diejenigen Forscher gemacht, welche eine speciGsche Reizung der Bildungs¬ 
stätten der Leukocyten, speciell des Knochenmarkes, durch das Toxin 
nachwiesen (Muir). 

Einer anderen Anschauung wurde der Weg geebnet durch das Auf¬ 
finden der Lymphagoga (Rous). Das Toxin soll hier durch directe Ein¬ 
wirkung auf die glatte Musculatur der Milz und Lymphknoten eine Aus¬ 
schwemmung der in Reserve gehaltenen weissen Blutkörperchen bewirken 
und so eine rein mechanische Leukocytose zu Stande bringen (Jacob, 
Harvcy, Starling, Timofeew). Da jedoch polymorphkernige Leuko¬ 
cyten weder in der Milz, noch in den Lymphknoten entstehen, lässt sich 
diese Anschauung höchstens zur Erklärung einer Lymphocytose heran¬ 
ziehen (Sahli). 


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Ueber medioamentöse Leukocytose. 


163 


Eine weitere Möglichkeit der Entstehung der Leukocytose wird 
von Tallqvist, Froin, Heinz und Kühnau angegeben. Diese sahen 
ein Anwachsen der Leukocytenzahl immer dann eintreten, wenn die roten 
Blutkörperchen eine Schädigung erfahren haben, besonders nach Blut- 
dissolutionen. Durch die Zerfallsproductc der roten Blutkörperchen soll 
ein die Leukocytose hervorrufendes Moment geschaffen werden. 

Auch nach jedem Blutverluste wurde Leukocytose beobachtet 
(Ehrlich, Antonenco, Escherich, Lyon, Rieder). Die Leukocytose 
infolge von Blutverlust ist wohl als eine Folge einer directen Erregung 
des Knochenmarkes aufzufassen, und nicht etwa mit einer infolge des 
Blutverlustes eintretenden Herabsetzung des Blutdruckes in Zusammen¬ 
hang zu bringen, zumal andere Autoren geradezu eine Leukopenie bei Sinken 
des Blutdruckes beobachtet haben (Vincent, Decastello, Camus). 

Eine andere Anschauung geht dahin, dass ein Zerfall von Leuko- 
cyten selbst eine Leukocytose hervorrufe, indem der Untergang der 
Leukocyten gewisscrmassen zu reflectorischer Leukocytose ansporne 
(Jacob, Horbaczewski, Löwit). Damit in Einklang steht denn auch 
der Befund einer Leukocytenabnahme, welche den meisten Leukocytosen 
vorangeht. 

Nach Morse und Limb eck soll freilich diese Leukopenie nicht 
von einer Zerstörung der Leukocyten herrühren, sondern von einer Ein¬ 
schliessung der weissen Blutkörperchen in gewissen Organen, besonders 
der Lunge, während der Dauer dieser initialen Leukopenie, so dass also 
auch hier die Frage noch nicht endgültig entschieden ist. 

Ganz andere Erklärungen verlangen die Leukocytosen, welche in 
den modernsten Werken unter dem Titel der physiologischen Leuko¬ 
cytosen zusaramengefasst und den pathologischen Leukocytosen gegenüber¬ 
gestellt werden (Sahli). 

Es handelt sich hier um Leukocytosen bei physikalischen Einwirkungen 
auf den Körper, nach Massage (Heyerdahl), nach dem warmen (Bohland, 
Horbaczewski) und dem kalten Bad (Sahli), nach Lagewechsel (Eller¬ 
mann), nach Muskelarbeit (Villebrand, Hawk), Traumen (Aschen- 
heim), nach der Einwirkung reizender Substanzen auf dicHaut(Winternitz); 
ferner Beeinflussungen psychischer Natur, wie Gemütsbewegungen; endlich 
die Gravidität und das Säuglingsalter (Nernstedt). 

Am bekanntesten von allen physiologischen Leukocyten ist wohl 
die Verdauungsleukocytose. Die Veränderungen im Leukocytengehalt des 
Blutes, welche von der Ernährung bewirkt werden, streifen an das Gebiet 
der "pharmakologischen Leukocytenbeeinflussung. Bemerkenswert sind die 
hohen Leukocytenwerte, welche nach Fütterung rohen Fleisches gefunden 
werden (Lassabliere und Richet, Keuthe). Im Allgemeinen soll 
Eiweissverdauung die polymorphkernigen neutrophilen Leukocyten ver¬ 
mehren (Pohl), Fett und Kohlehydrate aber die Lymphocytcn (Keuthe, 
Pappenheim). 

Aus den angeführten Theorien geht hervor, dass die Entstehung der 
Leukocytose nach dem gegenwärtigen Standpunkte der Forschung eine 
sehr mannigfaltige sein kann, und dass durchaus keine einheitlichen, all¬ 
gemein gültigen Gesichtspunkte gefunden wurden. 

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Ren£ Ph. Gehrig, 


Die eingangs erwähnte grosse Bedeutung der Leukocyten und Leuko- 
cytosen für den menschlichen Organismus machen aber die gründliche 
Erforschung dieses Gebietes besonders wünschenswert. 

fcs sind in neuester Zeit auch wirklich systematische Untersuchungen 
in dieser Richtung angestellt worden, und man glaubt auch schon gewisse 
Gesetzmässigkeiten nach Injection von Substanzen gewisser pharmako¬ 
logischer Gruppen herausgefunden zu haben. Es handelt sich hier um 
einige der syrapathicotropen Substanzen, Adrenalin und Diuretin, sowie 
um vagotrope Gifte, Pilocarpin und Atropin. Während Atropin nahezu 
wirkungslos bleiben soll in bezug auf die Leukocyten, wurde bei den 
anderen erwähnten Stoffen eine Vermehrung der Lymphocyten beobachtet, 
bei Pilocarpin auch Eosinophilie. Auf Grund dieser Befunde wurde der 
Begriff der electiven Leukocyten geschaffen. Man nimmt an, die ver¬ 
schiedenen Blutbilder werden durch Reizung des Sympathicus oder Vagus 
hervorgerufen und spricht daher auch von nourogener Leukocytose. 
Dabei ist aber noch durchaus unbekannt, wie der neurogene Reiz auf 
die Leukocyten einwirken soll (Papponheim, Frey). 

Weit entfernt war man aber bis dahin von einem systematischen 
Nachprüfen aller in Betracht fallender Medicamente in ihren Beziehungen 
zu den Leukocytenveränderungen unter normalen und pathologischen Ver¬ 
hältnissen. Es fehlt nicht an zahlreichen Mitteilungen, die in der ganzen 
medicinischen und physiologischen Literatur zerstreut liegen; allein es 
fehlt an jeder Gesetzmässigkeit, und eine theoretische Begründung der 
Beeinflussung der Leukocyten liegt noch gar nicht vor (Meyer und 
Gottlieb). 

Es fehlen besonders die Beobachtungen am klinischen Materiale, die 
Vergleichung der absoluten Lcukocytenwerte vor und nach der Medication, 
verbunden mit einer genauen Controllc des Krankheitsverlaufes. Dies' 
wäre ein Weg, um die Art der Einwirkung der Medicamente auf den 
Organismus einem eingehenden Studium zu unterwerfen, und um dem 
Problem über die Rolle der Leukocyten in den verschiedenen Aflectionen 
näher zu kommen. 

Wir möchten hier schon der Auffassung entgegentreten, dass für 
den Organismus durch eine Vermehrung der Leukocyten unbedingt ein 
wirksames Mittel zur Bekämpfung krankhafter Processe geliefert wird. 
Es ist durchaus nicht a priori anzunehmen, dass Leukocytose mit ver¬ 
mehrter Abwehrkraft des Organismus identisch ist. Ebensoviel wie auf 
die Zahl der Leukocyten kommt es wohl auf ihre Functionstüchti^keit 
an (Arneth). 

Um der complexen Frage näher zu treten, habe ich auf Veranlassung 
von Privatdocent Dr. F. Seiler die in der medicinischen Literatur 
publicierten Versuche und Beobachtungen zusammengestellt. 

Es geschah dies einmal in der Absicht, die schon auf diesem Gebiete 
geleistete grosse Arbeit zu einheitlicher Würdigung zu bringen, und 
allenfalls als Grundlage für. weitere eigene Untersuchungen zu benutzen. 
Ich gebe im Folgenden dio Publicationen über Leukocytose, soweit sie 
mir zugänglich waren, in pharmakologischer Gruppierung in aller Kürze 
wieder. 


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Ueber medicamentöse Leukooyt°se. 


165 


Im Anschluss daran gebe ich noch die Resultate eigener Versuche 
wieder über die Beeinflussung der Leukocyten durch einige Antipyretica, 
Natrium salicyl., Salol, Antipyrin, Aspirin und Salipyrin. 

Literarische Uebersicht. 

Im Nachstehenden erwähne ich kurz dio Resultate, zu welchen die 
verschiedenen Autoren bei ihren Untersuchungen über die Beeinflussung 
der Leukocyten Verhältnisse durch pharmakologische Agentien gelangt sind. 
Es werden die Substanzen aufgezählt, nach deren Einverleibung im 
Menschen oder Tierkörper gefunden wurden: 

1. eine Leukocytose, 

2. eine Lymphocytose, 

3. Eosinophilie, 

4. eine Leukopenie, 

5. ein Fehlen jeglicher Beeinflussung der Leukocyten. 

In den Fällen, wo nach Einverleibung der Substanz rasch vorüber¬ 
gehende Wechsel der Leukocytenzahlen constatiert wurden, betrachtete 
ich die nach Ueberwindung dieser Phasen einige Zeit andauernden Leuko- 
cytenverhältnisse als massgebend für die Einteilung unter obige Rubriken. 
Doch bemerke ich stets in Klammern solche beobachteten Wechsel der 
Leukocytenzahlen. Für nur vereinzelt auftauchende Befunde, wie Ver¬ 
minderung der Eosinophilen oder Vermehrung der Mastzellen werden 
keine besonderen Rubriken vorgesehen. Eine genaue Besprechung der 
einzelnen Versuchsreihen ist aus Platzrücksichten nicht möglich und ich 
verweise auf die Originalarbeiten (siehe Bibliographie). 

l. Substanzen, nach deren Einverleibung eine Leukocytose 
gefunden wurde. 

a) Unorganische Arzneikörper. 

1. Quecksilber (Gaglio, Lisin, Stern, Achard und Loeper nur bei acuter 
Vergiftung). 

2. Eisen, organisch und unorganisch (Baumann, Pohl, Hirth). 

3. Silber, oolloidal und in Salzen. Der Leukooytose geht Leukopenie voran. 
(Kluger, Hoffmann, Achard und Weil, Ribadeau und Dumas, Dünger, 
Le Fdvre.) 

4. Blei (Simon und Spillmann, Aobard und Loeper bei acuter Vergiftung). 

5. Wismuth (Pohl). 

6. Kochsalz (Pankow, Schlecht, Hofbauer und lsaeff, Lassabliere und 
Richet). 

7. Natrium chloricum (Rieder). 

8. Kalium nitrosum (Silvermann). 

9. Kali chloricum (Simon und Spillmann). 

10. Arsen (Litten, Besredka, Bloch: der Leukocytoso geht eine Leukopenie 
voran). 

11. Phosphor (Velsch, Pisarski in günstig verlaufenden Intoxicationen). 

12. Jod (Barantsohik). 

13. Destilliertes Wasser (Gilbert und Herrscher). 

14. Kohlenstoff (Kühnau). 


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Kon6 Ph. Gobrig, 


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b) Organische Arzneikörper. 

1. Alkohol (Achard und Looper, Timofeew). 

2. Olivenöl (Holtzmann, der Leukocytose geht eine Leukopenie voran). 

3. Aether (Claude Bernhard, Deronaux). 

Essigäther, Oenanthäther (Pohl). 

4. Amylester (Pohl). 

5. Amylnitrit (Silvermann). 

6. Wurmextraot, lipoide Verbindung (Tallqvist). 

7. Harnstoff und Harnsäure (Lövit). 

Steriler Urin (Dopter und Gourand). 

8. Antifebrin (Horbaczewski). 

9. Phenacetin (Sanguirico und Bargellini, Bohland). 

10. Phenole: Carbolsäure (Wilkinson, es geht eine Leukopenie voraus). 

Guajacetin (Gemünd). 

Pyrogallol (Kühnau). 

11. Salicylsäure (Wilkinson). 

Natr. salicylic. (Bohland, Schreiber und Zaudy). 

12. Karapher (Wilkinson, Meyer). 

13. Terpene und ätherische Oele: 

Terpentinöl (Rubinstein, Wilkinson, Holtzmann, Pohl). 

Fenchelöl. 

Myrrhenöl. 

Zimtöl. 

Cyraol. 

Baldrianöl (Hirth, Binz und Meyer). 

Senföl. 

Anisöl. 

Pfe Herrn inzöl. 

Nelkenöl (Pohl). 

Tallianine (ozon. Terpentinöl) (ltoietzki, Gautier). 

14. Zimtsäure (Richter und Spiro). 

Zimts. Natron (Länderer, Busse). 

15. Digitalis (Nägeli-Ackerbiom, Bard, Wilkinson: vorangehende Leukopenie). 

Digalen. 

Digitalinum verum (Herzig). 

16. Strophanthin (Ellermann und Erlandson). 

17. Bitterstoffe: 

Absythin. 

( t >uassiin. 

Extr. Gentianae. 

Extr. Centari (Pohl). 

18. Secale cornutum (Roncaglio). 

19. Cantharidengift (Carrien und Lagriffoul). 

20. Thiosinamin (Richter). 

21. Antipyrin (Bohland, Wilkinson, Achard und Loeper, Horbaczewski, 
Sanguirico und Bargellini). 

22. Diuretin (Frey, zu Beginn Lymphocytose). 

23. Allantorin (Berthelot und Berthrand). 

24. Pyridin (Liidke, Kühnau, Rieder). 

25. Loretin (Blum und Bärwald). 

26. Chinin, nach kleinen Dosen (Wilkinson). 

27. Atropin (Doyon und Billet, Wilkinson). 


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lieber medicamentöse Leukocytosc. 


167 


28. Morphin (Bohland). 

29. Strychnin (Pohl). 

30. Curare (Muir, Löwit). 

31. Pilocarpin (Horbaczewski, Wilkinson, Caro, Sanguirico und Bargollini, 
Rieder, Rous, Gordon). * 

32. Schlangengift (Calmette). 

33. Pepton (Lassabliere u. Rieh et, Clerc, Loeper,Arneth,Tschistowitsch, 
Caro). 

34. Nuclein und nucleinsaure Salze (Goldscheider, Jacob, Arnes und Huntlev, 
Busse, Löwit, Lupine und Popolf, Borutteau). 

35. Hühnereiweiss (Schlecht). 

36. Eiweissverbindungen: 

Albumine. 

Globuline. 

Albumosen. 

Fibrin (Schlecht, Römer). 

Hemialbumosen. 

Deuteroalbumosen (Goldscheider und Jacob, Löwit). 

Bouillon (Miyake). 

Rohes Fleisch (Keuthe). 

Aleuronat (Miyake). 

Glutencasein. 

Legumin. 

Caseinnatrium (Römer). 

37. Fermente: 

Pepsin (Löwy und Richter). 

Pankreatin (Loeper und Esmonet, vorangehende Leukopenie). 

Papayotin (Halm). 

38. Organextrakte: 

Milz (Simon und Spillmann). 

Thymus. 

Mark (Jacob und Goldscheider). 

Niere (Nicolas und Baucel). 

Leber. 

Thyreoidea (Lengemann, Marbe). 

Ovarien. 

Hoden (unwirksam während der Gravidität). 

Placenta (Achard, Benard und Gagneux). 

Spermin (Caro, Pohl, Löwy und Richter). 

Galle (Gilbert und Herrscher). 

39. Sera: 

Autosera, nach einmaliger Einspritzung (Barbaro). 

Artgleiches Serum (Kühnau). 

Muskelserum (Lassabliere und Riebet). 

Artfremdes Blut (Batelli und Mioni, zu Beginn Leukopenie). 

Noutrales artfremdes Serum (Sacconaghi). 

Scharlach-Immunserum (Bienenfeid). 

Tetanus-Immunserum (A rn e th). 

Diphtherieserum (Jacob, Löwy und Richter, Arnetli, Dean). 

Kochscbes Tuberculin (Virchow, Black, Ts oh ist o witsch, Etienne, 
Römy und Boulanger nach einmaliger Injection). 


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Ren6 Ph. Gehrig, 


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40. Bakteriencultur-Aufschwemmangen: 

Staphylokokken. 

Streptokokken (Goldsoheider und Jacob). 

Colibacillen. 

Tuberkelbacillen (Arneth, Sohulz). 

Bao. Cyaneus (Kanthak). 

Pneumokokken (Li mb eck). 

2. Substanzen, nach deren Anwendung eine Lymphocytose 
gefunden wurde. 

a) Unorganische Arzneikörper. 

1. Quecksilber, bei chronischer Vergiftung (Achard und Loeper). 

2. Blei (Ribadeau). 

3. Barium (Harvey). 

4. Jod (Labbä, Lortat-Jacob, Waldstein). 

b) Organische Arzneikörper. 

1. Coffein (Timofeew). 

2. Muscarin (Harvey). 

3. Pilocarpin (Harvey, Waldstein, Scorczewski und Wasserberg, Löwy 
und Riohter, Frey, Lymann, Stäubli). 

4. Lecithin (Stassano und Billon). 

5. Adrenalin (Harvey, Gaisböck, Frey). 

3. Stoffe, nach deren Anwendung eine Leukopenie gefunden wurde. 

a) Unorganische Arzneikörper. 

1. Queoksilber, bei chronischer Vergiftung (Achard und Loeper) und bei acuter 
Vergiftung (Maurel). 

2. Blei, bei chronischer Vergiftung (Achard und Loeper). 

3. Kochsalz (Claisse). 

4. Kalium telluricum (Bohland). 

5. Arsen (Solutio Kalii arsenicosi: Baumann; Atoxyl: Jakimoff, Jarotzki; 
Bloch für tödliche Arsendosen). 

6. Phosphor (Pisarski). 

b) Organische Körper. 

1. Chloroform (Maurel). 

2. Alkohol, chronische Intoxication (Achard und Loeper). 

3. Aether (Achard und Loeper). 

4. Sulfonal (Bohland). 

5. Benzol (Selling, Leukocytose geht voran, Langlois und Dosbouis). 

6. Benzin (Santesson, bei tödlichen Vergiftungsfällen). 

7. Karnpher (Bohland). 

8. Terpentinöl (Besan^on, Labbö, Maurel, Hericourt und Richet). - 

9. Saponin (Isaack und Möckel). 

10. Agaricin (Bohland). 

11. Secalo cornutum (Bohland). 

12. Antipyrin (Pichler). 

13. Cocain (Maurel). 

14. Chinin (Wilkinson, Horbaczewski, Richter, Maurel). 

15. Atropin (Horbaczewski und Bohland). 

IG. Morphin (Achard und Loeper). 


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Ueber niedioamemöse Leukocytose. 


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17. Pepton (Botkin). 

18. Bouillon und Fleischextract (Hör i court und Rieh et). 

19. Cholin (Werner und Lichtenberg). 

20. Pepsin (Löwit). 

21. Placentarextr&ct, bei Nicht-Graviden (Achard, Benard und Gagneux). 

22. Adrenalin (Bertelli, Falta und Sohweger, Sohwenker und Schlecht). 

23. Autosera, naoh längerem Gebrauoh (Barbaro). 

24. Artfremdes Serum (Silvermann). 

25. Diphtherietoxin (Morse, Nicolas, Courmont und Prat; Dean sah die Leuko¬ 
penie nur, wenn nach dem Toxin nooh Diphtherieserum injiciert wurde). 

26. Typhustoxin (Azzurini und Massart). 

27. Tuberculin (Etienne, Römy und Boulanger). 

28. Heubaoillencultur (Schlesinger). 

29. Lyssagift (Nicolas und Baucel). 

4. Substanzen, für welche eine Eosinophilie erregende Wirkung 

gefunden wurde. 

1. Pilocarpin (Bertelli, Falta und Schweger, Schwenker und Schlecht). 

2. Pepton (Schlecht). 

3. Artfremdes Serum, naoh einmaliger Injection. Hypeosinophiiie geht voran 
(Sohlecht). 

4. Anthraxbacillus (Opie, Hardy und Wesbrock). 

5. Cholerabacillus (Opie, Hardy und Wesbrock). 

6. Alkoholextract von Distomum (Baur und Tauffier). 

5. Stoffe, welche ohne Wirkung blieben auf die Leukocyten. 

a) Unorganische Verbindungen. 

1. Calomel (Lisin). 

2. Kupfer (Pohl). 

3. Blei (Pohl). 

4. Magnesium sulfuricum (Pohl). 

5. Kochsalz (Maurel). 

6. Verschiedene Kalium- und Natriumsalze (Pohl, Höricourt und Richet, 
Maurel). 

7. Arsen (Schwär). 

8. Phosphor (Pisarski, bei leichter Intoxication). 

9. Salzsäure (Pohl). 

10. Aqua destillata (Römer). 

b) Organische Verbindungen. 

1. Alkohol (Hirth, Binz, Meyer, Pohl). 

2. Glycerin (Maurel, Höricourt und Richet). 

3. Chloralhydrat (Hörioourt und Richet, Maurel). 

4. Olivenöl (Schlecht). 

5. Oelsäure (Faust, unsichere Resultate). 

6. Digitoxin (Herzig). 

7. Chinin (Pohl und Hirth). 

8. Atropin (Frey). 

9. Morphin (Höricourt und Richet, Maurel). 

10. Pilocarpin (Piohler). 

11. Pepton (Höricourt und Richet). 

12. Nuclein (Pankow, Miyake). 


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Rene Ph. Geling, 


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13. Leucin (Schlecht). 

Alanin (Schlecht). 

Asparagin (Schlecht). 

Glykokoll (Schlecht). 

14. Organ extraote: 

Leber. 

Pankreas. 

Thyreoidea. 

Niere (Jacob, Goldscheider, Ducastel). 

15. Adrenalin (Camus und Pagniez). 

16. Artgleiches Serum (Schlecht). 

17. Aether- und Chloroformextract von Distomum (Baur und Tauffier). 


Zusammenfassung. 

Bei einer Betrachtung der im Vorstehenden angeführten Arbeiten 
muss es gewiss auffallen, wie gross die Menge der Stoffe ist, welche eine 
Leukocytose hervorbringen sollen. Es existiert wohl keine pharmakologische 
Gruppe, welche nicht dabei vertreten ist. Bei der Verschiedenartigkeit 
dieser Substanzen ist es unmöglich, sich ein Urteil darüber zu bilden, 
welches Moment bei der Erregung einer medicamentösen Leukocytose 
das eigentlich ausschlaggebende ist, und welcher Art die Substanz sein 
muss, welche sich am geeignetsten erweist, eine Leukocytose hervor¬ 
zubringen. 

Immerhin könnte man die verschiedenen Leukocytosen unter dem ge¬ 
meinschaftlichen Gesichtspunkte zusammenfassen, dass ihre Entstehung 
bei allen Arten von Zellschädigungen durch die Einwirkung der Zell- 
zerfallsproducte auf das Knochenmark bewirkt würde, und die Lympho- 
cytosen durch Einwirkung auf Lymphoidgewebe. 

Als zweite merkwürdige Tatsache ist hervorzuheben, dass mit diesen 
Substanzen durchaus nicht einheitliche Resultate erzielt wurden, sondern 
dass die verschiedenen Autoren mit ein und demselben Stoffe oft zu 
direct gegensätzlichen Resultaten gelangt sind. Die Erklärungen dafür 
würden sich, wenn sie überhaupt möglich wären, für jeden Fall wieder 
anders gestalten. Ich erwähne nur einige Hauptpunkte. 

Vor allem hebe ich hervor, dass die angeführten Versuchsreihen teils 
am Menschen, in der Mehrzahl der Fälle aber am Tiere ausgeführt 
wurden. Die Erwähnung der im Tierversuch erhaltenen Resultate ist 
jedoch durchaus notwendig, da ja die moderne Pharmakologie die Wirkungs¬ 
weise der Medicamente in erster Linie im Tierversuche ausprobt und 
abschätzt. Dabei bleibt freilich dahingestellt, inwiefern sich diese Resultate 
auf den Menschen übertragen und für die praktische Medicin verwerten 
lassen. Mir scheint es durchaus nicht verwunderlich, wenn bei Experimenten 
mit demselben Stoffe am Menschen und an den Versuchstieren nicht 
dieselben Resultate erzielt wurden. Schon bei der Vergleichung zwischen 
Kaninchen und Hund kann ein durchgreifender Unterschied in der Art 
der Reaction festgestellt werden, und Maurel fand sogar in ein und 
derselben Tiergattung individuell verschiedenes Reagieren gegenüber dem¬ 
selben Medicament. 


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lieber medicamontöse Leukocytose. 


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Es geht aus diesem Grunde auch gar nicht an, die beim Tiere ge¬ 
fundenen Ergebnisse ohne weiteres auf den Menschen zu übertragen, und 
die praktische Verwendbarkeit des Tierversuchs ist auf diesem Gebiete 
nicht gerade gross. 

Auch ist es ein Irrtum, zu glauben, dass die im Tierexperiment in 
dieser Richtung ausgeführten Beobachtungen gleichmässigere Resultate er¬ 
geben. Im Gegenteil ist auch der Tierversuch einer Reihe von Fehler¬ 
quellen unterworfen, die zu vermeiden es fast unmöglich scheint. Schon 
wenn man die Beobachtungen von Ellermann und Arneth liest, denen 
zufolge sowohl Fesselung des Tieres, Abkühlung auf dem Tische und 
Einstich in die Ohrvene jedes für sich eine Leukocytose erzeugen können, 
so kann man sich leicht eine Vorstellung davon machen, was hier alles 
in Frage kommen kann. Als vielleicht die wichtigste Fehlerquelle kann 
auch die Zeit in Betracht kommen, welche man nach der Einverleibung 
der Substanz verstreichen lässt, bevor zu einer neuen Blutuntersuchung 
geschritten wird. Sehr vielen Leukocytosen geht doch eine kürzere oder 
längere Leukopenie voraus; wurde nun das Blut nach dem mcdicamentösen 
Eingriffe nicht in regelmässigen Zeitintervallen untersucht, so ist klar, 
wie leicht ein Irrtum sich einschleichen konnte. 

Auch die intravenöse Injection bietet durchaus nicht in allen Fällen 
Vorteile. Es klingt gewiss durchaus nicht ermutigend für fernere Unter¬ 
suchungen dieser Art, wenn von Gilbert, Herrscher und Kühnau 
festgestellt wurde, dass schon die intravenöse Injection nahezu indifferenter 
Körper, wie Kohlenstoff und Wasser, eine Leukocytose hervorrufen können. 
Immerhin ist Kohle insofern nicht als vollständig indifferent zu bezeichnen, 
als sie Embolien macht. 

Es ist ferner auch notwendig, die Resultate derjenigen Versuchs¬ 
reihen, welche acute Intoxicationen prüften, scharf zu trennen von den¬ 
jenigen, bei welchen die Intoxicationen auf längere Zeitabschnitte aus¬ 
gedehnt wurden. Denn für mehrere der geprüften Substanzen finden wir 
die Angabe, dass acute Vergiftung eine Leukocytose, chronischer Gebrauch 
aber Leukopenie hervorrufe. 

Dass auch die Höhe der Dosen in erster Linie eine Rolle spielt, 
ist selbstverständlich, und es lassen sich nur Versuchsreihen miteinander 
vergleichen, welche annähernd dieselben Dosen verwendeten. 

Jedenfalls ist eine grosse Vorsicht in der Beurteilung der meisten 
bis jetzt gefundenen medicamentösen Leukocytosen durchaus angebracht, 
und ein Nachprüfen der wichtigeren Medicamente am klinischen Materiale 
erscheint wünschenswert. 

Zum Schlüsse möchte ich noch die aus dem Studium der vorliegenden 
Literatur gewonnene Ansicht vertreten, dass doch wohl kaum die absolute 
Zahl der Leukocyten allein das Ausschlaggebende für ihre Wirkung dar¬ 
stellt. Viel mehr als auf die Zahl kommt es doch auf ihre physiologische 
Functionstüchtigkeit als Abwehrorganismen an. 

Es wäre wohl für die Erklärung des von den Leukocyten abhängigen 
Heilungsvorganges aussichtsvoller, wenn die Beeinflussung der verschieden¬ 
artigsten Medicamente und therapeutischen Applicationen auf das Ver¬ 
halten der Functionen der Leukocyten einwandsfrei geprüft werden 


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Renä Ph. Gehrig, 


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könnte. Es wurden eine Reihe von Versuchen in dieser Richtung gemacht, 
die sich aber allein auf die Prüfung der phagocytären Kraft bezogen. 
Moderne Versuche würden sich nicht darauf beschränken, sondern darnach 
trachten, festzustollen, ob sich allenfalls auf raedicamentösem Wege auch 
die übrigen Functionen der Leukocyten, z. B. die Bildung von Antitoxinen, 
Opsoninen, Agglutininen usw. beeinflussen und hauptsächlich steigern Hessen. 

Eigene Versuche. 

Nach dem Vorhergesagten musste es uns interessant erscheinen, 
selbst einmal derartige Leukocytenbefunde nach therapeutischen Eingriffen 
zu erheben, um an Hand eigener Versuche ein Urteil darüber zu ge¬ 
winnen, ob und inwiefern sich qualitative und quantitative Veränderungen 
der Leukocyten feststellen lassen. 

Da uns Tierversuche nicht geeignet erschienen, um für die praktische 
Medicin verwertbare Resultate zu bekommen, nahmen wir unsere Be¬ 
obachtungen am klinischen Materiale vor. 

Wir wählten in erster Linie Substanzen, die einerseits zu den ge¬ 
bräuchlichsten Medicamenten gehören, andererseits aber bekannt sind als 
Leukocytose erregend, so dass ihre Heilwirkung geradezu als durch das 
Hervorrufen der Leukocytose bedingt angesehen wird. 

Dabei gingen wir in einer Weise vor, die uns am zweckmässigsten 
schien, um die Leukocytenschwankungen durch störende Einflüsse nach 
Kräften ausschliessen zu können. 

Die Untersuchungen nahm ich vor an Patienten der medicinischen 
Universitätspoliklinik zu Bern. Die Untersuchung wurde bei jedem 
Patienten über eine längere Zeit ausgedehnt, so dass nicht die Wirkung 
einer Einzeldose, sondern eine länger dauernde medicamentöse Be¬ 
einflussung zur Beobachtung kam. Dies geschah in der Voraussetzung, 
dass wohl kaum die einmalige Verabreichung einer solchen Dose eines 
Medicaraentes, wie sie in der täglichen Therapie des Arztes verordnet 
wird, eine wesentliche Neubildung oder Zerstörung von weissen Blut¬ 
körperchen hervorzubringen imstande sei; im Gegenteil nehmen wir an, 
dass allfällige Veränderungen der Leukocytenzahlen, welche für den Ab¬ 
lauf der Erkrankung von Einfluss sein könnten, nur allmählich und nach 
längerer Einwirkung des betreffenden Medicamentes auftreten. 

Deshalb untersuchte ich die nämlichen Patienten an einer Reihe 
von Tagen, während die Medication unausgesetzt weiter dauerte. 

Die Blutuntersuchung geschah immer zur selben Stunde, etwa drei 
bis vier Stunden nach dem Morgenessen. Vor der Untersuchung sassen 
die Patienten etwa eine Stunde ruhig in einem massig erwärmten 
Raume, so dass weder von einer körperlichen Anstrengung noch von 
einem Teraperaturwechsel eine Beeinflussung der Leukocytenwerte zu be¬ 
fürchten war. 

Die Zählung der Gesamtzahl der Leukocyten wurde in der Breuerschen 
Zählkammer vorgenommen (vgl. SahlisLehrbuch. 5. Auflage. S. 856—858). 
Stets wurden sämtliche Felder durchgezählt, oft wurde die Kammer neu 
beschickt zur Erhaltung von Vergleichsresultaten. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber medicamentöse Leukocytose. 


173 


Zur Differentialzählung fertigte ich stets Ausstrichpräparate auf 
Objectträgern an; sie bieten gegenüber den Deckflächenpräparaten grosse 
Vorteile dar, in der Handhabung bei der Färbung sowohl als auch beim 
Durchzählen. Die Fixierung und Färbung geschah mit dem Jennerschen 
Farbstoff (Sahli 1. c. S. 881); in manchen Fällen wurde mit Giemsa- 
farbstoff nachgefärbt zur Verstärkung der Kernfarben. Zur Zählung ver¬ 
wendete ich den Kreuztisch, der ein systematisches Durchmustern des 
ganzen Präparates ermöglicht. Dies war in den dünn gestrichenen Präparaten 
stets notwendig, da durchschnittlich 300—500 Leukocyten für jeden 
Ausstrich specificiert wurden. 

l. Natrium salicylicum. 

Fall l. Fritz N., 28 J. Patient leidet an typischer Lumbago. 

Er wird behandelt mit Natrium salicylicum, 2,5 g pro die, genommen in fünf 
Einzeldosen a 0,5 g. 

Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 4 Tagen 

Nach 8 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

6200 

5600 

4800 

Neutrophile. 

47,7 

46 

I 48 

Lymphocyten. 

36,7 

26 

30 

Eosinophile. 

1 

1,2 

2 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

14,4 

25,3 

19 


Nach achttägiger Behandlung, während welcher Patient im ganzen 20 g Natr. 
salic. zu sich genommen hat, sind die Schmerzen nahezu verschwunden; das Allge¬ 
meinbefinden ist gut. 

In bezug auf die Leukocyten ist eine Verminderung der Gesamtzahl festzustellen. 

Fall 2 . Frau Caroline R., 32 J. Patientin leidet seit einigen Tagen an heftigen 
Schmerzen auf der rechten Seite des Thorax, welche durch einen starken Husten noch 
gesteigert werden. Der Befund, mit absoluter Dämpfung rechts hinten, Abschwächung 
des Atemgeräusches usw., befestigt die Diagnose auf ein pleuritisches Exsudat. 

Die Medication besteht in Natrium salicylicum, 2,5 g pro die, in drei Einzel¬ 
dosen genommen. 

Blutbefunde: 



Vor der 

Nach 

Nach 

Nach 


Behandlung 

3 Tagen 

7 Tagen 

10 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

7030 

8260 

6600 

8800 

Neutrophile . . . ,. 

66 

75,3 

66 

63,3 

Lymphocyten. 

12 ! 

16,3 

19,7 

19 

Eosinophile. 

1,3 

0,7 

1,7 

1,7 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

20 1 

i 10,3 

13,6 

16 


Am zehnten Tage der Behandlung ist Patientin bedeutend gebessert, das Ex¬ 
sudat nahezu verschwunden. 

Eine wesentliche Aenderung des Blutbildes lässt sich nicht constatieren. 


Fall 3 . Frau R. B., 32 J. Patientin leidet an einer chronischen Lungentuber- 
culose. Sie sucht die Poliklinik auf wegen heftiger Schmerzen auf der Brust, die als 
pleuritische Reizung aufgefasst werden. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 










174 


Wen 6 Ph. Gehrig, 


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Die Behandlung wird mit Natrium salicylicum eingeleitet, 2,0 g pro die, in vier 
Einzeldosen a 0,5 g. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 

5 Tagen 

Nach 

8 Tagen 

Nach 

11 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

7840 

6400 

6300 

7200 

Neutrophile. 

72 

63,3 

52,3 

57,7 

Lymphocyten. 

24 

31,7 

36 

26,7 

Eosinophile. 

2,3 

1 U , 

l 2 

3,7 

Uebergangsformen u. grosse Mouonucleäre 

L7 

1 2,6 

9,7 

11,7 


Nach einer Behandlung von elf Tagen hat Patient in toto 22 g Natr. salic. ein¬ 
genommen. Der Status ist dabei unverändert geblieben. 

Eine nennenswerte Verschiebung in den Leukocytenwerten ist nicht zu verzeichnen. 


Fall 4. Karl N., 55 J. Patient klagt über Schmorzen im Kopf und Nacken, 
die als Neuralgien betrachtet werden. 

Die Behandlung wird mit Natrium salicylicum eingeleitet, 3 g pro die, geteilt in 
fünf Dosen ä 0,6 g. 

Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 4 Tagen 

Nach 8 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

6300 

5400 

8400 

Neutrophile. 

65 

60 

62,7 

Lymphocyten. 

25,7 

29,3 

18,7 

Eosinophile. 

1 

2.7 ! 

3 

Uebergangsformen u. grosse Mouonucleäre 

7,6 

7,3 j 

14,3 


Nach 8 Tagen hat Patient 24 g Natrium salicylicum zu sich genommen. Die 
Schmerzen bestehen immer noch, der Allgomeinzustand hat sich aber gehoben. 

Die Gesamtzahl der Leukocyten stieg während der Behandlung von 6300 auf 8400. 


Fall 5. Victor C., 53 J. Patient leidet an Schmerzen infolge von Adhäsionen 
und Schwarten, die sich als Residuen einer abgelaufenen Pleuritis erweisen. 

Er wird behandelt mit Natrium salicylicum, 2,5 g pro die, genommen in fünf 
Dosen ä 0,5 g. 

Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 3 Tagen 

Nach 7 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

8760 

7520 

7780 

Neutrophile. 

65 

80,3 

| 72 

Lvmphocyten. 

18,3 

13,3 

! 21 

Eosinophile. 

1 

— 

1 2,7 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

15,6 

5,7 

3,3 


Die Behandlung dauerte 7 Tage; Patient hat während der Zeit 17,5 g Natrium 
salicylicum zu sich genommen. Der Allgemeinzustand hat sich bedeutend gebessert, 
die Schmerzen sind verschwunden. 

Eine Beeinflussung des Blutbildes konnte nicht bemerkt werden. 

Fall 6. Frau B., 35 J. Patientin kommt zu uns mit Schmerzen in den Beinen, 
besonders in den Unterschenkeln, die als Neuralgien diagnosticiert werden. 


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Original fro-m 

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Ueber medicamentöse Leukocytose. 


175 


Patientin bekommt Natrium salicylicum, 2,5 g pro die, in fünf Dosen a 0,5 g. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 5 Tagen 

Nach 10 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

6400 

7400 

6400 

Neutrophile. 

62,7 

55,7 

66,6 

Lymphocyten. 

31 

38 

21 

Eosinophile. 

1,7 

2 

2,3 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

4,7 

! 3,4 

9,3 


Die Behandlung wurde 10 Tage lang fortgesetzt; im ganzen nahm Patientin 
25 g Natrium salicylioum zu sich. Trotzdem war ein Nachlassen der Schmerzen nicht 
zu verzeichnen. 

Eine bemerkenswerte Beeinflussung der Lenkocyten ist nicht festzustellen. 

Fall 7 . Francine K., 18 J. Patientin klagt über Schmerzen am Brustkörbe, die 
sich in unverkennbarer Weise als Intercostalneuralgien darstellen. Daneben besteht 
Angina mit Fieber. 

Die Mediation besteht in Natrium salicylicum, 2,0 g pro die, in drei Dosen. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 

4 Tagen 

Nach 

9 Tagen 

Nach 

j 13 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

13000 

9200 

9500 

8000 

Neutrophile. 

65 

56,7 

59 

35 

Lymphocyten. 

25 

! 36 

29 

43 

Eosinophile. 

2 

3,3 

3,3 

1,3 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

7,2 

3,3 

8 

20,3 


Nach 13tägiger Behandlung hat die Patientin 26 g Natrium salicylicum be¬ 
kommen. Der Allgemeinzustand ist gut, Neuralgien und Angina sind abgeheilt. 

Die zu Beginn vorhandene Leukocytose ist unter der Behandlung stetig abgefallen 
bis zu einem normalen Wert. Im Blutbilde haben besonders die Neutrophilen ab¬ 
genommen, während die Lymphocyten bedeutend Zunahmen, und am Ende der Be¬ 
handlung sogar stark über die Normalzahl hinausgehen. 

Fall 8 . Albert S., 15 J. Patient kommt zu uns mit den Symptomen einer 
Pleuritis sicca, mit leichtem Fieber. 

Die Medication besteht in Natrium salicylicum, 2,5 g pro die, in fünf Dosen 
zu 0,5 g. 

Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 4 Tagen 

Nach 8 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

13200 

10100 

6800 

Neutrophile. 

76,7 

71,7 

53 

Lymphocyten. 

8 

16,3 

29 

Eosinophile. 

0,3 

0,7 

1,7 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

15 

11,3 

15,3 


Die Pleuritis ist nach 8 Tagen unter dem Einflüsse des Natrium salicylicum, in 
toto 20 g, abgeheilt. Die zu Anfang bestehenden hohen Leukocytenwerte sanken mit 
dem Zurückgehen der Affection auf normale Zahlen ab. 


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176 Renö Ph. Gehrig, 

In diesem Falle ist also ein Zurückgehen der Leukocytose zu verzeichnen, jedoch 
geht diese Abnahme mit der Abheilung der Krankheit und dem Verschwinden des 
Fiebers Hand in Hand. 

Fall 9 . Fritz Z., 20 J. Patient leidet an einer Attacke von polyarticulärem 
Gelenkrheumatismus; befallen sind besonders die Gelenke des linken Beines. Temperatur 
subfebril. Vor 4 Jahren machte Patient einen ersten Anfall von Polyarthritis durch. 

Die Medication besteht in Natrium salicylicum, 5 g pro die, genommen in fünf 
Einzeldosen a 1 g. 

Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 

3 Tagen 

1 

Nach 

6 Tagen 

Nach 

10 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

8300 

9200 

10600 

9300 

Neutrophile. 

76,7 

64,7 

72 

69,7 

Lymphocyten. 

19,3 

27 

22 

25 

Eosinophile. 

0,7 

2,3 

— 

1 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

3,3 

5,7 

6 

4,3 


Nach 10 tägiger Behandlung hatte Patient also 50 g Natrium salicylicum ein¬ 
genommen. Die Schmerzen waren schon vom 3. Tage an gänzlich verschwunden, die 
Temperatur normal. 

Die Gesamtzahl der Leukocyten geht bis zum 6 . Tage etwas in die Höhe, um 
dann wieder etwas abzufallen. 

Fall 10 . Marie E., 26 J. Patientin macht ihren zweiten Anfall von acutem 
Gelenkrheumatismus durch. Als Residuum von der früheren Attacke ist ein systolisches 
Blasen an der Mitralis zu betrachten. Befallen sind zurzeit besonders die Fuss- und 
Kniegelenke, jedoch ohne Schwellung. Temperatur leicht febril. 

Die Behandlung wird mit der Dosis von 5 g Natrium salicylicum pro die ein¬ 
geleitet, verabreicht in fünf Einzeldosen a 1 g. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 4 Tagen 

Nach 8 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

7500 

8200 

7240 

Polynucleäre . 

55 

56,7 

52,7 

Lymphocyten. 

35 

29,7 

35,7 

Eosinophile. 

3,7 

7 

4 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

6,3 

5,7 j 

6,7 

Mastzellen. 

— 

1 | 

1 


Naoh achttägiger Behandlung, während welcher Patientin 40 g Natrium salicyl. 
eingenommen hatte, musste mit der Medication sistiert werden, da bereits heftiges 
Ohrensausen und Sohwindelgefübl bestand. Die Beschwerden der Polyarthritis waren 
auch seit drei Tagen völlig verschwunden. 

Einem anfänglichen leichten Anstieg der Gesamtzahl der Leukooyten folgt ein 
Absinken auf den zu Beginn gefundenen Wert. 

Fall 11 . Albert H., 18 J. Patient lässt den Arzt zu sich rufen wegen heftiger, 
seit zwei Tagen bestehender Gelenkschmerzen in den Beinen, das Gehen ist ihm un¬ 
möglich. Die Schwellung der Knie- und Fussgelenke, verbunden mit 38,5° Temperatur 
lassen die Diagnose auf acute Polyarthritis stellen. 

Die Behandlung wird zu Hause mit 5 g Natrium salicylicum pro die durchgeführt. 


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Original fro-m 

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lieber medicamentose Leukocytose. 
Blutbefunde: 


177 



Vor der 
Behandlung 

Nach 3 Tagen 

Nach 7 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

19200 

8300 

8180 

Neutrophile. 

77.3 

56 

50 

Lymphocyten. 

9,3 

34 

30,7 

Eosinophile. 

0,3 

5,7 

8 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

13 

4,3 

11,3 


Unter der Behandlung fiel die Temperatur schon am 3. Tage auf normale Werte 
ab. Bis zum 8. Tage, nachdem Patient 35 g Natrium salicylicum eingenommen hatte, 
waren die Schmerzen und Schwellungen völlig zurückgegangen. Die Medication wurde 
trotzdem fortgesetzt, wegen heftigen Ohrensausens aber mit etwas niedrigeren Dosen. 

Auffallend ist das rasche Verschwinden der initialen Leukocytose bis zum dritten 
Tage, zusammen mit dem Temperaturabfall. Im Blutbilde drückt sich dies in einem 
bedeutenden Zurückgehen der neutrophilen Leukocyten und einem entsprechenden 
Anstieg der Lymphocytenwerte aus. Die zu Beginn sehr schwach vertretenen Eosino¬ 
philen gehen auf relativ hohe Zahlen hinauf. 

Zusammenfassung. 

Es wurden im ganzen elf mit Natrium salicylicum behandelte Fälle 
untersucht. Von diesen wiesen drei initiale Leukocytose auf, bedingt 
durch die Krankheit selbst. Unter der Behandlung ging bei allen Fällen 
die Krankheit zurück, und damit die Leukocytose, so dass in diesen 
Fällen eine Leukopenie erzeugende Wirkung des Natrium salicylicum 
angenommen werden könnte. 

Bei den Fällen, wo zu Beginn schon normale Leukocytenwerte be¬ 
standen, ist eine wesentliche Beeinflussung derselben nicht festzustellen. 

Von den Verschiebungen im Blutbild ist in den Fällen 2, 3, 4, 7 
und 8 eine Verminderung der Neutrophilen wahrzunehmen bei gleich¬ 
zeitiger Zunahme der Lymphocyten. Das umgekehrte Verhalten zeigen 
die Neutrophilen und Lymphocyten in den Fällen 5 und 6. 

Als fast unverändert in seinen procentualen und absoluten Zahlen¬ 
verhältnissen erweisen sich die Fälle 1, 9 und 10. 


2. Aspirin. 

Fall 1 . Frau R., 44 J. Patientin kommt zu uns mit Klagen über einen halb¬ 
seitigen, intensiven Kopfschmerz rechts. Die Diagnose wird auf rheumatische Hemi- 
cranie gestellt. 

Die Behandlung besteht in Aspirin, 2,0g pro die, genommen in vier Dosen a0,5g. 


B lutbofunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 5 Tagen 

Nach 9 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

6240 

8340 

7860 

Neutrophile. 

75 

69.3 

66,3 

Lymphocyten. 

19 

24 

27 

Eosinophile. 

3,3 

1.7 

2,3 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

2,7 

4,3 

4 


Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. BJ. J2 


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Original fro-m 

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178 


Ren 6 Ph. Gehrig, 


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Patientin ist in den letzten Tagen schmerzfrei geblieben, nachdem sie 18,0 g 
Aspirin zu sich genommen. 

Auffällige Schwankungen in der Zahl der Leukocyten sind nicht zu bemerken. 
Die beobachtete Zunahme der Leukocyten bewegt sich noch innerhalb der physio¬ 
logischen Schwankungen. 

Fall 2. Louis BL, 41 J. Patient, Schneider von Beruf, klagt über schmerzhafte 
Ermüdungskrämpfe im rechten Arm und in der rechten Hand. Ueberanstrengung 
durch Arbeit in den letzten Wochen. 

Diagnose: Beschäftigungsneurose. 

Die Behandlung besteht, neben Einreibungen mit Spirit, camphor., in Dosen von 
3,0 g Aspirin pro die, genommen in refracta dosi ä 1,0 g. 


B lutb efundc: 



Vor der ' Nach 
Behandlungi 4 Tagen 

Nach 

8 Tagen 

Nach 

12 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten.. 

8660 

7100 

9300 

8500 

Neutrophile. 

75,3 

65,3 

78,7 1 

73.3 

Lvraphocyten. 

14 

- 2 - 2,7 

15,7 ! 

13,3 

Eosinophile. 

0,7 

2,3 

0,3 i 

i 1 

Uebcrgangsformen u. grosse Mononucleäre 

10 

5,3 ! 

5,7 | 

i 12 


Nach zwölftägiger Behandlung hat Patient 36 g Aspirin eingenommen. In Bezug 
auf sein Leiden ist eine erhebliche Besserung zu vorzeichnen. 

Eine geringe Steigerung der Leukocytenwerte ist nur am achten Tage zu be¬ 
merken. Auffällig sind die niedrigen Lymphocytenwerte. 

Fall 3 . Frau F., 50 J. Patientin klagt über heftige Schmerzen am Hinter¬ 
haupte. Die charakteristischen schmerzhaften Druckpunkte sichern die Diagnose 
Occipitalneuralgie. 

Ais Medicament erhält Patientin Aspirin, 3,0 g pro die, in drei Dosen ä 1,0 g. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 6 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

6750 

4860 

Neutrophile. 

50 

44 

Lymphocyten. 

25 

35,3 

Eosinophile. 

1 1 

1 

Uebcrgangsformen u. grosse Mononucleäre 

22,7 

19,3 


Nach sechstägiger Behandlung, während deren Patientin 18 g Aspirin ein¬ 
genommen hat, sind die Schmerzen bis auf geringe Reste verschwunden. (Leider kam 
Patientin in der Folgezeit nicht wieder, wahrscheinlich weil sie sich völlig schmerz¬ 
frei fühlte.) 

Die Zahl der Leukocyten ist geringer geworden. Im Blutbilde fallen die niedrigen 
Werte der Neutrophilen auf, bei sehr hohen Zahlen für mononucleäre Elemente. 

Fall 4. Theodor A., *20 J. Patient leidet an Schmerzanfällen auf der rechton 
Gesichtshälfte, im Gebiete des zweiten Trigeminusastes. Die schmerzhafte Region 
ist deutlich umschrieben, so dass die Diagnose auf Trigeminusneuralgie gestellt 
werden kann. 

Die Behandlung besteht in Aspirin, 2 g pro die, genommen in vier Dosen a 0,5 g. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 










Ueber medicamentöse Leukocytose. 179 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 

3 Tagen 

Nach 

7 Tagen 

| Nach 

11 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

7200 

6200 

7100 

7300 

Neutrophile. 

65 

* 58,7 

62,7 | 

61,7 

Lymphocyten. 

11,3 

20,7 

! 22,3 1 

22,7 

Eosinophile. 

1,3 

4,7 

i 2 

3 

Uobergangsformen u. grosse Mononucleäre 

22 

16 

i 13 

12,7 


Während der elftägigen Behandlung hat Patient 22 g Aspirin eingenommen. Das 
Allgemeinbefinden ist gut, die Schmerzen nahezu verschwunden. 

Die Verhältnisse derLeukocyten geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass. 


Zusammenfassung. 

Es wurden im ganzen vier mit Aspirin behandelte Fälle untersucht. 

Ein leichtes Ansteigen der Leukocytenwerte ist in Fall 1 zu ver¬ 
zeichnen; in Fall 3 gehen aber die Zahlen für die Leukocytcn um 2000 
herunter. In den übrigen zwei Fällen sind die Aenderungen in der 
Gesamtzahl der Leukocyten nicht grösser als die auch beim normalen 
angetroffenen Schwankungen. 

Im Blutbilde ist in 3 Fällen eine Abnahme der Neutrophilen zu be¬ 
merken; auffallen muss dies besonders in Fall 3, wo schon vor der Be¬ 
handlung sehr niedrige Werte für die Neutrophilen angetroffen wurden. 
Es ist bedauerlich, dass der Fall nicht weiter untersucht .werden konnte. 

3. Salol. 

Fall 1 . Frau E. L. Patientin sucht die Poliklinik auf mit Schmerzen in den 
Fuss- und Handgelenken, an denen sie schon seit längerer Zeit leidet. Die Diagnose 
wird auf Arthritis chronica gestellt. 

Die Behandlung wird mit Salol eingeleitet, 3 g pro die, in drei Dosen a 1 g. 

Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 4 Tagen 

Nach 11 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

5600 

5500 

6000 

Neutrophile. 

59 

55,7 

55,3 

Lymphocyten. 

23 

31 

30 

Eosinophile. 

2,7 

i 5 

1 3 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

14,7 

i 7 

10,7 


Nach einer elf Tage dauernden Behandlung, während welcher Patientin 33 g 
Salol etngenommen bat, sind die Gelenkschmerzen verschwunden. Der Allgemein¬ 
zustand ist befriedigend. 

Eine bemerkenswerte Aenderung im Blutbilde ist nicht festzustellen. 

Fall 2 . Frau Fr. B., 29 J. Patientin sucht die Poliklinik auf, weil sio seit 
einigen Tagen beim Urinieren brennende Schmerzen verspürt, auch klagt sio über 
Harndrang und häufiges Urinieren. Die mikroskopische Untersuchung des Harnes er¬ 
gibt neben Leukocyten und vereinzelten Epithelien auch kleine Bacillen. Diagnose: 
Cystitis. 

Behandelt wird Patientin mit Salol, 3 g pro die, in refracta dosi a 1 g genommen. 

12 * 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 










ISO 


Ren<* Ph. Gchrig, 


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Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 5 Tagen 

Nach lOTagcn 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

7520 

7620 

4070 

Neutrophile. 

48 

46 

47,7 

Lyraphöcyten. 

29 

44,7 

33,7 

Eosinophile. 

4,3 

1 1,3 ! 

! 6 

Uebergangsformen 11 . grosse Mononuclcare 

16,3 

: 7 

1 


Patientin hat in zehntägiger Behandlung 30 g Salol erhalten. Die Beschwerden 
der Patientin haben sich nicht wesentlich gebessert. Urin immer noch trübe. 

Auffallend ist das Zurückgehen der Leukocyten in der Gesamtzahl, sowie die 
Zahl der Eosinophilen. Die Neutrophilen weisen relativ sehr niedrige Werte auf. 

4. Salipyrin. 

Frl. Bk., 23 J. Patientin ist Trägerin einer chronischen Lungentuberculose. Sie 
sucht uns auf wegen heftiger Beschwerden im rechten Bein, die sich als typische 
Ischiasschmerzen darstellen. 

Patientin wird mit Salipyrin behandelt, 2 g pro die, in Teildosen ä 0,5 g ge¬ 
nommen. In der zweiten Hälfte der Behandlung bekommt Patientin 3 g Salipyrin 
pro die. 

Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 3 Tagen 

Nach 8 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

7800 

8400 

9620 

Neutrophile. 

67 

54 

63 

Lvmphocyten. 

23 

26 

27 

Eosinophile. 

2 

3 

1 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

8 

! 17 

9 


Am achten Tage der Behandlung, nachdem sie 20 g Salipyrin zu sich genommen, 
ist Patientin von ihrer Ischias geheilt. 

Die Zahl der Leukocyten ist unter der Behandlung um beinahe 2000 angestiegen. 
Das Blutbild wies keine bemerkenswerten Veränderungen auf. 

5. Antipyrin. 

Fall 1. Frau W., 40 J. Patientin leidet seit einigen Tagen an Husten infolge 
einer bestehendenTracheitis und Bronchitis. Daneben hat sie stechende Schmerzen am 
Thoraxlinks, die als Intercostalneuralgien aufgefasstwerden. Es besteht leichtes Fieber. 
Die Behandlung wird mit Antipyrin eingeleitet, 2g pro die, in vier Dosen äO,5g. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

' Nach 

4 Tagen 

Nach 

9 Tagen 

Nach 

14 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

13400 

9200 

9080 

i 

8910 

Neutrophile. 

73,3 

62 

1 71,7 1 

68 

Lymphocvten. 

21,7 

30,3 

1 25,3 

26,7 

Eosinophile. 

0,7 

1,7 

— 

0,3 

Uebergangsformen 11 . grosse Mononucleiirc 

4 ' ! 

6 

2,7 

4,3 


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Original fro-m 

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Ueber iiiedioamentöso Leukocylose. 


181 


Nach einer vierzehntägigen Behandlung, während welcher Patientin im ganzen 
28 g Antipyrin bekommen hat, sind sowohl die Bronchitis wie die Neuralgien ver¬ 
schwunden. Patientin ist fieberfrei. 

Die zu Beginn bestehende Leukocytose fällt unter der Behandlung stetig bis auf 
einen normalen Leukocytenwert ab. Ebenso geht die Zahl der Neutrophilen zurück, 
während die Lymphocyten prooentual zunehmen. 


Fall 2 . Frau M.C., 40J. Patientin klagt über anhaltende Schmerzen am Hinter- 
haupte, die als Occipitalneuralgien diagnosticicrt werden. 

Die Behandlung besteht in Antipyrin, 2 g pro die, in vier Dosen ii 0,5 g. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 

3 Tagen 

Nach 

7 Tagen 

Nach 

10 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

9600 

8700 

5300 

4600 

Neutrophile. 

51,7 

56,3 ! 

41,3 

| 50,3 

Lymphocyten. 

23,3 

33,3 i 

43 

| 37 

Eosinophile. 

5,7 

4,3 ; 

9 

5,7 

Uebergangsformen u. grosse Mononuclcäro 

19 

5 

1 6,7 

1 7 


Patientin hat während der zehntägigen Behandlung im ganzen 20 g Antipyrin 
eingenommen. Eine Besserung ist nicht zu verzeichnen. 

Die Gesamtzahl der Leukocyten ging stetig herunter bis auf subnormale Werte. 
Auffallend ist die grosse Zahl der Lymphocyten, besonders am 7. Tage. 


Fall 3 . Hans G., 14 J. Patient leidet seit einigen Tagen an einer typischen 
Intercostalneuralgie rechts. 

Die Behandlung wird mit Antipyrin eingeleitet, 1,5 g pro die, in drei Dosen 
;t 0,5 g. 

Blutbefunde:: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 4 Tagen 

Nach 8 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

6820 

6800 

7000 

Neutrophile. 

39 

39,7 

63 

Lymphocyten. 

42 

! 40 

27 

Eosinophile. 

2 

' 2 

2,7 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäro 

15,7 

16,7 

6,3 


Nach achttägiger Behandlung hat Patient 12 g Antipyrin zu sich genommen, er 
ist völlig schmerzfrei. 

Die Zahl der Leukocyten bleibt während der Behandlung constant. Bemerkens¬ 
wert sind zu Beginn die niedrigen Werte für die Neutrophilen, bei sehr hohen Zahlen 
für die Mononucleären und Lymphocyten. 

Fall 4. Heinr. M., 45 J. Patient kommt zu uns mit Schmerzen in beiden Knie¬ 
gelenken; die Beschwerden bestehen schon seit längerer Zeit und werden als subacuter 
Gelenkrheumatismus gedeutet. 

Die Behandlung besteht in Antipyrin, 2 g pro die, in vier Dosen a 0,5 g. 


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182 


Rone Pli. Gehrig, 
Blutbefunde: 


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Vor der 
Behandlung 

Nach 8 Tagen 

Nach 12 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

10000 

5600 

8900 

Neutrophile. 

65 

62,3 

62,7 

Lymphocyten. 

23.7 

25,7 

21,3 

Eosinophile. 

3,3 

2,3 

2,3 

Ucbcrgangsformen u. grosse Mononucleäre 

9,3 

9,7 

13,3 


Patient nahm in den zwölf Tagen der Behandlung 24 g Antipyrin ein. Die Be¬ 
schwerden sind nicht vollständig zurückgegnngen. 

Die zu Beginn bestehende etwas hohe Leukocytenzabl geht in den ersten acht 
Tagen bedeutend zurück, um dann wieder in die Höhe zu gehen. Das Blutbild bietet 
nichts Auffälliges dar. 

Fall 5 . Johanna D., 19 J. Patientin leidet oft an halbseitigem Kopfschmerz, 
Hemicranie. Dabei fühlt sie sich matt und kraftlos. 

Patientin erhält Antipyrin, 1,5 g pro die, geteilt in drei Dosen ä 0,5 g. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 4 Tagen 

Nach 10 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

I 

8450 

1 

9330 

7800 

Neutrophile. 

60,7 

59 

57.7 

Lymphocyten. 

28,7 

23 

28 

Eosinophile. 

2,7 

5,7 

2,7 

Uebergangsformen u grosse Mononucleäre 

8 

1 12,7 

13,7 


Während der zehn Tage dauernden Behandlung hat Patientin 15 g Antipyrin 
genommen. Die Hemicranie ist nicht wieder aufgetreten. Doch fühlt sioh Patientin 
noch immer müde in Armen und Beinen. 

Die Leukocytenzahl ist nach einem leichten Anstiege zurückgegangen. Das Blut¬ 
bild bietet keine Besonderheiten dar. 

Fall 6. Frau H., 32 J. Patientin sucht die Poliklinik auf wegen einer heftigen, 
seit zwei Tagen bestehenden Ischias. 

DieBehandlung besteht in Antipyrin, 2,5g prodie, genommen in fünf Dosen ä0,5g. 


Blutbefunde: 



Vor der 
Behandlung 

Nach 4 Tagen 

Nach 7 Tagen 

Gesamtzahl der Leukocyten. 

9200 

8580 

7730 

Neutrophile. 

39,3 

50 

54,7 

Lvmphocvten. 

36 

30,7 

28 

Eosinophile. 

9 

5,3 

4,7 

Uebergangsformen u. grosse Mononucleäre 

13,7 

13,7 

; 11,4 


Nach siebentägiger Behandlung hat Patientin im ganzen 17,5 g Antipyrin zu 
sich genommen. Die Ischiadicusneuralgien haben noch nicht nachgelassen. 

Die Gesamtzahl der Leukocyten geht unter der Behandlung zurück. Die Neutro¬ 
philen, welche zu Beginn stark vermindert erscheinen, gehen an Zahl in die Höho, 
während die Lymphocyten abnehmen. Sowohl Eosinophile wie Mononucleäre weisen 
ziemlich hohe Werte auf. 


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Uebcr medicamentöso Leukocytose. 


183 


Zusammenfassung. 

Es wurden im ganzen sechs mit Antipyrin behandelte Fälle untersucht. 

Davon wiesen die Fälle 1 und 4 eine initiale Leukocytose auf, be¬ 
dingt durch die bestehende Affection, und welche, zusammen mit dem 
Abklingen der Affection, zurückging auf normale Leukocytenwerte. Es 
könnte also in diesen Fällen eine Leukopenie erzeugende Wirkung des 
Antipyrins angenommen werden. 

Ein bedeutendes Zurückgehen der Leukocytenwerte findet sich auch 
in den Fällen 2 und 6, ohne dass freilich eine erhebliche Besserung des 
Leidens nebenherging, doch sind die zu Beginn bestehenden Leukocyten- 
zahlcn hohe, und ein Zurückgehen auf normale Mittelwerte bietet nichts 
Auffälliges dar, wie cs in Fall 6 zu beobachten ist. Merkwürdig ist 
freilich in Fall 2 das Zurückgehen auf einen um mehr als die Hälfte 
geringeren leukopenischen Wert. Auch in Fall 5 ist der zum Schluss 
gefundene Wert etwas geringer als die Initial-Leukocytenzahl. 

Von den sechs untersuchten Fällen weisen also fünf ein leichteres 
oder stärkeres Abnehmen der Leukocytenzahlen auf. 

In Fall 3 bleiben die Werte constant. 

Die Betrachtung des Blutbildes zeigt uns, dass die Lymphocytcn 
immer dann an Zahl zunehmen, wenn die Neutrophilen zurückgehen, und 
umgekehrt. Die Neutrophilen weisen nur dann höhere procentuale Werte 
auf, wenn die Gesamtzahl der Leukocyten eine hohe ist (Fall 1 und 4). 

Schlussfolgerung. 

Aus dem literarischen Teile dieser Arbeit geht hervor, wie gross 
die Zahl der Medicamente ist, welche als leukocytoseerregend angegeben 
werden. In jeder pharmakologischen Gruppe finden sich solche Stoffe, 
so dass jedenfalls die Erzeugung einer Leukocytose nicht an die Wirkung 
bestimmter pharmakologischer Gruppen gebunden erscheint. 

Im weiteren verhindern es auch die zahlreichen sich widersprechenden 
Resultate über die Wirkung ein und desselben Stoffes die Leukocytose 
erzeugenden Factoren näher zu charakterisieren. Wie ich in der Ein¬ 
leitung auseinandergesetzt habe, sind an diesen unbefriedigenden Er¬ 
gebnissen der Leukocytoseforschung wohl zum grossen Teile technische 
Schwierigkeiten Schuld, wie ungleiche Anordnungen der Versuche, fehler¬ 
hafte Zählungen, wie z. B. Zählen von zu wenig Leukocyten, wodurch 
die Fehler sehr gross werden können, Zählen in ungleichen Zeitintervallen 
nach der Injection usw. Wir gehen wohl nicht zu weit, wenn wir die 
meisten der angegebenen Befunde als zweifelhaft bezeichnen, und eine 
Nachprüfung der in der Therapie gebräuchlichen, als leukocytoseerregend 
geltenden Mittel erscheint erforderlich. Dabei sollten bei jeder derartigen 
Arbeit für die Beurteilung der Genauigkeit Angaben über die Technik 
gemacht werden, das Färbungsverfahren, unter Umständen auch ein 
Darstellen des Arnethschen Blutbildes. 

Die von mir in dieser Richtung nachgeprüften Medicamente aus der 
Gruppe der Antipyretica, Natrium salicylicum, Aspirin, Salol, Antipyrin 
und Salipyrin, werden ebenfalls bis jetzt allgemein als leukocytoseer¬ 
regend angenommen. In den von mir untersuchten Fällen war aber eine 


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184 


Reii 6 Ph. Geinig, 


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derartige Wirkung durchaus nicht festzustellen, obwohl die Untersuchung, 
bei mittelstarker Dosierung des Medicaments, über eine ganze Reihe von 
Tagen ausgedehnt wurde, und zugleich, während der Dauer des Ver¬ 
suches, in den meisten Fällen eine zweifellose therapeutische Wirkung des 
betreffenden Medicamentes eingetreten war. In einer Anzahl von Fällen 
ging eine schon vor der Behandlung bestehende Leukocytose auf normale 
Leukocytenwerte zurück, zusammen mit dem Abklingen der Affection. 

Der Zustand der Krankheit bzw. die fortschreitende Heilung war 
also hier das Ausschlaggebende für die Höhe der Leukocytenwerte, und 
eine directe Beeinflussung desselben durch die Medication darf keines¬ 
falls angenommen werden. 

Die in den übrigen Fällen constatierten Acnderungen der Leukocytcn- 
zahl gehen nicht über die beim normalen beobachteten Schwankungen hinaus. 

Es sind unter der Leitung von Privatdocenten Fritz Seiler im 
letzten Jahre an der Universitäts-Poliklinik Bern von Frl. Löwenstein 1 ) 
Untersuchungen über die Schwankungen der Leukocytenwerte am normalen 
Menschen vorgenommen worden, die in extenso veröffentlicht werden. 

Fräulein Löwenstein teilte mir mit, das bei Gesunden Schwankungen 
der Gesamtleukocytenzahl an verschiedenen Tagen bis zu 30 pCt. der 
Gesamtzahl, und zwar in zunehmendem als abnehmendem Sinne beobachtet 
werden können, so dass wir nicht das Recht haben, die in unseren Fällen 
beobachteten Schwankungen der Leukocytenwerte während der Medication 
als durch dieselbe hervorgerufen anzusehen. 

Wir resümieren daher kurz, dass durch die in der Therapie 
gebräuchlichen Dosen antipyretischer Mittel, wie Natrium sali- 
sylicum, Aspirin, Salol, Antipyrin und Salipyrin eine wesent¬ 
liche Beeinflussung der absoluten Leukocytenzahl nicht statt¬ 
findet. 

Ebensowenig konnte durch die erwähnten Mittel eine gesetzraässige 
Veränderung des Arne th sehen neutrophilen Blutbildes hervorgerufen werden. 

Ganz abgesehen von den negativen Resultaten unserer Untersuchungen 
möchten wir zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, dass es über¬ 
haupt noch gar nicht sichergestellt ist, inwiefern die Zahl der Leukocyten 
im Kampfe des Organismus gegen Infectionen und einverleibte Gifte eine 
Rolle spielt. Die mannigfaltigen Theorien über die Wirkungsweise der 
Leukocyten lassen uns keine feste Ansicht darüber gewinnen, und so 
können denn Meyer und Gott lieb in der letzten Auflage ihres pharmako¬ 
logischen Lehrbuches sagen, dass die künstliche Erzeugung einer Leuko¬ 
cytose als therapeutische Massnahme noch jeder theoretischen Grundlage 
entbehre. 

Weitere Untersuchungen in dieser Richtung hätten sich daher neben 
der Berücksichtigung der Zahlcnverhältnisse der Leukocyten, in höherem 
Masse als dies bisher geschehen ist, mit der Untersuchung der Wirkung 
auf die functioneile Tüchtigkeit der Leukocyten zu befassen. 

1) M. Löwen st ein, Untersuchungen über die Beeinllussung der Lcukocyten- 
zahlen usw. Diese Zeitschr. Bd. 17. S. 47. 

Bern, 20. November 1913. 


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Uober medicamentöse Leukocytosc. 


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18G 


Ken 6 Pb. Gehrig, 


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Kone Ph. Gehrig, 


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Ueber medicamentöse Leukocytose. 


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Original from 

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Ueber medicamentöse Leukocytose. 


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XV. 


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Aus der II. medicinischen Klinik der Königlichen Charite, Berlin 
(Director: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. F. Kraus). 

Beeinflussung des Blutdruckes durch hypertonische 

Lösungen. 

Von 

Karl Retzlaff, 

klinischem Assistenten. 

(Hierzu Tafeln V—YII). 


Seit langen Jahren ist es in der Literatur bekannt, dass bei starken 
Blutverlusten die Infusion von Kochsalzlösung geradezu eine lebens¬ 
rettende Wirkung ausübt. Kronecker gelang es bei Hunden, denen 
drei Viertel ihres Blutes abgenomraen waren, durch Infusion einer 0,6proc. 
Kochsalzlösung das Leben zu erhalten. Auch bei Menschen sind der¬ 
artige Erfahrungen gesammelt. Man führte die belebende Wirkung dieser 
Infusionen auf den Flüssigkeitsersatz und die Steigerung des Gefässtonus 
zurück (Goltz, Worm-Müller u. a.). Es wurden daher Versuche ge¬ 
macht, die Salzlösung zum Ersatz der verlorenen Blutmenge durch 
Lösungen zu ersetzen, die nicht dissociiert waren und gleichzeitig als 
Nährlösungen dienen konnten. Indessen zeigte sich auch hier eine 
Kochsalz-Zuckerlösung (Gaule, Länderer, Kuhn) in der Wirkung einer 
einfachen Glukoselösung weit überlegen. Besonderer Wert wurde auf die 
Isotonie der zu infundierenden Lösungen gelegt 

Nun ist aus physiologischen Experimenten bekannt, dass, wenn man 
einem bis fast zum Herzstillstand entbluteten Tiere physiologische 
Kochsalzlösung infundiert, der Blutdruck schon zu einer Zeit zu steigen 
beginnt, wenn erst eine kleine Menge (etwa 2 ccm) in die Vene gelangt 
ist. Es kann bei diesen Beobachtungen nicht die Ersetzung der verloren 
gegangenen Blutflüssigkeit das Massgebliche bei der Wiederherstellung des 
Blutdruckes sein, sondern es drängt sich die Ueberzeugung auf, dass das 
Kochsalz dabei eine wichtige Rolle spielen muss. Es kam mir nun in 
meinen Versuchen darauf an, einerseits den Einfluss des Kochsalzes auf 
den Blutdruck von Tieren zu prüfen, andererseits aber auch andere 
Natriumsalze und solche des Kaliums, Calciums usw. in ihrer Blutdruck¬ 
wirkung zu untersuchen. Damit ich aber nur kleine Flüssigkeitsquanten 
zu injicieren brauchte, wählte ich stark hypertonische Lösungen der Salze. 

Die Einwirkung grösserer Mengen von Kochsalz auf den tierischen 
und menschlichen Organismus wurde schon öfters zum Gegenstand von 
Untersuchungen gemacht. Schon Guttmann stellte 1865 fest, dass 
Natriumsalze, selbst in grossen Mengen, keine Wirkung auf das Herz ent- 


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Beeinflussung des Blutdruckes durch hypertonische Lösungen. 


193 


falten. H. Meyer, der die toxische Wirkung der Natriurnsalze niederer 
Fettsäuren prüfte, fand, dass man Hunden und Kaninchen bis zu 2 g pro 
Kilo Körpergewicht in 10 proc. Lösungen injicieren könne, ohne Neben¬ 
wirkungen befürchten zu müssen. Heinz fand, dass Kochsalz in massigen 
Dosen den Blutdruck unbeeinflusst Hess, und nur die Secretionen anregte. 
Magnus, Brasol, Klikowicz, Moritz und Hamburger untersuchten 
die Salzinjectionen vom Standpunkt der Osmose und die Verteilung des 
Salzes auf Blut und Gewebe. Münzer prüfte zwecks Feststellung von 
Vergiftungserscheinungen eine Anzahl Natriumsalze in 5- bis 10 proc. 
Lösungen. Dabei stieg der Blutdruck der Versuchstiere während der 
Krämpfe an, blieb einige Zeit auf beträchtlicher Höhe und sank dann 
stark ab bis zu tödlicher Senkung. Münzer untersuchte den Einfluss 
hypertonischer Injectionen auf das Nervensystem und die Osmose. 
Von den Velden constatierte die Zunahme der Gerinnungsfähigkeit des 
Blutes nach hypertonischen Kochsalzinjectionen und die Steigerung der 
Diurese, Wilenko die der Magensaftsecretion und die Herabsetzung der 
Adrenalinglykosurie. Gärtner und Beck erzielten durch Injection grosser 
Mengen Kochsalzes Resorption von Flüssigkeitsmengen aus Darm und 
Körperhöhlen. Cohn heim und Lichtheira prüften den Blutdruck 
nach Kochsalzinfusionen und erhielten in einigen Fällen Blutdruck¬ 
steigerungen u. a. m. In letzter Zeit hat Selig vergleichende Unter¬ 
suchungen über die blutdrucksteigernde Wirkung der Ringer- und einer 
10 proc. Kochsalzlösung angestellt und gefunden, dass die erstere in 
dieser Hinsicht nicht überlegen ist. Die Ringerlösung als solche bewirkt 
in seinen Versuchen keine Steigerung des Blutdruckes, sondern erst, wenn 
durch die stärkere Flüssigkeitsanfüllung der Gefässe der Druck steigt. 
In seinen Kochsalzversuchen kommt er zu dem Ergebnis, dass schon 
geringe Kochsalzmengen den Blutdruck wesentlich erhöhen, dass man 
also bei gesunkenem Blutdruck mit 20—100 ccm isotonischer Kochsalz¬ 
lösung (0,9 pCt.) sein Auslangen findet. 

Der Einfluss des Calciums auf Herz und Blutdruck ist des öfteren 
geprüft worden. Schon Ringer hat auf die günstige Wirkung des 
Calciums auf das Herz hingewiesen, und Loeb hat die Bedeutung des 
Na: Ca-Concentrationscoefficienten betont. Howell hält die Ca-Ionen 
des Blutes für die chemischen Erreger der automatischen Herztätigkeit. 
Auch Göthlin, Langendorff und Hueck, Gross, Popielski u. a. 
haben den Einfluss des Calciums auf das Herz geprüft. Mickwitz, 
Rutkewitsch, Rothberger und Winterberg konnten beobachten, dass 
kleine Mengen von Calciumsalzen eine Steigerung, grössere ein Sinken 
des Blutdruckes bewirkten. 

Magnesiumionen bewirken nach den in der Literatur vorliegenden 
Erfahrungen centrale Narkose und töten schliesslich durch Respirations¬ 
lähmung, beeinflussen aber das Herz kaum. Rothberger und Winter¬ 
berg haben bis zu 15 ccm einer 10 proc. Lösung von MgCI 2 injiciert, 
ohne einen wesentlichen Einfluss auf das Herz constatieren zu können. 

Dass das Säugetierherz für Kaliumionen sehr empfindlich ist, wissen 
wir seit den Untersuchungen Bernard und Graudeau’s. Loeb hat 
nachgewiesen, dass Kalium die rhythmischen Herzbewegungen hemmt, und 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 13 


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Karl Retzlaff, 


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andere Autoren, z. B. Tetens, haben den herzlähmenden Einfluss der 
Kalisalze festgestellt, wenn deren Concentration einen gewissen Procent¬ 
gehalt im Blute überschreitet. 

Bei meinen Versuchen ging ich nun so vor, dass ich den Versuchs¬ 
tieren durch Aderlass aus der einen Carotis eine verschieden grosse 
Quantität Blut entnahm. Der Blutdruck, der von der anderen Carotis 
mit Gadschem Schreiber registriert wurde, sank dabei stark ab, in 
einzelnen Versuchen so tief, dass pulsatorische Zacken nicht mehr sicht¬ 
bar waren. Hierauf injicierte ich nun das entsprechende Salz in 5- bis 
10 proc. Lösung, also stark hypertonisch, und zwar in einer Menge von 

3 ccm, die also nicht als Flüssigkeitsersatz der abgenommenen Blutmenge 
gelten kann. 

Was nun meine Resultate mit Natriumsalzlösungen betrifft, so möchte 
ich zuerst hier einen Versuch (Fig. 1) demonstrieren, in dem ich bei einem 
durch Aderlass von 40 ccm Blut gesenkten Blutdruck — bei Schluss des 
blutenden Gefässes tritt immer eine vorübergehende Blutdrucksteigerung 
auf — 3 ccm einer physiologischen NaCl-Lösung injicierte. Sie sehen, 
dass darnach keine wesentliche Veränderung der Blutdruckhöhe auftritt. 
Hierauf habe ich demselben Tiere 3 ccm einer 4 proc. Natriurakarbonat- 
lösung injiciert, und man sieht nun nach der Injection ein deutliches 
Ansteigen des Blutdruckes. 

Ich demonstriere nun einen anderen Versuch (Fig. 2), in dem nach 
ebenso grossem Aderlass zuerst 3 ccm destillierten Wassers injiciert 
wurden. Es tritt darnach eine kleine Blutdrucksenkung auf. Injiciere 
ich jetzt 3 ccm einer 10 proc. NaCl-Lösung, so steigt der Blutdruck auf 
die vor der Entblutung innegehabte Höhe. Eine ähnliche, nur nicht so 
starke Wirkung habe ich in meinen Versuchen nach Injection von 4 proc. 
NaCl-Lösung gesehen. 

Hier zeige ich noch einen Versuch (Fig. 3), in dem nach 3 ccm 

4 proc. Natriumkarbonatlösung ebenfalls eine prompte Steigerung des ge¬ 
sunkenen Blutdruckes erfolgt. Von anderen Natriumverbindungen habe 
ich das Natriumacetat und das Natriumcitrat in 5 proc. Lösung geprüft; 
beide bewirken unter den gegebenen Versuchsbedingungen eine Blutdruck¬ 
steigerung, jedoch ist dieselbe nicht so hoch und prompt wie bei den 
vorhin gezeigten Salzen, wohl entsprechend dem geringeren Na-Gehalt. 
Vom Natriumcitrat, das ich in 4 proc. Lösung injiciert habe, einem Tier 
10 ccm einer derartigen Lösung, habe ich nicht den tödlichen Effect 
gesehen, den Leersum bei seinen Versuchen mit isotonischer Lösung er¬ 
zielt hat. 

Ferner habe ich unter denselben Verhältnissen das Natrium jodatum 
in 5 proc. Lösung injiciert. In Fig. 4 (Versuch 23) wird einem Kaninchen 
nach Aderlass von 30 ccm Blut 3 ccm dieser Lösung injiciert. Es kommt 
darnach zu einer vorübergehenden steilen Steigung des Blutdruckes, dem 
ein allmählicher Anstieg folgt. Ebenso ist das Verhalten bei weiteren 
lnjectionen, bis nach der dritten Injection die alte Blutdruckhöhe an¬ 
nähernd wieder erreicht ist. Ausserdem habe ich die Natriumphosphat¬ 
salze geprüft. Nach dem sauren Mononatriumphosphat (Versuch 24 und 25) 
kam es nach Injection von 3 ccm 5 proc. Lösung nach vorhergehender 


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Beeinflussung des Blutdruckes durch hypertonische Lösungen. 


195 


Blutentnahme zu einer vorübergehenden Blutdrucksenkung mit Ver¬ 
langsamung der Herzfrequenz und unregelmässiger Tätigkeit des Herzens. 
Darnach tritt wieder Erholung ein. Das secundäre Phosphat (alkalisch) 
(Versuch 22) zeigt neben vorübergehender Verlangsamung der Herzfrequenz 
keinen besonderen Einfluss auf den Blutdruck. Nach dem dreibasischen, 
stark alkalischen Phosphat (Versuch 26) treten Krämpfe auf, der Blut¬ 
druck steigt steil an bis zu vorheriger Höhe, aber die Herztätigkeit ist 
stark geschädigt, die Atmung unregelmässig und das Tier macht einen 
vergifteten Eindruck. 

Was die Versuche mit Kalium betrifft, so kann ich da nur berichten, 
dass das Versuchstier nach Injection von 3 ccm* einer 4 proc. Kaliurasalz- 
lösung unmittelbar unter Herzlähmung stirbt. In Versuch 7 (Fig. 5) ist 
der Effect einer Injection von Kal. chloric. dargestellt. In Versuch 25 
stirbt das Tier sofort nach 3 ccm 5 proc. dreibasischer Kaliumphosphat¬ 
lösung, und in Versuch 23 (Fig. 4) nach 3 ccm 4 proc. Jodkalilösung. 

Von Calciumsalzen habe ich das chlor-, milch- und citrönensaure 
Salz angewendet. Die schon in der Literatur vorliegenden Erfahrungen 
zeigen nach kleinen Dosen einen Blutdruckanstieg, nach grösseren ein 
Sinken. Bei meinen Versuchen, in denen sich das injicierte Salz auf 
eine durch Aderlass reducierte Blutmenge verteilt, wirkten 4 ccm 4 proc. 
Calciumchloridlösung tödlich = 0,16 g CaCl 2 . 3 ccm einer 5 proc. Calcium 
lacticum-Lösung wurden nach Aderlässen von 40 ccm Blut vertragen 
(die Kaninchen wogen etwa 2000 g, so dass also die Blutmenge auf etwa 
100 ccm anzusetzen ist), nach grösseren Aderlässen von etwa 70 ccm 
wirkten sie tödlich. In Fig. 6 (Versuch 14) zeige ich einen Versuch, in 
dem nach Aderlass 1 ccm 4 proc. CaCI 2 -Lösung injiciert wurde. Der 
Blutdruck steigt darnach höchstens unwesentlich, aber das Herz arbeitet 
unregelmässig und schlecht. Werden jetzt dem Tier 3 ccm einer 4 proc. 
NaCl-Lösung injiciert, so wird die Arbeit des Herzens besser und regel¬ 
mässiger und der Blutdruck steigt. Dieser Versuch, sowie auch die mehr¬ 
fach von mir gemachte Erfahrung, dass ein abwechselnd mit CaCI 2 - und 
NaCl-Lösung behandeltes Tier wesentlich grössere Mengen CaCI 2 verträgt 
als ohne NaCl, zeigen ebenfalls die Bedeutung des von Loeb betonten 
Na: Ca-Coefficienten. Das Calcium citricum verhält sich wie die be¬ 
schriebenen Calciurasalze. 

Von Magnesiumsalzen habe ich nur das Magnesiumchlorid geprüft. 
Einen derartigen Versuch (Versuch 16) zeige ich in Fig. 7. Sie sehen, 
dass nach der Blutdrucksenkung nach Injection von 3 ccm einer 5 proc. 
Magnesiumchloridlösung ein mässigcr Anstieg, nach einer weiteren der¬ 
artigen Injection ein schöner und bleibender Blutdruckanstieg erfolgt. 

Zum Vergleich mit diesen Salzlösungen habe ich Versuche gemacht 
mit Dextrose- und Harnstofflösung. Nach Injection von 3 ccm einer 
20 proc. Dextroselösung (Versuch 15) tritt keine wesentlich schnellere 
Steigerung des nach dem Aderlass gesunkenen Blutdruckes auf, als ohne 
Injection zu erwarten wäre. Harnstoff wirkt in derartiger Concentration 
tödlich. 

In einigen Versuchen habe ich dann noch unter den angegebenen 
Bedingungen den Einfluss einer 10 fachen Ringerlösung erprobt, und damit 

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einen ähnlichen Erfolg erzielt wie in den Versuchen mit Kochsalz und 
anderen Natriumsalzen. Fig. 9 (Versuch 21) zeigt ein derartiges Kesultat. 

Ueberblicke ich nun das Resultat meiner bisherigen Versuche, so 
zeigt sich, dass bei der Infusion von Kochsalzlösung nach Aderlässen 
tatsächlich dem Ersatz der abgelassenen Blutflüssigkeit nicht die grosse 
Bedeutung für die Erhöhung des Blutdrucks zukommt, die man ihr bei- 
geraessen hat. Viel mehr Wichtigkeit kommt der Ionenwirkung der 
injicierten Lösung zu. Wie aus meinen Versuchen ersichtlich ist, ist 
mitunter die nur den zehnten bis fünfzehnten Teil des Aderlassblutes be¬ 
tragende Menge einer hypertonischen Salzlösung imstande, den Blutdruck 
wieder auf annähernd die ursprüngliche Höhe zu bringen. Selbst¬ 
verständlich kommt es, und das hat sich mir bei vielen Versuchen ge¬ 
zeigt, auf das Verhältnis der injicierten Salzmenge zu der im Körper ge¬ 
bliebenen Blutmenge an, die erstere darf ein gewisses Verhältnis zu der 
letzteren nicht überschreiten, sonst wirkt sie deletär. 

Hifth (München) hat in seinen Schriften die Theorie des elektro¬ 
chemischen Betriebes im Organismus aufgestellt, und hat als Quelle dieses 
Betriebes die Wichtigkeit der Elektrolyten betont. Meine Versuche weisen 
darauf hin, dass tatsächlich dem injicierten Ion grosse Bedeutung zukommt. 

Was nun die einzelnen Kationen betrifft, so ist das Na-lon zweifel¬ 
los das, das in grösster Menge toleriert wird und auch den besten Effect 
hat, dabei haben sich NaCl, NaHC0 3 und Na 2 C0 3 annähernd gleich¬ 
wertig gezeigt. Aber auch das Magnesiumion hat eine schöne Blutdruck¬ 
wirkung gezeigt. 

Die Ringersche Lösung hat in meinen Versuchen vor den Natrium¬ 
salzen keine besonders hervorstechende Wirkung gezeigt. 

Es war nun von Interesse nachzuprüfen, ob diese lonenwirkung sich 
auf das Herz oder auf die Blutgefässe oder auf beide erstreckte. Um 
hierfür Anhaltspunkte zu gewinnen, bediente ich mich zweier verschiedener 
Methoden. Einerseits benutzte ich die Laewen-Trendelenburgsche 
Methode der Durchblutung des überlebenden Froschgefässsystems, anderer¬ 
seits die plethysmographische Volummessung des Herzens in Versuchen 
an lebenden narkotisierten Katzen. 

Bei der Froschdurchblutung schickte ich bei mehreren Präparaten 
Salzlösungen verschiedener Concentration durch die Bauchaorta hindurch, 
von dem Gedanken ausgehend, dass eine verschiedene Wirkung der ver¬ 
schieden procentigen Salzlösungen, falls eine Gefässwirkung vorhanden 
war, sich in der Schnelligkeit der Durchblutung ausdrücken würde. Die 
Salzlösungen wurden natürlich unter den notwendigen Kautelen (gleicher 
Druck, vorherige zweistündige Auswaschung des Präparates mit Ringer¬ 
lösung) nach einander mittels eines kleinen Dreiweghahnes durchgelassen. 
Bei Durchblutung mit 0,5 proc. Kochsalzlösung trat keine Veränderung 
der Zahl des Tropfenfalles ein gegenüber gewöhnlicher Ringerlösung 
(Versuch 30, Fig. 10). Ebenso liess 1 proc. NaCl-Lösung weder eine Be¬ 
schleunigung noch eine Verlangsamung der Durchblutung erkennen. In 
einem anderen Versuch (27) verwendete ich zum Experiment versuchs¬ 
weise mal 10 proc. NaCl-Lösung, obwohl ich mir dabei bewusst war, 
dass ich mich von physiologischen Verhältnissen dabei weit entfernte. 


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Beeinflussung des Blutdruckes durch hypertonische Lösungen. 


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Dabei trat (Fig. 11) zuerst eine üefässerweiterung und dann folgend ein 
fast vollständiges Aufhören der Durchblutung ein. Aber selbstverständ¬ 
lich kann dieser Versuch infolge der hochgradigen Schädigung des Ge¬ 
webes durch die hochprocentige Salzlösung zu irgendwelchen Schlüssen 
nicht berechtigen. Dagegen zeigen die Versuche mit 0,5 und 1 proc. 
Kochsalzlösung, die sich von der für den Frosch passendsten Concentration 
(0,6 pCt.) nicht weit entfernen, das verwendbare Resultat, dass Aenderungen 
der Salzconcentration von immerhin beträchtlichem Umfange auf die 
Gefässinnervation keinen erkennbaren Einfluss ausüben. 

Um den Einfluss der Salzlösung auf das Herz zu prüfen, hielt ich 
die Volummessung des Herzens für geeignet, darüber Aufschluss zu geben. 
Bei mit Urethan narkotisierten Katzen legte ich das Herz in eine Glas¬ 
kapsel und schrieb mittels einer Mareyschen Kapsel das Herzvolumen. 
Gleichzeitig wurde der Blutdruck von der einen Carotis registriert. Wurde 
nun ein Aderlass aus der anderen Carotis gemacht — in einer Menge 
von 20—40 ccm Blut, wie in den anfangs geschilderten Kaninchen¬ 
versuchen, so senkt sich die Volumkurve des Herzens und die Einzel¬ 
ausschläge des Herzens werden kleiner. Das Herz passt sich also der 
reducierten Blutmenge an. In Fig. 12 ist ein Versuch dargestellt, in dem 
nach einem Aderlass von 20 ccm Blut eine Senkung der Herzvolum¬ 
kurve eintritt, die allerdings im Verhältnis zu anderen Versuchen nur 
gering ist. Nach der kurze Zeit darauf erfolgten Injection von 3 ccm 
destillierten Wassers kommt es nur vorübergehend zu einer kurzen 
Steigerung der Volumkurve. Dauernd ist zwar eine gewisse, aber nur 
sehr geringe Steigung des Plethysmogrammes zu constatieren. Man muss 
in der in Fig. 12 dargestellten Kurve den Verlauf der Volumkurve nicht 
nach den Fusspunkten der Einzelzacken beurteilen, sondern nach den 
Mittelpunkten der einzelnen Ausschläge. Werden nunmehr 3 ccm 4 proc. 
Kochsalzlösung in die Jugularvene injiciert, so tritt eine Steigung der 
ganzen Volumkurve und eine deutliche Vergrösserung der Amplituden der 
Einzelzacken ein. Man kann wohl zwanglos aus der Erhöhung der 
Zackenaraplitude auf eine bessere Arbeitsleistung des Herzmuskels 
schliessen. Denn dass allein die Vermehrung der Blutflüssigkeit um 
3 ccm nicht eine einigermassen beträchtliche Steigung des Herzplethys- 
mogrammes bzw. Vergrösserung der Einzelausschläge hervorruft, das ist 
aus dem Vergleich mit den Verhältnissen bei Injection von destilliertem 
Wasser ersichtlich. Vielmehr ist ein deutlicher Unterschied in der 
Wirkung von destilliertem Wasser und Kochsalzlösung vorhanden, und 
es muss also diese andere Wirkung bei Injection von Kochsalzlösung 
eben auf das Vorhandensein des Kochsalzes ursächlich bezogen werden. 
Die Vergrösserung der Einzelausschläge kommt doch dadurch zustande, 
dass die Diastole der Kammern ausgiebiger wird, dass also das Herz 
während der Diastole mehr Blut aufnimmt. Es wäre damit aber noch 
keine bessere Arbeitsleistung des Herzens nachgewiesen, wenn sich nicht 
auch zeigen liesse, dass die Systole des Herzens ebenso ausgiebig wäre. 
Wenn die Systole weniger Blut aus dem Herzen beförderte, als durch 
die Diastole hinein käme, so müsste es zu einer Blutstauung im Herzen 
kommen und die Volumkurve des Herzens müsste stark ansteigen. Das 


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ist einerseits in meinen Versuchen nicht der Fall. Wenn aber anderer¬ 
seits die Systole unausgiebiger wäre von dem Zeitpunkt der Injection an, 
so müsste der Fusspunkt der plethysmographischer Einzelzacke, der doch 
den Moment der Systole darstellt, sich auf ein höheres Niveau einstellen 
als vorher. Das tritt in meinen Versuchen ebenfalls nicht ein. Es folgt 
also aus der Besichtigung der Kurven, dass nach der Injection von 
Kochsalzlösung in die Jugularvene eine bessere Arbeitsleistung des Herzens 
sich einstellt. In Fig. 12 ist nach der Injection des destillierten Wassers 
das Verhalten des Herzplethysmogrammes und der Blutdruckkurve gegen¬ 
sinnig. Während das erstere ansteigt, sinkt die letztere. Aus der Herz¬ 
volumkurve ist auch ersichtlich, dass das Herz hier eine stärkere An¬ 
füllung (Steigen des Plethysraograrames) erfährt. Aber mit dieser An¬ 
füllung ist keine vermehrte Arbeitsleistung (die Amplitude der Einzel¬ 
zacken nimmt nicht zu und der Fusspunkt der Zackensystole steigt an) 
verbunden. Es kommt infolgedessen zu einer, wenn auch nur vorüber¬ 
gehenden, an den unmittelbaren Einfluss der Injection geknüpften Stauung 
im Herzen infolge verringerter Arbeitsleistung und damit zu einer Senkung 
des arteriellen Blutdruckes. Nach der Injection von Kochsalzlösung tritt 
diese Blutdrucksenkung nicht ein, obgleich ebenfalls das Herzplethysmo¬ 
gramm ansteigt, weil eben mit stärkerer Füllung des Herzens (An¬ 
steigen des Plethysmogramms) auch eine vermehrte Arbeitsleistung (Er¬ 
höhung der Einzelzacken und annähernd gleichbleibender Fusspunkt der¬ 
selben) verbunden ist. 

Ich glaube also aus diesen Versuchen den Schluss ziehen zu dürfen, 
dass die in den zuerst geschilderten Kaninchenversuchen eintretende 
Blutdrucksteigerung nach kleinen Mengen hypertonischer Salzlösung im 
wesentlichen, ja wohl fast ausschliesslich einer Herzwirkung ihre Ursache 
verdankt. Dafür spricht einerseits der negative Ausfall der Frosch¬ 
durchblutungsversuche mit Salzlösungen verschiedener Concentration, 
andererseits das eben geschilderte Verhalten des Herzens bei derartigen 
Injectionen. Ferner geht aus den Versuchen hervor, dass nicht die 
Flüssigkeit an sich diese erhöhte Arbeitsleistung des Herzens bewirkt, 
sondern vielmehr das in der Lösung enthaltene Ion. 


Literatur. 

1. Bernard et Graudeau, Experiences sur Paction physiologitjuc des sels de 
potassium et de sodium etc. 1864. Cit. nach Guttmann. 

2. Brasol, Dubois Arch. 1884. 

3. Cohn heim und Lichtheim, Virchows Arch. Bd. 69. 

4. Goltz, cit. nach Länderer. 

5. Guttmann , Berliner klin. Wochenschr. 1865. S. 344. 

6. Gaule, cit. nach Kuhn. 

7. Gärtner und Beck, Wiener klin. Wochenschr. 1893. S. 563. 

8. Göthlin, cit. nach Langendorff. 

9. Gross, Arch. f. ges. Phys. 1903. Bd. 99. S. 264. 

10. Heinz, Virchows Arch. 1890. Bd. 122. S. 100. 

11. Hamburger, Howell, cit. nach Kothbergcr und Winterberg. 


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Original from 

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Beeinflussung des Blutdruckes durch hypertonische Lösungen. 


199 


12. G. Hirth, Der elektrochemische Betrieb der Organismen. Parerga zum Elektrolyt¬ 
kreislauf. Unser Herz ein elektr. Organ. Der elektr. Zellturgor. München. Ver¬ 
lag der Jugend. 

13. Kronecker, cit. nach Kuhn. 

14. Kuhn, Zeitsohr. f. klin. Chir. 1913. Bd. 122. S. 90. 

15. Klikowicz, Dubois Arch. 188G. 

16. Länderer, Arch. f. klin. Chir. 1887. Bd. 34. 

17. Loeb, Dynamik der Lebensersoheinungen. 1906. — Pflügers Arch. 1900. Bd.80. 

18. Langendorff, Pflügers Arch. 1903. Bd. 93. S. 292. 

19. Langendorff und Hueck, ebenda. Bd. 96. S. 483. 

20. Leersum, Arch. f. exp. Patb. u. Pharm. 1903. Bd. 49. S. 85. 

21. H. Mayer, Schmiedebergs Arch. 1886. Bd. 21. S. 119. 

22. Magnus, ebenda. Bd. 44. 

23. Moritz, cit. nach Langendorff. 

24. Münzer, Schmiedebergs Arch. 1898. Bd. 41. S. 74. 

25. Mickwitz, Popielski, oit. nach Rothberger und Winterberg. 

26. Rutkewitsch, Pflügers Arch. 1909. Bd. 129. S. 487. 

27. Rothberger und Winterberg, ebenda. 1911. Bd. 142. S. 461 und 523. 

28. Ringer, Journ. of Phys. Vol. 3, 4 u. 8. Cit. nach Langendorff und Hueck. 

29. Selig, Diese Zeitschr. 1910. Bd. 9. S. 417. 

30. Tetens, cit. nach Rothberger und Winterberg. 

31. von den Velden, cit. nach Rothberger und Winterberg. 

32. Worm-Müller, cit. nach Länderer. 

33.. Wilenko, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 66. H. 1 u. 2. 


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XVI. 


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Aus der Friedrichstadtklinik für Lungenkranke zu Berlin 
(dirigierender Arzt: Dr. Arthur Mayer). 

Zur Klinik und experimentellen Pathologie der 
Beziehungen zwischen Trauma und Lungentuberculose. 

Von 

Arthur Mayer. 

Die Zahl der Fälle, bei denen ein Zusammenhang zwischen Trauma 
und Lungentuberculose mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit an¬ 
genommen worden ist, ist, wie es in einem Gutachten aus der zweiten 
Medicinischen Klinik zu Berlin heisst, Legion. Aber keiner der bisher 
beschriebenen Fälle beweist bei strengerer Kritik tatsächlich, dass 
ein derartiger Zusammenhang bestanden hat, soweit die Entstehung 
einer Tuberculose durch das Trauma behauptet worden ist. Dazu wäre 
notwendig, dass nicht nur aus anamnestischen Angaben der Patienten 
sondern mit sicheren klinischen Methoden festgestellt worden wäre, dass 
der Verletzte vor dem Unfall nicht nur im klinischen Sinne gesund, 
sondern überhaupt tuberculosefrei gewesen ist. Oder es hätte bei der 
Section der Nachweis erbracht werden müssen, dass eine frisch ent¬ 
standene Tuberculose ihren Ausgangspunkt von dem Trauma genommen 
hat und dass ältere tuberculose Herde nicht vorhanden waren. Der¬ 
artige Beobachtungen liegen bisher trotz der reichen Literatur 
nicht vor 1 ). 

Auch ein viel citierter Fall von Grawitz, der von ihm selbst und manchen 
späteren Autoren in diesem Sinne gedeutet worden ist, kann, wie Stern in über¬ 
zeugender Weise darlegt, nicht, wie es Grawitz wollte, interpretiert werden. 

Auch bei den von mir beobachteten Fällen kann ein stricter Beweis 
nicht geführt werden. Wenn trotzdem hier einige der von mir gemachten 
Beobachtungen mitgeteilt werden, so geschieht das daher nicht, um die 
Casuistik zu vermehren, sondern weil die von mir ausgesuchten und be¬ 
schriebenen Fälle in mancher Beziehung recht bemerkenswert sind und 
für weitere Erwägungen und Experimente Veranlassung boten. 

1) Ausführliche Literaturangaben und eigene Beobachtungen finden sich u. a. 
neuerdings besonders bei: Rahel Hirsch, Unfall und innere Medicin. Berlin 1914. 

— Sawelly Chessin, Trauma und Lungentuberculose. Inaug.-Diss. Berlin 1911. 

— R. Stern, Ueber traumatische Entstehung innerer Krankheiten. Jena 1910. — 
Spillicke, Traumatische Lungentuberculose. Inaug.-Diss. Freiburg 1908. — 
R. Ncisser, Die traumatische Lungentuberculose usw. Zeitschr. f. Tub. Bd. 12. 



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Zur Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungen zwisch. Trauma u. Lungentuberculose. 201 

Einen ganz besonderen Fall stellt indessen eine Beobachtung dar, 
bei der tatsächlich durch eine eigenartige Verknüpfung der Verhältnisse 
der Zusammenhang zwischen Trauma und Tuberculose erwiesen ist. 

28jähriger Schlächtergeselle aus gesunder Familie, der gedient und mehrere 
Uebungen gemacht hat, bekommt in einem Streit auf dem Viehhof von einem anderen 
Schlächter einen Messerstich, der bis in den linken Oberlappen dringt. Die Stich¬ 
wunde heilt zunächst gut. Der Patient kann bereits nach 6 Wochen wieder seine 
Arbeit aufnehmen und klagt nur über gelegentliche neuralgische Schmerzen in der 
linken Brustseite. 8 Wochen nachdem die Verletzung entstanden ist, bilden sich um 
die rötliche, aber sonst ziemlich feste Narbe kleine Verdickungen, die zunächst von 
dem Patienten nicht beachtet werden, ihn aber nach weiteren 2 Wochen doch ver¬ 
anlassen, den Arzt aufzusucben. Diagnose: Lupus vulgaris. 

An den Lungen war damals nichts Pathologisches zu hören. Auch im Röntgen¬ 
bilde ergaben sich keinerlei Veränderungen. 4 Wochen später kommt der Patient 
wieder. Der Lupus ist durch specifische Behandlung gut beeinflusst. Ueber der linken 
Lunge hört man aber jetzt vereinzelte knackende Geräusche. Dem Patienten wird auf¬ 
gegeben, sich alle 4 Wochen wieder vorzustellen. So konnte genau festgestellt werden, 
dass die Spitzenaffection deutlich vorwärts ging. 6 Monate nach der Verletzung war 
reichliches Rasseln über der Spitze zu hören, der Klopfschall war etwas verkürzt, im 
Röntgenbilde war die Spitze deutlich beschattet. Auswurf war nicht vorhanden. 
Specifische Therapie wird eingeleitet. Scheinbar im Anschluss an eine Tuberculin- 
injection bekommt Patient eine kleine Hämoptoe und etwas Fiober. Patient hat jetzt 
auch Sputum, in dem sich Tuberkelbacillen finden. Der weiteren Beobachtung 
hat sich der Patient entzogen. 

Also im unmittelbaren Anschluss an eine Stichverletzung Lupus und 
wenige Wochen später eine sichere Tuberculose des Oberlappens. 

In der Literatur sind ja eine ganze Anzahl von Fällen berichtet, bei denen durch 
eine Verletzung eine Uebertragung von Tuberculose vom Tier auf den Menschen beob¬ 
achtet worden ist. Dabei ist es auch mehrfach zur Lungentuberculose gekommen. 
Gegen diese Fälle ist aber der Einwand erhoben worden, dass die Patienten möglicher¬ 
weise schon vorher phthisisch gewesen sind und ihre Wunde selbst inficiert haben. 
Diese Möglichkeit liegt bei dem von mir beobachteten Falle nicht vor. 

Leider konnte, weil sich der Patient weiterer Beobachtung entzog, nicht fest¬ 
gestellt werden, ob eine Infection mit dem Typus bov. vorlag. 

Während bei diesem Fall einer echten lnoculation der Modus der 
Infection völlig klar liegt, liegen die Verhältnisse bei den anderen von 
mir beobachteten Fällen nicht so zwingend. 

1. Fall: 35 jähriger, ausserordentlich kräftig gebauter Fleischermeister aus 
völlig gesunder Familie, der gedient und mehrere Uebungen gemacht hat, bekommt 
1912 durch die Unvorsichtigkeit eines Freundes eine Teschingkugel in den rechten 
Unterlappen der Lunge. Die äusseren Verletzungen heilen rasch ohne Complicationen. 
Wenige Wochen darauf entsteht eine Bronchitis und eine lobäre Pneumonie in dem¬ 
selben Unterlappen. Seitdem immer wiederkehrende Bronchitiden und lobuläre Pneu¬ 
monien auf der rechten Seite. Im Sputum, das bis dahin nach wiederholter Unter¬ 
suchung keine Tuberkelbacillen gehabt hat, finden sich seit einem halben Jahre 
reichlich Tuberkelbacillen vor. 

Im Röntgenbilde sieht man eine Beschattung der ganzen rechten Seite und einen 
massiven Schatten im rechten Unterlappen. Scheinbar ziemlich peripher ist in dem 
Schatten die Kugel zu sehen. 


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Klinischer Befund: Katarrh über der ganzen rechten Seite, besonders hinten 
unten verschärftes und verlängertes Exspirium. Hinten unten über dem massiven 
Schatten deutliche Dämpfung mit leichtem tympanitischen Beiklang. 

2. Fall: 62 Jahre alter, sehr wohlgenährter Rentier aus völlig gesunder Familie, 
der bis vor kurzem ohne jede Beschwerden grosse Strapazen ertragen hat, viel marschiert 
ist und sehr oft auf Jagd war, bekommt bei der Jagd mehrere Schrotkugeln in die 
Brust. Der Patient hat nur 8Tage im Bett gelegen und sich dann wieder, ohne nennens¬ 
werte Beschwerden zu haben, seinen Beschäftigungen hingegeben. 3 Wochen nach 
der Verletzung bekommt Patient links, wo ihn auch die Schrotkugeln getroffen haben 
sollen, eine Rippenfellentzündung, die zuerst trocken, sehr bald aber serös ist. Nach 
Punktion von 1 Liter Exsudat ergibt sich folgender Befund: Ueber dem linken Unter¬ 
lappen abgeschwächtes Atmen und reichliche mittelgrossblasige Rasselgeräusche, 
respiratorische Verschieblichkeit gering. Im Röntgenbilde sieht man eine Trübung 
der ganzen Seite, die nach unten hin zunimmt. Beinahe an der Basis sieht man 
eine Kugel. 

Der Zustand des Patienten verschlechtert sich schnell. Das Exsudat ergänzt 
sich rasch wieder und der Lungenbefund verschlechtert sich. Im Auswurf finden sich 
jetzt, was vorher nicht der Fall gewesen ist, Tuberkelbacillen. 3 Tage später cerebrale 
Symptome. Der Patient erliegt einer rasch vorschreitenden Miiiartuberculose (9 Wochen 
nach dem Trauma). 

Die Section ergibt zahlreiche ganz frische miliare Herde in den verschiedenen 
Organen. In der Lunge eine käsige Pneumonie im linken Unterlappen, in dessen 
Centrum die Kugel zum Teil abgekapselt sitzt, ausserdem zahlreiche poribronchitische 
Knoten. Die ganze Pleura zeigt besonders in den unteren Partien zahlreiche Fibrin¬ 
auflagerungen. Zeichen einer alten Tuberculose sind nicht vorhanden. Die Bronchial¬ 
drüsen sind geschwollen, stark pigmentiert, aber nicht verkalkt, oder in anderer Weise 
verändert. 

Der erste Patient, der also ein ausserordentlich kräftiger bis dahin 
völlig gesunder Mann aus gesunder Familie war, ist einer von denen, 
über deren Schicksal so viel in der Literatur geschrieben ist. Die 
äusseren Umstände drängen einen causalen Zusammenhang zwischen 
Trauma und Tuberculose auf, der aber ebensowenig wie in allen anderen 
gleichen Fällen bewiesen werden kann. 

Der zweite Fall könnte vielleicht eher einer strengen Kritik stand¬ 
halten, denn die Section ergab zwar frische miliare Herde, aber keine 
Zeichen einer alten Tuberculose. Aber der Umstand, dass die Tuber¬ 
culose nicht auf der Seite des Traumas, ja nicht einmal auf der Lunge 
begrenzt blieb, sondern zu miliaren Eruptionen in verschiedenen Organen 
geführt hat, scheint aus Gründen, auf die ich noch später zu sprechen 
kommen werde, doch zur gewissen Vorsicht zu zwingen. 

Bemerkenswert ist es übrigens, dass im ersten Fall, wie man das 
ja so häufig sieht, zunächst eine Pneumonie entstand. Ob es sich bei 
derartigen Fällen zunächst um eine echte Contusionspneumonie handelte, 
die dann in Tuberculose übergegangen ist, wie das z. B. Jaccoud 1 ) an¬ 
nimmt, oder ob sich von vornherein eine acute tuberculose Entzündung 
entwickelt hat, wie es Stern für wahrscheinlich hält, lässt sich kaum 
entscheiden. 


1) Jaccoud, Sur l’origine liospitaliere de la phthisie pulmonaire. Sem. rncdic. 
1896. Nr. 6. 


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Zur Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungen zwisch. Trauma u. Lungentuberculose. 203 

Auch die Pleuritis, die im zweiten Fall zunächst dem Trauma folgte, 
ist als auf einer traumatischen Tuberculose beruhend bekannt und häufig 
beschrieben worden. 

Während diese beiden Fälle Patienten betreffen, die weder familiär noch 
scheinbar individuell irgendwie belastet waren, ist der nächste Fall, über 
den ich berichten will, deswegen besonders bemerkenswert, weil er einen 
Patienten betraf, der hervorragend disponiert war, trotzdem aber bis zum 
Trauma nicht erkrankt war. 

3. Fall. 19jähriger junger Mann, dessen Mutter und eine Schwester an Tuber¬ 
culose gestorben sind. Er steht seit dem Tode seiner Schwester, der vor 4 Jahren er¬ 
folgt ist, in dauernder ärztlicher Controlle, und war wegen seiner Engbrüstigkeit ein 
Gegenstand der besonderen Besorgnis. Beim Radfahren stürzt der junge Mann und 
schlägt mit der rechten Thoraxseite an die scharfe Bordschwelle. Es besteht schein¬ 
bar nur eine geringe Contusion ohne ernstere Verletzungen. Patient kann 
sich aber von seinem Unfall, der an sich recht unerheblich gewesen zu sein scheint, 
gamicht erholen und fing 10 Tage nach dem Unfälle an, abends Temperatursteigerungen 
zu bekommen. Die Untersuchung des jungen Mannes zeigt zunächst, dass es sich um 
einen Patienten mit einer ausgesprochenen Starre und Enge der oberen Thoraxapertur 
beiderseits handelt. Scheinbar ist auch der Knorpel der ersten Rippe auf beiden 
Seiten verknöchert. Die weitere Entwicklung ergab, dass der Patient auf der be¬ 
troffenen Seite an der Spitze deutliche Zeichen einer beginnenden Spitzenaffection be¬ 
kam, die sich verhältnismässig rasch ausbreitete. Patient ging dann nach dem Süden, 
machte verschiedene Heilstättenkuren durch, kam aber immer nur vorübergehend ge¬ 
bessert zurück. Die linke Seite ist „practisch“ gesund. Pneumothoraxoperation wird 
abgelehnt. Auch im Röntgenbilde ist nur rechts eine Trübung des Oberlappens, links 
dagegen keinerlei Veränderung festzustellen. 

Bei diesen Patienten hat also ein leichtes Trauma zum mindesten 
die Tuberculose ausgelöst, was deswegen ganz besonders bemerkenswert 
ist, weil bei dem jungen Manne eine mechanische Disposition beider 
Lungenspitzen bestand (W. A. Freund, Hart, Harras, von Hanse¬ 
mann u. a.). Aber trotz dieser doppelseitigen mechanischen 
Disposition erkrankte nur die Lunge der durch das Trauma 
betroffenen Seite, wenigstens soweit das durch die klinische Unter¬ 
suchung festgestellt werden konnte, die auch dgreh den Befund im 
Röntgenbilde bestätigt wurde. 

Allen diesen Fällen war gemeinsam, dass das Trauma immer 
in unmittelbarer Nähe der erkrankten Lunge erfolgte. Die 
beiden nächsten Fälle, die noch kurz geschildert werden sollen und die 
sich vielen anderen in der Literatur anschliesscn, zeigen, dass das Trauma 
auch ganz entfernt von den Lungen zu einer tuberculösen Erkrankung 
der Lunge führen kann. 

4. Fall: 40jähriger, ausserordentlich kräftiger Brauereiarbeiter, der gedient 
hat, mehrere Uebungen gemacht hat, niemals ernstlich krank war und aus einer ge¬ 
sunden Familie stammt, fällt auf der Strasse und erleidet einen Bruch des linken 
Unterschenkels. 1 Jahr später entwickelt sich über der rechten Lunge des Patienten 
eine bakteriologisch und röntgenologisch sichergestellte Lungentuberculose, deren Zu¬ 
sammenhang mit dem Unfall schliesslich auch im Streitverfahren anerkannt worden ist. 

5. Fall. 2Gjähriges Fabrikmädchen aus gesunder Familie, die bisher immer 
gearbeitet hat und niemals krank gewesen ist. Das Mädchen fällt die Treppe herab 


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Arthur Mayer, 


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und zieht sich eine erhebliche Bauchcontusion zu. 4 Wochen nach dem Unfall beginnt 
Patientin zu fiebern und allmählich wird einebeiderseitigeLungentuberculose einwands¬ 
frei festgestellt. Hier war auch lange der Anspruch der Beschädigten strittig, wurde 
aber später anerkannt. 

Schliesslich will ich in diesem Zusammenhänge, ohne mich auf be¬ 
kannte klinische Einzelheiten einzulassen, darauf hinweisen, dass Traumen 
aller Art, auch ganz leichte und ganz periphere, eine bestehende 
manifeste Tuberculose zweifellos verschlimmern können, wie das 
auch schon von Feilchenfcld 1 ), Spillecke u. a. beschrieben worden 
ist. Das ist deswegen wichtig zu wissen, weil das Gesetz auch dann 
eine Entschädigung bestimmt, wenn durch den Unfall eine Lungen¬ 
erkrankung weiterverbreitet und verschlimmert wird. 

Dass also Beziehungen zwischen Trauma und Tuberculose bestehen 
und zwar in mehrfacher Richtung, wird also auch durch diese Fälle aufs 
neue bewiesen. Es bleibt aber die interessante und bisher trotz 
aller Erörterungen unbeantwortete Frage offen, wie der engere 
Zusammenhang ist. 

Für den ersten der hier beschriebenen Fälle, bei dem ein mit 
Tuberkelbacillen inficiertes Messer von aussen eindringt, erst eine lupöse 
Erkrankung der Haut setzt und dann die Lunge inoculiert, liegen die 
Verhältnisse wohl ziemlich klar. Aber diese Fälle einer sicheren ln- 
oculationstuberculose sind recht selten. 

Aus der spärlichen Literatur seien hier nur 2 Fälle hervorgehoben. Treitol 
beobachtete einen Fall von Tuberculose der Iris bei einem Knaben, dem beim Spielen 
ein Strohhalm ins Auge geflogen war, in dem sich Tuberkelbacillen nachweisen 
liesson. Tscherning beschreibt einen Fall, bei dem sich eine bis dahin völlig ge¬ 
sunde Person eine Handwunde mit dem Glassplitter eines Speibechers beigebracht 
hatte, in dem Sputa mit Tuberkelbacillen gewesen waren. 

Aber für alle anderen Fälle, also für die, bei denen es nicht zu 
einer Verletzung der Lunge mit einem inficierten Fremdkörper, ja nicht 
einmal zu einer Durchtrennung des äusseren Integuments kam, liegen 
die Verhältnisse keineswegs einfach. 

Die meisten AiÄoren nehmen an, dass es zu einer Continuitäts- 
trennung des Lungenparenchyms, zu Blutungen und Entzün¬ 
dungen kommt, durch die Tuberkelbacillen einen passenden Nährboden 
finden. 

Dass es in der Tat durch stumpfe Gewalteinwirkungen auf die Thoraxwand zu 
Blutungen, gröberen Zerreissungen und zum Verluste des elastischen Gewebes in der 
Lunge kommt, hat Külbs 2 ) experimentell an Hunden gezeigt. 

Nun zeigt es sich aber, dass in vielen Fällen kaum von derartigen 
Lungenverletzungen die Rede war, und dass die Tuberculose gar nicht 
an der Stelle des Traumas, wo die Bakterien ihren guten Nährboden 
gefunden haben sollen, begann. Diese Gegensätze sind ganz besonders 
auffallend, wenn das Trauma peripher war, wie z. B. in Fall 4 und 5. 

1) Fei Ich enfeld, lieber die Verschlimmerung der Tuberculose durch einen 
Unfall. Deutsche med. Wochenschr. 1908. 

2) Külbs, Lunge und Trauma. Arch. f. exp. Path. 1910. 


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Zur Klinik u. exp. Pathologied. Beziehungen zwisch. Trauma u. Lungentuberculose. 205 

Es ist wohl kaum anzunehmen, dass der Brauereiarbeiter, von dem als 
Fall 4 die Rede ist, durch den Bruch des linken Unterschenkels eine 
Blutung in der rechten Lunge erlitten hat. 

Andererseits muss man zugeben, dass es zu Verletzungen der Lunge 
kommen kann, ohne dass überhaupt die Weichteile und das Knochen¬ 
gerüst der Thoraxwand irgendwelche Spuren einer traumatischen Ein¬ 
wirkung zeigen. Es kann nämlich zu einer Platzruptur kommen, wenn 
das Entweichen der Luft durch Glottisschluss einen Widerstand findet 
[Gosselin 1 )]. Diese Verhältnisse sind durch Link experimentell klar¬ 
gestellt worden 2 ). 

Link blies einer Leiche Luft in die Lungen ein und brachte ihr dann durch 
Hammerschläge mehrere Rippenbrüche bei; bei der Autopsie fand sich ein Pleurariss 
über einem metastatischen Tumorknoten zwischen 2 Lungenlappen, also an gänzlich 
geschützter Stelle. (Die Stimmbänder lagen in diesem Falle glatt aneinander.) Bei 
einer zweiten Leiche wurden dieselben Verletzungen nach vorheriger Tracheotomie 
vorgenommen: es fand sich ein kleiner Pleurariss an einer nicht mit einer Fractur 
correspondierenden Stelle. 

Aus diesen Untersuchungen ist gefolgert worden, dass, da der Thorax selbst 
eine mehr oder weniger grosse Elasticität besitzt und die Stimmritze im Moment des 
Unfalles häufig unwillkürlich geschlossen wird, das Trauma in solchen Fällen auf 
den Brustkorb wie auf eine gespannte Blase wirkt und pathologisch veränderte Stellen, 
die die geringste Widerstandskraft besitzen, zur Ruptur bringt. 

Eine ähnliche Erklärung gibt auch Spill ecke. Auch er sieht in der Steige¬ 
rung des intrathoracalen Druckes ein entscheidendes Moment bei gewissen peripheren 
Traumen. Bei derartigen nicht ausgeglichenen Druckschwankungen kommt es, beson¬ 
ders bei den sehr häufig tuberculös erkrankten Gefässen, zu Zerreissungen, an die sich 
eine Continuitätstrennung des Lungenparenchyms anschliesst. 

Auch Bäumler 3 ) selbst, aus dessen Klinik dieso Arbeiten stammen, hebt in 
einem klinisch beobachteten obducierten Falle die Bedeutung hervor, die einem un¬ 
ausgeglichenen intrathoracalen Druck bei Lungenverletzungen zukommt. 

Wie umfangreich derartige Platzrupturen besonders bei jugendlichen 
Individuen mit elastischem Brustkorb sein können, zeigt eine Beobach¬ 
tung von Garrö 4 ), nach der bei einem 11jährigen Jungen ohne irgend¬ 
eine Rippenverletzung ein 7 cm langer, den ganzen Oberlappen durch¬ 
setzender Riss nach Ueberfahren festgestellt worden ist. 

Bisweilen scheint sich nur eine centrale Zerreissung des Parenchyms 
zu finden, wie das z. B. durch Rösslc 5 ) beschrieben worden ist, meist 
ist aber auch die Pleura visceralis lädiert (Garre). 

Ein plötzlicher, unausgeglichener intrathoracaler Ueber- 
druck ist also eine weitere wichtige Ursache für Lungen- 


1) Gosselin, Rech, sur les dcchirures des poum. sans fract. des coles corresp. 
Mem. de la soc. chir. I. Paris 1847. 

2) Link, Ueber traumatische Lungentuberculose. Münch, med. Wochenschr. 1905. 

3) Bäumler, Ueber eine besondere, durch Aspiration von Caverneninhalt her¬ 
vorgerufene Form acuter Bronchopneumonie bei Lungentuberculose. Deutsche med. 
Wochenschr. 1893. 

4) Garrö und Quincke, Lungenchirurgie. Jena 1912 und G. Richter, 
Lungenrupturen. Beitr. z. klin. Chir. Bd. 44. 

5) Rössle, Centrale Rupturen. Münch, raed. Wochenschr. 1911. 


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Arthur Mayer, 

Verletzungen, nach denen sich ein tuberculüser Process ent¬ 
wickelt. 

Dabei ist es aber bemerkenswert, dass dieselben Verhältnisse auch bei Ent¬ 
stehung einer Contusionspneumonie bestehen, wie das in einem Facultätsgut- 
achten von Kraus und Leyden anerkannt ist 1 ). Auoh Rahel Hirsch hebt diesen 
Entstehungsmodus bei der traumatischen Pneumonie mit Nachdruck hervor. Ebenso 
auch Stern und andere Autoren. 

Warum kommt es nun in dem einen Falle zur Contusionspneumonie 
und in einem anderen zur Tuberculose? 

Schliesslich haben auch einige Autoren den Zusammenhang so con- 
struiert, dass sie annahmen, dass durch das Trauma ein Embolus in eine 
Lungenarterie gerät, und dass es dadurch in dem von dieser Arterie 
versorgten Teil der Lunge zu Entzündungen und zur Infection 
kommt [Köhler 2 ), Villemin 3 )]. 

Aber wie auch immer der Zusammenhang erklärt worden ist: Alles, 
was für die Entstehung der Tuberculose durch ein Trauma an¬ 
geführt worden ist, lässt sich im Grunde immer nur in dem 
Sinne verwerten, dass irgendwo eine Disposition für die In¬ 
fection geschaffen worden ist. 

Aber wie kommt diese Infection zustande? Die älteren 
Autoren haben wohl an eine Art von Parthenogenese des tuberculösen 
Virus im menschlichen Körper geglaubt. Zahlreiche spätere, so z. B. 
Mendelsohn 4 ), waren der Meinung, dass der Verletzte Tuberkelbacillen 
nach dem Trauma inhaliert hat oder dass zum wenigsten auf irgend¬ 
eine andere Weise Tuberkelbacillen, die vorher nicht im Körper des Ver¬ 
letzten gewesen sind, durch die Continuitätstrennung der Lunge in das 
Innere der Lunge gedrungen sind, Schlüsse, die, wie Stern mit Recht 
hervorhebt, mit schwerverständlicher Bereitwilligkeit aus der M e n d e 1 s o h n - 
sehen Arbeit auch von anderen Autoren gezogen worden sind. 

Alle neueren Autoren sind sich aber wohl darin einig, dass über¬ 
all da, wo es im Zusammenhang mit einem Trauma zu einer 
Tuberculose kommt, die nicht direct inoculiert ist, bereits 
Tuberkelbacillen im Körper vorhanden gewesen sein müssen. 

Nun haben manche Autoren die Ansicht geäussert, dass das Trauma 
direct einen alten bis dahin inactiven Herd von Tuberkelbacillen ge¬ 
troffen hat. Aber kein einziger Obductionsbefund beweist, dass tat¬ 
sächlich die directe Gewalteinwirkung auf ein derartiges Bacillennest 
gewirkt hat. Denn der Ausgang der Tuberculose zeigt ganz andere Wege. 
Die neueren Autoren haben dann auch der Meinung Ausdruck gegeben, 
dass der latente Bacillenherd durchaus nicht von der direkten Gewalt¬ 
wirkung betroffen zu sein braucht und an einer Stelle sitzen kann, der von 

1) Bei Rahel Hirsch, 1. c. 

2) Köhler, Leber traumatische usw. Lungentuberculose. Aerztl. Sachverst.- 
Zeitg. 1908. 

3) Villemin, Tuberculose und Trauma. Allg. Wiener med. Zeitg. 190G. 

4) Mendelsohn, Traumatische Phthise. Inaug-Dissert. Berlin lssf) und 
Zeit sehr. f. klin. Med. 18SG. 


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Zur Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungen zwisoh. Trauma u.Lungentuberculose. 207 

der Stelle, auf die das Trauma zunächst gewirkt hat, entfernt ist. In 
erster Reihe kommen da alte Cavernen und vor allem Lymphdrüsen in 
Betracht. 

Dass es Herde gibt, die jahrelang, ja unter Umständen während des 
ganzen Lebens latent bleiben, ist hinreichend bekannt. 

Es darf wohl nur daran erinnert werden, dass Lydia Rabinowitsch gezeigt 
hat, dass sogar in verkalkten Lymphdrüsen entwicklungsfähige Tuberkelbacillen er¬ 
halten bleiben können. 

Es liegen auch genügend Beobachtungen vor, dass derartige latente 
Herde ausserordentlich leicht mobilisiert werden können. 

Es sei z. B. nur ein Fall citiert, der von Rahel Hirsch begut¬ 
achtet und von ihr selbst und auch von Chessin beschrieben worden ist: 

Im Anschluss an eine Contusion entwickelte sich bei einem bis dahin klinisch 
gesunden, herkulisch gebauten Manne eine ausgedehnte Tuberculose. Bei der Section 
fanden sich Cavernen in beiden Oberlappen. 

„Der anatomische Befund deutet auf einen längeren chronischen Process in den 
Lungen hin, so dass bei der Continuität der im Anschluss an das Trauma aufge¬ 
tretenen Symptome nicht zu zweifeln ist, dass die Quetschung des Thorax einen 
latenten tuberculösen Process in den Lungen mobilisiert hat, so, dass der Unfallver¬ 
letzte daran zugrunde gegangen ist.“ 

Auch Bäumler 1 ) hat mehrere ausserordentlich bemerkenswerte Fälle be¬ 
schrieben, bei denen es zu einer Aspiration von tuberculösem Eiter infolge verhält¬ 
nismässig geringer Kraftleistungen aus einer bis dahin latent gewesenen tuberculösen 
Höhle bei scheinbar ganz gesunden Menschen gekommen ist. Auch aus erweichten 
tuberculösen Lymphdrüsen kann, wie Ziegler gezeigt hat, bei bis dahin klinisch ge¬ 
sunden Menschen Eiter in die Lunge kommen und sehr rasch zu einer allgemeinen 
Tuberculose führen. 

Aber in einer Anzahl von Fällen sind derartige Cavernen bei der 
Section nicht gefunden worden, ja nicht einmal tuberculose Lyraph- 
drüsen. Auch in dem von mir ausführlich beschriebenen Falle fanden 
sich keinerlei Eiterherde, aus denen die Tuberkelbacillen in die Lunge 
hineingeschwemmt sein konnten. 

Also auch mit der Annahme, dass ein latenter Herd 
„mobilisiert“ worden ist, wird man das Problem nicht restlos 
lösen können. 

Der Zusammenhang zwischen Trauma und Tuberculose erschien in 
einem neuen Lichte, als in neuerer Zeit von zahlreichen Autoren Tuberkel¬ 
bacillen im strömenden Blute auch bei angeblich Gesunden ge¬ 
funden worden sind. Es lag nahe, anzunehmen, dass derartige immer 
im Blute kreisenden Tuberkelbacillen, die also gar nicht erst durch das 
Trauma mobilisiert werden mussten, an der durch das Trauma ge¬ 
schaffenen Stelle einen günstigen Nährboden fanden. Aber auch hier 
blieb die entscheidende Frage ungeklärt, weshalb die offenbar bisher 
harmlos im Blute kreisenden Bacillen jetzt nach dem Trauma virulent 
geworden waren. 

Die Untersuchungen von Bacmeister, Kennerknecht u. a. konnten 


1) Bäum 1 er 1. c. 


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Arthur Mayer 


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von mir nicht bestätigt werden 1 ). Bei acht Gesunden, bei denen durch 
Tuberculininjection festgestellt war, dass eine active Tuberculose nicht 
bei ihnen vorliegen konnte, wurden kein einziges Mal säurefeste Stäbchen 
im Blute gefunden. 

Aber bei 16 Patienten, bei denen der klinische Befund vor der 
Tuberculinprobe keine Tuberculose ergab, die aber auf Tuberculininjection 
positiv reagierten, fanden sich in 20 pCt. säurefeste Stäbchen. Diese 
säurefesten Stäbchen waren aber in allen Fällen — auch bei schwer tuber- 
culösen — avirulent, wie dies ja auch von vornherein nach dem, was 
wir über die Immunisierung des Menschen wissen, anzunehmen ist. 

Auch zahlreiche andere Autoren haben neuerdings festgestellt, dass diese 
Stäbchen — im Gegensatz zu früheren Mitteilungen anderer Forscher — avirulent 
sind, oder dass sich wenigstens mit ihnen beim Tiere keine Tuberculose erzeugen 
lässt (Klopstock und Seligmann, Bräutigam und Mewes, F. Klemperer). 

Weitere Untersuchungen von mir zeigten nun, dass diejenigen 
Menschen, in deren Blut sich diese säurefesten Stäbchen fanden, unvoll¬ 
kommen immunisiert waren, dass es ihnen durchweg an Fettsäure- 
Antikörpern und zum Teil an Neutral-Fettantikörpern fehlte und dass 
die säurefesten Stäbchen nur die Fettsäure enthaltenden harmlosen Hüllen 
der Tuberkelbacillen waren, die nicht aufgelöst wurden, weil es eben 
diesen Patienten an den entsprechenden Partialantikörpern fehlte 2 ). 

Diese Beobachtungen deuten vielleicht auf einen weiteren Zusammen¬ 
hang zwischen Trauma und Tuberculose. 

Es ist von vornherein mit Sicherheit anzunehmen, dass diejenigen 
dieser Kranken, bei denen es sich nicht um Inoculationsinfection (Fall 3) 
handelte, vorher schon tuberculös inficiert waren. Sie waren aber 
bis dahin mehr oder weniger gut immunisiert und daher nicht 
tuberculös. Wahrscheinlich hätten sie sämtlich auf Tuberculin reagiert, 
vielleicht auch zu einem beträchtlichen Procentsatz säurefeste aber aviru- 
lente Stäbchen im Blute gehabt. Das Trauma hat ihre Immuni¬ 
sierung zerstört und sie so am locus rainoris resistentiae — 
je nach ihrer Disposition — der Tuberculose ausgeliefert. 

Damit tauchen für die experimentelle Untersuchung drei Fragen auf: 

1. Ist es möglich, durch ein Trauma in der Lunge eine Dis¬ 
position für die Ansiedlung im Blute kreisender Bakterien 
zu schaffen? 

2. Ist es möglich, durch ein Trauma die Virulenz dieser im Blute 
kreisenden Bakterien zu steigern? oder 

3. ist es möglich, die Resistenz des Individuums gegen die Bak¬ 
terien durch das Trauma herabzusetzen? 

Diesen drei Fragen waren meine experimentellen Untersuchungen 
gewidmet, über die bereits an anderer Stelle kurz berichtet worden ist 3 ). 

1) Arthur Mayer, Ueber das Vorkommen von Tuberkelbacillen im strömenden 
Blute und in der menschlichen Milch. Zeitschr. f. Tub. 1913. 

2) Arthur Mayer, Ueber die Beziehungen der im Blute kreisenden Tuberkel¬ 
bacillen zu der Entstehung von Partialantikörpern. Deutsche med. Wochonschr. 1914. 

3) Arthur Mayer, Ueber Trauma und Lungentuberculose. Med. Klinik. 1914. 


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Zar Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungen zwisch. Trauma u.Lungentuberculose. 209 

Was die erste Frage betrifft, so liegen eine Anzahl von Untersuchungen 
darüber vor, wie weit an traumatisch beeinflussten Gelenken das Trauma 
eine Disposition für im Blute kreisende Tuberkelbacillen schafft. 

Die ältesten Versuche dieser Art sind von Schüler angestellt worden; aber 
diese vielfach citierten Versuche entbehren jeder Beweiskraft (Lannelongue, 
Stern). Dann sind mit besseren Versuchsanordnungen ähnliche Experimente von 
Müller und besonders von Krause gemacht worden. Die Müllerschen Versuche 
interessieren in diesem Zusammenhang weniger. Dagegen haben die Krauseschen 
ein hohes Interesse, weil Krause den Nachweis zu erbringen glaubte, dass für viele 
tuberculöse Gelenkprocesse in der Tat eine directe traumatische Genese in Betracht 
kommt. Indessen sind die Krauseschen Ergebnisse weder von Lannelongue, 
Acard, noch neuerdings von Honsell und Friedrich bestätigt worden. Vor allem 
sind die Friedrichschen Versuche von allerhöchstem Wert. Mit einwandsfreier 
Technik und auf einer breiten Basis konnte Friedrich 1 ) nachweisen: 

1. An keinem der traumatisch beeinflussten'Gelenke ist durch das Trauma eine 
Disposition für nachfolgende Ansiedlung im Blute kreisender Keime beobachtet 
worden, an keinem eine Tuberculöse zur Entwicklung gelangt. 

2. Sämtliche beobachtete Knochen- und Gelenktuberculosen befinden sich an 
traumatisch nicht betroffenen Knochen und Gelenken. 

Gelegentlich dieser Versuche, die eigentlich nur dem Entstehen der chirur¬ 
gischen Tuberculöse galten, hat Friedrich auch einige Beobachtungen über den 
Einfluss von Traumen auf die Entwicklung der Tuberculöse in den Lungen mitge¬ 
teilt. Er hat zweimal die Brust des Tieres verletzt, hat aber in beiden Fällen keine 
Tuberculöse in den Lungen am Orte des Traumas gefunden. Das traf aber nur bei 
die Ventrikel-oder Jugularisinfection mit schwach virulentem Material zu. Bei 
stark virulentem Material dagegen zeigte sich nach Ventrikolinfectionen, dass die Lunge 
ausserordentlich stark betroffen war. 

Auch bei einer Carotisinfection mit dem Eiter eines tuberculösen Halsdrüsen- 
abscesses blieb das Tier nach Rippenbrüchen und Lungenquetschung völlig gesund. 
Nach Infection einer Emulsion einer Reincultur in die Jugularis und Carotis und 
Contusion der Brust, zeigten sich vereinzelte käsige Herde in dem Unterlappen, aber 
keine Localisierung an dem Orte des Traumas und keine Pleuritis. 

Diese Versuche ergeben also, dass das Trauraa eine nachweisbare 
Prädisposition für Ansiedlung ira Blute kreisender tuberculöser schwach 
virulenter Keime nicht hinterlässt. 

Mircoli 2 ) und Salvia 3 ) haben allerdings behauptet, dass im Gegensatz zu 
den Friedrichschen Ergebnissen die traumatisierte Lunge eine besondere Disposition 
für die Ansiedlung von Tuberkelbacillen bietet. Aber diese Ergebnisse sind mit einer 
so unzuverlässigen Versuchsanordnung gewonnen worden, dass ihnen keinerlei Be¬ 
weiskraft zukommen kann. 

Da die Friedrichschen Versuche, soweit sie die Lunge be¬ 
treffen, nur gelegentliche Beobachtungen sind, sind sie in grösserem 
Umfange von mir aufgenommen worden. 


1) Friedrich und Nösske, Beiträge zur pathologischen Anatomie. Bd. 26 
und Friedrich, Zeitschr. f. Chir. Bd. 53. 

2) Mircoli, Polmoniti traumatiche. La clinica medica italiana. 1898. 

3) Salvia, L’influenza dei piccoli traumi sulla localizzazione della tub. 
Pol. Kl. 1904. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 14 . 


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Arthur Mayer, 


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Dabei waren allerdings Schwierigkeiten zu überwinden, die für alle 
Autoren, die an Gelenken und Knochen experimentiert hatten, nicht 
bestanden. Denn an den Gelenken und Knochen liess sich der Effect 
des Traumas feststellen (Fractur, Distorsion u. dgl.), während die Ein¬ 
wirkung des Traumas auf die Lunge nicht ohne weiteres zu controllieren 
ist. Ich habe daher in Vorversuchen festgestellt, wie gross die trau¬ 
matische Gewalt sein muss, die zwar Blutungen und geringfügige Par- 
enchymzerreissungen in der Lunge, nicht aber todbringende Verletzungen 
setzt. Es wurde von mir eine Feder construiert, die an ihrem Ende 
einen kleinen Hammer führte. Diese Feder konnte in eine bestimmte 
Spannung gebracht werden, in gleichem Abstande an das Tier und zwar 
immer an dieselbe Stelle schlagen und jedesmal in gleicher Weise aus¬ 
gelöst werden. Dadurch ergab sich eine gleichmässige Schlagwirkung. 

Bei den ersten Vorversuchen ergab sich, dass die Schlagwirkung zu 
stark war und dass die Tiere so stark verletzt wurden, dass sie ihren 
Verletzungen erlagen. Andere Schlagversuche setzen gar keine oder nur 
ganz geringfügige Verletzungen. Schliesslich gelang es die Feder so ein¬ 
zuspannen, dass die Verletzungen nur in geringen Hämorrhagien und 
geringen Parenchymverletzungen bestanden, die die Tiere gut überlebten. 

Eine grössere Schwierigkeit bestand darin, dass bei der subcutanen, 
der intravenösen und intraserösen Impfung, die man ja im allgemeinen 
anwendet, nicht festzustellen ist, ob der traumatisierte Teil der Lunge 
besonders schwer betroffen ist. Denn jede dieser Methoden hat ihren 
Weg durch die Lunge, und gerade die Lungenpassage ist von ein¬ 
schneidender Bedeutung für den weiteren Disseminationsvorgang bei der 
tierischen Impftuberculose. Es kommt bei allen diesen Methoden zu 
einer miliaren Aussaat, von der auch die Lungen betroffen werden und 
bei der man nicht sagen kann, ob eine Stelle der Lunge stärker er¬ 
griffen ist als die andere. Eine Möglichkeit, diese Schwierigkeit zu be¬ 
lieben, ist von Friedrich angegeben worden, der infectionsschwache 
Bacillen in die arterielle Blutbahn einbrachte. Friedrich selbst sagt 
über diese Versuchsanordnung: 

„Man könnte vielleicht hier einwenden, dass so eingeleitete Infectionen doch 
erst recht miliare Aussaat bedingen müssten. Das trilTt auch für virulentes Mate¬ 
rial zu, ändert sich aber, wie eben ausgeführt, bei sch wach virulentem, je nach 
dem örtlichen Empfänglichkeitsgrad der verschiedenen Gewebe; man beobaohtet an 
der Hand einer so gewählten Versuchstechnik vielmehr geradezu eine gewisse, der 
Infection mit schwach virulenten Keimen eigene Gewebeselection, dergestalt, dass in 
einer ganzen Reihe von Organen das virulenzschwache Material nicht mehr zur In¬ 
fection führt, während es an anderen Stellen noch dazu befähigt ist. a 

Die Technik ist nicht einfach. Besonders kommt es darauf an, 
Verletzungen der Vena jugularis und vor allem grössere Blutverluste zu 
vermeiden, die rettungslos zum Tode der Versuchstiere führen. 

lieber die Technik selbst ist alles Notwendige in der Arbeit von 
Friedrich und Nösske angegeben, auf die ich verweise. 

Die Bakterien, mit denen ich arbeitete, waren in ihrer Virulenz 
ausserordentlich herabgesetzt, wie ich mich in Vorversuchen überzeugte. 
Sie entstammten einer Cultur, die sich schon in der 15. Generation be- 


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Zur Klinik u. exp. Pathologied.Beziehungen zwisch.Trauma u.Lungentuberculose. 211 

fand und nie durch ein Tier gegangen war. Ihre Virulenz war so herab¬ 
gesetzt, dass eine Oese von ihr subcutan nur ein« Erkrankung der regio¬ 
nären Drüsen beim Meerschweinchen, nicht aber eine allgemeine 
Erkrankung setzte. 

Mit dieser Methode Hessen sich, wie bei den Versuchen von 
Friedrich und Nösske, gewisse Organe nur äusserst selten inficieren. 
Zu diesen Organen gehört nicht nur die Milz, sondern auch die Lunge, 
während man, worauf auch Friedrich und Nösske hinwcisen, einen 
guten Beweis für eine positive Impfung stets in der Entstehung einer 
tuberculösen Iritis hat. 

Trotz aller Vorsichtsmaassregeln gingen doch eine ganze Anzahl 
von Kaninchen ein. Immerhin gelang es eine grössere Anzahl bis zum 
Ende zu beobachten. 

Sämtliche Tiere erkrankten langsam, meist nicht vor 6 Wochen. 
Nur die tuberculöse Iritis war bereits vorher deutlich wahrnehmbar. 
3 Monate nach dem Trauma wurden die Tiere getötet, falls sie nicht 
vorher starben. 

Die Section ergab übrigens, dass trotz aller Vorversuche der Effect 
des Traumas nicht immer gleichartig gewesen war, denn in manchen 
Fällen waren die Verletzungen viel erheblicher als beabsichtigt. Mög¬ 
licherweise haben die schwerer verletzten Tiere im Augenblick der Ver¬ 
letzung die Glottis geschlossen und dadurch den Effect des Traumas 
gesteigert. Diesen Verhältnissen sind besondere Versuche gewidmet, 
über die noch berichtet werden wird. 

Versuchsprotokolle. 

Versuch 1. Ein Kaninchen im Gewichte von 2110 g wird am 5. 4. mit 0,5 g 
einer Emulsion von einer schwachvirulenten Reincultur in die linke Carotis hinein 
nach Freilegung unter Narkose inficiert. Am 21. 4. erleidet das Tier ein schwaches 
Trauma durch den Contusionshammer an der linken Brustseite. Das Tier nimmt 
innerhalb von 14 Tagen nach der Infection 220 g ab. Dann bleibt das Gewicht con- 
stant, bis schliesslich das Tier 3 Monate nach dem Trauma, also am 20. 6., bei einem 
Gewichte von nur 1400 g getötet wird. Es bestand beiderseits eine ausgesprochene 
Iritis. Zahlreiche Tuberkelherde in den Nieren, zahlreiche Mesenterialdrüsen ver¬ 
dickt mit centraler Verkäsung; ausserdem bestand ein grosser verkäster Tuberkel in 
der Leber und ausgebreitete Muskeltuberculose. ln den Lungen fanden sich mehrere 
Tuberkelherde mit Verkäsung. Von dem Trauma war nichts nachzuweisen. Es be¬ 
standen keinerlei Hämorrhagien und keine Pleuritis. Auf der vom Trauma betroffenen 
Seite war auf keinen Fall die Tuberculöse ausgebreiteter als auf der anderen Seite. 

In diesem Falle waren also, was durchaus nicht immer der Fall ist, 
die Lungen von der Tuberculöse betroffen. Dabei war aber die trauraa- 
tisierte Lunge keinesfalls schwerer erkrankt, als die andere. 

Versuch 2. Ein Kaninchen im Gewiohte von 2530 g wird am 8. 4. mit 0,5 g 
derselben Emulsion inficiert. Im Gegensatz zum ersten Versuch wird das Trauma 
wesentlich früher nach der Infection und zwar bereits am 12. 4. gesetzt. Das Trauma 
erfolgte gleichfalls mit dem Contusionshammer an der linken Brustseite. Das Tier 
nimmt dauernd ab und stirbt bereits am 28. 6. Das Gewicht betrug bereits beim 
Tode nur noch 1620 g. Die Section ergab, ausser einer ausgesprochenen Iritis, zahl¬ 
reiche verkäste Drüsen, ferner zahlreiche kleine Tuberkel in der Leber, in den Nieren 

14 * 


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212 


Arthur Mayer, 


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und in den Muskeln. Von dem Trauma ist nichts nachzuweisen. Es besteht keine 
Pleuritis. Es finden sich «in der Lunge nur spärliche käsige Herde und zwar vor¬ 
wiegend auf der rechten Seite. Von einer Lokalisierung nach der Stelle des Traumas 
hin kann gar keine Rede sein. 

Also auch in diesem Falle war der vom Trauma betroffene Teil der 
Lunge am allerwenigsten afficiert. Ein Einfluss des Traumas auf die 
Entwicklung der Tuberculose liess sich keinesfalls feststellen. 

Versuch 3. Ein Kaninchen im Gewichtvon 1780 g wird am 12. 4. mit 0,5 g 
derselben Emulsion inficiert. Dieses Tier wird von dem Contusionshammer in dem¬ 
selben Augenblick getroffen und zwar gleichfalls an der linken Brustseite, in der die 
Injection in die Carotis gemacht wird. Dieses hat zunächst keine erhebliche Gewichts¬ 
abnahme zu verzeichnen, nahm dann sogar 320 g zu. Vom 10. 5. ab begann es aber 
kachektisch zu werden und nahm sehr schlecht Futter. Es starb schliesslich mit 
einem Gewicht von nur 1230 g am 13. 6. Die Autopsie dieses Falles war besonders 
bemerkenswert, weil sich bei diesem Tiere deutliche Zeichen des Traumas befanden. Es 
bestand ein Einriss in der Pleura, eine nicht unerhebliche Hämorrhagie des linken 
Unterlappens und eine seröse linksseitige Pleuritis. Diese schweren Verletzungen 
sind wohl, wie schon hervorgehoben, durch Glottisverschluss während des Traumas 
entstanden, was deswegen wahrscheinlich ist, weil das Trauma im gleichen Augen¬ 
blick erfolgte, in dem die Injection in die Carotis gemacht wurde und dadurch viel¬ 
leicht eine besonders starke shockartige Wirkung bei dem Tiere ausgelöst wurde. Bei 
der Section ergibt sich ausser einer typischen Iritis noch folgender weiterer Befund: 
Die Leber hat zahlreiche kleinere bis hanfkorngrosse Herde, die zum Teil auch in der 
Tiefe liegen. Daneben sind einzelne graue Tuberkel sichtbar, ln den Nieren mehrere 
verkäste Herde. Die Milz ist vergrössert und hat zahlreiche kleine Herde, sie ist mit 
der Niere verwachsen. Mesenterialdrüsen sämtlich geschwollen. Am Brusteingang 
mehrere vergrösserte, zum Teil käsige Lymphdrüsen. Die rechte Lunge ist in grossen 
Partien von miliaren Herden durchsetzt. Im Unterlappen findet sich eine ausgedehnte 
Verkäsung. In der linken Lunge sind nur einzelne kleine Knötchen von grauer Farbe 
nachweisbar. Im Unterlappen besteht eine ausgedehnte Hämorrhagie, von der bereits 
die Rede war. 

Also auch bei diesem Tiere, bei dem Infection und Trauma zugleich 
erfolgte, liess sich nicht feststellen, dass etwa der tuberculose Process 
von der trauraatisierten Stelle aus seinen Ausgangspunkt genommen hatte, 
oder dass die vom Trauma betroffene Partie der Lunge irgendwie stärker 
erkrankt war. Das ist in diesem Falle um so bemerkenswerter, weil 
bei der Section der Umfang des Traumas noch festzustellen war, das 
überdies recht erheblich gewesen war. 

Versuch 4. Ein Kaninchen im Gewicht von 2250 g wird am 10. 4. gleichfalls 
an der linken Brustseite von dem Contusionshammer betroffen und 2 Tage später 
durch die Carotis inficiert. Das Tier nimmt zunächst zu, wird dann aber krank, wird 
fressunlustig und stirbt am 20. 6. mit einem Endgewicht von 1540 g. Die Section er¬ 
gab zahlreiche Tuberkel in der Niere, einige Herde in der Milz. Die Mesenterialdrüsen 
waren geschwollen, zum Teil verkäst. Die Lunge war vollkommen frei. 

Bei diesem Tiere war also die Lunge überhaupt nicht tuberculös 
erkrankt. 

Versuch 5. Dieser und der nächste Versuch galt der Frage, ob die Dinge 
möglicherweise anders liegen, wenn das Trauma vor der Infection gesetzt w T ird. 

Ein Kaninchen im Gewicht von 1930 g wird am 14. 4. gleichfalls an der linken 
Brustseite von dem Contusionshammer getroffen. Das Tier war 2 Tage lang leicht 


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Zur Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungen zwisch. Trauma u.Lungentuberculose. 213 

krank, fing dann aber wieder an sich zu erholen. Am 17. 4. wurde das Tier in der¬ 
selben Weise wie die anderen Tiere hämatogen inficiert. Nachdem das Tier zunächst 
keinerlei Veränderungen gezeigt hat und sogar 200 g zugenommen hat, fängt es all¬ 
mählich an zu verfallen und fressunlustig zu werden, stirbt aber nicht. Es wird 3Mo¬ 
nate nach dem Trauma am 14. 7. getötet. Die Section ergab Schwellung fast aller 
Drüsen, die zum Teil stark vergrössert sind, ln der Leber ausgedehnte Herde, die 
Milz vergrössert, mit zahlreichen gelben infarktartigen Herden. 

ln beiden Pleurahöhlen etwas seröse Flüssigkeit. Beide Lungen enthalten 
miliare bis hirsekorngrosse Knötchen. Die trachealen Lymphdrüsen sind erbsengross. 
Von dem Trauma ist nichts nachzuweisen. Es besteht aber auoh keine stärkere Er¬ 
krankung der linken Lungenseite, die von dem Trauma betroffen worden ist. 

Versuch 6. Kaninchen im Gewicht von 2070 g wird am 14. 4. gleichfalls an 
der linken Brustseite getroffen. Auch dieses Tier schien 2—3 Tage krank zu sein. Es 
wurde ebenso wie das vorherige Tier am 17. 4. inficiert, lebte aber nur kürzere Zeit 
und starb bereits am 30. 6. Die Section ergab eine allgemeine miliare Tuberculose, 
bei der mehr oder weniger alle Organe betroffen waren. Auch in beiden Lungen fanden 
sich zahlreiche Herde. Ein Anhalt dafür, dass die verletzte linke Lunge primär er¬ 
krankt war, konnte durch nichts erbracht werden. 

Also auch bei diesen beiden Tieren, bei denen das Trauma vor der 
Infection gesetzt war, konnte kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, 
dass die verletzte Lunge einen besonders günstigen Nährboden für die 
Entwicklung von Tuberkelbacillen ergab. Sie verhielt sich genau so wie 
alle anderen Organe. 

Zusamraenfassend lässt sich also über das Ergebnis dieser 
6 Versuche sagen, dass eine Contusion des Brustkorbes nicht 
dazu geführt hat, an der verletzten Stelle die Entwicklung 
einer Tuberculose, die hämatogen gesetzt war, zu befördern, 
gleichgültig ob das Trauma vor, während oder nach der In¬ 
fection entstand, ja gerade die Lunge war am allerwenigsten oder 
sogar garnicht von der Tuberculose betroffen. 

Eine weitere Serie von Versuchen galt der Frage, ob etwa Tiere, 
bei denen es zu einer Platzruptur in der Lunge durch unaus¬ 
geglichenen intrathoracalen Druck ohne gröbere äussere Con- 
tusionen gekommen war, ein anderes Verhalten zeigten. 

Der plötzliohe Glottisschluss, der die Voraussetzung eines unausgeglichenen intra¬ 
thoracalen Druckes ist, kommt zustande, wenn mit dem Trauma eine plötzliche über¬ 
grosse Anstrengung verbunden ist, ferner aber auch, wenn auch im geringeren Masse, 
als Reflex, der durch Schreok oder Angst ausgelöst wird, wie man ja auch im Volks¬ 
munde sagt: es ist einem die Kehle plötzlich wie zugeschnürt gewesen. In der Tat 
zeigen auch alle die Fälle, bei denen es zu einer Platzruptur gekommen sein kann, 
zwei Merkmale: entweder war der Unfall mit einer ausserordentlichen Anstrengung 
verbunden, oder der Betroffene sah plötzlich mit unabwendbarer Gewalt das Trauma 
kommen. Andererseits kann man, wenn man viele Unfallfälle daraufhin untersucht, 
feststellen, dass eine Platzruptur nicht anzunehmen ist, wenn der Unfall einen Patienten 
betroffen hat, der „das Unglück vorher nicht kommen sah“, also z. B. von hinten un¬ 
erwarteter Weise verletzt wurde. 

Es ist nun ausserordentlich schwierig, diese natürlichen Verhältnisse 
im Tierversuch nachzuahmen. Wenn es auch natürlich leicht gelingt, 
ein Versuchstier während des Traumas zu einer grossen Anstrengung zu 
zwingen, so sieht man doch nie, ob der Mechanismus bei den Tieren so 


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abgelaufen ist, wie man es erwartet hat und kann nichts über den 
Effect Voraussagen. Noch viel schwieriger ist es, ein Tier durch Schreck 
zum Glottisverschluss zu bringen. Ja, es ist überhaupt zweifelhaft, ob 
der Glottisverschluss ein tierischer Reflex ist, oder nicht erst durch die 
Entwicklung der Vagusbahnen vom Menschen erworben ist. 

Ich habe daher mein Ziel durch folgende Versuchsanordnung zu er¬ 
reichen versucht: 

Der Contusionshammer wurde so eingestellt, dass durch seine directe Wirkung 
keine gröbere Verletzung zustande kommen konnte. Gleichzeitig wurde aber dem 
Tiere eine breite Gummischlinge um den Hals gelegt. Diese Sohlinge wurde in dem 
Augenblick, in dem das Tier von dem Hammer getroffen wurde, fest zugezogen. Dem 
Tiere wurde also für einen Augenblick die Kehle zugeschnürt. Dann wurde die 
Schlinge wieder gelockert. 

Vorversuche überzeugten mich, dass die Communication der Lunge mit der 
Aussenluft durch die Schlinge vollkommen unterbrochen war, und dass die gesetzten 
Verletzungen viel stärker als bei den nicht strangulierten Tieren waren. 

Die Verletzungen waren zum Teil so schwer, dass in diesen Vorversuchen nur 
wenige Tiere leben blieben. Meist fanden sich grosse Pleurarisse und tiefe Zer- 
reissungen des Parenchyms. Schliesslich gelang es aber doch, wie gesagt, durch vor¬ 
sichtige Einstellung des Hammers allzugrobe Verletzungen zu verhindern. Immorhin 
blieben nur 3 Tiere längere Zeit am Leben, die anderen erlagen ihren Verletzungen. 

Versuch 1. Ein Kaninchen im Gewicht von 2350 g wird am 20. 4. mit 0,5 g 
einer Emulsion von einer schwachvirulenten Reincultur in die linke Carotis inficiert. 
Das Tier ist zunächst ganz munter, zeigt aber vom 14. 5. ab Zeichen der Infection. 
Das Tier wird am 15. 5. mit dem Contusionshammer links betroffen und gleichzeitig 
stranguliert. Unter allgemeiner Gewichtsabnahme und zunehmendem Marasmus stirbt 
das Tier am 10. C>. Die Section ergab tuberculöse Herde in den Nieren, der Milz und 
der Leber. Ausserdem starke Veränderungen in den Drüsen des Mesenteriums, die 
zum Teil verkäst waren. Bei der Oeffnung der Brusthöhle ergibt sich folgender Befund: 
Linksseitig Pleuritis. Die Pleura enthält etw r a 1 Teelöffel trübseröser Flüssigkeit. Der 
linke Unterlappen ist auffallend stark pigmentiert und enthält central einen deutlichen 
Riss, in dem sich trübseröse Flüssigkeit befindet. In beiden Lungen, besonders aber 
im rechten Oberlappen befinden sich spärliche, kleine bis hanfkorngrosse Herde. Der 
linke Unterlappen, der von dom Trauma betroffen ist, ist keinesfalls in besonderem 
Grade affieiert. 

Versuch 2. Ein Kaninchen im Gewicht von 1800g w r ird am 20.4. mit dem 
Contusionshammer links an die Brust geschlagen und gleichzeitig stranguliert. Das 
Tier, das die nächsten Tage etwas matt war, erholt eich wueder und wird am 4. 5. in 
die linke Carotis hinein mit derselben Emulsion inficiert. Dem Tiere ging es zunächst 
ganz leidlich, es nahm sogar 30 g zu, dann aber verfiel es vom 17. 5. ab und starb 
am 25. 5. Die Section ergab zahlreiche tuberculöse Herde in der Milz, in den Nieren, 
in der Leber, ausgedehnte Erkrankungen der Drüsen und beginnende Peritonitis. Die 
linke Pleura war scheinbar nicht geschädigt, aber in der linken Lunge fand sich ein 
etwa kirschkerngrosser Herd, in dem sich zertrümmertes Gewebe und blutig-nekrotische 
Masse vorfand. Bacillen Hessen sich in dieser Höhle nicht nachweisen. In der ganzen 
Lunge fanden sich keine tuberculüsen Veränderungen. 

Versuch 3. Ein Kaninchen im Gewicht von 2270 g wird ebenfalls in die 
Carotis hinein am 28. 4. inficiert. Das Tier nimmt allmählich an Gewicht zu, fängt 
dann aber an krank zu werden. Am 20. 5. deutliche Schwellung der Inguinaldrüsen 
und deutliche Iritis beiderseits. Das Tier wird an diesem Tage von dem Contusions¬ 
hammer betroffen und gleichzeitig stranguliert. Am 14. 0. stirbt dieses Tier. Es findet 


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Zur Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungen zwisch.Trauma u. Lungentuberculose. 215 


sich ausser dem üblichen Befund in den verschiedenen Organen eine linksseitige 
Pleuritis. In der Pleurahöhle sind etwa \ l j 2 Teelöffel trübserösen Inhalts. Die linke 
Lunge selbst ist nicht verletzt. Es finden sich in beiden Lungen in gleichmässig ver¬ 
streuter Weise zahlreiche kleine und grössere Herde. Die Hilusdrüsen sind geschwollen, 
zum Teil central verkäst. 

Diese Versuche ergaben also folgendes: Auch bei den Tieren, 
bei denen es durch Glottisschluss zu gröberen Verletzungen 
(Pleurarissen, Parenchymzertrümmerungen) gekommen war, 
liess sich nicht feststellen, dass etwa diese verletzten Teile 
einen besonders günstigen Nährboden für Tuberkelbacillen 
abgegeben hatten. In zwei Fällen war die betroffene Lunge 
keinesfalls besonders erkrankt. Es Hessen sich keine Anhalts¬ 
punkte dafür finden, dass von der durch das Trauma be¬ 
troffenen Stelle die tuberculöse Disseminierung ausgegangen 
war. In einem Fall (Fall 2) war die verletzte Lunge überhaupt 
nicht tuberculös erkrankt. 

Aus diesen Versuchen lassen sich natürlich für die menschlichen 
Verhältnisse kaum sichere Schlüsse ziehen, denn eine derartig grobe 
hämatogene Infection findet beim Menschen kaum statt und der Ablauf 
der Tuberculöse, die Bildung von Abwehrstoffen und dergleichen mehr 
ist ein ganz anderer. Man muss nach alledem, was wir wissen, annehmen, 
dass der menschliche Körper im allgemeinen Immunstoffe aufbringt, um 
Bacillen zu entgiften, bevor sie ins Blut geschwemmt werden, es sei 
denn, dass in besonderen Fällen bei sehr grossen Massen des tuberculösen 
Virus der immunisatorische Apparat versagt. Wenn aber, wie diese Ver¬ 
suche zeigen, selbst tuberculöse virulente (allerdings schwachvirulente) 
Keime keine geeignete Vermehrungsstellen in der traumatisierten Lunge 
finden, dann muss man doch wohl voraussetzen, dass das noch viel weniger 
bei den avirulenten Keimen ist, die man bisweilen findet. 

Die zweite Frage, die damit aufgetaucht war, war die: Wird etwa 
durch ein Trauma die Virulenz der im Blute kreisenden Bak¬ 
terien gesteigert? Es musste also festgestellt werden, ob etwa die 
Bakterien bis zu dem Trauma unter einer Art von Atrepsie gelitten 
hatten und ob durch das Trauma das Wachstum und die Virulenz der 
Bacillen gefördert werden kann. 

Zu diesem Zweck wurden zwei Versuchsreihen angestellt: Es wurde 
von den Tieren aus der ersten Versuchsanordnung bei der Section aus 
dem Herzen Blut entnommen und das Wachstum und die Virulenz 
dieser Bacillen studiert. In einer zweiten Versuchsanordnung wurden, 
weil sich möglicherweise die Bacillen im strömenden Blute anders als 
im erkrankten Gewebe verhalten könnten, Bacillen aus den kranken 
Organen, vor allen den Drüsen entnommen und deren Wachstums¬ 
verhältnisse und Virulenz gleichfalls beobachtet. 

Die Virulenz der Bakterien wurde so geprüft, dass kleine Stückchen 
der verkästen Drüsen oder anderer Organe, in denen sich mikroskopisch 
Tuberkelbacillen nach weisen Hessen, unter die Bauchhaut gebracht 
wurden. Es ergab sich dann regelmässig, dass die regionären Drüsen 
der Operationsstelle vergrössert und zun] Teil verkäst waren, ln den 


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käsigen Partien konnten Tuberkelbacillen im Ausstrich nachgewiesen 
werden. Eine tuberculöse Erkrankung der inneren Organe fand sich 
bei Meerschweinchen ebensowenig, wie es vor den Versuchen mit 
dieser Kultur der Fall gewesen war. Dabei war es gleichgültig, ob 
die entnommenen. Teile von Tieren stammten, bei denen auch die 
Lunge tuberculös verändert war. In jedem Falle blieben die Meer¬ 
schweinchen unverhältnismässig lange leben. Genau ebenso verhielten 
sich die Meerschweinchen, bei denen aus dem Herzen entnommenes 
Blut subcutan injiciert war. Einige Tiere schienen wohl einem ana¬ 
phylaktischen Shock erlegen zu sein. Diejenigen aber, die am Leben 
blieben, zeigten nur locale Erkrankungen, nicht aber, wie man das sonst 
bei Meerschweinchen sieht, eine miliare Aussaat. Auch in der Kultur 
unterschieden sich die Bacillen in keiner Weise von dem Ausgangs¬ 
material. Eine Steigerung der Virulenz hat sicher nicht statt¬ 
gefunden. 

Zeigte sich also demgemäss, dass die Ursache einer manifesten 
tuberculöse» Erkrankung der Lunge nach dem Trauma weder darin ge¬ 
sucht werden kann, dass in jedem Falle durch eine Parenchymzerreissung 
und eine Blutung eine besonders günstige Disposition geschaffen wurde, 
noch in dem Umstande, dass bis dahin schwachvirulente Tuberkelbacillen 
durch das Trauma giftiger wurden, so blieb die dritte Möglichkeit offen, 
dass durch das Trauma die Kampfmittel des Organismus 
gegenüber den Tuberkelbacillen herabgesetzt wurden. 

Diese Frage bietet aber naturgemäss der experimentellen Bearbei¬ 
tung die grösste Schwierigkeit. Denn wie die Dinge liegen, muss man 
annehmen, dass ein von einem Trauma Betroffener, bei dem eine Tuber- 
culose manifest wird, bereits stark immunisiert war. Man müsste also, 
wenn man die natürlichen Verhältnisse experimentell nachahraen wollte, 
ein immunisiertes Tier durch ein Trauma schädigen. Nun sind aber 
bisher alle Versuche, kleine Laboratoriumstiere activ zu immunisieren, 
nicht geglückt. Auch mit dem von Friedraann beschriebenen Schild¬ 
krötenbacillus gelingt es nicht, wie Orth und Rabinowitsch l ) nach¬ 
gewiesen haben, Meerschweinchen zu immunisieren. Dagegen ergaben 
die Versuche von Orth und Rabinowitsch eine andere Möglichkeit 
für meine Versuchsanordnung. Es zeigte sich nämlich, dass die mit 
dem Friedmannschen Mittel vorbehandelten Tiere länger leben blieben, 
als die anderen nicht vorbehandelten und dass an deren Lungen phthi- 
sische Veränderungen auftraten, während bekanntlich inficicrte und 
nicht derartig vorbehandelte Tiere ausschliesslich miliare Herde auf¬ 
zuweisen pflegen. Dieses eigenartige Verhalten kann übrigens auch durch 
Vorbehandlung mit irgendwelchen andersartigen Tuberkelbacillen erzeugt 
werden, wie das z. B. v. Behring, Bartel, Weber u. a. gezeigt haben. 
Die phthisische Veränderung der Lunge ist also, wenn auch 
die Länge der Krankheitsdauer zu ihrem Entstehen notwendig 
ist, eine Folge der Vorbehandlung. 


1) Orth und Rabinowitsch, Tuberculosestudien. Virchows Aich. Bd. 190. 
Beiheft. 


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Zur Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungen zwisoh.Trauma u. Lungentuberculose. 217 


Orth sagt über diesen Punkt: „So bereit ich also bin, anzuerkennen, 
dass für die Entstehung der phthisischen Veränderungen in den Lungen 
die Krankheitsdauer eine wesentliche Rolle spielt, so wenig kann ich 
doch zugeben, dass durch die Chronicität des Processes dieser Befund 
allein sich erklären lasse, sondern ich halte auch heute noch die An¬ 
nahme, für welche ich in der Medicinischen Gesellschaft eingetreten bin, 
für berechtigt, dass nämlich die Vorbehandlung bei diesem Resultat nicht 
unbeteiligt ist.“ 

Meine Versuchsanordnung musste demgemäss so eingerichtet werden, 
dass die Tiere — und zwar Meerschweinchen — mit einem andersartigen 
Bacillenstaram vorbehandelt und dann mit menschlichen Tuberkelbacillen 
inficiert wurden. Diese Tiere wurden einem Trauma ausgesetzt und zwar 
teils vor der Infection mit den menschlichen Tuberkelbacillen, teils nach 
der Infection. Es musste dann festgestellt werden, ob bei genügend 
langer Lebensdauer die betroffenen Tiere trotz des Traumas phthisische 
Veränderungen an den Lungen zeigten oder ob sich trotz genügend langer 
Lebensdauer nur miliare Ausstreuungen nachweisen Hessen. 

Zur Vorbehandlung wurde von mir nach einigen Vorversuchen nut* 
ein Schildkrötenbacillenstamm verwandt, weil die Vorbehandlung mit 
einer derartigen Cultur am besten Vergleiche mit den Arbeiten von 
Libbertz und Ruppel und von Orth und Rabinowitsch gestatten. 
Die Infection der Tiere geschah mit 5 mg einer für Meerschweinchen 
virulenten Cultur und zwar in allen Fällen intraperitoneal. Das Trauma 
wurde gleichfalls mit dem Contusionshammer gesetzt. Nach dem Trauma 
waren die Tiere immer einige Tage krank. Mehrere Tiere erlagen auch 
dem Trauma. Der Zeitpunkt, in dem das Trauma gesetzt wurde, wurde 
verschieden gewählt. Es wurde zum Teil nach der Vorbehandlung ge¬ 
setzt. Das Ergebnis dieser Versuche ist in Serie I wiedergegeben. Zum 
Teil wurde das Trauma vor der Vorbehandlung gesetzt. Das Ergebnis 
dieser Versuche findet sich in Serie II. Schliesslich wurde das Trauma 
bei einigen Tieren nach der Vorbehandlung und nach der Infection ge¬ 
setzt (Serie III). Dabei wurden die Zeitintervalle zwischen Trauma, 
Vorbehandlung und Infection möglichst verschieden gewählt. So liegen 
z. B. zwischen Infection und Trauma bei Versuch 6 11 Tage, bei Ver¬ 
such 7 nur 3 Tage. Zu jedem Tiere gehörten 2 Controlltiere. Das eine 
Controlltier war gleichfalls vorbehandelt und dann inficiert, blieb aber 
vom Trauma verschont, während das andere Controlltier nicht vorbe¬ 
handelt, dagegen ebenso inficiert und vom Trauma betroffen wurde wie 
das Versuchstier. 

Wie bereits gesagt, haben sehr viele Tiere die Versuche nicht über¬ 
lebt und erlagen dem Trauma. Immerhin konnten 7 Tiere mit den dazu¬ 
gehörigen Controlltieren bis zum Schlüsse beobachtet werden. 

Das Ergebnis der Versuche findet sich in folgendem Protokoll. 

Serie I. 

Versuch 1. 17. 3. Vorbehandeltes Tier erleidet das Trauma. — 25. 3. Infec¬ 
tion. — 18. 8. Das Tier stirbt. Section ergibt keine phthisischen Veränderungen der 
Lunge, sondern nur miliare Aussaat. 


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Controlltier 1. 25. 3. Das Tier, das gleichfalls vorbehandelt war, wird inficiert. 
— 28. 8. Das Tier stirbt. Section ergibt charakteristische phthisisobe Veränderungen 
der Lunge. 

Controlltier 2. 17. 3. Trauma. — 25. 3. Infection. — 3. 8. Das Tier stirbt. 
Section: Miliare Tuberculose aller Organe, auch der Lunge. 

Versuch 2. 24. 3. Vorbehandeltes Tier erleidet das Trauma. — 28. 3. Infec¬ 
tion. — 30. 8. Das Tier stirbt. Section ergibt nur eine einzige kleine Caverne mit 
käsiger Wandung, in der sich weiche Massen befinden, sonst nur miliare Tuberkel. 

Controlltier 1. 28. 3. Das vorbehandelte Tier wird inficiert. — 3. 9. Das Tier 
stirbt. Section ergibt, soweit die Lungen in Betracht kommen, ausser zahlreichen 
miliaren Herden grosse verkäste Abschnitte beiderseits. Der Käse ist erweicht, so dass 
nach seiner Entfernung oino Höhle zutage tritt. Ausserdem zahlreiche vergrösserte, 
zum grossen Teil verkäste Lymphdrüsen. 

Controlltier 2. 24. 3. Trauma. — 28. 3. Infection. — 7. 8. Das Tier stirbt. 
Miliare Tuberculose in allen Organen, auch in der Lunge. 

Serie II. 

Versuch 3. 3. 3. Trauma. — 6. 3. Beginn der Vorbehandlung. — 15. 3. Intra¬ 
peritoneale Infection. — 28. 8. Das Tier stirbt. Ausser zahlreichen tuberculösen 
Herden in allen Organen findet sich an den Lungen folgender Befund: In 
beiden Lungen mehrere unregelmässig geformte, von käsigen Massen umgebene 
Cavernen. Ausserdem zahlreiche käsige Herde, mehrere pleurale und subpleurale 
Knötchen. 

Controlltier 1. 6. 3. Beginn der Vorbehandlung. - 15. 3. Intraperitoneale In¬ 
fection. — 9. 9. Das Tier stirbt. Ausgedehnte phthisischc Veränderungen in beiden 
Lungen. 

Controlltier 2. 3. 3. Trauma. — 15. 3. Intraperitoneale Injection. — 30. 7. 

Das Tier stirbt. Keine phthisischen Veränderungen in den Lungen, sondorn nur zahl¬ 
reiche miliare Knoten. 

Versuch 4. 5. 3. Trauma. — 8. 3. Beginn der Vorbehandlung. — 17. 3. Intra- 
peritoneale Infection. — 10. 9. Das Tier stirbt. Keine phthisischen Veränderungen in 
den Lungen, sondern nur miliare Herde. 

Controlltier 1. 8. 3. Beginn der Vorbehandlung. — 17. 3. Intraperitoneale In¬ 

fection. — 10. 9. Das Tier wird getötet. Charakteristische phthisische Veränderungen 
in der linken Lunge. Auch rechts zwei käsige Einschmelznngsherde. 

Controlltier 2. 5. 3. Trauma. — 17. 3. Intraperitoneale Infection. — 10. 6. 

Das Tier stirbt. Zahlreiche miliare Herde in beiden Lungen. 

Versuch 5. 5. 3. Trauma. — 6. 3. Beginn der Vorbehandlung. — 17. 3. 
Intraperitoneale Infection. 3.9. Das Tier stirbt. Keine phthisischen Veränderungen, 
sondern nur zahlreiche miliare Herde. 

Controlltier 1. 6. 3. Beginn der Vorbehandlung. — 17. 3. lntraperitoneale In¬ 

fection. 3. 9. Das Tier wird getötet. Charakteristische phthisische Veränderungen 
in beiden Lungen. 

Controlltier 2. 5.3. Trauma. — 17.3. Intraperitoneale Infection. — 28.4. 

Das Tier stirbt. Keine phthisischen Veränderungen, sondern nur miliare Herde. 

Serie III. 

Versuch 6. 2. 3. Vorbehandlung. -- 10. 3. Intraperitoneale Infection. — 

21.3. Trauma. — 30. 8. Das Tier stirbt. Keine phthisischen Veränderungen, sondern 
nur zahlreiche miliare Herde in beiden Lungen. 


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Zur Klinik u. exp. Pathologie d.Beziehungen zvvisch. Trauma u. Lungentuberculose. 219 


Gontrolltier 1. 2. 3. Vorbehandlung. — 10. 3. Intraperitoneale Infection. — 
5. 9. Das Tier wird getötet. Zahlreiche charakteristische phthisische Einsohmelzungs- 
herde in beiden Lungen. 

Controller 2. 10. 3. Intraperitoneale Infection. —21. Trauma. — 10. 5. Das 
Tier stirbt. In beiden Lungen zahlreiche miliare Herde ohne Einschmelzungsprocesse. 

Versuch 7. 5. 3. Vorbehandlung. — 12. 3. Intraperitoneale Infection. - 

15. 3. Trauma. — 4. 9. Das Tier stirbt. — Nur miliare Herde in beiden Lungen, 
keine phthisischen Veränderungen. 

Controlltier 1. 5. 3. Vorbehandlung. — 12. 3. Intraperitoneale Infection. — 
4. 9. Das Tier wird getötet, beiderseits Lungenphthise. 

Controlltier 2. 12. 3. Intraperitoneale Infection. — 15. 3. Trauma. — 24. 4. 
Das Tier stirbt. Miliare Herde in beiden Lungen. 

Diese Versuche ergaben also folgendes: Bei den vorbehandelten und 
inficierten, aber nicht vom Trauma betroffenen Tieren, also bei sämtlichen 
Controlltiercn Nr. 1 ergab sich, wie das von Orth und Rabinowitsch 
beschrieben worden ist, dass sie länger als die nicht vorbehandelten Tiere 
lebten, und dass sie durchgehend phthisische Processe in den Lungen 
aufwiesen. Bei den nicht vorbehandelten Tieren, die aber von einem 
Trauma betroffen waren (Controlltiere Nr. 2), lagen die Verhältnisse wie 
bei den Kaninchen mit hämatogener Infection. Es bestand eine typische 
miliare Aussaat, ohne dass das Trauma den Ablauf der Tuberculose 
irgendwie beeinflusst hätte. Bei den eigentlichen Versuchstieren 
aber, d. h. also bei den Tieren, die vorbehandelt und von einem 
Trauma betroffen waren, zeigte sich folgendes: In 5 Fällen 
fanden sich keine phthisischen Veränderungen, wie man das 
eigentlich erwarten musste, sondern nur miliare Herde. In 
einem Falle (Versuch 2) fand sich nur eine einzige kleine 
Caverne ausser miliaren Tuberkeln, und nur in Fall 3 waren 
mehrere von käsigen Massen umgebene Cavernen und käsige 
Herde in beiden Lungen nachzuweisen. Die Tiere zeigten also 
in der Mehrzahl der Fälle (fünfmal) ein Verhalten, als ob sie 
nicht vorbehandelt worden wären. Dabei war es ganz gleich¬ 
gültig, ob das Trauma vor oder nach der Vorbehandlung oder 
nach der Infection gesetzt war. In jedem dieser fünf Fälle 
fehlten die charakteristischen phthisischen Veränderungen. 

Nun haben Orth und Rabinowitsch wiederholt darauf hingewiesen, 
dass für die Entstehung der phthisischen Veränderungen in den Lungen 
die Vorbehandlung zwar das wichtigste ist, dass aber auch die 
Krankheitsdauer eine wesentliche Rolle spielt, d. h. die Lungen¬ 
schwindsucht kann sich nur entwickeln, wenn die Tiere überhaupt lange 
genug am Leben bleiben. Die von mir beobachteten vorbehandelten 
Tiere, die von einem Trauma betroffen waren, haben sehr lange, zum 
Teil 150, ja sogar 186 Tage gelebt. Das ist eine Zeit, in der sich eine 
Lungenschwindsucht reichlich entwickeln kann, wie wir aus den Versuchen 
von Orth und Rabinowitsch wissen. Es ist aber, wie gesagt, trotzdem 
nicht zur Phthise gekommen. 

Es geht also aus meinen Versuchen hervor, dass die Neigung zur 
Lungenschwindsucht, die durch die Vorbehandlung begünstigt wird, nicht 


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vorhanden ist, sobald die Tiere durch ein Trauraa betroffen werden, dass 
der Effect der Vorbehandlung durch ein Trauma ausserordentlich herab¬ 
gesetzt wird. Das kann also doch nichts anderes heissen, als dass die 
Resistenz der Tiere gegen die tuberculöse lnfection, die durch 
die Vorbehandlung erhöht worden ist, durch das Trauma wieder herab¬ 
gemindert worden ist. 

Nun hat sich aber gezeigt, dass Resistenzherabsetzung und 
Minderung der Giftempfindlichkeit Vorgänge sind, die durchaus 
nicht parallel gehen (Deycke und Much). Much und Leschke konnten 
auch zeigen, dass sie zwar Tiere mit einer Säureaufschliessung von 
Tuberkelbacillen weitgehend immunisieren konnten, dass diese Tiere aber 
trotzdem in hohem Grade tuberculinempfindlich geblieben waren. Neuer¬ 
dings hat auch Klopstock 1 ) nachweisen können, dass zwar monatelange 
Vorbehandlung mit Tuberculin die Resistenz von Meerschweinchen gegen¬ 
über der experimentellen Tuberculoseinfection in keiner Weise herabsetzt, 
dass aber derartig vorbehandelte und später inficierte Tiere eine wesent¬ 
lich herabgesetzte Tuberculinempfindlichkeit haben, ja sie wird sogar unter 
Umständen vollkommen aufgehoben. 

Es musste also festgestellt werden, ob ein Trauma nicht nur die 
Resistenz, sondern auch die Giftempfindlichkeit herabsetzt: 

Die Tuberculinempfindlichkeit ist nach bewährter Methode von mir 
dadurch geprüft worden, dass die vorbehandelten Tiere auf der Höhe 
der lnfection eine subcutane Injection von 1 ccm Tuberculin erhielten, der 
nicht vorbehandelte tuberculöse Tiere innerhalb 2 mal 24 Stunden erliegen. 

Die Tiere wurden durch viele Wochen hindurch regelmässig jede 
Woche mit 1 ccm Tuberculin subcutan vorbehandelt, sodass sie z. T. im 
ganzen bis zu 19 ccm Tuberculin bekommen haben. Etwa 2 Wochen 
später erfolgte die lnfection. Das Trauma wurde teils während, teils 
unmittelbar nach der Vorbehandlung gesetzt. Nach der lnfection 
konnten die Tiere nicht verletzt werden, weil sie ja gleichzeitig auf der 
Höhe der lnfection die entscheidende event. tödliche Tuberculineinspritzung 
bekommen mussten und es sich dann nicht entscheiden liess, ob sie dem 
Trauma oder der Tuberculininjeetion erlegen waren. 

Versuch 1. Meerschweinchen wird vom 11. 3 bis 3. 6. voibehandelt. Trauma 
am 5. G. lnfection am 17. G. Am 1. 7. Injection von 1 ccm Tuberculin. Exitus am 2.6. 

Versuch 2. Meerschweinchen wird vom 13. 3. bis 27. 3. vorbehandelt und er¬ 
leidet am 31. 3. das Trauma. Fortsetzung der Vorbehandlung am 4. 4. bis 6. 6. Am 
20. G. lnfection. Am 6. 7. Injection von 1 ccm Tuberculin. Exitus am 7. 7. 

Versuch 3. Vorbehandlung vom 18. 3. bis 15. 4. Am 18. 4. Trauma. Fort¬ 
setzung der Vorbehandlung am 25. 4. bis 27. G. 8. 7. lnfection. 24. 7. Injection von 
1 ccm Tuberculin. Exitus am 25. 7. 

Versuch 4. Meerschweinchen wird am 26. 3. vorbehandelt, erhält im ganzen 
bis zum 29. 7. 19 ccm Tuberculin. Am 4. 8. Trauma. Am 8. 8. lnfection. am 22. 8. 
Injection von 1 ccm Tuberculin. Exitus am 24. 8. 

1) Felix Klopstock, Feber die Wirkung des Tuberculins auf tuberculosefreie 
Meerschweinchen und den Ablauf der Tuberculöse am tuberculinvorbehandelten Tier. 
Diese Zeitschr. Bd. 13. 


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Zar Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungen zwisch.Trauraa u. Lungentuberculose. 221 

Versuch 5. Meerschweinchen wird vom 2. 4. bis 7. 5. mit 6 ccm Tuberculin 
vorbehandelt. Am 14.5. Trauma. Vom 21.5. bis 23.7. Fortsetzung der Vorbehandlung. 
Am 30. 7. Infection. Am 13. 8. Injection von 1 ccm Tuberculin. Exitus am 14. 8. 

Eine grössere Anzahl von Tieren starb während der Versuche und 
konnte nicht bis zu Ende beobachtet werden. Immerhin zeigen schon 
diese 5 Versuche deutlich, dass die vom Trauma betroffenen Tiere sich 
anders als nicht verletzte in gleicher Weise behandelte Tiere verhalten. 
Während die in gleicher Weise behandelten, aber nicht von einem Trauma 
betroffenen Tiere in der Mehrzahl der Fälle nicht einer Injection von 
1 ccm Tuberculin erlagen (Klopstock), zeigten die traumatisicrten Tiere 
ein Verhalten, als ob sie nicht vorbehandelt wären: sie erlagen sämtlich 
der letalen Dosis Tuberculin innerhalb 2 mal 24 Stunden. Die Vor¬ 
behandlung war also durch das Trauma wirkungslos geworden, 
die Giftempfindlichkeit war trotz der Vorbehandlung nicht 
herabgesetzt. 

Alle diese Versuche, sowohl die, die sich auf die Beein¬ 
flussung der Resistenz als auch die, die sich auf die Beein¬ 
flussung der Tuberculinempfindlichkeit beziehen, zeigen, dass 
die Kampfmittel des Organismus gegenüber den Tuberkel- 
bacillen durch ein Trauma ausserordentlich erschüttert werden. 

Es lag nun die Frage nahe, welches der vielen Kampfmittel, mit 
denen der Organismus sich gegen die Tuberculose wehrt, am meisten 
betroffen wird. 

Diese ausserordentlich wichtige Frage ist, soweit die tuberculose Infection in Be¬ 
tracht kommt, nooh gar nicht beantwortet worden, wie ja überhaupt dieses ganze Problem 
bisher wenig exact bearbeitet worden ist. Dagegen liegen für andere bacilläre Infectionen 
zahlreiche Arbeiten vor. Ich verweise auf die Literatur bei Trommsdorff 1 ). 

Trommsdorff selbst hat wichtige Untersuchungen angestellt, deren Ergebnisse 
von ihm wie folgt zusammengefasst worden sind: 

„Man kann bei Meerschweinchen, deren Resistenz auf verschiedene Art herab¬ 
gesetzt ist, beobachten eine Herabsetzung: 

1. der Bewegungs- und Fressfähigkeit der Leukocyten; 

2. der Regeneration der Alex ine; 

3. der Fähigkeit des Organismus, specifiscbe ScbutzstofTe zu bilden. 

In diesen drei Momenten haben wir wichtige allgemeine Charakteristica der Re¬ 
sistenzherabsetzung, ohne dass wir damit jedoch das Wesen der Resistenzherabsetzung 
gekennzeichnet zu haben beanspruchten.“ 

Leider ist es nicht möglich, die grosszügigen Versuchsanordnungen 
von Trommsdorff auf tuberculose Meerschweinchen zu übertragen, ja 
man kann nicht einmal mit Teilergebnissen Parallelen ziehen. Es ist auch 
nicht möglich festzustellen, ob etwa, was sehr wichtig wäre, die durch 
Complementablenkung nachweisbaren Antistoffe bei verletzten tuberculösen 
Meerschweinchen ein abweichendes Verhalten zeigen, weil Klopstock 
nachgewiesen hat, dass u. a. das Verhalten der durch Complement¬ 
ablenkung nachweisbaren Antistoffe bei Tieren, die mit Tuberculin vor- 

1) R. Trommsdorff, Experimentelle Studien über die Ursachen der durch ver¬ 
schiedene Schädlichkeiten bedingten Herabsetzung der natürlichen Widerstandsfähig¬ 
keit gegen Infectionen. Arch. f. Hyg. Bd. 59. 


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222 


Arthur Mayer, 


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behandelt und dann inficiert waren, genau so wie bei nicht vorbehandelten 
Tieren waren. Es fehlt also an Vergleichswerten. Nur ein einziger 
Component schien mir der Untersuchung zugänglich zu sein, nämlich das 
Verhalten der Opsonine. 

Dass eine durch Mangel an Opsoninen bedingte Insufficienz der phago- 
cytären Abwehrvorrichtungen des Organismus zur Erklärung gesteigerter 
Krankheitsdisposition in besonderem Maasse heranzuziehen ist, wird u. a. 
auch von Paul Th. Müller hervorgehoben. Bemerkenswert ist auch, 
dass nach den Untersuchungen von Kössler und Neumann in der 
Schwangerschaft, die ja bekanntlich eine gewisse Prädisposition für den 
Ausbruch tuberculöser Processe schafft, der opsonische Index besonderen 
Schwankungen unterworfen ist. Er ergab nur bei 48 pCt. der unter¬ 
suchten Frauen normale Werte, während sich bei gesunden, nicht tuber- 
culoseverdächtigen Menschen etwa 87 pCt. normale lndices zu finden pflegen. 

Ich habe daher Untersuchungen begonnen, die feststellen sollten, 
wie weit der opsonische Index durch Traumen beeinflusst wird. Leider 
habe ich diese Untersuchungen frühzeitig abbrechen müssen, weil infolge 
des Krieges die Arbeiten in meinem Laboratorium ein jähes Ende fanden. 
Ich kann aber schon jetzt, ohne genaue Zahlen angeben zu können, fest¬ 
stellen, dass durch ein ausreichendes Trauma der opsonische 
Index sicherlich beeinflusst wird. Es kommt durch ein der¬ 
artiges Trauma zu einer Verminderung der Opsonine. Ob diese 
Verminderung ausreicht, um alle anderen von mir beobachteten Tat¬ 
sachen zu erklären, entzieht sich vorläufig noch meiner Beurteilung, er¬ 
scheint aber durchaus möglich. 

Wenn also, wie es durch unzählige klinische Beobachtungen er¬ 
wiesen ist, in der Tat ein Zusammenhang zwischen Trauma und Lungen- 
tuberculose besteht, so liegen die Dinge nach diesen Untersuchungen 
nicht so, dass an der vom Trauma betroffenen Stelle besonders günstige 
Wachstumsbedingungen für Tuberkelbacillen geschaffen werden, und dass 
von dieser Stelle aus die Ueberschwemmung des Organismus mit dem 
Virus ihren Ausgangspunkt nimmt, noch so, dass bis dahin avirulente 
Bacillen durch das Trauma virulent werden, sondern so, dass das 
Trauma die Resistenz des Körpers gegen die lnfection herab¬ 
setzt. Es ist daher ganz gleichgültig, an welcher Stelle der 
Körper von dem Trauma betroffen wird — es muss nur ein 
Trauma sein, das genügend gross ist. Die Verhältnisse liegen also genau 
so, wie sie bei so vielen anderen schädlichen Einwirkungen auf den Or¬ 
ganismus bekannt sind: Erkältung, Hunger, Ermüdung usw. schädigen 
nicht eine bestimmte, zunächst betroffene Organgruppe, sondern setzen, 
wie wir es ja hinreichend aus der täglichen Erfahrung wissen, die Resi¬ 
stenz des gesamten Organismus herab. 

Für die Begutachtungspraxis ergibt sich hieraus, dass eine 
Lungentuberculose sehr wohl durch ein Trauma manifest 
werden kann, das gar nicht den Thorax betroffen hat, und dass 
auch periphere Verletzungen — soweit alle anderen Bedingungen zu¬ 
treffen — durchaus imstande sein können, eine Lungentuberculose aus¬ 
zulösen. 


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Zur Klinik u. exp. Pathologie d. Beziehungenzwisch. Trauma u. Lungentuberculose. 223 


Zusammenfassung. 

1. Auch mehrere, zum Teil besonders überzeugende, von mir beob¬ 
achtete Fälle beweisen aufs Neue, dass ein Zusammenhang zwischen 
Trauma und Lungentuberculose besteht. 

Zur Analyse dieser und zahlreicher anderer klinischer Fälle sind 
Tierversuche angestellt worden, die folgendes ergaben: 

2. Die Contusion des Brustkorbes führte nicht dazu, dass sich an 
der verletzten Stelle eine Tuberculose, die hämatogen gesetzt war, 
entwickelte, ja gerade die Lunge war unter Umständen am allerwenig¬ 
sten oder gar nicht von der Tuberculose betroffen. 

3. Auch bei Tieren, bei denen es durch Glottisschluss zu gröberen 
Verletzungen gekommen war, liess sich nicht feststellen, dass etwa die 
verletzten Teile einen besonders günstigen Nährboden für im 
Blute kreisende Tuberkelbacillen abgegeben hatten. Es Hessen sich 
keine Beweise dafür bringen, dass von der durch das Trauma 
betroffenen Stelle die tuberculose Disseminierung ausge¬ 
gangen war. 

4. Im Blute kreisende Bakterien werden durch ein Trauma weder 
in ihrer Virulenz gesteigert, noch in ihrem Wachstum beeinflusst. 

5. Dagegen zeigte sich, dass ein Trauma nicht nur die Resistenz 
von Tieren gegen die tuberculose Infection herabsetzt, sondern auch 
die durch Vorbehandlung mit Alttuberculin geschaffene Minderung 
der Giftempfindlichkeit aufhebt. Die Kampfmittel des Orga¬ 
nismus gegenüber den Tuberkelbacillen werden also durch ein 
Trauma ausserordentlich erschüttert. 

6. Wahrscheinlich werden von den Kampfmitteln # des Organismus 
ganz besonders die Opsonine betroffen, die durch ein Trauma vermindert 
werden. 

7. Der Zusammenhang zwischen Trauma und Tuberculose, der 
zweifellos besteht, ist also nicht darin zu suchen, dass für die Ent¬ 
wickelung der Tuberculose an der Stelle des Traumas besonders gün¬ 
stige lokale Bedingungen geschaffen werden, sondern in der Herab¬ 
setzung der Resistenz des Körpers gegen die Infection. Es 
ist daher klinisch und für die Begutachtungspraxis gleich¬ 
gültig, an welcher Stelle der Körper vom Trauma betroffen 
wird: ein Trauma an irgend einer Stelle des Körpers kann, 
wenn alle anderen Vorbedingungen gegeben sind, die Resistenz 
herabsetzen und eine bis dahin latente Tuberculose mobili¬ 
sieren. 


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XVII. 


Ueber Vaccinetherapie des Typhus abdominalis, 
insbesondere den Fornetschen Impfstoff und 14 damit 
behandelte Fälle im Bürgerhospital in Saarbrücken. 

Von 

Albrecht Mertz, 

früherem Assistenten der Anstalt. 

(Hierin Tafeln VIII-X.) 


Der Versuch einer specifischen Therapie des Typhus abdominalis wurde, 
schon 10 Jahre nach der Entdeckung seines Erregers durch Eberth, im 
Jahre 1890 von E. Frankel unternommen, der nach entsprechenden 
Tierversuchen kleine Mengen bei 60° abgetöteter Typhusbacillen den 
Patienten subcutan einspritzte. Trotz der von Frankel und nachfolgend 
auch anderen angegebenen guten Erfolge ist diese Therapie bis in die 
letzten Jahre nur in vereinzelten Fällen angewandt worden. Dies ist 
sowohl durch die sehr unangenehmen Nebenwirkungen der älteren Typhus¬ 
impfstoffe, als auch später durch die von Wrigth aufgestellte Theorie 
der negativen Phase zu erklären, ferner durch die Befürchtung, die Ge¬ 
impften zu Bacillenträgern zu machen oder unter Umständen bei ihnen 
Darmblutungen hervorzurufen (hierüber später noch einiges mehr). 

Eine ganz andere von Jahr zu Jahr steigende Verbreitung hat da¬ 
gegen die prophylaktische Typhusimpfung gewonnen. Nachdem zuerst 
Beumer und Peiper die Möglichkeit der Immunisierung von Tieren mit 
lebenden, darnach Chantemesse und Widal mit abgetöten Typhus¬ 
bacillen dargetan hatten, führte als erster Wright die Schutzimpfung 
am Menschen mit bei 60° abgetöteten Typhus-Bouillonculturen aus. Un¬ 
gefähr gleichzeitig veröffentlichten Pfeiffer und Rolle ihre hierfür 
grundlegenden Arbeiten über Typhusschutzimpfungen am Menschen mit 
bei 60° abgetöteten Aufschwemmungen von Agarculturen. Anschliessend 
an ihre Arbeiten über Baktericidie konnten sie nachweisen, dass der 
baktericidc Titer der Geimpften 11 Tage nach Injection 0,075 bis 0,1 
gegen 0,03 bis 0,5 nicht geimpfter Versuchspersonen betrug; der Aggluti¬ 
nationstiter erhöhte sich von 1:10 auf 1 : 500 bis 1: 1000. Ein grosser 
Nachteil war aber die starke locale Entzündungsreaction an der Injections- 
stelle, die mit Temperaturerhöhung bis auf 39°, Kopfweh, Schwindel¬ 
gefühl, Frösteln und überhaupt allgemeinem Unbehagen vergesellschaftet 
war. Erst nach 48 Stunden waren diese Erscheinungen wieder zurück¬ 
gegangen. Da diese Impfungen in kurzen Intervallen mit steigender 
Dosis wiederholt werden sollten, waren diese Nebenerscheinungen be¬ 
sonders unerwünscht. Die gleichen unangenehmen Begleiterscheinungen 
zeigten sich auch bei den Impfungen nach Wrights Verfahren. 

Immerhin lauteten die Berichte über die Erfolgo solcher Schutz¬ 
impfungen so günstig, dass trotz der Nebenwirkungen die prophylaktische 


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Ueber Vaccinetherapie des Typhus abdominalis usw. 


225 


Typhusimpfung eine sehr ausgedehnte Anwendung fand, namentlich unter 
den englischen Truppen in Indien, dann bei der amerikanischen Armee 
und auch bei französischen Kolonialtruppen. Mit dem neueren Russel- 
schen Impfstoff z. B. sind in der amerikanischen Armee so ausgezeichnete 
Resultate erzielt worden, dass seit Juni 1911 die Impfung für die Armee 
obligatorisch gemacht worden ist und zwar mit dem Erfolge, dass nach 
den betreffenden Statistiken der Typhus in der Armee trotz häufig un¬ 
günstiger äusserer Verhältnisse fast ganz geschwunden ist. Nicht so 
günstig freilich sind die Erfahrungen, die nach Pfeiffer und Kolles 
Verfahren mit der Impfung der deutschen Truppen im südwestafrika¬ 
nischen Feldzuge erzielt wurden. Immerhin wiesen die Geimpften nur 
etwa knappe 2 / s der Morbidität der Nichtgeimpften auf und überdies war 
auch der günstige Einfluss der Impfung bei gleichwohl ausgebrochener 
Krankheit durch leichteren Verlauf erkennbar. 

Inzwischen sind hunderttausende von Menschen der prophylaktischen 
Impfung unterworfen worden und von allen Seiten liegen ausführliche 
Statistiken über die ganz auffällige Minderung der Morbidität und Mor¬ 
talität vor (V 3 bzw. Ve gegen die unter gleichen Verhältnissen nicht Ge¬ 
impften der englischen Statistiken aus verschiedenen Erdteilen). 

Hand in Hand mit dieser stetig sich mehrenden Verbreitung der 
prophylaktischen Impfung gingen natürlich Versuche, die ungünstigen 
Nebenwirkungen möglichst einzudämmen. Nach experimenteller Erfahrung 
ruft immer die Injection gekochter Bacillen stärkste Reaction ohne nach¬ 
folgende Immunität hervor, dagegen die Injection lebender Bacillen (die 
freilich zur praktischen Impfung nicht verwendbar sein dürfte) keine 
Reaction mit starker Immunität. Dies legte den Schluss nahe, dass die 
zur Abtötung der Bacillen bei den Impfstoffen angewandte Hitze die 
Denaturierung des Bacilleneiweisses zur Folge hatte. Wie die Erfahrung 
lehrte, bietet die Herabsetzung der Temperatur um wenige Grad, von 
60° auf 56°, neuerdings 53°, den Vorteil einer wesentlichen Minderung 
der localen und allgemeinen Reaction. So finden wir dann auch bei den 
neueren Vorschriften zur Bereitung von Typhusvaccinen zwecks Vermei¬ 
dung solcher Eiweissdenaturierung und auch damit ev. Schädigung der 
antigenen Eigenschaften vielfach niedere Temperaturen bei der Abtötung 
der Typhusbacillen, wie bei Leishman, Rüssel, Fornet und dem im 
gegenwärtigen Feldzug bei unsern Truppen verwandten Impfstoff, teils 
durch Abtötung durch Aether, wie in dem in Frankreich viel benutzten 
Impfstoff von Vincent, der im übrigen statt einer Aufschwemmung von 
Typhusbacillenleibern ein Autolysat solcher darstellt. Auch die Ab¬ 
tötung der Culturen durch ultraviolette Strahlen (bei Renaud) und 
Schütteln mit Galaktose (bei Levy) ist angewandt worden. (Nach Fried¬ 
berger und Moreschi lassen sich zwar die localen Nebenerscheinungen 
ganz wesentlich mindern durch intravenöse Injection, doch ist dies Ver¬ 
fahren an Kranken schwer anzuwenden und erfordert erst recht eine so 
peinliche Controlle auf Sterilität, dass es zu Massenimpfungen gänzlich 
ungeeignet ist.) 

Ob seiner guten Wirkung und geringen Reizerscheinungen wird 
neuestens der Impfstoff von Besredka empfohlen, der zwar lebende, 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 17. Ild. [5 


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226 


Albrcclit Mertz, 


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aber durch specifischcs Scrura sensibilisierte Typhusbacillen enthält. 
Diese agglutinierten und wieder aufgeschwemmten Bacillenkörper beladen 
sich dabei gleichzeitig mit den Immunstoffen, die auf diese Weise also 
ebenfalls dem Patienten zugeführt werden. Besredkas Vorgehen stellt 
eine Art Vereinigung von activer und passiver Immunisierung dar, ein 
Serumvaccin, wie dies auch zuerst durch Petruschky mit seinem Typhoin 
und später von Chantemesse und Castellani befürwortet und in 
ähnlicher Weise durch gleichzeitige Scrumthcrapie neben der Yaccination 
versucht worden ist. Nähere Versuche stehen hier noch aus, dagegen 
ist die theoretische Forderung dieses gleichzeitigen activcn und passiven 
lmmunisierens nicht mehr zutreffend, nachdem praktisch die negative 
Phase, die hierzu Veranlassung war, in allen neuerdings beobachteten 
Fällen ohne Bedeutung blieb. Gegen Besredkas in letzter Zeit stark 
propagierten Impfstoff selbst bestehen aber doch sehr ernste Bedenken. 
Die Frage, ob bei der Einverleibung doch immerhin noch lebender Typhus¬ 
bacillen nicht Allgemeininfection hervorgerufen werden kann, ist trotz 
Besredkas und seiner Anhänger gegenteiliger Ansicht noch nicht ent¬ 
schieden. Für Massenimpfungen jedenfalls erscheint sein Impfstoff ungeeignet, 
da dabei eine scharfe Uebcrwachung des Geimpften nicht möglich ist. 

Auf die reine Scrumtherapic des Typhus abdominalis cinzugehen, 
liegt nicht im Kähmen dieser Arbeit. Von dem in Deutschland noch 
kaum zur Anwendung gekommenen antitoxischen Serum von Chante¬ 
messe liegen gute Berichte über behandelte Krankheitsfälle vor, der 
Anwendung in grösserem Massstabe stehen aber Schwierigkeiten der 
Herstellung und hoher Preis entgegen. Von R. Kraus (Buenos Aires) 
ist ebenfalls ein antitoxisches Pferdeserum angegeben worden, dessen 
Wirkung nach vom Verfasser citierten Krankengeschichten namentlich 
gegen die wohl allgemein als toxisch aufzufassenden Allgemeinerschei¬ 
nungen der Typhuskranken kaum bestreitbar ist. (Es sei aber hier doch 
bemerkt, dass die Ansichten der Autoren noch sehr geteilt sind, ob die 
Typhusendotoxine als eigentliche Toxine, deren Criterium Bildung von 
Antitoxinen wäre, aufzufassen sind, ob also die Herstellung eines eigent¬ 
lichen antitoxischen Serums möglich ist. Da auch bei der activen 
therapeutischen Vaccination Typhuskranker nach den in der Literatur ver¬ 
tretenen Fällen die oben erwähnten toxischen Symptome günstig be¬ 
einflusst werden, liegt darin viel eher eine Stütze von Pfeiffers Ansicht, 
dass auch die Sera ebenso wie die Vaccine beim Typhus durch Einbringung 
bzw. Erzeugung bakteriolytischer Fermente wirksam und entgiftend sind.) 

Wie schon mehrfach betont, ist die locale und allgemeine Reaction 
von jeher als Haupthindernis für prophylaktische und therapeutische 
Impfung angesehen worden. Sehr wesentlich ist dabei ferner die Tat¬ 
sache, dass durch die locale Entzündung an der Injectionsstelle nicht 
unerhebliche Mengen des Antigens durch die Leukocytenanhäufung und 
übrigen Entzündungsvorgänge zerstört werden und so keine immuni¬ 
sierende Wirkung mehr ausüben können. 

Bei unserer Beantwortung der Frage nach dem Grunde dieser starken 
Localreaction bei subcutaner Impfung liegt, wie vorhin erwähnt, die Ver¬ 
mutung nahe, dass das Eiweiss der abgetöteten Typhusbacillen als art- 


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lieber Vaccinetherapie des Typhus abdominalis usw. 


227 


fremdes ein irritierendes Moment darstelle. Man hat ja die oben an¬ 
geführte Beobachtung gemacht, dass die Injektion lebender Bacillen nach 
Besredka keine sehr wesentliche Reaction auslöst, ferner, dass die 
Roseolen Typhuskranker eine doch nur schwache Reaction auf Typhus¬ 
bacillen in sogar intracutaner Lagerung darstellen, während doch, wie 
Römer zuerst zeigte, der intracutanen Einverleibung artfremder Stoffe 
sonst stärkere Reaction zu folgen pflegt als der subcutanen. Aus diesen 
letzteren Gründen nehmen Fornet und andere an, dass überdies die Art 
der Vernichtung der lebenden und abgetöteten Typhusbacillen im Unter¬ 
hautbindegewebe eben doch voneinander verschieden ist und zwar in der 
Weise, dass die abgetöteten nicht wie die lebenden Bacillen intracellulär, 
sondern extracellulär zu Grunde gehen. Diese extracelluläre Verdauung 
soll im besonderen Masse toxische Eiweissspaltprodukte liefern, wie 
Pepton, /f-Imidazoläthylamin, Sepsin, Anaphylatoxin und ähnliche. 

Fornet suchte daher bei seinem neuerdings angegebenen Typhus¬ 
impfstoff die Localreaction dadurch herabzudrücken, dass er ein besonders 
an reizenden Eiweisskörpern armes Vaccin herzustellen unternahm, das darum 
nur geringe Reaction bei den Geimpften hervorrufen sollte. Der Vorteil der 
geringen Reaction ist sehr hoch einzuschätzen, nämlich erstens leichtere und 
angenehmere Anwendung, zumal auch bei Kranken, und zweitens voller 
immunisatorischer Effekt des eingebrachten Antigens, da dieses nicht durch 
die leukocytäre Entzündungsreaetion teilweise vorher vernichtet wird. 

Nach Fornets Vorschriften wird von einer flüssigen Cultur ausge¬ 
gangen, bei der er gleichmässige Dosierung und sterile Verarbeitung für 
zuverlässiger hält als bei Agarculturen. Die Culturen selbst werden in 
Langendorfscher Salzlösung gezüchtet, der l / 2 pCt. Pepton zugesetzt 
wurde. Die Bacillen wachsen hierin 24 Stunden lang und bauen coagu- 
labeles Eiweiss auf. Diesem erst durch das Wachstum der Bacillen ent¬ 
standenen coagulabelen Eiweiss werden von Fornet die specißschen anti- 
genen Eigenschaften zugeschrieben. Dieses Eiweiss ist nicht dialysabel, 
wohl aber ist in der Nähilösung noch reichlich Pepton vorhanden, das 
beim Wachtum der Bacillen nicht zum specifisch antigenen Eiweiss um- 
gewandclt wurde. Da dieses nach den oben angeführten Erwägungen 
entzündungserregend wirken könnte, wird es aus der Culturlösung durch 
Gegendialysieren gegen dieselbe Langendorffsche Salzlösung, diesmal aber 
ohne Peptonzusatz, entfernt. Während der im Eisschrank vorsichgehenden 
Dialyse wird die Aussenflüssigkeit mehrfach durch 4—5 Tage gewechselt, 
bis keine durch die Biuretprobe nachweisbaren N-haltigen Körper mehr 
übertreten. Vor dem Dialysieren selbst wird die Culturlösung 55 Mi¬ 
nuten auf 55° erhitzt; bei dieser vorsichtigen Abtötung bei niedriger 
Temperatur wird das Bacillenleibereiweiss möglichst wenig denaturiert. 
Zur Conservierung wird schliesslich der Cultur-, wie auch selbstverständ¬ 
lich der Aussenflüssigkeit, x / 2 pCt. Phenol zugesetzt. Der fertige Impf¬ 
stoff selbst stellt eine wasserhelle Flüssigkeit dar und enthält, vor der 
Abtötung geprüft, etwa 50000000 Bacillen im Cubikcentimeter. Nach 
Fornets Vorschrift wird er in steigender Dosis von 0,5, 1,0 und 1,5 ccm 
injiciert, wozu die Unterschlüsselbeingegend besonders empfohlen wird. 

lö* 


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Albrecht Mertz, 

Am Königl. Institut für Hygiene und Infectionskrankheiten zu Saar¬ 
brücken wurden von Prof. Dr. Lentz, dem damaligen Director, Titer- 
bestiramungen mit dem Fornetschen Impfstoff ausgeführt. Das Ergebnis 
dieser noch nicht veröffentlichten Versuche ist kurz zusaramengefasst 
folgendes: 

Das Fornetsche Vaccin enthält im Vergleich zu dem nach Pfeiffer 
und Rolle hergestellten wesentlich weniger Antigen. Bei 7 damit 
geimpften Versuchspersonen fand sich nach 7—14 Tagen ein Agglutina¬ 
tionstiter von 1 : 200 bis 1: 500. Pfeifferscher Versuch nur bei geringen 
Serumverdünnungen positiv. Lokal- und Allgemeinreaction gering. 

Dass aber zweifellos durch den Fornetschen Impfstoff eine Immun¬ 
körperbildung angeregt wird, konnte auch ich im hygienischen Institut 
in Saarbrücken an Serum des G. Zw. nachweisen, der mit der Ver¬ 
dachtsdiagnose Typhus abdominalis im Saarbrücker Bürgerhospital ein¬ 
geliefert und auch ohne serologische Bestätigung der Diagnose der 
therapeutischen Impfung unterworfen wurde. Der klinische Verlauf der 
Krankheit konnte aber nicht die Diagnose Typhus stützen, ebenso war 
der Widal mit vor der Impfung entnommenem Blut 1 : 20 noch negativ 
und die Züchtung von Bacillen nach dem Galleanreicherungsverfahren, 
ebenso die Züchtungsversuche aus Stuhl und Urin erfolglos. Die Imp¬ 
fung war am 4., 5. und 6. April erfolgt. Eine Woche nach der ersten 
Impfung, am 11. April, wurde wieder Blut entnommen. Der Widal 
war diesmal 1 : 1000 deutlich positiv. Der Pfeiffersche Versuch 1 : 200 
positiv. Complcmcntbindung mit fallender Verdünnung ergab folgende 
Resultate: 0,03 complctte Hemmung; 0,01 fast complett; 0,003 sehr 
stark; 0,001 stark (die Controllc war: 0,03 und 0,1 massige Hemmung). 
Wieder eine Woche später, also 14 Tage nach der ersten Impfung (am 
21. April 1914), wurde zum zweitenmal Blut entnommen. Diesmal war 
der Widal 1 : 500 +, Pfeifferscher Versuch 1 : 500 negativ. Compleraent- 
bindung: 0,03 und 0,01 mässige Hemmung, 0,003 und 0,001 geringe 
Hemmung. (Controlle: 0,03—0,01 geringe Hemmung.) 

Ein anderer Fall, diesmal ein Typhuskranker, bei dem ich Titer¬ 
bestimmung ausführte, war der des R. Z. (s. Fall 14 der Kranken¬ 
geschichten), der am 24. März erkrankt und nach bakteriologischer Be¬ 
stätigung der Diagnose Typhus ebenfalls am 4. ; 5. und 6. April geimpft 
wurde. Das gleichfalls eine Woche später entnommene Serum ergab: 

Widal 1 : 1000 positiv. Pfeifferscher Versuch 1 : 100 negativ. 
Coraplementbindung: 0,03 fast complette Hemmung; 0,01 starke; 0,003 
mässige; 0,001 mässige, (Controlle: 0,03 und 0,01 mässige Hemmung). 

Zweite Serumentnahme nach 14 Tagen (am 21. April). Widal 1 : 500 
positiv, Pfeifferscher Versuch 1 : 100 negativ. Coraplementbindung: 0,03 
und 0,01 complette Hemmung; 0,003 starke; 0,001 ziemlich starke, 
(Controlle: 0,03 und 0,01 mässige Hemmung). 

In diesem Fall war also nach 14 Tagen eine weitere Steigerung der 
Immunkörperbildung festzustellen, während bei dem nichttyphuskranken 
Zw. nach 14 Tagen bereits wieder eine Senkung eingetreten war. Weitere 
Versuche in dieser Richtung konnte ich leider nicht anstellen. 


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Ueber Vacoinetherapie des Typhus abdominalis usw. 22'.* 

Besonderer Wert wurde auf die therapeutische Wirksamkeit des 
Fornetschen Impfstoffes an Typhuskranken gelegt, und auf Veranlassung 
von Prof. Dr. Lentz wurden in verschiedenen Krankenhäusern im Bereich 
der „Typhusbekämpfung im Südwesten des Reiches“ Versuche damit 
gemacht. 

In mündlichen und schriftlichen Berichten über diese Impfungen mit 
Fornetschem Vaccin erwähnen alle, dass es tatsächlich die von Fornet 
erstrebte sehr geringe Reizwirkung, in localer und allgemeiner Reaction, 
zeigt. Diese sehr geringen Reizwirkungen ermöglichen besonders gut 
seine Anwendung an aufeinander folgenden Tagen (3 in der Regel), und 
dies ist gerade für therapeutische Impfungen von grossem Wert, wo 
natürlich zur Erreichung des Zweckes wenig Zeit zu verlieren ist und 
nicht mit Intervallen von einer Woche zwischen den Injektionen, wie 
beim prophylaktischen Vorgehen, gearbeitet werden kann. 

Aus diesem Grunde und wegen der angenehmen Anwendung überhaupt 
empfahl Fornet sein Vaccin besonders auch für therapeutische Zwecke. 

Diese Therapie durch Vaccination ist nun nie in dem umfassenden 
Maasse angewandt worden, wie die Prophylaxe durch eben dieses Ver¬ 
fahren und schon gleich zu Anfang erwähnte ich theoretische Bedenken, 
die sich dem therapeutischen Vorgang in den Weg stellten. 

Wenn wir diesen theoretischen Gründen nachgehen, so ist hier in 
erster Linie die Befürchtung vor einer sog. „negativen Phase“ (Wright) 
zu nennen. Es wird darunter ein Zustand erhöhter Empfänglichkeit für 
das zur Immunisierung benutzte Virus in den ersten 8—14 Tagen nach 
der Impfung verstanden, der auch seinen äusseren Ausdruck im Sinken 
des opsonischen Index finden und dem erst später die immunisierende 
Steigerung folgen soll. Wie Pfeiffer und Friedberger nachgewiesen 
haben, treffen aber die theoretischen Bedenken für die Praxis nicht zu. 
In der Tat bekunden die englischen, amerikanischen und französischen 
Statistiken über die Resultate bei der prophylaktischen Vaccination auch 
einhellig, dass von der gefürchteten negativen Phase, die natürlich einen 
Grund gegen die Impfung in Epidemiezeiten und in Seuchengebieten ab¬ 
gegeben hätte, niemals etwas vermerkt wurde. Auch Vincent, der noch 
1911 vor der negativen Phase warnte, betont 1912 ausdrücklich, dass 
nach seinen neuen Erfahrungen diese Gefahr aus der Discussion ausscheidet. 

Die des weiteren in der Theorie nicht abzuweisende Befürchtung, 
bereits kranke Personen durch therapeutische Impfung zu Bacillenträgern 
zu machen, ist bisher durch keinen Fall der Literatur bestätigt worden 
und ßesredka weist ausdrücklich darauf hin, dass das nach seinen Beob¬ 
achtungen nie der Fall sei. 

Auch über die Gefahr vermehrter Darmblutungen durch die Re¬ 
action der Immunkörper bildenden Organe (als die ja hauptsächlich die 
rcticulo-cndothelialen Zeilcomplexc der lymphatischen Organe angesehen 
werden) ist nichts bekannt geworden, wiewohl man sich vorstellen kann, 
dass eine vermehrte Reaction der Peyerschen Haufen auf der Höhe der 
Geschwürsbildung die Blutungs- und Perforationsgefahr vermehren könnte. 
Immerhin wird man mit Impfungen in dieser gefährlichen Zeit vorsichtig 
sein müssen. 


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Albrecht Mertz, 

Was nun die Erfolge der therapeutischen Behandlung des Typhus 
abdominalis mittels Vaccination betrifft, so finden sich hierfür keine der¬ 
artige Uebersichtsstatistiken mit grossen und grössten Zahlen, wie dies 
für die prophylaktische Vaccination der Fall ist. Es gibt zwar zahl¬ 
reiche Angaben über solche in specifiseher Weise behandelte Fälle, aber 
die Krankenzahl ist dabei meist zu klein, um für bindende Urteile ver¬ 
wertbar zu sein. Auch schwanken die Angaben über Applicationsweise, 
Dosen usw. sehr, ebenso über die Typhusvaccine selbst, von denen ja 
ausser den in dieser Arbeit erwähnten noch sehr zahlreiche Modificationen 
vorliegen. Die grösste mir bekannte Zahl von in gleichartiger Weise 
behandelten Typhuskranken aus einer Epidemie, so dass also auch eine 
gewisse Gleichmässigkeit des Virus erwartet werden darf, bezieht sich 
auf Angaben von Petro witsch, der im Hospital von Uesküb im No¬ 
vember 1912 460 Kranke specifisch mit dem Wrightschen Vaccin be¬ 
handelte. Die Dosenzahl wechselte zwischen 1—3, Bacillenzahl 20000000 
pro Injection. Die Mortalität der Geimpften (abgesehen von Fällen, die 
in den ersten 24 Stunden nach Einlieferung starben) betrug 2,9 pCt., die 
der Nichtgeimpften (Zahl nicht angegeben) 12,8 pCt. bei sonst gleicher 
Pflege. Also ein auffallend günstiges Resultat. 

Nicht unerwähnt mag hier bleiben, dass neuerdings amerikanische 
Autoren mit viel grösseren Dosen vorgehen, als es bislang in Deutsch¬ 
land geschehen ist, 100—300 Millionen Bacillen pro Injection, und dass 
sie diese viel häufiger wiederholen. Auf diese Weise erhoffen sie unter 
Umständen sogar die Dauerausscheider (Bacillenträger) heilen zu können, 
was ja den grössten Fortschritt der gesamten modernen Typhustherapie 
und -Prophylaxe bedeuten würde. Was nun endlich als in die Augen 
springender Erfolg der Vaccinetherapie des Typhus bei allen Berichten, 
soweit sie sich nicht gänzlich ablehnend verhalten, einheitlich betont wird, 
das ist die subjective Besserung im Befinden des Kranken, das Nach¬ 
lassen der toxischen Krankheitssymptome. Ueber die Abkürzung der 
Krankheitsdauer und die Verminderung von Recidiven dagegen sind die 
Meinungen eher geteilt, wenngleich auch hier meist von günstigem Ein¬ 
fluss berichtet wird. 

Eine auffallende subjective Besserung der Kranken nach Impfung 
mit militärischem Agarimpfstoff, etwa 3 Tage nach der Injection, sah 
ich selbst noch kurz vor Niederschrift dieses an 5 Patienten, von denen 
3 zunächst ein recht schweres toxisches Bild boten, und die alle ge¬ 
nasen; ein sechster Fall, der schon in schwer soporösem Zustand ein¬ 
geliefert wurde und verblieb, kam ohne Beeinflussung zum Exitus (die 
mir zurzeit nicht zur Verfügung stehenden Kurven sind unter den fol¬ 
genden, lediglich dem Fornetschen Impfstoff gewidmeten Fällen nicht 
aufgenommen). 

Anlass zu dieser Arbeit über die Verwendung der Vaccine beim 
Typhus abdominalis und speciell dem Fornetschen Impfstoff waren 14 
im Jahre 1913/14 damit behandelte Fälle im Bürgerhospital zu Saar¬ 
brücken (dirigierender Arzt: Geh. San.-Rat Dr. Mertz), die auf die 
bereits erwähnte Anregung von Prof. Lentz dieser Therapie unterzogen 
worden sind. 


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Ueber Vaccinetherapie dos Typhus abdominalis usw. 


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Leider konnte bei diesen Versuchen der a priori aufzustellenden 
Forderung einer Impfung in den ersten Tagen beginnender Krankheit 
fast nie entsprochen werden, da die meisten Patienten eben erst nach 
etwa achttägigem Kranksein in das Bürgerhospital kamen, und dann noch 
2—3 Tage bis zur serologischen und bakteriologischen Sicherung der 
Diagnose vergingen. Die Klarheit der erzielten Resultate ist leider hier¬ 
durch getrübt, wie selbstverständlich auch die kleine Zahl der Fälle kein 
abschliessendes Urteil zulässt. 

Es mögen nun dio Krankengeschichten dieser 14 am Bürgefhospital 
zu Saarbrücken mit Fornetschem Impfstoff behandelten Typhuskranken 
folgen; die als Anhang beigegebenen Fieberkurven sind reduziert auf die 
niedrigste und höchste Tagestemperatur und auf Vorschlag von Herrn 
Geheimrat Mertz so zusammengestcllt, dass die — mutmasslichen — 
gleichen Krankhcitstage untereinander zu stehen komaien und so auch 
gleichzeitig ein Urteil möglich ist, inwieweit etwa ein Absinken der 
Temperaturen dem zeitlichen Ablauf zuzuschreiben wäre. 

Die Fälle sind in chronologischer Reihenfolge: 

Fall l. Margarete E., geb. 15.11.1882. Aufnahme ins Krankenhaus 29.1.1913. 
Entlassen 17. 3. 1913. 

Anamnese: Pat. ist technische Hilfsarbeiterin am bakteriologischen Institut 
und als solche mit den Blutuntersuchungen daselbst betraut, hatte Anfang Januar bei 
Serumgewinnung zum Widal etwas Serum an die Lippen gebracht, sie fühlt sich 
schon seit einigen Wochen nicht wohl. Am 13. 1. blieb Pat. mit Fieber, Kopf- und 
Gliederschmerzen zu Bett. Blutuntersuchung ergab Typhusbacillen darin. 

Status praesens: Zartes blasses Mädchen mit leidendem Gesichtsausdruck. 
Sensorium frei; Musculatur massig entwickelt; Haut blass; Temperatur 38,8°; Puls 
weich, beschleunigt, 85—90 i. d. M.; Herz o. B.; Respirationsorgane o. B.; Zunge 
belegt; Milzdämpfung, Milz wenig deutlich zu fühlen. Sonstige Organe o. B. 

Verlauf, Behandlung: Bettruhe, flüssige Diät, Eisblase auf den Kopf. 

31. 1. Injection von 0,5 ccm Fornet-Impfstoff in die rechte Brustseite. 
Leukocyten 5000. Pyramidon. Stuhl wird durch Glyoerinklistiere herbeigeführt. 

1. 2. Injection von 1 ccm F. I. Leukocyten 4800. 

2.2. Injection von 1,5 ccm F. I. Leukocyten 6000. Stuhlträgheit besteht 
weiter. 

7. 2. Leukocyten 6400. Diazoreaction, die anfänglich positiv war, ist negativ 
geworden. Albumen und Saccharum negativ. In den letzten Tagen starke Morgon- 
remissionen auf die Norm, abends noch Fieber. 

10. 2. Allgemeinzustand hat sich weiter gebessert, Pat. sieht frisch aus, kann 
gut schlafen, Appetit gut, Stuhl gebunden. 

16. 2. Allgemeinbefinden andauernd gut, Pat. ist seit einigen Tagen fieberfrei. 

19. 2. Status idem. Appetit und Schlaf sind gut; Milz noch vergrössert, Zunge 
noch nicht ganz gereinigt. 

20. 2. Appetit schlecht, sopst wie oben. 

26. 2. Pat. darf aufstehen. 

2. 3. Pat. geht ohne Hilfe spazieren. 

7. 3. Hämoglobin 78 pCt. 

11. 3. Pat. ist bakteriologisch genesen. — Bleibt zur Erholung noch einige Zeit 
in Behandlung. 

17. 3. Befinden andauernd gut, Gewichtszunahme. Geheilt entlassen. 


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Albrecht Mertz 


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Fall 2, Margarete K., geb. 25. 7. 1885. Aufnahme ins Krankenhaus 4. 2. 1913. 
Entlassen 27. 4. 1913. 

Anamnese: Pat. erkrankte vor 10 Tagen mit Kreuzschmerzen und Schüttel¬ 
frost und hat seit dieser Zeit Fieber. Der Stuhl war zuerst angehalten, seit heute 
morgen bestehen Durchfalle. In den ersten Tagen war das Bewusstsein etwas ge¬ 
trübt. Es bestand auch Harnverhaltung. Pat. war in ärztlicher Behandlung bei Dr. P. 
in P. und wurde wegen Typhus behandelt. Am Rücken werden Roseolen angegeben. 
Pat. gibt an, sie sei früher nie krank gewesen, habe auch keine Kinderkrankheiten 
gehabt, klagt jetzt über Schmerzen in der linken Seite, sehr grosse Mattigkeit und 
Kopfschinerzen nach hinten ausstrahlend, auch nach vorn manchmal ziehend. 

Status praesens: Lage der Pat.: Bettlago, Oberkörper erhöht. Gesichts¬ 
ausdruck: blass, cyanotisch, leidend. Scnsorium: etwas getrübt. Musculatur und 
Fettpolster massig. Haut: schwitzt stark, Miliaria crystallina am Abdomen. Tempe¬ 
ratur 39,5°, Puls 96 i. d. M., ziemlich voll, später frequens, parvus, mollis, dicrotus. 
Atmung: Zahl 28, angestrengt, vertieft, inspiratorische Einsenkung im Jugulum, 
SupraclavioulargTuben und Epigastrium. Husten: Auswurf vorhanden. Percussion: 
Apex links Schallverkürzung, rechts normal. Auscultation: Apex links unbestimmtes 
Atmen, auf der Höhe der Exspiration vereinzeltes Rasseln. Rechte Lunge Giemen 
und Pfeifen, hinten unten feuchtes mittelblasiges Rasseln. Links in der Axillarlinie 
etwas Dämpfung mit unbestimmtem Atmen. Pectoralfremitus kaum merklich ab¬ 
geschwächt. Mundhöhle: Zunge wird zitternd vorgestreckt, ist trocken, z. T. borkig 
belegt. Abdomen: etwas meteoristisch aufgetrieben. Stuhl ist flüssig, breiig. Milz 
überragt den Rippenbogen nicht, kaum palpabel, aber etwas vergrössert. Urin: Ent¬ 
leerung durch Katheter nötig. Farbe dunkel und trübe. Eiweiss negativ, Nylander 
und Diazo positiv, Leukocyten 6500. Sehnenreflexe ziemlich schwach. 

Verlauf, Behandlung: Bäderbehandlung, flüssige Diät, Bettruhe, bei starken 
Kopfschmerzen Pyramidon, event. Eisblase. 

4. 2. 1913. Leukocyten 6500, Nylander und Diazo positiv. Stuhl flüssig. 

5. 2. Nylander negativ, Diazo schwach positiv. 

6. 2. Stuhl gebunden, Diazo schwach positiv. Injection von 0,5 ccm F. I. in 
die rechte Brustseite, Leukocyten 4000. 

7.2. Inj ection von 1 ccm F. I. in die linke Brustseite. Diazo stark positiv. 
Im Laufe des Tages tritt stärkere Atemnot ein, im linken Unterlappen Dämpfung mit 
mittelblasigem Rasseln. Puls ist dicrot und weich. In der Nacht tritt Collaps ein, 
der sich durch Campher 1 l j 2 Spritzen, intravenös Digalon 1 ccm, heissen Kaffee und 
Cognao wieder beheben lässt. Bacillenbefund im Stuhl und Urin negativ, Widal 
sehr verdächtig. 

8. 2. Starke Kopfschmerzen, Dämpfung in den beiden Unterlappen, Knister¬ 
rasseln und Crepitieren. 

10.2. Pat. hat starke Durchfälle bekommen, die dem Typhusstuhl sehr ähnlich sind. 
Die Widalsche Reaction ist positiv. Bacillenbefund im Stuhl und Harn negativ. 
Die Untersuchung des Sputums auf Tuberkelbacillenstäbchen oder Tbc. fiel negativ aus. 
Die Miliaria ist stärker geworden und am ganzen Abdomen zu sehen. Leukocyten 3200. 

11.2. Injection von 1,5 ccm F. I. in den rechten Vorderarm. Als Local¬ 
erscheinung treten Schmerzen an der Injectionsstelle ein, die ziemlich heftiger Art 
sind. In der Nacht bekommt Pat. einen collapsähnlichen Zustand, flatternden, be¬ 
schleunigten Puls und ziemliche Atemnot. Durch Campher, Digalen und heissen 
Kaffee behoben. Temperatur 39,8°, Puls 120. 

13. 2. Leukocyten 5200. Diazo positiv seit 9. 2. Durchfalle. Blutentnahme 
10 ccm zur Anlegung von Culturen. 

16. 2. Andauernd hohe Temperatur. Allgemeinbefinden wechselnd. Bäder, Diät, 
Huchinin, Tinct. Strophantin. In der Nacht Collaps leichter Art durch Campher, Digalen 
und heissen Kaffee behoben. 


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Ueber Vaccinethorapie des Typhus abdominalis usw. 


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17. 2. Befinden hat sich wieder gebessert, Leib ziemlich hart gespannt. 

18. 2. Pat. deliriert ziemlich lebhaft, schläft wenig. Widal positiv. 

20. 2. Delirien dauern lebhaft weiter. Leib ziemlich gespannt, rechts druck¬ 
empfindlich. Pat. ist euphorisch. 

27. 2. Temperatur ziemlich heruntergegangen, seit 21. 2. wird Hungergefühl ge- 
äussert, Delirien haben aufgehört, Zustand hat sich bedeutend gebessert. Leib fühlt 
sich ziemlich weich an. 

4. 3. Nach Pyramidongabe kommt Pat. in das Stadium der steilen Kurven. 
Allgemeinbefinden gut, starkes Hungergefühl. 

7. 3. Temperatur sinkt langsam ab und nähert sich der Norm, Milz noch immer 
Dämpfung. Allgemeinbefinden gut. 

9. 3. Erster fieberfreier Tag. 

12.3. Die Temperatur erhebt sich wieder bis 37,5 °. Puls frequenter. Allgemein¬ 
befinden gut. Hungergefühl stark, Milzdämpfung noch vorhanden. 

17. 3. Milzdämpfung hellt sich auf, Befinden andauernd gut, starkes Hunger¬ 
gefühl, bekommt leichte 2. Form. Gewichtszunahme innerhalb 8 Tagen 7 Pfund. 

18. 3. Geschwollene Schweissdrüsen in beiden Achselhöhlen. Abreibung mit 
Alkohol. 

21. 3. Incision in der linken Achselhöhle, einige Achseldrüsen sind eitrig ein¬ 
geschmolzen. 

22. 3. Temperatur hat sich nach der Incision nicht über 37° erhoben. 

23. 3. Pat. steht auf, befindet sich wohl. 

26. 3. Temperatur 37,5°. 

27. 3. Normale Temperatur. 

29. 3. Temperatur38,2, auf Pyramidon wieder Abfall auf 36,5°. Befinden ist gut. 

1.4. Die Temperatur ist auch ohne Pyramidon abends hoch, morgens niedrig; 

allmählicher Abfall des Abendgipfels. 

4. 4. Temperatur wieder ganz normal geworden, Proben negativ. 

6 . 4. Die Temperatur ist als Recidiv aufzufassen, deshalb 3 weitere Proben. Die 
Proben fallen negativ aus. 

27. 4. Geheilt, bakteriell genesen entlassen. 

Fall 3 . Heinrich S., geb. 15. 4. 1894. Aufnahme ins Krankenhaus 29. 5. 1913. 

Anamnese: Am 13. 5. Schwindel, Leibschmerzen, Durchfalle. Pat. gibt wenig 
Auskunft. Seit dem 19. 5. krank. 

Status praesens: Pat. ist leicht somnolent. Lippen borkig, Körperbau mässig 
kräftig, kein Fettpolster, keine Roseola. Schleimhäute blass. Zunge dick, weisslich 
belegt, Bauch leicht empfindlich. Starke Milzdämpfung, gut fühlbare Milz. Diazo 
negativ. Albumen negativ. Im Sediment (reichlich) nur Detritus und Sediment, laterit. 

Verlauf, Behandlung: 30.5. Widal und Typhus positiv, Stuhl negativ, Diazo 
negativ. 

2. 6 . Stuhl negativ. 1. F. I. mit 0,5 ccm. 

3. 6 . 2. F. I. (1,0). 

4.6. 3. F. I. (1,5). 

7. 6 . Reaction auf die Vaccinedosen nicht bemerkenswert. 

9. 6 . Ohrspiegelung ergibt keinen besonderen Befund. 

14. 6 . Acute Herzschwäche mit Schüttelfrost. 01. camph. 1,0; poritoncalo Reiz¬ 
erscheinungen im linken Hypochondrium. Eisblase. 

18. 6 . Coffein ausgesetzt; Puls ruhig; Milzdämpfung deutlich, desgl. Palpation. 
Diazo und Albumen negativ. 

19. 6 . Pat. ist fieberfrei, Milz noch fühlbar. 

23. 6 . Acute Herzschwäche; Coffein 0,25 (1 mal). Inf. Digit. 3 mal 1 Esslöffel. 

30 , 6 . Pat. dauernd fieberfrei; Puls immer frequent. Keine Milzdämpfnng mehr. 


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Albrecht Mortz, 


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8 . 7. Pat. steht auf, Puls noch leioht frequent. Stuhl und Urin negativ. 

15. 7. Pat. noch sehr blass. Bakteriologisch und klinisch von Typhus geheilt. 

18. 7. Der Puls setzt nach 3, auch 4 Schlägen 1 mal aus, Bettruhe. 

30. 7. Puls noch sehr frequent, aber regelmässiger. 

5. 8 . Dreimal wöchentlich ein kohlensaures Bad, 10 Minuten lang. 

Fall 4. Gustav M., geh. 17. 7. 1879, aufgen. ins Krankenhaus am 20. 5. 1913, 
entl. am 12. 7. 1913. 

Anamnese: Geringe Beschwerden seit Jahren durch einen Bronchialkatarrh, 
der bei Einsetzen der jetzigen Krankheit auch an Heftigkeit zunahm. Beginn der 
jetzigen Krankheit vor 3 Wochen mit Nackensteifigkeit, Kopfweh, Abführen und Ab¬ 
spannung (Mattigkeit). Leibschmerzen nicht vorhanden. Bei Beginn auch kein Schnupfen 
oder Herpes. 

Status praesens: 34jähr. Mann in mässigem Ernährungszustand. Sensorium 
frei. Mittelgrosser Mann. Puls deutlich dicrot, 96—100 in der Minute. Herztöne leise. 
Auf der ganzen Lunge hinten und vom ist Giemen und vereinzelt auch etwas Rasseln zu 
hören. Percussorisch keine Dämpfungen. Zunge etwas belegt mit weissem Belag, wird 
ruhig vorgestreckt. Keine Druckempfindlichkeit in der Bauchgegend, die Bauchdecken 
sind etwas angespannt. An einzelnen Stellen sind abklingende Roseolen zu sehen. Milz¬ 
dämpfung deutlich und vergrössert. Milz palpatorisch nachweisbar. Urin: Diazo negativ. 

Verlauf, Behandlung: 21. 5. Blutcultur: Typhus positiv, Widal negativ; 
Bronchitis. 

25. 5. Injection von 0,5 F. 1. 

26. 5. Injection von 1,0 F. 1. 

27. 5. Injection von 1,5 F. I. 

10. 6 . Stuhl: Typhus positiv, Widal sehr verdächtig 1 : 100 positiv. 

14. 6 . Widal verdächtig: Stuhl und Urin: Typhus positiv. 

18. 6 . Urin: Diazo und Albuinen (negativ). 

24.6. Urin und Stuhl; Typhus negativ. 

25. 6 . Seit dem 4. ist Pat. fieberfrei. Ein eintägiges Kecidiv am 14. Pat. steht 
seit dem 22. zwei Stunden täglich auf. 

30. 6 . Aufenthalt ausser Bett verlängert. 

8.7. Befinden dauernd gut. II. Form mit Fleisch. I. Form. Stuhl und Urin: 
Typhus (negativ), bakteriell genesen. 

12. 7. Geheilt entlassen. 

Fall 5 . Georg W., geb. 5.5.1878. Aufgenommen ins Krankenhaus am 5. 5. 1913, 
entlassen am 16. 8 . 1913. 

Anamnese: Früher nie ernstlich krank gewesen. Fühlt sich seit etwa 10.4. 
müde und arbeitsunlustig. Am 24.4. stärkeres Krankheitsgefühl (Frösteln, abwechselnd 
mit Hitzegefühl, Appetitlosigkeit, Mattigkeit). Seit 4 Tagen Durchfall. 

Status praesens: Prostration. Blasse Gesichtsfarbe, mittelgrosser Körperbau, 
reducierter Ernährungszustand. Temperatur erhöht, Puls regelmässig, frequent, weich, 
doch voll. Zunge: feucht und dick, weisslich belegt. Typische Typhuszunge. Leib 
weich, nicht druckempfindlich. Erbsenbreifarbene dünne Stühle. Milz palpabel, 
Dämpfung sehr vergrössert. Diazo: positiv; Typhusbacillen: positiv; Widal: positiv; 
Culturbacillen: positiv. 

Verlauf, Behandlung: Bettruhe, llüssigc Diät, Injection mit F. I. 

7. 5. 1. Impfung 0,5 F. 1. 

5. 5. 2. Impfung 1,0 F. 1. 

9. 5. 3. Impfung 1,5 F. I. 

20. 5. Starke Hinfälligkeit. 

27.5. Befinden wenig gebessert. Pulsus fre<juens. CoiTein 0,25, 3 mal täglich. 

6 . 6 . Inf. Digit., 3 mal täglich. 


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Uebor Vaccinetherapio des Typhus abdominalis usw. 


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14. 6. Seit dem 10. 6. fieberfrei. Die Herzsohwäche dauert an. 

18. 6. Diazo und Albumen negativ. Herz noch dauornd angegriffen (Digitaliscur). 

21.6. Stuhl und Urin: Typhus negativ. Milzdämpfung. Milz nicht fühlbar. 

24. 6. Pat. hat erbsenbreifarbenen Stuhl (Durchfall). 

30. 6. Milzdämpfung verschwunden. 

8 . 7. Pat. hat dauernd hohe Pulszahl. Stuhl und Urin: Typhus negativ, 2. Probe. 

15. 7. Status idens. Pat. steht auf (täglich 1—2 Stunden). 

18. 7. Seit 16. 7. abends Angina follicularis. Sohluckbeschwerden, Durchfall, 
Temperatursteigerung. 

24. 7. Die Beschwerden sind zurückgegangen. Die pathologischen Erscheinungen 
abgeheilt. Puls derselbe. 

29. 7. Beim Aufstehen bekommt Pat. Knöchelödem. 

5. 8. Dreimal wöchentlich ein kohlensaures Bad (10 Minuten). 

8 . 8. Die Knöchelödeme sind nicht mehr so stark wie früher. 

Fall 6 . Angela G., geb. 11. 3. 1883. Aufgenommen ins Krankenhaus am 
13. 9. 1913, entlassen am 30. 10. 1913. 

Anamnese: Pat. ist seit 3 Wochen krank. Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, 
Mattigkeit, Husten. Stuhl angehalten. Frühere Anamnese ohne Befund. 2 Partus. 

Status praesens: Gut genährte mittelgrosse Pat. Temperatur 39,4°. Auf 
beiden Lungen vorn wenig Rasseln. Husten hat schon nachgelassen. Abdomen weich. 
Darmschlingen mit Luft gefüllt. Verbreiterte Milzdämpfung, Milz gut fühlbar. Stuhl 
angehalten. Diazo positiv, Albumen negativ. Leukocyten 3600. Widal verdächtig! 

Verlauf, Behandlung: 19. 9. DreiInjectionensubcutanvonjeO,5F. 1. 

23. 9. Blut im Stuhl, Eisblase. 

24. 9. Höchste Tagestemperatur 39,7° C, ein Bad. 

25. 9. Höchste Tagestemperatur 39,5® C, ein Bad. 

26. und 27. 9. Ein Bad wegen hoher Temperatur. Milz gut palpabol. Keine 
Bronchitis. Der Stuhl ist seit 2 Tagen angehalten. Faulbaumrindcntcc. Darauf drei 
Stühle ohne Blut. 

30. 9. Leukocyten 8400. 

2. 10. Temperatur: grosse Remissionen zwischen 38,5 und 36,7. 

3. 10. Fieberfrei. Keine Beschwerden. 

5. 10. Klagt über Husten. Bronchitische Geräusche auf der Lunge zu hören. 
Liq. Ammon, anisat. 

7. 10. Kein Husten, kein Auswurf. 

12. 10. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 65 kg Gewicht. 

19. 10. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 70,2 kg Gewicht. 

26. 10. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

30. 10. Geheilt entlassen. 

Fall 7. Paul L., geb. 19.11.1894. Aufgenommen ins Krankenhaus am 20.9.1913, 
entlassen am 27. 10. 1913. 

Anamnese: Seit 16.9. erkrankt. Kopfschmerzen, Müdigkeit, Fieber, öfter ge- 
fröstelt. 

Status praesens: Pat. in benommenem Zustand, passive Bettlage. Gesicht 
gerötet, hohes Fieber. Erbsenbreistühle. Milzdämpfung deutlich, Milz palpabel. 
Albumen positiv, Saccharum negativ, Cylinder positiv, Diazo positiv, Widal positiv. 

Verlauf, Behandlung: 21.9. Blut: Typhus positiv. Fornetschor Impf¬ 
stoff 0,5. Diazo positiv. 

22.9. Leukocyten 4800. Zwei Bäder. Fornetscher Impfstoff 1,0. 

23.9. Fornetscher Impfstoff 1,5. 

27. 9. Bis heute immer noch hohe Temperatur. Es müssen fortgesetzt Bäder ge¬ 
geben werden, da die Temperatur über 39,5 steigt. 


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Al brecht Mertz 


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28. 9. Abfall der Temperaturen, 2mal 0,5 Euohinip. 

1. 10. Leukocyten 7000. Die Temperaturen bewegen sich zwischen 37 und 38°. 
Die Stühle sind nicht mehr so dünn, aber immer noch zahlreich. 

2. 10. Fieberfrei, keine Beschwerden. 

7. 10. Noch Milztumor. Befinden o. B. 

12., 19. und 26. 10. Stuhl- und Urinuntersuchung: Typhus negativ. 

27. 10. Geheilt entlassen. 

Fall 8. Maria P., geb. 7. 11. 1868. Tag der Aufnahme 2. 9. 1913. Tag der 
Entlassung 22. 10. 1913. 

Anamnese: Seit 22. 8. matt, leichte Kopfschmerzen; seit 24. 8. bettlägerig 
wegen Leibschmerzen. Keine Diarrhoen, kein Husten. Frühere Anamnese o. B. 

Status praesens: Pat. in massigem Ernährungszustand, Musculatur und Bau 
mittelmässig. Temp. 39,2°. Puls: kleine Dicrotie. Zunge wenig belegt. Deutliche 
Milzdämpfung, Milz fühlbar, lleocoecalgurrcn. Roseolen auf der Bauchhaut. Leib 
weich, nioht druckempfindlich. Stuhl und Urin: Typhus (negativ) (3. 9.), Albumen 
(negativ), Diazo positiv! Widal positiv. Leukocyten 5100. 

Verlauf, Behandlung: Bettruhe, flüssige Diät. 

2. 9. Subcutane Injection von 0,5 F. I. 

3. 9. Subcutane Injection von 1,0 F. I. Im Stuhl und Urin: Typhus nega¬ 
tiv. Leukocyten 5100. 

4. 9. Subcutane Injektion von 1,5 F. I. 

5. 9. Diazo positiv. 

11. 9. Milzdämpfung noch ausgeprägt. Milz nicht deutlich fühlbar. Leuko¬ 
cyten 4700. 

15. 9. Seit gestern abend ist das linke Bein ödematös. Umfang der Wade links 
35 cm, rechts 31 cm. (Thrombose einer Vene). Hochlagerung des Beines. Sonst 
Befinden o. B. 

16. 9. Subcutane Injection von 1,5 F. I. 

17. 9. Leukocyten 7500. 

19. 9. Erster fieberfreier Tag. 

25. 9. Schmeren im rechten Bein. Das rechte Bein ist in der Wadengegend ge¬ 
schwollen. Keine Verdickung zu fühlen. 0,5 ccm Morph, muriat. 2 pCt. 

26. 9. Auch heute noch starke Schmerzen im rechten Bein. 0,5 Morph, muriat. 
2 pCt. Feuchte Umschläge. 

29. 9. Die Beinsohmerzen lassen nach. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

2. 10. Pat. steht auf. 

4. 10. Schwellung in der rechten Knöchelgegend. Druckemplindlichkcit eben¬ 
dort. Feuchte Umschläge. 

6. 10. 2. Stuhl- und Urinprobe: Typhus negativ. 

13. 10. 3. Stuhl- und Urinprobe: Typhus negativ. 

22. 10. Geheilt entlassen. 

Fall 9. Henriette Sch., geb. 15. 6. 1900. Tag der Aufnahme 26. 9. 1913. 
Tag der Entlassung 3. 11. 1913. 

Anamnese: Seit 16 Tagen krank. Die Krankheit begann mit allgemeinem 
Mattigkeitsgefühl, Gliederschmerzen, Obstipation. Heute wird sie vom Arzt mit der 
Diagnose Typhus abdominalis eingewiesen. 

Status praesens: Kind in mittelmiissigem Ernährungszustand von blassem 
Aussehen. Temperatur 39,7°. Abdomen nirgends druckempfindlich. Milz vergrössert, 
palpabel. Faeces sehr dünn, erbsenbreifarbig. Stuhl: Typhus negativ, Bacillen positiv, 
Widal positiv. Urin: kein Kiweiss, kein Zucker, Diazoreaction positiv, Leukocyten 6600. 

Verlauf, Behandlung: 27.9. Bettruhe, 3. Form. Bäder von 34—28° bei 
Temperaturen über 39,5°. Blutuntersuchung: Typhus positiv, 


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lieber Vaccinetherapie des Typhus abdominalis usw. 


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28. 9. 2 Bäder. 

29. 9. Typhusimpfung 0,25 (geringere Dosen wegen des jugendlichen Alters 
der Pat.). Keine Reaction. Immer noch hohe Temperaturen. 1 Bad, Diazo positiv. 

30. 9. Ein Abscess am unteren Rand des Schulterblattes, der eröffnet wird. Es 
entleert sich gelber, zäher Eiter. Auch heute hohe Temperaturen. Bad. Am linken 
Auge am Oberlid und am Unterlid je ein etwa hühnereigrosser Abscess. Feuchte Um¬ 
schläge. Incision. 

1. 10. Heute Temperaturen über 40° C. 2 Bäder. 2. Typhusimpfung 0,6. 
Keine Reaction. Wegen der hohen Abendtemperaturen 0,3 Pyramidon. Leuko- 
cyten 6600. 

2. 10. Zustand unverändert. 3. Typhusimpfung 1,2. Hohe Temperatur. Bad. 

10. 10. Temperaturen gesunken. Das Allgemeinbefinden hat sich gebessert. 
Milz nioht mehr palpabel. 

J6. 10. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

19. 10. Pat. steht auf. 

21. 10. Immer noch Blepharitis: gelbe Salbe. 

23. 10. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

30. 10. Stuhl und Urin: Typhus negativ. Blepharitis abgeheilt. 

3. 11. Geheilt entlassen. 

Fall 10 . Marie W., geb. 25. 4. 1880. Tag der Aufnahme 13. 8. 1913. Tag der 
Entlassung 3. 11. 1913. 

Anamnese: Ende Mai bis Anfang Juni soll Pat. 8 Tage krank gewesen sein. 
Keine Durchfälle, nur Husten. Nach Angabe des hygienischen Institutes jetzt noch 
Widal ± 1 : 100. Kam jetzt ins Lazarett wegen Typhus. Gravida in mense III. 

Status praesens: Sehr kleine Patientin in reduciertem Ernährungszustand. 
Temp. 37°. Abdomen aufgetrieben (Gravidität). Keine Milzdämpfung. Diazo negativ, 
Albuinen negativ. Leukocyten 7000, Widal positiv 1 : 100. 

Verlauf, Behandlung: Indolente Pat. 

26. 8. Auf beiden Lungen ist hinten unten Rasseln zu hören, keine Dämpfung, 
kein Auswurf oder Husten. Subjectiv nihil. Plötzlicher Temperaturanstieg. Leichte 
Rötung der Tonsillen und des weichen Gaumens. Keine Durchfälle, keine vergrösserte 
Milzdämpfung. 

31. 8. Widal: Typhus positiv. 

2.9. Hämoglobin 55 nach Sahli. Pat. hat keine Beschwerden. Injection 
von 0,5 ccm F. I. 

3. 9. Injection von 1,0 ccm F. I. 

4. 9. Injection von 1,5 ccm F, I. Leukocyten 5200. 

8 . 9. Auf die Injectionen sind keine Reactionen erfolgt. Heute plötzlicher 
Temperaturanstieg. Objectiv nur leicht verbreiterte Milzdämpfung. Subjectives Be¬ 
finden gut, Diazo positiv. 

11.9. Leukocyten 4300. Das Thermometer zeigt trotz mehrfacher Controllc sub¬ 
normale Werte (!?). 

14. 9. Stuhl angehalten, sonst von normaler Consistenz. 

16. 9. Diazo positiv. Milzdämpfung wenig verbreitert. Stuhl angehalten. 
Subjectiv nihil. 

18. 9. Stuhl angehalten, Faulbaumrindentee. Die Temperaturen schwanken 
zwischen 35,5 und 36,5°. 

20. 9. Stuhluntersuchung negativ. 

27. 9. Stuhluntersuchung negativ. Typhus im Harn. 

30. 9. Gewicht 51,7 kg. Faulbaumrindentee. Stühle von normaler Consistenz. 

4. 10. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

11. 10. Stuhl: Typhus positiv. Urin negativ. 


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Alb recht Mort /,, 


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18. 10. Stuhl und Urin: Typhus negativ. Keinerlei Beschwerden. 

I. 11. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

II . 9. Geheilt entlassen. 

Fall u. Jakob St., geb. 10. 3. 1895. Tag der Aufnahme 5. 3. 1913. 

Anamnese: Seit etwa 8 Tagen krank. Allgemeine Beschwerden. Verstopfung. 
Hohes Fieber. Vor 2 Jahren hatte die Frau, bei der Pat. wohnt, Typhus, war damals 
Typhusträgerin. 

Status praesens: Massig genährter, mittelgrosser junger Mann in benommenem 
Zustand. Temp. 39,5°. Nirgends druckempfindlich. Keine Milzdämpfung. Zunge be¬ 
legt. Foetor ex ore. Kein Husten, auf der Lunge sind keine Geräusche zu hören. Al- 
bumen negativ, Saccharum negativ, Diazo positiv. Leukocyten 4800. 

Verlauf, Behandlung: Bettruhe, flüssige Diät. Bei Temperaturen über 39° 
Bäder von 32—28° C. 

5. 12. 0,5 F. 1. 

G. 12. 1,0 F.l. 

7. 12. 1,5 F. I. 

10. 12. Hohe Temperaturen. 2 Bäder täglich. Milzdämpfung kann nicht nach¬ 
gewiesen werden. Stuhl- und Urinuntersuchung: Typhus negativ; Blut: Typhus po¬ 
sitiv, Widal positiv. Leib aufgetrieben. Eisbeutel. 

14. 12. Die Temperaturen sind zur Norm gefallen. 

17. 12. DieTemperatur schwankt noch zwischen 37 und 38° C. Breiige Nahrung. 

23. 12. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

29. 12. Temperaturanstieg auf 39,7° C. Milzdämpfung. Diazo positiv. Wieder 
flüssige Diät. 

1.1.14. Temperatur wieder normal. Nirgends druckempfindlich. Milzdämpfung 
noch vorhanden. 

4. 1. Breiige Nahrung, da keine Typhuserscheinungen mehr da sind. 

5. 1. Temperaturanstieg auf 39,6° C. Diazo positiv. Milzdämpfung kann nicht 
nachgewiesen werden. Flüssige Diät. 

7. 1. Temperatur normal. Grosser Appetit. Allgemeines Wohlbefinden. 

11. 1. Breiige Nahrung, da Temperatur jetzt wieder normal ist und keine 
Typhuserscheinungen mehr vorhanden. 

Fall 12. Wilhelm H., geb. 1895. Tag der Aufnahme 12. 12. 1913. Tag der 
Entlassung 9. 1. 1914. 

Anamnese: Pat. wird in ziemlich benommenem Zustand eingeliefert. Er ist 
schon 8 Tage krank. Hatte zuletzt Allgemeinbeschwerden, dann Durchfälle und hohes 
Fieber. Es besteht Typhusverdacht. 

Status praesens: Nicht besonders kräftig entwickelter, mittelgrosser Mann. 
Sensorium benommen. Temp. 40,3°. Auf der Lunge sind keine Geräusche zu hören. 
Pat. hat Husten. Nirgends Druckempfindlichkeit. Milzdämpfung lässt sich nicht 
nachweisen. Es bestehen erbsenbreiförmige Durchfälle. Zunge belegt. Nahrungs¬ 
aufnahme sehr gering. Albumen und Saccharum negativ. Diazo negativ. 

Verlauf, Behandlung: Bettruhe, flüssige Diät. Bei Temperaturen über 39° 
Bäder von 32° auf 28° C. Impfung mit F. I. 

13. 12. 0,5 F. I. Die Benommenheit besteht fort. Hohe Temperaturen. Keine 
Milzdämpfung, Nackenstarre. 

14. 12. Auch heute hat sich im Zustand nichts geändert. Es wird eineLumbal- 
punction vorgenommen. Etwa 5 ccm Spinalflüssigkeit werden abgelassen. Druck 
120 mm. 1,0 F. I. 

15. 12. 1,5 F. 1. 

16. 12. Pat. ist heute stark benommen. Er lässt unter sich gehen. Der Stuhl 
hatte dunkelbraunes Aussehen. 


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17. 12. Keine Aenderung im Zustand. Hohe Temperaturen. Somnolenz. Kann 
den Stuhl auch heute nicht halten. 

19. 12. Blutiger Stuhl. Gelatineinjection. Keine Aenderungen im Zustand. 

22. 12. Pat. ist immer noch stark benommen, lässt unter sich gehen. Tempe¬ 
raturen bis über 40°. Milzdämpfung ist nicht nachweisbar. 

23. 12. Blutiger Stuhl wird entleert. 

25. und 26. 12. Blutiger Stuhl. 

30. 12. Keine Aenderung im Zustand. Füsse sind geschwollen. 

3. 1. 1914. Vorwölbung der rechten Brust. Dämpfung an dieser Stelle. Probe- 
punction ergibt blutig-seröse Flüssigkeit. 

4. 1. Aus dem rechten Ohr entleert sich Eiter. Die Gegend vor dem Ohr wölbt 
sich stark vor. Fluctuation an dieser Stelle ist nicht festzustellen. 

6 . 1. Im Zustand des Pat. ist nirgends eine Besserung zu bemerken. 

8 . 1. Puls sehr frequent und klein. Pat. ist moribund. 

9. 1. Exitus. 

Sectionsbefund: Weissliche Verfärbung der Dura auf der Scheitelhöho und 
von da abwärts beiderseits in einem Streifen, der annähernd der Art. men. med. ent¬ 
spricht. Subarachnoidealraum mit einer gelatinös-sulzigen Masse angefüllt, am stärk¬ 
sten in den oben erwähnten Partien, wo die Massen beinahe eine schwartige Be¬ 
schaffenheit annehmen. Vermehrte Flüssigkeit in der Schädelhöhle. Unter der linken 
Brustmusculatur Eiterherd, der mit der Brusthöhle communiciert. Herzbeutel: Etwa 
100 ccm blutige Flüssigkeit. Linke Lunge starke Verwachsungen mit der Brustwand. 
Es quellen eitrige Massen hervor. Nach Lösung der Verwachsungen reichlich trüb¬ 
seröse Flüssigkeit, etwa 6—700 ccm. Im rechten Pleuraraum serös-eitrige Feuchtig¬ 
keit. Auf der Lunge in den unteren Partien fibrinöse Beläge. Milz 12 : 8 : 2. Darm: 
Eine Reibe Substanzverluste (unteres lleum und Coecum), an denen nekrotische 
Massen nicht mehr zu bemerken sind. Die Ränder liegen überall an. 

Fall 13 . Jakob F., geb. 11. 10. 1873. Tag der Aufnahme 14. 12.13. 

Anamnese: Pat., der sehr benommen ist, wird vom Krankenhaus hierher über¬ 
wiesen. Er lag dort sohon 8 Tage krank. Er hat seit lOTagen hohes Fieber. Durch¬ 
fälle. Auf Fragen gibt er nur seht langsam Antwort. 

Status praesens: Kräftig gebauter Mann in gutem Ernährungszustände; Sen- 
sorium benommen. Zunge belegt. Temp. 40,2°. Keine Geräusche über der Lunge 
zu hören. Nirgends Druckempfindlichkeit. Keine Milzdämpfung. Durohfalle sind 
erbsenbreiförmig. Albumen negativ, Saccharum negativ, Diazo positiv. Leukocyten 3400. 

Verlauf, Behandlung: Bettruhe. Flüssige Diät. Bei Temperaturen über 
39° Bäder von 32° auf 28° C. Impfung mit 0,5 ccm Fornetschen Impfstoff. 

15. 12. Lumbalpunction. Es werden etwa 5 oem Spinalflüssigkeit abgelassen. 
Nackenstarre. Das Sensorium ist immer noch stark getrübt. Milzdämpfung kann man 
nicht feststellen. 0,5 ccm Fornetscher Impfstoff. 

16. 12. Keine Besserung im Befinden. Pat. lässt heute unter sich gehen. Tempe¬ 
raturen immer noch hoch. 2 Bäder. 

17. 12. Morgens geht mit dem Stuhl reichlich Blut ab. Gleichzeitig erfolgt Er¬ 
brechen. Der Leib ist aufgetrieben. Eisblase. Die Temperatur ist stark gesunken. 
Impfung mit 1,5 F. I. 

18. 12. Blutiger Stuhl wird heute wieder entleert. Gelatineinjection. 

21. 12. Blutiger Stuhl auch heute wieder. Sensorium stark getrübt. 

22. 12. Reichlich mit Blut vermischter Stuhl. Milzdämpfung ist nicht festzu- 
stellon. Pat. ist nicht bei Bewusstsein. 

24. 12. Keine Aenderung im Befinden. Puls sehr klein. 

25. 12. Exitus. 

Sectionsbefund: Schädel: harte Hirnhaut leicht getrübt. Subarachnoideal¬ 
raum besonders auf der Scheitelhöhe mit einer sulzigen Masse angefüllt. Bauchsitus: 



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Schwellung der Mesenterialdrüsen, im unteren lleum Serosa stellenweise gerötet und 
mit kleinen, hirsekorngrossen Auflagerungen, anscheinend fibrinöser Natur, bedeckt. 
Lungen: alte Schwielen. Rechts leichte Verwachsungen mit der Brustwand. Milz: 
12 : 7 : 4. Darm: im unteren lleum Geschwüre mit wallartig aufgeworfenen Rändern. 
Muscularis blossgelegt, an einigen Stellen gallig imbibierte Reste, besonders in der 
Gegend der Valvula Bauhini. Leber: etwas parenchymatöse Trübung. 

Fall 14 . Richard Z., geb. 29. 6 . 1899. Tag der Aufnahme 1. 4. 1914. Tag der 
Entlassung 15. 6 . 1914. 

Anamnese: Frühere Anamnese 0 . B. Die jetzige Krankheit begann am 24. 3. 
mit allgemeiner Schwäche, Fieber, Durchfällen. Wird heute mit der Diagnose Typhus 
eingewiesen. 

Status praesens: Gut genährter junger Mann. Sensorium benommen. Tem¬ 
peratur 38,7°. Puls regelmässig, beschleunigt, 4mal 30. Herztöne rein. Herzgrenzen 
normal. Abdomen weich, nirgends druckempfindlich. Milzdämpfung. Milz unter dem 
Rippenbogen palpabel. Leber nicht vergrössert. Es bestehen erbsenbreiförmige Durch¬ 
fälle. Im Stuhl: Typhus positiv. Urin klar. Albumen und Saccharum negativ. Diazo? 
Widal positiv. Leukocyten 4600. Reflexe normal, Zunge belegt. 

Verlauf, Behandlung: Bettruhe. 3. Form. Bei Temperaturen über 39° C 
Bäder von 34—32° C. 

4.4. Zustand unverändert. Fornet-Impfstoff 0,5. 

5.4. Typhusimpfstoff 1,0. 

6.4. Typhusimpfstoff 1,5. 

8 . 4. Die Temperaturen sind zur Norm abgefallen. Der bis heute benommene 
Pat. hat ein freies Sensorium. Milzdämpfung besteht noch. Leib weich. Die Durch¬ 
fälle sind geschwunden. 

11. 4. Keine Milzdämpfung mehr. Allgemeines Wohlbefinden. Pat. hat grossen 
Appetit. 2. Form. 

17.4. 1. Stuhl- und Urinuntersuchung: Typhus negativ. 

24.4. 2. Untersuchung Stuhl: Typhus positiv, Urin: Typhus negativ, Widal positiv. 

1. 5. Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

8 . u. 15. 5. Stuhl: Typhus positiv. Urin: Typhus negativ. 

18. 5. Pat. klagt über Erbrechen. 

20.5. Magenuntersuchung: Gesamtacidität 20, freie HCl. 

22.5. Stuhl: Typhus positiv. Urin: Typhus negativ. 

25. 5. Kein Erbrechen mehr. Allgemeines Wohlbefinden. 

29. 5., 5. u. 12. 6 . Stuhl und Urin: Typhus negativ. 

15. 6 . Geheilt entlassen. 

Wenn wir diese Fälle prüfen,inwieweit eine Beeinflussung des Krankheits¬ 
verlaufes durch den Fornetschen Impfstoff daraus entnommen werden kann r 
so kommen dafür in erster Linie drei in Betracht, die Fälle 7, 11 und 14. 

Alle drei bieten bei der Aufnahme ein ziemlich schweres Krankheitsbild 
und werden mit benommenem Sensorium eingeliefert. Am 2. bis 4. Tage 
nach der Impfung sinken die Temperaturen zur Norm ab, während gleichzeitig 
die Krankheit selbst einen subjectiv sehr leichten Charakter annimmt und 
in allen drei Fällen sehr kurz und sozusagen abortiv verläuft (bei Fall 11 
treten am 29. 12. und 5. 1. noch zweimal Steigerung auf 39,6° ein, am 
nächsten Tag aber kehrt die Temperatur wieder zur Norm zurück). 

In weiteren drei Fällen (4, 9, 10) tritt 3—5 Tage nach der Impfung 
eine deutliche Senkung der Temperaturkurve ein, die dauernd erheblich 
niedriger bleibt als vorher und allmählich in definitive Entfieberung über- 


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lieber Vaccinetherapie des Typhus abdominalis usw. 


241 


geht. Die Fälle 4 und 10 sind freilich erst Ende der 3. Woche ge¬ 
impft, so dass zeitlich schon sowieso ein Sinken der Temperatur zu er¬ 
warten war, und daher vorsichtig zu bewerten; bei Fall 9, dem der 
graviden Marie W., ist nicht ganz klar, ob im Mai wirklich eine leichte 
Erkrankung an Typhus bestand, die in ein latentes Stadium übergegangen 
und nun erst wieder exacerbiert war. 

Eine deutliche Beeinflussung der Temperaturkurven lässt sich in den 
übrigen acht Fällen nicht feststellen. Betont sei aber, dass bei Fall 6, der 
ein sehr schweres Krankheitsbild bot, so dass trotz der vorgeschrittenen Zeit 
der Versuch einer Besserung durch die Impfung gemacht wurde, sich nach 
mündlichem Bericht (in der Krankengeschichte leider nicht angegeben) eine 
auffallende subjective Besserung zeigte. Eine stärkere örtliche Schmerzhaftig¬ 
keit an der Injectionsstelle trat nur in Fall 2 auf. Im übrigen wurden alle 
Injectionen ohne irgend welche Beschwerden in dieser Hinsicht vertragen. 
Collapserscheinungen zeigten sich in den Fällen 2 und 5 als mögliche 
Folge der Impfung, immerhin bestand beim ersten gleichzeitig Pneumonie 
und der andere hatte schon bei der Aufnahme einen Puls von 130 in 
der Minute und zeigte später die Erscheinungen einer Myocarditis. 

Die letal endenden Fälle 12 und 13 können aus der Bewertung 
ausscheiden; beide kamen schon mit deutlichen meningitischen Erschei¬ 
nungen zur Aufnahme. Im ersten Fall lag neben dem durch die Section 
bestätigten Typhus Staphylokokkensepsis vor, der zweite Fall war gleich¬ 
falls von vornherein als hoffnungslos zu bezeichnen; ob die starken Darm¬ 
blutungen vielleicht teilweise auf Rechnung der Impfung gestellt werden 
können, bleibe dahingestellt. 

Kurz zusammengefasst möchte ich mein Urteil über das Resultat der 
therapeutischen Impfung mit dem Fornetschen Impfstoff bezüglich dieser 
14 Fälle dahin abgeben: das Material selbst ist, wie schon gesagt, für 
weitergehende Schlüsse zu klein. Ungünstig für die Beurteilung ist ebenso 
die meistens späte Impfung der Patienten. Immerhin ist es auffallend, 
dass drei Fälle, die nach dem klinischen Bilde bei der Aufnahme als 
mindestens mittelschwere anzusehen waren, nach der therapeutischen 
Impfung beinahe abortiv verlaufen sind. Auffallend und zu weiteren 
Versuchen ermunternd sind auch die zweifellos zu beobachtenden sub- 
jectiven Besserungen im Allgemeinbefinden, die einer Verminderung 
toxisch wirkender Krankheitseinflüsse zu entsprechen scheinen und am 
besten durch vermehrte Bildung von Bakteriolysinen und sofort an¬ 
schliessenden entgiftenden Abbau des Endotoxins zu erklären sind. (Diese 
subjective Besserung und der leichtere Verlauf wäre analog zu bewerten 
der in den Krankenberichten über trotz prophylaktischer Impfung aus¬ 
gebrochenen Typhus stets betonten leichten Art der Erkrankung, analog 
auch den Erfolgen in dieser Hinsicht bei Serumtherapie und anderen 
therapeutisch verwandten Behandlungsmethoden, z. B. mit Organextracten 
hoch immunisierter Tiere nach Jez.) 

Ein so negatives Urteil, wie es Allenbach nach 8 Fällen der Strass¬ 
burger medicinischen Klinik fällt — m. W. der einzife bisher in der 
Literatur veröffentlichte Bericht über therapeutische Versuche mit dem 
Fornetschen Impfstoff —, lässt sich aus meinen Fällen nicht ableiten. 

Zeitschrift f. exp. Psthologie u. Therapie. 17. Bd. Iß 


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242 Albrcciit Mortz, lieber Vacrinotherapio dos Typhus abdominalis usw. 


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Was speciell den Fornctschen Impfstoff angeht, so haben wir in ihm 
ein gut antigenes Vaccin vor uns, dessen Hauptvorzug die, auch nach 
anderen Berichten, sehr geringe Localreaction und dadurch angenehme 
Anwendung am Krankenbett bildet. Bei den zu weiteren Versuchen er¬ 
munternden Erfolgen der therapeutischen Vaccination beim Typhus ab¬ 
dominalis bildet er gerade deswegen ein angenehmes und brauchbares Product. 

Zum Schluss drängt es mich, meinem Vater für die Ueberlassung 
des Themas und seine Hilfe meinen herzlichsten Dank auszusprechen, 
ganz besonders aber auch Herrn Prof. Dr. Haendel (Director des König!. 
Instituts für Hygiene und Infectionskrankheiten zu Saarbrücken) für seine 
stets hilfsbereite, liebenswürdige Unterstützung durch praktische bakterio¬ 
logische Unterweisung ebenso wie durch Beratung bei Anordnung der 
Arbeit und Literaturnachweis ergebenst und herzlichst zu danken. 


Literatur-Nach weis. 

1. Kolle-Wassermann, Handbuch der pathogenen Mikroorganismen, insbes.Bd.3: 
W. Fornet, Immunität bei Typhus. (Dortselbst ausführl. Literatur-Verzeichnis.) 

2. Fornet, Ergebnisse und Probleme der Typhusforschung. Ergebnisse d. inneren 
Med. u. Kinderheilk. Bd. 11. (Ebenfalls mit ausführl. Literatur-Verzeichnis.) 

3. Derselbe, Ein neues, eiweissarmes Typhusvaccin. Verhandl. d. 15. Internat. 
Congresses f. Hygiene u. Demographie. 

4. Derselbe, Typhusentstehung, Typhusverhütung. Ebenda. 

5. Bulletin Office International d’Hygiene publique. Bd. 1910, 1911, 1912, 1913. 

6 . Annales de l’Institut Pasteur. 1913. Vol. 27. p. 607—611. 

7. Centralblatt für Bakteriologie. Referate. 1914. Bd. 60. 

8 . Eugen Fraenkel, Ueber specifische Behandlung des Typhus abdominalis. 
Deutsche med. Wochenschr. 1893. 

9. Pfeiffer u. Ko Ile, Ueber Schutzimpfung gegen Cholera und Typhus mit con- 
serviertem Impfstoff. Ebenda. 1898. 

10. G. Seifert, Active Immunität und negative Phase. Zeitschr. f. Hygiene u. In- 
fectionskrankh. 1912. Bd. 71. 

11. Lenard, Studien über die Wirkung des Typhusimmunserums bei der intra¬ 
peritonealen Typhusinfection des Meerschweinchens. Ebenda. 1911. Bd. 68. 

12. Förster, Quantitative Untersuchungen über die agglutinierende und baktericide 
Wirkung des Blutserums von Typhuskranken und -Reconvalescenten. Ebenda. 
1897. Bd. 24. 

13. Petruschky, Versuche zur spec. Behandlung des Typhus abdominalis. Ebenda. 
1902. Bd. 40. 

14. Allenbach, Zur Vaccinetherapie des Typhus abdominalis. Münchner med. 
Wochenschr. 1914. Nr. 18. 

15. Pfeiffer-Bessau, Ueber die Grundlagen einer Serumtherapie des Typhus ab¬ 
dominalis. Ebenda. 1912. S. 1895. 

16. Flügge, Lehrbuch der Hygiene. 

17. H. Dieudonne, Immunität, Schutzimpfung, Serumtherapie. 1913. 

18. lt. Kraus, Immunität, Immunodiagnostik und -therapie. Spec. Pathol. u. Therap. 
innerer Krankhf Herausg.: Kraus u. Brugsch. Bd. 2. S. 1. 


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XVIII. 


Aus dem Roten Kreuz-Spital in Budapest 
(Director: Privatdocent Dr. Bela von Imredy). 

Die Opsiurie. 

Von 

Oberarzt Dr. Ludwig v. Szöllösy. 

Der Satz Rosenbachs, den er bezüglich der Herzkrankheiten als 
erster aussprach, nämlich dass es für den Arzt weniger die Art der Er¬ 
krankung, als viel eher die Leistungsfähigkeit der Herzmusculatur in 
Betracht kommt, hat sich allmählich auf weitere Gebiete der Diagnostik 
erstreckt. Wir können uns noch sehr gut an jene Richtung erinnern, 
die vor allem bestrebt war, den pathologisch-anatomischen Veränderungen 
bei den einzelnen Krankheiten sozusagen schon in vivo nachzuforschen, 
und die Umwandlung, wodurch die pathologisch veränderte Function der 
Organe in den Vordergrund geschoben wurde, zu erkennen, war das 
eigentliche Hauptziel unseres Strebens. Freilich handelt cs sich heute 
nicht darum, die pathologische Anatomie ihrer alten Würde zu berauben, 
nur hat sich ihr Wert gewissermassen verschoben, durch die neugewon¬ 
nenen Werte einer functionellen Diagnostik ergänzt. Die Functions¬ 
prüfungen des Herzens haben sich besonders seit der genaueren Aus¬ 
bildung der polygraphischen und clektrocardiographischen Methoden 
beinahe zu einer neuen, selbständigen Wissenschaft ausgebildet. Die 
functionelle Diagnostik des Verdauungsapparates, die seinerzeit mit dem 
bescheidenen Einführen der Magensonde begann, umgreift jetzt ein nahezu 
unübersehbares, buntes Feld, und so erging es auch mit dem uropoeti- 
schen System. In letzter Hinsicht gehören ja auch die sogenannten 
biologischen Methoden auf dieses Blatt. 

Verhältnismässig spät, aber umso intensiver begann man sich mit 
der Leber in diesem Sinne zu beschäftigen, und in den letzten Jahren 
erschien eine grosse Reihe hervorragender Arbeiten, die eine nähere 
Einsicht in die Mechanik der Lebertätigkeit zu gewähren bestrebt waren. 
Merkwürdigerweise beschäftigte man sich beinahe immer nur mit dem 
Leberparenchym. Die Rolle der Leber im Kohlehydratstoffwechsel steht 
auch heute noch im Vordergrund; die Belastungsproben mit Lävulose, 
Dextrose, Galaktose, dann auch die Controllprobcn auf die Glykuron- 
säurepaarung, all die Methoden geben uns nur über das Leberparenchym 
Aufschluss. Es mag ja auch richtig sein, dass das eigentliche Drüsen¬ 
gewebe als das wichtigere und gleichzeitig auch interessantere angesehen 
wird, — immerhin aber handelt es sich um ein Organ, dessen Intcr- 
stitium eine weitaus compliciertcre Aufgabe erfüllen muss, als einfach 
als Stützgewebe für das Parenchym zu dienen. Es ist eine alte Erfah¬ 
rungstatsache, dass der portale Kreislauf eng mit dem Leberinterstitium 
verknüpft ist, und was dieser Kreislauf für den gesamten Verdauungs- 

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Ludwig v. SzÖllosy 


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apparat bedeutet, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Die 
Schlüsse aber, die aus eventuellen Störungen im Portalgebiet unter Um¬ 
ständen gezogen werden dürfen, reichen oft weit über die Grenzen der 
engeren Pathologie der Digestionsorgane hinaus. 

Die ersten Versuche, die in dem Sinne einer Functionsprüfung des 
Leberinterstitiums von einigen französischen Autoren (unter denen ich vor 
allen Gilbert, Villaret und Lercboullet nennen muss) angestellt 
wurden, sind gleich am Anfang dieses Jahrhunderts veröffentlicht worden. 
Es ist fast staunenswert, wie wenig Wiederklang diese so einfachen und 
doch so sinnreichen Untersuchungen fanden, — nicht bloss in Deutsch¬ 
land, sondern auch in Frankreich selbst. Ihre Methodik ist überhaupt 
die einfachste, die man sich denken kann, und wenn auch die Resultate 
nicht unfehlbar sind, so verdienen sie doch mitunter einen gewissen Rang 
in der Reihe jener vielen Einzelheiten, worauf sich eine Diagnose auf¬ 
bauen lässt. Die französischen Forscher beschränkten sich aber fast 
ausschliesslich auf die Untersuchung leberkranker Individuen, und so 
konnten sie eine gewisse Einseitigkeit in ihren Schlüssen nicht vermeiden. 
Ich nahm mir vor, eine Reihe von Patienten ohne Rücksicht auf ihr 
Leiden dem sogenannten opsiurischen Versuch zu unterziehen. Die fol¬ 
genden Blätter sollen sowohl über diese Versuche, als überhaupt über 
die ganze Frage Bericht erstatten. 

Das Wort Opsiurie bedeutet (Jnpiog = verspätet, langsam) die Ver¬ 
zögerung in der Urinausscheidung. Diese Verzögerung muss nicht mit 
einer Verminderung der Urinmenge verbunden soin: die Oligurie und die 
Opsiurie können zwar nebeneinander, aber auch einzeln auftreten. Wenn 
wir die Sache ganz schematisch darstellen wollten, so können wir Fol¬ 
gendes sagen: Vom allgemeinen Flüssigkeitsmangel des Organismus ab¬ 
gesehen, muss die Oligurie als eine Störung der spezifischen Nierentätig¬ 
keit aufgefasst werden. Diese Störung besteht in der mehr oder weniger 
continuierlichen Herabsetzung der Urinausscheidung. Was die Ursache 
dieser renalen Störung ist, — ob eine Nephritis, ein Herzleiden mit der 
damit verbundenen Stauung in den Nieren, eine vorübergehende Erkran¬ 
kung des Nierenparenchyms, oder eine der anderen zahlreichen Ursachen, 
kommt dann in zweiter Reihe in Betracht. Was wir dagegen unter 
Opsiurie zu verstehen haben, lässt sich am besten durch folgenden 
Versuch erklären: Wenn ein normaler Mensch nach einer grösseren Pause 
(etwa 12—18 Stunden) eine grössere Menge Flüssigkeit zu sich nimmt, 
so steigt bei ihm die Urinausscheidung schon im Laufe der nächsten 
Stunde in die Höhe, erreicht ihren Gipfelpunkt etwa nach zwei Stunden 
und sinkt dann allmählich wieder. Wir haben eine experimentelle 
Polyurie ausgelöst, deren Bedeutung für die Pathologie der Nieren schon 
vielerseits betont wurde. Nun kommt es aber in einer grossen Zahl der 
Fälle vor, dass die Harnabsonderung nur langsam, beinahe träge zu¬ 
nimmt und der Höhepunkt der Secretion erst viel später eintritt. Dabei 
können die Nieren vollkommen normal functionieren. Der wesentliche 
Unterschied zwischen Oligurie und Opsiurie ist eben dieses: die Oligurie 
hat meistens ihre localen Gründe in den Nieren selbst, die Opsiurie da¬ 
gegen kann oft bei durchaus gesundem uropoetischem System auftreten. 


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Die Opsiurie. 


245 


Wenn man die ausgeschiedenen Urinmengen bei dem geschilderten 
Versuch graphisch darstellt, so ergibt sich für die normale Mehrzahl eine 
Gurre, die steil hinaufgeht und ihren höchsten Punkt etwa am Ende der 
zweiten Stunde erreicht; — in den letztgenannten (opsiurischen) Fällen 
hingegen ist die Curve flach und ihr höchster Wert entfernt sich vom 
Ausgangspunkt um mehrere Stunden. Dieses Symptom heisst Opsiurie. 

Was nun seine Wertung anbelangt, so müssen wir die normalen 
physiologischen Vorgänge betrachten, die sich nach Ein verleiben einer 
grösseren Menge möglichst indifferenter Flüssigkeit im gesunden Orga¬ 
nismus abspielen. Es kann sich natürlicherweise nur um das gewöhnliche 
Trinkwasser handeln. Wenn auf nüchternen Magen Wasser getrunken 
wird, verlässt es den Magen ziemlich rasch und wird eigentlich nur vom 
Dünndarm aus resorbiert. Wir wissen, dass die resorptive Fähigkeit der 
Magenschleimhaut so gut wie ganz vernachlässigt werden kann. Die re¬ 
sorbierte Wassermenge kommt in den portalen Kreislauf hinein und muss, 
um in die Vena cava inf. zu gelangen, erst mit dem Pfortaderblut durch 
die Leber filtriert werden. Von hier aus gelangt sie in das Herz, und 
nur nachdem sie den kleinen Kreislauf passiert hat, kann sie auf dem 
Wege des grossen arteriellen Kreislaufes zu den Nieren geführt und hier 
ausgeschieden werden. 

Freilich ist dieser Weg nicht so schematisoh-einfach, wie wir ihn soeben ge¬ 
schildert haben. Tuffier und Lejars und später Gilbert und Villaret haben in 
einer Reihe sohöner und einwandsfreier Versuche bewiesen, dass die Vena portae 
unter anderen Verbindungen auoh mit der Corticalsubstanz der Nieren ständige 
Anastomosen hat, die sie als Anastomoses capsulo-mesaraiques, noch richtiger als 
Anastomoses porto-renales bezeichnet haben. Welche Bedeutung diese Verbindungen in 
einzelnen Fällon gewinnen können, darauf werden wir später noch kurz zurückkommen. 
Einstweilen wollen wir noch bei den klaren, einfachen Verhältnissen bleiben und die 
Anastomosen, die ja sowieso eine untergeordnete Rolle spielen, ausser acht lassen. 

Wenn wir nun den vorhin geschilderten Weg des getrunkenen Wassers 
in seinen einzelnen Abschnitten analysieren, so ergibt sich, dass die Ur¬ 
sache der Opsiurie schon deshalb äusserst mannigfach sein kann, weil 
sie in einem jeden Abschnitt des Weges angenommen werden darf. Hier 
liegt, meiner Ansicht nach, vielleicht der einzige grosse Fehler, den die 
französischen Autoren begangen haben. Sie haben sich allzusehr für die 
Rolle der Leber und des portalen Kreislaufes interessiert, und daher jene 
gewisse Einseitigkeit in der Auffassung des Symptoms. Um seine Be¬ 
deutung richtig beurteilen zu können, muss man die versuchshalber ge¬ 
nossene Wassermenge auf ihrem Wege weiter verfolgen, — vom Oeso¬ 
phagus bis zu den Nieren. 

Dieses war der leitende Gedanke meiner Versuche. Der Gang der 
Untersuchungen war stets ungefähr derselbe, den Gilbert und Lere- 
boullet als ihre vereinfachte Methode angegeben haben: die Patienten 
erhielten ihr Nachtmahl um 7 Uhr abends und durften nachher keine 
Flüssigkeit mehr zu sich nehmen. Am darauffolgenden Tage um 7 Uhr 
früh, also 12 Stunden später, mussten sie ihre Blase entleeren und er¬ 
hielten gleichzeitig 1 / 2 Liter gewöhnlichen Trinkwassers, sonst aber gar 
nichts, und durften auch bis mittags 12 Uhr weder essen, noch trinken. 


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Original fro-m 

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24 ß 


Lud wig v. Szöllösy, 


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Pünktlich nach jeder Stunde wurden sie zu urinieren aufgefordert, die 
stündlichen Harnmengen sind sofort abgemessen worden, und zwar um 8, 
9, 10, 11 und 12 Uhr. Damit war der Versuch beendet. Er ist so 
einfach und so harmlos, dass man ihn ohne weiteres auch in der Privat¬ 
praxis anwenden kann, — wenigstens bei Leuten, die intelligent genug 
sind, die ärztlichen Anweisungen pünktlich einzuhalten und die Urin¬ 
messungen zu machen. Die chemische Untersuchung des so gewonnenen 
Urins ist nur in gewissen speciellen Fällen erforderlich, sonst kann sie auf 
die gewöhnliche Weise, bei Aufnahme des Status praesens gemacht werden. 

Gilbert und Lereboullet verfolgten das Schicksal des getrunkenen Wassers 
eigentlich 6, sogar 7 Stunden lang. Ich bin bald zur Ueberzeugung gekommen, dass 
die 5 Stunden vollkommen genügen: was sich überhaupt aus der Untersuchung her- 
ausstellen kann, das sieht man in dieser Zeit klar genug. Ein längeres Hinausdehnen 
des Versuches, mit dem damit verbundenen Fasten und Dursten, könnte manchen 
Kranken zur Last fallen und wäre ausserdem durchaus zwecklos. Noch viel eher Fällt 
dieser Umstand bei der ursprünglichen Anordnung des Versuches ins Gewicht: der 
Patient stand 24 Stunden lang in Beobachtung, ohne etwas zu trinken, und die Urin¬ 
mengen sind vierstündlich abgemessen worden. Als wissenschaftliches Experiment 
mag dieses Verfahren seine Berechtigung haben, aber wenn eine Untersuchung, die 
noch dazu nicht über Leben und Tod entscheiden kann, zum Gemeingut der Dia¬ 
gnostik werden will, so muss sie zur möglichst grössten Einfachheit trachten. Die 
französischen Forscher geben übrigens selbst zu, dass die lange, 24stündige Methode 
so gut wie gar nichts dem abgekürzten Verfahren voraus hat. 

Der Gang der nachfolgenden Erörterungen wird der oben angegebene 
sein: ich werde trachten, die von mir untersuchten Fälle in jener Reihen¬ 
folge zu analysieren, die dem schon früher erwähnten schematischen 
Wege des getrunkenen Wassers entspricht. Vor allem schicke ich zwei 
normale Beispiele voraus, um eine Richtschnur zur Beurteilung der pa¬ 
thologischen Bilder zu haben: 

Tabelle 1. 


Nr. 

Name 
und Alter 

Diagnose 

Urinmenge 

8 ! 9 | 10 

| 11 | 12 

Uhr 

1 

2 

M. J., 26 J. 
E. G., 31 J. 

Sine morbo. 

Sine morbo. 

90 

80 

170 

150 

90 

90 

40 

45 

25 

20 


Der Verlauf der Harnsecretion entspricht demnach jenem Typus, 
der schon von den französischen Forschern für die Norm angegeben 
wurde. Die Ausscheidung des getrunkenen Wassers steigt ziemlich rasch 
in die Höhe, sie erreicht ihren Höhepunkt etwa gegen das Ende der 
zweiten Stunde und nimmt dann allmählich, jedoch verhältnismässig 
noch immer steil genug, ab. Diesen Typus der Secretiofiswerte werden 
wir in den weiter unten raitgeteilten Tabellen noch öfters sehen; ich 
wählte von den mir zur Verfügung stehenden normalen Fällen nur diese 
beiden heraus, um die Zahl der Einzelheiten nicht unnötig zu vermehren. 
Ich weise noch auf die Nummern 3, 5, 6, 7, 8, 15, 16, 31 usw. hin. 

Es sind zwei Erscheinungen, die ich jetzt schon betonen möchte 
und die noch zum normalen Bilde gehören. Die erste ist jene Eigen- 


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Die Opsiurio. 


247 


artigkeit, dass in manchen gesunden Fällen das ausgeschiedene Urin- 
quantura mehr als l / 2 Liter, also mehr als die Menge des getrunkenen 
Wassers beträgt. Wenn dieses Phänomen constant wäre, so könnte man 
dasselbe leicht dadurch erklären, dass die Urinmengen, die infolge des 
Wassertrinkens secerniert werden, sich einfach zu jenem Quantum ad¬ 
dieren, das auch sonst abgesondert würde. In der Mehrzahl der normalen 
Fälle geschieht es aber nicht so: meistens finden wir Werte unter 500 ccm. 
Sicher ist die Sache mit den Schwankungen des Blutdruckes in Zusammen¬ 
hang; die vergleichenden Untersuchungen aber, die zu einer näheren Be¬ 
sprechung dieser Frage erforderlich wären, stehen mir nicht zur Verfügung. 

Die andere Bemerkung bezieht sich auf die eventuelle Verschiebung 
des Höhepunktes der Urinmengen. Der grösste Wert entspricht meistens 
der zweiten Stunde, aber nicht selten fällt er mit der ersten, eventuell 
mit der dritten Stunde zusammen, ohne dass dabei irgend eine patho¬ 
logische Veränderung anzunehmen wäre. Wir müssen bedenken, dass es 
ja gewisse Schwankungen im Normalen gibt: streng abgegrenzte Zeit¬ 
punkte gehören nicht zum Werkzeug eines lebenden Organismus. Ausser¬ 
dem darf nicht vergessen werden, dass diese Unterschiede keine wirkliche 
Verschiebung von einer Stunde bedeuten: vielleicht sind die letzten 
15 Minuten der ersten, oder die ersten 15 Minuten der dritten Stunde 
ausschlaggebend. 

Das erste Hindernis, das sich der einverleibten Flüssigkeit ent¬ 
gegenstellen kann, dürfte unter Umständen in der Speiseröhre oder an 
der Cardia sein, im Sinne von Schlingbeschwerden, die den Durchtritt 
des Wassers in den Magen erschweren. An und für sich hat die Opsiurie 
in solchen Fällen nur eine sehr untergeordnete diagnostische Bedeutung, 
da wir in den meist so charakteristischen subjectiven Symptomen, in der 
Sondenuntersuchung, und vor allem in den Röntgenstrahlen fast sichere 
Hilfsraethoden besitzen. Immerhin teile ich in Tabelle 2 die beiden Fälle 
mit, die ich zu beobachten Gelegenheit hatte. 


Tabelle 2. 



Name 

und Alter 



Urinmenge 


Nr. 

Diagnose 

8 

i » 

1 io 

1 11 ' 

12 





Uhr 



3 

H. G., 43 J. 

Diverticulum oesophagi. — Geringgradiges 
Passagehindernis. 

80 

100 

50 

i 

1 

30 

20 

4 

M. B., 35 J. 

Beinahe absolutes Passagehindernis der 
Cardia. 

0 

20 

0 

30 | 

1 : 

0 


Nr. 3 (Diverticulum oesophagi) bietet nichts Bemerkenswertes: der 
Typus ist durchaus normal, und aus den beiden ersten Werten lässt sich 
vermuten, dass der Höhepunkt der Urinsecretion dem Anfang der zweiten 
Stunde entspricht. Die Gesamtmenge betrug 280 ccm, also mehr, als 
dass auf eine wesentlichere Retention des getrunkenen Wassers im Oeso- 
phagusdiverticulura gefolgert werden dürfte. Nr. 4 zeigt dagegen ein 
selten hochgradiges Bild der Opsiurie, mit stark ausgesprochener Oligurie 
verbunden. Die Ursache lag an der Cardia selbst, die infolge eines 
nervösen Krampfes beinahe absolut verschlossen war. Die getrunkene 


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248 Ludwig v. Szöllösy, 

Flüssigkeit sammelte sich im colossal erweiterten Oesophagus an, sickerte 
nur sehr langsam in den Magen hinein, und so konnte sie auch zu 
keinerlei typischen secretorischen Erscheinungen führen. Die Oligurie ist 
gleichsam auf einen allgemeinen Flüssigkeitsmangel des Organismus 
zurückzuführen. (Seinerzeit habe ich diesen Fall in der Deutschen med. 
Wocbenschr., 1913, Nr. 46 mitgeteilt.) 

Kaum anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn die getrunkene 
Wassermenge in den Magen angelangt ist., Es ist eine alte Erfahrungs¬ 
tatsache, dass der Magen für die Flüssigkeiten kaum mehr als ein 
Reservoir ist: von einer resorptiven Tätigkeit im wahren Sinne des 
Wortes kann hier nicht gesprochen werden, am wenigsten in unseren 
Versuchen, wo es sich um das osmotisch beinahe indifferente Wasser 
handelt. Wie oft ist darauf hingewiesen worden, dass eben Kranke, die 
an hochgradiger Mageninsufficienz leiden, durch ein peinliches Durstgefühl 
gequält werden, obgleich ihr Magen gleichzeitig mehrere Liter Flüssigkeit 
enthält. Dementsprechend kann auch von einer eventuellen Störung der 
Magenresorption nicht die Rede sein. Was uns aber umsomehr inter¬ 
essieren muss, das ist der Uebertritt des Wassers in das eigentlich 
resorbierende Organ, in den Dünndarm, kurz: die motorische Tätigkeit 
des Magens. 

Tabelle 3. 






Urinmenge 


Nr. 

Name 
und Alter 

Diagnose 

8 1 

9 1 

10 | 

1 n i 

| 12 





Uhr 



5 

St. B., 25 J. 

Geringgradige Gastroptose, sonst normale 
Verhältnisse. 

190 

375 

100 

170 

90 

6 

T. K., 62 J. 

Starke Gastroptose, keine Stauung im 
Magen. 

90 

110 

130 

20 

0 

7 

G. L., 30 J. 

Massige Gastroptose, sonst normale Ver¬ 
hältnisse. 

30 

230 

! ioo 

45 j 

1 

20 

8 

V. B., 50 J. 

Hochgradige, atonische Magenerweiterung, 
ohne Stauung. 

100 

280 

80 

40 | 

i 

20 

9 

Sz.Gg., 48 J. 

Carcinoma ventriculi, ohne Stauung oder 
Dilatation. 

40 

200 

140 

30 

30 

10 

K. A., 31 J. 

Enteroptosis' universalis, keine Stauung 
im Magen. 

50 

125 

75 

20 

35 


Was zuerst Tabelle 3 betrifft, so sind hier 6 Fälle von mehr oder 
weniger hochgradiger Gastroptose dargestellt, die aber alle keine nennens¬ 
werte Störung der Magenentleerung aufwiesen, trotz der ziemlich deutlichen 
subjectiven Beschwerden (Völle, Magendruck, epigastriale Schmerzen usw.). 
Die ganze Tabelle kann schlechthin als normal betrachtet werden, zum 
Zeichen dafür, dass es bei der opsiurischen Probe nur auf die motorische 
Tätigkeit des Magens ankommt, soweit wir dieses Organ mit in Betracht 
ziehen wollen. So waren auch die Werte in Fall 9, wo es sich um einen 
ziemlich vorgeschrittenen Magenkrebs handelte, der aber keine Ent¬ 
leerungsstörungen verursachte, durchaus der Norm entsprechend. Es war 
dem Röntgenbilde nach ein Cancer en cuirasse, so dass eine Magen¬ 
resorption wirklich nicht angenommen werden durfte: es kam lediglich 
nur auf die Entleerung des Magens an, welche hier ungestört war. 


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l)io Opsiurie. 


249 


Noch deutlicher kommt dies zur Geltung, 
analysieren. 


Tabelle 4. 


wenn wir Tabelle 4 



Name 
und Alter 



Urinmenge 


Nr. 

Diagnose 

8 1 

9 i 

1 io | 

11 1 

1 12 





Uhr 



11 

F. J., 30 J. 

Gastroenterostomie nach Ulcus pylori. Kein 
Pylorusverschluss. Circulus vitiosus. 

25 

60 

35 

■ 

20 

0 

12 

G. V., 56 J. 

Carcinoma ventriculi, sehr grosse Stauung 
im Magen. 

0 

0 

0 

1 

i o 

0 

13 

S. S , 44 J. 

Verosimiliter Carcinoma ventr. Hochgradige 
Magenatonie und Dilatation. Stauung. 

11 

12 

15 

22 

20 

14 

A. F., 31 J. 

Magenerweiterung und Stauung infolge 
Ulcusnarbe am Pylorus. 

25 

25 

30 

35 

15 


Der erste der hier angegebenen Fälle betrifft eine Patientin, bei der 
infolge eines Pylorusgeschwürs (das aber ursprünglich zu keiner musculären 
Insufficienz führte) die Gastroenterostomie vorgenommen wurde, ohne 
gleichzeitige Ausschaltung des Pylorus. Bald nach der Operation stellten 
sich die Symptome eines Circulus vitiosus ein; der opsiurische Versuch 
ergab das Bild einer ausgesprochenen Oligurie, und viel weniger jenes 
der wahren Opsiurie. Der Typus der Harnsecretion steht dem gesunden 
Bilde ziemlich nahe, aber die einzelnen Werte sind so niedrig, dass sie 
graphisch dargestellt eine flache Curve ergeben würden. (Zwischen 10 und 
11 Uhr Erbrechen, daher vielleicht der niedrige Wert um 11 und der 
O-Wert um 12 Uhr.) Ein Circulus vitiosus bedeutet zwar für das Leben 
des Patienten ungefähr dasselbe, was ein absoluter Pylorusverschluss, 
aber im opsiurischen Versuch ergibt sich ein grosser Unterschied zwischen 
Fall 11 und den anderen 3 von Tabelle 4. Der Circulus vitiosus setzt 
notwendigerweise voraus, dass ein Teil des Mageninhaltes in den Dünn¬ 
darm hineingelangt. Wenn auch seine Verweildauer eine sehr kurze ist, 
da er wieder in den Magen zurückkommt, so bedeutet diese Zeit für ein 
vorwiegend resorbierendes Organ doch etwas, und ein Teil der Flüssigkeit 
kann zur Aufsaugung gelangen. Die Oligurie selbst ist schon durch das 
häufige Erbrechen und den damit verbundenen Flüssigkeitsverlust hin¬ 
reichend erklärt, für eine Opsiurie, also für eine Verzögerung der Harn¬ 
secretion liegt aber gar kein Grund vor. 

Anders gestalten sich die Verhältnisse in den übrigen 3 Fällen. 
Nr. 12 kann hier am schnellsten abgefertigt werden: die motorische In¬ 
sufficienz des Magens erreichte einen beinahe absoluten Grad, so dass 
der stark kachektische Patient, um den es sich handelte, während der 
5 Stunden des Versuches keinen Tropfen Urin absondern konnte. Die 
zwei letzten Fälle gehören gewissermassen in dieselbe Kategorie: überall 
eine sehr deutliche Störung des Uebertrittes des Mageninhaltes in den 
Darm. Die gewonnenen Resultate sprechen eigentlich nicht nur für 
Opsiurie, sondern auch für eine gleichzeitige Oligurie. Diese Erscheinung 
lässt sich aus jenem Umstand erklären, dass das Uebertreten des ge¬ 
trunkenen Wassers in den Dünndarm nur allmählich geschieht, es er¬ 
streckt sich auf einen viel längeren Zeitabschnitt, als beim gesunden 


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250 


Ludwig v. Szöllösy, 


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Menschen. Wir müssen uns die Verhältnisse folgenderweise vorstellen: 
Wenn sich der gesunde Magen binnen einer kurzen Zeit in den Dünn¬ 
darm entleert hat, wird der Organismus von der resorbierten Wassermenge 
wie überschwemmt, so dass die Nieren mit einer rasch gesteigerten 
Tätigkeit das gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen trachten. Wenn 
aber die Entleerung des Magens durch irgendwelche Verhältnisse stark 
gehemmt ist, dann gelangt das Wasser nur allmählich in den resorbierenden 
Dünndarm, und die gewöhnliche, ruhige Function der Nieren genügt, um 
einer Ueberschwemmung der ßlutbahn mit Wasser vorzubeugen. Dass 
es doch zu einem Höhepunkt der Urinausscheidung kam, und zwar in 
beiden Fällen erst in der vierten Stunde, das würde so viel bedeuten, 
dass die Musculatur des Magens etwa in der dritten Stunde die grössten 
Anstrengungen machte. Wie wenig Erfolg diese Anstrengungen hatten, 
das zeigt sich eben in den opsiurischen Werten am besten. Und gleich¬ 
zeitig liefert der opsiurische Versuch auch einen Beweis dafür, dass der 
Magen kein Wasser zu resorbieren fähig ist. Dies deckt sich voll¬ 
kommen mit jenem Satz, den Boas in der Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte in Wien vor 2 Jahren so klar formuliert hat: 
24stündige Urinmengen, die bei regelmässiger Messung wesentlich unter 
1000 liegen, zeigen einen hohen Grad von Pylorusstenose an, und umgekehrt. 

Das Wichtigste aber, was aus dem Vorhergesagten gefolgert werden 
darf, ist der practische Wert des opsiurischen Versuches, wenn es sich 
darum handelt, die verzögerte Entleerung des Magens festzustellen, oder 
eine organische Pylorusstenose von einem Pylorospasmus zu unterscheiden. 
Dort, wo wir den Patienten radiologisch untersuchen können, brauchen 
wir natürlich die opsiurische Probe nicht; wenn aber — was doch in 
der alltäglichen Praxis weitaus häufiger der Fall ist — die Röntgenoskopie 
aus irgend einem Grunde unmöglich ist, so kann uns dieser ganz einfache 
Versuch wertvolle Dienste leisten. Dass die motorische Insufficienz des 
Magens die Ursache der Opsiurie sein kann, haben wir soeben besprochen. 
Wir können nun den Versuch, wenn es sich um die Frage handelt, ob 
diese Insufficienz organischer oder functioneller Natur ist, wiederholen, 
und zwar nach subcutaner Papaverininjection. Es ist röntgenologisch 
bewiesen, dass das Papaverin die spastische Contractur aufhebt, und so 
muss eine Opsiurie, die auf Pylorospasmus beruhte, infolge der Papaverin¬ 
wirkung aufhören. 

Das weitere Schicksal des in den Dünndarm angelangten Wassers 
lässt sich im ersten Abschnitt seines Weges ziemlich schwer verfolgen. 
Die motorischen und die specifisch resorptiven Verhältnisse können wir 
bisher noch sehr mangelhaft analysieren. Krankheiten, die sich auf eine 
kurze Strecke des Dünndarms beschränken, kommen wegen der Gesamt¬ 
länge des Organs entweder nicht in Betracht (z. B. geschwürige Processe, 
nicht stark stenosierende Tumoren), oder aber sie verursachen so fulminante 
Erscheinungen, dass selbst die Möglichkeit des opsiurischen Versuchs in 
den Hintergrund tritt (z. B. Volvulus, lnvagination, stark stenosierende 
Tumoren usw.). 

Eine sich auf die ganze Dünndarminnenfläche erstreckende Störung 
der Flüssigkeitsresorption Hesse sich am ehesten bei den acut entzünd- 


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Original fro-m 

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Die Opsiurie. 


251 


liehen Processen annehmen, hier stösst aber die Untersuchung selbst auf 
manche Schwierigkeiten. Die peristaltische Unruhe des Dünndarms einer¬ 
seits, die mit der Diarrhoe eventuell verbundene hochgradige intestinale 
Transsudation andererseits, complicieren unsere Aufgabe, so dass es 
beinahe unmöglich ist, die beiden Factoren auseinanderzuhalten. So sehen 
wir in Fall 17 der Tabelle 5 einen ausgesprochen oligurischen Typus, 
aber keine wirkliche Opsiurie. Die beiden anderen Fälle gehören nur 
teilweise in diese Kategorie: sic betreffen zwei Patienten mit primärer 
habitueller Obstipation. Wenn wir dieses Leiden als eine Dickdarm¬ 
neurose auffassen wollten, so wäre es ein Fehler, diese Fälle hier ein¬ 
zureihen. Ich glaube aber, man kann sich vor jener Auffassung nicht 
verschliessen, dass der nervöse Mechanismus der Darmbewegungen, teil¬ 
weise mit der Magenperistaltik verbunden, sich über den ganzen Darm¬ 
kanal hin fortsetzt, und damit wäre auch die Teilnahme des Dünndarms 
an der habituellen Obstipation, im Princip wenigstens, annehmbar. So 
viel zu meiner eigenen Entschuldigung, weshalb ich die Fälle 15 und 16 
hier angeführt habe; beide weisen durchaus normale Werte auf, zum Zeichen, 
dass die Wasserresorption vom Dünndarm aus anstandslos geschehen konnte. 


Tabelle 5. 


Nr. 

Name 
und Alter 

Diagnose 

Urinmenge 

3 1 

9 | 

10 ! 

11 

! 12 

Uhr 

15 

F. A, 28 J. 

Obsitpatio babitualis. 

40 

100 

75 

30 

20 

16 

B. J., 34 J. 

Ostipatio habitualis spastica. 

100 

300 

100 

50 

35 

17 

G. J., 41 J. 

Enteritis catarrhalis acuta. 

20 

40 

20 

y 

20 


Das resorbierte Wasser kommt nun in den Strom der Vena portae, 
und muss seinen Weg durch das portale Netzwerk der Leber machen. 
Damit sind wir vielleicht an die wichtigste Station jenes Kreislaufes an¬ 
gelangt, der für das getrunkene Wasser schematisch angegeben wurde. 
Die bisherigen Untersuchungen der französischen Autoren, soweit sie mir 
wenigstens bekannt sind, bezogen sich nur auf diesen Abschnitt. Bevor 
ich auf die Analyse meiner eigenen einschlägigen Fälle übergehe, sei es 
mir erlaubt, eine kurze theoretische Bemerkung vorauszuschicken. 

Die Schnelligkeit, mit der das portale Blut die Leber durchströmen 
kann, hängt einerseits vom Unterschiede des Blutdruckes in der Vena 
portae und in der Vena hepatica, andererseits von jenem Hindernisse ab, 
das durch die Beschaffenheit der inter- und intraacinösen Lebercapillaren 
bedingt ist. Wenn der opsiurische Versuch an einem gesunden Menschen 
gemacht wird, so verursacht die schnell resorbierte Wassermenge eine 
deutliche (experimentell bewiesene) Steigerung des portalen Blutdruckes, 
und zwar ungefähr um das doppelte des ursprünglichen Wertes. (Die¬ 
selbe Erscheinung wurde schon früher für die Vena portae vor und 
während der Verdauung von den verschiedensten Forschern festgestellt.) 
Infolge dieser portalen Drucksteigerung („Hypertension portale u der 
Franzosen) wird die Durchströmung der Leber beschleunigt, und als un¬ 
mittelbare Folge dieser Beschleunigung tritt eine, wenn auch verhältnis- 


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Ludwig v. Szöl lösy 


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2.V2 

massig geringere, Steigerung des Blutdruckes in der Vena hepatica ein. 
Dadurch wird aber die Circulation des ganzen Körpers beeinflusst: es 
entsteht eine arterielle Blutdrucksteigerung im Organismus, die durch 
die lebhaftere Nierentätigkeit ausgeglichen wird. Die einfache Polyurie 
nach einer grösseren Wasserportion ist nur auf diese Weise zu erklären. 
Die Blutdrucksteigerung in der Vena hepatica ist von den französischen 
Autoren als „Hypertension sush6patique u bezeichnet worden. Ich würde 
Vorschlägen, der Einfachheit und Gleichraässigkeit halber von einem infra¬ 
hepatischen und suprahepatischen Blutdruck zu sprechen, womit 
der Blutdruck in der Vena portae bzw. in der Vena hepatica gemeint ist. 

Wenn nun das Lebergewebe infolge irgend einer Ursache dem por¬ 
talen Blutstrom ein übernormales Hindernis entgegenstellt (die Pfortader¬ 
thrombose und die Pylephlebitis wollen wir hier ausser acht lassen), so 
wird beim geschilderten Versuch der infrahepatische Druck noch mehr ge¬ 
steigert, um jenes Hindernis überwinden zu können. Es kommt nun auf 
die Umstände an, ob dieses gelingt oder nicht. Die Möglichkeit einer 
Corapensation des Hindernisses lässt sich zwar speculativ vorstellen, 
aber in Wirklichkeit sind die physiologischen Verhältnisse dafür wenig 
günstig. Das Quellgebiet der Vena portae hat kein musculöses Organ 
zur Verfügung, welches mit seinen Reservekräften für die Compensierung 
eintreten würde; das Herz, der eigentliche Motor, vermag durch das 
Capillarnetz der Abdominalorgane kaum etwas nachzuhelfen, und die 
Rolle der Muskeleleraente der Darrazotten kommt sicher nicht in Er¬ 
wägung 1 )- So muss infolge derselben Ursache, die die infrahepatische 
Drucksteigerung ausgelöst hat, eine Verringerung des suprahepatischen 
Blutdruckes entstehen, was wiederum für den gesamten Kreislauf des Körpers 
und somit auch für die Nierentätigkeit, nicht ohne Folgen bleiben kann. 

Die Blutdrucksteigerung in der Vena portae hat aber noch eine 
andere Folge. Wenn der infrahepatische Druck eine gewisse Höhe er¬ 
reicht hat, muss er natürlicherweise die Resorption des im Dünndarm 
vorhandenen Wassers erschweren; — diese kann nur langsam stattfinden, 
sowie sich der portale Blutdruck gegen die Vena hepatica zu allmählich 
ausgleicht. Wie schnell sich solche Verhältnisse im Magendarmkanal 
fühlen lassen, ergibt sich aus manchen bekannten Tatsachen, wie z. B. 
das gewöhnliche Erscheinen von Varicen im Magen und Darm bei Leber- 
cirrhosen. Nun haben wir beide Ursachen der Opsiurie vor uns: die 
Steigerung des infrahepatischen Blutdruckes mit der damit verbundenen 
Verzögerung der Wasserresorption und das Herabsinken des suprahepa¬ 
tischen Blutdruckes, kurz: die suprahepatische Hypotension. 

Nun wollen wir zur näheren Betrachtung der Tabelle 6 übergehen, 
wo die Ergebnisse von 41 opsiurisch untersuchten Leberkranken zu- 

1) Wie weit hier die active Mitarbeit der Pfortader eine Rolle spielen könnte, da 
dieselbe eine starke circulare Musculatur besitzt (Koppe), bleibt eine Frage für sich. 
Allerdings ist die active Tätigkeit der Gefässmusculatur bis heute noch nicht bewiesen, 
und selbst wenn eine gewisse Compensierung durch die Pfortader möglich wäre, wie 
Franke es behauptet, so kann sie kaum eine praktische Bedeutung haben. Ob die 
tünctionelle Störung erst mit dem Versagen dieser compensatorischen portalen Arbeit 
beginnt oder nicht, ist klinisch vollständig nebensächlich. 


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Original fro-m 

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Die Opsiurie. 


253 


Tabelle 6. 



Name 
und Alter 



Urinmenge 


Nr. 

Diagnose 

8 

1 9 

1 10 

1 H 

1 12 


• 



Uhr 



18 

G. J., 51 J. 

Seit 4 Jahren bestehende Cholelithiasis, mit zeitweiligen 
heftigen Anfällen. Leber nicht tastbar. 

200 

280 

90 

70 

40 

19 

K. G., 54 J. 

Seit l / 2 Jahr Cholecystitis calculosa, jetzt seit 1 Monat 
starker Icterus. 

130 

100 

240 

80 

1 

45 

20 

L. J., 55 J. 

Seit 2 Jahren Cholelithiasis, im letzten V 2 Jahr häufige 
Anfälle. Ziemlich indurierte Leber. 

30 

40 

40 

j 20 

50 

21 

R. J., 67 J. 

Seit 10 Jahren Cholelithiasis. Seit 7 Wochen ständiger, 
starker Icterus. Leber vergrössert, etwas hart. 

90 

701 70 

65 

50 

22 

G. E., 47 J. 

Vor 7 und 4 Jahren typische Cholelithiasisanfälle, im vorigen 
Jahr 3 Anfälle. Seitdem ständiges Abnehmen. Icterus. 
Linker Leberlappen sehr gross, hart; — rechter etwas 
härter als normal. 

40 

40 

j 40 

t 

i 

40 

i 

25 

23 

M. M., 28 J. 

Frischer, acut-katarrhalischer Icterus. Albuminurie. 

50 

50 

1 50 

50 

50 

24 

B. F., 56 J. 

Lues hepatis (gummata). 

25 

40 

1 ^ 

25 

25 

25 

T. S., 41 J. 

Sarcoma hepatis (operativ festgestellt). 

10 

100 

60 

60 

50 

26 

K.Gy., 62 J. 

Carcinoma hepatis. 

50 

75 

25 

10 

10 

27 

Sz. J., 34 J. 

Lues hepatis (gummata). 

80 

70 

1 80 

80 

70 

28 

R. E., 44 J. 

Cirrhosis hepatis. 

40 

20 

20 

15 

20 

29 

T. J., 49 J. 

Seit mehreren Jahren bestehende Cholelithiasis, starker 
Icterus. Leber consistent. 

25 

20 

40 

25 

40 

30 

M. N., 53 J. 

Carcinoma hepatis. 

50 

120 

55 

50 

40 

31 

L. J., 33 J. 

Cholecystitis acuta sine ictero. 

300 

200 

90 

70 

30 

32 

M. L., 36 J. 

Cholecystitis chronica, eine einzige Gal lenstein kolik. 

230 

390 

140 

120 

45 

33 

S. G., 62 J. 

Bantische Krankheit. Sehr harte, vergrösserte Leber. 
Ascites. Immens grosse Milz. 

60 

40 

40 

25 

25 

34 

B. K., 26 J. 

Icterus catarrhalis acuta. 

100 

110 

35 

25 

25 

35 

L. L., 32 J. 

Cholecystitis calculosa (seit 2 Jahren keine Beschwerden). 

85 

220 

65 

45 

40 

36 

G. L., 51 J. 

Carcinoma pancreatis, mit totalem Verschluss des Chole- 
dochus. Enorm vergrösserte Leber (Metastasen?), sehr 
vergrösserte Gallenblase. 

0 

40 

0 

30 

0 

37 

H. Ss., 61 J. 

Carcinoma vesicae felleae. Keine Lebermetastasen nach¬ 
weisbar. Icterus. 

180 

145 

120 

90 

60 

38 

Sz. S., 54 J. 

Typische Lebercirrhose. 

40 

40 

20 

20 

20 

39 

T. L., 47 J. 

Alcoholismus. Beginnende Lebercirrhose. 

50 

45 

25 

25 

30 

40 

P. G., 49 J. 

Cholecystitis calculosa ehr. Icterus. Indurierte Leber. 

40 

40 

50 

50 

40 

41 

K. J., 35 J. 

Acuter katarrhalischer Icterus. 

40 

100 

20 

20 

10 

42 

K. J., 36 J. 

Ohne nachweisbaren Grund sich während des Heruragehens 
einstellende Leberschwellung. (Myodegeneratio cordis?) 

90 

35 

150 

190 

40 

43 

M. G., 58 J. 

Carcinoma vesicae felleae? Lebermetastasen? 

15 

25 

20 

45 

15 

44 

K. M., 36 J. 

Alcoholismus chronicus. Kaum beginnende Hep. interst. 

70 

170 

60 

40 

20 

45 

Z. M., 42 J. 

Cholecystitis chronica, sine ictero. Leber nicht tastbar. 

100 

80 

25 

15 

10 

46 

Z. A , 35 J. 

Carcinomraetastasen in der Leber (operativ festgestellt). 

60 

30 

20 

50 

50 

47 

R.G., 64 J. 

Carcinoma ventriculi, mit zahlreichen Lebermetastasen. 

40 

30 

10 

12 

15 

48 

R. L., 50 J. 

Hepatitis interst. incipiens (alcoholica). 

50 

40 

37 

32 

30 

49 

F. S., 52 J. 

Echinococcus hepatis. 

Nach der Operation. 

20 

240 

20 

55 

20 

30 

25 

45 

25 

40 

50 

N. S., 49 J. 

Seit 10 Jahren häufige typische Cholelithiasisanfälle. 
Leber gut tastbar, etwas härter. 

35 

25 

i 

i 

40 

40 

30 

51 

S. B., 53 J. 

Carcinoma ventriculi. Sehr verbreitete Lebermetastasen. 

10 

10 

20 

20 

10 

52 

T. F., 64 J. 

Carcinoma curvaturae minoris. Einige Lebermetastasen 

80 

120 

80 

20 

40 

53 

K.Gy., 54 J. 

Alcoholismus chronicus. Hepatitis interst. incipiens. 

35 

25 

10 

15 

20 

54 

Sz. 0., 26 J. 

Cholelithiasis. Leber nicht tastbar. Kein Icterus. 

15 

35 

50 

15 

20 

55 

T. E., 41 J. 

Cholelithiasis chronica. Icterus minoris gradus. 

150 

30 

60 

55 

55 

56 

V. B, 34 J. 

Cholelithiasis. Leber nicht tastbar. 

70 

240 

60 

30 

25 

57 

B. F., 45 J. 

Intumescentia hepatis, ohne nachweisbare Ursache. Myo¬ 
degeneratio cordis? 

200 

160 

60 

35 

20 

58 

B. J., 26 J. 

Cholelithiasis (frischer Fall, ohne deutliche Gelbsucht). 

40 

i 

250 

100 

40 | 

30 


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254 


Ludwig v. Szüllüsy, 


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sammengestellt sind. Nr. 23, 34 und 41 beziehen sich auf drei Fälle 
von acut katarrhalischer Gelbsucht, alle mit den klassischen Symptomen 
des Leidens. Zwei davon erwiesen sich opsiurisch vollkommen normal, 
zum Zeichen, dass trotz der Gallenstauung die portale Circulation unge¬ 
stört blieb. Dagegen zeigt Fall 23 eine ausgesprochene Verzögerung 
der Urinsecretion, die aus dem Grundleiden schwer abzuleiten ist. 
Gleichzeitig aber bestand beim Patienten eine leichte Albuminurie und 
eine ziemlich verlangsamte Herztätigkeit. Ob der opsiurische Typus da¬ 
mit im Zusammenhang ist, möge dahingestellt bleiben. 

Dass der acute Icterus, aus welchem Grunde immer er entstanden 
sei, zu keiner Opsiurie führt, ist schon durch die zahlreichen Beobach¬ 
tungen der französischen Autoren bewiesen. Selbst wenn wir uns auf 
den Standpunkt stellen, dass beim Stauungsicterus der Druck in den 
Gallenkanälchen ein höherer sein muss, als der im Venengeflecht der 
Acini, so kann dieser Druckunterschied unmöglich als ein Circulations- 
hindemis aufgefasst werden, zumal er durch die Aufnahme der Galle in 
die Blutbahn' ipso facto ausgeglichen wird. Es kann zu keiner infra¬ 
hepatischen Hypertension kommen. Ebenso muss dasselbe von jenen 
Cholecystitis-Fällen behauptet werden, die entweder frisch oder in den 
einzelnen Anfällen selten genug waren, um zu keiner secundären Indu¬ 
ration des Lebergewebes geführt zu haben. Nr. 18, 19, 31, 32, 35, 45, 
54, 55, 56 und 58 sprechen eindeutig dafür, dass die portale Blutbahn 
ihrer Aufgabe anstandslos entsprechen konnte. Fall 54 zeigt zwar an 
und für sich einen oligurischen Charakter, dessen Ursache ich ebenso¬ 
wenig angeben kann, wie die Erklärung der Polyurie in Fall 18 und 19. 

In der obigen Zusammenstellung wurde gar keine Rücksicht darauf 
genommen, ob die Cholecystitis mit Gelbsucht.verbunden war oder nicht. 
Ich glaube, bei der prognostischen Beurteilung der Frage spielt der 
Icterus nur eine zweitrangige Rolle. Wenn wir von der eventuellen 
malignen Entartung hier absehen wollen, was ja auf ein anderes Blatt 
gehört, und wenn wir die chronischen Entzündungen der Gallenblase von 
jenem Standpunkt aus betrachten, welche Folgeerscheinungen sie in dem 
Lebergewebe selbst hervorrufen könnten, so stehen die secundären indu¬ 
rativen Processe der Leber im Vordergrund. Und diese können unter 
Umständen auch dann entstehen, wenn die Cholecystitis nie oder nur 
selten zu einer ausgesprochenen Gelbsucht geführt hat. Hier gewinnt 
aber die Frage einen eminent praktischen Wert: die Indicationsstellung 
eines operativen Eingriffes steht damit im engsten Zusammenhänge. Ich 
will jene noch ganz offene und vielerseits pro und contra behandelte 
Frage, ob jede Cholecystitis operiert werden sollte oder nicht (besonders 
insofern sie von Gallensteinen verursacht wird, was ja in der überwie¬ 
genden Mehrzahl der Fall ist), nicht berühren. Soviel kann aber aufrecht 
gehalten werden, dass wenn die chronisch-entzündlichen Processe der 
Gallenblase und der Gallenwege zu einer consecutivcn Verhärtung der 
Leber, d. h. zu einer Bindegewebswucherung geführt haben, muss die 
Gallenblase, die eigentliche Urheberin der krankhaften Veränderung, ent¬ 
fernt werden. Eine biliäre Lebercirrhose steht in ihren traurigen Folgen 
der alkoholischen nicht nach, und je früher wir den Beginn der secun- 


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I>ie Opsiurie. 


255 


dären Lebererkrankung feststellen können, desto grösser ist die Aussicht 
auf den Erfolg des operativen Eingriffes. Einfach auf den tastenden 
Finger dürfen wir uns nicht verlassen und wenn einmal die Erscheinungen 
der Pfortaderstauung vorhanden sind, dann ist es beinahe immer zu spät. 
Im opsiurischen Versuch haben wir eine wertvolle und — ich betone es 
nochmals — äusserst einfache Methode, die beginnende ßindegewebs- 
wucherung der Leber zu erkennen. Die einschlägigen französischen Mit¬ 
teilungen sprechen mit grosser Beweiskraft für den obigen Satz, und in 
den wenigen Fällen, die ich selbst zu beobachten die Gelegenheit hatte, 
gibt es nur einen einzigen, der einen normalen Verlauf des opsiurischen 
Versuches aufweisen konnte. Nr. 20, 21, 22, 29, 39, 40, 48, 50 und 53 
zeigen durchweg das Bild der Opsiurie, und nur bei Nr. 44, wo die Leber 
schon ziemlich deutlich tastbar war, fiel der Versuch normal aus. Leider 
konnte ich das spätere Schicksal dieses Patienten nicht weiter verfolgen. 
Alle diese Kranken hatten noch kein einziges Symptom irgendeiner 
portalen Stauung, nur die mehr oder weniger ausgesprochene Tastbarkeit 
der Leber Hess an eine beginnende Induration denken. 

In einigen der soeben angegebenen Fälle sehen wir jene Eigenartig¬ 
keit auftreten, dass, nachdem die Secretionswerte schon im Abnehmen 
sind, plötzlich wieder ein höherer Wert erscheint (Nr. 20, 29, 39). Dieser 
Typus ist von Gilbert und Lippmann als Anisurie bezeichnet worden. 
Sie ist um so auffallender, als sie beim normalen Verlauf des Versuches 
so gut wie nie vorkoramt. Wie sie mit den pathologischen Verände¬ 
rungen der Leber in Zusammenhang gebracht werden könnte, dazu fehlt 
bisher eine einwandsfreie Erklärung; vielleicht wird sie durch die Herz¬ 
tätigkeit verursacht, wie wir es bei der Analyse der folgenden Tabelle 
sehen werden. 

Im Anschluss an die indurativen Processe der Leber will ich noch 
zwei Fälle ausgesprochener Lebercirrhose erwähnen, beide mit den klassi¬ 
schen klinischen Folgeerscheinungen. Sie sind unter Nr. 28 und 38 an¬ 
gegeben und zeigen das Bild einer nur teilweise ausgesprochenen Opsiurie, 
da die Anfangswerte der Urinmengen doch etwas höher als die späteren 
sind. Beide gehören dem oligurischen Typus an, in Nr. 28 mit leichter 
Anisurie verbunden. Im ersten Augenblick scheint es auffallend zu sein, 
dass die manifeste, bis zum höchsten Grad entwickelte Lebercirrhose 
kein deutliches opsiurisches Bild aufweist. Diese Erscheinung ist gar 
nicht selten, sie ist von den Franzosen öfters beobachtet worden. Ihre 
Erklärung kann nach Villarets Meinung in jenem niedrigen Blutdruck 
gegeben sein, der in dem vorgeschrittenen Stadium des Grundleidens, 
infolge des Ascites und der allgemeinen Körperschwäche entsteht und 
der zu einer andauernden Oligurie führt. Viel eher wäre ich aber ge¬ 
neigt, für diese scheinbare Besserung der opsiurischen Verhältnisse die 
schon früher erwähnten portorenalcn Anastomosen verantwortlich zu 
machen. Wir kennen manche Analogien im menschlichen Organismus, 
wo es stets eine gewisse Zeit dauert, bis die anatomisch vorgebildeten 
Anastomosen eine dem Zweck wenigstens teilweise entsprechende Leistungs¬ 
fähigkeit erreichen. Um bei der Lebercirrhose zu bleiben, weise ich auf 
das als Caput Medusae bekannte Venengeflecht der Nabelgegend hin, 


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256 Ludwig v. Szöllösy, 

dessen Gefässe ja anatomisch vorgebildet waren, und doch erst im 
späteren Stadium der Krankheit zu einer Rolle gelangen, indem sie 
durch ihre Erweiterung einen gewissen Seitenabfluss des Blutes ermög¬ 
lichen. So, ist es leicht begreiflich, dass die portorenalen Anastomosen 
im Anfangsstadium der interstitiellen Hepatitis noch keine entsprechende 
Entlastung für den erhöhten infrahepatischen Blutdruck erlauben, was 
dann später durch die gehörige Erweiterung der kleinen Gefässe doch 
geschehen kann. So wäre auch der oben angeführte Fall 44, der sich 
mit seinen normalen Werten von den anderen beginnenden Indurationen 
so auffallend unterschied, zu erklären. Vielleicht handelte es sich hier 
um eine anatomische Eigenartigkeit, die einen frühen Ausgleich des ge¬ 
steigerten portalen Blutdruckes mit der Vermittelung der Venae renales 
direct in die Vena cava inf. ermöglichte. 

Villarets Auffassung lässt sich aber nicht ohne weiteres bei Seite 
schieben. Fall 33, den ich längere Zeit zu beobachten die Gelegenheit 
hatte, spricht ziemlich für seine Erklärungsweise, was das scheinbar 
normale opsiurische Bild bei vorgeschrittenen Cirrhosen anbelangt. Es 
handelte sich um einen 62jährigen Mann, bei dem die Diagnose auf 
Bantische Krankheit gestellt werden musste, obgleich das Krankheitsbild 
kein einheitliches war. Genug dem, die Leber war bedeutend vergrössert 
und beinahe bretthart. Die Zeichen einer höchstgradigen portalen 
Stauung waren vorhanden, und doch ergab der opsiurische Versuch ein, 
wenn auch oligurisches, doch dem normalen Typus nahestehendes Bild. 
Nach einer vorgenommenen Bauchpunction, bei der 8400 ccm Ascites¬ 
flüssigkeit herausgelassen wurden, Wiederholung des Versuches. Die 
einzelnen, in der tabellarischen Reihenfolge gewonnenen Werte waren: 
40, 40, 40, 30, 20. Der opsiurische Charakter war also nach der 
Punction viel ausgesprochener als zuvor, was nicht geschehen konnte, 
wenn der anfängliche Typus infolge der portorenalen Verbindungen 
entstand. 

Dass die venösen Anastomosen wirklich die Rolle eines Ableitungs¬ 
kanals für den gesteigerten infrahepatischen Druck übernehmen können, 
dazu lieferten die in der einschlägigen französischen Literatur angegebenen, 
nach Talma operierten Fälle, das schönste Beispiel. Die Tatsache selbst 
ist übrigens in ihren Endresultaten seit ziemlich lange bekannt, neu 
waren nur die opsiurischen Versuche, die vor und nach der ‘Operation 
angestellt wurden. Wenn auch dieser Eingriff die portalen Stauungs¬ 
erscheinungen, somit auch die Opsiurie nicht endgültig zum Schwinden 
zu bringen vermochte, so konnte allenfalls eine deutliche Besserung ex¬ 
perimentell nachgewiesen werden. 

Um mit den indurativen Processen zu schliessen, will ich noch kurz 
auf Nr. 42 und 57 hinweisen. In beiden Fällen war die einzig nachweis¬ 
bare organische Veränderung eine Leberschwellung, die sich allmählich, 
nach einfacher Bettruhe, spurlos zurückbildete. Die Ursache liess sich 
nicht eruieren; wir nahmen eine Myodegeneratio cordis an, ohne aber 
diese Annahme durch irgend einen sicheren Beweis unterstützen zu 
können. Nr. 42 zeigt eine leichte Verschiebung des Höchstwertes mit 
Anisurie, Nr. 57 dagegen einen durchaus normalen Befund. 


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Die Ops'urie. 


257 


Nun wollen wir die Verhältnisse bei einer zweiten Gruppe der Leber¬ 
krankheiten, bei den Neoplasmen untersuchen. Die Erfahrungen der 
französischen Forscher lauten dahin, dass die Neubildungen selten zur 
Opsiurie führen, weil sie das Lebergewebe sozusagen nur verdrängen, 
aber kein eigentliches Hindernis für die portale Circulation bilden. Eine 
Verzögerung der Urinausscheidung, d. h. eine infrahepatische Druck¬ 
steigerung kommt nur dann zustande, wenn der Tumor allzu gross ist, 
oder wonn die multiplen Geschwülste zahlreich genug sind, um das 
Gleichgewicht dos Blutkreislaufes zu stören. 

Gewissermassen als Uebergang zu den Neoplasmen mögen die 
Fälle 24 und 27 dastehen, die sich auf zwei an tertiärer Lues leidende 
Patienten beziehen. Bei beiden war die Leber gross, hart und fühlte 
sich höckerig an; die Diagnoso wurde durch die Anamnese, durch die 
Wasscrmannreaction und a posteriori durch den Erfolg der specifischen 
Behandlung gesichert. Fall 24 zeigte neben dem oligurischen Charakter 
eine kaum nennenswerte Steigerung der Urinsecretion in der zweiten 
Stunde, im übrigen eine sehr deutliche Opsiurie. Fall 27 ist zwar nicht 
oligurisch, aber ausgesprochen anisurisch und opsiurisch. Die Opsiurie 
lässt sich aus zwei Gründen leicht erklären. Erstens kann die Zahl der 
Syphilome so gross gewesen sein, dass sic als mechanisches Hindernis 
an und für sich auftreten konnten, was sich natürlich klinisch nicht 
controllieren liess. Zweitens müssen wir bedenken, dass die Syphilome 
keine Tumoren sensu strictiori sind, sondern zu den infectiöscn Granu¬ 
lomen gehören und mit einer starken Beeinträchtigung des umgebenden 
Bindegewebes einhergehen. Einerseits ist aber dieses Bindegewebe in 
den vorliegenden Fällen das Leberinterstitium selbst, andererseits waren 
wahrscheinlich alle benachbarten Blutgefässe in Mitleidenschaft gezogen, 
was in der infrahepatischen Drucksteigerung zur Geltung kam. Dass 
diese Veränderungen sich in einem functioneilen Sinne des Wortes spurlos 
zurückbilden können, liegt schon in der Natur der Sache. Es war mir 
nur bei Nr. 27 möglich, nach beendeter antiluetischer Kur einen Controll- 
versuch anzustellcn; die Werte waren: 50, 90, 110, 55, 25. 

Was nun die eigentlichen Neubildungen der Leber betrifft, so war 
für unser Thema ganz nebensächlich, ob cs sich um einen primären oder 
einen metastatischen Tumor handelte. Die Versuchsergebnisse waren 
verschieden, ungefähr jenem oben citiertcn Satz der Franzosen ent¬ 
sprechend, dass die Neoplasmen nur in einem späteren Stadium zur 
Opsiurie führen. So sehen wir in Nr. 25, 26, 30 und 52 den normalen 
Verlauf der Harnausscheidung, höchstens Fall 26 könnte als etwas ver¬ 
dächtig erscheinen. (Die in der Tabelle stellenweise zugefügte Bemerkung 
„operativ festgestellt“ bedeutet so viel, dass eine Probelaparotomie 
vorgenommen wurde.) ln Nr. 46, 47 und 51 hingegen sehen wir das 
Bild einer typischen, hochgradigen Opsiurie, in den ersten zwei Fällen 
mit Anisurie verbunden. Tatsächlich litten alle Patienten an weit vor¬ 
geschrittenen, sehr zahlreichen Metastasen. Dieses liess sich auch für 
Nr. 36 beinahe mit Sicherheit annehmen, wenngleich auch die glatte Ober¬ 
fläche der Leber nicht das für Neoplasmen charakteristische Bild darbot. 
Bei Fall 43 war die Diagnoso unsicher, — der opsiurische Versuch sprach 

Zeitschrift f. exp. Pathologie a. Therapie. 17. Bd. j-j- 


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268 Ludwig v. Szöllösy, 

mit Entschiedenheit für eine schwere circulatorische Störung des portalen 
Kreislaufes. 

Freilich ist der Wert dor opsiurischen Untersuchung bei den Neo¬ 
plasmen heute noch kaum mehr, als ein theoretischer. Wenn schon die 
beginnenden Metastasen zu einer Verzögerung der Harnausscheidung 
führten, könnte man den Versuch als Hilfsmethode anwenden, um fest¬ 
zustellen, ob ein Mag#n- oder Gallenblasencarcinom noch operierbar ist 
oder nicht. Aber, wie wir soeben gesehen haben, begleitet die Opsiurie 
erst die späteren Stadien der Metastasenbildung, so dass sogar ein ab¬ 
solut normales Resultat des Versuches, z. ß. im Fall 37, prognostisch 
vollkommen wertlos ist. Es sei dies um so mehr betont, als die Opera¬ 
bilität oft nicht an den Leber-, sondern an den Lymphknotenraetastasen 
scheitert. 

Endlich sei hier noch ein Fall besonders erwähnt, der in der Tabelle 
unter Nr. 49 angeführt ist. Es handelte sich um einen 49jährigen Mann, 
bei dem die interne Diagnose auf Leberechinococcus gestellt wurde. Der 
opsiurische Versuch erwies eine hochgradige Hemmung des portalen 
Kreislaufes, die bei der vermuteten ausserordentlichen Grösse der Echino¬ 
coccusblase (oder Blasen) leicht verständlich war. Diese Annahme 
wurde bei der Operation durchaus bestätigt, und die nach der Genesung 
des Patienten abermals vorgenommene Untersuchung zeugte für eine 
vollkommene Wiederherstellung der normalen circulatorischen Verhältnisse: 
die Opsiurie war nicht mehr vorhanden. Sie ist durch den Druck der 
Echinococcusblase, der ja vor allem im Pfortadergebiet zur Geltung kam, 
verursacht worden und musste natürlicherweise nach der Operation, mit 
dem Verschwinden dieses Druckes, aufhören. 

Im Laufe dieser Untersuchungen, die sich doch in erster Reihe auf die speciellen 
Verhältnisse der Leber bezogen, mussten auch diejenigen Versuche beachtet werden, 
die eine Beurteilung der Functionsfähigkeit des Leberparenchyms zu ermöglichen 
trachten. Es ist in neuerer Zeit so viel über dieses Thema gearbeitet und geschrieben 
worden, dass ich meine eigenen wenigen Fälle raitzuteilen für vollkommen überflüssig 
erachte, zumal sie zu keinem einheitlichen Resultat geführt haben. Folgende Bemer¬ 
kung möge sich nur auf die Methodik beziehen. Ich stellto die diesbezüglichen Unter¬ 
suchungen so an, dass der opsiurische Versuch gleichzeitig mit der Functionsprobe 
des Leberparenchyms verbunden war. Dieses konnte auf die einfachste Weise so ge¬ 
schehen, dass der Patient mit dem nüchtern getrunkenen Wasser zugleich Lävulose 
oder Thiocol oder in manchen Fällen Methylenblau zu sich nahm. Die stündlich ent¬ 
leerten Urinmengen konnten dann auf Lävulose, auf die Glykuronpaarung des Thioools 
oder auf die Ausscheidung des Methylenblaus untersucht werden. Ohne auf die 
Einzelheiten einzugehen, sei es mir gestattet, meine Erfahrungen summarisch zu¬ 
sammenzufassen: 

Das Methylenblau versagte in dieser Combination fast immer. Ausserdem glaube 
ich, dass diese Probe ganz unrichtig zur Functionsprüfung des Leberparenchyms an¬ 
gewendet wird: viel eher dürfte sie in der Beurteilung der allgemeinen (und somit 
auch der portalen) Kreislaufverhältnisse einen gewissen Wert beanspruchen. In 
diesem Sinne aber leistet uns der einfache opsiurische Versuch viel bessere Dienste, 
so dass seine Combination mit der Methylenblauprobe ganz und gar überflüssig ist. 

Anders verhält sich die Sache mit der Lävuloseprobe: sie ist entschieden eine 
specifische Untersuchungsmethode für das Leberparenchym. Sie lässt sich aber mit 
dem opsiurischen Versuch gleichzeitig nicht ausführen, und zwar aus jenem Grunde 


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Die Opsiurie. 


259 


nicht, weil die Diffusionsverhältnisse des Wassers durch die Lävulose geändert 
werden. Ich wurde auf diesen Umstand dadurch aufmerksam gemacht, dass bei einigen 
Patienten 2—3 Stunden nach dem Beginn des combinirten Versuches plötzlich Duroh- 
fall auftrat. Wie sich die Sache bei der Galaktose verhält, darüber habe ich keine 
persönliche Erfahrung; so viel lässt sich aber aus einfachen physikalischen Gründen 
sagen, dass die moleculare Concentration dos Wassers auch damit verändert und somit 
der opsiurische Versuoh gestört wird. 

Die Thiocolprobe soll das Leberparenchym auf eine seiner specifischen Fähig¬ 
keiten, auf die Glykuronsäurepaarung prüfen. Wenn auch diese Function mit dem 
Glykogenstoffwechsel wenig zu tun hat, so kann die Kenntnis ihrer Störung unter 
Umständen von Nutzen sein. Diese Untersuchung kann mit dem opsiurischen Versuch 
gleichzeitig gemacht werden, eine ungewünschte Nebenwirkung konnte ich dabei 
nicht beobaohten. 

Ich muss uooh eine Untersuohungsmethode erwähnen, die in allerletzter Zeit 
von einigen amerikanischen Aerzten (Rowntree, Hurwitz, Bloomfield, 
Whipple) angegeben wurde. Sie beruht auf der Annahme, dass das Dinatrium- 
phenoltetrachlorphthaleinicum beinahe ausschliesslich mit der Galle ausgeschieden 
wird. Man injiciert dem Patienten intravenös 8 ccm einer 5proc. Lösung und unter¬ 
sucht nach sofortigem Purgieren 48 Stunden lang jede Stuhlentleerung. (Die Be¬ 
stimmung ist colorimetrisch.) ln dieser Zeit erscheinen beim gesunden Menschen 
mindestens 50 pCt. des injicierten Dinatriumphenoltetrachlorphtbaleinioums in den 
Fäces, bei oardialen Stauungserscheinungen weniger, bei Cirrhose der Leber 6 bis 
23 pCt., bei Carcinoma hepatis 6—14 pCt. Ich glaube kaum, dass dieser Versuch 
(wie er ursprünglich angegeben wurde) mit der portalen Circulation etwas zu tun 
hätte, — viel eher vielleicht mit dem Leberparonchym. Allenfalls ist er viel zu um- 
m stündlich und für den Kranken viel zu lästig, um eine allgemeine Anwendung bean¬ 
spruchen zu können. 

Nachdem das getrunkene Wasser das Gebiet des portalen Kreislaufes 
verlassen hat, gelangt es durch die Vena hepatica und Vena cava inf. 
in das rechte Herz. Freilich können wir theoretisch auch in diesem 
kurzen Abschnitt irgendein Hindernis annehmen, aber eine solche Specu- 
lation hätte entschieden keinen practischen Wert. Anders verhält sich 
die Sache mit der rechten Herzkammer. Ihre Rolle nicht nur im kleinen, 
sondern auch im grossen Blutkreislauf, ist eine eminent wichtige, und 
ihre Tätigkeit bestimmt das weitere Schicksal der beim opsiurischen 
Versuch ein verleibten Wassermenge. Man kann jenen Satz, dass die 
Funktionsschwäche einer Herzhälfte stets zu Stauungserscheinungen in 
der hinter ihr gelegenen Blutbahn führt, nicht oft genug wiederholen. 
Die sogenannten Incompensationsvorgänge im grossen Kreislauf sind 
lediglich auf die rechte Herzkammer zurückzuführen. Selbstverständlich 
darf damit nicht gemeint werden, dass wir das Herz in zwei vonein¬ 
ander scharf abgegrenzte Hälften teilen wollten. Ich möchte mich durch 
die Anführung des obigen Satzes gewissermassen nur rechtfertigen, wes¬ 
halb ich die Herzkrankheiten in ihren Beziehungen zur Opsiurie schon 
an dieser Stelle, vor dem kleinen Kreislauf, bespreche. 

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass eines derjenigen 
Organe, die auf eine Decompensation der Herztätigkeit in erster Reihe 
mit den betreffenden circulatorischen Folgeerscheinungen reagieren, die 
Leber ist. Die venöse Stauung, die sich infolge der Schwäche der 
rechten Herzkammer entwickelt, kommt vor allem in der Vena cava inf. 

17* 


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260 


Ludwig v. Szöllösy T 


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und somit auch in der Vena hepatica zur Geltung, und nun entsteht für 
den portalen Kreislauf derselbe Fall, den wir bei den Leberkrankheiten 
gesehen haben: es kommt zu einer portalen Blutdrucksteigerung. Der 
Unterschied ist immerhin ein principieller: während bei den Lebererkran¬ 
kungen die infrahepatische Hypertension mit einer suprahepatischen Hy¬ 
potension verbunden ist und der Ausgleich dieser Druckdifferenzen eben 
nur infolge des Grundleidens erschwert ist, wird der Blutdruck bei den 
decompensierten Herzfehlern schon in der Vena hepatica, also supra¬ 
hepatisch, erhöht. Diese Druckerhöhung muss natürlicherweise in der 
Vena hepatica verhältnismässig grösser sein, als die durch sic hervor¬ 
gerufene Drucksteigerung in der Vena portae. Hieraus ergibt sich jene 
praktische Folgerung, dass wir bei Herzfehlern mit der Wiederherstellung 
der Compensation die eventuelle Opsiurie gleichsam zum Verschwinden 
bringen können, hingegen sind bei der durch Leberveränderungen verur¬ 
sachten Opsiurie die sogenannten Cardiotonica ganz nutzlos. Wir haben 
schon oben erwähnt, dass das linke Herz, die einzig denkbare vis a 
tergo, im portalen Kreislauf so gut wie nichts auszuwirken vermag. Da¬ 
mit gewinnt der opsiurische Versuch einen entschiedenen prognostischen 
Wert: er ermöglicht uns, die einfache incompensatorische Leberschwellung 
von einer organischen, cardialen Cirrbose zu unterscheiden. Wenn nämlich 
die Opsiurie nach der Rückkehr der Compensation nicht verschwindet, 
so muss ihre Ursache — teilweise wenigstens — im portalen Gefäss- 
gebiet, wahrscheinlich also in dem Leberinterstitium, gelegen sein. 

Eine zweite Folgerung, der aber eine sehr geringe praktische Wichtigkeit zuge¬ 
sprochen werden kann, bezieht sich auf die portorenalen Verbindungen. Bei den Ver¬ 
änderungen des Leberinterstitiums, wo neben der infrahepatischen Blutdrucksteigerung 
eine suprahepatische Hypotension nachweisbar ist, die vielleicht auch in den Nieren¬ 
venen bis zu einem geringen Grade zur Geltung kommen dürfte, kann der partielle 
Ausgleich des gesteigerten Druckes mit Hilfe der portorenalen Anastomosen viel 
leichter stattfinden, als bei den incompensierten Herzfehlern, wo sich die allgemeine 
venöse Drucksteigerung naturgemäss auch in den Venae renales fühlen lässt. Im ersten 
Falle wird der Druckunterschied zwischen Vena portae und Venae renales grösser, im 
zweiten dagegen vermindert und somit auch der collaterale Abfluss gehemmt. 

Nun wollen wir zur näheren Analyse der Tabelle 7 übergehen, der 
ich zwei kurze Bemerkungen vorausschicken möchte. Erstens kommt in 
der Tabelle der Ausdruck „Vitium cordis u ziemlich häufig vor, ohne eine 
nähere anatomische Bezeichnung des betreffenden Herzfehlers. Darunter 
ist stets ein combiniertes Vitium gemeint, auf dessen Detailierung deshalb 
nicht eingegangen wurde, weil es hier sowieso nur auf die functionelle 
Störung der Herzmuskeltätigkeit ankam. Die zweite Bemerkung bezieht 
sich auf die Nieren. Wir wissen, wie schwer es manchmal sein kann, 
in den vorgeschrittenen Stadien einer lncompensation, wo die Nieren meist 
in Mitleidenschaft gezogen sind, zwischen primärem Herz- und primärem 
Nierenleiden einen Unterschied zu ziehen. Immerhin musste er bei den 
vorliegenden Untersuchungen gemacht werden, und ich konnte nur eine 
Richtschnur wählen, deren sonstige Unzulänglichkeit ich selber von vorn¬ 
herein zugeben musste. Diese Richtschnur war, diejenigen Herzfehler, 
bei denen nur eine Albuminurie, aber im Harnsediment keine geformten 


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Die Opsiurie. 


261 


Nierenelemente (Cylinder usw.) nachweisbar waren, zu den primären Herz¬ 
erkrankungen zu zählen. Diejenigen Fälle, wo das mikroskopische Bild 
dos Harnsediments für eino Nephritis sprach, sind in Tabelle 9 angeführt. 


Tabelle 7. 


Nr. 

Name 
und Alter 

Diagnose 

8 

Urinmenge 

9 j 10 | 11 
Uhr 

! 12 

59 

M. L., 29 J. 

Starke functioneile Hypertrophie des Herzens. Nieren 

50 

70 

70 

90 

60 



gesund. Keine Anasarca. Geringgradige Decompensat. 








Nach wiedereingetretener Compensierung. 

90 

170 

150 

150 

150 

60 

J. Gy., 64 J. 

Vitium cordis, starke Myodegeneration. Secundäre Nieren- 

50 

170 

100 

100 

70 



Veränderung. Zurzeit compensiert. 



! 



61 

A. 0., 39 J. 

Arteriosclerosis luetica. Insuff. valv. aortae. Nieren ge- 

110 

180 

: 200 

100 

50 



sund. Keine Hautödemc. 



I 



62 

K.M., 50 J. 

Insuff, mitral, compens. 

40 

95 

70 

30 

30 

63 

B. B., 39 J. 

Myodegeneratio cordis incompens. Leber vergrössert, con- 

30 

50 

30 

50 

50 



sistent. Anasarca. Albuminurie ohne Cylindrurie. 






64 

K. D., 52 J. 

Vitium cordis incompens. Transsud. pleur. lat. dextr. 

80 

20 

40 j 

0 

40 

65 

G. M., 44 J. 

Myodegeneratio cordis compens. Nieren gesund. 

50 

70 

80 

50 

50 

66 

S. h , 14 J. 

Insuff et sten. mitral. Starke Herzhvpcrtrophie. Keine 

50 

20 

25 

25 

25 



Oedeme. Grosse Leber. 




i 


67 

Sz. J., 46 J. 

Vitium cordis, vollkommen dccompcnsiert. Urin: 4pM. 

0 

0 

0 

! io 

70 



Album. Keine Cylinder. 




1 


68 

U. A., 60 J. 

Vitium cordis; Dach beginnender Incompensation starke 

90 

180 

I 300 

o 

o 

TI 

300 



medicamcntöse Diurese. 






69 

P. F., 63 J. 

Insuff, mitral., incompensiert. Anasarca. Nieren intact. 

50 

30 

60 

! 40 

45 

70 

Z. V., 40 J. 

Myodegeneratio cordis, Albuminurie (keine Cylindrurie). 

35 

100 

110 

j 60 

40 



Sonst keine Decompensationszeichen. 






71 

H. F., 49 J. 

Insuff, et sten. aortae, vollkommen compens. Nieren gcs. 

50 

350 

80 

30 

20 

72 

S. J., 22 J. 

Insuff, mitralis compensata. 

150 

275 

145 

90 

20 

73 

S. F., 48 J. 

Vitium cordis, Anasarca, minimale Albumiuuric. 

40 

110 

80 

35 

30 

74 

Z. L., 40 J. 

Myodegeneratio et dilatatio cordis. Albuminurie, aber 

30 

30 

; 40 

30 

| 40 



keine Cylindrurie. Hepar etwas geschwollen. 



I 



75 

M. .)., 44 J. 

Vitium cordis. Leber etwas geschwollen. Keine Oedeme, 

10 

45 

30 

35 

35 



keine Albuminurie. 




! 




Nach Cymarinbehandi. starke Polyurie, Lcbcrschwellung 

200 

250 

100, 

50 : 

20 



in Rückbildung. 






76 

F. H., 25 J. 

Vitium cordis compens. 

35 

250 

50 

35 

20 

77 

G. L , 36 J. 

Vitium cordis compens. 

25 

240 

110 

50 

30 

78 

S. E , 60 J. 

Vitium cordis, stark decompensicrt. Grosse, harte Leber. 

0 

10 

15 

10 

20 

79 

M. M, 21 J. 

Vitium cordis compens. 

200 

100 

100 

35 

25 

80 

U. J, 24 J. 

iDsuff mitral, compens. 

50 

250 

100 

70 

40 

81 

B. F., 40 J. 

Insuff, mitral, mit beginnender Deeorapeusation. Grosse 

0 

50 

15 

20 

15 



Leber. Anasarca. Albuminurie. 






82 

K. M., 41 J. 

Stenosis ost. von. sin. compens. 

30 

100 

160 

60 

40 

83 

J. J39 J. 

Insuff, mitral., beginnende Incompensation. 

35 

30 

20 

15 

15 

84 

P. L, 30 J. 

Insuff, mitral., in höchster Incompens. (Kurz v. d. Kxitus.) 

10 

15 

20 

5 

15 

85 

B. A., 44 J. 

Vitium cordis compens. 

[ 105 

140 

100 

50 

40 


Was Tabelle 7 anbelangt, so sehen wir bei einer ganzen Keihc von 
Fällen (Nr. 60, 61, 62, 65, 70, 71, 72, 73, 76, 77, 79, 80, 82 und 85) 
das vollkommen normale Bild der Urinsccretion. Ohne Ausnahme waren 
alle eompensirt, so dass sogar die einmalige, nicht unwesentliche Belastung 
des Herzens mit dem halben Liter Wasser, keine Gleichgewichtsstörung 
hervorbrachte. Die einzelnen Werte zeigen verhältnismässig häutig einen 
ausgesprochenen polyurischen Charakter, was hier um so auffallender ist, 
weil wir bedenken müssen, dass wir doch mit kranken, wenn auch com- 


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26*2 Ludwig v. Szüilösy, 

pensierten Herzen zu tun hatten. Diese Häufigkeit des polyurischen 
Charakters könnte ich nur auf eine Weise erklären. Wahrscheinlich 
handelte es sich in den betreffenden Fällen schon um eine beginnende 
Compensationsstörung, die in einer ganz geringgradigen, klinisch noch 
nicht wahrnehmbaren hydropischen Schwellung einzelner Körperteile Aus¬ 
druck fand. (Fall 61 und 71 nehmen eine gewisse Sonderstellung ein, 
worauf wir später, bei der Besprechung des linken Herzens, noch zurück- 
koramen.) Diese Vorzeichen bildeten sich in der Ruhe des Spitalauf¬ 
enthaltes allmählich zurück, ihr Verschwinden kam aber in den einzelnen 
Tagesmengen des ausgeschiedenen Urins nicht zum Vorschein. Diese 
„latente“ Incompensation wurde erst dann manifest, als das Herz durch 
die Zufuhr eines grösseren Flüssigkeitsquanturas eine plötzliche Belastung, 
gleichzeitig aber eben infolge dieser Belastung einen neuen physiologischen 
Reiz erhielt, so dass es mit seinen Reservekräften ausgiebig und erfolg¬ 
reich einsetzen musste. Wie weit überhaupt die compensatorische Po¬ 
lyurie gehen kann, das beweist Fall 68 klar genug: unter raedicaraentösem 
Einfluss, womit eine klinisch beginnende Decompensation bekämpft wurde, 
hat der Patient während des opsiurischen Versuches (mit einer leichten 
Anisurie) 1070 ccm Urin entleert. Ob die soeben ausgeführte Annahme 
richtig ist, kann nur durch weitere Untersuchungen entschieden werden; 
wenn ja, so hätten wir im polyurischen, normalen Ausfallen des opsiurischen 
Versuches eine wertvolle Methode gewonnen, die beginnenden corapensa- 
torischcn Störungen bei Herzkrankheiten im frühesten Stadium zu erkennen. 

Die übrigen Fälle der Tabelle 7: Nr. 63, 64, 66, 67, 69, 74, 78, 
81, 83 und 84 weisen eindeutig darauf hin, dass die eingetretene In¬ 
compensation mit einer deutlichen Opsiurie verbunden ist, beinahe immer 
mit oligurischem Typus und sehr oft mit Anisurie. Die Oligurie liegt 
sozusagen im Begriff der Compensationsstörung, und die Anisurie lässt 
sich auch sehr leicht aus den dynamischen Unregelmässigkeiten der Herz¬ 
function erklären. Die Opsiurie müssen wir auch hier auf den erhöhten 
portalen Blutdruck zurückführen, denn wenn bloss eine suprahepatische 
Hypertension vorhanden wäre, so Hesse sich nicht verstehen, warum der 
opsiurische Versuch nicht zu einem, wenn auch oligurisch abgeschwächten, 
normalen Typus geführt hat. Eine solche Tendenz lässt sich übrigens 
in Nr. 64 und 66 auffinden. 

Schliesslich muss ich noch die Fälle 59 und 75 besonders erwähnen, 
da hier die Untersuchung vor und nach der Behandlung angestellt werden 
konnte. Der erste Versuch ergab in beiden Fällen das ziemlich deutliche 
Bild der Opsiurie, in Nr. 75 mit geringgradiger Anisurie. Nachdem es 
gelang, die Compcnsation auf medicamentösem Wege wieder herzustellen, 
war das Resultat der zweiten opsiurischen Probe ein normales, polyu- 
risches Bild. Die Polyurie ist bekanntlich eines der wichtigsten Zeichen 
des wiederkehrenden circulatorischen Gleichgewichtes; das Schwinden der 
Opsiurie zeugt für die Richtigkeit jenes oben angeführten Satzes, dass 
in den vorliegenden zwei Fällen die infrahepatische Hypertension erst 
secundär, infolge der suprahepatischen venösen Drucksteigerung erstand. 
Tatsächlich konnten wir später, nach endgültiger Compensation, nicht 
einmal die Spuren einer Leberinduration nachweisen. 


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Die Opsiurio. 


263 


% 


Wenn es in zweifelhaften Fällen wirklich darauf ankäme, sioherzustellen, ob 
eine Opsiurie ihre Ursache in der Leber oder in der Herzmusculatur hat, so wäre die 
einfachste Methode dafür, 1 / 2 Liter Wasser nicht per os, sondern hypodermal dem 
Organismus zuzuführen (freilich in Form steriler physiol. NaCl-Lösung). Besteht die 
Opsiurie weiterhin, so war sie cardialen (richtiger vielleicht: auch cardialen) Ur¬ 
sprungs, — schwindet sie, so war der portale Kreislauf daran schuld, den wir mit der 
Hypodermoklyse einfach ausgesohaltet haben. Ich glaube kaum, dass die Frage in 
dieser Form so wichtig sein könnte, dass es sich lohnen würde, dieses allerdings viel 
compliciertere Verfahren anzuwenden. 


Der nächste Abschnitt des Weges, den das getrunkene Wasser hinter¬ 
legen muss, ist der kleine Kreislauf. Es sei wiederum auf jene alte 
Erfahrung hingewiesen, dass starke Störungen der transpulmonalen Cir- 
culation, wie sie bei Pleura- und Lungenerkrankungen Vorkommen, mit¬ 
unter zu einer ausgesprochenen Schädigung des grossen Kreislaufes führen. 
Ich erwähne nur das alltägliche Vorkommen von Oedemen beim Lungen¬ 
emphysem. Das rechte Herz, dem die grosse Arbeit der Compensation 
zufällt, wird durch die Aufgabe, die Hindernisse des kleinen Kreislaufes 
zu überwinden, bald erschöpft. Es kommt ja auch nicht immer bloss 
auf den kleinen Kreislauf an: intrathoracale Veränderungen, von denen 
ich in erster Reihe die rechtsseitigen Pleuraexsudate nennen will, können 
die Tätigkeit des rechten Herzens direct beeinträchtigen. 

Die Frage, ob ausgesprochene Compensationsstörungen des rechten 
Ventrikels, die wir bei Lungen- oder pleuralen Erkrankungen auch sonst 
feststellcn können, zur Opsiurie führen oder nicht, braucht hier weiter 
nicht untersucht zu werden. Alles, was wir bei den decompensierten 
Herzfehlern gesehen haben, müsste hier wiederholt werden: wenn einmal 
die Musculatur des rechten Ventrikels (worauf es in erster Reihe ankommt) 
in ihrer Kraft eingebüsst hat, müssen die Folgeerscheinungen dieselben 
bleiben, ob die primäre Ursache ein Klappenfehler oder ein hochgradiges 
Emphysem war. In solchen Fällen kann dem opsiurischen Versuch erst 
dann eine gewisse Bedeutung zugeschrieben werden, wenn er die Arbeits¬ 
überlastung des rechten Herzens schon in jenem Stadium nachweisen 
kann, in dem noch alle übrigen Zeichen einer Circulationsstörung fehlen. 
Wir müssen uns die Sache so vorstellen, dass das Herz noch imstande 
ist, den normalen, alltäglichen Anforderungen des Organismus zu ent¬ 
sprechen. Wenn nun das versuchshalber getrunkene Wasserquantum 
schnell und anstandslos durch das portale Gefässsystem in die Vena cava 
angelangt, entsteht notwendigerweise eine (experimentell bewiesene) supra¬ 
hepatische Drucksteigerung, und der rechten Herzkammer obliegt nun die 
Pflicht, diese Hypertension auszugleichen. Das normale, gesunde Herz 
entspricht dieser Aufgabe ziemlich rasch und leicht. Wenn aber die 
rechte Kammer schon vorher mit allen ihren Reservekräften arbeiten 
musste, so bedeutet für sie diese plötzliche, sonst vielleicht unwesentliche 
Ueberlastung eine vorübergehende Störung des Gleichgewichtes, das nur 
langsam, mit einer mehr oder weniger ausgesprochenen Verspätung, 
wiederhergestellt wird. Es hängt nun vom Grad dieser Störung ab, ob 
sie zur Beeinträchtigung der portalen Circulation und somit zur Opsiurie 
führt, oder nicht. 


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# 

264 Lud w i g v. S z ö 11 ö s y, 

Diese Annahme wird durch die 5 Fälle, die in Tabelle 8 angegeben 
sind, durchaus gerechtfertigt. Nr. 86 bezieht sich auf eine Patientin mit 
beginnender Lungenschwindsucht, bei der die nachweisbaren Verände¬ 
rungen viel zu gering waren, um an eino Einschränkung des pulmonalen 
Kreislaufgebietes, und somit an eine Ueberlastung des rechten Herzens 
denken zu dürfen. Die ausgeschiedenen Harnmengen sind als absolut 
normal zu bezeichnen. Als Gegenstück möge nun Fall 89 hier stehen: 
hochgradige, weit vorgeschrittene Tuberculose mit doppelseitiger Caverncn- 
bildung, wo wir mit einer grossen Wahrscheinlichkeit annehmen durften, 
dass ein Teil der Lungengefässe zugrunde gegangen ist. Tatsächlich 
war das Resultat des Versuches annähernd das Bild der Opsiurie; die 
Urinwerte würden graphisch dargestellt, eine ganz flache Curve geben. 


Tabelle 8. 



Name 
und Alter 



Urinmenge 


Nr. 

Diagnose 

8 ! 

9 1 

io ! 

n i 

12 





Uhr 



86 

S. Cr., 18 J. 

Tuberculosis pulmonum (minoris gradus). 

80 

1 

150 

80 

45 ^ 

40 

87 

M. B., 16 J. 

Exsudat, pleurit. I. d. (Hinten bis zur IV., 
vorne bis zur III. Rippe.) 

30 

30 

50 

20 

! 

| 30 

i 

i 

88 

R. J., 40 J. 

Exsudat, pleurit. 1. d. (Ungefähr ebenso 
gross.) 

25 

20 

25 

15 

| 10 

89 

G. J., 27 J. 

Hochgradige Tiiberculose. Infiltration bei¬ 
der Lungen. 

40 

50 

55 

40 

10 

90 

A. K., 36.1. 

Exsudat, pleurit. 1. d. (Hinten bis zur VII., 
vorne bis zur IV. Rippe.) 

90 

40 

i 

1 25 

20 

20 

1 


Uebrigens müssen wir noch bei der Tuberculose mit zwei Factoren rechnen, die 
beim Zustandekommen der Opsiurie eino gewisse Kollo spielen können. Erstens ver¬ 
ursacht die vorgeschrittene Lungenschwindsucht beinahe immer verbreitete pleurale 
Verwachsungen, die an und für sich auf den Atmungsmechanismus störend einwirken. 
Die Bedeutung der Respirationsbewegungen ist aber in bezug auf die Herztätigkeit 
und insbesondere eben auf das rechte Herz, nicht zu unterschätzen; es ist leicht 
möglich, dass auf diesem Wege eine suprahepatische Hypertension, wenn auch nicht 
verursacht, so doch gefördert werden kann. Zweitens müssen wir bei einer lang¬ 
dauernden infectiösen Erkrankung, wie der Tuberculose, die Möglichkeit myodegene- 
rativer Vorgänge im Herzen mit in Erwägung ziehen; ein Umstand, der bei der Aus¬ 
bildung der Opsiurie entschieden eine gewisse Bedeutung gewinnt. 

Die anderen drei Fälle der Tabelle 8 beziehen sich auf Pleuritiden, 
— zufällig waren alle drei rechtsseitig. Bei der einen (Nr. 90) war das 
Ergebnis des Versuches normal, die beiden anderen waren mit ausge¬ 
sprochener Opsiurie, sogar mit leichter Anisurie verbunden. Im Fall 90 
war das pleuritisehe Exsudat nicht gross, dementsprechend durfte auch 
das Hindernis, das cs teilweise durch die Corapression der rechten Lunge, 
teilweise durch die direete Beeinträchtigung der rechten Herzkammer und 
der rechten Diaphragmahälfte repräsentierte, nicht wesentlich sein. In 
Fall 87 und 88 war das Exsudat viel grösser, demnach mussten auch 
die consecutivcn Erscheinungen (Einengung des Lungenkreislaufes, un¬ 
mittelbare Störung der rechten Ventrikelfunction, Störungen des Atmungs- 
mechanismus, 1 . die zur Opsiurie führten, bedeutender sein. 


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I)io Opsiuric. 


265 


Sowohl aus den physiologischen Erwägungen, als auch aus den 
praktischen Daten der hier angegebenen Fälle dürfte daraufhin gefolgert 
werden, dass bei jenen Erkrankungen, die den kleinen Kreislauf beein¬ 
flussen, der opsiurischo Versuch die beginnenden Compensationsstörungen 
viel früher nachweist, als die anderen klinischen Methoden. Die grösste 
Wichtigkeit würde diese Erscheinung vielleicht beim Emphysem haben; 
leider stand mir während der ganzen Versuchszeit kein geeigneter, reiner 
Fall zur Verfügung. Der eine war schon klinisch decompensiert, der 
andere wieder mit Nephritis oder mit einem organischen Herzfehler ver¬ 
bunden, so dass ich das ungestörte Bild der Verhältnisse beim Emphysem 
nicht mitteilen kann. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass zwischen 
der Accentuierung des zweiten Pulmonaltones, einem der klassischen 
Initialsymptome des Lungenemphysems, und den ausgesprochenen cardialen 
Circulationsstörungen, die im Spätstadium auftreten, noch eine lange 
Strecke liegt, bei deren Beurteilung der opsiurische Versuch manche gute 
Dienste leisten kann. 

Der nächste Abschnitt des von vornherein präcisierten Weges ist das 
linke Herz. Eigentlich müsste ich hier dasselbe, was in der kurzen 
Einleitung zur Tabelle 7 gesagt wurde, wiederholen: wir pflegen vom 
Herzen als von einem einheitlichen Organ zu sprechen, und wenn schon 
eine functioneile Teilung im praktischen Sinne des Wortes vorgenommen 
werden soll, so hat die Trennung der Vorhoftätigkeit von der Ventrikel¬ 
tätigkeit einen weitaus grösseren Wert. Ich will aber diese Frage, die 
in ihren physiologischen Einzelheiten bisher zu keinem einheitlichen Ab¬ 
schluss gebracht wurde, nicht berühren. Wir müssen hier an der chrono¬ 
logischen Reihenfolge der Circulation festhalten, und so lässt sich be¬ 
züglich der Opsiurie wenig von der linken Kammer sagen. Es sei hier 
nochmals betont: bei den alltäglichen IncompenSationsstörungen kommt 
es hauptsächlich auf die geschwächte Musculatur des rechten Ventrikels 
an; die linke Kammer besitzt eine enorme compensatorische Kraft, die 
verhältnismässig äusserst selten versiegt. Denken wir nur an das Bild 
der Aorteninsufficienzen: sogar in den spätosten Stadien des Leidens, wo 
die Kranken unter den subjcctiven Symptomen oft unsagbar leiden 
müssen, ist der Blutdruck erhöht, von Oedemen keine Spur, da die rechte 
Kammer nur ihrer gewohnten Pflicht zu entsprechen hat, und der linke 
Ventrikel arbeitet mit einer immensen Kraft, — er löst allein die ganze 
Aufgabe der Compensicrung. Wie könnte man hier, wo wir an den 
Capillarpuls und an den penetrierenden Venenpuls gewöhnt sind, die 
Opsiurie erwarten? Sicher verursacht die Flüssigkeitsmenge, die beim 
opsiurischen Versuch getrunken wird, eine Drucksteigerung in der arte¬ 
riellen Blutbahn, — sonst wäre die normale experimentelle Polyurie 
jiicht erklärbar. Dass aber diese Hypertension selbst bei einer Arbeits¬ 
überlastung des linken Herzens durch die hypertrophische linke Kammer 
sofort ausgeglichen wird, kann ich mit den einschlägigen Fällen der 
Tabelle 7 beweisen (Nr. 61, 71), bei denen die Urinausscheidung voll¬ 
kommen auf die normale Weise geschah, ja sogar einen polyurischcn 
Charakter zeigt. Und wenn der linke Ventrikel allein plötzlich versagt, 
wenn es zu einer isolierten Incompensation des linken Herzens kommt, 


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Ludwig v. Szöllösy, 


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2(>ti 


dann entwickelt sich das stürmische Bild des Lungenödems, — jetzt 
haben wir wirklich keine Zeit und keinen Grund mehr, uns für die 
opsiurischen Verhältnisse zu interessieren. 

Noch weniger lässt sich vom grossen Kreislauf in toto sagen. Es 
kämen eigentlich nur die genuinen Erkrankungen des Gefässsystems in 
Betracht, vor allem die Aneurysmen und die Endoartcriitiden. Erstere, 
soweit sie die Aorta thoracica betreffen, dürften infolge ihrer Wirkung 
auf das linke Herz so beurteilt werden, wie die Aortenvitia, lieber die 
Aneurysmen der Bauchaorta, die mit den renalen Gefässen in gewisse 
Beziehungen treten könnten, fehlt mir jede persönliche Erfahrung. Was 
die Arteriosklerosen anbelangt, so habe ich den opsiurischen Versuch in vier 
Fällen angestellt, wo weder am Herzen, noch in den Nieren ausge¬ 
sprochene Folgeerscheinungen nachweisbar waren. Sie ergaben durchweg 
ein normales Resultat, so dass ich mit ihrer tabellarischen Anführung die 
Zeit nicht verlieren will. 

Es bleibt uns noch eins übrig: die letzte Station des Kreislaufes, 
die Nieren in ihren Beziehungen zum opsiurischen Versuch zu unter¬ 
suchen. Die Frage scheint hier am meisten verwickelt zu sein, da sic 
sich mit den allgemeinen urinsecretorischen Störungen, die mit den 
Nierenkrankheiten Zusammenhängen, complicieren. Es lässt sich auch 
keine sichere Trennung der chronisch-interstitiellen und der chronisch- 
parenchymatösen Form durchführen. (Leider verfüge ich über keinen 
einzigen Fall von uncomplicierter acut-parenchymatöser Nephritis.) 


Tabelle 9. 






Urinmenge 


Nr. 

Name 

und Alter 

Diagnose 

8 

i 9 

1 io 

11 

1 12 





Uhr 


91 

R. L., 43 J. 

Nephritis interstitialis chronica. Hyper- 
trophia cordis. 

100 

100 

100 

100 

100 

i 

92 

F. A , 52 J. 

Nephritis par. chron. Myodegen. cordis 
consec. 

50 

40 

35 

40 

30 

i 

93 

F. J., 48 J. 

Nephritis par. chron. Myodegen. cordis 
min. grad. 

30 

40 

30 

35 

30 

94 

A. J., 46 J. 

Nephritis interstitialis chronica. Insuff, 
mitr. (geringr.). 

300 

150 

35 

100 

60 

95 

U. G., 36 J. 

Nephritis parench. chron. (Alb. 4,8pCt!j 
Minim. Herzhypertrophie. 

15 

! 20 

20 

20 

15 

96 

0. M„ 33 J. 

Nephritis parench. chron. Ilcrzverände- 
rung nicht nachweisbar. 

100 

20 1 

25 

l 15 

20 

97 

J. M., 39 J. 

Nephritis parench. chron. Sccundärc Herz¬ 
veränderung. 

60 

55 

60 

60 

70 

98 

G. F., 28 J. 

Nephritis interstitialis chronica. Ilypertr. 
cordis inajor. grad. 

100 

210 

90 

j 40 

50 

99 

Sz. IL, 58 J. 

Nephritis parench. chron. mit consecutivcm 
Vitium cordis. 

15 

20 

60 

70 

50 


Die Unterscheidung, die in Tabelle 9 doch angegeben ist, geschah 
mit möglichster Beachtung sämtlicher Symptome, ohne dass sie mehr 
beanspruchen würde, als einer gewissen Notwendigkeit entsprechen zu 
wollen. Die drei Fälle von chronisch-interstitieller Nephritis, Nr. 91, 
94 und 98, zeichnen sich vor allem durch einen ausgesprochenen poly- 


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Die Opsiurie. 


267 


urischen Charakter aus; Nr. 91 ist das klassische Beispiel der poly- 
urischen Opsiurie, Nr. 94 und 98 zeigen einen ungefähr normalen Typus, 
aber mit Anisurie verbunden. Die übrigen sechs Fälle der Tabelle 9 
beziehen sich auf chronisch-parenchymatöse Nephritiden und sind bis auf 
einen einzigen (Nr. 96) alle opsiurisch, teilweise mit sehr ausgesprochener 
Oligurie verbunden. Es wird kein Zufall sein, dass eben in diesem ein¬ 
zigen Fall keine consecutive Herzveränderung uachweisbar war, so dass 
es sich schwer entscheiden lässt, welche Rolle das Herz und welche 
Rolle die Nieren bei dem Entstehen der Opsiurie spielen. Die Oligurie 
findet natürlich in der Nierenveränderung selbst genügende Erklärung. 
Auffallend ist aber auch hier das verhältnismässig häufige Auftreten der 
Anisurie: in den noun Fällen der Tabelle kommt sie mehr oder weniger 
ausgesprochen sechsmal vor. Worin die Ursache dieser Erscheinung 
liegt, kann natürlich nur durch weitere, eingehendere Untersuchungen 
entschieden werden; möglich, dass die renalen Veränderungen dabei die 
Hauptrolle spielen. In diesem Falle würde vielleicht die Opsiurie neben 
den Nierenfunctionsproben einen gewissen Wert gewinnen. Es ist aber 
wahrscheinlicher, dass die Anisurie sowohl hier, wie überhaupt immer, 
durch Druckschwankungen im Blutkreislauf bedingt wird und in letzter 
Hinsicht auf die Herztätigkeit zurückzuführen ist. 

Schliesslich möchte ich noch die vier Fälle der Tabelle 10 erwähnen, 
bei denen im Laufe der Untersuchungen der opsiurische Versuch ange¬ 
stellt wurde. Nr. 100 bezieht sich auf ein junges Mädchen, bei dem die 


Tabelle 10. 


Nr. 

Name 
und Alter 

Diagnose 

Urinmenge 

8 1 

9 

1 io I 

11 

12 

Uhr 

100 

H. J., 18 J. 

Tuberculosis renis dextri. Cysto-pyelitis. 

200 

| 

130 

i 

180 

90 

40 

101 

M. B., 61 J. 

Carcinoma recti. Marasmus. 

50 

30 

60 

30 

0 

102 

H. L., 35 J. 

Pelveoperitonitis acuta. 

40 

70 

180 

30 

45 

103 

M. L., 44 J. 

Achylia pancreatica. 

50 

100 

70 

i 

30 

i 

25 


rechte Niere durch einen tuberculösen Process beinahe ganz zerstört war 
(operativ festgestellt). Um so auffallender ist der polyurische Typus der 
Urinwerte, was für eine ausgezeichnete Compensierung sprach. Opsiurisch 
ist der Fall ungefähr normal, von der vorhandenen anisurischen Schwan¬ 
kung abgesehen, deren Ursache ich nicht finden konnte. Nr. 101 nähert 
sich dem oligurisch-opsiurischen Typus, ebenfalls mit Anisurie ver¬ 
bunden. Ich glaube, dass dieser ganze Complex im hochgradigen Ma¬ 
rasmus des Patienten und in den damit verbundenen mvodegenerativen 
Processen seine Erklärung hat. Bei Nr. 102 und 103 ergab der opsiu- 
rischo Versuch einen durchaus normalen Befund. 

Es bleibt mir noch übrig, über einen Umstand Bericht zu erstatten, 
dem die französischen Forscher eine grosse Wichtigkeit beimessen. Ich 
meine die Orthostatie. Ich liess diesen Begriff im Laufe obiger Aus¬ 
einandersetzungen absichtlich unberührt, um dann summarisch einige 
Bemerkungen machen zu können. 


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Ludwig v. Szöllösy, 


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2H8 


Die französischen Autoren haben ungefähr mit der Gültigkeit einer 
mathematischen Formel jenen Satz aufgestellt, dass während unter nor¬ 
malen Verhältnissen die aufrechte Körperhaltung eine Steigerung der 
experimentellen Polyurie hervorruft, wird bei portaler Hypertension eben 
das Gegenteil dieser Erscheinung manifest: die ausgeschiedenen Urin- 
werte sind in horizontaler Lage höher und während der Orthostatic ge¬ 
ringer. Diese Behauptung trägt in sich denselben Fehler, den wir schon 
in der Einleitung betont haben: die Franzosen haben die ganze Frage 
der Opsiuric so eingestellt, dass sie zu einer einseitigen Beurteilung der 
experimentoll gewonnenen Ergebnisse führen musste. Ihre Beweisführung 
scheint auch lückenhaft zu sein. Sie nehmen an, dass im Falle einer 
portalen Blutdrucksteigerung die aufrechte Körperstellung notwendiger¬ 
weise eine allgemeine arterielle Hypotension verursacht. Muss es denn 
auch wirklich so sein? Ich konnte in der mir zur Verfügung stehenden 
einschlägigen Literatur keine ernste Unterstützung dieses Satzes finden, 
und die einzelnen Fälle, die tatsächlich mit einer orthostatischen Steige¬ 
rung der Opsiurie verbunden sind, können wahrscheinlich auf eine andere 
Weise erklärt werden. Meistens handelte es sich nämlich um ausge¬ 
sprochene interstitielle Leberveränderungen, vielleicht auch alkoholischer 
Natur, und der Gedanke liegt nahe, dass bei vielen dieser Kranken schon 
Störungen der Herztätigkeit aufgetreten waren. Ich meine diese Störungen 
natürlich nicht im Sinne einer physikalisch nachweisbaren Decompen- 
sation. Aber es ist leicht denkbar, dass bei gewissermassen schon ge¬ 
schwächten Individuen der Herzmuskel den doppelten Anforderungen, die 
durch die Orthostatic und den opsiurischen Versuch an ihn gestellt 
wurden, nicht mehr entsprechen konnte, und dass es zu einer, allerdings 
nur vorübergehenden, suprahepatischen Drucksteigerung kam, die zur 
Opsiurio führte. 

Meine diesbezüglichen Erfahrungen sind denjenigen der französischen 
Autoren durchaus widersprechend. Im ganzen habe ich sechsmal den 
orthostatischen Controllversuch gemacht, und zwar in folgenden Fällen: 
Nr. 10, 22, 28, 44, 56 und 62. Mit einer auffallenden Eindeutigkeit 
ergab sich stets derselbe Typus der ausgeschiedenen Urinmengen, wie in 
der Bettruhe, nur dass die einzelnen Werte etwas höher waren. Kein 
einzigesmal konnte ich eine Neigung gegen die Oligurie oder ein Deut¬ 
licherwerden des opsiurischen Charakters finden, — um so weniger das 
Auftreten der Opsiurie dort, wo in der Bettruhe normale Verhältnisse 
nachweisbar waren. Ich nahm auch in den weiteren Versuchen gar 
keine Rücksicht darauf, ob die Patienten bettlägerig waren oder nicht. 
Es kommt ja bei der Untersuchung lediglich auf den Typus und nicht 
auf die einzelnen Harnwerte an, und der Typus wird durch die Ortho¬ 
static nicht berührt. Die orthostatische Veränderung kann nur mit all¬ 
gemein circulatorischen, vielleicht auch mit renalen Verhältnissen Zu¬ 
sammenhängen, — wenn sic im Zusammenhang mit der Opsiurie 
überhaupt eine Bedeutung hat. Darüber kann ich mit meinen 100 und 
einigen Fällen nicht entscheiden. Es hätte sich allerdings eine Versuchs¬ 
anordnung leicht anstellen lassen können: wie gestaltet sich das Bild 
bei den incompensicrten Herzfehlern? Einerseits waren aber diese sowieso 


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Die Opsiurio. 


‘2fi9 


opsiurisch, andererseits war für ihre Behandlung die Bettruhe von so 
grosser Wichtigkeit, dass ich mich nicht berechtigt fühlte, eine experi¬ 
mentelle Steigerung der lncompensation horvorzurufen. 

Wenn ich nun die Ergebnisse der ganzen Versuchsreihe zusammen¬ 
fassen wollte, so glaube ich folgendes behaupten zu dürfen: Der opsiu- 
rische Versuch hat nicht nur bei den portalen Circulationsstörungen einen 
gewissen diagnostischen Wert. Er gehört zu den einfachsten Methoden, 
die motorische lnsufficienz des Magens zu erkennen, weiterhin kann er 
uns in der Feststellung mancher allgemeinen Kreislaufstörungen gute 
Dienste erweisen, in erster Reihe vielleicht, was die beginnenden De- 
compentationsorscheinungen des Herzens anbelangt. Und schliesslich 
kann ihm vielleicht unter den Nierenfunctionsproben eine gewisse Be¬ 
deutung zugesprochen werden. Freilich müsste die richtige Beurteilung 
und Wertung der Einzelheiten die Aufgabe weiterer und allerdings sehr 
zahlreicher Untersuchungen sein. 


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XIX. 


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Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charite, Berlin 
(Director: Geheimrat Prof. Dr. F. Kraus). 

Ueber die Herkunft der localen eosinophilen Zellen. 

Von 

ür. Basllelos Photakis (Athen). 

(Hierzu Tafel XI.) 


Das Vorkommen von eosinophilen Zellen ausserhalb der physiologischen 
Bildungsstätten und ausserhalb der Blutbahn und ihre Anhäufung in den 
verschiedenen Organen und Geweben veranlasste viele Forscher, ausser 
nach ihrer Herkunft aus den bekannten Bildungsstätten, noch nach anderen 
Ursprungsorten der eosinophilen Zellen zu forschen. 

Die hierfür angeführten Gründe sind quantitativer und qualitativer 
Natur. Die Menge der eosinophilen Zellen im Blute soll nicht ausreichen, 
die localen gewaltigen Ansammlungen zu erklären, und die morphologischen 
Befunde am Orte der Ansammlung sollen dazu zwingen, eine autochthone 
Entstehung der eosinophilen Zellen anzunehmen. Während die Anhänger 
der Eroigrationslehre annehmen, dass die eosinophilen Zellen aus dem 
Blut auswandern, im Gewebe aber sich weiter vermehren können, also 
eine homoplastische Proliferation der eosinophilen Zellen annehmen, 
glauben dagegen die Anhänger der Theorie der localen Entstehung, 
dass die eosinophilen Zellen sich aus anderen Zellen, fixen oder beweg¬ 
lichen, bilden, nehmen also eine heteroplastische Entstehung der 
eosinophilen Zellen an, welche sich möglicherweise an ihrem Entstehungs¬ 
orte noch weiter vermehren. Ohne nun aber die Beweisführung der 
autochthonen oder hämatogenen Theorien über die Herkunft der 
eosinophilen Infiltrate in loco zu wiederholen, will ich die von mir mittels 
der directen experimentellen und mikroskopischen Beobachtungen fest- 
gestellten Tatsachen anführeu. Diese Untersuchung habe ich auf Ver¬ 
anlassung von Herrn Dr. E. Lcschke durchgeführt. 

ln neuerer Zeit ist festgestellt worden, dass nach wiederholten art¬ 
fremden Seruminjectionen eine plötzliche starke Vermehrung der eosino¬ 
philen Zellen im Knochenmark, Blut und in bestimmten Gewebsteilen des 
Körpers auftritt. Wir hofften nun durch artfremde Serumeinspritzungen 
im tierischen Körper im Zustande der Ueberempfindlichkeit eine solche 
starke Bildung der eosinophilen Zellen hervorrufen zu können und durch 
mikroskopische Untersuchungen ein genaues Resultat über die Herkunft 
der localen eosinophilen Zellen zu erhalten. 

Ausser dieser Versuchsanordnung haben wir den Gedanken gehabt, 
die zu diesem Zweck benutzten Versuchstiere von vornherein mit Vital- 


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Ueber die Herkunft der localen eosinophilen Zellen. 


271 


färbung (Lithio-Carmin) anzuspeichern, um durch die Anspeicherung 
die carminophilen von den carminophoben Zellen bei unseren mikro¬ 
skopischen Untersuchungen deutlich verschieden darzustellen. Wir haben 
zu diesem Zweck bei Kaninchen vier Wochen lang vitale Einspritzungen 
mit Lithio-Carmin intravenös vorgenommen. In der ersten Woche haben 
wir ausserdem 1 ccm menschliches Serum in die Ohrvene eingespritzt. 
Nach vier Wochen haben wir auf einmal 20 ccm menschliches Serum 
ebenfalls intravenös injiciert. Kurz vor dieser Einspritzung haben wir 
von dem Versuchstiere Blutausstrichpräparate angefertigt und durch eine 
kleine Operation aus dem Femur des Tieres Knochenmark entnommen, 
um bei unseren Untersuchungen ein Bild sowohl des Blutes wie des 
Knochenmarks vor dem Tode des Tieres zu haben. Zwei Stunden nach 
dieser Serumeinspritzung starb das Tier im Zustand der Anaphylaxie 
(protrahierter anaphylaktischer Shock). Sofort nach dem Tode des 
Kaninchens wurde Knochenmark und Lunge in Orthschcr und einfacher 
Formalinlösung (4pCt.) fixiert und dann nach den folgenden Färbungs¬ 
methoden untersucht: Pappenheims Panchromfärbung, Methylenblau, 
Hämalaun, Hämalaun-Eosin, May-Grünwald. 

Die Ueberlegung, welche uns bei diesen Versuchen leitete, will ich 
gleich eingangs kurz darlegen. Es handelt sich darum festzustellen, ob 
die nach solchen artfremden Serumeinspritzungen in dem 
Lungengewebe angehäuften eosinophilen Zellen in loco ent¬ 
standen sind oder aus dem Blut und Knochenmark stammen. 
Darüber soll uns der Vergleich der localen eosinophilen Zellen mit den 
im Blut und Knochenmark sich befindenden Aufschluss geben. Weiterhin 
war es von Wichtigkeit, zu constatieren, ob in den Lungengefässen 
eosinophile Zellen in vermehrtem Maasse zu finden wären und wie sich 
ihre Form im Vergleich zu den in loco vorhandenen eosinophilen Zellen 
verhalte. Ausserdem sollte uns die Carminspeicherung ein Wegweiser dafür 
sein, ob die in dem Lungengewebe auftretenden eosinophilen Zellen Ab¬ 
kömmlinge irgend welcher carminophiler Zellen seien. Was die vitale 
Carminspeicherung betrifft, so ist cs uns bekannt, dass seit den Unter¬ 
suchungen von Ribbert, Aschoff, Kiyono u. a. als carminophile Zellen 
die folgenden Zellarten aufzufassen sind: 

Die Deckzellen der serösen Höhlen, die Endothelien des Gefäss- 
systems, die Bindegewebszellen (Fibroblasten), die Reticuloendothelien 
der blutbereitenden Organe (die Klasmatocyten und die Histiocyten, die 
aus den specifischen Reticuloendothelien der blutbereitenden Organe und 
der Klasmatocyten hervorgehen). 

Wir wollen im folgenden über die Prüfung der nachstehenden Fragen 
berichten: 

1. Was für eine Blutformel zeigt das Versuchstier vor der letzten 
Einspritzung von 20 ccm Serum? 

2. Welches ist die procentuale Zusammensetzung der weissen Blut¬ 
zellen im Knochenmark vor und nach dem anaphylaktischen Shock? 

3. Welches ist das morphologische Bild der localen eosinophilen 
Zellen im Lungengewebe und wie verhalten sie sich zu den 
eosinophilen Zellen im Blut und im Knochenmark? 


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272 


Basileios Photakis, 


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Die Beantwortung der beiden ersten Fragen ist aus den folgenden 
Tabellen I und II ersichtlich, die der 3. Frage aus Tabelle III. 


Tabelle I. 

Blutbefande vor der zweiten Einspritzung. 


Grosse 

Lymphocyten 

Kleine Pseudo- 

( Lymphocytcn| eosinophile 1 ) ( 

Eosinophile 

Mastzellen 

Uebergangs- 
| formen 

lOpCt. 

; l 

35 pCt. ! 50 pCt. 

1 pCt. 

2 pCt. 

j 

1 pCt. 


Tabelle II. 

Proeentnale Zusammensetzung der weissen Knoehenmarkszellen. 



Myelocyten 

M e tamy el ocy ten 


Pseudo¬ 

eosinophile 1 ) 

Eosino¬ 

phile 

Mast¬ 

zellen 

Pseudo- | Eosino- 
eosinophile 1 ) phile 

Mast¬ 

zellen 

Vor dem anaphy¬ 
laktischen Shock 

80pCt. 

2pCt. i 

3pCt. 

! | 

lOpCt, 2pCt. 

3pCt. 

Nach dem anaphy¬ 
laktischen Shock 

55pCt. 

1 

20pCt. | 

lpCt. 

9 pCt. ! 15pCt. 

i 


1) Die pseudoeosinophilen Zellen des Kaninchens entsprechen den neutrO' 
philen Specialleukocyten der anderen Tierarten. 


Tabelle UI. 

Procentoale Zusammensetzung der eosinophilen Zellen in Knochenmark, Blot nnd 
Lnnge nach ihrem morphologischen Bilde. 



Knochenmark 


Blut 

Lungen 


Mononucleäre | 

• § 

£1 

o 

Mononucleäre 

Poly- 

nucleäre 

Mononucleäre 

£ 

J zeS 


Myelo¬ 

cyten 

Meta- | 
myelo¬ 
cyten 

Myelo¬ 

cyten 

Meta- | 
myelo¬ 
cyten 

Myelo¬ 

cyten 

Meta- 
myelo¬ 
cyten | 

© 
o o 

Ph P 
a 

Vor dem anaphy¬ 
laktischen Shock 

80 pCt. 

aopct. 

0 

0 

0 

i 

lOOpCt. 

0 

0 

0 

Nach dem anaphy¬ 
laktischen Shock 

50pCt. 

40pCt. 

lOpCt. 

40pCt. 

40pCt. 

20pCt. 

50pCt. j 

20pCt. 

30pCt. 


Was die Frage betrifft, ob fixe Zellen sich in eosinophilen Zellen ver¬ 
wandeln können, so ist diese auf Grund unserer Befunde zu verneinen, 
denn wir haben niemals in den eosinophilen Zellen Carmin- 
granula auffinden können und niemals Uebergangsformen von 
carminspeichernden Bindegewebszellen zu eosinophilen Zellen 
gesehen. 

Die Behauptung, dass eosinophile Zellen aus Lymphocytenzellen 
hervorgehen können, wie manche Autoren angenommen haben, ist gleich¬ 
falls nicht mehr aufrecht zu erhalten, da nämlich die eosinophilen Zellen 
und die Lymphocyten schon differencierte Zellelcmentc des Blutes sind. 
Wenn nun die Lymphocyten eosinophile Zellen liefern könnten, müsste 
man alle diese Zellen zu einer Zellart rechnen können. Diese Frage ist 
aber bekanntlich nach eingehenden Untersuchungen der hämatopoetischen 
Organe erörtert worden, jedoch hat man zur Stütze dieser Theorie keinen 


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Ueber die Herkunft der localen eosinophilen Zellen. 


273 


Anhaltspunkt gewonnen. Eine Umwandlung der Lymphocyten oder fixen 
Bindegewebszellen in eosinophile Zellen findet also nach den Ergebnissen 
unserer Untersuchungen an carmingespeicherten Kaninchen nicht statt. 

Das mikroskopische Bild des Blutes, Knochenmark und der Lungen 
nach dem anaphylaktischen Tode des Tieres und sein Vergleich mit den 
vor dem Tode genommenen Blut und Knochenmark gibt uns also folgendes 
Resultat (vgl. Tabelle III): 

Die Morphologie des Kernes der localen eosinophilen Zellen gibt 
uns das Bild der echten eosinophilen Myelocyten und Metamvelocyten in 
der Ueberzahl, daneben auch der in dem Kreislauf vor dem Tode des 
Tieres vorhandenen polynucleären eosinophilen Zellen. Auch beim Meer¬ 
schweinchen überwiegen in der anaphylaktischen Lunge die mono- 
nucleären Eosinophilen, d. h. die Myelocyten (55 pCt.) und die Meta- 
rayelocyten (20pCt.) vor den polynucleären (25pCt.). 

Die so rasch eingetretene Eosinophilie zeigt uns in unserem mikro¬ 
skopischen Präparat deutlich den Weg, auf welchem die in den Lungen- 
gefässen angehäuften eosinophilen Zellen hierher gelangt waren; wir fanden 
viele Lungengefässe vollgepfropft mit zahllosen eosinophilen Zellen. Die 
Durch Wanderung dieser eosinophilen Zellen aus den Blut¬ 
gefässen in das Lungengewebe selbst konnten wir direct 
beobachten. Wir fanden ausserdem zahlreiche Blutungen im Lungen¬ 
gewebe, die man bekanntlich immer bei Anaphylaxie sieht, und welche 
gleichfalls zahlreiche eosinophile Zellen enthielten, die den in den Ge- 
fässen befindlichen eosinophilen Zellen gleich waren. 

Unsere Befunde ergeben, dass die eosinophilen Zellen aus 
dem Blut und Knochenmark zu denjenigen Bezirken hin¬ 
strömen, wo sich specifisch anziehende Substanzen anhäufen. 
Sammeln sich in einem bestimmten Herde diese specifisch an¬ 
ziehenden Substanzen an, so locken sie eine Zahl eosino¬ 
philer Leukocyten aus dem Blut und Knochenmark an sich 
und rufen somit eine locale Eosinophilie hervor. 


Erklärung der Abbildung auf Tafel XI. 

Histologisches Bild der anaphylaktischen Lunge (Kaninchen). Ocul. 2. 
Oelimmersion. In der Mitte ein Lungengefäss, in dessen Lumen, Wand und Um¬ 
gebung zahlreiche eosinophile Zellen. Emigration der eosinophilen Zellen 
durch die Gefässwand. Eosinophile Zellen und Blutungsherde in den Septen 
zwischen den geblähten Lungenalveolen. 


Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 17. Bd. 


18 


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XX. 


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Aus der I. und III. med. Abt. (Vorstände: Prim.-Prof. Dr. G. Singer und 
Prim.-Doc. Dr. M.VYeinbergcr) und dem path.-anat. Inst. (Vorstand: Hofrat 
Prof. Dr. R. Paltauf) der k. k. Krankenanstalt „Rudolfstiftung“ zu Wien. 

Beschleunigter Nachweis der Tuberculose im Tierversuch 

durch Milzimpfung. 

Von 

Dr. H. Damask und Dr. F. Schweinburg, 

Assistenten der Abteilungen. 


Dank den verschiedenen Anreicherungsverfahren, insbesondere mit 
Antiformin, ist es heute leichter denn je möglich, den färberischen Nach¬ 
weis von Tuberkelbacillen in bacillenarmen Medien zu erbringen. Doch 
ist die Feststellung der Tuberculose auf diesem Wege nicht in allen 
Fällen eine einwandfreie. Insbesondere gilt dies von der Differential¬ 
diagnose zwischen dem Tuberkelbacillus und dem Smegmabacillus, welche 
häufig nicht leicht zu stellen ist. Aehnliches gilt in selteneren Fällen 
auch vom Sputum. Wir erinnern an die Befunde von Zahn, Pappen¬ 
heim, Fraenkel und Rabinowitsch, die im Sputum bei Lungengangrän 
säurefeste Bacillen fanden, während die Obduction keine Tuberculose ergab. 
Rabinowitsch gelang die Reinzüchtung dieser Bacillen, die sich für 
Meerschweinchen als nicht pathogen erwiesen und in die Gruppe der 
Buttersäurebacillen eingereiht wurden. Auch Laabs fand bei angeblich 
nicht tuberculösen Individuen säurefeste Stäbchen im Mundspeichel, Zungen- 
und Zahnbelag. Schliesslich sei auf. die im Wasser vorkomraenden, von 
Antiformin nicht angreifbaren säurefesten Bacillen hingewiesen, die auch 
zu Fehlschlüssen Anlass geben können. Ausserdem gibt es eine ganze 
Anzahl von Fällen, bei denen der mikroskopische Nachweis von Tuberkel¬ 
bacillen überhaupt nicht gelingt und die dennoch klinisch der Tuberculose 
höchst verdächtig erscheinen. Insbesondere gilt dies von serösen Exsudaten 
und Gelenkergüssen. 

Für all die fraglichen Fälle kommt praktisch nur der biologische 
Weg als das einzig zuverlässige Mittel in Betracht. Allerdings haftet 
der bisher meist geübten intraperitonealen Impfung trotz ihrer Zuverlässig¬ 
keit der Mangel an, dass der sichere Nachweis der specifischen Natur 
des geimpften Materials erst in einem Zeitraum von 6 bis 7 Wochen 
möglich ist. 

In den letzten Jahren sind nun mannigfache Versuche angestellt 
worden, die auf die Beschleunigung des Nachweises der specifischen 
Natur des Impfmaterials hinzielten. Die Art dieser Versuche bewegt sich 
nach zwei Richtungen hin. Auf der einen Seite versuchte man die er- 


Gck igle 


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Beschleunigter Nachweis der Tuberculose im Tierversuch durch Milzimpfung. 275 

höhte Empfindlichkeit gewisser Organe gegen die tuberculose Infection 
auszunützen, indem eine directe Impfung in diese Gewebe vorgenommen 
wurde. Auf der andern Seite nützte man die Ueberempfindlichkeit der 
geimpften Meerschweinchen gegen Tuberculin aus, um die tuberculose 
Erkrankung des Tieres früher nachweisen zu können. Schliesslich wurde 
die Allergie sicher tuberculöser Tiere dazu benützt, um durch Intracutan- 
impfung mit dem fraglichen Material eine Intracutanreaction zu erzielen 
(Hageraann). 

In die erste Kategorie dieser Versuche wäre einzureihen die Methode 
von Damsch, welcher durch Impfung in die vordere Augenkammer des 
Kaninchens nach drei Wochen deutlich erkennbare Tuberkel auf der Iris 
nachweisen konnte. Dieser Weg erwies sich jedoch praktisch als wenig 
brauchbar, wegen der schwierigen Technik sowie wegen der bei Bestehen 
einer Mischinfection auftretenden Panophthalmie, die den Nachweis der 
specifischen Veränderungen der Iris unmöglich macht. Nattan-Larrier 
und Griffon haben Meerschweinchen in der Laktationsperiode das ver¬ 
dächtige Material in die Brustdrüsen injiciert und nach 5 bis 6 Tagen in 
der ausgequetschten Milch Tuberkelbacillen nachweisen können. 

Die Beobachtung, dass die regionären Lymphdrüsen der Tubcrculose- 
infection frühzeitig anheimfallen, gab Salus und Rabinowitsch Ver¬ 
anlassung, das verdächtige Material subcutan in die Leistengegend zu 
injicieren. Die geschwollenen Leistendrüsen erwiesen sich nach 3 bis 
4 Wochen als tuberculös. 

Die durch ein Trauma geschaffene Disposition zur schnelleren tuber- 
culösen Erkrankung veranlasste Bloch, die Leistendrüsen vor der sub- 
cutanen Injection zu quetschen. In den bereits nach 9 Tagen geschwollenen 
Drüsen konnte er in Schnittpräparaten Tubcrkelbacillen nachweisen. 

Die immerhin coraplicierte Methode des Nachweises von Tuberkel¬ 
bacillen in den Serienschnitten haben Bloch und gleichzeitig Bachrach 
und Necker dadurch vereinfacht, dass sie die Drüsen in 15proc. Anti¬ 
formin auflösten und das Sediment mikroskopisch untersuchten. Bereits 
nach 10 bis 11 Tagen konnten Bachrach und Necker auf diesem Wege 
die tuberculose Natur der Erkrankung in allen verdächtigen 25 Fällen 
nachweisen. Als Untersuchungsmaterial diente ausschliesslich Harn. Dieser 
so beschleunigte Nachweis von Tuberkelbacillen wäre ohne Zweifel allen 
bisher geübten Methoden überlegen, wenn er eben absolut sicher wäre. 
Die Erfahrung lehrt indes, dass die Schwellung und die centrale Er¬ 
weichung der Inguinaldrüsen nicht immer specifisch ist, da auch andere 
Bakterien diese Veränderungen bedingen können. Sogar die gefundenen 
säurefesten Bacillen können miteingebrachtc, nicht specifische Erreger 
sein, wie dies aus den Untersuchungen von Dieterlen hervorgeht. 
Schliesslich kann nach Esch die Drüsenschwellung überhaupt fehlen, 
besonders in Fällen, in welchen nur äusserst minimale Mengen von 
Tuberkelbacillen injiciert wurden. 

Auch die von Esch angegebene intracardiale Einspritzung des ver¬ 
dächtigen Materials hat sich nicht eingebürgert. Es scheint, dass die 
Technik zu schwierig ist und die Tiere häufig im Anschluss an die 
Impfung an Verblutung zugrunde gehen (s. Hagemann). 

18 * 


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# 276 M. Damask und F. Sch wein bürg, 

Oppenheimer wählte für die lnjection des infectiösen Materials 
die Leber, von der Erfahrung ausgehend, dass nach Einbringung von 
Tuberkelbacillen in die Blutbahn Leber und Milz zuerst erkranken. Seine 
Versuche ergaben, dass regelmässig bei Ueberimpfung von tuberkel¬ 
bacillenhaltigem Harn bereits nach 16 Tagen, öfter auch schon früher bis 
herab zu 5 Tagen, miliare Knötchen in der Leber und Milz nachweisbar 
waren, die bei der mikroskopischen Untersuchung sieh immer als Tuberkel 
erwiesen. Die Vorteile dieser Irapfmethode bestehen in der sehr ein¬ 
fachen Technik, wie insbesondere in der bereits makroskopisch sichtbaren 
anatomischen Veränderung, die bei einiger Ucbung die weitere histologische 
Untersuchung überflüssig macht. Zwar erscheint der sichere Nachweis 
der Tuberculose durch die intrahepatische Methode gegenüber der von 
Bachrach und Necker modificierten Blochschen Methode unter Um¬ 
ständen um einige Tage verzögert, dafür entfallen alle Bedenken be¬ 
züglich der Identität der Bacillep, wodurch der Nachweis ein absolut 
verlässlicher ist. 

Aus der Oppenheimerschen Arbeit geht hervor, dass bei der 
intrahepatischen Impfung regelmässig auch Tuberculose der Milz bestand, v 
die häufig ausgesprochener war als die der Leber, und manchmal sogar 
früher auftrat. 

Diese Beobachtung im Zusammenhänge mit der Erfahrung, dass bei 
der Obduction tuberculöser Meerschweinchen die Milz häufig sich als am 
schwersten afficiert erweist, veranlasste uns, die Milz als Impfstelle zu 
benützen, um womöglich auf diesem Wege den Nachweis der tuberculösen 
Infection noch weiter abkürzen zu können. Unsere Erfahrungen haben 
nun in der Tat unsere Annahme insoweit bestätigt, als sich bei unseren 
Versuchen in der Regel nach 14 Tagen, in der Mehrzahl der Fälle nach 
10 Tagen, häufig auch schon früher, die tuberculose Infection naeh- 
weisen Hess. 

Zunächst schien allerdings die Technik complicierter und zeitraubender 
als bei der Oppenheimerschen Metlfode. Denn es erscheint bei der 
Kleinheit der Milz unmöglich, mit einiger Sicherheit in dieselbe zu impfen, 
wovon wir uns in mehreren Vorversuchen überzeugen konnten. Nur durch 
die Laparotomie ist eine verlässliche Impfung möglich; diese gestaltet 
sich bei einiger Uebung äusserst einfach. 

Die Bauchhöhle des narkotisierten und rasierten Meerschweinchens 
wird mit einem linksseitigen Flankenschnitt, der vom Rippenbogen in 
der Länge von etwa 5 cm nach abwärts geführt wird, geöffnet; dabei 
stellt sich der Magen ein, welcher vorgezogen wird. An seiner grossen 
Curvatur hängt die etwa 2 cm lange Milz, die automatisch mit dem 
Magen aus der Wunde gleitet. In diese wird nun das verdächtige 
Material mit einer ganz feinen und kurzen Kanüle eingespritzt. Hierbei 
ist nur darauf zu achten, dass die sehr dünne Milz nicht durchgestochen 
und dadurch das Material in die Bauchhöhle injiciert wird. Am zweck- 
massigsten wird hierfür ein Milzpol zwischen Daumen und Zeigefinger 
fixiert. Die richtig ausgeführte lnjection erkennt man an dem Entstehen 
einer anämischen Zone, die sich scharf gegen das rote Milzgewebe ab¬ 
setzt. Nach Reposition der Eingeweide werden die Bauchdecken mit 


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Beschleunigter Nachweis der Tuberculose im Tierversuch durch Milzimpfung. 277 


fortlaufender Naht vereinigt, die Haut mit Michelschen Klammern ge¬ 
schlossen und mit etwas Collodium begossen. Die Bauchhaut wird nur 
mit Jodtinctur bestrichen und steril abgedeckt. Die Asepsis erfordert 
keine besondere Aufmerksamkeit. In unserer ganzen Versuchsreihe ist 
uns nur zu Beginn der Versuche ein einziges Tier an Peritonitis ein-' 
gegangen. Ganz vereinzelt stellten sich geringe Bauchdeckeneiterungen 
ein, die jedoch den Gang der Versuche in keiner Weise beeinflussten. 
Viel mehr zu schaffen gab uns anfänglich die parenchymatöse Milzblutung. 
Sie trat aus der Injectionsstelle bald sehr gering, bald abundant auf, er¬ 
forderte aber in den meisten Fällen keine besondere Blutstillung. Immer¬ 
hin hatten wir im Anfang einige Verblutungen in die Bauchhöhle zu ver¬ 
zeichnen. Der Liebenswürdigkeit des Herrn Vorstandes Prof. Dr. E. F reund 
im hiesigen chemischen Laboratorium verdanken wir ein Präparat, durch 
welches wir starke Blutungen immer beherrschen konnten. Es ist dies 
ein Lecithinpräparat „Coagulint“. 

Auf die blutende Stelle wird durch einige wenige Minuten ein mit 
diesem Präparate getränkter Tupfer aufgedrückt. Seit Anwendung dieses 
Mittels ist uns kein Tier mehr an Verblutung eingegangen. Die Blutung 
aus den Bauchdecken ist eine minimale und erfordert in der Regel keine 
Gefässunterbindung. Es empfiehlt sich, ziemlich weit seitlich, am besten 
links in der vorderen Axillarlinie, zu laparotomieren, um den grösseren 
Gefässen auszuweichen. Der ganze Eingriff gestaltet sich technisch sehr 
leicht, ist von einem Operateur ohne Assistenz ausführbar und dauert 
kaum zehn Minuten. Das Instrumentarium besteht nur aus einem 
Seal pell, einer kleinen Schere, einer kleinen chirurgischen Pincette, 
kleiner stark gebogener Nadel, feiner Seide und Michelschen Klammern. 
Zur lnjection verwenden wir eine 2 ccm fassende Recordspritze. 

Die Menge des injicierten Materials beträgt meist l / 2 bis 1, höchstens 
l*/ 2 ccm. Grössere Mengen können wegen der Kleinheit des Organs 
nicht injiciert werden. Zur Prüfung des Erfolges bedienten wir uns der 
Relaparotoraie der injicierten Tiere. Dies gewährte uns den Vorteil, sehr 
frühzeitig nachschcn und bei negativem Befunde warten zu können. So 
sparten wir Material und liefen nicht Gefahr, ein nur vorläufig negatives 
Resultat als definitives anzusprechen. Die Relaparotomie führten wir 
median aus; sie wird von den meisten Tieren ebenso gut vertragen wie 
die erste. In negativen Fällen haben wir hier und da auch wiederholt 
relaparotomiert. 

Exsudate, Harnsedimente und Eiter wurden ohne jede weitere Vor¬ 
behandlung injiciert. Nur eine Anzahl von Exsudaten wurde gleich nach 
Entnahme mit sterilen Porzcllankügelchen längere Zeit geschüttelt, um 
zu verhindern, dass das sich stets bildende und nicht injicierbarc Fibrin¬ 
gerinnsel die meist ohnehin sehr spärlichen Tuberkelbacillen einschliesse. 
Mehr Schwierigkeiten machte die lnjection des Sputums. Um die von 
Jacoby und Meyer festgestcllte schädigende Wirkung der stärker con- 
eentrierten Antiforminlösung auf die Virulenz der Bacillen zu vermeiden, 
haben wir verschiedene Modificationen der Vorbehandlung des Sputums 
versucht. Das nicht vorbehandelte Sputum ist natürlich wegen seiner 
Consistenz unbrauchbar, da cs sieh durch die unbedingt notwendigen 


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278 


M. Damask und V. Schweinburg, 


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feinen Canülen nicht injicieren lässt. Versuche, das Sputum durch 
Schütteln mit Glasperlen so weit zu homogenisieren, dass es injicierbar 
wird, ergaben kein Resultat. Wir bedienten uns ferner der Autolysc des 
Sputums, indem wir dieses 12 bis 24 Stunden im Thermostaten stehen 
Hessen. Es gelingt auf diese Weise, jedes Sputum so weit zu verflüssigen, 
dass man es ohne Schwierigkeiten injicieren kann. Mit derart homo¬ 
genisiertem Sputum haben wir nun eine grössere Versuchsreihe angestellt. 
Wir können aber diese Methode nicht empfehlen, weil uns mehr als die 
Hälfte der Tiere bereits am Tage nach der Injcction eingegangen ist. 
Die Obduction ergab meistens einen ganz negativen Befund. Da im 
Ausstrichpräparat solcher autolvsierter Sputa die übrigen Bakterien un¬ 
geheuer vermehrt sind, nehmen wir an, dass die Tiere an acuter Sepsis 
eingegangen sind. 

Wir gingen daher zu Versuchen mit schwachen Antiforminlösungen 
über. Bei 5proc. Lösungen ergab sich der Uebelstand, dass das Homo¬ 
genisieren sehr lange Zeit dauerte und sich beim Centrifugieren ein sehr 
mangelhaftes Sediment bildete, das oft weniger Bacillen enthielt, als das 
unvorbehandelte Sputum. Der Zusatz von grösseren Mengen Alkohol, 
der ein besseres Absetzen ermöglicht hätte, musste natürlich vermieden 
werden, um die Bacillen in ihrer Virulenz nicht zu schädigen. 

Wir haben nun auf folgende Weise versucht, die langdauernde Ein¬ 
wirkung des Antiforrains auf das Sputum zu vermeiden. Wir überliessen 
zunächst das Sputum im Thermostat der Autolyse, schüttelten es dann 
mit der annähernd gleichen Menge 10- oder 15proe. Antiforrainlösung 
gründlich durch, wobei die Homogenisierung in ganz kurzer Zeit vor sich 
ging. Dann wurde möglichst rasch abcentrifugiert, das Sediment in 
wenig physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemrat und injiciert. Diese 
Methode hat sich uns weitaus am besten bewährt, wobei die lOproc. 
Lösungen günstigere Resultate lieferten als die 15proc. 

Es seien nun die gewonnenen Resultate in tabellarischer Uebersicht 
angeführt. 

Zunächst mögen einige Versuche mit Reinculturen folgen. Es wurde 
eine Aufschwemmung einer Oese Tuberkelbacillen vom Typus humanus 
auf 10 ccm physiologischer NaCl-Lösung als Grundaufschwemraung ver¬ 
wendet. Wir werden diese Aufschwemmung der Kürze halber als Normal¬ 
aufschwemmung bezeichnen. 


Tabelle 1. 


Versuche mit Xormalaufscltwemmung. 


Meerschw.; 
Nr. j 

Menge 

ccm 

Datum ! 

der 

Injcction 

Datum 

der 

Relaparotomie 

Ergebnis 

IG 

1 

s. 10 . 

IG. 10. 

Milz 2 lach vergrussert, 2 grosse käsige 
Knoten; im Ausstrichpräparatc reich¬ 
liche Tuberkelbacillcn. Leber 0. 

17 

1 

8. 10. 

IG. 10. 

Milz: mehrere hanfkormrrosse verkäste 
Krmtehen. Leber 0. 


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Beschleunigter Nachweis der Tuberculöse ira Tierversuch durch Milzimpfung. 270 


* 


Datum 

Datum 


Menge 

der 

der 

© 

© 

s 

ccm 

Injection 

Relaparotomie 

23 

V, 

9. 10. 

16. 

10. 

24 

'/a 

9. 10. 

17. 

10. 

26 

V* 

9. 10. 

15. 

10. 

32 

1 

13. 10. 

19. 

10. 

37 

1 

18. 10. I 

i 

23. 

10. 

38 

V* 

18. 10. 

23. 

10. 

44 

0,1 

28. 10. 

( 4. 

1 10. 

11. 

11. 

48 

0,01 

28. 10. 

10. 

11. 

50 

0,001 

28. 10. ' 

./ 8. 

1 11. 

11. 

11. 


Ergebnis 


| Milz 3 fach vergrössert, zahlreiche ver¬ 
käste bis hanfkorngrosse Knötchen; 
im Ausstrich Bacillen positiv. In 
der Leber zahlreiche gelbe Knötchen. 

Milz 3 fach vergrössert, durchsetzt von 
gelben verkästen Knötchen, im Aus¬ 
strich Bacillen positiv. Leber 0. 

Verkäste Knötchen in Milz und Leber. 

Milz doppelt vergrössert; an der Ein¬ 
stichstelle ein grosser käsiger Knoten 
neben mehreren kleineren. Leber 0. 
Ausstrich positiv. 

Milz doppelt vergrössert; enthält ver¬ 
käste Knötchen. Miliare Knötchen 
der Leber. 

Verkäste Knötchen der Milz und Leber. 
Im Ausstrich Bacillen positiv. LebcrO. 

Negativ. 

Drei grosse käsige Knoten der Milz. 
Bacillen positiv. 

Mehrere grosse käsige Milzknoten. Im 
Ausstrich Bacillen positiv. Leber 0. 

0 

Zwei verkäste Knoten in der Milz. 
Leber 0. Ausstrich positiv. 


Aus dieser Tabelle geht wohl eindeutig hervor, dass die Menge der 
eingebrachten Keime den Zeitpunkt, an dem eine makroskopische Er¬ 
krankung der Milz nachweisbar ist, ausserordentlich beeinflusst, eine 
übrigens längst bekannte Tatsache. Bei grossen Mengen haben wir regel¬ 
mässig schon in der ersten Woche, frühestens am fünften Tage, ausge¬ 
sprochene tuberculöse Veränderungen nachweiscn und durch positiven 
Bacillenfund erhärten können. Bei stärkeren Verdünnungen liess sich 
Tuberculöse der Milz erst nach 12 bis 13 Tagen constatieren. 


Tabelle II. 

Analysiertes Nativsputum in die Milz. 


Mecrschw. i 
Nr. 

Menge des 
injicierten 
Sputums 

ccm 

Badllen- 

gehalt 

Datum der 

! 

t Injection 

i 

Datum der 
Rela¬ 
parotomie 

i 

Ergebnis 

110 

•/, 

i 

i 1 

Reichlich j 

i 

27. 

11. 

10. 12. 

Zwei grosse käsige Milzknoten. 
Im Ausstrich Bacillen positiv. 

112 

i/„ 

| Mässig, 1 
Reichlich 

27. 

11. 

15. 12. 

Massige Tuberculöse der Milz 
und Leber. 

117 

i / 

/ 2 

Reichlich 

2. 

12. 

16. 12. 

Tuberculöse der vergrösserten 
Milz. Leber 0. 

134 

1 

Mässig, 1 
Reichlich 

4. 

12. 

16. 12. 

Tuberculöse der Milz. 

104 

[ 2 

Spärlich 

24. 

11. 

9. 12. 

Spontanexitus 

Milzabsccss an der Inject ions¬ 
stelle. Fraglich. 

103 

1/2 1 

Reichlich 

24. 

11. 

2. 12. 
Narkosetod 

Negativ (nach 8 Tagen). 


Sieben Tiere 24 Stunden bis 

3 Tage nach der Injection eingegangen. 


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280 


M. Damask und F. Schweinburg, 


Es wurden somit im ganzen 13 Tiere mit autolysiertem Nativsputum 
in die Milz geimpft. Bei vier Tieren ergab die nach 12, 13, 14 und 
18 Tagen vorgenommene Relaparotomie ein positives Resultat. Ein Tier 
zeigte nach 8 Tagen keine Tuberculose; infolge Narkosetodes während 
der Relaparotomie konnte kein endgiltiges Resultat erzielt werden. 

Fraglich ist das Ergebnis bei Tier 104, da durch ein Uebersehen 
der Eiter des Milzabscesses nicht auf Tuberkelbacillen gefärbt wurde. 

So günstig nun diese Resultate auch sind, ist die Methode wegen 
des grossen Verlustprocentsatzes (54 pCt.) nicht empfehlenswert. 

Tabelle III a. 


Antolygierte* Antiforminsputum in die Milz. 

A. lOprocentig. 


Meerschw. 

Nr. 

MeDge des 
injicierten 
Sputums 
ccm 

Bacillen¬ 

gehalt 

Datum der 
Injection 

Datum der 
Rela¬ 
parotomie 

Ergebnis 

66 

1 

Spärlich. 

5. 

n. 

12. 11. 

18. 11. 

Negativ. 

Tuberculose der Milz. 

67 

1 

Massig 

reichlich. 

5. 

ii. 

12. 11. 

Negativ. Narkosetod. 

68 

1 

Massig 

reichlich. 

5. 

11. 

12. 11. 

Ein käsiger Knoten der ver- 
grösserten Milz. Im Ausstrich 
Bacillen positiv. 

71 

1 

Massig 

reichlich. 

5. 

11. 

12. 11. 

Langer käsiger Milzknoten, da¬ 
neben kleinere verkäste. Im 
Ausstrich Bacillen positiv. 

73 

1 

Sehr 

spärlich. 

G. 

11. 

13. 11. 

17. 11. 

Negativ. 

Spontanexitus: Negativ. 

82 

1 

Sehi- 

spärlich. 

! 17. 

11. 

, 28. 11. 

2. 12. 

5. 12. 

Negativ. 

Fragliche Knötchen in der Leber. 
Milz 0. 

Exitus: Spärliche Tuberculose 
der Milz und Leber. 

93 

1 

Spärlich. 

1 21 - 

1 

11. 

13. 12. 

Zwei grosse käsige Milzknoten. 
Tbc.-Bacillen im Ausstrich 
positiv. 

106 

i „ 

Massig 

reichlich. 

i 

1 

11. 

15. 12. 

Grossknotige Tbc. der stark ver- 
grösserten Milz: Miliare der 
Leber. 

107 

72 

Massig 
. reichlich. 

26. 

11. 

15. 12. 

Grosse käsige Knoten der stark 
vergrösserten Milz. Leber 0. 

108 

v 2 

j Spärlich. 

, 24. 

i 

11. 

12. 12. 

Grosse Tbc.-Knoten der Milz, 
miliare in der Leber. 


Es wurden im ganzen 10 Tiere mit lOproc. autolysiertem Anti¬ 
forminsputum geimpft. Positive Resultate ergaben sich am 6., 7., 13., 
18., 19., 19. und 22. Tage. Die Tiere 93, 106, 107, 108 konnten aus 
äusseren Umständen erst zu so späten Terminen relaparotomiert werden; 
sie zeigten aber schon so weit fortgeschrittene tuberculose Veränderungen 
der Milz, dass sic sicher schon mehrere Tage früher ein positives Re¬ 
sultat ergeben hätten. 

Negative Befunde hatten wir am 7., 7., 8., 11. und 11. Tage. Das 
'Fier 67 zeigte nach 7 Tagen keine Tuberculose; infolge Narkosetodes 
während der Relaparotomie konnte kein endgiltiges Resultat erzielt werden. 


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Beschleunigter Nachweis derTuborculose im Tierversuch durch Milzimpfung. 281 


Bei Tier 82 ergab sich nach 11 Tagen ein negatives, nach 15 Tagen ein 
fragliches, nach 18 Tagen ein sicher positives Resultat. Der Aasfall 
des Versuchs bei diesem Tier beweist die Richtigkeit unseres Vorgehens, 
die Tubcrculose nicht durch eine eventuell zu frühzeitige Obduction, 
sondern durch Relaparotomic nachzuweisen. Bei Anwendung der ersten 
Methode wäre das Resultat des Tierversuches unrichtig gewesen. 


Tabelle III b. 

Analysiertes Antiforminspatum in die Milz. 

B. 15 procentig. 


Mecrschw. 

Nr. 

Menge des 
injiciertcn 
Sputums 
ccm 

Bacillen¬ 

gehalt 

Datum der Da ‘ u ™ dor 

T . .. Rela- 

Injection . parotomie 

1 

Ergebnis 

* 6 

V 2 

Massig. 

1 

25. 9. | 22. 10. 

! Spontan- 
1 exitus. 

Diffuse Tbc. der Milz, Leber, 
Kiralyfische Drüsen, Perito¬ 
neum-Tbc. 

8 

1 

Reichlich. 

1. 10. 

15. 10. 

Milz 4 fach vergrössert, enthält 
zahlreiche kleinere, vereinzelte 
grössere, fast durchweg ver¬ 
käste Knoten. Leber: massig 
zahlreiche kleine Knötchen. 

11 

2 

Reichlich, i 

1 

i ! 

3. 10. 

19. 10. 

Milz 3 fach vergrössert, sehr zahl¬ 
reiche Knötchen. Kiralyfische 
Drüsen (verkäst). 

12 

1 

Massig. 1 

3. 10. 

16. 10. 

Milz 4fach vergrössert, zahlreiche 
verkäste Knoten. Leber 0, 
fettig degeneriert. 

14 

1 

Zahlreich. 

1 

4. 10. 

16. 10. 

Ein Knötchen in der Milz. 

20. 10. Spontanexitus: auch 
Leber-Tbc. 

58 


Spärlich. 

I 30. 10. 8. 11. 

11. 11. 

Negativ. 

Zwei hanfkorngrosse verkäste 
Milzknoten. Leber 0. Aus¬ 
strich positiv. 

59 

1 

10 fach 
verdünntes 
Sputum v. 
Vers. 58. 

; 30. 10. 8. 11. 

12. 11. 

Negativ. 

Käsige Knoten in der Milz. 
Leber 0. 

60 

1 

lOOfach 
’ verdünntes 
Sputum v. 
Vers. 58. 

30. 10. 12. 11. 

1. 12. 

Negativ. 

Ausgebreitete Tbc. der Milz, 
Leber und Peritoneum. 

61 

1 

1000 fach 
| verdünntes 
Sputum v. 
Vers. 58. 

30. 10. 12. 11. 

23. 11. 

Negativ. 

Käsige Knoten der Milz. 

62 

1 

Spärlich. 

31. 10. 8. 11. 

, 11. 11. 

Negativ. 

Miliare Tbc. der Milz. 


Es wurden im ganzen 10 Tiere mit 15proc. autolysiertem Antifor¬ 
minsputum geimpft. Positive Resultate ergaben sich am 12., 12., 12., 
13., 13., 14., 16., 23. (27. und 30.) Tage. Das Tier 6, das aus der Zeit 
unserer allerersten Versuche stammt, ging nach 27 Tagen spontan ein, 
eine Relaparotomie wurde nicht gemacht; cs lässt sich daher nicht ab¬ 
schätzen, wann das Tier bereits makroskopische Tuberculose zeigte. Bei 
Tier Nr. 60, das mit lOOfach verdünntem Sputum geimpft wurde, wurde 
cs übersehen, das Tier zu einem früheren Termin zu relaparotomicrcn. 


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Go igle 


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Meerschw. 


2*2 M. Hamask und F. Schweinburg, 

Doch muss man annehmen, dass es zumindest nach 23 Tagen tuber- 
culös erkrankt war, weil das Tier Nr. 61, das mit einer noch zehnmal 
stärkeren Verdünnung geimpft wurde, bereits um diese Zeit deutliche 
Tuberculose der Milz zeigte. 

Die negativen Resultate stammen vom 8., 9., 9., 12., 12. Tage. 

Vergleicht man die Tabellen A und B, so scheinen die Versuche 
mit lOproc. Antiformin Verdünnung günstigere Resultate zu liefern, als 
die mit löproc. Wir lassen es dahingestellt, ob diese Differenz auf die 
schädigende Wirkung der stärker concentrierten Antiforrainlösung zurück¬ 
zuführen ist. Um dies zu entscheiden, ist unsere Versuchsreihe zu klein. 


Menge des 
u injicierten 
^ Exsudats 
cem 

13 1 

34 V, 

56 1 

64 1 

69 1 

76 1 

79 1V 2 

96 1 

101 1 

115 1 

1*24 1 

148 1 

150 1 

152 1 


Tabelle IV. 

Exsudate. 

I Datum I Datum 


Chemisch-mikroskospischer Befund der j j a p aro _ 

1 iDjection tomie 


(Pleura) serös. Lymphocyten, spärlich 

4. 10. 

16. 10. 

Leukocyten, keine Bakterien, keine 
Tbc.-Bacillen, Cultur steril, Rivalta 
positiv. 



( Pleura). Befund w r ie bei Nr. 13. 

13. 10. 

20. 10. 
7. 11. 

(Pleura) hämorrhagisch. Mikroskopisch 

30. 10. 

13. 11. 

verfettete Leukocyten u. Epithelzellen, 
Erythrocyten und Erythrocytenrcstc, 
spärliche Lymphocyten, Rivalta pos., 
**Cultur steril, keine Tbc.-Bacillen. 


25. 11. 

(Kniegelenkerguss) serös. Im Sediment 

4. 11. 

19. 11. 

Lymphocyten und Leukocyten, keine 
Tbc.-Bacillen. 


28. 11. 

(Pleura) hämorrhagisch. Mikroskopisch 

5. 11. 

12. 11. 

Erythrocyten, spärlich Lympho- und 
Leukocyten, spärlich Tbc.-Bacillen. 



(Peritoneum) serös. Spärlich Leuko- 

11. 11. 

28. 11. 

und Lymphocyten, Rivalta positiv. 


12. 12. 

keine Tbc.-Bacillen. 


18. 12 

(Pleura) serös. I 111 Sediment zahlreiche 

17. 11. 

2. 12. 

Erythrocyten, spärlich Lympho- und 
Leukocyten, keine Tbc.-Bacillen. 


5. 12. 

(Pleura) serös. Reichliche Lympho¬ 

22. 11. 

13. 12. 

cyten, keine Bacillen. 


22. 12. 

(Pleura) serös. Reich lieh Lympho¬ 

2*2. 11. 

, 12. 12. 

cyten, spärlich Erythrocyten, steril, 
keine Tbc.-Bacillen. 


1 

(Pleura) serös. Spärlich Lymphocyten, 

2S. 11. 

12. 12. 

reichliche Leukocyten, steril, keine 


14. 12. 

Tbc.-Bacillen. 


Exitus 

(Pleura) serös. Spärliche Lymphocyten, 

1. 12. 

16. 12. 

reichL Endothelzellen u. Erythrocyten. 
(Peritoneum) serös. Keine Bacillen, 

22. 12. 

5. 1. 


spärlich Lymphocyten, Rivalta positiv. 


(Pleura) serös. Keine Bacillen, Erythro- 26. 12. 5. 1. 

und T.yinph'vyton. Rivalta positiv. 

(Pleura) sorüs. Reichlich Lympho- und 30. 12. 5. 1. 

Erythrocyten, keine The.-Bacillen. , 


Ergebnis 


Kleine verkäste Knötchen der Mi 
(Ausstrich positiv), spärlich 5 • 
gelbe Knötchen der Leber (nie! 
weiter untersucht). 

Negativ. 

DiffuseTbc. d. Milz u. Leber, verknet 
Kiralyfidrtlsen u. ad portam hepa 

Negativ. 

Negativ. Klinisch Bronchuscarei l. 
oder Tbc. Später vorgenommer 
Probeexcision oiner Drüse erg:. 
Adenocarcinom. 

Negativ. Klinisch und therapeuiN 
ergab sich Gonitis gonorrhoica. 

Grössere und kleinere verkäste Kn * 
chen der Milz, Ausstrich posi*; 

Negativ. Klinische Diagnose*. Ti 
pleurae et peritonei. Obductio:> 
diagnosc: Hepatitis interst., Pk r 
aderthrombose, Ascites, keine Ti 

Negativ. 

Zwei grosse Tbc.-Knoten im Mi!, 
parenchym, Ausstr. pos., Leber 

Negativ. 

Grössere käsige Knoten der M S 
spärl. verkäste Knötchen d. Leu- 

Grosser käsiger Milzknoten. Leber 
Ausstrich positiv. 

Negativ. 

Zwei käsige Milzknoten, Aus>tn 
positiv. 

Grosser Tuberkel der Milz. Ei: 
negativ. 

Negativ. Klinische Diagnose: F 
pleurae et peritonei. Obductö 
diagnosc: Carcinoma ventr., •: 
cinomatosis pleurae et peritcr 

Negativ. Von demselben Fall * 
Nr. 148. 

Tbc.-Knoten der Milz und Le 
Ausstrich positiv. 


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Beschleunigter Nachweis der Tubereulose im Tierversuch durch Milzimpfung. 283 


Von den 14 untersuchten Exsudaten scheiden für die Beurteilung der 
Methode zunächst 5 aus, die bei andauernd negativem Befund sich klinisch 
bzw. autoptisch als nicht tuberculös erwiesen. Die übrigen Exsudate er¬ 
gaben am 7., 14., 15., 21. Tage negativen Befund, dagegen am 6., 7., 12., 
15., 16., 18., 20., 25. und 30. Tage positive Resultate. Die Ergebnisse sind 
hier begreiflicherweise nicht so günstig wie bei den Sputumversuchen. Die Ex¬ 
sudate sind ja derart bacillenarm, dass der färberische Nachweis in der Regel 
nicht gelingt. In der Tat fanden wir nur einmal spärliche Bacillen. Dieser Fall 
hat auch sehr früh, nämlich schon nach 7 Tagen, positiven Befund ergeben. 

Es sei hier noch hervorgehoben, dass die Tuberkelknötchen manch¬ 
mal nur im Parenchym sitzen und bei der blossen Inspection nicht nach¬ 
weisbar sind. Dies kann zu Irrtümern Anlass geben, wie uns ein solcher 
wahrscheinlich bei Meerschweinchen Nr. 79 unterlaufen ist. Bei Meer¬ 
schweinchen Nr. 96 wissen wir keine Ursache für das späte Auftreten 
der Milztuberculose. Dagegen zeigt der Befund bei Tier Nr. 34, dass 
wir mit der zweiten Relaparotomie viel zu lange gewartet haben. — Im 
Anschluss daran seien zwei Versuche mit Lumbalpunctaten wiedergegeben: 

1. Meerschweinohen Nr. 57 erhält am 30. 10. 13 1 ccm verdächtiges Lumbal- 
punctat (hoher Druck, leicht getrübt; im Sediment Lympbo- und Leukocyten in gleicher 
Menge, keine Tuberkelbacillen) intralienal. Am 13. und 17. 11. negativer Befund. Die 
Obduction desPat. ergibt allgemeine Miliartuberculose und circumscripte tuberculöse 
Meningitis über den linken Centralwindungen. An der Hirnbasis waren keine meningi- 
tischen Veränderungen nachweisbar. 

2. Meerschweinchen Nr. 113 erhält am 27. 11. 13 1 ccm klares Lumbalpunctat 
(im Sediment Leukocyten und Lymphocyten sehr spärlich, hoher Druck) intralienal. 
Am 15. und 22. 12. negativer Befund. Klinisch bestand ursprünglich Verdacht auf 
tuberculöse Meningitis, der sich jedoch später nicht bestätigte. 

Die Kranke genas in kurzer Zeit völlig. 


Tabelle V. 

Verdächtiger Harn; 


£ 

ja 

£ 

<o 

<v 

■ 

Harnbefund 1 

Menge 

Datum der 
Injection 

Datum der 
i Laparo¬ 
tomie 

Ergebnis 

£ 


i ccm 






114 

Klar. Im Sediment ver- 

1 

27. 

11 . 

10 . 

12 . 

Zwei käsige Milzknoten. 


einz. Leukocyten, keine 
säurefesten Stäbchen. 






Ausstrich positiv. 

122 

Durch Ureterenkatheter 

1 

29. 

11 . 

10 . 

12 . 

Zwei käsige Milzknoten. 


entnommen, leicht 

hämorrhagisch, im Se¬ 
dimentganz vereinzelte 






Ausstrich positiv. 


säurefeste Stäbchen. 






Negativ. Intraperito- 

123 

Klar, ohne Tbc.-Bacillen, 

l 

29. 

11 . 

10 . 

12 . 

l nealer Parallclvcrs. v. 


sehr spärliche Leuko¬ 




18. 

12 . 

( 29.11.am28.12.negativ. 


cyten. 




24. 

12 . 

/ Intrahepatisch. Vers. v. 
29.1 l.am27.12.negativ. 

137 

Klar, kein Sediment, 
keine Tbc.-Baciilcn. 

1 

9. 

12 . 

20 . 

27. 

12 . 

12 . 

1 . 

.Negativ. Jntrapcrito- 

1 nealer Parallelversuch 
| vom 9. 12. am 23. 12., 






5. 

' 5. 1. u. 20. 1. negativ. 

144 

Klar, sehr spärliche Leu¬ 

1 

19. 

12 . 

5. 

1 . 

Negativ, tot. Intraperito- 


kocyten, keine Tbe.- 






nealcr Parallelvcrsuch 


Bacillen. 






v. 19.12. am3.2. negativ. 


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284 


M. Damask und F. Schweinburg, 


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Zur Untersuchung gelangten wegen Mangels an Material nur sieben 
Harne, von welchen drei nach allen Methoden auch nach langer Zeit ein 
negatives Resultat ergaben, daher für die Beurteilung ausscheiden. 


Tabelle Via. 


Intralienal. 


£ 




Datum der 


Impfmaterial. 

Datum der 

a> 

Impfung 

Laparo¬ 

tomie 

s 




37 

1 ccm Normal aut- 

18. 

10. 

ö 

CO 

Ol 


soll wem mung. 




38 

l ( 2 ccm Normalauf¬ 
schwemmung. 

18. 

10. 

23. 10. 

44 

0,1 ccm Normalauf- 



4. 11. 


schwcmmung. 

28. 

10. 

10. 11. 

48 

0,01 ccm Normalauf- 

28. 

10. 

10. 11. 


schwemmung. 




50 

0,001 ccm Normalauf- 



8. 11. 


schwemmung. 

28. 

10. 

11. 11. 

71 

1 ccm lOproc. Antifor¬ 

6 . 

11. 

12. 11. 


min sputum mit massig 
reichlich Bacillen. 




73 

1 ccm lOproc. Antifor- 



13. 11. 


minsputuin mit sehr 



17. 11. 


spärlichen Bacillen. 

6. 

ii- ! 

Spontantod. 

06 

1 ccm Pleuraexsudat, 

22. 

n. 

13. 12. 


serös, reichlich Lym- 
phoyten, keine Ba¬ 
cillen. 



22. 12. 

115 

1 ccm Pleuraexsudat, 

28. 

ii. 

12. 12. 


serös, spärl. Lymplio- 
eyten, reich 1. Leuko- 
cyten, steril, keine 
Tbc.-Baeillen. 



14. 12. 

122 

1 ccm durch Uretcren- 

10. 

12. 

10. 12. 


katheter entleert, 
leicht hämorrhagi¬ 

scher Urin, im Sedi¬ 





ment ganz vereinzelte 
säurefeste Stäbchen. 




123 

1 ccm klarer Urin, sehr 

20. 

11. 

10. 12. 


spärliche Leukocyten. 



18. 12. 


keine The.-Bacillen. 



24. 12. 


Ergebnis. 


Milz doppelt vergrössert, ent¬ 
hält stecknadelkopfgrosse ver¬ 
käste Knötchen, miliare Knöt¬ 
chen der Leber. 

Verkäste Knötchen der Milz 
und Leber. 

Negativ. 

Drei grosse käsige Knötchen 
der Milz. Bacillen im Aus¬ 
strich positiv. Leber 0. 

Mehrere grosse käsige Milz¬ 
knoten. Ausstrich positiv. 
Leber 0. 


Negativ. 

Zwei verkäste Milzknoten. Aus¬ 
strich positiv. Leber 0. 

Langer käsiger Milzknoten, da¬ 
neben kleinere verkäste. Aus¬ 
strich positiv. 

Negativ. 

Negativ. 

Grössere käsige Knoten der Milz, 
spärliche verkäste Knötchen 
der Leber. * 

Negativ. 

Zwei käsige Milzknoten. Aus¬ 
strich positiv. 


Zwei käsige Milzknoten. Aus¬ 
strich positiv. 


| Negativ. 


Es sei ausdrücklich hervorgehoben, dass wir zur Herstellung 
völlig gleicher Versuchsbedingungen das Impfmaterial in eine 2 ccm- 
Spritzc aufzogen und davon je 1 ccm injicierten. Auch haben wir im 
Gegensatz zu Oppenheimer auch für die Leberimpfung die Tiere 
laparotomiert. 


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Beschleunigter Nachweis der Tuberculoso im Tierversuch durch Milzimpfung. 285 


Zwei Harhe ergaben bereits am 13. und 11. Tage Tuberculose der Milz. 
Um nun festzustellen, ob die Impfung in die Milz früher ein posi¬ 
tives Resultat ergibt, als die in die Leber, haben wir eine Reihe von 
Parallelversuchen angestellt. 

Tabelle VIb. 


Intrahepatal. 


Meerscliw. 

Nr. 

t . . . . Datum der 

Impfmaterial . . i 

Impfung 1 

i i 

Datum der 
Laparo¬ 
tomie 

l 

Ergebnis. 

39 

1 ccm Normalauf- 18. 10. 

schwemmung. 

1 

23. 10. 

5. 11. 

Negativ. 

Milz 4- bis 5 fach vergrössert, 
durchsetzt von massenhaften 
Tbc.-Knoten, ebenso die Leber. 

40 

V 2 ccm Normalauf- 18. 10. 

schwemmung. 

23. 10. 

An der Impfstelle der Leber im 
Parenchym käsiger Eiter. Aus¬ 
strich positiv, sonst 0. 

46 

0,1 ccm Normalauf- 28. 10. 

schwemmung. 

4. 11. 

11. 11. 

Negativ. 

Zahlreich verkäste Knötchen der 
Milz und Leber. 

47 

0,01 ccm Normalauf- 28. 10. 

schwemmung. 

; 11. 11. 

24. 11. 

Milz stark vergrössert. Klinisch 
verdächtige Knötchen der Milz 
und Leber. 

Grosse Tbc.-Knoten in Milz und 
Leber. 

49 

0,001 ccm Normalauf- 28. 10. 
schwemmuog. 

11. 11. ‘ 
1. 12. 
getötet 

Negativ. 

Spärliche Tbc.-Knoten d. Milz (!). 
Leber 0. 

72 

1 ccm lOproc. Antifor- 6. 11. 

minsputum mit massig 
reichlich Bacillen. 8 

12. 11. 

In der Leber an der Impfstelle 
ein grösserer verkäster Knoten. 
Ausstrich positiv, ln der Milz 
mehrere verkäste Knötchen. 

74 

1 ccm lOproc. Antifor- 6. 11. 

minsputum mit sehr 
spärlichen Bacillen. 

13. 11. 

17. 11. 
getötet 

| Negativ. 

100 

1 ccm Pleuraexsudat, 22. 11. 
serös, reichlich Lym- 1 
phocyten, keine Ba¬ 
cillen. 

13. 12. 

23. 12. 
getötet 

J Negativ. 

118 

1 ccm Pleuraexsudat, 28. 11. 
serös, spürl. Lympho- 
cyten, reichl. Leuko- 
cyten, steril, keine 
Tbc.-Bacillen. 

10. 12. 

18. 12. 
getötet 

Grosse verkäste Knötchen ln der 
Leber. Milz negativ. 

Neben Lebcrtbc. zwei verkäste 
Knoten in der Milz. 

125 

1 ccm durch Ureteren- 29. 11. 
kathetcr entleert, 
leicht hämorrhagi¬ 

scher Urin, im Sedi¬ 
ment ganz vereinzelte 
säurefeste Stäbchen. 

10. 12. 

18. 12. 
getötet 

| Negativ. 

126 

1 ccm klarer Urin, sehr 29. 11. 
spärliche Leukocyten, 
keine Tbc.-Bacillen. 

10. 12. 

18. 12. 
27. 12. 

J Negativ. 


Aus der Tabelle geht hervor, dass die Tuberculose bei intralienaler 
Impfung im allgemeinen früher und ausgedehnter zur Ent¬ 
wicklung gelangt als bei intrahepatischer. Dies darf a priori nicht 
Wunder nehmen, da, wie Oppenheimer selbst hervorhebt, auch bei 
Leberimpfung „oft die Erkrankung der Milz noch ausgesprochener war 


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286 


M. Damask und F. Schweinburg, 


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als die der Leber, und, wie sich aus der Scction vorzeitig getöteter Tiere 
ergab, früher in die Erscheinung trat 44 . Von Interesse erscheint ferner, 
dass trotz der in manchen Fällen sehr fortgeschrittenen Erkrankung der 
Milz weder Leber noch Drüsen, noch andere Organe tuberculöse Ver¬ 
änderungen aufwiesen. Besonders möchten wir hervorheben, dass die 
von Kiralyfi beobachtete Schwellung und Verkäsung der retrosternalen 
und retrojugularen Lymphdrüsen, die ein allererstes Zeichen der be¬ 
ginnenden allgemeinen Infection sein soll, bei unseren Obductionen sich 
nur dann fand, wenn schon stärkere Veränderungen in der Milz nach¬ 
weisbar waren. Anderseits fanden wir die Drüsen niemals verdächtig, 
wenn die Milz keine Erkrankung aufwies. 

Wir können daher die Befunde von Meyer und Jacoby, welche 
die Tuberculöse fast ausnahmslos zuallererst in diesen Drüsen fanden, 
bevor noch irgend ein anderes Organ erkrankt war, nicht bestätigen. 
Allerdings haben diese Autoren nur intraperitoneal inficiert. 

Ueberhaupt ist es uns im Gegensatz zu diesen Autoren bei intra- 
peritonealer Impfung niemals gelungen, nach 14 Tagen Tuberculöse in 
rgend einem Organ, auch nicht in den Drüsen, mit Sicherheit nach- 
izuw f eisen. Hin und wieder fanden sich zwar leicht geschwellte retro- 
jugulare oder retrosternale Drüsen, die aber zu dieser Zeit noch keine 
Spur von Verkäsung zeigten und infolgedessen eine sichere Diagnose nicht 
zuliessen. 

Zur richtigen Einschätzung des Wertes der Impfung in die Milz haben 
wir neben den' Parallel versuchen mit Leberimpfung auch die Intra- 
peritonealirapfung zum Vergleiche herangezogen. Wir konnten feststellen, 
dass zu Ende der zweiten Woche, zu welcher Zeit die meisten in die 
Milz geimpften Tiere ein positives Resultat ergaben, sich bei intra¬ 
peritonealer Impfung noch keine Tuberculöse nachweisen liess, was ja 
auch a priori vorauszusetzen war. 

Nachdem wir uns überzeugt hatten, dass es mit Hilfe unserer 
Methode gelingt, in durchschnittlich zwei Wochen den Nachweis der 
Tuberculöse zu erbringen, gingen wir daran, eine weitere Abkürzung des 
Nachweises durch Intracutanreaetion zu versuchen. Doch sind wir damit 
zu keinem Resultat gelangt 

Eine Reihe von Versuchen lehrte uns, dass wir niemals eine typische 
Reaction auslöscn konnten, bevor nicht eine makroskopisch nachweisbare 
Tuberculöse des Versuchstieres bestand. Tatsächlich hat Römer die 
Reaction frühestens am 21. Tage angestellt und infolgedessen verlässliche 
Resultate erzielt. Die von uns in der zweiten Woche angcstellten Reactionen 
waren entweder völlig negativ oder zeigten die von Römer und Joseph 
als atypisch bezeichnete Form, die nach den genannten Autoren „zwar 
nur nach der Infection mit Tuberculöse auftritt, aber keine anatomische 
Tuberculöse beweist 14 . Mit dieser Reaction. haben später Esch und 
Hage mann durchschnittlich nach 14 bis 18 Tagen, in einzelnen Fällen 
schon nach 10 Tagen, hier und da allerdings erst nach drei Wochen 
positive Resultate erzielt. Beide Autoren geben allerdings zu, dass die 
Reaction erst positiv wird, wenn sich bei der Obduction des Versuchs- 


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Beschleunigter Nachweis der Tuberculose im Tierversuch durch Milzimpfung. 287 


tieres Tuberculose nachweisen lässt. Gerade dieses letztere Moment hat 
uns davon abgehalten, den Wert der Reaction an einem grossen Material 
durchzuprüfen. Immerhin haben wir in einigen Versuchen feststellen 
können, dass die Reaction in der zweiten Woche auch dann noch negativ 
ausfiel, wenn wir bei der Relaparotomie bereits Tuberculose feststellen 
konnten. 

Was die Methode Hage man ns betrifft, die den Nachweis der 
Tuberculose derart erbringt, dass an hochtuberculösen Tieren mit dem 
fraglichen Material eine Intracutanreaction gemacht wird, so haben wir 
uns mit derselben nicht beschäftigt. Die Methode, welche ein positives 
Resultat bereits nach 48 Stunden ergeben soll, hat den Nachteil, dass 
man immer hochtuberculöse Tiere vorrätig haben muss, die auf intra- 
cutane Alttuberculinirapfung typische Intracutanreactionen aufweisen müssen. 
Aus diesem Grunde ist sie nur in grossen Laboratorien ausführbar. 

Wir haben schliesslich versucht, durch die von Jacoby und Meyer 
angegebene subcutane Tuberculinreaction die Tuberculose des Versuchs¬ 
tieres möglichst frühzeitig zu ermitteln. Aber auch mit dieser Methode 
konnten wir keinen Fortschritt erzielen. Die Reaction ist schon nach 
den Angaben von Esch und Hagemann weniger empfindlich, als die 
intracutane. 

Im Anschluss an Versuche von Hagemann haben wir nur den Tod 
der Versuchstiere als positiv angesprochen, während wir auf Temperatur¬ 
schwankungen nicht geachtet haben. Aus unseren 25 diesbezüglichen 
Versuchen geht eindeutig hervor, dass die Tuberculose durch die subcutane 
Reaction erst bedeutend später nachweisbar ist, als durch anatomischen 
Befund. Ja, es ist in drei Fällen sogar vorgekommen, dass bei anatomisch 
ziemlich ausgebreiteter Tuberculose auf eine subcutane Injection von 
0,5 ccm AT der Tod des Versuchstieres nicht erfolgte. 

Diese Versuche lehrten uns, dass wir mit der intraoutanen oder sub- 
cutanen Reaction nicht mehr erzielen konnten als durch Relaparotomie. 

Resume. 

Nach dem Gesagten scheint uns die Impfung in paren¬ 
chymatöse Organe die Methode der Wahl zum kürzesten bio¬ 
logischen Nachweise der Tuberculose zu sein. Zur Impfung 
eignet sich in erster Linie die Milz des Meerschweinchens, in 
welcher nach durchschnittlich 14 Tagen Tuberculose makro¬ 
skopisch nachweisbar ist. Als besonderen Vorteil unserer 
Methode betrachten wir auch die Relaparotomie, die es ge¬ 
stattet, ein Tier wiederholt auf das Vorhandensein von Tuber¬ 
culose zu untersuchen. 

Es ist uns eine angenehme Pflicht, Herrn Sanitätsrat Director 
Dr. Hofmokl für die Ueberlassung des Tiermaterials, sowie Herrn Vor¬ 
stand Prof. Dr. Freund für vielfache freundliche Unterstützung unseren 
besten Dank auszusprechen. 


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‘288 Damask u. Sch weinburg, Nachw. d.Tuborculose imTiervers. d.Milzimpfung. 


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Literatur. 

1. Bachrach und Neckar, Wiener klin.Wochenschr. 1911. Nr. 12. 

2. Bloch, Berliner klin. Wochenschr. 1907. Nr. 44. 

3. Damsch, cit. nach Hagemann. 

4. Dieterlen, Tuberculosearbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte. 1908. H.9. 

5. Esch, Münchener med. Wochenschr. 1912. Nr. 39. 

6. Fraenkel, Berliner klin. W r ochenschr. 1898. Nr. 40. 

7. Hagemann, R., Ueber die Diagnose chirurgischerTuberculose usw. Habilitations¬ 
schrift. Tübingen 1912, und Beitr. z. klin. Chir. Bd. 82. H. 1. 

8. Derselbe, Med. Klinik. 1913. 

9. Jakoby, M. und Meyer, N., Beitr. z. Klinik der Tuberculose. 1911. Bd. 20. 

10. Kiralyfi, Berliner klin. Wochenschr. 1910. Nr. 47. 

11. Laabs, Inaug.-Diss. Freibgrg 1894, cit. nach Rabinowitsch. 

12. 0ppenheimer, Münchener med. Wochenschr. 1911. S.2164 und 1912. S.2817. 

13. Pappenheim, Berliner klin. Wochenschr. 1898. Nr. 37. 

14. Rabinowitsch, Deutsche med. Wochenschr. 1900. Nr. 16, und Berliner klin. 
Wochenschr. 1907. Nr. 2. 

15. Römer, Beitr. z. Klinik d. Tuberculose. 1909. Bd. 12. H. 1. 

16. Römer und Joseph, Ebenda. 1909. Bd. 14. 

17. Salus, Berliner klin. Wochenschr. 1906. S. 1150. 

18. Zahn, Inaug.-Diss. Tübingen 1884, cit. nach Rabinowitsch. 


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U MIVER5ITY Q F MICHIGAN 



XXI. 


Aus dem k. k. Serotherapeutischen Institut in Wien 
(Vorstand: Hofrat Prof. Dr. Paltauf)- 

Experimentelle Studien über Immunisierung 
mit Diphtherietoxin-Antitoxingemischen. 

Von 

Dr. Bruno Busson und Dr. Ernst Löwenstein. 

Durch eine geraume Zeit hat man angenommen, dass das Toxin 
durch das Antitoxin zerstört wird, da man die wesentlichste Function 
des Toxins, seine giftige Wirkung, nach der Neutralisierung verschwinden 
sah, eine Ansicht, die in der letzten Zeit durch die Angaben Abder¬ 
haldens scheinbar gestützt wird. Von dieser Voraussetzung ausgehend, 
hatte man auch angenommen, dass Antitoxine nur mit freiem Toxin er¬ 
zeugt werden können. Später mehrten sich aber gegenteilige Beobachtungen, 
so z. B. jene, die man gelegentlich der Immunisierung von Pferden mit 
Diphtheriegift gesammelt hatte, insofern, als man fand, dass auch Toxin- 
Antitoxinmischungen imstande sind beim Pferde Antitoxin zu erzeugen. 
So hat Babes schon 1895 angegeben, dass man mit Mischungen von 
Toxin und Antitoxin bei Pferden ganz ausgezeichnete Immunisierungs¬ 
resultate erzielen könne. Pawlowski und Maxutow haben denselben 
Versuch angestellt und sind ebenfalls zu einer Empfehlung dieser Methode 
gekommen. Roux prüfte diese Angaben von Babes und Pawlowsky 
nach, konnte sie aber nicht in vollem Umfange bestätigen. Kretz hin¬ 
gegen fand, dass im Gegensätze zu normalen Pferden nur Pferde, die 
schon giftempfindlich waren, auf die Injection von Glattgemischen mit 
einer Antitoxinproduction antworteten. Dreyer und Madsen beobachteten, 
dass die fürMeerschweinchen glatt neutralisierten Toxin-Antitoxinmischungen 
für Kaninchen nicht vollkommen neutralisiert waren, denn während der 
Behandlung ging eine ganze Reihe von Kaninchen an Diphtherievergiftung 
zugrunde. Einige Kaninchen überlebten zwar die Immunisierung, wiesen 
aber in ihrem Blut kein Antitoxin auf im Gegensatz zu den mit den¬ 
selben Gemischen behandelten Pferden und Ziegen. Nach Arloing, 
Nicolas und Antoine reagieren Hunde auf die Injection von Antitoxin- 
Toxinmischungen mit der Production allerdings sehr geringer Antitoxin¬ 
mengen, wogegen die beiden ersteren Forscher bei späteren Unter¬ 
suchungen, in denen sie als Versuchstiere Esel wählten, nachweisen 
konnten, dass man bei diesen Tieren mit den gleichen Gemischen Anti¬ 
toxine erzeugen kann. Von grosser Bedeutung sind die Versuchsergebnisse 
von Grassberger und Schattenfroh, denen es gelang, hochempfind¬ 
liche Tiere gegenüber dem Rauschbrandgift mit neutralen und über- 

ZeiUehrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. jq 


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290 


Bruno Bnsson und Ernst Löwen stein 


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neutralisierten Mischungen zu schützen. Negativ lauten wiederum die 
Ergebnisse von Dzierzgowski, der weder bei Ziegen und Pferden noch 
bei Hunden durch die Injection mit neutralen Diphtherietoxin-Antitoxin¬ 
gemischen Antitoxin erzeugen konnte, und die Resultate von Park und 
Atkinson. Doch hat Atkinson später bei seinen an 100 Pferden 
durchgeführten Versuchen, bei denen er überneutralisierte Toxin-Antitoxin¬ 
gemische in Zwischenräumen von 5 bis 7 Tagen in steigenden Dosen 
injicierte, beobachten können, dass nach 4 Monaten bei einem Teil seiner 
Tiere ein antitoxinreiches Serum vorhanden war. Nach Theobald Smith 
und seinem Schüler Südmersen weisen Meerschweinchen oft schon nach 
einer einzigen Injection von neutralen Gemischen eine Immunität auf, die 
nach den Beobachtungen dieses Autors sogar viel dauerhafter und aus¬ 
geprägter ist als bei Tieren, welche eine schwere Diphtherieintoxication 
überstanden haben. Mc. Clintock und N. S. Ferry haben Pferde mit 
überneutralisiertem Diphtherietoxin behandelt und gefunden, dass von 
18 behandelten Pferden im Durchschnitt ein 475 faches Serum gewonnen 
werden konnte. Die Pferde erhielten 10 Injectionen entweder täglich 
oder zweimal wöchentlich und die Dauer der Behandlung betrug 32 Tage. 
Es war vollkommen gleichgültig, ob die Injection sofort nach der Mischung 
oder 6 Stunden später gemacht wurde. 

Zu besonderer Geltung ist die Immunisierung mit Toxin-Antitoxin- 
gemischcn aber erst im Jahre 1913 gelangt, als v. Behring seine Ver¬ 
suche über ein neues Diphtherieschutzmittel mitteilte, das nach seinen 
Angaben aus einer Mischung von sehr starkem Diphtheriegift mit Anti¬ 
toxin in solchem Verhältnis besteht, dass die Mischlösung im Meer¬ 
schweinchenversuch nur einen geringen oder gar keinen Toxinüberschuss 
mehr aufweist, v. Behring beobachtete nämlich in einem solchen Ver¬ 
such, dass ein für Meerschweinchen neutrales Toxin-Antitoxingemisch leb¬ 
hafte Fieberreaction mit nachfolgender bedeutender Antitoxinproduction 
bewirkte und er konnte schliesslich sogar durch seine an Affen vor¬ 
genommenen Versuche nach weisen, dass die definitive Entgiftung in vitro 
wie bisher angenommen wurde, überhaupt nicht eintritt. Affen, denen 
ein Gemisch, das auf eine Gifteinheit sogar 20—40 Antitoxineinheiten 
enthielt, 2—3 mal hintereinander injiciert wurde, tötete die Tiere durch 
Diphtherievergiftung. Erst nach Zusatz von viel mehr Antitoxin im 
Mischungsverhältnis von 80—100 Antitoxineinheiten auf eine Gifteinheit 
hörte das Toxin-Antitoxingeraisch auf für Affen giftig zu sein. Nach 
v. Behring sind menschliche Individuen gegenüber einem für Meer¬ 
schweinchen neutralen Gemisch von Antitoxin und Gift viel weniger 
empfindlich als Affen, und nur Kinder in dem Alter von 4—15 Jahren er¬ 
weisen sich als empfindlicher, insbesondere im Gegensatz zu Neugeborenen. 

Ueber die eminente Bedeutung der praktischen Anwendung der 
v. Bell ringschen Impfschutzmethode konnte wohl kein Zweifel mehr be¬ 
stehen, obwohl zunächst noch eine Reihe von ergänzenden Untersuchungen 
vorgenommen werden musste. Löwenstein unterzog sich der Aufgabe, 
die immunitäterzeugende Wirkung von Diphtherietoxin-Antitoxingemischen 
beim Meerschweinchen näher zu untersuchen, wobei er sich in erster 
Linie die Frage vorlegte, welches Verhältnis zwischen Toxin und Anti- 


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Original fro-m 

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Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtherietoxin-Antitoxingemischen. 291 


toxin die besten Immunisierungsresultate ergeben würde. Löwenstein 
arbeitete mit unter-, glatt- und schwachüberneutralisierten Toxin-Anti¬ 
toxinmischungen, und es zeigte sich dabei, dass die Tiere, welche mit 
unterneutralisierten Mischungen vorbehandelt worden waren, durchaus 
keine höhere Immunität aufwiesen, als die mit glatt- oder überneutralisierten 
Mischungen vorbehandelten Meerschweinchen. Allerdings muss hervor¬ 
gehoben werden, dass der Ueberschuss an Antitoxin bei den über¬ 
neutralisierten Mischungen ein geringer gewesen ist. 

Um nun ein Bild von der Bedeutung des freien Toxinüberschusses 
für die Immunisierung zu gewinnen, hat Löwenstein den Glatt- und den 
Todwert des Gemisches bestimmt und die überlebenden Tiere 50 Tage 
nach der Injection mittelst Subcutaninjection auf ihre active Immunität 
geprüft. Während Vio ccm des Serums mit 8 / 10 ccm Toxin den Spättod 
des Tieres nach 26 Tagen zur Folge hatte, haben die Mischungen, in 
denen das Toxin dieser Serummenge in fallenden Mengen bis zu 0,72 ccm 
Toxin zugesetzt wurde, keinen Tod mehr zur Folge. Bei der Prüfung 
dieser Tiere auf active Immunität ergab sich kein Unterschied in der 
Giftresistenz zwischen den Tieren, welche noch Infiltrate gezeigt hatten, 
und den Tieren, welche glatt geblieben waren. Bei der mehrmaligen 
Wiederholung dieser Versuche zeigte es sich, dass die unterneutralisierten 
Mischungen schon deswegen für die Immunisierung schlechtere Resultate 
ergaben, weil Spättode oder Paralysen oder langdauernde Kachexien den 
Versuchsausfall störten. Auch Smith und später Südmersen sind zu 
demselben Resultat gekommen: Meerschweinchen, welche eine schwere 
Diphtherieintoxikation mit Gewichtsverlust und ausgedehnter Nekrose 
überstanden haben, erwerben keine Immunität. Tiere hingegen, welche 
eine einzige Injection von einem Glattgemisch erhalten haben und keine 
Krankheitszeichen zeigten, können eine active Immunität, die mehrere 
Jahre andauert, erwerben. 

Schon aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass die nach Injection 
von Toxin-Antitoxingemischen entstehende Immunität nicht auf den un¬ 
gebundenen Giftrest zurückgeführt werden darf. Löwenstein nahm nun 
an, dass im Organismus eine völlige Zerlegung der Toxin-Antitoxin¬ 
verbindung stattfinden müsse und stützt diese Anschauung auf seine 
Beobachtung, dass der Eintritt der Immunität viel später erfolgt, als 
wenn man Toxin allein oder ein anderes Antigen überhaupt injicieren 
würde. Der Höhepunkt dieser Immunität wird, wie in der vorliegenden 
Arbeit ein wandsfrei gezeigt werden wird, erst nach 40 Tagen erreicht, 
während bei Injection von Toxin allein schon nach 16 Tagen der höchste 
Antitoxingehalt erreicht ist. Es muss also das Antigen erst langsam aus 
der Toxin-Antitoxinvcrbindung abgespalten werden, und das langsam frei 
werdende Toxin als Antigen wirken. 

Löwenstein hat nun gemeinsam mit v. Eisler dieselben Fragen 
am Tetanus studiert, und hier wurde die Antwort auf diese Fragen noch 
insofern leichter gemacht, als v. Eisler und Löwenstein schon hin¬ 
reichende Erfahrungen über die zur Immunisierung nötigen Toxinmengen 
besassen. Kaninchen zeigten eine starke Antitoxinbildung. 0,01 ccm des 
Serums war bei einzelnen Kaninchen ausreichend, um die doppelt tödliche 

19* 


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Original fro-m 

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292 


Bruno Busson und Krnst Löwenstein, 


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Dosis für Mäuse, die 0,000002 g betrug, zu neutralisieren. Auch hier zeigte 
sich kein Unterschied, ob die Gemische unter- oder überneutralisiert waren. 
Die glattneutralisierende Menge Serums für 0,04 g Tetanustoxin betrug 

für Mäuse.0,04 ccm Serum 

„ Meerschweinchen . . . 0,035 „ „ 

„ Kaninchen.0,02 „ „ 

Aber selbst Kaninchen, die Mischungen mit 0,06 und 0,1 ccm Serum 
erhalten hatten, hatten nach einer einzigen lnjection relativ grosse Mengen 
Antitoxin gebildet. Bei Meerschweinchen war eine zweite lnjection not¬ 
wendig, um einen so hohen Antitoxingchalt zu erreichen. 

v. Eisler und Löwenstein haben nun versucht, diese Zerlegung 
der Toxin-Antitoxinverbindung auch in vitro nachzuahmen. Sie haben 
40 Minuten lang gestandene glatt- und überneutralisierte Tetanustoxin- 
Antitoxinmischungen mit Emulsionen verschiedener Organe 6—20 Stunden 
lang im Eisschrank oder bei Zimmertemperatur in Contact gelassen, 
diese Emulsionen centrifugiert, das Sediment 3 mal mit physiologischer 
Kochsalzlösung gewaschen und dann das gewaschene Sediment, die erste 
und die letzte Decantierungsilüssigkeit, Mäusen injiciert. Es zeigte sich 
nun, dass von allen Organen die Leber am regelmassigsten schweren 
tödlichen verlaufenden Tetanus bei den Mäusen hervorruft. Es wird also 
selbst in vitro, wo die Bedingungen für die Adsorption des Tetanustoxins 
nicht so günstig liegen wie im lebenden Organismus, die Verbindung 
Tetanustoxin-Antitoxin wirklich zerlegt. Ueberblicken wir diese Reihe so 
wichtiger Untersuchungen, so wird uns die praktische und theoretische 
Bedeutung klar, welche die Kenntnis des Schicksals der Toxin-Antitoxin¬ 
verbindung im Organismus für die Immunitätsforschung besitzt. Aller¬ 
dings reichen diese Befunde noch nicht aus, daraus die nach lnjection 
von neutralen Diphtherietoxin-Antitoxingemischen entstehende Immunität 
zu erklären. Denn ein Analogieschluss wäre hier nicht erlaubt, besonders 
da wir wissen, dass das Tetanustoxin viel leichter der Adsorption zu¬ 
gänglich ist wie das Diphtherietoxin. 

Die vorliegende Arbeit soll nun die Art und die Entstehungsweise 
der nach der lnjection verschiedenartiger Toxin-Antitoxingemische auf- 
Iretenden Diphtherieimmunität der Aufklärung näher bringen. In erster 
Linie mussten die optimalen Entstehungsbedingungen für die Immunität 
nach der lnjection mit solchen Gemischen ermittelt werden, und zwar 
ergaben sich hierbei folgende Fragen: 

1. In welchem Verhältnis sollen Toxin und Antitoxin stehen, um bei 
sonst gleichen Versuchsbedingungen einen möglichst hohen Antitoxin¬ 
gehalt zu erzielen? 

2. Steigt die Immunität parallel den Mengen der injiciertcn Toxin-Anti- 
gemischen oder nicht? 

3. In welcher Zeit tritt die Immunität auf? 

4. Welchen Einfluss nimmt eine wiederholte Impfung auf dio Antitoxin¬ 
bildung? 

5. Sind die Toxin-Antitoxingemische haltbar, erzielt man mit frischen 
und abgelagerten die gleichen Antitoxinwerte? 


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Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtherietoxin-Antitoxingemischen. 293 


Bevor wir in eine Discnssion der eben aufgestellten Fragen ein- 
gehen, möge zunächst einiges über die Technik und die Art unserer Ver¬ 
suche mitgeteilt werden. Wir haben für alle Versuche stets ein und 
dasselbe Toxin und dasselbe Serum verwendet, von denen wir uns gleich 
zu Beginn des Versuches einen genügenden Vorrat anlegten, um dann 
stets unter gleichen Bedingungen zu arbeiten. Dies erschien uns ins¬ 
besondere wesentlich mit Bezug auf das Toxin, da ja gerade die ver¬ 
schiedenen Toxine bezüglich ihres Gehaltes an Epitoxoiden von einander 
ausserordentlich differieren können, was für den Vergleichswert einzelner 
Versuche nicht ohne Belang gewesen wäre. Wir verwendeten ein 
Diphtherietoxin, dessen einfach tödliche Dosis für ein 250 g schweres 
Meerschweinchen 0,009 betrug und dessen 100 facher Todwert mit Höchster 
Standardserum auf Glattwert geprüft 0,57 ccm betrug. Das von uns ver¬ 
wendete Serum wurde nach Ehrlich auf seine Wertigkeit geprüft. 

I. Serumwert 300 fach = unterneutralisiert, 


II. 

n 

250 „ 

= glatt neutral, 

III. 

71 

200 „ 

= schwach überneutralisiert. 

IV. 

n 

100 „ 

= 2i/ 2 fach „ 

V. 

n 

io * 

= 25 fach n 


Wir legten uns nun, um stets mit denselben Antigenen arbeiten zu 
können, auch von den verschiedenen Mischungen grössere Quantitäten an 
und verwendeten zu diesem Zwecke schliesslich 5 Lösungen von folgender 
Zusammensetzung: 

I. 57 ccm Toxin -f 0,3 ccm Diphtherieserum = unterneutralisiert, 


II. 

57 ,) 

n “j~ 0,4 „ 

71 

= neutralisiert, 

III. 

57 „ 

n + 0,5 „ 

77 

= schwach überneutralisiert 

IV. 

57 „ 

n + 1»0 „ 

n 

= 2 x /2 fach „ 

V. 

57 „ 

n 4* 10,0 „ 

n 

= 25 fach „ 


Das Serum erwies sich also als 250 fach, wogegen bei Auswertung 
bis 300 fach die Versuchstiere Infiltrate aufwiesen, darüber hinaus aber 
starben. 

Auf diese Weise haben wir uns Gemische der verschiedensten Wertig¬ 
keit hergestellt von unterneutralen bis zu hoch überneutralen Gemischen, 
die wir nun direct zur Beantwortung folgender Fragen verwenden konnten: 

1. Welches dieser 5 Gemische erzeugt im Versuchstiere die höchste 
Immunität? 

2. Welche ungefähren Mengen dieser Gemische reichen bei einmaliger 
Injection aus, um nachweisbare Antitoxinbildung anzuregen? 

3. Nach welcher Zeit tritt die Immunität ein und wie lange dauert 
sie an? 

Wir haben zu unseren Versuchen stets Meerschweinchen im Gewicht 
von 250—280 verwendet und die Prüfung auf Antitoxingchalt zunächst 
durch passive Serumübertragung auf ein zweites Versuchstier in der Art 
vorgenommen, dass wir diesen das Serum des zu prüfenden Tieres in 
bestimmten Mengen stets mit der doppelt tödlichen Toxindose subcutan 
einverleibten. Am Schlüsse jeder Versuchsreihe wurden dann die erst- 
injicierten Tiere, die natürlich bis dahin an Gewicht (500—600) erheblich 


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294 


Bruno Busson und Km st Löwen stein 


Ta- 

Auswertung verschiedener Diphtherie-Antitoxingemische auf ihr Antitoxinbildungsvermögen im 
Contact je 0,5 ccm subcutan injiciert. Alle Versuchstiere sind 250 bis 


Art des Gemisches 


Nummer der mit den 
einzelnen Gemischen 
injicierten Versuchs¬ 
tiere. Tag der In- 
jection 6. 2. 



1423 

t 7. 2. 


Unterneutralisiertes Gemisch 1 

958 

t 8. 2. 

i 

0,3 Serum + 57 Toxin (333facher < 

375 

t 9. 2. 

! i ! 

Serumwert) 1 

1057 

f 8. 2. 

! 

1 

55 

f 9. 2. 

1 


Prüfung auf Antitoxinbildung durch passive 
8eruraübertragung nach 17 — 70 Tagen seit 
der Injection des Gemisches am 6. 2. T’eber- 
tragen nach 

17 | 32 | 44 | 59 | 70 

Tagen auf Nummer 


Neutrales Gemisch 
0,4 Serum + 57 Toxin (250facher ( 
Serumwert) 


1918 

356 

489 

1665 

1144 


1025 

693 

1581 


1211 

92 


1304 

1963 


! 1030 
740 
638 


835 

827 

824 


Ueberneutralisiertes Gemisch 
0,5 Serum + 57 Toxin (200fachcr ( 
Serum wert) 


1622 

1644 

119 

489 

341 


1413 

602 

1906 


153 

1514 


44 

1557 


469 

118 

326 


850 

803 

845 


Ueberneutralisiertes Gemisch 
.0 Serum + 57 Toxin (100fächert 
Serumwert) 


1849 

1774 

1565 

846 

585 


847 

1631 


983 


1452 

732 


830 

1573 

1634 


806 

825 

829 


Ucbcrneutralisiertes Gemisch 
LO Serum + 57 Toxin (10 faelicr / 


Serum wert) 


1724 

1530 

30 

1268 

o; 


672 

122 

893 


1032 

134 


993 

1204 


507 

1292 


811 

841 


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Original frorn 

UNIVERSrmjF MICHIGAN. 















Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtherietoxin-Antitoxingemischon. 295 

belle I. 


Meerschweinchen. Die zur Injection verwendeten Gemische sind frisch bereitet, nach l / 2 Stunde 
280 g schwer. Die einfach tödliche Dosis des Toxins beträgt 0,009. 



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296 


Bruno Busson und Ernst Löwenstein, 


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zugenomraen hatten, auch auf active Immunität geprüft. Wir haben 
diesen doppelten Modus gewählt einerseits, um den ohnehin grossen 
Tierverbrauch nach Tunlichkeit einzuschränken, andererseits weil diese 
beiden von einander doch differenten Prüfungsarten uns zugleich einen 
besseren Einblick in die Art der nach Injection von Toxin-Antitoxin- 
gemischen entstehenden Immunität erhoffen liess. Dabei hat sich, wie 
wir gleich vorwegnehmen wollen, gezeigt, dass sich die Ergebnisse der 
Serumprüfung auf den Gehalt an Blutantitoxin mit jenen, wie wir sie 
schliesslich bei Prüfung auf active Immunität oder Resistenz erhielten, 
stets deckten. 

Die von uns durchgeführten Versuche lassen sich in einzelne Gruppen 
entsprechend unserer Fragestellung zusararaenfassen und wir wenden uns 
zunächst an jene, die in Tabelle I wiedergegeben sind. Die Versuche 
dieser Tabelle sollen direct die drei oben gestellten Fragen beantworten 
und ihre Betrachtung ergibt zunächst Folgendes: 

I. Zunächst fällt es auf, dass im Gegensätze zu den mit dem unter¬ 
neutralisierten Gemisch von 0,57 ccm Toxin + 0,003 Serum injicierten 
Tieren, welche diese Injection mit Infiltratbildung beantwortet hatten, 
jene Tiere, welche dieselbe Menge aus dem analogen Gemisch, aber in 
100 fach stärkerem Verhältnis hergestellt erhalten hatten, alle gestorben 
sind. Die Ursache hierfür kann eine verschiedene sein. Einmal kann 
die nicht neutralisierte Giftmenge im 100 fachen Multiplum des Ge¬ 
misches viel grösser sein, da ja der nicht neutralisierte Giftrest auch 
100 mal grösser wird, in welchem Falle dann auch Bruchteile einer der¬ 
artigen Mischung eine entsprechend grössere, nicht neutralisisrte Gift¬ 
menge enthalten werden als jene Partialmischungen, bei denen der Ver¬ 
suchsfehler 100 mal kleiner war; es könnte aber auch sein, dass beider 
Mischung grösserer Mengen von Toxin-Antitoxin andere Absättigungs¬ 
verhältnisse der einzelnen Partialtoxine und Antitoxine statthaben als im 
Gemische kleinster Mengen. Da sich aber bei den anderen Gemischen, 
insbesondere bei jenen auf Glattwert derartige Verschiebungen der Be¬ 
funde nicht ergeben haben, so dürfte kein Zweifel bestehen, dass 
wohl die erste der beiden herangezogenen Erklärungsmöglichkeiten die 
richtige ist. 

II. Eine Antitoxinbildung finden wir bei 3 von 5 Tieren des glatt- 
oder nur wenig überneutralisierten und bei einem Tier Nr. 30 von 4 Tieren, 
die mit hochüberneutralisiertem Gemisch vorbehandelt waren, und zwar 
sowohl bei passiver wie bei activer Immunitätsprüfung. Bei den Lösungen 3 
und 4 hatte kein Tier Antitoxin gebildet. 

III. Nach 17 und 32 Tagen war durch die passive Serumübertragung 
noch in keinem Falle eine Antitoxinbildung nachweisbar, dagegen wurde 
das Antitoxin in allen Fällen, in denen es eben zur Antitoxinbildung 
kam, in der Zeit vom 44.—59. Tage nachweisbar. Am 70. Tage war 
der Antitoxingehalt bereits ein geringerer geworden. 

IV. Die Prüfungsergebnisse auf active Immunität decken sich voll¬ 
kommen mit den Ergebnissen der Serumprüfung. 

Auf Grund dieser Versuchsreihe neigt man der Ansicht zu, dass 
die besten Resultate mit einem glatt oder nur wenig überneutralisierten 


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UMIVERSITY OF MICHIGAN 



Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtheriotoxin-Antitoxingemischon. 297 



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298 


Bruno Busson und Ernst Löwenstein, 


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Gemisch erzielt werden. Dass dieses Resultat, das mit frischen Ge¬ 
mischen erzielt wurde, aber keine allgemeine Geltung hat, erweist uns 
sofort eine Betrachtung der in Tabelle II wiedergegebenen Versuche, die 
zunächst Aufschluss darüber bringen sollten, ob derartige Diphtherietoxin- 
Antitoxingemische längere Zeit haltbar sind, d. h. in ihrer immunisatorischen 
Wirkung keine Veränderung bei längerem Lagern erleiden. Zu diesen Ver¬ 
suchen wurden die Toxin-Antitoxinmischungen, welche für die Versuche 
der Tabelle I dienten, nach einem 50 tägigen Contact im Eiskasten in 
derselben Weise wie früher verwendet. 

Im Gegensatz zu den Versuchen der Tabelle I zeigt sich bei diesen 
Versuchen bei der Prüfung auf active Immunität, dass nicht nur die 
glatt neutralisierten, sondern sogar die überneutralisierten Mischungen in 
der Menge von 0,5 ccm hinreichend waren, um eine Immunität gegen 
die 5 fach tödliche Dosis zu erzeugen. Selbst bei der Mischung von 
1 ccm Antitoxin + 57 ccm Toxin — einer 2 1 /., fachen Ueberneutralisierung 
überlebt ein Tier (Nr. 1366), und ein Tier (Nr. 1310) stirbt erst den 
Spättod. Dieses differente Ergebnis in der ersten und zweiten Versuchs¬ 
reihe mit frischen und abgelagerten Gemischen ist jedenfalls auffallend. 
Allerdings wurde in beiden Versuchsreihen mit sehr verschiedenen Toxin- 
raengen die Schlussprüfung auf active Immunität vorgenommen, insofern 
wir die Tiere der ersten Versuchsreihe (Tabelle I) mit der 20 fach töd¬ 
lichen Giftdosis, jene der Tabelle II nur mit der 5 fachen injieierten, 
weshalb es immerhin möglich wäre, dass bei Reinjection mit der 20 fach 
tödlichen Dosis eine noch für die 5 fach tödliche Dosis ausreichende 
Immunität verdeckt worden wäre. Gegen diese Annahme scheint uns 
allerdings der Umstand zu sprechen, dass bei passiver Serumprüfung 
der entsprechenden Versuchstiere von Tabelle I innerhalb der für die 
Antitoxinbildung optimalen Zeit sich kein Antitoxin nachweisen Hess, wie 
dies doch in derselben Zeit bei allen anderen Tieren, die sich später bei 
activer Prüfung gegen die Toxininjection als immun erwiesen hatten, der 
Fall war. 

Wir können deshalb für den Grund dieser auffallenden Erscheinung 
gewiss die Annahme nicht von der Hand weisen, dass in älteren 
Diphtherietoxin-Antitoxingemischen andere Absättigungsverhältnisse vor¬ 
liegen als in der frischen Mischung, dass nämlich Umlagerungen in dem 
Bindungsverhältnisse statthaben und zwar entweder schon während des 
Lagerns im Reagensglase oder im Tierkörper selbst, die bestimmend sind 
für die verschiedenen Immunitätsgrade. 

Diese Versuchsreihe wurde, wie erwähnt, in erster Linie zu dem 
Zwecke ausgeführt, um die Haltbarkeit dieser Vaccine für praktische 
Zwecke zu prüfen, denn es war ja sehr leicht möglich, dass das lange 
Stehen die Wirksamkeit der Vaccine durch Abnahme oder Zugrundegehen 
des Toxins schädigt, andererseits war es möglich, dass durch das lange 
Stehen eine Dissociation der Toxin-Antitoxinverbindung oder auch ein 
Zugrundegehen des Antitoxins bei erhaltener Toxinwirkung eintretet) 
könnte. Indessen hat sich gezeigt, dass durch den langen Contact die 
Vaccinewirkung in dem Sinne eine Verschiebung erfährt, dass selbst, 
ii b e r n e u t r a I i s i e r t e M i s e h u n gen, die frisch bereitet keine 


Gougle 


Original fro-m 

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Exp. Stadien über Immunisierung mit Diplitherietoxin-Antitoxingemischen. 299 


Immunität erzeugt hatten, nach dem Lagern, selbst in ge¬ 
ringen Mengen injiciert, noch Immunität hervorrufen. Es hat 
den Anschein, wie wenn die besseren Immunisierungsresultate mit den 
übercompensierten Mischungen darauf zurückzuführen wären, dass durch 
das Lagern mehr Antitoxin gebunden, also in geringerer Menge freies 
Antitoxin in der Mischung vorhanden war, ohne dass hierdurch die 
Giftigkeit der Mischung erhöht wurde. Denn eine Abnahme der Wertig¬ 
keit des in der Mischung vorhandenen antitoxischen Serums in dieser 
selbst, erscheint uns um so unwahrscheinlicher, als sich in derselben Zeit 
der Titre dieses Serums, neuerlich bestimmt, unverändert erwiesen hat, 
was sich auch mit unserer reichen Erfahrung bei der Ueberprüfung der 
vom Institut ausgegebenen Diphtheriesera, analog auch den Befunden 
von Marx, Otto, ßöhnke, Hida und Mori, vollkommen deckt. Es 
ist auch in den unterneutralisierten Gemischen das freie Toxin in seiner 
Wertigkeit völlig unverändert erhalten geblieben, was ebenfalls nach den 
praktischen Erfahrungen über die Haltbarkeit des Diphtherietoxins zu 
erwarten war, und im Einklang stand mit den Ergebnissen der Auswertung 
des ursprünglichen Toxins, das ohne Serumzusatz aufbewahrt wurde. 

Jedenfalls geht aus den Versuchen mit der Mischung I hervor, dass 
die Giftigkeit dieser Lösung als unterneutrales Gemisch sich durch 50 Tage 
vollkommen erhalten hat und der immunisatorische Wert glatt- und 
übercompensierter Mischungen nicht abniramt, sondern steigt, ohne im 
directen Anschlüsse an die Immunisierung stärkere Localerscheinungen 
im Versuchstiere hervorzurufen. 

Wir haben auch mit diesen am 6. 2. hergestellten Mischungen am 
18. 7. denselben Versuch wiederholt (siehe Tabelle II). Bei diesem Ver¬ 
such zeigte cs sich auch, dass selbst nach 170 Tagen die Giftigkeit der 
Lösung I unvermindert sich erhalten hatte. 

Aus dem differenten Verhalten von sonst gleichwertigen Toxin-Anti¬ 
toxinmischungen, je nachdem ob das Toxin und Antitoxin in kurzem 
oder langem Contacte gestanden sind, scheint hervorzugehen, dass also 
andere Bindungsverhältnisse stattfinden nach längerem Contacte beider 
Componenten als wenn diese nur kurze Zeit aufeinander einwirken können. 
Wir glauben dies im Gegensatz zur bisherigen Auffassung, auf Grund 
der verschiedenen Immunisierungsergebnisse frischer und alter Gemische 
schliessen zu dürfen, wenn auch die unmittelbar an die Injection sich 
anschliessenden localen Erscheinungen keine anderen als die der den ent¬ 
sprechenden frischen Gemischen sind, was dafür spricht, dass trotz dieser 
Tatsache auch im alten Gemisch nicht mehr freies Toxin vorhanden ist 
als im abgelagerten. Möglicherweise werden bei längerem Contacte mehr 
Antitoxineinheiten, die vielleicht wenig avid sind, an das Toxin gebunden, 
wodurch dann je nach der Art des Gemisches einmal weniger freies 
Antitoxin ira alten Gemisch vorhanden wäre als im frischen, oder aber 
auch Toxoide frei werden könnten, was beides natürlich von Einfluss auf 
die Entstehung der Antitoxine und der activcn Immunität sein muss. Es 
ist uns aber nicht gelungen, wie wir gehofft haben, durch die Meiostagmin- 
reaction, in einer Aenderung der Tropfenzahl alter Gemische gegenüber 
frischen, auch im Versuche diese theoretische Annahme zu stützen. 


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Original fro-m 

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i 


300 Bruno Busson und Ernst Löwenstein, 

Quantitätsversuche. 

Nachdem wir auf diese Weise ermittelt hatten, dass auch Gemische, 
die kein freies Toxin enthalten, immunisierend wirken, war es von 
grösster Wichtigkeit sicherzustellen, ob die zu erzielende Immunität ausser 
von der Art des Gemisches auch wesentlich von der Menge des injicierten 
Antigens abhänge. Zu diesem Zwecke wurden Meerschweinchen mit den 
am 6. 2. hergestellten Mischungen am 10. 2. in fallenden Mengen und 
zwar mit je 2 ccm, 1 ccm und 0,2 ccm injiciert und nach 39 Tagen das 
Blutserum der Tiere auf seinen Antitoxingehalt geprüft. Es zeigte sich 
nun, dass die Immunität ganz genau proportional der Menge des ein¬ 
verleibten Toxin-Antitoxingeraisches, und zwar bis zurüeberneutralisations- 
grenze von 0,5 ccm zu 57 ccm Toxin gestiegen war. In Uebereinstiramng 
mit diesen Resultaten ergab auch die Prüfung auf active Immunität durch 
Injection der 20 fach tödlichen Giftdosis 73 Tage nach der Immunisierung 
dasselbe Ergebnis. Die besten Resultate ergaben die Höchst-Dosen der 
glatt- und wenig überneutralisiertcn Gemische. 

Tabelle 111. 

Quantitätsversuche. Von den verschiedenen Diphtherietoxin-Antitoxingemischen wurden 
den Versuchstieren verschieden grosse Mengen zur Prüfung auf die Antitoxinbildung 

am 10. 2. 1914 injiciert. 



V s 

t/5 

-G 

Prüfung auf Antitoxinbild, durch passive 

Prüfung auf active Immumtr 


J-s 

O 

3 

Scrumübertragung nach 39 Tagen seit 

durch rnjection der 20fach t« i 

Art des Gemisches 


Jr? «d 

der Immunisierung. Jedes Tier erhält 

liehen Giftdosis am 73. Tai; 

4> C 

+* v 

^ «- 
> ü 

0,5 Serum und doppelt tödliche Toxindose. 

nach 

i der ImmunisieruDc 










’o 0} 

o 

1 T? 


Lias serum wurae UDertragen 

Nr. des 

Ergebnis 


it-s 

U 

1 ^ 

von Nr. 

auf Nr. 

Ergebnis 

Versuchs¬ 

tieres 

Ueberneutralisiertes ( 



623 

i 

844 

t am 5. Tage 

623 

t am 1. Tag. 

Gemisch < 

0,3 Serum + 57 Toxin [ 



728 

826 

900 

Ueberlebt, Infiltrat 

r 

718 

Spättod am 7. Tage 

\ 

2,0 

452 

452 

849 
! 838 

Ueberlebt, kein Infiltrat 

452 

Spättod nach 36 Tage* 

Neutrales Gemisch J 

1,0 

1672 

1672 

1 859 

Spättod nach 36 Tagen 

1672 

„ 23 . 

0,4 Serum+ 57 Toxin J 

1 805 | 

| n n lü m 



0,2 

951 

951 

880 

887 

t am 2. Tag 
+ » 3. , 

951 

f nach 3 Tagen. 

Ueberneutralisiertes ^ 

2,0 

1552 

1552 

886 ! 
837 
801 
i 867 

1 876 
; 832 

Ueberlebt, Infiltrat, Paralyse 
Spättod n. 36 Tag., Paralysen 
» .26 „ 

- »26 „ 

, . »io „ 

1 f nach 6 Tagen 

1552 

Ueberlebt. 

Gemisch ' 

1,0 

1426 

1426 

1426 

Spättod nach 18 Tag 

0,5 Serum + 57 Toxin | 

0,2 

1214 

1214 

1214 

t nach 2 Tagen. 

i 

2,0 

1884 

1884 

i 820 | 

! 843 

1 897 
833 
j 861 
| 875 

t nach 2 Tagen 

4- 0 

1884 

t nach 1 Tag. 

Ueberneutralisiertes 1 



1 v 1 r 

4- 9 


Gemisch < 

1,0 

1724 

1724 

Tr?-« 

1724 

f nach 2 Tagen. 

1,0 Serum+ 57 Toxin 1 




T v ~ r 

+ , 3 » 

1 » 3 - 


( 

0,2 

483 

483 

483 

t nach 1 Tag. 

Ueberneutralisiertes 1 

2,0 

81 

81 

860 

819 

827 

854 

899 i 

836 

t nach 2 Tagen 
t . 3 „ 

4 - •> 

81 i 

t nach 1 Tag. 

Gemisch < 

1,0 

835 

835 

T ~ & « 
t . 2 . 
t » 2 „ 

+ » 2 * 

835 

t „ 1 - 

1,0 Serum+ 57 Toxin 1 

0,2 > J 

1763 

1763 1 

1763 | 

+ » 1 - 


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Original fro-m 

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Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtherietoxin-Antitoxingemischen. 301 


Zusammenfassend lautet das Ergebnis dahin, dass man 
höhere Werte der Immunität beim Meerschweinchen erzielt, 
wenn man grössere Mengen einer neutralen oder schwach über¬ 
neutralisierten Mischung, als wenn man mit Injcction kleiner 
Mengen einer unterneutralisierten Mischung-injicicrt. 

Beeinflussung der Immunität durch Keiujection mit 
Toxin- An titoxiugemischen. 

Analog unseren Erfahrungen bei allen Immunisierungen, insbesondere 
bei so schlechten Antitoxinbildnern wie dem Meerschweinchen, muss 
man sich von einer Reinjection einen besonderen Erfolg versprochen. Es 
wurden deshalb die Tiere stets mit 0,5 ccm desselben Gemisches 10 Tage 
nach der Erstinjection reinjiciert und 13 Tage und 25 Tage nach der 
Reinjection das Blutserum auf seinen Antitoxingehalt geprüft. 

Aus den in umstehender Tabelle IV enthaltenen Versuchen geht hervor: 

1. Durch die nach 10 Tagen vorgenommene Reinjection mit denselben 
Gemischen werden keine besseren Immunisierungsresultate erzielt, 
wobei wir allerdings die Möglichkeit offen lassen müssen, dass die 
Immunisierungsresultate eventuell besser geworden wären, wenn wir 
mit der Reinjection etwas länger, etwa statt 10, 20 Tage gewartet 
hätten. 

2. Auch hier ist bei allen Versuchstieren bei der 23 Tage nach der 
ersten und 13 Tage nach der Reinjection vorgenommenen Prüfung der 
Antitoxingehalt ein bedeutend geringerer als bei der 25 Tage nach 
der Reinjection und 35 Tage nach der Erstinfection vorgenommenen 
Prüfung. Dieses Verhalten ist bei allen Tieren, welche Antitoxin ge¬ 
bildet haben, zu constatieren. 

3. Die bei diesen Versuchen verwendeten Toxin-Antitoxinmischungen 
waren ebenfalls 113 Tage in Contact. 

4. Auch hier erwies sich die schwach überneutralisierte Mischung 0,5 ccm 
Serum + 57 ccm Toxin als zur Immunisierung geeignet. Hier sei 
nachgetragen, dass bei der Prüfung auf active Immunität stets die 
tödliche Dosis für 100 g Meerschweinchen der Berechnung der Prüfungs¬ 
dosis zugrunde gelegt wurde. 

Versuche au Meerschweinchen, die mit normalem Pferdes$rum 
vor behandelt waren. 

Von dem Gedanken ausgehend, dass die Sprengung der Toxin-Anti¬ 
toxinverbindung im Meerschweinchenorganismus vielleicht leichter vor sich 
gehe, wenn das Meerschweinchen vorher gegen Pferdeserum sensibilisiert 
worden ist, also schon gegen dieses im Sinne des verwendeten anti¬ 
toxischen Serums Antikörper enthält, haben wir derartig vorbehandelten 
Meerschweinchen eine schwach überneutralisierte Mischung (0,5 ccm -j- 
57 ccm Toxin) subcutan eingespritzt, in der Erwartung, dass in den vor¬ 
behandelten Meerschweinchen das Pferdeseruro eventuell abgespalten und 
dadurch Toxin frei würde. Aber kein einziges der vorbehandelten 
Meerschweinchen verhielt sich anders als ein normales. Der 


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302 


Bruno Busson und Ernst Löwen stein 



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Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtberietoxin-Antitoxingemischen. 303 


durch die Vorbehandlung mit normalem Pferdeserum im Meerschweinchen 
entstehende Antikörper, vermag also nicht aus der Toxin-Antitoxin¬ 
verbindung das Toxin frei zu machen. 

* v. Behring hat auf Grund seiner Erfahrungen am Menschen die 
Vermutung ausgesprochen, dass sich tubcrculös inficierte Menschen empfind¬ 
licher gegenüber den Toxin-Antitoxingemischen verhalten als gesunde. 
Da bei der Verbreitung der Tuberculose einerseits, der praktischen Be¬ 
deutung dieser Impfmethode mit Toxin-Antitoxingemischen andererseits, 
diese Frage auch experimentell geklärt werden musste, haben wir am 
Meerschweinchen dementsprechend Versuche gemacht. 

Am 30. 5. wurden 12 Tiere subcutan mit 0,00002 g einer Tuberkel- 
Glycerinkartoffelcultur (dritte Generation aus Hodentuberculose gezüchtet), 
inficiert. Am 23. 6. wurden die alten Toxin-Antitoxinlösungen von 0,4 ccm 
Serum-j-57 ccm Toxin aufwärts injiciert, ohne dass sich die hoch¬ 
gradig tuberculösen Tiere in ihrer Empfindlichkeit von den 
normalen Tieren unterschieden hätten. 

Versuche au Ziegen. 

Da v. Behring darauf hingewiesen hatte, dass die Empfindlichkeit 
gegenüber den gleichen Mischungen bei verschiedenen Tieren ausserordent¬ 
lich verschieden ist, so haben wir unsere Versuche noch an Ziegen und 
Kaninchen durchgeführt. Bei Ziegen prüften wir die Lösungen 

0,3 ccm Serum -f- 57 ccm Toxin ~ unterneutralisiert, 

0,4 „ „ -{- 57 „ n = neutralisiert, 

0,5 „ ^ +57 „ „ — schwach überneutralisiert. 

Es zeigte sich, dass nur eine einzige Ziege (Nr. 325), welche mit 
dem unterneutralisierten Gemisch behandelt worden war, Antitoxin ge¬ 
bildet hatte. Die Sera dieser Ziegen wurden nach 13, 23, 42 und 
70 Tagen untersucht, stets mit dem gleichen Ergebnis. Dazu muss noch 
bemerkt werden, dass die Ziege, welche mit dem unterneutralisierten 
Gemisch behandelt worden war, längere Zeit nach der Injection schwer 
erkrankte, eine leichte Parese der Hinterbeine zeigte und sich erst lang¬ 
sam erholte (s. Tabelle V). 

Versuche au Kanincheu. 

Schon Dreyer und Madsen haben Kaninchen mit Toxin-Antitoxin- 
gemischen zu immunisieren versucht, aber durchwegs schlechte Resultate 
erhalten. Es überlebte ein einziges Tier die Immunisierung mit solchen 
Diphtherietoxinen, das ebenfalls schwer erkrankt war und kein Antitoxin 
aufwies, obwohl es nachträglich eine Giftresistenz zeigte. 

An unseren Versuchen haben wir genau dieselben Versuchsbedingungen 
wie beim Meerschweinchen eingehalten und auch wir können bestätigen, 
dass die Kaninchen nur wenig Diphtherieantitoxin zu bilden vermögen. 
Insbesondere fällt es in der Tabelle VI auf, dass sämtliche Tiere, auch 
jene, die mit den hochüberneutralisierten Gemischen injiciert waren, alle 
bis auf 2 gestorben sind, wenn die Injection mit frischen Toxin-Antitoxin- 
gemischen vorgenomraen wurde. Bei einem einzigen Tiere dieser Versuchs- 


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304 Bruno Busson und Ernst Löwenstein, 


Tabelle V. 

Prüfung auf Antitoxinbildung bei Ziegen nach Injection mit verschiedenen Diphtherietoxin-AntitoxingemischeQ 


Art 

des Ge¬ 
misches 

a 

■*» 25 

U © 

© ©-a 
bo-£ o 
a .2 .2 
aa a s 

© 

ns 

© 

tc 

© 

5 

t-4 

© 

ns 

ü 

Ä 

Prüfung des Ziegenserums vor 
der Injection 

Prüfung des Ziegenserums auf 
Antitoxingehalt durch passive 
Serumübertragung auf Meer¬ 
schweinchen nach 

13 Tagen 1 23 Tagen 1 42 Tagen 70 Tagen 

05 

bfi u 

a © 

© c n 

* 05 
© 
ns 

05 

© ** 
SS zn 
© 
-o 

Ergebnis 
der passten 
Seruinprüf-iu 

*o ca 
® 8 

ffg 

SC® 

4> 00 

£*•2 
o ® Z 

o 

S H 

c *2 ® 
S5* * 

Resultat 

Unterneutral is. 
Gemisch 

0,3 Ser. + 57Tox. 

5 ccm 
sub- 
cutan 

3250 

0,5 

0,018 

529 

t in 3 Tagen 

1794 | . 

1751 
1792 

1 

841 

482 

408 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,018 

0,018 

0,018 

0,018 

0,018 

0,018 

Ueberlebt. 

5? 

Ti 

n 

T) 

Neutrales Ge¬ 
misch 

0,4Ser.+ 57Tox. 

5 ccm 
sub- 
cutan 

372 

1 

i 

i 

0,5 

0,018 ! 1588 

i 

f in 3 Tagen 

1775 

i 

i 

1765 1 . 

1787 ' . 

i 341 

1 

497 

416 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

o o o o o o 
o o © ö © © 

00 00 00 00 00 00 

t nach STac;: 
t . 4 : 

t . 3 . 

t . 2 . 

t . 6 „ 

t , 7 . 

Ueberneutralis. 

Gemisch 

0,5Ser.+ 57Tox. 

5 ccm 
sub- 
cutan 

277 

0,5 

0,018 1 1520 

t in 3 Tagen 

1762 

1749 

1727 

435 

467 

406 

. 


f nach 3 Tage: 
t . 3 . 

t . 3 . 

t , 3 . 

t . 3 . 

t - 2 . 


1) Ist lange krank mit einer Parese der Hinterbeine, erholt sich langsam. 


reihe, das mit hoch überneutralisiertem Gemisch (10 ccm Serum -f- 57 ccm 
Toxin) vorbehandelt worden war, wurde eine Spur Antitoxin im Blut 
nachgewiesen (s. Tabelle VI). 

Da wir beim Meerschweinchen die Wahrnehmung gemacht hatten, 
dass wir bessere Resultate mit längere Zeit lagernden Toxin-Antitoxin- 
gemischen erzielt haben, machten wir denselben Versuch beim Kaninchen. 
Es wurde dieselbe Vaccine, die bereits 60 Tage lang im Eiskasten ge¬ 
standen hatte, verwendet und die gleichen Versuchsbedingungen wie im 
ersten Versuche eingehalten (s. Tabelle VII). 

Es ergaben sich nun eine Reihe überraschender Tatsachen. In erster 
Linie hatte ein und dieselbe Mischung (0,3 ccm Serum 57 ccm Toxin), 
welche trotzdem für Meerschweinchen ihre Giftigkeit in vollem Umfange 
bewahrt hatte, für Kaninchen jede Giftigkeit eingebüsst. Während 
24 Stunden in Contact gewesene Mischungen, selbst bei den stark über¬ 
neutralisierten Mischungen, noch Kaninchen getötet hatten, erwies sich 
jetzt selbst diese unterneutralisierte, für Meerschweinchen noch voll giftige 
Lösung für Kaninchen als ungiftig. 

2. Das mit dem unterneutralisierten Gemisch vorbehandelte Kaninchen 
hatte kein Antitoxin gebildet und besass keine Giftresistenz. 

3. Das mit dem glattneutralisierten Gemisch behandelte Kaninchen 
besass zwar nur Spuren von Antitoxin, aber eine hohe Giftresistenz. 


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Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtherietoxin*Antitoxingemischen. 305 


Tabelle VI. 

Injection mit verschiedenen 24stündigen Diphtherietoxin-Antitoxingemischen und Prüfung 
dieser Gemische auf Antitoxinbildung im Kaninchen. Alle Versuchstiere sind 1500 g 
schwer und erhalten je 0,5 ccm von den verschiedenen Gemischen subcutan. Die 
Gemische selbst sind 24 Stunden im Eisschrank in Contact gewesen. 



an 

<D 



Prüfung auf Aotitoxinbildung durch 

a 

cn cj 


Ergebnis 
der Prüfung auf 


Im 

cn « 

© 

XJ OT 

In- 

Ge- 

passive Serumübertragung auf Meer¬ 
schweinchen 

-S g § 
• SPl 

Menge 

rt des Gemisches 

r-< 

jiciert 

storben 





tc 2 £ 
a ■*» cs 

des 

Antitoxingehalt 

.* O 






& 3 

am 

am 

Kaninchens, 

Uebertragen auf Meerschw.-Nr. 

© fcC/2 
SB X3 

Toxins 

d. passive Serum- 


O 

von dem das 

nach 

nach 

nach 

Übertragung 


> 



Serum stammt 

10 Tagen 

20 Tagen 

36 Tagen 

ccm 


erneutralis. Gemisch f 

54 

7. 2. 

12. 2. 








) Serum + 57 Toxin \ 


7. 2. 

16. 2. 









327 

7. 2. 

13. 2. 








ütrales Gemisch) 





474 

. 

. 

1 

0,018 

f nach 3 Tagen. 

Ser. -f 57 Tox. j 

1005 

7. 2. 

27. 2. 

1005 

279 

, 


0,5 

0,018 

+ » 2 „ 





791 



0,2 

0,018 

t . 6 „ 

berneutraiisiert. 1 

42 

7. 2. 

2. 3. 

42 


234 

736 


0,6 

0,2 

0,018 

0,018 

t nach 5 Tagen. 

t „ 5 . 

Gemisch / 





506 



1 

0,018 

t , 3 . 

Ser. + 57 Tox. I 

arm 

7. 2. 

23. 2. 

1602 

646 

. 


0,5 

0,018 

t , 3 , 





1712 

• 


0,2 

0,018 

t » 2 , 

/ 





322 

# 


1 

0,018 

f nach 3 Tagen. 

berneutraiisiert. ' 

1967 

7. 2. 

2. 3. 

1967 

83 

969 


0,5 

0,018 

t , 2 , 





249 

1109 


0,2 

0,018 

-j- B 2 

Gemisch { 

Ser. + 57 Tox. j 

65 

7. 2. 


65 


889 

425 

1245 

1 

0,5 

0,018 

0,018 

t " 3 I 

t n 2 ■ 







388 

1484 

0,2 

0,018 

t , 3 „ 

berneutraiisiert. | 

704 

7. 2. 

12. 3. 

704 

136 

1528 

• 

• 

0,6 

0,2 

0,018 

0 018 

Ueberlebt. 
f nach 2Tagen. 

Gemisch < 





1188 

. 

1013 

1 

0,018 

t . 2 „ 

Ser. + 57 Tox. / 

1704 

7. 2. 


1704 

949 

1049 

1458 

0,5 

0,018 

+ , 2 „ 






1480 

1971 i 

350 

0,2 

0,018 

t „ 2 „ 


4. Bei den mit stark überneutralisierten Gemischen behandelten 
Kaninchen ist es weder zur Ausbildung von Antitoxin noch von Gift¬ 
resistenz gekommen. 

Alle diese Tatsachen sind sehr auffallend und die nächste Erklärung 
für ihr Zustandekommen müssen wir wiederum in der noch völlig un¬ 
bekannten Umlagerung der Bindungsverhältnisse zwischen Toxin und Anti¬ 
toxin in alten Gemischen im Gegensatz zu frisch bereiteten suchen, und 
wir behalten es uns jedenfalls vor, in ausgedehnteren Versuchen dieser 
Frage näherzutreten. 

Versuche, das Toxin ans der Toxin-Antitoxin Verbindung 
wiederzugewinnen. 

Galmette hatte schon 1895 aus einer unschädlichen Mischung von 
Kobragift und dem zugehörigen Antitoxin durch 10 Minuten langes Er¬ 
wärmen auf 68° das Kobragift in giftiger Form wieder erhalten. Bei 
68° wird nämlich das Antitoxin, aber noch nicht das Kobragift zerstört. 
Wassermann arbeitete mit Pyocyancusgift und dem zugehörigen Anti- 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 20 


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Bruno Busson und Ernst Löwenstein, 


30l> 


Tabelle VII. 

Prüfung auf Antitoxinbildung im Kaninchen nach Injection von Diphtherictoxin-Anti- 
toxinmischungcn, die 60 Tage bei Eisschranktempcratur in Contact waren. 


Art 

des Gemisches 

Nummer 

des Versuchstieres 

In- 

jiciert 

am 

Ge¬ 

storben 

am 


Ergebnis der 
Prüfung durch 
passive Serum- 
Übertragung 

60 Tage 

nach der Injection 
Prüfung auf active 
Immunität 

Ergeb: 
der PruT'. 
auf acti' 

Immimii 

> p e £ = = “ 

8 

v> e 5 ® i 

« Ss 

«S» 

SB £ 

8> S 

a 3 

«1 £ 
ü 25 

S5 ® 

> 

Injicierte 

Toxin¬ 

menge 

Untemeutralis. | 
Gemisch { 
0,3 Ser.+57 Tox.i 

497 

1640 

! 

2.4. . 

2. 4. i 10. 4. 

497 

1724 

1798 

0,5 

0,5 

0,018 

0,018 

t nach 2 Tagen 
+ , 3 , 

497 

2* 2 fach tödl. 
Do«. 0,020 pro 
kg intraresO« 

+ nach 2 ; 

Neutrales 1 
Gemisch < 
0,4 Ser. + 57 Tox.i 

301 

438 

2.4. 

2.4. 

301 

438 

1714 

1716 

1707 

1702 

0,5 

0,5 

0,5 

0,5 

0,018 

0,018 

0,018 

0,018 

t nach 3 Tagen 
Ueberlebt 
f nach 4 Tagen 
t „ 4 „ 

301 

438 

2V* fach tßdl. 
Dos. 0,020 pro 
kg intravenös 

do. 

Ueberlebt 

T 

Ueberneutralis. ( 
Gemisch { 
0,5 Ser.+ 57 Tox.i 

1787 

1579 

2.4. 

2.4. 


1787 

1579 

1758 

1777 

1778 
1785 

0,5 

0,5 

0,5 

0.5 

0,018 
0,018 
0,018 
, 0,018 

t nach 3 Tagen 
t , 3 , 

+ , 3 „ 

+ - 3 „ 

1787 

1579 

2V 2 fsch tödl. 
Dos. 0,020 pro 

kg intravenös 

do. 

t nach 21 

t , 2 

Uebcrneutrales i 
Gemisch { 
l,0Ser.+57 Tox.i 

1016 

1168 

i 

2.4. . 

2. 4. 

1046 

1168 

1769 

1781 

1767 

1711 

0,5 

0,5 

0,5 

0.5 

0,018 

0,018 

0,018 

0,018 

t nach 3 Tagen 
t » 3 , 

t „ 3 , 

+ , 3 „ 

1046 

1168 

2 */i fach tödl. 
Dos. 0,020 pro 
kg intravenös 

do. 

t nach *21 

t * 1 

Ueberneutrales t 
Gemisch { 
10 Ser.+ 57Tox.i 

145 

1093 

2.4. 

2.4. 13.5. 

iz» 1732 
140 1705 

0,5 0,018 
0,5 0,018 

f nach 3 Tagen 
+ , 3 „ 

145 

2V 3 fach tödl. 
Dos. 0,020 pro 
kg intravenös 

+ » n 


toxin, und fand, dass eine unschädliche Mischung durch Erhitzen auf 
100° wieder giftig wird. Auch hier wurde das Antitoxin, aber nicht 
das Gift durch Erhitzen zerstört. Martin und Cherry haben anti¬ 
toxisches Schlangenserum mit Schlangengift gemischt und dann versucht 
durch Filtration unter hohem Druck mittelst einer Gelatinehaut als Filter 
das Schlangengift im Filtrat wiederzugewinnen. Aber diese Methode hat 
sich für die Trennung der beiden Komponenten nach längerem Auf¬ 
einanderwirken als nicht geeignet erwiesen. Auch v. Calcar ist zu einem 
ähnlichen Resultate gekommen. 

In unseren Versuchen haben wir Collodiumultrafilter benützt. Es 
zeigte sich, dass bei der Filterstärke 4 1 / 2 mm, bei einem Druck von 
6 Atmosphären das Toxin, wenn auch mit einem erheblichen Verlust, 
durchging. Bei einer Filterstärke von 6 mm ging auch keine Spur von 
Toxin in das Filtrat. In unserem Versuche wurde eine Mischung von 
0,5 ccm Serum + 57 ccm Toxin zur Filtration benützt. Das in 2 Stunden 
gesammelte Filtrat wurde in folgender Menge injiciert: 

2 ccm Meerschweinchenscrum 1594 Strang 
1 ccm ., 435 glatt 

0,2 ccm „ 806 „ 


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Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtherietoxin-Antitoxingemischen. 307 


Die Erwartung, dass es also gewissem)assen auf mechanischem Wege 
gelingen würde, das Toxin vom Antitoxin loszureissen, hat sich also 
nicht bestätigt. 

Nun stand uns noch jener Weg offen, den v. Eisler und Löwen¬ 
stein bei ihren Versuchen zur Trennung des Tetanustoxins vom Anti¬ 
toxin eingeschlagen hatten, nämlich die Sprengung der Toxin-Antitoxin- 
verbindung durch Organaufschwemraungen in physiologischer Kochsalz¬ 
lösung. Der Versuch wurde in folgender Weise angestellt: Es wurden 
vom Kaninchen und Meerschweinchen Herzmuskel, Niere, Leber, Milz und 
Nebenniere abgewogen, verrieben und so mit Kochsalz verdünnt, dass 
das Verhältnis 1 : 10 eingehalten wurde. Von dieser Emulsion wurden 
je 2 ccm zu 2 ccm des Toxin-Antitoxingemisches 0,4 ccm Serum + 57 ccm 
Toxin, also zur neutralen Mischung hinzugesetzt. Toxin und Antitoxin 
dieser Mischung hatten 30 Minuten aufeinander eingewirkt. Diese Ge¬ 
mische wurden dann 20 Stunden im Eisschrank gehalten, darauf centri- 
fugiert und sowohl die klare Flüssigkeit als das gewaschene Sediment 
Meerschweinchen injiciert. 


Protokoll vom 13. Juni. 

Abgussflüssigkeit aus Kaninchenorganemulsionen mit Toxin-Anti- 
toxingemisohen zu gleichen Teilen hergestellt, nach 20 Stunden Contact im Eisschrank; 
1 ccm enthält 0,5 ccm des Toxin-Antitoxingemisohes. 

Meerschw. Nr. 1768 erhält Herzabgussflüssigkeit; hartes Infiltrat, erholt sich 

„ „ 1719 „ Nierenabgussflüssigkeit; „ „ „ r 

„ „ 1783 „ Leberabgussflüssigkeit; „ „ „ „ 

„ „ 1731 „ Nebennierenabgussflüssigkeit; „ „ „ „ 

„ „ 1784 „ Milzabgussflüssigkeit; „ „ „ „ 


Die zugehörigen Sedimente wurden erst nach dreimaligem Waschen mit physio¬ 
logischer Kochsalzlösung injiciert. 

Meerschw. Nr. 1717 erhält Herzabgussflüssigkeit; am 15. 6. kleiner Knopf 


11 

„ 1736 

„ Nierenabgussflüssigkeit; „ 

15.6. „ „ 

11 

„ 1797 

„ Nebennierenabgussflüssigkeit; „ 

15. 6. „ „ 

11 

„ 1799 

„ Leberabgussflüssigkeit; „ 

15. 6. Strang, am 31. tot 

1« 

„ 1750 

„ Milzabgussflüssigkeit; „ 

15. 6. hart.Infilt.jheiltaus. 


Abgussflüssigkeit aus Meerschweinchenorganemulsionen mit Toxin- 
Antitoxingemischen zu gleichen Teilen hergestellt, nach 20 Stunden Contact im Eis¬ 
schrank. 1 com enthält 0,5 ccm des Toxin-Antitoxingemisches. 

Meerschw. Nr. 1704 erhält Herzabgussflüssigkeit; hartes Infiltrat, heilt aus 

„ „ 1800 „ Nierenabgussflüssigkeit; ,, „ ,, „ 

„ 1733 „ Nebennierenabgussflüssigkeit; „ ,, „ 

„ „ 1708 „ Leberabgussflüssigkeit; „ „ „ „ 

„ „ 1723 „ Milzabgussflüssigkeit; kleines „ 


Die zugehörigen Sedimente wurden erst nach zweimaligem Waschen mit physio¬ 
logischer Kochsalzlösung injiciert. 


Meerschw. Nr. 1735 erhält 


n 




1743 

1745 

1780 


11 

11 

11 

11 


Herzabgussflüssigkeit; am 15. 6. Knopf 

Nierenabgussflüssigkeit; „ 15.6. „ 

Nebennierenabgussflüssigkeit: „ 15. 6. „ 

Leberabgussflüssigkeit; hartes Infiltrat. 
Milzabgussflüssigkeit; ,, „ 


20 * 


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308 


Bruno Busson und Ernst Löwenstein, 


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Aus diesem Versuch, den wir leider nicht wiederholen konnten, 
scheint doch hervorzugehen, dass Milz und Leber imstande sind, aller¬ 
dings nur geringe Mengen Diphtherietoxin zu adsorbieren, denn der am 
19. 6. mit Diphtherieserum und Emulsionen angestellte Controlversuch 
ergab in keinem einzigen Falle ein Infiltrat. Am 25. 7. wurden sämt¬ 
liche Meerschweinchen, die am 13. 6. mit der aus den neutralen Ge¬ 
mischen und Organemulsion hergestellten Mischungen injiciert worden 
waren, auf aktive Immunität durch Injection der fünffach tödlichen Dosis 
geprüft. Während jene Tiere, welche mit Emulsionen aus Organbrei und 
Diphtherieserum ohne Zusatz von Toxin vorinjiciert worden waren, aus¬ 
nahmslos am dritten Tage gestorben waren, überlebten von den Tieren, 
die mit den Emulsionen aus den glattneutralisierten Toxin-Antitoxin¬ 
gemischen und Organbrei injiciert worden waren, 7 Meerschweinchen. 
Dass die Meerschweinchen, welche von der ersten Dekantierungsflüssigkeit 
1 ccm, d. i. 0,5 ccm des Toxin-Antitoxingemisches erhalten haben, eine 
Immunität erworben haben, wirkte nicht überraschend, dagegen war uns 
auffällig, dass jenes Meerschweinchen, welches mit dem zweimal ge¬ 
waschenen Sediment der Leber-Toxin-Antitoxinemulsion injiciert worden 
war, auf die Injection der fünffach letalen Dosis ohne Reactionserscheinung 
am Leben blieb. Es wäre möglich, dass die Meerschweinchenleber aus 
dem Toxin-Antitoxingemisch Bestandteile an sich reisst, die zur Erziclttng 
der Immunität ausreichend sind. Die Verfolgung dieser Beobachtütog 
muss leider einer späteren Arbeit Vorbehalten bleiben. 

Was die Adsorption des Diphtherietoxins im allgemeinen betrifft, so 
konnten Biltz, Much und Siebert zeigen, dass bei Verwendung von 
Eisenhydroxyd nur aus einer dreifachen Verdünnung eine Adsorption von 
Diphtherietoxin an das Eisenhydroxyd stattfindet. 

Zuntz hat nur Tierkohle adsorptionsfähig gefunden, Kaolin', 
Talk und Holzkohle hingegen besitzen nach diesem Autor selbst in 
grossem Ueberschuss keine Adsorptionsfähigkeit. Aber auch die 
Tierkohle hat nur eine schwache Wirkung, denn 5—10 g Tierkohle sind 
notwendig, um 50 ccm einer 10 proc. Diphtherietoxinlösung zu entgiften. 
Es gelingt auch nicht, durch Tierkohle aus dem Toxin-Antitoxingemisch 
das Toxin wieder frei zu machen. Die Affinität des Toxins zum Anti¬ 
toxin ist bedeutend grösser als zur Kohle. 

Dass aber auch bei Diphtherie die Verbindung zwischen Toxin 
und Antitoxin relativ leicht zu sprengen ist, haben ja schon Morgenroth 
und Willanen gezeigt, die durch Säurezusatz das Toxin aus der Ver¬ 
bindung wieder frei machen konnten. 

In der jüngsten Zeit haben Schick und seine Schüler Kassowitz 
und v. Groer sogar eine Sprengung der Toxin-Antitoxinverbindung im 
menschlichen Organismus wahrscheinlich gemacht. Schick und Kasso¬ 
witz haben nämlich gefunden, dass selbst eine für das Meerschweinchen 
überneutralisierte Toxinlösung bei geschlechtsreifen Frauen bei intracutaner 
Reaction noch die typische Diphtherienekrose bewirkte. Kassowitz hat 
sogar in 50 pCt. von Wöchnerinnen und normalen Frauen, welche 
Diphtherieantitoxin in ihrem Blut besessen haben, dieselbe Diphtheriegift¬ 
empfindlichkeit vorgefunden wie bei Frauen, die kein Antitoxin im Blut 


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Exp. Studien über Immunisierung mit Diphtherietoxin-Antitoxingemischen. 309 


besessen haben. Und gerade bei diesen Frauen war auch das über¬ 
neutralisierte Toxin-Antitoxingemisch noch toxisch. 

Schick’s Schüler, v. Groer, hat dann die Sprengungsversuche von 
Diphtherietoxin und Antitoxin wieder aufgenommen und die überraschende 
Beobachtung gemacht, dass tatsächlich aus einem neutralen Gemisch von 
Diphtherietoxin und Antitoxin durch Hitze das Toxin unwirksam gemacht 
werden kann, wobei dem zurückbleibenden, weniger durch Hitze ge¬ 
schädigten Antitoxin die Fähigkeit zukommt, quantitativ dieselbe Menge 
Toxin, die das erstemal verwendet wurde, wieder zu neutralisieren und 
zwar gleichgiltig, ob das Gemisch bald nach der Mischung oder nach 
der sogenannten sekundären Verfestigung erhitzt wurde Dabei war kein 
Unterschied zwischen dem im Nabelschnurserum enthaltenen Antitoxin zu 
eonstatieren. 

Diese Sprengungsversuche gelingen aber nur dann bei secundär ver¬ 
festigten Gemischen, wenn man mit hohen Verdünnungen hochwertiger Sera 
arbeitet und so die Schutzwirkung der Colloide des Serums ausschaltet. 

Schlussfolgerungen. 

1. Beim Meerschweinchen erhält man die besten Immunisierungs¬ 
resultate mit glatt-, oder nur wenig überneutralisierten Toxin-Antitoxin- 
gemischen. Bei Kaninchen mit glatt-, bei Ziegen mit unterneutralisierten 
M: ,chungen. 

2. Bei Verwendung von Gemischen, die mindestens 1—2 Monate im 
Eisschrank gelagert sind, tritt eine Aenderung in dem Sinne ein, dass 
t ich zweifach überneutralisierte Mischungen Immunität in denselben Dosen 
erzeugen wie glatt-, oder unterneutralisiertc Mischungen. 

3. Die Immunität, die aus der lnjection von glatt und schwach 
iberneutralisierten Toxin-Antitoxingemischen resultiert, ist bis zu einem 
gewissen Grade direct proportional der Menge des cinverleibten Toxin- 
Antitoxingemisches. Bei einer ungefähr dreifachen Ueberneutraiisation 
kann aber auch durch grosse Dosen des Toxin-Antitoxingemisches keine 
Immunität mehr erzielt werden. 

4. Der Eintritt der activen und der übertragbaren Immunität ist 
beim Meerschweinchen erst zwischen dem 30. und 40. Tage zu erwarten, 
und scheint ihren Höhepunkt nach 59 Tagen zu erreichen. 

5. Durch eine Reinjection der Gemische wird kein besseres Resultat 
erzielt, wenn, wie in unserem Falle, die Reinjection bereits nach 10 Tagen 
vorgenommen wird. 

6. Im Laufe des längeren Ablagerns der Diphtherie-Toxin-Antitoxin- 
gemische tritt eine Aenderung in der Art der Toxinneutralisation ein, die 
sich bei Meerschweinchen zunächst in der geänderten Immunwirkung der 
Gemische, aber nicht in einer Abnahme der Giftwirkung zeigt. Ab¬ 
gelagerte unterneutralisierte Gemische bleiben in derselben Dosierung 
giftig, wogegen abgelagerte überneutralisierte Gemische, die als frische 
nicht immunisierend gewirkt hatten, nach dem Ablagern Immunität er¬ 
zeugen können. Auch die nach lnjection mit neutralen und überneutralen 
Gemischen mit frischem Toxin beobachteten Spättode der Kaninchen, 
treten nach Einverleibung der gleichen, aber abgelagerten Gemische nicht 


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310 Bruno Busson u. Ernst Löwenstein, Exp.Studien über Immunisierung usw. 


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mehr in Erscheinung, was allerdings in einem interessanten Gegensätze 
zu den für Meerschweinchen gefundenen Tatsachen steht. 

7. Kaninchen bilden viel schlechter Diphtherieantitoxin als Meer¬ 
schweinchen und Ziegen. Gegenüber frischen Gemischen sind sie viel 
empfindlicher als Meerschweinchen. 

8. Bei tuberkulösen Meerschweinchen erscheint die Empfindlichkeit 
gegenüber Toxin-Antitoxingemischen nicht geändert. 

9. Auf mechanischem Wege, durch L T 1 trafiItration, gelingt es nicht, 
das Toxin vom Antitoxin zu trennen, auch nicht aus frisch hergestellten 
Lösungen. 

10. Dagegen scheinen, soweit dies unsere Vorversuche zu schliessen 
erlauben, Leber und Milz imstande zu sein, aus der Toxin-Antitoxin- 
verbindung Spuren von Toxin an sich zu reissen, und in dieser Bindung 
selbst noch immunisierend zu wirken. 


Literatur. 

1. Abderhalden, E., Abwehrfermente. 4. Aufl. Berlin 1914. 

:2. Arloing, Nicolas et Antoine, Oompt. rend. Soc. de Biol. 1901. T. f>3. 

3. Atkinson, Journ. of Med. Research. Vol. 9. p. 173. 

4. Babes, Bull, de LAcad. de med. T. 34. Paris 1895. 

5. v. Behring, Einführung in die Lehre der Infektionskrankheiten. Berlin 1912. 
Hirschwald. 

6 . Biltz, Much und Siebert, v. Behrings Beiträge zur experiment. Therapie. 1900. 

7. Boehncke, Zeitschr. f. angew. Chemie. 1912. Bd. 25. 

8 . v. Calcar, Berliner klin. Wochenschr. 1905. Bd. 42. 

9. Calmette, Schlangengifte. Handb. d. Technik u. Methodik d. Immunitäts- 
forschung. 1908. 

10. McClintock and S. Ferry, Centralbl. f. Bakteriol. 1911. Bd. 59. 

11. Dreyer und Madsen, Zeitschr. f. Hygiene. 1901. Bd. 37. 

12. Dzierzgowski, Centralbl. f. Bakteriol. 1900. Bd. 34. 

13. v. Eisler und Loewenstein, Ebenda. 1914. Bd. 75. 

14. Grassberger und Schattenfroh, lieber die Beziehungen von Toxin und Anti¬ 
toxin. Wien 1904. 

15. v. Groer und Kassowitz, Leber das Verhalten des Diphtherieschutzkörpers 
bei Mutter und Neugeborenen. 35. Vers, deutscher Naturf. u. Aerzte. Wien 1913. 

10. Kassowitz, K. und B. Schick, Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 1914. Bd. 2. 

17. Kretz, Zeitschr. f. Heilkde. 1902. 

18. Loewenstein, Diese Zeitschr. 1914. Bd. 15. 

19. Martin and Cherry, Proc. of Royal Soc. 190,s. 

20. Marx, Zeitschr. f. Hygiene. 1902. 

21. Morgenroth und Willanen, Virchows Archiv. 1907. Bd. 190. 

22. Otto, Archiv f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1900. Nr. 24. 

23. Park and Atkinson, Proceed. of the New York Med. Soc. 1903, May. 

24. Pawlowsky und Maksutow, Zeitschr. f. Hygiene. 1890. 

25. Smith, Journ. of Med. Research. 1907. Vol. 10. 

20. v. Wassermann, Zeitschr. f. Hygiene. 1896. Bd. 22. 

27. Zunz, Zeitschr. f. Immunitätsforschung. 1913. Bd. 19. 


Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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ZEITSCHRIFT 


FÜR 

EXPERIMENTELLE PATHOLOGIE 

UND 

THERAPIE 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

L. BRIEGER (BERLIN), H. E. HERING (CÖLN), 

F. KRAUS (BERLIN), R. PALTAUF (WIEN), 

J. POHL (BRESLAU). 

SIEBZEHNTER BAND. 

MIT 14 TAFELN, 20 ABBILDUNGEN UNI) 25 KURVEN IM TEXT. 


BERLIN 1915. 

VERLAG VON AUGUST HIRSCHWALD. 

NW. UNTER DEN LINDEN 68. 


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Inhalt 


(Heft 1: Allsgegeben an 2. Jannar 1915.) 8eite 

I. Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charite, Berlin. Die Beziehungen 

der Form der Initialgruppe des Elektrocardiograroms zu den beiden 
Herzventrikeln. Von G. F. Nicolai (Berlin) und S. Vögelmann 
(Moskau). (Mit 3 Abbildungen im Text.). 1 

II. Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charite, Berlin (Director: Geh-Rat 
Prof. Dr. Kraus). Der Einfluss des Lebensalters auf die relative 
Grösse der J- und Jp-Zacke. Von Dr. S. Vögelmann (Moskau). 

(Mit 2 Abbildungen im Text.). 11 

III. Aus der hydrotherapeut. Anst. der Univ. Berlin (Leiter: Geb. Med.-Rat 
Prof.Dr. Brieger). Untersuchungen über dasWesen der hydriatischen 
Reaction. Von Arthur Hirschfeld. (Mit 3 Abbildungen im Text.) 16 

IV. Aus dem pharmakologischen Inst, der Univ. Tokio. Experimentelle 

Polyneuritis, besonders bei Vögeln, im Vergleich zur Beriberi des 
Mensohen. Von Dr. med. R. Tasawa, Assistenten am Institut . . 27 


V. Aus der med. Poliklinik der Univ. Bern (Director: Prof. H. Sahli — 
Oberarzt: Priv.-Doc. Dr. Fritz Seiler). Untersuchungen über die 
Beeinflussung der Leukocytenzahlen durch Digitalis und die Combination 
von Digitalis und salicylsaurem Natrium. Von Mauja Löwen stein 


(Kischinew).- 47 

VI. Aus der III. med. Klinik der Univ. in Wien (Vorstand: Prof. Dr. 

F. Chvostek). Beiträge zur Pathologie des Oedems. (1. Mitteilung.) 

Von Dr. L. Hess und Dr. H. Müller.59 

VII. Aus der III. med. Klinik der Univ. in Wien (Vorstand: Prof. Dr. 

F. Chvostek). Beiträge zur Pathologie des Oedems. (2. Mitteilung.) 

Von Dr. L. Hess und Dr. H. Müller. 72 

VIII. Aus der III. med. Klinik (Vorst.: Prof. Chvostek) und dem Inst, 
f. allg. u. exp. Pathol. (Vorst.: Hofrat Paltauf) der k. k. Univ. Wien. 

Ueber experimentellen Morbus Brightii. Von J. Wiesel und L. Hess. 
(Hierzu Tafeln I—IV und 7 Abbildungen im Text.).74 

IX. StudieüberdieChemiederNierensteine. Von Max Kahn, M.D.,Ch.D., 

New York, Director des Beth Israel Hospital, Chemisches Laboratorium 88 

X. Aus d. pharmakol. Inst. d. Univ. Jena. Ueber den Einfluss von Chloriden 

auf die Resorption von Sulfatlösungen im Dünndarm. Von H. Kionka 98 


XI. Aus dem pharmakol. Inst, der Univ. Jena. Die Wirkungen der Erd¬ 
alkalien auf das isolierte Froschherz. Von H. Kionka . . . . 108 

XII. Aus dem pharmakol. Inst, der k. k. böhmischen Univ. in Prag (Vorst.: 

Prof. K. Ritter v. Lhotäk). Kritisches und Experimentelles über die 
cumulativeWirkung der Strophanthine. Von cand. med. Karel Klein, 
Demonstrator am Institut. (Mit 2 Abbildungen im Text.) . . . 127 


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IV 


Inhalt. 


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.Seite 

XIII. Aus dem pharmakol. Inst, der k. k. böhmischen Univ. in Prag (Vorst.: 

Prof. K. Ritter v. Lhotäk). lieber die Gewöhnung an Strophanthin, 
mit Benutzung eines reflektorischen Speichelflusses als Indicator 
studiert. Von cand. med. Karel Klein, Demonstrator am Institut. 

(Mit 2 Abbildungen im Text.).143 

(Heft 2: Aasgegeben am 14. Juli 1915.) 

XIV. Aus der med. Poliklinik der Univ. Bern (Director: Prof. Dr. H. Sahli 
— Oberarzt: Priv.-Doc. Dr. Fritz Seiler). Ueber medicamentösc 
Leukocytose. Literarische Uebersicht, nebst eigenen Versuchen über 
die Beeinflussung der Loukocyten durch einige Antipyretica. Von 


Renö Ph. Gehrig, prakt. Arzt aus Trub (Bern).161 

XV. Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charite, Berlin (Director: Geh. Med.- 
Rat Prof. Dr. F. Kraus). Beeinflussung des Blutdruckes durch hyper¬ 
tonische Lösungen. Von Karl Retzlaff, klinischem Assistenten. 

(Hierzu Tafeln V—VII.).192 

XVI. Aus der Friedrichstadtklinik für Lungenkranke zu Berlin (dirigierender 
Arzt: Dr. Arthur Mayer). Zur Klinik und experimentellen Patho¬ 
logie der Beziehungen zwischen Trauma und Lungentuberculose. 

Von Arthur Mayer.200 

XVII. Ueber Vaccinetherapie des Typhus abdominalis, insbesondere den 

Fornetschen Impfstoff und 14 damit behandelte Fälle im Bürgerhospital 
in Saarbrücken. Von Albrecht Mertz, früherem Assistenten der 
Anstalt. (Hierzu Tafeln VIII—X.).224 

XVIII. Aus dem Roten Kreuz-Spital in Budapest (Director: Priv.-Doc. 

Dr. Bela von Imredy). Die Opsiurie. Von Oberarzt Dr. Ludwig 
v. Szöllösy.243 


XIX. Aus der II. med. Klinik der Kgl. Charite. Berlin (Director: Geheimrat 
Prof. Dr. F. Kraus). Ueber die Herkunft der localen eosinophilen 
Zellen. Von Dr. Basileios Photakis (Athen). (Hierzu Tafel XI.) 270 

XX. Aus der 1. und III. med. Abt. (Vorstände: Prim.-Prof. Dr. G. Singer 
und Prim.-Doc. Dr. M. Weinberger) und dem path.-anat. Institut 
(Vorstand: Hofrat Prof. Dr. R. Pal tauf) der k. k. Krankenanstalt 
„Rudolfstiftung“ zu Wien. Beschleunigter Nachweis der Tuberculose 
im Tierversuch durch Milzimpfung. Von Dr. M. Damask und Dr. 

F. Schweinburg, Assistenten der Abteilungen.274 

XXL Aus dem k. k. Serotherapeutischen Institut in Wien (Vorstand: Hofrat 
Prof. Dr. Palt auf). Experimentelle Studien über Immunisierung mit 
Diphthcrietoxin-Antitoxingemischen. Von Dr. Bruno Busson uud 
Dr. Ernst Löwen st ein.289 

(Heft 3: Aasgegeben am 24. November 1915.) 

XXII. Aus dem Inst, für allg. und exp. Pathologie (Prof. M. Loewit und 
der med. Klinik (Prof. A. Steyrer) der k. k. Univ. in Innsbruck. 
Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise des Cymarins 
nebst klinischen Beobachtungen. Von Priv.-Doc. Dr. Felix Gais- 
böck, Assistent der med. Klinik. (Hierzu Tafeln XII u. XIII.) . . 311 

XXIII. Aus dem pharmakologischen Inst, der Univ. Breslau (Director: Geh.- 
Rat Prof. Pohl). Zur Kenntnis der Wirkung der Allyl Verbindungen. 

Von J. Georg Piazza. (Hierzu Tafel XIV und 3 Kurven im Text.) 318 


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Inhalt. 


V 

Seite 


XXIV. Aus dem pharmakologischen Inst, der Univ. Breslau (Director: Geh.- 
Rat Prof. Dr. Pohl). Pharmakologische Untersuchung über Nor- 
Morphinderivate. Von Hertha Heimann. (Mit 12 Kurven im Text.) 342 

XXV. Ueber das N-Allylnorcodein, einen Antagonisten des Morphins. Von 

Julius Pohl. (Mit 8 Kurven im Text.) . ,.370 

XXVI. Aus der urologischen Abt. der allgemeinen Poliklinik (Vorst.: Hofrat 

A. v. Frisch) und dem k. k. serotherapeutischen Inst. (Vorst.: Hofrat 
R. Pal tauf) in Wien. Ueber das Schicksal intravenös injioierten 
Milchzuckers beim gesunden, nephrectomierten und nephritisohen 
Tier. Von Dr. Oswald Schwarz, Assistent der Abteilung, und 
cand. med. Erwin Pulay..383 

XXVII. Aus der Kgl. Chirurg. Univ.-Klinik Breslau (Director: Geh.-Rat Prof. 

Dr. Küttner) und dem Kgl. pharmaz. Inst, der Univ. Breslau (Director: 

Prof. Dr. G ad am er). Ueber Metachromasie bei Vitalfarbstoffen. Von 

Dr. phil. et med. Werner Schulemann.401 

XXVIII. Aus der med. Poliklinik der Universität Halle a. S. (Director: Prof. 

Dr. L. Mohr). Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fett¬ 
sucht und seine Beeinflussung durch Nahrungsaufnahme, Arbeit und 
Arzneimittel. Von Heinrich Haussleiter. (MitlAbbildungimText.) 413 


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XXII. 


Aus dem Institut für allg. und exp. Pathologie (Prof. M. Loewit) und der 
mcd. Klinik (Prof. A. Steyrer) der k. k. Universität in Innsbruck. 

Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise 
des Cymarins nebst klinischen Beobachtungen. 

Von 

Priv.-Doc. Dr. Felix G&isböek, 

Assistent der medieinischen Klinik. 

(Hierzu Tafeln XII u. XIII.) 


In jüngster Zeit sind mehrfache Mitteilungen erschienen, die sich 
mit der Wirkungsweise des Cymarins, als eines neuen Herzmittels befassen, 
und über therapeutische Erfolgo bei Insufßcienz des Herzmuskels und bei 
cardialem Hydrops berichten (Impens, Schubert, Allard, Bonsmann, 
Wiesel). 

Die Autoren heben besonders folgende Momente hervor, die die 
curativc Wirkung dieses Mittels sehr empfehlenswert erscheinen lassen: 
Kräftigung und bessere Füllung des Pulses, Abnahme der Cyanosc und 
Dyspnoe, ferner damit im Zusammenhänge starke diuretische Wirkung, 
also ganz analoge Effecte, wie wir sie bei Digitalis beobachten. 

Auch in Fällen, bei denen Digitalis keine Wirkung erzielt hatte, 
konnte durch Oyrnarin wiederholt ein prompter Erfolg gesehen werden. 
Daher verlegen die Autoren das Anwendungsgebiet hauptsächlich auf 
solche Fälle von Insufßcienz der Herztätigkeit, in denen Digitaliskörper 
oder bei starkem cardialem Hydrops oder chronischer Nephritis mit 
Hydrops Diuretica der Purinreihe wirkungslos bleiben. 

Die theoretische, experimentelle Begründung ist durch eine Reihe 
von Tierversuchen gegeben, die eine der Digitalis ähnliche Wirkung auf 
das Herz feststellten und auch eine allerdings rasch vorübergehende 
Diurese ergeben haben (Impens, Schubert, Selenskij). 

Versuche an der isolierten Darmschlingc liessen ferner eine intensive 
Peristaltik unter der Einwirkung des Cymarins beobachten, desgleichen 
auch am Uterus (Impens). 

Die chemische Constitution des Cymarins ist noch nicht voll¬ 
ständig aufgeklärt. Nach mündlicher, mir gütigst zur Verfügung gestellter 
Mitteilung von Herrn Prof. Windaus handelt es sich „um ein sehr 
schön krystallisierbares Glykosid, das sich mit verdünnter Salzsäure voll¬ 
kommen glatt schon in der Kälte spalten lässt. Dabei bekommt man 
einen neuen Zucker, die Cymarose, die dieselbe Farbenreaction gibt wie 
die Digitoxose (Kellersche Digitoxosereaction), sehr schön krystallisiert, 
und der dieser letztere Zucker sehr nahe steht. Das andere Spaltstück 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 21 


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Felix Gaisböck, 


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krystallisiert ebenfalls sehr schön, ist sehr hoch molekular und hat die 
allergrösste Aehnlichkeit mit dem Spaltstück, das man aus dem Strophanthin 
und Digitoxin erhält. u 

In den Berichten über die praktische Verwendung des Mittels sind 
neben den weitaus überwiegenden günstigen Wirkungen des Cymarins 
aber auch Mitteilungen enthalten über mehrfach vorgekoramene schäd¬ 
liche Nebenwirkungen, Uebelkeiten, Erbrechen (Bonsmann, Allard) 
und auch über plötzlichen Exitus (Allard) im Anschluss an die intra¬ 
venöse Injection; von letzteren sind uns auch drei Fälle durch mündliche 
Mitteilung bekannt geworden, die von anderen Aerzten gesehen wurden. 

Solche unglückliche Zufälle sind allerdings auch bei intravenöser 
Anwendung der Digitaliskörper, z. B. Strophanthin, wiederholt berichtet 
und haben wohl ihren Hauptgrund nicht in dem Mittel als solchem, 
sondern in der jeweils vorliegenden schweren Schädigung des Herz¬ 
muskels und des ganzen Gefässapparates. Aus diesen Gründen sahen 
wir bisher von einer intravenösen Application des Mittels ab und suchten 
zunächst noch auf experimentellem Wege über die Wirkungsweise des 
Cymarins weitere Aufschlüsse zu erhalten 1 ). 

Die Tierversuche der früheren Autoren wurden an Fröschen und 
Katzen (Impens) bzw. an Frosch, Hund und Kaninchen (Schubert) 
angestellt. Bei unseren Versuchen kamen hauptsächlich Kaninchen und 
zweimal Meerschweinchen zur Verwendung. Die Anordnung war derart 
getroffen, dass die Injection des Giftes stets in die Vena jugularis herz- 
wärts erfolgte. Das Cymarin wurde immer mit 1 ccm NaCl-Lösung 
verdünnt injiciert. 

Im Nachfolgenden sollen kurz die Resultate mitgeteilt werden: 

Einwirkung auf Blntdrnck und Puls bei Kaninchen. 

Bei subletalen Dosen: Während bei intravenöser Injection von 
0,00001 g bei spontan atmenden Tieren keine Aenderung in Blutdruck 
und Puls zu sehen war, erzeugte 0,00002 g schon eine vorübergehende 
Druckerhöhung von 8 mm Hg für die Dauer von etwa 40 Secunden 
(Versuch 3, Kurve 1), die auch bei einer höheren Dose von 0,0002 g 
nur auf 14 mm anstieg (Versuch 2). Eine deutliche Veränderung am 
Puls trat erst von 0,00004 g an zutage (Versuche 1, 3). Der Puls wird 
hier langsamer und grösser; das gleiche ist auch bei höheren Dosen bis 
zur letalen Menge von 0,001 g der Fall. 

Der Grad der Pulsverlangsamung ist verschieden und scheint nicht 
so sehr von der Grösse der Dosis abzuhängen, sondern von andern, 
vielleicht individuellen Besonderheiten. So sehen wir nach 0,00005 g 
(Versuch I) eine Pulsverlangsamung von 22 auf 20 in 5 Sec. (Kurve 2) 
und nach 0,00004 g (Versuch 3) ein sehr starkes Absinken der Herz¬ 
frequenz (Kurve 3) von 24 auf 11 in 5 Sec., welches Stadium wir durch 
2 Minuten verfolgen konnten. Dass es sich hier um Vaguspulse 
handelt, ist durch die Vagotomie festgestellt (Versuch 3, Kurve 4). Sofort 


1) Die Firma vorm. Friedrich Bayer in Leverkusen hat uns in dankenswerter 
Weise das Präparat zu Versuchszwecken zur Verfügung gestellt. 


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Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise des Cymarins usw. 313 


nach beiderseitiger Vagusdurchschneidung schwindet diese Pulsverlang- 
samung und es treten die kleinen Pulse wieder auf wie vor der Injection. 
Nach der Vagusausschaltung erzeugt eine Injection von 0,0002 g Cymarin 
keinerlei Wirkung auf den Blutdruck oder Puls. Die Wirkung der 
letalen Dosis von 0,001 g, als erstmalige Injection, gestaltet sich so, 
dass z. B. (Versuch 8) mit der rasch einsetzenden Blutdrucksteigerung 
um 25 mm (Kurve 5) die Pulsgrösse sofort zunimmt und seine Frequenz 
absinkt, von 22 auf 16—18 in 5 Sec. Nach etwa 45 Sec. wird der 
noch langsame Puls dauernd unregelmässig, wobei der Druck immer 
noch eine Zeitlang gegen die Norm erhöht bleibt, bis nach 3—4 Minuten 
der ziemlich rasche Blutdruckabfall erfolgt. Die Kurve verläuft gegen 
das tödliche Ende hin ganz analog jenen Bildern, die bei Impens ver¬ 
zeichnet sind, und wird daher von einer Reproduction abgesehen. 

Eine cumulative Wirkung wurde von Impens am Tier und von 
Allard am Menschen beobachtet. In unseren Versuchen könnten wir 
zunächst eine solche in Versuch 1 und 3 annchmen, wo nach voraus¬ 
gegangenen kleinen Dosen von 0,00001 bzw. 0,00002 g, die nur einen 
Einfluss auf den Blutdruck, aber sicher keinen solchen auf die Pulszahl 
erkennen lassen, nach 0,00004 bzw. 0,00005 g der Puls langsamer und 
grösser wird, in ersterem Falle sogar in sehr hohem Grade, während 
nach 0,0001—0,0002 g nur eine geringe Abnahme der Frequenz zu 
constatieren ist. In mehreren anderen Versuchen konnte eine cumulative 
Wirkung nicht constatiert werden. 

Bezüglich des Angriffspunktes der Cymarinwirkung auf den Gefäss- 
apparat bin ich nicht in der Lage, eine bestimmte Angabe machen zu 
können. In einem Versuch (11), in dem es gelang, durch mehrere voraus¬ 
gehende Injectionen von Chloralhydrat in der Dosis von zusammen 2,7 g 
die dyspnoische Blutdrucksteigerung sowie Vaguswirkung auf das Herz 
vollständig auszuschalten (Kurve 6), trat nach Injection einer letalen 
Dosis von Cymarin eine deutliche Blutdrucksteigorung vor dem rasch 
erfolgenden definitiven Absinken des Blutdrucks ein (Kurve 7). Ich 
möchte auf Grund dieses einen Versuches die Frage, ob diese Blutdruck¬ 
steigerung auf eine periphere Wirkung des Cymarins zurückzuführen ist, 
nicht entscheiden. Auch Versuch 3 (Kurve 8) kann nicht ausschlag¬ 
gebend sein, indem nach beiderseitiger Vagotomio die Wirkung des Cyma¬ 
rins in subletaler Dose auf Blutdruck und Puls (nach zweimaliger Vor- 
injection von 0,00002 und 0,00004 g Cymarin) vollkommen ausbleibt. 

Im Stadium nach der Injection einer letalen Drucksenkung kann 
auch durch periphere Vasomotorenerregung keine curative Wirkung mehr 
erzielt werden. Durch Adrenalin kann zwar der Druck noch enorm 
in die Höhe gebracht werden, aber nur ganz vorübergehend und das 
tödliche Ende vermögen wir nicht im geringsten mehr aufzuhalten 
(Versuch 4). 

Mit diesen Feststellungen konnten wir also die bisherigen experi¬ 
mentellen Ergebnisse der Autoren (Impens, Schubert) bestätigen und 
zum Teil auch erweitern. 

Eine weitere wichtige Frage ist die eventuelle direkte Wirkung des 
Cymarins anf den Herzmuskel. 

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Felix Gaisböck, 


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In den Untersuchungen am Frosch und auch bei Warmblütern ist 
von den Autoren ein systolischer Herzstillstand nach toxischen Gaben 
festgestellt worden (Impcns bei Katzen, Schubert beim Frosch). 

Bei unseren an Kaninchen und Meerschweinchen angestellten Ver¬ 
suchen ergab die Section keine Anhaltspunkte für einen Stillstand in der 
Systole; das Herz war immer schlaff in diastolischer Stellung, die Ge- 
fässe des Herzens weit; auch sämtliche Baucheingeweide erschienen blutreich. 

Um das Verhalten des Herzens während der verschiedenen Phasen 
der Cyraarinwirkung genauer verfolgen zu können, wurden die Schwan¬ 
kungen des Herzvolumens mittels der Knollschen Pericardkanüle auf¬ 
gezeichnet (Versuche 4 und 12). 

Wie die Kurve 9 (Versuch 4) ergibt, handelt es sich bei dem defini¬ 
tiven Absinken des Blutdrucks nach tödlicher Cymarinvergiftung zweifellos 
um diastolischen Stillstand des Herzens. In dieser Beziehung ist hinzu¬ 
weisen auf die vorübergehende Volumszunahrae des Herzens bei Cymarin- 
injection (Versuch 12, Kurve 10), ferner auf die diastolische Volums¬ 
zunahme beim Cymarintod trotz Adrenalin (Versuch 4, Kurve 9), auf 
die diastolische Erschlaffung im Versuch 12 (Kurve 11) beim Aussetzen 
der künstlichen Ventilation, mit den abwechselnden Serien grosser und 
kleiner Contractionen, die möglicherweise einem Alternanszustande des 
Herzens entsprechen. Inwieweit die verstärkte diastolische Füllung des 
Herzens und dadurch bedingte Zunahme der Herzcontractionen bei Cymarin¬ 
vergiftung auf die gleichzeitig vorhandene Vaguserregung (vgl. früher) 
oder auf eine directe Cymarinwirkung zurückzuführen ist, bleibt weiteren 
Untersuchungen Vorbehalten. 

Da bei der gewählten Art der Volumschreibung des Herzens die Systole des 
Herzens durch Abwärtsbewegung des Schreibhebels, die Diastole durch Aufwärts¬ 
bewegen desselben verzeichnet wird, so ergibt die Betrachtung der beiden Kurven 9 
und 11 ohne weiteres, dass das Aufwärtssteigen des Schreibhebels nach einer in 
beiden Fällen tödlichen Cymarindosis auf einen diastolischen Stillstand des Herzens 
zu beziehen ist, zumal in beiden Fällen bei der gewählten Versuchsanordnung (Curari- 
sierung des Tieres in Kurve 9 und Aussetzen der künstlichen Ventilierung in Kurve 11) 
eine Beeinflussung der Schreibhebelbewegung durch gleichzeitige Atembew'egung aus¬ 
geschlossen erscheint. Bei Kurve 9 kann allerdings die diastolische Erweiterung des 
Herzens im Endstadium durch Retention von Blut im Herzen infolge dor peripheren 
Adrenalingefasswirkung bedingt sein und insofern kann diese Kurve nicht als voll¬ 
ständig beweiskräftig für die alleinige Hervorrufung des diastolischen, letalen Still¬ 
standes durch Cymarin angesehen werden. Dagegen fällt ein analoges Bedenken in 
der Kurve 11 weg. Gerade in dieser Versuchsanordnung hätte eine systolische Cymarin¬ 
wirkung auf das Herz unbedingt hervortreten müssen. Ausserdem ergab ja auch die 
jeweilige sofort vorgenommene Section des Tieres in den betreffenden Versuchen stets 
ein vollständig erschlafft stillstehendes Herz. 

Für die Würdigung zur klinischen Verwendung käme die regel¬ 
mässige Zunahme der Pulsgrösse sowie die Vergrösserung des Herz¬ 
volumens jedenfalls in Betracht. Die gleichzeitig vorhandene Blutdruck¬ 
steigerung kann als ein Zeichen für die stärkere Kraftentfaltung des 
Herzmuskels angesehen werden. 

Die mikroskopische Untersuchung der Herzmuskelfasern nach 
tödlicher Cymarinvergiftung auf das Vorkommen von Oxydasegranula 


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Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise des Cymarins usw. 315 


hat ergeben, dass in einem daraufhin untersuchten Kaninchenherzen 
stellenweise eine ganz auffallende Verminderung dieser Granula zu consta- 
tieren war, die sich nach längerem Aufenthalt des Herzens an der Luft 
nicht restituierten (vergl. Loewit). 

Auch bei Meerschweinchen, bei denen die tödliche Dosis nur 
0,0005 g Cymarin betrug (vgl. die späteren Angaben), wurde im frisch 
untersuchten Herzen (Versuche 5 und 14) eine stellenweise sehr deut¬ 
liche Verminderung und Verkleinerung der darstellbaren Indophenolblau¬ 
granula constatiert, die sich aber nach l 1 ^ stündigera Aufenthalt des 
Herzens an der Luft wieder restituierten. 

Bei Meerschweinchen bewirkt das Cymarin einen primären Atemtod 
und secundären Herztod, während beim Kaninchen das Cymarin in töd¬ 
lichen Dosen primär das Herz und secundär die Atmung schädigt. Dem¬ 
entsprechend dürfte, insoweit aus den wenigen Versuchen ein Schluss 
gerechtfertigt ist, die Restituierbarkcit der Indophenolgranula beim Meer¬ 
schweinchen darauf hinweisen, dass hier nur, wie auch bei der Anaphy¬ 
laxie (vergl. Loewit) eine Wirkung der Dyspnoe vorliegt, während die 
ausbleibende Restitution der Indophenolgranula beim Kaninchen nach 
tödlicher Cymarinvergiftung eine directe Schädigung von im Herzen selbst 
gelegenen Bestandteilen bedeuten dürfte. 

Der Verlust der Querstreifung bzw. das Auftreten einer trüben 
Granulierung statt der Querstreifung an einzelnen Stellen des tödlich 
vergifteten Herzens bei Kaninchen und auch bei Meerschweinchen nach 
Art der anaphylaktischen Vergiftung vorkommenden Veränderungen im 
Herzmuskel (Loewit und v. Worzikowsky-Kundratitz) weist gleich¬ 
falls auf eine Schädigung des Herzmuskels durch das Cymarin hin. 

Wirkung anf die Atmung (von Kaninchen). 

Bei den Kaninchen ist eine Einwirkung auf die Atmung ziemlich 
regelmässig zu sehen, und zwar eine Verlangsamung nach mehreren sub- 
letalen, hintereinander gegebenen Dosen in der Höhe von 3 mal 0,0002 g 
-f- 0,001 g (Versuch 2, Kaninchen) und auch nach einfach letalen Dosen 
von 0,001 g (Versuche 13, 17, Kurve 12) sowie 0,0005 g für Meer¬ 
schweinchen (Versuche 5 und 14, Kurve 13). Bei den Kaninchen erlischt 
die Herztätigkeit meist früher als die Atmung; in den zwei Versuchen 
an Meerschweinchen war das Umgekehrte der Fall. 

Versuch über deu Einfluss des Cymarins auf die Darmbewegung 

bei Kaninchen. 

Bei allen den blutdruckhebenden Mitteln ist es besonders für den 
Chirurgen von wichtigem Interesse, den Einfluss auf die Darmbewegung 
kennen zu lernen. In früheren Versuchen (vgl. Gaisböck und Orth) 
konnten wir z. B. feststellen, dass von den Digitaliskörpern das Stro¬ 
phanthin neben der Blutdrucksteigerung eine deutlich anregende Wirkung 
auf die Peristaltik ausübt. 

Als Versuchsanordnung wählten wir auch diesmal die neue Methode 
von P. Trendelenburg, bei der in die Bauchdecken des Tieres ein 
Schlot cingenäht wird, durch den hindurch eine Darmschlinge in ihrer 


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Felix Gaisböck, 


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Bewegung registriert werden kann. Dabei arbeitet der Darm innerhalb 
der Bauchhöhle unter möglichst natürlichen Bewegungen. 

In dem einen Versuch (18, Kurve 14) wurde gleichzeitig Puls und 
Atmung verzeichnet, in dem andern (16, Kurve 15) nur die Atmung, 
da aus technischen Gründen die Pulsschreibung versagte. Jedesmal trat 
in unmittelbarem Anschluss an die Beendigung der Injection in Dosen 
von 0,0005 und 0,00075 g eine allerdings verschieden starke Tonus¬ 
steigerung und eine lebhafte Bewegung des Darms ein, die in einer Ver- 
grösserung der vorher verzeichneten Wellen zum Ausdruck kommt. 
Diese Aenderung der Darmbewegung hält länger an als die Blutdruck¬ 
steigerung (Versuch 18, Kurve 14). 

Versuche au Meerschweinchen. 

An Meerschweinchen wurden nur zwei Versuche mit Cymarininjectionen 
durch die Vena jugularis gegen das Herz hin vorgenommen. Die Wirkung 
ist bei diesen Tieren, wie bereits kurz erwähnt wurde, den Kaninchen 
gegenüber insofern verschieden, als bei beiden Versuchen zunächst eine 
Verlangsamung der Atmung mit sehr bald folgendem Atemstillstand zu 
Stande kommt, während das Herz noch eine Zeitlang bei allmählich 
absinkendem Blutdruck sich weiter contrahiert. Es ist hervorzuheben, 
dass der Atemstillstand nicht durch Bronchospasmus bedingt war, sondern 
dass bei der angewandten Dosis von 0,0005 g Cyraarin primär wahr¬ 
scheinlich eine centrale Atmungsschädigung gegenüber der Herzwirkung 
überwiegt. Auf die Veränderungen des Herzmuskels bei Meerschweinchen 
ist bereits im Vorhergehenden hingewiesen worden. 

Als zusammenfassendes Ergebnis der angeführten Tierversuche 
sei an dieser Stelle, abgesehen von der Bestätigung der bisher über die 
Cymarinwirkung vorliegenden Angaben, auf die sowohl durch die graphi¬ 
schen Ergebnisse als durch die morphologische Untersuchung wahrscheinlich 
gemachte Schädigung des Herzmuskels durch Cymarin hingewiesen. 
(Nachweis der diastolischen Erschlaffung des Herzens, stellen¬ 
weise Schädigung der Indophenolblaugranula und der Quer¬ 
streifung der Herzmuskulatur.) 

Ausserdem sei noch betont, dass das Cymarin bei Kaninchen seine 
Giftwirkung vornehmlich auf das Herz, bei Meerschweinchen auf 
die Atmung geltend machen kann. 

Nachtrag. 

Die Arbeit von Kuroda (Zeitschr. f. d. gesamte experim. Medicin, 
Bd. 4, S. 55) ist erst nach Abschluss unserer Versuche zu unserer Kenntnis 
gelangt. 

Für die klinische Würdigung und die praktische Verwendung 
glauben wir, wie schon eingangs angedeutet wurde, demnach noch Vor¬ 
sicht empfehlen zu müssen. 

Von der Anwendung per os konnten wir, wie das schon andere 
Autoren betont haben (Allard u. a.) keine durchgreifende Wirkung sehen. 
Dabei tritt auch noch manchmal recht störend das Auftreten von Uebel- 
keit und Brechreiz der weiteren Verwendung in den Weg. Prof. Steyrer 


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Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise des Cymarins usw. 317 

hat auch bereits in Greifswald von der inneren Anwendung des Cymarins 
Gebrauch gemacht und in einzelnen Fällen wohl Besserung der Compen- 
sationsstörungen des Herzens und Steigerung der Diurese beobachtet; 
jedoch reichte die Wirkung niemals an die der Digitalis oder der Stro- 
phanthuspräparate heran. Immerhin konnten wir uns gelegentlich bei 
intramusculärer Anwendung in Dosen von 1 ccm bei cardialem Hydrops 
von der diuretischen Wirkung des Mittels überzeugen. Wir erzielten 
z. B. einen Anstieg der Harnmenge von 750 auf 1300 ccm in 24 Stunden 
nach Injection von 0,5 ccm Cymarin; ein anderes Mal eine Zunahme von 
etwa 1000 auf 2450 ccm Harn nach Injection von 1 ccm. Diese diu- 
retische Wirkung war aber immer nur von 1—2 tägiger Dauer. Damit 
soll natürlich nicht geleugnet werden, dass es geeignetere Fälle gibt, in 
denen die Wirkung länger anhalten kann. 

Zu einer intravenösen Injection konnten wir uns nach den oben 
erwähnten Erfahrungen nicht entschliessen. 


Literatur. 

1. Impens, Ueber Cymarin, das wirksame Princip von Apocynam cannabinum. 
Pflügers Archiv. 1913. Bd. 153. S. 239. 

2. Sohubert, Cymarin, ein neues Herz- und Gefassmittel. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift. 1913. S. 540. 

3. Allard, Cymarin, ein neues Herzmittel. Ebenda. 1913. S. 782. 

4. Bonsmann, Beitrag zur Wirkung des Cymarins. Ebenda. 1914. Nr. 1. 

5. Kolb, Cymarin bei Myooarditis chronica mit Decompensationserscheinungen. 
Ebenda. 1913. S. 1937. 

6. Wiesel, Das Cymarin, ein neuartiges Herzmittel. Münchener med. Woohenschr. 
1914. Nr. 14. 

7. Selenskij, Das neue Herzmittel Cymarin. Ref. Congresscentralbl. Bd. 10. 
S. 276. 

8. Holste, Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. Diese Zeitschr. 1914. Bd.15. H.3. 

9. Loewit, Die Beziehung des anaphylaktischen Shocks zur Dyspnoe bei Meer¬ 
schweinchen. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 77. S. 186. 

10. P. Trend eien bürg, Eine neue Methode zur Registrierung der Darmtätigkeit. 
Zeitschr. f. Biologie. 1913. Bd. 61. 

11. Gaisböok und Orth, Experimentelle Untersuchungen zur pharmakologischen 
Beeinflussung der Darmbewegung. Zeitschr. f. experim. Med. Bd. 2. S. 363. 

12. Knoll, Sitzungsber. d. Wiener Akademie. 1880. 3. Abt. Bd. 82. 

13. y. Worzikowsky-Kundratitz, Archiv f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 37. 


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Will. 


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Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Breslau 
(Director: Geh.-Rat Prof. Pohl). 

Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 

Von 

J. Georg Piazza. 

(Hierzu Tafel XIV und 6 Kurven im Text.) 


Verglichen mit unseren Kenntnissen von Wirkung und Schicksal der 
Methyl-, Aethylverbindungen oder, allgemein gesagt, der Verbindungen mit 
gesättigten Alkylresten sind die über ungesättigte Verbindungen, z. B. über 
Allylderivate, wohl dürftig zu nennen. Soweit diese Stoffe überhaupt unter¬ 
sucht sind, hat man sich vorwiegend auf diejenigen beschränkt, die mehr 
oder weniger local reizende Wirkung ausüben. Ich verweise hier nur auf 
Stoffe, wie das Senföl, das Akrolein, das Thiosinarain bzw. Fibrolysin. 
Von einigen aromatischen Allylderivaten weiss man, dass sie für den 
Gesamtorganismus als harmlos anzusehen sind, z. B. das Eugenol; auch 
das Allylphenol (Anethol) kann an Kaninchen grammweise verabfolgt 
werden: es wirkt nach Erfahrungen des Breslauer Institutes nicht nur 
nicht schädlich, sondern ausgezeichnet entzündungshemmend. Sodann 
haben wir Kenntnis über die Wirkung von Stoffen, die den Allylen nahe¬ 
stehen, nämlich Verbindungen der Vinylreihe, die ganz eigenartige Ver¬ 
giftungssymptome erzeugen. Es hat Levaditi nach subcutanen In- 
jectionen von Vinylamin (CH 2 :CH.NH 2 ) schwere, von heftigen Krämpfen 
begleitete Vergiftungen beobachtet. Ferner ist im hiesigen pharmakolo¬ 
gischen und hygienischen Institut von Koenigsfcld und Praussnitz 
festgestellt worden, dass es möglich ist mit Hilfe von Allylderivaten 
einen wachstumshemmenden Einfluss auf das Carcinoma murium aus¬ 
zuüben. Ich bin daher bei der Möglichkeit, dass aus dieser Gruppe noch 
weitere biologisch bedeutsame Vertreter gefunden werden können, gern 
einer Aufforderung des Herrn Geheimrat Pohl nachgekommen, eine Reihe 
von Verbindungen der Allylgruppe auf ihre pharmakologischen Eigen¬ 
schaften hin zu prüfen. 


Zunächst untersuchte ich das Allylamin (CII 2 == CH.CH 2 .NH 2 ). Ver¬ 
wendung fanden stets neutralreagicrende, frischbereitete Lösungen des 
von Kahl bäum (Berlin) bezogenen, aus Senföl dargestelltcn, salzsauren 
Salzes; zum Teil wurde auch eine von Schuchardt (Görlitz) bezogene 
Base nach ihrer Neutralisation benutzt. Es ergaben sich mit diesen 
Präparaten verschiedener Herkunft völlig übereinstimmende Resultate, so 


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Zur Kenntnis der Wirkung der Ailylverbindungen. 


319 


dass ich auf eine Elementaranalyse derselben verzichten konnte. Ueber 
die physiologische Wirkung derselben habe ich in der Literatur nur eine 
Angabe gefunden, es ist dies die bereits erwähnte Arbeit Levaditis. 
Das Allylamin wird von ihm als unwirksam hingestellt, im Gegensatz 
zum Vinylamin und Isoallylamin (CH 3 .CH:CH.NH 2 ), die beide aus¬ 
geprägte Nekrose der Nierenpapille hervorrufen. Levaditi bezieht diesen 
Unterschied darauf, dass die beiden letzteren Substanzen die Gruppe 
CH = CH.NH 2 enthalten, die dem Allylamin fehlt. Meine Versuche 
jedoch ergaben im Gegensatz zu diesen Angaben sehr bald, dass wir 
hier einen keineswegs indifferenten Körper vor uns haben 1 ). 

Beim Kaltblüter zeigten sich allerdings nur relativ geringe Wir¬ 
kungen. Selbst ziemlich hohe Dosen Hessen das Centralnervensystem 
unbeeinflusst. Dagegen sah ich am freigelegten Froschherzen nach In- 
jection von 0,05 g Allylamin in dem Oberschenkellymphsack Abnahme 
der Pulsfrequenz, sowie Unregelmässigkeiten der Schlagfolge; auch war 
eine allmählich zunehmende Herzperistaltik unverkennbar und nach 
längerer Zeit stand das Herz in Diastole still. 

Im Hinblick auf die neuerdings vielfach erforschten Wirkungen von 
Oxyphenylaminen auf die glatte Musculatur habe ich auch das Allylamin 
in dieser Richtung erprobt und es zeigte sich, dass dieses aliphatische 
Amin einen gewissen, jedoch nur geringen erregenden Einfluss auf 
diese Musculatur besitzt. An den drei meist gebrauchten Testobjekten 
war diese Wirkung unverkennbar. 

Versuche am isolierten Froschauge ergaben stets eine Erweite¬ 
rung der Pupille. Als Beispiel sei folgender Versuch erwähnt: 

Isoliertes Froschauge in 0,5proz. neutraler Lösung von Allylamin zeigt eine 
halbe Stunde nach dem Einlegen im Vergleich zu dem in 0,7proc. Kochsalzlösung 
befindlichen Controllauge eine deutliche Erweiterung der Pupille, die nach und nach 
zunehmend in etwa 2 Stunden ihr Maximum erreicht hat und gut messbar ist. 4:3 
bzw. 2:1 gibt das Verhältnis des horizontalen zum vertikalen Pupillendurchmesser 
des Allylaminauges und des Controllauges in Millimetern wieder. 

Ebenso zeigte sich in mehreren Versuchen am Läwen-Trendelen- 
burgschen Froschpräparat eine Abnahme der Tropfenzahl, also eine 
Verengerung des Gefässsystems, die allerdings nur vorübergehender Natur 
war. Näheres ist folgendem Versuche zu entnehmen: 

Als normale Konstante ergab sich (längere Zeit vor Beginn des Versuches be¬ 
obachtet): 16 Tropfen pro Minute. 6 Uhr 25 Min. wurden 0,5 ccm einer 1 proc. Lö¬ 
sung Allylamin in die Durohströmungsflüssigkeit langsam mit Hilfe einer Spritze 
eingebracht. 


1) Es seien hier zur Ergänzung älterer Literaturangaben einige eigene Ver¬ 
gleichsversuche mit Aethylamin (C 2 H 6 )NH 2 und Amylamin C 6 H 11 . NH 2 am Kaninchen 
erwähnt. Trotz genauester Beobachtung sah ich nach Gaben von 0,25 pro Kilo, in 
lOproc. neutraler Lösung suboutan injiziert, keine wesentlichen Veränderungen ein- 
treten. Eine raässige Erweiterung der Pupillen, sowie ein Anschwellen der Ohrvenen 
war noch nach einigen Stunden sichtbar, jedoch von den für Allylamin charakte¬ 
ristischen, weiter zu schildernden Erscheinungen war Nichts zu beobachten, ins¬ 
besondere blieben Temperatur und Atmung normal. 


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J. Georg Piazza, 


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6 Uhr 

6 n 

15 Min. 
25 „ 

bis 6 Uhr 24 Min. 16 Tropfen pro Minute 

Injection 

6 „ 

26 

77 

8 

77 77 

77 

6 „ 

27 

77 

4 

77 77 

77 

6 „ 

28 

77 

3 

77 77 

77 

6 n 

29 

71 

2 

77 7' 

77 

6 „ 

40 

71 

3 

77 77 

77 

6 „ 

45 

77 

6 

77 77 

77 

6 „ 

50 

77 

7 

77 77 

77 

sieht 

hieraus 

deutlich wie die Constriction 

unmittelbar nach 


der Injection einsetzt, in den nächsten Minuten allmählich wächst, 
bis schliesslich wieder ein Zunehmen der Tropfenzahl die abklingende 
Wirkung des Präparates andeutet. 

Am schwächsten und vorübergehendsten, aber doch deutlich er¬ 
kennbar war die Wirkung am isolierten Darm. Es zeigten sich hierbei 
erst nach Dosen von 1 ccm der lproc. Lösung Allylamin auf 100 ccm 
Ringerflüssigkeit mässige Steigerung der physiologischen Contractionen, 
die stets nur vorübergehender Art waren. 

Viel wirksamer als am Frosch erwies sich dagegen das Präparat am 
Warmblüter. Schon subcutane Injectionen von 0,01 g riefen bei der Maus 
nach wenigen Minuten starke Atembeschleunigung, wiederholte Stuhlent¬ 
leerungen und Extremitätenparesen hervor. Nach Verlauf von einer Stunde 
blieb das Tier in jeder Stellung, in die cs gebracht wurde, kraftlos liegen, 
wobei es nur stossweise den Kopf und den gesamten Vorderkörper bewegte. 
Die Atmung hatte sich inzwischen allmählich immer mehr verlangsamt. 
Nach 1V 2 Stunden trat der Tod ein, nachdem die Pausen zwischen zwei 
Atemzügen sich ständig verlängert hatten. Es war zu dieser Zeit ein 
deutlicher Temperaturunterschied gegenüber einer Vergleichsmaus mit der 
Hand fühlbar. Bei der Section fiel eine starke Hyperämie der Lunge auf. 

Noch schöner Hessen sich diese Phänomene an grösseren Tieren, 
Kaninchen, beobachten. Im Vordergründe des Vergiftungsbildes steht 
hier eine bald nach der Injection eintretende Atembeschleunigung, 
die sich schnell zur Dyspnoe, ja bis zur ausgesprochenen Orthopnoe 
steigert. Diesem Uebermaass folgt eine allmählich zunehmende Vermin¬ 
derung und schliesslich setzt die Atmung ganz aus, während die Herz¬ 
tätigkeit noch kurze Zeit anhält. Inzwischen haben sich Paresen der 
Extremitäten, mitunter auch Zuckungen eingestellt, in keinem Falle je¬ 
doch sah ich deutliche Krämpfe. 

Ganz besonders merkwürdig war das Verhalten der Körpertempe¬ 
ratur. Sofort nach der Injection sinkt diese schnell und mit einer ge¬ 
wissen Regelmässigkeit ab und erreicht eine ganz abnorme Tiefe. Während 
die Tiere einen noch relativ kräftigen Eindruck machten, wurden öfter 
Temperaturen von unter 36° C gemessen. 

In gleich schneller Weise zeigt sich schon binnen kurzem eine stark 
reizende Wirkung auf den Darmtractus. Es erfolgen sehr bald wieder¬ 
holte, zunächst geformte, später diarrhoische, mit Schleimmassen ver¬ 
mischte Stuhlentleerungen. Schliesslich tritt nach 2 bis 3 Stunden, je 
nach Höhe der gegebenen Dosis, der Exitus ein. 


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Zur firmlnis der Wirkung det: ■A»l)Jvi*vhin.Vijngmi. 321 

Kin/^.llu v it»o üuk! den folgenden V*r$ucjisschiI<Ierungen: vdi .grdnelirdM^ 
die tungegelienr Kurve gibt die uncfels eines £iieiiiiiogra|ji»e.ft *&J' 
xiCnmnene: Atinuugsfrc(}iM)iiX wieder. 

Versuche, 

I. Kaniuchoft, Gewh-.bt loOO g, Atmung 60 (pro Minute), erhall 4 UM L> Mm. 
0,15 g Allylamin in’/^proe. neutraler Lösurtg (s. Kurve 1), 


:4: ; ^ HÖ 

4 ü v ao >; . w , aa> 

4, v ;c 4ö , r ;v.>;vtfx> 

Das Tier atmet unier " Ztfbilforiüllme ^äartlioher 
sprcjct^hö« NsteeflÄügßlr- und UMu kennt men. Hat Kopf 
Nacken. Ohren .Werden' gespitzt. gehalten, die. 
deutlich pÄtetfeöhfn ''.Jföitfc'imtufen'-,k^W r ö,S'' 
gestockt, Dis fföar* des Tie«# 

Ölt; statfe Kvc^ang lasst krdh te'öpdöfe 4%’ön 
beobachten, wenn das Tier #u t gei/inge. Uoto 
hin, A n fassen oder It i npfen anf d er Triehplö tte 
osw M seine Lage zu Woetelp §Ucht v Die Atem- 
bessebleutiigung steigert sfoh dann mich Ire' 

IrfMthi.boh, wird anregolmäs^jg oder setzt vor* 
übergehend aus-; das Tror schreVt Met laut oder 
knurrt. Beim Vergehe, stob ompo^.ujr^hliiei», 
sinkt m gänzlich ln 'djesöm 

Stadium dörVergifiuu£. ist ddr p4njiinctiva!r^ex 
gut aüsiöshat-, dm Pnpi llen, erwoiterit eng*»wo« 
lu der Zeit von 5 (ihr bis f> Uhr S Min. 
lallt die Zahl der Atemzuge von i.2Ö bis auf 60. 

.5 Uhr — Min,; TÄV.Uem?,nge (pro Mir«..);. 

,S o * dö r 60 ,, . ' ■ " 1 

Das Tier bleibt jfcfefc auf den kraftlos aus« 
gestreckten ExtreMütter« Hegen,- ö*r Kopf ruht 
auf diesen ndor ist auf diö ÜnieHögö bach vutn 
gesunken. Dih gesuhilderlu vhihopnhe \kx nun¬ 
mehr einem ruhigen, fuhrst sc'hf vertieften-Atmqn^ 
gewichen. -Die? Zahl der Atemzuge iit InWi^ohev» 
von WO auf 60 femb^sUTvk^h; / wjV- hkbhn das 
Bild ffe grossen A Me a halb Die Dateien 
haböH nach imd; nach Äugenöftmioo. Der Ccm- 
junciivaivMex isLfäÖ Rosetten, die Herztätigkeit 
i^t starkboschterinigt, sie bctrRgf jßtzt annähernd 
200 Pulsschl%o : in der MMaiäv 

•: i (fröfifäii)* Die Atem’ 

pausen verlängern sich immer molir. Es erfolgt, 
in der Minute liöob&iotts ym. 'Mmmfr Dr« nunmehr ebenfalls verlangsamto Ife$£ 
aution ist noch gut iWfbau Der tlnyahutiV.airodex ist gänzlich erloschen. Ihu 
Berühren des Tieres zeigt, dieses eigMarüge Zuckuugor» um dorn Kopf und den l : ,v- 
trsmiiätoui eine -vollständige Lähmung fohit also,-Krämpfe treten nicht äut 

6 Uhr 1A Mm.: Dai' Tier wird in d# Agone getoiei. Bei der Eröfifnung «to. 
Tburas schlügt das Her/ noch schwach. Die Lungen sind massig vcugrüssm, leicht 
ijdematös, im ganzen stark hyperämi3:,cti: im Wa^r ^cWimmeTi sie gut. Leher 
und Niere sind, sehr blutreich. Dor Darm ist in seiner ganzen Ausdehnung fast 


UcMiä 




irhrK^Lu. 


322 


J. Georg Piazza, 


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gänzlich leer, nur im Dünndarm finden sich massige Mengen von gelbgrünem Schleim. 
Die Injeotionsstelle ist ohne Befund. 

In dem geschilderten Versuche habe ich 0,1 g pro Kilo Allylamin 
gegeben. Jedoch genügen bereits bedeutend kleinere Dosen, sogar bis zu 
0,02 g herab, um eine deutliche Beschleunigung der Atmung herbeizu¬ 
führen. Die in den meisten Fällen noch mit dem Leben erträgliche Gabe 
beträgt 0,03 g pro Kilo, während schon nach Injectionen von 0,04 pro 
Kilo die Versuchstiere stets eingingen. 

Neben den geschilderten Anomalien in der Atmung traten, wie er¬ 
wähnt, bei allen Versuchen ein sofort nach der Injection einsetzender 
Temperatursturz auf, wie folgende Messungen zeigen: 



2. Kaninchen, Gewicht 2500 g, Temp. 39,3° C, er¬ 
hält 3 Uhr 45 Min. 0,05 g Allylamin pro Kilo subcutan in 
5proc. Lösung (s. Kurve 2). 


4 Uhr 15 Min.: 

Temp. 

38,8° C 

4 30 „ 

ii 

38,1 °C 

4 „ 45 

ii 

37,2° C 

5 „ 

,, 

36,0° C 

5 „ 15 ,. 

ii 

35,3° C 

5 „ 30 „ 

ii 

34,7 °C 

5 „ 45 „ 

71 

34,3° C 

6 — „ 

71 

33,6° C 

6 ,, 5 „ 

Exitus 

, sofort Section. 


3. Kaninchen, Gewicht 2500 g, Temp. 39,1° C 
1 Uhr 30 Min. Injection von 0,04 g Allylamin pro Kilo sub¬ 
cutan in 2proc. Lösung. 

2 Uhr 30 Min.: Temp. 36,2° C 

3 „ 30 „ „ 35,7° C 

4 „ 30 „ „ 35,3 °C 

Tier stirbt kurz darauf. Section 1 ). 


4. Kaninchen, Gewicht 1800 g, Temp. 39,1 °C 
2 Uhr 45 Min. Injection von 0,03 g Allylamin pro Kilo 
subcutan. 


3 Uhr 45 Min.: 

4 „ 45 r 
6 » — « 
Am 2. Tage: 

„ 3. „ 

4 

11 ’ • 11 


Temp. 


37,5<)C 
3G,1°C 
36,20 c 
36,2° C 
38,6° C 
39,40 C 


Das Tier macht wieder einen ganz normalon Eindruck. 


5. Kaninchen, 1400 g, Temp. 39,1 0 C, Atmung 90 (pro Min.) 1 Uhr Injection 
(intraperitoneal) von 0,05 g Allylamin pro Kilo. 

1 Uhr 45 Min.: Temp. 37,7° C, Atmung 200 

2 „ 30 ,. „ 37.10C, „ 140 

3 „ 30 „ „ 36,5° C, .. 20 

4 „ 30 „ „ 35,70 0, „ I 

4 „ 32 ,, Exitus. Die sofortige Section ergab, abgesehen vom Lungen¬ 
befund nichts, insbesondere kein Exsudat im Peritonealraum. 


1) Die Sectionsprotokolle sind S. 333 zusammengefasst. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 




Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 


323 


Die geschilderten Vergiftungssymptome lassen sich auch, wenn auch 
mit wesentlich höheren Dosen erzeugen, wenn man das Gift in den 
Magen bringt. 

6. Kaninchen, Gewicht 1900 g, Temp. 39,8° C., Zahl der Atemzüge pro Min. 120. 
5 Uhr Injection von 0,3 g Allylamin mittels Magensonde. 

5 Uhr 30 Min.: Puls 220, Temp. 39,3° C, Atmung 200 

6 „ 30 „ „ 190, „ 39,0° C, „ 100 

7 „ 30 „ „ IGO, ,. 38,1° C, „ 100 

Noch am 2. Tage macht das Tier einen schwerkranken Eindruck. Temp. 38,5° C. 
Am 3. Tage Temp. 39,0° C. Das Tier erholt sich weiter, bleibt am Leben. 

Dieser bei den beschriebenen Versuchen auftretende Temperatursturz, 
sowie die erwähnten Einwirkungen auf die Atmung, waren auch an 
Katzen und Hunden vorhanden. Nur scheint die Atembeschleunigung 
bei Vergiftung von Katzen erst sehr spät und schnell vorübergehend 
aufzutreten. 

7. Katze, Gewicht 1700 g. 11 Uhr 35 Min.: fäfoe 1% 1 Z 3 *+ 

Temp. 39,0° C, Atmung 40, Puls 150 (s. Kurve 3). 

12 Uhr 40 Min.: Injection von 0,05g Allylamin 
pro Kilo subcutan. 

1 Uhr 35 Min.: Temp. 38,4° C, Atmung 40, 

Puls 200. Pupillen sind sehr weit im Gegensatz 
zum Befunde vor der Injection. 

2 Uhr 35 Min.: Temp. 37,9° C, Atmung 50, 

Puls 200. Tier legt sich auf die Seite, schliesst die 
Augen. Wiederholt breiige Stuhlentleerungen. 

3 Uhr 15 Min.: Temp. 37,1° C, Atmung 50, 

Puls 180. Tier liegt regungslos da, schreit mitunter 
laut auf. Bei Gehversuchen taumelt es stets nach 
vom. Ausgesprochene Extremitätenparese. 

3 Uhr 35 Min.: Temp. 34,5° C, Atmung 150, 

Puls 120. Grosse Unruhe, das Tier schnappt nach 
Luft, hörbarer Stridor, Atmung wird langsamer, 
mühsamer. 

4 Uhr 35 Min.: Temp. 32,8° C, Atmung 1, 

Puls eben noch schwach fühlbar. 

4 Uhr 38 Min.: Exitus. Sofortige Section er¬ 
gab keinen pathologischen Befund. 

8. Hund, Gewicht ll 1 /* kg, Temp. 39,1° C, 

Atmung 20, Puls 76. 

12 Uhr 15 Min.: Injection von 0,05 g Allylamin 
pro Kilo subcutan. 

12 Uhr 25 Min.: Zunehmende starke Unruhe, 
lautes Bellen, Salivation. Defäcation (reichliche 
Massen normalen Stuhls). 

12 Uhr 30 Min.: Erregung hat noch mehr zu¬ 
genommen. Das Tier rennt mit weitheraushängender, 
hochroter, keineswegs cyanotischer Zunge, dauernd laut bellend und winselnd umher, 
als ob es gehetzt würde. Atmung 200, Puls 150. 

12 Uhr 45 Min.: Entleerung schleimiger dünnflüssiger Massen. Temp. 38,5° C, 
Atmung 120, Puls 150. 

1—2 Uhr: Tier ist ruhiger geworden, legt sich hin. Temp. 37,2° C, 
Atmung fallt von 70 bis auf 40. 



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Original fro-m 

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324 


.1. Georg Piazza, 


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3 Uhr — Min.: Wiederholte schleunige Entleerungen. Puls 180. 

3 „ 15 „ Temp. 34,5° C, Atmung 30, Puls 100. 

3 „ 30 „ „ 34,1 0 C, „ 24, „ 72. Tier stöhnt wie in tiefem 

Schlafe. Die Analschleimhaut und die des unteren Teiles des Rectums ist vorge¬ 
stülpt, dabei cyanotisch. 

4 Uhr 30 Min.: Temp. 33,2° C, Tier bleibt kraftlos auf der Seite liegen, Atmung 
wird immer langsamer, Puls immer schwächer. 

6 Uhr: Exitus. Bei der Section zeigten sich die Lungen massig hyperämisch. 
Der Darm war vollständig leer, die Schleimhaut stark geschwollen und blut¬ 
reich, stellenweise graugelbe diphtherische Beläge. 

Ein zweiter mit derselben Dosis ausgeführter Versuch ergab ein 
gleiches Bild. Das Tier wurde beim Beginn der stets sehr lange an¬ 
dauernden Agone etwa drei Stunden nach der Vergiftung bei einer 

Temperatur von 33,5° C getötet. Die Section ergab einen ödematös 
geschwollenen, sonst nicht veränderten sehr blutreichen Darm. Die 
Lungen waren leicht hyperämisch. 

Bei höherer Dosierung — es wurden einem Hunde 0,07 g pro Kilo 
Allylamin subcutan gegeben — ist diese Wirkung auf den Darmtractus noch 
deutlicher ausgeprägt. Das Tier erbrach wiederholt, entleerte mehrmals 
schleimigen Stuhl; dabei trat starker Tenesmus und beginnender Rectum- 
prolaps ein. Der Exitus erfolgte bereits nach 2 l / 2 Stunden. Die zuletzt 
gemessene Temperatur betrug 35,6° C. Die Section zeigte, abgesehen 
von einer Hyperämie der gesamten Lunge, einen stark injicierten Magen. 
Die gesamte Darmschleimhaut vom Pylorus bis zum Anus ist stark ge¬ 
schwollen und hyperämisch. Teilweise bestehen deutliche Hämorrhagien, 
besonders in den unteren Teilen des Ileums. 

Die bisher mitgeteilten Versuche zeigen, dass das Allylarain sowohl 
sehr starke acute Vergiftungssyraptome von seiten der verschie¬ 
densten Organsysteme hervorruft, als auch z. T. schwere pathologisch¬ 
anatomische Veränderungen herbeiführt. 

II. 

Ich habe mich nun weiter damit befasst, die geschilderten Symptome 
eingehender zu analysieren. Zuerst wandte ich mich dem Verhalten der 
Atmung zu. Zu diesem Behufe stellte ich einige Versuche an, bei denen 
neben der Zahl der Atemzüge das Atem volumen durch Verbindung einer 
Trachealcanüle mit einer Elster’schen Gasuhr gemessen wurde. Es ergab 
sich, dass das Volumen in gleicher Weise mit der Atem frequenzzahl 
stieg, d. h. die Tiefe der einzelnen Atemzüge hatte sich trotz der Dyspnoe 
nicht geändert. 

9. Beim tracheotomierten Kaninchen von etwa 2 kg Gewicht, bei dem vorher 
als constantes Atemvolumen 2100 ccm und als Atemfrequenz 72 Atemzüge pro Minute 
längere Zeit hindurch beobachtet worden waren, steigen nach einer subcutanen In- 
jection von 0,05 g Allylamin pro Kilo im Verlaufe einer Stunde diese Zahlen bis auf 
das Dreifache: 6300 ccm Volumen, dabei 200 Atemzüge pro Minute, zeigte die Gasuhr 
als Höhepunkt an. Die Temperatur betrug zur gleichen Zeit bereits 35,5° C. Nach 
dieser Steigerung trat jetzt nach und nach eine Abnahme der Zahlen ein, ganz ent¬ 
sprechend den bei den früheren Versuchen geschilderten Atemphänomenen. Die zu¬ 
letzt gemessenen Zahlen betrugen: lOOccm Volumen bei 2—3 Atemzügen in der Minute. 


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Zar Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 


325 


Wie geschildert, schliesst sich an die Dyspnoe stets eine Abnahme 
der Atemfrequenz an und das Tier erliegt schliesslich einer Atemlähmung. 
Es war daher immerhin möglich, dass man durch eine während des 
ganzen Versuches fortgesetzte künstliche Atmung das Vergiftungsbild 
günstig beeinflussen konnte. Einige in dieser Richtung hin angestellte 
Versuche verliefen aber negativ. Trotz des regulierenden Einflusses der 
Pumpe verlief die Vergiftung genau wie gewohnt: Zuerst starke Dyspnoe, 
dann Abnahme der Frequenz und Exitus unter den Anzeichen einer 
Atemlähmung. Auch die Dauer des Vergiftungsbildes bis zum Tode 
war nicht geändert. 

Diese Versuche beweisen, dass, wenn auch das Allylarain eine 
lähmende Wirkung auf das Atemzentrum ausübt, diese doch nicht, wie 
es zuerst den Anschein hatte, die unmittelbare Todesursache sein kann, 
da ja dann der Exitus durch die künstliche Atmung zum mindesten 
hinausgeschoben werden müsste. Wir haben vielmehr die Ursache 
in einer allgemeinen Schwäche der Circulation zu suchen. Wie 
folgender Versuch beweist, sinkt der allgemeine Blutdruck kurz nach 
der Injection beginnend allmählich bis auf 0 herab. 

10 . Bei einem Kaninchen (Gewicht 2000 g, Temp. 39,2° C) zeigt das Kymo- 
graphion einen Blotdruok von 9 cm. 1 Uhr: Injection von 0,06 g Allylamin pro Kilo 
subcutan. 

1 Uhr 10 Min.: Blutdruck 6,8 cm 


1 , 

30 


11 

6,0 „ 


2 „ - 

11 

11 

0,6 „ 

(Temp. 36,7° C) 

2 , 

30 

» 


0,1 „ 


3 „ - 

11 

ii 

0 „ 

(Temp. 34,3° C) 

3 , 

8 

11 

Exitus. 




Sofort nach der Injection fällt also der Druck ab. Dabei sei er¬ 
wähnt, dass er, wenn auch schon sehr niedrig, auf entsprechenden Reiz 
hin sich vorübergehend noch beträchtlich steigern kann. So schnellte er 
einmal von 0,5 cm Druckhöhe (etwa 2 Stunden nach einer Injection von 
0,05 g pro Kilo Allylamin, während die Temperatur bereits bis auf 36,3° C 
herabgesunken war) nach einer Compression des Nervus ischiadicus um 
1,0 cm, nach Compression der Aorta abdominalis um 3,0 cm, nach einer 
Injection von 0,01 g Chlorbarium sogar um 7,0 cm vorübergehend in die 
Höhe. Freilich konnte der uns bekannte Verlauf der Vergiftung hier¬ 
durch nicht im geringsten beeinträchtigt werden, ln entsprechender 
Weise sahen wir bei ähnlichen Versuchen, bei denen die Tiere auf der 
Höhe der Allylaminwirkung an das Kymographion gelegt wurden, eine 
abnorme Tiefe desselben. 

Wir haben also in unseren Versuchen das Bild einer zunehmenden 
Schwäche des Circulationsapparates bei erhaltener Erregbarkeit desselben 
vor uns, es kann daher das schliessliche Aufhören der Blutströmung, 
wie es sich im Absinken des Druckes auf Null zeigt, nicht allein auf 
eine centrale Lähmung der Vasomotoren bezogen werden. Wir müssen 
vielmehr annehmen, dass beide Factoren Herz und Vasomotoren, 
trotzdem wie oben erwähnt das Herz nach Aufhören der Atmung noch 
schwach schlägt, durch das Gift geschädigt sind. 


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Original fro-m 

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320 I, Gettrg Piazza, 

;Dio fortschreitende- Senkung ctes: aUgeaM?iu»y» Brottkes Hess .mich 
auch au fiim; Mit betteltgung; ,dt;r Xtbenniei tm ■ ift? Sinn« tmer tCrsc{n‘>f*fu»»#r 
ihres (iafiiiites au Adrenalin dteifecn. ISiü l)exög)fch«!F jjoanUUüver Ver¬ 
stich mit ßßstimrtntng der bliiulruckstergonideii Wirkung ihrer Enracto 
ergab aller normale Vcrhällnisse. Eh cm Sowenig -'formte .»mlaoernde-fo- 
t’iihr eitiel Verdünnten AdnmalinUbsut.K (l: 10(M>(iO Kiiravcnos) die« t'ypvs'ßh» 
Draoksnnfong des Allylaittius aufbeben. 

Inwieweit die peripheren Gefasst durch das Allylawiiti getroffen 
werden, sollte noch speeiell untersucht Werden. Eine Verallgemeinerung 
der ölten licsohrichenert Beobachtung, wonach die Gelasse des Frosches 
bei dtitder Berührung mit All via min zuc Cmistrieiioiv gebracht werden, 
auf den Warnitdiitcr ersejipijai wohl unzulässig. 

Auf eiue Schädigung der Circulatio» ist. w<>hi poch 'die• Verwinde-' 
rüiig der Bjureic KürüCltzüfiihren, Wie ich unter anderem bei folgendem 
Versuohe beobachtet habe. 

11. Diiiraseversnob. P- wartlcri die mittel.' Kathfiers fntnommeriBu llarn- 
ttiengeri .gemessen:. ■ 

1 i - ~ 12 i'Iii ; llärnoinngs i-,,0 ccm 


i f Htl il.iitt g. AHylnmin pro Kilo. 

a : 3 Cbr: liiioaicugo 4 ccm 

mma&t m . : - ; > , „ : 2 , 


i'n; Tooij/.ctetiir bouug zu rliesur Zeit SC,!)’ 1 C. Das 
I i-; >•> liöltw sir.li - 'wieder, »« am .folgenden Tage ganz 

iiormal,,. ! '. - ; ’ • r 

;/uf weiteren Aufklärung über ' die, Genese der 
iMh/.rltV'ii Symptome habe uh Versuche angostdlt, 
ob und Wie steh dies® durch Substefüteü Iteeirr- 
tbisseit liessofi, dfe stn norniälett Tieren erifgcgeii- 
u- -t wirken.. Sn habe ich versuch'. ei. sieh der 
Ablauf der i j v s pri o i srifven Periode du roh Ihr reich ung 
i toi M •' rp h t ti ahäpdftm lässt; die' Einwirkung war 
deutlich, nie •folgender Versuch zeigt. 

12. Kaninchen, uewu-bt 1 .'>0(> g, Temp. 39,G* C- 
:3 litte• §4 Atoruzüge pro Minute. Injoettoji von tbW.fö g 
Morpili» |<c> litio intravenös und Injcctjoo von !i;04 g 
Allylaimn pro Kilo Subciitan (s. Kurvet':* 

?* Ulu 10 Min.: 24, Atonuug« pro Minute 




10 >V.M)r).ivv' 


fgft 5 * 30 ; ite.uc ^ ' 

Die sonst enorme Atembest^ifeum^vri^ T ■ fetv;’ 

/all! der ■ Sii’irvAUpj- beträgt auf dem 'dlüimpmifcr' der AiivianrinM’irk 


Go gle 





Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 


327 


nur 100 pro Minute im Gegensätze zu den Vergleichsversuchen, bei denen 
zu derselben Zeit eine doppelt so hohe Atemfrequenz registriert wurde. 
Auf die Dauer der Vergiftung und den Eintritt der Agone hat das 
Morphin anscheinend keine Wirkung. Es wurden ferner wiederholt auf 
der Höhe der Dyspnoe bei Versuchen mit Allylamin kleine Morphingaben 
bis zu 0,01 g verabreicht. Dabei zeigten sich stets allerdings nur ge¬ 
ringe und vorübergehende Abnahmen um 10—15 Atemzüge pro Minute, 
welche den uns bekannten Verlauf nicht beeinflussen konnten. 

Mit aller Vorsicht kann man hieraus den Schluss ziehen, dass das 
Allylamin quoad Atmung vorwiegend central erregend angreift. 

Auch Versuche mit Atropin, das in gewisser Beziehung umgekehrt 
wie Morphin wirkt, habe ich angestellt, vor allem, weil es ja immerhin 
möglich war, dass die erwähnten pathologisch-anatomischen Verände¬ 
rungen an der Lunge die Vagusendigungen 1 ) daselbst und damit den 
normalen Ablauf der Atmung beeinflussen konnten. 

13. Einem Kaninchen wurden 2 Stunden nach einer intravenösen Injection von 
0,025 g Atropin pro Kilo, subcutan 0,04 g Allylamin pro Kilo verabreicht. Sofort 
begann der Temperatursturz und die Atembeschleunigung trat wie gewohnt ein. 
Schon Vj 2 Stunde nach der Allylamingabe erfolgte der Exitus. 

Wiederholt wurden ferner auch zugleich mit der Allylamindosis 
Injectionen von 0,001 g Atropin gegeben. Es traten auch in diesen 
Fällen die bekannten Symptome in gleicher Weise auf, wie beim nicht 
atropinisierten Tiere. Eher hatte es den Anschein, als ob eine höhere 
Dosis Atropin, wenn sic auch die Atembeschleunigung nicht wesentlich 
beeinflusst, in verhältnismässig kürzerer Zeit den Tod herbeiführt als 
sonst. 

Zusammenfassung: Eine reflectorische Auslösung der Atmungs¬ 
phänomene vom Lungenvagus ist ausgeschlossen. 

Von weiteren Mitteln, die einen günstigen Einfluss auf den Verlauf 
der Vergiftung auszuüben versprachen, erwies sich das Bromnatriura, 
das in Mengen bis zu 1 g gegeben wurde, ebenfalls als wirkungslos. 
Die Absicht, die diesen Versuchen zugrunde lag, war, an t der Stelle der 
doppelten Bindung durch Halogensubstitution Entgiftung herbeizuführen. 
Das Kaninchen, welches neben Bromnatrium 0,05 g Allylarain pro Kilo 
erhielt, ging in gewohnter Weise zugrunde. 

Ebenso wenig vermochten relativ hohe Dosen Chlorcalcium, das 
wegen seiner blutdrucksteigernden und entzündungswidrigen Wirkung viel¬ 
versprechend erschien, die Tiere zu retten. 

14. Kaninchen, 2000 g schwer, Temp. 39,3° C., erhält 9 Uhr vorm, subcutan 
1 g Chlorcalcium in 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung. 1 Uhr 30 Min. nochmals 
0,3 g Chlorcalcium subcutan, gleichzeitig 0,04 g Allylamin pro Kilo subcutan. Unter 
den gewohnten Symptomen erfolgt 6 Uhr 30 Min. der Tod; die zuletzt gemessene 
Temperatur betrug 34,6° C. 


1) Wie ein Versuch an einem Tiere, dem doppelseitig der Nervus vagus durch¬ 
geschnitten war, überzeugte, hatte diese Operation keinen Einfluss auf den typischen 
Verlauf des uns bekannten Vergiftungsbildes. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 22 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



328 


J. Georg Piazza, 


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Dieser Versuch weicht von den übrigen insofern ab, als hier kurz 
vor dem Tode heftige langandauernde Krämpfe auftraten, die sonst bei 
Allylvergiftungen niemals beobachtet wurden. 

Mit Rücksicht auf die Mitteilung von F. Kraus, dass unter be¬ 
stimmten Bedingungen — bei ihm doppelseitige Vagotomie — auf Koch¬ 
salzinfusion alveoläres Lungenödem auftritt und die in meinen Versuchen 
sicher gegebene Aenderung der Lungengefässe prüfte ich, ob auch in 
unserem Falle auf der Höhe der Vergiftung sofortiges Oedem durch NaCl- 
Infusion erzwingbar wäre. Das Resultat war ein negatives. 

In einem einzigen Falle kam es mir so vor, als ob eine intravenöse 
Injection von 100 ccm physiologischer Kochsalzlösung, die auf dem 
Höhepunkte der Vergiftung gegeben wurde, von günstigem Einfluss auf 
den weiteren Verlauf war. Die Temperatur sank nicht weiter, erhob 
sich vielmehr im Verlaufe dieses und des folgenden Tages von 37,0° C 
auf 38,7° C. Erst am dritten Tage starb das Tier, obwohl sonst 
gleich hohe Dosen (es wurden 0,04 g Allylamin pro Kilo subcutan 
gegeben) binnen wenigen Stunden den Exitus zur Folge hatten. Der 
Urin war stets frei von Eiweiss wie überhaupt bei allen bisher ge¬ 
schilderten Versuchen. Bei der Section zeigten sich die Lungen voll¬ 
kommen frei von den sonst beobachteten Veränderungen. Die lnjections- 
stelle war völlig ohne Befund. 

Wie erwähnt, sinkt nach Injectionen wirksamer Dosen Allylamin 
die Körpertemperatur sehr bald ab und vor dem Tode werden 
schliesslich meist ganz ungewöhnlich niedrige Temperaturen gemessen. 
Wenn wir nun auch, wie auseinandergesetzt, als Todesursache eine allge¬ 
meine Lähmung der nervösen Centren in der Medulla oblongata anzusehen 
haben, und diese ja stets mit einem Sinken der Körpertemperatur ver¬ 
bunden ist, so war doch nach dem ganzen zeitlichen Ablauf der Er¬ 
scheinungen eine specifische, primäre Beeinflussung der Wärmeregulation 
anzunehmen. Deshalb lagen Versuche nahe, einerseits das Centrum selber 
durch ein erregendes, d. h. pyrogenes Mittel umzustimmen, andererseits 
die Folgen der excessiven Wärmeabgabe durch entsprechende Massnahmen 
(Einbringung d^r Tiere in einen Wärmeschrank oder Injectionen von 
/^-Tetrahydronaphthylamin) zu paralysieren. 

15. Kaninchen, Temp. 39,1 0 C, erhält 12 Uhr 0,1 g Bacterium coli mit Wasser 
aufgeschwemmt subcutan. 


3 Uhr 

— 

Min.: 

Temp. 40,7° C 

3 

r 

15 

7) 

Injection von 0,05 g Allylamin pro Kilo subcutan 

3 

77 

45 

77 

Temp. 39.9° C 

4 

77 

15 

77 

n 3«,7°C 

4 

77 

30 

77 

„ 37,80 0 

5 

77 

— 

77 

O* 

o 

O 

5 

77 

15 

77 

„ 3,V>°C 

5 

77 

19 

77 

Exitus. 


Bei der Section zeigte sich an den Lungen Hyperämie. 

Ein zweiter Versuch ergab ein ganz entsprechendes Resultat bei einem 
Kaninchen mit einer Temperatur von 40,6 0 C, dem am Tage vorher 0,1 g 
Bacterium coli in Aufschwemmung subcutan injiciert worden war. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHtGAN 



Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 329 

Bei einem Versuche starb plötzlich in auffallender Weise das Fieber¬ 
tier etwa eine Stunde nach der Allylamininjection (es wurden 0,05 g pro 
Kilo subcutan gegeben), nachdem bereits in dieser Zeit die Fiebertempe¬ 
ratur von 40° C bis auf 39° C herabgesunken war. Ein Lungenbefund 
fehlte hier; jedenfalls, weil der Exitus erfolgte, bevor die sonst stets 
auftretende Dyspnoe eingesetzt hatte. 

Als sozusagen therapeutische Dosis wurden bei einem Fiebertier, 
das vier Stunden vorher 0,1g Bact. coli erhalten hatte und eine Tem¬ 
peratur von 40,6° C aufwies, 0,03 g pro Kilo Allylamin subcutan ver¬ 
abfolgt. Im Verlaufe des ersten Tages fiel die Temperatur von 40,6° C 
bis auf 39,4° C, wobei sich eine massige Beschleunigung der Atmung 
bemerkbar machte. 

Am zweiten Tage wurde 38,5° C gemessen, 

am dritten „ „ 36,5° C „ 

am vierten „ „ 35,7° C „ 

Ara Abend dieses Tages ging das Tier zugrunde. Die Section zeigte 
in schöner Weise die wiederholt erwähnten Veränderungen an den 
Lungen. Hierfür dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit der recht pro¬ 
trahierte Verlauf der Vergiftung als Ursache in Frage kommen. 

Diese Versuche an Fiebertieren sprechen für unsere oben ausge¬ 
sprochene Vermutung, dass das Allylamin vor allem die nervösen 
(Jentren in der Medulla oblongata beeinflusst. 

So ist es auch zu erklären, wenn, wie weitere Versuche ergaben, 
Injectionen von /^-Tetrahydronaphthylamin nicht imstande waren, 
den durch das Allylamin verursachten Temperatursturz hintenan zu halten, 
mochte es auf der Höhe der Allylamin Wirkung oder von vornherein ge¬ 
geben werden. 

Ich benutzte eine /tf-Tetrahydronaphthylarainlösung, von der beim 
Kaninchen Dosen von 2 ccm pro Kilo gegeben stets innerhalb von 1 bis 
V/ 2 Stunde die Körpertemperatur um 1—2°C ansteigen liess, dabei 
aber von den Tieren noch gut vertragen wurde. 

16. Kaninchen, Gewicht 1900 g, Temp. 39,4° C erhält um 12 Uhr: Injection 
von 0,03 g pro Kilo Allylamin subcutan (es wurden mit Absicht noch gerade mit dem 
Leben verträgliche Dosen gegeben), (s. Kurve 5). 

Nach Verlauf von 1 s / 4 Stunden haben wir bei einer Temperatur von 37,2° C 
und einer Beschleunigung der Atmung um das Doppelte eine deutliche Allylamin¬ 
wirkung. 

1 Uhr 45 Min.: Temp. 37,2° C, Atmung 160 pro Min. Es werden jetzt von dem 
oben in seiner Wirkung beschriebenen /J-Tetrahydronaphthylamin 2 ccm pro Kilo 
subcutan injiciert. 

Es trat für die Folge keine wesentliche Aenderung ein. Das Kaninchen blieb 
dauernd mit gespreizten paretischen Extremitäten auf dem Bauche liegen. Die 
Wirkung des Tetrahydronaphthylamins machte sich nur ganz vorübergehend 
durch eine leichte Temperatursteigerung um 0,5° C bemerkbar, darauf sank die 
Körperwärme gemäss den früheren Erfahrungen, höchstens etwas langsamer als 
sonst, wieder weiter abwärts bis auf 36,5° C, wie aus umstehender Kurve er¬ 
sichtlich. 

22 * 


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Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



330 


.1. Georg Piazza, 


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12 1 2 3 ^ 



2 Uhr — Min: Temp. 37,5° C 
2 „ 15 ,, „ 37,20 C 

2 „ 30 „ „ 37,00 C 

2 „ 45 „ „ 36,70 C 

5 „ - „ „ 36,5° C 

5 „ — ,, „ 3/ ,5° C 

Das Tier erholt sich, wie bereits die letzte 
Messung erwarten liess, im Laufe des Tages; macht 
am nächsten bei einer Temperatur von 39,1 °C 
einen völlig normalen Eindruck. 

Von einer antagonistischen Wirkung des 
/tf-Tetrahydronaphthylamins gegenüber dem 
Allylamin kann also nicht die Rede sein. 
Dies bestätigen auch weitere Versuche, bei 
denen oft erst das Allylamin auf der Höhe 
der Wirkung des ^-Tetrahydronaphthylamins 
gegeben wurde. 

Bei den Scctionen waren auch hier in 
allen Fällen die Lungenbefunde deutlich 
ausgeprägt. 

Gelingt es mit Hilfe rein mechani¬ 
scher Massnahmen den Temperaturabfall zu 
verhindern? Zu diesem Zwecke wurden die 
Tiere nach der Vergiftung bei höheren Tem¬ 
peraturen im Thermostaten gehalten. 


17. Es wurden zunächst neben einem normalen Controlltiere solche mit einer 
Dosis 0,05 g Allylamin pro Kilo vergiftete bei einer ständigen Temperatur von 38° C 
gehalten. 

12 Uhr: Injection von 0,05 g Allylamin pro Kilo subcutan. 

Allylamintier: 


12 Uhr 15 Min.: Temp. 39,3° C 

12 „ 45 „ „ 39,2« c 

Atmung 180 pro Min. 

Tier liegt mit paretischen ausgestreck¬ 
ten Extremitäten da. Deutliche Dyspnoe. 
Atmung vollzieht sich unter Zuhilfenahme 
sämtlicher Hilfsatemmuskeln. 

1 Uhr - Min.: Temp. 39,2° C 

Atmung 200 

1 „ 30 Temp. 39,1° C 

Atmung 180 

2 „ - „ Temp. 39,1° C 

Atmung 100 


Controlltier: 

Temp. 39,2 0 C 
„ 39,0° C 

Atmung 160 

Tier nimmt ganz normale Haltung ein. 
Keine Spur von einer Orthopnoe, nur 
beschleunigtes Atmen. 

Temp. 39,6° C 
Atmung 210 

Temp. 39,6° C 
Atmung 240 

Temp. 39,5° C 
Atmung 240 


2 „ 10 Ti Exitus. Temp. 39,0° C (post mortem). 


Bei diesem Versuche ist von einem Temperatursturz nichts zu be¬ 
merken, dagegen treten die Atemphänomene recht deutlich hervor und 
besonders ist die Atcmverlangsamung in der zweiten Hälfte des Ver- 


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Original fru-m 

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Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 


331 


suches im Gegensatz zu der starken Wärmedyspnoe des Vergleichstieres 
beachtenswert Ferner sei hervorgehoben, dass das Controlltier eine 
höhere Temperatur als zu Beginn annimmt und diese während des ganzen 
Versuches beibehält, während sich beim Allylamintier trotz der constanten 
Wärme des Thermostaten ein wenn auch geringes Absinken bemerkbar 
macht. 

Ein zweiter ganz entsprechender Versuch brachte ein gleiches Er¬ 
gebnis. Auch hier nach wenigen Minuten Dyspnoe, die sich bis zur 
Orthopnoe steigert und bis kurz vor dem Tode andauert, der nach 

2 Stunden erfolgte. Das Controlltier bekam nur die bereits bekannte 
Wärmedyspnoe. 

Die Section ergab bei dem zum Vergleich getöteten Controlltier 

einen völlig normalen Lungenbefund, insbesondere kein Exsudat in der 
Pleurahöhle; dagegen fand sich bei beiden Allylamintieren, die im 
Thermostaten gehalten worden waren, ein beiderseitiger Hydrothorax. 
Es wurden im ersten Falle 20 ccm, im zweiten 10 ccm wasserhelles, 
nicht hämorrhagisches, beim Stehen leicht gerinnendes Exsudat gefunden. 
In beiden Fällen waren auch die Lungen stark vergrössert, ödematös 

und hochgradig hyperämisch. 

Es war also, wie eigentlich zu erwarten, gelungen, den sonst 

sicheren Temperatursturz zu verhindern. Auf den Ablauf der Vergiftung 
hatte dies aber nicht den geringsten Einfluss. Im Gegenteil, bei Ver¬ 
suchen mit kleineren Dosen zeigte sich, dass das Verweilen im Thermo¬ 
staten schädlich wirkte, auch wenn dieser auf eine niedrigere Temperatur 
eingestellt war. 

Zu Vergleichszwecken wurden zwei Kaninchen mit einer Dosis von 
0,03 g Allylamin pro Kilo vergiftet. Das eine wurde constant bei einer 
Thermostatentemperatur von 32° C gehalten, das andere bei Zimmer-, 
temperatur beobachtet (18° C). 


18. 1. Thermostatentier. 2. Vergleichstier. 

2 Uhr 45 Min.: Temp. 39,4° C Temp. 39,3° C 

Injectionen von 0,03 g Allylamin pro Kilo subcutan. 

3 Uhr 15 Min.: Temp. 39,0» C Temp. 38,8° C 

3 „ 45 „ : „ 38,5° C „ 37,3° C 

4 „ 15 „ : „ 38,0° C „ 36,6° C. 


Bei beiden Tieren zeigte sich die bekannte Dyspnoe-Orthopnoe (etwa 
200 Atemzüge pro Minute). Beide liegen auf der Seite, machen einen 
schwerkranken Eindruck, während ein drittes zum Vergleich im Thermo¬ 
staten befindliches nicht vergiftetes Tier, abgesehen von der Wärme¬ 
dyspnoe durchaus normal erscheint. 


1. Thermostatentier. 

5 Uhr 30 Min.: Temp. 37,5° C 

6 „ 15 „ : „ 37,3° C 

7 „ 15 „ : „ 37,00 C 


2. Controlltier. 
Temp. 34,8 °C 
„ 34,2° C 

33,5° C. 


Am nächsten Morgen wurden beide Tiere tot aufgefunden. 

Bei der Section fällt wiederum bei dem Therraostatentiere ein beider¬ 
seitiges gerinnbares Exsudat in den Pleurahöhlen auf, das bei dem zweiten 


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332 


J. Georg Piazza, 


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Tiere vollständig fehlt. Bei beiden Tieren fand ich auch hier den stets 
wiederkehrenden Lungenbefund sehr schön ausgeprägt. 

In dem folgenden Versuche wurden noch kleinere Dosen gegeben. 
Zwei Kaninchen erhielten 0,02 g Allylamin pro Kilo subcutan. Das eine 
von ihnen wurde sofort in einen Thermostaten von einer constanten 
Temperatur von 32,8° C gebracht. Bei beiden machte sich ein Sinken 
der Temperatur von 39,2° C bis 38,0° C fast in gleicher Weise be¬ 
merkbar. Im weiteren Verlaufe des Versuchs fiel mir auf, dass sich 
das bei Zimmerwärme gehaltene Tier schon nach wenigen Stunden wieder 
erholt hatte und noch an demselben Nachmittage seine normale Tem¬ 
peratur von 39,2° C wieder erreichte, ebenso an den folgenden Tagen 
einen ganz normalen Eindruck machte. Dagegen wurden am Tage nach 
der Vergiftung am Thermostatentier nur 38,0° gemessen; trotzdem die 
Temperatur des Wärmeschrankes dauernd auf 32° gehalten wurde, ging 
das Tier sogar an diesem Tage noch ein. Die Section ergab den 
typischen Lungenbefund, den beiderseitigen Hydrothorax. Zum Vergleich 
wurde das Controlltier, das sich inzwischen völlig erholt hatte, getötet. 
Hier fehlte der Lungenbefund vollständig, ebensowenig fand sich ein 
Exsudat. 

Aus den geschilderten Versuchen ergibt sich die Tatsache, dass 
eine erhöhte Aussentemperatur, trotzdem dadurch eine beträchtliche 
Wärmeabgabe verhindert wurde, das Allylamin in seiner tödlichen Wirkung 
nicht beeinträchtigt, sondern vielmehr fördert (es ist dies vielleicht der 
andauernden Wärmedyspnoe, die bei dieser Versuchsanordnung noch hin¬ 
zutritt, zuzuschreiben). 

Ueberblickt man die letzten Versuche, so ergibt sich, dass erstens 
durch Erschwerung der Wärmeabgabe der typische Wärmesturz auf¬ 
zuheben ist, was wohl dafür spricht, dass Dilatation der peripheren 
Gefässe, weniger Stoffwechselveränderungen die Ursache des Absinkens 
der Temperatur ist. Centrale Erregung der Wärmecentra durch Gifte, 
ferner die directe Constriction der peripheren Gefässe nach Tetrahydro- 
naphtalamin wird durch Allylamin überwunden: was ebenfalls für eine 
starke Gefässwirkung — sei sie nun primär oder secundär peripher — 
unseres Körpers spricht. Soweit es überhaupt möglich ist, ohne Kenntnis 
des Gesamtumsatzes eine Vorstellung über den Temperatursturz zu 
äussern, so spricht Vieles für seine centrale Auslösung. 

Dass in unserem Fall nicht ein Shock durch die peripherreizende 
Substanz temperaturherabsetzend wirkt, widerlegten eine Reihe eigener 
Versuche mit subcutanen Injectionen wässriger Senfölsuspensionen, die 
überhaupt keine messbare Aenderung der Temperatur ergaben. 

Da das Hauptphänomen der Allylamindarreichung, wie beim ana¬ 
phylaktischen Insult^ aus Temperatursturz und Lungenveränderungen be¬ 
steht, so habe ich auch Versuche mit wiederholten, aber zeitlich weit 
auseinanderliegenden Injectionen gemacht. 

Bei mittleren, nicht tödlichen Dosen Allylamin habe ich häufig 
beobachtet, dass die Temperatur auch am nächstfolgenden Tage noch 
deutlich unter der normalen Höhe blieb und diese erst am 3. oder 4. Tage 
wieder erreichte. Diese anscheinend lange Dauer der Wirkung legte es 


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Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 


333 


auch nahe, nachzusehen, wie die Tiere sich bei Wiederholung der In- 
jectionen verhielten. Die Resultate, die ich erhielt, waren nicht immer 
deutlich. In dem folgenden Versuch war jedoch eher eine Gewöhnung 
und keine Ueberempfindlichkeit cingetreten. 

19 . Es rief zunächst eine Injection von 0,03 g Allylamin pro Kilo suboutan 
einen Temperaturabfall von 39,5° C bis auf 37,1° C hervor. Bei der naoh 8 Tagen 
wiederholten Injection mit gleichhoher Dosis zeigte sich keine messbare Temperatur¬ 
schwankung, ebensowenig war dies nach einer abermaligen Gabe von 0,03 g pro Kilo 
6 weitere Tage später der Fall. 

Versuchte ich jedoch mehrere Tage nach der ersten Injection kleinerer 
Dosen eine sicher tödliche, so ging das Tier in der gewohnten Zeit unter 
den bekannten Erscheinungen zugrunde. 

Unerwähnt blieben bisher Versuche an Meerschweinchen, da diese 
Tiere wider Erwarten bei entsprechenden Dosen fast gar keine Ver¬ 
änderungen zeigten. Erst Injectionen von 0,1 g pro Kilo riefen, aber 
auch nur angedeutet, die bei den anderen Tieren so schön zu beob¬ 
achtenden Atemphänomene und einen sich über bedeutend längere Zeit 
als geschildert hinstreckenden Temperaturabfall hervor, der schliesslich 
zum Exitus führte. 

20 . Meerschweinchen, Gewicht 360 g, Temp. 37,8° C. 4 Uhr 45 Min. nachm.: 
Injection von 0,1 g Allylamin pro Kilo suboutan. 5 Uhr 45 Min.: Temp. 37,2° C. 
Atmung bleibt dauernd unverändert. 7 Uhr abends Temp. 36,6° C. Am folgenden 
Tage: 3 Uhr nachm. Temp. 33,4° C, 5 Uhr Exitus. Die sofort angestellte Section er¬ 
gab massige Hyperämie in beiden Oberlappen. 

Es erübrigt sich noch, auf die bei den einzelnen Versuchen bereits 
erwähnten pathologischen Befunde bei den Sectionen einzugehen. 

ln allen Fällen, in denen die Versuchstiere sichtlich an der ge¬ 
schilderten Wirkung des Allylarains zugrunde gingen, zeigte sich eine 
starke, höchst auffallende Hyperämie der gesamten Lunge, die um 
so schöner hervorzutreten schien, je länger bei gut wirksamer Dosis der 
Vergiftungsprocess angedauert hatte. Dabei war ein mehr oder minder 
ausgeprägtes Oedem unverkennbar (s. Taf. XIV). Besonders schön waren 
die Befunde bei den im Wärmeschrank gehaltenen Tieren Hier tritt 
noch der erwähnte beiderseitige Hydrothorax hinzu. 

Im mikroskopischen Bilde zeigt sich eine gewaltige Hyperämie der 
gesamten Lunge. Die Capillaren sind stark erweitert und prall mit Blut 
angefüllt. Die Wandung ist stellenweise gesprengt. Wir haben deutliche 
Blutungen in den Gewebssepten; auch in den Alveolen finden sich an den 
verschiedensten Stellen zahlreiche rote Blutkörperchen. Die Alveolen 
selbst erscheinen stark erweitert, die trennenden Septen sind stellenweise 
zerrissen. An einigen Stellen erscheinen die Epithelzellen deutlich desqua- 
miert und sind im Innern der Alveolen unter den roten Blutkörperchen 
vermischt anzutreffen. Das Ganze erklärt uns die Reizung der Lunge, 
deren Anblick schon makroskopisch durch die gewaltige Hyperämie, wie 
bereits erwähnt, auffallend ist. Diese Wirkung ist bestimmt auf unver¬ 
ändertes Allylaminsalz zu beziehen, da eine Exhalation der freien Allyl¬ 
base desselben nicht nachweisbar war. 


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334 


.1. Georg Piazza, 


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Das Herz ist maximal dilatiert, vollständig mit dunklen Cruorraassen 
angefüllt. Ventrikel und Vorhöfe sind dabei in gleicher Weise beteiligt. 

Die Ge fasse, besonders des Unterhautzellgewebes und des Mesen¬ 
teriums sind stark erweitert, von auffallend dunkler Farbe. 

Der Darm 1 ) zeigte sich in den meisten Versuchen fast vollständig 
leer, nur mässige Mengen von zähem, gelblichem Schleim mit ganz ver¬ 
einzelten Kotresten wurden angetroffen. 

Leber und Nieren waren stets ohne Befund; der Urin stets frei von 
Eiweiss und Zucker, wie in zahlreichen Versuchen festgestellt werden konnte. 

Das Blutbild ergab mikroskopisch nichts Besonderes. Von einer 
Hämolyse war nichts zu bemerken, wie auch diese in vitro vollständig 
ausblieb. Auch spectroskopisch ergab sich kein Anhaltspunkt für Ver¬ 
änderungen im Blute der Versuchstiere. 


III. 

Allylformiat: HCOOC 3 H 5 . 

Als nächstes Präparat untersuchte ich das Allylformiat [Präparat 
von Schering 2 )]. Es wurden anfangs gleichhohe Dosen wie bei den 
Allylaminversuchen subcutan verabfolgt. Hierbei erwies sich auch dieser 
Körper als stark wirksam, aber in ganz anderer Richtung als das Arain. 

Die oben geschilderte Atembeschleunigung sowie der schnelle Tem¬ 
peraturabsturz traten bei diesen Dosen zurück oder waren nur schwach 
angedeutet. Die Tiere gingen nach der Injection nicht schnell ein, son¬ 
dern lebten je nach der Dosis einen bis mehrere Tage. Die Teraperatur- 
kurve sank dabei langsam ab bis zum Tode, wie bei allen schweren 
Vergiftungen. 

Sehr auffallend dagegen waren Symptome von seiten der Nieren und 
Leber. Bereits am Tage nach der Vergiftung, ja mitunter schon an dem¬ 
selben, trat Eiweiss und eigenartiger, braungelber Farbstoff im Urin 
auf, in dem vielleicht Vorstufen des Gallenfarbstoffs Vorlagen. Die 
Tiere bekamen hartnäckigen Durchfall und frassen nicht, machten 
einen schwerkranken Eindruck. Ferner sah man mehr oder weniger aus¬ 
geprägt in allen Versuchen am 2.—3. Tage der Vergiftung eine mit der 
Zeit immer deutlicher werdende gelbliche Verfärbung 3 ) der Conjunctivae 
bulbi, die oft von einem ausgesprochenen Icterus der Haut des sub- 
eutanen Bindegewebes und der inneren Organe begleitet war. 

Aus zahlreichen, in gänzlich ähnlicher Weise verlaufenen Versuchen 
sei folgender herausgegriffen: 


1) Auf die bereits oben S. 324 erwähnten abweichenden Befunde bei den Ver¬ 
suchen mit Hunden sei nochmals hingewiesen. 

2) Chom. Centralbl. 1913. Bd. 11. S. 920. 

3) Im Zusammenhang hiermit möchte ich erwähnen, dass Heffter in einem 
Falle von einer subcutanen Injection von 1 ccm Safrol, dem Allyl-3,4-brenzcatechin- 

0 (3) 


methylenäther (CH 2 


M> (4) 


C 6 IJ 3 . CH 2 . CH: CH 2 ) beim Kaninchen neben den sonst 


von ihm beobachteten Vergiftungen der Leber und Nieren einen auffallenden Icterus 
erzielte. 


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Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 


335 


21. Kaninchen, Gewioht 2100 g, Temp. 39,4° C., erhält am 12.5. 4 Uhr 45 Min. 
nachm, eine Injection von 0,05 g Allylformiat pro Kilo subcutan. 

5 Uhr; Temp. 39,4° C. 

6 „ : „ 38,6° C. 

13. 5. 3 „ nachm.: „ 38,4° C. 

Urin ist sehr dickflüssig, mit Beimengungen von gallertig-schleimigen Massen, dabei 
braungelb, eiweisshaltig. Starker Durchfall. 

14. 5. 3 Uhr nachm: Temp. 37,6° C. Urin enthält reiohlich Eiweiss und Gallen¬ 
farbstoff. Die Conjunctivae bulbi sind gelblich verfärbt, die Haut hat einen schwach 
braungelben Schimmer, der an den weniger behaarten Stellen deutlich hervortritt. 

15. 5. 1 Uhr nachm.: Seit 24 Stunden hat das Tier keinen Kot und Urin ge¬ 
lassen; es ist äusserst schwach, liegt kraftlos auf der Seite, schnappt nach Luft. Die 
Atmung ist stark verlangsamt. Der Icterus hat seit dem Tage vorher noch zuge¬ 
nommen. 1 Uhr 20 Min. Exitus. 

Section (sofort): Das Unterhautzellgewebe sowie sämtliche Organe des Tieres 
sind stark gelblich-braun verfärbt. Sehr deutliche Gefässzeichnung des Unterhaut¬ 
zellgewebes, des Netzes sowie des Darmes. Icterische Verfärbung des Fettgewebes, 
der Knorpel, besonders des Netzes. 

In der freien Bauchhöhle findet sich in geringen Mengen ein dunkles hämor¬ 
rhagisches Exsudat, das ebenfalls diesen braunen Farbstoff enthält. 

Die Lunge zeigt eine mässige Hyperämie, besonders an den Randpartien, sonst 
o. B. Im Pleuraraum keine Flüssigkeit. 

Das Herz ist prall mit schwarzen Cruormassen angefüllt, stark dilatiert, sonst 
ohne Befund. 

Die Leber ist schwer verändert, im ganzen braunrot verfärbt, dabei äusserst 
blutreich. Ausgeprägte Muskatnussleber mit fein verteilter hellgelber Felderung. 

Die Gallenblase ist prall gefüllt mit einer zähen, dunkel braunroten, mit 
schmutzig-grünem Farbenton versetzten Flüssigkeit. 

Die Niere ist im ganzen, besonders in der Grenzschicht stark hyperämisch, von 
eigenartig brauner Färbung. Die Rindensubstanz ist fein gestichelt, im Längsschnitt 
von radiär verlaufenden hellen Streifen durchsetzt. 

Der Darm ist in seiner gesamten Ausdehnung leer, nur ganz vereinzelt trifft 
man geringe wasserhelle Schleimmassen. Im Dünndarm finden sich zahlreiche punkt¬ 
förmige Hämorrhagien. 

Am Halse fallt ein derbes Infiltrat auf, aus dem nach Incision eine klare, gelb¬ 
lich-braun gefärbte Flüssigkeit abtropft. Von der Injeotionsstelle aus, die, zwischen 
beiden Schulterblättern gelegen, keine bemerkenswerten Veränderungen aufweist, ist 
also das Allylformiat nach den unteren Teilen des Halses gedrungen und hat hier 
diese Gewebsreizung verursacht. 

Entsprechend dem schon makroskopisch auffallenden Aussehen der 
inneren Organe zeigte die mikroskopische Untersuchung in zahl¬ 
reichen Paraffinschnitten ganz eigenartige Befunde, die ich der Güte des 
im September vor dem Feinde gefallenen Privatdocenten Dr. Stumpf 
verdanke. 

Das mikroskopische Bild der Leber ist infolge ausgedehnter Blu¬ 
tungen „ein ungemein buntes. Die Blutungen finden sich durchweg in 
der Peripherie des Leberläppchens und bilden hier breite Strassen, die 
sich vielfach miteinander verbinden. 44 

„Fassen wir ein einzelnes Leberläppchen ins Auge, so sehen wir 
hier die der Vena centralis benachbarten Leberzellbalken wohl erhalten, 
aber schon in den mittleren Partien des Läppchens ist in einzelnen 


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J. Georg Piazza, 


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Zellen das Protoplasma aufgehellt, von Vacuolen durchsetzt, ebenso sind 
die Kerne mehr oder weniger geschädigt. Je weiter man in die Rand¬ 
partien kommt, um so mehr häufen sich solche, oft gruppenweise bei¬ 
einanderliegende Zellnekrosen, bis man schliesslich in die total nekroti¬ 
sche Randzone gelangt, in der sich zwischen den sich nur noch schwach 
färbenden Leberzellresten grosse Massen von gut erhaltenen roten Blut¬ 
körperchen finden. Wo die durchbluteten Bezirke an die noch mehr oder 
weniger erhaltenen Läppchenteile anstossen, finden sich die Protoplasma¬ 
reste der nekrotischen Leberzellen vielfach mit Kalk inkrustiert.“ 

„Die grösseren und kleineren Gallengänge zeigen kaum Verände¬ 
rungen. Dagegen sieht man das in ihrer Umgebung liegende Binde¬ 
gewebe stellenweise deutlich vermehrt und kleinzellig infiltriert. Wo dies 
der Fall ist, zeigen sich in diesem Bindegewebe in manchen Gebieten 
lebhafte Gallengangs Wucherungen, welche in Form solider Schläuche 
oder als einschichtige, drüsenähnliche Bildungen das Gewebe durchsetzen.“ 
„Eine Färbung mit Sudan ergibt, dass in den erhaltenen Leberzellen 
kein Fett vorhanden ist. In derjenigen Zone, die die erwähnte Verkal¬ 
kung der Zellreste zeigt, sieht man dagegen auch vereinzelte Fetteinlage¬ 
rungen in den zugrundegehenden Leberzellen. Reichlicher findet sich Fett 
an einigen Stellen des interacinösen Bindegewebes.“ 

„Niere: In sehr vielen gewundenen Kanälchen finden sich hyaline 
Cylinder. Auch in den Glomeruluskapseln sieht man an vielen Stellen 
Exsudatmassen angehäuft. 

Oft sind ferner die Epithelien der gewundenen Kanälchen bis zur 
völligen Nekrose geschädigt. Die nekrotischen Zellen haben an verschie¬ 
denen Stellen Kalk aufgenommen. Diese verkalkten Bezirke liegen in 
ziemlich regelmässigen Abständen voneinander in der Rinde nahe der 
Grenze zwischen Rinde und Mark. Die Sudanfärbung ergibt keine Ver¬ 
fettung.“ 

„Lunge: Die Capillaren sind erweitert und prall mit Blut gefüllt. 
In den zum Teil erweiterten Alveolen trifft man an verschiedenen Stellen 
rote Blutkörperchen und degenerierte Epithelzellen an. Ebenso finden sich 
im perivasculären Bindegewebe, wenn auch seltener, deutliche Blutungen.“ 
„Fassen wir das Untersuchungsergebnis kurz zusammen, so sehen 
wir in der Leber eine von der Peripherie nach der Mitte der Acini fort¬ 
schreitende Nekrose der Leberzellen mit einer Verkalkung zahlreicher 
untergehender Protoplasmareste in den Gebieten, in welchen die total 
nekrotischen Partien an solche angrenzen, die weniger ausgedehnte Ne¬ 
krosen aufweisen. Zwischen den zugrunde gegangenen peripheren Teilen 
der Acini finden sich ausgedehnte frische Blutungen. Das interacinösc 
Bindegewebe ist stellenweise vermehrt, kleinzellig infiltriert und zeigt 
ausgedehnte Gallengangswucherungen. Es handelt sich somit um eine 
acute Nekrose bestimmter Azinusgebiete mit gleichzeitigen Blutungen 
und reparatorischen Vorgängen an den Gallengängen.“ 

„Die Veränderungen an den Nieren sind als eine acute paren¬ 
chymatöse Degeneration mit teilweiser Verkalkung zu bezeichnen,“ 
„An den Lungen ist eine starke Hyperämie bemerkenswert, die 
stellenweise zu Blutungen geführt hat.“ 


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Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 


337 


Wiesen schon die schweren Veränderungen an der Leber, sowie der 
im Urin auf tretende Gallen farbstoff darauf hin, dass es sich bei diesen 
Vergiftungen um einen primär hepatogenen Icterus handelt, so konnte 
diese Vermutung durch genaue vor und nach der Injection wiederholte 
Blutkörperzählungen bestätigt werden, die niemals bemerkenswerte Unter¬ 
schiede in den Mengenverhältnissen der roten Blutkörperchen zeigten. 
Ein hämatogener Ursprung des Icterus ist somit auszuschliessen, zumal 
im mikroskopischen Bilde auch die Gestalt und Färbung der Blut¬ 
körperchen vollständig normal zu nennen war, mithin eine Hämolyse 
ebenfalls entfällt. 

Wie beim lebenden Tiere keine Hämolyse festgestellt werden konnte, 
so löst auch in vitro das Allylformiat, wie ich mich durch mehrere Ver¬ 
suche überzeugen konnte, die roten Blutkörperchen des Kaninchens 
nicht auf. 

Mit Rücksicht auf die Angabe von Tallqvist und Faust, wonach 
acrylsaures Natron 1 ), also eine Substanz, die oxydativ aus dem Allyl¬ 
formiat entstehen könnte, hämolysiere, machte ich mit einem reinen aus 
Jodpropionsäure dargestellten Präparat nachfolgenden Versuch: 

22 . Es wurden je 1 ccm physiologische Kochsalzlösung mit 1 Tropfen normalem 
Kaninchenblut vermischt und davon zu 

Probe Nr. I: 2 Tropfen einer 2,5proc. Lösung acrylsauren Natrons getan. 

71 51 11 • ^ 51 55 2,5 77 77 55 55 71 

55 7' Ul* IH 71 77 2,5 , 7 71 71 71 71 

Probe Nr. IV diente zur Controlle. 

Alle 4 Proben, bei Zimmertemperatur gehalten, blieben unverändert, 
eine Hämolyse blieb also aus. Es war dies übrigens auch der Fall, 
wenn man concentriertere Lösung benutzte. 

Die oben erwähnten Wirkungen des Allylformiats zeigten sich eben¬ 
falls deutlich bei Versuchen an Hunden. Hier traten vor allem die 
heftigen Reizungserscheinungen von seiten des Verdauungstractus in den 
Vordergrund. 

Schon wenige Minuten nach der Injection von 0,05 g Allylformiat 
pro Kilo (subcutan) stellte sich wiederholt heftiges Erbrechen und starker 
Durchfall ein. Atembeschleunigung und bemerkenswerte Temperatur¬ 

schwankungen wurden hier nicht beobachtet. 

Das bisher geschilderte eigenartige Vergiftungsbild mit den be¬ 
schriebenen schweren Organstörungen und Icterus trat, wie Versuche mit 
höherer Dosierung lehrten, nur dann ein, wenn ich gerade eben letal¬ 
wirkende Dosen eingespritzt hatte. Wurden diese bedeutend überschritten, 
so ging die Vergiftung in viel kürzerer Zeit von statten und das Bild 
ähnelte mehr dem bei Vergiftung mit Allylamin beobachteten. In diesen 
Fällen fehlte der Icterus vollständig, auch von einer Schädigung der 
Niere war nichts zu bemerken. Dagegen zeigten sich bei diesem acuten 
Verlaufe die uns von den Versuchen mit Allylamin bekannten Phänomene 
von seiten der Atmung und der Temperatur. Auch hier zunächst eine 


1) Das Präparat wurde von Fräulein Dr. Rawicz nach den Angaben Moureu’s, 
Berl. Ber., Bd. 29, lief. S. 777, dargestellt. 


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J. Georg F iazza, 


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starke Atembeschleunigung, die sich bis zur Dyspnoe, ja bis zur aus¬ 
gesprochenen Orthopnoe steigert, darauf allmählich wieder langsam ab¬ 
fällt, bis der Atemstillstand und damit der Exitus eintritt. Auch hier 
der unmittelbar nach der Injection einsetzende merkwürdige Temperatur¬ 
sturz, der nach wenigen Stunden schon abnorme Tiefen erreicht. 

23 . Kaninchen, 1800 g Gewicht, Temp. 39,3° C, Atmung. 

4 Uhr 30 Min. Injection von 0,2 g Allylformiat pro Kilo subcutan. 

5 Uhr Temp. 37,1° C, Atmung 160. Nasenflügelatmen, Flankenatmon, Mit¬ 
bewegungen des Kopfes und des ganzen Körpers. Deutliche Dyspnoe-Orthopnoe. 

5 Uhr 30 Min. Temp. 35,3° C, Atmung 100. Pupillen maximal verengt. Con- 
junctivalreflex kräftig. 

6 Uhr Temp. 34,4° C. 

6 Uhr 15 Min. Temp. 33,7° C, Atmung fast gleich 0. Conjunctivalreflex fehlt 
jetzt. Tier befindet sich in der Agonie. Es treten jetzt starke Zuckungen der Ex¬ 
tremitäten auf, die zeitweise das Bild wirklicher Krämpfe zeigen. 

6 Uhr 20 Min. Das Tier wird in der Agonie getötet. 

Die sofort ausgeführte Section ergibt: Lungen: stark hyperämisch. Nieren: 
auffallend blutreich, sonst völlig ohne Befund. Leber: sehr blutreich, leicht ge¬ 
feldert. 


IV. 

Weitere Allylverbindungen. 

Während also Vinylamin (früher als CH 2 : CH. NH 2 jetzt als 
CI1 2 . CII 2 . NH aufgefasst) nach den Erfahrungen Ehrlichs und Leva- 

ditis vorwiegend auf die Nierenpapille wirkt, schädigt das homologe 
Allylamin CH 2 : CH . pH 2 . NH 2 die Organe nicht wesentlich, hingegen 
das Formiat vorwiegend die Leber. Allylsenföl SN . C 3 H 5 wiederum 
bedingt in toxischen Dosen nach Paul Meyer Erbrechen, Gastroenteritis. 
Nephritis, „eine Entzündung oder Nekrose von Leberzellen wurde nicht 
beobachtet“. 

A llylalkohol. 

Als nächstes der von mir untersuchten Präparate ist der Allyl¬ 
alkohol, C 3 H 5 OH, zu erwähnen. Heber seine Wirkungen auf die 
Secretion, auf den Blutdruck und die Gefässe, sowie besonders auf die 
Niere fand ich bereits in der Arbeit von Miessner (1891) genauere An¬ 
gaben, die ich durch meine Versuche bestätigen kann. Hinzufügen 
möchte ich nur, dass ich auch nach subcutanen Injectionen des Allyl¬ 
alkohols bei genauerer Messung einen deutlichen Tempcraturabfall beob¬ 
achten konnte, der sich bei dem protrahierteren Verlaufe dieser Ver¬ 
giftung auf mehrere Tage erstreckte. 

24. Kaninchen, 2200 g Gewicht, Temp. 39,1° C. 

17. 12. 5 Uhr Injection von 0,05 g Allylalkohol pro Kilo subcutan. 

6 Uhr Temp. 38,6° C. 

7 „ „ 37,80 C. 

An der Atmung und Herztätigkeit keine merkbaren Veränderungen. 

18. 12. 1 Uhr mittags Temp. 37,0° C. Im Urin reichlich Albumen. Stark 
diarrhoische Stuhlentleerungen. Am Hals befindet sich eine etwa kleinapfelgrosse 
Geschwulst infolge des Reizes, den die Injectionsflüssigkeit verursachte. 


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Zur Kenntnis der Wirkung der Allylverbindungen. 


339 


5 Uhr nachm. Temp. 36,5° C. Am gesamten Körper zeigen sich dauernd feine 
fibrilläre Muskelzuckungeu. Die Kiefer sind fest aufeinander gepresst, deutlicher 
Trismus. Trotzdem das Tier jetzt von 5 Uhr bis 6 Uhr in einem Thermostaten bei 
einer constanten Wärme von 30° C gehalten wird, erholt es sich nicht. 

6 Uhr Temp. 36,3° C. Die Paresen haben zugenommen, Tier ist jetzt vollständig 
gelähmt, liegt kraftlos auf der Seite. Atmung ist sehr langsam, Herztätigkeit kaum 
hörbar. 

6 Uhr 45 Min. Exitus. 

Die sofortige Section ergab: An der unteren Halsseite in dem subcutanen Ge¬ 
webe befindet sich ein sulziges Exsudat mit dazwischen gelagerten zahlreichen Gas¬ 
bläschen nach Art eines Luftemphysems. Es handelt sich um eine Nebenerscheinung, 
die mehr oder weniger bei allen Versuchen mit Allylalkohol in der Nähe der In- 
jectionsstelle anzutreffen war und die ebenfalls auf die stark lokal reizende Wirkung 
dieses Körpers hinweist. Die Lungen sind reichlich mit Blut gefüllt und erscheinen 
vergrössert. Die Leber ist ebenfalls sehr blutreich; auffallend dunkel gefärbt. Eine 
matte Felderung nach Art der Muskatnussleber ist stellenweise unverkennbar. Die 
Niere zeigt äusserlich eine zarte Stichelung, im Längsschnitt lassen sich in der 
Rindensubstanz zahlreiche hellergefärbte feine radiär angeordnete Streifchen erkennen, 
„Im mikroskopischen Bilde konnte ich nur stellenweise in Leber und Niere lokale 
Zellnekrosen erkennen, doch erinnerte der hier erhobene Befund an die Veränderungen, 
die genauer bei den mit Allylformiat vergifteten Tieren beschrieben sind“ (Stumpf). 

Wie genauere Versuche bewiesen, hatte der Aufenthalt im Thermostaten 
für das Versuchstier den Exitus sogar beschleunigt; denn während im 
genannten Falle das Tier bereits am Tage nach der Injection einging, 
nahm sonst der Ablauf des Vergiftungsbildes längere Zeit in Anspruch. 
So sah ich nach subcutanen Injectionen von 0,05 g Allylalkohol pro Kilo 
die Versuchstiere erst am 3. oder 4. Vergiftungstage zugrunde gehen. 
Am zweiten Tage hatte in diesen Fällen die Temperatur meist ihren 
tiefsten Stand erreicht und begann wieder allmählich anzusteigen, freilich 
ohne jemals die Norm wieder zu erreichen. Der Exitus erfolgte bei 
diesem recht protrahierten Verlaufe wahrscheinlich infolge der schweren 
Störungen der Niere. 

Bei einem Versuch mit Allylanilin (C 6 H 6 .NH.C 3 H 6 ) sah ich am 
zweiten Tage nur die typischen Anilinerscheinungen auftreten (Methämo- 
globinurie). 

Von ferner untersuchten Verbindungen des Allyls sei zunächst das 
Allylacetat (GH 3 C00. C 3 H 5 ) genannt, weil es mir, allerdings bei weit 
höherer Dosierung (es musste 0,1 g pro Kilo subcutan injiciert werden), 
gelang, einen deutlichen Temperatursturz mit demselben herbeizuführen. 
Die Allylessigsäure hingegen (C 3 H 5 .CH 2 COOH) erwies sich zu 0,2 bei 
einem 2 Kilo-Kaninchen als unwirksam. Auf die grosse Flüchtigkeit des 
Allylsulfid S(C 3 H 5 ) 2 würde ich seine Ungiftigkeit beziehen. 

Wegen seiner besonders lokal reizenden Wirkung fiel mir das Allyl¬ 
jodid J(C 3 H 5 ) auf. Ausgedehnte hämorrhagische Infiltrationen mit 
gallertigen, emphysematosen Einlagerungen zeichneten die Stelle der 
Injection und den Weg der eingespritzten Lösung. Das Versuchstier ging 
nach einer Gabe von 0,1 g pro Kilo (subcutan) am 4. Tage zugrunde. Der 
Darm zeigte sich bei der Section stark gereizt, wie auch starke diarrhoische, 
oft schleimige Stuhlentleerungen bereits auf die besondere Empfindlichkeit 


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340 


J. Georg Piazza, 


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des Verdauungstractus gegenüber diesem Präparat während der Dauer der 
Vergiftung hingewiesen hatten. 

Fast unschädlich auf den tierischen Organismus zeigten sich folgende 
Präparate, in denen der Ailylrest in die Harnstoffgruppe getreten ist. 
Subcutane Injectionen von dem gut in Wasser löslichen Allylharnstoff 

(co<^ 2 h ) waren beim Kaninchen bei einer Dosierung von 0,1 g pro 

Kilo vollständig wirkungslos. 

Der Diallylthioharnstoff (cs< sowie das Dithiosinamin 1 ) 

( /NHC H \ * 

CS xttt/ , 3 tt 5 ), die beide im Wasser schlecht löslich sind und daher in 
s 'NHC 3 H 5 / 7 

Aufschwemmung gegeben wurden, führten bei gleicher Dosierung eben¬ 
falls keine Veränderungen herbei. Es ist dies mit einiger Wahrscheinlich¬ 
keit dadurch zu erklären, dass der grösste Teil des Thiosinamins reactions- 
los in den Harn übergeht und schnell vom Körper ausgeschieden wird. 

Ebenso wirkungslos erwies sich ein Präparat, das ich dem Entgegen¬ 
kommen des Herrn Prof. v. Braun verdanke: das Dimethylallylamin 
[CH 2 : CH. CH 2 N(CH 3 ) 2 ]. Wie mehrere Versuche zeigten, vertrugen 
Kaninchen subcutane Injectionen dieses Körpers sogar bei Gaben von 
0,25 g pro Kilo, ohne irgendwelche Symptome zu zeigen. 

Das erst vor wenigen Monaten eingeführte Dial, die Diallvl- 
barbitursäure (C 10 H 12 O 3 N 2 ) 2 ), sei zum Schlüsse noch genannt. Denn 
auch bei Versuchen mit diesem Körper fand ich, wenn auch nicht so 
ausgeprägt, einzelne Symptome wieder, welche bei den Vergiftungsbildern 
der Allylamintiere hervorgetreten waren. Neben der deutlichen, wenn auch 
geringen Aterabeschleunigung sei vor allem das Verhalten der Körper¬ 
temperatur hervorgehoben. (Homologe Erfahrungen kann man aber auch 
bei der Diäthylbarbitursäure, dem Veronal, machen.) 

Bei diesen Versuchen wurde das Präparat wegen seiner Unlösbarkeit 
in Wasser mittels Magensonde verabfolgt. Als wirksame, dabei noch gut 
mit dem Leben verträgliche Dosis fand ich für Kaninchen 0,12 g pro 
Kilo oral, während höhere Gaben in der Mehrheit der Fälle den Tod 
zur Folge hatten. 

25 . Kaninchen, Gewicht 2500 g, Temp. 39,1°C. 10 Uhr 45 Min.: 0,3 g Di- 

allylbarbitursäure in Emulsion, per os. 

11 Uhr 15 Min.: Tier liegt ruhig da, Augen geölTnet, Temp. 38,5° C, 

12 „ 30 „ : Tier schläft. Temp. 38,0° C, 

1 „ 30 „ : Tier schläft fest. Temp. 37,7° C. 

Am folgenden Tage schläft dasTier immer noch fest. 1 Uhr mittags: Tcuip. 34,7 °C. 
Erst am 3. Versuchstage ist das Tier erwacht und macht einen durchaus normalen 
Eindruck. 1 Uhr mittags: Temp. 38,5°C. 


1) Präparat der chemischen Fabrik IIoffmann, Laroche & Co. in Grenzach. 

2) Präparat der Fabrik „Gesellschaft für chemische Industrie in 

Basel“. 


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Zur Kenntnis der Wirkung der Allyl Verbindungen. 


341 


Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. 

Das obere Bild zeigt den Farbenton einer normalen Kanincbenlunge; das untere 
zeigt die Lungen eines 2200 g schweren Kaninchens, das 6 Stunden nach Darreichung 
von 0,1 g = 0,045 Allylamin pro Kilo mit einer Temperatur von 32,8 (normal 39,4) 
eingegangen ist. 


Literatur. 

1. P. Meyer, Ueber die Wirkungen des Allylsenföls auf Leber und Niere. Virch. 
Arch. Bd. 180. Ref. Chem. Centralbl. 1905. Bd. 2. S. 155. 

2. Henze, Versuche über das ätherische Senföl. Centralbl.f.med. Wissensch. Bd.24. 

3. Paul Ehrlich, Ueber Beziehung von chemischer Constitution, Verteilang und 
pharmakologischer Wirkung. Festschr. f. E. Leyden. 1902. S. 669. 

4. Levaditi, Experimentelle Untersuchungen über die Nekrose der Nierenpapille. 

Arch. intern, d. pharmakodyn. Bd. 8. S. 59. « 

5. Hartmann, Das Thiosinamin und seine therapeutische Anwendung. Dissertation. 
Bonn 1908. 

6. Königsfeld- Prausnitz, Ueber Wachstumshemmung der Mäuseoarcinome durch 
Allylderivate. Deutsche med. Wochenschr. 1913. Nr. 50. 

7. F. Kraus, Ueber Lungenödem. Diese Zeitschr. 1913. Bd. 14. S. 410. 

8. Heffter, Zur Pharmakologie der Safrolgruppe. Arch. f. exp. Patbol. u. Pharm. 
Bd. 35. S. 344. 

9. Tallqvist u. Faust, Ueber die Ursachen der Bothriocephalusanämie. Arch. f. 
exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 57. S. 375. 

10. Lewin, Ueber Giftwirkung des Akroleins. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 53. 

11. Miessner, Ueber die Wirkung des Allylalkohols. Berliner klin. Wochenschr. 
1891. Nr. 32. 


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XXIV. 


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Aus dem pharmakologischen Institut der Universität zu Breslau 
(Geh.-Rat Prof. Dr. Pohl). 

Pharmakologische Untersuchung über 
Nor-Morphinderivate. 

Von 

Hertha Heimann. 

(Mit 12 Kurten im Text.) 

Es ist längst bekannt, dass Aenderungen im Morphinmolekül ein¬ 
greifenden Einfluss auf seine pharmakologische Wirkung haben. Ich er¬ 
innere an die Entfernung des H 2 0-Moleküls aus dem Morphin: das 
narkotisierende Morphin wandelt sich in das erregende Apomorphin. 
Schon die Aenderung der Methylgruppe in der Methoxygruppe im Codein 
macht aus einem central angreifenden Gift ein peripher angreifendes 
(Frankel, Arzneimittelsynthese, Auflage III, S. 410). Und so wohnt der 
experimentellen Kasuistik über die Folgen jeder Aenderung auf diesem 
Gebiete auch ein principielles Interesse inne. Ein besonderes Interesse darf 
vielleicht ein Bericht über die Wirkungsänderungen beanspruchen, die durch 
Entmethylierung des Morphins bzw. seiner Derivate erzeugt werden. Fast 
alle pharmakologisch differenten Alkaloide enthalten ja eine Methylamido- 
gruppe, und dieser ist von jeher eine erhebliche Bedeutung für die 
Wirksamkeit zugesprochen worden. Bisher ist nun die durch Ent¬ 
methylierung erzeugte Aenderung der pharmakologischen Wirkung nur in 
wenigen Fällen geprüft worden. So haben P. Ehrlich 1 ) und Poulsson 2 ) 
gefunden, dass die Norcocaine, also entmethylierte Cocaine, an anästhe¬ 
sierender Kraft, aber auch an Toxicität die Cocaine übertreffen. 

Fr. H. Carr und W. C. Reynold 3 ) fanden in der Scopolia japonica, 
in Datura- und Duboisiaarten ein natürlich vorgebildetes Norhyoscyamin, 
das durch Alkali in Noratropin übergeht. Diese Körper sind nach Ver¬ 
suchen von P. P. Laidlow nur l / 9 so wirksam wie ihre Methylverbindungen. 
Dass hierüber so wenig bekannt ist, lag natürlich daran, dass derartige 
Verbindungen chemisch nur sehr schwer zu erhalten waren, da bei den 
früheren Methoden der Entmethylierung das Alkaloid meist noch andere 
tiefgreifende Aenderungen erlitt. 

J. v. Braun 4 ) hat nun ein elegantes Verfahren ersonnen, durch das 
es leicht gelingt, am N entmethylierte Basen zu erhalten. In die ent¬ 
standene NH-Gruppe lassen sich weiter willkürlich substituierende Complexe 

1) Deutsche med. Wochenschr. 1891. S. 717. 

2) Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 27. S. 301. 

3) Chem. Centraibl. 1912. Bd. 2. S. 934. 

4) Berl. Ber. Bd. 47. H. 12. S. 2312. 


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Pharmakologische Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


343 


einführen, so dass eine Reihe neuer homologer Basen gewonnen werden 
kann. Diese sowie noch einige andere bisher nicht bekannte Morphin¬ 
derivate, die zum Teil von Prof. v. Braun selbst, zum Teil nach dessen 
Verfahren von der chemischen Fabrik Hoffmann-Laroche dargestellt 
wurden, habe ich untersuchen können. Die Salze der Basen waren zu¬ 
meist gut wasserlöslich. 

I. 

Wie es sich bei einer zur Morphinreihe gehörigen Gruppe von selbst 
versteht, richtete ich mein Augenmerk zunächst auf die Beeinflussung 
der Atmung durch die einzelnen Präparate. Ausserdem wurde stets noch 
auf etwaige allgemeine narkotische Wirkung und Beeinflussung der 
Circulation geachtet. 

Ferner habe ich, trotzdem nach den Feststellungen in der Literatur 
(Magnus, Meissner) das Morphin nur relativ geringe Wirkung auf den 
isolierten Darm besitzt, die meisten Präparate auch in dieser Richtung 
untersucht. Bei einigen Substanzen, die sich mir als sehr wirksam er¬ 
wiesen, stellte ich noch einige Versuche darüber an, ob sie auch als 
„Fiebernarkotika" anzusprechen seien. 

Die Methodik war die allgemein übliche. Die Beeinflussung der 
Atmung wurde teils am intacten Tiere — Uebertragung der Atem- 
excursionen durch einen Pneumographen —, teils am tracheotomierten 
Tiere mit Hilfe einer Mareyschen Trommel graphisch dargestollt. ln 
einigen Versuchen konnte ich mich mit einer einfachen Zählung der 
Atemzüge begnügen. Zur Feststellung der allgemein narkotischen Wirkung 
wurden ausser am Kaninchen auch an anderen Species: Frosch, Hund, 
Katze, Versuche angestellt. 

Die von mir untersuchten Präparate lassen sich ordnen in: 

1. Derivate des Morphins, 

2. „ „ Codeins, 

3. „ „ Apomorphins. 

Das erste Präparat war der Körper 

/NH 

1) C 16 H 14 O^OH 

X OH, 

der also als Normorphin zu bezeichnen ist. 

Schon der erste Versuch 1 ) zeigte, dass die charakteristische Morphin¬ 
wirkung: Verminderung der Erregbarkeit des Atemcentrums und Allgemein¬ 
narkose, durch die Entmethylierung teilweise verloren gegangen ist. Für 
die Abschwächung der Allgemeinnarkose führe ich folgendes Beispiel an: 

Normorphin, 23. 1.14. Kaninchen, 1700g. 

5 Uhr 10 Hin. Resp. 11/10 Sec. 

5 „ 32 „ 2 ccm = 0,028 g intravenös. 

5 „ 45 „ Keine Erscheinungen. Resp. 15/10 Sec., Reot.-Temp. 39,3°. 

5 „ 50 „ Die gleiche Menge Morph, hydrochl. intravenös. 


1) Hier führe ioh stets nur einen typischen Versuch an; eine grössere Anzahl davon 
ist im Anhang zusammengestellt. 

Zeitaehrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 17. Bd. 93 


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344 


Hertha Heimann, 


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5 Uhr 51 Min. Der Kopf sinkt zur Unterlage, die Aagen werden geschlossen; Tier 

paretisch, verharrt in jeder Lage. 

6 „ — „ Ganz sohlaff, liegt auf dem Bauch. Augen offen. Reot.-Temp. 38,5°. 

Auch bei grösseren Dosen, 0,06—0,08 g Normorphin intravenös, 
war am Kaninchen keine typische Allgemeinnarkose zu erkennen. Am 
Frosch war nach einer Dosis, die vom Morphin den bekannten Krampf¬ 
zustand erzeugt (0,04 g), keine wesentliche Wirkung zu sehen. Am Hund 
war eine, wenn auch schwache und relativ rasch vorübergehende Morphin¬ 
wirkung nicht zu verkennen. 

Versuch vom 27. 2. 14. Weisser Hund, 5 kg. 

Resp. 28/60 Sec., Puls 160. 

11 Uhr 6 Min. 0,05 g Normorphin suboutan. Der vorher sehr muntere Hund beginnt 
zu gähnen, sitzt, an die Käfigwand gelehnt, ruhig da. Senkt den Kopf. 
11 „ 10 „ Resp. 28/60 Sec. 

11 „ 20 „ Kopf gesenkt, scheint gegen den Schlaf zu kämpfen. 

11 „ 24 „ Augen halb geschlossen. 

11 „ 33 „ Kopf sinkt bis auf die Füsse, Augen fallen zu. 

11 „ 43 „ Wird auf die Beine gestellt. Macht noch spontane, schläfrige Be¬ 

wegungen. 

11 „ 45 „ 0,05 g subcutan. Resp. 15/60 Sec. bei ruhiger Lage. 

11 „ 50 „ Steht aufreoht, Kopf sinkt herab. Körper an die Wand gelehnt. Steht 

nur noch mühsam. Richtet sich aus zusammengesunkener Stellung 
immer wieder auf, kämpft gegen den Schlaf. [Erinnert genau an das 
Bild nach Hasohischgenuss (Fränkel, Aroh. f. exp. Path., Bd. 49.)] 

11 „ 56 „ Reichliche Speichelsecretion. Rückenmusculatur schlaff, Lordose, 

Beine etwas eingeknickt. 

12 „ — „ Lässt sich auf die Vorderbeine sinken. Sobald der Kopf beim Sinken 

die Unterlage berührt, schrickt er auf, um bald wieder die alte Stollung 
einzunehmen. 

12 „ 10 „ Liegt mit offenen Augen ruhig da, reagiert fast garnioht auf seine Um¬ 

gebung. 

12 „ 15 „ Resp. 22/60 Sec., 20/60 Sec. 

12 „ 50 „ Maximum des Rausches vorüber. Hund schläft den ganzen Nach¬ 

mittag bis in die Nacht hinein. Am nächsten Tage macht er wieder 
einen ganz normalen Eindruck. 

Entsprechend der im ganzen geringen Allgemein Wirkung war auch 
die Aenderung des Atmungstypus nach intravenöser Injection des Nor- 
morphins nur gering. 

Als Beleg diene ein Versuch vom 2. 3. 14. 

Kaninchen, 2400 g. 

Intravenöse Injection von 0,02 g, nach 6 Minuten nochmals 0,02 g, nach weiteren 
12 Minuten 0,04 g Normorphin. (Siehe nebenstehende Kurven 1—3.) 

Also, nach insgesamt 0,08 g, intravenös gegeben, war nur eine Ab¬ 
nahme der Atemfrequenz von 9/10 Sec. auf 6/10 Sec. eingetreten. Der 
Versuch zeigt zugleich, dass das Präparat (wenn man von Contact- 
wirkung während der Injection absieht) die Blutdruckkurve nicht be¬ 
einflusst. 


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Original fro-m 

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Pljaituitkiiiögwfthfl IhiterstWluiHg «hör Nuf-Mor|ihin<ler>vaU: 

Kto' einfaches Substit»t.ioiisptöd«öi des Normc-rphins std 

morphinmuM dar, •/*.; 

•■* : ^ , ncn . 

*i ' CiJkm m- 


’fi» erwies -sieh irt jeder geziehüng in Dosen bis 0 , 0 »; g nHrav.tmos 
K.wiiu-hen) als indiffereni. 

Das gleiche gilt v-m Amiuoe.vaiinormorplito. 


Allerdings stand mir davon mir eine kleine Menge zur Vertilgung, 
so dass ich mir wenige Versuche aiisteUen konnte, 

Kiin?' 2. 

Kurve’ 3. 


Kurva J j 


Atjuiins 


^Vtity|i»4rÄ 


Unmittelbar vor der 
ersten Fpjrctjoru 


2 Miauten nach der 
injößüiitj. 


1 Mmviten naeli der 
♦ ot/ten I 


Vor einigen J.a,hr(?n ^t/irön Uidenberg 1 ) ßin .jitoppcilt. •hy'dri^t.tcs 
Morphin dargestellt Worden. Er fand» dass zwar die narkotische Wirkung 
des Morphins durch die Hydrierung nicht Vörlortm gegangen sei, dass sh- 
.aber doch verhüttnismassig rasch vonibefge-he. Ich habe das entsprocli'iwile 
Nmalkaloid, »ro ' Vergleich daafii tintersticht und gefunden, -.dass, das cot* 
npethylierle Dihydromurphin (Di h v d t uno r m nrph inj 

NH 

4) C w H,*0. OH . in der gedächte« ßibbtuW 

‘OH 

ungefähr ebenso, vielleicht noch etwas schwacher wirlii- als das I)ih\dt„- 

tnorphin. 

5) Brr!. Bor. ISIt, Bd. U. S. 1830. 




‘ v, v ■>' ;, W' 

mm 



NH. ! C,„H n ö OH 



' ! v v; ma :■ 



Go gle 


CHI GAN 




346 


Hertha Heimann, 


Gegenüber dieser geringen central depressiven Wirkung ist cs inter¬ 
essant, dass das Präparat die fieberhaft gesteigerte Temperatur energisch 
beeinflusst, wie die nachstehende Kurve zeigt. 

Kaninchen, 2300 g. 

0,1 Dikydronormorpbin subcutan 


10 h 25' 


Uh 

11 k 30' 
lh 

15 ccm Heuin fug subcutan. 

Eine solche Senkung der Fiebertemperatur durch dieses Alkaloid 
war schon aus der Senkung des Blutdrucks zu vermuten, für die die 
Kurve 4 ein Beispiel gibt. 

Die Atmung blieb hier fast unbeeinflusst. In anderen Versuchen 
war eine Wirkung auch auf die Respiration deutlich erkennbar. 

Zum Beispiel Versuch vom 23. 7. 

Kaninchen, 2100 g. 

Drucksohreiber in der Carotis, Trachealkanüle. Sehr unruhiges Tier. Resp. 
22/10 Sec. 

6 Uhr 42 Min. 0,02 g Dihydronormorpbin intravenös, vorübergehende Drucksenkung 
von 90 mm Hg auf 48 mm Hg. Resp. 16/10 Sec., 18/10 Sec. 

6 „ 45 „ Druck 80 mm Hg. 0,02 g intravenös. Rosp. 12/10 Sec., 14/10 Sec. 

Druck 60 mm Hg. 

6 „ 46 „ 0,04 g. Druck 46 mm Hg. Resp. 10/10 Sec., 8/10 Sec., sehr kleine, 

flache Atomexcursionen. 

6 „ 47 „ 0,02 g. Resp. setzt für Secunden ganz aus, dann 6/10 Sec. Druck 

46 mm Hg. 

6 „ 58 „ Druck 82 mm Hg. Resp. 4/10 Sec., grosse Excursionen. 

Ueber die sonstige Wirkung dieser Substanz vgl. im Anhang. 
Während das intacte Morphinmolekül primär kaum Circulations- 
störung macht, waren solche noch bei einem weiteren Normorphin- 
derivat, dem Amylnormorphin, sehr ausgesprochen. Bei einem 1900 g- 
Kaninchen bewirkten schon 0,01 g in 2 proc. Lösung minutenlang an¬ 
dauernde Drucksenkung (bis Vs der Norm). Die Respirationsgrösse und 
Respirationsfrequenz wurde ebenfalls verringert, aber durchaus nicht in 
jenem Grade wie von einer gleichen Morphindosis. Diese Beobachtung 
findet ihr Analogon in Angaben über die depressorischen Wirkungen eines 



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Original ffom 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





mfc jii'iW’t 4 Ity Imorphins mit der Allylgmppe aiw pheno 

liisclicfli Wv'li'ml des Morplimk ('s?,, IMerat in dort Therapeut. Monatsh. 
ff. 4, $, ’m) 


.piaitiz-feri 


gle 


Original from 

iSltY OF MICHIGAN 
















348 


Hertha Heimann, 


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Ein sehr interessantes, bisher nicht bekanntes Morphinderivat ist das 

Pentamethylendimorphin 

/NCH 8 ch s n x 

5) c 16 h u o(oh ho)c 16 h u o 

X 0 . (CH 2 ) 6 . o x 

Die Untersuchung ergab, dass es besonders auf die Atmung beim 
Kaninchen sehr energisch wirksam ist. Aehnlich wie beim Heroin ge¬ 
nügen schon 0,01 g intravenös bei einem mittelgrossen Kaninchen, um 
den Tod durch Atemlähmung herbeizuführen. 

Versuch vom 30. 6. Kaninchen, 1800g. 

Intravenöse Injection von 0,005 g Pentamethylendimorphin ohne Wirkung auf 
Circulation und Atmung. Nach 2Minuten nochmals 0,005g intravenös, darauf sofortige 
Frequenzverminderung und Flacherwerden der Atmung, dagegen bleibt die Circulation 
fast unbeeinflusst. Nach 3 Minuten Atmung kaum mehr angedeutet, Blutdruck noch 
hoch. Infolge der Erstickung sogenannte Vaguspulse. Erst nach weiteren 3 Minuten 
erhebliches Sinken des Druckes. Tod 10 Minuten nach der ersten Injection. (Vgl. 
nebenstehende Kurven 5—8.) 

Beim Hunde verursachten 0,05 g subcutan schon Nausea, Erbrechen 
und eine leichte Schläfrigkeit, aber keine eigentliche Narkose. Eine 
weitere Gabe von 0,05 g blieb so gut wie unwirksam. 

Am Frosch sah ich ein Ueberwiegen der lähmenden Wirkung z. B. 
in folgendem Versuch vom 2. 7. 

Kana esoulenta, mittelgross. 

G Uhr 5 Min. 0,02 g Pentamethylendimorphin subcutan. 

6 „ 11 „ Bleibt in Rückenlage, maoht aber doch noch spontane Bewegungen. 

Reflexe vorhanden. 

G „ 15 „ Reflexe abgeschwächt. 

G ,. 25 „ Vollständige Lähmung. Herz blossgelegt: Dissociation von Vorhof und 

Kammer, Diastole erfolgt wellenartig. 

Nicht viel anders, nur etwas schwächer, wirkte die entraethylicrte 

Substanz, das Pentamethylendinormorphin 

.NH HN X 

6) c 16 n 14 o^oh ho-)c 10 h 14 o 

X 0 . (CH 2 ) 6 .0/ 

Beim Kaninchen erzeugten kleine Dosen von 0,01 g intravenös (Tier 
von 2200 g) eine Beschleunigung der Atmung. 

Versuch vom 13. 5. Kaninchen, 2200 g. 

Resp. 20/10 Sec., Rect.-Temp. 39,2°, Puls 40/10 Sec., 42/10 Sec. 

4 Uhr 45 Min. 0,01 g Pentamethylendinormorphin intravenös. 

4 4G „ Resp. beschleunigt; liegt flach hingestreokt, Kopf zu Boden geneigt, 
etwas apathisch. Cornealreflex -J-. Sicher keine Mydriasis. 

4 „ 56 „ Resp. 28/10 Sec. 

4 „ 58 „ Kopf wird wieder gehoben, Tier sieht wieder lebhafter um sich. 

5 „ — „ Resp. noch immer beschleunigt. Puls 45/10 Sec. 

5 „ 20 „ Resp.-Beschleunigung dauert an, sonst keine Erscheinungen. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




ßnrascre Dosen wirkten atemifthmend^ wie das eben besprochene 
PentcUiiiCfb'yiendiirb'O'jrphin. 

Versuch vom IJ-Su Kanincbon, 1700g. V/ 

Kesp. 20/10 Sec., Pol.v 33/H) Sec. 

$ Ohr 45 Ms»)- 0,02 g Peritanicuh}0em1|r»t>rjt^ovphin4nuavenös. 

8 ,, 4x .. Unruhig schwankende Hdtung. 

Kurve 5. 


Atmung 


Prack 


Atmung 


Druck 


Kurven. 5 8 rumi Ve^iieh vorn SO. G> 8/348. 


8 Uhr 50 Min. Flach aul den BUxls« ’hSDgösiimk't,.-fahrt es mit ruckweisen.. u.nsiHier»;n 


BüwegüngVii öftuis »n die Hctht. . 

Uesp. &/10 Säe«, vortieft und erschwert. 

Fluchtartig^ schnellend* Bewegungen. 

Füllt auf die Seite, schnappt nach Luft, Mgomtle Atenj^iige, 
Herz schlägt noch 29/10 Sec., Cornealretlex -f. 

Bxiiuä letalis. 


Göitgk 











350 


Hertha Heiraann, 


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Versuch vom 13. 5. Hund, 7 kg. 


4 Uhr — Min. 
4 „ 5 „ 

4 " » 

4 „ 10 „ 


4 

4 


n 





4 „ 25 

4 „ 30 

5 „ 15 
5 „ 30 


0,06 g Pentamethylendinormorphin subcut&n. 

Schluckbewegungen, Einziehungen des Leibes. Steht müde da, lässt 
den Kopf hängen. 

Schwankt leicht, starke Lordose der Lendenwirbelsäule. 

Rosp. 20/10 Sec. (beschleunigt). Häufige Contractionen des Leibes. 
Atmet schnaufend mit geöffnetem Maule. 

Resp. sehr frequent 32/10 Sec. 

Immer wieder Brechbewegungen. Legt sich flaoh auf den Boden. Macht 
einen schläfrigen Eindruck. 

Resp. wieder ruhig und mühelos. Keine Brechbewegungen mehr. 

Resp. 7/10 Sec. 

Wieder leidlich normal bis auf eine geringe Schläfrigkeit. 

Rect.-Temp. 38,2°. 

Tier macht wieder ganz normalen Eindruok. 


Auf den isolierten Darm wirkten beide Präparate ausgesprochen 
lähmend, wofür nebenstehende Kurve 9 als Beleg dienen mag. 

Die besonders beim Frosch ausgesprochen lähmende Wirkung des 
Pentamethylenderivats legte den Gedanken nahe, ob es möglich wäre, 
mit seiner Hilfe die krarapferregende Wirkung des (vorher oder gleich¬ 
zeitig injicicrten) Pikrotoxins herabzusetzen. Die in dieser Richtung an 
Fröschen und Kaninchen unternommenen Versuche führten zu einem 
negativen Resultat; ebenso unmöglich war es, einen Antagonismus gegen 
Strychnin am Frosch festzustellen. 

Eine grössere Reihe von Präparaten, die ich untersucht habe, leitete 
sich vom Codein und Norcodein ab. 

Das Norcodein 

.NH 

7) C 16 H J4 0A)CH 3 

X OH 

zeigte sich beim Kaninchen als recht wenig wirksam; so waren bei intra¬ 
venöser lnjection von 0,1 g bei einem Tiere von 1600 g durchaus keine 
Erscheinungen festzustellen, während ich in Uebereinstimmung mit den 
Angaben in der Literatur beim Codein in zahlreichen Versuchen 0,035 g 
als schon krarapferregende Dosis fand. Etwas deutlicher traten die Er¬ 
regungserscheinungen am Frosch hervor, wie folgender Versuch zeigt 
(Norcodein, in Wasser kaum zu 0,5 pCt. löslich): 


12. 1. Rana esouleuta. 


11 Uhr 30 Min. 

11 „ 

50 „ 

12 „ 

11 

4 „ 

11 


13. 1. 


14. 1. 


15. 1. 


0,005 g subcut&n. 

Keine Erscheinungen, nooh 0,01 g. 

Keine Erscheinungen. 

Zeichen von Erregbarkeitssteigerung. Bei Berührung krampfhaftes 
Zucken; erinnert an beginnende Pikrotoxinwirkung. 

Idem. 

Noch immer Pikrotoxinstellung. Bei jeder Erschütterung der Unterlage 
erfolgt eine Zuckung; liegt mit seitlioh ahgespreizten Extremitäten da. 
Tod. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




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Go gle 


-ßftginal from 

OF MICHIGAN 




352 


Hertha Heimann, 


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Weiterhin habe ich einen Körper von folgender Constitution untersucht: 

/NC 2 H 6 

8) C 16 H 14 OfOCH 8 

x OH 

also das höhere Homologe des Codeins, das man wohl am besten als 

/ NCH 3\ 

Isodionin bezeichnet (Dionin = C 16 H 14 0^-0C 2 H 6 ). Merkwürdigerweise 

x OH > 

war diese Substanz so gut wie indifferent, z. B. in folgendem Versuch: 

Kaninchen, 1800 g. 

Resp. 14/10 Sec. 

6 Uhr 20 Min. 0,02 g intravenös. Resp. 12/10 Sec. 

6 „ 30 „ 0,02 g. Resp. 12/10 Sec. 

6 „ 35 „ Keine Allgetneinerscheinungen. 

6 „ 40 „ 0,02 g. Resp. 8/10 Sec. 

6 „ 56 „ 0,02 g. 

7 „ 15 „ Tier macht ganz normalen Eindruck. 

Das Gleiche gilt von dem hydroxyliorten Product, dem Oxyaethylnor- 
codein 

/NCH 2 CH,OH 

9) C 16 H 14 oA)CH s 

x OH 

und dem Essigsäureester des Norcodeins 

/NCH 2 C00C..H 6 

10) C 16 H 14 OfOCH 3 

X 0H 

vgl. die Versuche im Anhang. 

Das Propylnorcodein 

/NC 3 H 7 

11) C i# H 14 oA)CH, 

x OH 

verursachte in einem Versuch in der Dosis von 0,06 g intravenös* eine 
vorübergehende Respirationsbeschleunigung. Auf den isolierten Darm 
wirkte es deutlich lähmend. Genaueres konnte ich leider aus Mangel 
an Substanz nicht feststellen. 

Auch einige Codeinderivate mit aromatischen Resten habe ich 
untersucht. 

Das Benzvlcodein 

/NCH,. CH,C 0 H 5 

12) C 16 H 14 0-0CH 3 ‘ 

x OH 

hatte schon in kleinen Mengen (0,01-f-0,005 g intravenös) eine deut¬ 
lich lähmende Wirkung auf die Respiration, die allerdings schnell 
vorüberging. 0,035 g führte zur typischen Atemlähmung (vgl. im An¬ 
hang die Versuche vom 17. 6. und 18. 6.). Auch auf den isolierten 
Kaninchendarm war eine immerhin erhebliche Wirkung festzustellen (vgl. 
Kurve 10). 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 








Pharmakologische Untersuchung über Not-Morphjnderi^ite. 


Digitized fr. 


Go gl< 


Original fronr 

UINIVERSITY OF MICHIGAN 












Hertha HeitWarjfi 


Im l.tegfiiiSiiii'. hierzu waren vorn Benzylnorcodein 

SOHX‘'tk 

UY) PCH, ' 

»III 

0,0.“ £ intravenös heim Kanun-Iieu wirkungslos {.vgl. im Anhang den Ver- 
■meh vom 1(1 <5 ). An eit hei«, '-Frosch sah ich keinerlei hno-lo-mungen. 
this ; 

.NOa.CO.lV», 

441 C !(3 H h O ' 0CÜ3 

OH 

verursachte in m i Ifnsift • rnii 0,05 g intravenös geringe Re«|>iraiions- 
■gerlangsitrnmrg unii .)eu;hiv, sKhnell \ ivridiergeliendg Narkose. 

Wahrend,- wie ohoo erwähn», das Ihiiyilronarniorpliih. emo, wenn 
auch verringerte, so doch noch .dCiiiliehe Mofjdnnvvirk'uftg besaas, erwies 
ül das IHisvil»‘«a(i!*cöd*>»u 


V« einem Versuche ('0,1 g inlravfcrdis ;un iO. 5.) als lur das CenlRi)- 
nervengstem' fco gut wie md.iJTeront, dagegen war an» isolierten öarna 
eine Wirkung nieht zu verkennen ;vgl, Kurve J1 1 . 


Kurve 11 


KüninclioDtlarrn in dö fi’iti TvoulikMiiiLC nach iiisLCHnml tO na: *uilständigj? Iinhmi.ir»gc 

Uicser Befund -ist tlteoreüsyh des)» all» hemeikenswerf, weil eine 
houjitlogi; V.;rht!Kiuim, das Othydrocodein, miio-r dem Samen Rarmmdin 
■als tföijj Omiein in gewisser liitduhag über irgen -.uigegcjien wird-. Ich 
Sflhst fand io /tvm Versuchet! am 2000 gHCtruuciieH ji und b ctr J'ani• 
und in <ju«.ul Aimung ja.-.t ui-Wirksam. 

Als gleichfalls, ohne j:diarfnak(do£'i.selie Wirkung iaiul ich wider Kr- 
Av.vten das Amidmiumillem 


das, rnan vtellcichi als 







Pharmakologische Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


355 


Hydrazinnorcodein bezeichnen kann (vgl. im Anhang die Versuche vom 
20. 7. und 29. 5.). 

Das Nordionin 

NH 

18) C 16 H 14 0^-0C 2 H 6 

X OH 

zeigte in einem Versuch vom 8. 5. keine wesentliche Wirkung; allerdings 
leistete in denselben Dosen auch Dionin am Kaninchen nicht viel. Zu 
weiteren Versuchen fehlte mir das Material. 

Von Apomorphinderivaten stand mir nur eines zur Verfügung, das 

Norapomorphin 

/NH 

C 16 H 14 ^OH 

X 0H 

Bei diesem war das hervorstechendste Symptom am Kaninchen eine 
eigenartige Unruhe und Uebererregbarkeit, die vielleicht am besten aus 
folgendem Protokoll zu ersehen ist: 

4. 3. Kaninchen, 1600 g. 

Resp. 24/10 Sec., Puls 48/10 Sec., Rect.-Temp. 39,7°. 

5 Uhr 35 Min. 0,016 g Norapomorphin intravenös. 

5 „ 37 „ Fast normal, Resp. und Puls unverändert. 

5 50 „ 0,016 g. 

6 „ 5 „ Wird unruhig, fliegende Atmung, ca. 35/10 Sec., macht einige Bewe¬ 

gungen nach rückwärts. 

6 „ 10 „ Rect.-Temp. 39,0®. Liegt auf dem Boden, schreckhaft. 

6 „ 12 ,, Augen werden halb geschlossen. 

6 „ 15 „ Streckt sich ruckartig. Fliegende Respiration. Schrickt zusammen, 

mehr spontan als auf äussere Reipe. 

6 ,, 20 ^ Augen halb geschlossen; schrickt von Zeit zu Zeit auf, streckt dabei 

die Hinterbeine. 

6 „ 25 „ Leicht schläfrig, Kopf etwas gesenkt, immer wieder zusammenschreckend. 

Pupillen mittelweit. 

6 „ 35 „ 0,016 g. Kopf auf der Unterlage, Augen halb geschlossen, liegt flaoh 

auf dem Boden. Resp. 28/10 Sec., 20/10 Sec. 

6 „ 42 „ Puls 44/10 Sec. 

6 „ 43 „ Auf den Fussboden gesetzt, läuft es ganz munter herum. 

6 „ 50 „ Rect.-Temp. 37,9°. In der Ruhe senkt es den Kopf wieder auf die 

Unterlage, Augen halb geschlossen. 

6 „ 55 „ Resp. 12/10 Sec., 14/10 Sec. 

Apomorphin in den gleichen Dosen rief ungefähr dasselbe Bild her¬ 
vor, vielleicht war die Erregung noch etwas stärker. 

Beim Hunde erzeugte das Noralkaloid Erbrechen, doch waren hier¬ 
für erheblich grössere Dosen als vom Apomorphin nötig (vgl. Versuch 
vom 6. 3. im Anhang). Einigermassen auffallend war in diesem Versuch 
die Schlafsucht des Tieres, die wohl nicht nur auf die durch das Er¬ 
brechen erzeugte Erschöpfung zu beziehen ist. 

Anmerkung: Ich habe bei fast allen von mir untersuchten Präparaten geprüft, 
ob sie lokal anästhesieren. Ea war dies nirgends der Fall. 


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Original ffom 

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356 


Hertha Heimann, 


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n. 

Bei der eigenartigen Wirkung des Morphins auf die Katze, die sich 
in vielen Richtungen umgekehrt wie bei den anderen Species geltend 
macht, war es besonders interessant, das Verhalten dieses Tieres nach 
Injection der untersuchten Morphinderivatc zu beobachten. Es war von 
vornherein nicht zu sagen, ob der Verminderung der narkotischen Wirk¬ 
samkeit, die bei meinen Präparaten vorlag, einfach eine ebensolche der 
äusserlich als Erregung zum Vorschein kommenden Wirkung des Morphins 
auf das Katzenhirn entsprechen, oder ob sich hier eine qualitative Aen- 
derung herausstellen würde. Die Erfahrung lehrte uns nun, dass, wenn 
auch bei fast allen Präparaten uoch Zeichen der erregenden Wirkung vor¬ 
handen waren, doch bei den meisten die narkotische, sedative Wirkung 
selbst bei tödlichen Dosen überwog. Als Beispiele führe ich folgende 
Versuche an: 

11. 5. Katze, mittelgross. 

9 Uhr 5 Min. 0,04 g Pentamethylendinormorphin subcutan. 

9 „ 12 „ Sitzt zusammengekauert in der Ecke, Augen halb geschlossen. 

9 •„ 15 „ 0,02 g. 

9 „ 20 „ Keine Spur von Erregung, auch nicht schreckhaft. Liegt ruhig da. 

Resp. 5/10 Sec., 6/10 Sec. Augen geschlossen. 

10 v 30 „ Liegt ruhig atmend da, leichtes Zittern des Kopfes. 

11 „ — „ Schläft, erwacht bei Erschütterung des Käfigs. Hindämmern. 

10. 1. Katze, 2100 g. 

4 Uhr 33 Min. 0,05 g Norcodein subcutan. 

4 „ 45 „ Schnalzen mit der^Zunge. 

4 ,, 51 „ Würgen, Erbrechen. 

4 „ 56 „ Schliesst die Augen. 

4 „ 57 „ Zweimaliges Erbrechen unter Würgen. 

5 „ 7 „ Geht im Käfig herum. 

5 „ 14 „ Taumelt. Apathie. 

5 „ 15 „ Erbrechen, liegt auf der Seite, Durchfall. Rect.-Temp. 38,0°. 

Abend: Tod. 


Nur beim Normorphin blieb die typische Morphinwirkung erhalten. 

16. 2. Katze, 2200 g. 

10 Uhr 30 Min. Resp. 4/10 Sec., Rect.-Temp. 39,2°. Pupillen mittelweit. 

0,05 g Normorphin subcutan. 

Schnalzt und schleckt mit der Zunge. Heftige Brechbewegungen. 
Resp. 4/10 Sec. 

Leichte Schreckhaftigkeit bei Berührung des Käfigs. 

Zunehmende Schreckhaftigkeit, springt gegen die Glaswand. Pupillen 
weit. 

Dreht sich um die eigene Achse (typische Morphinerscheinung). Läuft 
aufgeregt im Käfig herum. Halluzination? 

Idem. 

Raserei. 

Idem, kriecht an der Wand in die Höhe. 

Grösste Erregung, Atraungsbeschlounigung. 

Tod. 


10 Uhr 30 

10 

ii 

34 

10 

ii 

36 

10 

ii 

48 

11 

ii 

— 

11 

ii 

30 

12 

ii 

— 

12 

ii 

5 

12 

ii 

15 

12 

ii 

30 

1 

ii 

— 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Pharmakologische Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


357 


III. 

Wenn ich die Resultate meiner Untersuchung znsammenfasse, so er¬ 
gibt sich folgendes: 

1. Durch die Entmethylierung wird die Giftigkeit in fast allen Fällen 
vermindert; in ungefähr gleichem Masse auch die Wirksamkeit, 
ßesonders geht die typische Beeinflussung der Respiration durch 
Morphin verloren. 

2. Bei zwei von den Nor-Alkaloiden, dem Pentamethylendinormorphin 
und dem Dihydronorcodein war eine besonders ausgesprochene 
lähmende Wirkung auf den isolierten Darm zu constatieren. 
Auch das Benzylcodein war in der gleichen Richtung wirksam. 

3. Auf Katzen hatten die meisten der untersuchten Substanzen, 

mit Ausnahme des Normorphins, statt der erregenden eine mehr 
sedative Wirkung. _ 


Die Substanzen, die ich untersuchen konnte, sind nicht nur chemisch 
interessant, sondern die erhaltenen Resultate liefern auch manchen Bei¬ 
trag zu der viel behandelten Frage nach der Beziehung zwischen chemi¬ 
scher Constitution und pharmakologischer Wirkung. So erscheint der Ein¬ 
fluss der Demethylierung bei unseren Präparaten ganz anders, als z. B. bei 
den Norcocainen. Während nach den vorliegenden Literaturangaben bei 
diesen die Giftigkeit und specifische Wirkung im Vergleich zum normalen 
Alkaloid zugenommen hat, ist bei uns das Umgekehrte der Fall. Es ist dies 
ein Verhalten, wie wir es ähnlich in der Antipyringruppe kennen. Hier ist 
das Monomethylphenylpyrazolon 

N. C 6 H 5 
OC/ X |NH 
hcLJc . CH 8 

im Vergleich zum Antipyrin unwirksam. Den grossen therapeutischen Wert 
erlangt das Product erst dadurch, dass auch der Stickstoff methyliert wird. 

Zugleich zeigte das Verhalten unserer Noralkaloide wiederum, dass 
die physiologische Wirksamkeit keineswegs als eine directe Function der 
chemischen Reactionsfähigkeit zu betrachten ist, denn gerade diese ist 
beim Normorphin dank der secundären Iminogruppe viel stärker als beim 
Morphin und Codein (v. Braun, Ber., Bd. 47, S. 2312). 

Eine andere Frage, die neuerdings bei vielen Arzneimittelgruppen 
erörtert wurde, ist die, ob durch Verlängerung einer aliphatischen 
Seitenkette (event. auch durch aromatische Reste) eine Verstärkung 
der pharmakologischen Wirkung der Grundsubstanz eintrete. Ich er¬ 
wähne hier als Beispiele die Angabe v. Brauns (Ber., Bd. 47, S. 492) 
über derartige Producte in der Hordeninreihe, ferner die in der Codein¬ 
gruppe dargestellten Substanzen vom Dionin bis zum Peronin, 


Ci 6 Hi 4 0 


NCH S 

X O.CH 2 C 6 H 6 


OH 


Wie die Tabelle lehrt, habe ich in den Präparaten 12 und 13 zwei 
gerade dem letzteren sehr nahe verwandte Substanzen untersucht. Dem 


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358 


Hertha Heimann, 


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Peronin kommt nun nach v. Mehring eine recht erhebliche Wirksamkeit 
zu, und auch mir erwies sich das Benzylcodein, bei dem also der Benzyl¬ 
rest das am N hängende Alkyl verlängert, als recht gut, wenn auch 
flüchtig wirksam. Dagegen war schon das Benzylnorcodein genannte 
Präparat 13 fast unwirksam, obschon es sich von dem vorigen nur da¬ 
durch unterscheidet, dass die am N hängende Seitenkette um ein CHj 
kürzer ist 1 ). Ebenfalls von v. Mehring untersucht ist das Aethylendi- 
morphin. Er fand es zwar für Frösche giftig, für Warmblüter aber, ein¬ 
schliesslich des Menschen, so gut wie indifferent. Demgegenüber ist es 
interessant, dass die Verlängerung der dio beiden Morphinmoleküle ver¬ 
bindenden aliphatischen Seitenkette, wie sie in dem von mir untersuchten 
Pentamethylendimorphin und dem betreffenden Noralkaloide vorliegt, der 
Substanz eine recht starko Wirkung verleiht. Dies ist auch theoretisch 
noch in folgender Beziehung wichtig: lm Aethylendimorphin sind die pheno- 
lischen Hydroxyle geschlossen, ebenso auch im sog. Pseudomorphin, und 
S. Fraenkel (Arzneimittelsynthese, 3. Auf]., S. 406) lässt die Unwirksam¬ 
keit der beiden Präparate von dieser Eigenschaft abhängen. Wie die Re¬ 
sultate an meinen beiden Substanzen zeigen, ist diese Schlussfolgerung 
nicht allgemein richtig, da ja auch bei ihnen das phenolische Hydroxyl 
geschlossen ist und sie doch gut wirken. 

Wenn auch streng genommen nicht hierher gehörig, mögen noch 
folgende Morphinderivate hier kurze Erwähnung finden. Von den am alkoho¬ 
lischen Hydroxyl substituierten Morphinderivaten sind die Chloromorphide 
1911 von Harnack und Hildebrandt 2 ) untersucht und als Körper mit 
„wesentlich verstärkter Morphinwirkung“ beschrieben worden. Ich ver¬ 
fügte über 2 Verbindungen, bei denen an Stelle des alkoholischen Hydro- 
xyls die N(CH 8 ) 2 - resp. N(C 2 H 6 ) 2 -Gruppe substituiert waren. Sie wirkten 
heftig Krämpfe erregend, nicht narkotisch und in bezug auf die Atmung 
durchaus nicht verlangsamend; dabei bestanden wiederum vorübergehende 
Perioden von Blutdruckabfall. 

Die vorliegende Untersuchung bedarf einer Ergänzung durch klinische 
Versuche am Menschen; mit der nachgewiesenen Abschwächung der cen¬ 
tralen Morphinwirkung durch Entmethylierung bei Erhaltenbleiben oder 
gar Steigerung seiner peripheren Kräfte ist vielleicht einem Bedürfnis der 
praktischen Medicin entsprochen. 

Tabelle der untersuchten Norderivate. 

/NH«) 

1) C 16 H 14 OfOH Normorphin. 

X OH 

.NCN 

2) Ci 6 H u 0(-0H Normorphincyanid. 

_ X OH 

1) Vom Peronin wird angegeben, dass es, obgleich wenig löslich, doch einen 
brennenden Geschmack besitzt. Von meinen Präparaten gilt das nicht. 

2) Archiv f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 65. S. 38. 

3) Zar Begründung der hier angegebenen Formelbilder verweise ich auf die Mit¬ 
teilung v. Braun’s. Berl. Ber. 


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Original fro-m 

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Pharmakologische Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


359 


/ NCN 

3) NH, C 16 H 13 0^-0H Amidocyannormorphin. 

X OH 

/NH 

4) C 16 H 16 0'-0H Dihydronorraorphin. 

x OH 

/NCH S CH S N X 

®) C 16 H 14 0.-0H H0/Ci 6 H, 4 0 Pcntametliylcndimorpliin. 

X 0 . (CH 2 ) 6 . CK 

/NH HN X 

(>) C 10 H 14 0;—OH H0/Cj 0 H ]4 0 Pcntamcthylcndinormorphin. 

X 0 . (CH 2 ) 5 .Ü X 

/NH 

7) C lt) H 14 0—0 . CH 3 Norcodein. 

X OH 

/NC 2 H 5 

8) C 16 H l4 0/0 . CH„ Isodionin. 

x OH 

/N . CH,. CH 2 . OH 

9) C 1c H 14 0-CKCH 3 Oxyacthylnoreodein. 

/N . CH,. COO . C,H r) 

10) Cjr.HuO 0 . CH, Essigsäurcestcr des Norcodeins. 

V OH 

/NC s H 7 

11) C 1( ;H 14 0/0 . CH S Propylnorcodein. 

x OH 

..N . CH,. CH,. C g H 6 

12) C 10 H 14 O x 0 . CH 3 Benzylcodein. 

X OH 

N CH C H 

13) C Ui H 14 0 x 0 . CH 3 Bcnzylnorcodein. 

X OH 

/NCH 2 . CO . C 6 H 6 

14) C lc H 14 0: 0 . CH S Acctophenoncodein. 

X OH 

/NH 

1») C ir ,H JC O x O . CH 3 Dihydronorcodein. 

X OH 

/NH 

16) NH, . C 10 H 13 O x O . CH 3 Amidonorcodein. 

X OH 

N NH 

17) C l6 H 14 0A>. CH S Hydrazinnorcodein. 

X OH 

Zeitschrift f. exp. Pathologie n. Therapie. 17. Bd. 


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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 



360 


Hertha Heimann, 


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18) 

19) 

20 ) 
21 ) 


/NH 

C 16 H 14 0^0. C 2 H 8 Nordionin. 
x OH 

yNH 

C 10 H 10 ^-OH Norapomorphin. 

*\)H 

/NH 

C,«H 14 <M). C 5 H., Noramylmorphin. 

X OH 

/N . CH S xN . CH S 

C 10 H 14 0(-0 . CH S und c 1 c h 14 o/o.ch 3 

X N . (CH 3 ) 2 X N . (C,H 5 ) 2 


Dimethyl- und Di- 
äthylaminocodein. 


Anhang. 


14. 2. 1914. 


11 Uhr 32 

Min. 

11 

n 

35 

1» 

11 


40 

m 

11 


46 

n 

11 

r 

48 


11 

r * 

49 

r> 

11 


53 

r 

11 


57 

w 

12 

r 

— 


12 

_ 

1 

r 

12 


35 

n 


Normorphin. 

Kaninchen 26, 1800 g. 

Intravenöse Injection von 2proc. Normorphin 0,02. 

Macht normalen Eindruck, bewegt sich spontan. 

Idem. 

0,02 intravenös. 

Atmung wird mühsam. 

Resp. 6/10 Sec. Salivation. Keine Narkose. 

Salivation geringer. Resp. 19/10 Sec. Läuft über das Zimmer. 
Droht auf die Seite zu fallen. 

Fällt auf die Seite, Extremitäten gleiten aus, Reflexe +. 
Erhebt sich wieder. Resp. 21/10 Sec. 

Tier macht normalen Eindruck. 


Normorphin (HCl-Salz). 

28.2. Kaninchen 41, 2300 g, Rect.- 
Ternp. 39,8, Resp. 18/10 Sec., 9/10 Sec., 
11/10 Sec., Puls 40/10 Sec. 

6 Uhr 9 Min. 0,04 subcutan. 


6 „ 

15 „ 

Sitzt ruhig, Kopf leicht 
nach vom geneigt. Resp. 
11/10 Sec. 

6 „ 

30 * 

Resp. 8/10 Sec. 

6 „ 

44 * 

Resp. f /10 Sec., 6,5/10 Sec. 

6 . 

50 r 

Reagiert noch auf Geräusch. 

6 „ 

55 * 

Resp. 6/10 Sec. 

7 „ 

r 

Rect.-Temp. 39,0, Puls 
50/10 Sec. 


24.2. Macht wieder normalen Eindruck. 


Morph, hydr. 

23. 2. Kaninchen 10, 2200 g, Rect.- 
Temp. 39,1, Resp.23/10Sec., Puls32/10Sec. 
6 Uhr 27 Min. 0,04 Morph, hydr. sub¬ 
cutan. 

Resp. 10/10 Sec. Sitzt ruhig, 
Kopf hängt herab, Schlaf¬ 
stellung. 

Resp. 6/10 Sec. Kopf ganz 
auf dem Boden gelagert. 
Resp. 8/10 Sec., 7/10 Sec. 
Scheinbar tiefer narkotisiert 
als Kaninchen 41. Reagiert 
nicht auf Geräusche. 

6 „ 55 „ Resp. 7/10 Seo. 

6 „ 56 „ Rect.-Temp. 38,7, Puls 

82/10 Sec. 

7 „ — „ Liegt dauernd flach auf dem 

Boden, Kopf auf der Unter¬ 
lage. 

24. 2. 9 Uhr a. m. Exitus. 


36 


45 


48 


Morph, hydr. 

24. 2. Kaninchen 9, 2200 g, Rect.- 
Temp. 38,8, Resp. 24/10 Sec., Puls42/10Sec. 
C Uhr 10 Min. 0,04 intravenös. 

G „ 15 „ Resp. 6/10 Sec. Liegt flach 

auf dem Boden. Bewegungen 
völlig aufgehoben, hebt nur 
zeitweilig den Kopf mühsam 
auf. Bleibt in Seitenlage 
ohne Widerstand liegen. 


Normorphin. 

24. 2. Kaninchen 8, 2200 g, Rect.- 
Temp. 38,8, Resp.26/10Sec., Puls45/10Sec. 
6 Uhr 15 Min. 0,04 intravenös. 


6 „ 

23 , 

Sitzt normal da, Resp. un¬ 
verändert. 

6 * 

30 „ 

Lebhaft, keine objective 
Aenderung im Verhalten. 


40 „ 

Resp. 12/10 Sec. Keine 
Salivation. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Pharmakologische Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


361 


6 Uhr 20 Min. Resp. 5/10 Sec., 7/10 Sec., 7 Uhr 35 Min. Rect.-Terap. 39,1, Resp. un- 

Puls 28/10 Sec. verändert. 

G „ 30 r Resp. 5/10 Sec., sehr flach. 

7 ,. 35 „ Rect.-Temp. 36,5. Narkose- 

wirkungimAbklingen,wehrt I 
sich gegen Seitenlagerung, | 
bewegt sich zeitweise, aber | 
noch immer flach auf dem 
Boden. Resp. 1 /10 Sec. 
von normaler Tiefe. 

Controllversnch mit Morph, hydrochlor. (vgl. den folgenden Versuch). 
Kaninchen 49, 2400 g. 

4 Uhr 15 Min. Resp. 24/10Sec., Rect.-Terap. 39,8, Puls48/10Sec. Normalharn Trommer-f. 

4 „ 29 „ 0,02 Morph, hydr. in die Ohrvene, sofort sinkt der Kopf auf die Unter¬ 

lage. Augen starr, werden halb geschlossen. Tier liegt auf dem Bauch. 
4 „ 30 „ Augen geschlossen. Resp. 7/10 Sec. 

4 „ 36 „ 0,02. 

4 „ 39 „ Augen geschlossen. 

4 „ 40 „ Liegt flach auf dem Boden, Resp. 3/10 Sec. 

4 „ 52 „ Auf je 3—4 Atemzüge folgt eine Pause. 

5,8. 0,02. 

5 „ 12 „ Schlafzustand. 

5 „ 20 „ Rect.-Temp. 38,1. 

5 „ 42 „ Harn, Trommer? 

7 „ — „ Rect.-Temp. 39,2. 

Normorphin. 

Kaninchen 28, 1800 g, Resp. 23/10 Scc., Puls 44/10 Sec., Rect.-Temp. 39,3. 

5 Uhr 40 Min. 0,04 in die Ohrvene. 

5 „ 42 „ Lässt den Kopf sinken. 

5 „ 45 „ Resp. 21/10 Sec. Zittern der Haut. 

5 „ 52 r 0,02. 

5 „ 55 „ Kopf am Boden, bleibt mit erhobenem Hinterteil sitzen. Leichtes 

Zittern über den ganzen Körper. Atmung wie oben. 

7 r — r Rect.-Temp. 39,1. Im Harn: Zucker 0. 

Normorphin. 

Kaninchen 10, 2400 g. 

4 Uhr 20 Min. Resp. 24/10 Sec., Rect.-Temp. 39,3, Puls 20,3/10 Sec. 

4 „ 25 „ 0,02 Normorphin in die Ohrvene. 

4 „ 31 „ Nihil. 

4 , 32 „ Resp. 24/10 Sec. Pupillen weit. 

4 „ 38 „ 0,02 Normorphin. 

4 r 39 * Resp. 28/10 Sec., Puls 17,3/10 Sec. 

4 „ 50 „ Normal. 

5 „ 10 „ 0,02 Normorphin. 

5 r 16 „ Fängt an, dem Anfangsbilde der Morphinwirkung zu ähneln. Dabei sind 

feine Zitterbewegungen der Haut zu bemerken. 

5 „ 20 „ Rect.-Temp. 39,0, Resp. 18/10 Sec. 

5 * 27 „ 0,02 Normorphin. Bleibt, in unnatürliche Stellungen gebracht, ruhig sitzen. 

5 „ 42 „ Harn: Zucker—. 

5 „ 45 * Rect.-Temp. 39,0. 

Normorphin (Kymographion). 

Kaninchen 58, 1800 g, Resp. 17/10 Sec., Druck 92 mm Hg. 

10 Uhr 30 Min. 0,02 intravenös. 

10 * 35 „ 0,02. Resp. 15/10 Sec. Nach jeder Injection schnell vorübergehende 

Drucksenkung auf 48, 56 mm Hg. 

10 * 38 „ 0,02. 

10 „ 41 r Krampfhafte Bewegungen, Drucksteigerung. Dauernde Unruhe. Resp. 

18/10 Sec. Druck 120 mm Hg. Cornealreflex abgeschwächt, Atmung 
etwas mühselig. Exspiration forciert, Druck 106 mm Gg. 

10 r 44 „ 0,04. Vorübergehende Drucksenkung nach der Injection auf 72 mm Hg. 

Atmung flacher 13/10 Sec. 

10 „ 47 „ Unruhe, krampfartige Zitterbewogungen. Convulsionen. Druck 110 mm Hg. 

24* 


Difitized 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



362 


Digitized by 


Hertha Hei mann, 


10 Uhr 50 Min. Resp. 13 10 Sec. Druck 100 mm Hg. 

11 . — r Abgebrochen. Kein Rauschzustand. Dosis 0,08 g. 

Normorphin (Kymographion-Kurve). 
Kaninchen 50, 2200 g. 

11 Uhr 50 Min. Resp. 9/10 Sec. Druck 94 mm Hg. 


11 

* 

54 

r 

0,02 intravenös. Sofort geringe Drucksenkung 52 mm Hg, die 
wieder zur Norm zurückgeht. Resp. 9/10 Sec. 

schnell 

11 

w 

56 

w 

Resp. 8 10 Scc. Druck 82 mm Hg. 


12 

V 

— 

n 

0,02. Wieder vorübergehende geringe Drucksenkung auf 60 mm 

Hg 

12 

r> 

1 

V 

Resp. 9/10 Sec. Druck 82 mm Hg. 


12 

r 

12 

n 

0,0*1. Vorübergehende Drucksenkung auf 42 mm Hg. 


12 

V 

14 

V 

Resp. 7/10 Sec. Druck 62 mm Hg. 


12 

- 

15 


Resp. 6/10 Sec. Druck 68 mm Hg. Tier liegt absolut ruhig, 
mühelos, Cornealreflex normal. 

atmet 





Normorphin (Kymographion). 



Kaninchen 2000 g, Resp. 6/10 Sec. 


12 

Uhr 43 Min. 

0,02 intravenös. Resp. 8/10 Scc. 


12 


45 

rt 

Resp. 6/10 Sec. 


12 

r» 

46 

* 

0,04. 


12 

r> 

47 

n 

Resp. 9/10 Sec. 


12 

rt 

52 

„ 

Resp. 8/10 Sec. 


12 

V 

53 

V 

0,02. Resp. 7/10 Sec. 



Tier bleibt während des ganzen Versuchs ruhig. Harn o. B. 


Hund, 5100 g. Puls 26.10 Sec., Resp. 6/10 Sec. Pupillen mittel. 

0,05 subcutan Normorphin. hydrochlor. 

Brochbewegungen ohne Erbrechen. 

Gähnt. Resp. 4 10 Sec. 

Macht kranken Eindruck, der Kopf senkt sich nieder, erhebt sieh wieder. 
Das Tier wehrt sich gegen zunehmende Schlafsucht, der Kopf sinkt, 
wird dann wieder gehoben. 

Idem. 

Im Einschlafen, Augen geschlossen. 

Idem. 

Stuhlentleerung. Bild des Haschischhundes \\>n Kränke l (Arch. f. exp. 
Path. Bd. 49). 

Steht und taumelt, Kopf gesenkt, Augen halb geschlossen. 

Liegt gestreckt in Schlafstellung. 

Sitzt apathisch in einer Ecke, Kopf gesenkt, Salivntion. 

Idem. Atemfrequenz 18 pro Minute. Harn reduziert. 


11 Uhr 

19 Min. 

11 

V 

22 

w 

11 


25 

n 

11 


30 

T 

11 

- 

32 


11 

Tt 

35 


11 

r* 

40 


12 

»• 

— 

r» 

12 

rt 

10 

r> 

12 


30 

r» 

1 

r 

5 


1 


25 


1 

T 

55 

r 


Normorphin. 

Rana temporaria. Herz freigelegt. Frequenz pro Minute 36—40 — 40. 
4 Uhr 36 Min. Injection von 0,02 Normorphin subcutan. 


4 

,, 

38 

* 

Frequenz pro Minute 46 —46. 

4 

rt 

39 

rt 

„ r 46—44. 

4 

r 

44 

n 

* * * 44. 

4 

r> 

45 

„ 

0,02. 

4 

rt 

47 

r 

Frequenz pro Minute 44—44—42. Es macht den Eindruck, als ob der 
Ventrikel kleiner geworden sei; die diastolische Dehnung ist unvollkommen. 

4 

r 

49 

r 

Frequenz pro Minute 40. 

4 

T 

52 

r> 

„ 32-40. 

5 


7 

V 

. 32-33-32. 

(’) 

r 

— 


„ 28. Herz schlaft, ungenügend gefüllt. 


Dihydromorphi». 


27. 6. Rana osculenta, 42 g. 
9 Uhr 5 Min. 0,01 g subcutan. 


15 „ 

Nihil. 

17 „ 

0,01. 

28 „ 

Nihil. 


10 .. — r Gesteigerte Reflexerregbarkeit. 

4 „ — r Erregbarkeit hat abgenoramen, ist aber immer noch stärker als normal. 

An der Schlagfolge des Herzens hat sich nichts geändert. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSSTY OF MICHIGAN 



Pharmakologische Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


363 


Dihydronormorpkin. 

27. 6. Esculenta, 42 g. 

9 Uhr 5 Min. 0,01 subcutan. 

9 * 15 „ 0. 

9 „ 17 „ 0,01. 

9 „ 28 „ 0. 

29. 6., 10 Uhr — Min. Maximale Reflexerregbarkeitssteigerung. 
dem Bauch, auf jegliche Berührung maximaler Strecktetanus. 

4 Uhr — Min. Idem. 

1. 7. Immer noch übererregbar. 


Liegt platt auf 


Dikydromorpkin. 

Kaninchen 1600 g, Puls 39/10 Sec., Resp. 25/10 Sec. 

5 Uhr 2 Min. 0,005 intravenös (Ohr). 

5 „ 5 „ Tier lässt den Kopf sinken. Resp. ll/10Scc. 

5 „ 15 „ Resp. 11/10. 

5 „ 20 „ 0,005, Resp. 10/10 Sec. Tier liegt flach auf dem Boden. 

5 „ 24 „ Resp. flach 7/10 Sec., Puls 19/10 Sec., 20/10 Sec., klein, irregularis. 

5 „ 30 „ Cornealreflex abgeschwächt. Resp. 7/10 Scc., sehr flach. Bleibt kata- 

leptisch in jeder beliebigen Lage. 

5 „ 40 „ Resp. 6/10 Sec. 

5 * 55 * 8/10 Sec., Resp. wird tiefer, das Tier erholt sich. 


Dikydronormorpkin (Fieberversuch). 

Kaninchen, 2300 g. 

7 Uhr 30 Min., Rect.-Temp. 39,4. 

8 * — „ * 39,4, 15 ccm Heuinfus subcutan. 

9 * - „ „ 39,6. 

9 „ 30 „ . 40,0. 

10 „ 20 „ „ 40,6. 

10 „ 25 „ 0,1 Dihydronormophin subcutan. 

11 „ - „ * 39,5. 

11 * 30 „ * 38,5. 

12 „ - * , 38,2. 

12 „ 30 „ „ 38,1. 

1 „ - . „ 38,0. 

2 * 40 r r 38,0. 

4 „ — „ „ 38,2, Allgemcincindruck normal, Resp. 7/10. 

5 „ * „ 38,5. 

6 „ — „ „ 39,1. 

31. 7., 10 Uhr — Min. Rect.-Temp. 39,9. 

Pentametkylendimorpkin. 

Kaninchen, 1800 g, Resp. Druckschreiber in der Carotis, Trachcalcanülc. 

4 Uhr 43 Min. 0,005 intravenös (Ohr), geringe Pulsverlangsamung, Atmung unverändert. 
4 45 „ 0,005. Atmung wird flach, verlangsamt. 

4 47 „ Krämpfe. 

4 „ 48 , Atmung setzt ganz aus. Druck bleibt dauernd hoch, Puls sehr ver¬ 

langsamt (Kurve), wiederholte Convulsionen. 

4 „ 53 „ Exitus. Lähmung des Atemcentrums, Vagusreizung. 

Pentametkylendimorpkin. 

Hund, 8,9 kg, Puls 21/10 Sec., Resp. 13/30 Scc. 

3 Uhr 57 Min. 0,05 subcutan. 

4 - 5 „ Resp. 33/30 Sec., 36 30 Scc. Macht etwas schläfrigen Eindruck. 

4 „ 10 „ Erbrechen. Schläfrig, schwankt leicht. 

4 . 15 Resp. 36 30 Sec. 

4 „ 18 „ Resp. 21/30 Sec. 

4 . 25 ., 0,045. 

4 . 30 „ Taumelt. 

4 « 35 „ Resp. 15/30 Sec., 18,30 Sec. 

4 .. 40 „ Macht wieder normalen Eindruck. 

5 „ 30 „ Normal. 


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Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



364 


Hertha Heimann, 


Pentamethylendinormorphin. 

Rana esculenta, 67 g. 

8 Uhr — Min. 0,02 subcutan. 

9 * — „ Bleibt in Rückenlage einige Zeit liegen. Kann sich aber wieder erheben. 

9 „ 45 „ Extremitätenreflexe +. Hypotonie, Katalepsie. 

10 „ 10 „ Extremitätenreflexe sehr abgeschwächt. 

12 „ 25 „ Dreht sich spontan aus Rücken- in Bauchlage. Herz blossgelegt: 

ziemlich schlaff. Nervus ischiadicus freigelegt: normal erregbar. 

Rana esculenta, 32 g. 

3 Uhr 35 Min. 0,005 subcutan. 

3 „ 45 * Bleibt bis 4 Uhr in Rückenlage liegen. Reflexe +. Ruhiger als 

normal, sonst o. B. 

16. 5. normal. 

NH NH 

Pentamethylendinormorphin. C, 6 H 14 0 r OH OH x C 16 H u O 

0.(CHs) 6 —O x 

Kaninchen, 1800 g, Resp. 28/10 Sec. 

11 Uhr 50 Min. 0,005 intravenös (Ohrvene). 

11 „ 52 w Resp. 28/10 Sec., 28/10 Sec., sonst o. B. 

12 „ - * 0,005. 

12 n 3 „ Resp. 24/10 Sec. 

12 „ 9 w Resp. 26/10 Sec. 

12 „ 15 „ 0,005, Resp. 22/10 Sec. Etwas unregelmässig. 

12 „ 30 , 0,005. Keine Allgemeinerscheinungen. Rect.-Temp. 39,2. 

I „ 30 * Tier völlig normal. 

Codein. phosph. 

Kaninchen, 1700 g, Resp. 20/10 Sec., Puls 35/10 Sec. 

3 Uhr 15 Min. 0,02 (Ohrvene). 

3 „ 30 * 0,01. Resp. und Puls unverändert. 

3 „ 40 * Aengstlich, schreckhaft. Resp. beschleunigt, Puls unverändert. Hockt 

am Boden. 

3 „ 50 „ 0,01, Resp. 18/10 Sec. Vorübergehend vertieft. 

3 „ 55 „ Kopfhaltung unsicher, schwankend, leichtes Zittern des ganzen Körpers. 

Sinkt auf die Unterlage. 

4 „ 3 „ 0,02, Resp. 17/10 Sec. Flach hockend, Kopf auf dem Boden. Schreckhaft. 

Verabreichte Dosis: 0,085 pro Kilogramm. Grenze der krampferregenden Dosis. 

Norcodein. 

Kaninchen, 1600 g. 

II Uhr 33 Min. 2 ccm der nicht ganz Iproc. Lösung in 0,9 NaCl. 

11 * 53 w Keine Erscheinungen. 2 ccm. 

12 n 13 „ Keine Erscheinungen. 

12 „ 14 „ 5 ccm. 

12 „ 32 „ Keine Erscheinungen. 

12 n 84 n 5 ccm. 

1 „ — „ Keine Allgemeinerscheinungen. 

Dasselbe Tier wird nachmittags zu einem Kymographionversuch verwendet; 4 ccm 
derselben Lösung, also fast 0,04 intravenös, rufen nur vorübergehende Drucksenkung 
hervor von 80 auf 64 mm Hg. Puls von 20 auf 16 in 5 Secunden. Am Darm von innen 
appliciert allmählich lähmend. 

NCH 2 . CH 2 0H 

Oxyaethylnorcodein. Ci 8 H 14 OfOCH 3 

x OH 

Rana esculenta, 42 g. 

5 Uhr 5 Min. 0,02 subcutan. 

5 „ 15 „ Nihil. 

5 „ 27 „ Noch lebhaft, bleibt aber in Rückenlage liegen, Extremitäten von nor¬ 

malem Tonus. Reflexe o. B. 

5 „ 30 „ Dreht sich spontan wieder um. 

7 „ — „ Normal. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Pbarmakologisohe Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


365 


Kana tempor.. 34 g, Herz blossgelegt, Puls 11/10 Sec. 
5 Uhr 20 Min. 0,02 subcutan. 


5 

»» 

22 , 

Puls 8/10 Sec. 


5 


23 , 

, 7/10 . 

Kräftige Systole. 

5 

» 

27 „ 

. 7/10 „ 


5 

V 

32 , 

. 7/10 „ 


5 

ft 

45 . 

, 7/10 . 


5 


52 „ 

- 7/10 , 

Systole kräftig. Herz erschlafft nicht völlig. 

6 

n 

20 , 

. 7/10 , 



NCH 2 . CH 2 0I1 

Oxyaethylnorcodein. C 16 H 14 X OCH a 

x OH 

Kaninchen, 1700g, Rect.-Temp. 39,5, Puls 42/10 Sec., Resp. unregelmässig etwa 
16-20/10 Sec. 

6 Uhr 3 Min. 0,01 in die Ohrvene. 

6 „ 8 „ 0 , 01 . 

6 * 25 * 0,01. 

6 „ 38 „ 0,02. 

6 „ 44 „ Puls 40/10 Sec., Resp. unverändert. 

7 * — „ 0,01. 

7 „ 15 „ Tier sieht lebhaft umher, keine objcctiv wahrnehmbare Veränderung. 


.N. CHjCOOOoHß 

Essigsäureester des Norcodeins schwach sauer. C ie H u O^-OCH 8 

x OH 

Kaninchen, 1800 g, Puls 88/10 Sec., 40/10 Sec.; Resp. 22/10 Seo., 27/10 Sec. 

5 Uhr 1 Min. 0,01 intravenös (Ohr). 

5 „ 7 „ 0,01. Flach auf dem Boden, Augen halb geschlossen, reagiert noch auf 

Anruf. Resp. 20/10 Sec. 

5 „ 15 0,01. 

5 „ 18 „ Wie 5 Uhr 7 Min., Resp. 8/10 Sec., 12/10 Sec. 

5 * 30 „ 0,02. Leichtester Grad von Narkose. 

5 „ 32 „ R^esp. 14/10 Sec. 

5 „ 42 „ Resp. 11/10 Sec., 12/10 Sec., Puls 37/10 Sec. Regolmässig und kräftig. 

5 „ 50 „ 0,01. Resp. 13/10 Sec., 14/10 Sec. 

6 „ 10 „ Normal. 

/NC 8 H 7 

Propylnorcodein HCl-Salz. Ci 8 H 14 O x OCH 8 

x OH 

Kaninchen, 2200 g, Rect.-Temp. 39,6, Puls 45/10 Sec., Resp. 14/10 Sec., 23/10 Sec. 
5 Uhr 35 Min. 0,02 (Ohrvene) 0. 

5 * 45 „ 0,02. 

5 „ 50 „ 0,02. Vorübergehende Beschleunigung d. Resp. 

Wirkt deutlich lähmend auf den isolierten Kaninchendarm. 


/ nch 2 . ch 2 . c 6 h 5 

ßenzylcodein. Ci 6 H 14 0. 0CH 3 (Präparat vom 16. 6.) 

x OH 

Kaninchen 1700 g. 


10 Uhr 

9 Min. 

Puls 39/10 Sec., Resp. 24/10 Sec. 

10 


12 

n 

0,01 intravenös (Ohr), Resp. sofort deutlich verlangsamt 8/10 Sec. 

10 

T* 

15 

yi 

Tier ganz ruhig. 

10 

** 

21 


Puls 21/10, klein. 

10 


25 

1) 

0,005. Resp. 4/10 Sec. Kopf sinkt zu Boden. 

10 

1» 

26 

n 

Deutlicher Cheyne-Stokes. 

10 

n 

28 

w 

Atemstörung dauert an, Reflexe +. 

10 

« 

29 

w 

Puls klein. 

10 

rt 

32 

n 

Schliesst die Augen, ausgesprochene Katalepsie, bleibt in abnormen 
Stellungen ohne Gegenaction. 

10 

m 

42 

ft 

Puls 42/10. 

10 

rt 

44 

ft 

Kopf gehoben, Resp. verlangsamt 

10 

» 

46 

rt 

0 , 01 . 

Kopf sinkt; Atempausen, Pupillen weit. 

10 

it 

48 

7) 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



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366 


Hertha Heimann, 


11 Uhr —Min. Puls 11/10 Sec., Augen halb geschlossen. 

11 „ 20 „ Hebt den Kopf, normaler Eindruck. 

18. 6. Lebt. In einem 2. Versuch nach 0,085 typische Atemlähmung bei massig 
narkotischer Wirkung. 


.NCH 2 C 6 H 6 

Benzylnorcodein in H 2 S0 4 gelöst, eine Spur sauer. C ie H u O^OCH 8 

x OH 

Kaninchen, 1800 g, Resp. 14/10 Sec. 

6 Uhr 20 Min. 0,02 intravenös (Ohrvene), grosse Unruhe während der Injection. Resp. 
16/10 Sec. 

6 „ 30 „ 0,02. Injection wird gut vertragen. Resp. 12/10 Sec. 

6 „ 35 * Allgemeinzustand normal. 

6 „ 40 * 0,02. Resp. 12/10 Sec. 

6 „ 47 „ Nihil. 

6 - 57 „ 0,02. 

7 * 15 „ Normal. 

Resume: Indifferent. Beim Frosch subcutan ebenfalls indifferent. 


>NCH 2 . CO . C 6 H 5 

Acetophenoncodein. C 16 H 14 (X-OCII 3 

OH 

Kaninchen, 1750 g, Rect.-Tcmp. 39,5, Puls 40/10 Sec., Resp. 20/10 Sec. 

5 Uhr 47 Min. 0,02 intravenös (Ohr). 

5 * 50 * 0,02. 

5 „ 53 „ Kopf auf dem Boden. Katalepsie angedeutet. Resp. 14/10 Sec., 

18/10 Sec. 

5 * 57 „ Katalepsie deutlicher. Resp. 12/10 Sec. 

6 * 5 * 0,01. 

6 „ 11 „ Resp. 8/10 Sec., Puls 29/10 Sec. 

6 „ 15 „ Resp. 8/10 Sec., 10/10 Sec. Erhebt den Kopf, lässt ihn aber wieder 

sinken. 

6 „ 20 ., Rect.-Temp. 38,8. 

6 „ 27 „ Fast normal. 

Resume: Geringe Atemverlangsamung, vorübergehende leichte Narkose. 


Dihydronorcodein. 

Kaninchen, 2100 g. Druckschreiber in der Carotis, Trachealcaniilc. 

5 Uhr 32 Min. 0,1 intravenös (Ohr) langsame Injection. Nach 0,08 sinkt der Druck 
allmählich. 

5 „ 35 „ Blutdruck beträgt nur noch die Hälfte des Anfangswertes. 

5 „ 36 « Druck steigt wieder. 

5 „ 45 „ 


Normal. 

48 T Normal. Resp. ist unverändert geblieben. 


/NH 

Amidonorcodein. C^HjgNHoO^ OCH-, 

OH 

Kaninchen, 1800 g. Druckschreiber in der Carotis, Trachealcanülc. Resp. 8/10 Sec. 
4 Uhr 45 Min. 0,02 intravenös (Ohr). 


4 

r» 

46 

* 

Resp. 10/10 Sec. 

4 


47 

•j 

0,02. 

4 


48 

r 

Resp. 12/10 Sec. 

4 


49 

T) 

0,04. Resp. 10 10 Sec., 12/10 Sec. Druck bleibt unverändert. 

4 


50 

r> 

0,02. 

4 


51 


Resp. 13/10 Sec. 

4 

„ 

52 


Resp. 15/10 Sec. 

4 


53 

V 

Resp. 18/10 Sec. 

4 


54 


0,05. Resp. 10/10 Sec. 

4 


56 


Resp. 14/10 Sec., 16/10 Sec. 

4 


58 


Resp. 15/10 Sec. 

5 

.. 

10 


Resp. 11/10 Sec., 10 10 Sec. Tier zeigt nach dem Abspannen keine 


Narkose. 0,15 indifferent. Rect.-Temp. 38,2. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Pharmakologische Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


367 


Hydrazinnorcodein. 

N • NH 2 

CieHuO-eOCH. in H 2 S0 4 in Lösung gebracht, schwach sauer. 
x OH 


Kaninchen, 1800 g. Resp. 15/10 Sec., Rect.-Temp. 39,2, Puls 33/10 Sec. 
11 Uhr 17 Min. 0,005 intravenös (Ohrvene). 

Resp. 16/10 Sec. 

Puls 33/10 Sec. 

q’q{- 11 Uhr 21 Min. Resp. 18/10 Sec. 


18 

19 

20 
23 
26 
29 
32 
35 
45 


11 . 

25 , 

Resp. 17/10 

Sec., 

Puls 36/10 Sec. 

11 , 

27 , 

Resp. 19/10 

Sec. 


11 » 

30 „ 

Resp. 18/10 

Sec. 


11 , 

33 „ 

Resp. 20/10 

Sec., 

Puls 36/10 Sec. 

11 * 

49 » 

Resp. 19/10 

Sec. 



12 „ 9 

12 „ 20 
12 „ 30 


0 , 01 . 

0 , 01 . 

0 , 01 . 

0 , 01 . 

0 , 02 . 

0,085. Keine Allgemeinerscheinungen. 
Rect.-Temp. 38,3. 

Rect.-Temp. 39. 

Harn: 0 Eiweiss, 0 Zucker. 


Nordionin. 

Kaninchen, 2300 g. Rect.-Temp. 39,1, Puls 43/10, Resp. unregelmässig. 

1 Uhr — Min. 0,02 (Ohrvene). 

1 * 10 * 0 , 02 . 

1 „ 35 „ 0,02. 

1 * 38 „ Resp. 14/10 Sec., Puls 43/10 Sec. Pupillen mittelweit. Kaum wahr¬ 

nehmbare Beruhigung. 


Dionin. 

Kaninchen, 2100 g. Puls 41/10 Sec., Resp. wechselnd. 

12 Uhr 55 Min. Injection (intravenös) von 2 ccm einer 1,047 proc., d. h. einer der lproc. 

Nordioninlösung äquimolekularen Lösung. 

1 * 5 „ Nihil. 

1 „ 7 „ 2 ccm. 

1 * 14 „ Liegt mit offenen Augen flach auf dem Boden, Kopf auf der Unterlage. 

Reagiert noch lebhaft auf äussere Eindrücke. 

I „ 30 „ 2 ccm. 

1 „ 37 ' Resp. 16/10 Sec., Puls 38/10 Sec. 

1 „ 50 „ 2 ccm. 

2 „ — „ Wie 1 Uhr 14 Min., Pupillen mittelweit. 


Norapomorphin. 


Weisser Hund, sehr munter, 6 kg. Rect.-Temp. 38,8, Puls 26/10 Sec., Resp. 
20/30 Sec.? 


4 Uhr 20 Min 
4 n 25 * 

4 * 30 „ 

4 „ 33 „ 
4 , 35 „ 

4 - 38 „ 

4 „ 40 „ 

4 ^ 42 w 

4 « 50 

4 „ 52 „ 

5 „ 2 „ 

5 . 5 „ 

5 „ 7 ., 


0,0032 subcutan. 

Nihil. 

Resp. 10/30 Sec. 

0,0032 subcutan. 

Lehnt halb sitzend an der Kätigwand, verfolgt aber aufmerksam, was 
um ihn vorgeht. 

Augenzwinkern, Kopf nach vorn geneigt. 

Schlafsucht, Resp. 6/30 Sec. Gurren im Leib. 

Augen halb geschlossen, Kopf sinkt nach vorn, richtet sich wieder auf, 
gegen den Schlaf kämpfend. 

Die Schläfrigkeit hat abgenommen, doch ist er noch immer ruhiger als 
normal. 

Zusammengekauert. Resp. 10/30 Sec. Das Gurren im Leib hält uoch an. 
0,0128. 

Erbrechen, Unruhe, kann sich nicht auf den Beinen halten. 

Erbrechen. Resp. 10/30 Sec. 

Sitzt ruhig, an die Wand gelehnt, in sich zusammengesunkeu, Kopf auf 
die Schulter geneigt. Gurren im Leib. 


Digitized by t^oucf le 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



368 


Hertha Heimann, 


Digitized by 


5 Uhr 15 Min. 

5 „ 16 „ 

5 * 18 „ 

5 „ 27 „ 

5 - 33 r 

5 „ 35 „ 

5 * 47 „ 


Kopf auf der Unterlage; wird wieder gehoben, sinkt gleich darauf wieder 
zurück. Stöhnt, wird unruhig. 

Reichliches Erbrechen. 

Kopf auf dem Boden. 

Abgang von geformtem und ungeformtem Stuhl. 

Steht unsicher, schräg an die Wand gelehnt, Kopf herabgesunken (Ein¬ 
druck wie bei Normorphin beschrieben). 

Contractionen des Leibes. 

Sinkt bei jedem Versuch zu stehen in sich zusammen. 


Apomorphin. 


5 


5 

6 

6 

7 


Kaninchen 18, 1600 g. Resp. 30/10 Sec., Puls 48/10 Sec , Rect.-Temp. 39,2. 

Uhr 34 Min. 0,0169 in die Ohrvene. Beginnt sofort zu taumeln, wird sehr unruhig, 
Resp. ungemein rasch. Springt schreckhaft herum, geht rückwärts, 
schlägt mit den Hinterbeinen heftig auf den Boden. Schnüffelt, schluckt. 

„ 55 „ Rect.-Temp. 38,8. Nagt auf dem Boden herum. 

„ 10 r Aufregungszustand dauert an, nagt an allen hingereichten Gegenständen, 
frisst aber nicht. 

„ 50 r Idem, sitzt geduckt, schreckhaft, schlägt wütend mit den Hinterbeinen 

auf den Boden. 

„ — r Rect.-Temp. 39,6. 


Katzenversuche. 

Normorphin. 

Katze, 2200 g. 


10 Uhr 30 Min. 

Resp. 4/10 Sec., Rect.-Temp. 39,2. Pupillen mittelweit. 

10 

r> 

34 

n 

0,05 g Normorphin subcutan. 

10 

r> 

36 

V 

Schnalzt und schleckt mit der Zunge. Heftige Brechbewegungen. 

10 

„ 

48 

TJ 

Resp. 4/10 Sec. 

11 


— 

„ 

Leichte Schreckhaftigkeit bei Berührung des Käfigs. 

11 

„ 

30 

r» 

Zunehmende Schreckhaftigkeit, springt gegen die Wand, Pupilion weit. 

12 

- 

— 

T 

Dreht sich um die eigene Achse — typische Morphinerscheinung — 
läuft aufgeregt im Käfig herum, Halluzinationen? 

12 


5 


Idem. 

12 


15 


Raserei. 

12 


30 

y. 

Springt in die Höhe. 

1 

T 

— 


Grösste Erregung, Atmungsbeschleunigung. 


2 r — „ Tod. 

Dihydromorphin. 

Katze, 1700 g. Puls 49/10 Sec., Rect.-Temp. 38,2. Resp. unregelmässig, da das 
lebhafte Tier heftig widerstrebt. Pupillen mittelweit. 


11 

Uhr 

10 Min. 

0,05 subcutan. 

11 

n 

15 


Sitzt still in der Ecke, gegen Geräusch sehr schreckhaft. 

11 


20 

T 

Unruhe, maximal erweiterte Pupillen. 

11 


22 

T 

Läuft aufgeregt im Käfig herum, kein Erbrechen. 

11 


30 

r 

Aengstliche, scheue Bewegungen, dreht sich um die eigene Achse, läuft 
wie verfolgt umher. 

11 


45 


Idem. 

11 

,, 

55 

T 

Keine deutliche Respirationsbeschleunigung. 

12 

„ 

— 

•1 

Die Erregung nimmt noch zu. 

3 

n 

30 

TI 

Aufgeregt, Salivation, Pupillen weit. 

4 

« 

30 

„ 

Aufregung, nimmt keine Nahrung. 

5 

n 

30 

V 

Springt aufgeregt und ängstlich im Käfig herum. 


27. 6, 8 Uhr a. m. Noch immer erregt und schreckhaft. Seit Beginn des Versuchs 
kein Harn gelassen. 

28. 6. Schreckhaft. 

29. 6. Liegt auf der Seite. Tod gegen 12 Uhr mittags. Gewicht 1420 g. 

Dihydronormorphin. 

Katze, 1800 g. 

10 Uhr 40 Min. 0,05 subcutan. 

10 „ 42 „ Erbrechen, Pupillen weit. 

10 „ 44 „ Steht ruhig da, leckt die Schnauze. Würgen. 

10 „ 49 ,, Hockt apathisch in der Ecke. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 



Pharmakologische Untersuchung über Nor-Morphinderivate. 


369 


11 Uhr 10 Min. Etwas ängstlich. 

11 „ 17 „ Die Scheu nimmt zu. 

11 ^ 25 „ Aengstliche, etwas schwankende Bewegungen. 

11 „ 45 „ Läuft ängstlich, ratlos, taumelnd hin und her, dreht sich um die 

eigene Achse. 

12 „ — „ Aufregung nimmt noch zu. 

12 „ 20 r Taumelt gegen die Käfigwand, sehr aufgeregt. 

4 „ — „ Taumelnder Gang, Zusaramenfahren beim Anklopfen an den Käfig. 

Rect.-Temp. 38,4. 


y NCH 8 NCH 3 

Pentamethylendimorphin. C 16 H 14 0 mDH OH- 0C 16 1I 14 

x O(CH 2 )5 — o x 


Katze, 1700 g. Puls 41/10 Sec., Resp. 10/10 Sec., 18/10 Sec., Rect.-Temp. 39,2. 
Pupillen mittelweit. 

11 Uhr 55 Min. 0,05 subcutan. 

12 „ — „ Resp. 12/10 Sec. Sitzt auffallend ruhig, Augen halb geschlossen, Kopf 

sinkt vornüber, kämpft mit dem Schlaf. 

12 r 5 „ Resp. 16/10 Sec. Lehnt halb liegend an der Käfigwand, unfähig sich 

aufrecht zu halten, Maul geöffnet. 

12 „ 7 „ Abgang von geformtem und ungeformtera Stuhl. 

12 „ 9 „ Resp. 26/10 Sec., etwas unregelmässig. Läuft langsam im Käfig herum, 

kläglich schreiend. 

12 „ 15 * Resp. 39/10 Sec., Rect.-Temp. 38,5. 

12 „ 16 „ Resp. 30/10 Sec. Liegt stark dyspnoisch auf der Seite, Augen halb 

geschlossen. 

12 „ 17 „ Resp. 26/10 Sec., Puls 35/10 Sec. 

12 „ 20 „ Schläft, reagiert nicht auf Berührung, Reflexe+• Resp. 24/10 Sec. 

12 „ 22 Hebt den Kopf wieder, Pupillen sehr eng. 

12 „ 25 „ Resp. 33/10 Sec. 

12 „ 28 „ Richtet sich auf, sitzt. 

12 * 33 * Liegt wieder mit geschlossenen Augen. Resp. 22/10 Sec. 

12 „ 50 ,, Liegt lang ausgestreckt, wie schlafend. Resp. 13/10 Sec. 

1 „ 35 „ Schläft ruhig. Resp. 10/10 Sec. 

2 „ — „ Idem. 

2 r 15 * Abgang von dünnem Stuhl. 

2 „ 25 „ Liegt, fast völlig gelähmt, mitunter krampfhafte Bewegungen, versucht 

aufzustehen, krampfhaft zuckende Resp. 5/10 Sec. Rellcxc stark herab¬ 
gesetzt. 

2 „ 35 * Idem. Allgemeine krampfhafte Zuckungen, stark dyspnoisehc Atmung. 

Resp. 5/10 Sec. 

2 „ 50 „ Tod. 

Section: Darmschleimhaut anämisch, sonst o. B. 


Pentamethylenriinormorphiii. 

Katze mittelgross. 

5 Uhr 7 Min. 0,042 subcutan. 

5 „ 12 „ Sitzt etwas apathisch da, leckt andauernd die Schnauze. 

5 r 13 „ Brechbewegungen, Schlucken, Pupillenweite unverändert. 

5 „ 15 „ Augen halb geschlossen. Häufige Einziehungen des Leibes. 

6 r 25 „ Sitzt immer noch ruhig in der Ecke, etwas schreckhaft, fährt bei Be¬ 

rührung des Käfigs zusammen. Resp. 24/60 Sec. Pupillen wie oben. 


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XXV. 


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Ueber das N-Allylnorcodein, einen Antagonisten 
des Morphins. 

Von 

Julius Pohl. 

(Mit 8 Kurven im Text.) 


Durch v. Braun 1 ) ist eine Methode angegeben worden, das am N 
gebundene Alkyl in Alkaloiden abzuspalten. Die pharmakologische Be¬ 
deutung dieses Verfahrens liegt vielleicht weniger darin, dass die ent- 
alkylierten Körper neue überraschende Wirkungen 2 ) zeigen, als vielmehr 
darin, dass wir das abgespaltene Alkyl durch andere Gruppen ersetzen 
können und hierdurch eine zielbewusste partielle Synthese in diesem 
grossen Gebiet möglich geworden ist. 

Als Beleg hierfür mögen Erfahrungen wiedergegeben werden, die ich 
mit einem auf meinen Wunsch zuerst von Herrn Prof. v. Braun, sodann 
von der Fabrik Hoffraann-La Roche synthetisierten N-Allylnorcodein 
gemacht habe. Seit Jahren halte ich es für wünschenswert, an Stelle der 
meistbenützten, empirisch gefundenen Erregungsraittel der Atmung bessere 
synthetisch dargcstellte auszuproben. Dem von G. Bry 3 ) beschriebenen, 
in dieser Richtung wirksamen p-Oxyphenyläthylbenzylamin, sowie dem 
Aminomethylhydrinden haftet der Uebelstand an, neben der Wirkung auf 
die Respiration noch Nebenwirkungen auszulösen, so dass bei ihrer klini¬ 
schen Erprobung nur vorsichtig abgestufte Dosen empfehlenswert wären, 
ln den zu beschreibenden Noralkaloiden liegen Stoffe vor, die bereits in 
geringer Dosis deutliche centralerregende Eigenschaften zeigen, während 
toxische Nebenwirkungen ganz zurücktreten. 

Laboratoriumserfahrungen bestimmter Art haben mich veranlasst, 
Allylderivate verschiedensten Baues auf ihre pharmakologischen Wir¬ 
kungen hin untersuchen zu lassen. Diese Erfahrungen, die in ihren 
Einzelheiten von H. Piazza 4 ) veröffentlicht wurden, haben die Er¬ 
kenntnis gebracht, dass die Allylgruppe unter bestimmten Verhältnissen 
die Respirationsenergie steigert: wie die Allylsenföle ausgesprochen local 
reizend wirken, so gibt cs andere Allylverbindungen, die das Lungen¬ 
parenchym hyperämisieren, andere wieder, die vorwiegend auf Leber¬ 
und Nierenfunctionen ändernd einwirken. So lag der Wunsch nahe, diese 
Reizwirkung in alkaloidischen Stoffen auf das centrale Nervensystem 
zu lenken. Die vorstehend veröffentlichte Untersuchung Heiraanns hat 

1) Bert. Ber. Bd. 47. S. 2312. 

2) s. Arbeit Hei mann in diesem Heft. 

3) Diese Zeitschr. Bd. 1B. 

4) Dieses Heft. S. 318. 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Ueber das N-Allylnoroodein, einen Antagonisten des Morphins. 


371 


ergeben, dass dem Normorphin, dem Norcodein und homologen Verbin¬ 
dungen gegenüber den Ausgangsalkaloidcn eine meist quantitativ abge- 
schwächtc, nur vereinzelt qualitativ veränderte Wirkung zukommt. Wie 
ändert sich nun die Grundwirkung des Morphins, des Codeins nach Ein¬ 
führung der Allylgruppe? 

Zur Uebersicht sei es gestattet, die Formeln der hierher gehörigen 
Alkaloide anzuführen. 


NCH S 

I. c 10 h 14 ö(oh 
x oh 

Morphin. 


„NCH S 
11. C lo ll 14 0 OCH, 
x OH 

Codein. 


.NIT 

111. C lf ,H u O-OCH s 
'OH 

Norcodein. 


iv. c 10 n 14 o; och 3 


'OH 

N'-Allylnorcodein. 


NC,H« 


NH 

V. c 16 h 14 o(-oo 3 h 5 
x OH 

O-Allyloormorphin. 


,nch 3 >) 

VI. c ia H 14 o;-oc s H f> 
'OH 

O-Allylraorphin. 


Das O-Allylnormorphin (Formel V) machte selbst in relativ grossen 
Dosen von 0,1 g intravenös bei einem 1600 g-Kaninchen keine wesent¬ 
lichen Erscheinungen; hingegen ist das nun ausführlich zu behandelnde 
N-Allylnorcodein (Formel IV) eigenartig wirksam; die Substitution 
am cyklisch gebundenen N ist somit wesentlich anders als die 
am phenolischen Hydroxyl des Morphins (vgl. auch die Bemerkung 
über die Morphinmethine S. 382). 

Das N-Allylnorcodein wird im Sinne folgender Gleichung aus Norcodein 
mit Allyljodid gewonnen. 

, .NH x .NH. JH /NC 3 H 5 

2- C lti H 14 0(0CH 3 )+C 3 H 6 J = C lfl H 14 0(üCH3 + ^H 14 o; 0C1I 3 
' OH > X OH N OH 

Analyse (von Braun): 

0,1448 Substanz (SP = 92—93°) 

0,0956 IIoO, 0,3912 C0 2 
Bcr.: C = 73,85 pCt. H = 7,08 pCt. 

Gef.: C = 73,68 pCt. H = 7,39 pCt. 

Ich benütze die Gelegenheit, um sowohl Herrn Prof. v. Braun als 
auch der Fabrik Hoffmann-Larochc wärmsten Dank für Darstellung 
des Präparates zu sagen. 

I. 

Kleine Dosen dieses Körpers, z. B. 0,04 g, sind subcutan ohne sicht¬ 
bare Wirkung. Erst nach Wiederholung dieser Menge treten leichte 
Zuckungen, Unruhe des Tieres, leichte Respirationsbeschleunigung, alles 
aber nur vorübergehend auf. intravenös bedingen 0,02 g zunächst gar 
keine centralen Störungen, insbesondere fehlt jede Spur von Narkose. 
Die gleiche Menge Morphin, auf demselben Wege gereicht, bedingt natür¬ 
lich ausgesprochene Verlangsamung der Atmung, Schlafsucht usw. Geht 

1) Ueber dieses Allylmorphin (Formel VI), das weniger narkotisch und nicht 
respirationslähmend, wohl aber depressorisch auf den Blutdruck wirkt, siehe eine 
Bemerkung in Therap. Monatsh. 1915. Nr. 4. S. 218 und ausführlichen Bericht von 
A. Mayor und B. Wiki in Revue medicale de la Suisse romande. Bd. 35. H. 1. 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 




mm «ii'?r dies«: Dnr.o: hinaus, so entwickeln sieh deutlicbe förregnngs-- 
Uns Tivr Wird' unruhig * Kr.iiiijifi' loinhlcstör Art. -irrte» 
vonihrt-geheiid uni, dir IIes(urai nnuslreque»* nimmt zu. Gerade h.uzUues 
Hummuimm, mi«iV* ? drit Aniagcmtermis gegen das intensivste 

aller. dir I{e^|dr;iti(>n das Morphin st>flr«(, ?,u nritersiidien. 

läfss-i ai.s .weilküiifgc- lehrt rm Blick auf die 

Kurve In. h, <; di-n Krlnig'. des' Nm-alhNnrcodöins: .»olumge Besehkuini- 
v mp d*’? viu.l:ns;sai;itrit Anptftig; lkj,s »MJthodisnhe Vvru bestand 


J* *i •'| ?; <'■ & v. » 5 . § ‘J\ \\ 


H. 


Atrnune: 


Druck 


um II v\lt ;>1 V!m 4 . 


:ivan bj 


dann, dass dir IVr-e. durch eint* TrfcchwdeaMlk-stfmcien, von der eine 
Vdt'faiiitfiujsj; ;i‘iietuer^ Ht^ihlriertreivtntßl geht. Ute Kurven bringen ihsbrti 
der r.;di! niitir d>is rVf ;<t i \ o \ olmiten d« r Atmung. da nur ein Teil. des 
:Vti«itivigsstrt.*in<>. Verzeichnet wird; 

SjH'itv.l inoii /urisi N-AüyinurO'-di'ifi, i.-u jiltue.rhgf M<vrpl,n., 
>rdb»*. in »usspr»*nli>«tlt.d) grossen Gab»*» i'l'.n g ! völlig fowkrifigslufc 'u*j-I 
'in.' Aiinuuv 'Kurv- >;(, l>. di. K% fffld) ••n"rv.t‘-n|*f'j- aut die .Attiiiitij* 
i'tlf die Wirkung iigs I>»rn;f tylrnorpliiiis, I l.'nuns; auch gegen dieses 


i.M da.-. N-Ali;.iii'U-'-odein von prompter Wirkmm 'Kmc A 

. -.i . 11_; : i _ : 


Für vim- Vurstellnng. »her. «ins Wu.v-n dirm'. AniagmirsMici.. v 

lijs \m-scu. v.m- ilir £ len-liV. er uv.;* I himm-.liuog iudde»; 






Digitized b) 


Go 


val from 

OF MICHIGAN 














































Kurve 2c. 



Uab®t das N-Allylnoroodein, einen Antagonisten des Morphins. 


'mm 


iiussert, (Kurve 4a, b, c): die Morphimvirkung kommt ruckt-im r Kniwiökiong. 
Ja selbst die geringe Dosisvon 0,005 g N-AI!ylftörcodei» isi deutlich i in - 
stände, die Wirkurig von 0,03 g Morphin su mindern, wie Kurve;* zeigt... 
Dass somit die gefahren des .Morphins be/.uglieh der Atmung »eH.s- 

^tntnrthnft t liiy. u. ; Tler^|« v ; 17. Di 


IvRoiuebea, 2000 g, IQ (Ihr 26 Min. und 10 Uhr 28 Üha. fg 0,005 g Ueroin. 10 Ufer 33 Min. <U>4 g JKAlIylneroodcm: 










l'öbl 


.1 Ol i u 


durch kleine Oasen des N- ÄHvlnorcadHos Abgeschwächt werden khoRCr*, 
ist hiermit wohl sicher bewiesen. Inwieweit aber hierdurch auch die 
ferneren Einwirkmieeri Auf das Gehirn verändert werden, kiSen nur um» 


Atinudf! 


pruflk 




Vfei*sudi vom 28, 7. h an ' h ho <}, 2‘>n0 £. 

lntravimn.se- Jrjj’ttdioo um g Morph., hydr. |- u AbyinortWlolu: k>*ino Wirkung 

auf . : • . \ 


Kurve 4b. 


Kurve 4 t 


10 Min. naoli »Jgr, Nach woUcrer • Injektion 

von 2 mul 0,02 | Mor^lon. 

Weiter# Ibjedtion (intfavoKits) vöibQ ,04 g Moralin blieb Hie-Doäis vtm 

0,Ö£‘jf Aifyin#c vAwjtia gonük'tc^ um djo Wirkung mehraisO,! g tförpfdf! ;*ufäu heben, 


’&MiftUe:- ' am Mens-clum lehren (s< mtih Hun3c.vi?füUt?H 

S. B7$). 

Ab Traditioneller Antäioni.si des Morphins wird das Atropin empfohlen. 
Wie vycutg es kisU‘t> lehrei) nabhfoj^brafc Zahkri :• 






jf ,-v j f v ' - ’:, >':\i £• 





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MlCHlGA 
























Ifeber euren A aiaganisteu des Morphins, 37? 

[ 

Kaninchen, 1100 g. Sor&ialatmuog f> l / 2 Kasp.in 10 Suo. 

rospirat. Pauson von 12 Sec., dann 3 Resp. 

" '*■ io Sec.-: - 

0,ölg Atropin, sulf, 3--1 Refp. in 10 Sec., 
hingegen ,, tU>! g N-Äiiylnorcodcoi IS 1 /*: 1 Rssfl; in fOSec, 

Verglichen mit. der Atropihseh\Vöfebiinriei IfendolenburgsG ist 
N>Allylnofcodein wohl der sicherere- Antagonist; während' ich mit diesem 
Körper nie einen Versager hatte, lind« ich, dass der Atropinester ent¬ 
weder nur hei gan* kleinen Morphimiosen oder bei wiederholter' Dar¬ 
reichung kleiner Gabe» wirksam ist. Mim Vst es Erfakrungst&tea&he, 
dass auf Kaninchen abgeUilie Dosen von. Morphin anders, uiid zwar vor- 

Kurvc 5. 


.DfcUOf 


Zvrix ÄWere Kaninchen. 

' Tier fl; f • • 


Tier L Etsp/nv&qn : yoc ünii rnieh 0.03 £ Mf-fplün. 


Respiration nach 0,03 p Morphin f 0 oo> % N%A$iyintuooflein. 

wiegend schwächer wirken als eine etDroäiigqr- Dosis, Für die 
praktische Verwendung wird gerade diese sichere rcspiraUonsorregendo 
Wirkung des N-Allylnorcodeins selbst nach ausserordentlich grossen Gaben 
Morphin Wohl von Wichtigkeit sein. Bevor aber überhaupt an die prak- 
tisehe Cnnsequenr, meiner Beobachtung gedacht wird, möge noch ein 
Versuch atn '(Kunde Pfau finden, wiewohl in bezug auf die T/mpilnd- 
licbkeit der Atmung das Kaninchen dem Menschen ähnlicher ist als 
der Hund. 

1) Archiv 1. espm. J*avha). u. Tharmakol. Bdi 73«; -S I1A. 


M 


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! *Vvii 







378 


Julius Pohl, 


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Hund von 9 kg Gewicht. (Respiration durch vorgelegten Korb geschrieben.) 

11 Uhr 4 Min. Subcutan 0,08 g Morphin, bydrochlor. 

11 „ 7 „ Erbrechen. Respiration beschleunigt. Erstl2 Uhr volle centrale Morphin¬ 

wirkung, Tier liegt ruhig. Respiration verlangsamt, oberflächlich: 1 / 2 so 
tief als normal; Augen fastgeschlossen, Tier schlafsüchtig, Kopfgesunken. 

12 „ 4 „ Intravenös 0,04 g N-Allylnorcodein. Tier wird sofort munter, die 

Augen weit offen, blickt umher, die Respiration zur normalen Inten¬ 
sität zurückgekehrt. 

12 „ 8 „ Bewegt den Kopf, sieht sich um. 

12 „ 10 „ Kopf sinkt wieder. 

12 ,. 12 „ Schläft wieder. 

12 „ 17 „ 0,04 g N-Allylnorcodein. Wird sofort unruhig, er waoht vollständig, 

blickt herum. 

12 ,, 25 „ wieder typisches Morphinbild, aber kräftige Respiration von normalem 
Charakter. 

Ich möchte diesen Versuch dahin zusaramenfassen, dass das N-Allyl¬ 
norcodein, wenn auch nur vorübergehend, so doch sicher eine auffällige 
Minderung der cerebralen Symptome beim Hunde hervorgerufen hat, so¬ 
mit homologe klinische antagonistische Wirkungen zu erwarten sind. 

n. 

Der Angriffspunkt des N-Allylnorcodeins ist natürlich ein centraler. 
Da die vorherige Darreichung desselben die Morphinwirkung nicht auf- 
kommen lässt, die nachherige die entwickelte Morphinwirkung aufhebt, 
so möchte ich die Vorstellung aussprechen, dass unser Präparat nicht 
auf die allerletzten oder centralsten der als Atemcentrum bezeichneten 
Zellencomplexe wirkt; oder aber, wenn man sich das (doppelseitige) Atem- 
centrum als eine einzige Zelle vorstellt, dann wirkt das N-Allylnorcodein 
auf die Peripherie dieser Zelle, das Morphin auf ihr Centrum, und da die 
Wurzeln der Atemnerven mit den peripheren Teilen der Zelle Zusammen¬ 
hängen müssen, wird es verständlich, dass Erregung der peripheren Teile 
die Lähmung der centralen überwindet. Also ebenso wie das Muscarin 
nach vorhergehender Nicotin Wirkung am Froschherzen im Verhältnis zum 
Nicotin peripherer angreift, so tritt hier selbst nach heftiger Atem¬ 
störung durch das Morphin die Erregung gewisser Atemnervenursprünge 
in Erscheinung. Es schien mir zur Klärung dieser durchaus noch nicht 
spruchreifen Anschauung von Interesse, festzustellen, wie andere Formen 
von Atemstillstand durch N-Allylnorcodein beeinflusst werden. Zunächst 
sei ein Versuch mit elektrischer Reizung der centralen Vagusursprünge 
gebracht (Kurve 6). Uebereinstimraend mit den Angaben Lewandowskys 1 ) 
riefen ganz schwache elektrische Reize regelmässig exspiratorische Still¬ 
stände hervor. 0,01 und 0,02 g N-Allylnorcodein waren aber nicht im¬ 
stande, derartige atemhemmende Impulse aufzuheben. 

Ein anderer Fall von Stillstand der Atmung ist in der Apnoe ge¬ 
geben. Da nach Anschauung einer Reihe von Autoren die durch die 
künstliche Atmung gesetzte Lungenvaguserregung, nach Annahme anderer 
jedoch der Kohlensäureraangel (bzw, O-Ueberschuss) als Ursache desselben 


1) Du Bois’ Archiv f. Physiol. 189G. S. 195. 


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Original fro-m 

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Uöbor das N-Ailylnorcadejn, einen Antagonisten .des Morphins. 


v?ird^ sq hat 
nachfolgender Versuch eine 
gewisse pfHic-tjpieUe Be¬ 
deutung 7 )• 

Bs wird kötjsöich Tospir 
fiert, nkeh einer A£izabi( 1ÖÖ) 
künstlicher Respirationen 
der Registrierapparat in 
Bewegung gesetzt und die 
Dauer der Apnoe bestimmt. 
Sodann dasselbe and N- 
AHyiinjedioH, 

Der Versuch lehrt, dass 
N-Allyinörcodei» imstande 
ist, die Dauer der apnui- 
sehe» Panse deutlich zu 
verkürzen, ja sogar die 
apnotschc Atroüngsbsm- 
töung recht: botfaehUicti m 
verkürzen, ihr entgegen zu 
wirken. Es spricht dieses, 
ziisanifflengehaltSÄ tuit abD 
gern Vagusversüdi, gegen 
die Theorie der Ykgusterro-- 

'■'t ' ■' • *■ : ■ i .c'wVl 


gung als Ursache der Apnoe. | 

chemischer flHHHKl 

Weg zur Erregung von Au»n>- 
Verlangsamung, Ateinaus- SHHH 

fall ist in dc;r Benützung HHjHEgS 

desTetramcthylamrftouiutxi- I . | 

chiorirls |J ed 1 faaoer 1 )] gc- 
gehen: Meso? Erfahrung mit . •. V ; ' 

dicsc-a- Körper ging dahin, ^ 

dass zwar dir Togpinuotiv 
lähmönde öewalt dos'i'etra.- 
methyladrfnoniuntoUlpriiis 
dnreh N-Aliy!jii.ireo«ii iri ,:>n- 
gegchwäöht,. dte. t'.söpst . g )■£}£''« J 

sichere tödliche Dosis des- •• 

seihen abgcschwäeht wer- 
den kann, aber nur nach , - . 

einer Periode von ausser- 
ordentlich deutlicher Atera- 

störung; eiri vülliges Aus- «HHMHPi 

schalten der Totramethyi- 
atnuienturaehlorid Wirkung ||| t 

findet nicht statt. I 

1} Äffltivss Internat, de J’üamatiüdyßami®, l'JOO. 


Go. m 








W'ährwid die bisher • benützte» -citc ! o»»sclic.»r.SttaiTc mit Siuln-ihuii' Stö- 
rpngCfi der Respiration hervorrufep iaS(sei>j' ist tiies# bei einigen weiteren, 
ln diesem Sinne wirksamen Stoffen imtii möglich, .». ö. bei ■V^'bi'in, t.«*i 
Sicöti», Blausäure und MaghmumsulfaC .Mit diese« Stoffen eine auf das 

k . >■. ; * ; t * i Var* f _' 'J I'■ _ P ' 


Ateiwöotdnim isolierte Wirkung- von irgendwie längerer Dauev hefvomi« 
rufenj .geiiogl nicht. J3i> Atemglörouge» .sind naoli grossen Dosen dieser 
SobsWaen all an intensive, fiaeb .kleinen allzu: vorubergehendo, uro irgend 
emeo 'Antagonisten aasptobw .au können. 

* * : '. ■' : ; ( 'Kurve? v‘ l1 ' 


Aluwuig 


Atornpause nadi 90 Stessen des K«sp.TratioDSappamr05 von SO ^ccunden Datier, 
dann Einsmen der nenMoo Atmung 

Kurve,7b/ Kurve 7 <•, 


Naeh 100 KolheMnssf.n wird M,0'2 g N-Afl.yi* • Etwa lo Minuten nach Yürstch»mdiT Advl- 
norcodriin injicü-rt. Nach 3 ‘Sn furnier* tritt die iroertiuTi 4 «,f oiiie .i.piuusche Errcguiig Mj 0 t 

Atmung ein - weiteren kuMl.iftifnn. 

nur g&iifr kumlauernd. 

Mit Rücksicht auf die oventuello praktische Verwonduog des N-AHyl-: 
nhrco'deins habe ich hoch jene Stdnnlgen der Atmung, die nach narkotische» 
Stoflfcii der P'eitVfiihtj, % ß'‘:Chtoroferm, Aeih&f, ©Moral r%vjftrctem unter-; 
sucht; afibr- auch hiev geling», cs durchaus nicht, rf.gfdraifcssig andauernde 
Rcspiraüonsiähoming hctfiwzürufrii. Ich verfuhr*, teer hur Ober rinou Ob 1 oral- \ 
hydratversoeh ( der aber positiv ausgefallen hi tKurv.e I», c.i and unter' 
allen rmsumden >.u einer kimi>cheo Erprobung des N-AIJyI noreCHleins hei 
den so häufiger! Asphyxien^ Afemsromneen nach den genannte» Stoffen.. 


ÜPÜi 





t/eber »Jas N%A.Mvlnorc.ft(ie-in ; : •ÄDta^mi»iß!x J&$ Morphins. 3.81 

aufiininterL; Auch beün Vcronal .gelang . mir nicht, eine genügend lang 
andauernde Atemlähmung, die VorausseUung aur Prüfung unserer Substanz, 
herbeiziifuhrcn. Jedenfalls wirkt das N-Allyktürcodchi am;energischsten' 
gegen seinen ijrspnrngskurper gegen das Morphin. 

Während Morphin auf Kauen typisch erregend wirki, mangelt dem 
N-Äliyinorcociein diese -.••Wirkung. 

8a. ’ Kurve Sb. 


Kurven 8a, 8h Atcmherweirunger» nach subeütan gereichtem'Oblornlbydrat. 
Kurve 8 t (For^mutig von hi nach 0,04 intravenös gegebener« ^Alivlnoiwieiri 


Eine 2 4(X)g sch were Katze erbreitO Ubr 2S Miu, Ö,Of) g S~Allyl«dremlüiö siibcutan 
OiUir^s Min, Würgen, Erbrechen. 

9 ,, 40 Pupillen unverändert, Schnurren* 

D y - r . Tier ruhiger als normal. Bis 10 Ühr Minköiivo Ersob ein ungern 
0 0.05 g N-Ailylnorcodoin subcutao. 

, I .. 10 v Lass! den Kopf sinken. 

.1 40 Völlig normal. Lebt um nächsten Tag»;. 


«A/> VW1 ;WN fxr vVV 




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OF MICHIGAN 







382 Julius Pohl, Ueber das N-Allylnorcodein, einen Antagonisten des Morphins. 


Unser Präparat entwickelt somit zu 0,1 g nur schwach narkotische 
Effecte bei dieser Species. 

Das dem N-Allylnorcodein nahestehende, durch Hydratation ge¬ 
wonnene Allyldihydronorcodein wirkt im Princip dem N-Allylnorcodein 
gleich, vielleicht anfangs sogar etwas stärker. 

Von weiteren, dem Morphin nahestehenden Verbindungen stand mir 
noch zur Verfügung das Allylmorphimethin, das mit dem Methyl- 
morphimethin zu vergleichen war. 

Gegenüber dem Methylmorphimethin, das intravenös am Kaninchen 
Drucksenkung und schwere Respirationsstörungen auslöst, ist das Allyl¬ 
morphimethin wenig wirksam. Ausser Schwanken de6 Kopfes nach Art 
des Schlafsüchtigen, Augenschliessen ist objectiv nichts zu beobachten 

/N(C 3 H 5 )j 

Ebenso fehlt dem Diallylmorphimethin C ie H, s O^-OCH s ein die 

x OH 

Respiration erregender Einfluss: mit der Aufhebung der Ringbindung des 
allylierten N in den Methinen verliert die Allylgruppe ihre specifische Kraft! 1 ) 

HI. 

Es könnte wie ein paradoxer Umweg erscheinen, dass ein Allyl¬ 
derivat des Morphins synthetisiert wurde, um gegen diese Basis einen 
Antagonisten zu Anden. Sind denn nicht die sonstigen Allylderivate ein¬ 
facherer Zusammensetzung gleichsinnig wirksam? In dieser Richtung 
verfüge ich über Versuche mit Thiosinamin (dem Allylthiohamstofl), mit 
Allylamin, Allylformiat und einem Dimethylamin des Pentamethylenallyls, 
C 8 H 6 . (CH 2 ) 6 • N . (CH 3 ) 2 , und dem Allylglycosid. Alle diese Stoffe haben 
vielfach qualitativ eine dem N-Allylnorcodein homologe, quantitativ aber 
weit zurückstehende Kraft. 

So macht es, wenn ich das bisherige Material berücksichtige, fast 
den Eindruck, als ob das N-Allylnorcodein nach Art eines specifisch ein¬ 
gestellten Antitoxins nur auf das Morphin wirke. Es liegt nahe, hierauf 
basierend, folgende Vorstellung zu entwerfen: Die structurelle Homologie 
beider Basen bedingt ihre Aufnahmemöglichkeit an gleicher Stelle oder, 
in modernen Bildern gesprochen, sie haben die gleichen haptophoren 
Gruppen, die gleichen Seitenketten, um in bestimmte Zellcomplexe (Atem¬ 
centrum) einzudringen; ob ihrer entgegengesetzten Wirkung nun auch 
einzelne entgegengesetzte physikalische Eigenschaften parallel gehen, die 
man jetzt als bedeutsam für das Zustandekommen narkotischer Wirkungen 
ansieht, dies festzustellen wäre sehr interessant. Hier wäre dann viel¬ 
leicht ein Schlüssel für einen chemischen Unterschied solch elementarer 
Grundwirkungen, wie Erregung und Lähmung, zu suchen. 

Es war erwünscht, festzustellen, ob auch andere chemische Com- 
plexe mit scharf umschriebener physiologischer Wirkung auf Einführung 
der Allylgruppe eine Steigerung derselben erkennen lassen: ich verglich 
zunächst ein Allyltheobromin mit Theobromin und Coffein quoad diure- 
tischer Wirkung; ein Unterschied war nicht nachweisbar. 

1) Ueber Einzelheiten derWirkung der Morphimethine siehe die Arbeit H. Kögels 
aus Kionkas Institut, Archivcs intorn. d. Pharmakodynamie. 1909. Bd. 19. S. 5. 


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XXVI. 


Aus der urologischon Abteilung der allgemeinen Poliklinik (Vorstand: 
Hofrat A. v. Frisch und dem k. k. serotherapeutischen Institut (Vorstand: 

Hofrat R. Paltauf in Wien). 

Ueber das Schicksal intravenös injicierten Milchzuckers 
beim gesunden, nephrectomierten und nephritischenTier. 

Von 

Dr. Oswald Schwarz, und cand. med. Erwin Pulay. 

Assistent der Abteilung. 

I. 

Zu den interessantesten Problemen des Kohlehydratstoffwechsels ge¬ 
hört seine letzte Phase: die Ausscheidung durch die Nieren. Die Be¬ 
deutung dieses Factors gewann erst in letzter Zeit erhöhte Wertung, 
wurde aber gleichzeitig dadurch eingeschränkt, dass man nur die Relation 
des Harnzuckers zum Blutzucker in Betracht zog. In einer vorhergehen¬ 
den Mitteilung versuchte nun der eine von uns (Schwarz) zu zeigen, 
dass nicht nur der Zucker dem Blute, sondern der im ganzen Organis¬ 
mus verteilte die Grösse der Ausscheidung bestimmt. Die einzelnen 
Organe beteiligen sich je nach ihrer specifischen Capacität an der Bergung 
eines Zuckerüberschusses. Nun muss man sich darüber klar sein, dass 
das Wort „Capacität“ gleichsam nur die algebraische Summe einer 
grossen Reihe teils bekannter, teils noch unbekannter Factoren zusammen¬ 
fasst, die die Aufnahmefähigkeit und die effective Aufnahme im concreten 
Falle regeln. Ohne Anspruch auch nur auf annähernde Vollständigkeit 
möchten wir hier als Beispiele drei solcher Einflüsse hervorheben: Zu¬ 
nächst die Aufnahmebereitschaft eines Organs, die durch den Zustand 
des ganzen Organismus bestimmt ist, wie z. B. Glykogenarraut der Leber 
im Hunger und nach schwerer Arbeit, oder der Zustand des Körpers, 
wie ihn Schmid und Schlayer für die Oedementstehung als massgebend 
postulieren; dann der Löslichkeitszustand des Stoffes, der aufgenommen 
werden soll, z. B. der Harnsäure bei der Gicht oder des Zuckers unter 
verschiedenen physiologischen und pathologischen Umständen nach der 
Ansicht Lepines. Endlich die Gangbarkeit der Wege zu diesen Depots; 
hierher gehört — wieder nur als einzelnes Beispiel angeführt — die 
Permeabilität der Gefässe, der bei allen Untersuchungen der Nieren¬ 
function die grösste Bedeutung zugesprochen werden muss; so kann ein¬ 
mal eine Hyperglykämie, das andere Mal eine renale Retention nur durch 
Aenderungen der Durchlässigkeit der Gefässwände hervorgerufen oder 
verdeckt werden. Der experimentellen Prüfung dieser letzterwähnten 
Verhältnisse sind die folgenden Untersuchungen gewidmet. Allerdings 
darf man nicht übersehen, dass diesem Unternehmen recht grosse 


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384 


Oswald Schwarz und Erwin Pulay, 


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Schwierigkeiten im Wege stehen, da wir ja immer den Organismus als 
Ganzes mit seinen zahlreichen Compensationsmöglichkeiten vor uns haben. 
Um diese Schwierigkeiten einigermassen zu umgehen, verwendeten wir 
als Testobject den Milchzucker. Da er ein blutfremder Stoff ist, war 
seine energische Elimination aus dem Blute zu erwarten, andererseits 
konnte für ihn als körperfremdes Element eine besondere Aufnahme¬ 
bereitschaft irgendeines Organs oder Einflüsse des Allgemeinzustandes 
des Organismus kaum angenommen werden; da er endlich im normalen 
Stoffwechsel keine Rolle spielt, war zu hoffen, dass sein Verteilungsgesetz 
klar zum Ausdruck kommt. 

Wir injicierten normalen Kaninchen intravenös eine bekannte Menge 
Milchzucker; hierauf wurde in gleichen Zeiten der Zucker im Harn und 
Blut bestimmt. Hieraus Hess sich einerseits bestimmen, wieviel Pro- 
cente des im Körper noch vorhandenen Milchzuckers sich im 
Blute und wieviel in den Geweben befinden, andererseits in wel¬ 
chem Verhältnis Blut- und Harnzucker zueinander stehen. In 
weiteren Versuchen wurden dieselben Relationen am nephrectomicrten 
und nephritischen Tier bestimmt. 

II. Methodik. 

Die nächste Aufgabe war, eine Methode zu finden, den Milchzucker 
im Blute zu bestimmen. 

Es war dies schon wiederholt versucht worden, unseres Erachtens 
aber mit ungenügender Technik. Pavy bestimmte die Glykämie nach 
Injection verschiedener Zucker; da er aber das Blut hydrolysierte, so be¬ 
stimmte er auch den im Blute vorhandenen Traubenzucker mit, was die 
Resultate in uncontrollicrbarer Weise beeinflusste, da es nicht bekannt 
ist, ob und wie sehr sich der normale Blutzucker nach solchen Zucker- 
injectionen ändert. Dieselbe Aufgabe versuchte Bang mit seiner Mikro¬ 
methode zu lösen. Auch ihn trifft derselbe Einwand wie Pavy, ausser¬ 
dem aber ist seine Methode äusserst cxact nur für den Traubenzucker 
ausgewertet; da aber jeder Zucker seine eigene Reductionszeit und sein 
Reductionsverhältnis lür Kupfer hat, so entsprechen die von ihm gefun¬ 
denen Zahlen wohl in keiner Beziehung der Wirklichkeit. 

Für unsere Zwecke war es unbedingt nötig, den Milchzucker allein 
zu bestimmen. Die Methode, die wir zu diesem Zwecke ausarbeiteten, 
setzte sich aus drei Acten zusammen: Zunächst wurde das Blut 
enteiweisst, dann der Traubenzucker vergoren und endlich der 
Milchzucker titrimetrisch bestimmt. 

ad 3) Entsprechend unserem Vorgehen bei der Ausarbeitung der 
Methode beginnen wir mit der Besprechung der Zuckerbestimmung. Wir 
wählten nach dem Vorgänge von Möckel und Frank die Titration nach 
Bertrand. Da das Reductionsverhältnis des Milchzuckers von dem des 
Traubenzuckers wesentlich abweicht, so war die Methode entsprechend 
zu modificicren. Zunächst war die Kochzeit auf 6 Minuten zu verlängern, 
da nach den grundlegenden Untersuchungen von Soxhlet der Milch¬ 
zucker erst nach dieser Zeit vollständig zersetzt ist. Zweitens ist das 
Reductionsvcrraögen des Milchzuckers ein ganz anderes als das des 


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Ueber das Schicksal intravenös injicierten Milchzuckers usw. 


385 


Traubenzuckers; während letzterer Kupferoxyd ira Verhältnis 1:10,52 
zerlegt, ist die Relation für Milchzucker c. p. 1: 7,39. Im Gegensatz zu 
Traubenzucker ist die Reductionskraft des Milchzuckers unabhängig von 
der Zuckerconcentration und der Concentration der Fehlingschen Lösung, 
wird aber durch einen Kupferüberschuss erhöht. Es war daher selbst¬ 
verständlich, das Verhältnis 1: 7 nicht einfach zu übernehmen, sondern 
für die Bertrandsche Kupferlösung neu auszuwerten. Als Ausgangs¬ 
substanz diente kristallisierter Milchzucker, der dreimal aus Wasser um¬ 
kristallisiert, mit absolutem Alkohol ausgefällt und dann im Vacuum 
getrocknet wurde. Eine gewogene Menge Milchzucker wurde in 100 ccm 
Wasser gelöst; steigende Mengen dieser Lösung wurden mit je 10 ccm 
der Bertrandschon Lösungen versetzt, auf 50 ccm aufgefüllt und nach 
der ßertrandschcn Vorschrift weiter verarbeitet. 

Tabelle 1. 


Zucker 

Kupfer 

Zucker 

Kupfer 

Zucker | 

Kupfer 

5,0 mg 

7,8 mg 

20,0 mg 

31,2 mg 

35,0 mg 

54,0 mg 

7,5 „ 

11,7 , 

22,5 „ 

35,1 „ 

37,5 „ 

57,9 „ 

10,0 „ 

15,6 „ 

25,0 „ 

39,0 Ä 

40,0 , 

61,9 „ 

12,5 „ 

19,5 „ 

27,5 „ 

30,0 „ 

42,9 „ 

42,5 „ 

65,8 „ 

15,0 „ 

23,4 „ 

46,8 „ 

50,4 „ 

45,0 „ 

69,7 „ 

17,5 „ 

27,3 „ 

32,5 , 

47,5 „ 

50,0 „ 

73,6 „ 

77,5 „ 


Die so erhaltenen Werte ordnen sich in eine Kurve ein, die in ihrem 
Anfangsteil einer Geraden entspricht, gegen die höheren Werte aber etwas 
flacher verläuft. Der Grund dieser Abweichung liegt darin, dass mit 
zunehmenden Milchzuckermengen der Kupferüberschuss immer geringer 
wird. Wie wichtig die Relation Zucker: Kupferoxyd ist, zeigen folgende 
Zahlen: 

Bei Zusatz von je 5 ccm Bertrandscher Lösung statt der 10 ccm 
der Tabelle 1 rcducieren: 


Zucker 

Kupferoxyd 

15,0 mg 

18,0 mg 

20,0 „ 

24,2 , 

25,0 „ 

30,4 „ 

30,0 „ 

36,5 B 


Auf die gleiche Ursache — Variation der zugesetzten Kupfermengen — 
glauben wir eine andere Beobachtung zurückführen zu können, die uns 
von principieller Wichtigkeit für die Benutzung der Bertrandschen Me¬ 
thode zu sein scheint : Die in Tabelle 1 angeführten Zahlen wurden im 
Januar 1914 ausgewertet; als wir sie einige Monate später durch Stich¬ 
proben controllieren wollten, erhielten wir Werte, die zwar untereinander 
sehr gut übereinstimmten, gegenüber den früher gefundenen aber durch¬ 
wegs etwas zu niedrig waren. Die Richtigkeit der Einzelbestimroungen 
war in jeder Hinsicht garantiert, Fehlerquellen, die in der Milchzucker¬ 
oder Permanganatlösung liegen konnten, waren einwandfrei ausgeschaltet. 
Die Erklärung dieser Differenz schien uns nun folgende: Boi Herstellung 


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386 


Oswald Schwarz und Erwin Pulay, 


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der Bertrandschen Kupferlösung wird das Kupferoxyd nur ungenau ein¬ 
gewogen, so dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass zwei Lösungen 
hinsichtlich ihres Kupfergehalts nicht unerheblich voneinander abweichen, 
so dass in den zugesetzten 10 ccm verschiedene Mengen Kupferoxyd der 
Zuckerlösung angeboten werden. Ein Controllversuch bestätigte übrigens 
diese Annahme: Wir stellten mit einer neuen Kupferlösung einige Ver¬ 
suche an und erhielten eine Kurve, die wiederum zwischen der ersten 
und zweiten lag. 

ad 1) Um das Blut zu enteiweissen, verwendeten wir die Fällung 
mit colloidalem Eisen. Ihre Verwendbarkeit für den gegebenen Fall er¬ 
forderte einige Vorversuche. Schlayer hatte nämlich behauptet, dass 
Milchzucker durch Eisen zum Teil raitgefällt werde; obzwar schon 
Möckel und Frank (1. c.) diese Angaben nicht bestätigen konnten, 
überzeugten wir uns selbst durch genügend viele Versuche, dass der 
Milchzucker ebenso wenig wie Traubenzucker durch die Eisenfällung rait- 
gerissen wird. Eine kleine Modification bei der Ausführung der Fällung 
sei noch erwähnt: Es gelang uns sehr häufig nicht, den durch kräftiges 
Schütteln erzeugten Schaum im Hals des Messkölbchens wieder zu ent¬ 
fernen. Wir fällten daher in einer Reibschale: 5 ccm Blut wurden mit 
55 ccm destillierten Wassers verdünnt und unter kräftigem Urarühren 
schussweise die Eisenlösung (40 ccm für Vollblut) zugesetzt; nach kurzem 
Stehen wurde unter Zusatz von Essigsäure und Kochsalz die Fällung 
vollendet. Wir erhielten fast ausnahmslos klare Filtrate; der aliquote 
Teil, der weiter verarbeitet wurde, war auf ein Ausgangsvolumen von 
100 ccm umzurechnen. 

ad 2) Aus diesem Filtrat musste noch der im Blute enthaltene 
Traubenzucker entfernt werden. Die einzige hierfür verwendbare Methode 
war die Gärung. Nach einigen Versuchen mit einer Reincultur von Sacch. 
apiculatus Rhes. verwendeten wir gewöhnliche Bierhefe. Nach etwa 
löstündiger Gärung bei 30° wurde die Hefe mit einigen Tropfen Eisen¬ 
lösung ausgefällt und in einem aliquoten Teil des Filtrates endlich der 
Milchzucker bestimmt. 

Im folgenden seien einige Versuchsbeispiele angeführt: 

Versuch IV. 5 ccm Kaninchenblut+42,1 mg Milchzucker, wiedergefunden 44,5 mg; 

Differenz + 2,4 mg = 5,7 pCt. 
+ 29,6mg Milchzucker, wiedergefunden 31,2 mg; 

Differenz + 1,6 mg = 5.4 pCt. 
+ 36,0mg Milchzucker, wiedergefunden 36,9 mg; 

Differenz + 0,9 mg = 2,5 pCt. 
+ 28,7mg Milchzucker, wiedergefunden 27,5 mg; 

Differenz — 1,2 mg = 4,2 pCt. 
+ 28,8mg Milchzucker, wiedergefunden 33,4 mg; 

Differenz + 4,6 mg = 15,9 pCt. 
+ 28,6mg Milchzucker, wiedergefunden 29,1 mg; 

Differenz + 0,6 mg = 2,1 pCt. 


Versuch V. 5 „ 
Versuch VI. 5 „ 
Versuch VIII. 5 „ 
Versuch IX. 5 „ 
Versuch XllJ. 5 ,, 


Wir haben im ganzen 21 Versuche angestellt; Versuch VI und XHI 
stellen die besten Resultate dar, Versuch IX das schlechteste; alle an¬ 
deren bewegen sich in der Nähe der raitgeteilten Versuche IV, V und VIII. 


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Ueber das Schicksal intravenös injicierten Milchzuckers usw. 


387 


In allen Versuchen nun mit Ausnahme von Versuch VIII und XVII 
wurde mehr Kupferoxyd reduciert, als dem zugesetzten Milchzucker ent¬ 
sprochen hätte, nur in den zwei erwähnten Versuchen zu wenig. Das ver¬ 
wendete Blut wurde vor dem Versuche frisch einem gesunden Kaninchen 
aus der Ohrvene entnommen; nur in Versuch IX wurde das Blut eines mit 
Gonokokken vorbehandelten Kaninchens verarbeitet; es ist möglich, dass 
das auffallend schlechte Ergebnis diesem Umstand zuzuschreiben ist. 
Die Fehlergrenze der Methode ist also ungefähr ± 5 pCt. 

Als Ursache dieser Mehrreduction kommen zwei Factoren in Be¬ 
tracht: Reducierende Stoffe, die mit der Hefe oder als Gärungsproducte 
hinzukamen, und zweitens die Eigenreduction des Blutes. Ueber den 
Einfluss der ersteren sollten folgende Versuche Auskunft geben: Je 
10 ccm einer Milchzuckerlösung von bekanntem Gehalt wurden einmal 
mit einer Traubenzuckerlösung, das andere Mal mit destilliertem Wasser 
gemischt und mit gewogenen Mengen Hefe zur Gärung angesetzt; dann 
wurde die Hefe mit Eisenlösung ausgefällt und der Milchzucker titriert. 

Milchzucker 



zugesetzt 


gefunden 

Differenz 

Versuch III. 

152 } 5mg 


158,1 mg 

+ 5,6mg= 3,7 pCt. 

Versuch IV. 

58,5 „ 


59,6 „ 

+ 1,1 „ = 1,9 „ 

Versuch V. 

48,5 „ 


49,0 „ 

+ 0,3 „ — 1,0 „ 

Versuch VII. 

28,0 „ 


28,7 „ 

+ 0,7 „ = 2,5 „ 

Versuch XIa. 

28,6 „ (+ 5mg Traubenzucker) 28,6 „ 

0 

Versuch Xlb. 

28,6 „ (+50 „ 

n 

) 30,1 „ 

+ 1,5 „ = 5,2 „ 

Versuoh XII. 

28,6 „ 


32,0 „ 

+ 3,4 „ =11,7 „ 


Die Versuche bestätigen also unsere Vermutung über den Einfluss 
des Gärungsprocesses auf die Reductionskraft der Lösungen. In der An¬ 
nahme, dass es sich in der Hauptsache uro flüchtige Aldehyde handle, 
versuchten wir zunächst durch längeres Kochen, dann auch durch Ein¬ 
leiten von strömendem Wasserdampf die störende Wirkung zu vermindern, 
jedoch ohne Erfolg. 

Die Frage der Eigenroduction, d. h. der Anwesenheit reducierender 
Stoffe neben dem Traubenzucker wurde bekanntlich seit den Befunden 
Ottos vielfach discutiert; der gegenwärtige Stand der Frage ist von 
Bang in seiner Monographie über den Blutzucker übersichtlich dargestellt. 
Sein Schüler Andersson prüfte die Frage von neuem und fand, dass 
der Restzucker 25 pCt. des Gesamtzuckers ausmacht! Dieses Resultat, 
das vielleicht manchem den Wert der Blutzuekerbestimraungen überhaupt 
illusorisch erscheinen lassen könnte, wird diesbezüglich etwas gemildert 
durch die weitere Angabe, dass der Restzucker beim normalen und 
hyperglykämischen Tiere in constantem Verhältnis zum Traubenzucker 
stehe. Wir möchten — natürlich ohne die Befunde Anderssons zu 
bezweifeln — die absolute Allgemeingültigkeit dieser Constanz noch in 
Frage stellen. Hierzu bestimmen uns nicht nur eigene Beobachtungen, 
die allerdings den Wert einer allgemeinen Orientierung nicht überschreiten, 
sondern auch die Befunde anderer Autoren, z. B. Takahaschis, die mit 
der gleichen Methode in einer Reihe von Fällen Restreduction fand, in 


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388 


Oswald Schwarz und Erwin Pulay, 


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anderen Fällen wieder nicht. Es sei in diesem Zusammenhänge nochmals 
der Versuch an dem hochimmunisierten Kaninchen erwähnt, da es uns 
nicht unmöglich erscheint, dass der grosse Mehrbetrag, den wir fanden, 
auf eine durch die Ueberladung des Blutes mit Immunkörpern beruhende 
Erhöhung der Eigenreduction zurückzuführen ist. Wichtig ist weiter die 
Angabe Bangs (1. c.), dass die verschiedenen Reductionsraethoden ver¬ 
schiedene Reductronswerte für den Restzucker ergeben, und dass auch 
die Bertrandsche Methode nicht nur den Traubenzucker, sondern auch 
den Restzucker des Blutes bestimmt. 

Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Fehlerquellen, die die in 
unseren Versuchen gefundenen zu hohen Werte bedingen, tatsächlich in 
der Methode selbst begründet sind. Zur Entlastung sei jedoch darauf 
hingewiesen, dass dieselben Fehlerquellen bei allen bisherigen Blutzucker¬ 
bestimmungsmethoden stillschweigend acceptiert wurden. Ausserdem 
bemühten wir uns, alle Einflüsse auszuschalten, die dio Geltung unserer 
Resultate nachteilig beeinflussen konnten: Wir begnügten uns z. B. nicht 
einen Durchschnittswert für den nach einer Zuckerinjection im Blute 
zurückbleibenden Milchzucker bei einigen gesunden Kaninchen zu be¬ 
stimmen, sondern schickten jedem Versuch am kranken Tier einen 
Normalversuch an demselben Kaninchen voraus und verwendeten in beiden 
Versuchen dieselbe Hefe. Die grossen und ausnahmslos in allen Ver¬ 
suchen gleichsinnigen Unterschiede zwischen Vor- und Hauptversuch 
liessen die Grenzen der Fehlerquellen weit hinter sich. Mit Rücksicht 
auf die weitgehende individuelle Variabilität derartiger Versuchsresultate 
stimmen die Ergebnisse gleichartiger Versuche (s. Tabelle 2) genügend 
überein, um auch diese Versuche untereinander vergleichbar erscheinen 
zu lassen. Durch diese Ueberlegungen sowio die Anzahl der angestclltcn 
Versuche glauben wir für unsere Schlussfolgerungen eine genügende 
Sicherheit der experimentellen Grundlagen gewonnen zu haben. 

III. lieber die Verteilung des injicierten Milchzuckers zwischen Blut, 
Gewebe und Harn beim gesunden Tier. 

In der Entwicklung der Nephritisforschung tritt die Bewertung extra- 
renaler Factoren bei Erklärungsversuchen des klinischen Symptomen- 
complexes der Nephritis immer mehr in den Vordergrund, ja es wurde 
die Ansicht laut, dass der Erkrankung der Niere zwar tune dominierende, 
keineswegs aber centrale Stellung zukomme. Von diesen extrarenalen 
Factoren wurden bisher ins Calcul gezogen der Gewebeturgor, Erkran¬ 
kungen der Gefässe und Veränderungen des physikalisch-chemischen 
Zustandes der Körpercolloide. Der methodologische Wert dieser Er¬ 
klärungsversuche ist aber ein recht unterschiedlicher: Die Bedeutung von 
Aenderungen des Gewebeturgors ist ein Postulat, die colloidchemischen 
Veränderungen eine Hypothese — nur der Einfluss der Veränderungen 
der Gefässwandung speciell auf die Secretionsstörungen ist derzeit 
einer einigermassen exacten experimentellen Prüfung zugänglich. Sehen 
wir von der Function der Gefässe beim Zustandekommen des erhöhten 
Blutdruckes und seiner Folgen bei einigen Formen der Nephritis ab, so 
äussert sich der Einfluss der Schädigung der Gefässwände hauptsächlich 


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Ueber das Schicksal intravenös injicierten Milchzuckers usw. 


389 


in einer Retention von Stoffen innerhalb der Blutbahn und gesteigertem 
Durchtritt von Flüssigkeit aus dem Gefässsystem in die Gewebe. 

Den Ausgangspunkt für die neue Aera der experimentellen Untersuchung 
dieser Fragen bildete bekanntlich die Entdeckung Richter’s, dass das Uran 
eine mit Oedem und Ascites einhergehende Nierenerkrankung erzeugt und 
dass diese Wirkung durch Combination des Nierengiftes mit einem spe- 
cifischen Gefässgift (Araylnitrit) noch erhöht wird. Die Verwertung 
dieser Befunde für unser Problem zeigen dann Schraid und Schlayer, 
die fanden, dass bei vasculären Nephritiden und der Urannephritis intra¬ 
venös infundierte Salzlösungen abnorm rasch im Vergleich zum Normaltier 
die Blutbahn verlassen. Nicht minder wichtig für die Erkenntnis nephri- 
tischer Stoffwechselstörungen waren aber Beobachtungen, dass auch 
tubuläre Nephritiden, bei denen eine Wirkung des toxischen Agens auf 
die Körpercapillaren von vornherein nicht ohne weiteres zu erwarten war, 
von markanten Aenderungen der Diffundibilität der Gefässe begleitet werden. 
Die erwähnten Autoren beobachteten bei Chromnephritis eine erhebliche 
Verzögerung des Ucbertrittes von Wasser und Salz aus dem Blut in die Ge¬ 
webe und Leo Pollak zeigte, dass bei uran- und chromvergifteten Tieren 
intravenös injiciertes Ferrocyannatrium und Jodnatrium erheblich später 
als beim Normaltier im peritonealen Transsudat oder Exsudat erscheint. 

Wir selbst untersuchten zunächst die Verteilung intravenös injicierten 
Milchzuckers unter normalen Verhältnissen am gesunden Tier. 

Die Versuche wurden durchwegs auf folgende Weise angestellt: Die 
Kaninchen wurden aufgespannt, ein Katheter in die Blase eingeführt, die 
Carotis freigelegt und das Hämoglobin nach Sahli bestimmt; dann 
wurden 10 ccm einer etwa 20proc. Milchzuckerlösung (der genaue Gehalt 
ist in jedem Versuch angeführt) innerhalb 5 Minuten in die Ohrvene in- 
jiciert, 15, 30 Minuten usw. post injectionem wurde die Blase ieinge¬ 
waschen und gleichzeitig einige Cubikcentimeter Blut aus der Carotis 
entnommen; ein Tropfen diente zur neuerlichen Hämoglobinbestimraung, 
in 5 ccm wurde der Milchzucker bestimmt; der Harn wurde gemessen 
und auf seinen Milchzuckergehalt polarimetrisch untersucht. 

Obzwar für die Blutzuckerbestiraraung neuerdings die Verwendung 
des Serums zur Analyse mit guten Gründen verlangt wird, verwendeten 
wir doch das Gesamtblut und zwar aus folgenden Gründen: Erstens er¬ 
fordert die Verarbeitung des Serums eine viel grössere Blutmenge, was 
besonders bei Versuchen mit mehreren Bestimmungen sicherlich nicht 
gleichgültig erschien, zweitens mussten wir den in 5 ccm gefundenen Zucker- 
wert auf die gesamte Blutmenge des Kaninchens umrechnen; trotzdem 
hierfür mehrere Untersuchungen vorliegen, hat die Bestimmung immer noch 
den Charakter einer Schätzung; wenn wir aus dem Serurawert erst noch auf 
das Vollblut urarechnen wollten, hätte das eine weitere beträchtliche Un¬ 
genauigkeit der Resultate ergeben. — Bei der Berechnung der Blutmenge des 
Tieres folgten wir genau den Angaben von Schmid und Schlayer (1. c.). 

Die Differenz zwischen dem injicierten Milchzucker und dem im 
Harn ausgeschiedenen ergab den im Körper noch verbliebenen Rest, dio 
Blutzuckerbestimraung zeigte, wieviel davon im Blute und wieviel in den 
Geweben sich findet. Als Beispiel sei folgenderVersuch in extenso angeführt. 


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0 s waj i Sch wär* und Erwin Pni&y 


Kjiiir p;-,iu-,•'Freilegpng der CArbtis, Blasenka^iöt'i |{b§ä (Sahli)!, 

K ( bv SO .bis bVht 25 Mm. eirrer 1-iMinir virn 1,90 g Milchzucker in 

H> ccru Wap'sar in die ObrveTie, 

C n 2$ ,. yj 15 n 40 v 3 ccm Harn .mit 0.2M* g Milchzucker. 

H n 40 ^ ^fr' „ -55 „ 2,8 ccm Harn mit0$7b0 & Milchzucker^ 

fr J* 3S « Blutentnahme aus der Carotis: jib.'frH, in 5 ccm Eiut sind !O r 9 mg 

tt^btuuektff enthalten. 

Nach dom Körpergewicht dos Tieres geschätzt, wurde die Bl Ulmen ge ISO ccm 
betragen, ein Vergleich der Hamoglobinworte torund nach der MfroteöekeOn^tiifrh 
*$ift aber, dass eine Blatverdünnuug eingöti^ejfrist; die wahre Blulmenge beträgt 
daher nach der Sofa 1 ayersahen Formel 

, wahre Blutmenge ■■. ; Hb vor der Injeclion v 

Vaus dein Körpergewicht geschätzte ilb nach der Ifljection 

0,344 g Milchzucker. Bis ztir #&£ der Blut entnähme wurden im 
Tfarn Ö/47 g MHchsdeker a^gesohtfeden, es sind daher um 6 Uhr So Mim nach 
Ifrifr« ^ ixu Körper und davon 0,314 g -- 25,3 pCt, im Blut. 

Auf diese t\rt sind alle Versuche ansgefuhrt; ihre Ergebnis Ist. m 
Tabelle 2 ^nsammengestellt. 

T»h*H* 2. 


Jan ßhiiti. jrK»-HUn\Piatdfc< Mlbd» 
.Tricicöy ?<{*>• du( 


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; 0 ä r-*:; 










Ueber das Schicksal intravenös injicierten Milchzuckers usw. 


391 


Die injicierte Milchzuckermenge ist in allen Versuchen annähernd 
die gleiche und schwankt zwischen 1,88 g und 2,20 g. 

Kolonnen 3—6 zeigen den während der ganzen Beobachtungsdauer 
bzw. den in der der Blutentnahme unmittelbar vorhergehenden Viertel¬ 
stunde im Harn ausgeschiedenen Milchzucker. Die ersteren Werte liegen 
ziemlich nahe beieinander — mit Ausnahme von Versuch V und XI — 
und betragen durchschnittlich 0,7036 g = 34,7 pCt. der injicierten Menge. 
Im Körper sind nach einer halben Stunde noch durchschnittlich 1,284 g 
= 67,6 pCt. der ursprünglichen Menge vorhanden. 

In Kolonne 11 ist eingetragen, wieviel von diesem Rest am Ende 
der ersten halben Stunde post injectionem — diese Zeit ist in allen 
Versuchen als Grundlage gewählt — noch im Blute sich findet. Es ist. 
nun auffallend, dass alle Werte — mit Ausnahme von Versuch III und 
VIII — sehr nahe beieinander liegen: Der kleinste Wert ist 0,221 g, der 
höchste 0,390 g bzw. 0,485 g, und wenn man die beiden Versuche mit¬ 
berücksichtigt, im Durchschnitt 0,344 g. Wichtiger als diese absoluten 
Zahlen ist aber das percentuclle Verhältnis des im Blute gefundenen 
Milchzuckers zu dem im ganzen Körper circulierenden, es beträgt im 
Durchschnitt 24,8 pCt. ln den Geweben sind demnach durchschnittlich 
0,988 g = 76 pCt. deponiert. 

Am Ende der ersten halben Stunde ist die Verteilung des injicierten 
Milchzuckers demnach folgende: Ungefähr ein Drittel ist im Harn 
ausgeschieden worden und zwei Drittel noch im Körper; ein 
Viertel dieses Restes circuliert in der Blutbahn und drei 
Viertel sind in den Geweben deponiert. 

In drei Versuchen wurden dieselben Grössen für die Zeit eine 
Viertelstunde nach der Injection bestimmt; es ergaben sich folgende Durch¬ 
schnittswerte: Im Ham ausgeschieden sind 38,0g= 18,1 pCt.; von den 
im Körper noch befindlichen 1,713 g sind 0,537 g = 31,6 pCt. im Blut 
und 1,176 g = 69,2 pCt. in den Geweben. • 

Mit anderen Worten: Ungefähr ein Drittel des Restes be¬ 
findet sich im Blut und erst zwei Drittel in den Geweben. 

Versuch X demonstriert die Verhältnisse nach 45 Minuten post in¬ 
jectionem; 1,129 g = 56,5 pCt. sind ausgeschieden und 0,851 g im 
Körper geblieben, davon wurden 0,209 g = 24,5 pCt. im Blut und 0,642 g 
= 75,5 pCt. in den Geweben gefunden. 

In Tabelle 3 sind diese Befunde übersichtlich zusammengestellt: 


Tabelle 3. 

Injiciert 2,03 g. 



Im Harn aus¬ 
geschieden 

Noch im 

Körper 

g 

Im Blut 

In den Geweben 

absolut 

g 

pCt. 

d. Restes 

absolut 

g 

pCt. 

d. Restes 

absolut 

g 

pCt. 

d. Restes 

Nach 13 Min. 

0,380 

18,7 

1,713 

0,537 

31,6 

1,176 

69,2 

. 30 „ 

0,704 

34,7 

1,335 

0,344 

24,8 

0,988 

76,0 

. 45 , 

1,129 

56,5 

0,851 

0,209 

24,5 

0,642 

75,5 


Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 


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392 


Oswald Scbwarz und Erwin Pulay, 


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Berechnet man endlich die im Blute gefundenen Werte nicht auf 
den im Körper jeweilig verbliebenen Rest, sondern auf die ursprünglich 
injicierte Milchzuckermenge, so kommt man zu folgenden Werten: Nach 
15 Minuten sind im Blute 26,9 pCt., nach 30 Minuten 17,2 pCt., nach 
45 Minuten 10,4 pCt. In der ersten Viertelstunde verschwinden also 
mehr als zwei Drittel des injicierten Zuckers aus dem Blute, in den 
nächsten Beobachtungszeiten geht die Diffusion jedoch viel langsamer 
vor sich. 

Versuchen wir uns nun, auf Grund der raitgeteilten Tatsachen ein 
Bild von dem Kreislauf des intravenös injicierten Milchzuckers zu machen: 
Unmittelbar auf die Injection folgt natürlich eine Hyperglykämie; nach 
einer Viertelstunde betrug die Concentration des Milchzuckers im Blut in 
Versuch XI 0,270 pCt., Versuch XIII 0,223 pCt., Versuch XIV 0,176 pCt., 
nach einer weiteren Viertelstunde 0,130 pCt., bzw. 0,216 pCt., bzw. 
0,106 pCt. Unter den übrigen Versuchen ist der höchste Wert nach 
einer halben Stunde mit 0,271 pCt. erreicht. Gleichzeitig mit der Hyper¬ 
glykämie setzt eine Hydrämie ein, die in den niedrigeren Hämoglobin¬ 
werten und der gesteigerten Diurese zum Ausdruck kommt. Neben der 
Hydrämie, die zweifellos als Abwehrmassregel betrachtet werden kann, 
tritt sofort eine Elimination des Zuckers durch die Nieren ein; die hierbei 
beobachteten Gesetze wurden von dem einen von uns in der bereits er¬ 
wähnten Arbeit untersucht, deren Hauptergebnis war, dass der Harnzucker 
immer in constanter Relation zu dem im Körper vorhandenen Zucker 
steht (etwa 35 pCt.) und unabhängig von der Höhe des Blutzuckers ist. 
Gelegentlich der Besprechung der Versuche an nephritischen Tieren 
werden wir noch in der Lage sein, einige neue Belege für diese Auf¬ 
fassung zu erbringen. Drittens endlich entledigt sich das Blut seines 
Zuckerüberschusses durch Abtransport in die Gewebe: 15 Minuten nach 
der Injection sind zwei Drittel, 30 Minuten post injectionera schon drei 
Viertel des ‘jeweils im Körper vorhandenen Zuckers in den Geweben 
untergebracht. Nach einer Stunde ist nach Pavys Angaben jede Hyper¬ 
glykämie geschwunden, welche Zuckerart man auch injiciert. Da aber 
die Ausscheidung des Milchzuckers bei dieser Versuchsanordnung min¬ 
destens 6 Stunden dauert und bis 90 pCt. des Zuckers wieder ausge¬ 
schieden werden, so muss man annehmen, dass nach einiger Zeit der 
Diffusionsstrom sich umkehrt und Zucker aus den Depots wieder ans 
Blut abgegeben wird und zwar so allmählich, dass es zu keiner be¬ 
stimmbaren Anhäufung im Blute kommt. 

IV. Versuche am nephrectomierten Tier. 

Die Bedeutung einer Reguliervorrichtung und als solche fassten wir 
die Abgabe eines Teiles des injicierten Milchzuckers aus dem Blute in 
die Gewebe auf, lässt sich am besten nach der Steigerungsfähigkeit ihrer 
Leistung beurteilen. Der geeignetste Weg zur Ermittelung der Rolle der 
Gefässpermeabilität unter den Mechanismen zur Erhaltung der Constanz 
der Blutzusammensetzung schien uns die Ausschaltung der Function der 
Nieren, wobei die mechanische Ausschaltung die übersichtlichsten Er¬ 
gebnisse erhoffen liess. 


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lieber das Schicksal intravenös injicierten Milchzuckers usw. 


393 


Nachdem der Verteilungsquotient im normalen Tier bestimmt war, 
wurden am nächsten Tage die Nieren lumbal entfernt und in einem Fall 
nach 8 Stunden, in den übrigen im Laufe des zweiten Tages der eigent¬ 
liche Versuch angestellt. Die Einzelheiten der Versuche waren genau 
die gleichen wie in den Normal versuchen, so dass wir uns auf eine 
tabellarische Wiedergabe der Versuche beschränken. Die Nummerierung 
der Versuche correspondiert mit der der Tabelle 2. 


Tabelle 4. 


ja 

o 

<v 

> 

Injiciertcr 

Milch¬ 

zucker 

Im Blute des 
Normaltieres 
nach 30 Min. 

Zeit 

zwischen 
Operation 
u. Versuch 

Im Blute des operierten Tieres nach 

30 Minuten 

60 Minuten 

Ia. 

1,98 

0,297g=21,0pCt. 

31 Std. 

0,965 g = 48,2 pCt. 

__ 

Ila. 

1,98 

0,283 g=20,1 „ 

32 , 

0,644 g = 32,0 „ 

— 

lila. 

1,98 

0,450g = 28,1 „ 

32 „ 

0,920 g=46,0 „ 

— 

VHa. 

1,93 

0,308 g = 23,6 „ 

30 „ 

0,777 g = 40,7 „ 

0,658 g—34,6 pCt. 

Villa. 

1,90 

0,485 g = 30,7 „ 

8 „ 

0,828g = 51,7 „ 

0,616 g = 38,4 * 


Der Unterschied gegen die Versuche am Normaltier ist ein ecla- 
tanter: In sämtlichen Versuchen war 30 Minuten nach der Injection noch 
bedeutend mehr Milchzucker im Blute der operierten Tiere als in dem der 
gesunden; die Werte betragen oft das Doppelte der normalen. Die ein¬ 
fache Nephrectomie setzt also schon nach wenigen Stunden Verände¬ 
rungen, die den Austausch zwischen Blut und Geweben für den Milch¬ 
zucker ausserordentlich erschweren. Die Annahme, dass die Retention 
im Blute auf einer Erschwerung der Diffusion beruht, scheint uns der 
Sicherung gegen einen naheliegenden Ein wand zu bedürfen: Das Zu¬ 
standekommen der beträchtlichen Hyperglykämie liesse sich auch damit 
erklären, dass der Milchzucker zwar ganz normal das Blut verlässt, 
dann durch die vorhin erwähnte rückläufige Strömung wieder dahin zu¬ 
rückkehrt und nun, da die Abfuhr durch die Nieren wegfällt, im Blute 
angehäuft wird. Der Einwand wird jedoch entkräftet durch die Tatsache, 
dass nach einer weiteren halben Stunde nach der Injection zwar noch 
immer beträchtliche Mengen Milchzucker im Blute circulieren, dass aber 
der Gehalt absolut und relativ gegen den vor einer halben Stunde beob¬ 
achteten abgenoramen hat; der Zucker strömt also tatsächlich aus dem 
Blute in die Gewebe ab, wenn auch stark verlangsamt. 

V. Versuche bei toxischer Nephritis. 

Die weitere Verfolgung der gestellten Aufgabe erfordert nun eine 
Untersuchung, wie sich die von uns als charakteristisch gefundene Ver¬ 
teilung des Milchzuckers bei toxischen Erkrankungen der Niere ändert. 
Es ist nun eine jedem mit der Materie Vertrauten bekannte Tatsache, 
wie sehr sich das Bild der Functionsstörung bei den einzelnen Tieren 
mit der Giftdosis und der Dauer der Erkrankung ändert und wie schwierig 
die Beurteilung des erzielten Vergiftungsstadiums ist, so dass nur eine 
sehr grosse Anzahl von Versuchen ein einigermassen sicheres Urteil er¬ 
laubt. Unsere Versuche wurden im Sommersemester 1914 angestellt 

26 * 


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Oswald Schwarz und Erwin Pulay, 


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und durch den Ausbruch des Krieges unterbrochen; da kaum die Aus¬ 
sicht besteht, sie in absehbarer Zeit fortzuführen, teilen wir die bisher 
erhaltenen Resultate hier mit, ohne zu übersehen, dass sie mehr eine 
Disposition als eine erschöpfende Lösung des Problems bedeuten. 

Cantharidin. 

Da unser Hauptaugenmerk auf das Verhalten der Capillaren ge¬ 
richtet war, so bot die Cantharidinnephritis zunächst das grösste Inter¬ 
esse. Von den vier Versuchen an cantharidin vergifteten Tieren, die 
Schmid und Schlayer (1. c.) mitteilen, zeigte der erste nur Symptome 
der Nierenausschaltung, nämlich stark gehemmten Austausch zwischen 
Blut und Geweben, während in den weiteren in steigendem Masse eine 
Erscheinung zutage tritt, die die Autoren als charakteristisch für vas- 
culäre Nephritiden bezeichnen, nämlich eine ganz ausserordentlich rasche 
Diffusion der infundierten Salzlösung aus dem Blute. L. Pollak, der, 
wie erwähnt, specieller die Durchlässigkeit des Complexes Capillarwand -f* 
Peritoneum prüfte, fand keinen Unterschied zwischen gesunden und can- 
tharidinvergifteten Tieren. 

Wir haben folgende drei Versuche angestellt: 

Versuch XlVa. Im Vorversuch am 25. 7. wog das Kaninchen 2300 g und hatte 
auf eine Injection von 1,88 g Milchzucker nach 30 Min. 0,239 g = 23,9 pCt. im Blut. 
Nach zweitägiger Haferfütterung war saurer Ham erzielt. 

27. 7. 11 Uhra. m. 2,5 mg Cantharidin subcutan injiciert. 

4 Uhr 40 Min. p. m. 2100 g, in der Blase einige Tropfen reinen Blutes. Injection 
von 1,88 g Milchzucker in 10 ccm Wasser, Hb 61 (im Vorversuch 80). 

5 Uhr 10 Min. p. m. In der Blase nur blutig gefärbtes Spülwasser. Blut¬ 
entnahme, Hb 50; in 5 ccm Blut sind 21,9 mg Milchzucker. Umgerechnete Blut¬ 
menge: 196 ccm enthält 0,8585 g Milchzucker = 45,6 pCt. 

5 Uhr 40 Min. p. m. Complette Anurie. Blutentnahme, Hb 58; in 5 ccm Blut 
sind 19,0 mg Milchzucker. Umgerechnete Blutmenge: 178 ccm enthält 0,6774 g Milch¬ 
zucker = 36 pCt. 

Versuch XVa. Im Vorversuch am 26. 7. wog das Kaninchen 2000 g und hatte 
nach 30 Min. 24,6 pCt. des im Körper noch vorhandenen Milchzuckers im Blute. 

29. 7. 12 Uhr. 2,2 mg Cantharidin subcutan. 

4 Uhr 27 Min. 1900 g, 1,93 g Milchzucker in 10 com Wasser intravenös. Hb 79 
(im Vorversuch 84). 

5Uhr5Min. complette Anurie. Blutentnahme, Hb61; in 5ocm Blut 17,0mg Milch¬ 
zucker. Umgerechnete Blutmenge 189 ccm enthält 0,6426 g Milchzucker = 33,2 pCt. 

5 Uhr 35 Min. Anurie. Blutentnahme, Hb 61, in 5 com Blut 16,3 mg Milch¬ 
zucker. Umgerechnete Blutmenge 189 ccm enthält 0,6128 g Milchzucker = 31,7 pCt. 

Versuoh lXa. Im Vorversuoh am 30. 5. wog das Kaninchen 2000 g und hatte 
nach 30 Min. 25,3 pCt. des im Körper noch vorhandenen Milchzuckers im Blute. 

2. 6. 12 Uhr. 2,0 mg Cantharidin subcutan. 

4 Uhr 50 Min. 1900 g, 2,13 g Milchzucker intravenös. Hb83 (im Vorversuch 87). 

5 Uhr 20 Min. Anurie. Blutentnahme, Hb 62, in 5 ccm Blut sind 18,0 mg Milch¬ 
zucker. Umgerechnete Blutmenge 187 ccm enthält 0,6732 g Milchzucker = 32 pCt. 

Die injicierte Giftmenge war in diesen Versuchen bedeutend kleiner 
als bei Schmid und Schlayer, sie war jedoch eine maximale, da nur 


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Ueber das Schicksal intravenös injicierten Milchzuckers usw. 


395 


diese drei Tiere überlebten, während zahlreiche andere Versuchstiere 
schon kurz nach der Injection zugrunde gingen; es hängen diese Unter¬ 
schiede in der Toleranz sicher mit der Individualität der Versuchstiere 
zusammen. Obzwar in allen drei Fällen Anurie aufgetreten war, erlaubt 
dies noch kein Urteil über den Vergiftungsgrad, als dessen Criterium 
Schlayer nur den Grad der Hydrämie betrachtet; hiernach war nur 
der erste Fall ein schwerer. Trotzdem stimmen die Resultate aller drei 
Versuche überein: Es kam zu einer bedeutenden Retention von Milch¬ 
zucker im Blute, die in Versuch XIV a fast den doppelten Wert wie im 
Vorversuche erreicht; auch in der nächsten halben Stunde ist die Dif¬ 
fusion des Zuckers stark verzögert. In den anderen zwei Versuchen, 
die geringere Vergiftungsbilder darstellen, ist auch die Retention eine 
geringere, ob aber zwischen diesen beiden Erscheinungen eine causale 
Beziehung besteht, bleibe dahingestellt. 

In unseren drei Fällen — und diese Einschränkung sei ausdrücklich 
botont — bewirkt die CantharidinVergiftung nur die Symptome 
einer completten Nierenausschaltung. 

Chrom. 

Die Versuche mit Chromnephritis — es konnte nur einer ausge¬ 
führt werden — waren nach einem anderen Gesichtspunkt angelegt: Es 
sollten hier leichtere Grade der Vergiftung studiert werden, bei denen es 
noch nicht zur Anurie gekommen war, so dass in grösserer Annäherung 
an die Versuche an normalen Tieren auch die Ausscheidung des Milch¬ 
zuckers im Harn mit in Betracht gezogen werden konnte. 

Versuch XHa. Im Vorversuch am 2. 7. wog das Kaninchen 1700 g und hatte 
nach 30 Minuten 18,3 pCt. Milchzucker im Blut. 

3. 7. 15 mg Kali chromati subcutan. 

6. 7. 1600 g. Im Harn Albumen positiv, einige byaline Cylinder. 

9 Uhr 5 Min. a. m. 1,9 g Milchzucker intravenös; Hb 72 (im Vorversuch 80). 

9 Uhr 35 Min. 7 oem Harn mit 0,54 g Milchzucker. Blutentnahme, Hb 54, in 
5 ccm Blut 11,2 mg Milchzuoker. Umgerechnete Blutmenge 164 ccm enthält 0,367 g 
Milohzucker = 27 pCt. 

7. 7. Injection von 10 mg Kali chromati subcutan. 

9.7. 1200 g. 

5 Uhr 15 Min. 1,9 g Milchzucker intravenös. Hb 70. 

5 Uhr 45 Min. 9,5 ccm Harn mit 0,7205 g Milchzucker. Blutentnahme, Hb 60, 
in 5 ccm Blut 27,5 mg Milchzucker. Umgerechnete Blutmenge 109 ccm enthält 0,599 g 
Milchzucker = 49,8 pCt. 

Das Resultat des Versuches ist sehr interessant: Die Vergiftung mit 
Chromkali hatte eine Gewichtsabnahme und leichte Hydrämie zur Folge. 
Auf die Zuckerinjection wurde die Hydrämie grösser; es trat eine be¬ 
trächtliche Diurese auf, wobei die Ausscheidung des Milchzuckers aber 
normal blieb, beides Beweise für intacte Function der Nierengefässe, 
trotzdem Zuckerretention im Blut! Drei Tage später, nach neuerlicher 
Chromkaliinjection sind Wasser- und Zuckerausscheidung noch immer 
normal, die Zuckerretention im Blute hat aber ganz ausserordentlich zu¬ 
genommen. Diese Retention im Blute ist also ganz unabhängig 


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Oswald Schwarz and Erwin Pulay, 


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von der Ausscheidung in der Niere und anscheinend nur durch 
eine Schädigung des Organismus durch das injicierte Gift 
bedingt. 

Als Ergänzung dies Befundes möchten wir noch eine Beobachtung 
anführen, die uns ein glücklicher Zufall ermöglichte. 

Versuch IV. 1.5. Kaninchen, 2100 g. 

4 Uhr 46 Min. p. m. 1,98 g Milchzucker intravenös, Hb. 68. 

5 Uhr 1 Min. 3,5 ccm Harn mit 0,2329 g Milchzuoker. 

5 Uhr 16 Min. 3,5 ccm Harn mit 0,3025 g Milchzucker. Blutentnahme, Hb 51, 
in 5 ccm Blut sind 17,1 mg Milchzucker. Umgerechnete Blutmenge 214 ccm enthält 
0,732 g Milchzucker = 50,8 pCt. 

Verglichen mit den anderen bei normalen Tieren gefundenen ist 
dieser Wert ganz auffallend hoch. Das Tier war für einen Nephrec- 
tomieversuch bestimmt, wurde operiert und starb am Tage nach der 
Operation vor dem eigentlichen Versuch. Mit Rücksicht auf den ab¬ 
normen Wert des Blutzuckers wurden die Nieren histologisch untersucht 
und zeigten das Bild einer weitgehenden tubulären Nephritis, wie sie 
bisweilen bei Kaninchen gefunden wird; bei der Obduction war als ver¬ 
mutliche Ursache eine ausgebreitete Coccidiose mit reichlich Ascites¬ 
flüssigkeit gefunden worden. Diese spontane Nephritis hatte zwar noch 
normale Zucker- und Harnausscheidung erlaubt, andererseits aber in 
voller Uebereinstimmung mit der Chromnephritis zu einer bedeutenden 
Zuckerretention im Blute geführt. 

Uran. 

Es wurden zwei Versuche angestellt, deren Anordnung und Ergebnisse 
so sehr mit den anderen Versuchen übereinstimmten, dass wir uns auf 
eine kurze Wiedergabe beschränken können. In beiden Fällen kam es 
auf Injection von 0,2 g Urannitrat am zweiten bzw. dritten Tage post 
injectionem zur Anurie ohne Oedeme oder Ascites. Bei beiden Versuchen 
fand eine mächtige Zuckerretention statt: Nach 15 Minuten post injec¬ 
tionem 51,8 pCt., nach weiteren 15 Minuten 45 pCt. gegen 23,7 pCt. 
und 25,6 pCt. im Vorversuch. Im zweiten Falle 48,2 pCt. gegen 26,1 pCt. 
im Vorversuch nach 30 Minuten post injectionem. 

VI. Ueber das Verhältnis von Blut- und Harnzncker. 

Bisher war in der Discussion der Versuchsresultate das Schwer¬ 
gewicht auf die Verteilung des Milchzuckers zwischen Blut und Gewebe 
gelegt worden, wobei wir zu übereinstimmenden und gesetzmässigen Re¬ 
sultaten gelangten. Es erübrigt noch eine Besprechung der Zuckersecretion 
im Harn. In einer früheren Arbeit über diese Frage war der eine von 
uns (0. Schwarz 1. c.) bezüglich des Traubenzuckers zu dem Schluss 
gekommen, dass die Menge des im Harn ausgeschiedenen Zuckers unab¬ 
hängig von der Zuckerconcentration des Blutes, jedoch bestimmt durch 
den noch im ganzen Körper kreisenden Zucker sei. 

Das Verhältnis des im Harn ausgeschiedenen zu dem im 
Körper kreisenden Zucker illustrieren folgende Zahlen, die den Ver¬ 
suchen I—XV entstammen, wobei nur Versuch IV aus den obenerwähnten 


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lieber das 


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Gründen -ausgenommen isf: 35 p€t„, 33.8 pCt., 23,8 pCt., 43,5 pOt., 
32,7 pCt.,‘33 pCr,.,. 32,2 pCt., 28,3-pCt,, 44 pCt., 13,9 pCt, MJ> pCt. 4 
37,1 pCt., 45,8 pCt. und 40,3 pCE, ha Durchschnitt 34,7 pUt. 

Die Werte für die pathologischon Palle sind in der felgenden Tabelle 
enthalten; alle Angaben beziehen sich auf eine halbe Stunde nach der 
Injection. 


Tabelle 5, 




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Die Zahlen 28,8 pCt, für das nophriiische Kaninchen und 28,4 pCt. 
bzw. 37,8 pCt für das ebromvergiftete Tier fallen ganz in den Bereich 
der oben als normal angeführten Werte, 

Die € oii den trat ton des. Zockers irn Harn ist in Versuch IV 
7,7 pCt., in Versuch XJ'tp 7,7 pt't., in XIIh 7,0 pCt. gegen 9,6 pCt: 
heim gesunden Tier;' die kranke Niere bedarf also etwas mehr Wasser 
2 ur Ausscheidung der gleichen Zuc.kerinenge. 

. Sehr .interessant ist endlich der Vergleich der Zockcrwerte int 
Blut und Harri- Ans den 14 Normal werten-, berechnet .sieb der Durch¬ 
schnitts wert der Glykämie 30 Minuten nost injectionetn auf 0,185 pCt. 
(vgl. Tab, \, Kolonne 13); ihm entsprichtTine durchschnittliche Ausscheidung;, 
von 0,1036 g Milchzucker im Harn.. Diego Angabe ist allerdings, nur mit 
einer gewisseri Kinschrankung richtig; Der angeführte Wert stellt rUt; Gly- 
kähtie im Monjiint der Bestimmung am Ende der halben Stunde dar- der 
Milchzucker wurde aber wahrend der ganzen Zeit sccernmrt, entspricht also 
genau,. genommen dem Integral ;V<5ts : Ead* tum Äphuigswcrt- der Gly- 



vcrwemlbar.. — in den drei pathologischeo Ehlion 'nttfl' 
zuoWwertc, die die normalen bis um das Dreifache übersteigen, ■nichts-, 
desto weniger bewegen sich die Werte des Harnzuckers in normalen 
Grenznhi Alsö auch heim MUßb z'ttdkpr ist der Harnzucker un- 
becipfttts.it: von der ßIatzückfero6ooentfatioD , }‘ 


;1) tu der oralen Arbeit, di® hauptsächlich der Untersuchung dieser Verhältnisse 
gern ilftet war, unterlioss ich auf eine Analogie hinzuw&isau, die als sMiv wesentliche 
Stütze dot vertretenen Auffaasuug gelten kann, Seine Erfahrungen über Vertedeog uua 

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Oswald Schwarz und Erwin Pulay, 


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Zusammenfassung;. 

Ein Rückblick auf die mitgeteilten Versuche führt zu folgender Zu¬ 
sammenfassung: Die Versuche am normalen Tiere lassen uns das Schicksal 
intravenös injicierten Milchzuckers ziemlich genau verfolgen. Der Zucker 
verlässt teils durch die Nieren, teils durch die Körpercapillaren das Blut. 
Während aber die Nieren in aufeinanderfolgenden Zeiten, wie früher ge¬ 
zeigt wurde, immer den gleichen Procentsatz des im Körper befindlichen 
Zuckers eliminieren, geht die Diffusion aus dem Blute in die Gewebe 
zunächst sehr rasch, dann immer langsamer vor sich. Es findet sich 
dabei nicht nur absolut, sondern auch relativ, d. h. im Verhältnis zu 
dem noch im Körper befindlichen Zucker immer weniger davon im 
Blute, so dass voraussichtlich in der zweiten Stunde post injectionem 
kaum noch Spuren im Blute vorhanden sein dürften. Da die Aus¬ 
scheidung im Harn unter diesen Versuchsbedingungen aber mindestens 
6 Stunden dauert, muss man annehmen, dass der Zucker aus den Körper¬ 
depots allmählich wieder an das Blut abgegeben und durch die Nieren 
entfernt wird. 

Die Versuche an nephrectoraierten Tieren ergaben, dass 
die mechanische Ausschaltung zu einer bedeutenden Zucker¬ 
retention im Blute führt. 

Dasselbe Resultat ergaben Versuche an nephritischen 
Tieren, gleichgültig ob die Nephritis durch Cantharidin, 
Chromkali und Urannitrat erzeugt oder in einem Falle spontan 
aufgetreten war, gleichgültig ob sie zur corapletten Anurie geführt 
hatte oder die Harnsecretion unberührt geblieben war. 

Bedenkt man nun, dass die Symptomatologie dieser anatomisch so 
verschiedenen Nierenerkrankungen nach allen bisher untersuchten Ge¬ 
sichtspunkten eine sehr verschiedene ist, so muss unseres Erachtens diese 
durchgreifende Uebereinstiramung der Resultate Bedenken an der prin- 
cipiellen Bedeutung der beobachteten Erscheinung hervorrufen und zu 
Vorsicht in der deductiven Verwertung dieser und ähnlicher Ergebnisse 
führen. Streng genommen können wir eigentlich nur sagen, dass die 
Injection von Giften, deren Hauptangriffspunkt nach unseren bisherigen 


Ausscheidung retinierten Stickstoffes bei azotämisohen Nephritiden fasst nämlich 
v. Monakow (Deutsches Aroh. f. klin. Med. 1914. Bd. 115. S. 76) folgendermassen 
zusammen: „Ich komme deshalb auf Grund der mitgeteilten Befunde zu der Ansicht, 
dass, wenn Stickstoff im Körper retiniert wird, dieser in erster Linie in den Geweben 
zurückgehalten wird, erst wenn die Gewebe mit N ... bis zu einem gewissen Grade 
übersättigt sind, muss sich die N-Retention im Blute durch Erhöhung des Rest-N 
geltend machen .... Findet bei N-armer Nahrung z. B. eine Ausschwemmung von N 
statt, so sinkt deshalb der Rcst-N doch nicht sofort, sondern er scheint unter Ent¬ 
lastung der Gewebe seine vermehrte Abgabe an den Urin zu decken. 4 * 

Also auch für den N gilt, dass seine Ausscheidung nicht durch den Gehalt dos 
Blutes, sondern von dem Sättigungsgrad der Gewebe dictiert wird. Für die Chloride 
bestätigen die Erfahrungen über die „trockene Retention 44 und den Mechanismus der 
Lösung der Oedeme die gleiche Gesetzmässigkeit. 


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UNIV ER5ITY OF __ _\N 



Ueber das Schicksal intravenös injicierten Milchzuckers usw. 


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Kenntnissen die Niere ist, zu einer Zuckerretention im Blute führten 1 ), 
wobei es sich nicht mehr sicher entscheiden lässt, ob diese Retention 
eine Wirkung der Niereninsufficienz ist oder auf einer der Nierenläsion 
coordinierten primären Schädigung der Körpercapillaren durch die Gifte 
beruht. Für die erste Auffassung scheinen die Versuche mit mechanischer 
Nierenausschaltung zu sprechen, für letztere die Versuche, in denen die 
Retention bei erhaltener Harnsecretion auftrat; im selben Sinne lassen 
sich auch die Befunde Webers deuten, der an nephrectoraierten Tieren 
eine Uranwirkung constatieren konnte. Die geringe Zahl unserer Ver¬ 
suche mit toxischen Nephritiden ist kein Einwand gegen diese Schluss¬ 
folgerungen, da hier jeder positive Versuch beweisend ist; ebenso wenig 
gilt der Hinweis auf die Möglichkeit, dass in anderen Vergiftungsstadien 
andere Verhältnisse sich zeigen würden. Wir selbst neigen zu der An¬ 
sicht hin, die Nierenläsion an sich, welcher Art auch immer 
sie sei, als Ursache der Retention zu betrachten. Es bestärken 
uns hierin auch die Angaben von Schmid und Schlayer (1. c.), dass 
gerade die vasculären Gifte, die die Nierencapillaren für Wasser 
impermeabel machen, die Durchlässigkeit der Körpercapillaren enorm 
erhöhen, so dass ein Parallelismus in der Wirkung auf die beiden Ge- 
fässsysteme anscheinend nicht besteht. 

Vergleichen wir endlich die Ergebnisse der drei ziemlich gleich 
orientierten Arbeiten von Schmid und Schlayer, L. Pollak und uns, 
so ergibt sich ein eigenartiges Resultat: Nach Nephrectomie fanden 
Schmid und Schlayer und wir Retention, ebenso für die Chrom¬ 
nephritis Schmid und Schlayer, Pollak und wir; bei Urannephritis 
sahen Pollak und wir Retention, Schlayer und Schmid erhöhte 
Permeabilität; bei Cantharidinvergiftung fanden Schmid und Schlayer 
in einem Falle leichterer Vergiftung Retention, bei schwereren Formen 
erhöhte Diffusion, Pollak keinen Unterschied vom normalen Tier und 
wir in allen Fällen Retention! 

Die Verschiedenheit der Stoffe, deren Diffusion geprüft wurde, erklärt 
diese Differenzen nur zum geringsten Teil. 

Die Ausscheidung des Milchzuckers im Harn endlich wird von den¬ 
selben Gesetzen geregelt wie die des Traubenzuckers: Abhängigkeit der 
Grösse der Ausscheidung von dem im Körper vorhandenen Milchzucker, 
ohne Rücksicht auf die Concentration des Blutes. 


Literatur, 

1. Andersson, N., Ueber das Verhalten des Blutzuckers beim Aderlass. Biochem. 
Zeitschr. 1908. Bd. 12. S. 1. 

2. Bang, J., Der Blutzucker. Bergmann. Wiesbaden 1913. 

3. Möckel, K., und E. Frank, Ein einfaches Verfahren der Blutzuckerbestimmung. 
Zeitschr. f. phys. Chemie. 1910. Bd. 65. S. 323. 


1) Vielleicht ist die gelegentlich bei Nephritiden des Menschen beobachtete 
Hyperglykämie auf eine ähnliche Ursache zurückzuführen. 


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400 Schwarz u. Pulay, Ueber d. Schioksal intravenös injicierten Milchzuckers usw. 


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4. Pavy, The physiology of Carbohydrates. London 1894. Vgl. Journ. of Physiol. 
Bd. 24. 

5. Pollak, L., Zur Pathogenese des nephritischen Oedems. Wiener klin. Wochen¬ 
schrift. 1914. S. 98. 

6. Schlayer und Takayasu, Untersuchungen über die Function kranker Nieren. 
Deutsches Arch. f. klin. Med. 1909. Bd. 93. S. 17. 

7. Sohmid, P. und Schlayer, Ueber nephritisches Oedem. Deutsches Arch. für 
klin. Med. 1911. Bd. 104. S. 44. 

8. Schwarz, 0., Untersuchungen über die zuckersecretorische Function der Niere. 
Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 1914. Bd. 16. S. 264. 

9. Soxhlet, Das Verhalten der Zuckerarten zu alkalischen Kupferlösungen usw. 
Journ. f. prakt. Chemie. Neue Folge. 1880. Bd. 21. S. 227. 

10. Weber, Untersuchungen über die Permeabilität der Gefässwand. Arch. f. exp. 
Path. und Pharmak. Bd. 65. 


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XXVII. 


Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik Breslau (Director: Geh.-Rat 
Prof. Dr. Küttner) und dem Kgl. pharmazeutischen Institut der Universität 
Breslau (Director: Prof. Dr. Gadamer). 

Ueber Met&chromasie bei Vitalfarbstoffen. 

Von 

Dr. phil. et med. Werner Schulemann. 


Während in früheren Zeiten meist compliciert zusammengesetzte 
Naturproducte in der ärztlichen Praxis Verwendung fanden, hat man 
später die wirksamen Stoffe daraus isoliert, den chemischen Bau dieser 
einheitlichen Körper ermittelt, sie synthetisiert und endlich zu verbessern 
gesucht. Anfangs begnügte sich der Arzt damit, die vom Chemiker dar¬ 
gestellten Stoffe wahllos auf ihre pharmakologische Wirkung zu prüfen, 
bald aber stellte er Theorien über die Arzneimittelwirkung und ihre Be¬ 
ziehungen zur chemischen Constitution auf und konnte nun seinerseits 
dem Chemiker Richtlinien für seine synthetische Arbeit geben. 

Die Anschauungen über die Wirkungsweise von Arzneimitteln haben 
im Laufe der Zeit viele Wandlungen durchgemacht und sind auch heute 
noch keineswegs abgeschlossen. Unter dem Einfluss Ehrlichs und seiner 
Schule hat die Theorie, dass Verteilung und Wirkung der Arzneimittel, 
Toxine usw. im tierischen Körper auf Grund chemischer Gesetzmässig¬ 
keiten geschehe — die sogen. „Seitenkettentheorie“ — in weiten Kreisen 
rückhaltlose Anerkennung gefunden. „Seitenketten“, d. h. reactionsfähige 
Atomgruppen der Arzneistoffe, dgr Toxine usw. sollen mit entsprechenden 
„Seitenketten“ des Zellprotoplasmas oder Zellkernes chemisch reagieren. 
Es sollen auf diese Weise Verbindungen entstehen und diese primäre Ver¬ 
ankerung sowie weitere secundäre Reactionen zwischen „Receptoren“ 
sollen Ursache der Verteilung und Wirkung der Arzneimittel sein. 

. Im Anfang seiner wissenschaftlichen Tätigkeit hat Ehrlich die 
Möglichkeit, dass auch „physikalische“ Reactionen das Geschehen im 
Organismus ebenso wie chemische Reactionen beeinflussen könnten, viel¬ 
fach in Erwägung gezogen 1 ); in seinen späteren Arbeiten aber zeigt sich 
immer mehr die Tendenz, das biologische Verhalten von Arzneistoffen, 
Toxinen, Nährstoffen usw. auf rein chemischem Wege zu erklären 2 ) und 
nur selten erinnern uns Worte wie „Zellspringer“, „Zellhafter“ 8 ) an ver- 

1) P. Ehrlich, Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus. Berlin 1885. 

2) Das findet z. B. klar seinen Ausdruck, wenn Ehrlich die „Reactionen“ der 
„Receptoren“ vergleicht mit der Reactionsart der Derivate des Benzylcyanides mit 
p-Nitrosodimethylanilin (P. Ehrlich, Beitr. z. exp. Path. u. Chemother.). 

3) P. Ehrlich, Aus Theorie und Praxis der Chemotherapie. Leipzig 1911. 


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Werner Schulemann, 


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gangene Zeiten. Das von Ehrlich für seine „neue“ Forschungsrichtung 
geprägte Schlagwort „Chemotherapie“ bezeichnet zwar treffend die Grund¬ 
ideen seiner Theorien, bringt aber in ebenso prägnanter Weise deren Ein¬ 
seitigkeit zum Ausdruck. 

Einen scheinbar glänzenden Beweis für seine Theorien schien Ehrlich 
durch die Synthese des Salvarsans beigebracht zu haben, das er auf 
Grundlage seiner Seitenkettentheorie aufgebaut und das sich von hervor¬ 
ragend praktischer Bedeutung gezeigt hat. Trotzdem musste ich bei der 
experimentellen Bearbeitung des Themas „Die Beziehungen zwischen 
chemischer Constitution und Vitalfärbungsvermögen bei sauren Farb¬ 
stoffen“ 1 ) erfahren, dass die Ehrlichsche Chemoceptorentheorie zur Er¬ 
klärung der beobachteten Tatsachen völlig versagte. 

Das mit dem Salvarsan verwandte Trypanblau (die Verwandtschaft 
dieser beiden Substanzen habe ich a. 0. näher definiert), das Ehrlich 2 ), 
Nicolle und Mesnil 3 ), Bouffard 4 ), Goldmann 5 * ), und in neuerer Zeit 
eine grosse Zahl von Forschern zu Vitalfärbungszwecken benützt hatten, 
bildete den Ausgangspunkt für meine Versuche. Die grosse Anzahl dem 
Trypanblau nahe verwandter Farbstoffe ermöglichte es die „Chemo- 
ceptoren“ in der mannigfaltigsten Weise zu variieren, und hierdurch auf 
ihre biologische Reaction zu prüfen. Anfangs allein, später in gemein¬ 
samer Arbeit mit Herbert M. Evans stellte ich nun experimentell fest, 
dass viele Farbstoffe mit scheinbar geeigneten „Cheraoceptoren“ garnicht 
vital färbten, und dass Substanzen mit ungeeigneten „Chemoceptoren“, 
ja sogar solche, bei denen man von „Cheraoceptoren“ überhaupt nicht 
mehr reden konnte (Metallcolloide, Farbstoffe ohne „Seitenketten“ usw.), 
oft die prachtvollste Vitalfärbung gaben. 

Dieser negativen Feststellung konnten wir aber bald positive Resultate 
entgegenstellen, durch die wir das „Wesen der Vitalfärbung mit saurep 
Farbstoffen“ zwanglos erklären konnten. Wir hatten nämlich bei unseren 
Tierversuchen die auffallende Beobachtung gemacht, dass Lösungen ein 
und desselben Farbstoffes sich je nach der Bereitungsweise, der Con- 
centration, des Elektrolytgehaltes, des Alters usw. biologisch verschieden 
verhielten. 

Der physikalische Lösungszustand schien also von grösserer Wichtig¬ 
keit für das Vitalfärbungsvermögen als die Anwesenheit passender „Chemo¬ 
ceptoren“. 

Um einen Einblick in den physikalischen Zustand der Farbstoff¬ 
lösungen zu gewinnen, stellten wir nun gemeinsam mit F. Wilborn 


1) W. Sohulemann, Arch.mikr.Anat. 1912. Bd.79. S.223. Arch.d.Pharmaz. 
1912. Bd. 250. S. 252, 389. Diese Zeitschr. 1912. Bd. 11. S. 1. — H. M. Evans, 
W. Schulemann, F. Wilborn, Jahrb. d. Schles. Ges. f. vaterl. Cult. Breslau 1913. 
Deutsche med. Wochenschr. 1914. 

2) P. Ehrlich, Berliner klin. Wochenschr. 1907. Nr. 9—12. 

3) Nicolle et Mesnil, Ann. d. l’Instit. Pasteur. 1906. T. XX. Nr. 6 u. 7. 

4) Bouffard, Ibid. 1906. T. XX. No. 6. 

5) E. Goldmann, Bruns 7 Beitr. z. klin. Chir. 1909 u. 1912. — Verhandl. d. 

deutschen pathol. Ges. Erlangen 1910. 


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Ueber Met&chromasie bei Vitalfarbstoffen. 


403 


Kurven für die Diffusionsgeschwindigkeit in einem Gelatinegel auf 1 ). 
Dabei zeigte sich eine überraschende Uebereinstimmung zwischen dem 
physikalischen und dem Tierversuch: Stoffe ohne bzw. mit geringer 
Diffusionsgeschwindigkeit färbten nur local vital; zeigten die Lösungen 
eine mittlere Diffusionsgeschwindigkeit, so erhielten wir schöne allgemeine 
Vitalfärbung, deren Eintritt und Dauer in völliger Parallele zum Verlauf 
der Kurve stand; Substanzen endlich, die sehr schnell diffundierten, 
wurden garnicht in den Zellen des Tierkörpers deponiert, sondern schnell 
durch Harn und Kot wieder ausgeschieden. 

Weitere Beweise für unsere Anschauungen konnte ich dann gemein¬ 
sam mit Evans erbringen. Durch Aenderung des Lösungszustandes 
konnten wir Nichtvitalfarbstoffe zu den schönsten Vitalfarbstoffen machen 
und umgekehrt. Wir konnten ferner zeigen, dass Farbstoffe ganz anderer 
Klassen, als die, welcher das Trypanblau angehört, denselben Gesetzen 
gehorchen, z. B. Anthrachinonderivate, Fluorescinfarbstoffe, Rhodamine, 
Oxyazofarbstoffe u. a. m. Ebenso beweisend für unsere Theorie war auch 
die Tatsache, dass colloidale Lösungen von Metallen (Silber, Gold, Platin, 
Palladium) Vitalfärbung gaben 2 3 ). 

An diese Kette von Beweisen möchte ich nun einen neuen an- 
schliessen, der auf eine Beobachtung von Evans zurückgeht. Evans 
hatte gesehen, dass nach der Injection der rein rubinroten Lösung von 
Congorubin in den vitalfärbbaren Zellen rote Flüssigkeitsbläschen auf¬ 
traten, die mituiiter tiefblaue Körnchen in lebhaft tanzender Bewegung 
einschlossen (Brownsche Molek.-Bew.); daneben fanden sich noch ebenso 
tiefblaue Concremente frei im Zellprotoplasma. Anfangs glaubten wir, 
dass der rote Farbstoff durch einen blauen verunreinigt sei und diese 
Verunreinigung durch die isolierte Ablagerung der Componenten im Proto¬ 
plasma sichtbar würde (es wäre dies zur „scheinbaren Metachromasie“ 
der Histologen in Parallele zu stellen gewesen). Die Prüfung des Farb¬ 
stoffes auf Verunreinigungen nach den von mir zusammengestellten 
Methoden 8 ) zeigte jedoch, dass der Farbstoff einheitlich war — dass also 
„echte Metachromasie“ vorlag. Dieselben Erscheinungen erhielten wir 
auch bei Verwendung eines noch besonders gereinigten Farbstoffes, und 
konnten sie in der Folge noch bei einer grossen Reihe anderer Farbstoffe 
in mehr oder weniger ausgesprochenem Masse beobachten. 

Die Erklärung der beschriebenen Tatsachen stiess anfangs auf 
Schwierigkeiten, da ich bei der Prüfung der Congorubinlösung fand, dass 
die rote Farbe in Blau überging 

1. durch Säurezusatz — Indicatorreaction, 

2. durch Elektrolyt- (NaCl, Na^SOj Zusatz — Elektrolytfällung 
einer colloidalen Lösung. 

Die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten war von 
principieller Bedeutung. 

1) Die ausführliche Arbeit wird noch erscheinen. Im übrigen vergleiche Evans, 
Schulemann, Wilborn 1. c. 

2) Ausführlich werde ich hierüber später berichten. 

3) W. Schulemann, Arch. d. Pharm. Bd. 250. 389. 


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Werner Schulemann, 


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Der Eintritt einer Indicatorreaction — einer chemischen Reaction — 
— hätte für Ehrlichs Theorien sprechen können. Elektroytfällung der 
colloidalen (besser semicolloidalen) Farbstofflösung als Ursache der Meta- 
chromasie musste für die von Evans und mir aufgestellten Theorien 
sprechen. 

Die erste Frage war daher: Geben auch Nichtindicatoren meta¬ 
chromatische Vitalfärbungen? Im „Bordeaux extra“ gelang es bald den 
metachromatisch färbenden Nichtindicator aufzufinden und diesem Farb¬ 
stoff schliessen sich noch mehrere andere an. Aber auch vom Congo- 
rubin Hess sich beweisen, dass der Farbumschlag nicht auf einer Indicator¬ 
reaction beruht. Congorubin ist vermöge seiner a-Amino-//-azo-Gruppe 
ein Indicator und bei Zusatz der Ionen-Lösungen von Salm 1 ) zur wässrigen 
Farbstofflösung konnte ich feststellen, dass die Umschlagsgrenze bei einer 
Wasserstoffionenconcentration von 10“* H-Ionen lag. Diese Umschlags¬ 
grenze entspricht genau der des vielverwendeten Indicators Congorot, 
mit dem Congorubin nahe verwandt ist. Ich prüfte weiterhin die Ver¬ 
schiebung der Umschlagsgrenze bei beiden Farbstoffen in eiweisshaltigen 
Medien, da ich den Verhältnissen im Tierkörper möglichst nahe zu kommen 
wünschte und Sörensen 2 3 ) nachgewiesen hat, dass ein Eiweissgehalt der 
Lösungen die Indicatorreaction beeinflusst. Für Congorubin und Congo¬ 
rot fand sich eine parallele Verschiebung der Umschlagsgrenze von der 
niederen zur höheren Wasserstoffionenconcentration. Die vergleichende 
Untersuchung der beiden Farbstoffe erscheint also cinwandsfrei. 

Zu den Tierversuchen verwendeten wir ein schön vitalfärbendes 
Congorot und stellten fest, dass keine Metachromasie eintrat. Trotzdem 
hatte das Congorot seine Indicatoreigenschaften durch die „Verankerung“ 
in der Zelle nicht verloren. Ein isoliertes Gewebestückchen zeigt unter 
dem Mikroskop rote „Granula“; lässt man nun von aussen Salzsäure 
zufliessen, so erfolgt prompt Blaufärbung. Die physikalische Unter¬ 
suchung der Congorotlösung zeigte, dass bei Elektolytzusatz der Farbstoff 
in roten Flöckchen abgeschieden wird, so dass Tierversuch und Unter¬ 
suchung im Reagenzglase wiederum völlig übereinstimmten. Ich stelle 
die Resultate kurz zusammen: 

„Congorubin“ ändert als Indicator und bei der Elektrolytfällung 
seine Farbe von rot nach blau; es färbt metachromatisch. 

„Bordeaux extra“ ist kein Indicator, ändert aber bei Elektrolyt¬ 
fällung seine Farbennuance; es färbt metachromatisch. 

„Congorot“ ändert als Indicator seine Farbe, bleibt aber bei der 
Elektrolytfällung unverändert, es färbt nicht metachromatisch. 

Eine Indicatorreaction hat demnach die Farbänderung im Organismus 
nicht bedingt und die Erfüllung des Wunsches von Hoeber 8 ) „es möge 
einmal ein Indicator in eine Zelle gebracht werden“, lässt nur den nega¬ 
tiven Schluss zu, dass eine nennenswerte Wasserstoffionenconcentration 

1) Salm, Z. phys. Ch. 1906. Bd. 57. S. 471; 1908. Bd. 63. S. 83. 

2) Sörensen, Bioch. Zeitschr. 1909. Bd. 21. S. 131; 1909. S. 253; 1909. 
Bd. 22. S. 352; 1910. Bd. 24. S. 381. 

3) Hoeber, Physik. Chemie der Zelle. 111. Aufl. Leipzig 1911. S. 162. 


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Ueber Metachromasie bei VitalfarbstolTen. 


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in den Vacuolen — den „Zellmägen“ — der färbbaren Phagocyten nicht 
besteht. 

Aus der oben gegebenen Zusammenstellung aber können wir ent¬ 
nehmen, dass die Metachromasie unserer Farbstoffe bedingt ist durch 
Aenderungen des Lösungszustandes der Farbstoffe, und hiermit werde ich 
mich noch näher zu befassen haben. Ich habe bisher ganz allgemein 
von einer „Aenderung des Lösungszustandes“ gesprochen und muss 
diesen Begriff definieren. Graham 1 ) hat die Lösungen eingeteilt in 
krystalloide und colloide Lösungen, doch hat die weitere Entwicklung 
der physikalischen Chemie gezeigt 2 ), dass diese Begriffe Grenzzustände 
bezeichnen, zwischen denen die mannigfaltigsten Uebergänge existieren. 
Manche Körper können sich in gleichem Lösungsmittel bald als Colloide, 
bald als Kristalloide lösen, ja in einer Lösung können sich beide Zu¬ 
stände im Gleichgewicht befinden. Man hat diese Gruppe von Stoffen 
als „Semicolloide“ bezeichnet und zu ihr gehören auch unsere hoch- 
molecularen Farbsäuren. Biltz 8 ) hat die Lösungen dieser Farbstoffe 
physikalisch untersucht und fasst seine — uns hier interessierenden — 
Ergebnisse in folgenden Sätzen zusammen: 

Die Farbstoffe sind Elektrolyte, die sich in einem Associations-, 
Dissociations- und Hydrolysengleichgewicht befinden, so dass polymere 
Farbstoffmoleciile, Farbstoffionen, Natriumionen upd die Producte der 
Hydrolyse nebeneinander bestehen. „Bei sämtlichen Farbstoffen wird 
durch Natriumsulfat das Nebeneinander von Einzelmolecülen bzw. deren 
Ionen und polymeren Molecülen zugunsten der letzteren verschoben ...“ 

„Die Wirkung des Natriumsulfates kann sich zusammensetzen aus 
der elektrolytisch dissociationshemmenden Function des gleichionigen Zu¬ 
satzes und der colloidchemisch ausfällenden Wirkung des Salzes.“ 

Hieraus ist nun klar ersichtlich, in welcher Weise der Elektrolyt¬ 
zusatz zu den Lösungen von Congorot, Congorubin usw. wirkt. Die ur¬ 
sprünglich roten Lösungen dieser Farbstoffe werden durch den Elektrolyt¬ 
zusatz mehr und mehr nach dem colloiden Grenzzustand hin verschoben, 
durch Zurückdrängung der elektrolytischen Dissociation und durch Bildung 
immer grösserer Farbstoffmolecülaggregate. Sind diese Aggregate endlich 
gross genug geworden, so bleiben sie nicht mehr in Lösung — der 
Farbstoff flockt aus. 

Während nun viele Stoffe bei der Bildung solcher Aggregate und 
beim Ausflocken keine Farbänderung zeigten (z. B. Congorot), findet bei 
anderen ein Farbenwechsel statt (z. B. Congorubin, Bordeaux extra). 

Ein solcher Farbenwechsel ist aber schon lange bekannt bei der 
Coagulation von Goldhydrosolen und ist das Analogon zu meinen Beob¬ 
achtungen bei Farbstoffen. Goldhydrosole, dargestellt nach den Vor¬ 
schriften von Zsigmondy, sind meist rein rubinrot und ändern bei der 

1) Graham,Philos.Transact. 1861.Bd. 183.Lieb.Annal.Bd. 121.S. 1—77(1862). 

2) Zsigmondy, Colloidohemie. Leipzig 1912. 

3) W. Biltz u. H. Steiner, Z. f. Chem. u. Industr. d. Colloide. 1910. Bd. 7. 
S. 113. — W. Biltz u. E. Pfenning, Gedenkboek-Van Bemmelen. 1910. — W. Biltz 
u. A. v. Vegesack, Zeitscbr. Physik. Chem. 1910. Bd. 73. S. 481. — W. Biltz 
u. F. Pfenning, ibid. (1911). Bd. 77. S. 91. 


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406 


Werner Schulemann 


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Coagulation ihre Farbe von rot in violett und blau. Vollständig aufge¬ 
klärt ist die letzte Ursache für diesen Farbwechsel noch nicht (vgl. hierzu 
Zsigmondy 1 ). Festgestellt aber ist, dass die Ultramikronen der roten 
Lösungen grün sind und dass in blauen Lösungen gelbe bis rotbraune 
Ultramikronen vorhanden sind, die Aggregate der grünen Ultramikronen 
vorstellen. Violette Lösungen enthalten beide Arten neben einander. 
(Die Farben der Lösungen sind für durchfallendes Licht, die der Ultra¬ 
mikronen für abgebeugtes angegeben.) „Man kann kaum einen besseren 
Beweis als gerade diesen Farbenumschlag dafür finden, dass die Gold¬ 
teilchen sich flockenartig (d. h. durch Zusammenlagerung) und nicht nach 
Art der Flüssigkeitströpfchen durch Teilchenverschmelzung zu grösseren 
Tröpfchen vereinigen. Würde letzteres der Fall sein, so müssten die 
Ultramikronen von coaguliertem Golde (der blau durchsichtigen Goldzer¬ 
teilungen) mit den durch Wachstum entstandenen (der roten Lösungen) 
identisch sein, wofern sie die gleiche Masse besitzen wie diese.“ (Vgl. 
Zsigmondy 1. c. S. 107.) 

Diese auffälligen Uebereinstimmungcn zwischen dem Farbwechsel 
coagulierender Farbstofflösungen und Goldhydrosole hat schon Michaelis 2 ) 
erkannt. Er hatte gefunden, dass Fuchsin in wässriger Lösung durch 
Kochsalz ausgesalzen wird. Durch Erhitzen kann man das Fuchsin in 
der Kochsalzlösung wieder in Lösung bringen. Kühlt man nun ab, so 
erhält man je nach Umständen Flüssigkeiten, welche das Licht rotviolett, 
intensiv blauviolett oder cyanblau durchlassen, während im auffallenden 
Licht die rote Farbe des Fuchsins auftritt. Ultramikroskopisch waren 
solche „blaue Lösungen“ optisch völlig auflösbar, während rein wässrige 
Lösungen des Farbstoffes optisch nicht völlig aufgelöst werden konnten. 
Das Fuchsin ist in den blauen Lösungen in ultramikroskopischen Teilchen 
suspendiert, welche das Licht blau durchlassen. Nach 24 Stunden sind 
solche Lösungen vollständig ausgeflockt (Michaelis). 

Wenngleich diese Analogieschlüsse zwischen dem Farbenwechsel 
coagulierender Goldhydrosole und dem coagulierender Farbstofflösungen 
eine Erklärung der Metachromasio bei Vitalfarbstoffen möglich erscheinen 
lassen, so habe ich dennoch versucht, der Frage experimentell noch 
weiter nachzugehen. Beruhte die Metachromasie auf Coagulation der 
Farbstofflösungen, so mussten auch injicierte rote Goldhydrosole meta¬ 
chromatisch vitalfärben. Ich verwendete zu den Versuchen eine Lösung 
colloiden Goldes (v. Heyden, Dresden-Radebeul) und injicierte sie 
Mäusen und Kaninchen subcutan, intraperitoneal und intravenös. Die mit 
Schutzcolloid versehenen Lösungen waren schön rubinrot. Bei der 
mikroskopischen Untersuchung aber zeigten alle vitalfärbbaren Zellen 
intensiv schwarzblaue Granula. Es war also auch beim colloiden Gold 
zu constatieren, dass die Vitalfärbung metachromatisch war. 

Die vergleichende Untersuchung von Farbstoffen und Goldhydrosolen 
hat also ergeben, dass die bei der Vitalfärbung mit den genannten 
Substanzen auftretenden metachromatischen Erscheinungen zurückzuführen 


1) Zsigmondy, Colloidcbemie. Leipzig 1912. S. 99ff. 

2) Michaelis, Virch. Arch. Bd. 179. S. 195. (1905). 


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Ueber Metachromasie bei Vital Farbstoffen. 


407 


sind auf eine partielle (Farbstoffe) oder vollständige (Farbstoffe und Gold- 
hydrosol) Coagulation der colloiden Lösungen. Wir haben es hier also 
mit einem rein physikalischen Vorgang zu tun. 

Ein Vergleich zwischen den Eigenschaften von Congorubin-, Bor¬ 
deaux extra- und anderen Farbstofflösungen mit denen von Goldhydro- 
solen aber gestattet noch weitere Schlüsse auf die Natur der „Granula“ 
selbst, welche bei der Vitalfärbung in den Zellen entstehen. Es ist 
vielfach die Frage discutiert worden (Ehrlich, Goldmann u. a. m.), 
ob die Granula aufzufassen seien als Adsorptionsverbindungen oder als 
starre colloide Lösungen, ob sie durch Lackbildung entstanden seien 
oder durch eine Reaction gebildet würden, wie sie ein Schutzcolloid mit 
mit einem irreversiblen Colloid eingeht (letzteres wäre wohl zu den Ad¬ 
sorptionsverbindungen zu zählen). Nun sehen wir aber beim colloiden 
rot gelösten Gold, dass Schutzcolloidc die Farbe nicht ändern, Adsorption 
an Baumwolle eine rote Goldfärbung gibt, dass Tonerdehydrogel rote 
Goldlacke liefert und dass starre colloide Lösungen von Gold gleichfalls 
rot sind (Rubinglas). Blaue Färbung tritt nur bei der Coagulation ein 
und — bei der Granulabildung bei der Vitalfärbung. 

Es war also möglich, gegenüber den Hypothesen anderer Autoren 
direct experimentell zu erweisen, dass die Farbgranula in den lebenden 
Zellen reine Farbstoff- bzw. Metallkörnchen sind, die als Fremdkörper 
im Protoplasma liegen. Irgendwelche präformierte Grundlagen (ein alter 
Streitpunkt der Histologen!) haben diese Granula nicht, ebensowenig 
werden uns solche Stoffwechselprocesse, wie etwa die Producte der 
inneren Secretion (Goldmann), dargestellt. Auch Reactionen chemischer 
Natur vermag uns diese Art von Vitalfärbung nicht kenntlich zu machen. 
Hierauf habe ich bereits in einem Vortrage 1 ) aufmerksam gemacht. Ich 
wies damals darauf hin, dass eine chemische Reaction der „Chemocep- 
toren“, die sämtlich Auxochrome sind, eine Aenderung der Farbnuance 
bei der Vitalfärbung zur Folge haben müsste. Bei vielen Farbstoffen ist 
eine solche Farbänderung garnicht zu beobachten, wo aber Metachromasie 
auftritt, ist sie auf physikalische Grundlagen zurückzuführen. (Auf das 
Sulforhodamin komme ich weiter unten zurück.) 

Die vitale Färbbarkeit einer Zelle ist also allein das Zeichen für 
einen gewissen biophysikalischen Charakter des Protoplasmas einer be¬ 
stimmten Gattung von Zellen. Die Farbstoffe gelangen durch Phago- 
cytose der Ultramikronen oder deren Aggregate in das colloide System 
des Protoplasmas. Durch Coagulation der Ultramikronen entstehen nun 
kleine Concremente, die verstreut als Fremdkörper im Protoplasma 
liegen 2 ). 

Aber das Studium der Literatur zeigt, dass meine hier ausge¬ 
sprochenen Ideen schon früher einmal da waren — von Einfluss auf meine 

1) Evans, Schulemann und Wiborn 1. c. 

2) Es wäre auch denkbar, dass bei einigen Farbstoffen die Coagulation im Blut¬ 
strom eintritt, dass nun Aggregate von Ultramikronen phagooytiert werden und es nun 
intracellulär zu einer partiellen Peptisation der reversiblen Colloide käme. Die Frage 
soll noch näher geprüft werden, ihre Entscheidung ist jedoch ohne principielle Be¬ 
deutung für das Vitalfärbungsproblem. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 97 


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Werner Schulemann, 


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Arbeit waren sie nicht, da sie an einem ganz anderen Material gewonnen 
worden sind. Sie stammen von — Ehrlich und finden sich in seinem 
Buche „Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus“ (Berlin 1885), S. 54. 
„lieber die Verteilungsgesetze des Alizarinblaus.“ Ehrlich behauptet, 
dass das Alizarinblau im Blutstrom (nach Injection als Sulfitverbindung) 
in colloider Lösung kreise. Da eine solche Lösung nicht diffusibel sei, 
könne die in dieser „Pseudosolution“ befindliche Farbe nicht in die Zellen 
gelangen. Es sollen sich vielmehr im Blutstrom feine Concrcmente 
bilden (S. 61), und diese werden mechanisch von Zellfortsätzen aufge¬ 
nommen (also phagocytiert). S. 62 kommt Ehrlich zu dem Schlüsse: 

„Schliesst man sich dieser Auffassung an, so wird man die Bläuung 
der Organe auf einen physikalischen Act zurückführen und die Dinge sich 
mechanisch zurechtlegen müssen . . . Das Alizarinblau verharrt zunächst, 
wie wir gesehen, in der Mehrzahl der Organzellen als unlösliches Korn 
und kann es daher auf seine Umgebung einen chemischen nutritiven Reiz 
ebensowenig ausüben als etwa ein Glasstäubchen, ein Kohlepartikelchen. 
Wir glauben somit von einer specifiseh erregten Zelltätigkeit absehen zu 
dürfen und vielmehr annehmen zu müssen, dass der Zelleib hier eine 
passive Rolle spielt und es sich im wesentlichen um ein grobmechanisches 
Eindringen oder Einpressen feinster Partikelchen handelt. Unterschiede 
in der Verbreitung der Färbung seien einmal bedingt durch die Grösse 
der Farbkörnchen, dann aber von der „Porengrösse“ bzw T . „Maschen¬ 
weite“ des Protoplasmas.“ 

Soweit Ehrlichs Anschauungen im Jahre 1885. 

Ich habe, da diese Resultate von Ehrlich an einem anderen Ma¬ 
terial als dem von mir verwendeten gewonnen sind, die Versuche mit 
Alizarinblau wiederholt. Dabei aber zeigte sich, dass Alizarinblau vor 
allem Drüsenepithelien färbt, nicht dagegen unser phagoevtierendes vital¬ 
färbbares Gewebe. Obgleich ich also bezüglich Ehrlichs damals aus¬ 
gesprochener Theorie 1 ) gerade für Alizarinblau und die von diesem 
gefärbten Zellen viele Zweifel hege, glaube ich doch von einem näheren 
Eingehen auf dieselbe absehen zu sollen, da in den letzten 30 Jahren 
viele neue Tatsachen bekannt geworden sind, deren Kenntnis und An¬ 
wendung damals natürlich unmöglich war (z. B. Diffusion der Colloidc 
in colloiden Systemen [freie Diffusion] und die Theorie von den Semi- 
colloiden). Zudem steht Ehrlich heute auf einem ganz anderen Stand¬ 
punkt als früher. Nur bei der Färbung mit Benzopurpurin denkt er 
noch einmal seiner früheren Theorie, ohne dieselbe aber auch bei anderen 
Farbstoffen 2 ) zu berücksichtigen. 

Dass Ehrlich diesen Gedanken nicht weiter verfolgt hat, lag wohl 
vor allem daran, dass die Colloidchemic damals noch in den Anfängen 
ihrer Entwicklung stand. Unter diesen Umständen war natürllich gar 
nicht daran zu denken, derartige biophysikalische Fragen zu lösen, da 

1) Diese Theorie für Alizarinblau lässt sich weder mit den Befunden im Tier¬ 
versuch in Einklang bringen, noch stimmt sie mit dem überein, was man jetzt von 
der Diffusion der Colloidc in colloiden Lösungen weiss. 

2) P. Ehrlich, Beiträge zur exp. Paih. u. Chemotherapie. 


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Ueber Metachromasie bei VitalfarbstofTen. 


401) 


selbst einfache colloidchcmische Vorgänge noch nicht erklärt, ja nicht 
einmal bearbeitet waren. Ich befand mich darin in einer weit glück¬ 
licheren Lage, da die Colloidchemie jetzt schon gegen früher weit ent¬ 
wickelt ist. Aber Grenzen sind auch jetzt noch vorhanden und die 
Frage, was Phagocytose, d. h. Adsorption, letzten Endes sei, muss auch 
ich offen lassen. Sobald der Begriff Adsorption von der physikalischen 
Chemie erklärt sein wird, wird auch die Vitalfärbung mit sauren Farb¬ 
stoffen von neuem erfolgreich zu bearbeiten sein. 

Ich habe nun noch auf die Metachromasie bei der Vitalfärbung mit 
Sulforhodamin einzugehen, welche von Andreew 1 ) in Ehrlichs Institut 
ausgeführt worden ist. Seine Resultate sind spärlich (obwohl er einige 
hundert [719] Mäuse zu den Versuchen brauchte!!). Aber sie sind inter¬ 
essant. Andreew berichtet ausführlich; welche Dosen von Sulforhodamin 
von Mäusen vertragen werden, auch beschreibt er den zeitlichen Ablauf der 
Färbung und Entfärbung sehr genau. Er schildert dann die Intensität 
der Färbung der einzelnen Organe und gibt endlich einige mikroskopische 
Befunde. Weitverbreitet findet sich eine diffuse Rosafärbung im Tier, 
aus der sich auffallend blauviolette Stellen hervorheben. Blauviolett seien 
viele Leberzellkerne sowie Kerne des Epithels der Harnröhre, der Blut¬ 
gefässe, der Nierenglomeruli, der glatten Muskelfasern der Arterien, des 
Bindegewebes. Endlich sei die blaue Farbe in den Gallengängen der 
Leber, in den Henleschen Schleifen sowie den Enden der Sammelröhrchen 
des Nierenparenchyms zu finden. Neben roter Lösung ist der blaue 
Farbstoff noch in Gallenblasen- und Darminhalt zu finden. Mit Zenker- 
Lösung sei das alles fixierbar, schlechter allerdings die blaue Färbung 
als das diffuse Rosa. Obwohl dem Autor die chemische Formel des 
Farbstoffes unbekannt ist, zieht er aus diesen Versuchen den Schluss, 
dass die vitale Färbung wieder einmal ihren Wert für das Studium che¬ 
mischer Vorgänge im Tierkörper gezeigt habe 2 ). 

Wesentlich sorgfältiger hat später Gold mann 3 ) die Vorgänge bei 
der Sulforhodaminfärbung studiert. Leider hat sein früher Tod ihn ver¬ 
hindert, seine Resultate ausführlich zu publicieren, und wir erfahren von 
Goldmanns Versuchen nur, dass der Farbstoff in den Kernen der 
Leberzellen in blauen Krystallen iiusgeschieden wird. 

Da es mir nach den bei der Vitalfärbung gemachten Erfahrungen 
durchaus unwahrscheinlich erschien, dass dieser Metachromasie ein che¬ 
mischer Vorgang zugrunde liege, da es ferner von principieller Bedeutung 
war, die wahre Ursache hierfür festzustcllen, untersuchte ich den Farb¬ 
stoff mit physikalischen Methoden. 

Sulforhodamin lag, der Farbwerke vorm. Meister, Lucius und 
Brüning, Höchst a. M., stellt ein dunkelrotes Pulver dar, das in Wasser 
mit eosinrotcr Farbe löslich ist. Ein Muster wurde mir liebenswürdiger 
Weise von der genannten Firma überlassen. Ebenso wurde mir die 
Formel angegeben, deren Veröffentlichung jedoch das Handelsinteresse 


1) Andreew, Yirchows Arch. 1911. Bd. 204. S. 447. 

2) Goldmann, Berliner klin. Wochenschr. 1912. No. 36. 

3) Andreew, I. c. S. 452. 

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410 Werner Sch ule mann, 

der Firma verbietet. Ihre Kenntnis ist für unsere Zwecke auch voll¬ 
ständig belanglos 1 ). 

Beim Versetzen der roten wässrigen Lösung mit einer Elektrolyt¬ 
lösung (NaCl) erhält man eine Fällung des Farbstoffes in orangeroten 
Concrementen. Beim Erhitzen geht der Farbstoff wieder in Lösung und 
fällt beim Abkühlen wiederum aus. Die Flüssigkeit zeigt in der Auf¬ 
sicht die bekannte rote Farbe des festen Sulforhodamins, in der Durch¬ 
sicht aber weist sie einen blauen Ton auf. Bei der mikroskopischen 
Untersuchung des Niederschlages finden sich den orangefarbenen Con¬ 
crementen nunmehr feine rote bis blauviolette Nadeln beigemengt. In 
weit schönerer Form waren diese Nadeln zu erhalten beim Fällen einer 
Lösung des Farbstoffes in verdünntem Alkohol durch Aetherzusatz, oder 
beim langsamen Abkühlen einer-conccntrierten, heissen, wässrigen oder 
wässrig-alkoholischen Lösung des Sulforhodamins. Isoliert man die in 
der Durchsicht blauen Nadeln, so erhält man ein in der Aufsicht rotes 
Pulver, das in Wasser wieder mit roter Farbe löslich ist. Bei weiterer 
Ausbildung der Nadeln entstehen kleine Platten, die von der Fläche rot 
bis rotgelb, von der Kante blauviolett erscheinen. 

Wir haben hierbei also gesehen, dass aus der Farbstofflösung er¬ 
halten werden können: 

a) Orangerote amorphe Concremente; 

b) Nadeln und Platten, die je nach ihrer Lage rotgelb bis blau¬ 
violett erscheinen können. 

Alle diese „Modificationen u sind ineinander überführbar. Das Auf¬ 
treten der blau violetten Farbe ist also ein rein optisches Phänomen an 
Kristallen und hat mit chemischen Vorgängen nicht das Geringste zu 
tun. In der Tat erweist sich auch der Originalfarbstoff selbst schon 
kristallinisch und ist in der Durchsicht (mit Canadabalsam auf dem Object¬ 
träger verrieben oder in Benzol, Aether usw. aufgeschwemmt) blauviolett. 

Leider gelang es nicht, genügend grosse Kristalle des Farbstoffes 
zu züchten, um die Kristallform exact bestimmen zu können. Herr Geh.- 
Rat Prof. Dr. Hintze hatte jedoch die Liebenswürdigkeit, durch Herrn 
S. Riedel am Mineralogischen Institut der Universität Breslau die 
Kristallnadeln optisch untersuchen zu lassen, der über den Befund, wie 
folgt, berichtet: 

„Das Sulforhodamin krystallisiert in langen dünnen Nädelchen, die 
im durchscheinenden Lichte rot, in auffallendem Lichte gelb erscheinen 
und oft fächerartig gruppiert sind. Eine optische Hauptschwingungs¬ 
richtung bildet mit der Längsachse des Kristalls einen Winkel von etwa 32°. 
Die Nadeln zeigen starken Pleochroismus von rotviolett bis gelb.“ 

Damit ist also festgestellt, dass die Kristalle des Sulforhodamins 
Dichroismus zeigen, dass sie je nach der Schwingungsrichtung eine ver¬ 
schiedene Farbenabsorption haben 2 ) 3 ). 

1) Andreew (1. c. S. 452) ist hierüber anderer Ansicht. 

2) Naumann-Zirkel, Elemente der Mineralogie. 1907. Pleochroismus S.260. 

3) F. Rinne, Element. Anleitung zu kristallograph. optischen Untersuchungen 
vornehmlich mit Hilfe des Polarisationsmikroskops. Leipzig 1912. S. 122. 


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Ueber Metachromasie bei Vital farbstoffen. 


411 


Dass auch die „Metachromasie u ira Tierkörper keine anderen Ur¬ 
sachen hat, lässt sich klar erweisen, ebenso lässt sich wohl auch die so 
wunderbare Kernfärbung auf einfache Vorgänge zurückführen. Verfolgen 
wir den Weg des Farbstoffes durch den Tierkörper. Bald nach der 
intraperitonealen Injection der klaren roten Lösung findet eine Eindickung 
derselben statt, wobei gleichzeitig ein Hineindiffundieren der Farblösung 
in das umliegende Gewebe zustande kommt. Im Gewebe aber sind die 
Lösungsbedingungen für den FarbstofT ungünstiger. Bei einer gewissen 
Concentration 1 ) erfolgt ein Ausfallen in amorpher Form (z. B. in Vacuolen 
von Makrophagen) oder in Kristallen (die Kerne und das Protoplasma 
der angrenzenden Zellen), ln den Kernen wird die Concentration eine 
besonders hohe oder es sind hier die ungünstigsten Lösungsbedingungen 2 ) 
für den Farbstoff, so dass hier besonders reichliche Kristallisation statt¬ 
findet. Mit fortschreitender Concentration der noch freien Farbstofflösung 
kommt es schliesslich zur Abscheidung von Concreraenten und Kristallen 
in der freien Bauchhöhle. Die Farbstofflösung diffundiert nun weiter und 
gelangt schliesslich in die Lymph- und Blutbahn und wird von dem 
Flüssigkeitsstrom im ganzen Körper verbreitet. Da die Lösungsbe¬ 
dingungen ira Blutstrome bessere sind, diffundiert der Farbstoff aus der 
Bauchhöhle rasch in ihn hinein. Das Blut entledigt sich nun des Farb¬ 
stoffes durch die natürlichen Ausscheidungswege: Leber und Niere. In¬ 
folgedessen steigt in diesen Organen die #arbstoffconcentration rapide 
an, und es kommt von neuem zur Abscheidung von Sulforhodamin so¬ 
wohl in den Kernen vieler Drüsenepithelien wie auch in ihrem Proto¬ 
plasma; aber auch in den Ausführungsgängen ist die Farbstoffconcentration 
eine so hohe, dass in den Tubuli contorti, den Samrnelkanälchen der 
Niere, ira Nierenbecken, Ureter und Blase sowie in den Gallengängen, 
der Gallenblase und im Darmluraen unsere wohlbekannten Nädelchen 
und Platten in allen Uebergängcn und Farbennuancen (von gelbrot bis 
blauviolett) abgeschieden werden. Mit zunehmender Abscheidung ver¬ 
schwindet zunächst die blaue Kernfärbung in den zuerst gefärbten Zellen, 
dann nimmt die Färbung weiter schnell ab. Wenige Stunden später 
findet man blaue Kerne nur noch in Leber und Niere, dann verschwindet 
auch ihre Färbung. 

Bei diesem Weg durch den tierischen Körper wird also der Farb¬ 
stoff vorübergehend in amorpher und in Kristallform abgeschieden und 
es kommen dabei alle die Formen und Farbennuancen zur Beobachtung, 
welche wir bereits früher kennen gelernt haben. 

Weniger gut aber gelingt bei einfacher mikroskopischer Betrachtung 
zu sagen, in welcher Form der Farbstoff in den blaugefärbten Zellkernen 
abgelagert ist. Goldmann hat ja mit den stärksten Objectiven Kristalle 
mit genügender Sicherheit wahrnehraen können, doch gelingt dies nicht 
immer. 

Auch Aenderungen der Concentration der einzuspritzenden Farbstofflösungen 
beeinflussen die Intensität und den zeitlichen Verlauf der erhaltenen Vitalfärbung 
sehr wesentlich. 

2) Das erscheint am wahrscheinlichsten, denn schon optisch erscheint der Zell¬ 
kern dichter als das Protoplasma. 


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412 Werner Schulemann, Ueber Metachromasie bei VitalfarbstofTen. 


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Ich konnte jedoch durch Untersuchung der gefärbten Organe mit 
dem Polarisationsmikroskop sowohl als mit Hilfe der Dunkelfeldbeleuch¬ 
tung feststellen, dass die blaugefärbten Zellkerne stets Aggregate von 
Sulforhodaminkristallen enthalten. Ebenso liess sich zeigen, dass die 
optischen Erscheinungen der Kristalle in den Zellkernen mit denen völlig 
übereinstimmten, welche unter denselben Verhältnissen die künstlich dar¬ 
gestellten Kristalle zeigten. 

Wir haben es also auch bei der metachromatischen Sulforhodamin- 
färbung mit einer rein physikalischen Erscheinung zu tun. 

Interessant ist es nun, noch die beiden hier beschriebenen Arten 
von Metachromasie zu vergleichen. Im ersten Falle (Congorubin usw.) 
war sie bedingt durch einen Coagulationsprocess einer colloiden Lösung, 
im anderen Falle (Sulforhodamin) war Kristallisation die Ursache der 
Metachromasie. Das Sulforhodamin haben wir bisher als ein Kristalloid 
kennen gelernt, das aber gelegentlich auch Kolloideigenschaften zeigen 
kann 1 ), denn wir sahen (wie bei der Vitalfärbung mit Colloiden) amorphe 
„Granula“ in den Makrophagen auftreten. In der Tat gelingt es nun 
auch typische Gele von Sulforhodamin beim freiwilligen Verdunsten seiner 
wässrigen Lösung zu erhalten. Damit aber ist ein Zusammenhang 
zwischen beiden Arten der Färbung gegeben, denn das Sulforhodamin 
ist ein kristallisierbares Colloid, das den Kristalloiden allerdings sehr 
nahe steht; in seinen CollQ|Jeigenschaften aber folgt es wieder den von 
uns aufgestellten Theorien. 

Diese Beobachtungen glaube ich als einen directen Beweis für die 
Richtigkeit meiner Anschauungen vom Wesen der vitalen Färbung mit 
sauren Farbstoffen ansehen zu können, denn es gelingt auf diese Weise, 
Vorgänge in lebenden Zellen zu beobachten, die sich mit Sicherheit auf 
physikalische Grundlagen zurückführen lassen. Es lässt sich daraus aber 
der Schluss ziehen, dass physikalische bzw. physikalisch-chemische Pro- 
cesse im Tierkörper eine ebenso wichtige Rolle spielen wie chemische 
Vorgänge, und dass sie bei pharmakologischen Arbeiten eingehend zu 
berücksichtigen sind — ein Punkt, auf den Heffter 2 ) erst neuerdings 
wieder nachdrücklich hingewiesen hat. 

1) Aluminium, colloides Silber usw. sind Stoffe, die trotz ihrer Colloidnatur 
kristallisieren können (vgl. Zsigmondy, 1. c. S. 7). 

*2) A. Heffter, Die Auffindung von Arzneimitteln. Berlin 1914. A. Hirschwald. 


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XX VIII. 


Aus der niedicinischen Poliklinik der Universität Halle a. S. 

(Director: Prof. Dr. L. Mohr). 

Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fett¬ 
sucht und seine Beeinflussung durch Nahrungsaufnahme, 
Arbeit und Arzneimittel. 

Von 

Heinrich Haussleiter. 

(Hit 1 Abbildung im Text.) 

Einleitung. 

Unsere heutigen Anschauungen und Kenntnisse vom Wesen der Fett¬ 
sucht sind das Product zweier an sich heterogener Begriffe, des Begriffes 
eines Energiewechsels des Organismus und desjenigen der chemischen 
Correlation der Organe auf dem Wege der inneren Secretion. Beide 
wurden etwa zu gleicher Zeit im Anfang der achtziger Jahre des vorigen 
Jahrhunderts gebildet. 

Der energetischen Betrachtungsweise gelang es durch Prüfung der 
Energiebilanz einen Teil der bis dahin ohne Unterschied als Fettsucht 
zusamraengefassten Fälle restlos durch äussere Factoren verursacht zu er¬ 
klären. Ein Zuviel an Nahrung oder ein Zuwenig an Körpermuskelarbeit 
konnte, gemessen an der für beide Factoren gleichen Einheit der äqui¬ 
valenten Wärmemenge, mit physikalischer Genauigkeit als Ursache nach¬ 
gewiesen werden. Die Mastfettsucht und die Faulheitsfettsucht schieden 
aus der Gruppe der eigentlichen Stoffwechselkrankheiten (trotz der viel¬ 
leicht für die Fettsucht noch grösseren Bedeutung des Kraftwechsels 
bleibt diese Bezeichnung noch bestehen) aus. 

Der Rest der Fälle liess sich nicht auf äussere Factoren zurück¬ 
führen. Der Begriff der endogenen Fettsucht konnte energetisch nicht 
erklärt, nur umschrieben werden. Das Gesetz der Erhaltung der Energie 
schien für diese Formen einen sparsameren Energiewechsel zu fordern. 
Für den Grundumsatz wurde dieser in einigen Fällen nachgewiesen. 
Auch für den Arbeitsumsatz (sei es äussere, sei es Drüsen-Arbeit) wurde 
nach einer ökonomischeren Energieverwendung gefahndet. Diese liess 
sich jedoch bis jetzt nicht erweisen. Im Uebrigen ergab die genaue 
energetische Beschreibung einer Reihe solcher Fälle eine ungemeine 
Mannigfaltigkeit der Verhältnisse, die bis heute noch nicht erlaubt, auch 
nur eine bei endogenen Formen der Fettsucht vorkommende Eigenschaft 
des Energiewechsels auf alle diese Formen zu verallgemeinern. 

Eine andere Forschungsrichtung gab nunmehr Anregung zu neuer 
Problemstellung und Aussicht auf eine das ätiologische Bedürfnis mehr 


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befriedigende Erklärung der endogenen Fettsucht. Nach den Unter¬ 
suchungen über die innere Secretion kann man den Energiewechsel seiner 
Intensität nach normaler Weise als eine Function des polyglandulären 
Apparates auffassen, und so Störungen des Energiewechsels, also auch 
die endogene Fettsucht auf Störungen dieses Apparates zurückführen. Die 
zahlreichen anatomischen und funktionellen Drüsenanomalien, die sich 
oft mit endogener Fettsucht, wie schon früher bekannt war, vergesell¬ 
schaftet fanden, gaben ein reiches Feld (ür Combinationen und Unter¬ 
suchungen über ihren Zusammenhang mit dieser Anomalie des Energie¬ 
wechsels. Der Einfluss von Schilddrüse, Zwischensubstanz der Genital¬ 
drüsen, Hypophyse, Epiphyse, Thymus, Pankreas wurden teils im 
Tierexperiment, teils experimentell am Menschen durch Verabreichung 
entsprechender Organpräparate erforscht. Ein directer Einfluss auf den 
Energiewechsel des Menschen konnte bis jetzt nur bei der Schilddrüse 
experimentell bewiesen werden. Alles Uebrige blieb bisher Vermutung, 
aber ein Erfolg dieser Forschungsrichtung, der auch jetzt schon zutage 
tritt, war die neue Erkenntnis, dass nur die Combination von genauester 
klinischer Untersuchung des Energiewechsels einerseits in unbeeinflusstem, 
andererseits in experimentell-medieamentös beeinflusstem Zustand eine 
weitere Klärung der Fettsuchtsfrage zeitigen könne, und dass es erforder¬ 
lich ist, eine möglichst grosse Reihe von Fällen nach diesen Gesichts¬ 
punkten möglichst individualisiert zu untersuchen und vorläufig zu 
sammeln, bis ein grösseres Material sichere Schlüsse erlaubt. 

Die folgenden Untersuchungen wurden unter diesem Gesichtspunkt 
angestellt. Weiter wurde der Einfluss der Nahrungsaufnahme, der Arbeit 
und der Schilddrüsensubstanz auf den Gaswechsel von Fettsüchtigen ge¬ 
prüft; ausserdem wurde jedoch noch ein zweites Medicament in die 
Untersuchung miteinbezogen, das um so mehr Interesse verdient, als 
seine Wirksamkeit theoretisch auf ganz anderen als den eben dargelegten 
Anschauungen basiert ist, welche daher ebenfalls an dieser Stelle noch 
zu charakterisieren sind. 

Es handelt sich um ein Metall der Platingruppe, bekanntlich der 
Gruppe der anorganischen Katalysatoren, um das Palladium. Dieses 
nimmt durch seine Fähigkeit, das 370 fache Volumen an Wasserstoff zu 
absorbieren, in der anorganischen Chemie eine Sonderstellung ein. Es 
wurde nun angegeben, dass es auch auf lebende Substanz als oxydations¬ 
steigender positiver Katalysator wirke, und auch auf den menschlichen 
Organismus, wo er eine solche Anregung bedurfte, mit Erfolg angewandt 
werden könne in Form der, erst seit neuster Zeit darstellbaren colloidalen 
Lösung des Palladiumhydroxydul [Pd(OII) 2 ]. (1)*). 

Bewahrheitete sich diese Angabe, so würde neben dem einzigen bis¬ 
her beschrittenen Wege, die endogene Fettsucht organo-therapeutisch zu 
bekämpfen, ein zweiter einfacherer Weg gefunden sein, ohne den Umweg 
über den polyglandulären Regulationsapparat direct den Umsatz des 
lebenden Protoplasmas beeinflussend zu erreichen. 

*) Siehe Literaturangabe: 1). 


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Ueber den Gaswecbsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


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Methodik. 

Folgende Punkte waren massgebend für die Wahl der Methodik unserer Ver¬ 
suche: 

1. Es waren zu erstreben bequeme Vergleichswerte verschiedener Individuen 
verschiedener Altersstufen, zu deren Grundlage allein der Ruheumsatz zu 
verwerten ist. 

2. Es mussten relativ kleine Abweichungen, wie sie durch z. T. kurz dauernde 
äussere Einflüsse (Arbeit, Nahrungsaufnahme) oder Medicamente hervor¬ 
gerufen werden sollten, zu prägnantem Ausdruck gebracht werden. 

Es wurde daher der sogenannte kurze Respirationsversuch in der von Zuntz 
bis ins einzelne kritisch ausgearbeiteten und in ihrer Bewertung abgegrenzten An¬ 
ordnung gewählt (2, 3). Von dieser wurde in keinem wesentlichen Punkte ab¬ 
gewichen. An Einzelheiten sei daher nur Folgendes betont: 

Der Versuchsraum befand sich im Souterrain, mit der Lage nach Norden, zeigte 
daher eine ziemlich gleichmässige, insbesondere während der Sommermonate nicht zu 
hohe Temperatur. Die Versuchsperson lag in leichtester Kleidung auf einem hori¬ 
zontalen Ruhelager unter Beobachtung sog. „vorsätzlicher Muskelruhe“. Die Nase 
wurde mit federnder Klemme geschlossen. Die Atmung erfolgte durch ein Gummi¬ 
mundstück, zu dem ein Zuntzsches Darmventil Luft aus dem Freien zuführte, 
während ein anderes die Exspirationsluft zur Gasuhr abführte. Letztere bestand in einem 
kurz zuvor geprüften trockenen transportablen Gasmesser nach Zuntz mit Ablesung 
bis zu 10 ccm und doppeltem Thermometer. Das abgelesene Gasvolumen wurde 
— unter Annahme vollkommener Wasserdampfsättigung der Exspirationsluft — auf 
Trockenheit und ausserdem, wie selbstverständlich, auf 0 Grad und 760 mm Queck¬ 
silberdruck reduciert [unter Benutzung der physikalisoh-chemischen Tabellen von 
Landolt und Börnstein (4)]. Der Luftdruck wurde vor jedem Versuch auf einem 
Quecksilberbarometer auf Millimeter abgelesen, auf 0,1 mm abgeschätzt und [nach 
der Tabelle von Ko hl rausch, Lehrbuch der praktischen Physik (5)] auf Temperatur 
0 Grad für Ausdehnungscoefficient der Glasskala und Quecksilbersäule corrigiert. Die 
Vorversuchsperiode wurde immer bis zu eingetretener gleichmässiger Atmung (erlaubte 
Schwankung der abgelesenen Minutenatemvolumina = lOpCt.) nicht unter 10 Minuten, 
nach Erfordernis öfters über 20 Minuten ausgedehnt. Die Dauer des Hauptversuches 
schwankte in der Regel zwischen 25 und 40 Minuten, ln den Versuchen 71—78 
(vgl. Tabelle IX) mit z. T. kürzerer Versuchsdauer, ist diese in jedem Fall besonders 
angegeben. Die gewöhnlich gleichzeitig in zwei Büretten gleiohraässig abgosogene 
Respirationsluft wurde meist sofort im Anschluss an den Versuch, zum mindesten 
noch am selben Tage mit einem etwas modificierten Zuntz-Geppertschen Analysen¬ 
apparat unter Benutzung von Phosphor- und Natronlauge-Pipetten analysiert. Die 
Differenz der Doppelanalysen überschritt in der Regel nicht 0,05 pCt., als Grenze der 
erlaubten Abweichung wurde 0,1 pCt. festgesetzt. Zur Erlangung gleichmässiger 
Resultate stellte sich als wesentlich heraus, dass die beiden Messbüretten nicht nach¬ 
einander, sondern gleichmässig mit Exspirationsluft aufgefüllt wurden; und zwar 
wurde dazu möglichst die ganze während des Versuchs in eine der beiden Aufnahme¬ 
büretten gefüllte Luftsäule verwendet. So wurden Fehler vermieden, die sich sonst 
durch unvollkommene Mischung der in ihrer Zusammensetzung nicht ganz konstanten 
Exspirationsluft hätten ergeben können. Die Skala der mit Rosolsäurewasser gefüllten 
Büretten wurde nach 5—7 Minuten während dem Absitzenlassen auf 0,1 ccm abgelesen 
und auf 0,01 ccm geschätzt. 

Zur Kontrolle der Absorptionspipetten wurde ab und zu eine^Analyse der 
Aussenluft eingeschoben. Auf die Ausführungen der Therrao-Barometercorrectionen 
und die weitere Ausrechnung der in unseren Tabellen befindlichen Werte, welche mit 


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fünfstelligen Logarithmen nach dem üblichen Schema ausgeführt wurde, einzugehen, 
würde zu weit führen. Als 0 2 -Gehalt der Luft wurde 20,92 pCt. angenommen. 

Die Anordnung der Tabellen wird, so weit sie sich nicht von selbst ergibt, bei 
der Besprechung der einzelnen Fälle erläutert. Ebenso finden dort Abweichungen 
von der hier geschilderten Versuchsanordnung Erwähnung. 

Das Körpergewicht wurde immer zur gleichen Tageszeit (vormittags), meist ganz 
nüchtern, nur vereinzelte Male nach kleinem Frühstück, festgestellt. 

Der Begriff „nüchtern“ wird gebraucht für den Zustand mindestens 12 Stunden 
nach einer nicht übermässigen Mahlzeit. 

l. Fall. (Or.) 

(Vgl. Tab. 1 [S. 423], Tab. III [S. 428/429], Tab. IV [S. 433].) 

Wir weichen in der Darstellung von der zeitlichen Reihenfolge der 
einzelnen Untersuchungen ab und beginnen mit dem zuletzt untersuchten 
Patienten Or. Dies hat seinen Grund darin, dass dieser Fall compli- 
ciertere Verhältnisse bietet als die übrigen und daher im besonderen 
Masse Anlass gibt zur Besprechung allgemein wichtiger Punkte, Wieder¬ 
holungen also bei jedem weiteren Falle so am besten vermieden werden. 

A. Krankengeschichte. (12. 8. 1913.) 

Patient: Or., früher Fleischermeister, jetzt ohne Beruf, 40 Jahre alt. 

Diagnose: Kombination endogener Fettsucht mit Mastfettsucht, beiderseitige 
Parotisschwellung, Nephritis chronica, Herzschwäche, Hyperglobulie. 

Anamnese: Vor etwa vier Jahren, also im Alter von ca. 36 Jahren, will 
Patient in ziemlich kurzer Zeit sehr stark geworden sein. Vorher betrug sein Gewicht 
angeblich ca. 93 kg. In seiner Jugend war Or. nie krank, hat beim Militär gedient 
(Oberjäger), hatte zu der Zeit angeblich Geschwür des Penis. Vor über vier Jahren 
hatte Patient einen Bandwurm. Mutter gesund, Vater an Leberkrebs gestorben. Fett¬ 
sucht ist bisher in der Familie nicht vorgekommen. Patient ist verheiratet, Vater 
von zwei gesunden Kindern. Patient klagt seit längerer Zeit über Kurzatmigkeit, ist 
angeblich Kein starker Esser (?), trinkt seit ca. 4 Jahren fast kein Bier. Er hat nach 
dem Essen oft starken Durst, nimmt dann bisweilen 3 1 Wasser zu sich. Patient 
klagt über grosse Mattigkeit, besonders nach dem Essen. Die Urinmenge soll relativ 
klein sein, zeitweise besteht Obstipation; er hat das Gefühl, als ob Wasser im Leibe 
wäre. Die Potenz hat seit einem Jahre stark nachgelassen. 

Status praesens: Körpergrösse 170 cm, Körpergewicht 149,2 kg (ohne 
Kleider); Halsumfang 53 cm, mittlerer Brustumfang 138 cm, Abdomen (in Nabelhöhe) 
159 cm, Taille 132 cm; Schädel: Submento-occipital-Umfang 71 cm; Oberarm (Mitte) 
46 cm, Unterarm (max.) 36 cm: Oberschenkel (Mitte) 64 cm, Unterschenkel (max.) 
49 cm. 

Kräftiger, muskulöser, ausserordentlich fetter Mann. Die Fettablagerungen be¬ 
treffen hauptsächlich Oberarme, Oberschenkel, Hals, dessen Conturen z. T. ganz 
verwischt sind, Doppelkinn. Fettfalten in der Lendengegend, desgl. in der Glutäal- 
gegend. 

Das Fett in der Glutäalregion ist von fast myxüdematöser Beschaffenheit; auch 
quer über die Regio pubica verläuft eine Fettfalte. Geringe Protrusio bulbi, kein 
Möbius, kein Stellwag, kein Gräfe, geringe Schwellung der Tränendrüsen, Cyanose 
an Gesicht und Lippen, Cyanose an Händen und Nates, bei geringfügiger körperlicher 
Anstrengung sich bedeutend verstärkend. 

Fettablagerung nirgends empfindlich. Die Schilddrüse ist wegen des Fett¬ 
ansatzes nicht zu palpieren. Ganz geringe Oedeme an den Unterschenkeln. Am 
rechten Unterschenkel einige Varicen. Behaarung in der Linea alba fehlt. Geringe 


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Ueber den Gasweohsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 417 

Behaarung in den Achselgruben; ziemlich normaler Bartwuchs. Penis und Hoden 
von normaler Grösse. Stirn fliehend, seitlich etwas zusammengedrüokt. Parotis ist 
klein-apfelgross beiderseits deutlich durchzupalpieren, Ohrläppchen typisch abgehoben, 
Sublingualis nicht vergrössert, Submaxillaris infolge des Fettreiohtums nicht zu 
fühlen. Zunge rissig, Zungenfollikel prominent. 

Lungen: keine Dämpfung, überall Yesiculäratmen. 

Herz: perkussorisoh nicht abgrenzbar, Töne rein, zweite Basaltöne etwas ver¬ 
stärkt. Action regelmässig, Blutdruck palpatorisch sicher erhöht (die Riva-Rocci- 
Manschette umspannt den Oberarm nicht, daher exakte Bestimmung unmöglich). 

Puls: klein, etwas frequent. 

Abdomen: Hängebauch. Striae. Palpation des Abdomens unmöglich. Die 
Leber scheint pcrcussorisoh handbreit über dem Nabel zu stehen. Ascites nicht nach¬ 
weisbar. Milz palpatorisch und percussorisch nicht als vergrössert nachzuweisen. 

Nervensystem: Patellarreflexe sind erhalten, Pupillen reagieren. Sonst keine 
Besonderheiten. 

Urin: Zucker — Eiweiss -]—|—|—; Esbach P /2 pM. 

Urin-Sediment: Hyaline Cylinder ziemlich reichlich vorhanden, einzelne 
granulierte Cylinder. 

Blutbild: Hämoglobin 120 pCt. (Sahli), Erythrocyten 7 200 000, Leuko- 
cyten 9800. 

Blutausstrich: Neutrophile Leukocyten 70 pCt., Lymphocyten 15 pCt., grosse 
Lymphocyten 3 pCt., Mononucleäre und Uebergangsformen 6 pCt., Eosinophile 5 pCt., 
Mastzellen 1 pCt. — Wassermann negativ. 

Die Röntgendurchleuchtung des Brustkorbes lässt wegen des gewaltigen Fett¬ 
panzers keine Einzelheiten erkennen. 

In horizontaler Rückenruhelage steigert sich die Kurzatmigkeit und Cyanose dee 
Patienten auffallend. (Es muss daher davon Abstand genommen werden, diese Lage 
den Respirationsversuchen zu Grunde zu legen. Als bequemste Ruhelage — das sei 
hier vorweggenommen — erwies sich das Sitzen in einem Lehnsessel mit aufgelegten 
Unterarmen und mit Vornüberhängenlassen des Kopfes. Während einzelner, später 
noch zu kennzeichnender Versuche gelang es dem Patienten nicht, einzelne Be¬ 
wegungen mit dem Kopfe und den Armen zu unterdrücken, eine ganze Reihe von 
Versuchen jedoch konnte mit ziemlich guter Muskelruhe beendigt werden.) 

Das psychische Verhalten des Patienten zeigt einen auch für einen 
Fetten ungewöhnlichen Grad rein passiverGleichgültigkeit mit gleichmütiger Stimmung 
gepaart. (Dies kommt denVersuchen insofern zustatten, als er jede Versuchsanordnung 
geduldig über sich ergehen lässt und bei ihrer Durchführung auch wenig Störung 
verursacht.) Sehr auffallend ist seine Schlafsucht, ln der Wartezeit vor und zwischen 
denVersuchen schläft Patient, wenn er sich unbeobachtet glaubt. Auch während der 
Versuche nickt er öfters schnell ein und hat selbst im Stehen mit dem Schlaf zu 
kämpfen. Dieser Zustand wird wohl durch C0 2 -Ueberladung der Hirngefässe erklärt; 
diese kommt, abgesehen von der allgemeinen Circulationsschwäche, im besonderen 
wahrscheinlich dadurch zustande, dass der Abfluss des Kopfvenenblutes durch intra¬ 
thorakale Fettmassen gestaut wird. 

Klinisch handelt es sich hier mit grosser Wahrscheinlichkeit um 
eine endogene Form der Fettsucht, die durch äussere Factoren noch 
begünstigt wurde. In ätiologischer Beziehung ergeben sich folgende 
Anhaltspunkte: die anamnestischen Angaben machen eine frühere lueti¬ 
sche Infection in hohem Grade wahrscheinlich. Dass die Wassermann- 
sche Reaction gegenwärtig negativ ausgefallen ist, nimmt dieser Tatsache 
nicht ihre Bedeutung. 


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Nun ist bekannt, dass nicht selten eine luetische Thyreoiditis zur 
Atrophie der Schilddrüse und hierdurch weiter zu thyreogener Fettsucht 
führt. In neuster Zeit hat Mohr (6, 7), welcher diesen Verhältnissen 
seine Aufmerksamkeit in besonderem Masse zu wandte, die relative 
Häufigkeit dieser Entstehungsursache der endogenen Fettsucht betont 
und seine Anschauung durch die Mitteilung einiger Krankengeschichten 
belegt. In unserm Falle lässt sich eine pathologische Veränderung der 
Schilddrüse nicht sicher beweisen. Doch spricht die hier unzweideutig 
vorhandene symmetrische Schwellung der Speicheldrüsen und die fraglich 
vorhandene doppelseitige Tränendrüsenschwellung in gewissem Grade 
dafür. Denn gerade die Combination dieser Veränderung mit thyreogener 
Fettsucht findet sich, wie Mohr in einem Teil der obenerwähnten Fälle 
als erster gezeigt hat — auch der weiter unten behandelte Fall Kl. 
(S. 460/461) gehört hierher — relativ häufig, wenn ihr die nötige Beachtung 
geschenkt wird; sei es, dass die Parotisveränderung als luetische Parotitis, 
sei es, dass sie als compensatorische oder Reizungshypertrophie infolge 
gleichzeitig bestehender Veränderung der Genitaldrüsen (in unserem Falle 
wohl möglich) zu erklären ist. 

Auch der Ausfall der Abderhaldenschen Blutfermentreaction spricht 
für die endogene Natur der Fettsucht (siehe Mohr, Congress für innere 
Medicin, 1914). Im vorliegenden Falle wurde Schilddrüse und Hoden 
abgebaut. Die beweisende Diagnosis ex therapia (Thyreoidin) haben wir 
in späterer Zeit nach dem Abschluss dieser Untersuchungen zur weiteren 
Aulklärung der vorliegenden Verhältnisse herangezogen. Es wurden bei 
dem Kranken 4 Perioden mit Thyreoidindarreichung von je 14 Tagen in 
Abständen von 3 Wochen durchgeführt. Die tägliche Dosis betrug 3 bzw. 
4mal 0,3 g Thyreoid. Merck. Einer jedesmaligen Thyreodinperiode ging 
eine achttägige Periode mit 2,0 g Digipurat-Tabletten voraus. Die Ge¬ 
wichtsabnahme während der Thyreodindarreichung betrug 4, 3, 3^2 und 
2,8 kg. Wir dürfen wohl nach fremden und eigenen Erfahrungen diesen 
Erfolg als eine weitere Stütze für unsere Auffassung, dass ein endogener 
Factor in dem Gesamtbilde eine nicht geringe Rolle spielt, betrachten. 

B. Versnchsanordnung. 

Da in den drei anderen Fällen, in denen das von Kauffmann 
angegebene Palladiumhydroxyd ul ohne gleichzeitige Diätbeschränkung 
angewendet — dies sei hier vorweggenommen — einen Einfluss auf die 
Intensität des Gaswechsels bzw. Körpergewichts nicht nachweisbar aus¬ 
geübt hatte (zwei Fälle von exogener Fettsucht, ein Fall von dysgenitaler 
Fettsucht), so sollte nun möglichst einwandfrei in diesem weiteren Falle 
ein Urteil darüber gewonnen werden, wie weit die Gewichtsverluste, die 
Kauffmann bei streng durchgeführter „wesentlicher Einschränkung der 
Nahrungszufuhr a , dosierter Muskelarbeit und gleichzeitiger Anwendung 
seines Mittels erzielt, direct auf das Conto des Leptynols zu setzen 
seien, und welcher Teil des Gewichtsverlustes durch Diätbeschränkung 
allein erklärt werden könnte. Patient Or. schien besonders geeignet; 
denn Kauffmann betont, bei hochgradiger Fettsucht die besten Er¬ 
folge gehabt zu haben. Auch sei erwähnt, dass Kauffmann hervor- 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


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hebt, bei Patienten mit Störung der inneren Seeretion Erfolge erzielt 
zu haben. 

Folgende Versuchsanordnungen einer intermittierenden Ent¬ 
ziehungskur — 1. Periode ohne, 2. mit Leptynol — wurde ge¬ 
wählt (vgl. Tabelle 1). Patient wurde, nachdem zweimal sein normaler 
Grundumsatz bestimmt worden war, vier Tage lang auf reine Milch¬ 
nahrung gesetzt. Die tägliche Milchmenge wurde in Anlehnung an die 
Moritzsche Spccialvorschrift (8) der sogenannten Carrelschen Cur auf 
2000 ccm = 1300 Calorien festgesetzt. Gleichzeitig hält Patient mit 
Ausschluss eines täglichen 1 / 2 s ^ndigen Spazierganges Bettruhe. Nieren¬ 
function und Herztätigkeit, auf die in diesem Falle besonders zu achten 
war, wurden durch das Verfahren sehr günstig beeinflusst. Es konnte 
von vornherein von der vorher geplanten medicamentösen Unterstützung 
der Herztätigkeit Abstand genommen werden — gleichzeitig ein Vorteil 
für die Reinheit des Versuches. Schon nach den ersten 24 Stunden 
gab Patient wesentliche subjective Erleichterung an, der objectiv ge¬ 
steigerte Diurese, gute Herztätigkeit und erhöhte körperliche Leistungs¬ 
fähigkeit entsprach. Während dieser Periode wurden der durch Kohle 
abgegrenzte Kot und der Urin gesammelt und ihre Stickstoffmenge nach 
Kjeldahl bestimmt (3). Nun folgte eine mehrtägige Zwischenpause, in 
welcher Patient unter Bettruhe und reichlicher Erhaltungskost an¬ 
nähernd sein früheres Gewicht wieder erreichen sollte; in Wirklich¬ 
keit wurde nur gewartet, bis etwa 2 / 3 des Gewichtsverlustes wieder ein¬ 
geholt waren. 

Nun kam die Wiederholung der Entziehungskur, welche wiederum 
vier Tage dauerte, gleichzeitig mit alleiniger Nahrung von 2 1 Milch, 
mit dem einzigen Unterschied, dass diesmal ausserdem 10,0 g Leptynol 
injiciert wurden. Während dieser Periode wurde nur die Urinstickstoff¬ 
menge nach Kjeldahl bestimmt; die Kotstickstoffmenge schätzungsweise 
dem während der ersten gefundenen Werte gleichgesetzt. Im Einklang 
mit der Kauffmannschen Angabe, welche die besten Resultate verspricht, 
wenn der Organismus in 2 bis 5 Tagen mit Pd(0H) 2 förmlich über¬ 
schwemmt wird, wurde am ersten Tage die Menge von 6,0 g Leptynol 
= 150 mg Palladiurahydroxydul injiciert (24. 9.). (Es wurde nicht wie 
in den übrigen Fällen die Paraffinlösung, sondern die als Verbesserung 
bezeichnete Sesaraüllösung benutzt. — Kau ff mann selbst ist bis zu 
140 mg in einmaliger Einspritzung ohne schädliche Nebenwirkung ge¬ 
gangen.) Gemäss unserer Erfahrung in den andern Fällen gingen wir, 
um die Resorptionsmöglichkeit recht günstig zu gestalten, so vor, dass 
in das Fettgewebe der ßauchdecken hinein im ganzen sechs Einzel¬ 
depots von je 1,0 g an verschiedenen Stellen, 3 mal rechts, 3 mal links 
in einer Tiefe von etwa 3,5 cm angelegt wurden. Im übrigen verfuhren 
wir genau nach der Kauffmannschen Vorschrift (1, 2). 

Am Nachmittag wurden dann ausser dem üblichen 1 / 2 ständigen 
Spaziergang (etwa 2500 kgm) noch weitere 5000 kgm durch Treppen¬ 
steigen an Arbeit geleistet. 

24. 9. abends keine Temperaturerhöhung, Mattigkeit und Schwere 
in den Beinen. 


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25. 9. Injection von 1,5 g Lcptynol = 37 mg Pd(0H 2 ); nachmittags 
wegen Mattigkeit die Muskelarbeit unterlassen. Patient ist auffallend 
schläfrig, Puls langsam, regelmässig, weniger gespannt. 

Urin: Esbach J / 3 pM. gegen 3 / 4 pM. vorher. 

26. 9. Allgemeinbefinden besser. Injektion von 2,5 g Leptynol. 
Mittag werden, aus dem Rahmen der Kur fallend, zu anderen Zwecken 
(siehe weiter unten) ausser den täglichen 2 1 Milch eine Mittagsmahlzeit 
von 900 Kalorien verabreicht. Abends: gute Diurese. Nachmittags wie 
am 24. dosierte Muskelarbeit. 

27. 9. Keine Störung im Allgemeinbefinden. 

C. Leptynolwirkung. 

Treten wir nun in die Betrachtung der in Tabelle I (S. 423) und 
Tabelle III (S. 428/429) zusamraengestellten Versuchsresultate ein. 

Um Wiederholungen zu vermeiden, sei hier den weiteren Erörterungen 
über die Fragen des medicamentös nicht beeinflussten Gaswcehsels die 
Besprechung der Leptynolwirkung auf denselben vorangestellt. 1 ) 

Anmerkung: Hier sei eine Bemerkung über die Schnelligkeit der Resorption 
des Leptynols eingeschaltet: Wenn die Injektion nicht allzu tief erfolgte, wies regel¬ 
mässig auch monatelang nachher die Haut über der Injektionsstelle in ca. 2 Mark¬ 
stück-Ausdehnung eine bläulich-schwarze, aus den subcutanen Partien her durch- 
schiramernde Verfärbung auf, die bei ihrer gleichmässig unveränderten Farbe nur 
von nicht resorbierten Leptynolresten — und zwar in ziemlich beträchtlicher Menge — 
herrühren konnte. Diese Verfärbung wurde auch bei einer von Kauffmann selbst 
mit Leptynol behandelten Patientin über 6 Monate nach der Injection beobachtet. 

Am Kaninchen wurde von uns unter die Bauchhaut eine Menge von je 1,0 g 
Leptynol (Paraffinlösung) injiciert und nach 5 bzw. 7 Tagen die betreffende Haut¬ 
stelle excidiert. Es fand sich — schätzungsweise, nicht quantitativ bestimmt — die 
injicierte Menge zum grossen Teil wieder. Es fiel allenfalls auf, dass die Lymph- 
stränge etwa bis zu einer Entfernung von 6 cm von der Injectionsstelle mit der 
schwarzbraunen Paraffinlösung injiciert erschienen. Damit stimmen auch die von 
Pharmakologen gemachten Erfahrungen überein, dass Paraffinum liquidum subcutan 
nur in langen Zeiträumen, fast ausschliesslich auf leukocytärem Wege resorbiert 
wird (9). Kauffmann selbst suchte dadurch, dass er das Paraffin durch das etwas 
leichtflüssigere Sesamöl ersetzte, diesem Mangel abzuhelfen. Nach unserer Beob¬ 
achtung bedeutet allerdings auch dies noch keinen wesentlichen Fortschritt. Die 
zweifellos schon aus theoretischen Gesichtspunkten hochinteressante Wirkung der 
colloidalen Lösung der Platinmetalle dürfte wohl doch erst praktisch klinisch ver¬ 
wendbar werden, wenn es gelungen ist, diese auch bei Menschen, wie bisher im 
Tierexperiment ohne Schädigung, sei es intravenös, sei es subcutan, in schneller und 
resorbierbarer Lösung einzuverleiben. Kauffmann selbst gibt dies teilweise zu. 
Er konnte beim Hunde 25 mg Palladiumhydroxydul, als Hydrosol injiciert, fast 
quantitativ im Harn wieder nachweisen; dagegen konnten von 91 mg als „Paraffinosol u 
injiciert nur 6 mg im Harn nachgewiesen werden. (Münchener med. Wochenschrift. 
1913. S. 525.) 

1) Dies geschieht nur aus besagtem Grunde und weil bei der Diskussion der 
Leptynolwirkung die kurz vorher behandelte äussere Versuchsanordnung besonders 
gegenwärtig sein muss. Nach dem Grade des ihnen gebührenden Interesses müsste 
durchaus die Besprechung der weiter unten behandelten pathologisch-physiologischen 
— nicht medicamentös beeinflussten — Verhältnisse dieses Falles an der Spitze stehen. 


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Auch in diesem Falle konnte schon die erste Forderung eines er¬ 
höhten Umsatzes, eine medicamentös bedingte Gewichtsabnahme, wie die 
Tabelle zeigt, nicht gefunden werden. Vergegenwärtigen wir uns die 
betreffenden Zahlen: 

Gewichtsabnahme während 4tägiger Entziehungskur: 5,6 kg. 

Gewichtsabnahme nach 4tägiger Entziehungskur -f- Leptynol: 3,7 kg 
(auf das Anfangsgewicht bezogen). 

Das Anfangsgewicht wird im ersten Falle in 4 Tagen bis auf 1,9 kg 
wieder erlangt. 

Ifti zweiten Falle ist das Anfangsgewicht bis auf 0,4 kg in 6 Tagen 
wieder erreicht. Hiermit ist auch eine verlangsamte bzw. Dauerwirkung 
des Leptynols in diesem Falle ausgeschlossen. Wird die während der 
zweiten Periode störende Mehrnahrung von 900 Kal. noch in Anschlag 
gebracht, so wäre hochgerechnet durch sie die Gewichtsabnahme um 
ein Kilogramm herabgedrückt worden. Es bliebe dann noch ein Mehr¬ 
gewichtsverlust der ersten Periode von 900 g, welcher wahrscheinlich 
auf Kosten schlechterer Entwässerung im zweiten Falle, wie sie sich 
aus der Urintagesmenge ergibt, zu setzen wäre. 

(Wahrscheinlich wirkt das Palladiummetall in dieser Richtung auf 
die geschädigten Nieren unseres Patienten.) 

In beiden Perioden ist der grösste Teil des Gewichtsverlustes auf 
Entwässerung des Körpers zurückzuführen. Das geht schon aus der 
Wasserbilanz der Tabelle III hervor. Dass aber in der zweiten Periode 
eine stärkere Fett- und Eiweisseinschmelzung nur durch geringeren 
Wasserverlust verschleiert wurde, ist unmöglich, denn die Stickstoff¬ 
bilanz ist im zweiten Falle günstiger für den Organismus als im ersten 
Falle, und alleinige Erhöhung der Fettverbrennung müsste sich in einer 
Verkleinerung des R.-Q. zeigen; dieser ist aber bei Periode I und III 
nicht verschieden. Ausserdem wäre auch mit dieser Möglichkeit die 
Wiedererlangung des alten Gewichtes binnen einer Woche nicht zu ver¬ 
einigen. (Das Nähere ergibt sich aus der weiter unten zu besprechenden 
Tabelle über die Beteiligung der einzelnen Körper- und Nahrungsbestand¬ 
teile an der Verbrennung.) 

Wie zu erwarten, liefert die Vergleichung des Grundumsatzes das 
gleiche Resultat. Wir finden hier: 

Periode I: Mittelwert (aus Versuch 3 u. 6): 514,9 ccm 0 2 -Zehrung 
pro Minute. 

Periode II: Mittelwert (aus Versuch 11 u. 12): 518,1 ccm 0 2 -Zehrung 
pro Minute. 

Es darf demnach ausgesprochen werden, dass in einem zur 
Prüfung besonders geeigneten Falle eine reine Entziehungs¬ 
kur eher ein besseres, sicher aber ein gleichwertiges Resultat 
erzielt hat im Vergleich mit einer hochdosierten Leptynol- 
bchandlung, welche combiniert wurde mit der gleichen Ent¬ 
ziehungskur -f- Muskelarbeit. 

Wir werden in der weiteren Betrachtung der Tabellenwerte keinen 
Fehler begehen, wenn wir den Einfluss des Leptynols auf den Gas- 


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Wechsel gleich Null setzen und den Umsatz und auch den Stoffwechsel 
der entsprechenden Versuche 11 —17 als nicht medicamentös beeinflusst 
bewerten. 

D. Der (irundnmsatz. 

Für die Bewertung der Form der Fettsucht hat die Feststellung der 
Höhe des Grundumsatzes nach den gegenwärtig herrschenden Anschauungen 
die grösste Bedeutung. 


I. Welche Versuchs werte aus Tabelle 1 sind geeignet, uns ein 
einwandfreies Bild des Normalgrundumsatzes zu geben? 

Versuch 1 und 2 der Tabelle scheiden aus, denn gerade dieser 
Versuchsperson machte wohl wegen ihrer Kurzatmigkeit die Gewöhnung 
an die Ventilatmung einige Schwierigkeit, so dass die beiden ersten 
Versuche noch falsche Werte ergaben. Es stehen uns noch die Werte 
von Versuch 3—6 und 11 und 12 zur Verfügung — Normalwerte, denn 
nach allen bisher gemachten Erfahrungen beeinflusst eine Entziehungskur 
ebenso wenig wie eine Hungerkur die Höhe des Grundumsatzes. (Wie 
weit das vielleicht zu modificieren ist, werden wir weiter unten sehen.) 

In der Zusammenstellung eines Normaldurchschnittwertes sei es nun 
in diesem Falle erlaubt, einen etwas anderen Weg als sonst einzuschlagen, 
der den hier im speciellen vorhandenen subjectiven Versuchsschwierig¬ 
keiten Rechnung trägt: Gemäss der Versuchsanordnung der Zuntzschen 
Methode haben die kleinsten gefundenen Werte die grösste Wahrschein¬ 
lichkeit für sich, dem wahren Grundumsatz nahe zu kommen. Daher 
schalten wir hier (abweichend von der in der Tabelle selbst durch¬ 
geführten Berechnungsart) die wahrscheinlich zu hohen Werte 4 und 5 
aus. Es bleiben dann in guter Uebereinstimmung miteinander für den 
Minutensauerstoffverbrauch die Zahlen: 


Gesamt: 525,7 ccm 
504,0 „ 
512,0 „ 
524,3 „ 

also Mittelwert: 516,5 ccm 


pro Kilogramm Körpergewicht: 3,56 ccm 

3?51 „ 
3,51 „ 
3)59 „ 

3,54 ccm 


II. Welche Stellung nimmt der gefundene Grundumsatz unter 
den bisher festgestellten Umsatzwerten von Fettsüchtigen ein? 

Vergleichen wir die obigen Zahlen mit der von v. Noorden 
zusamraengestellten Tabelle (8) aller bis jetzt auf ihren Grundumsatz 
untersuchten Fettsüchtigen (siehe Tabelle II Seite 424), so stehen sie 
denen von Fall E. H. (Jaquet) am nächsten, während ein in Gewicht 
und Alter auch analoger Fall (Fr. Schn.) (Magnus-Levy) bedeutend 
geringere Urasatzwerte zeigt; besonders tritt das bei den absoluten 
Umsatzzahlen hervor: 

516,5 (Fall Or.) 
zu 414,0 (Fall E. H.) 
zu 282,0 (Fall Fr. Schn.). 

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass letztere Fälle, in der 
Tabelle die höchsten Gewichte darstellend, immer noch um 23 bzw. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


423 




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Zeitschrift f. exp. rathologie u. Therapie. 17. Bd. 


28 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 









424 


Heinrich flaussleiter, 


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16 kg an Gewicht hinter Fall Or. zurückstehen. Aber auch ein grob 
berechneter und sicher noch zu grosser Abzug von 23 X 3,54 ccm 0 2 
(= Sauerstoffverbrauch für Patient Or. pro Kilogramm) = 81,4 ccm 0 2 
für 23 kg Mehrgewicht unseres Falles ergab noch ein Mehr an Umsatz 
von Fall Or. gegen Fall E. H. von 435,1 — 414,0 = 21,1 ccm 0, 
= rund 5 pCt. 


Tabelle II. 


v.Noordcn’s Tabelle aller bisher auf ihren Umsatz untersuchten 

Fettsüchtigen. 


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Alter 

Jahre 

Ge¬ 

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kg 

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167 

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2,71 

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Frl. 

35 

70,0 

klein 

233,1 

3,33 

Frau E. . . . 

— 

124,5 

— 

287,2 

2,31 

Thiele -Nehring 

Herr P. . . . 

35 

97,0 

_ 

272,0 

2,80 

S t ü v e 

Kind H. . . . 

4 

48,8 

129 

153,6 

3,15 


Frl. Mal. . . 

64 

69,5 

151 

239.8 

3,45 

' 

Frl. Lt. . . . 

56 

76,0 

144 

188,6 

2,48 

1 

Frl. E. Kr. . 

25 

77,0 

156 

226,6 

2,94 

1 

Frau Kr. . . 

57 

88,0 

V 

330,2 

3,74 

1 

Frl. Bn.. . . 

43 

107,0 

160 

257,3 

2,40 

f 

Frl. Ha. . . . 

32 

111,4 

160 

320,2 

2,88 

\ 

Frau Schn. . 

41 

133,3 

152 

282,0 

2,12 

> Magnus-Lcvy 

Herr A. S. . . 

23 

80,2 

174 

257,8 

3,22 

I 

Herr Mar. . . 

43 

80,1 

169 

278,6 

3,48 

l 

Herr Stab. . . 

71 

91 >5 

169 

258,0 

2,82 

1 

Herr Dr. D. . 

28 

92,7 

167 

262,2 

2,83 

I 

Herr Ha. . . 

46 

96,0 

! 167 

231,2 

2,41 

J 

Herr D. 0. . 

48 

109,0 

167 

307,2 

2,82 


Herr E. H. . 

28 

126,0 

163 

414,0 

3,29 

j 

Herr L. K. . 

53 

112,0 

173 

357,0 

3,17 

( 

Herr K. Z. . 

46 

90,0 | 

165 

268,0 

2,97 

)Jaquet-Svcnson 

Derselbe. . . 

46 

90,0 i 

165 

232,0 

2,58 

) 

Frl. J. L. . . 

18 

98,0 ; 

168 

249,0 

2,54 

\ O 1 

Frl. II. J. . . 

16 

73,0 

163 I 

199,0 

2,72 

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Paul G. . . . 

15 

63,1 1 

139 j 

216,3 

3,49 

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Mann . 

30 

91,0 ; 

169 

254,9 

2,82 

Stähelin 

Frau L. . . . 

25 ; 

84,0 

163 j 

215,0 

2,56 

v. Bergmann 


Wir stellen also fest, dass die bei Fall Or. gefundenen Umsatz¬ 
werte absolut und relativ grösser sind als die bisher gefundenen Werte. 
Diese hohen Werte würden uns bei Mastfettsucht nicht überraschen, 
stehen aber bei unserer klinischen Annahme einer endogenen Fettsucht 
unleugbar mit den bisherigen Anschauungen, welche für endogene Fett¬ 
sucht einen herabgesetzten Stoffwechsel zwar nur selten nachgewiesen 
haben, aber für alle Fälle postulieren in einem gewissen Widerspruch, 
der uns noch weiterhin beschäftigen wird. 

Bevor wir näher eingehen auf die Beurteilung der Umsatzhöhe 
unseres Falles, sei an dieser Stelle eine allgemeine Bemerkung ein¬ 
geschaltet. 


Google 


Original fro-m 

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Ueber den Gasweohsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


425 


111. Warum ist mit der Zuntzschen Methode ein unternormaler 
Umsatz bei Fettsucht so selten nachgewiesen worden? 

Diese Erklärung bezieht sich also nicht auf unseren Fall im speciellen, 
der auch trotz ihrer keinen unternormalen Umsatzwert ergeben würde. 

Stähelin fand in einem Falle von Fettsucht nach 17stündigero 
Hungern einen niedrigeren Umsatz als nach den üblichen 12 Stunden 
Nüchternheit. Das gleiche fanden Jaquet und Svenson (10, 11). 
Nun wäre es denkbar — ohne Berücksichtigung der Frage, ob beim 
Fettsüchtigen der Gipfel der Steigerungskurve des Umsatzes nach 
Nahrungsaufnahme niedriger ausfällt als beim Normalen (Jaquets und 
Svensons Vermutung) —, dass beim Fetten vielleicht im Sinne einer 
wahren „Verlangsamung des Stoffwechsels“ [vgl. von Bergmanns und 
Bouchards ralentissement (12)] die Umsatzsteigerung nach Nahrungs¬ 
aufnahme nach den für den Normalen üblichen 7—9 Stunden noch nicht 
zu ihrem Ende gekommen ist, sondern regelmässig 12 Stunden nach 
Nahrungsaufnahme in einer beträchtlichen Höhe noch vorhanden wäre. 
Mit anderen Worten würde das bedeuten: Beim Fettsüchtigen ist es die 
Regel, dass der in der üblichen Weise nach 12ständiger Nüchternheit 
in kurzem Respirationsversuch bestimmte „Grundumsatz“ höher ausfällt 
als der sog. „Erhaltungsumsatz“, d. h. der nach einer mindestens 
24—48 Stunden langen Hungerperiode bestimmte Grundumsatz. 

Beim normalen Menschen existiert zwischen Erhaltungs- und Grund¬ 
umsatz keine Differenz. Diese Tatsache haben neben zahlreichen anderen 
Untersuchern vor allem Zuntz und Lehmann in kurz dauernden 
Respirationsversuchen selbst nach 10 tägigem Hungern an 2 Versuchs¬ 
personen bestätigt gefunden (13, 10). Dass aber beim Endogen-Fett¬ 
süchtigen im Gegensatz zum Normalen hier eine Differenz besteht, legt 
neben den oben erwähnten Befunden von Stähelin usw. auch Nr. 13 
unserer ersten Versuchstabelle nahe. Es handelt sich hier um den nach 
dem zweiten Nahrungsversuch — also nach Steigerung der an den 
Tagen vorher verabfolgten Nahrung — festgestellten „Nüchternumsatz“ 
am nächsten Morgen. Die Steigerung von 14,5 ccm 0 2 = 2,77 pCt. 
gegen die entsprechenden Werte vom Tage vorher (Versuch Nr. 12) liegt 
allerdings innerhalb der normalen Schwankungsgrenzen dieser Versuchs¬ 
person. Andererseits aber gehört der in Betracht kommende Versuch 13 
zu den einwandfreiesten, während Versuch 12 wahrscheinlich noch etwas 
zu hohe Werte ergibt. Die Differenz würde sich unter Zugrundelegung 
des einen Tag vorher bestimmten Grundumsatzes (Nr. 11) fast verdoppeln. 
(Wert Nr. 11 deckt sich im übrigen fast mit dem Durchschnittswert.) 
Leider war es aus äusseren Gründen nicht möglich, an Patient Or. durch 
reine Hungerversuche diese Vermutung weiter zu erhärten. Auch habe 
ich Angaben über derartige Versuche in der Literatur nicht finden können. 

Zögen wir an unserem Falle die Consequenzen unserer Vermutung, 
so ergäbe sich für uns gewissermassen ein dreifaches Niveau der Ein¬ 
stellung des Grundumsatzes: 

1. Das wahre Niveau während Hungerversuchen — in unserem 
Falle nicht festgestellt. 


28 * 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



426 


Heinrich Haussleiter, 


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2. Gegen voriges erhöht das Niveau bei beschränkter Nahrungs¬ 
zufuhr — hierher wären sämtliche von uns für den Durchschnitts¬ 
wert verwendete Versuche zu rechnen. 

3. Das gegen 2. wiederum erhöhte Niveau des — sogenannten, 
nicht des wahren — Grundumsatzes bei Erhaltungskost. Für 
diese Stufe könnte Versuch 13 einen Anhaltswert geben. Sichere 
Werte haben wir wiederum nicht (Versuch 1 und 2 sind als 
solche nicht zu rechnen). 

Für eine nochmalige Erhöhung des Niveaus, wie wir sie zwischen 
2. und 3. angenommen haben, spräche der Satz, dass die Umsatz- 
steigerung nach Nahrungsaufnahme innerhalb gewisser Grenzen pro¬ 
portional ist der Menge der zugeführten Nahrung (13). 

Für die Möglichkeit einer derartigen Verschleierung des 
wahren Grund Umsatzes des Endogenfettsüchtigen bei den 
üblichen kurzen Respirationsversuchen, wie wir sie eben be¬ 
hauptet haben, Hesse sich vielleicht noch ein Punkt ins Feld führen: 

Für die Methode der 24stündigen Umsatzbestimmung ist es gleich- 
giltig, ob die Kurve der Umsatzsteigerung nach Nahrungszufuhr steiler 
oder flacher verläuft, wenn nur, geometrisch gesprochen, die Summen 
ihrer Projectionen den gleichen Flächeninhalt ausmachen, mit anderen 
Worten, wenn nur die Gesamtarbeitsleistung, welche durch die Nahrung 
gebunden wird, die gleiche bleibt. (Und daran muss vorläufig fest- 
gehalten werden, so lange sich eine Ersparnis bei der Reaction auf 
Nahrung beim Fettsüchtigen, wie sie Jaquet und Svenson vermutet 
haben, nicht bestätigt hat.) Nach dieser Methode müssten also ver¬ 
gleichende Umsatzbestimmungen (natürlich ist hier von Grundumsatz die 
Rede) zwischen Normalen und Endogenfettsüchtigen viel eher eine 
Differenz zugunsten eines herabgesetzten Stoffwechsels gefunden werden 
können, als nach der Zuntzschen Methode, wenn das negative Ergebnis, 
welches letztere Methode an den bisher ca. 30 untersuchten Fällen in 
bezug auf diese Frage gezeitigt hat, teilweise in der eben ausgesprochenen 
Vermutung ihre Ursache haben sollte. Und in der Tat hat von Berg¬ 
mann nach der Pettenkoferschen Methode schon bei Untersuchung 
nur dreier, allerdings mit besonderer Sorgfalt ausgewählter Fälle in 
meinem Falle zum mindesten eine tatsächliche, auch scharfer Kritik 
standhaltende Umsatzminderung nachweisen können (12, 8). 

Es sei hier kurz berechnet, wie gross die maximale Abweichung ist, 
welche der Grundumsatz durch die eben erwähnte „Verschleierung“ er¬ 
leiden könnte. Nach der Angabe von Magnus-Levy (11) ergibt sich, 
dass die Steigerung des Umsatzes bei Zufuhr von Fett etwa 2 l / 2 pCt. 
der totalen Verbrennungswärme desselben beträgt; bei der Zufuhr von 
Stärke etwa 9 pCt., bei der Zufuhr von Eiweisskörpern etwa 17 pCt. 
Hiernach berechnet würde bei einer Nahrung von 2 1 Milch die Steigerung 
im ganzen einer Verbrennung von 20 166 ccm 0 2 entsprechen. Nehmen 
wir nun den extremen Fall an, der ja in Wirklichkeit nicht zutrifft, 
dass die Steigerungskurvc während 24 Stunden immer auf der gleichen 
Höhe bliebe, so würde das über den wahren Grundumsatz (pro Kilo¬ 
gramm und Minute) ein Mehr von 14,0 ccm 0 2 (= für unseren Fall 


Gck igle 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


427 


eine Abweichung von 2,7 pCt.) bedeuten. Für Erhaltungskost würde 
die maximale Abweichung vom wahren Grundumsatz in unserem Falle 
ca. 7,5 pCt., in Fällen geringerer 0 2 -Zehrung noch grössere Maximal¬ 
abweichungen ergeben. (Nach Magnus-Levy ist die Erhöhung des 
Tagesumsatzes bei zureichender Nahrungsaufnahme auf ungefähr 10 bis 
15 pCt. des Grundumsatzes zu schätzen.) 

Fahren wir nunmehr in der Betrachtung des Grundumsatzes von 
Patient Or. fort! Fragen wir uns: 

IV. Wie lässt sich der Umsatzwert unseres Falles mit Normal¬ 
umsatzwert vergleichen und mit welchem Ergebnis? 

Auch unter Berücksichtigung eines Fehlers von 2,7 pCt. (siehe 
oben!) würde der Sauerstoffverbrauch pro Kilogramm und Minute, der 
sich dann auf 3,44 ccm 0 2 reducieren würde, mit der Normaltabelle 
von Magnus-Levy (von Noordens Handbuch, Band I, S. 279) ver¬ 
glichen in die Reihe der Normalwerte für Männer fallen. Der Mittel¬ 
wert ist hier 3,64 ccm 0 2 . 

Nun gibt aber bekanntlich die Beziehung auf Kilogramm Körper¬ 
gewicht gerade im Vergleich von Normalen und Fettsüchtigen sicher 
schiefe Vergleichs werte, denn wie von Noorden (8) betont, ist „die 
Summe des atmenden Protoplasmas im Körper des Fettleibigen bedeutend 
geringer .... als im Kilogramm Normalmensch“. Mehr Berechtigung 
hat die freilich gleichfalls mit Fehlern behaftete Vergleichung der 0 2 - 
Zehrung gleicher Einheiten der Körperoberfläche miteinander. Wenden 
wir dies in unserem Falle an, und zwar gleich mit Umrechnung auf 
24stündigen Grundumsatz und Kalorienzahl, so finden wir laut Tabelle 
für Patient Or. einen Mittelwert von 1077 Kalorien pro Quadratmeter 
Körperoberfläche oder mit Abrechnung von 2,7 pCt. 1048 Kalorien pro 
Quadratmeter gegenüber dem höchsten Normalwert in der Tabelle von 
Magnus-Levy von 893 Kalorien pro Quadratmeter. 

So verglichen wäre also der Umsatz bei Patient Or. um ein Be¬ 
trächtliches über den Normalumsatz gesteigert. 

Die dritte Möglichkeit der Vergleichung stützt sich auf die absolute 
verbrauchte Kalorienzahl und Körpergrösse. 

Hierbei ist nach dem Vorschlag von Noordens (8) folgendermassen 
vorzugehen: 

Körpergrösse Patient Or. = 170 ccm. 

Hierfür berechnetes Normalgewicht (obere Grenze) = 170 X 0,48 
~ 81,6 kg. Diesem entspricht ein Grundumsatz von 2066 Kalorien, 
mit Erhöhung um 20 pCt. — ein Zuschlag, den von Noorden beim 
Vergleich zwischen Fettsüchtigen und Normalen als praktisch gefunden 
hat, = 2480 Kalorien. 

Dagegen der kleinste Wert des für unseren Fall berechneten absoluten 
Grundumsatzes (vgl. Tabelle II) = 3560 Kalorien. 

Diese ausserordentlich grosse Differenz würde durch eine in unserem 
Falle wohl berechtigte Vergrösserung des Zuschlags für Circulations- 
und Atemmehrarbeit etwa auf 40 pCt. etwas richtiger gestellt, bleibt 
aber bestehen. 


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428 


Heinrich Haussleiter, 


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Tabelle 111. 


Entsprechende Versuchsnummer 
in Tabelle I 

Datum 

Nahrung und Arzneiverordnung 

Tägliche Urinmenge in ccm 

Specifisches Gewicht des Urins 

Gehalt 

des 

Urins 

(Essbach) 

Täglicher Gewichtsverlust in kg 
(Anfangsgewicht = 149,2 kg) 

5 ccm Urin nach 
Kjeldahl gegen 
25ccm 5 /nH2S0 4 über¬ 
destilliert ergaben 
noch einen Säure¬ 
überschuss, der durch 
folgende Mengen 
5 /nNaOH neutralisiert 
wurde: 


Eiweiss 

Zucker 

| Analyse 1 

<u 
c n 
>» 
et 

a 

< 

ccm 

t -4 

o 

j$ 

o 

- 4 — > 

Ü 

ccm 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

u 


3 

16. 9. 

I. Periode: 

2100 

1017 

3 U pM. 


1,700 

12,60 

12,40 

12.50 


3 

17. 9. 

16.- 

19.9. 

2600 

1018 

3 U pM. 

— 

2,000 

12,40 

12,70 

12,55 


4 

18. 9. 

tägl.Nahrungs- 

1800 

1015 



0,600 

13,20 

13,40 

13,30 


5 

19. 9. 

zufuhr 21 Milch 

1300 

1016 



1,300 

11,10 

10,80 

10,95 



Durchschnittswert: 

1950 

1016 



1,400 



12.325 






+148 (tägl.Wasserverl.imKot) 

Gesamtge- 









2098 

ccm tägl. Wasseraus- 

wichlsverlust 









Scheidung d. Kot u. Urin 

5,600 kg 













Anfangsgewicht 






24. 9. 

11. Periode: 

— 

— 

— 


147,3 kg 

— 

— 

— 




Milch 

Leptyool 





1,400 







2 1 

6,0 g 










11 

25. 9. 

r> 

1,5 g 

900(?) 

1018 

V< pM. 

— 

kein Gewichts- 

11,70 

11,90 

11,80 










Verlust 





12 

26.9. 

„ 

2,5 g 

2500 

1015 



kein Gewichts- 

10,30 

10,60 

10,45 




-f Mahlz. 






Verlust 







(900Kal.) 











13 

27.9. 

2 1 Milch 

— 

1250 

— 



0,400 

12,40 

12,20 

12,30 



Durchschnittswert: 

1550 






i 

11,52 



1) Schätzungsweise angenommen auf Grund der Kotanalyse der I. Periode. — 2) Der 
des nicht ausgenutzten Teiles der Nahrung nach Rubners Tabelle berechnet.) 


Jede der drei angewandten Vergleichungsarten hat ihren Fehler, 
und das Fehlen einer absoluten Vergleichseinheit wird gerade in diesem 
excessiven Falle als Mangel ganz besonders empfunden. 

Doch, bevor wir eine bessere Vergleichsmöglichkeit besitzen, sind 
wir gezwungen, auch so irgendwie Stellung zu nehmen. 

Die Beziehung des Umsatzes auf die Einheit der Körperoberfläche 
kommt einer wahren Vergleichseinheit bis jetzt am nächsten. Sie gibt 
bei unserer Entscheidung den Ausschlag, dass in diesem Falle ein 
über den Durchschnittswert des Normalen beträchtlich ge¬ 
steigerter Grundumsatz vorhanden ist. (Mindestens 17pCt. grösser 
als der höchste Normalwert bei Magnus-Levy. Dieser Procentsatz ist 
noch zu niedrig, denn die Meehsche Formel (14), die wir benutzt haben, 
gibt bei ihrer Durchschnittsconstante 12,3 für Fette zu grosse Ober- 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHtGAN 





Uebei' xlen Gaswecfisel versokiedonet Formen von .Fettsacht tfsw 


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^t>ckstoflPget)Ä)t. .der Prohenvelil'^ft vrurtio xiaeb i(.o!>•«*( .'»< '^0;> g. berechabt.. (Untvr Abzug- 

/ v ' w ^ i , ‘ / ( ,, >!/ > 4 V ^ v ' ,|t\ 1 >. ' ;. ( 


fläehenwcne. ! '.io 11 o u eit n rd sehen. TaM len »tandois mir leider nicht 

zur Verfügung.) 

Namentlich ißt Hinblick auf uuf.ert.-vi kliniscluvh Kfefuirtd ist dies Er* 
gebnis überraschend. Nach der bi.sbefieen Umgrenzung der endogenen 
Fettsucht iss diese-, wie wir schon eben erwähnten, t# der Forderung 
eines verringerten Umsatzes eng >, er knüpfe. Von borden (8) geht 
srigär soweit, dass er den Hegnff „endogene. -öder ‘konstitutionelle Fett¬ 
sucht* und „Vermiüdcrnii!; der ZeeseUungsenerg)e u direct ident ifiöierf.. 
Alle Fälle mit normaler und gesteigerter Zi'rMjrzungse.Ueigit* will er allein 
.rlttwjb Mast oder Faulheit erklärt wissen. 

Sollen wir in ?ibs<rrem Falb*- die Beteiligung viuiogeiter Faeron»«* die 
doch die Fettsucht erst r.ur . v timTwechSdkrankheit machen, talltot. lassen' 
Nach unserem 10inr.^che?> iMimtl wäre ein solcher Sebrttt nicht angängig. 


i ;' Ori^tral frem 

|®Ä OF MICHIGAN 



430 


Heinrich Haussleiter, 


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So bleibt uns denn nur übrig, den Versuch, unseren Fall in das 
bisherige Einteilungsschema einzugliedern, aufzugeben und der Frage 
näher zu treten: 

Unter welchen Umständen ist es denkbar, dass 
eine durch constitutionelle Faktoren bedingte (= endo- 
gene Fettsucht) von einem gesteigerten Umsatz be¬ 
gleitet wird? 

Vorweg sei aber noch kurz erörtert: 

V. Welche Beziehung kann die Polycythämie unseres Falles 
zur Umsatzerhöhung haben? 

1. Es ist bekannt, dass Polycythämie im Sinne einer einfachen 
Hypertrophie des Blutes, bei der sogenannten „plethorisohen Form“ der 
Fettsucht, gepaart mit „Luxusconsumption“, d. h. erhöhtem Umsatz, 
vorkommt (8). Umsatzsteigerung und Polycythämie sind hier immer 
eine gemeinsame Folge einer Uebermästung kräftiger, völlig gesunder 
Individuen. Dieser plethorische Habitus mag früher bei Patient Or. in 
reiner Form bestanden haben (vgl. Vorgeschichte: Früheres Gewicht bei 
voller Gesundheit und Arbeitskraft 93 kg. Fleischerberuf). Gegen¬ 
wärtig hat sich ihm sicher eine endogene Componente superponiert, 
welche die Verhältnisse gänzlich verschieben musste. Der endogen be¬ 
dingte Gewichtszuwachs musste den vorhandenen Luxusenergieverbrauch 

— anders ist es nicht denkbar — absorbiert haben. Ist also die 
Polycythämie ein Residuum der früher vorhandenen wahren Plethora, 
was zwar unwahrscheinlich ist, aber was wir nicht wissen, so kann sie 
wohl neben einem gesteigerten Umsatz bestehen; es ist aber nicht 
ersichtlich, wie sie mit einem solchen noch in irgend einem ursächlichen 
Zusammenhang stehen sollte. 

2. Viel wahrscheinlicher erscheint es, dass es sich bei Or. um eine 
pathologische, sogenannte „Polycythämie mit gesteigertem Blutdruck“ 
[Geisböck, Münzer (15)] handelt, wie sie als Compensationserscheinung 
einer central gestörten Circulation oder allgemein jeder Stauung im 
Kreislauf (etwa durch Comprcssion der grossen Körpervenen durch intra¬ 
thorakale Fettmassen) oder durch Atherosklerose der kleinsten Gefässe 
bedingte Störung der Sauerstoflfzufuhr zu den Geweben namentlich von 
Münzer in einer Reihe von Fällen nachgewiesen und eingehend be¬ 
schrieben worden ist. Bemerkenswert ist, dass der erste von Münzer 
beschriebene Fall (Herr F. J.) gleichzeitig fettsüchtig ist und mit unserem 
Patienten Ör. weitgehende Uebereinstimmung aufweist: (bei kleiner Figur 
das beträchtliche Gewicht von 103 kg. Wahrscheinlich endogene Form. 

— Lymphocytose, starke Thyreoidinreaction. — Auffallende Schlaf¬ 
sucht. — Cyanose vorwiegend des Gesiebtes und vorwiegend im Liegen). 

Eine Insufficienz der Herztätigkeit (dauernde Cyanose; leicht aus¬ 
lösbare Dyspnoe) ist auch in unserem Falle sicher vorhanden, ebenso 
lässt sich der erhöhte Blutdruck durch Atherosklerose der Gefässe 
deuten. 

Es ist nun sehr interessant, dass bei derartigen Fällen von cora- 
pensatorisehcr Polycythämie ein erhöhter 0 2 -Verbrauch gefunden wurde 


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Original fro-m 

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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. . 431 


[Senator, Mohr (16)]. Münzer hat seine Fälle nach dieser Richtung 
nicht untersucht, nimmt bei seinen Fällen einen normalen, nicht ge¬ 
steigerten Umsatz an und hält die Polycythämie für eine Compensation 
des durch Stauung geschädigten und in bezug auf seine 0 2 -Bindungs- 
fähigkeit verschlechterten Hämoglobins. 

In einem Falle von Mohr betrug die 0 2 -Zehrung, nach Zuntz be¬ 
stimmt, 379,5 ccm 0 2 pro Minute und Kilogramm Körpergewicht (16). 

Wie diese Umsatzerhöhung bei der Polycythämie zustande kommt, 
ist schwierig zu beweisen; denn die corapensierende Wirkung der 
Polycythämie wird ja durch sie zum Teil wieder aufgehoben. Ab- 
zulehnen ist vorläufig, so lange das Pflügersche Gesetz noch allgemein 
anerkannt wird, dass die einfache Mehranbictung von 0 2 einen Mehr¬ 
verbrauch der Gewebe von 0 2 verursacht (Senator). Zu denken wäre 
an eine allgemeine Reizwirkung auf die Verbrennung der Gewebe durch 
den vermehrten COo-Gehalt des Blutes; die Beweise hierfür sind noch 
nicht erbracht. Die Wolpertschen Versuche (10) allerdings, welche 
den Einfluss des Kohlensäurcgehaltes der Atemluft auf die Intensität 
des Umsatzes bestimmen, sprechen eher dagegen als dafür. 

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die zwecklose Mehrarbeit des 
insufficienten Herzens allein genügte, um den gesteigerten Umsatz zu 
erklären. Namentlich bei Fettleibigen, bei denen eventuell die Circulations- 
arbeit vergrössert ist — also speciell in unserem Falle —, muss dieser 
Möglichkeit eine gewisse Bedeutung zuerkannt werden. 

Allerdings konnten die Respirationsversuche an Herzkranken [Kraus 
(10)] eine Umsatzverrainderung zwar ausschliessen, eine der vergrösserten 
Herzarbeit entsprechende Vergrösserung des Umsatzes aber nicht in dem 
Masse, als es für unseren Fall nötig wäre, erweisen. 

So kann zwar die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen werden, 
dass in unserem Fall eine gleichzeitig mit der Fettsucht vorhandene, 
aber mit dieser mehr symptomatisch, nicht direct ätiologisch zusammen¬ 
hängende krankhafte Veränderung neben oder trotz der Fettsucht einen 
erhöhten Stoffwechsel verursacht. Aber von der Möglichkeit eines 
Beweises derartiger Verhältnisse sind wir sehr weit entfernt. Und wir 
sind nach diesem Resultat sehr wohl berechtigt, uns nach einer anderen 
Deutung der coraplicierten Verhältnisse unseres Falles umzusehen und 
weiter zu fragen, ob nicht ein erhöhter Umsatz unter Umständen aus 
dem Wesen einer auf innerer Ursache beruhenden Fettsucht selbst her¬ 
geleitet werden kann. Diese Fragestellung wird uns, wie wir bei der 
Betrachtung des R.-Q. noch sehen werden, durch die vorurteilsfreie 
Betrachtung unseres Falles direct aufgenötigt. Es handelt sich nicht 
um die Erörterung einer blossen Denkmöglichkeit, die mit wirklich 
Beobachtetem noch keine Fühlung hat. 

VI. Wie kann Fettsucht als Stoffwechselstörung eine erhöhte 
Verbrennung im Körper bewirken? 

1. Fettsucht als Stoffwechselstörung. Bis jetzt haben wir 
das Problem der Fettsucht immer von seiner energetischen Seite aus zu 
lösen gesucht, wir haben immer den Kraftwechsel der Fettsucht als ihr 


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432 . 


Heinrich llausslei ter, 


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primäres Charakteristieum gesetzt und hofften von da aus ihr stoffliches 
Kennzeichen, das Mehr an Körpergewicht — ganz allgemein aus¬ 
gedrückt — einfach causal entwickeln zu können. Wir sind zu dem 
Urteil gekommen, dass wir vorläufig auf diesem Wege nicht zu einer 
einfachen Lösung kommen. 

Nur das Postulat der Einfachheit veranlasst uns daher, den alten 
Weg, der bei allen naturwissenschaftlichen Problemen zuerst eingeschlagen 
wurde und uns daher vertrauter ist, einzuschlagen und unser Problem 
von der stofflichen Seite anzugreifen. Theoretisch müssten beide Wege 
zum Ziele führen, sind beide Wege gleich richtig (in diesem Sinne bilden 
die Begriffe Stoff und Kraft eine Antinomie). 

Zum Ausgangspunkt einer Betrachtung der Fettsucht als Stoff¬ 
wechselstörung können wir folgenden Satz von Bergmanns nehmen (17): 

„Bei der constitutionellen Fettsucht sehen wir.heute als das 

Herrschende an: eine in ihrer Ursache ungeklärte Tendenz zur Fett¬ 
gewebewucherung (sogenannte lipomatöse Tendenz von Bergmanns). 
Wie dabei die Ersparungen zum Zwecke der Fettgewebevermehrungen 
erübrigt werden, ist etwas Secundäres. Individuen mit niedrigem Grund¬ 
umsatz haben es darin leichter, insofern sind sie „disponiert 14 ; diese 
Individuen sind aber übrigens ebenso geeignet zur Mastfettsucht. 14 

Diese Definition kommt zwar nicht über die anatomisch-stoffliche 
Fassung des Fettsuchtproblems heraus, zeigt aber gerade so am besten, 
wie wenig wir noch wissen. Gibt es doch bisher nur eine tatsächliche 
Beobachtung, welche geeignet schiene, von der anatomisch-stofflichen, 
um mich so auszudrücken, zu einer chemisch-stofflichen Definition den 
Weg zu weisen. Es ist das die von Waldvogel (12, 18) an Fett¬ 
süchtigen beobachtete Verlangsamung der Acetonausscheidung nach 
Infusion von 5 g pf-oxy-Buttersäure. Um jedoch diese Beobachtung ihrer 
Bedeutung nach auszuwerten, fehlt uns bisher die genaue Kenntnis der 
physiologischen Auf- und Abbaustoffe des Fettstoffwechsels. 

Um so mannigfacher sind die meist nach Analogie der anderen, 
besser bekannten Stoffwechselkrankheiten gebildeten Hypothesen, welche 
die Bergmannsche „Tendenz 14 durch einen chemischen Prozess erklären 
wollen, [von Mering, von Noorden, von Bergmann — vgl. v. Berg¬ 
mann im Handbuch der Biochemie (18]). 

Ich will auf diese im einzelnen nicht eingehen. Ihrem Kern nach 
werden sie durch folgendes Citat aus von Bergmanns erster Arbeit 
über Fettsucht (12) treffend charakterisiert und in ihrer Bedeutung für 
den Kraftwechsel abgegrenzt, (von Bergmann selbst lehnt sie aller¬ 
dings — damals noch — „strictissime 44 ab. Hierin hat er seine Stellung 
in seinen späteren Arbeiten geändert.) 

„Ina Hinblick auf die gichtische und diabetische Stoffwechselstörung 
ist es ja ein sehr naheliegender Analogieschluss, etwa für die Fettsucht 
sich vorzustellen, Fett werde ungenügend verbrannt und gelange 
deshalb zum Ansatz, oder auch die Umwandlung der Kohle¬ 
hydrate zu Fett vollziehe sich leichter wie ihre Verbrennung, 
und das sei der Grund zur Fettaufspeicherung. Für diejenige physio¬ 
logische Betrachtungsweise, die in den Fetten und Kohlehydraten isodynam 


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Uebei fötal Oaswi't-i/ -'i .ebener tornum von Fettsucht uew. ,433 

sich v' HrHwi.ir l i 'iMrr^it' > |»n;llcii siebt, <ti*• n;ü'h M^SgäW des Bedürf- . 
uivses .des Organismus horaitf. werd*i<. haben dies*' Speciifatiomm ; 
vi*i * ff t emwl ihm iir migen', ttbv= ohl sie- auf dem Oehitde ifitermeditirer’ v 
ziinäoltÄt: »-«une Specubttionen -bleibe», trotzdem di.- 
Ik-.Jisituog einer’ hei allihi ÜHWtt£ftufsttdlimge)i. beaelUtMiswerteri Möglich- 
keif. Der Organismus rmi-.sii- 'an Steile des ßj» ihn nicht ausirntzlw«» 
frttcs nicht Kohlelivdreie 'und -Eiweis? iür ■ s^io» n Fmopebettarl heran- 
ü'eii.'n; dann wurde er aber j-cbombör einen srÖÄs'orerf KiilorieiibMiarf 
iii'.ben als der »urinale Crgaiiisrdüsi Er würde r. 1». bei einer fett reichen 
Kost irdl.it - gen ügjwdör IvaSorienrnfiiiir Iviijp^reiweiss einscbuiel^ert roi'tssßn,“ 
Als!) eine er.sehvvcrnj Vethreniimjg oder erlejeliterie tUfduftg aus 
.'Kohibbydrutei* vM Fett sind die beiden Ha<i|>ttnögIiof 1 keite 11 einer zur Fett¬ 
sucht führenden Stoifweehsclstiu-nne, 

Trtellc »V. 

Beteiligung der einzelnen tVahrungs- bzw. Kf.rperbesfandteUe rin der 
Verhrenuiitig (nach Zuntz hereebncfi. 


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434 


Heinrich IIaussleiter, 


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Wir glauben in unserem Falle (siehe weiter unten) für erstere 
Möglichkeit sichere Anhaltspunkte gefunden zu haben, und lassen es 
hierbei offen, ob es sich um eine erschwerte Mobilisation der Fettlager 
handelt — das wahrscheinlichste — oder um eine allgemeine Unfähig¬ 
keit aller Körperzellen, das mobilisierte Fett zu verbrennen. 

Wir präcisieren danach unsere Frage: Wie kann Fettsucht als 
Stoffwechselstörung eine erhöhte Verbrennung im Körper bewirken? 
folgendermassen: 

2. Wie kann eine erschwerte Fettverbrennung im Körper, 
die Fettsucht verursacht, eine erhöhte Verbrennung bewirken? 
Zunächst sei hier auf die Analogie mit dem Diabetes mellitus hingewiesen. 
Es ist jetzt sichergestellt, dass es Fälle von menschlichem schweren 
Diabetes gibt, in denen ebenso wie im experimentellen Pankreasdiabetes 
der Gesamtumsatz erhöht ist (Mohr u. a.) Die Gründe dafür sind 
nicht aufgedeckt. Es ist möglich, dass Störungen im Gleichgewicht der 
inneren Drüsentätigkeit mit Ueberwiegen einer umsatzfördernden Com- 
ponente (z. B. Schilddrüse) dafür die Ursache sind. Man kann aber 
auch daran denken, dass die Steigerung des Gesamtumsatzes secundär 
bedingt ist durch einen infolge des völligen oder teilweisen Ausfalls der 
Kohlehydrate aus der Zersetzung bedingten vermehrten Umsatz von 
Eiweiss und Fett. Gerade für unseren Fall von Fettsucht müssen wir 
an eine solche secundäre Umsatzsteigerung denken, da, wie bereits 
erwähnt und weiter unten gezeigt werden wird, eine Einschränkung der 
Fettzersetzung mit Sicherheit erweislich ist. Es würde so der auffallend 
hohe Gesamtumsatz unseres Falles verständlich und die paradoxe Tat¬ 
sache erklärlich, dass entgegen der herrschenden Meinung auch endogene 
Formen der Fettsucht mit einem erhöhten Stoffumsatz einhergehen 
können. Uebrigens finden unsere Beobachtungen ein Seitenstück in 
den Beobachtungen Rubners an einem fettsüchtigen Knaben. Nach 
Rubners Abbildung würde man heute höchstwahrscheinlich die Diagnose 
endogene Fettsucht stellen. [Vgl. Rubner, Beiträge zur Ernährung im 
Knabenalter. 1912. (20).] Dieser Knabe hatte trotz grosser Muskel¬ 
trägheit einen ebenso grossen Umsatz wie sein gleich grosser magerer 
Bruder, welcher die gleiche Ernährung hatte. In Beziehung der Wärme¬ 
bildung auf das im Körper befindliche Eiweiss hatte sogar der Fette 
mehr zersetzt als der Magere. Nun fand Rubner bei diesem Knaben 
eine beträchtlich geringere Ausnutzung des Nahrungseiweisses vom Darme 
aus im Vergleich mit dem Mageren. (20,91 pCt. des Nahrungseiweisses 
gingen beim Fetten verloren, nur 13,15 pCt. beim Mageren.) Um den 
Eiweissbedarf zu decken, so schliesst Rubner, musste die Quantität der 
Kost erhöht werden, und da die Kost — im Haushalt einer Arbeiter¬ 
familie — ihrer Zusammensetzung nach sich gegenüber dem mageren 
Bruder höchstwahrscheinlich nicht veränderte, so musste ein Ueberschuss 
an Fett und Kohlehydraten hieraus resultieren und könnte möglicher¬ 
weise den unverhältnismässig grossen Fettansatz erklären. Demnach 
wäre in diesem Fall „die Fettsucht nicht eine Ernährungsanomalie, 
sondern eine Verdauungsanomalie u . 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


435 


Eine Erklärung für die relative Umsatzerhöhung seines Falles gibt 
Rubner nicht; er selbst legt auch obigem Erklärungsversuch für das 
Zustandekommen des Fettansatzes nur die Bedeutung einer Möglich¬ 
keit bei. 

Unter welchen Nahrungsbedingungen und in welchen Perioden mit etwa 
dazwischen liegenden Pausen sich in unserem Fall die Fettsucht bis zu ihrem 
jetzigen Grade entwickelt hat, darüber fehlt uns jegliche genaue Angabe und Beob¬ 
achtung. 

Trotzdem sei skizziert, wie sich ihre Entstehung auf Grund der oben dar¬ 
gestellten Unfähigkeit, Körperfett zu verbrennen, darstellen würde: 

Ob in unserem Falle jemals eine Periode unternormalen Umsatzes bestanden 
hat, wissen wir nicht, brauchen es aber nicht anzunehmen. Laut Anamnese nahm 
Patient 0. R. in 4 Jahren um 57 kg an Körpergewicht zu; rechnen wir für Ver¬ 
mehrung des Bestandes an Körperwasser nach willkürlicher Schätzung 7 kg ab (was 
wahrscheinlich viel zu wenig ist, siehe unten), So kommen wir — ganz grob und 
schätzungsweise gerechnet — pro Tag auf einen Fettansatz von 34 g. Bei gemischter 
Kost, die in Norddeutschland bekanntlich meist mehr Fett als die Voitsche Zahl 
(50 g Fett) enthält, würde also nur ein Bruchteil der resorbierten Fettmenge nicht 
verbrannt und daher angesetzt werden. 

Diese 34 g Fett werden also dem Umsatz — ganz gleicbgiltig, ob dieser normal 
hoch oder gesteigert angenommen wird — jetzt vorenthalten, können also eigentlich 
nicht als Nahrung gelten. Wird nun die Nahrungszufuhr nicht secundär verstärkt, 
so muss zur Bestreitung der unbeeinflussbaren Umsatzgrösse anderes Brennmaterial, 
also neben dem kostbaren Körpereiweiss vor allen Dingen die Glykogenvorräte heran¬ 
gezogen werden. Nun hat aber 1 g Glykogen ebensoviel Brennwert wie l / 2 g Fett. 
Es müsste also trotz Fettansatzes in dem gesetzten Falle einer secundär nicht 
gesteigerten Nahrung Gewichtsverlust eintreten. Die einzige Möglichkeit, diesen aus¬ 
zugleichen, bestände in Wasserretention. Diese spielt meiner Meinung nach in 
der Tat eine nicht unbedeutende Rolle in dem Stoffwechsel der Fettsüchtigen und 
dürfte wohl zur Erklärung mancher sich scheinbar widersprechender Befunde heran¬ 
gezogen werden können. Zwar enthält nach neueren Angaben das menschliche Fett¬ 
gewebe selbst nur einen sehr geringen Procentsatz Wasser, aber die vulgäre An¬ 
schauung, dass der hochgradig Fettsüchtige „aufgeschwemmt u sei, deren Grundlage 
wohl in der Beobachtung des grossen Flüssigkeitsbedarfes der Fetten zu suchen ist 
und eben nichts anderes als W'asserretention besagen will, ist leider sehr schwierig 
exact nachzuprüfen, aber hat sicher ihre Berechtigung. (Dass hochgradige Nahrungs¬ 
beschränkung, wie z. B. unsere Entziehungskur, starke Entwässerung des Körpers 
herbeiführt, widerspricht dem nicht, sondern bestätigt es.) Leider fehlt uns bisher 
noch jede Methode, den Wassergehalt des Körpers in vivo direct zu bestimmen (etwa 
durch Bestimmung des specifischen Gewichtes oder der elektrischen Leitfähigkeit 
inneren menschlichen Gewebes, wie z. B. Muskel). Auch an der Leiche ausgeführte 
Bestimmungen des procentualen Wassergehaltes von Fetten gegenüber Normalen 
fehlen. Ebenso sind Wasserbilancen gerade durch die eigenartige Wärmeregulation 
der Fetten wohl zu errechnen, aber sehr umständlich längere Zeit direct zu messen. 

So sind wir hier nur auf Vermutungen angewiesen. Immerhin dürfte dies die 
einzige Möglichkeit sein, für kürzere Zeitperioden bei gleichbleibender Umsatzgrösse 
(ebenso gut für gesteigerten Umsatz) ohne Steigerung der Nahrungszufuhr eine 
Gewichtszunahme zu erklären. 

Jedoch wohl nach kaum mehr als wenigen Wochen (siehe weiter unten) müssen 
die Glykogenvorräte im Körper soweit erschöpft sein, dass nunmehr eine Periode 
secundär gesteigerter Nahrungsaufnahme folgen muss. Und zwar wird bei selbst ge- 


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436 


Heinrich Haussleiter, 


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wählter Kost der Zuschuss an Nahrung zu dem Normalmass zweckmässigerweise zur 
möglichsten Beschränkung des Fettansatzes möglichst wenig Fett und möglichst viel 
Kohlehydrate enthalten. Bekanntlich kann schon im Tierversuch Kohlehydratnahrung, 
im Ueberschuss gegeben, jede Verbrennung der Körperfettdepots eliminieren. (Zur 
Fettbildung aus Kohlehydraten würde es wohl schon wegen des grossen directen Be¬ 
darfs an Brennmaterial nur in zu vernachlässigender Menge kommen.) 

Es ist nun weiter durchaus denkbar, dass die Verschiebung der Nahrungs¬ 
bestandteile zugunsten der Kohlehydrate an und für sich wiederum eine Steigerung 
des Umsatzes zur Folge hat; müssen wir doch berücksichtigen, dass die specifisch- 
dynamische Umsatzsteigerung nach Nahrungsaufnahme für Kohlehydrate nach 
Magnus -Levy über ä^mal so gross ist wie für Fett (procentuale Umsatzsteigerung 
durch Fett 2 1 /* pCt., durch Kohlehydrate 9 pCt.). Freilich wäre in unserem Falle 
hierdurch nur ein kleiner Teil der Umsatzsteigerung erklärt. 

Nochmals sei der rein theoretische Charakter dieser letzten Erörterung betont, 
für die wir bei unserem Fall keine äquivalente Beobachtangstatsache haben. Sie 
hatte nur den Zweck darzutun, dass die allgemeinen Anschauungen über Ernährung 
und Stoffumsatz mit der Anschauung einer mangelhaften Fettverbrennung 
als Erklärung für Fälle von endogener Fettsucht — für diese Anschauung glauben 
wir einige tatsächliche Belege zu haben (siehe weiter unten) — nicht im Wider¬ 
spruch steht. 

E. Der respiratorische Quotient. 

Wenden wir uns nun im einzelnen zur Besprechung des respiratorischen 
Quotienten und des StickstofTwechsels während der beiden Perioden der 
Entziehungskur. 

Zur Erläuterung der Tabelle II muss zuvor noch Folgendes voraus¬ 
geschickt werden: 

1. Die in Tabelle III verwendeten Kotstickstoffzahlen wurden folgender- 
massen durch Analyse gewonnen: 

Der Kot vom 16. bis 19. 9. wurde durch gepulverte Kohle ab¬ 
gegrenzt und gesammelt. Das Feuchtgewicht betrug: 


am 

16. 

9. . . . 

. ... 282 g 

n 

17. 

9. . . . 

.... 223 „ 

7) 

18. 

9. . . . 

. ... 223 „ 

n 

19. 

9. . . . 

. . . . 97 „ 


Gesaratfeuchtgewicht: 725 g 


Der Kot der 4 Tage wurde zusammen getrocknet (im Wärmeschrank 
bei 100° C) und gepulvert. 

Als Trockengewicht ergab sich daraus . . 131 g 

Gesamte Kotwassermenge. 594 ccm 

Durchschnittliche Tageswassermenge ira Kot 148 „ 

Es wurde 1,0 g getrockneter Kot nach Kjeldahl gegen 50 g 
5 /nH 2 S0 4 überdestilliert. Zur Neutralisation waren 

nach Analyse I.32,9 ccm 

* II • • • . .33,1 „ _ 

im Mittel . . . 33,5 ccm 5 / n NaOH 

nötig. Durch NH 3 wurde demnach gebunden: 

17 ccm 6 /nH 2 S0 4 . 

Dies entspricht 47,6 mg Stickstoff. 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


437 


Die ganze im Kot ausgeschiedene Stickstoffmenge ist also: 

6,235 g, 

Stickstofftagesmenge: 1,559 g. 

Davon ist abzuziehen als Verlust durch mangelhafte Nahrungs¬ 
ausnutzung (nach Rubncr für Milch 7,1 pCt., also bei 2 1 = 10 g Stick¬ 
stoff: 0,71 g N). Die durchschnittliche tägliche Stickstoffausscheidung 
durch den Darm beträgt also 1,559 — 0,71 g = 0,85 g N. 

2. Die Kaloriengrösse des Tagesumsatzes in Tabelle III wurde 
folgendermassen nach Zuntz berechnet (Beispiel 6. 9.): 

Gesamttagesstickstoffausscheidung: 15,550 g. (Es wird hier nach dem 
Vorgang von Pflüger auch ein Teil des Kotstickstoffs in Rechnung gezogen.) 

Stickstoffausscheidung pro Minute: 10,80 mg N = 67,44 mg Eiweiss. 
Nach Zuntz braucht 1 g Eiweiss zur Oxydation im Körper 966,1 ccm 0 2 
und bildet 781,7 ccm C0 2 und 4,423 Kalorien. 

Gesamtumsatz laut Tabelle I (in diesem Falle, als dem einzigen, 
wurde nicht der am Anfang der 24stündigen Sammelzeit des Harns 
gelegene Umsatz Tabelle I Nr. 2, sondern der am Ende dieser Zeit 
liegende Umsatz Tabelle I Nr. 3 gewählt, welcher mit demselben Recht 
hierzu zu verwenden und, wie oben bemerkt, richtiger ist): 



ccm 0 2 

ccm C0 2 

Kalorien | 

R.-Q. 

(icsämt-Minutenumsatz. 

Auf 67,44 mg Eiweiss fallen. 

525,7 1 

65,2 ; 

402.4 

52,7 

299,6 

0,766 

Für Fett und Kohlehydrate bleibt: 

460,5 

| 349,7 

— 

! 0,759 


Bei dem R.-Q. 0,759 beträgt nach der Zuntzschen Berechnungs¬ 
weise (vgl. die Arbeitsversuche) für 1 ccm 0 2 der kalorische Wert: 

4,750 Kalorien, also auf 460,5 ccm 0 2 

kommen.2187,4 Kalorien 

299,6 Kalorien (aus Eiweiss) 

pro Minute werden gebildet: 2487,0 Kalorien. 

Energie-Grundumsatz pro Tag 3581,3 Kalorien, pro Kilogramm 
24,0 Kalorien, pro Quadratmeter Oberfläche 1034,0 Kalorien. 

Der respiratorische Unotient während der Entziehungskur: Ist 
man überhaupt berechtigt aus ihm Schlüsse zu ziehen, oder soll man 
die gegenüber unserer Erwartung um einige Zehntel zu hohen Werte von 
vornherein allein durch forcierte Atmung und dadurch bedingte zu starke 
C0 2 -Abdun$tung erklären? Die Länge der Versuchsdauer spricht dagegen, 
ebenso die Constanz der Werte. 

Es kommen hier in Betracht: 

0,859 

0,835 

0,836 

0,838 

0,830 

Mittel: 0,839 (grösste Abweichung 2,3 pCt.). 

(Versuch 3 und 17 gehören nicht hierher, was weiter unten erklärt wird.) 


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Auch die charakteristischen Ausschläge des R.-Q. bei den später 
zu discutierenden Versuchen nach Nahrungsaufnahme sprechen für seine 
Zuverlässigkeit. Für eine ausgiebige Beteiligung des Körperfettes an der 
Verbrennung ist der R.-Q. bedeutend zu gross. Das wird anschaulich, 
wenn wir nach Zuntz aus dem R.-Q. und dem Stickstoffumsatz die 
Beteiligung der einzelnen Körperbestandteile bzw. Nahrungsbestandteile 
an der Verbrennung berechnen (13). Vergleiche auch Tabelle IV. 
Versuch 4 z. B. würde ergeben: 


Verbrannte Nahrung 


Hiervon aus Nahrung 
gedeckt 


Durch Körperbestandteile 
zu deckender Rest 


79,0 g Eiwciss j CO g Eiweiss j 19 g Eiweiss 

161,73 „ Fett ! 71 „ Fett 90,73 „ Fett 

460,7 „ Stärke 90,2 „ Stärke | 370,5 „ Glykogen 


Zur Rechtfertigung dieses Befundes bestehen zwei Möglichkeiten: 

1. Entweder war es ein Fehler, dass wir den am Morgen zwischen 
9 und 10 Uhr gewonnenen R.-Q. auf den 24 Stundenumsatz be¬ 
zogen. Dann könnte sich sein hoher Wert (etwa im Sinne der 
von uns wahrscheinlich gemachten abnorm verlangsamten Reaction 
auf Nahrungszufuhr) durch eine auffallend späte Verbrennung 
der wenn auch spärlichen durch die Nahrung eingefiihrten Kohle¬ 
hydrate erklären lassen. Schon der R.-Q. des Versuchs 17 im 
Contrast zu denen der Versuche 12, 14 —16 (Näheres siehe 
weiter unten) sprechen direct dagegen, denn sie beweisen ein¬ 
deutig, dass die Kohlehydrate in unserem Falle sehr schnell 
verbrannt werden. 

2. Es bleibt consequenterweise als Erklärung nur übrig, eine ganz 
aussergewöhn liehe Beteiligung des Glykogen Vorrates 
in dieser Periode des Hungerstoffwechsels, wenn man 
sie im Extrem so charakterisieren wollte, anzunehmen. Dies 
müsste eine Folge sein der schon weiter oben einmal erwogenen 
Unfähigkeit, Körperfett in grösserem Massstabe zu verbrennen. 
Gemischte Kost, auch mit reichlicher Kohlehydratbeteiligung, 
müsste dann den R.-Q. des Grundumsatzes gegenüber dem R.-Q. 
des Hungergrundumsatzes erniedrigen; denn wie wir eben sahen, 
werden die Nahrungskohlehydrate grösstenteils gleich zu Anfang 
verbrannt, und im Normalnüchternwert hat auch dann infolge¬ 
dessen die Nahrungsfettverbrennung das UebergewichtJ= niedriger 
R.-Q.) im Vergleich zum Hungernüchternwert, während die im 
Normalnüchternzustand noch etwa zur Verbrennung kommenden 
Kohlehydrate der notgedrungen ungeheuren Glykogenverbrennung 
beim Hungernüchternwert in keinem Fall die Wage halten können. 

Unsere Versuche bewahrheiten diese Folgerungen gänzlich. Vergleiche 
hierzu die R.-Q. von Versuch 13 und 3 im Gegensatz zu denen von 
Versuch 4—6 und 11 u. 12; auch Versuch 3 gehört hierher (Grund¬ 
umsatz nach dem ersten Hungertag); denn er beweist eclatant die über 
24 Stunden lang andauernde Wirkung der vorher genossenen selbst ge- 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


439 


wählten Kost und zeigt, dass derHungcr-R.-Q. sich erst am zweiten Versuchs¬ 
tage (Versuch 4) einstellt, um als solcher auffallend constant zu bleiben. 

So unglaubhaft auch auf den ersten Blick ein täglicher Glykogen¬ 
verlust von 370 g erscheint, so wissen wir doch, dass die Glykogendepots 
des Körpers [für den Normalmenschen wird der Glykogengehalt gleich 
2 pCt. des Gesamtorganismus angenommen; in unserem Falle (Gewicht 
ca. 150 kg) würde man danach wohl schätzungsweise 1500 g Glykogen¬ 
bestand (2 pCt. von dem Gewicht eines ebenso grossen gesunden Mannes, 
75,0 kg) annehraen, was mit der nach Tabelle IV gefundenen Monge 
innerhalb 4 Tagen der Entziehungskur verbrannten Glykogens von 816 g 
gut übercinstimmen würde] einige Tage lang sehr wohl diesen Bedarf 
stellen können. 

Dass überhaupt die physiologische Möglichkeit besteht, dass die 
Glykogenlager im Körper ohne weiteres bis auf einen ganz geringen 
Procentsatz in kürzester Zeit verbraucht werden können, das beweist uns: 

1. Der Tierversuch. Beim hungernden, sich frei bewegenden (wohl 
zu beachten!) Tiere schwindet das Glykogen schon in den ersten 
Tagen des Hungerns bis auf einen geringen Rest, der dann nur 
äusserst langsam abnimmt, was durch Körperanalyse festgestellt 
werden kann. 

II. Dass sich in diesem Punkte der Mensch principiell ebenso ver¬ 
hält, beweisen uns die an hungernden Menschen bei gleichzeitiger 
Arbeit (Raddrehen) von Zuntz und Lehmann (13) ausgeführten 
Respirationsversuche, welche ein momentan mit der Arbeit ein¬ 
setzendes Steigen des R.-Q., d. h. eine sofort beginnende Glykogen¬ 
verbrennung im Körper nachgewiesen haben. 

Aber gleichwohl weicht unser Fall 0. R. durch seine vor¬ 
wiegende Glykogen Verbrennung im Hungerstoffwechsel prin¬ 
cipiell vom Verhalten des normalen hungernden Menschen ab 1 ). 
Denn Patient 0. R. befand sich während der massgebenden Hunger¬ 
periode vom 16. bis 19. 9. (vgl. Tabelle I, III, IV) in vollkommener 
Bettruhe, und zwar dauernd, nicht nur während der Respirationsversuchc 
(einen täglichen einhalbstündigen Spaziergang und eine einmalige Arbeits¬ 
leistung von 2200 mkg — vgl. Tabelle I — glauben wir dabei ver¬ 
nachlässigen zu dürfen) 2 ). 

1) Ich bin hier allerdings gezwungen, den „partiellen“ Hungerzustand unseres 
Falles mit dem „totalen“ Hungerzustand normaler Menschen zu vergleichen; an 
unserem Patienten reine Hungerversuche anzustellen, war leider aus äusseren Gründen 
nicht möglich. [Reine Hungerversuche bei Endogenfetten über mehrero Tage mög¬ 
lichst in dauernder Ruhelage, nicht nur über 24 Stunden [vgl. von Bergmanns 
Versuch (12)], scheinen mir übrigens nicht nur zum Nachweis eines verlangsamten 
Abfallens der ümsatzkurve nach Nahrungsaufnahme (siehe weiter oben), sondern viel¬ 
mehr noch zur Feststellung einer StoiTwechselstörung bei Fettsucht von entscheidender 
Bedeutung.] Andererseits sind mir analoge „partielle“ Hungerversuche am normalen 
Menschen nicht bekannt. 

2) Das ist hier von Bedeutung, da es die Berechtigung erhöht, aus Verbindung 
eines kurzen Ruhenüchternwertes mit der Stickstoflausscheidung des ganzen Tages die 
Beteiligung der drei Körperbestandteile an der Verbrennung zu errechnen. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. IM. .ut 


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Und beim ruhenden Normalraenschen im Hunger betrug (Versuch 
von Zuntz und Lehmann) der R.-Q. weniger als 0,71, was sogar eine 
Bildung von Glykogen aus Fetten oder Eiweiss beim normalen wahr¬ 
scheinlich macht, jedenfalls jede Glykogenverbrennung ausschliesst. 

Dasselbe Ergebnis in noch gewichtigerer Form bringt der 7 tägige 
Hungerversuch mit 24stündiger Respirationsmessung von Benedikt am 
normalen Menschen. Dieser zeigte folgendermassen ein rapides Abfallen 
der Glykogenverbrennung (13): 



Kalorien 
aus Glykogen 

R.-Q. 

Kalorien 
aus Fett 

1. HuDgertag. 

272 

0,78 

1206 

2. „ . 

97 

0,75 

1407 

3. „ . 

23 

0,74 

1459 

4. „ . 

105 

0,75 

1381 

5. , . 

34 

0,74 

1381 

6. „ . 

91 

0,75 

1238 

7- * . 

78 

0,74 

1264 

1. Eroührungstag .... 

236 

0,76 

1 1316 

2. , .... 

551 

0,82 

I . 972 

3. * .... 

911 

0,87 

1 636 


Selbst hier lässt sich an 2 Versuchstagen, dem 2. und 5., eine 
Bildung von 11 bzw. 21 g Glykogen aus den obigen Zahlen berechnen, 
obwohl natürlich in den 24stündigen Respirationsversuchen sich diese 
Bildung viel schwerer nachweisen lässt, weil „in den Perioden stärkerer 
Muskeltätigkeit das Glykogen wieder verbraucht wird“ (citiert nach Zuntz, 
Stoff- und Kraftwechsel, in seinem Lehrbuch der Physiologie des Menschen). 

In unserem Fall ist also die Lage so: 

Fett ist im Körper im Ueberschuss vorhanden, Glykogen vermutlich 
in normalen Mengen. Trotzdem wird enorm viel weniger Fett verbrannt 
als bei normalen Verhältnissen und enorm viel mehr Glykogen. 

Der logische Schluss hieraus, dass der Grund dieses 
anormalen Verhaltens in der Unfähigkeit des Körpers liegt, 
die ungeheure Menge Fett in nutzbares Brennmaterial um¬ 
zusetzen, kommt einem Tatsachenbeweis sehr nahe. 

F. Der Eiweissstoffwechsel. 

Wie stellt sich nun der Eiweisstoffwechsel nach der Tabelle dar? 
Durch von Noorden und Dapper ist erwiesen worden (8), dass eine 
Entziehungskur auch dritten Grades (nach der Einteilung von Noordens) 
bei geeigneter Anordnung ohne Stickstoffverlust durchgeführt werden 
kann. Bei einer Carrelkur war dies von vornherein nicht zu erwarten. 
Die von Moritz und anderen hier beobachteten starken Unterbilanzen 
sind bedingt durch die zu geringe Eiweisszufuhr und das ungünstige 
Verhältnis zwischen der Menge der Kohlchydratkalorien (cf. v. Noorden, 
Die Fettsucht, S. 211). 

Wir fanden (zunächst in Betrachtung der ersten Periode, welche in 
dieser Hinsicht die leichter zu analysierende ist und reinere Resultate 


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Ueber den Gasweclisel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


441 


bietet) eine durchschnittliche Tagesunterbilanz von 5,09 g N, also in 
4 Tagen einen Verlust von 20,36 g N = 127,25 g Eiweiss. Ein ganz 
erhebliches Deficit! Bedeutend grösser als der von Moritz gefundene 
Verlust von 88,9 g N in 48 Tagen. Wir sehen, Patient Or. ist parallel 
mit der allgemeinen Steigerung seines Umsatzes gegen Eiweissbeschränkung 
auffallend intolerant im Gegensatz zu der bei Fettsüchtigen mit ge¬ 
mindertem Umsatz vorhandenen Toleranz auch gegen Beschränkung der 
Stickstoffzufuhr. 

Der Mittelwert der täglich verbrannten Eiweissmengen aus den beiden 
ersten Tagen beträgt (cf. Tab. IV): 

17,26 g Stickstoff, 108 g Eiweiss. 

Berechnen wir annähernd den Norraaleiweissbedarf: Körperlänge 
170 cm. Obere Grenze des Normalgewichtes 81,6 kg, in der Ruhe ge¬ 
nügende Eiweisszufuhr, pro Kilogramm = 1,0 g Eiweiss; ausreichender 
Eiweissbedarf demnach: 81,6 g gegenüber einem Verbrauch von 108 g 
bei Unterbilanz. 

Hiernach wäre eine gewisse Steigerung des Eiweissstoffwechsels 
wahrscheinlich, vor allem wenn man noch beachtet, dass Patient schon 
2 Tage vorher sich in Bettruhe und bei normaler Krankenhauskost (also 
sicher kein N-Ueberschuss) sich befand. 

Ziehen wir nun den 3. und 4. Tag hinzu, so ändert sich aller¬ 
dings das Bild etwas: wir finden, dass parallelgehcnd mit den Grössen 
für die tägliche Harnmenge, nach einem Maximum am 2. Tage auch 
das Stickstoffdeficit allmählich heruntergeht, analog etwa einem be¬ 
liebigen Hunger versuch, und sich, freilich erst spät, der Beschränkung 
bis zu gewissem Grade anpasst, ohne dass es zum Stickstoffgleichgewicht 
kommt. 

Nicht eindeutig- lässt sich die zweite Periode analysieren. Die 
Zahl der ursächlichen Teilcoefficienten ist zu gross: Der Durch¬ 
schnitt der N-Verluste ist kleiner als bei Periode I. Doch ist nicht 
zu entscheiden, ob an eine eiweisssparende Wirkung des Leptynols 
zu denken ist oder eine durch die vorhergehende I. Periode bewirkte 
schnellere Anpassung an die Stickstoffeinschränkung vorliegt (unwahr¬ 
scheinlich!). 

Woran es liegt, dass eine eiweisssparende Wirkung der Kohlehydrate¬ 
zulage in der Reihe vom 26. 9. nicht hervortritt und welche der in 
Frage kommenden Versuchsfactoren nicht beachtet werden, wurde nicht 
aufgeklärt. 

G. Umsatzsteigerang nach Nahrungsaufnahme. 

Mit Patient Or. wurden zwei Versuchsreihen zur Feststellung der 
Umsatzsteigerung nach Nahrungsaufnahme gemacht (vgl. Tabelle I, 6 — 10 
und 12—17). Die bei den Versuchen zu berücksichtigenden Einflüsse 
waren: 1. relative Unterernährung, die dem ersten Versuch 4 Tage, dem 
zweiten Versuch 2 Tage lang vorhergehen; 2. 10,0g Leptynolinjeetion, 
welche dem zweiten Versuch innerhalb zweier Tage vorherging. — Die 
beiden Versuche begannen mit der Feststellung des Ruhenüchtern¬ 
umsatzes, dann folgte die Einnahme der Mahlzeit (mittags). Diese 

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442 Heinrich Hau ssl ei ter, 

bestand (nach der Tabelle von Schwenkenbecher berechnet) bei 
Versuch I aus: 




Kalorien ! 

1 

Stärke 

K 

Eiweiss 

g 

Reissappe . . 

• 250 g 

5G 

8,0 

1,5 

Kalbsbraten . . 

. 300 „ 

558 

— 

91,2 

Kartoffeln . . 

. 200 „ 

192 

42,0 

4,2 

Vi Semmel 

• 17 „ 

44 i 

9,4 

•,2 

Mehlpudding 

• 50 „ 

ca. 50 1 

2,0 

2,0 



900 ! 

61,4 

100,1 




= 252 Kal. 

= 410 Kal. 



Es blieben 

für Fett: 238 Kalorien. 

*i Versuch 11 bestand die Mahlzeit 

aus: 




| 

Kalorien | 

Stärke 

Eiweiss 



1 

K 

g 

Drei Mehiklösse . 


560 

113 

15 

Ein Teller Bouillonsuppc . 

40 | 

— 

2,5 

Suppen rind fleisch 

100 g 

176 

— 

36,G 

gekochte Pflaumen 

ca. 45 „ 

124 

28 

1,0 



900 

141 

55,1 



! 

= 578 Kal. 

= 226 Kal. 



Es bliebei 

für Fett: 96 Kalorien. 


Darauf wurden bei jedem Versuch im Abstand von 1—2 Stunden 
je 4 mal der Ruheumsatz bestimmt. Nach Versuch II ein fünftes Mal 
20 Stunden nach der Nahrungsaufnahme. In den Zwischenzeiten hielt 
Patient — zeitweise sogar schlafend — Bettruhe. So wurde jede nicht 
durch die Nahrung bedingte Steigerung des Umsatzes ausgeschlossen. 

Nebenstehende graphische Darstellung veranschaulicht das Ergebnis 
der beiden Nahrungsversuche, \\\e wir sie der Kürze halber bezeichnen 
wollen. Zu ihrer möglichst einwandfreien Beurteilung sei erst die Vor¬ 
frage erörtert: Wie weit ist es denkbar, dass die vorhergehende Nahrungs¬ 
beschränkung die Steigerungskurve abänderte von einem Verlauf, den sie 
voraussichtlich unter normalen vorhergehenden Nahrungsverhältnissen ge¬ 
habt hätte? Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Drüsenarbeit, Darm¬ 
arbeit und Circulations- und Nieren-Mehrarbeit in ihrer Summe verändert 
wird. Wolil aber wäre es denkbar, dass schon durch dio reflectorische 
Wirkung des physischen Hungergefühls alle diese Vorgänge in ihrem 
Ablauf beschleunigt würden und vielleicht auch eine schnellere Resorption 
einträte. Ersterer Umstand würde bewirken, dass das Maximum der 
Steigerungskurve zeitlich früher erreicht würde; letzterer würde nament¬ 
lich die Wirkung derjenigen Stoffe, welche nach ihrer Resorption 
„specilisch-dynamisch u umsatzsteigernd hervortreten — der Ei weiss¬ 
körper —, beeinflussen und es wäre nicht unwahrscheinlich, dass durch 
vorwiegend eiweisshaltige und kohlehydratarme Nahrung die Steigerungs¬ 
kurve nicht nur schneller als gewöhnlich, sondern im Hinblick auf eine 
durch rasche Resorption ermöglichte plötzliche Ueberschwemmung des 
Körpers mit „Circulationseiwciss“ auch höher als gewöhnlich ansteigt. 
Und andererseits würde bei vorwiegender Kohlehydratnahrung — Kohle- 


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lieber den Gaswcchsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


443 


hydrate setzen bekanntlich den Eiweissumsatz merklich herab — diese 
übernormale Steigerung nicht zu erwarten sein. 

Vergleichen wir nur unsere Versuchsergebnisse mit den von Magnus- 
Levy gefundenen Werten für den Normalmenschen (11). 

Dieser stellte zwei Versuchskategorien auf: 

1. Versuche mit möglichst rein nur aus einer der drei Nahrungs¬ 
bestandteile bestehenden Kost von ungefähr 700—800 Kalorien. 

2. Versuche mit gemischter Kost, eine Mittagsmahlzeit von etwa 
1100—1500 Kalorien, der allerdings ein Frühstück vorausgeht. 

Unsere Versuche stehen an Kalorienzahl und auch was die Nahrungs¬ 
zusammensetzung anbetrifft, ungefähr in der Mitte zwischen beiden Gruppen 

Umsatzsteigerung nach Nahrungsaufnahme (Fall Or.). 



-Steigerungskurve von Versuch 1 (vorwiegend Eiweissnahrung). 

- Steigerungskurve von Versuch II (vorwiegend Kohlehydratnahrung). 

. Schwankungskurvc des R.-Q. von Versuch I. 

———• Schwankungskurvo von Versuch 11. 

*- Durchschnittsgrundumsatz. 

und können deshalb eigentlich nur mit Heranziehung beider mit dem 
Normalen verglichen werden. 

I. Der Anstieg der Kurve erreicht in unseren beiden Versuchen 
etwa um die zweite Stunde sein Maximum; natürlich ist es nicht aus¬ 
geschlossen, dass sie dies etwas früher erreicht (besonders bei Nahrungs¬ 
versuch II ist das wahrscheinlich) und dann vielleicht etwas höher 
ausgefallen wäre. Bei Magnus-Levy ist nach der gemischten Mittags¬ 
kost der grösste Anstieg schon eine Stunde nach der Mahlzeit erreicht, 
bei einseitiger Kost im Mittel in der vierten und fünften Stunde, nach 
Kohlehydraten (abgesehen von einem sofort mit Anfang beginnenden sehr 
erheblichen Kurvengipfel, der wohl durch die bei dieser Nahrung be¬ 
sonders erhebliche Kaumuskelaction, also hier nicht in Betracht kommende 


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Heinrich II auss leitet' 


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willkürliche Bewegung und Beteiligung der Speicheldrüsen bewirkt wird) 
ein Maximum in der siebenten Stunde. 

Die Stellung unserer Versuche zu diesen beiden Extremen näher zu 
präcisieren, geht nicht an, ist auch nicht von grossem Belang. Stellen 
wir nur die Tatsache fest, dass ihr Maximum zwischen den/von Magnus- 
Levy aufgestellten Extremfällen liegt und dass der Kurvenanstieg (viel¬ 
leicht allerdings nur auf Grund der weiter oben erwähnten Erwägung) 
nicht abnorm langsam verläuft. 

Wichtiger ist die Frage nach der absoluten Höhe der Maximal¬ 
steigerung. Hier fällt zunächst die gewaltige Differenz zwischen I und 
II auf. Wie durch die später folgende Betrachtung des R.-Q. noch 
ergänzt wird, drückt dem Versuch I die vorwiegende Eiweisskost, dem 
Versuch II die vorwiegende Kohlehydratkost ganz ihr charakteristisches 
Gepräge auf. Nach Magnus-Levy verhalten sich die Anstiegshöhe 
bzw. die totale Verbrennungssteigerung durch Eiweiss zu denselben 
Grössen bei Kohlehydraten wie 20 1 / 2 zu ll 1 ^ bzw. wie 17 zu 9. Dass 
sich in unserem Falle das Verhältnis noch etwas zugunsten der Eiweiss¬ 
steigerung verändert hat, bestätigt die zu Anfang dieses Abschnittes 
ausgesprochene Vermutung. 

Versuch II, mit den Normalzahlen verglichen (für diesen Versuch 
haben die Zahlen für gemischte Kost mehr Berechtigung wie für 
Versuch I), ergibt einen Maximalwert von ca. 60 ccm 0 2 gegenüber 
einem solchen von 82 ccm 0 2 Normaltabelle. Bedenken wir, dass in 
unserem Falle ca. 200—250 Kalorien weniger verabreicht wurden, so 
ist die Differenz nicht gross genug, um daraus eine Ersparnis bei der 
motorischen und secretorischen Leistung in unserem Falle zu construieren. 
Versuch I dagegen zeigt uns, dass auch der specifisch-dynamische Reiz 
der Nahrung, der durch Eiweisszufuhr bei gleichzeitigem Kohlehydrat¬ 
mangel besonders deutlich zur Geltung kommt, in unserem Falle nicht 
etwa im Sinne von Jaquet und Svenson weniger stark wirkt als beim 
Normalen (11). 

Wir kommen nun zum Abfall der Kurve. In beiden Versuchen hat 
sich dieser nach 6 x / 2 bzw. 6 Stunden bis zu einem gewissen Grade 
vollzogen. Versuch 1 bricht dann ab. Versuch II zeigt das oben be¬ 
sprochene Anhalten der Steigerung auf einem geringen Ueberniveau. Im 
übrigen fällt in Versuch II die Kurve analog der von Magnus-Levv 
nach Mittagsbrot gefundenen Normalkurve ab. Jedenfalls ist ein vor¬ 
zeitiges Abfallen aus Versuch II und auch aus Versuch I nicht zu 
entnehmen. 

Durch das Verhalten des R.-(). wird das allgemeine Bild der 
Beteiligung der einzelnen Nahrungsstoffe noch schärfer Umrissen. Beide 
Male setzen die R.-Q. in der für die Entziehungskur eigenartigen Höhe 
ein, während sie mit einem bedeutenden Wert (in guter Uebereinstimmung 
miteinander) auslaufen. 

Weiter oben wurde schon berührt, dass dieses Herabsinken auf 
eine Höhe, die sich der eines Normalnüchternwertes (d. h. also hier 
eines Individuums, das seinen Kalorienbedarf aus der Nahrung bestreiten 
kann, nicht Körperbestandteile - - Fett, Glykogen — hinzuziehen muss) 


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Ueber don Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


445 


nähert, als Stütze für die Behauptung verwertet wurde, dass der hohe 
R.-Q. während der Entziehungskur den wahren Verhältnissen entspräche 
und in der Tat durch eine vorwiegende Verbrennung des reichlichen 
Glykogendepots verursacht würde. 

Zwischen dem Anfang und Endpunkt, die beiden R.-Q. gemeinsam 
sind, gehen diese nun während der Versuche weit auseinander: In 
Versuch I sinkt der R.-Q. annähernd bis auf die Höhe reiner Eiweiss¬ 
verbrennung und beweist dadurch, dass die gleichzeitige Steigerung des 
Umsatzes in der Tat durch exquisit vorwiegende Eiweissverbrennung 
hervorgerufen wurde, während eine zweite, noch etwas tiefere Senkung 
in der fünften Stunde wahrscheinlich auf die nachfolgende Fettverbrennung 
zu beziehen ist. 

In Versuch II steigt die Kurve des R.-Q. fast parallel mit der 
Urasatzkurve auf einen Wert, dessen Höhe nur durch ganz vorwiegende 
Kohlehydratverbrennung zu erklären ist, um dann wieder parallel der 
Urasatzkurve abzufallen. Die Verbrennung des Eiweissbestandes der 
Nahrung kann sich unmöglich hier im Verhältnis ihrer Grösse, auch 
wenn man berücksichtigt, dass sie in diesem Falle nur klein ist, be¬ 
teiligt haben, wird vielmehr durch die Verbrennung des „eiweiss- 
sparenden a Kohlehydrats, wie das auch im Tierexperiraent beobachtet 
wird, hintangehalten und kommt erst zur Geltung, nachdem die Kohle¬ 
hydratmengen der Nahrung im wesentlichen verbrannt sind. Meines 
Erachtens darf man hieraus auf die zeitlichen Verhältnisse der Ver¬ 
brennung der einzelnen Nahrungsbestandteile bei anderer, bzw. normaler 
Kostzusammensetzung beim Fettsüchtigen keine folgenschweren Schlüsse 
ziehen; ob ein Teil der Fettsüchtigen auch bei^ normaler, gemischter 
Kost eine andere Folge der Verbrennung einhält als der Normale, wissen 
wir vorläufig noch nicht. Auch die R.-Q. nach Nahrungsaufnahme der 
Versuchspersonen Jaquets und Svensons geben hierüber keinen ein¬ 
heitlichen Aufschluss. 

Berechnen wir aus den Kurven der Umsatzsteigerung nach Nahrungs¬ 
aufnahme die 0 2 -Menge, welche in den Nahrungsversuchen während der 
Beobachtungsstunden (6y 2 Stunden) mehr verbrannt wurde als in Durch¬ 
schnitts-Ruhenüchternumsatz, so finden wir, dass die 0 2 -Mehrverbrennung 
infolge Nahrung beträgt: 

Versuch I: gefundene Mehrverbrennung = 29 700 ccm 0 o 

» II: „ = 16 200 „ 

Stellen wir diesen Zahlen die 0 2 -Menge gegenüber, welche — bei 
der in beiden Versuchen bekannten Zusammensetzung der Mahlzeit — 
über den Grundumsatz hinaus verbrannt werden müsste, wenn in unserem 
Falle die von Magnus-Levy für den Normalen gefundenen procentualen 
Steigerungswerte der Verbrennungswärme durch die einzelnen Nahrungs¬ 
qualitäten zu recht beständen. (Nach Magnus-Levy beträgt die 
Steigerung bei Zufuhr von Fett 2 x / 2 pCt., bei Zufuhr von Stärke 9 pCt., 
bei Zufuhr von Eiweiss 17 pCt. der totalen Verbrennungswärme der zu¬ 
geführten Nahrungsmengen. Wir nehmen bei unserer Berechnung für 
1000 ccm 0 2 aus Eiweiss eine Wärmeerzeugung von 4,5 Kalorien, aus 
Fett von 4,6 Kalorien, aus Stärke von 5,9 Kalorien an.) 


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Heinrich Hmissleiter, 


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Hiernach würden wir finden: 

Versuch I: normale Mehrverbrennung = 21 300 ccm 0 2 
n II* n v = 19 450 „ ^ 

Die aus unserer Kurve gefundenen Werte sind beide um schätzungs¬ 
weise einige Liter 0 2 zu klein, da wir beide Versuche nicht bis zum 
vollständigen Absinken der Steigerungskurve auf die Grundumsatzhöhe 
fortgesetzt haben, bzw. dass nach dem zweiten Versuch (vgl. Tabelle 1) 
zwischen dem Respirationsversuch nach 6 Stunden und dem nach 
20 Stunden die für den Versuchstag angesetzten 2 1 Milch noch ausserdem 
genossen wurden und ein gänzliches Absinken der Kurve auf die bis¬ 
herige Höhe verhinderten, was wir oben schon einmal besprachen. 

Berücksichtigt man dies, so stimmt bei Versuch II (vorwiegende 
Kohlehydratnahrung) die gefundene Mehrverbrennung — ca. 16 1 0 2 — 
und die normale (gerechnete) Mehrverbrennung — ca. 19 1 0 2 — vor¬ 
züglich überein und zeigen, dass bei gemischter, kohlehydratreicher 
Kost weder unökonomischer noch ökonomischer verbrannt wird als beim 
Normalen. 

Die Spannung dagegen zwischen gefundener Mehrverbrennung — 
ca. 2d l / 2 1 0 2 — und normaler Mehrverbrennung — ca. 21 1 0 2 — in 
Versuch I wird durch obige Erwägung noch beträchtlich vergrössert, 
schätzungsweise auf 50 pCt., und zeigt uns, dass überwiegend eiweiss¬ 
haltige Kost in unserem Falle erheblich unökonomischer verbrannt wird 
als beim Normalen. 

Es sei dahingestellt, ob dies eine Folge der oben erörterten be¬ 
sonderen Hungerverhältnisse unseres Falles ist oder ob es als allgemeines 
Kennzeichen der in unserem Falle vorhandenen schweren StofFwechsel- 
störungen aufgefasst werden muss. Als solches wäre es in Beziehung 
zu setzen 1. mit dem in unserem Falle gefundenen erhöhten Grund¬ 
umsatz, 2. mit dem bei der Entziehungskur festgestellten abnorm hohen 
Stickstoflverlust. 

Bisher haben wir einen möglichen Einfluss des Leptynols auf 
Nabrungsversuch II ganz vernachlässigt. Mit welchem Recht ge¬ 
schah das? 

Die Prüfung, ob durch das Leptynol gemäss der ihm zugeschriebenen 
umsatzsteigernden Wirkung bei sonst unbeeinflusstem Umsätze vielleicht 
die Steigerung nach Nahrungsaufnahme erhöht würde, war der Anlass 
der Nahrungsversuche. Der nun in Versuch I als Wirkung der Eiweiss¬ 
zufuhr zu erklärende äusserst hohe Anstieg der Steigerungskurve ver- 
anlasste uns im zweiten Versuch, als bei Prüfung der Leptynolwirkung, 
von dem Postulat absolut gleich bleibender sonstiger Versuchsbedingungen 
abzugehen dadurch, dass wir an Stelle einer vorwiegend eiweisshaltigen 
Mahlzeit eine vorwiegend kohlehydrathaltige Mahlzeit gaben, denn, so 
war unsere Ueberlegung, wenn durch das Palladiumhydroxydul eine 
Steigerung hervorgerufen wurde — sehr wahrscheinlich schien es ja von 
vornherein nicht — so konnte sie durch eine dynamische Eiweisswirkung 
verdeckt werden; dagegen eine kohlehydrathaltige Mahlzeit musste eine 
specifisch-dynamische Reizwirkung des Leptynols, wenn eine solche vor¬ 
handen war, viel sicherer zur Darstellung bringen. Wie schon aus 


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Uebor den Gaswcchsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


447 


unserer Besprechung hervorging, beweist Versuch 11 mit Sicherheit, dass 
eine dynamische Reizwirkung des Leptynols in diesem Falle nicht be¬ 
standen hat. 

H. Arbeitsversuche. 

Zur Vervollständigung des Bildes vom Umsatz dieses in seinem 
Verhalten nicht ganz gewöhnlichen Falles wurde noch die Reaction des 
Gaswechsels auf körperliche Arbeit bestimmt. Wir reden der Kürze 
halber von Arbeitsversuchen. 

Arbeitsversuch I (Versuchsprotokoll vorn 19. 9. 13): Nach einigen Vor¬ 
versuchen, die dem Patienten die nötige Uebung in der Ausführung der Dreharbeit 
verschaffen sollten — die Hauptvorbedingung für gleicbmässigo Resultate —, wurde 
unmittelbar im Anschluss an einen Ruhenüchternrespirationsversuch in demselben gut 
temperierten Raum am Gärtnersehen Drehergostaten in 13 Minuten 2200 kgm Arbeit 
(abgelesen an der Ergostatenskala) durch Drehung der Kurve mit beiden Händen 
gegen mittleren Widerstand geleistet. Während dieser Zeit war Patient genau wie bei 
den Ruheversuchen mit dauernder Ventilatmung an die Gasuhr bzw. die auch sonst 
gebrauchte Bürette angeschlossen. Dieses wurde trotz der Bewegungsexcursionen des 
Patienten bei der Arbeit dadurch ermöglicht, dass das Atmungsmundstück mit einem 
kleinen Zügel am Kopfe des Patienten befestigt wurde und die Darmventile selbst in 
ihren Glaskapseln gekreuzt auf dem Nacken des Patienten lagen, mit dem Mundstück 
durch verlängerte Gummischläuche verbunden, die ohne eine Knickung zu machen 
rechts und links über die Schultern des Patienten geführt wurden. 

Pro Minute wurden ca. 12 Kurbelumdrehungen in gleichmässig langsamem 
Tempo ausgeführt. Aus Rücksicht auf den Patienten mussten kleine Ruhepausen von 
höchstens 30 Secunden eingeschoben werden. 

Die Vorperiode (zur Einstellung der regelmässigen Atmung) dauerte 9 Minuten, 
während deren 1500 kgm Arbeit geleistet wurde. Die Hauptversuchsperiode, während 
deren die Exspirationsluft in die Bürette abgesogen wurde, musste nach 4 Minuten 
bzw. 700 kgm weiterer Arbeit aus Schonung für den Patienten, und um die be¬ 
ginnende Arbeitsdyspnoe als Fehlerquelle nicht berücksichtigen zu müssen, ab¬ 
gebrochen werden. Nach dem Versuch ergab die mit Rücksicht auf die geschädigte 
Herzfunction ausgeführte Untersuchung einen regelmässigen, kräftigen, in seiner 
Frequenz nur wenig gesteigerten Puls. In Anbetracht dessen, dass die Exspirations¬ 
luft des Versuchsbeginnes nicht zur Analyse verwendet wurde, konnte auch die 
Periode der sogenannten „Nachwirkung der Arbeit auf den Gaswechsel u vernach¬ 
lässigt werden. Aus den Zahlenergebnissen des Versuches (siehe Versuch 5 und 18, 
Tabelle 1) wurde der Nutzeffect der „Muskelmaschine u , der sogenannte ökonomische 
Quotient, wie folgt berechnet: 

Grundumsatzsauerstoffverbrauch pro Minute . . . 564,0 ccm 0 2 

Arbeitssauerstoffverbrauch pro Minute.1176,4 „ „ 

Differenz (= Sauerstoffmehrverbrauch pro Minute): 612,4 ccm 0 2 

Demnach ist der Sauerstoffmehrverbrauch für die ganze Arbeit (13 Minuten) 
= 13 X 612,4 = 7961 ccm 0 2 . 

Nun entspricht nach Zuntz (11) 1000 ccm ü 2 : 

bei Stärkeverbrennung . . . 5,047 Kalorien 

,, Fettverbrennung .... 4,686 „ 

„ Eiweisszersotzung . . 4,476 „ 

Andererseits entspricht (nach Zuntz) reiner Stärkeverbrennung der R.-Q. 1,000, 
reiner Fettverbrennung der R.-Q. 0,707, reiner Ei weisszersetzung der R.-Q. 
0,809. 


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Heinrich Haussleitcr, 


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Aus diesen Zahlen lassen sich für jeden R.-Q. zwei Grenzwerte des 
jeweiligen 1 1 0 2 entsprechenden Kalorienwertes berechnen. Um den 
Maximalwert zu finden wird angenommen, dass die beiden grössten 
Kalorienspender, nämlich Kohlehydrate und Fett, an der Verbrennung 
beteiligt sind. Demnach liegt die entsprechende Kalorienzahl zwischen 
5,047 und 4,686. Im crsteren Falle ist der R.-Q. = 1,000, im zweiten 
= 0,707. Es nimmt also bei einem Zuwachs des R.-Q. um 0,293 der 
Kalorienwert um 0,361 zu, d. h. es kommen (mit ungefährer Genauigkeit) 
auf einen Zuwachs des R.-Q. um 0,001 ein Kalorienzuwachs von 0,00123. 
Unser R.-Q. beträgt (cf. Tabelle I, Nr. 18) 0,803, d. h. 0,096 mehr als 
der R.-Q. für Fett. Die Kaloriengrösse beträgt also 0,00123 X 96 mehr 
als 4,686. Demnach 1 1 0 2 = 4,809 Kalorien — maximal; ebenso werden 
als Minimalwert unter Annahme reiner Fett- und Eiweissverbrennung 
4,502 Kalorien gefunden. 

7,691 1 0 2 entspricht maximal: 38,28 Kalorien 
minimal: 35,84 „ 

Demnach kommt auf 1 mkg Dreharbeit (Gesaratarbeit = 2200 mkg): 
0,0174 Kalorien maximal, 

0,0163 „ minimal. 

Mithin, da das mechanische Wärmeäquivalent für 1 mkg = 0,00235 
beträgt, ist der Nutzeffekt (in Procenten): 

0,235 : 0,0174 = 13,50 pCt. Maximalwert, 

0,235 : 0,0163 = 14,42 „ Minimalwert. 

Arbeitsversuch II: Der Arbeitsversuch wird in derselben Weise wie der 
erste am Ergostaten ausgeführt, direct im Anschluss an einen Ruhenüchternversuch, 
und zwar am letzten Tage der mit Leptynolinjection verbundenen Carrelkur. 

Versuchsdauer: 14 Minuten geleistete Dreharbeit: 2000 mkg. Sauerstoffüber¬ 
schuss über den Grundumsatz (laut Tabelle I, Versuch 19) pro Minute 451,0 com 0 2 , 
pro 14 Minuten 6314,0 ccm 0 2 . Bei dem R.-Q. 0,834 entspricht 1 1 0 2 : maximal 
(nur Fett- und Kohlehydratverbrennung angenommen): 4,842 Kalorien, minimal 
(nur Eiweiss- und Koblehydratverbrennung angenommen): 4,551 Kalorien. 

(Ein anderer Minimal wert, für reine Eiweiss- und Fettverbrennung gerechnet, 
ist hier ausgeschlossen, da der R.-Q. 0,834 ja gar nicht mehr zwischen dem R.-Q. 
des Fettes und Eiweisses liegt, daher nicht als aus diesen Partialquotienten gebildet 
angenommen werden kann.) 

6314,0 ccm 0 2 entspricht demnach: 

maximal: 30,571 Kalorien 
minimal: 28,735 „ 

Demnach kommt auf 1 mkg Dreharbeit: 

maximal: 0,01529 Kalorien 
minimal: 0,01437 „ 

Der Nutzeffect: maximal: 15,36 pCt. 

minimal: 16,38 „ 

Vergleichen wir den aus den beiden Versuchen gewonnenen Durch¬ 
schnittswert von 13,5—16,5 pCt. mit den von anderen Autoren ge¬ 
wonnenen Resultaten am Normalmenschen. Heinemann fand bei Dreh¬ 
arbeit am Ergostaten bei einem Arbeiter im günstigsten Falle nach 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


449 


langer Einübung einen Nutzeffect von 22—25 pCt. Katzenstein fand 
bei einem Individuum, das nicht der Arbeiterklasse angehörte, einen 
Nutzeffect von 14—18 pCt. (21). 

Die Versuchsbedingungen des letzteren (Fehlen von langer Uebung 
und nicht Arbeiter) sind unseren Versuchsbedingungen am ähnlichsten. 
Die Werte stimmen auch nahezu überein. Dass diese in unserem Falle 
noch etwas niedriger sind, wird durch die Erwägung verständlich, dass 
beim Fettsüchtigen jede nicht in Ergostatenarbeit umgewandelte Luxus¬ 
bewegung entsprechend der grösseren Körpermasse auch mehr verlorene 
Arbeit erfordert und ausserdem wahrscheinlich in unserem speciellen 
Fall das insufficiente Herz bei Muskelbetätigung unökonomisch arbeitet. 

Von Interesse ist es, die Tatsache festzustellen, dass in 
diesem Falle ebenso wenig wie ein herabgeminderter Ruhe¬ 
stoffwechsel als ursächliches Moment oder als Begleiter¬ 
scheinung der Fettsucht ein verringerter Arbeitsstoffwechsel 
festgestellt werden konnte (was dasselbe besagt als ein vergrösserter 
Nutzeffect und was theoretisch zu postulieren ja nahe läge). Analoge 
Versuche an Fettsüchtigen von Reach und Jaquet und Svenson 
kommen zu dem gleichen Ergebnis (10). 

Betrachten wir nunmehr die Werte von Versuch I und II gegen¬ 
einander. 

Was uns zur Anstellung derartiger Versuche bewog, war die Ver¬ 
mutung Kauffmanns, dass „die mit der Muskelarbeit verbundene Wärme¬ 
entwicklung die katalytische Wirkung des Palladiumhydroxyduls a (gemeint 
ist die Steigerung der Oxydationsprocesse im Körper) „erhöhen könnte.“ 

Hierdurch kamen wir zu der Fragestellung: 

Wird die steigernde Wirkung des Po(OH) 2 auf die Intensität des 
Stoffwechsels, wenn sie beim Ruheumsatz auch noch latent ist, wie in 
unserem Falle, vielleicht erst beim Arbeitsstoffwechsel manifest in einer 
Verschlechterung des Nutzaffectes gegen dessen Normalwerte? 

Die Mittelwerte der Versuche: 14 pCt. (Normal) und 15,9 pCt. 
(Leptynol), daraufhin verglichen, ergeben ein verneinendes Resultat. Die 
Differenz von 1,9 pCt. in entgegengesetztem Sinne liegt nach den oben 
erwähnten Resultaten von Versuchen am normalen Menschen innerhalb 
der Schwankungsbreite, wie sie, sei es durch subjective, momentane 
Disposition, sei es durch äussere Einflüsse (etwa Temperatur, Luft¬ 
feuchtigkeit) bedingt, sich nicht vermeiden lässt. 

2. Fall. '(Knabe W. R.) 

(Vgl. Tabelle V.) 

Wesentlich einfachere klinische Verhältnisse bieten die nun zu be¬ 
sprechenden beiden Fälle von endogener Fettsucht im Kindesalter. 

A. Krankengeschichte. (22. 9. 13.) 

Patient: W. R., Schüler, 13 Jahre alt. 

Diagnose: Dysgenitale Fettsucht (Degeneratio adiposo-genitalis). 

Anamnese: Etwa mit 9 Jahren trat, angeblich ziemlich schnell, und zwar 
gleich in hohem Grade, allgemeiner Fottansatz auf. Ob im Anschluss an eine ln- 


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Heinrich llaussleiter, 


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fcctionskrankheit, ist nicht zu eruieren. Seit etwa 3 Jahren soll die Corpulenz nicht 
mehr zugenommen haben. 

Nahrungsaufnahme angeblich nicht enorm gross. Sexual indifferent, Erectionen 
und Pollutionen fehlen fast vollständig. 

Frühere Krankheiten: mit 7 Jahren Scharlach, Masern, im Anschluss an ersteren 
Gelenkrheumatismus. Mehrmals Diphtherie, darunter im Alter von 5 Jahren ein be¬ 
sonders schwerer Fall. 

Heredität: Patient ist viertes Kind. Ein Bruder, 16 Jahre alt, auch fett¬ 
süchtig. Ausserdem zwei normale Geschwister. Mutter wog vor einem Jahre über 
250 Pfund, nahm auf Thyreoidinkur bis zu 180 Pfund ab. Vater ebenfalls sehr 
corpulent. Gewicht über 200 Pfund. Beide Eltern sind angeblich in ihrer Jugend 
normal gewesen. 

Status praesens: Körpergrösse 155 cm, Körpergewicht (ohne Kleider) 
65,9 kg, Halsumfang 33 cm, Brustumfang 89 cm, Bauchumfang in Nabelhöhe 
95 cm, Taille 85y 2 cm, Schädel: Circumferentia submento-oecipitalis 61 cm, 
Circumferentia fronto-occipitalis 55 cm, Oberarraumfang 29 cm, Oberschenkelumfang 
53 cm, Unterarm (maximal) 26 cm, Unterschenkel 39 cm. 

Für sein Alter gut entwickelter, kräftiger Knabe, auffallend fett. Weiblicher 
Fettverteilungstypus. Mammae zeigen starke Fettansammlung, vorgewölbt. Ausserdem 
besonders in der Glutäalgegerid beiderseits, sodann in den Partien seitlich über den 
Hüften und in der Unterbauchgegend sehr starke Fettpolster. Sehr ausgesprochene 
Querfalte in der Regio pubica. Bläuliche Verfärbung des prallen Fettpolsters am 
Oberarm. Penis klein, Hoden kirschgross. Ohrspeicheldrüse nicht vergrössert, des¬ 
gleichen Sublingualdrüse nicht vergrössert. Geringe Prognathie des Oberkiefers. 
Gebiss und Rachen normal. Thyreoidea eher vergrössert als verkleinert. Thymus 
percussorisch nicht als vergrössert nachweisbar. 

Thorax: Lungen- und Herzbefund normal. 

Puls: regelmässig 65 in der Minute. 

Abdomen: Milz und Leber nicht fühlbar. 

Urin: kein Zucker, kein Eiweiss. 

Nervensystem: ohne Störungen. Patellar- und Pupillenreflexe normal. 
Augenbewegungen frei. Refraction: ganz geringe Myopie. 

Sehschärfe nicht herabgesetzt. 

Stimme noch nicht mutiert, hat wenig Klang, jedoch nicht gerade rauh. 

Temperament ist auffallend ruhig und gleichmässig. Schulerfolg massig. 

Röntgenaufnahme des Schädels zeigt normale Verhältnisse der Schädelbasis. 

Die Röntgendurchleuchtung des Brustkorbes zeigt normale Verhältnisse, ins¬ 
besondere keine Thymusvergrösserung. 

An den Stellen der Leptynolinjectionen (Oberbauchgegend) noch deutlich 
schwarze Verfärbungen und geringe Infiltrationen. 

Blutbild: Hämoglobingehalt (Sahli) 83 pCt., Erytbrocyten 5300000, Leuko- 
cyten 5000. 

Blutausstrich: neutrophile Leukocyten 70 pCt., Lymphocyten 14pCt., grosse 
Lymphocyten 4pCt., grosse Mononucleäre 4pCt., Eosinophile 6pCt., Basophile 1 pCt. 

Der Befund ergibt, klinisch eindeutig das Bild der dysgenitalen 
Fettsucht, wie sie durch den abnormen Fettverteilungstypus und gleich¬ 
zeitige Hodenhypoplasic charakterisiert ist. Während eine Beteiligung 
der Hypophyse und des Thymus klinisch unwahrscheinlich ist, ist eine 
eventuelle Hypofunction der Schilddrüse nicht ausgeschlossen. Inter¬ 
essant sind die hereditären Verhältnisse, insbesondere die thyreogene 
Fettsucht der Mutter. 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


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Der Verlauf der Versuche ergibt sich aus der Tabelle. Es sei hier 
nur erwähnt, dass Patient während der sich fast über 4 Monate er¬ 
streckenden Versuchszeit dauernd nur ambulant beobachtet wurde, 
dass ihm bis auf die Anordnung, nüchtern vormittags zum Respirations¬ 
versuch zu kommen, keine weiteren diätetischen Vorschriften gegeben 
wurden, und dass wohl einige Schwankungen, namentlich des respira¬ 
torischen Quotienten (vgl. Tabelle) durch die der heissen Jahreszeit mehr 
oder weniger angepasste verschiedene Kostzusammensetzung, sowie den 
Unterschied während der Schulzeit und während der Ferien, in denen 
die Versuche gleichfalls fortgesetzt wurden, zu erklären sind und keine 
weiteren Schlüsse gestatten. 

Es sind ferner noch, um falsche Schlüsse bei der Beurteilung der 
in unserem Falle vorhandenen Schwankungen des Körpergewichts späterhin 
zu vermeiden, einige diese Verhältnisse betreffenden äusseren Einflüsse 
abzugrenzen. 

1. Bei unserer spontan ziemlich bewegungsträgen Versuchsperson 
ist die Schulzeit mit ihrer Anregung zur Leistung von mehr Muskel¬ 
arbeit als gewichtsherabsetzender Factor in Anschlag zu bringen; um¬ 
gekehrt die Ferienzeit als gewichtssteigernder Factor („Faulheits¬ 
fettsucht“). Dies drückt sich eklatant in unseren Gewichtszahlen aus: 
am 18. 4., kurz nach Ende der Ferien, ist das Körpergewicht noch auf 
sein „Faulheitsniveau“ von 67,4 kg eingestellt, sinkt dann während der 
Schulzeit continuierlich, wenn auch langsam, bis auf sein Arbeitsniveau 
von etwa 66,000 kg, um in den im Juli liegenden Ferien wiederum 
langsam auf das Faulheitsniveau zu steigen. 

2. ist zum Teil der Einfluss der Temperatur zu beobachten: 
Zwischen dem 25. 5. und 3. 6. 1913 macht sich die damals gerade 
über Mitteldeutschland ziehende abnorm hohe Hitzwelie deutlich bemerk¬ 
bar [wohl infolge eines Missverhältnisses zwischen Nahrungsverminderung 
(um Darmarbert zu sparen) und doch gleichzeitig geforderte Schularbeits¬ 
leistung]. Diese Gewichtssenkung wird durch den weiteren auffallend 
kühlen Verlauf des Monats Juli wieder kompensiert. 

ß. Der Umsatz. 

Beginnen wir mit der Betrachtung des Umsatzes. Trotz einzelner 
vorliegender Untersuchungen des Umsatzes bei Degeneratio adiposo- 
genitalis ist mit bisherigen Methoden eine ausserhalb der Grenzen des 
Normalen liegende Herabsetzung noch nicht festgestellt worden. 

von Noorden (8) sieht dafür den Grund in dem Umstand, dass 
bei Degeneratio adiposo-genitalis die Fettanreicherung nur sehr langsam 
erfolgt, daher erst von einer präcisercn Methodik festgestellt werden 
könne. 

Noch schwieriger als bei Erwachsenen ist es bei Kindern, einen 
sachlichen Vergleich des Umsatzes mit dem Normalen anzustellen, denn, 
während bei Erwachsenen das Lebensalter [in der Normaltabelle zwischen 
22 und 43 Jahren (11)] den Umsatz in keiner Weise ändert, sind wir 
bei den Kindern neben den sonstigen Vorbedingungen eines Vergleichens 
auch noch an die Berücksichtigung des Alters gebunden. 


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Heinrich Haussierter 


Von vornherein unzweckmässig wäre es selbstverständlich, einen 
fetten Knaben mit einem normalen Erwachsenen zu vergleichen. In 
diesem Falle hat nur eine Vergleichung mit einem gleichfalls im 
Pubertätsalter befindlichen Knaben von möglichst derselben Grösse Sinn. 
In der von Magnus-Levy zusammengestellten Normaltabelle für Kinder 
findet sich nur 1 Kind (Mädchen) im Alter von 13 Jahren. Seine Grösse 
beträgt 1,38 m. Das ergäbe gegen unseren Fall eine Spannung von 
18 cm, welche einen Vergleich nicht mehr erlaubt. Es zeigt aber ein 
Blick auf die Normaltabelle, welche nach steigendem Körpergewicht ge¬ 
ordnet ist, dass, während bei dieser Anordnung die Umsatzgrösse mit 
nur vereinzelten Ausnahmen stetig und gleichsinnig zunimmt, die Alters¬ 
zahlen durchaus diese ordnungsmässigc Aufeinanderfolge vermissen lassen. 
So steht z. B., dem Gewicht nach, annähernd auch dem Umsatz nach, 
ein 12jähriges Kind an 9., dagegen ein 11 jähriges an 22. Stelle, dem 
an 21. Stelle ein 17jähriges vorhergeht. Fast ganz gleichsinnig dagegen 
mit den Gewichtszunahmen steigen die Zahlen für die Körpergrösse, also 
ganz unabhängig vom Alter und auch auffallend unabhängig vom Ge¬ 
schlecht. Daraus folgt für uns, dass in erster Linie ein Uebereinstiramen 
der Körpergrösse einen zweckmässigen Vergleich des Umsatzes zweier 
Kinder garantiert, dass erst in zweiter Linie die Altersstufe berücksichtigt 
werden darf. 

Wählen wir nach diesem Gesichtspunkte passende Vergleichsfälle 
aus, so kommen die Knaben Nr. 12, 13, 14, 15 in Betracht mit einer 
Körpergrösse von 154, 149, 154, 160 cm, dem Alter 17, 14, 17, 
16 Jahren und dem Minutenumsatz von 198,0, 204,4, 212,7, 235,6 ccra 0 2 . 

Der Umsatz unseres Falles W. R. (267 ccm 0 2 pro Minute) scheint, 
wenn wir für ein Mehr an Circulationsarbeit und Atemarbeit (s. oben) 
analog dem von von Noorden bei Erwachsenen eingeschlagenen Ver¬ 
fahren 20 pCt. abziehen, mit diesen Werten (also in der reducierten 
Form von 214 ccm 0 2 ) gut übereinzustimmen, auch .wenn wir den 
etwas kleineren Durchschnittswert aus der 3. Versuchsserie (Tabelle V) 
von (reducicrt) 205 ccra zu Grunde legen, so wird die untere Grenze 
der normalen Schwankungsbreite doch nicht erreicht. Aus dieser Ver¬ 
gleichung lässt sich also keine Herabsetzung des Umsatzes bei Patient 
W. R. nachweisen. Diese Tatsache wird nicht ohne weiteres dadurch 
beeinträchtigt, dass die auf 1 kg Körpergewicht reducierte Sauerstoff¬ 
zehrung pro Minute von 4,0 ccm 0 2 in unserem Falle bedeutend unter 
den Normalwerten der Tabelle: 4,95, 5,13, 4,80, 4,10 steht, denn 
diese Vergleichung darf bei Fetten nicht den Ausschlag geben (siehe 
oben.) 

Wie gestaltet sich das Verhältnis zum normalen Umsatz, wenn wir 
als Vergleichseinheit die 0 2 -Verbrennung pro Quadratmeter Körperober¬ 
fläche zu Grunde legen? Es sei die Kalorienzahl des Tagesgrundumsatzes 
verglichen mit der hierfür für den Erwachsenen aufgestellten Norraal- 
tabelle. Die Werte unseres Falles müssen zu dem Zweck noch durch 
die Relationszahlen, welche in der Normaltabelle für Kinder ausgerechnet 
sind, dividiert werden. 


Digitized b' 


* Google 


Original fro-m 

WVERSSTY OF MICH1GT/ 



Uebor den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


453 


Die betreffenden Relationszahlen sind: 


Kind zu Erwachsenem = 123 

130 

123 

140 


100 . 


Unsere Werte ändern sich von: 

921,4 Kalorien auf 

maximal: 808,3 „ pro Quadratmeter Körperoberfläche 

minimal: 708,3 „ „ „ „ 

und für den kleineren Durchschnittswert der 3. Versuchsserie von: 
881,0 Kalorien auf 

maximal: 773,2 „ pro Quadratmeter Körperoberfläche 

minimal: 678,0 „ „ „ „ 


Der letzte Minimalwert ist der einzige, welcher in zu beachtender 
Weise ausserhalb der Normalgrenzen von 710—893 Kalorien pro Quadrat¬ 
meter fällt, und zwar hat der durch die hohe Relationszahl erhaltene, 
also der Minimalwert, in unserem Falle mehr Wahrscheinlichkeit, dem 
Richtigen nahe zu kommen, für sich. 

Endlich sei auch die 0 2 -Zchrung pro Kilogramm Körpergewicht mit 
dem Normalwcrt der Erwachsenen verglichen. Es hat dies mehr Sinn, 
als der an zweiter Stelle durchgeführle und abgelehnte ^lirecte Vergleich 
dieser Beziehungen mit den entsprechenden Kindernormalzahlen, denn 
bei Erwachsenen ist bei der grösseren Zahl vorliegender Normalunter¬ 
suchungen auch die normale Schwankungsbreite grösser, also auch 
richtiger als diejenige, die wir aus den 4 Kinderfällen erhalten. Die 
entsprechenden Relationszahlen sind 1,50—1,20, aus ihnen ergeben sich 
für unseren Durchschnittswert: 

maximal: 3,35 ccm 0 2 
minimal: 2,68 „ „ 

Für den kleineren Durchschnittswert: 

maximal: 3,22 ccm 0 2 
minimal: 2,58 „ „ 

Die Normal werte liegen zwischen 4,53 und 2,76 ccm 0 2 . Hier also 
fallen beide Minimalwerte, der erste nur unerheblich, der zweite be¬ 
trächtlich unter den Normalwert. 

Fassen wir unser Urteil über den Umsatz von Fall W. R. zusammen: 

Wenn wir in der Tabelle V die maximalen Abweichungen der 
Einzel- von den Durchschnittswerten betrachten, so fällt uns auf, dass 
diese bedeutend grösser sind als bei der Versuchsperson A. M., obwohl 
die Untersuchung beider Fälle mit denselben Apparaten und zur selben 
Zeit vorgenommen wurden. Die grösseren Schwankungen können also 
nicht allein durch Fehler der Technik und zufällige Einflüsse erklärt 
werden. Andererseits aber brachte cs der Patient W. R. in der Technik 
der vorsätzlichen Muskelruhe und ruhigen Atmung zu ziemlicher Voll¬ 
kommenheit. Wir wagen es daher doch, den Schluss zu ziehen, dass 
in unserem Fall der Grundumsatz sich noch nicht so constant eingestellt 


Digitized by 


Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



454 


Heinrich Hanssleiter, 


Difitized by 


hat, wie wir es beim Erwachsenen unter allen Umständen zu finden ge¬ 
wohnt sind, sondern mit gewisser Labilität um einen Mittelwert schwankt, 
der als solcher allerdings wiederum auffallend constant sein kann (vgl. 
Durchschnittswert der 1. und 2. Versuchsserie). Diese Tatsache ist viel¬ 
leicht analog den beim Kinde bis zum Pubertätsalter noch unregel¬ 
mässigen und grösseren Schwankungen der Körpertemperatur jgewisser- 
massen auf noch unvollkommene Uebung des betreffenden Regulations¬ 
mechanismus bzw. -Chemismus zurückzuführen. 

Diese kleinen Schwankungen sind also wohl physiologisch und für 
uns weiter nicht von besonderem Interesse. Interessant aber ist, dass 
in unserem Falle ausserdem noch in längeren Perioden sich der Durch- 
schnittsgrundumsatz zu verändern scheint (vgl. den Durchschnittswert 
der 3. Versuchsserie mit den beiden ersten). Zwischen Versuchsserie 2 
und 3 liegt eine Pause von fast 6 Wochen. Freilich ist die gefundene 
Differenz von 11,12 ccm 0 2 pro Minute an und für sich unerheblich und 
liegt innerhalb der Fehlergrenze des Einzelvcrsuchs. Wir sind aber 
berechtigt, anzunehmen, dass sich die nicht vermeidbaren Versuchsfelder 
in den Durchschnittswerten einer Anzahl von Versuchen immer nach 
derselben Richtung ausgleiehen, und also auf diese Weise die Durch¬ 
schnittswerte nach einer engeren Fehlergrenze beurteilt werden müssen 
und viel feinere Ausschläge zur Darstellung bringen können. Anschaulich 
zeigt dies die Übereinstimmung des 1. und 2. Durchschnittswertes bei 
grosser Schwankung der Einzelwerte. 

So gewinnt die Differenz des Durchschnittsumsatzes in unserem 
Falle doch eine gewisse Bedeutung, zumal auch dadurch, dass, wenn 
wir uns aus allen verschiedenen Vergleichsarten zusammenfassend ein 
Urteil bilden — von ausschlaggebender Bedeutung ist hier die Beziehung 
auf die Körperoberfläche —, der grössere Umsatzwert noch im Bereich 
des Normalen, der kleinere dagegen unter dem Grenzwert des Normalen 
liegt. Doch wir brauchen uns gar nicht an die Voraussetzung zu binden, 
dass es für den Menschen eine allgemein gütige Norm des Umsatzes 
gäbe: auch wenn wir unseren Fall isoliert betrachten, so genügt die 
relative Differenz des kleineren Umsatzwertes, nur auf den grösseren 
als in diesem Falle normalen bezogen, um in grösseren Zeit¬ 
abschnitten eine bedeutende Gewichtszunahme bei gleich¬ 
bleibender Nahrungszufuhr zu bewirken. In den 60 Tagen, um die es 
sich hier handelt, entspräche ein Weniger von 11,L2 ccm 0 2 -Vcrbrennung 
etwa einem Fettansatz von 475 g. 

Auffallend ist es, dass das Körpergewicht nach den An¬ 
gaben der Tabelle kleine Schwankungen zeigt, die genau mit 
den Schwankungen der Umsatzintensität parallel gehen. Wie 
oben näher ausgeführt, ist ein Teil dieser Schwankungen durch äussere 
Einflüsse zu erklären; aber, wenn wir diese genau abwägen, so bleibt 
doch noch ein anders zu erklärender Rest übrig: wir sahen oben, dass 
am 31. 7. und am 18. 4. (Anfangsdatum) die äusseren Bedingungen, 
die zu einer mässigen r) Faulheits u gewichtszunahme über das während 
der Arbeitszeit gehaltene Gewicht von 66 kg geführt hatten, sich un¬ 
gefähr die Wage hielten. Sollte es nun hier nur Zufall sein, dass am 



Original fro-m , 

„UNIVERSITY OF MICHIGAhj 



Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


455 


31. 7. das Gewicht um 400 g höher ist als am 18. 4.? Also gerade 
etwa um die Gewichtsgrösse, welche wir als Consequenz der Umsatz¬ 
verminderung berechnet hatten. 

(•. Thyreoidinwirkung. 

Wie ist nun die periodische Schwankung des Umsatzes zu er¬ 
klären? 

Zunächst ist sie nur als die Wirkung einer oder einiger bei der 
dysgenitalen Fettsucht beteiligten Drüsen mit innerer Secretion zu denken. 

Nach den bisherigen Erfahrungen ist bekanntlich die Unterfunction 
der Hodensubstanz bzw. der Hodenzwischensubstanz wahrscheinlich auch 
in den Fällen, in denen eine Hypophysenveränderung nicht nach¬ 
weisbar ist, erst die Folge eines primären Hypopituitarismus. Und 

— wenn wir hierin der Anschauung von Noordens folgen wollen 

— haben weder Hypophysensubstanz noch Hodenzwischensubstanz einen 
unmittelbaren Einfluss auf den Energiewechsel. Dieser wird viel¬ 
mehr erst manifest, wenn, wahrscheinlich auf dem Umwege Hypophyse- 
Hodenzwischensubstanz tertiär die Tätigkeit der Schilddrüse in der 
Richtung einer Hypofunction geschädigt wird. Es läge daher nahe, die 
Schwankung des Umsatzes in unserem Falle durch eine periodische 
Schwankung der Schilddrüsentätigkeit zu erklären. Zwar ist es mit den 
bisherigen Methoden nicht möglich gewesen, das Vorkommen derartiger 
Schwankungen einer Drüsenfunction direct nachzuweisen; wir können 
aber — und hier kommt die theoretische Bedeutung des Medicamentes 
zur Geltung — indirect den jeweiligen Functionszustand der Schilddrüse 
dadurch prüfen, dass wir den Grad feststellen, in welchem der Organismus 
jeweilig auf Schilddrüsensubstanz reagiert. 

Nach den spärlichen experimentellen Daten, die vorliegen, scheint 
es, dass bei Hyperfunction der Schilddrüse (Morbus Basedowii) die Ver¬ 
abreichung von Schilddrüsensubstanz die Umsatzhöhe wahrscheinlich gar 
nicht beeinflusst, (die beiden Basedow-Kranken, deren Gaswechsel von 
Magnus-Lewy (11) nach Thyreoidinverabreichung untersucht wurden, 
ergaben dies Resultat), dass bei normaler Function der Schilddrüse (hier 
kommen auch nicht thyreogene Fettsüchtige in Betracht) entweder gar 
keine oder meistens eine AVirkung mässigen Grades — ca. 15 pCt. 
Umsatzsteigerung — eintritt, dass dagegen bei Hypo-, Dys- und Afunction 
der Schilddrüse eine bedeutend höhere Umsatzsteigerung, die sich wieder 
graduell abstuft und bis 72 pCt. Steigerung beobachtet worden ist, bei 
gleicher Dosierung eintritt. 

Finden wir daher in unserer Tabelle, dass einmal nach Thyreoidin¬ 
verabreichung keine Reaction erfolgt, acht Wochen später aber zur Zeit 
eines verminderten Umsatzes eine deutliche Steigerung (18,22 pCt.) ein¬ 
tritt, so liegt es nahe, von dieser Coincidenz von normal hohem Umsatz 
und Thyreoidinunwirksamkeit einen Causalzusammenhang zu folgern in 
dem Sinne, dass in unserem Falle die Umsatzschwankungen zwischen 
normal und unternormal eine reine Function (in mathematischem Sinne) 
einer Schwankung der Schilddrüsentätigkeit zwischen normal und unter- 
normal darstellt. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



456 


Heinrich Haussleiter 


1 


Tabelle V. Knabe W. R., 12 Jahre 9 Monate alt (am 18. 4. 1913 




■ - ■ - 

— 

2 Sii 

s 

.9 

•E 

.9 S - 

fl t' 6 

Versuchsnumm 

Datum 

1913 

Medikation 

Körpergewich 
(ohne Kleider 
in kg 

Körperoberfläc 
(nach derMeehsc! 
Formel berechnet 
der Constante 12,3 
in qcm 

Reduciertes 
Atemvolumen 
pro Min. in cc 

Dasselbe pro M 
und Kilogram 
Körpergewich 
in ccm 

Sauerstoff¬ 
verbrauch proM 
in ccm 

Dasselbe pro M 
und Kilogram 
Körpergewich 
in ccm 

1 oM 

- 

ü 5 - 
Sr.? ' 
Ä §* 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

20 

18. 4. 


67,4 


7295 

108,23 

321,79 

4,77 


21 

23. 4. 



5537 

82,25 

261,74 

3,90 


22 

25. 4. 




6368 

94,48 

283,72 

4,19 


23 

27. 4. 


66,5 

20 209 

5267 

79,20 

282,10 

4,24 

139.5 

24 

4. 5. 



4787 

71,99 

238,39 

3,59 

ii ir 

25 

10. 5. 




4870 

73,26 

259,57 

3,89 

126,4- 

140.4* 

26 

13. 5. 




5408 

81,25 

2S3.92 

4,26 

27 

14. 5. 




5080 

76,38 

245,36 

3,69 

121.4 

28 

15. 5. 




5530 

83,06 

274,85 

4,16 

135.9* 

141.' 

29 

16. 4. 


65,9 

20 087 

5766 

85,51 

284.26 

4,22 


Mittelwert von Vers. 23—29 


20 US 

5244 

?SM 

260,92 

4,02 

mi 


16. 5. 

1.5 g Leptvnol 

- 







30 

18. 5. 



5404 

82,00 

272,90 

4,14 


31 

20. 5. 

1,5 g Leptynol 



5336 

80,97 

265,74 

4.03 


32 

23. 5. 

20.5.: 0,1 g J g 

66,35 


5960 

89,83 

276,55 

4,17 


33 

25. 5. 

22.5.: 0,2 g 'i 

66,65 


5137 

77,07 

254,89 

3,84 


34 

27. 5. 

23.5.: 0,3 g g. 

66,30 


4840 

73,00 

->60,38 

3,93 



3. 6. 

26.5.: 0,3 g ' = 

66,0 








Mittelwert von Vers. 30—34 


20 U S 

533? 

SO,57 

266,07 

4.02 

M: ‘ 


5. 7. 

1,0 g Leptynol 

67,0 








7.7. 

1,0 g 

67,0 







35 

9. 7. 

1,0 g 

66,2 


5381 

81,05 

247,00 

3,73 

1 

36 

12.7. 

1,0 g 

1 66,4 


5860 

88,25 

276,60 

, 4,16 

| 

37 

15.7. 




5310 

79,97 

1 256,50 

3,90 

1 

38 

17. 7. 
23. 7. 

1,0 g Leptynol 

1,0 g „ 



| 5626 

84,73 

261,00 

! 3,97 

! 

39 

24. 7. 
31.7. 

1 


| 5404 

81,39 

237,80 

3,58 



Mittelwert von Vers. 35—39 


201X9 

5516 

S3.0S 

255.SO . 

3 n s? 

;r* 


31.7. 

0,2 g Thyreoidin 

! 67,80 








1.8. 

0,3 g 







! 


2.8. 

0,3 g 



\ 




i 


3. 8. 

0,3 g 







149.T"' 

40 

4. 8. 

66,40 

20 188 

5324 

! 80.18 

j 302,40 

; 4,55 


Um die Beobachtung, die dieser Folgerung zu Grunde liegt, — nicht 
die Folgerung selbst — zu sichern, muss noch auf einige Punkte hin¬ 
gewiesen werden: 

1. von Bergmann und Magnus-Levy haben in ihren Unter¬ 
suchungen gefunden, dass die umsatzsteigernde Wirkung des Thyreoidins 
erst am 7. bis 10. Tag nachzuweisen wäre. Dass diese Beobachtung 
nicht ohne weiteres verallgemeinert werden darf, geht eclatant aus dem 
später zu besprechenden Fall (Kind KI.) hervor, bei welchem 24 Stunden 
nach Verabreichung von 0,2 Thyreoidin eine Steigerung des Umsatzes 
um 33 pCt. gefunden wurde. Es entkräftigt dies den Einwand, das 
Fehlen jeder Reaction des Umsatzes auf die erste Thyreoidingabe bei 


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Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN- 







lieber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


457 


Grösse: 156 cm (am 18. 4. und 31. 7. gemessen). 


Kohlensäure¬ 
ausscheidung pro 
Min. in ccm 

Dasselbe pro Min., 
u. Kilog. Körper- 1 
gewicht in ccm 1 

Respiratorischer 
Quotient , 

(gleich R.-Q ) 

s J? 

b cC* 

C3 O _ 

H rfg 

£.2 II 
£ 

o > tf • 
bß cn .ti 

Dasselbe 
pro Kilogramm 
Körpergewicht 

Dasssclbe 
pro Quadratmeter 
Körperoberfläche 

n 

12 

13 

14 

15 

16 

268,69 

3,98 

0,835 




202,21 

3,00 

0,773 




273,76 

4,06 

0,969 




225,16 

3,39 

0,798 




196,89 

2.96 

0,826 




215,25 

3,23 

0,829 




227,68 

3,43 

0,802 




199,14 

3,19 

0,812 




222,31 

3,36 

0,809 




231,58 

3.51 

0,834 




216,83 

3,30 

0,816 

1857 

27,92 

921,4 

223,19 

3.39 

0,818 




194,23 

2,95 

0,731 




200,64 

3,37 

0,810 




213,19 

3,21 

0,837 




191,65 

2,89 

0,736 




204,60 

3,16 

0,786 

1851 

27,92 

918.6 

223,3 

3,37 

0,885 


\ 

\ 


229,1 

3,45 

0,824 




213,5 

3,24 

0,832 




232,9 

3,54 

0,892 




197,8 ' 

2,98 

0,832 ; 




219,3 

3,33 

0,853 j 

1780 

26,56 

881A 

230,5 ! 

3,47 

0,762 

2104 ^ 

31,68 

1041,9 


Bemerkungen 


17 


Ad Versuch 20—22: Nachmittags 5 Uhr ohne Rück¬ 
sicht auf Nahrungsaufnahme gemessene Ruhewerte. 
Gewöhnung an Ventilatraung. 

Ad Versuch 23—29: Normalnüchtern - Ruhewerte, 
vormittags 8 Uhr aufgenommen. 
Durchschnittswert: Grösste Abweichung: Atem¬ 
volumen: + 9,95 pCt., —8,72 pCt., Sauerstoff¬ 
verbrauch: + 6,50 pCt., —10,59 pCt 

Ad 16. 5.: Leptynolinjection in das Bauchfett. Nach¬ 
mittags dreistündiger Spaziergang. Schlaf, Appetit 
unverändert. Temperatur normal. 

Ad Versuch 30—34: Nüchternruhe werte (vormittags 
8 Uhr) während Leptynolwirkung bzw. combinierter 
Wirkung von Leptynol und Thyreoidin, letzteres 
schwach dosiert. 

Ad 20.5.: Nachmittagsspaziergang mit Bergsteigen. 

Ad 27. 5.: Kur aus äusseren Gründen abgebrochen. 

Ad Durchschnittswert von Versuch 30—34: 
Grösste Abweichung des Sauerstoffverbrauchs: 
+ 3,94 pCt., — 4,24 pCt. 

Ad Versuch 35—39* Nüchternruhewerte (vormittags 
8 Uhr) während Leptynolkur (6,0 g). Die ersten 
dref Injectionen wie oben, die drei letzten in die 
Glutäalgegend. Am Nachmittage jedes Injections- 
tages zweistündiger Spaziergang. 
Durchschnittswert: Grösste Abweichung des 
Sauerstoffverbrauchs: 8,13pCt., —7,04pCt. 

Ad Versuch 40: Nüchternruhewerte nach mittel¬ 
starker Thyreoidinkur. Steigerung des Sauerstoff¬ 
verbrauchs über den Normalraittelwert: 18,22pCt. 


unserer Versuchsperson (W. R.) rühre nur daher, dass der Zeitpunkt 
des Manifestwerdens nicht abgewartet worden wäre. Immerhin wurde 
der Umsatz bis zum 7. Tage nach der ersten Verabreichung gemessen, 
während beim 2. Versuch mit Thyreoidin schon am 4. Tage die erste 
Umsatzmessung die oben erwähnte von 28,22 pCt. Steigerung ergab. 

2. Zwischen der 1. und der 2. Thyreoidinverabreichung bestehen 
Unterschiede in der Dosierung. Einer Menge von 0,9 g Thyreoidin in 
Versuch I steht in Versuch II bis zur ersten gemessenen Reaction eine 
Menge von 1,2 g Thyreoidin gegenüber. Weiterhin wurde das erste Mal 
eine steigende Dosis nur alle 2 Tage verabfolgt, das zweite Mal dagegen 
von vornherein die volle Dosis. Objectiv diese Differenz abzuwägen, ist 


30* 


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Go igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



458 


Heinrich Haussleiter 


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nicht möglich, aber die Beobachtung, dass extrem hohe Dosen wohl 
toxisch stärker wirken, aber den Umsatz nicht stärker beeinflussen 
können, als normal hohe Dosen, lässt uns doch dahin entscheiden, dass 
auch eine spärliche Dosierung während des 2. Versuches eine positive 
Reaction ergeben hätte. 

3. Es sei nochmals betont, dass wir die Gewichtsabnahme vom 
25. 5. bis 3. 6. auf äussere Ursachen zurückführen müssen und dass es 
nicht angängig erscheint, ohne nachweisbare Umsatzsteigerung diese 
Gewichtsabnahme der Thyreoidinwirkung zuzuschreiben. 

D. LeptynolWirkung. 

Es bleibt noch übrig, die Leptynolwirkung zu besprechen: Mit 
welchem Recht haben wir diese in der bisherigen Besprechung ganz 
vernachlässigt? 

Würden wir die Tabelle betrachten, ohne die übrigen Daten zu 
kennen, so müssten wir bei der ersten Anwendung des Mittels (3,0 g 
= 75 mg Pd(OH) 2 während 4 Tagen) unter Berücksichtigung der folgenden 
5 Tage eine Gewichtssteigerung von 750 g bei gleichbleibendem Umsatz 
als AVirkung des Palladiums bezeichnen. 

In dem zweiten Falle (Injeetion von 6 g = 150 mg Pd(0H) 2 inner¬ 
halb von 18 Tagen) und unter Berücksichtigung von weiteren 8 Tagen 
nach der letzten Injeetion würde dann eine Gewichtszunahme von 800 g 
und gleichzeitig eine Herabsetzung des Umsatzes constatiert werden müssen. 

Selbstverständlich liegt es uns fern, eine derartige Wirkung vertreten 
zu wollen. Aber es dürfte einleuchten, dass wir in unserem Falle be¬ 
rechtigt waren, die Wirkung des Leptynols combiniert mit Muskelarbeit, 
aber ohne Diätbeschränkung gleich Null zu setzen. 

3. Fall. (Kind Kl.) 

A. Krankengeschichte. (30. 12. 13.) 

Patient: Kl., Schülerin, 13 Jahre alt. 

Diagnose: Thyreogene Fettsucht, symmetrische Speicheldrüsenschwellung, 
geringe Vergrösserung der Tränendrüsen. 

Anamnese: Als kleines Kind Diphtherie und Masern, vor 2 Jahren Scharlach. 
Patientin, die bis dahin mager war, wurde seit der Zeit zusehends dicker. Schmerzen 
sind nicht aufgetreten. Im 11. .Jahre zweimal menstruiert, seitdem nicht wieder. 

Heredität: Patientin ist sechstes Kind. Eltern, besonders Mutter, sollen 
sehr dick sein. 4 Geschwister; 2 gestorben, 2 gleichfalls dick. Auch Grosseltern 
mütterlicherseits sollen dick sein. 

Status praesens: Körpergrösse 151 cm, Gewicht 69 kg, Halsumfang 35 cm, 
Brustumfang 95 cm, Abdomen (Umfang in Nabelhöhe) 101 cm, Taille 81 cm, Schädel: 
Circumferentia submento-occipitalis 53 cm, Biceps: rechts 36 cm, links 36 cm, Unter¬ 
arm: maximal: rechts 25 1 /2 cm, links 25 cm, Oberschenkel, Mitte (zur Patella und 
Spina iliaca) rechts 58 cm, links ÖT 1 /^ cm, Unterschenkel: maximal: rechts 34 l j 2 cm, 
links 34^2 cm. 

Für sein Alter gut entwickeltes, ziemlich muskulöses, auffallend fettes Kind 
(Mädchen). An Wangen, Brüsten, Oberarmen, Oberschenkeln, Bauch und namentlich 
in der Glutäalregion ausgedehnte Fettablagerungen, bläuliche Färbung der Haut in 
der Glutäal- und Oberschenkelgegend. Unterarm und Unterschenkel weniger befallen. 
Nirgends erhebliche Drüsenschw^ellung. Thyreoidea fühlbar, nicht abnorm gross. 


Gck igle 


Original fro-m 

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Ueber«den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


451) 


Gebiss gut ausgebildet. Lungen-Lebergrenze: 6.Kippe; verschiebbar. Keine Dämpfung, 
überall Vesikuläratmen. Herz nicht verbreitert. Töne rein. 

Puls: 88, regelmässig. 

Abdomen: sehr fettreich, unterer Leberrand schlägt bei Inspiration an, Milz 
nicht fühlbar, nirgends Druckempfindlichkeit. 

Nervensystem: keine auffallende Störung. Augen frei. Patellar- und Pupillar- 
retlexe normal. 

Die Röntgenuntersuchung des Schädels ergibt normale Verhältnisse an der Basis. 
Thymusvergrösserung röntgenologisch nicht nachweisbar. 

Blutbild: 


.. , ... Nach lOtagiger 1 hyreoidinbehandlung 

Vor der Behandlung: ® J x 

b (0,2 g pro die): 


Erytbrocyten. 

4550000 

Erythrocyten .... 

. 4140000 

Leukocyten. 

10800 

Leukocyten .... 

9700 

Hämoglobin. 

75 pCt. 

Hämoglobin .... 

. 75 pCt. 

Neutrophile polynucleäre 

46 „ 

Neutrophile polynucleäre 

• 70 „ 

Lymphocyten. 

39 „ 

Lymphocyten .... 

• 23 „ 

Grosse Lymphocyten . 

öj“ „ 

Grosse Lymphocyten . 

• 2,7 „ 

Grosse mononucleäre . 

0,1 „ 

Grosse mononucleäre . 

• 3,2 „ 

Eosinophile. 

2,3 n 

Eosinophile .... 

. 0,7 „ 

Mastzellen. 

1,4 „ 

Mastzellen .... 

0,5 „ 

Nebenbei interessant 

ist in 

diesem Falle, wie das 

Blutbild — 


die Lymphocytose ist als Teilerscheinung eines Status lymphaticus auf¬ 
zufassen — unter dem Einfluss der Schilddrüsensubstanz normal wird. 
Bemerkenswert sind auch hier, wie im vorigen Falle, die hereditären 
Verhältnisse. Der Fettverteilungstypus weist auf eine endogene Form 
der Fettsucht hin. Die klinische Diagnose näher zu präcisieren ist nicht 
möglich. Zwar lässt sich die symmetrische Speicheldrüsenschwellung 
nach der Beobachtung von Mohr (6) als compensierende Hypertrophie 
bei primärer functioneller Schädigung der Keimdrüsen deuten; doch 
wird diese Vermutung beim Fehlen eines pathologischen Genitalbefundes 
klinisch nicht weiter gestützt. Auch bei Hypophyse, Thymus und Schild¬ 
drüse ist klinisch ein abnormer Befund nicht vorhanden. In höherem 
Grade also wie bei den vorigen Fällen ist hier der Einfluss des Medica- 
mentes von diagnostischer Bedeutung. 

Die Prüfung der Reaction auf Thyreoidin gab denn auch eine sichere 
Aufklärung und bewies (dies sei hier vorweggenomraen) die exquisit 
thyreogene Natur dieses Falles. Zu erwähnen ist noch, dass auch in 
diesem Falle während der Thyreoidinbehandlung keinerlei Aenderung der 
Diät vorgenoraraen wurde. 

B. Der Grundumsatz. 

Die Betrachtung der Tabelle VI ergibt Folgendes: Analog zum 
vorigen Fall wird wiederum der respiratorische Quotient durch Thyreoidin¬ 
behandlung nicht beeinflusst. Er ist — wohl nur eine individuelle Eigen¬ 
tümlichkeit — um einige Hundertstel niedriger als im vorigen Fall. 
Zur Beurteilung des Umsatzes in seiner Stellung zur Norm wird hier in 
derselben Weise vorgegangen wie beim vorigen Fall. Wie aus der 
Normaltabelle für Kinder hervorgeht, sind die Differenzen des Umsatzes 
beider Geschlechter voneinander in diesem Alter nicht grösser als Normal- 


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460 


Heinrich Haussleiter, 


Tabelle VI. Mädchen h. 


Versuchsnummer ■ 

Datum 

1912 

1 3? 

»'S 

i if ’5 bß 

Medikation 

i 

i 

Körperoberfläche 

(nach der M eehschen 
Formel berechnet, mit 
der Constante 12,132) 

in qcm 

Reducicrtes | 
Atemvolumen 
pro Min. in ccm 

Dasselbe 

pro Min. u. Kilog. 
Körpergewicht 
in ccm 

Sauerstoff- 

00 verbrauch pro Min. 

| in ccm 

Dasselbe 

pro Min. u. Kilog. 
Körpergewicht 
in ccm 

l ^ 

1 o = 

£ X p : 

an ~~ - 

zr> _ ~ 

c3 c - = 1 

i.- 

1 

2 

3 4 

5 

6 

7 

9 

10 

58 

30. 10. 

\ 69,000 

20 697 

3799 

55,06 

206,6 

2,99 

99.*:' 

59 

31. 10. 



3557 

51,55 

172,2 

2.40 

83,2t» 

60 

1. 11. 



3557 

51,84 

184,2 

2,67 

89.00 

61 

9. 11. 

69,000 


3631 

52,62 

170,7 

2,48 

82.4S | 


Mittelwert von Vers. 59—61: 


3582 

»2,00 

175 J 

2,55 

#!.>:• i 


9. 11. 

0,2 g Thvreoidin 







62 

10. 11. 

0.2 g 


4912 

71,35 

231,3 

3,35 , 

111,70 


11. 11. 

0,2 g 







63 

12. 11. 

0,2 g „ (68,000) 

20 511 

4985 

73,31 

224,3 

3,25 

109,35 

64 

13. 11 

0,2 g 


5379 

79,69 , 

264,6 

3,92 

129.00 

65 

14. 11. 

0,2 g . 67,000 

20 310 

4193 

62,58 | 

207,1 

3,09 i 

101,97 


Mittelwert von Vers. 62—65: 

| 

4867 

71,73 | 

231,8 

3,40 ; 

113,02 


differenzen innerhalb desselben Geschlechtes. Nach übereinstimmender 
Körpergrösse wählen wir zum Vergleich: Mädchen Nr. 8 und 9 und 
Knaben Nr. 11, 12, 13, 14 der Tabelle. In der Vergleichung halten 
wir uns an die im Fall W. R. eingeschlagene Reihenfolge: 

1 . Vergleich des ganzen Minutenumsatzes mit Abzug von 20 pCt.: 

Kind Kl.: normal: 

140,6 ccm 0, 194,4 ccm 0 2 (minimal) 

220,4 „ „ (maximal) 

Abweichung vom Normalminimum = 27,7 pCt. 

2 . Vergleich des Minutenumsatzes pro Kilogramm Körpergewicht: 

Kind Kl.: normal: 

2,55 ccm 0 2 4,91 ccm 0 2 (minimal) 

5,13 „ „ (maximal) 

3. Vergleich der nach Relation reducierten Tageskalorienzahl pro 
Quadratmeter Körperoberfläche mit den Normalwerten für Erwachsene 
(die Relationszahl schwankt zwischen 113 und 130): 

Kind Kl.: normal: 

minimal: 493,9 Kalorien (reduciert) minimal: 710 Kalorien 
maximal: 522,1 „ „ maximal: 893 „ 

Abweichung des Maximalwertes vom Norraalminimum = 26,5 pCt. 


4. Vergleich des nach Relation reducierten Minutenumsatzes pro 
Kilogramm Körpergewicht mit dem Normalwert für Erwachsene (die 
Relationszahl schwankt zwischen 130 und 150): 

Kind Kl.: normal: 

minimal: 1,79 ccm 0 2 minimal: 2,76 ccm 0 2 

maximal: 1,96 „ „ maximal: 4,53 „ „ 

Abweichung des Maximalwertes vom normalen Minimalwert = 29,0 pCt. 


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Ueber den Gasweclisel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


461 


3 Jahre alt. Grösse 15t cm. 


Kohlensäure¬ 
ausscheidung pro j 
Mio. in ccm 

Dasselbe 

pro Min. u. Kilog. 
Körpergewicht 
in ccm j 

Respiratorischer 
Quotient 
(gleich R.-Q.) 

Bemerkungen 

U 1 

12 

13 

14 

158,4 

2,30 

0,766 

Ad Versuch 58: Gewöhnung an die Ventilatraung. Daher naturgemäss 

131,6 

1,91 

0,764 

alle Werte zu hoch. Alle Versuche sind Normalnüchternruhewerte, 

142,4 

1 2,06 

0,773 

während der Zeit vormittags 10—11 Uhr aufgenommen. 

138,0 

2,00 

0,808 

Ad Durchschnittswert von 59—61: Grösste Abweichung des (^-Ver¬ 

137,3 

! 1,99 

0,782 

brauchs: + 2,85pCt., —4,84pCt. Berechneter durchschnittlicher Tages¬ 

grundumsatz (1 Liter 0 2 = 4.831 Kalorien): 1222 Kalorien. Dasselbe 

177,3 

2,57 

0,767 

pro Kilogramm Körpergewicht: 17,71 Kalorien, dasselbe pro Quadrat¬ 
meter Oberfläche: 590 Kalorien. 

19ß,5 

2,89 

0,876 

Ad Versuch 62: Interessant ist, dass die Wirkung der Arznei schon 
am zweiten Tage manifest wird. Steigerung des durchschnittlichen 

206,6 ! 

3,08 

0,780 

Grundumsatzes: 33,2 pCt., berechneter durchschnittlicher Tages¬ 

158,5 

2,36 

0,765 

umsatz: 1613 Kalorien, dasselbe pro Kilogramm Körpergewicht: 

IS 1,7 

2,73 

0,797 

24,07 Kalorien, dasselbe pro Quadratmeter Oberfläche: 794 Kalorien. 


Der Normalvergleichswert unter 3. und 4. ist entsprechend der 
Normaltabelle nur von männlichen Individuen genommen; da aber der auf 
Quadratmeter Oberfläche bzw. Kilogramm Körpergewicht bezogene Umsatz 
der weiblichen Erwachsenen im Durchschnitt um etwa 10 pCt. höher ist 
als der der männlichen, so ist die procentuale Spannung in Wirklichkeit 
noch etwas grösser. 

Dieses Ergebnis bedarf keiner weiteren Erklärung. Es beweist 
eine Herabsetzung des Umsatzes, die sich auch von der 
schärfsten Kritik nicht abstreiten lässt. Eingeordnet in die 
von Noordensche Tabelle des Umsatzes Fettsüchtiger würde sie den 
tiefsten bisher mit dieser Methodik beobachteten Wert darstellen (vgl. 
Tabelle II). 

C. Tbyreoidinwirkung. 

Die Reaction auf Schilddrüsensubstanz äussert sich in einer Steigerung 
des Grundumsatzes von 33,2 pCt. Diese Steigerung würde in 6 Tagen 
die Verbrennung von knapp 250 g Körperfett bei gleichbleibender 
Nahrung bewirken können. Es wurde dagegen ein Gewichtsverlust von 
2,0 kg beobachtet. 

Es liegt kein Grund vor, diesen durch negative Wasserbilanz allein 
erklären zu wollen. Es zeigt sich vielmehr nach unserer Meinung hier 
eine Lücke der bisherigen Beobachtungen der Schilddrüsenwirkungen: 
Es ist von vornherein durchaus nicht von der Hand zu weisen, dass, 
analog der Steigerung des Grundumsatzes, auch die Steigerung des Um¬ 
satzes nach Nahrungszufuhr (insbesondere die specifisch-dynamische Com- 
ponente) erhöht oder der Nutzeffect bei Muskelarbeit erniedrigt würde. 
Exacte Untersuchungen über beide Möglichkeiten liegen bisher nicht vor 
(mit Ausnahme der Beobachtung von Jaquet und Svenson, welche bei 
zwei Fettleibigen nach Thyreoidingabe keine Steigerung des Grund- 


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Heinrich Haussleiter, 


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4G2 


Umsatzes, dagegen eine solche des Umsatzes nach Mahlzeit nach- 
weisen konnten). Beim Morbus Basedowii konnte Magnus-Levy (11) 
in zu diesem Zweck angestellten Untersuchungen des Gaswechsels 
nach Nahrungsaufnahme kein vom Normalen abweichendes Resultat 
beobachten. 

Eine Verschlechterung des NutzefTectes bei Muskelarbeit dürfte von 
vornherein nicht gänzlich durch eine nervös bedingte motorische Unruhe 
zu erklären sein, analog dem Morbus Basedowii. 

Bemerkenswert ist die schon oben berührte Tatsache des momentanen 
Anstieges zugleich auf eine Höhe, die der dann eingehaltenen Durch- 
schnittssteigerung schon sehr nahe kommt. 

Während der Schilddrüsenbehandlung beobachten wir ohne äusseren 
Grund (bei vorsätzlicher Muskelruhe) beträchtliche Schwankungen des 
gesteigerten Umsatzes. Diese bilden vielleicht ein Analogon zu der 
Beobachtung Steyrers (18), der bei Morbus Basedowii grosse tägliche 
Schwankungen des Grundumsatzes parallelgehend mit Schwankungen 
der nervösen Erscheinungen fand. (Ebenfalls bei vorsätzlicher Muskel¬ 
ruhe.) Ob der Grund zu diesem Verhalten in einer Tonusänderung 
auch des entspannten Muskels liegt, ist nicht erwiesen. Gegen eine 
solche Beeinflussung des Grundumsatzes durch Muskeltonus sprechen 
die mit der Zuntzschen Methode an Nervenkranken angestellten Unter¬ 
suchungen. 

Zum Schluss sei dieser Fall noch kurz dem vorhergehenden gegen¬ 
übergestellt. 

Beide Fälle stimmen in allen zu einem directen Vergleich erforder¬ 
lichen Dimensionen (Gewicht, Grösse, Körperoberfläche, Alter) so gut 
zusammen, dass sie fast mit demselben Rechte wie zwei verschiedene 
Zustände eines Individuums miteinander verglichen werden können. 

Trotzdem besteht ein Unterschied in der Umsatzintensität, der sich 
in dem Verhältnis 

ca. 1,58 (W. R.) : 1,00 Kalorien 

ausdrückt. Dieses Verhältnis scheint auf eine gewisse gesetzmässige 
Beziehung zwischen Umsatzhöhe und Thyreoidinerapfindlichkeit (bzw. 
Schilddrüsentätigkeit) hinzuweisen. Nicht nur, wie wir sie weiter oben 
folgerten, für verschiedene Zustände eines Individuums, sondern auch 
allgemeingiltig unter Einbeziehung verschiedener Individuen. Es trifft 
schematisch zusammen: 




i 

Umsatz: j 

und Thyreoidin- 
reaction: 

' 

Idaraus zu folgernder 

1 Grad der Schild- 




| drüsentätigkeit: 

W. R. Serie I u. 11 

1. 

noch normal 

fehlt 

| nicht herabgesetzt 

W. R. Serie III . 

2. 

wenig unternormal 

massige Reaction 

; massig herabgesetzt 

Kl. 

3. 

bedeutend unternormal 

starke Reaction 

! stark herabgesetzt 


Allgemein Hesse sich hieraus formulieren: 

Die absolute Höhe des Grundumsatzes ist eine directe 
Function der Intensität der Schilddrüsentätigkeit und be¬ 
stimm! im voraus die Grösse der Thyreoidinempfindlichkeit. 


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lieber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 463 

4. Fall. (A. M.) 

Hauptsächlich um die Erfahrung über die Wirkung des Leptynols 
noch weiter auszudehnen, wurde folgender Fall von exogener Fettsucht 
zunächst auf seine Reaction auf Leptynol, sodann zum Vergleich auf seine 
Reaction auf Thyreoidin untersucht. 

A. Krankengeschichte. (15. 9. 15). 

Patient: A. M., Medicinalpraktikant, 32 Jahre alt. 

Diagnose: Exogene Fettsucht geringen Grades. 

Anamnese: Neigt seit Beginn seines Studiums zur Korpulenz. Nicht über¬ 
mässiger Esser. Frühere Krankheiten: Masern, Scharlach mit Nephritis, vor 2 Jahren 
Pleuritis exsudativa sinistra. Potus und Nikotinabusus negiert, ebenso sexuelle 
Infektion. 

Heredität: Nichts Besonderes. 

Status praesens: Körpergrösse 167cm, Körpergewicht (ohne Kleider) 79,65kg, 
Halsumfang 40 cm, mittlerer Brustumfang 99 cm, Abdomen (Umfang in Nabelhöhe) 
108 cm, Taille 94 cm, Oberarm: Mitte rechts 31 cm, links 30 cm, Unterarm: grösster 
Umfang rechts 28, links 27 cm, Oberschenkel (Mitte) 52 cm, Unterschenkel (grösster 
Umfang) 39 cm. 

Untersetzter, kräftiger Patient mit gutentwickelter Muskulatur, überall gute Fett¬ 
polster, insbesondere an Nacken, Schultern, sowie den Bauchdecken. 

Rachenring: Leicht gerötet, Pharyngitis granularis; keine Halslymphdrüsen- 
schwellung, Schilddrüse eben zu fühlen; Lungen 0 . B., Herz 0 . B., Puls nicht ge¬ 
spannt, regelmässig, langsam. 

Urin: Kein Eiweiss, kein Zucker. 

Nervensystem: Ohne grobe Störung. 

Es ist dies ein leichter Fall von exogener, wahrscheinlich Mast¬ 
fettsucht ohne Complicationen. Es wurde keine Diätvorschrift gegeben. 
Das Körpergewicht zeigt während der Untersuchung, weit mehr als bei 
den anderen Fällen, individuell bedingte Schwankungen von Tag zu Tag 
bis zu 1000 g, welche das wahre Bild der Gewichtsschwankungen etwas 
verschleiern, aber grössere Ausschläge doch annähernd bestimmen lassen. 

B. Leptynolwirknng. 

Das Gewicht bleibt während der Beschickung des Körpers mit 
Leptynol auf seiner Höhe. Ein Einfluss auf die 0 2 -Zehrung ist weder im 
Einzelnen nach jeder Injection noch im allgemeinen nach dem Durchschnitts¬ 
wert zu erkennen. In diesem Falle einer Versuchsperson mit geschärfter 
Selbstbeobachtung sei noch auf die sonstige Wirkung des Leptynols ein¬ 
gegangen: Euphorie und Verminderung der Appetenz wurde niemals 
beobachtet. Nach der 2. Injection trat am Abend vorübergehend geringe 
Temperaturerhöhung auf, bei der aber eine andere Ursache als das 
Leptynol nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte. Sie 
wiederholte sich nicht. 

€. Der Grundumsatz. 

Wir können auch hier die Werte der Leptynolversuchsserie als 
Normalwerte ansehen und legen zweckmässig, ähnlich wie in den anderen 
Fällen, nicht die naturgemäss noch etwas zu hohen Durchschnittswerte 
der Versuche 41—43 (Tabelle VII), sondern den der Versuche 44—49 der 
Betrachtung des Grundumsatzes zugrunde. 


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464 


Heinrich H a us s 1 eiLer, 


Tabelle VII. Herr A. M 


Versuchsnummer 

Datum 

1913 

Medikation 

Körpergewicht 
(ohne Kleider) 
in kg 

Körperoberiläche 
(nach der Meeh gehen j 
Formel berechnet, mit 
der Co ns t ante 12,312) 
in qcm 

. g § 

St = a 

u “ • — 

0-4) 

O O ~ 

"c s .9 

3 2 as 

o 

_Cu 

Dasselbe 
pro Minute und 
kg Körpergewicht 
in ccm 

Sauerstoff- 
verbrauch pro Min. 
in ccm 

Dasselbe 
pro Minute und 
kg Körpergewicht 
in ccm 

1? i - 

S v £ 
o = S = 

s.s.r: 

ctf mg» • — — 

■. Ä - 

O S 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

41 

25. 6. 


78,9 

22 650 

(5980 

88,47 

306,4 

3.88 

135.28 

42 

28. 6. 




7125 

90,30 

296,4 

3.76 

t30,S7 

43 

30. 6. 




7209 

91,37 

312,9 

3,87 

138,15 


Mittelwert v. Vers. 41—43: 



7105 

90,05 

305,2 

3,S7 

234,77 


30. 6. 

2 g Leptynol 








44 

1.7. 

2 g 

79,65 

22 793 

7472 

93,81 

304,1 

3,82 

132,42 

45 

2. 7. 


79,15 

22 696 

6414 

81,04 

275,2 

3,48 

121.25 

46 

3.7. 


80,15 

22 887 

6915 

86,28 

312,6 

3,90 

136,58 


4. 7. 

2 g 

79,65 







47 

5.7. 


80,40 

22 935 

6652 

82,74 

286,0 

3,56 

121,86 

48 

7. 7. 


79,05 

22 678 

6338 

80,18 

307.4 

3,89 

1 3d.o5 


9. 7. 


79,00 







49 

10. 7. 

2 g 

78,55 

22 582 

6181 

78,69 

299,2 

3,81 

132,49 

50 

11.7. 


78,75 


4925 2 ; 

62,54 

234,02) 

2,97 2) 



12.7. 


79,75 








Mittelwert v. Vers. 44—49: 



6662 

S3,79 

297,4 

3,74 

130,03 


15.7. 

3 Tabl. Degrasin 

79,35 








16.7. 

4 „ 

79,15 








17. 7. 

5 , 

79,05 








18. 7. 

6 „ 

79.55 








19. 7. 

6 „ 

79,35 


, 






20. 7. 

6 . 

78,15 








21.7. 

6 * 

79,25 






i 


22. 7. 

6 „ 

79,15 








23. 7. 

5 B * 

78,15 


' 






24. 7. 

__ 

79,35 







51 

25. 7. 

_ 

78,85 

22 639 

7394 

93,77 

334,2 

1 4 > 24 i 

147.62 

52 

28. 7. 

— 



7830 

99,30 

361,0 

4,58 

1 159,46 


29. 7. 

0,2 g Thyreoidiu 

79,5 

1 

! ! 






30. 7. 

0,3 g 



| 1 






81.7. 

0,4 g 

78,75 






1 


1.8. 

0,5 g 

79,15 


! 






2. 8. 

0,5 g 

78,15 








3.8. 

0,5 g 

77,75 








4. 8. 

0,4 g 

77,65 







53 

5. 8. 

— 

77,65 

22 409 

7402 

95,33 

345,7 

4,35 | 

154,27 


Mittelwert v. Vers. 51—53: 



7542 i 

96,13 

347,0 

4,39 

153,78 

54 

22.9. 


77,65 

22 409 

! 6769 

82,05 

317,4 

3,85 1 

141,64 

55 

22.9. 

Muskelarbeit 



! 11514 ! 

139,57 

651,7 

7,89 | 


56 

23. 9. 

0,4 g Thyreoidiu 

78,65 

22 601 

7258 

86,92 

327,3 

3,92 

144,82 



Muskelarbeit 






1 


57 

23. 9. 

0,4 g Thyreoidiu 



11080 ; 

132,70 

577,3 

6,91 



24. 9. 

0,4 g 









26. 9. 

— 

77,65 






i 


29. 9. 

— 

78,15 




i 




Nr. 10 und 11 der Magnus-Lcvyschen Normaltabelle haben dieselbe 
Grösse (167 cm, Gewicht 67,5 kg), gestatten also einen directen Ver¬ 
gleich. Der Minutenumsatz unseres Falles (297,4 ccm 0 2 ) mit Abzug von 
20 pGt. =237,9 ccm 0 2 ist etwas höher als der Normalwert 231,3 ccm 0 2 . 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


4G5 


32 Jahre alt. Grösse 167 cm. 


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12 

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3,23 

0,831 

247,9 

3,14 

0,836 

253,8 

3,22 

0,811 

252,2 

3,20 

! 0,826 

273,41) 

3,43 l ) 

\ 0,897 

235,4 

2,97 

1 0,856 

260,7 

3,26 

0,834 

236,8 

2,95 

0,828 

242,1 

3,05 

0,788 

239,0 1 

3,04 

0,890 

194,6 1 

2,46 

0,831 

247,9 

3,12 

0,834 


261,6 

3,37 

0,844 

275,4 

3,51 

1 0,823 

265,1 

: 3,21 

\ 0,834 

557,3 

I 6,76 

| 0,855 

264,2 

3,16 

| 0,807 

888,6 

[ 5,85 

0,846 



Ad Versuch 41—43: Normalnüchternruhewerte, sämtlich morgens 8 Uhr 
aufgenommen. 

Mittelwert: Grösste Abweichung des Atemvolumens . . + l,46pCt, 


Grösste Abweichung des 0 2 -Verbrauchs . 


+ 1,46 pCt, 

— 1,76 pCt. 
+ 2,52 pCt., 

— 2,88 pCt. 
2122 Kal., 
26,89 Kal., 

936,8 Kal. 


Berechneter Durchscbnittstagesumsatz (1 1 0 2 = 4,831 Kal.) 2122 Kal., 
dasselbe pro kg Körpergewicht .... 26,89 Kal., 

dasselbe pro qm Oberfläche. 936,8 Kal. 

Ad 30. 6.*. Leptynolinjection in das Glutäalfettpolstcr (ebenso alle weiteren 
Injcctionen). Nachmittags 2 1 / 2 stündiger Spaziergang. 

Ad 1.7.: Nachmittags 2 1 / 2 stündiger Spaziergang. Abends: Temperatur 38,7. 
Kopfschmerzen, Mattigkeit. (Allerdings wurde die Temperatur gemessen 
gleich nach Körperanstrengung.) 

Ad Versuch 44 1 )*. Vorversuch nur von 7 Minuten Dauer; daher Atmung 
noch zu gross. C0 2 -Werte etwas zu hoch. 

Ad 4. 7.: Nachmittags längerer Spaziergang. 

Ad 10. 7.: Nachmittags längerer Spaziergang. 

Versuch 44—50: Nüchternruhewerte während der Leptynolkur, sämtlich 
morgens 8 Uhr aufgenommen. 

Ad Versuch 50 2 ): Pleuritische Schmerzen, Atmung daher beeinträchtigt. 

Der Versuch findet keine Berücksichtigung. 

Mittelwert 44—49: Grösste Abweichung des 0 2 -Verbrauchs + 5,11 pCt., 

— 7,46 pCt. 

Durchschnittstagesumsatz (berechnet) . . . 2096 Kal., 

dasselbe pro kg Körpergewicht. 26,22 Kal., 

dasselbe pro qm Oberfläche.913,8 Kal. 

Vom 15.—25. 7.: Täglich ausserordentliche Zufuhr von 2 Litern Milch ist 
bei dem Fehlen der Gewichtsabnahme zu berücksichtigen. 

Ad Versuch 51—53: Nüchternruhewerte während starker Degrasin- bzw. 
Thyreoidinkur, sämtlich morgens 8 Uhr aufgenoramen. Gewichtsabnahme 
innerhalb einer Woche 1,850 g. 

Mittelwert: Procentuale Steigerung des 0 2 -Verbrau chs: 13,66 pCt. 

Ad Versuch 54: Grundumsatz zum anschliessenden Arbeitsversuch. 

Ad Versuch 55: Arbeitsversuch. 

Ad Versuch 56: Grundumsatz zum anschliessenden Arbeitsversuch. 

Ad Versuch 57: Arbeitsversuch. 

Ad 24. 9.: Patient bekommt starkes Herzklopfen und Mattigkeitsgefühl. 
Puls in der Ruhe 120. Infolgedessen Thyreoidinbehandlung abgebrochen, 
weitere Versuche aufgegeben. 


Ebenso ergibt sich bei Vergleichung der Tageskalorienzahl pro Quadrat¬ 
meter Körperoberfläche, dass der entsprechende Wert unseres Falles — 
913,8 Kalorien — unbedeutend grösser ist, als der grösste Wert der 
Normaltabelle (893 Kalorien). Alle Beziehungen auf Kilogramm Körpcr- 


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Heinrich Haussleiter, 


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466 

gewicht, wie das in der Natur der Sache liegt, geben günstigere Werte. 
Wir haben es also hier mit einem Grundumsatz zu tun, der an der 
oberen Grenze des Normalen liegt. 

1). Thyreoidinwirkung. 

Lässt sich die oben abstrahierte Beziehung zwischen Umsatzhöhe 
und Thyreoidinreaction auch auf das Normalgebiet verallgemeinern, so 
hätten wir hier eine geringe Reaction des Umsatzes auf Thyreoidin zu 
erwarten. 

Was den Gewichtsverlust anbelangt, so linden wir diese Voraussage 
bestätigt: Trotz Maximalhöhe der Dosen in den ersten beiden Wochen 
kein Gewichtsverlust, in der dritten Woche ein Gewichtsverlust von un¬ 
gefähr 1 kg. 

Weniger gut bestätigt unsere Erwartung der Grundumsatz, welcher 
— nach 10 Tagen zum ersten Mal gemessen — eine Steigerung von 
13,66 pGt. zeigt. Immerhin ist diese Reaction einer über 3 Wochen aus¬ 
gedehnten so hohen Dosierung als Unterdurchschnittswirkung beim Normal¬ 
menschen zu beurteilen, und würde sich als solche doch ungezwungen 
dem obigen Schema eingliedern. 

Im übrigen sind wieder die charakteristischen Schwankungen zwischen 
den einzelnen Steigerungswerten zu beobachten. Beachtenswert ist endlich, 
dass nach 17 thyreoidinfreien Tagen noch eine über der Fehlergrenze 
liegende Steigerung des Umsatzes vorhanden ist. Auffallend und wohl 
mit den in den übrigen Fällen gemachten Beobachtungen im Einklang 
stehend ist die Tatsache (auf die weiter unten noch näher eingegangen 
wird), dass gerade in diesem Falle — der hohe an der Grenze des 
Normalen stehende Umsatz liess eine Prädisposition nach der Basedow- 
Richtung vermuten — trotz (nach unserer Auffassung müsste es heissen: 
wegen) einer ziemlich geringen Reaction des Umsatzes auffallend früh 
Symptome des Thyreoidismus (also durch die toxischwirkende Componente, 
nicht durch die umsatzsteigernde bedingt) auftraten. 

E. Arbeitsversoche. 

Zwei Arbeitsversuche wurden bei Fall A. M. in etwas anderer Weise 
als bei Fall Or. folgcndermassen ausgeführt: Patient lag in derselben 
Weise wie beim vorhergehenden Ruheversuch in horizontaler Lage. Er 
hob dann in gleichmässig, ruhiger Bewegung mit beiden Händen ein 
Eisengewichtsstück aus dem Niveau seiner Lage bis zur verticalen Streck¬ 
stellung seiner beiden Arme. Im Moment der erreichten höchsten Hub¬ 
höhe, möglichst ohne dass eine Pause dazwischen lag, in der das Ge¬ 
wicht mit gestreckten Armen ruhig gehalten w r erden musste, wurde ihm 
dieses von einer beistehenden Person abgenommen. Sodann liess er die 
Arme ganz schlaff, möglichst ohne jede Muskelanspannung, in die Anfangs¬ 
lage zurückfallen, um das Gewicht zum zweiten Hube von der bei¬ 
stehenden Person wieder anzunehmen. Diese Methode hat vor der 
Ergostatenmethode den Vorteil 1 . der directen absolut sicheren Dosierung 
der geleisteten Arbeit, 2. der besseren Entspannung aller nicht arbeitenden 
Muskeln, 3. der besseren Ausschaltung jeder nicht in Arbeit sich um- 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


467 


setzenden Nebenbewegung; 4. das Fortfallen der Notwendigkeit einer 
langen Vorübung wegen der Einfachheit dieser Bewegungen; 5. das Bei¬ 
behalten derselben Lage während des vorhergehenden Ruheversuches und 
des nachfolgenden Arbeitsversuches. 

Das gehobene Gewicht betrug 10 kg. Die Hubhöhe wurde zu 46 cm 
gemessen. Zu der hierdurch gemessenen Arbeit muss noch diejenige 
Arbeit hinzuaddiert werden, die erforderlich ist, um die Arme ohne Ge¬ 
wicht zu heben. Als Armgewicht wird auf Grund der Messungen von 
Harlass, Braune und Fischer für den normalen Erwachsenen 6,2pCt. 
des Körpergewichts angegeben [Gegenbauer-Fürbringer, Lehrbuch der 
Anatomie (22)]. Diese Zahl braucht in unserem Fall, in dem das ge¬ 
ringe Mehrfett ziemlich gleichmässig auf alle Körperteile verteilt, nicht 
geändert zu werden. Um die Hubhöhe zu finden, denken wir uns das 
Armgewicht in den Schwerpunkt des Armes verlegt. Es dürfte wohl die 
Annahme, dass sich das Gewicht ziemlich gleichmässig. auf die einzelnen 
Partieen des Ober- und Unterarmes verteilt, also der Schwerpunkt des 
ganzen Armes etwa im Niveau der halben Hubhöhe liegt, keinen zu 
grossen Fehler enthalten, zumal wenn wir in Erwägung ziehen, dass das 
Gewichtsstück auf den Handballen aufruht, also die Hände die Hubhöhe 
nicht mehr beeinflussen, das Gewicht der Hände sich aber zu den 
distalen an sich etwas leichteren Hälften der Arme hinzuaddiert. 

Körpergewicht (bekleidet): 83,0 kg. Demnach Gewicht beider Arme 
12,4 pCt. = 10,3 kg. Halbe Hubhöhe = 23 cm. 

Arbeit eines Hubes durch Armgewicht verursacht . . 2,37 mkg 

n Ti 77 71 10 k 6 Gewicht „ • • 4,60 „ 

Gesamtarbeit eines Hubes . . 6,97 mkg 

Arbeitsversuch I: Versuchsdauer 13 Minuten, und zwar wurden während der 
ersten 11 Minuten 221 Hübe in gleichmässigem Tempo ausgeführt, die darauffolgenden 
2 Minuten noch als Periode der Nachwirkung der Arbeit mit Körperruhe in denVersuch 
einbezogen. Zwischen vorhergehendem Ruheversuch und Arbeitsversuch wurde die 
Ventilatmung nicht abgesetzt, daher erübrigt sich die Einschaltung einer neuen Vor¬ 
periode zur Atemeinstellung. 

Geleistete Arbeit: 6,97 X 221 = 1540,37 mkg. 

SauerstolTmehrverbrauch (cf. Tab. VII, Versuch 54 u. 55) pro Minute 334,3 ccm 0 2 , 
Gesamtsauerstoffmehrverbrauch: 4346 ccm 0 2 , R.-Q. =0,855; demnach entspricht: 

1 Liter 0 2 maximal: 4,868 Kalorien 
minimal: 4,623 „ 

4346 ccm 0 2 maximal: 21,156 Kalorien 
minimal: 20,091 „ 

1 mkg Arbeit verbraucht also: 0,01374 Kalorien maximal 

1 „ „ „ „ 0,01304 „ minimal. 

Nutzeffeot: 17,13 pCt. maximal 1 lf il . ir _ „ 

IQ n< . . * > Mittel: D,6 pCt. 

„ 18,04 „ minimal J 7 r 

Arbeitsversuoh 11 wurde in derselben Weise ausgeführt. Versuchsdauer: 
16 Minuten, davon 4 Minuten Nachperiode. Arbeitsleistung: 220 Hübe. Am Tage 
vorher war 0,4 g Thyreoidin genommen w r orden. 


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Heinrich Haussleiter, 


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Geleistete Arbeit: 15,334 mkg. 

Sauerstoffmehrverbrauch (cf. Tab. VII, Vers. 5G u. 57) pro Minute: *250,0 ccm 0 2 , 
Gesamtsauerstoffmehrverbrauch: 4000 ccm 0 2 , R.-Q. =0,846; demnach entspricht: 

1 Liter 0 2 maximal: 4,857 Kalorien 
minimal: 4,587 „ 

4000 ccm 0 2 maximal: 19,428 Kalorien 
minimal: 18,348 „ 

1 mkg Arbeit verbraucht also: 0,01267 Kalorien maximal 
1 „ „ „ „ 0,01198 „ minimal. 

Nutzeffect: 18,57 pCt. maximal ) ... . , _ 

1Q ’ h } Mittel: 19,1 pCt. 

„ 19,<>0 „ minimal j 7 r 

Wir finden also mit dieser Versuchsmethode Werte, die zwar etwas 
grösser als die oben erwähnten Katzensteinschen Zahlen sind, aller¬ 
dings die optimalen Werte für die obere Extremität von 23—25 pCt. 
(Heineraann). Mag das nun seine Ursache darin haben, dass doch auch 
bei dieser Versuchsanordnung Extrarauskelleistungen (Fixation des Thorax) 
und des Schultergürtels, vor allen Dingen Spannung der Bauchpresse, 
nicht ganz zu umgehen sind, andererseits die Antagonistenspannung bei 
geringer Uebung doch auch hier mehr, als wir zu Beginn annahmen, ins 
Gewicht fällt, so ist diese Differenz für unsere Fragen nicht von aus¬ 
schlaggebendem Interesse. Es sei nur constatiert, dass auch bei dieser 
Versuchsperson eine Vergrösscrung des NutzefTectes gegenüber dem 
Normalen nicht zu beobachten war. 

Vergleichen wir beide Versuche gegeneinander! Hier müssen wir 
vorausschicken, dass der zu Versuch 2 gehörige Grundumsatzsauerstoff- 
verbrauch (wohl schon als Wirkung der 0,4 g Thyreoidin) gegen den 
von Versuch 1 um 10 ccm pro Minute erhöht ist (vgl. Tab. VII, Vers. 54 
und 56). 

Wie es die Regel ist, finden wir in beiden Arbeitsversuchen den 
R.-Q. gegen den Ruhewert erhöht (C0 2 -Ueberschwemmung des Blutes). 
Die Werte der beiden Versuche selbst (Mittelwert von Versuch 2 um 1,5 pCt. 
grösser als der von Versuch 1) stimmen gut überein und lassen keine 
Steigerung des Arbeitsstoffwechsels in Versuch 2 erkennen. Dies ist 
allerdings einen Tag nach Beginn der Thyreoidinkur von keiner ausschlag¬ 
gebenden Bedeutung. 

Vielmehr war folgende weitere Versuchsfolge geplant worden: Die 
Versuchsperson, die in einer früheren Versuchsreihe mässig stark auf 
Thyreoidintabletten reagiert, und diese bis zu einer Tagesdosis von 0,5 g 
ohne jede Nebenerscheinung vertragen hatte, sollte sich nunmehr nach 
einem Zwischenraum, während dessen allerdings, wie aus Tab. VII, Vers. 54 
hervorgeht, der Ruheurasatz noch nicht wieder gänzlich auf seinen Normal¬ 
wert zurückgegangen war, in möglichst raschsteigender Dosis (bis zu 0,6 g 
pro die) einer etwa 7—10 Tage dauernden neuen Thyreoidinkur unter¬ 
ziehen. Am Anfang dieser Periode stehen unsere beiden Arbeitsversuche. 
Am Ende der Periode sollten zwei weitere Arbeitsversuche ausgeführt 
werden, um in analoger Fragestellung, wie bei Arbeitsversuch 1 und 2 
(Fall ()r.) für das Leptynol, hier zu sehen, inwieweit durch Thyreoidin 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


469 


bei sicher gesteigertem Ruhestoffweehsel der Arbeitsstoffwechsel beeinflusst 
würde. 

Leider konnte der Plan nicht ausgeführt werden; denn es stellten 
sich bei der Versuchsperson am dritten Tage (nach 0,4 -J- 0,6 + 0>4 S 
Thyreoidinverabreichung) Herzbeschwerden ein, die sich in ziemlich er¬ 
heblicher Mattigkeit, starkem subjectivem Herzklopfen und einer Puls¬ 
beschleunigung bis 120 pro Minute (in der Ruhe) äusserten, mehrere 
Tage anhielten und Patient sogar einige Tage arbeitsunfähig machten. 

5 . Fall. (Thü.) 

(Vgl. Tabelle VIII, Versuch 66-67.) 

A. Krankengeschichte. (30. 5. 1913.) 

Patient: 36 Jahre alt, Grösse: 1,68 m. 

Gewicht: 88,5 kg. 

Diagnose: Erworbene endogene Fettsucht, wahrscheinlich auf luetischer Basis. 

Anamnese: Patient, früher Kaufmann, ist früher als Offizier sehr schmächtig 
gewesen, seit ca. 6 Jahren, angeblich ohne besondere Luxusconsumtion, während und 
nach einem längeren Aufenthalt in Südafrika, der mit grossen Strapazen verbunden 
war, Beginn einer Gewichtszunahme, die im Laufe der Jahre stärker geworden ist. 
Körpergewicht zu Beginn der Behandlung netto 100 kg. Abgesehen von Kinder¬ 
krankheiten nie ernstlich krank gewesen, auch nicht während seines Aufenthaltes in 
Afrika und Südamerika; dagegen während des Aufenthaltes in Afrika Gonorrhoe und 
angeblich weicher Schanker. Keine specifische Behandlung. Verheiratet, zwei ge¬ 
sunde Kinder. Keine Aborte bei der Frau. 

Status: Plethorisch aussehender, fettleibiger Mann. Starke Fettpolster an den 
Wangen, im Nacken, Abdomen, an den Hüften. Beide Ohrspeicheldrüsen sind birnen¬ 
gross, derb. Auch die Submaxillardrüsen vergrössert, Tränendrüsen und Sublinguales 
anscheinend von normaler Grösse. Beide Lappen der Schilddrüse verdickt. Thymus¬ 
dämpfung nicht nachweisbar. Genitalorgane von normaler Grösse. 

Befund an den inneren Organen: o. B. Milz nioht fühlbar. 

Wassermannsche Reaction: negativ. 

Bisherige Therapie: Trotz des negativen Ausfalls der Wassermannschen 
Reaction wird mit Rücksicht auf die wahrscheinliche frühere Infection eine Salvarsan- 
behandlung mit 1,6 g Neo-Salvarsan im Laufe von 24 Tagen eingeleitet. Die In- 
jectionen wurden ohne Reaction vertragen. Die Gewichtsabnahme betrug nach dieser 
Zeit 8 Pfd. Im Anschluss daran wurde eine Schilddrüsenbehandlung eingeleitet, 
täglich 0,3 g Trockensubstanz. Nach weiteren 14 Tagen eine Gesamtgewichtsabnahme 
von 13 Pfd. Daraufhin wurde die Schilddrüsentherapie abgebrochen, da Patient eine 
längere Auslandsreise antreten musste. Nach 2 Monaten hatte das Körpergewicht um 
8 Pfd. wieder zugenommen. Eine nochmalige Salvarsanbehandlung vön 1,5 g Neo- 
Salvarsan im Laufe von 4 Wochen hatte auf das Gewicht keinen Einfluss. Dagegen 
sank es nach daran sich anschliessender Schilddrüsenbehandlung (Degrasin), 4 bis 
6 Tabletten pro Tag, im Laufe von 14 Tagen um 5 kg. Hier setzen die beiden 
Respirationsversuche ein. Infolge beruflicher Reisen musste die weitere Behandlung 
und Beobachtung abgebrochen werden. 

B. Der Grundumsatz. 

Die beiden angestellten Respirationsversuche zeigen einen beträcht¬ 
lich erhöhten Grundumsatz nach längerer starker Thyreoidinverabreichung. 
Sie verlieren allerdings an Wert, da die Beobachtung des dazugehörigen 
Normalgrundumsatzes fehlt. 


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470 


Heinrich Haussleiter 


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2 

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Herr Thü., 36 Jahre alt. 

66 

30. 5. 


88,50 

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393,7 

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67 

31. 5. 




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4,770 

172,69 

Mittelwert von Vers. 66 u. 67: 


i 

8 001 

96,62 

406,9 

4,609 

166,85 








Herr 

Thml., 30 Jahre alt. 

68 

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7269 j 

84,42 

367,1 ! 

4,264 ! 

147,27 

69 

5. 8. 




7791 1 

90,49 

437,9 

5,086 

175,67 

70 

6. 8. 




8963 1 

104,10 

409,6 

4.757 

164,32 


7. 8. 

2,2 g Leptvnol 

92,15 

! 







16. 8. 

3,0 g 

93,20 


1 






25. 8. 

2,5 g „ 









1. 9. 


91,35 


j 





Mittelwert von Vers. 68—70: 


1 i 

soos 1 

93,00 

401,9 

4,702 i 

162,42 





6. Fall. 

(Thml.) 






(Vgl. Tabelle VIII, Versuch 68-70.) 

A. Krankengeschichte. (4. 8. 1913.) 

Patient: Thml., berufslos, früher Student, 30 Jahre alt, 1,72 m gross. 

Diagnose: Exogene Fettsucht (Mastfettsucht auf alkoholischer Basis). 

Anamnese: Familienanamnese ergibt Neigung zur Fettsucht. Patient gibt an, 
seit Jahren nicht zu Frühstück und nicht zu Mittag zu essen „ausser einer Flasche 
Wein. a Seine Hauptmahlzeit sei abends. Im Anschluss daran regelmässig sehr reich¬ 
licher Alkoholgenuss (Bier und Wein). 

Status: Sehr kräftiger, fettreicher Mann. Fettverteilung gleichmässig. Be¬ 
sonders beteiligt Nacken und Bauchdecken. Gesicht etwas gedunsen. Mässige Er¬ 
weiterung der Lidspaite. Speicheldrüsen und Genitalien: o. B. 

Innere Organe: ohne Befund. 

Urin: kein Zucker, kein Eiweiss. 

Wassermannsche Reaction: negativ. 

Blutbild: o. B. 

* B. Der Grundumsatz. 

ln diesem Falle finden wir einen für normale Verhältnisse hoch¬ 
gradig gesteigerten Grundumsatz. Im Hinblick auf die Anamnese ist 
es allerdings fraglich, ob die Versuche wirklich Nüchternwerte im üblichen 
Sinne darstellen. Sie wurden alle nach 10 Uhr vormittags, ohne vorher¬ 
gehendes Frühstück gemessen. Der auffallend niedrige R.-Q. lässt die 
Beteiligung des Alkohols an der Verbrennung noch deutlich erkennen; 
er ist am niedrigsten beim höchsten Umsatzwert. Schon die kolossale 
Schwankung von 70 ccm 0 2 pro Minute von einem Tag auf den andern 
ist ein Zeichen dafür, dass wir es hier nicht immer mit gleichwertigen 
Zuständen des Umsatzes zu tun haben. 


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Original fro-m 

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lieber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


471 


belle VIII. 


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11 

12 

13 

14 

Grösse 168 cm. 



299,9 

3,388 

0,762 

Nach 2 wöchiger Thyreoidinkur (0,6 g pro die: letzte Arzneianwendung am 

313,1 

3,538 

0,752 

28. 5.) aufgenommene Nüchternruhewertc, morgens 8 Uhr. Gewichtsabnahme 

306,5 

3.463 

1 0,757 

während der Behandlung 2,5 kg. 

Grösse 172 ccm. 



301,7 

3,504 

0,822 

Ad Versuch 68—70: Normalnüchtcrnrubewerte, vormittags lOUhr aufgenommen. 

321,0 

3,728 

0,733 

Das Gewicht ist immer ohne Abzug der Kleider angegeben; für die Berechnung 

315,5 

3,664 

0,770 

wird 5 kg abgezogen. — Es sei bemerkt, dass Pat. sich sehr unregelmässig er¬ 
nährt und teilweise am Abend vor dem Versuch reichliche Mengen alkoholische 
Getränke zu sich genommen hat. Hierdurch lassen sich die grossen Schwankungen 
der Einzelwerte erklären. Bei den Versuchen wird regelmässig Alkoholgeruch 
des Atems wahrgenommen, einmal auch Acctongeruch. 

312,7 

3,632 

0.775 

Ad 7—25. 8.: Leptynol wird in das Fettpolster der Bauchdecken injiciert. Am 
Nachmittag desselben Tages Muskelarbeit mit Hanteln ausgeführt. 


Man ist versucht, hier wirklich von einem Luxusenergieverbrauch zu 
reden. Ob die reichliche Alkoholernährung bei gleichbleibender Fettsparung 
auch den Umsatz erhöht, muss unentschieden bleiben. 


7 . Fall. (Kind G. B.) 

(Vgl. Tabelle IX, Versuch 71 und 72.) 1 ) 

A. Krankengeschichte. (6. 10. 1913.) 

Patient: G. B., Schülerin, 10 Jahre alt. 

Diagnose: Endogene Fettsucht (Status thyraolymphaticus). 

Anamnese: Adoptivkind. Ueber Familie nichts zu erheben. Früher Masern 
und Diphtherie überstanden. Wird vom Schularzt jetzt wegen Bleichsucht her- 
geschickt. Hat öfter Schmerzen im Kopf und im Leib, klagt über Uebelkeit. Stuhl¬ 
gang regelmässig. Appetit nicht besonders gut. — In letzter Zeit hat sich Patient 
immer matt und unlustig zur Arbeit gefühlt, kommt auch in der Schule nicht be¬ 
sonders vorwärts. 

Körpergrösse: 1,41 m. Gewicht 38,0 kg. 

Status: Für sein Alter sehr entwickeltes Kind, muskulös, Fettpolster reichlich. 
Femininer Fettverteiluugstypus mit Fettablagerung, besonders an den Hüften, Nates, 
Schamgegend. Breites, beträchtlich für das Alter entwickeltes Becken. Breite 
Miohaelissche Raute. Lordose der Lendenwirbelsäule. Gesicht blass, pastös. Lymph¬ 
knotenschwellungen an Hals, Achselhöhlen, Leistenbeugen. Parotis nicht geschwollen, 
wohl aber die beiderseitige Submaxillardrüse. Schilddrüse nicht vergrössert. Ara 
Jugulum ist hinter der Incisur deutlich eine schwammige Masse zu fühlen. Dämpfung 
über dem Manubrium sterni, namentlich nach links. Gaumenmandeln vergrössert, 
von aussen durchzufühlen. 

1) Die nunmehr folgenden Fälle sind von Herrn Professor Dr. Mohr untersucht 
und mir zur Veröffentlichung an dieser Stelle überlassen worden. 

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 17. Bd. oj 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





472 


Heinrich Haussleiter, 


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Datum Vorsuchs-j 

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1 

1913 | | 

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Medication. 

4 

Körpergewicht 
(ohne Kleider) 
in kg 

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Rcduciertes 
-i Atem volumen 
; pro Min. in ccm 

Dasselbe pro Min. 
00 ; und kg Körper¬ 
gewicht in ccm 

Sauerstoff- 
50 verbrauch pro Min. 
in ccm 

j Dasselbe pro Min. 
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gewicht in ccm 

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1] 

71 

10. 10. 1 25 Min. 

Normal nüchtern 

38,0 

1 3316 1 

5460 

143,68 

215,6 

5,674 

154.93 

72 

13. 10. 20 „ ! 

r 

37,0 

1 3671 

4600 

121,50 

207,2 

5,600 

151,56 



Durchschnitt: 



5030 

132,ö9 

211,4 

5,637 

153,25 

73 

1 22. lO.j 25 Mio. ! 

Nonnalnüchtern 

64,0 

1 9700 1 

4700 

73,44 

232,2 

3,628 

117.87 

74 

| 24. 10. ! 20 „ | 


64,0 

1 9700 

4900 

76,56 

236,6 

3,697 

120,11 



Durchschnitt: 


I 

4800 

?5,00 

234,4 

3,662 

118,09 

75 

25. 10. ' 20 Min. 

Normalnüchtcrn 

83,5 

2 3520 1 

5500 

64,67 

274,3 

3,285 

116,62 

76 

1. 11. 15 ,. 


! 62,0 

1 9277 , 

7500 

120.97 

353,3 

5,698 

183.18 

77 

20. 12. ! 15 


115,5 

2 9200 1 

8700 

75,32 

400,2 

3,465 

137,06 


1914 | 


1 

I 






78 

17.2. 25 „ 

r> 

: 67.5 

1 9492 | 

6100 

90,33 

1 301,34 | 

4,464 

154,60 


Lungen: o. B. 

Herz: Spitzenstoss im 5. Interkostalraum in der Mamillarlinie. 

Abdomen: sehr fettreich. Leber, Milz nicht fühlbar. 

Nervensystem: o. B. 

Im Röntgenschirm erscheint das Herz etwas nach links verbreitert. Thymus¬ 
schatten nicht deutlich. Skelett grazil. 

Blutbild: Hämoglobin (Sahli) G2 pCt., Erythrocyten 2680000, Leukocyten 
18200, davon: grosse Lymphocyten 4 pCt., kleine Lymphocyten 30 pCt., neutrophile 
Leukocyten 64 pCt., eosinophile Leukocyten 2 pCt. 

B. Der Grundumsatz. 

Hier haben wir einen Umsatz (siehe Tabelle IX, Versuch 71 und 
72), der mit seiner absoluten Grösse — 211,4 ccm 0 2 pro Minute — 
und mit seiner relativen Grösse — 5,(> ccm 0 2 pro Minute und Kilogramm 
Körpergewicht — an der oberen Grenze der kindlichen Normalwcrte 
steht im lehrreichen Gegensatz zu Fall 111 (Kind KL, Tabelle VI). 

8 . Fall. (Frl. M. K.) 

(Vgl. Tabelle IX, Versuch 73 und 74.) 

Krankengeschichte. (9. 10. 1913.) 

Patient: M. K., Dienstmädchen, 18 Jahre alt. 

Diagnose: Dysgenitale Fettsucht. 

Anamnese: Familienanamnese ohne Belang. Patientin hatte als Kind Rachitis, 
lernte erst mit 3 Jahren laufen. Mit 15 Jahren wurden ihr die vergrösserten Gaumen¬ 
mandeln entfernt. Patientin bat noch niemals menstruiert. Klagte über Gedächtnis¬ 
schwäche. Isst angeblich sehr viel. 

Status: Auffallend klein (144 cm!). Gewicht 64,0 kg, überreichliche Fett¬ 
polster. Protrusio bulbi. Geringes Myxödem der Stirnhaut. Lymphatisches Gew'ebe 
am Rachenring und weichen Gaumen. Submaxillaris beiderseits birnengross, Sub¬ 
linguales geschwollen. Parotis nicht vergrössert. Schilddrüse etwas vergrössert. 

Innere Organe: o. B. 

Urin: von Eiweiss und Zucker frei. 


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Original fro-m 

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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


473 


belle IX. 


Bemerkungen 


15 


Sämtliche Versuche sind Normalnüchternruhewertc, welche morgens zwischen 
9 und 10 Uhr aufgenommen wurden. Sie sind aus einer grösseren Anzahl von 
Versuchen als die zuverlässigsten und einwandfreisten ausgewählt worden. 
Ad 71 und 72: Versuchsperson: Mädchen G. B., 10 .Jahre alt, Grösse: 141cm. 

Nr. 71 ist der 3., Nr. 72 ist der 4. an Pat. ausgcfiihrto Respirationsversuch. 
Ad 73 und 74: Versuchsperson: Frl. M. K., 18 Jahre alt, Grösse: 144 cm. 

Nr. 74. ist der 5. an Pat. ausgeführte Respirationsversuch. 

Ad 75: Versuchsperson: Frau Ho., 34 Jahre alt. Grösse: 154 cm. 

Ad 76: Versuchsperson: Frau M. N., 38 Jahre alt. Grösse: 154 cm. (1.Versuch.) 
Ad 77: Versuchsperson: Russe, 21 Jahre alt. Grösse: 183 cm. 

Ad 78: Versuchsperson: Mädchen M. L., 14 Jahre alt. Grösse: 151 cm. 

Blutbild: Hämoglobin (Sahli) 75 pCt., Erythrocyten 4240000, Leukocyten 
9600, davon: neutrophile 79 pCt., Uebergangsformen 3 pCt., Lymphocyten 18 pCt. 

Gynakologischo Diagnose: Hypoplasie der Ovarien. 

9 . Fall. (Frau H. 0.) 

(Vgl. Tabelle IX, Versuch 75.) 

Krankengeschichte. 

Patient: Frau H. 0., Zimmermannsfrau, 34 Jahre alt. 

Diagnose: Endogene Fettsucht (Mikulicz-Syndrom). 

Anamnese: Seit einem Jahr Schmerzen im Unterleib — rechte Seite — beim 
Bücken. Stuhlgang angehalten. Patientin leidet viel an Kopfschmerz, besonders 
14 Tage vor der Menstruation. Dann bekommt sie unerträgliches Hitzegefühl und 
Blutwallungen zum Kopf. Sie fühlt sich häufig sehr matt. Seit 3 Jahren ist die 
Periode unregelmässig, manchmal nur alle 7—8 Wochen. Keine Fehlgeburt; zwei 
Geburten. Trotz lebhaften Wunsches seit 10 Jahren keine Geburt mehr. Mann 
gesund. Eltern gesund, Vater corpulent. Patientin selbst vor 2 Jahren gelbsüchtig, 
sonst immer gesund. 

Status: Grösse 154 cm, Gewicht 83,5 kg. Sehr corpulente Frau von gesundem 
Aussehen. Wangen gerötet. Stirn in der Mitte stark pigmentiert mit ziemlich scharfer 
Abgrenzung. Graziler Knochenbau. Speicheldrüsen beiderseits vergrössert, so dass 
die Ohrläppchen abgehoben sind. Isthmus der Schilddrüse ist hypertrophisch, ebenso 
der rechte Seitenlappen, der druckempfindlich ist. Submaxillardrüse links ver¬ 
grössert, ebenso beide Sublinguales. Lymphadenoider Rachenring geschwollen, 
ebenso die Papillae circumvallatae, sonst keine Drüsenschw ? ellungen. 

Herz: Spitzenstoss im 5. Interkostairaura, einwärts der Mamillarlinie, von 
normaler Stärke. Herzgrenzen sind durch die starken Fettpolster hindurch nicht zu 
percutieren. Ausgesprochene Dämpfung über dem Manubrium sterni, die das Sternum 
nach beiden Seiten etwas überschreitet, nach rechts unten sohräg auswärts verläuft. 

Herzaction beschleunigt. Herztöne rein. 

Puls: von mittlerer Spannung und Füllung. 

Abdomen: Milz nicht mit Sicherheit zu fühlen. Percussorisch nicht ver¬ 
grössert. Sehr reichliche Fettablagerungen an den typischen Prädilectionsstellen, vor 

31 * 


170,9 | 

4,496 

0,792 

180,3 1 

4,873 

0,870 

175,6 

1,684 ; 

0,841 

185,2 ! 

2,894 

0,798 

188,6 | 

2,947 

0,798 

186,9 ! 

2,920 ; 

0,798 

202,5 | 

2,425 

0,738 

270,0 

4,3oo 

0,764 

319,1 | 

2,763 

0,797 

223,87 

3,394 

0,743 



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474 


Heinrich Haussleiter, 


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allem in der Bauchhaut, die sich geradezu infiltriert anfühlt. Kund um den Brust¬ 
korb herum, etwas oberhalb des Rippenbogens, läuft eine breite Fettfalte. Diese, wie 
die weiter abwärts folgenden Partien sind rechterseits druckschrnerzhaft. Die Nates- 
fettpolster sind mächtig entwickelt, ebenso die Polster an den Oberschenkelseiten, 
den Deltamuskeln und den Schulterblättern. Relativ weniger stark entwickelt sind 
die Mammafettpolster; rechte Mamma stärker entwickelt als die linke. Sehr starke 
Fettablagerungen an den Waden. Nirgends über den infiltrierten Stellen auffallende 
vasomotorische Veränderung. Schädelumfang 51 1 / 2 cm, Mento-occipitaidurchmesser 
17 cm, Fronto-occipitaldurchmesser 16,3 cm, Bitemporaldurchmesser 13,6 cm, Bi¬ 
parietaldurchmesser 14,0 cm. Patellarretlexe lebhaft. Pupillen gleichweit. Augen¬ 
bewegung frei. Geruch und Geschmack intact. 

Urin: von Eiweiss frei, von Zucker frei. 

Blutbild: Hämoglobin (Sahli) 70 pCt., Erythrocyten 5584000, Leukocyten 
7800, davon: Lymphocyten: grosse 2 pCt., kleine 18 pCt., Leukocyten: neutrophile 
68 pCt., eosinophile 4 pCt., Uebergangsformen 8 pCt. 

io. Fall. (Frau M. N.) 

(Vgl. Tabelle IX, Versuch 76.) 

Krankengeschichte. 

Patient: Frau M. N., 38 Jahre alt. 

Diagnose: Endogene (hypophysäre) Fettsucht. Thymuspersistenz. 

Anamnese: Ausser Masern früher immer gesund gewesen, hat 6 Kinder, die 
ebenfalls alle gesund sind. Seit 6 Jahren hat Patientin keine Periode mehr gehabt. 
Seit dieser Zeit Körpergewdchtszunahme. Im Anschluss an eine Schmierkur bekam 
Patientin angeblich Haarausfall und Augenbesclnverden. Keine erbliche Belastung. 

Status: Grösse 154 cm, Gewicht 62,0 kg. Blass, mittlerer Knochenbau, sehr 
stark entwickelte Fettpolster an Bauch und Hüften; stark entwickelte Brüste. Schild¬ 
drüse vergrössert; Isthmus und rechter Seitenlappen schw T er nach unten abgrenzbar, 
auch bei starlf gestrecktem und gebeugtem Kopf nicht. Dämpfung über dem Brust¬ 
bein nach rechts einen Querfinger über das Sternoclaviculargelenk reichend, von da 
in einem nach aussen convexen Bogen, der die 2. Rippe ungefähr 3 Querfinger von 
der Mittellinie entferöt trifft, nach unten in die Herzdämpfung übergehend. Linke 
Begrenzungslinie nach innen convex, 2 1 / 2 —3 cm von der Mittellinie entfernt und 
nach unten in die Herzdämpfung übergehend. Keine Drüsenschw T ellungen, Speichel¬ 
drüsen: o. B. Mangelhafte Behaarung in Achselhöhlen und Schamgegend. Ueber 
dem Herzen findet sich ein systolisches Geräusch an der Spitze, über der Aorta, im 
2. r. Rippenzwischenraum und im epigastrischen Winkel. Augen: o. B. Milz nicht 
fühlbar, unterer Leberrand handbreit unterhalb des Rippenbogens, Leberoberfläche 
nicht verändert. Reflexe: o. B. 

Urin: o. B. 

Blutbild: Hämoglobin 60 pCt., Erythrocyten 3856000, Leukocyten 7500. 

Im Röntgenbild sieht man eine seiner Lage und Form nach als Thymus an¬ 
zusprechende Verdunkelung oberhalb der Aorta. Ferner ergibt die Röntgen¬ 
aufnahme des Schädels eine Verbreiterung und Ausbuchtung der 
Sella turcica. 

li. Fall. 

(Vgl. Tabelle IX, Versuch 77.) 

Krankengeschichte. 

Patient: Russe, Student, 21 Jahre alt. 

Diagnose: Endogene Fettsucht, Speicheldrüsenschwellung, Thymuspersistenz. 

Anamnese: Von Kind auf Neigung zur Fettsucht, ebenso wie bei allen 
Familiengliedern. 


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lieber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


475 


Status: Grösse 183 cm, Gewicht 115,5 kg. Breitschultriger, blass aus¬ 
sehender Mann mit sehr beträchtlicher Fettentwicklung an Bauch, Hüfte und Nacken. 
Beide Ohrspeicheldrüsen fühlbar. Die übrigen Speicheldrüsen und Tränendrüsen 
nicht verändert. Schilddrüse deutlich fühlbar, über dem Manubrium sterni deutliche 
Dämpfung. Mammae kolossal entwickelt. X-Beine. Hinter dem Jugulum fühlt man 
bei starker Exspiration eine weiche Masse (Thymus). Auch bei der Röntgenunter¬ 
suchung scheint über dem Aortenbogen ein bei schräger Durchleuchtung deutlich ab- 
grenzbarer Schatten zu sitzen. 

Genitalorgane: o. B. 

Innere Organe: o. B. 

Blutbild: Hämoglobin (Sahli) 100 pCt., Erythrocyten 6200000, Leukocyten 
6800. ln mehreren Ausstrichpräparaten keine Lymphocyten zu sehen. 

12. Fall. (Mädchen M. L.) 

(Vgl. Tabelle IX, Versuch 78.) 

A. Krankengeschichte. 

Patient: M. L., Mädchen, 14 Jahre alt. 

Diagnose: Endogene Fettsucht; Schilddrüsenvergrösserung. 

Anamnese: Früher nie krank. Mutter (gestorben) war sehr fett, ebenso von 
9 Geschwistern 1 Bruder und 1 Schwester. Menstruationen sind seit 1 Jahr regel¬ 
mässig. 

Status: Grösse 151 cm, Gewicht 67,5 kg. Kopfmasse: Distanz der Tub. fron- 
talia 5 cm, Distanz der äusseren Gehörgänge 12 cm, Biparietaldurchmesser 14% cm, 
Fronto-occipitaldurchmesser 17 1 / 2 cm, Submento-occipitaldurchmesser 20,0cm, Fronto- 
occipitalumfang 54,4 cm. Ausserordentlich fettes Kind. Das Fett bedeckt mehr 
diffus, nicht in einzelnen Lagern den ganzen Körper; ist besonders reich an den 
Brüsten und den Oberschenkeln vorhanden. Haut bläulich, nicht myxödematös. 
Schilddrüse deutlich beiderseits vergrössert. Zäpfchen gespalten. Gaumenmandeln 
nicht vergrössert. 

Herz: Systolisches Geräusch über der Basis. 

Puls: 120. 

Lungen: o. B. Leber und Milz nicht vergrössert. 

Blutbild: Hämoglobin 80 pCt., Leukocyten 10500, davon: neutrophile Leuko¬ 
cyten 60 pCt., eosinophile Leukocyten 5 pCt., Lymphocyten: grosse 14 pCt., kleine 
20 pCt., Uebergangsformen 1 pCt. 

Wassermann: negativ. 

Röntgenbild: kein Thymussohatten. Herzdämpfung nicht verbreitert. 

ß. Der Grundumsatz. 

Die Fälle 8 bis 12 zeigen, mit Ausnahme von Fall 10 (Versuch 76), 
Werte, welche in den Bereich des Normalen fallen und auch in der 
von Noordenschen Tabelle der bisher auf ihren Umsatz untersuchten 
Fettsüchtigen (vgl. Tabelle II) keine aussergewöhnliche Stellung ein¬ 
nehmen, trotzdem nach dem klinischen Befunde es sich durchweg um 
endogene Fettsuchtsformen handelt. 

Bei Fall 10 (Versuch 76) berechtigen die hohen Werte des Umsatzes 
nicht zu irgend welchen Schlüssen, da es sich um einen einzigen Versuch, 
und zwar um den ersten handelt, welcher erfahrungsgemäss meistens zu 
hohe Werte ergibt. Bei den übrigen Kranken sind die Zahlen nach 
längerer Uebung an die Ventilatraung gewonnen. 


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Heinrich Haiissleiter, 


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476 


Zusammenfassung der hauptsächlichsten Ergebnisse. 

1 . Unter 12 Fällen von Fettsucht, in denen 10 von sicher endogener 
Natur sich befinden, können wir 3 hervorheben, die folgende Typen dar¬ 
stellen: 

a) Endogene Fettsucht mit gesteigertem Grundumsatz. 

b) Endogene Fettsucht (dysgenitale Form) mit periodischen Schwan¬ 
kungen des an der unteren Grenze des Normalen stehenden 
Grundumsatzes. Parallel diesen Schwankungen wird veränderte 
Thyreoidinempfindlichkeit beobachtet. 

e) Endogene Fettsucht (thyreogene Form) mit einem Grundumsatz, 
der absolut niedriger ist als der kleinste Normalwert. 

Hieraus und aus dem Umstande, dass die Mehrzahl der unter¬ 
suchten Fälle von endogener Fettsucht von dem normalen Durchschnitt 
nicht abweichende Zahlen ergab, wird gefolgert, dass zum Begriff der 
endogenen Fettsucht nicht unbedingt ein dauernd niedriger Grundumsatz 
gehört, dass vielmehr der Begriff der endogenen Fettsucht sich auch 
mit einem erhöhten Grundumsatz vereinigen lässt. Eine Erklärung für 
letzteren muss gesucht werden in einer mangelhaften Function der Fett¬ 
verbrennung. 

a) Es kann dies führen zu secundärer Steigerung der Nahrungs¬ 
aufnahme und eompensatorisch vermehrter Verbrennung von 
Kohlehydraten. 

b) Es ist denkbar, dass auch ohne secundär gesteigerte Nahrungs¬ 
aufnahme ein durch vermehrte Kohlehydratverbrennung gesteigerter 
oder normal hoher Umsatz den notwendig folgenden Gewichts¬ 
verlust eine gewisse Zeit hindurch durch Wasserretention com- 
pensiert. Für eine Bevorzugung der Kohlehydratverbrennung 
in diesem Falle scheint die bei einer grösseren Anzahl von 
Fettsüchtigen vorhandene erhöhte Einstellung des R.-Q. zu 
sprechen. 

2 . Die umsatzsteigernde Wirkung des Thyreoidins bei endogener 
Fettsucht ist an den jeweiligen Zustand der Tätigkeit der Schilddrüse 
gebunden, derart, dass eine verringerte Function eine höhere Steigerung 
des Umsatzes, eine erhöhte Function eine geringere oder fehlende 
Steigerung des Umsatzes verursacht. 

3 . Der Nutzeffect bei Muskelarbeit stimmt bei endogener (1. Fall) 
und exogener Fettsucht überein mit der für normale Individuen ge¬ 
fundenen Grösse. 

4 . Die Steigerung des Umsatzes nach Nahrungsaufnahme bei endo¬ 
gener Fettsucht (1. Fall) ist nicht geringer als bei Normalen, aber der 
Kurvenabfall wahrscheinlich verlangsamt. 

5. Die Injection von Leptvnol hat bei endogener und exogener 
Fettsucht keine Wirkung: 

a) auf das Körpergewicht, 

b) die Höhe des Grundumsatzes, 


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Ueber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht usw. 


477 


c) die Höhe des Muskcleffectes, 

d) die Steigerung 1 des Umsatzes nach Nahrungsaufnahme (letzteres 
nur bei einem Fall endogener Fettsucht festgestellt) 1 ). 

Zum Schluss erfülle ich die angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. Mohr 
zu danken für seine Anregung zu dieser Arbeit ifnd für seine stets 
bereitwillige, weitgehende Unterstützung bei der Ausführung der ihr zu 
Grunde liegenden Versuche. 


Literatnrangabe. 

]) Kauffmann, Die therapeutische Verwendung von colloidalem Palladium- 
Hydroxydul (Leptynol). Münchener med. Wochenscbr. 1913. S. 525. — Weitere 
Erfahrungen mit colloidalem Palladium-Ilydroxydul. Ebendas. 1913. S. 1261. 

2) E. Abderhalden, Handbuch der biochemischen Untersuchungsmethoden. 1913. 

3) L. Mohr, Methodik der StofTwechseluntersuchungen. 1912. 

4) Landolt und Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen. 

5) Kohl rausch, Lehrbuch der praktischen Physik. 1910. 

6) L. Mohr, Ueber die innere Secretion der Speicheldrüsen und ihre Beziehung zu 
den Genitalorganen. Zeitsohr. f. Geburtsh. u. Gynäk. Bd. 74. (Hier befindet sich 
die Krankengeschichte und ein Teil der Versuchsdaten des Falles Mädchen Kl. 
wieder. Herr Prof. Dr. Mohr hatte die Freundlichkeit, mir diesen nicht von mir 
selbst untersuchten Fall zur ausführlichen Veröffentlichung zu überlassen. Die 
Untersuchung war unter seiner Leitung von Dr. med. H. Kuhn nach derselben 
Methodik ausgeführt worden.) 

7) Derselbe, Die Behandlung der Fettsucht. Balneologie und Balneotherapie. 
1914. Fischer. 

8) von Noorden, Die Fettsucht. 1910. 

9) Meyer und Gottlieb, Experimentelle Pharmakologie. 1910. 

10) von Noorden, Handbuch der Pathologie des Stoffwechsels, Abschnitt: Fett¬ 
sucht, Diabetes melitus, Der Hunger und die chronische Unterernährung, Die 
Ueberernährung. 

11) Magnus-Levy, Ebendas., Abschnitt: Die Physiologie des Stoffwechsels. (Hier 
findet sich die genaue Literaturangabe der hier citierten Arbeiten von Jaquet 
und Svenson, Lüthje, Stähelin, Nehring, Stüve, Kraus, Wolpert. 

12) von Bergmann, Der Stoff- und Energieumsatz bei infantilem Myxödem und bei 
Adipositas universalis. Zeitschr. f. exper. Path. u. Therapie. 1909. 

13) Zuntz, Physiologie des Stoffwechsels. Abschnitt im Lehrbuch der Physiologie 
des Menschen von Zuntz und Löwy. 1913. 

1) Hier sei noch die bisherige Literatur über die Wirkung bzw. die Erfolge des 
Leptynols kurz gestreift. Ausser den beiden oben erwähnten Veröffentlichungen von 
Kauffmann selbst sind von Gohr und von Vogt (23) aus einer Privatklinik bzw. 
einer Anstalt für Geisteskranke rein klinisch gehaltene Beobachtungen über Erfolge 
von Leptynolinjection bei Fettsüchtigen publicicrt worden. Beide wenden neben der 
Leptynolbehandlung die von Kauffmann als Unterstützung der Leptynolwirkung 
sehr empfohlene Nehrungsbesohränkungen in einem Grade an, der die Gewichts¬ 
abnahme allein erklären kann, und machen keine kritischen Parallelversuche ohne 
Leptynol. 

Klinische Beobachtungen und Untersuchungen der Wirkung des Leptynols von 
llosenberg (Deutsche med. Wochenschr. 1914 — vorläufige Veröffentlichung) 
kommen zu einem negativen Hesultat. 


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478 H. Haussleiter, lieber den Gaswechsel verschiedener Formen von Fettsucht. 

14) Meeh, Oberflächenmessung des menschlichen Körpers. Zeitschr. f. Biologie. 
1879. 

15) E. Münzer, Ueber Polycythämie usw. Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. 1909. 

16) L. Mohr, Ueber Polycythämie. Münchener med. Wochenschr. 1913. S. 1739. 

17) von Bergmann und Castex, Beitrag zur Frage der Umsatzminderungen und 
-Mehrungen im ganzen Tagesversuch. Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. 1912. 

18) von Bergmann, Die Fettsucht im Handbuch der Biochemie. 1910. Bd. IV. 

19) L. Mohr, Versuche über Diabetes melitus. Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. 
1907. 

20) Rubner, Beiträge zur Ernährung im Knabenalter. 1902. — Die Gesetze des 
Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. 

21) Tigerstedt, Stoff- und Kraftwechsel. Wärmehaushalt, ln Nagels Handbuch 
der Physiologie des Menschen. 

22) Gegenbaur-Fürbringer, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 1912. 

23) Vogt, Die Behandlung der Adipositas universalis mit Leptynol. Münchener 
med. Wochenschr. 1914. S. 1060. 


Druck von L. Srliuni;i< ,, »<‘ in Berlin N. 4. 


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