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^ZEITSCHRIFT
FÜR
HEILKUNDE.,
HERAUSGKOEBRN VON
Prof. H. CHIARI, Prof. A. v. EISELSBERG,
Prof. A. FRAENKEL, Prof. E. FUCHS, Prof. V. v. HACKER,
Prof. R. v. JAKSCH, Prof. M. LÖWIT, Prof. E. LUDWIG,
Prof. E. NEUSSER, Prof. R. PALTAUF, Prof. A. v. ROSTHORN,
Prof. L. v. SCHRÖTTER und Prof. A. WEICHSELBAUM.
(Redaktion: Prof. H. CHIARI in PRAG.)
XXIV. BAND (NEUE FOLGE IV. BAND), JAHRGANG 1903.
ABTEILUNG
FÜR
PATHOLOGISCHE ANATOMIE
UND
VERWANDTE DISZIPLINEN.
MIT 30 TAFELN.
WIEN UND LEIPZIG.
WILHELM BRAUMÜLLER
K. U. K. HOF- UND UNIVKHSITÄTS-UUCHHÄNDI.KK
1903.
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INHALT.
Seite
FISCH EL, Dr. ALFRED (Prag). — Über einen sehr jungen patho¬
logischen menschlichen Embryo. (Mit 6 Figuren im Texte.) . . 1— 13
MATHYA§, Dr. QUODVULTABUS (Graz). — Beitrag zu der Lehre
von den Rückenmarksveränderungen nach Extremitätenverlust.
(Hierzu Tafel I und II.). 14— 25
HABERER, Dr. HANS (Graz). — Ein Fall von seltenem Kollateral-
kreislauf bei angeborener Obliteration der Aorta und dessen Folgen 26— 38
MARESCH, Dr. RUDOLF (Wien). — Ober ein Lymphangiom der
Leber. (Hierzu Tafel III und IV.). 39— 50
LÖWENBACH, Dr. GEORG (Wien). — Die gummöse Erkrankung
der weiblichen Urethra. (Hierzu Tafel V—X.). 51—142
LUCKSCH, Dr. FRANZ (Prag). — Über Myeloschisis mit abnormer
Darmausmündung. (Mit 1 Abbildung im Texte und Tafel XI
und XU.).143—156
HORST, Dr. ADOLF (Wien). — Ein Fall von Streptothrixpyämie
beim Menschen. (Hierzu Tafel XIII und XIV.).157—176
SIMNITZKY, Dr. S. v. (Prag). — Über die Häufigkeit von arterio¬
sklerotischen Veränderungen in der Aorta jugendlicher Individuen.
(Mit 1 Tabelle im Texte.).177—198
ADLER, Dr. L. (Wien). — Über einen Fall von gelber Leberatrophie
mit ungewöhnlichem Verlauf. (Hierzu Tafel XV.).199-211
CZECZOWICZKA, Dr. OSKAR (Wien). — Zur Kenntnis der durch
Cytotoxine im Tierkörper erzeugten Veränderungen. (Hierzu
Tafel XVI und XVII.).212-227
SCHATTENFROH. Prof. A. (Wien). — Untersuchungen in einer
Grundwasserversorgungsanlage. (Hierzu Tafel XVIII—XXI, 1 Ole-
ate und ö Tabellen im Texte.). 228—247
YAMASAKI, Dr. M1KI (Prag). — Über einen Fall von fast totalem
Umbau der Leber mit knotiger Hyperplasie. (Hierzu Tafel XXII.) 248—256
WIESEL, Dr. JOSEF (Wien). — Zur pathologischen Anatomie der
Addisonischen Krankheit. 257-281
CHIARI, Dr. H. (Prag). — Über senile Verkalkung der Ampullen
der Vasa deterentia und der Samen blasen. (Hierzu Tafel XXIII.) 283—292
— — Zur Kenntnis der Gaszystenbildung im Gehirne des Menschen.
(Hierzu Tafel XXIV und XXV.). 293-303
BROSCH, Dr. ANTON (Wien). — Ein neues Leichen-Konservierungs-
verfahren. (Hierzu 2 Figuren im Texte und Tafel XXVI und XXVII.) 304—322
MAGER, Primarius Dr. WILHELM (Brünn). — Ein Beitrag zur
Lehre von den Erkrankungen der Aorta. (Hierzu Tafel XXVIII.) 323—333
BEER, Dr. EDWIN (Prag). — Über das Vorkommen von zwei¬
geteilten J/fi//)iy/ii8ohen Körperchen in der menschlichen Niere.
(Hierzu Tafel XXIX und XXX.). 334-337
BARDACHZI, Dr. FRANZ (Prag). — Über zwei Fälle von Aortitis
syphilitica mit Koronarostienverschließung. 338—347
NAKAYaMA, Dr. HEIJIRO (Prag). — Pneumonomycosis asper-
gillina hominis. 348 —358
VOLLBRACHT, Dr. FRANZ (Wien). — Beitrag zur Frage der
Leberophthalmie. 359—379
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Professor Carl Nicoladoni.
Am 4. Deceraber 1902 starb in Graz ganz plötzlich
der Mitarbeiter dieser Zeitschrift, Herr Hofrath Professor
Dr. Carl Nicoladoni, Vorstand der dortigen chirurgischen
Universitätsklinik, ira 56. Jahre seines Lebens.
Es schied hiemit einer der genialsten Chirurgen,
ein ausgezeichneter Lehrer und ein vortrefflicher Mensch.
Seine fachlichen Arbeiten tragen alle den Charakter der
Originalität und Gründlichkeit und sichern ihm eine
dauernde Erinnerung in der Chirurgie. Als Lehrer wusste
er zu begeistern und seine Hörer zu wahrhaft humanen
Aerzten zu erziehen. Durch seine persönliche Liebens¬
würdigkeit war er Allen, mit denen er in nähere Be¬
rührung kam, ein lieber Freund geworden.
Er wird unvergessen bleiben.
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Ueber einen sehr jungen, pathologischen, menschlichen
Embryo.
Von
Dr. Alfred Fischei,
Prosector der Anatomie an der deutschen Universität in Prag.
(Mit 6 Figuren im Texte.)
Im Nachfolgenden liefere ich eine kurze Beschreibung der
Bauverhältnisse eines menschlichen Embryo, die von einigem In¬
teresse sein dürften. 1 )
Am 24. Jänner 1902 sandte Herr Dr. Gans aus Trautenau an
Herrn Hofrath Prof. Dr. H. Chtart ein menschliches Ei mit der
Angabe ein, dass es sich hiebei um einen dreimonatlichen Abortus
handle. Seiner Gesammtgrösse nach entsprach dieses Ei thatsächlich
etwa dem Entwicklungsstadium zu Anfang des dritten Monates. Nach
seiner Eröffnung zeigte sich das der Innenfläche der Decidua an¬
liegende Chorion. Diesem wiederum lag das Amnion dicht an, und
nur an einer kleinen, umschriebenen Stelle war es durch etwas
fadenziehende Flüssigkeit vom Chorion abgehoben. Mit Rücksicht
auf die Grösse des Eies und die Verhältnisse der Eihüllen erwartete
man das Vorhandensein eines bereits grösseren Embryo, da nor¬
maler Weise das Amnion noch Embryonen von 15 mm Länge dicht
anliegen soll, während es hier, wie erwähnt, bereits der Eiwand
anlag. Von einem Embryo war jedoch zunächst nichts wahr¬
zunehmen. Erst bei genauerem Zusehen zeigte sich an einer Stelle
(innerhalb der Amnionhöhle) ein ganz kleiner, weiss-gelblicher
Körper von etwa 1V 2 mm Länge und kaum 3 /i mm Breite, an dem
irgendwelche weiteren Details nicht zu erkennen waren. In der Nähe
von ihm fand sich, und zwar zwischen Amnion und Chorion, ein
’) Ein vorläufiger Bericht mit Demonstration der Präparate wurde bereits
früher erstattet. S. Sitzungsbericht des Vereines deutscher Aerzte in Prag vom
14. Februar 1902. Prager medicinische Wochenschrift. 27. Jahrgang, S. 228.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. Anat. n. verw. Disciplinen. 1
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Dr. Alfred Fischei.
etwas grösseres, weissliches, deutlich in zwei Abtheilungen getheiltes.
blasiges Gebilde, das anscheinend durch einen feinen Strang mit
dem ersterwähnten Körper zusaramenhing. Dieser war wahrscheinlich
der Embryo, das blasige Gebilde aber sein Nabelbläschen. Beide
Gebilde, sowie ein Stück der Eiwand selbst wurden mir von Herrn
Prof. Chiari freundlichst zur Untersuchung überlassen, wofür ich
ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank aussprechen
möchte. —
Stellte jener erwähnte Körper überhaupt einen Embryo dar.
so war nicht zu erwarten, dass dieser normale Bauverhältnisse auf¬
zeigen würde. Schon das Missverhältniss zwischen der Grösse dieses
muthmasslichen Embryo und derjenigen des ganzen Eies, sowie des
Amnion, erlaubte den Schluss, dass hier wahrscheinlich eine patho¬
logische Bildung vorliege. Dies wurde schon bei der Untersuchung
des Gebildes nach erfolgter (Fixirung, Färbung und) Aufhellung
in Nelkenöl klar. Die Details, die hiebei sichtbar wurden, Hessen
in Folge ihres ganz atypischen Verhaltens eine sichere Diagnose
nicht zu, die erst durch die Zerlegung des Objectes in eine
continuirliehe Querschnittserie (O'Olwjm Schnittdicke) ermöglicht
wurde.
Bevor ich zur näheren Beschreibung derselben übergehe, er¬
wähne ich, dass die mikroskopische Untersuchung der Eiwand keine
Besonderheiten ergab, und dass jenes als Nabelbläschen gedeutete
Gebilde sich auch thatsächlieh als solches erwies; die (scheinbare)
Zxisamraensetzung desselben aus zwei Theilen erklärt sich aus der
starken Einfaltung der Bläschen wand an einer bestimmten Stelle:
solche Faltungen der Wand des Nabelbläschens sind wiederholt bei
jungen Embryonen gefunden worden.
Eine Anschauung von dem eigenartigen Baue des Embryo
selbst nun werden wir am besten gewinnen, wenn wir eine Anzahl
von Schnitten der von ihm gewonnenen Serie, und zwar in oral-
eaudaler Richtung vorschreitend, näher betrachten. Es zeigt sich
hiebei, dass das Vorderende des Embryo einen nahezu kreisrunden
Querschnitt aufweist: es ist von einer dünnen Lage Ektoderms um-
säumt, die stellenweise, und zwar offenbar infolge Maceration durch
die Amnionflüssigkeit 1 ), nicht mehr vorhanden ist (vergl. Fig. 1
und die folgenden); innerhalb dieser Ektodermhülle findet sich zunächst
’) Das mag schon vor dem erfolgten Abortus stattgefunden haben, könnte
aber auch erst nachher erfolgt sein — da das Ei erst etwa 24 Stunden nach dem
Abortus fixirt werden konnte. Im Uehrigen ist aber sein Erhaltungszustand ein
ganz guter.
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Ueber einen sehr jungen, pathologischen, menschlichen Embryo,
eine in den verschiedenen Regionen verschieden grosse, überall aber
ziemlich beträchtliche Lage embryonalen Bindegewebes: sie bildet
die Hülle für ein die Hauptmasse des Embryo einnehmendes Gebilde
(siehe Fig. 1 M), das aus einer, zumeist aus einschichtigem, hohem
Querschnitt durch das Vorderende des Embryo; 17. Schnitt der Serie; Vergrösserung dieser sowie alle
übrigen Figuren: 120:1. Gemeinsame Bezeichnungen: E Ektoderm; 31 Medullarrohr; m embryonale;
Bindegewebe; A Augenblase, beziehungsweise Augenblasenstiel; L Linsenanlage.
Epithel gebildeten, vielfach und unregelmässig gefalteten Wand besteht
und zweifellos das in ganz unregelmässiger Weise — seiner Zusam¬
mensetzung, sowie seiner Gesammtform nach — entwickelte Hirn-
rohr des Embryo darstellt. Gehen wir nun in der Serie weiter, so
erhalten wir — und zwar auf dem 31. Schnitte — das in Fig. 2
wiedergegebene Bild. Unter der verschieden dicken, besonders an
der dorsalen Seite (die Figur ist ein wenig nach rechts gedreht)
dünneren Ektodermhülle, sehen wir wiederum innerhalb des hier
mächtiger entwickelten embryonalen Bindegewebes das in unregel-
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Dr. Alfred Fischei.
massigster Weise gefaltete Hirnrohr; die Faltung seiner Wand
tritt besonders in seinem dorsalen Abschnitte hervor, und hier hebt
sich an einer Stelle (in der Figur links, bei A ) eine Falte durch
ihre Mächtigkeit und durch gewisse Besonderheiten ihres Baues —
regelmässigere Stellung der Zellen, basale Lagerung ihrer Kerne, und
helleres Aussehen der freien, dem Lumen zugewendeten Zellseite
— von den Nachbarfalten besonders ab. Diese Falte nun setzt
sich, wie die Verfolgung der Serie lehrt, in das in Fig. 3 (34.
Schnitt der Serie) mit A bezeichnete Gebilde fort, welches durch
seine Gestalt, sein Epithel, und durch die leichte Pigmentirung des
Fig. 3.
letzteren an der freien Zellseite, sich unverkennbar als die primäre
Augenblase repräsentirt. Jene Falte der Fig. 2 stellt also den
Anschnitt des (abnorm gestalteten) Augenblasenstieles dar, der übri¬
gens (in weniger abnormer Gestalt) auch in Fig. 3 noch sichtbar
ist. Die Partie des Hirnrohres, von dem er ausgeht, würde also
normaler Weise dem Zwischenhirne entsprechen. Bei der gänzlich
abnormen Gestaltung des Hirnrohres dieses Embryo ist, ausser dieser
Beziehung zur Augenblase, kein weiteres specielleres Moment zur
Diagnose der übrigen Hirntheile auffindbar.
Auf der Gegenseite nun (rechte Seite der Figuren) erblicken
wir, sowohl in Fig. 2 wie 3, Falten der Hirnwand, welche die Ver-
muthung erwecken, dass auch hier vielleicht in einer von ihnen ein
Analogon zu der Augenblase der Gegenseite vorliege. Die nähere Unter¬
suchung ergibt aber, dass dies nicht der Fall ist; keine dieser Falten
weist, im Gegensätze zu der anderseitigen, irgendwelche (histologischen)
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Ueber einen sehr jungen, pathologischen, menschlichen Embryo. 5
Unterschiede gegenüber der übrigen Wand des Medullarrohres auf, sie
stellen sämmtlich nur Ausfaltungen der letzteren selbst dar, und eine
Augenblase ist daher auf dieser Seite überhaupt nicht vorhanden, —
Auch in Bezug auf das Ektoderm beider Seiten macht sich jetzt
schon ein auffälliger Unterschied bemerkbar: Auf der linken Seite
weist es, dort wo ihm die Augenblase nahe kommt, eine bedeutende
Verdickung ( L ) auf, die der Gegenseite vollkommen fehlt.
Auf den folgenden Schnitten schwindet der Zusammenhang
der Augenblase mit dem Hirnrohr, beide liegen nun frei in dem sie
umgebenden, in den Figuren seiner, an den verschiedenen Stellen
Fig. 4.
L
A
40. Schnitt der Serie. Die Medianlinie verläuft entsprechend der schiefen Stellung des Medalla rrohres,
von rechts oben nach links unten. Die linke Wand des Medullarrohres weist am Schnitte, entprechend
der in der Figur heller gehaltenen Stelle, eine Läsion auf.
der Querschnitte verschiedenen Mächtigkeit nach wiedergegebenen
embryonalen Bindegewebe. Das Medullarrohr gewinnt, den früheren
Schnitten gegenüber, eine regelmässigere, seitlich abgeplattete Gestalt:
die Faltung betrifft hier vorzüglich nur die dorsale und ventrale
Wand, wie dies Fig. 4 (40. Schnitt der Serie) aufzeigt. Auch die
Seitenwände des Medullarrohres sind leicht abgeplattet, so dass die
Augenblase, im Gegensätze zu ihrer normalen Gestalt, ein nahezu
viereckiges Gebilde darstellt. An einigen Schnitten liegt sie
dem Ektoderm direct an, und hier weist dieses eine be¬
trächtliche, auch über diese Berührungsstelle der Augen¬
blase mit dem Ektoderm hinausreichende (vergl. Fig. 3
und 4, L ) Verdickung auf: Die erste Anlage der Linse.
Dort, wo die Augenblase das Ektoderm nicht direct berührt, wie
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Dr. Alfred Fischei.
auf dem Schnitte der Fig. 4 1 ), haben sich einzelne Zellen des
embryonalen Bindegewebes zwischen Linsenanlage und Augenblase
eingeschoben. Die Linsenanlage selbst lässt sich als eine bedeutende
und von der Umgebung scharf begrenzte Verdickung des Ektoderms,
innerhalb welcher die Zellen nicht nur höher, sondern auch sehr
dicht aneinander gedrängt erscheinen, auf etwa 14, die Augenanlage
auf 17 Schnitten nachweisen. — Auf der Gegenseite ist, eben¬
sowenig wie eine Augenanlage, so auch keine Spur einer
ektodermalen Verdickung, die als Linsenanlage imponiren
könnte, nachzuweisen, wiewohl das Ektoderm hier im Uebrigen
in ganz normaler Weise entwickelt ist. Die Bedeutung dieses auf-
Fig. 5.
fälligen Unterschiedes zwischen den beiden Körperhälften des Embryo
wird am Schlüsse näher erörtert werden.
Auf einigen der nächsten Schnitte der Serie fallen als besonders
bemerkenswerthe, wenn auch ihrer Bedeutung nach nicht diagnosti-
cirbare Gebilde, zwei unterhalb des Medullarrohres gelegene kleine,
von einschichtigem cylindrischen Epithel umkleidete Gänge auf;
dann verengert sich das Medullarrohr sehr rasch, verläuft in unregel¬
mässigen Windungen, und erscheint daher oft auf einem und dem¬
selben Querschnitte, wie z. B. in dem der Fig. 5 (78. Schnitt der Serie),
sowohl im Quer-, wie im Anschnitte (M ); an einzelnen, namentlich
den weiter rückwärts gelegenen Stellen ist es übrigens nicht völlig
geschlossen. Die Form des Embryo ist im Bereiche dieser Region eine
>) Dieser Schnitt wurde deshalb zur bildlichen Darstellung gewählt, weil auf
ihm die Form der Augenblase besser in Erscheinung tritt, als auf den übrigen
Schnitten.
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Ueber einen sehr jungen, pathologischen, menschlichen Embryo.
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ganz atypische, in dieser, wie in der folgenden Figur nicht vollständig
wiedergegebene: Nach oben und rechts hin erstreckt sich nämlich
noch ein Streifen embryonalen Bindegewebes, von Ektoderm bekleidet,
weiter fort. Links unten erblicken w r ir die ümschlagsstelle des
Ektoderms und seitlich von ihr, umsäumt von einer Zone dicht
aneinandergelagerter Bindegewebszellen, einen, von einem verschieden
hohen, einschichtigen Epithel umkleideten Hohlraum (Bl). Schon
an dem Gesammtbilde des aufgehellten Embryo konnte man in
dieser Region zwei, mit ihren abgeplatteten Flächen einander an¬
liegende Blasen erkennen. Die Querschnittserie ergibt nun, dass
Fig. 6.
diese Epithelblasen nach vorne, beziehungsweise auch nach hinten,
vollkommen geschlossen sind, und dass sich an ihrer Contactstelle
die eine über die andere hinüberschiebt. Einen Schnitt durch diese
Region gibt die Fig. 6 (85. Schnitt der Serie) wieder. Die hier
speciell mit Bl bezeichnete Epithelblase ist die Fortsetzung der in
der vorigen Figur sichtbaren; sie verschmälert sich auf den folgenden
Schnitten rasch, um dann ganz zu verschwinden. Links und über
ihr beginnt die zweite, die sich (auf den folgenden Schnitten) als
nach jeder Dimension hin bedeutend grösser erweist. Die aus der
Epithelwand beider Blasen zusammengesetzte Zwischenwand besitzt
eine beträchtliche Dicke, und etwa in ihrer Mitte, wie aus der Figur
ersichtlich, eine durch Epithelwucherung entstandene Vorragung.
Die späteren Schnitte treffen die zweite Epithelblase in der Zone
ihrer grössten Dimensionen: Ihr Durchmesser ist fast doppelt so
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Dr. Alfred Fischei.
gross, wie derjenige der Blase in Fig. 5. Auf dem Querschnitts¬
bilde erscheint sie nahezu kreisförmig; nur ihre untere Wand ist
leicht abgeplattet, und unter derselben liegen an einigen Schnitten
zwei kleine, nach vorne und hinten blind geschlossene, von ein¬
schichtigem Epithel umkleidete, im Querschnitte elliptisch erschei¬
nende Schläuche. Weder sie, noch jene beiden grossen Epithel¬
blasen 1 ) vermag ich auf bestimmte Organe eines normalen Embryo
zurlickzufiihren; es Hessen sich diesbezüglich nur ganz vage Ver¬
muthungen äussern. — Das Medullarrohr setzt sich auf diesen,
wie auf den letzten Schnitten in einen massiven Epithelstrang fort,
um endlich ganz zu verschwinden. Es folgt ein Strang embryonalen
Bindegewebes, mit dem der Embryo an der Eiwand fixirt war.
Endlich sei noch erwähnt, dass sich stellenweise, ganz disconti-
nuirlich, anscheinend blind geschlossene Gefässe in dem Embryo nach-
weisen lassen. —
Versuchen wir nunmehr, uns den Bau dieses ganzen Gebildes zu
reconstruiren, so ergibt sich Folgendes: Wie sein äusseres Relief
jeglicher charakteristischer Merkmale (wie Kiemenbogen, Extremi¬
tätenstummeln u. a. m.) entbehrt, so ist auch sein innerer Bau ein
sehr einfacher. Eine Ektodermhülle umgibt die den Grundstock des
ganzen Gebildes repräsentirende Masse embryonalen Bindegewebes:
in diesem sind ein ganz atypisch ausgebildetes Medullarrohr, und
einige, ihrer Genese imd Homologie mit normalen Embryonalorganen
nach nicht näher bestimmbare epitheliale Gänge und Blasen ein¬
getragen ; auf der einen Seite ist eine Augenblase nnd Linsenanlage
vorhanden.
MitRücksichtaufdiese Umstände gestaltet sich auch die Bestimmung
des muthmasslichen Alters dieses pathologischen Embryo schwierig.
Zwischen den anamnestischen Angaben, der Grösse des ganzen Eies
und der Ausbildung der Eihüllen einerseits, und der Grösse und
dem Baue des Embryo anderseits, besteht ein auffälliger Gegensatz.
Während die ersteren Momente für ein späteres Entwicklungsstadium
(Anfang des dritten Monates) zu sprechen scheinen, müssen wir dem
ganzen Ei, wenn wir, was ja stets nothwendig ist, auch den Ent¬
wicklungsgrad des Embryo mit in Betracht ziehen, ein geringeres
Alter beilegen. Als für die Altersbestimmung einigermassen geeig¬
netes Moment lässt sich bei der ganz atypischen Entwicklung des
r ) Sie sind von relativ bedeutender Grösse, da sie ein Gesammtgebiet von
50 Schnitten der Serie einnehmen, also mehr als V 3 der Gesaiumtlänge des ganzen
Embryo.
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lieber einen sehr jungen, pathologischen, menschlichen Embryo.
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Embryo lediglich das Vorhandensein der einen Augen- und Linsen¬
anlage verwerthen. Darnach würde der Embryo etwa dem zehnten
der von His x ) unterschiedenen Entwicklungsstadien entsprechen, und
höchstens drei Wochen alt sein.
Allein ein normaler Embryo dieses Stadiums ist bereits circa
4 mm lang, und sowohl seinem äusseren Habitus, wie auch seinem
inneren Baue nach unvergleichlich weiter differenzirt. Was den letz¬
teren betrifft, so sei nur darauf hingewiesen, dass bei unserem Em¬
bryo keine normalen entodermalen Differenzifungen vorhanden, keine
Nerven 2 ) angelegt, und keine (normalen) mesodermalen Organe ent¬
wickelt sind. Speciell in letzterer Hinsicht sei besonders darauf
verwiesen, dass in der ganzen Anlage keine Spur eines Urwirbels
nachzuweisen ist, während z. B. JUts 3 ) bei einem, der Ausbildung
des Auges nach, sogar noch kurz vor dem Entwicklungsstadium des
unseren stehenden normalen Embryo die Zahl der Urwirbel auf etwa
35 bestimmen konnte.
Um den Gegensatz zwischen der nach den ersterwähnten
Momenten und der nach dem Entwicklungsgrade des Embryo selbst
möglichen Altersbestimmung zu beheben, stehen uns zwei (hypo¬
thetische) Erklärungsweisen zu Gebote: Entweder wirkte die Ursache,
welche die pathologische Entwicklungsart auslöste, von vorneherein
auch verlangsamend auf den ganzen Entwicklungsgang, so dass
erst im dritten Monate jenes Ausbildungsstadium der Augenanlage
erreicht wurde; oder der Embryo entwickelte sich, und zwar wieder
von vorneherein pathologisch 4 ), nur etwa bis zur dritten Woche,
und starb dann ab; in diesem Falle wäre noch die weitere Annahme
nothwendig, dass die histologischen Elemente des Embryo, trotz des
*) Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig 1880.
Ausser dem einen, in Gestalt des Augenblasenstieles vorhandenen
N. optie.
3 ) 1. c. S. 102.
4 ) An eine etwaige Rückbildung vorher entwickelt gewesener normaler
Bildungen ist — abgesehen von den speciellen Verhältnissen des Falles — auch
schon aus Gründen allgemeiner Natur wohl nicht zu denken. — Natürlich konnte
die Ursache der pathologischen Entwicklung schon in der Eizelle selbst ge¬
legen, also auch schon die Furchung derselben abnorm gewesen sein. Im anderen
Falle musste der pathologische Entwicklungsgang spätestens zur Zeit der Keim¬
blätterbildung eingesetzt haben. — Näheres über das pathologische Moment
selbst lässt sich nicht aussagen. Als »Ursache« von derartigen Missbildungen werden
in der Literatur Leere des Dottersackes, Hydrops des Cöloms u. dgl. angegeben.
Sie sind wohl richtiger nur als Symptome oder Folgen, nicht als die Ursachen
der pathologischen Entwicklung zu bezeichnen.
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L>r. Alfred Fischei.
langen Zeitraumes zwischen dem Eintritte des Entwicklungsstillstandes
des Embryo und dem Momente der Fixirung und Härtung des
Eies, ihre Beschaffenheit nur ganz unwesentlich verändert erhalten
hätten. Gerade mit Rücksicht auf den letzteren — unwahrschein¬
lichen — Umstand scheint mir die ersterwähnte Erklärungsart die
richtige zu sein. (Doch ist es im Allgemeinen nicht zu bezweifeln,
dass ein Ei auch nach dem Absterben des Embryo eine Zeit lang
noch weiter wachsen kann.) —
Wie die Beurtheilung des Alters, so ist auch diejenige der
vorausgegangenen formalen Entwicklungsart eine äusserst
schwierige. Die Anlage des Medullarrohres dürfte wohl von allem
Anfänge an eine abnorme gewesen sein, wenn auch nicht in jenem
Grade, wie dies von den übrigen Bestaudtheilen des Embryo zu
vermuthen ist. Speciell die relativ reiche Entwicklung des embryonalen
Bindegewebes lässt die Frage erstehen, ob ihr ein Stadium einer,
wenn auch vielleicht nur unvollkommenen, Gliederung des Mesoderms
in eine gewisse Anzahl von Somiten vorausging oder nicht. — Die
Vorstadien jener beschriebenen epithelialen Gebilde innerhalb dieses
embryonalen Bindegewebes endlich lassen sich überhaupt nicht ermitteln.
Abgesehen von diesen völlig unklaren, pathogenetischen
Momenten lässt diesen Embryo ein Umstand als teratologische
Rarität, und gleichzeitig auch als für die normale Ontogenese
interessant erscheinen: Es ist dies die erwähnte einseitige Augen¬
anlage. Ihre Besonderheiten sind nämlich für die Frage nach
den die (normale) Linsenentwicklung bedingenden Ursachen von
Wichtigkeit.
Bekanntlich entsteht die Linse in der Art, dass sich eine Stelle
des Ektoderms grubig einsenkt, allmälig zu einem Bläschen um¬
gestaltet, endlich vom Ektoderm ablöst, und dann innerhalb der
Augenblase weiter diflferenzirt. Herbst ') hat nun die Hypothese
ausgesprochen und näher begründet, dass die Fähigkeit, eine Linse
zu bilden, nicht gerade nur jenen Ektodermzellen zukomme, von
welchen die Linse normaler Weise gebildet wird; es gäbe wahr¬
scheinlich im Ektoderm (zum Mindesten des Kopfabschnittes des
Embryo) überhaupt keine Zellgruppen, welche bereits vor dem An¬
legen der Augenblasen an das Ektoderm zur Linsenbildung deter-
minirt sind: vielmehr sei die Potenz zur Linsenbildung auf das
«ranze Ektoderm vertheilt 2 ), und erst durch den infolge des Anlegens
') C. Herbst, Fonnative Reize in der thierischen Ontogenese. Leipzig 1901.
2 ) Aehnliehe Ideen haben auch 0. IJertwig (Zelle und Gewebe), sowie Brächet
und Benoit (Bibliogr. anatom. 1899) ausgesprochen.
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Ueber einen sehr jungen, pathologischen, menschlichen Embryo.
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der Augenblasen an das Ektoderm entstehenden Berührungsreiz
werde diese Potenz, und zwar gerade an den von den beiden Augen-
blasen berührten Stellen, in Action gesetzt. Die Ursache zur Diffe-
renzirung der Linse bilde also ein Contactreiz.
Es ist klar, dass wir diese Hypothese in zwei Bestandteile
zerlegen können. Sie beruht zunächst auf der Annahme, dass die
Potenz zur Linsenbildung keine im Ektoderm local beschränkte ist,
und zweitens auf der Annahme der auslösenden Wirkung jenes
Contactes. Was den ersteren Punkt betrifft, so sind — ganz ab¬
gesehen von den Erwägungen, die bereits Herbst für ihn ins Treffen
führte — in jüngster Zeit experimentelle Versuchsresultate ermittelt
worden, welche für eine nicht local beschränkte Potenz des Ekto¬
derms zur Linsenbildung sprechen. Dass sich ein von Born') erzieltes
Resultat mit Hilfe jener Hypothese am einfachsten erklären lasse,
hat bereits Herbst (1. c. S. 66) erörtert. Gleiches gilt von den
Experimenten Spemann’s 2 ). Vor Kurzem hat ferner Barfurth 8 ) die
Ausbildung eines einer Linse ganz ähnlichen Gebildes von einer
Stelle des (Kopf-)Ektoderms aus erzielen können, die normaler Weise
nichts mit der Linsenbildung zu thun hat. Endlich spricht für
diese Annahme noch ganz besonders der Umstand, dass die Fähig¬
keit zur Linsenbildung auch Zellen von Derivaten des Ektoderms
zukommt: So den Zellen des Parietalorgans, des Paraphysealauges
von Hatteria, des Epiphysealauges von Petromyzon marin., denen der
Iris (bei der Linsenregeneration), und sogar, wie ich zeigen konnte,
den Zellen der Retina, die sich unter Umständen in »Lentoide«
mnzuwandeln vermögen. 4 )
Für die zweite Annahme der .Herrschen Hypothese sind
namentlich die erwähnten Versuche von Spemann von Bedeutung,
weil sie sich am einfachsten bei Anerkennung der Wirkung jenes
Contactreizes erklären lassen. Im Ganzen lässt sich behaupten, dass
jene Hypothese eine wohl gestützte ist, und — zum Mindesten —
den bisher bekannten Thatsachen in einfachster Weise gerecht wird. 5 )
') G. Born , Ueber Verwachsungsversuche mit Amphibienlarven. Archiv für
Entwicklungsmechan. 1897, Bd. IV.
-) B. Spemann , Ueber Correlationen in der Entwicklung des Auges. Ver¬
handlungen der Anatomischen Gesellschaft auf der Versammlung in Bonn. 1901.
3 ) Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft auf der Versammlung in
Halle, 1902.
4 ) A. Füehei, Weitere Mittheilungen über die Regeneration der Linse. Archiv
für Entwicklungsmechan. 1902, Bd. XV.
5 ) Ihr widerspricht es nicht, wenn in einigen Fällen ( Barfurth , 1. c.; Memel,
Archiv für Entwicklung9inech. Bd. XVI) Linsenbildung bei Fehlen der Augen-
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Dr. Alfred Fisckel.
Wenden wir nun diese Hypothese auch auf unseren Fall an,
so gewinnt der Gegensatz in der Differenzirungsart des Ektoderms
beider Seiten mit einem Schlage seine Aufklärung: Auf jener Seite,
auf welcher eine Augenblase gebildet wurde, die sich an
das Ektoderm anlegte, ward, eben durch diesen Berührungs¬
reiz, an der berührten Stelle eine Verdickung des Ekto¬
derms, als erste Anlage einer Linse, ausgelöst; auf der
anderen Seite blieb die Bildung dieser Linsenanlage, eben
infolge Mangels einer Augenblase und des von ihr aus¬
gehenden Contactreizes, völlig aus. Da das Ektoderm dieser
Seite im Uebrigen ganz normal ausgebildet, also sonst kein ersicht¬
licher Grund für das Ausbleiben der Linsenentwicklung auffindbar
ist, werden wir der Anwendung dieser Erklärungsart auf unseren
Fall kaum entrathen können, da wir sonst kein Moment angeben
könnten, welches jenes Ausbleiben der Linsenentwicklung zu erklären
vermöchte.
Im Zusammenhalte mit den früher angegebenen Thatsachen
scheint mir daher unser Fall für die Berechtigung der Uebertragung
jener Hypothese der Linsenbildung auch auf eine Ei-Art zu sprechen,
die dem in solchen Fragen allein entscheidenden directen experi¬
mentellen Eingriffe nicht zugänglich ist, nämlich auf das Ei des
Menschen. Aus diesem Grunde schien mir auch die Mittheilung
und nähere Beschreibung des Falles von Interesse zu sein.
Es wäre überhaupt dankenswerth, wenn man der genaueren,
mikroskopischen Erforschung pathologischer, und namentlich junger
pathologischer menschlicher Embryonen grössere Aufmerksamkeit
zuwenden würde. Zwar liegen verdienstvolle Angaben über
Embryonen der letzteren Art, namentlich von His, Giacomini und
in jüngster Zeit von F. P. Mall') vor. Doch wurden bisher vor¬
wiegend nur die makroskopischen Verhältnisse derselben berück¬
sichtigt, und sie konnten ferner für die erst in den letzten Jahren
in Aufschwung gekommene causale Forschungsrichtung noch nicht
verwerthet werden. Gerade für die letztere dürften aber, wie auch
aus unserem Falle zu ersehen ist, die Resultate dieser genaueren
Erforschung und Berücksichtigung pathologischer Embryonen werth¬
blasen beobachtet wurde. Denn in diesen abnormen Fällen können anderweitige,
direct auf das Ektoderm ausgeübte Reize jene Linsenbildung ausgelöst haben, die
normaler Weise unter dem Einflüsse der Augenblasen erfolgt.
’) Franklin P. Mall, A contribution to the study of the pathology of
early human embryos. Festschrift für W. H. Welch. John Hopkin’s Hospital
Reports, Vol. IX.
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Ueber einen sehr jungen, pathologischen, menschlichen Embryo.
13
voll werden. Speciell die an menschlichen Embryonen gewonnenen
Resultate schon deswegen, weil diese Embryonen gewiss oft in ihren
speciellen Bauverhältnissen die Berechtigung zur ITebertragung von An¬
nahmen auf den menschlichen Embryo erbringen dürften, zu welchen
man bei Berücksichtigung der Ergebnisse an den für Experimente
allein geeigneten Eiern niederer Thierarten gelangte. Ist auch das
menschliche Ei dem directen experimentellen Eingriffe nicht zu¬
gänglich, so besitzen wir doch gerade in jenen abnormen oder
pathologischen Embryonen gewissermassen die Resultate von Ver¬
suchen, welche die Natur selbst für uns anstellt, und deren Berück¬
sichtigung daher zweifellos auch der Erforschung der normalen Onto¬
genese des Menschen förderlich sein wird.
Prag, im Juli 1902.
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(Aas dem k. k. pathologisch-anatomischen Institute in Graz.)
Beitrag zu der Lehre von den Rückenmarksveränderungen
nach Extremitätenverlust.
Von
Dr. Quodvultaeus MathyaS,
k. und k. Oberarzt.
(Hiezu Tafel I und II.)
Der Grund, warum die Rückenmarksveränderungen bei peri¬
pherischen Nervenläsionen bis in die jüngste Zeit nicht überein¬
stimmend beschrieben wurden, ist, abgesehen von der Unzulänglichkeit
der in früheren Zeiten angewendeten Untersuchungsmethoden, haupt¬
sächlich darin zu suchen, dass, wie Charcot und Marie schon hervor¬
gehoben haben, die Art und Dauer der Erkrankung des betreffenden
Körpertheiles einen beträchtlichen Einfluss ausüben.
Schon im Jahre 1873 war es Rayem ‘) bekannt, dass bei jungen
Kaninchen nach Ausreissen des Ischiadicus Atrophie einer ganzen
Rückenmarkshälfte entsteht. So haben: Darlcschexoüsch 2 ) nach Aus¬
reissen und Durchschneidung des Ischiadicus, Facialis, Hypoglossus,
Warrington 3 ) nach Durchschneidung vorderer und hinterer Wurzeln,
Mayser 4 ) nach Durchschneidung des Ischiadicus eine Atrophie haupt¬
sächlich der äusseren Partie der Vorderhörner gefunden. Andererseits
wurde von Paladino 5 ) nach Resection der hinteren Wurzeln, von
Cent nach Durchschneidung des Ischiadicus Atrophie der weissen
und grauen Substanz nachgewiesen.
Die Resection der rein motorischen Nerven hat starke Atrophie
des entsprechenden Kernes zur Folge, wie das Ford 6 ), Raiman’)
nach Entfernung des Facialis zu constatiren in der Lage waren.
Marinesco s ) fand bei Hunden schon am zehnten Tage nach Ausreissen
der motorischen Nerven theils totale, theils partielle Achromatose.
Nach Sträussler 9 ) kann 30 Tage nach dem Ausreissen der
Nerven der Process nach Untergang von mehr als der Hälfte der
Ganglienzellen als abgeschlossen angenommen werden.
Auch nach Amputationen bei Thieren ( Erlitzky ,0 ), Horn^n u )
werden Vorderhorn und Hinterstrang atrophisch.
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Beitrag zu der Lehre von den Rückenmarks Veränderungen etc.
15
Beim Menschen wurde Atrophie der grauen und weissen Sub¬
stanz nachgewiesen von Vulpian 12 j im Pall I nach 45jähriger Lebens¬
dauer und im Fall II nach lOjähriger Lebensdauer nach der Ampu¬
tation, von v. Leyden' 3 ) nach öjähriger Lebensdauer, von Dejerine et
Mayer") in mehreren Fällen nach 17—30jähriger Lebensdauer, von
Friedländer und Krause 15 ) nach mehrjähriger Lebensdauer, vod
Kahler und Pick nach 6- und 18jähriger Lebensdauer.
Degeneration der grauen Substanz und der Hinterstränge nach
der Amputation sahen: Hayem und Gilbert' 3 ) nach 17jähriger Lebens¬
dauer nach der Amputation, Marie 17 ) nach 20jähriger Lebensdauer,
Marinesco 2 ) nach 10-, 21-, 50jähriger Lebensdauer, Wille' 3 ) nach
4-, 10-, 40jähriger Lebensdauer, Pelizzi ,9 ) nach 11-, lOjähriger
Lebensdauer, Pikeles 20 ) nach löjähriger Lebensdauer.
Eine blosse Verkleinerung des Vorderhornes nach Amputation
wird besprochen in den Fällen: von Hayem“ 1 ') nach öjähriger Lebens¬
dauer, von v. Leyden nach 3jähriger Lebensdauer, von Dickinson 22 1
nach löjähriger Lebensdauer, von Genzmer n ) nach 30jähriger Lebens¬
dauer, von van Gehuckten et de Buck 21 ) nach 21jähriger Lebensdauer
nach der Amputation.
Im pathologisch-anatomischen Institute zu Graz wurde das Rücken¬
mark von zwei Fällen mit Extreraitätenverlust nach Amputation
untersucht.
Fall I. Pf J., 52 Jahre alt; 7 Jahre vor dem Tode wurde
der linke Unterschenkel in seiner Mitte (angeblich wegen Fractur)
amputirt.
Der Hinterstrang der linken Seite ist vom oberen Sacralmark
angefangen bis zum untersten Brustmark schmäler. Die Verschmälerung
scheint am stärksten entwickelt zu sein in den vorderen (ventralen)
zwei Dritteln des Hinterstranges und ist in der Höhe der dritten und
vierten Lumbalwurzel am deutlichsten entwickelt.
Bei stärkerer Vergrösserung und der Weigert-Pal sehen Färbung
zeigt sich eine massige Erblassung des linken Hinterstranges. Sie ist
dadurch verursacht, dass hier reichliche dünne, atrophische Nerven¬
fasern vorhanden sind. Die Anzahl dieser dünnen Fasern ist links
stellenweise doppelt so gross wie rechts. Eine Gliaverraehrung kann
man nicht constatiren.
Auch im Halsmarke gibt sich eine leichte Erblassung im linken
fröschen Strange zu erkennen.
Eine Verminderung der grauen Substanz linkerseits lässt sich
von dem oberen Sacralmark bis in das untere Brustmark verfolgen.
Am stärksten betroffen ist die untere und mittlere Lendengegend
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16
Dr. Quodvultaeus Mathyas.
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(Tafel I, Fig. 1, 2, 3). Die Einbuchtungen des linken Vorderbornes
sind nur wenig ausgeprägt, an Stellen der stärksten Veränderung
sogar fast verschwunden, so dass hier das Vorderhorn nach vorn und
aussen kolbig abgenindet erscheint. Die Nervenbündel, die in die
weisse Substanz ausstrahlen und die vorderen Wurzeln bilden, wie
auch die aus den Hintersträngen austretenden Nervenfasern sind stark
vermindert. Die Anordnung der Ganglienzellen in Gruppen ist in
der Höhe der dritten und vierten Lendenwurzel nur mangelhaft; die
netzförmig sich verflechtenden Nervenfasern sind vermindert; das
ganze Hinterhorn ist kleiner, die Subst. gelatinosa ist links faserärmer
als rechts.
Die Clarke sehen Säulen sind links stellenweise bis um ein
Drittel schmäler als rechts, die Zahl der Zellen derselben vermindert ;
der Unterschied in der Grösse der beiderseitigen Clarke sehen Säulen
ist noch im mittleren Brustmark bemerkbar.
Sämmtliche Ganglienzcllgruppen der linken Lendenpartie sind
verändert: am meisten aber die postero-laterale Gruppe. Die Ver¬
änderung bezieht sich zuerst auf Verminderung der Zahl der Ganglien¬
zellen. So ist z. B. die durchschnittliche Zahl der Ganglienzellen im
Vorderhorn des Lendenmarkes folgende:
in der Höhe der 1. Lendenwurzel links
r> »
:> »
> 2.
» 3.
. 4.
»
» » » * o. * »
» » »1. Sacralwurzel »
9:12 (rechts)
11:16
27:39
30:41
34:42
32:36
Auch die Grösse der Ganglienzellen hat eine Einbusse erlitten,
da die meisten Zellen des Vorderhornes kleiner sind, als die der
rechten Seite. Eine braune Pingmentirung als Alters Veränderung ist
beiderseits gleich ausgebildet. Desgleichen lassen beiderseits einzelne
Zellen einen staubförmigen Zerfall der NtssC sehen Körper erkennen;
auch fehlt an einigen Zellen beiderseits die Tigroidsubstanz voll¬
kommen.
Die Vorder- und die Hinterwurzeln der erkrankten Rückenmarks¬
partien sind atrophisch. Man findet in ihnen viele dünne Nerven¬
fasern mit schmalen, sich schlecht färbenden Markscheiden; an vielen
derselben färbt sich die Markscheide überhaupt nicht. Die Stütz¬
substanz ist nicht auffällig vermehrt. Aehnlich verhalten sich die
Nervenfasern der linken Hälfte der Cauda equina. In ungefähr einem
Drittel der Bündel sind die meisten Nervenfasern dünn, atrophisch
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Beitrag zu der Lehre von den Rückenmarksveränderungen etc.
17
und nur wenige derselben bieten ein normales Aussehen (Tafel I,
Fig. 4).
Fall II. Tsch. J., 35 Jahre, gestorben an Tuberculose. Drei
Monate vor dem Tode wurde der linke Unterschenkel und vier Jahre
vor demselben der linke Oberarm im unteren Drittel amputirt.
Die Veränderungen im linken Lendenmark sind fast dieselben,
wie in dem Falle I, nur viel weniger deutlich ausgesprochen als in
dem Falle I. Zum Unterschiede von dem Falle I lässt sich aber im
Rackenmarke des Falles II eine Verschmälerung des linken Hinter¬
stranges durch das ganze linke Brustmark hindurch verfolgen. Aller¬
dings ist die Verschmälerung überhaupt nur schwach entwickelt.
Auch die Verminderung der linken grauen Vordersäule erstreckt sich
vom obersten Sacralmark angefangen bis hinauf durch das ganze
Rückenmark.
Bei schwacher Vergrösserung sieht man an mittelst WeigerthPdPs eher
Färbung hergestellten Präparaten, dass im mittleren Brustmark die
leichte Erblassung des Hinterstranges, die im oberen Lendenmark
als Zeichen der Atrophie zu sehen war, geschwunden ist. Sie erscheint
aber wieder im obersten Brustmark und im Halsmark, und zwar hier
in der Gegend der ventralen zwei Drittel der beiden GWfschen
Stränge, allerdings links stärker als rechts.
Die Clarke' sehe Säule ist, wie im Falle I, verkleinert; die Zahl
der Nervenzellen links um 3—5 kleiner als rechts; die Zellen selbst
zeigen keine Veränderung.
Die durchschnittliche Zahl der motorischen Ganglienzellen der
Vorderhörner im Lendenmark beträgt:
in der Höhe der 2. Lendenwurzel links 16, rechts 20
» » » » 3. » * 30, » 45
» » » » 4. » » 45, » 52
» » * * 5. » » 50, » 53
Der Unterschied in der Zahl der Ganglienzellen im Sacralmark
verschwindet.
Wie an nach Weigert-Pal gefärbten Präparaten erkannt werden
kann, beginnt eine leichte Erblassung im linken Burdach' sehen
Strange schon in der Höhe der zweiten bis dritten Brustwurzel (diese
Degeneration im Brustmarke ist wohl als die Schultze' sehe absteigende
Degeneration zu deuten). Von dem linken achten Halssegment an,
wo die Erblassung des Burdach' sehen Stranges nur nächst dem Hinter¬
horn ausgesprochen ist, nimmt nach aufwärts zu die Degeneration
desselben an Breite und Länge zu, so dass sie sich in der Höhe der
sechsten Halswurzel schon fast auf den ganzen Burdach' sehen Strang
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. Anat. n. verw. Disciplinen. 2
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18
Dr. (^uodvultaeus Mathias.
erstreckt. Nur die Peripherie der hinteren Wurzelzone und der vor¬
dere Theil der vorderen Wurzelzone nächst der Coramissur und ein
schmaler Streifen längs des Septum paramedianum bleiben normal
(Tafel II, Fig. 5), so dass am Querschnitt ein dreieckiges Feld
atrophischer Nervenfasern, entsprechend dem fast ganzen Burdach' sehen
Strange, deutlich wahrnehmbar ist. In der Höhe der fünften linken
Halswurzel beginnt dieses Degenerationsfeld sich von dem Hinterhorn
zu entfernen, indem ein- und seitwärts vom Hinterhorn ein schmaler
Streifen zum Vorschein kommt. Auch der hintere Theil der degene-
rirten Partie wird allmälig schmäler, so dass das Degenerationsfeld
immer mehr nach innen rückt und in der Höhe des ersten Hals¬
segmentes auf die innere Hälfte des Burdach' sehen Stranges be¬
schränkt wird (Tafel II, Fig. 6).
Der rechte Burdach'sehe Strang nimmt etwas Theil an der
Veränderung insofern, als die Glia und die dünnen Nervenfasern etwas
vermehrt sind und zahlreiche Nervenfasern aus den Gliamaschen aus¬
gefallen erscheinen.
Die Veränderung des Hinterstranges besteht in Vermehrung der
Stützsubstanz und inAtrophie und Schwund der Nervenfasern. Dazu tritt,
besonders in den oberen vier Halssegmenten, ein starker Ausfall von
Nervenfasern hinzu, wodurch sich charakteristische Maschenräume
herstellen. Durch Anhäufung solcher leerer Maschenräume bekommt
das Gewebe eine wabenartige Structur. Viele von diesen Maschen
enthalten noch Achsencylinder mit dünnen Resten der Markscheiden
um sie herum, viele aber auch nur dünne, excentrisch gelagerte
Achsencylinder (Tafel II, Fig. 7).
Die antero-lateralen Nervenbündel sind insofern verändert, als
sich, wiewohl beiderseits, so doch rechts stärker, und zwar im Hals¬
marke, besonders in den oberen Segmenten desselben, in ihren mitt¬
leren Partien die dünnen Nervenfasern, dann die Kerne und auch die
Stützsubstanz vermehrt darbieten. Die Kleinhirn-Seitenstrangbahn ist
beiderseits normal.
Die Verkleinerung des linken grauen Vorderhornes, die schon
im obersten Dorsalmark sehr deutlich ist, nimmt nach aufwärts zu
und wird am stärksten im Bereiche der achten bis fünften Halswurzel.
Von da an noch weiter nach aufwärts nimmt sie wieder ab, und die
durch sie geschaffene Asymmetrie der beiden Vorderhörner schwindet
auch mehr und mehr; doch ist sie nicht einmal in der Höhe der
ersten Halswurzel ausgeglichen. Die sämmtlichen Ganglienzellen des
Vorderhornes sind betroffen; am stärksten aber die der postero-lateralen
Partie des Vorderhornes im Bereiche des sechsten bis achten Hals-
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Beitrag zn der Lehre von den Kückenmarksveränderungen etc.
19
segmentes (siehe Tafel II, Fig. 8 und 9, die das Aussehen der äusseren
zwei Drittel des linken, beziehungsweise des rechten Vorderhornes
veranschaulichen).
Die durchschnittliche Anzahl der Ganglienzellen in den beider¬
seitigen Vorderhörnern beträgt in der Höhe:
der 2. Halswurzel links 19, rechts 23
y>
3.
>
» 23,
>
27
»
4.
»
» 34,
>
43
»
5.
»
» 45,
»
60
6.
» 36,
»
49
»
7.
T>
» 30,
»
45
8.
>
» 28,
»
35
Die Ganglienzellen sind meistens kleiner und ihre Fortsätze
weniger ausgebildet als rechts. Viele von ihnen zeigen eine partielle
Tigrolyse; einzelne haben auch keine AmT-Körper und keine Kerne.
Die Abgrenzung der einzelnen Zellgruppen ist verwischt; das Nerven¬
netz verschwunden; die in die Vorder-und Hinterhörner einstrahlenden
Nervenfasern sind an Zahl vermindert.
Im Lendenmarke, in den Wurzeln und in der Cauda equina
finden sich im Allgemeinen ähnliche Veränderungen wie im ersten
Falle; nur sind dieselben bedeutend schwächer ausgebildet.
Fasse ich die Befunde des Rückenmarkes in beiden Fällen
zusammen, so ergibt sich für den Fall I: Atrophie des linken Hinter¬
stranges und des linken Vorderhornes vom oberen Sacralmark an bis
zum untersten Brustmark; dieselbe ist am stärksten in der Gegend
des dritten und vierten Lendensegmentes ausgesprochen. Leichte auf¬
steigende Degeneration des linken GWsehen Stranges, die wieder
erst im Halsmark deutlich ist. Atrophie der Cauda equina und der
linken Clarke sehen Säule.
Für den Fall II: Atrophie des linken Vorderhornes im Lenden¬
mark, im obersten Brustmark und im Halsmark; aufsteigende Degene¬
ration in den QoIX sehen Strängen, die im Halsmark deutlich ist und
die vorderen zwei Drittel derselben betrifft. Atrophie des linken
ÄmiacÄ’sehen Stranges von dem dritten Brustsegment an beginnend.
Sie bleibt zunächst auf die äusseren Partien des Stranges beschränkt
und reicht bis zum achten Halssegment; vom achten Halssegment an
bis zum sechsten nimmt sie an Breite zu, so dass in der Höhe des
letzteren der Burdach' sehe Strang fast seiner ganzen Breite nach
betroffen ist. Von da nach aufwärts nimmt die Ausbreitung der
Atrophie allmälig wieder ab, so dass entsprechend dem ersten Hals¬
segment nur die innere Hälfte des Burdach' sehen Stranges atrophisch
2 *
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20
Dr. Quodvultaeus Mathyas.
ist. Atrophie des linken Vorderhornes im obersten Brustmark und
im Halsmark, am stärksten vom achten bis zum fünften Halssegment.
Atrophie der linken Clarke' sehen Säule, der Wurzeln und der Cauda
equina, ähnlich wie im ersten Fall, nur schwächer ausgebildet.
Vorliegende Befunde am Bückenmark nach Amputation von
Extremitäten sind auch von anderen Autoren erhoben worden.
In dem Falle I, wo es sich um Amputation des linken Unter¬
schenkels handelt, betreffen die Veränderungen zunächst die Lenden¬
anschwellung ; im Falle II, wo der linke Unterschenkel und der linke
Oberarm entfernt wurden, finden sie sich ausser an der Lenden¬
anschwellung auch an der Halsanschwellung.
Bemerkenswerth erscheint, dass in beiden vorliegenden Fällen
die GoU' sehen Stränge erkrankt waren, und zwar in einer Form,
welche der aufsteigenden Degeneration entspricht. Allerdings wird
diese Erkrankung im Lendenmark nicht so deutlich wahrgenommen,
weil die Hinterstrangfasern hier nicht zu so deutlich von einander
zu unterscheidenden Systemen vereint sind, wie das im Brust- und
Halsmark der Fall ist, und sie sich alsbald nach ihrem Eintritte ins
Lendenmark im ganzen Hinterstrang zerstreut ausbreiten. Uebrigens
haben Bikeles und Marinesco auch die Beobachtung einer Art, der
aufsteigenden Degeneration in den Gold sehen Strängen nach Ampu¬
tation einer unteren Extremität gemacht.
Im Falle II, wo es sich um eine einseitige, d. h. um eine
Amputation des linken Unterschenkels und des linken Oberarmes
gehandelt hat, war allerdings die linke Hälfte des Rückenmarkes vor¬
wiegend betroffen; doch bot auch die rechte Hälfte des Rückenmarkes
Veränderungen dar. Marte und Cent erwähnen auch solche beider¬
seitige Veränderungen am Rückenmarke nach Amputation einer Ex¬
tremität. Sie meinen aber, dass dies nur dann der Fall ist, wenn
die atrophischen Veränderungen überhaupt sich auf der leidenden
Seite mächtig und ungewöhnlich stark ausgebildet haben.
Wenn in beiden Fällen die atrophische Verschmälerung im
linken Lendenmark, besonders in den vorderen (ventralen) Partien
des Hinterstranges, sichtbar geworden ist, so entspricht dies den
Resultaten der Experimente Singer's' i!> ). Dieser Autor hat nämlich
darauf aufmerksam gemacht, dass nach Durchschneidung der hinteren
Wurzeln des Sacral- und des Lendenmarkes die vorderen (ventralen)
Partien der Hinterstränge besonders leiden. Auch ist eine solche
Erscheinung von Friedländer, Krause und Bikeles nach Amputation,
und von Mayer 26 ) nach Degeneration der vierten Lendenwurzel
beobachtet worden.
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Beitrag zu der Lehre von den Rückenmarks Veränderungen etc.
21
Die in den beiden Fällen Vorgefundene Atrophie der Clarke sehen
Säulen wurde von den meisten Autoren, die sich mit dem uns jetzt
interessirenden Gegenstand beschäftigt haben, beobachtet, so besonders
von Peliezi, Bikeles, Marinesco, Homhn, Friedländer und Krause. Bei
Marinesco findet man die Angabe, dass Atrophie der Clarke' sehen
Säulen auch nach Amputation der oberen Extremität sich ent¬
wickeln kann.
Als etwas Besonderes möchte ich jene Veränderung hervor¬
heben, die ich im Falle II finden konnte, nämlich die Atrophie der
beiderseitigen antero-lateralen Nervenbündel im Halsmarke. Etwas
Gleiches konnte ich bei den Autoren, die Veränderungen des Rücken¬
markes nach Amputation beschrieben haben, nicht finden.
Dafür konnte ich in beiden Fällen, wie es allseits beschrieben
wird, leichte atrophische Veränderungen in den Clarke' sehen Säulen
nachweisen und die Kleinhirnstrangbahnen unverändert finden. Nur
Paladino 27 ) allein hat gefunden, dass nach Resection des Plexus
lumbo-saeralis der cerebellare Strang degenerirt war.
In dem Falle II erregte besonderes Interesse die Degeneration
des Burdach' sehen Stranges. Das Degenerationsfeld desselben ver¬
schmälert sich vom sechsten Halssegment an nach aufwärts zu und
rückt nach einwärts, so dass in der Höhe des ersten Halssegmentes nur
mehr die innere Hälfte des Äm&zcÄ’sehen Stranges betroffen ist. Das ist
dadurch bedingt, dass die Nervenfasern, die aus den Hinterwurzeln in das
Rückenmark eindringen, ursprünglich dicht am Hinterhorn liegen und im
weiteren Verlaufe nach aufwärts durch die neu eindringenden Nerven¬
fasern von der Wurzeleintrittszone nach innen zu geschoben werden.
Wenn in dem Degenerationsfeld des Burdach 1 sehen Stranges noch
ganz erhaltene Nervenfasern gefunden wurden, so ist das nichts Ueber-
raschendes, da dies auch nach Durchschneidung mehrerer benachbarter
hinterer Wurzeln beobachtet wird. Die bedeutende Vermehrung der
Stützsubstanz in dem Degenerationsfelde ist nicht Folge einer Glia¬
wucherung, sondern theils durch die Verkleinerung und theils durch
den Schwund der Nervenfasern bedingt, so dass dadurch die Glia-
septen näher aneinander rücken. Desgleichen rücken auch die Glia-
kerne näher aneinander, und so kommt es, dass sie scheinbar reich¬
licher, beziehungsweise gewuchert sind.
Diese Meinung wird auch von anderen Autoren vertreten, die
gleiche Verhältnisse zu beobachten Gelegenheit hatten. So z. B.
erklärt Marie die Verdickung und Anhäufung der bindegewebigen
Streifen hauptsächlich durch gegenseitige Annäherung der Gliasepten
nach Atrophie der Nervenfasern. Hombi, Friedländer und Krause
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22
Dr. Quodvultaeus Mathyas.
sprechen die Ansicht aus, dass das Bild der Vermehrung der Stütz¬
substanz den Eindnick macht, als ob die normale Anzahl von Kernen
auf einen kleinen Raum zusammengedrängt wäre, und dass in Folge
des Schwundes der Nervenfasern die einzelnen Theile des Gliagewebes
näher aneinander rücken, wozu im weiteren Verlaufe noch mässigc
Wucherung des Gliagewebes selbst hinzutreten kann. Aehnlich spricht
sich auch Bikelea aus.
Betreffs der Art und Weise, wie die Nervenfasern atrophiren
und schwinden, lehren die mikroskopischen Untersuchungen des
Rückenmarkes von Fällen mit verschiedener Dauer des Verlustes von
Extremitäten durch Amputation, dass in erster Reihe die Markscheiden,
in zweiter Reihe erst, wenn die Markscheiden schon mächtige Ver¬
änderungen zeigen, die Achsencylinder sich an der Atrophie be¬
theiligen. Die Achsencylinder werden immer dünner, bis sie endlich
schwinden, Es wird das auch dadurch bewiesen, dass an Carmin-
Hämatoxylin-Schnitten Stellen mit quer durchgesehnittenen Achsen-
cylindem gefunden werden, die bei der PFe^erf-PoTschen Färbung sieh
leer, beziehungsweise ungefärbt erweisen, was eben den Schwund der
Markscheiden bedeutet.
Berard vergleicht solche Fasern, die ihrer Markscheide verlustig
geworden sind, mit marklosen Nerven, was gewiss nicht der Fall ist.
Marinesco spricht auch von dünnen Fasern und dünnen Markscheiden.
Pelizzi beobachtete, dass in den degenerirten Partien viele feine
Nervenfasern Vorkommen, die nur sehr schwach, theilweise blos
schattenhaft gefärbte Markscheiden haben, und er schliesst daraus,
dass die Achsencylinder unvergleichlich weniger gelitten haben, als
die Markscheiden.
Die gefundenen Veränderungen der Nervenfasern in dem Hinter¬
strange beider Fälle können, so wie sie im vollendeten Zustande vor¬
liegen, nicht als Degeneration bezeichnet werden, sondern sie sind
eine durch Functionsausfall bedingte Atrophie, wie eine solche in
gleichen Fällen oder unter gleich zu stellenden Verhältnissen von Fried¬
länder, Krause, Singer, Münzer angenommen worden ist. Dabei darf
aber nicht vergessen werden, dass im Beginne der Atrophie ein
solcher Verlauf der Veränderungen sich zu erkennen geben kann, der
auf Degeneration und nicht auf einfache atrophische Vorgänge hin-
weisen könnte.
Die in beiden Fällen in den Vorderhörnern gefundenen Ver¬
änderungen sind secundärer Natur und leicht verständlich. Nach
Durchtrennung eines Nerven tritt in der zugehörigen Ganglienzelle
zunächst eine Zerstäubung der geformten chromatischen Substanz im
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Beitrag za der Lehre von den Rückenmarksveränderungen etc.
23
Protoplasma auf (Tigrolyse-Chromatolyse). Nach Auflösung der
chromatophilen Elemente (Achromatose) und Verschiebung des Zell¬
kernes gegen die Peripherie der Zelle nimmt der Zellkörper ungefähr
bis zum hundertsten Tage nach Unterbrechung der Leitung an Volumen
zu, um dann weiterhin wieder an Volumen abzunehmen. Dies ist
jedoch nur der Fall, wenn die Leitung wieder hergestellt wird, d. h.
eine Regeneration des peripherischen Nerven erfolgt. Findet das
aber nicht statt, dann nimmt die Volumsabnahme, die sich schon am
zwanzigsten Tage constatiren lässt, stetig zu, das Tigroid schwindet
ganz, die Ausläufer der Zelle verkleinern sich, bis dass endlich auch
die Zelle- verschwinden kann.
Diese Reihe von Veränderungen geht auch in sensiblen und
sympathischen Ganglien vor sich nach Durchschneidung ihrer ent¬
sprechenden Nerven.
Es ist also nicht nöthig, dass jungen Thieren die Nerven aus¬
gerissen werden, damit diese Veränderungen im Rückenmark ent¬
stehen, sondern es genügen Nervensehädigungen überhaupt, und zwar
auch bei erwachsenen Thieren, wie dies Ntsel, Marinesco, Ballet,
Dutil, Lugowet experimentell gezeigt haben. Nur reagiren die jungen
Thiere viel schneller, und auch die Ganglienzellen gehen nach Aus-
reissen der zugehörigen Nerven viel eher zu Grunde, als wenn der
Nerv einfach durch geschnitten werden würde.
Die Angaben von Sträussler, dass, wenn nach einfacher Leitungs¬
unterbrechung schwere Zellveränderungen entstehen, diese nicht auf
die Leitungsunterbrechung selbst, sondern auf andere Ursachen zurück¬
zuführen sind, und dass die nach Leitungsunterbrechung durch Resection
peripherischer Nerven auftretenden Zellveränderungen für das Leben
der Zelle und für deren atrophische Thätigkeit keine Bedeutung haben,
wird wohl erst bestätigt werden müssen.
Es ist ganz verständlich, dass die Veränderungen in den Zellen
besonders rasch eintreten können, wenn traumatische oder infectiös-
toxische Schädlichkeiten eine Leitungsunterbrechung im Nerven com-
pliciren. Das beweist besonders schön die Beobachtung von Meyer™), der
zufolge sich schon nach sechstägiger Dauer einer Unterarmphlegmone,
die die Muskeln und viele Nerven des Vorderarmes zerstört hat, Ver¬
änderungen und Schwund der lateralen Gangliertzellengruppe im Hals¬
mark haben nach weisen lassen.
Es muss also, soweit bisherige Erfahrungen lehren, angenommen
werden, dass auch schon durch die einfache Durchtrenuung eines
Nerven die zugehörige Ganglienzelle in ihrer Ernährung und Function
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Original frum
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24
Dr. Quodvultaeus Mathjas.
beeinträchtigt wird, und dass die Ganglienzellen sich nicht auf die
Dauer in ihrer Constitution erhalten können, wenn sie nicht durch
funetionelle Erregung in Thätigkeit erhalten bleiben.
Erklärung der Tafeln.
Fig. 1, Fall I. Vom fünften Lumbalsegment. Vergrösserung 8; die linke
graue Substanz und der linke Hinterstrang sind schmaler.
Fig. 2, Fall I. Das rechte Vorderhorn vom dritten Lumbalsegment. Ver-
grösserung 17.
Fig. 3, Fall I. Das linke Vorderhorn vom dritten Lumbalsegment. Ver-
grösserung 17.
Fig. 4, Fall I. Aus der Vorderwurzel des mittleren Lendenmarkes;
a atrophische Nervenfaser. Vergrösserung 400.
Fig. 5, Fall II. Querschnitt in der Höhe des siebenten Halssegmentes.
Atrophie des linken BurcfacÄ’schen Stranges. Vergrösserung 9.
Fig. 6, Fall II. Hinterstränge in der Höhe des ersten Halssegmentes. Der
linke Burdach' sehe und die beiden GW/’schen Stränge atrophisch. Vergrösserung 7*5.
Fig. 7, Fall II. Eine Stelle aus dem degenerirten Streifen im linken
UurdocÄ’schen Strange vom dritten Halssegment, a Querschnitt durch atrophische
Nervenfaser, l leere Maschenräume. Vergrösserung 400.
Fig. 8, Fall II. Die äusseren zwei Drittel des Vorderhomes des linken
sechsten Halssegmentes. Vergrösserung 42.
Fig. 9, Fall II. Die äusseren zwei Drittel des Vorderhomes des rechten
sechsten Halssegmentes. Vergrösserung 42.
Die benutzte zugängliche Literatur:
*) Arch. de physiologie. Tome H. (Ref.)
-) Neurologisches Centralblatt. 1892.
3 ) Brit. med. Journal. 1898. (Ref.)
4 ) Archiv für Psychiatrie. 1877.
*) Arch. ital. de biologie. Tome XXIII.
Ä ) Archiv für Psychiatrie. Bd. XVIII.
7 ) Jahrbücher für Psychiatrie. Bd. XIX.
8 ) Bulletin de la Soc. med. des höp. de Paris. 1895.
9 ) Jahrbücher für Psychiatrie und Neurologie. Bd. XXI. (Ref.)
10 ) Medicinische Wochenschrift. Petersburg 1880.
]t ) Beiträge zur pathologischen Anatomie von Ziegler.
,2 ) Arch. de physiologie. 1869. (Ref.)
13 ) Klinik der Rückenmarkskrankheiten. 1876. (Ref.)
,4 ) Bull, de la soc. biol. 1878.
1:< ) Fortschritte der Medicin. 1886. (Ref )
,6 ) Arch. de physiologie. 1884.
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Beitrag zu der Lehre von den Riickenmarksveränderungen etc.
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l7 ) Legons sur les maladies de la moelle. 1892.
lb ) Arcb. für Psychiatrie. 1895.
!9 ) Arch. ital. de biologie. 1895.
*•) Neurologisches Centralblatt. 1900.
*•) Progres medical. 1876.
5S ) Transaet. of pathol. soc. of London. XXIV. (Ref.)
IS ) Virchow’8 Archiv. 1878. (Ref.)
u ) Journal de neurologie. 1898.
ss ) Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Bd. LXXX1V. (Ref.)
st ) Jahrbücher für Psychiatrie und Neurologie. 1895.
21 ) Arch. ital. de biologie. XIII/II.
5S ) Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 1900.
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(Ans dem pathologisch-anatomischen Institute der k. k. Universität in Graz.)
Ein Fall von seltenem Collateralkreislanf bei angeborener
Obliteration der Aorta nnd dessen Folgen.
Von
Dr. Hans Haberer,
Assistent der I. chirurgischen Unirersititsklinik in Wien.
Die Fälle von angeborener Stenose, sowie auch von vollkommener
Obliteration der Aorta an der Ansatzstelle des aus dem Ductus Botalli
hervorgegangenen Ligamentum arteriosum sind kein allzu seltenes
Ereigniss. Sie wurden in mehreren wissenschaftlichen Abhandlungen,
besonders eingehend aber von Eppinger 1 ) einer genauen Besprechung
gewürdigt. Es ist bekannt, dass der Collateralkreislauf in diesen Fällen
vorzüglich auf dem Wege der Arteria mammaria interna zur Aus¬
bildung gelangt, welche aus der Arteria subclavia entspringend, einer¬
seits in directer Verbindung mit der Arteria epigastrica inferior steht,
andererseits mit den Intercostalarterien anastomosirt.
Ferner kommen noch, aber jedenfalls in zweiter Linie, die zahl¬
reichen Verbindungen der Intercostalarterien mit kleineren Aesten der
Arteria subclavia in Betracht. Durch Ausbildung dieses Collateralkreis-
laufes können die Circulationsverhältnisse in recht befriedigender Weise
geregelt werden, so dass Individuen, welche mit dem in Bede stehenden,
angeborenen Fehler des Circulationssystemes behaftet sind, ohne
wesentliche Beschwerden, ja manchmal sogar frei von jedem Symptom,
welches auf die pathologische Beschaffenheit des Gefässsystems einen
Rückschluss gestatten würde, ein höheres Alter erreichen können.
Ich möchte mir erlauben, in dieser Mittheilung einen Fall von
angeborener, vollständiger Obliteration der Aorta am Isthmus der¬
selben zu besprechen, welcher durch seinen eigenthümlichen Verlauf
und sein pathologisch-auatomisches Substrat einiges Interesse be¬
anspruchen darf.
') Eppinger, Stenosis aortae congenita. Prager Vierteljahrschrift. 1871,
Bd. CXII.
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Ein Fall von seltenem Collateralkreislauf bei angeborener Obliteration etc. 27
Der Fall betrifft eine 47 Jahre alte, grosse, kräftig gebaute und
gut genährte Frau, welche siebenmal geboren hat. Die letzte Geburt
erfolgte drei Jahre vor der Spilalsaufnahrae. Die Spitalsaufnahme fand
am 2. Juli 1897 statt.
Aus der Krankengeschichte, die mir leider nicht vollständig
zugänglich war, seien nur die wichtigsten Punkte hervorgehoben:
Die Patientin ist angeblich erst drei Tage vor ihrem Eintritte ins
Spital in acuter Weise erkrankt, während sie sich früher, mit Ausnahme von
hie und da zwischen den Schulterblättern auftretenden, nicht näher de-
finirten Schmerzen vollkommen wohl gefühlt haben soll. Die Erkrankung
soll mit heftigen Schmerzen zwischen den Schulterblättern eingesetzt haben,
und gleichzeitig soll eine Lähmung der unteren Extremitäten eingetreten
sein. Der aufgenommene Status praesens ergab: Herzdämpfung nach links
verbreitert, Herzspitzenstoss ausserhalb der Mamillarlinie tastbar. Herzaction
regelmässig, der erste Herzton an der Spitze gespalten, rauh, der zweite
Aortenton sehr laut. Retentio alvi et urinae, vom Nabel an nach abwärts
totale Anästhesie. Fehlen der Reflexe und schlaffe Lähmung der unteren
Extremitäten. Brustwirbelsäule im ganzen Verlaufe auf Druck empfindlich,
nirgends eine Vorwölbung tastbar. Harn frei von pathologischen Bestand-
theilen.
Leider fehlt der weitere Verlauf des Krankheitsbildes in der
Krankengeschichte; die Patientin starb am 27. October 1897 mit der
klinischen Diagnose: Myelitis transversa. Die am 29. October 1897
vorgenommene Obduction der Leiche ergab die pathologisch-anatomische
Diagnose: Obliteratio aortae congenita in regione isthmi. Stenosis
ostii aortae cum insufficientia valvularum aortae. Haemorrhagia inter-
meningealis et Meningitis chronica spinalis, Compressio medullae
spinalis arteria spinali anteriore ectatica. Decubitus. Pneumonia bilate-
ralis. Sepsis.
Das Sectionsprotokoll soll nur auszugsweise wiedergegeben werden:
Ueber dem Kreuzbein und den beiden grossen Trochanteren tief¬
greifender, gangränöser Decubitus. Die weichen Hirnhäute schlaff, ödematös.
ln der Mitte des Marklagers der rechten Grosshirnhemisphäre eine 1 cm
im Durchmesser haltende Lymphcyste. Die seitlichen Hirnventrikel sehr
weit, ihr Ependym verdickt, granulirt. Die Arterien der Hirnbasis, na¬
mentlich die Arteriae vertebrales und Arteria basilaris weit, geschlängelt
und auffallend dickwandig. Dura des Rückenmarkes schlaff, haftet mit
ziemlich reichlichen Adhäsionen an der Pia und ist entsprechend der
unteren Hälfte des Rückenmarkes mit ziemlich dicken, pigmentirten Pseudo-
membranen belegt. Pia des Rückenmarkes oben mässig, unten ziemlich
bedeutend verdickt und rostbraun pigmentirt. Die Rami spinales sinistri
sind entsprechend dem unteren Hals- und den oberen zwei Dritteln des
Dorsalmarkes auffallend mächtig erweitert, und zeigen ausserhalb der
Dura spinalis einen geschlängelten Verlauf und dicke Wandungen. Auch
die Arteria spinalis anterior ist mächtig verändert. Vom obersten Hals-
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28
Dr. Hans Haberer.
mark bis hinab zum vierten Halsnervenpaare ist sie gegenüber der Norm
um das Doppelte weiter, zeigt jedoch einen geraden Verlauf und eine uur
massige Wandverdickung. Vom sechsten Halsnervenpaare an bis zum
Uebergang des oberen in das mittlere Drittel des Dorsalmarkes besitzt
die Arteria spinalis antica eine enorm weite Lichtung und mächtig ver¬
dickte Wandungen und beschreibt anfänglich kräftige, wechselständige
Biegungen. Weiter nach abwärts, entsprechend dem obersten Dorsal¬
marke, verläuft sie in der Weise geschlängelt, dass die Schenkel in
den Schlingen schräg bis annähernd quer nebeneinander zu liegen
kommen. Hiezu kommt an der Stelle des Abganges des sechsten Hals-
nervenpaares noch ein eigenthümliches Verhalten der Arteria spinalis
anterior. Sie erscheint hier ziemlich scharf gegen den oberen Hals¬
marktheil ihres Verlaufes abgesetzt und bildet von hier nach abwärts
eigentlich die Fortsetzung eines durch die Dura hindurchtretenden Bamus
spinalis sinister. Letzterer ist hochgradig erweitert und dickwandig und be¬
schreibt längs der sechsten vorderen Halsnervenwurzel einen steil aufstei¬
genden Bogen, in dessen Convexität sich das untere Ende des oberen schmäch¬
tigeren Stückes der Arteria spinalis anterior einpflanzt.
Die in der Höhe des Abganges des sechsten Halsnervenpaares in die
Arteria spinalis anterior einmündenden Rami spinales dextri et sinistri sind
mächtig erweitert, und weisen nebst wesentlicher Wandverdickung einen ge¬
schlängelten Verlauf auf. Längs des mittleren Drittels des Dorsalmarkes werden
die Schlängelungen der Arteria spinalis anterior allmälig sanfter, die Wan¬
dungen dünner. Vom zehnten Dorsalnervenpaare an nach abwärts verläuft
sie gerade, ist nur wenig weiter als gehörig und ihre Wand ist ganz leicht
verdickt. Die in dem eben bezeichneten Antheil der Anteria spinalis
anterior einmündenden Rami spinales bieten keine nennenswerthen Ver¬
änderungen dar. An der Hinterfläche des Rückenmarkes findet sich eine
kräftig ausgebildete rechte, und eine unscheinbare linke Arteria spinalis
posterior. Bei der Section des Rückenmarkes und der Betrachtung der
einzelnen Rückenmarksquerschnitte fällt noch ein eigenthümliches Ver¬
halten der Arteria spinalis anterior besonders auf, dessen daher erst jetzt
und nicht oben bei der genauen Beschreibung der einzelnen Abschnitte
dieser Arterie genauer gedacht werden soll. Zwischen dem zweiten und
dritten Dorsalnervenpaare nämlich, knapp über der Einmündungsstelle
des Ramus spinalis dexter der dritten vorderen Dorsalnervenwurzel biegt
sich die Arteria spinalis anterior seitlich gegen die rechte vordere Hälfte
des Rückenmarkes so ein, dass letzteres in einer Länge von 0*5 cm von
vorne und von der rechten Seite her eingedrückt erscheint. Das Rücken¬
mark ist an der bezeichneten Stelle unregelmässig verschmächtigt, seine
Substanz etwas weicher als gewöhnlich, die Zeichnung am Querschnitte
verstrichen. Die Substanz der übrigen Querschnitte des Rückenmarkes
ist makroskopisch scheinbar von gewöhnlicher Beschaffenheit.
In den Oberlappen beider Lungen acutes Oedem, die Unterlappen
enthalten Infiltrationsherde lobulärer Natur. Milz acut geschwollen, Nieren
und Leber parenchymatös degenerirt. Im Magen-Darmtractus keinerlei
pathologische Veränderungen. Die Arteriae mammariae internae und die
Arteriae epigastricae profundae hochgradig erweitert und geschlängelt,
ihre Wandungen mächtig verdickt, der Herzmuskel durehwegs brüchig
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Ein Fall von seltenem Collateralkreislauf bei angeborener Obliteration etc. 29
und blass. Der Klappenapparat der Aorta in der Weise verändert, dass
die rechte und linke Klappe vollständig zu einer einzigen Klappe ver¬
schmolzen sind, und dass die Verwachsungsstelle hochgradig verkürzt
erscheint. Die hintere Aortenklappe stark ausgeweitet, ihr freier Band
nach dem Sinus Valsalvae leicht umgekrämpelt. Alle übrigen Herzklappen
vollständig zart und schlussfähig. Die Aorta ascendens sehr weit, misst
10 cm im Umfang und verläuft als 9’4 cm langes Bohr nach aufwärts.
Aus ihrem oberen Ende entspringen fast direct die drei grossen Arterien,
Anonyma, Carotis sinistra und Subclavia sinistra, so dass kaum von einem
Aortenbogen gesprochen werden kann. Zwischen den Abgangsstellen der
Arteria carotis und subclavia sinistra, die sehr nahe aneinander liegen,
entspringt direct aus der Aorta die Arteria vertebralis sinistra, während
die Arteria vertebralis dextra in ganz gewöhnlicher Weise von der Arteria
subclavia dextra abgegeben wird.
Beide Arteriae vertebrales sind weiter als gewöhnlich. Knapp hinter
dem Ursprung der Arteria subclavia sinistra verläuft das Anfangsstück
der Aorta descendens in der Bichtung des Ligamentum arteriosum fast
senkrecht nach abwärts, bildet mit der Aorta ascendens einen spitzen
Winkel, ist 13 mm breit, und nach einem Verlaufe von 15 mm Länge
so abgeschlossen, dass das blinde Ende leicht kuppelartig ausge¬
wölbt erscheint. Als Fortsetzung des blind endigenden Anfangsstückes
der Aorta descendens (Isthmus aortae) verläuft das Ligamentum
arteriosum als solider Strang senkrecht nach abwärts, um sich an der
Arteria pulmonalis zu inseriren. Fast unter einem rechten Winkel setzt
die Aorta descendens ihren Verlauf von der Verschlussstelle fort, um
alsbald umzubiegen und in gewöhnlicher Weise nach abwärts zu ver¬
laufen: sie ist 3*5 cm weit, also etwas enger als gewöhnlich weit.
Während die drei oberen Paare der Arteriae intercostales, sowie die Aeste
der Carotiden und Subclavien sehr weit sind und einen geschlängelten
Verlauf zeigen, sind die übrigen Arteriae intercostales nur mässig weit.
Harnblase und Genitalien ohne pathologische Veränderungen, das Becken¬
zellgewebe im Anschlüsse an den Decubitus eiterig inültrirt.
Es handelt sich also in dem vorliegenden Falle um eine Ob¬
literation der Aorta in der Gegend des Isthmus, welcher bekanutlich
das zwischen der Abgangsstelle der Arteria subclavia sinistra und
der Insertion des Ductus Botalli (beziehungsweise Ligamentum
arteriosum) gelegene Stück der Aorta vorstellt. Die Verschlussstelle
findet sich genau entsprechend der eben Erwähnten Insertion des
Ligamentum arteriosum an die Aorta, also am unteren Ende des
Isthmus. Der Verschluss ist ein scheidewandartiger, so dass der
Isthmus mit einer blinden Kuppe unten endet, das obere Ende der
Aorta descendens ebenfalls durch eine blinde Kuppe gedeckt er¬
scheint. An der Aussenseite des Aortenrohres ist die Verschlussstelle
durch eine quere Einschnürung gekennzeichnet.
Wie in allen Fällen von Obliteration der Aorta in der Gegend
des Isthmus, hatte sich auch in diesem Falle der Collateralkreislauf
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30
Dr. Hans Haberer.
vornehmlich durch die Arteria mammaria interna und die Arteria
epigastrica inferior ausgebildet, wozu auch noch die hochgradig aus¬
gedehnte Arteria subclavia und die aus ihr stammenden und mit den
ebenfalls erweiterten Intercostalarterien anastomosirenden arteriellen
Aeste beitrugen. Soweit hätte also der Fall nichts Aussergewöhnliches
an sich.
Das, was ihn aber von allen bekannt gewordenen Fällen gleicher
Art unterscheidet, ist, dass eine hochgradige Erweiterung der Arteriae
spinales als Theilerscheinung des Collateralkreislaufes erwiesen werden
konnte, wie sie, soweit ich die Literatur überblicke, bis jetzt noch in
keinem Falle beschrieben worden ist.
Die Arteriae spinales sind bekanntlich unpaarige, entlang den
Längsspalten des Rückenmarkes herablaufende Arterien, von denen
eine jede paarig aus der Arteria vertebralis als Arteriae spinales
anteriores et posteriores entspringen. Nachdem sich sowohl die Arteriae
spinales anteriores als auch die posteriores zu je einem Längsstamm
vereinigt haben, nehmen sie die Rami spinales, welche sich ihrer¬
seits in je einen vorderen und hinteren Zweig spalten, in der Weise
auf, dass die Rami anteriores von der Arteria spinalis anterior die
Rami posteriores von der Arteria spinalis posterior übernommen
werden. Es wird also durch die Rami spinales eine Anastomose zwischen
Arteria spinalis anterior und Arteria spinalis posterior hergestellt. Aus
dem auf diese Weise gebildeten, das Rückenmark umspinnenden arteriellen
Netzwerke gehen feine Aestchen hervor, welche allenthalben, haupt¬
sächlich aber durch die Längsspalten, in das Rückenmark eintreten,
zum Theile auch die Rückenmarkspia versorgen. Die Rami spinales
sind Zweige der Zwischenrippen-Lenden- und Kreuzbeinarterien. In der
Halsgegend stammen sie aus der Arteria cervicalis profunda und von
dem zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel befindlichen
Foramen intervertebrale an nach aufwärts aus der Arteria vertebralis.
Sie wurden mit Bezug auf ihr Verhalten in vergleichend anatomischer
Beziehung in jüngster Zeit von Hoffmann ') eingehend untersucht.
Die Arteria spinalis antica zeigte nun in unserem Falle vom
sechsten Halsnervenpaare an eine hochgradige Erweiterung und
Schlängelung, von denen letztere besonders nach der rechten Seite
hin gewendet erschien. Namentlich in der Höhe des zweiten Dorsal-
nervenpaares fand sich eine besonders kräftig ausgesprochene Biegung,
welche gegen das Rückenmark vordrängte, und selbes von vorne und
l ) Max Hoffmann , Zur vergleichenden Anatomie der Gehirn- und Rücken-
markarterien der Vertebraten. Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie. Bd. II,
Heft 2. Stuttgart 1900.
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Ein Fall von seltenem Collateralkreislaaf bei angeborener Obliteration etc. 31
von der rechten Seite her (an genannter Stelle) gewaltig cora-
primirt hatte.
Es wurden nun Stücke des unteren Hals- und oberen Brust¬
markes näher angesehen und da ergab sich, dass die Bami spinales
sinistri, soweit sie in die Schnittrichtung gefallen waren, und die
Arteria spinalis anterior, ausser hochgradiger Erweiterung eine sehr
bedeutende Wandverdickung aufweisen. Auch die übrigen am Bücken¬
marke gelegenen, sowie die in die Bückenmarkssubstanz ein tretenden
arteriellen Gelasse haben, jedoch in etwas geringerem Grade, eine
Erweiterung und eine mässige Wandverdickung erfahren. Endlich
sind auch die venösen Gefässe erweitert und dickwandig. Die weichen
Bücken markshäute sind stark verdickt.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass in vorliegendem Falle
ein gewiss nicht unbedeutender Antheil des Blutes aus dem linken Herzen
seinen Weg durch die erweiterten Halsgefässe in die zwischen ihnen
und den Intereostalarterien bestehenden directen Anastomosen gefunden
hatte, gewiss aber auch zum nicht geringen Theile auf dem Wege
der Arteria vertebralis durch die Arteriae und Bami spinales in
die Intercostalarterien und durch diese in die Aorta descendens
gelangte. Die Aorta descendens ist, wie in jedem analogen Falle,
etwas enger als sie sein soll. Sie misst im Umfange nur 3*5 cm,
während eine normale Aorta descendens doch 4—5 cm durch¬
schnittliche Weite besitzt. Daraus geht hervor, dass auch der
Füllungszustand der Aorta descendens ein gegenüber der Norm
herabgesetzter war, wie übrigens angesichts des Umstandes, dass
die Aorta descendens ihr Blut durch die Arteriae intercostales
zugeführt bekam, leicht einzusehen ist. Und wenn auch die obersten
drei Intercostalarterien ganz kolossal erweitert waren, so konnte doch
der summarische Querschnitt ihres Stromgebietes nicht hinreichen,
um für die Aorta, vom oberen blinden Ende der Aorta descendens
bis in die Peripherie derselben, die nothwendige Menge Blutes
zu beschaffen. Gleiches gilt für die Aorta abdominalis betreffs der
Arteriae lumbales und ihrer Anastomosen mit den Arteriae epigastricae
inferiores.
Was nun die Betheiligung der Arteria spinalis anterior und
der Bami spinales am Aufbaue des Collateralkreislaufes in unserem
Falle anlangt, ist dieselbe entsprechend den anatomischen Verhält¬
nissen durchaus nicht auffallend. Diese lehren nämlich, dass die Bami
spinales theils dem Stromgebiete des Arcus aortae, theils dem der
Aorta descendens angehören, und — abgesehen von anderen Ana¬
stomosen — durch die Arteria spinalis mit einander verbunden sind.
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32
Dr. Hans Haberer.
Kommt es nun zu einem Verschlüsse zwischen Arcus aortae und
Aorta descendens, so können sich, wie leicht einzusehen ist, in den
Arteriae und Rami spinales Bahnen für den Collateralkreislauf in
ähnlicher Weise eröffnen, wie dies von der Arteria mammaria interna
und der Arteria epigastrica inferior bekannt ist, von welchen die
erstere dem Stromgebiete des Arcus aortae, letztere dem der Aorta
descendens zugehört. Auffallend ist vielmehr der Umstand, dass,
soweit ich die Literatur überblicke, sich in derselben keine Angabe
über einen solchen Antheil des Collateralkreislaufes bei einschlägigen
Fällen findet. Es ist jedoch immerhin denkbar, dass sich die Spinal¬
arterien zwar regelmässig, aber vielleicht in geringerem Grade an der
Herstellung des Collateralkreislaufes betheiligen, und dass dieses Ver¬
halten nur deshalb nicht allgemein bekannt ist, weil die in Frage
kommenden Arterien wegen Mangel an spinalen Symptomen nicht
näher untersucht wurden. Es ist ferner gewiss richtig, dass bei Her¬
stellung eines Collateralkreislaufes im Allgemeinen; bezüglich der
grösseren oder geringeren Betheiligung der einzelnen Collateralen
zahlreiche Varianten Vorkommen können.
Kadyi *') Verdienst ist es, darauf aufmerksam gemacht zu haben,
dass das Verhalten der Rami spinales betreffs ihres Ursprunges, ihres
Kalibers und ihrer Verbindungen mit benachbarten Arterien ausser¬
ordentlichen Mannigfaltigkeiten unterliege. Der genannte Autor betont
ausdrücklich (8. 34), dass sich entsprechend dem oberen Halsmarke
nur unbedeutende, entsprechend der Intumescentia cervicalis die zahl¬
reichsten, jedoch nach Zahl und Grösse am wenigsten constanten
Rami spinales finden. Je grösser diese letztgenannten sind, desto
sparsamer und zarter sind die übrigen Rami spinales.
Wenn man nun diese Thatsache in Betracht zieht, so liegt die
Vorstellung sehr nahe, dass in dem vorliegenden Falle die Rami
spinales anteriores entsprechend dem unteren Hals- und obersten Brust-
raarke überhaupt von vornherein kräftiger entwickelt waren und des¬
halb in günstiger Weise zur Herstellung des Collateralkreislaufes bei¬
tragen konnten. In anderen Fällen mag, entsprechend den Aus¬
führungen Kadyi's, die Anordnung, Zahl und Weite der Rami spinales
eine andere gewesen, und deshalb eine auffallende Veränderung in
diesem arteriellen Gebiete nicht beobachtet worden sein.
Wenn auch dem Gesagten zufolge die Betheiligung der Rami
spinales und der Arteria spinalis antica am Collateralkreislauf ganz
begreiflich erscheint, so fällt doch die enorme Erweiterung und Wand-
') Kadyi H„ Ueber die Blutgefässe des menschlichen Rückenmarkes.
Lemberg 1889.
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Ein Fall von seltenem Collateralkreislauf bei angeborener Obliteration etc. 33
verdickung der Collateralen überhaupt und insbesondere der Arteria
spinaüs und der Rami spinales in unserem Falle auf. Es muss daher
daran gedacht werden, dass ausser der Obliteration der Aorta noch ein
anderer Grund für die enorme Blutdrucksteigerung und ihre Folgen vor¬
liegen müsse. Ein solcher ist auch vorhanden und ist in einer Verände¬
rung der Aortenklappen und des Aortenostiums zu erblicken. Wie aus
dem Sectionsprotokolle zu entnehmen ist, bestand nämlich Stenose des
Aortenostiums und Insufficienz der Aortenklappen, wobei der ana¬
tomischen Untersuchung zufolge die Insufficienz der Klappen über
die Ostiumstenose prävalirte, wie dies bei der Corabination der beiden
genannten Vitien gar nicht so selten angetroffen wird. So gesellte
sich zu einem schon bestehenden Grunde (Obliteratio aortae) noch
ein weiterer Grund für die Hypertrophie des linken Herzens und
die durch dieselbe • hervorgerufene Blutdrucksteigerung.
Vorliegender Fall zeigt gleich zwei anderen im Grazer pathologisch-
anatomischen Museum aufgestellten Fällen ein eigenthümliches Ver¬
halten der Verlaufsrichtung der Aorta im Arcustheile, welches auch
den Bildern der von Rokitansky in seinem Werke »Ueber wichtigste
Erkrankungen der Arterien« (Wien 1852, Tafel XIV, Fig. A) be¬
schriebenen Fällen von Obliteration der Aorta im Isthmustheile zu
entnehmen ist. Es fehlt nämlich die normale Biegung, so dass von
einem Arcus aortae streng genommen gar nicht die Rede sein
kann. Es verläuft der dem Arcus entsprechende Antheil in fast
gerader Richtung nach aufwärts, um an der Insertionsstelle des
Ligamentum arteriosum statt in arcuärer in angulärer Weise in die
Aorta descendens überzugehen, wodurch die Aorta descendens herab¬
gezerrt erscheint und am Isthmus aortae zwischen auf- und absteigender
Aorta eine Knickung zu Stande kommt. Rokitansky hat das Zustande¬
kommen der Obliteration der Aorta im Isthmusgebiete mit der eben
genannten Knickung in Zusammenhang gebracht, welche er durch
Zerrung von Seiten des Ligamentum arteriosum erklärte. Ejppinger (1. e.)
gelangte in Folge des verschiedenen Verhaltens des Ligamentum
arteriosum in den Fällen von Obliteration der Aorta im Isthmustheile
zu der Anschauung, dass bei der Entstehung der Obliteratio aortae
eine derartige Zugwirkung keine Rolle spiele, und deshalb möchte ich
doch kurz auf ein einschlägiges Präparat der Grazer Sammlung auf¬
merksam machen, bei welchem die Knickung am Isthmustheile fehlt
und der Arcus aortae bezüglich seines Verlaufes und seiner Gestalt
ein ganz normales Verhalten darbietet. Wie also soll man sich
das Zustandekommen der Abknickung, welche doch nicht selten
bei einschlägigen Fällen beobachtet zu sein scheint, und die mit
Zeitschr. f. Heilk. 1903, Abth. f. path. Anat. a. verw. Disciplinen. 3
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34
Dr. Hans Haberer.
ihr stets mehr oder minder stark ausgesprochene Streckung des Arcus-
theiles der Aorta vorstellen?
Bei Verschluss der Aorta im Isthmustheile stellen die Artcriae
anonyma dextra, Carotis und Subclavia sinistra die directe Fortsetzung
der Aorta ascendens vor. Und zwar ist es entsprechend der anatomischen
Lage zunächst die Arteria anonyma dextra, auf welche sich der Anprall
des aus der Aorta kommenden Blutstromes fortsetzt. In geringerem
Masse werden entsprechend ihrer linksseitigen Lage die Arteria carotis
sinistra und Subclavia sinistra von demselben betroffen. In dem Masse,
als die Hypertrophie des linken Herzens in Folge der Obliteration der
Aorta und der Ausbildung des für die Erhaltung des Lebens notb-
wendigen Collateralkreislaufes zunimmt, adaptirt sich die Verlauf¬
richtung zunächst der Arteria anonyma und weiterhin auch der Arteria
carotis und Subclavia sinistra immer mehr derjenigen der Aorta
ascendens und damit ist naturgemäss eine zunehmende Hebung und
Geraderichtung des Arcus aortae verbunden. Da nun aber durch die
Insertion des Ligamentum arteriosum am Isthmus eine Fixation des
letzteren besteht, muss es gleichzeitig an genannter Stelle zu einer
Abknickung zwischen Aorta ascendens und descendens kommen. Diese
Verhältnisse werden sich noch entschiedener ausbilden, wenn die
Blutdrucksteigerung vom linken Herzen aus zunimmt, wie es im vor¬
liegenden Falle durch die complicirende Aorteninsuffieienz zutrifift.
Es erheben sich nun noch betreffs der Betheiligung der Arteriac
spinales und der Rami spinales am Collateralkreislaufe im vorliegenden
Falle zwei Fragen. Warum sind die Arteriae spinales posteriores so wenig
betheiligt, und warum ist den Rami spinales sinistri ein so auffallend
bedeutender Antheil am Collateralkreislauf vor den Ramis spinalibus
dextris zugefallen?
Die Beantwortung der ersten Frage ergibt sich aus dem Umstande,
dass die Rami posteriores im Allgemeinen constanter und zahlreicher
befunden werden, dass sie durch reichlichere natürliche Anastomosen
unter einander verbunden sind, so dass die Folgen der Herbeiziehung
zum Collateralkreislauf. Erweiterung und Wandverdickung an ihnen
in merklicherem Grade nicht zu erwarten sein werden.
Dass die linksseitigen Rami spinales in bedeutend höherem
Grade verändert waren als die rechten, kann vielleicht in dem ana¬
tomischen Verhalten der Arteria vertebralis sinistra in vorliegendem
Falle eine befriedigende Erklärung finden. Dieselbe entspringt nämlich
als selbstständiger Ast aus der Aorta statt aus der Arteria subclavia
sinistra und ist daher in ähnlicher Weise wie dies früher für die
Arteria anonyma. carotis und Subclavia sinistra ausgeführt wurde, gleich
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Ein Fall von seltenem Collateralkreislauf bei angeborener Obliteration etc. 35
diesen als directe Fortsetzung der Aorta ascendens aufzufassen. Und
so ist es begreiflich, dass sie mehr Blut aufzunehmen und in ihre
Aeste zu befördern hatte, als die Arteria vertebralis dextra, welche,
wie dies gewöhnlich der Fall ist, einen Ast der aus der Anonyma
entspringenden Arteria subclavia dextra vorstellte.
Das klinische Interesse, welches der Fall darbot, lag darin,
dass derselbe unter den Symptomen einer Myelitis transversa
verlief. In der Arbeit Eppingers über Stenosis aortae congenita
seu Isthmus persistens (1. c.), sowie in der Arbeit von Schtch-
hold 1 ) sind einschlägige Fälle mit Bezug auf den klinischen
Verlauf zusammengestellt, aus welchen hervorgeht, dass der Tod durch
coraplicirende Erkrankungen oder aber durch einen mit der Erkrankung
der Aorta in directem Zusammenhang stehenden Folgezustand, wie
z. B. Ruptur des Herzens, der Aorta descendens oder einer collateralen
Arterie eintreten könne. In vorliegendem Falle kann der Verlauf der
Krankheit und der Tod in directen Zusammenhang mit der Aorten-
obliteration gebracht werden. Die Krankengeschichte lehrt uns nämlich,
dass die 47jährige Patientin bis kurz vor ihrem Spitalseintritte sich
bis auf zeitweise zwischen den Schulterblättern auftretende Schmerzen
wohl gefühlt habe, jedenfalls an der ihr gewohnten Arbeit nicht be¬
hindert worden ist. Erst kurz vor ihrem Eintritte ins Spital wurde
sie paraplegisch und in Folge dessen bettlägerig. Als anatomisches
Substrat dieses klinischen Symptomenbildes fand sich eine Compression
des Rückenmarkes in der Höhe des zweiten Dorsalnervenpaares, in
deren Folge das Rückenmark seinem ganzen Querschnitte nach erweicht
erschien, mithin von einer transversalen Corapressionsmyelomalacie
gesprochen werden muss. 2 ) Die Compression war in unserem Falle in
der Weise zu Stande gekommen, dass die Convexität eines Abschnittes
der enorm weiten und dickwandigen, hochgradig geschlängelten Arteria
spinalis antica von rechts vorne her direct gegen das Rückenmark
gedrückt hatte.
Wie alsbald gezeigt werden soll, ergab die Untersuchung der Arteria
spinalis anterior und des Rückenmarkes in unserem Falle ein viel ein¬
facheres Resultat als im Falle von F. Brasch 3 ), in welchem es sich um
') Schiehhold 0., Verengerungen der Aorta in der Gegend des Ductus Botalii
und ihre Folgeerscheinungen. Münchener medieinische Wochenschrift. 1897, S. 1279.
J ) Es ist nicht einzusehen, warum ein solcher Zustand, wie dies eben häufig
geschieht, Compressionsmyelitis oder Myelitis transversa genannt werden soll, da
man ja keine Entzündung, sondern stets traumatische Erweichung vorfindet.
J ) F. Brasch, Ueber einen schweren spinalen Symptomencomplex, bedingt
durch eine Aneurysma serpentinum-artige Veränderung eines Theiles der
Rückenmarkgefässe. Berliner klinische Wochenschrift. 1900, Nr. 52 und 53.
3*
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Dr. Hans Haberer.
einen schweren spinalen Symptomencomplex in Folge aneurysmaartiger
Erweiterung eines Theiles der Rückenroarksgefässe handelte. Es fanden
sich in diesem eben citirten Falle Erweiterung, Schlängelung und
Wandverdickung im Tractus arteriosus anterior und in den Tractus
arteriosi postero-laterales und posteriores medullae spinalis vom fünften
Dorsal nervenwurzel paare an bis herab zum Lendenmarke, mit Fortsetzung
dieser Veränderung auf die Rückenmarksgefässe selbst. Das Rücken¬
mark war in Folge dessen in der Weise verändert, dass vom fünften
Dorsalsegmente an bis herab zum Lendenmarke chronisch-degenerative
Processe in den Hinter- und Seitensträngen, wie auch in den Vorder¬
hörnern, und im Lendenmarke obendrein Blutungen und entzündliche
Herde bestanden haben. Es fanden sich überdies aufsteigende De¬
generationen in den ÖWschen Strängen bis zum Halsmark, ab¬
steigende angedeutet in den Pyramidenseitenstrfingen.
Was nun zunächst die Untersuchung der Arteria spinalis
anterior in unserem Falle anlangt, lehrt dieselbe, dass die Verdickung
der Medio-muscularis durchwegs eine mächtige, aber gleichmässige
ist. Die Verdickung der Intima, hervorgerufen durch Wuchening ihrer
Zellen und Vermehrung der faserigen Grundsubstanz erweist sich
insoferne als ungleichmässig, als genau entsprechend der eingangs
beschriebenen Umbiegungsstelle der Arterie aus ihrer Längsrichtung,
die Intimaverdickung an der Convexität dieser Umbiegung viel
mächtiger erscheint, ja polsterartig ins Arterienlumen vorspringt.
Dieses Verhältnis ist umso leichter zu erkennen, als die Elastica un¬
unterbrochen und gleichmässig angeordnet ist und die von ihr lumen-
wärts gelegene Intima gut beurtheilen lässt. An vielen Stellen, be¬
sonders reichlich aber in dem eben beschriebenen polsterartigen Vor¬
sprunge finden sich in der Intima hyaline Schollen eingelagert. In
der Höhe des zweiten Dorsalnervenpaares, knapp oberhalb der gegen
und in die rechte Rückenraarkshälfte vordringenden Knickung der
Arteria spinalis anterior zeigt sich ein wandständiger Thrombus, der
an Dicke zunehmend, in der Höhe des dritten Dorsalnervenpaares
obturirend genannt werden muss. Messungen und Vergleiche mit
gehörig weiten Spinalarterien ergaben, dass das Lumen der Arteria
spinalis anterior im vorliegenden Falle fast dreimal weiter ist als
gewöhnlich. Nur an der Umbiegungsstelle ist das Lumen etwas enger.
Es handelt sich also in vorliegendem Falle dem Gesagten zufolge um
eine functionelle Hypertrophie der Arteria spinalis anterior und Ektasie
derselben, sowie auch ihrer Rami spinales als Folgezustände einer
schweren Erkrankung des Gef'ässsystemes. Diese Veränderungen er¬
klären uns auch vollständig die hochgradige Schlängelung der Arteria
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Ein Fall von seltenem Collateralkreislani bei angeborener Obliteration etc. 37
spinalis anterior. Die in der Höhe der zweiten Dorsalnervenwurzel
beginnende Thrombose der Arteria spinalis anterior ist eine autochthone,
Ober eine Rauhigkeit der Intima gebildete. Da diese Thrombose dem
Aussehen nach als frische bezeichnet werden muss, so liegt die An¬
nahme nahe, dass die Bildung derselben durch den, in Folge der
Paraplegie und des schweren Decubitus herabgesetzten Kräftezustand
und verminderten Blutdruck begünstigt wurde. Es muss dieser Verände¬
rung deswegen besonders gedacht werden, weil durch sie das histo¬
logische Verhalten des Rückenmarkes eine vollständige Erklärung findet.
Was den Querschnitt des Rückenmarkes in der Höhe des
untersten Abschnittes des ersten Dorsalsegmentes und der zweiten
Dorsalwurzel, also entsprechend der stattgehabten Conipression anlangt,
so erscheint derselbe in Form eines Halbmondes mit nach rechts
vorne gekehrter Coneavität, in welche der Querschnitt der Arteria
spinalis anterior eingebettet ist. Bis auf Querschnitte öderaatöser
Nervenfasern in der Peripherie der linken Seitenstrangbahnen und
der linken Vorderstränge, einzelne fortsatzlose Ganglienzellen des linken
Vorderhornes ist nur masehiges Gewebe von Neuroglia und Stütz¬
substanz mit Gefassen und einzelnen Querschnitten gequollener Achsen-
cylinder, nichts von erhaltenen Nervenelementen und irgend welcher
Anordnung derselben zu gehörigen Abschnitten des Rückenmarksquer¬
schnittes zu sehen. Das Bild entspricht also vollständig dem einer
transversalen Compressionsmalacie. Im Bereiche der unteren Hälfte
des zweiten Dorsalsegmentes und der oberen Hälfte des dritten Dorsal¬
segmentes zeigen die Querschnitte des Rückenmarkes recht deutliche
Abgrenzung der Hörner und sämmtlicher Strangbahnen, dabei aber
deutliche atrophische Veränderungen der Pyramideuseitenstränge und
überall kleinere und grössere Defecte, Lücken von rundlicher Gestalt
und Durchschnitte thrombosirter Gelasse, offenbar Erweichungsherde
nach Nekrose in Folge Thrombose zuführender Arterienzweige. Dieses
Verhalten zeigt das Rückenmark bis zum vierten Dorsalsegment. Von
diesem an nach abwärts finden sich deutliche seenndäre Degenerationen
der Pyramidenseitenstrangbahnen; daneben aber auch noch einzelne
unregelmässig zerstreute kleine Erweichungsherde, an deren Peripherie
der Durchschnitt eines dickwandigen engen Gefasses zu sehen ist.
Im Lendenmarke ist die secundäre absteigende Degeneration der
Pyramidenseitenstrangbahnen noch sehr deutlich erkennbar, wobei das
Degenerationsfeld bis an die Hinterhörner und die Peripherie des
Rückenmarkes reicht.
Die Querschnitte des Halsmarkes zeigen zunächst Degenerationen
der Hinterstränge, beziehungsweise im obersten Abschnitte der Götschen
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Dr. Hans Haberer, Ein Fall von seltenem Collateralkreielauf etc.
Stränge. Die Ganglienzellen der Vorderhörner sind durch auflallend
grobe Tigroide bemerkens werth. In den übrigen Strangbahnen finden
sich, wie auch in den Hinterhörnern winzige Erweichungsherde mit
den Gefässdurchschnitten an den Randpartien derselben. Das Ergebniss
der histologischen Untersuchung des Rückenmarkes lässt sich also
dahin zusaramenfassen, dass es sich um Compressionsmalacie mit ab-
und aufsteigender Degeneration und um multiple unregelmässig zer¬
streute Erweichungsherde handle.
Da nach der Anamnese die Patientin bis kurz vor ihrer wegen
plötzlich aufgetretener Paraplegie erfolgten Spitalsaufnahme eigentlich
beschwerdefrei, ja vollständig arbeitsfähig gewesen ist, muss der
Schluss gerechtfertigt erscheinen, dass die Ausdehnung des gegen
das Rückenmark andringenden Abschnittes der Arteria spinalis an¬
terior in kürzester Zeit eine so beträchtliche geworden ist, dass es zu
Erweichung des Querschnittes in Folge von Druck kam. Die Erweichungs¬
herde sind ihrem Aussehen nach eben so frischen Datums wie die
Thrombose der Arteria spinalis anterior in der Höhe des zweiten
Dorsalsegmentes. Welche Erscheinungen die multiplen, fast im ganzen
Rückenmarke Vorgefundenen Nekrosen während des Lebens gemacht
haben, ist aus der Krankengeschichte nicht zu entnehmen. Im Falle
Brasch waren dergleichen Nekrosen nicht vorhanden. Derselbe unter¬
scheidet sich von unserem Falle auch durch den längeren Verlauf,
während welches die Erscheinungen langsam anhoben und an Inten¬
sität znnahmen. Der Grund hiefür ist eben in dem Verhalten der
Arteria spinalis anterior gelegen, welche im Falle Brasch nur seit¬
liche Schlängelungen machte, in unserem Falle jedoch dieselben
ziemlich jäh gegen das Rückenmark richtete.
In Kürze zusammen gefasst handelte es sich also in vorliegendem
Falle um angeborene Aortenobiiteration im Bereiche des Isthmus. In
den Collateralkreislauf waren die Arteria spinalis anterior und ihre Rami
spinales einbezogen, deren eigenthümliche Veränderung Compression
und Erweichung des Rückenmarkes zur Folge hatte. Kurze Zeit vor dem
Tode bildete sich in Folge von lntimawucherung autochthone Throm¬
bose des coraprimirenden Abschnittes der Arteria spinalis anterior,
welche sich theils auf die arteriellen Aeste des Rückenmarkes direct fort¬
setzte, theils anderweitige Circulationsstörungen im Bereiche der Rücken-
marksgefässe nach sich zog, als deren Folge die multiplen Erweichungs¬
herde im Rückenmarke anzusehen sind.
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(Ans dem Institute für pathologische Histologie nnd Bacteriologie der
k. k. Universität in Wien.)
Ueber ein Lymphangiom der Leber.
Von
Dr. Rudolf Maresch,
Assistenten am Institute.
(Hiezu Tafel III und IV.)
Ara 9. Juni 1899 wurde von Herrn Prof. Hochenegg dem In¬
stitute ein Tumor zur histologischen Untersuchung übergeben, welcher
sowohl in klinischer als auch pathologisch-anatomischer Beziehung
von besonderem Interesse ist.
Aus den krankengeschichtlichen Daten, für deren gütige Ueber-
lassung ich Herrn Prof. Hochenegg zu grossem Dank verpflichtet bin,
ist Folgendes zu entnehmen.
Anna S., fünf Jahre alt, wurde am 6. Juni 1899 mit der An¬
gabe vorgestellt, dass seit drei Jahren ein anfangs langsames, später
rapideres Zunehmen des Bauchumfanges von den Eltern bemerkt wurde.
Das Kind, das bis vor Kurzem ein ganz gutes Aussehen dargeboten
hatte, war — trotzdem der Appetit nichts zu wünschen übrig Hess —
in der letzten Zeit abgemagert. Der Stuhlgang war unregelmässig und
wurde meist durch Abführmittel erzielt.
Die Patientin war für ihr Alter normal gross, abgemagert, von
auffallend braunem Teint. Sie trug sich mit stark lordotischer Lenden¬
wirbelsäule, zeigte in ihren Bewegungen eine gewisse Unbeholfenheit
und Langsamkeit. Der Unterleib im ganzen Umfange enorm auf¬
getrieben. Besonders vermehrt war die Distanz vom Processus xiphoides
zum Nabel. Percutorisch bot sich ein Verhalten dar, wie man es bei
Ovarialcysten zu finden pflegt, indem vorne überall leerer, in den
Flanken und in der seitlichen Lendengegend tympanitischer Percus-
sionsschall auffindbar war. Man tastete einen grossen Tumor im Ab¬
domen mit undeutlicher Fluctuation wie bei einer prall gespannten,
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Dr. Rudolf Maresch.
dickwandigen Cyste. Die Geschwulst liess sich nach oben rechterseits
bis zum Rippenbogen verfolgen, während man sie links von der
Medianlinie bereits einen Querfinger unterhalb des Rippenbogens ab¬
grenzen konnte. Nach abwärts reichte sie bis zum Beckeneingang.
Die vaginale Untersuchung wurde nicht vorgenommen, wohl aber die
rectale, welche bei tiefem Eindringen das Gefühl ergab, als wenn
man den unteren Pol einer gespannten Blase tasten würde.
Die Diagnose wurde auf eine Ovarialcyste gestellt, und nachdem
die Mutter angab, dass sie die Geschwulst zuerst rechts zufällig beim
Reinigen und Anziehen des Kindes bemerkt hatte, wurde ein rechts¬
seitiger Ovarialtumor angenommen.
Am folgenden Tage wurde zur operativen Entfernung der Neu¬
bildung geschritten.
Das Abdomen wurde mittelst eines medianen Schnittes, der vom
Schwertfortsatz bis zur Symphyse reichte, eröffnet. Es stellte sich ein
an seiner Oberfläche von grossen Gefässen durchzogener Tumor ein.
Da man denselben noch immer für eine Ovarialcyste hielt, wurde der
Versuch gemacht, ihn durch Punetion zn entleeren und so wenigstens
theilweise zu verkleinern. Aus dem Troicart floss nichts ab, wohl
aber sickerte nach Entfernung desselben permanent eine klare gelb¬
liche Flüssigkeit aus der Punctionslücke hervor. Da der Versuch, die
Geschwulst in dieser Weise zu verkleinern, misslungen war, hob Prof.
Hochenegg dieselbe als Ganzes aus der Bauchhöhle hervor. Dabei zeigte
es sich, dass der Tumor nach abwärts mit den Adnexen nicht ver¬
bunden war, sondern ein Stiel nach oben zu die Verbindung mit dem
rechten Leberlappen herstellte. Der Stiel war etwa handbreit, gut
zwei Finger dick und schien auch Leberparenchym zu enthalten.
Um eine sichere Compression nach Abtragung des Tumors er¬
zielen zu können, wurde vorne sowohl wie auch an der rückwärtigen
Fläche des Tumors circa drei Querfinger unterhalb der Insertionsstelle
das Peritoneum abpräparirt und so eine Art Manchette gebildet,
innerhalb welcher nun stumpf mit Pincetten und Elevatorium die
Geschwulst losgelöst wurde, was Dank der scharfen Abgrenzung der¬
selben leicht gelang. Nach erfolgter Eliminirung des Neoplasmas
blutete es aus einer weiten, ungemein dünnwandigen, seitwärts ein¬
gerissenen Vene so stark, dass im Momente des Einrisses der ganze
Bauchraum von dunklem Blut wie übergossen erschien. Unter ener¬
gischer Compression der beiden Peritonealparenchymlappen wurde
zuerst das Blut aus dem Abdomen entfernt, dann bei vorsichtigem
Absuchen der Lappen die verletzte Stelle entdeckt, die Vene um¬
stochen und so die Blutung beherrscht.
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Ueber ein Lymphangiom der Leber.
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Nach theilweiser Vereinigung der Laparotomie wunde wurde
von dieser aus zwei Querfinger unter dem Processus xiphoides ein
circa 6 cm langer nach rechts verlaufender Schnitt geführt, welcher
sämmtliche Schichten der Bauchwand durchtrennte. Die beiden durch
Bäuschchennähte aneinander gedrückten Lappen des Stieles wurden
in diesen Querschnitt eingelagert und daselbst durch Naht fixirt.
Hierauf folgte erst die vollständige Vernähung des noch restirenden
Theiles der Laparotomiewunde.
Der Verlauf nach der Operation war absolut fieberfrei. Der Puls
zeigte nur in den ersten Tagen eine Steigerung der Frequenz bis auf
130 in der Minute. Am dritten Tage kam es zu spontanem Stuhl¬
gang, worauf sich eine wesentliche Besserung des Allgemeinbefindens
einstellte.
Am 26. Juni wurde die Patientin mit vollständig geheilter Wunde
entlassen.
Den in der letzten Zeit eingezogenen Nachrichten zufolge befindet
sich das Kind seither vollkommen wohl, zur Entwicklung einer Bauch¬
wandhernie ist es nicht gekommen.
Die exstirpirte Neubildung, welche an ihrer vorderen Fläche
der Länge nach incidirt dem Institute zur histologischen Untersuchung
übergeben wurde, stellt einen ungefähr plattkugeligen Tumor dar, von
20 und 18 cm Durchmesser und einer noch erhaltenen Dicke von 8 cm.
Dieselbe ist mit Ausnahme des einen (oberen) Poles von einer glatten,
theilweise sehr dünnen und dann durchsichtigen Kapsel überzogen,
welche netzartig verzweigte, weissliche Streifen zeigt und an einzelnen
Stellen ein in kleinen Herden angeordnetes gelbbraunes Gewebe (wie
Lebergewebe) durchschimraern lässt. An mehreren Stellen bemerkt
man einige erbsengrosse Oystehen, die ganz leicht über die Oberfläche
der Geschwulst emporragen. Dem unteren Pol sitzt ein haselnuss¬
grosses und ein walnussgrosses Geschwülstchen auf. Der obere Pol
entbehrt eines glatten Ueberzuges. Die sonst die Geschwulst über¬
ziehende Kapsel ist hier — 7y 2 cm unterhalb des erwähnten Poles —
in unregelmässiger Weise circulär durchtrennt und abgelöst.
Gerade dem oberen Pol entsprechend, zwei Querfinger breit von
der Abtragungsstelle jenes hier über 3 cm hohen Bandes findet man
ein klaffendes Venenlumen, welches weite Aeste in die peripheren
Antheile entsendet. Daran schliesst sich eine Abtragungsstelle der
Kapsel, in welcher ein kleines Venenlumen mit einer dickeren Wand,
sowie die Lumina kleinerer, durchtrennter, anscheinend arterieller Ge-
fässe sich finden.
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Dr. Rudolf Maresch.
Der Tumor ist derb, elastisch, stellenweise deutlich fluctuirend und
lässt einzelne Hohlräume tasten, zwischen denen etwas härtere, strang¬
artige Partien sich finden.
Auf dem Durchschnitte zeigt sich ein sehr ödematöses grob¬
maschiges Zellgewebe, welches sehr, zahlreiche grössere und kleinere
Cavitäten begrenzt. Aus denselben sowie auch aus den feineren Maschen
des Gewebes entleert sich in reichlicher Menge eine wasserhelle, leicht
gelblich gefärbte Flüssigkeit. Die erwähnten Cavitäten sind in ver¬
schiedensten Grösseverhältnissen und in ganz unregelmässiger Weise
in der Geschwulst vertheilt. So findet sich am unteren Pol ein über
taubeneigrosser Hohlraum eröffnet, mit fast flordünner Wand, bei deren
Anspannung fadendünne Trabekel und Leisten sich von derselben ab¬
heben. Ein anderer ebenso grosser und auch glattwandiger Hohlraum
lässt an seiner Wand ebenfalls Reste durchschnittener, dünner Trabekel
erkennen. Auch sieht man durch das ödematöse Zellgewebe Cavitäten
durchschimmern, welche von dünnen Strängen durchzogen sind.
Neben diesen feinen Septen und Strängen durchsetzen auch
dickere und derbe Gewebszüge die Geschwulst.
Dieses eigenthümliche cavernöse Gewebe bildet die Hauptmasse
der Geschwulst und grenzt peripher an eine 4 —bmm an einer um¬
schriebenen Partie der Vorderfläche bis 1 cm dicke Zone eines ziemlich
derben, grauröthlichen, festen Gewebes, in welchem man stellenweise
ganz deutlich ziemlich grosse, blassgelb gefärbte, central weisslich
erscheinende Läppchen erkennen kann. Dieses Gewebe hängt sowohl
mit dem von Cystenräumen durchsetzten ödematösen Gewebe als auch
mit der äusseren, dünnen glatten Kapsel innig zusammen. Nur an
manchen Stellen am unteren Pol — so an der Stelle, wo in der
Geschwulst eine grosse deutliche Cyste entwickelt ist —, setzt sich die
Wand der letzteren von den peripheren Gewebsschichten deutlich ab.
Die dieser Mittheilung beigegebene Abbildung des Tumors (Fig. 1)
lässt in etwas verkleinertem Massstab seine Gestatt und nur in un¬
gefährer Weise seine Structur erkennen, ohne auch nur annähernd
die feinen Details des stellenweise ungemein zarten Aufbaues wieder¬
geben zu können.
Die dargestellte Schnittfläche der rechten Geschwulsthälfte ist
so gezeichnet, wie sie sich nach Abtragung einer '/ 2 cm dicken Scheibe
aus der Mitte des in Alkohol fixirten Tumors präsentirt. Einzelne
der grossen Cavitäten sind mit einer nunmehr graugelblichen, krüme¬
ligen Inhaltsmasse erfüllt, während andere leer erscheinen.
Die Oberfläche der linken Tumorhälfte zeigt mehrere tiefe, faltige
Einbuchtungen, die durch Ausfliessen der Flüssigkeit aus den Cysten
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Ueber ein Lymphangiom der Leber.
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und Gewebsmaschen noch vor der Härtung zu Stande gekommen
waren.
Zur mikroskopischen Untersuchung wurde jene '/ 2 c»i breite
Scheibe verwendet, die wie oben erwähnt, der Mitte der Geschwulst
entnommen worden war. Sie wurde in kleinere Abschnitte zerlegt,
die dann nach Einbettung in Celloidin oder Paraffin in Schnitte, zum
Theil auch in Serienschnitte zerlegt wurden.
Was zunächst die grossen Cysten und die übrigen auch bereits
makroskopisch sichtbaren Cavitäten betrifft, so bestanden die Wände
derselben ihrer Hauptmasse nach aus fibrillärem Bindegewebe. Nur
in den besonders breiten und derben Septen Hessen sich auch noch
Reste von Lebergewebe erkennen, und zwar namentlich dort, wo sie
an die Oberfläche der Geschwulst heranreichten. Weite venöse und
arterielle Gefasse durchzogen das Bindegewebe, an welchem man fast
allenthalben die Bemerkung machen konnte, dass die Faserzüge auf¬
gelockert waren, die einzelnen Fibrillen sich auf grössere Strecken
ihres wellenförmigen Verlaufes von einander völlig isolirt verfolgen
Hessen. Dieses Gewebe war kernarm und Hess alle Charaktere eines
fertigen Bindegewebes erkennen. Ausser dem erwähnten auf ödematöse
Durchtränkung zu beziehenden Verhalten konnte man des Oefteren Binde-
gewebsstreifen finden, die mehr oder weniger vollkommen homogen
erschienen, wie hyalin verändert waren. In den Lücken des aufge¬
lockerten Gewebes fanden sich stellenweise feingranulirte oder fein¬
faserige, fibrinöse Massen — offenbar Gerinnungsproducte der den
ganzen Tumor durchtränkenden Flüssigkeit. Hie und da war es in
diesen fibrinösen Massen wie auch sonst an manchen Partien im
Bindegewebe zu mehr weniger reichlicher Ablagerung von Kalksalzen
gekommen.
Eine zellige Auskleidung der grossen Cavitäten Hess sich nirgends
wahrnebraen. Nur sehr vereinzelt hafteten ganz platte Zellen der Innen¬
fläche der etwas kleineren Cysten an. In der Regel ragten zarte Fi¬
brillen zu verschieden starken Bündeln geordnet aus dem bereits oben
beschriebenen, durch ödematöse Durchtränkung aufgelockerten Binde¬
gewebe in das Innere der Hohlräume hinein und durchsetzten wohl
auch vielfach — den bereits makroskopisch sichtbaren feinen Trabekeln
entsprechend — das ganze Cavum.
Dieses war sonst von einer theils feinkörnigen, theils feinfaserigen
Inhaltsmasse erfüllt, in welcher auch verschieden reichlich verquollene
zellige Elemente sich vorfanden. Letztere entsprachen wohl zum Theil
der früheren, nunmehr abgestossenen zelligen Auskleidung der Hohl-
räurae, zum Theil stellten sie aufgequollene Lymphkörperchen dar.
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Dr. Rudolf Maresck.
Während die Hauptmasse der Geschwulst dieses soeben mit-
getheilte Verhalten darbot, zeigten einzelne periphere Partien ein
anderes Bild, da hier die sonst vorhandenen secundären Veränderungen
entweder gänzlich fehlten oder nur sehr wenig ausgeprägt waren.
Dort fand man durch ein bindegewebiges, mässig kernreiches Balken¬
werk von einander getrennte nur mikroskopisch sichtbare Hohlräume,
die von ganz platten, dem Bindegewebe unmittelbar aufsitzenden zel-
ligen Elementen ausgekleidet waren. An keiner Stelle,
selbst an den kleinsten hier vorfindlichen Hohlräumen
konnten kubische oder gar cylindrische Epithelzellen
constatirt werden.
In Fig. 2 ist ein Theil eines derartigen cavernösen Gewebes
dargestellt, welches fast durchwegs diesen endothelialen Belag aufweist.
Dort, wo an den grösseren Lücken derselbe fehlt, finden sich auf¬
gequollene Zellen in dem hier von krümeligen Massen fast ganz freien
Lumen, in welches dann mitunter auch von der blossgelegten Wand
in der oben beschriebenen Weise zarte Fibrillen hereinragen.
An derselben Figur kann man ferner sehen, wie die cavernöse
respective cystische Geschwulst sich an das umgebende Leberparenchym
anlagert oder besser gesagt sich von demselben abgrenzte.
Allenthalben fand sich nämlich eine verschieden breite Zone
kernreicheren Bindegewebes zwischen die beiden Gewebsarten ein¬
geschaltet. Dieses Bindegewebe umschloss auch die in der Kapsel
der Geschwulst sich fast überall vorfindenden Partien von Leber¬
parenchym.
Das letztere war daselbst nicht in Form normaler Leberläppchen
vorhanden, sondern formirte, verschieden grosse, zumeist in die Länge
gezogene Gruppen von Leberzellsträngen, die nur annähernd an den
normalen Aufbau der Leberacini erinnerten.
In ihrer Mitte fanden sich weite, meistens längsverlaufende
venöse Gefässe, welche nicht den gewöhnlichen Centralvenen glichen,
sondern den stärkeren Aesten der Lebervenen entsprachen, von denen
erst de norma die eigentlichen Venulae centrales abgehen.
Aus diesen abnormen hier bestehenden Gefässverhältnissen gewann
man die Ueberzeugung, dass eine solche langgestreckte Leberzellinsel
nicht einem normalen Leberacinus entspricht, sondern dass sie den
Resten mehrerer Leberläppchen, die zu einem stärkeren Lebervenenast
gehören würden, gleichzusetzen ist.
Diese Läppchen verliefen zumeist mit ihrer Längsachse parallel
zur Oberfläche der Geschwulst, während ihre Zellstränge der Mehrzahl
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Ueber ein Lymphangiom der Leber.
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nach senkrecht zur Tumormasse respective zum peritonealen Ueberzug
der Geschwulst angeordnet waren.
Bereits bei schwacher Vergrösserung war es auffallend, dass die
Zellbalken gegen die Peripherie der einzelnen Läppchen stärker wurden
und dunkler tingirt waren als in den centralen Antheilen. Diese auf¬
fällige Beobachtung erklärt sich in der Weise, dass die Leberzell¬
stränge in ihrem Verlaufe nicht nur zellreicher, sondern dass die Zellen
auch kernreicher wurden.
In der Peripherie fanden sich oft ebensoviel einkernige als mehr¬
kernige Leberzellen. Letztere waren nicht so selten mit vier bis fünf
Kernen ausgestattet. Auch konnte man häufig Zellkerne beobachten,
die die Grösse eines gewöhnlichen Leberzellkernes um das Zwei- bis
Dreifache übertrafen.
Kerntheilungsfiguren wurden in deutlicher Weise nur in ausser¬
ordentlich geringer Anzahl angetroffen, wohl aber konnte man eigeu-
thümlich deformirte, mitunter in kleine Körnchen aufgelöste Zellkerne
sehen, die die Vermuthung erweckten, dass wahrscheinlich an solchen
Stellen schlecht fixirte Mitosen Vorlagen.
Im Zusammenhang mit diesen Veränderungen waren die Leber¬
zellstränge öfter an ihrem peripheren Ende kolbig aufgetrieben und
es fanden sich ab und zu die Zellen in der Art aneinander gereiht,
dass sie eine Art von Drüsengängen formirten (Fig. 3).
Endlich wäre noch zu bemerken, dass die einzelnen Zellstränge
verschieden weit in die Spalten des umliegenden Bindegewebes sich
erstreckten und so sich auch umgekehrt feine Bindegewebsfibrillen
verschieden jweit in das Innere der Parenchy rainsein verfolgen Hessen,
die Zellbalken — namentlich die am meisten vorspringenden — um-
scheideten.
Die geschilderten Befunde, d. h. das theils cavernöse, theils
cystische Gewebe und das angrenzende in eigenthümlicher Weise ver¬
änderte Leberparenchym beherrschte das mikroskopische Bild an allen
Stellen der Geschwulstperipherie. Dort, wo gröbere Septen sich in das
Innere der Geschwulst hinein erstreckten, fanden sich auch in ihnen
Inseln von Leberzellsträngeu, die sich in jeder Beziehung ähnlich ver¬
hielten, wie die soeben beschriebenen Lebergewebsreste in der Ge¬
schwulstkapsel.
An verschiedenen Stellen, an denen in der Nachbarschaft des
Tumors nur Bindegewebe ohne Leberzellinseln sich vorfand, sah man
grössere venöse und arterielle Gefässe, neben einfachen oder mehr
weniger reich verzweigten Gallengängen. Hie und da bemerkte man
einen Gallengang in der Nachbarschaft einer Vene und Arterie, die
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Dr. Rudolf Maresch.
in dieser Zusammenstellung eine Analogisiruug mit den in inter-
lobulären Septen sieb sonst findenden Gebissen und Gallengängen
ermöglichten.
Die Gallengänge an sich bewegten sich, was die Weite ihres
Lumens betrifft, in normalen Grenzen, cystisehe Dilatationen wurden
nicht beobachtet. Nur ihre stellenweise Verzweigung liess auf eine
gesteigerte Proliferation schliessen.
Vielfach konnte man auch die Beobachtung machen, dass die
Epithelsellen dieser Gänge sich in Zellen umwandeln, die als neu¬
gebildete Leberzellen angesprochen werden mussten. So bestätigt diese
Beobachtung auch die bereits von anderen Autoren mehrfach aus¬
gesprochene Ansicht, dass bei solchen regenerativen Processen sich
Leberzellen aus Gallengangsepithel entwickeln können.
Schon die aus der makroskopischen Beschreibung des Präparates
zu entnehmenden Eigenheiten der Geschwulst Hessen die Vermuthungr
aufkommen, dass ein Fall von ungewöhnlich grossem, cystischem
Lymphangiom vorliege, eine Annahme, die bereits in den ersten
zur Orientirung angefertigten mikroskopischen Präparaten ihre Be¬
stätigung fand. Die eingehende mikroskopische Untersuchung, welcher
ich den Tumor unterzog, führte zu keinem anderen Resultate und
bestätigte nur in allen Punkten die Richtigkeit der Diagnose.
Lebertumoren, die aus Lymphräumen sich aufbauen, gehören zu
den grössten Seltenheiten und ein Lymphangiom von der Grösse des
beschriebenen dürfte wohl einzig dastehen.
Viel häufiger finden sich cystisehe Bildungen in der Leber, die
unter dem Namen cystischer Leberdegeneration oder in neuerer Zeit
als Adenocystome der Gallengänge beschrieben worden sind.
Diejenigen dieser Fälle, in denen verschieden grosse, mehr we¬
niger reichliche Cysten die Leber durchsetzen ohne in ihrer Gesammt-
heit den Eindruck einer Geschwulst hervorzurufen, sind die häufigeren
und ähneln weniger dem von mir soeben beschriebenen Fall als die¬
jenigen, in welchen es zu Cystenbildungen an einer mehr weniger
umschriebenen Stelle des Organes gekommen ist.
Trotzdem gehören beide Arten dieser Bildungen ihrer Genese
nach zusammen.
Ich glaube auf die nähere Besprechung der diesbezüglichen in
der Literatur vorhandenen Beobachtungen im Einzelnen umso eher
verzichten zu können, als sich ausführliche Zusammenstellungen dieser
Art in den Arbeiten von Leppman,') v. Hippel 11 ) u. a. 0. vorfinden
und will nur hervorheben, dass unter diesen Fällen die von Müller :t )
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Ueber ein Lymphangiom der Leber.
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und Keen 4 ) mitgetheilten dem hier besprochenen am ähnlichsten zu
sein scheinen.
Aus einem Vergleich der mikroskopischen Befunde in den be¬
schriebenen Cystadenomen und in meinem Palle geht hervor, dass
sich in der Mehrzahl derselben auch grosse Cavitäten finden, die in
der Regel jeder epithelialen Auskleidung entbehren, dass sich zwischen
denselben öfter ein kernarmes Bindegewebe befindet, welches auch
Zeichen einer starken ödematösen Durehtränkung erkennen lässt, dass
auch Fibrillenbündel in Form von Trabekeln ins Innere der Cysten
hineinragen (Müller) 5 ), dass endlich gleichfalls feinfaserige oder fein¬
körnige Massen die Cavitäten erfüllen. In anderen Fällen zeigen jedoch
die Cavitäten eine glatte Wand und festgefügtes Bindegewebe. Auch
Gallenfarbstoff Hess sich im Inhalt nach weisen (Siegmund) 5 ), was aller¬
dings einen seltenen Befund bei den Cystadenomen darstellt, der auch
in meinem Falle nicht gemacht werden konnte.
Uebereinstimmend geben ferner alle Autoren an. dass sich die
Gallengänge in Proliferation befinden, dass dadurch ein Bild erzeugt
wird, wie man es bei Cirrhosen zu finden pflegt — was sich auch
in meinem Fall hat beobachten lassen. Eine Obliteration ihres dila-
tirten Lumens durch Bindegewebsmassen (Sabourin,' 1 ) Müller) 5 ) habe
ich in meinem Falle nicht zu verzeichnen.
Bezüglich der Leberzellen finden sich nicht einheitliche Angaben.
Während in einigen Fällen die Leberzellen als nicht wesentlich ver¬
ändert bezeichnet werden, sind sie in anderen namentlich in der
Nähe grösserer Cysten verkleinert (v. Kaklden) 9 ) oder mehr weniger
atrophisch (Dmochowslci und Janowslci , 10 ) Borst). 1 ') Proliferationsvor¬
gänge werden aber auch mitunter ähnlich wie in meinen Fällen be¬
schrieben (Sabourin, ,2 ) v. Hippel ) 13 ).
Wenn auch in den hier aufgezählten Beobachtungen sich vielfach
mit meiner Beschreibung deckende Befunde finden, so beziehen sich
dieselben durchwegs auf secundäre Veränderungen und können die
fundamentalen Unterschiede nicht verdecken, die zwischen dem vor¬
liegenden Fall und den Adenocystomen der Gallengänge bestehen.
Für die letzteren ist der Umstand von wesentlicher Bedeutung, dass
diese Bildungen sich deutlich als aus Gallengängen hervorgegangen
documentireu. In allen diesen Neubildungen findet sich eine sehr leb¬
hafte und ausgedehnte Proliferation von Gallengängen, und lassen sich
alle Uebergangsstadien von solchen Gängen zu grösseren mikroskopisch
und makroskopisch wahrnehmbaren Cystcheu und Cysten constatiren.
Diesem Umstande entsprechend sind auch gerade die kleinen Cavi¬
täten von cylindrischen oder kubischen Epithelzellen ausgekleidet,
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48
Dr. Rudolf Maresch.
während die grösseren Hoblräume im Zusammenhang mit der Dilatation
— wenn sie überhaupt noch eine Auskleidung besitzen — platte, dem
Endothel nur ähnliche Zellen aufweisen.
In dem von mir beschriebenen Fall findet sich hin¬
gegen an keiner Stelle ein nachweisbarer Zusammenhang
zwischen den Gallengängen und den Hohlräumen der Ge¬
schwulst. Die Gänge weisen nirgends eine auffallende
Dilatation auf. Die Cavitäten lassen nirgends eine Aus¬
kleidung erkennen, die auf eine Abstammung von Gallen¬
wegen schliessen Hesse. Es kleiden im Gegentheil gerade die
kleinsten Maschenräume der Geschwulst ganz platte, dem Binde-
gewebsbalken unmittelbar aufsitzende zellige Elemente aus, die nur
als Endothelien zu bezeichnen sind.
So geht aus diesem Vergleich mit den sogenannten Cystade-
uomen der Gallengänge hervor, dass der Aufbau der beschriebenen
Geschwulst von jenen Bildungen prineipiell verschieden ist.
Das Wachsthum dieser Geschwulst begann — wie das der meisten
Lymphangiome — auf Grund einer in einem frühen Stadium der
embryonalen Entwicklung entstandenen Abnormität und dürfte zur
Zeit der Exstirpation abgeschlossen gewesen sein. Denn es fanden
sich — wie es z. B. beim Lymphangioma colli cysticum häutiger der
Fall ist — in der Peripherie der Geschwulst keine Anzeichen eines
fortschreitenden Wachsthums. Auf einen langen Restand des Tumors
und zugleich auf einen längeren Stillstand in der Entwicklung weisen
diejenigen Stellen hin, in denen es zn Ablagerung von Kalksalzeu
gekommen ist.
Das in der Anamnese verzeichnete raschere Wachsthnm des
Neoplasmas in der letzten Zeit vor der Operation findet wohl in der
reichlichen ödematösen Durchtränkung des relativ dünn gestielten
Tumors eine hinreichende Erklärung.
Auch die Verändentngen im benachbarten Leberparenchym stehen
zu meiner Annahme in keinem Widerspruch, sondern finden durch die¬
selbe ihre Erklärung. Das wachsende Lymphangiom hat allmälig einen
Theil des Lebergewebes verdrängt und durch Druck zum Schwinden
gebracht. Dafür spricht nicht allein der Umstand, dass normale Leber-
acini in der Kapsel der Geschwulst fehlen, dass oft Vene, Arterie und
Gallengang neben einander verlaufen, und nur von restireudem Binde¬
gewebe, nicht von Leberläppcheu umgeben sind, sondern es spricht
sich auch die Richtigkeit dieser Anschauung in der langgestreckten
Form der noch erhaltenen Leberinseln aus. Mit diesem Schwinden
des Leberparenchyms war aber zugleich der Grund gelegt zu einer
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Ueber ein Lymphangiom der Leber.
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regeneratorischen Hyperplasie, wie wir sie ja als regelmässigen Befund
überall dort, wo Parenchym zu Grunde geht, zu finden gewohnt sind.
Leberzellen und Gallengänge betheiligten sich in gleicher Weise an
den regenerativen Wucherungen, welche umso deutlicher in Erscheinung
treten konnten, je mehr im Laufe der Zeit die Wachsthumsenergie der
Geschwulst abnahm.
Dass nur sehr wenige Mitosen beobachtet werden konnten, erklärt
sich — wie ich bereits oben angedeutet habe — aus der für ihre Dar¬
stellung unzulänglichen Fixirung des Präparates. So führt l . v. Meister ,4 )
in seiner Arbeit über Regeneration des Lebergewebes in Ueberein-
stimmung mit den Untersuchungsergebnissen Ribbert’s' :> ) an, dass
schon das Erkalten eines Gewebsstückes vor dem Einlegen in die
Fixirungsflüssigkeit genügt, um viele vorhandenen Mitosen der Leber¬
zellen zum Schwinden zu bringen. Dieses war auch in meinem Prä¬
parate der Fall, da der Tumor, bevor er in toto in Alkohol fixirt wurde,
um eine Demonstration im frischen Zustande zu ermöglichen, fast
24 Stunden im Eisschrank gelegen hatte.
Aus der mir zur Verfügung stehenden Literatur konnte ich nur
entnehmen, dass cystische Tumoren, die nachweislich Lymphgefässen
ihren Ursprung verdanken, in der Leber sehr selten sind und meist
klein und bedeutungslos bleiben. In Leppman’s Zusammenstellung der
Lebercysten findet sich ein Fall von Sharkey verzeichnet, in welchem
eine einfache, kindskopfgrosse, dünnwandige Lymphcyste am unteren
Rande der Gallenblase gesessen hatte und im Inneren dünne, vor¬
springende Wände erkennen Hess. Sie war von einer einfachen Schichte
platten Epithels ausgekleidet.
Einen Fall, der in wesentlichen Punkten dem von mir mit-
getheilten geglichen hätte, konnte ich in der Literatur nicht auf¬
finden.
Unter den Gefässgeschwülsten der Leber im Allgemeinen kann
ein kopfgrosses Angioma fibromatodes, welches Rosenthal 1B ) exstirpirte,
und ein über 5 Pfund schweres Angioma cavernosum, welches von
Pfannenstiel' 1 ) operativ entfernt wurde, dem hier beschriebenen Lymph¬
angiom an die Seite gestellt werden. Beide boten auch in klinischer
Hinsicht mancherlei Aehnlichkeiten.
Herrn Prof. Paltauf erlaube ich mir für die vielfache Förderung
der Untersuchung meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. Anat. u. verw. Disciplinen.
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Dr. Rudolf Mareseh, Ueber ein Lymphangiom der Leber.
Literatur.
*) Leppman, Ueber die echten Cysten der Leber. Zeitschrift für Chirurgie.
Bd. LIY, S. 446.
2 ) v. Hippel , Ein Fall von multiplem Cystadenom der Gallengiinge etc.
Virchows Archiv. Bd. CXXIII, S. 473.
3 ) Müller , Ueber Cystenleber. Virchow’s Archiv. Bd. CLXIY, S. 270.
4 ) Keen, Boston med. and surg. Journal. CXXVI. *
5 ) Müller, 1. c.
*) Siegmund , TJeber eine cystische Geschwulst der Leber. Virchow s Archiv.
Bd. CXV.
7 ) Sabourin, Contribution ä l etude de la degenerescence kystique des reins et
du foie. Arch. des pbys. norm, et pathol. 1882, II, p. 64 et 213.
•) Müller, 1. c.
®) r. Kahlden, Ueber die Genese der multiloculären Cystenniere und Cysten¬
leber. Ziegler’s Beitrage. 1893, Bd. XIII.
10 ) Dmochowaki und Janotoaki, Ziegler’s Beiträge. Bd. XVI, S. 102.
n ) Borat , Festschrift der phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg. 1899.
,2 ) Sabourin , 1. c.
13 ) v. Hippel, 1. c.
14 ) Meister, Ziegler’s Beiträge. 1894, Bd. XV, S. 1.
15 ) Bibbert , Centralblatt der allgemeinen Pathologie. 1890.
,a ) Boaenthal , Exstirpation einer Lebergeschwulst. Deutsche mediciniselio
Wochenschrift. Bd. XXIII.
n ) Pfannenatiel , Erfolgreiche Exstirpation eines grossen Lebercavernoms.
Allgemeine med. Centralzeitung. Bd. XLYII.
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(Aas der k. k. Universitätsklinik für Syphilis and Dermatologie [Hot¬
rath Prot. Neamann] in Wien.)
Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
Von
Dr. Georg Löwenbach,
I. Assistent der Klinik.
(Hiezu Tafel V—X.)
Die Affection, über welche im Folgenden berichtet werden soll,
scheint nicht zu den allerseltensten Erkrankungen zu gehören. Ich
hatte während meiner bisherigen Assistentenzeit an der Klinik Hofrath
Neumann Gelegenheit, eine ganze Reihe einschlägiger Fälle zu be¬
obachten, ferner fand ich bei Durchsicht der Krankenprotokolle der
letzten Jahre eine weitere Anzahl der gleichen Affection angehörender
Fälle, und auch die Literatur, namentlich die französische, ist nicht
arm an gleichartigen Beobachtungen. Der Grund, warum der Gegen¬
stand eingehender Beschäftigung und universellen Interesses werth
scheint, liegt darin, dass in den verschiedenen casuistischen und
monographischen Publicationen die Pathogenese und das Wesen der
Erkrankung in ungemein abweichender Art aufgefasst, Zusammen¬
gehöriges getrennt, Differentes zusammen geworfen und in Folge dessen
die in Rede stehende Erkrankung mit den verschiedensten Be¬
zeichnungen benannt wurde. Es erschien daher angemessen, auf
eigener und fremder Beobachtung basirend, ein zusammenfassendes
Bild dieser eigenartigen Affection zu bieten.
Zu diesem Behufe sei zunächst die Mittheilung der an hiesiger
Klinik zur Beobachtung gelangten Fälle gestattet; späterhin sei die
hiehergehörige Literatur in den Kreis unserer Betrachtung einbezogen.
I. J. K., 33jährige Schuhmachersgattin aus Russland, angeblich
bisher von Lues frei, hat jedoch vor sieben und sechs Jahren je einmal
im vierten Monat abortirt.
4. Juni 1897. Blasse, gracil gebaute, kleine Frau. An der Haut
und den Schleimhäuten keinerlei Zeichen von Lues; die Drüsen in inguine
beiderseits walnussgross, sonst keine Drüsenschwellung.
Das linke kleine Labium ödematös, von kautschukartig dicker Con-
sistenz, von glatter Oberfläche. Am rechten Clitorisschenkel ein bohnen¬
grosses Geschwür mit glatter, braunrother Basis, scharfen wulstig elevirten
Rändern, ohne Belag. Am linken Clitorisschenkel inmitten normaler Ura-
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Dr. Georg Löwen baeh.
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gebung eine über erbsengrosse, narbig veränderte, bläulichweisse
Stelle.
Urethralwulst geschwellt, infiltrirt, Schleimhaut der Urethra pro-
labirt, lebhaft geröthet; aussen am Urethralwulst rechts zwei bohnen¬
grosse in Ueberhäutung begriffene Substanzverlnste mit bläulichbraun
glänzender, nicht belegter Basis.
Therapie: Jodoformstäbchen in die Urethra, Jodoformpulver auf die
Geschwüre.
15. Juni. Die Geschwüre sämmtlich gereinigt, ihre Basis granulirend,
Schwellung des Urethralwulstes geringer.
25. Juni. Die Geschwüre sind zum grossen Theil überhäutet, der
Urethralwulst nahezu von normaler Configuration.
10. Juli. An Stelle der Geschwüre bläulichweisse, sehnenartig glänzende
Narben. Urethralschleimhaut am Ostium leicht evertirt. Geheilt entlassen.
11. G. N., 34jährige Prostituirte, erkrankte an Syphilis (Sklerosis,
Exanthema) im Jahre 1887, wurde mit JK und 20 Einreibungen be¬
handelt; war 1888 wegen Papulae ad genitale nochmals in der Klinik,
mit JK behandelt.
27. September 1889. Bei der gut genährten Patientin besteht seitlich
am Hals deutliches Leukoderma in pfenniggrossen Flecken. Inguinaldrüson
beiderseits haselnussgross.
Urethralwulst derb infiltrirt, von wachsartig glänzender, gewulsteter,
livid gerötheter Oberfläche. Urethralschleimhaut prolabirt, lebhaft brannroth
glänzend, von derber Consistenz.
Therapie: JK lO'O^OO'O zwei Esslöffel täglich.
10. October. Das Infiltrat am Urethralwulst beginnt sich zu verkleinern.
20. October. Urethralwulst annähernd normal an Farbe und Gestalt.
Geheilt entlassen.
Die Kranke stellte sich sodann nach 3 /« Jahren wieder vor.
3. Juni 1890. Leukoderma und Inguinaldrüsenschwellung bestehen
in gleicher Weise. Die kleinen Labien beträchtlich vergrössert, kautschuk¬
artig derb elastisch. Der Urethralwulst auf Nussgrösse geschwellt, glänzend
rothbraun, an der Aussenfläche leicht erodirt, die Erosion ohne Belag,
glatt und glänzend. Das Orifieium urethrae von einem kronengrossen,
trichterförmig in die Tiefe greifenden Geschwür mit braunrother, zer¬
klüfteter, speckig belegter Basis eingenommen. Nach innen hievon erscheint
die Urethralscbleimhaut zwar nicht ulcerirt, jedoch leicht erodirt, prall
infiltrirt, von derber Consistenz, wulstig und faltig.
Therapie: Jodoformstäbchen in die Urethra; JK 10‘0:200'0 zwei
Esslöffel täglich.
20. Juni. Der Urethralwulst von normaler Farbe, noch leicht ver¬
grössert. Das Geschwür gereinigt, granulirend, der Belag abgestossen.
8. Juli. Das Geschwür beginnt vom Rand her zu überhäuten.
17. Juli. Am Orifieium urethrae eine trichterförmige, bläulichweisse
Narbe. Geheilt entlassen.
III. A. L., 26jährige Wäscherin. Zum ersten Mal wegen Syphilis
(Papulae ad genitale) 1887 auf der Klinik mit 25 Einreibungen behandelt,
1889 nochmals wegen multipler Adenitis syphilitica im Spital. Ihre jetzige
Affeetion besteht seit angeblich drei Monaten.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
53
10. Februar 1896. Kräftige grosse Frau. Drüsen in inguine und
in der Cubita beiderseits baselnussgross. An der Haut des Stammes in
Gruppen angeordnete sepiabraune erbsengrosse Pigmentationen nach papu¬
lösem Exanthem.
An der hinteren Coramissur ein auf die Vaginalschleimhaut über¬
greifendes und bis zur Clitoris sich erstreckendes Geschwür mit scharf
begrenztem, steil abfallendem Eande, glattem, speckig belegtem Grunde.
Der Urethralwulst infiltrirt, derb wulstig geschwellt, braunrotb, an seiner
rechten Seite ein erbsengrosses, speckig belegtes Geschwür mit flachen
Rändern.
Therapie: JK 5*0:200*0 drei Esslöffel täglich.
2. März. Gegen die Clitoris zu hat der Geschwürsprocess an In¬
tensität und Extensität zugenommen; an der hinteren Commissur ist
Reinigung der Basis und Ueberhäutung eingetreten. Lapistouchirung.
25. März. Sehr langsame Reinigung des Geschwürsrestes.
10. April. Beginnende Ueberhäutung auch an der Clitoris.
20. April. Vernarbung aller Geschwüre. Geheilt entlassen.
Die Kranke stellte sich sodann nach zwei Monaten wieder vor.
30. Juni 1896. An der hinteren Commissur und im Vestibulum
vaginae noch Reste eines früher bestandenen Geschwüres, welches den
Introitus vaginae ringförmig umgab und nunmehr in Form einer den
Introitus sammt Clitorisschenkeln ringförmig umgreifenden, sehnenartig
glänzenden, bläulichweissen Narbe überhäutet erscheint. Urethialwulst
wulstig geschwellt, aufs Doppelte vergrössert, braunrotb infiltrirt, von
braunrothen Erosionen ohne Belag besetzt. Das Orificium urethrae narbig
verzogen, leicht evertirt.
Therapie: JK 100:200*0 zwei Esslöffel täglich.
15. Juli. Der Urethralwulst zeigt Abschwellung und Abblassung,
die erodirten Stellen umhäutet.
10. August. Umgebung des Orificium urethrae annähernd normal.
Geheilt entlassen.
IV. J. H., 44jährige Prostituirte, zum ersten Mal mit Syphilis
1891 (Papulae ad genitale) im Spital und mit 20 Einreibungen be¬
handelt.
2. December 1892. Von Syphilis derzeit ausser doppelseitiger hasel-
uussgrosser Drüsenschwellung in inguine kein Symptom. Am Introitus
vaginae links ein kreuzergrosses Geschwür mit derben, steil abfallenden
Rändern, glatter, diphtheritisch-speckig belegter Basis. In der Genitocrural-
furche rechts drei bohnengrosse Geschwüre mit wulstig aufgeworfenen
Rändern, stark infiltrirter, speckig belegter Basis. Urethralwulst auf das
Dreifache geschwellt, geröthet, seine Oberfläche glatt.
Therapie: JK 10*0 :200*0 zweimal täglich ein Esslöffel; Sublimat¬
bäder (10 0:400*0 auf ein Bad).
6. December. Infiltrat und Substanzverlust am linken Labiurn etwas
geringer. Die Geschwüre noch sämmtlich speckig belegt.
13. December. Basis der Geschwüre gereinigt, rein granulirend.
24. December. Geschwüre beginnen vom Rande her zu überhäuten.
30. December. Geschwür überhäutet; Basis noch etwas indurirt.
7. Jänner 1893. Geheilt entlassen.
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54
Dr. Georg Löwenbach.
Die Kranke erschien wieder nach 3 / 4 Jahren.
13. September 1893. Inguinaldrüsen beiderseits haselnussgross.
An der Innftnfläche des linken kleinen Labiums sowie in der rechtem
Genitocruralfurebe mehrere scharf umschriebene, bohnen- und kreuzergrosse,
bläulichweisse. glänzende, sehnig harte Narben, Urethralwulst aufs Doppelte
vergrössert, derb infiltrirt, braunroth glänzend. Rückwärtiger Antheil der
Urethralschleimhaut prolabirt, ihre Falten wulstig verdickt, derb infiltrirt,
braunroth glänzend, eine nach links gelegene Falte von einem unregel¬
mässig zackig contourirten erbsengrossen Geschwür mit speckig-eitrigem,
zähem Belag besetzt.
Therapie: JK 10‘0:200‘0 zwei Esslöffel täglich.
20. September. Infiltration des Urethralwulstes und der Schleim¬
hautfalten in der Urethra geringer, das Geschwür gereinigt.
25. September. Das Geschwür rein granulirend.
30. September. Das Geschwür überhäutet. Geheilt entlassen.
V. R. W., 37jährige Prostituirte; acquirirte Syphilis vor mehreren
Jahren, erhielt 1892 wegen Papulae ad genitale 30 Einreibungen auf der
Klinik.
I. November 1894. An der Aussenseite des linken Kniegelenkes
zwei kreuzergrosse Geschwüre mit wallartigen, elevirten, derben Rändern,
glatter Basis, über welcher ein nekrotisch-speckiger Belag ausgebreitet
ist. Rechts in der Fossa navicularis, auf die rückwärtige Vaginalcolumne
übergreifend, ein kreuzergrosses Geschwür mit starr infiltrirten Rändern
und dünnem speckigen Belag.
Therapie: Local graues Pflaster, ausserdem Einreibungen.
15. November. Die Geschwüre zeigen rein granulirende Basis.
27. November. Die Geschwüre überhäutet. Nach 25 Einreibungen
geheilt entlassen.
Weiterer Spitalsaufenthalt nach 2'/ 2 Jahren.
5. März 1897. Am linken Unterschenkel vom Knie abwärts bogen¬
förmig contourirte Narben.
An der vorderen Vaginalcolumne an der Grenze des mittleren Drittels
1 ‘/2 cm hinter dem Orificium ein linsengrosser Substanzverlust mit drüsig
unebener, braunrother Basis, spärlichem, blassgrau-speckigem Belag und
scharfen Rändern. Urethralwulst geröthet, infiltrirt, wulstig verdickt, auf
Druck nicht empfindlich. An der unteren Circumferenz des Urethralwulstes
dicht am Introitus vaginae gegen die vordere Vaginalcolumne zu in dem
infiltrirten Gewebe des Urethralwulstes eingebettet und von einer dünnen
Schleimhautspange überbrückt, ein halbkreuzergrosses Geschwür mit derb
infiltrirter, braunrother Basis und spärlichem graugelben Belag.
Therapie: JK 10'0:200 0 zwei Esslöffel täglich.
20. März. Die Geschwüre gereinigt, der Urethralwulst um die Hälfte
verkleinert.
28. März Die Geschwüre rein granulirend, beginnen vom Rande
her zu überhäuten.
1. April. Die Geschwüre überhäutet. Geheilt entlassen.
VI. J. B., 20jährige Arbeiterin: angeblich bisher von Lues frei,
hat jedoch vor vier und vor zwei Jahren im fünften und achten Monat
abortirt.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
55
31. Mai 1896. Im Infundibulum vaginae ein ringförmig dasselbe
umgebendes, zackig contourirtes Geschwür, nach oben gegen die Clitoris
zu in Uebernarbung begriffen, mit gereinigter, granulirender, hellrother
Basis, gegen das Orificium urethrae zu mit zerklüftetem, missfärbig speckig
belegtem Grund, wallartig elevirten infiltrirten Rändern. Urethralwulst
aufs Doppelte geschwellt, braunroth glänzend; die Schwellung betrifft
namentlich den unteren Antheil desselben, von welchem aus, dem Verlauf
der Urethra folgend, durch die vordere Vaginalwand von der Vagina her
••in derb elastischer, daumendicker Strang nach oben ziehend zu tasten
ist. Urethralschleimhaut selbst ist normal. Bei endoskopischer Untersuchung
zeigt dieselbe eine mässige Hyperämie.
Therapie: Einreibungen, ausserdem local Jodoform.
2. Juui. Nach 30 Einreibungen noch keine wesentliche Veränderung;
local wird nun zu wiederholten Malen mit Arg. nitr. geätzt, ausserdem
JK 10’0:200 0 zwei Esslöffel täglich.
1. Juli. Die Geschwüre beginnen sich zu reinigen; der Urethral¬
wulst verkleinert; der derbe Strang entlang der Urethra auf Federkieldicke
redueirt.
16. Juli. Die Geschwüre gereinigt, granulirend, vom Rande her in
Ueberhäutung.
28. Juli. Die Geschwüre überhäutet. Die Infiltrate am Urethralwulst
und entlang der Urethra geschwunden. Geheilt entlassen.
VII. C. K., 26jährige Taglöhnersgattin; vor sieben Jahren wegen
Papulae ad genitale auf der Klinik mit 25 Einreibungen in Behandlung
gewesen.
13. Juni 1893. Inguinaldrüsen linkerseits multipel bohuengross.
Sonst kein Symptom von Syphilis an Haut oder Schleimhäuten nach¬
weisbar.
Das linke kleine Labium im oberen Antheil fingerdick infiltrirt,
livid verfärbt, excoriirt, mit dünnen Krusten und Borken bedeckt; die
Veränderung greift auf den linken Clitorisschenkel, das Praeputium clito-
ridis und das rechte kleine Labium über. Urethralwulst auf über Nuss-
aTösse geschwellt, geröthet, die Schleimhaut gewulstet, starr infiltrirt,
wachsartig glänzend, stellenweise eingenommen von seichten Erosionen
mit glatter, braunroth glänzender Basis, mit unregelmässig contourirten
infiltrirten Räudern, ohne Belag. Urethralschleimhaut soweit sichtbar
stark braunroth, wachsartig glänzend, wulstig infiltrirt, leicht erodirt.
Therapie. Einreibungen, JK lO'0:200*0 zwei Esslöffel täglich,
local graues Pflaster.
20. Juni. Die Geschwüre rein granulirend.
26. Juni. Die Geschwüre vom Rande her fast vollständig über¬
häutet.
28. Juni. Nach 15 Einreibungen: Die Geschwüre überhäutet. Der
Urethralwulst jedoch noch stark infiltrirt und geschwellt. Auf Verlangen
•■atlassen.
VITT. W. A., 25jährige Magd, angeblich noch nie syphilitisch er¬
krankt. Dauer des jetzigen Leidens acht Monate.
19. November 1884. Von der hinteren Commissur bis zur unteren
Grenze des mittleren Drittels der Vagina reichend findet sich ein thaler-
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Dr. Georg Löwenbacli.
grosses, nach oben in eine etwa 3 cm lange Fissur auslaufendes, unregel¬
mässig begrenztes Geschwür mit infiltrirten Rändern, speckig belegter,
glatter Basis.
Therapie: Jodoform.
17. December. Geschwür gereinigt, beginnende Verhäutung.
7. Jänner 1885. Complete Ueberhäutung. Geheilt entlassen.
Stellte sich nach '/ 2 Jahr wieder vor.
19. Mai 1885. An der hinteren Commissur bis in die Vagina
hineinreichend eine derbe, höckerige Narbe. Die Umgebung des Orificium
urethrae derb infiltrirt. Durch die vordere Vaginal wand ist eine, dem
Verlauf der Urethra folgende walzenförmige Geschwulst durchzutasten.
Das untere Ende der Columna rugarum bedeutend geschwellt und an der
hinteren Vaginalwand, etwa in der Mitte ihrer Längsausdehnung, wo die
von der ersten Erkrankung herrührenden Narben endigen, zwei thaler-
grosse Geschwüre, zwischen welchen die Schleimhaut in Form bohnen¬
grosser Wülste eraporragt. In der Umgebung der Geschwüre circa 1 ein
breite und 2 cm lange, fingerförmige und hahnenkammähnliche, an der
Oberfläche körnig unebene Hervorragungen.
Therapie: JK 10‘0 :200'ü täglich zwei Esslöffel; local Carboiverband.
4. Juni. Die Geschwüre gereinigt, beginnen zu überhäuten.
14. Juni. Die Geschwüre nahezu vollständig überhäutet. Dagegen
bestehen die hahnenkammartigen Vorwölbungen und Wülste in ihrer Um¬
gebung unverändert. Das strangförmige Infiltrat in der hinteren Urethral¬
wand ist weicher und dünner anzufühlen.
1. Juli. Das strangförmige Infiltrat geschwunden. Das Orificium
urethrae zeigt normales Aussehen.
3. Juli. Die hahnenkainmartigen Wülste haben sich nur ganz
wenig verkleinert. Sonst zeigt das Genitale normalen Befund. Geheilt ent¬
lassen.
IX. S. J., 64jährige Pfründnerin, vor 15 Jahren wegen Papulae ad
anum auf der Klinik mit Schmiercur behandelt.
8. September 1894. Am Processus xiphoides und im Nacken finden
sich Gruppen weisslich glänzender wie gestrickter Narben, am After eine
Reihe bräunlich pigmentirter Narben.
Urethralwulst geschwellt, geröthet. Von der vorderen Vaginalwand
her ist vom Orificium bis zum Fornix vaginae reichend ein dein Verlauf
der Urethra entsprechender höckeriger Strang von derber Consistenz gegen
die Vagina sich vorwölbend durchzutasten.
Bei endoskopischer Untersuchung erscheint die Schleimhaut der
Urethra geröthet, gewulstet, an ihrer rückwärtigen Fläche ein längsovales,
1 cm langes Geschwür mit aufgeworfenen buchtigen Rändern, speckig
belegter Basis.
Es besteht Harndrang und Brennen beim Uriniren. Das Infiltrat
entlang der Urethra ist auf Druck schmerzhaft. Im Urin reichlich schleimig-
eitriges Sediment.
Therapie: JK 10'0:200’0 zwei Esslöffel täglich: Sitzbäder.
25. September. Das Infiltrat an der Urethra weicher und düuner :
Urin klar. Schleimhaut der Urethra glatt, blassroth, an der Stelle der
Geschwüre eine röthliche längliche Narbe.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
57
1. Oetober. Das paraurethrale Infiltrat geschwunden. Geheilt ent¬
lassen.
X. C. A., 46jährige Kaufmannsfrau aus Galizien; hatte im Jahre
1896 einen universellen, nicht juckenden Ausschlag, gegen welchen sie
keinerlei Behandlung anwendete, abortirte 1898 im fünften Monat;
bemerkt ihr jetziges Leiden seit einigen Monaten (s. Abbildung 1).
30. December 1901. In inguine beiderseits haselnussgrosse Drüsen¬
schwellung. Sonst an Drüsenapparat, Haut und Schleimhäuten kein Zeichen
von Lues. Gesunde, gut aussehende Frau.
Der ürethralwulst ist in eine über nussgrosse Geschwulst umge¬
wandelt. Seine untere Seite hat die ursprüngliche Gonfiguration bewahrt,
zeigt nur eine Verbreiterung und stärkere Wulstung der Falten. Die
oberen und seitlichen Antheile sind rings von knolligen und warzigen
hellrotheu Excrescenzen eingenommen, während nach rechts zu die Ober¬
fläche in eine Geschwürsfläche verwandelt ist. Letztere erstreckt sich auch
gegen die Innenfläche des linken kleinen Labiums, sowie nach der Tiefe
gegen die Rückfläche der Symphyse hin. Daselbst erscheint der vergrösserte
Urethralwulst sammt vorderem Antheil der Urethra durch den Geschwürs-
process gleichwie von der Unterlage lospräparirt, der untersuchende Finger
gelangt in ein hinter der Symphyse gelegenes, durchwegs von geschwürig
zerfallener Schleimhaut ausgekleidetes längliches Cavum von Haselnuss¬
grösse. Genaue Feststellung der tieferen Details wegen allzugrosser Schmerz¬
haftigkeit nicht möglich. Die Ränder dieses trichterförmig sich einsenkenden
Geschwüres sind glatt, zum Theil mit drüsigen Auflagerungen bedeckt,
die Basis geröthet und von speckigem Belag eingenommen, insbesondere
gegen die Tiefe zu. Am übrigen Genitale keinerlei abnormer Befund.
Urinact normal.
Therapie: JK 10‘0:200‘0 täglich bis zu fünf Esslöffeln.
12. Jänner 1902. Das Geschwür hinter der Symphyse durch massige
Granulationen verkleinert. Dagegen am Urethralwulst keine Besserung.
Touchirung der Geschwüre mit Lapisstift.
20. Jänner. Trotz wiederholter Touchirung zeigt das Geschwür eher
eine Tendenz zur peripheren Ausbreitung.
21. Jänner. In Chloroformnarkose wurde der höckerig-wulstige untere
Antheil des Urethralwulstes mit Messer und Scheere abgetragen und die
Schnittfläche des Stumpfes sowie die Geschwürsflächen in der Umgebung
energisch pacquelinisirt. Verweilkatheter. Trockener Verband.
27. Jänner. Beim Verbandwechsel zeigt sich der Schorf an vielen
Stellen bereits abgestossen, darunter granulirende Flächen. Jodofonnverband.
1. Februar. Rein granulirende Wunde mit peripher beginnender
Ueberhäutung.
17. Februar. Glatte Ueberhäutung. Bildung bläulich-weisser zarter
Narben. Geheilt entlassen.
Histologischer Befund. Das excidirte Stück des Urethralwulstes
wurde nach Fixirung in Müller scher Flüssigkeit und Härtung in Alkohol
geschnitten und nach verschiedenen Methoden gefärbt. Dasselbe zeigte
folgende Veränderungen (Fig. 17).
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Dr. Georg Löwenbach.
Der Epithelbelag des Urethralwulstes, ein geschichtetes Pflaster¬
epithel, zeigt eine leichte Verdickung und Vermehrung seiner Schichten,
die einzelnen Epithelzellen scheinen gequollen, abgerundet, die intercellulären
Spalten erweitert und zum Theil erfüllt von Gruppen durchwandernder
Leukocyten (a). Eine bedeutendere Ansammlung von Leukocyten findet
sich innerhalb des Epithels nirgends, dasselbe überzieht die Unterlage in
intacter, ununterbrochener Weise.
Im bindegewebigen Antheil des Urethralwulstes finden sich Ver¬
änderungen sowohl am Bindegewebe selbst als auch an den Gefässen.
Elfteres zeigt nämlich herdförmige Ansammlung von Zellen, an ver¬
schiedenen Stellen zerstreut. Die Herde bestehen aus Plasmazellen, Leuko¬
cyten, Lymphocyten und Spindelzellen, enthalten stellenweise auch Riesen¬
zellen (b), jedoch nur geringeren Kalibers und mit unregelmässig an¬
geordneten Kernen. Riesenzellen mit exquisit randständigen Kernen, von
grossem Kaliber, ferner epithelioide Zellen und Verkäsung fehlen in diesen
Herden. Die Spindelzellen finden sich meist in der Peripherie und bilden
eine scharfe Begrenzung, ja stellenweise geradezu Abkapselung des
Knötchens (c). An einzelnen Stellen confluiren kleinere Herde zu einem
grösseren Conglomerat (d). Innerhalb der Herde findet man in massiger
Menge hyperäraische Gelasse mittleren Kalibers.
Das übrige Bindegewebe setzt sich aus locker gewebten collagenen
und zahlreichen elastischen Fasern zusammen, welche im Bereich der
Entzündungsherde eine leichte Aufquellung und Abblassung zeigen.
Die grösseren Gefässe, und zwar Arterien und Venen, zeigen eine
starke Infiltration ihrer Wandungen (Media und Adventitia) mit Leuko-
und Lymphocyten, sowie eine starke und ungleichmässige Verdickung der
Intima. Innerhalb der letzteren ist es zu einer lebhaften Bindegewebs¬
neubildung gekommen, welcher stellenweise in Form eines unregelmässigen
Buckels (e) gegen das Lumen vorspringt, an anderen Stellen zu einer mehr
diffusen und concentrisehen Verengerung des Lumens (f) geführt hat. Die
kleineren Gefässe, insbesondere die in der Nähe der oben beschriebenen
Knötchen gelegenen, zeigen in Folge analoger Veränderungen das Lumen
spaltförmig verengt; an einigen ist es zur vollständigen Obliteration ge¬
kommen, so dass sie als bindegewebige Stränge (auf dem Querschnitt
kreisrund) das Gewebe durchziehen, in welchen mittelst geeigneter Färbung
die Membrana elastica noch nachzuweisen ist.
Mikroorganismen waren im Gewebe nicht nachzuweisen; insbesondere
fehlten Tuberkelbacillen (Färbungen nach Saldi, Weigert, Ziebl-Neelsen ).
Intraperitoneale Impfung eines Meerschweinchens mit einem erbsen¬
grossen Theil des exeidirten Materials blieb erfolglos.
XI. J. B., 41jährige Bedienerin, angeblich bisher von Syphilis frei
geblieben.
4. October 1898. Gut genährte, gesunde Frau. Links in inguine
eine derbe, nussgrosse Drüse. Sonst kein auf Lues deutendes Symptom.
Die Urethralmündung ist trichterförmig erweitert. Am Urethralwulst
rechts und weit in die Urethra hineinreichend ausgedehnte Geschwürs-
processe. Die Ränder der Geschwüre sind unregelmässig zackig, die Basis
glatt, braunroth, graugelb belegt. Ausserdem finden sich am Urethralwulst
selbst hahnenkammartig vorspringende Wülste, von tiefen, missfärbig be-
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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legten Furchen durchzogen. Urinact normal. Der Urin enthält bröcklige
Massen.
Therapie: Jodoformstäbchen in die Urethra.
12. October. Die Geschwüre gereinigt.
19. October. Die Urethra zeigt normale Schleimhaut; ihr Orificium
trichterförmig erweitert.
21. October. Geheilt entlassen.
Sie suchte sodann nach V 2 Jahr von Neuem die Klinik auf.
26. Mai 1899. Urethralöffnung trichterförmig erweitert, am unteren
Pol derselben ein erbsengrosses, halbmondförmig contourirtes, seichtes
Geschwür mit zackig buchtigen Bändern. Urethralwulst mit zapfenartig
vorspringenden Wülsten besetzt. Aus der Urethra entleert sich missfärbiger
Eiter; im Urin reichlich bröcklige Fetzen.
Therapie: JK 10‘0:200 - 0 mehrere Esslöffel täglich; ferner Ein¬
reibungen, local Jodoformstäbchen.
10. Juni. Das Geschwür gereinigt, der Urin klar.
20. Juni. Das Geschwür beginnt zu überhäuten.
26. Juni. Vollständige Vernarbung. Geheilt entlassen.
Nach weiteren zwei Jahren (s. Abbildung 2).
14. Juni 1901. In der linken Genitocruralfurche ein unregelmässig
zackig contourirtes seichtes Geschwür mit glatter, speckig belegter Basis.
Unterhalb der sichtbaren ürethralöffnung beginnt ein trichterförmig ver¬
tieftes, in der Mitte von einer dünnen Hautbrücke getheiltes, von narbig
schwieligen Bändern begrenztes, zum Theil geschwürig zerfallenes Loch,
welches dem zerstörten und deformirten Orificium urethrae entspricht. Die
Innenfläche der kleinen Labien und die Vaginalschleimhaut elephantiastisch
verdickt, derb fibrös, durchaus narbig, ohne Ulcerationen. Links und
rechts neben der erhaltenen Schleimhautbrüeke, die von unterhalb der
Clitoris zur vorderen Vaginalwand zieht, kann man beiderseits vom
Urethralwulst bequem einen Finger 4 cm tief in eine trichterförmige Ein¬
senkung hinter die Symphyse hin einführen. Weiter oben ist diese Ein¬
senkung zu Kleinfingerdicke verengt, oberhalb dieser stricturartigen Stelle
jedoch gelangt die Sonde in einen ampullenartigen Sack, dessen Wände
theils geschwürig zerfallen und locker, theils schwielig-narbig, derb und
hart anznfühlen sind. Der Lage nach entspricht dieser Hohlraum dem
lockeren Zellgewebe zwischen Vagina und Blase. Der Urethralwulst auf
das Fünf- bis Sechsfache geschwellt, von höckerigen, braunrothen,
glänzenden, derben, bis haselnussgrossen Excrescenzen besetzt, von Ellipsoiden-
gestalt.
Therapie: Intramusculäre Injectionen von 25°/ 0 Jodipin; Jodoform¬
stäbchen in den Hohlgang.
24. Juni. Die speckig belegten Geschwürsflächen gereinigt. Die
geschwürig zerfallene Höhle beginnt sich mit Granulation auszukleiden.
3. Juli. Nach wiederholter Lapistouchirung und 20 Jodipininjectionen
beginnt Ueberhäutung und Vernarbung.
7. August. An Stelle des Hohlganges eine tiefe narbige, sehnig
glänzende Einziehung, innerhalb welcher die Sonde 3 cm weit eindringt.
Ohne weitere Beschwerden »geheiltt entlassen.
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Nach 7-2 J a ' ire erschien Patientin wieder mit folgendem Status
(s. Abbildung 2).
10. Februar 1902. Vordere Vaginalwand leicht prolabirt. An Stelle
des Urethralwulstes eine trichterförmige Erweiterung, durch welche man
den Finger in das Cavum zwischen Blase und Vagina einführen kann.
Die Wände dieses Hohlraumes sind durchwegs callös, derb und hart. Der
Best des Urethralwulstes unterhalb der Clitoris ist ödematös, geröthet,
mit lappen- und hahnenkammartig freistehenden Excrescenzen besetzt. Die
der Clitoris zugekehrte Seite derselben, sowie die Inuenfläche der kleinen
Labien ist theils schwielig narbig, theils wulstig verdickt, braunroth
erodirt und iufiltrirt. Das Urethralostium scheint in Folge der Schwellung
des Urethralwulstes und der narbigen Verziehung der Clitorisgegend einige
Centimeter tief zurückgesunken. Schleimhaut der Vulva und der Clitoris
diffus narbig. Urinentleerung erfolgt anstandslos.
Therapie: JK in grossen Dosen; local Jodoform und Dermatol.
1. März. Die seichten Erosionen am Urethralwulst in Ueberhäutung.
20. März. Die Erosionen vollständig überhäutet. Der Urethralwulst
etwas abgeblasst. Die lappen- und hahnenkammförmigen Wulstungen
werden mit Scheere unter Cocainanästhesie entfernt.
30. März. Geheilt entlassen.
Histologischer Befund. Fixirung in Müllerscher Flüssigkeit.
Härtung in Alkohol, Färbung mit Hämatoxylin-Eosin.
Der Epithelüberzug des Urethralwulstes erscheint intact. nur ist
stellenweise in Folge der tieferen Veränderungen die Epidermis-Cutis-Grenze
abgeflacht und der Papillarkörper verstrichen.
Die Struetur des bindegewebigen Antheiles erscheint verwischt,
indem das ganze Zellgewebe ersetzt ist durch ein dichtes Granulations¬
gewebe. Dasselbe besteht bei näherer Betrachtung aus einer grossen Anzahl
kleiner Knötchen, welche einen radiären Aufbau aus Bund- und Spindel¬
zellen mit eingestreuten Biesenzellen von mässigen Dimensionen und
vier bis sechs Kernen zeigen; ferner sind, insbesondere gegen den Band
der Knötchen, zahlreiche kleine Spindelzellen au ihrem Aufbau betheiligt.
Das Beticulum wird von feinen, hellen Bindegewebsfasern gebildet. An
einigen Stellen ist im Centrum von Kästchen die Färbbarkeit der zelligen
Elemente eine geringere, die Contouren der einzelnen Zellen verwischt,
ihr Protoplasma nimmt einen schollig-homogenen Charakter an: beginnende
Verkäsung. Epitheloide Zellen sind in keinem der Knötchen nachzuweisen.
Das aus den Knötchen sich zusammensetzende Granulationsgewebe nimmt
die Totalität der exeidirteu Excrescenz ein: eollogene Fasern von normaler
Stärke, sowie elastische Fasern finden sich nur am Bande des Präparates
und zeigen an ihrer unregelmässigen Form den Effect der durch die
Granulationsgeschwulst bewirkten mechanischen Verdrängung.
Arterien und Venen zeigen analoge Veränderungen wie im Fall X,
jedoch von geringerer Intensität, so dass es nirgends zu starker Ver¬
engerung oder gar Obliteration ihres Lumens kommt.
Mikroorganismen irgendwelcher Art konnten im Gewebe nicht nach¬
gewiesen werden.
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Die gnminöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Mit einem erbsengrossen Stück des excidirten Gewebes wurde ein
Meerschweinchen intraperitoneal geimpft. Das Thier zeigte keinerlei Zeichen
einer Infection und befand sich noch nach fünf Monaten wohl.
XII. J. W., 29jährige Handarbeiterin, war im October 1882 wegen
papulösen Exanthems auf der Klinik mit 60 Einreibungen behandelt
worden; zeigte zunächst im Februar 1888, als sie wegen Bartholinitis
die Klinik aufsuchte, an der Clitoris gegen das Orificium urethrae hin
ein linsengrosses Geschwür mit wallartig elevirten, nicht unterminirten
Rändern und glatter, speckig belegter Basis, welches nach Jodkaligebrauch
ohne locale Therapie in drei Wochen heilte; suchte sodann nach l / 2 Jahren
neuerdings das Spital auf.
17. September 1888. Der Urethralwulst aufs Doppelte vergrössert,
infiltrirt, geröthet. Oberhalb der Urethralmündung führt ein nahezu 2 em
langer trichterförmiger Hohlgang parallel der Richtung der Urethra von
oben vorne nach hinten unten hinter die Symphyse; die Wände desselben
sind geschwürig zerfallen, zerklüftet, braunroth, speckig belegt, von derber
Consistenz, secerniren dünn-eitriges Secret. Sondiren des Ganges ist schmerz¬
haft. Das Gewebe des kleinen Labiums rechts von der Urethra ist infiltrirt,
wulstig derb anzufühlen, stellenweise leicht erodirt, dunkel braunroth
glänzend, sehr empfindlich. Urethralschleimhaut normal. Beim Urinact und
Coitus wird über Schmerz geklagt; der jetzige Zustand soll seit mehreren
Monaten bestehen und trotz Jod kaligebrauch stationär geblieben sein.
Therapie: JK 100:200*0 bis zu fünf Esslöffel täglich.
30. September. Von der Wand des Hohlraumes ober der Urethra
haben sich mehrere nekrotische Gewebefetzen losgelöst und abgestossen
Jodoform local.
10. October. Die Wände des Hohlganges in rein granulirende Wunden
verwandelt.
15. October. Geschwüre und Erosionen allseits in Ueberhäutung.
25. October. An Stelle des Hohlganges besteht eine 2 cm tiefe,
bläulichweiss glänzende Narbe. Urethralwulst fast zur Norm verkleinert.
Subjective Beschwerden beim Urinact oder bei Druck auf die Narben
wurden entschieden negirt. Geheilt entlassen.
XIII. L. K., 22jährige Prostituirte; angeblich nie syphilitisch erkrankt,
abortirte jedoch 1890 und 1893 im fünften und vierten Monat.
27. Juni 1895. Kein Symptom von Syphilis an Haut oder Schleim¬
häuten. Keine Drüsenschwellung. Der Urethral willst ist zu einer haselnuss¬
grossen, mässig derben Geschwulst intumescirt. An der vorderen Wand
der Urethra und soweit sichtbar in dieselbe sich hineinerstreckend ein Geschwür
mit speckigem Belag und scharfem Rand. Die rückwärtige Hararöhren-
wand prolabirt, ödematös und insbesondere in der Nähe des Orificium
wulstig infiltrirt. Die Innenfläche der kleinen Labien und Karunkeln narbig.
An der unteren Insertionsstelle des linken grossen Labiums gegen den
Introitus vaginae zu eine für zwei Finger durchgängige Perforationsöffnung,
in deren Umgebung die Substanz des Labiums narbig verändert ist.
Therapie: JK 10*0:200*0 zwei Esslöffel täglich; in die Urethra
Jodoformstäbchen.
10. Juli. Infiltrat der hinteren Urethralwand verringert, Geschwür
an der Vorderfläche gereinigt.
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25. Juli. Infiltrat geschwunden, Geschwür glatt überhäutet. Geheilt
entlassen.
Nach zwei Jahren:
29. September 1897. Das rechte grosse Labium narbig, an einer
Stelle von einer 1 cm weiten Lücke perforirt. An der Innenseite der
kleinen Labien, sowie zwischen Clitoris und verdicktem Urethralwulst
mehrere rostbraune, leicht über die narbige Umgebung elevirte Infiltrate.
Therapie: Jodkali.
10. October. Infiltrate geschwunden; geheilt entlassen.
Nach weiteren drei Monaten:
23. Jänner 1898. Innenfläche der grossen und kleinen Labien
diffus narbig, stellenweise seicht erodirt, die Erosionen glatt, rostbraun,
ohne Belag. Urethralwulst haselnussgross, derb infiltrirt, rostbraun; die
Ausmündung der Harnröhre umgeben von einem kreuzergrossen Geschwür
mit wallartig elevirten Rändern und speckig belegter Basis.
Therapie: Jodkali, Sitzbäder.
10. Februar. Geschwüre gereinigt.
20. Februar. Erosionen und Secretionen überhäutet; geheilt ent¬
lassen.
Nach weiteren vier Monaten:
4. Juni 1898 (Patientin suchte das Spital wegen Herpes tonsurans
auf). Innenfläche sämmtlicher Labien, sowie Schleimhaut des verdickten
Urethralwulstes diffus narbig, sehnenartig glänzend.
29. August 1898. Die Labien zeigen gleichen Befund wie vor
zwei Monaten. Die Urethralöffnuug trichterförmig erweitert, Wand der
Urethra derb infiltrirt; Urethralwulst diffus narbig, jedoch infiltrirt. Am
Orificium urethrae ein seichtes Geschwür mit pergamentartig derber, braun-
rother Basis. Urin klar; keinerlei Urinbeschwerden.
Therapie: Einreibungen; local Jodoform.
10. September. Das Geschwür rein granulirend. Infiltrate der Urethral¬
wand und des Urethralwulstes verringert.
19. September. Nach 20 Einreibungen: Geschwür überhäutet.
Urethralmündung durch Narbenzug trichterförmig erweitert: Labien und
Uretbralwulst diffus narbig. Geheilt entlassen.
XIV. H. B., 31jährige Köchin; abortirte 1896 und 1897, sonst
für Lues in der Anamnese nichts Sicheres zu erheben.
14. Mai 1899. Von syphilitischen Symptomen ist an Haut, Schleim¬
häuten und Drüsenapparat nichts zu constatiren. Vom linken Clitoris-
schenkel fehlt das mittlere Drittel, während vom oberen und unteren her
die Enden zackig narbig auslaufen. An Stelle des Urethral wulstes findet
sich eine tief trichterförmig eingezogene Narbe. Der Grund derselben trägt
ein Geschwür mit feindrusig unebenem Grund, scharfen Rändern und
dünneitrigem Belag, ohne Derbheit. Grösstentheils wird das Geschwür
gedeckt von einem narbigen Lappen, welcher von der Innenseite des rechten
kleinen Labiums querüber auf die vordere Vaginalwand zieht. An der
rechten Vaginal wand bis auf die Innenfläche des rechten kleinen Labiums
reichend findet sich ein guldenstückgrosses Geschwür: dasselbe ist in
seinen vorderen Antheilen (gegen das Labium zu) in Ueberhäutung be-
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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griffen, alle übrigen Bänder sind wallartig aufgeworfen und infiltrirt; die
Basis uneben, zerklüftet, speckig belegt.
Ober dem narbig veränderten Urethralwulst senkt sich zwischen
vorderer Vaginal wand und Blase eine tiefe Einziehung eiu, so dass der
vorderste Theil der vorderen Vaginalwand zapfenartig vorspringt. Die
Wände dieser Einsenkung sind theilweise von geschwürig zerfallenem,
höckerig unebenem, rothbraunem Gewebe, theilweise von sehnig harter Narbe
gebildet. Am Grunde der Einziehung gelingt es, inmitten der narbigen
Partie ganz zurückgesunken die Harnröhrenmündung aufzufinden und mit
einer Darmsaite zu entriren.
Die Kranke gibt an, beim Uriniren keinen Schmerz zu spüren, der
Urinact dauert jedoch mitunter lange, der Urin kommt manchmal nur
tropfenweise. Urin klar und hell.
Therapie: Jodkali 10'0:2000 zwei Esslöffel täglich; local
Dilatation der verengten Harnröhre mit Dittd '&chen Stiften.
30. Mai. Die Geschwüre am Urethralwulst und in der Vagina
gereinigt, granulirend. vom Baude her in Ueberhäutung; die Einziehung
an der Urethra zeigt in ihren geschwürigen Theilen noch starke Secretion.
8. Juni. Sämmtliche Geschwüre, auch an der Urethra, granulirend.
15. Juni. Die Geschwüre nahezu vollständig überbäutet. Die Urethra
bereits für Dittel 12 passirbar. Die Stricturirung betrifft nur den (scheinbar)
vordersten Antheil derselben, woselbst der Stift auf circa J / 2 cm Länge
von derbnarbigem Bing engagirt ist; weiter rückwärts passirt dasselbe
anstandslos inmitten weicher, widerstandsloser Wandungen.
22. Juni. An Stelle der Geschwüre durchwegs zarte bläulichweisse
oder noch leicht geröthete Narben. Urinact vollständig normal. Die Kranke
verlässt das Spital in sehr gehobenem Zustand und gutem Befinden.
XV. M. Th., 44jährige Näherin; überstand syphilitische Infection
1878, wurde in Linz im Spital mit 35 Einreibungen behandelt, hat seit¬
her kein Beeid iv bemerkt.
23. Juni 1888. An Haut und Schleimhäuten keinerlei Symptom
von Syphilis. Das Infundibulum vaginae ist in einen kaum für das Nagel¬
glied des Zeigefingers durchgängigen narbigen Trichter umgewandelt. Die
Clitoris ist bedeutend vergrössert, derb infiltrirt, ihre Uebergangsstelle in
die kleinen Labien undeutlich, das linke kleine Labium ebenfalls infiltrirt,
geschwellt, seine Oberfläche drüsig uneben, braunroth. Die Urethralöffnung
sammt geschwelltem und infiltrirtem Urethralwulst erscheint durch die
narbige Veränderung weit nach rückwärts gezogen, an der vorderen Wand
des Infundibulum vaginae. Von dort zieht ungefähr 2 cm lang gegen die
Innenfläche des linken kleinen Labiums ein rinnenförmiges Geschwür
mit wallartig aufgeworfenen Bändern, braunrother glatter Basis und
gelblichgrauem Belag.
Therapie: Jodkali 10 0 : 200'0 zwei Esslöffel täglich: local
Jodoform.
1. Juli. Das Geschwür gereinigt.
9. Juli. Mit granulirendem, in Ueberhäutung begriffenem Geschwür
und verringerten Infiltraten auf Verlangen gebessert entlassen; stellte sich
in der Folge nicht mehr vor.
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XVI. R. E., 46jährige Bäuerin. Sie selbst weiss von einer syphili¬
tischen Infection nichts, jedoch acquirirte ihr Gatte vor sechs Jahren
Syphilis.
23. Juli 1888. Schleimhaut der Vulva und Vagina ödematös ge¬
schwellt, weich, aufgelockert. Die Urethralmündung erscheint durch das
Oedem des äusseren Genitale sehr weit nach rückwärts verschoben, so
dass der vordere Rand der Clitoris etwa 4 cm vor der Urethralöffnung
liegt. Der häutige Antheil und das Präputium der Clitoris elastisch weich,
geschwellt, braunroth, Fingerdruck bleibt nicht bestehen. An der Unter¬
fläche der Clitoris vor der Urethralmündung bis an das Präputium zieht
sich ein 2 cm breiter, 4 cm langer Substanzverlust mit nnterminirten
Rändern und rein granulirender Basis. Die grossen Labien sind auf das
Dreifache geschwellt, von gleicher Beschaffenheit wie die Clitoris. Vom
rechten kleinen Labiurn sind nur die Randpartien erhalten, dieselben sind
von derb elastischer Consistenz, drüsig uneben höckeriger Oberfläche. Das
Labiurn selbst erscheint von einem doppeltkronengrossen Loch und einem
weiteren linsengiossen Loch perforirt, so dass an der Basis nur drei
Brücken von wenig Millimetern Breite zurückgeblieben sind, welche den
verdickten Rand mit dem rechten grossen Labiurn verbinden. Vom linken
kleinen Labiurn ist nur der unmittelbar an die Clitoris grenzende Antheil
erhalten, von hellrother Farbe, drüsig unebener, zum Theile narbig glän¬
zender Oberfläche; sein rückwärtiger Theil durch ein kreuzergrosses Ge¬
schwür mit in Zerfall begriffener, nekrotischer Basis zerstört, so dass von
demselben nur eine unregelmässig begrenzte, wenige Millimeter breite
Brücke zurückgeblieben ist.
Die Analöffnung ist von fingerförmigen, drüsig unebenen, kupfer-
rothen Wülsten umgeben, welche 1—2 cm lang, 2—3 cm breit, theils mit
schmaler, theils mit breiter Basis, aufsitzen. Am linken Rande der Anal¬
öffnung findet sich ein spaltförmiges Geschwür, welches im Centrum noch
speckig belegt ist, peripherwärts granulirt und in Vernarbung begriffen
ist. In der Umgebung des Geschwürs finden sich ebenfalls derartige wul¬
stige und lappige Excrescenzen. Die Schleimhaut des Mastdarms bis zum
Sphinkter drüsig uneben, von hanfkorngrossen Excrescenzen besetzt. An
der Ampulle des Mastdarms nach vorne zu eine sichelförmige Narbe. Die
übrige Mastdarmschleimhaut glatt, jedoch livid verfärbt und verdickt.
Eigentliche Ulcerationen finden sich nirgends, jedoch secernirt die Schleim¬
haut ein dickes, gelbliehbraunes, eiterartiges Secret.
Therapie: Sublimatbäder (10'0 :400'0 auf ein Bad), Ausspritzung
des Rectums mit Sublimat 0 - l u /ooJ Einreibungen; auf die Geschwüre an
der Urethra und Vulva Jodoform.
15. August. Die Geschwüre am äusseren Genitale gereinigt und in
Ueberhäutung begriffen.
25. August. An Stelle der Gesehwüre am Genitale glatte, flache,
lividrothe Narben.
10. September. Nach 50 Einreibungen ist an den geschwiirigen
Tlieilen im Mastdann, sowie an den wulstig-lappigen Excrescenzen ad anurn
keine Veränderung zu bemerken. Es wird Jodkali 10'0:200 0 zweimal
täglich ein Esslöffel gegeben; die Excrescenze' werden unter Cocain¬
anästhesie abgetragen.
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24. September. Ueberhäutung der Geschwürsflächen im Mastdarm
findet sich nur auf der linken Seite; rechterseits ist die ganze Rectalwand
in diffuser Weise geschwürig zerfallen, von uneben höckeriger Oberfläche,
in die Ulceration ist auch die oben beschriebene, sichelförmige narbige
Partie neuerdings mit einbezogen.
1. October. Die ülcerationen im Rectum beginnen sich zu reinigen.
20. October. Unter fortgesetzter localer und allgemeiner Behandlung
sind sämmtliche ülcerationen überhäutet, die Schleimhaut von glatter,
noch leicht infiltrirter Beschaffenheit. Geheilt entlassen.
XVII. R. H., 29jährige Schleifersgattin; bisher angeblich noch nicht
an Syphilis erkrankt. Dauer des jetzigen Leidens fünf Monate; abortirte
vor zwei Jahren im vierten Monate.
22. September 1898. An Haut, Schleimhäuten und Drüsenapparat
keinerlei Symptom von Syphilis nachweisbar. Die grossen Labien
sind in Form doppeltdaumenbreiter, derb elastischer Wulste geschwellt,
auch die kleinen. Labien und das Praeputium clitoridis ödematös. ln
der Furche rechts von Urethralwulst und rechts von Präputium findet
sich ein erbsengrosses Geschwür mit aufgeworfenen Rändern und speckigem
Belag. Am Präputium eine bohnengrosse Perforationsöffnung mit derb
callösen Rändern, durch welche die Sonde in die Nische rechts vom Ure¬
thralwulst gelangt. Am rechten Clitorisschenkel besteht ein bohnengrosses
Geschwür mit buchtig unterminirten Rändern von unregelmässiger Confi-
guration, grosser Derbheit, drüsig unebenem Grunde, eitrig-speckigem
Belag. Die Clitoris selbst ist zapfenformig verlängert und durch ein
kreuzergrosses Geschwür entzweigetheilt; dasselbe hat steile, glatte, nicht
unterminirte Ränder, dichten gelbgrauen Belag. Die Nischen beiderseits
vom Urethralwulst sind tief excoriirt, so dass beiderseits ein Finger sich
unter das lappenartig überhängende Praeputium clitoridis einlegen lässt.
Der ganze obere Antheil des Urethralwulstes, vom Orificium urethrae
bis zur Clitoris ist substituirt durch ein speckig belegtes Geschwür mit
höckeriger derber Basis, deren Ränder an den kleinen Labien auf Centi-
meterweite unterminirt sind oder brückenartig sich über daselbst sitzende,
locheisenartig schlitzförmige Substanzverluste hinwegspannen. Die Ränder
dieser kleinen Geschwüre sind derb, glatt, nicht unterminirt, ihre Basis
glatt, speckig belegt. Die Urethra selbst ist an ihrer Mündung trichter¬
förmig erweitert zu fast Daumenbreite; ihre Schleimhaut ist hellroth, glatt
und glänzend; die Aussenfläche des Urethralwulstes zum Theil mit kleinen
Geschwüren von glatter, speckig belegter Basis, zum Theil mit erbsen¬
grossen, derben, warzigen, hellrothen Excrescenzen besetzt.
Subjective Beschwerden bestehen nicht; Urinact normal, Urin klar.
Therapie: Jodkali 100:2000 zwei Esslöffel täglich; Sitzbäder.
5. October. Sämmtliche Geschwüre gereinigt und granulirend.
12. October. An Stelle der Geschwüre überall glatte oder leicht
höckerige, helllividrothe Narben. Erhebliche Gewichtszunahme, geheilt
entlassen.
XVIII. B. H., 44jährige Arbeiterin; Syphilis seit mehreren Jahren
(1878 Abortus, 1879 wegen Papeln 30 Einreibungen, 1884 weitere 30
Einreibungen).
Zeitachr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. Anat. u. verw. Disciplinen. x
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Dr. Georg Löwenbach.
21. April 1885. Im Vestibulum bis tief in die Vagina hinein sich
erstreckend ein thalergrosses rein granulirendes Geschwür. Die vordere
Columna rugamm an ihrem unteren Ende verdickt, nach oben in eine
drüsig unebene und höckerige Geschwulst umgewandelt. Das Orificium
urethrae ist erweitert, die Schleimhaut der Urethra von speckig belegten,
confluirenden Geschwüren besetzt, zwischen welchen nur wenige hell ge-
röthete Schleimhautbrücken von glatter Oberfläche übrig bleiben.
Auch die Rectalschleimhaut ist bis zum Sphincter internus erodirt,
von höckeriger Oberfläche, secernirt blutigen Eiter. Der geschwürige
Zerfall greift in Form eines kraterformigen Substanzverlustes mit glatten
Rändern auch aufs Perineum über.
Subjective Beschwerden so gering, dass obiger Befund als ein zu¬
fälliger erhoben wurde (Patientin suchte das Spital wegen Bartholi¬
nitis auf).
Therapie: Auswaschung des Rectums mit Carbol, Tamponirung
mit Jodoform. JK 10 0:200*0 zwei Esslöffel täglich.
20. Mai. Sämmtliche Geschwüre gereinigt.
10. Juni. Die Geschwüre in der Vagina und Urethra zeigten vom
Rande her Ueberhäutung. Seeretion aus dem Rectum nahezu sistirt.
Schleimhaut daselbst zum grossen Theil narbig, von glatter Oberfläche.
27. Juni. Sämmtliche Geschwüre überhäutet. Geheilt entlassen.
XIX. P. G., 85jährige Taglöhnersgattin; abortirte vor 18 Jahren,
sonst für Lues kein Anhaltspunkt; Dauer des Ulceratiorisprocesses am Ge¬
nitale ein Jahr.
18. September 1884. Die Lymphdrüsen in inguine haselnussgross.
Sonst keine auf Syphilis deutenden Symptome. Am rechten grossen Labiurn
findet sich, und zwar an seiner Innenfläche von der linken Commissur bis
zur Mitte reichend, eine glatte, peripher pigmentirte Narbe. Von dort bis
zum Mons veneris erstreckt sich eine Geschwürsfläche, welche sich da¬
selbst mit einem nach aussen convexen derben, infiltrirten Rand begrenzt.
Das rechte kleine Labiurn narbig, mehrfach perforirt, am freien Rand wie
angenagt; das linke kleine Labiurn nur noch in spärlichen Resten als
Gruppe von narbigen Wülsten erhalten. Die Clitoris in ihrer linken Hälfte
von einem Ulcerationsprocess mit unten narbigem, oben infiltrirtem Rand
zerstört. Der obere Antheil des Urethralwulstes sainmt Clitorisschenkeln
ist narbig verzogen, von bläulichweisser, sehnenartig glänzender Beschaffen¬
heit; die Basis des Geschwürs an der Clitoris unrein granulirend, speckig
belegt.
Therapie: JK; Carboiverband.
23. October. Das Geschwür überhäutet, an seiner Stelle den linken
Theil der Clitoris einnehmend, eine glatte weisse Narbe. Geheilt entlassen.
Neuerlicher Spitalsaufenthalt nach 3 / 4 Jahren.
18. Juni 1885. An den narbig veränderten Labien im vorderen An-
theile mehrere spaltförmige Geschwüre mit unterminirten Rändern. Die
Clitoris ist ebenfalls narbig, innerhalb der Narbenmasse bestehen Ge¬
schwüre mit nekrotisch-speckigem Belag. Die zackenförmigen Reste des
linken kleinen Labiums auf das Drei- bis Vierfache geschwellt. Das Ge¬
schwür im vorderen Antheil der grossen Labien greift in flachhandgrosser
Ausdehnung auf den Mons veneris über; dasselbe hat steil abfallende
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Bänder, drüsig unebene Basis, speckigen Belag. Seine Umgebung infiltrirt.
hart. Der Urethralwulst narbig, Urethralöffnuug durch narbige Verzielung
etwas dilatirt; Urinact normal, schmerzlos.
Therapie: Decoct. Zittmann. Fort, und mit je 2500 täglich; Carbol-
verband.
20. Juli. Die Geschwüre gereinigt. Das Infiltrat in ihrer Peripherie
verringert. Jodoformverband.
1. August. Die Geschwüre in Granulation begriffen, von der Peri¬
pherie beginnende Ueberhäutung. Touchirung mit Lapis.
7. August. An Stelle der Geschwüre glatte Narben. Geheilt ent¬
lassen.
XX. R. C., 45jährige Arbeiterin; weiss über eventuell syphilitische
Antecedentien nichts anzugeben.
25. Februar 1891. In der Glutäalgegend rechts eine kreuzergrosse
glatte, weisse, peripher sepiabraun pigmentirte Narbe. Ingninaldrüsen
beiderseits nussgross, derb, schmerzlos.
Das rechte grosse Labium in seiner ganzen Ausdehnnng bis zur
Genitocruralfalte eingenommen von einem doppeltthalergrossen Geschwür
mit aufgeworfenen wässerig derben Rändern, dessen Basis zum Theil rein
granulirt, zum Theil noch speckig belegt ist. Das rechte kleine Labium
ist derb infiltrirt, oberflächlich leicht erodirt. Das Orificium urethrae und
der Urethralwulst leicht geröthet.
Inguinaldrüsen beiderseits nussgross, derb, schmerzlos.
Therapie: JK. 10'0:200 0 zweimal täglich ein Esslöffel; local
Carboiverband.
28. Februar. Basis des Geschwürs vollkommen gereinigt. Oedem des
rechten kleinen Labiums bedeutend geringer.
5. März. Das Geschwür von den Rändern hei in Ueberhäutung
begriffen.
20. März. Das Geschwür ist an zwei Stellen wieder aufgebrochen.
30. März. Neuerliche Reinigung und Granulation des Geschwürs.
10. April. Yon der Peripherie fortschreitende Ueberhäutung.
20. April. An Stelle des Geschwürs eine flache, glatte Narbe. Ge¬
heilt entlassen.
Die Kranke suchte sodann nach einähriger Pause das Spital
wieder auf.
7. April 1902. (Siehe Abbildung 3.) Das rechte grosse Labium ist
in fast vollständiger Ausdehnung narbig verändert, von sehnenartig weiss
glänzender, glatter Oberfläche. Vom rechten kleinen Labium sind nur gegen
die Clitoris zu und in der Mitte einige wulstig verdickte Antheile erhalten,
im Uebrigen ist dasselbe mit dem grossen Labium zu einer diffusen Narben¬
fläche verschmolzen. Auch das linke kleine Labium, nur in einigen wul¬
stigen Resten von lividrother Farbe und lappiger Form angedeutet,
bildet mit den inneren Antheilen des linken grossen Labiums eine
Narbenfläche.
Die Hymenalkarunkeln sind zum grössten Theil in dem diffus nar¬
bigen Introitus vaginae aufgegangen. An Stelle einer Karunkel links findet
sich eine trichterförmig eingezogene, '/<, cm tiefe, braunrothe Narbe. Die
Schleimhaut der Vulva sehnenartig glänzend, verdünnt, wobei die narbige
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Dr. Georg Löwenbach.
Veränderung auf den untersten Abschnitt der leicht prolabirten rückwär¬
tigen Vaginalschleimhaut übergreift. Vereinzelte Querfalten derselben zeigen
dagegen wulstartige Verdickung und ragen burzelartig hervor. Schleim¬
haut der Vagina und Portio glatt und glänzend.
Der Urethralwulst ist auf das Vierfache seiner ursprünglichen Grösse
geschwellt, seine Oberfläche mit mehrfachen, lappenartig vorspringenden,
bellrothen Wülsten besetzt, im Uebrigen livid rothbraun, leicht infiltrirt,
glatt und glänzend, an anderen Stellen von mehr narbiger gelblichweisser
Beschaffenheit. Von beiden kleinen Labien zieht gegen die Vorderfläche
des Urethralwulstes je eine narbige, klappenartige, gelblichroth gefärbte
Schleimhautduplicatur, welche rechts geradezu brückenartig den Baum
zwischen kleinem Labium und Urethralwulst überspringt und daselbst
mehrfach mit theils narbig glänzenden, theils kolbig verdickten, unregel¬
mässig geformten, lappenartigen Auswüchsen besetzt ist. Die Sonde ist
unter dieser Narbenbrücke leicht hindurchzuführen.
Beide Clitorisschenkel narbig verkürzt, sehnenartig bläulichweiss
glänzend, so dass der obere Antheil des Urethralwulstes sammt Orificium
urethrae nach oben verzogen wird. Das Orificium selbst ist trichterförmig
erweitert, die Schleimhaut der Urethra bläulichroth verfärbt, soweit durch
äussere Inspection übersehbar ohne recenten Ulcerationsprocess. Die Kranke
klagt über leichtes Brennen beim Uriniren.
Endoskopischer Befund. Die Schleimhaut der Urethra zeigt dicht
nebeneinander narbige, entzündliche und hypertrophische Veränderung. Die
Fig. 14 entspricht dem unteren Drittel der Urethra: Centralfigur sagittal,
unregelmässig bogenförmig, mit seitlichen Ausstrahlungen; ihre Be¬
grenzung sehnenartig bläulichweiss glänzend, narbig, von harter Consistenz.
In der Peripherie ist die Schleimhaut herdweise geröthet oder zeigt hirse-
korn- underbsengrosse, buckelige Wülste von hochrother und livider Farbe,
weicher Consistenz und glatter Oberfläche.
Therapie: JK. 10 - 0:200 - 0 zweimal täglich ein Esslöffel.
Die Kranke stellte sich erst am 1. Juni wieder vor. Der Status
war am äusseren Genitale der gleiche geblieben. Bei der endoskopischen
Untersuchung zeigte die Urethralschleimhaut allenthalben glatte, glänzende,
hellrothe Oberfläche. Der Schmerz beim Uriniren hat sistirt; die Frau ist
psychisch sehr gehoben.
XXI. K. J., 36jährige Dienstmagd; acquirirte Syphilis vor fünf
Jahren, wurde dagegen nur mit Jodkali behandelt. Dauer des Ulcerations-
processes am Genitale ein Jahr. Es sollen reichlich secernirende Geschwüre
bestanden haben. Schmerzen beim Uriniren.
Jetzt zeigen sich im Vestibulum zahlreiche glatte, oberflächliche
Narben, von welchen die eine die Mündung der Urethra klappenartig
verengt. Bei Versuchen, Urin zu lassen, sieht man deutlich die untere
Wand der Urethra durch den sich stauenden Urin ausgebaucht.
Die Schleimhaut des Bectums an der Plica transversalis nach ab¬
wärts geschwürig zerfallen, von normal glatter Schleimhaut nur Inseln
erhalten. Die Analapertur ist von speckig belegten Geschwüren besetzt, die
Analfalten von Fistelgängen durchzogen.
Therapie: Decoct. Zittmann. Fort, et mit. 250‘0 täglich; Irrigation
mit Kali hypermanganicum-Lösung.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Unter dieser Behandlung beginnen die Geschwüre ad anum und im
Rectum sich zu reinigen, zu überhäuten und zu vernarben. Nach voll¬
ständig eingetretener Vernarbung zeigt sich die Analapertur leicht verengt.
Dieselbe wird durch Bougiebehandlung erweitert, worauf die Frau geheilt
entlassen wird. Die Verhältnisse an der Urethra hatten sich nicht ge¬
ändert.
XXII. F. B., 26jährige Prostituirte; wegen Sklerose 1890 an der
Klinik mit 30 Einreibungen behandelt.
8. Mai 1893. An der Schleimhaut des Urethralwulstes, an seinem
rechten Antheil rückwärts beginnend und bis zur rückwärtigen Grenze der
Urethrallippe reichend, ein etwa kreuzergrosses Geschwür, welches nach
rechts auf eine Hymenalkarunkel übergreift, mit unebener Basis, von fest
anhaftender Exsudatschicht bedeckt. Das Gewebe in der Umgebung er¬
scheint derb inflltrirt. Aus der Urethra entleert sich dünn-eitriges Secret,
die Urethralschleimhaut ist geröthet und leicht erodirt, der Urinact schmerz¬
haft. Die kleinen Labien sind verdickt.
Lymphdrüsen in inguine und in der Cubita bohnengross, derb.
Seitlich am Hals finden sich undeutliche gelbliche Flecke von Leukoderma.
Therapie: JE; local Jodoformstäbchen in die Urethra.
25. Mai. Das Geschwür gereinigt; Umgebung noch inflltrirt.
1. Juni. Geschwür überhäutet. Infiltrat geschwunden.
10. Juni. Secretion aus der Urethra hat sistirt. Schleimhaut glatt
und glänzend; an Stelle des Geschwürs eine zarte bläulichrothe Narbe.
Geheilt entlassen.
Nach zwei Monaten:
20. Juli. Aus dem Orificium urethrae entleert sich dünner Eiter in
geringer Menge. In der Umgebung des Orificium sind die Schleimhaut¬
falten wulstig elevirt, geröthet, dicht gedrängt, welche dem Urethralwulst
ein sammtartiges Aussehen verleihen. Beide kleinen Labien vergrössert.
Geringe Schmerzhaftigkeit beim Uriniren.
Inguinal- und Gubitaldrüsen beiderseits bohnengross. Am Hinterhaupt
über der Schuppe eine kreuzergrosse, den Knochen betreffende, schmerz¬
hafte Auftreibung, die Haut darüber verschieblich.
Therapie: JE; Jodoformstäbchen in die Urethra.
27. Juli. Secretion aus der Urethra hat sistirt; Urinact schmerzlos
7. August. Die Auftreibung am Hinterhaupt ist geschwunden. Die
Schleimhaut des Urethralwulstes glatt und glänzend, jedoch der Urethral¬
wulst in toto vergrössert. Geheilt entlassen.
Nach 3 / 4 Jahren:
4. Mai 1894. Aus der Urethra entleert sich dünner Eiter. Schmerz
beim Uriniren. Das Ostium klafft, die Schleimhaut erscheint diffus exul-
cerirt und mit grauem Exsudat belegt. Am Urethralwulst ist die Schleim¬
haut, je näher gegen das Ostium,. desto mehr gewulstet, inflltrirt, geröthet,
stellenweise erodirt.
Drüsen in inguine, in der Cubita, am Hals haselnussgross.
Therapie: Jodoformstäbchen in die Urethra, Jodoformverband.
26. Mai. Die Affection erweist sich diesmal als sehr hartnäckig,
indem die Eiterung aus der Urethra anhält und sich auf dem wulstig
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Dr. Georg Löwenbach.
infiltrirten Urethralwulst erbsengrosse seichte Geschwüre mit glatter Basis
und speckigem Belag etablirt haben.
10. Juni. Geschwüre gereinigt und in rapider Ueberhäutung,
Eiterung an der Urethra sistirt, Schleimhautwülste verkleinert.
13. Juni. Geschwür überhäutet. Geheilt entlassen.
Nach drei Monaten:
18. September. Neuerdings reichliche Eitersecretion aus der Urethra.
Ihre Schleimhaut, soweit sichtbar, erodirt. Die hintere Harnröhrenwand
leicht vortretend, geschwellt, zerklüftet. Urethralwulst geschwellt, ge-
wulstet.
Therapie: Jodkali.
4. October. Schleimhaut der Urethra blass und glatt; Secretion
sistirt. Geheilt entlassen.
Nach drei Jahren suchte die Kranke die Allgemeine Poliklinik auf;
dortselbst (Abtheilung Prof. v. Frisch) wurden ihr die Schleimhautwülste
um die Urethralöffnung abgekappt. Letztere selbst bot (laut freundlicher
Mittheilung des Collegen Kapsammer, Assistenten der Abtheilung) bereits
damals das Bild erheblicher Verengerung und wurde mit DitteC sehen
Stiften durch mehrere Wochen dilatirt.
l'/ 2 Jahre später suchte die Kranke wieder unsere Klinik auf:
28. Februar 1899. Am linken Vorderarm Anden sich Gruppen von
erbsengrossen, braunrothen, central schuppenden oder erodirten oder bereits
unter Pigmentirung im Schwinden begriffenen Knötchen (gruppirte Haut¬
gummen).
Die Urethralmündung ist trichterförmig vertieft, verengt. Der Urin¬
act schmerzlos, jedoch mitunter verlangsamt. Der Urethralwulst wird
durch eine glatte, derb inültrirte, brettharte Schleimhautfalte dargestellt, die
von rechts her die Urethralmündung überlagert.
Therapie: Jodkali.
7. März. Die Hautgummeu am Anne vollends involvirt, mit Hinter¬
lassung von Pigmentflecken geschwunden. Urethralwulst weniger hart,
etwas verkleinert. Geheilt entlassen.
Nach über zwei Jahren (siehe Abb. IV):
9. Mai. 1902. Keine Drüsenschwellung. Urinentleerung erfolgt
schmerzlos, jedoch öfter nur tropfenweise.
Die JRänder der kleinen Labien sind inflltrirt, ihre Innenflächen glatt
und glänzend, von bläulichweiss sehnenartiger Beschaffenheit; insbesondere
ausgeprägt ist dieselbe an der mattglänzenden Clitoris. Das Vestibulum
gegen die rückwärtige Commissur hin ebenfalls diffus narbig mit flecken¬
weiser Röthung.
Die Hymenalkarunkeln sind in Form von fünf hahnenkammartig
vorspringenden, hellrosa glänzenden Wülsten von derber Consistenz erhalten,
welche an der Innenfläche in die diffus narbige, dabei jedoch gewulstete
Vaginalschleimhaut übergehen; die narbige Veränderung in der Vagina
erstreckt, sich nur auf die unterste Partie. Die nach oben gelegene, fast
haselnussgrosse, hahnenkammartig geschwelllte Karunkel überlagert klappen¬
artig die Gegend des Urethralwulstes. Letzterer selbst fehlt. An seiner
Stelle, tief unter die Clitoris zurückgesunken, erscheint eine fibrös indurirte,
zum Theile weisslich glänzende, zum Theile leicht erodirte Narbenfläche,
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
71
welche im Centrum trichterförmig gegen die Urethralöffnung eingezogen
ist. Die Erosionen zeigen unregelmässig unebene, braunrothe Basis, glatte
Ränder, speckig-gelblicheu Belag. Inmitten der trichterförmigen Ein¬
ziehung erscheint die Urethralmündung als ein spaltförmig von rechts
oben nach links unten verzogenes Loch von circa 3 mm Länge, in welches
nur eine dünne Sonde eindringt. Soweit sichtbar, setzt sich die narbige
Veränderung in das Lumen der Urethra fort. Katheterismus und Endo¬
skopie unmöglich.
Therapie: Dilatation, zunächst mit Darmsaiten, später mit Dittel-
schen Stiften.
15. Juni. Harnröhrenöffnung durch fortgesetzte Dilatation zu
einem runden Schlitz von 5 mm Querschnitt dilatirt. Sonstige Veränderungen
stationär. Entlassen.
XXIII. A. K., 23jährige Prostituirte, mit Sklerose im August 1896,
später wiederholt mit Papeln an der Klinik in Behandlung (Einreibungen,
Jodbali).
27. Februar 1900. Rechtes grosses und kleines Labium ödematös.
Der Urethralwulst ist geschwellt; sein rechter Antheil nur in Brücken¬
form erhalten, indem derselbe an dieser Seite von einer breiten Perforations¬
öffnung durchbrochen wird. Dieselbe zeigt wulstige schwielig-narbige,
an keiner Stelle noch geschwürig zerfallene und speckig belegte Ränder.
Urin getrübt, Schleimhaut der Urethra nicht geröthet, zeigt auch bei endo
skopischer Untersuchung keine auffallende Veränderung.
Therapie: Einreibungen.
25. März. Nach 22 Einreibungen sind die Ränder des Gesehwürs-
processes vollständig vernarbt. Geheilt entlassen.
Nach zwei Jahren (Abb. V).
1. Juni 1902. Urin klar, keine Beschwerden beim Uriniren. Der¬
zeit kein florider Entzündungsprocess am Genitale, jedoch weitgehende
narbige Veränderung: die Innenflächen der kleinen Labien diffus narbig,
sehnenartig glänzend. Diese Veränderung greift auch auf die Clitoris-
schenkel über. Inmitten der narbig veränderten Oberfläche ragen nament¬
lich am linken kleinen Labium im unteren Antheil zahlreiche hellrothe,
bis erbsengrosse, lappige Wülste von glatter Oberfläche hervor. Ein eigent¬
licher Urethralwulst ist nicht vorhanden. An seiner Stelle bestehen mehrere
unregelmässig walzenähnlich oder hahneukammartig geformte Falten,
welche mit den eben beschriebenen Excrescenzen an den kleinen Labien
zusammen einen engeren Wall um den Introitus vaginae bilden. Die¬
selben haben hellrothe, glatte, starr infiltrirte Oberfläche. Unter denselben
versteckt, zwischen ihrem rechtsseitigen Antheil und der narbigen Innen¬
fläche des rechten kleinen Labiums und Clitorisschenkels senkt sich als
eine breite Grube ven 1 y 2 cm Durchmesser mit ebenfalls eallös-narbigen
Rändern die Mündung der Harnröhre ein; gegen die Tiefe verengt sich die
Urethra rasch trichterförmig und zeigt dasselbe rothe, glatte Oberfläche.
Therapie: Jodbali.
15. Juni. Die Infiltration der Wülste und Zacken hat sich ver¬
ringert und dieselben zeigen nun gleichmässig glatte, blasse Oberfläche
und weiche Consistenz. Sonst Status idem. Geheilt entlassen. Trotz
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Dr. Georg Löwenbach.
zeitweise nur tropfenweise, zeitweise unwillkürlich erfolgende Urinentleerung
ist das Allgemeinbefinden nicht gestört.
Endoskopie: Das gesammte untere Drittel der Urethra erscheint
8tricturirt und narbig verändert. Die Schleimhaut ist blassgelblich, glatt
und glänzend. Trichter flach, Trichterwand seicht, von rigider, starrer
Beschaffenheit, so dass der Tubus nur schwer vorwärts zu bewegen ist.
Centralfigur (Fig. 15) sagittal, spaltförmig. Die übrigen zwei Drittel
von normaler Beschaffenheit.
XXIV. J. St., 34jährige Prostituirte; zum erstenmal mit Syphilis
1893 auf der Klinik mit 15 Einreibungen behandelt, damals bereits
3 /Jährige Krankheitsdauer (Roseola).
22. August 1899. Die Urethralmüudung ist trichterförmig er¬
weitert. Der Urethralwulst ist fast vollständig zerstört, an seiner Stelle
ein sich trichterförmig gegen die Urethralmündung einsenkendes Geschwür
mit fast glatter, speckig belegter Oberfläche, buchtig unterminirten Rändern.
Aus der Urethra entleert sich dünn-eitriges Secret. Urethralschleimhaut
stark geröthet. Keine Beschwerden beim Uriniren.
Keine Symptome von Syphilis an Haut, Schleimhäuten oder Drüsen.
Links eine 3 cm lange Narbe nach Vereiterung einer Leistendrüse.-
Therapie: Jodoform; nach zwei Tagen, da intensives Ekzem der
ganzen Genitocruralregion sich einstellt, Dermatol.
9. September. An Stelle des Geschwürs (in der Gegend des Ure¬
thralwulstes) eine trichterförmig sich einsenkende helllividrothe glatte Narbe.
Geheilt entlasseu.
Nach zwei Monaten:
30. November 1899: Urethralmündung trichterförmig erweitert:
über der Mitte ragt zapfenartig ein polypöser Rest des Urethralwulstes
vor. In der Urethra kein Geschwürsprocess nachweisbar; links vom Rest
des Urethralwulstes ein seichtes linsengrosses Geschwür in Granulation.
Therapie: Jodkali.
14. December. Ueber der Brust und am Rücken Eruption von
dichtgedrängten Akne-Efflorescenzen. Jodkali ausgesetzt; Jodalbacid.
• 16. December. Zwischen den Hymenalkarunkeln links auf die
vordere Vaginalwand übergreifend hat sich ein röhrenförmig in die Tiefe
greifendes Geschwür etablirt. Sublimatbäder.
24. December. Die Geschwüre gereinigt, beginnen zu überhäuten.
28. December. Die Geschwüre vernarbt. Geheilt entlassen.
Nach 3 /i JaV e “ neuerliche Ulceration:
14. August 1900: Au der Innenfläche des linken grossen Labiums
ein seichtes Geschwür mit leicht indurirter glatter Basis. Der Uretbral-
wulst zum grössten Theil durch Narbenmasse ersetzt, von seiner Rück¬
seite unten geht ein enger Fistelgang in die Urethra hinein; Secretion
gering. Keine Beschwerden beim Uriniren.
Therapie: Dermatol.
29. August. Das Geschwür überhäutet. Geheilt entlassen,
Nach einem halben Jahr sucht Patientin das Spital wegen Incontinentia
urinae auf.
18. Jänner 1901. Den rechten Clitorisschenkel substituirt ein
höckerige, lebhaft rothe Geschwulstmasse, welche gegen die Vulva und das
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Urethralostium hin in Form einer glatten Geschwürsfläche ohne Beleg
exulcerirt ist. Die Urethra ist gegen das Orificium hin trichterförmig er¬
weitert. Die Schleimhaut der rückwärtigen Harnröhrenwand trägt con-
fluirende Geschwüre mit grauspeckigem Belag. Daselbst findet sich, vom
Grunde eines Geschwüres aus mit der Sonde verfolgbar, eine Fistel, durch
welche man an die vordere Yaginalwand und in die Vagina gelangt. Es
besteht Incontinentia urinae in stehender Stellung: im Liegen wird der
Urin gehalten.
Endoskopie: Der geschwürige Process nimmt nur das Orificium
urethrae ein. Weiter oben, im mittleren Drittel, ist die Schleimhaut starr
infiltrirt, dunkelroth verfärbt, das Lumen durch die Schwellung verengt.
Therapie: Local Dermatol, Einreibungen.
20. Februar. Nach 30 Einreibungen ist die Geschwulst an der
Clitoris auf die Hälfte verkleinert, die Geschwürsflächen gereinigt. Subli¬
matbäder.
I. März. Die Geschwüre in Verhäutung begriffen.
10. März. An Stelle der Geschwüre glatte Narben; Urethralostium
trichterförmig eingezogen, die Schleimhaut glatt, blass, sehnenartig glänzend.
Incontinenz nicht behoben. Entlassen.
Nach weiteren drei Monaten:
18. Juli 1901. Der Urethralwulst sarnmt Orificium fehlt. An der
ihm normalweise entsprechenden Stelle finden sich nur lappenformige, un¬
regelmässige Schleimhautreste von narbig glänzender, glatter Oberfläche,
welche ein trichterförmig eingesenktes, allseits narbenumrändertes Loch,
das Orificium urethrae, umgeben. Auch die vordere Vaginalwand ist
narbig und brüchig, Innenfläche des rechten kleinen Labiums narbig,
an bohnengrosser Stelle exulcerirt, der Geschwürsgrund flach, eben, braun-
roth glänzend.
Therapie: Jodipininjectionen 10%; wird gut vertragen.
30. Juli. Nach zehn Injectionen ist das Geschwür vernarbt. Incon¬
tinenz in gleicher Weise wie vor drei Monaten vorhanden. Geheilt
entlassen.
Nach einem Monat neuerlicher Ulcerationsprocess:
28. August 1991. Urethralwulst und Urethralostium zeigen gleichen
Befund wie bisher. Ausserdem zeigen sich von den Resten des Urethral¬
wulstes auf die Gegend der rechten Bartholin 'sehen Drüse am kleinen
Labium übergreifend ganz seichte Erosionen mit glatter, nicht belegter,
braunrother, derb infiltrirter Basis inmitten narbiger, jedoch frisch in-
filtrirter Umgebung.
Therapie: Einreibungen; Carboiverband.
15. September. Die Erosionen überhäutet, Infiltrate verringert.
20. September. Nach 20 Einreibungen mit diffus narbigem rechten
kleinen Labium geheilt entlassen.
Nach einem weiteren halben Jahr:
II. Jänner 1902. Der untere Theil des Urethralwulstes fehlt, an
seiner Stelle restirt nur ein lappiger Schleimhautzapfen von glatter hell-
rother Oberfläche, welcher von der vorderen Vaginalwand her gegen die
Urethralmündung vorspringt. Letztere bietet den Anblick eines 1 cm
breiten, V/ 2 cm tiefen, trichterförmig sich einsenkenden Loches mit glatten
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74
Dr. Georg Löwenbach.
narbigen sehnenartig glänzenden Wänden. In der Umgebung der Urethra
dagegen, gegen die kleinen Labien und die seitlichen Vaginalwände über¬
greifend, findet sich starre Infiltration der Schleimhaut zu wulstigen,
brüchigen Falten und dazwischen eingesenkten, streifenförmigen, bis kreuzer¬
grossen Geschwüren, die sich in Bogenform mit wallartig elevirtem Rande
begrenzen.
Der in Folge der Incontinenz im Stehen stetig abträufelude Urin
erzeugt an den exulcerirten Stellen sehr lebhaftes Brennen und Schmerz¬
gefühl.
Therapie: Jodipininjectionen 25°/ 0 zweimal wöchentlich.
20. Jänner. Nach zwei Injectionen schiessen Akneknötchen am Rücken
und auf der Brust auf. Locale Dermatolbehandlung.
Nach einem halben Jahr, während dessen die Kranke stets au In¬
continentia urinae und zeitweise auch an brennenden Schmerzen beim Uri-
niren litt, suchte sie wieder des Spital auf.
10. Mai 1902 (siehe Abb. VI). Das Vestibulum an der hinteren
Commissur ist diffus narbig. An der vorderen Commissur zieht der Rest
des linken Clitorisschenkels als narbig glänzender, federkieldicker, glatter
Strang nach rück- und abwärts; der rechte Clitorisschenkel fehlt. Von
den Hyraenalkarunkeln sind nur Reste in Form unregelmässig vorsprin¬
gender, höckeriger Wülste vorhanden.
Der Urethralwulst fehlt, seine Stelle occupirt ein gegen die kleinen
Labien hinziehendes, in narbige Umgebung eingebettetes Geschwür mit
unregelmäsig zerklüfteter Basis. Dasselbe erstreckt sich vom Vestibulum
her bis gegeu den Introitus vaginae. Schleimhaut der Vagina glatt und
glänzend. Ueber die Geschwürsfläche spannt sich der strangförmige Rest
des Clitorisschenkels, mit der Sonde frei unterfahrbar, hinweg.
Nach rechts hievon senkt sich eine von narbigen Rändern begrenzte
(Trübe, für den Finger durchgängig, in die Tiefe: dieselbe erweist sich
als das trichterförmig erweiterte Orificium urethrae, denn der Finger
gelangt durch dieselbe in die ebenfalls dilatirte, von glatter, blasser
Schleimhaut ausgekleidete Harnröhre.
Therapie: Tanninstäbchen in die Urethra, Dermatol auf das Ulcus.
20. Mai. Die Schmerzhaftigkeit beim Uriniren hat nachgelassen.
Das Geschwür gereinigt, beginnt zu überhäuten.
BO. Mai. An Stelle des Geschwürs eine glatte, blasse Narbe. In¬
continenz besteht fort. Geheilt entlassen.
Endoskopie: Das untere Drittel der Urethra zeigt narbige Ver¬
änderung (Fig. 10). Die Schleimhaut ist glatt, glänzend, mattweiss; die
Centralfigur erscheint als ein querer, gerader, nahezu die ganze Tubus¬
breite durchziehender Spalt, die Trichterwand ist rigid, starr, der Trichter
steil abfallend. Im mittleren Drittel (Fig. 11) ist die Centralfigur durch
von der Wand ausgehende Buckel und Wülste zu einem nach vorwärts
concaven Halbmond deformirt; die Schleimhaut daselbst geröthet, ins¬
besondere über der Convexität der Wülste geradezu livid verfärbt. Einige
Wülste tragen an ihrer Kuppe seichte, circumscripte Geschwürchen mit
intensiv braunrother, sammtartig unebener Basis und glatten Rändern.
Oberstes Drittel der Urethra normal.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
75
XXV. M. P., 29jährige Conducteursgattin; von syphilitischen Ante-
cedentien nichts zu erheben; Dauer des jetzigen Leidens ein Jahr.
4. December 1900. Die grossen Labien sind zwei bis drei Finger
breit, von derb elastischer Consistenz, prall gespannter Oberfläche, schmutzig-
brauner Farbe. Die Commissura posterior stark ödematös, ragt über das
Perineum lappenartig hervor. Gegen den Introitus vaginae zu ist dieser
lappige Wulst rinnenartig ausgehöhlt, dicht dahinter beginnt ein Geschwür
mit in Vernarbung begriffenen, derben, schnenartig glänzenden Rändern,
welche V 2 cm tief abfallen gegen einen drüsig unebenen Grund von über
Thalergrösse. Das Geschwür nimmt die rückwärtige Vaginal wand ein,
zeigt vielfach Vernarbung mit callösen Rändern und hat die noch restirenden,
Carunculae myrtiformes weithin unterminirt. Von der hinteren Vaginal¬
wand ragt ein fingerförmiger Lappen polypös bis zum Introitus vaginae
vor, der wie eine Kappe die Geschwürsflächen verdeckt.
Die Glitorisschenkel sind ödematös, kautschukartig derb. An denselben
beginnt ein guldengrosser, auf die kleinen Labien übergreifender Substanz¬
verlust, mit glattem, flachem, wie polirtem Grund, ohne Höcker, ohne
Derbheit. Der Urethralwulst ist hochgradig geschwellt, ödematös, geht an
seiner Unterseite in die ebenfalls geschwellte, wie polirt glänzende Vaginal¬
schleimhaut über. Der untere Theil desselben verdeckt als breiter Zapfen
den Zugang zur Urethra; sobald dieser zapfenartige An theil abgedrängt
wird, erscheint die Harnröhrenöffnung trichterförmig erweitert, ihre Schleim¬
haut rothbraun, lebhaft glänzend, leicht erodirt, ohne eigentlich exulcerirt
zu sein. Es besteht leichtes Brennen beim Uriniren.
Therapie: JK innerlich, Touchirung mit Lapis local.
10. December. Die Geschwüre zeigen rein granulirende Basis; das
Geschwür in der Vagina bereits zum grössten Theil überhäutet.
15. December. Die Geschwüre durch glatte, zarte Narben ersetzt.
Die Infiltration des Urethralwulstes und der Clitoris hat sich stark ver¬
ringert. Schleimhaut der Urethra glatt und hellrotb. Der Urinact schmerzlos.
Geheilt entlassen.
Nach vier Monaten suchte die Kranke neuerdings das Spital auf;
sie leidet an Stuhl- und Urinbeschwerden und ist stark herabgekommen.
2. April 1902 (siehe Abbildung 7). Die grossen Labien sind aufs
Doppelte geschwellt, von kautschukartiger Derbheit. Die Schleimhaut der
Vulva, Vagina und Innenfläche der kleinen Labien (welch letztere ebenfalls
verdickt und derb elastisch anzufühlen sind) zeigt braunrothe, mattglänzende
Oberfläche von eigenartig starrhöckeriger Beschaffenheit, indem die Falten
in diffuser Weise verdickt und infiltrirt, die Karunkeln zu bohnengrossen
Geschwülstchen verändert erscheinen. Die rückwärtige Commissur ist in
gleicher Weise diffus infiltrirt, geröthet, springt als hahnenkammartiger
Zapfen gegen das Perineum vor.
Dagegen ist in der Gegend der Clitorisschenkel die Oberfläche der
Schleimhaut von narbiger, sehnenartig streifiger, bläulichweiss glänzender
Beschaffenheit, straff gespannt, gegen die Unterlage schwer verschieblich.
Vom linken Clitorisschenkel bis gegen das vordere Drittel des linken
kleinen Labiums erstreckt sich ein guldengrosser sehr seichter Substanz¬
verlust mit derb infiltrirter glatter, braunroth glänzender Basis ohne Belag
und reactionslosen Rändern.
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Dr. Georg Löwenbach.
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Die wulstige Verdickung und Infiltration der Vaginalschleimhaut
erstreckt sich in ganz diffuserWeise über das untere und mittlere Drittel:
der oberste Theil sammt Portio erscheint normal, zart, glatt und glänzend.
Der Urethralwulst ist aufs Doppelte geschwellt, derb infiltrirt, stark
geröthet, höckerig. Die Schwellung betrifft namentlich den unteren Theil
des Urethralwulstes, während der obere Antheil nach rechts hin gegen
den rechten, narbig veränderten Clitorisschenkel eine demselben ähnliche
narbige Beschaffenheit mit blasser Farbe uud glatter Oberfläche zeigt.
Nach links hin dagegen ist der obere Antheil des Urethralwulstes geschwürig
zerfallen, indem daselbst vom linken kleinen Labium her der seichte
torpide Substanzverlust auf den Urethralwulst übergreift. Vom Bande
dieses Substanzverlustes wurde ein Stück von Haselnussgrösse excidirt.
Das Geschwür greift in dieser Begion umfänglich in die Tiefe und setzt
sich zwischen Urethra und Symphyse ins prävesicale Zellgewebe in Form
eines trichterförmigen Spaltes fort, welcher sich für den kleinen Finger
durchgängig erweist, zerklüftete und nekrotische Wandungen besitzt und
bis hinter die Symphyse in circa 3 cm Tiefe verfolgt werden kann. Spontan
nicht schmerzhaft, ist die ganze Begion bei genauer Untersuchung sehr
empfindlich. Beim Uriniren empfindet, wenn Urin in den geschwürigen
Gang eindringt, die Kranke heftiges Brennen.
Das Orificium urethrae befindet sich etwas nach rechts gegen die
narbig veränderte Partie des Urethralwulstes hin verzogen; es ist trichter¬
förmig erweitert, die Urethralschleimhaut von glatter, blasser, narben¬
ähnlicher Beschaffenheit.
Ad anum finden sich radiär gestellte glatte Narben. Die Analöffnung
ist narbig verengt, bildet einen straffen, für den Zeigefinger durchgängigen
Bing, hinter welchem die Bectalschleimhaut diffus exulcerirt ist. Die
Geschwürsfläche ist uneben, die Basis aufgelockert, secemirt missfärbig
eitrige Flüssigkeit. Unmittelbar oberhalb der Analöffnung dringt der
Finger durch eine breite Perforation in die Vagina; die Bänder dieser Per¬
forationsöffnung wurden von der geschwürig zerfallenen Mucosa recti
einerseits, von der daran fixirten, diffus gummös infiltrirten und spornartig
callösen Mucosa vaginae andererseits gebildet (siehe Abbildung 7 a). Stuhl¬
entleerung per vaginam.
Therapie: JK lO'0:2000 zwei Esslöffel täglich. Scheiden- und
Mastdarmausspülungen. Die Bandtheile der Ulceration am Urethralwulste
werden excidirt, die starke Blutung durch Paquelin gestillt; Jodoform¬
verband.
10. April. Nach Abstossung des Schorfes erscheint der Substanz¬
verlust am Urethralwulst rein granulirend.
12. April. Seit zwei Tagen unregelmässiges Fieber; Auftreibung
des Leibes, starke Schmerzen im Bauch, Druckempfindlichkeit der Bauch¬
decken. Die Kranke wird wegen der bedrohlichen peritonitischeu Er¬
scheinungen auf eine interne Abtheilung transferirt.
23. April. Nach Ablauf der peritonitischeu Erscheinungen ist die
Kranke fieberfrei und wird auf unsere Klinik nicktransferirt.
Therapie: Die gleiche wie vordem. Subjectives Befinden gut.
5. Mai. Die Geschwüre sind vollständig überhäutet, und es zeigt
nunmehr auch der linke Antheil des Urethralwulstes narbige Beschaffenheit
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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mit glatter, livid glänzender Oberfläche. An Stelle des trichterförmigen
Spaltes ist hinter der Symphyse ein derber Strang zu tasten, gegenüber
welchem die narbige Schleimhaut des Clitorisschenkels und des Urethral¬
wulstes nicht verschiebbar erscheint. Urinact schmerzlos.
10. Mai. Secretion von der Mucosa recti bedeutend geringer.
15. Mai. Die Schleimhaut des ßectums zeigt keinen geschwürigen
Zerfall mehr, sondern ist als glatte, geschmeidige Membran überhäutet.
Die Vaginalschleimhaut zeigt bedeutend geringere Infiltration. Die Bänder
der breiten ßecto-Vaginalfistel sind nicht mehr derb callös und inflltrirt,
sondern weiss und geschmeidig, die Perforation nicht mehr weit klaffend,
sondern spaltartig. Stuhlentleerung erfolgt zwar noch per vaginam, jedoch
in weitaus geringerem Masse als früher. Das Allgemeinbefinden ist er¬
heblich gehoben, Patientin verlässt die Anstalt mit Gewichtszunahme von
8 kg in bedeutend gebessertem Zustande.
Histologischer Befund: Das excidirte Gewebstück zerfällt in eine
noch von Epithel überkleidete Band- und eine desselben entbehrende
Centralpartie.
Das die erstere Stelle bedeckende Epithel ist ein geschichtetes
Pflasterepithel mit cylindrischer Basalschicht und fünf bis sechs Lagen
relativ kleiner, unregelmässig contourirter Epithelzellen, sowie einer sehr
schmalen Lage kernhaltiger Hornzellen. Die Grenze gegen die Cutis ist
eine völlig geradlinige, eine Bete- und Papillenbildung fehlt vollständig.
Die Cutis besteht daselbst aus sehr kernarmem Bindegewebe, welches
grosse Armuth an elastischen Fasern zeigt und fast durchwegs aus sehr
mächtigen Bündeln homogen glänzender, stark lichtbrechender collagener
Fasern besteht. An einzelnen Stellen, insbesondere gegen den centralen
Antheil hin, ist das Gefüge ein lockereres, indem daselbst herdförmige
Anhäufungen von Lymphocyten und Spindelzellen perivasculär angeordnet
sind. Das Gewebe ist sehr gefässarm.
Gegen die centrale Partie hört der Epithelüberzug mit scharfer
Begrenzung auf. Das straffe Narbengewebe der Peripherie macht hier
einem ganz homogenen Granulationsgewebe Platz. Dasselbe besteht aus
Lymphocyten, Plasmazellen und Spindelzellen, die dicht gedrängt und ohne
irgendwie regelmässige Anordnung eine grosse Menge von hyperämischen
Capillaren und kleinen Gefässen umgeben. Nach der Peripherie und der
Tiefe zu löst sich das diffuse Granulationsgewebe in einzelne mehr
circumscripte Herde auf, zwischen welchen sich das straffe, kernarme
Narbengewebe des Grundes einschiebt.
Gegen die Oberfläche hin zeigt das Granulationsgewebe eine starke
Beimengung von Leukocyten, welche im Verein mit einem Fibrinnetz
einen leichten, die Bedeckung des Substanzverlustes bildenden Belag zu-
sammensetzen. In demselben waren verschiedenerlei Bacterien von Coccen-
und Bacillenform, jedoch in spärlicher Menge, auffindbar, Tuberkelbacillen
fehlten. In den tieferen Schichten des Granulationsgewebes, sowie gleich
unterhalb des Belages, fehlten Mikroorganismen irgend welcher Art gänzlich.
XXVI. F. S., 34jährige Bedienerin; gegen Syphilis vor 10 Jahren
mit 35 Einreibungen, später 10 intramusculären Injectionen behandelt.
Dauer des jetzigen Localleidens 5 Jahre.
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21. April 1894. Beide grossen Labien beträchtlich vergrössert, ins¬
besondere das rechte, bis zur Medianlinie vorgewölbt, verdecken die Vulva
und Vagina in Form zweier elephantiastisch verdickter, kautschukartig anzu¬
fühlender, brennrother oder in den abhängigen Theilen lividrother Wülste.
An ihrer Innenseite bestehen halbthalergrosse seichte Geschwüre von un¬
regelmässigem Contour, flachen, scharfen Rändern blassröthlicher Basis,
dünnem, visciden Belage.
Die kleinen Labien sind fast vollständig zerstört, nur rechts finden
sich als Reste derselben eine Anzahl hahnenkammartig ausgezackter, livid
gefärbter Wulstungen. Die Clitoris ist hochgradig hypertrophisch, hängt
als blasser Zapfen von 2 cm Länge und ’/e cm Dicke herab. Ein Stück
wurde behufs mikroskopischer Untersuchung excidirt.
Der Urethralwulst ist in seinem unteren Theile zerstört und durch
livide platte Narbenmasse substituirt, im oberen Antheile von seichten
Geschwüren mit glatter Basis und speckigem Belag besetzt. Die Urethral¬
mündung ist an ihrer normalen Stelle nicht auffindbar, soudern gegen
die vordere Vaginalcolumne verschoben, von trichterförmiger narbenartiger
Beschaffenheit.
In der Fossa navicularis ist die Schleimhaut narbig, jedoch darunter
derb infiltrirt, hahnenkammartig vorgetrieben livid verfärbt. An der hinteren
Vaginal wand unmittelbar oberhalb der hinteren Commissur findet sich
eine kreuzergrosse derbe Narbe, welche sich gegen das Rectum zu am¬
pullenförmig eindrücken lässt und allseits von papillären Wucherungen
mit höckeriger, blassrother Oberfläche begrenzt wird.
Therapie: Abtragung der papillären Excrescenzen unter Cocain¬
anästhesie mit der Scheere, Jodoformverband. Innerlich Jodkali 10 0 : 200'0
zweimal täglich ein Esslöffel.
10. December. Geschwür am Urethralwulst gereinigt.
20. December. Das Geschwür überhäutet.
25. Jänner 1895. Die Kranke wird in bedeutend gebessertem Zu¬
stande mit erheblich verminderter Infiltration der elephantiastisch verdickten
Theile entlassen.
Nach 27a Jahren suchte sie in bedeutend verschlechtertem Zustand
die Klinik wieder auf (siehe Abb. 8).
13. October 1897. Beide grossen Labien auf über Faustgrösse
geschwellt, wulstig über die Rima pudendi herabhängend, von derb elastischer
kautschukartiger Consistenz; Fingerdruck nicht schmerzhaft, hinterlässt keine
Grube. Ihre Oberfläche drüsig, uneben, in Folge dichtgedrängter mohn-
korn- bis stecknadelkopfgrossen Abhebungen. In der oberen Hälfte des
linken grossen Labiums mehrere narbig veränderte Stellen. Die kleinen
Labien fehlen. An Stelle der Clitoris ein 3 cm langer, an der Basis narbig
constringirter, auch an der Oberfläche zum Theil narbiger, blassgelber,
von papillären Fortsätzen besetzter Zapfen. Unterhalb desselben besteht ein
trichterförmiger, seichter Substanzverlust mit dünnem Belag.
An Stelle der Hymeualkarunkeln finden sich fiugerförmig ausgebrei¬
tete, zapfenartige Excrescenzen. Der unterste Antheil der vorderen Vaginal¬
columne ist prolabirt und mit den Resten des Urethralwulstes zu einer
nussgrossen, derb narbigen, blassrothen Schwiele verschmolzen, innerhalb
welcher das Orificium urethrae als breit klaffender, quer verlaufender
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Spalt erscheint; aus demselben entleeren sich bei Druck auf die Blasen¬
gegend reichliche Mengen klaren Urins. Es besteht partielle Incontinenz
massigen Grades. Ulcerationsprocesse bestehen derzeit weder am Urethral-
wulst noch an der Harnröhre; ihre Schleimhaut ist glatt, glänzend, blass.
Dagegen zeigen die hahnenkammartig geschwellte Perinealfalte von
der hinteren Gommissur bis zur Analregion, sowie die derb infiltrirten
Analfalten zahlreiche papilläre, derb elastische fleischrothe Excrescenzen
nnd livide Wülste, sowie zwischen und auf demselben eine Reihe seichter
Geschwüre mit braun- oder lividrother glatter Basis und graugelblichem,
fest anhaftendem Belag.
Das Rectum ist 4 cm oberhalb der Analapertur stricturirt. Die
Strictur ist für den Finger durchgängig, verengert sich nach aufwärts
trichterförmig, zeigt narbige, starre, jedoch brüchige und von Fisteln
durchsetzte Schleimhautfalten. Die Analöffnung diffus narbig verändert.
Stuhlgang schmerzhaft.
Therapie: Innerlich Jodkali, local Jodoform; Erweiterung der
Rectalstrictur mittelst Bougies.
Da sich unter dieser Behandlung zwar die Geschwüre reinigten,
überhäuteten und vernarbten, die narbige Strictur des Rectums und die
narbige Dilatation der Urethralöffnung jedoch ziemlich stationär blieben,
wurde die Nothwendigkeit chirurgischen Eingriffes erkannt, die Frau ent¬
lassen und am 4. Jänner 1898 von Herrn Dr. Qersuny, Primarius im
Rudolfinerhaus, die Exstirpation der stricturirten Theile des Rectums vor¬
genommen. In 4 cm Längenausdehnung wurde der unterste Mastdarm¬
abschnitt exstirpirt, die obere normale Partie des Rectums herabgezogen,
zur Erzielung von Continentia alvi um 180° torquirt und mit der Anal¬
öffnung vernäht. Gleichzeitig wurden die narbig veränderten Ränder der
erweiterten Urethralöffnung angefrischt und seitlich vernäht, so dass eine
Urethralöffnung von normal weitem Lumen gebildet wurde. Es erfolgte
glatte Heilung, und die Frau verliess das Spital im Zustande völliger
Continentia alvi et urinae, um sich in ihre Heimat (nach Ungarn) zu
begeben.
Sie stellte sich erst nach vier Jahren wieder vor. Lange Zeit war
ihr Zustand stationär geblieben. Vor etwa einem Jahre hatten sich wieder
innerhalb der narbigen und elephantiastisch veränderten Partien Geschwürs-
processe etablirt; dieselben sollen insbesondere die Gegend des Urethral¬
wulstes eingenommen haben. Jetzt (15. Juli 1902) zeigen grosse und
kleine Labien, Clitoris, Perineum und Vulva ungefähr den gleichen Status
wie zur Zeit des letzten Spitalsaufenthaltes. Dagegen ist die Gegend des
Urethralwulstes vollständig von einer Narbenmasse mit verschiedenen
trichterförmigen Einsenkungen eingenommen, in deren einer es nach sorg¬
fältiger Untersuchung gelingt, einen dünnen Katheter einzuführen und
einige Tropfen Urins aus demselben zu entleeren. Die Schleimhaut der
Urethra fühlt sich rigid und narbenartig glatt an. Die Urinentleerung
erfolgt in kurzen Zwischenräumen und tropfenweise. Allgemeinbefinden
nicht gestört, Stuhlentleerung normal und schmerzlos. Derzeit bestehen
keine Geschwürsprocesse am Genitale. Die Kranke reiste nach flüchtiger
Vorstellung wieder in ihre Heimat.
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Endoskopie: Das ganze untere Drittel der Urethra zeigt narbige
Veränderung der Schleimhaut. Dieselbe ist daselbst blass, glatt, sehnen¬
artig streifig und glänzend. Die Trichterwand ist dünn, der Trichter seicht.
Die Centralfigur auf ein anscheinend kaum millimeterbreites Loch reducirt,
von welchem strahlige Falten nach verschiedenen Richtungen peripherwärts
sich verzweigen. Vereinzelte Gefässchen durchziehen die Narbe. Im mittleren
und oberen Drittel ist die Schleimhaut von hellrother Farbe, weicher Con-
sistenz, normalem Aussehen.
Histologischer Befund des excidirten Clitorisschenkels. Die Epi¬
dermis zeigt eine erhebliche Verdünnung, ihre einzelnen Schichten sind
in gleicher Weise rareficirt. Die einzelnen Zellen, insbesondere das Stratum
Malpighii und Stratum basale, sind klein, insbesondere ist ihr Proto¬
plasmaleib verkleinert.
Die Grenze zwischen Epidermis und Cutis ist zu einer fast geraden
Linie abgeflacht, indem Retezapfen und Cutispapillen nur in Form feiner
Zähnchen ineinander greifen, an einzelnen Stellen überhaupt vollständig
fehlen.
Der Papillarkörperrest und die Cutis sind von einem dichten fibril¬
lären Bindegewebe mit mächtigen, glänzenden, dichtgefügten collagenen und
spärlichen elastischen Fasern gebildet. Eine netzartige Anordnung feiner
elastischer Fasern besteht nur an der Stelle des ehemaligen Papillar¬
körpers. Hie und da finden sich im Gewebe zerstreut kleine Infiltrations¬
herde als Ansammlungen lymphoider und Plasmazellen, zum Theil mit
perivasculärer Anordnung.
Der Gefässgehalt dieses derb-callösen Gewebes ist ein geringer. Die
vorhandenen Gefässe sind dickwandig, die Verdickung kommt hauptsäch¬
lich auf Rechnung einer Intimawucherung, welche, nach innen von der
Membrana elastica interna, in Form buckliger Vorsprünge oder als con-
centrischer Ring das Lumen zur Verengerung und stellenweise nahezu
zur Obliteration bringt.
Die histologische Untersuchung des exstirpirten Rectalantheiles ergab
diffuse Schwielenbildung, durchsetzt mit zahlreichen Infiltraten, nebst mul¬
tipler Gefasserkrankung.
XXVII. K. E., 28jährige Prostituirte, wurde 1894 auf der Klinik
wegen Exanthema papulosum mit 25 Einreibungen behandelt; weiterhin
1899 wegen der in Rede stehenden Urethralaffection auf der Abtheilung
Prof. Lang in Behandlung gestanden. Für gütige Ueberlassung der ein¬
schlägigen Daten aus dem Krankenprotokoll gestatte ich mir Herrn
Prof. Lang und meinem Freunde Assistent D. Spitzer an dieser Stelle
herzlich zu danken.
12. August 1899. Aus der Urethra entleert sich reichlich eitriges
Secret. Der Urethralwulst ist stark vergrössert, sklerosirt. An seinem un¬
teren Antheil findet sich eine kirschnussgrosse, peripher derbe, central
fluctuirende, indolente Geschwulst von hellrother Farbe, welche im unter¬
sten Antheil eine Lücke zeigt, aus der sich bei Druck auf den Urethral¬
wulst von oben nach unten Eiter entleert. Die Sonde dringt hier bis zu
1 cm Tiefe ein.
Gleichzeitig besteht an einer infiltrirten Analfalte ein leicht blutender
Substanzverlust; Inguinaldrüsen multipel baselnussgross.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Therapie: Jodoform.
19. August. Unter Cocainanästhesie wurde die Geschwulst von der
unteren Lücke her gespalten; es entleert sich reichlich klebriger, mit Fetzen
untermischter Eiter. Es resultirt ein über kreuzergrosser, scharf gerän¬
derter Substanzverlust mit zerfallener Basis und speckigem Belag, von
derber Consistenz der Ränder.
12. September. Patientin wird auf eigenes Verlangen in gebessertem
Zustand entlassen, das Geschwür gereinigt, in Granulation begriffen.
Nach weiteren drei Jahren suchte die Kranke sodann unsere Kli¬
nik auf.
1. September 1902. Inguinaldrüsen multipel bohnengross. Am Vorder¬
arm und Handrücken thalergrosse Gruppen sepiabraun pigmentirter oder
lividweisslicher glatter Narben.
Eine nach vorn gelegene Analfalte infiltrirt, von glatter, hellrother
Oberfläche.
Die Innenfläche der kleinen Labien gegen den Ansatz derselben an
die Hymenalkarunkeln hin ist in einen narbigen Ring von glänzender,
hellrother, kleinhöckeriger Oberfläche mit zahlreichen dichtgedrängten pa¬
pillären Excrescenzen verwandelt. Auch der vorderste Antheil an der vor¬
deren Commissur unterhalb der Clitoris zeigt helllivide, narbige, jedoch
glatte Oberfläche.
Vom Urethralwulst sind nur die unteren (der etwas prolabirten
Columna rugarum anterior benachbarten) sowie die seitlichen Partien (in
der Nähe der Hymenalkarunkeln) als knollige, lebhaft rothe Wülste von
glatter Oberfläche erhalten.
An der der Clitoris zugekehrten Innenfläche des Urethralwulstes,
seinen obersten Antheil substituirend. besteht eine über kreuzergrosse Ge¬
schwürsfläche von Trichterform, mit lebhaft rother, knollig unebener Basis,
fest anhaftendem graugelblichen Belag, scharfen, glatten oder wallartig
elevirten Rändern. Dieselbe erstreckt sich auch auf die Gegend des Ori-
fleium urethrae, so dass im Grunde des trichterförmigen Geschwürs der
Katheter in die Harnröhre gelangt, deren Schleimhaut soweit übersehbar
intensiv geröthet und erodirt erscheint. Keine Schmerzhaftigkeit, noch
sonstige subjective Beschwerden.
Endoskopie: Im ganzen Verlaufe des unteren und mittleren
Drittels ist eine eigentliche Centralfigur nicht zu constatiren, indem die
Schleimhaut zu zahlreichen wellig oder halbkugelig vorspringenden Wülsten
geschwellt ist, welche sich gegenseitig unregelmässig überlagern. Ihre
Oberfläche ist glatt, ihre Farbe intensiv dunkelroth, ihre Consistenz weich¬
elastisch (Fig. 12); sie sind von zahlreichen feinen Gefässchen durchzogen
und bluten leicht, wenn der Tubus vorgeschoben wird. An einer an der
Grenze zwischen unterem und mittlerem Drittel gelegenen Stelle (Fig. 13)
befindet sich ein anscheinend über bohnengrosser Wulst, welcher in über
Quadratcentimeter breiter Ausdehnung exulcerirt ist; das Geschwür ist
seicht, zeigt dunkellividrothe, sammtartig unebene Basis, ohne Belag und
glatte flache Ränder.
Therapie: JK innerlich, Jodoformstäbchen in die Urethra.
8. August. Geschwür gereinigt, in Granulation und peripherer Ueber-
häutung.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abth. f. patli. Anat. u. verw. Disziplinen. 0
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Dr. Georg Löwenbaeh.
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15. August. An Stelle des Geschwürs eine glatte, trichterförmig
eingezogene Narbenfläche. Auch die Aussenfläche des Urethralwulstes
erheblich glatter und blässer. Geheilt entlassen.
XXVIII. M. B., 26jährige Magd; acquirirte Syphilis vor drei Jahren,
wurde damals an der Klinik nur local behandelt. Leidet seit Februar
1900 an stets reeidivirenden gummösen Infiltraten der Analgegend, welche
sich auch auf das Rectum fortsetzten und zum geschwürigen Zerfall der
Mucosa recti in der Gegend der Analapertur, sowie zur Zerstörung des
Sphinkter führten. Wegen der Anal- und Rectalaffection hat sie wiederholt
das Spital aufgesucht, wurde mit Jodkali innerlich, mit Jodoform- und
Tanninbougies, sowie mit grauem Pflaster local behandelt, worauf sich
die Geschwüre jedesmal überhäuteten, um nach kurzer Zeit wieder auf¬
zubrechen. Das letzte Mal war sie im Mai 1901 im Krankenhaus gewesen.
Sie hatte dann über ein Jahr Ruhe, und suchte neuerdings am 13. Au¬
gust 1902 mit folgender Affection der Vulva und des Urethralwulstes die
Klinik auf. (Siehe Abbildung 16.)
Zu beiden Seiten des Urethralwulstes finden sich, in der Nische
zwischen demselben und den kleinen Labien und auf letztere fibergreifend,
kreuzergrosse Geschwüre mit harten, wallartig elevirten, scharf ausge¬
zackten, zum Theil callösen, blassrothen Rändern, glatter, braunrother,
derber Basis und speckig graugelblichem, nekrotischem Belag. Ein voll¬
ständig analoges, etwa kreuzergrosses Geschwür sitzt rechts am unteren
äusseren Quadranten des Urethralwulstes und reicht bis nahe an das
Orificium urethrae.
Letzteres zeigt im Uebrigen nur leichte Röthung; Urinentleerung
erfolgt in normaler Weise, Urin klar. Der übrige Urethralwulst ist prall
infiltrirt, dunkel geröthet, jedoch ohne Ulcerationsprocess. Subjective Be¬
schwerden werden negirt.
An der rückwärtigen Commissur und am Introitus vaginae ist die
Schleimhaut diffus weisslich, glatt, glänzend, von narben- oder sehnen¬
artigem Aussehen.
Ad anura bestehen 5—6 knollige, haselnussgrosse, derbe, von
glatter, braunrother Schleimhaut überzogene Wülste, welche gegen die
Analapertur hin zu speckig belegten, streifenförmigen Geschwüren zerfallen
sind. Die Gegend des Sphinkter ist diffus narbig, fühlt sich callös und
rigid an, oberhalb besteht eine ampullenartige, ebenfalls von narbiger
Schleimhaut ausgekleidete Erweiterung des Rectums. Trotzdem erfolgt nor¬
male Entleerung fester Kothmassen. Patientin ist vollständig continent,
das subjective Befinden ein gutes, wenn auch durch die reichliche Go-
schwürssecretion mitunter Unbehagen hervorgerufen wird.
Therapie: Local Jodoform (an der Vulva und am Urethralwulst
als Streupulver, ad anum als Bougie); innerlich JK.
Die im vorhergehenden beschreibenden Theil gegebene Schil¬
derung einer Reihe von 28 Beobachtungen begreift Fälle von sehr
verschiedener Extensität und Intensität; versucht man aus denselben
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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ein zusammenhängendes Krankheitsbild zu construiren, so würde sich
dasselbe etwa folgendermassen darstellen:
Das Leiden ist ein ungemein chronisches und hartnäckiges. Es
beginnt an der Aussenfläche des Urethralwulstes oder am Uebergang
des Orifieium urethrae in die Schleimhaut des Urethralwulstes oder
endlich an der Schleimhautfläche des Orifieium urethrae in Form
eines erbsen-, bohnen- oder kreuzergrossen Geschwüres mit zunächst
massig, später erheblich vertiefter, braunroth glänzender, glatter Basis,
einem intensiv graugelblich speckigen Belag, mässig infiltrirten,
scharf begrenzten, meist kreisrunden Rändern von ziemlich geringer
Consistenz. Gegenüber specifischen und antiseptischen Mitteln zeigt
die Ulceration als solche keine besondere Hartnäckigkeit; sie reinigt
sich, überhäutet und vernarbt. Charakteristisch für die gesammte
Affeetion ist jedoch, dass diese Heilung keine dauernde ist. Inmitten
der jüngeren oder älteren Narbe kommt es zu erneuter Ulceration.
Letztere kann analoges Aussehen bieten wie die ursprüngliche oder
aber es ist Basis und Rand des Geschwürs erbeblich infiltrirt, die
Basis unregelmässig höckerig, der Rand wulstig aufgeworfen; die Aus¬
dehnung des Ulcerationsprocesses ist eine grössere als im Anfang,
die Progredienz des Processes drückt sich in der serpiginösen Form
der Geschwüre und in einem weithin gegen die Umgebung reichenden,
eigenthümlich prallelastischen Oedem aus. Dieses Stadium ist es,
welches über sehr geraume Zeit sich erstrecken kann und in welchem
die grosse Mehrzahl der Patientinnen zur Beobachtung kommt. Unter
dem Einfluss der Therapie oder auch sich selbst überlassen, granu-
liren, überhäuten und übernarben auch jetzt wieder die Ulcerationen.
Aber weniger leicht, meistens sogar sehr schwer oder gar nicht
reparabel ist die eigenartige Schwellung der umgebenden Theile. Aus
dem prallelastischen Oedem entwickelt sich eine Volumszunahme
durch wahre Hypertrophie, wodurch die betreffenden Partien in ihrer
Configuration geändert erscheinen und die Affeetion einen ganz be¬
sonderen Charakter gewinnt. In erster Linie betroffen ist natürlich
die Umgebung des Orifieium urethrae. Die demselben benachbarten
Falten des Urethralwulstes erscheinen als lebhaft braunrothe, derb
infiltrirte, glänzende, rigide Wülste, weiterhin wird der Urethralwulst
in toto zu einem hasel- bis walnussgrossen, ja selbst taubeneigrossen
derben Tumor, von welchem der Infiltrationsprocess auf die vordere
Vaginalwand übergreifen kann. Der Tumor überragt die Gegend des
Urethralostiums so stark, dass letzteres erst nach intensivem Herab¬
drücken des Urethralwulstes zu finden ist. In anderen Fällen sind
in höherem Grade gegenüber dem Urethralwulst die Clitorisschenkel
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betroffen. Als rigide, lebhaft rothe, glänzende runde Stränge ziehen
sie zur Clitoris, welche alsdann ebenfalls in den Infiltrationsprocess
einbezogen und tumorartig geschwellt werden kann.
Das Infiltrat und neugebildete Bindegewebe ist einer internen
oder localen oder allgemeinen antisyphilitischen Therapie gegenüber
sehr hartnäckig. Es zeigt jedoch eine starke Neigung, seinerseits dem
fortschreitenden Geschwürsprocess zum Opfer zu fallen und hiemit
Anlass zu einer Anzahl von eigenartigen Complicationen zu geben. Man
sieht alsdann die Oberfläche des infiltrirten und tumorartig geschwollenen
Schleimhauttheiles (Urethralostinm, Urethralwulst, Olitorisschenkel,
Hymenalkarunkel) besetzt von kleineren und grösseren Geschwüren,
theilweise vom Charakter der ursprünglichen Ulceration, theilweise
lediglich den Eindruck einer seichten, etwa mechanischen Erosion
hervorrufend, mit glatter Basis, ohne Belag, von spärlich seröser
Secretion, mit flachen Rändern — ein andermal (namentlich sich
selbst überlassen) jedoch als tiefer, weithin zerstörender Substanz¬
verlust mit unregelmässig zerklüfteter Basis und starker Nekrose des
Gewebes.
Oedem, Infiltrat und Hyperplasie können in einzelnen Fällen die
äussere Umgebung der Urethra verschonen und sich mehr auf das
periurethrale Zellgewebe localisiren. Ist hievon das retrourethrale Zell¬
gewebe getroffen, so bleibt der Vorgang dem Auge verborgen, ist
aber der Palpation kenntlich, indem von der Vagina her durch deren
vordere Wand hindurch ein dem Verlaufe der Urethra entsprechender
derber Strang mehrere Centimeter weit durchzutasten und zu verfolgen
ist. Ist das Zellgewebe vor der Urethra der Sitz der Infiltration, so
bleibt der Process zunächst vollständig occult und erst wenn es hier
zum geschwürigen Zerfall des Gewebes kommt, wird die Aufmerksam¬
keit hieher gelenkt. Es kommt nämlich alsdann zur Entstehung eines
Geschwüres in Form eines röhrenförmigen Loches zwischen vorderer
Urethralwand und Symphyse mit höckerig unebenen, zerfallenen Wänden
und reichlich eiteriger Secretion, in welches der Finger unter Um¬
ständen mehrere Centimeter tief vordringt, bis in das prävesieale
Zellgewebe. Die Urethra wird hiedurch von der Symphyse ganz
freigelöst, nach rückwärts verlagert; ist gleichzeitig der Urethralwulst
elephantiastisch verdickt und vorgedrängt, so gelingt es erst nach
längerem Bemühen, das Oriticium zu finden und mit Katheter oder
Tubus zu entriren.
Gerade diese Substanzverluste sind übrigens der antisyphilitischen
Therapie gegenüber am wenigsten refractär; sie füllen sich rasch mit
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Granulationen aus und heilen mit Hinterlassung feiner, oberflächlicher
Narben.
Auch die Schleimhaut der Urethra selbst kann in den Ulcera-
tionsprocess sammt seinen Complicationen hineingezogen werden. In
leichteren Graden nur lebhaft entzündlich geröthet, zeigt sich in
schwereren Fällen die Schleimhaut hie und da oberflächlich erodirt
oder aber es kommt zur Bildung circumscripter Geschwüre mit braun-
rother, sammtartig unebener, glänzender Basis, flachen Rändern und
graugelblichem Belag. Gleichzeitig besteht weithin eine derbe Infiltra¬
tion des Gewebes, welche zu Unebenheiten und höckerig-wulstigen
Hervorragungen gegen das Urethrallumen führt, ganz analog den
Vorgängen am Urethralwulst und der Clitoris. Das Lumen erfahrt
hiedurch unregelmässige Verziehungen und Verengerungen; eine
eigentliche Stricturirung desselben wird jedoch eher durch die
narbige Heilung des Geschwürsprocesses herbeigeführt, wodurch in
einzelnen Fällen das Lumen der Urethra in ein starres, von rigiden,
bläulichweissen, sehnenartig glänzenden Wänden umgebenes Rohr mit
länglich-ovalem Querschnitt von wenigen Millimetern, oder in den
exorbitantesten Fällen zu einem linienartigen Spalt reducirt wird.
Diese Veränderungen spielen sich meist im unteren, seltener im
unteren und mittleren Drittel ab: die Chronicität des Processes scheint
innerhalb der Urethra eine noch grössere als am äusseren Genitale zu
sein, denn es vergehen Jahre, bevor das mittlere Drittel der Urethra
in seiner Totalität ergriffen ist; in den von mir beobachteten Fällen
war das obere Drittel der Urethra stets normal.
Durch die eben erwähnte Stricturirung des Harnröhrenlumens
kann es im klinischen Bilde zu Störungen in der Harnentleerung
kommen, insofern als der Urin mitunter nur tropfenförmig und unter
Druck und Pressen entleert werden kann. Stärkere Behinderung der
Harnentleerung, beinahe bis zur Retentio urinae sich steigernd, werden
dagegen hervorgerufen, wenn gerade am Ostium sich geschwürige
Processe localisiren und mit straffer Narbenbildung abheilen. Es kann
alsdann die Verengerung des Urethralostiums so weit gehen, dass die
Harnröhre kaum mit einer Darmsaite zu entriren ist; gleich oberhalb
des Orificium jedoch ist das Lumen von normaler Weite.
Diametral entgegengesetzt verhalten sich in klinischer Beziehung
Fälle, in welchen der Ulcerationsprocess sich ebenfalls zunächst am
Ostium localisirt, jedoch die Schleimhaut weithin ergreift und, bevor
noch Heilungstendenz bemerkbar ist, tiefgreifende Zerstörungen im
mucösen und submucösen Gewebe anrichtet. Tritt später Heilung ein,
so kann dieselbe doch nur in zarter oder straffer Uebernarbung der
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Dr. Georg Löwenbach.
tiefen Gewebsstörungen bestehen: die gesehwürig zerfallenen Theile
selbst sind nicht ersetzbar, und es resultirt an Stelle der spaltförmigen
(Jrethralmündung ein tief trichterförmig eingesenktes Loch mit starren,
weit klaffenden, narbigen, sehnenartig glänzenden, eallösen Wänden,
welche mitunter bis ins mittlere Drittel der Urethra sich erstreckt
und intermittirend Symptome der Incontinentia urinae hervorruft;
letztere äussert sich einmal in stehender, einmal in liegender oder
sitzender Stellung am stärksten, je nachdem im gegebenen Falle die
narbigen Wände in dieser oder jener Lage stärker klaffen.
Schmerzen beim Uriniren werden natürlich in jedem Falle verspürt,
wenn an der Schleimhaut der Urethra oder am Ostium oder an einer
dem herabtropfenden Urin erreichbaren Stelle des Urethralwulstes sich
uleerative Processe etabliren: solche Schmerzen können also von den
frühesten Stadien bis zu jahrelanger Dauer des Proeesses auftreteu.
Sie sind im Ucbrigen relativ sehr gering und reduciren sich meist auf
leichtes Brennen und Prickeln, können auch trotz scheinbar tiefer und
ausgebreiteter Ulceration ganz fehlen, worauf weiter unten noch
zurückzukommen sein wird.
Wenden wir uns von der Schleimhaut der eigentlichen Urethra
wieder der äusseren Umgebung des Orificium zu, so fuhrt auch dort
der uleerativ-cieatriciell-elephautiastische Process zu mannigfachen Ver¬
änderungen. Sind die Geschwüre seicht, die Narben zart und glatt,
so ist der momentane Effect ein geringer, es kommt wieder zu neuer¬
licher Infiltration, Hyperplasie und schliesslich Ulceration — ein be¬
ständiger. jahrelang wiederholter Circulus vitiosus. Sind jedoch die
Geschwüre tief, so werden weithin die Ge weite zerstört, die Substauz-
verluste bei der Vernarbung nur nothdürftig überkleidet, oder es geht
die Vernarbung nicht ohne weitgehende Deformirung der durch
Narbeuzug verzogenen Umgebung vor sich. Es kommt so zu theil-
weisem oder völligem Verlust eines oder beider Clitorisschenkel, des
Urethralwulstes, der Hyinenalkarunkeln. klappenartiger Verziehung und
Verlagerung der oberen Autheile der kleinen Labien und der Clitoris,
Eversion und Prolaps der vorderen Vaginalwand.
Es kann ferner das uleerative Moment sehr in den Hintergrund
and dagegen die elephantiastische Hypertrophie mehr hervortreten.
A :s den ursprünglich mehr elastischen, intensiv braunrothen Intume-
s -~r::~n werden sodann derbe, harte, biassröthliche Knoten von glatter
• r h: ckeriger Oberfläche. Insbesondere nehmen Urethralwulst,
t. und Hymenalkarunkeln diese definitiv tumorartige Beschaffen -
L i: an. w-'.ohe gegenüber jeder Therapie, ausser der chirurgischen,
a’:refraetär sich Verhält.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
87
Der Process kann auf die bisher besprochenen Gebilde (Urethra,
Ostium urethrae, Urethralwulst, Clitorisschenkel, Clitoris und Hymenal-
karunkeln) beschränkt bleiben. Er kann sich aber auch mit analogen
Vorgängen an anderen Stellen des äusseren Genitales combiniren.
Die Schilderung derselben gehört nicht in den Rahmen dieser Ab¬
handlung, es sei nur constatirt, dass hiebei besonders die Innenseite
der kleinen und grossen Labien und die Commissura posterior, weiterhin
das Perineum und endlich die Umgebung der Analöffnung in Betracht
kommen. In mehreren unserer Fälle war auch das Rectum und die
Vagina in den gummös-ulcerösen Process einbezogen, es hatten sich
Rectovaginal-Fisteln, Rectalstrictur und weitgreifende Zerstörungen
im ganzen Gebiet des Sinus urogenitalis entwickelt. Der Vorgang ist
hiebei in pathogenetischer Hinsicht ganz der gleiche wie in den
streng auf die Urethra und ihre Umgebung beschränkten Fällen:
Infiltration mit hyperplastischer Gewebsneubildung und elephantiastischer
Knotenformation einerseits, Ulceration mit tiefgreifender Zerstörung
oder narbiger Verziehung andererseits, stetes Recidiviren in allen
Phasen, verschiedenartigste Functionsstörungen entsprechend dem
jeweiligen Sitz der Erkrankung — im Ganzen ein ungemein viel¬
gestaltiger, ungemein hartnäckiger Krankheitsprocess, in den zuletzt
beschriebenen Graden und Phasen peinvoll für Kranke und Aerzte.
Das Leiden tritt meist in mittlerem Lebensalter, in den Dreissiger-
und Vierziger-Jahren auf; doch war unsere jüngste Patientin 20, unsere
älteste 64 Jahre alt, als das Leiden begann. Die Kranken waren
vorwiegend Angehörige der ärmsten Schichten. Hilfsarbeiterinnep
und Arbeiterfrauen, um deren körperliche Sorgsamkeit und Reinlichkeit
es schlecht bestellt war; von den 29 hier beobachteten Kranken waren
8 Prostituirte; auffallend erscheint die relativ hohe Anzahl (fünf)
galizischer Jüdinnen.
Bei 24 von 28 Kranken liess sich eine directe ätiologische und
zeitliche Beziehung zur Syphilis constatiren, indem in 17 Fällen
sichere Symptome von Syphilis bei vorausgegangenen Spitalsaufent¬
halten festgestellt waren; in den übrigen sieben Fällen konnte zwar
kein Symptom florider Lues constatirt werden, doch deutete gleich¬
zeitig bestehende Syphilis des Ehegatten oder die Angaben wieder¬
holter, sonst nicht zu erklärender Aborte auf das syphilitische Moment
hin. In vier Fällen war weder objectiv, noch anamnestisch eine Be¬
ziehung zu Syphilis zu constatiren.
Diese gummöse Affection der Urethra scheint einer späten
Phase der Lues anzugehören. Es vergehen immerhin im Mittel fünf
bis sieben Jahre vom Beginn der Infection bis zum Auftreten der
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Dr. Georg Löwenbaeh.
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Urethralkrankheit, in einigen Fällen trat die gummöse Infiltration
aber bereits zwei bis drei, in anderen erst 10 und 15 Jahre naeh
der Sklerose auf. Unter den 17 sicher mit luetischen Symptomen
behaftet gewesenen Patientinnen waren 15 einer oder mehreren Ein-
reibungs- und Injectionscuren unterzogen gewesen, eine war nur mit
Jodkali behandelt worden, die übrigen elf hatten keinerlei anti¬
syphilitische Therapie durchgemacht.
Gleichzeitig mit der Urethralaffection fanden sich anderweitige
Syphilissymptome nur selten an den Kranken, wenn man von einer
massigen Schwellung der Inguinaldrüsen absieht, wie eine solche bei
Prostituirten und Personen der arbeitenden Classe ungemein häutig
auch ohne gleichzeitige Syphilis vorkommt. Nur in vereinzelten Fällen
waren gleichzeitig gummöse Infiltrate und Ulcerationen an andereu
Körperstellen vorhanden; in zwei Fällen war, wie erwähnt und noch
näher zu besprechen, auch Vulva, Vagina und Rectum durch einen
analogen Process invadirt. Einmal fand sich noch gleichzeitig mit
gummöser Urethralaffection deutliches Leukoderma am Halse.
Auffallend und für den Zusammenhang mit der Syphilis nicht
unwichtig ist die Thatsache, dass die subjectiven Symptome der in
Rede stehenden Affection meistens recht geringe sind. Meist besteht
die Ulceration und die consecutive elephantiastische Verdickung mehrere
Monate, bevor die Kranken den Weg zum Arzte finden, daher
kommen sie auch meist in vorgeschrittenen Stadien zur Beobachtung.
Selbst wenn eine Ulceration unmittelbar am Orificium urethrae sitzt,
demnach vom herabträufelnden Urin die blossgelegten tieferen Gewebs-
partien stark benetzt und gereizt werden, klagen die Kranken mit¬
unter nur über leichtes Brennen. Dies liegt gewiss ausser an der
relativen Schmerzlosigkeit der Affection zum grossen Theile auch an
der Sorglosigkeit und Indolenz der Patientinnen selbst, die, eben den
niedrigsten Classen angehörend, im Kampf ums Dasein nicht Müsse
und Aufmerksamkeit der Pflege ihres Körpers widmen können. Erst
wenn die durch narbige Verziehungen und weitgehende ulceröse Zer¬
störung bedingten Complicationen (Verengerung oder Erweiterung der
Harnröhre mit gehinderter oder unwillkürlicher Harnentleerung) und
insbesondere Combination mit gleichartiger Affection der Nachbar¬
organe (Rectum, Analregion, Vagina) sich einstelleu, dann klagen
die Kranken über Beschwerden; aber auch dann bildet nicht so sehr
die durch Ulceration bedingte Schmerzhaftigkeit, als die durch die
Folgezustände hervorgerufene Unbequemlichkeit den Hauptgegenstand
der Klagen. Mit wachsender Einsicht von der Unzulänglichkeit der
Therapie gegen diese Stadien der Erkrankung stellt sich dann aller-
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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dings bei den so betroffenen Kranken ein Zustand psychischer Depression
und Apathie ein, welcher mit der anfänglichen Indolenz seltsam
contrastirt. Lebensfreude, Appetit und Spannkraft schwinden, die
Kranken magern ab, kommen durch leichte Erkältungen schnell herab,
und Aeusserungen von Selbstmordabsichten sind nichts Seltenes. Bis
zur Erreichung dieses Stadiums vergehen allerdings viele Jahre.
Wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich, ist demnach die
Prognose, im Gegensätze zu anderen gummösen Affectionen, keines¬
wegs eine stets günstige. Viele unserer Patientinnen verloren wir
allerdings, nachdem sie ein- oder mehreremal im Spital geweilt und
daselbst Heilung des Geschwürsprocesses mit Resorption oder Ab¬
tragung ihrer Hyperplasien gefunden hatten, aus den Augen, so dass
die Annahme einer definitiven Heilung gerechtfertigt erscheint. In
der That sind die Geschwüre als solche in jeder Phase der Erkrankung
einer örtlichen antiseptischen und einer allgemeinen antisyphilitischen
Behandlung zugänglich, und auch die knolligen Excrescenzen können
in früheren Entwicklungsstadien, sofern sie noch weich und als ein¬
fache Infiltrationsprocesse erscheinen, unter geeigneter Behandlung
resorbirt werden. Dagegen sind die Complicationen und Folge¬
zustände gegen jede Therapie sehr hartnäckig; sich selbst über¬
lassen, nimmt das Leiden einen chronisch-progressiven Charakter an,
und mitunter erfolgt das Gleiche trotz sorgfältiger Behandlung. In
solchen Fällen ist also die Prognose entschieden eine weit un¬
günstigere als bei der grossen Mehrzahl anderweitiger gummöser
Processe.
Anatomie und histologischer Verlauf lassen sich aus unseren,
von verschiedenen Fällen und Stadien stammenden Befunden in
folgender Weise zusammenfassen. Die frischen Ulcerationen vom
Urethralwulst und den Clitorisschenkeln bieten keiu besonders
charakteristisches Bild. Es findet sich eine des Epithels entblösste
Mucosa, deren bindegewebige Structur durch dichteste Infiltration mit
Lymphocyten und Plasmazellen verschwommenerscheint; an den ober¬
flächlichen Partien findet sich eventuell eine fibrinös-eitrige Membran,
die Gefässe sind dilatirt und hyperämisch — ein Befund, welcher
Analogien zu dem anatomischen Bilde ulcerirender Hautaffectionen
irgendwelcher Art, somit auch gummöser Affectionen aufweist.
Weit charakteristischer erscheint der Aufbau der eigenartigen
höckerig-elephantiastischen Excrescenzen, wenn sie nur in einer relativ-
frühen Periode, succulent, intensiv braunroth glänzend excidirt wurden.
Kleinere derartige Knollen erscheinen in toto als Gummen: sie zeigen
einen Aufbau aus einem dichten Granulationsgewebe, welches sich
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Dr. Georg Löwenbach.
aus dichtgedrängten Knötchen zusammensetzt. Letztere bestehen aus
Lymphocyten (Lyraphzel)en) mit spärlichen Riesenzellen, epitheloide
Zellen fehlen vollkommen, Tendenz zur Verkäsung ist nur wenig
vorhanden.
Die grösseren älteren Knoten zeigen einen Aufbau aus neu-
gebildetem, zellreichem, gefässreichem Bindegewebe mit herdförmigen
Infiltraten von circumscripter Anordnung und analoger Zusammen¬
setzung aus Rund- und Riesenzellen; epitheloide Zellen und Verkäsung
fehlen. Die Gefasse zeigen Infiltrate in allen Wandschichten und eine
intensive Endarteriitis und Endophlebitis obliterans mit kolbigen
Auswüchsen gegen das Lumen und Verengerung, ja selbst Verschluss
desselben.
Die derbcallösen, von glänzend narbiger Schleimhaut bedeckten
Knollen endlich zeigen ein gefäss- und zellarmes Bindegewebe mit
intensiv lichtbrechenden, sehr mächtigen collagenen Balken, in
welchen elastische Fasern fast vollständig fehlen. Epithel und Binde¬
gewebe sind durch eine gerade Begrenzungslinie von einander ge¬
schieden, ein Pupillarkörper existirt nicht, wir haben das Bild einer
hypertrophischen Narbe ohne specifischen Charakter vor uns.
Das histologische Bild ist also wie das klinische ein sehr
wechselndes: Gummöse Neubildung, syphilitische Gefässerkrankung und
consecutive Exulceration oder fibröse Umwandlung. Mikroorganismen
irgend welcher Art sind im Gewebe der Ulcerationen und Vegetationen
nicht nachweisbar. Intraperitonealer Impfung gegenüber zeigen sich
Meerschweinchen refractär.
Zur Therapie der gummösen Urethralaffection ist Folgendes zu
bemerken. Von antisyphilitischen Mitteln kommt auch hier in erster
Linie das Jod in Betracht.; dasselbe wirkt in Form von Jodkali oder
Jodipin dem Organismus ein verleibt, auf den ulcerösen Process
günstig ein. Selbstverständlich wird die Wirkung gesteigert durch
locale Einwirkung antiseptischer Mittel; in erster Linie bewirkt das
Jodoform, weiterhin auch Dermatol und Xeroform eine rasche Reini¬
gung und Ueberhäutung der Geschwüre. Bei Localisation der Ulce¬
rationen an der Urethralmündung leisten Jodoform- und Tannin¬
stäbchen, in die Urethra eingeschoben, gute Dienste. Peinliche Rein¬
lichkeit ist überhaupt eine der ersten Bedingungen zum Zustande¬
kommen einer günstigen Einwirkung auf den Krankheitsprocess.
Auch die elephantiastischen Producte sind in ihrer ursprünglichen
infiltrirtcn Form der gemeinsamen Einwirkung antisyphilitischer All¬
gemeintherapie und localer Reinigung noch relativ zugänglich. Jod¬
einwirkung und fortgesetzte Sitzbäder, letztere eventuell mit Sublimat-
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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zusatz, führen zur Verkleinerung, Erweichung und mitunter voll¬
ständiger Resorption der Knollen. Schwerer zu beeinflussen sind die¬
selben, wenn sie erst nach längerem Bestände, bei grösserem
Volumen, härterer fibromartiger Consistenz zur Behandlung kommen.
Ein derartiges Gewebe zur Resorption zu bringen, ist eine allgemein
specifische Behandlung nicht mehr im Stande. Man wird zur Aetzung
mit Silbernitrat, Milchsäure und ähnlichen Mitteln seine Zuflucht
nehmen, besonders hartnäckige Tumoren auch mit dem Thermokauter
entfernen. Man wird aber das Reeidiviren der Ulceration und Hyper¬
trophie innerhalb der bereits narbig veränderten Theile nicht hindern
können, und muss für solche Fälle eine rein chirurgische Therapie
mit blutiger Abtragung der betroffenen Theile in entsprechend mehr
oder minder grosser Ausdehnung einschlagen. Kommt die Kranke
in sehr vorgerücktem Stadium,'mit complicirten Consecutiverscheinungen
zur Behandlung, so ist von einer antisyphilitischen Therapie nicht
mehr viel zu erwarten. Man wird rein symptomatisch vorgehen. Rein¬
lichkeit ist auch hier wieder erste Bedingung. Strieturen des Ostium
urethrae oder der Urethra selbst wird man durch Behandlung mit
DitteC sehen Stiften zu dilatiren, Fälle hochgradiger Dilatation des
Urethralostiums durch Anfrischung und Plastik zu heilen suchen. In
analoger Weise ist die Therapie eventuell complicirender Nachbar¬
erkrankungen (Rectalstrictur, Rectovaginal-Fistel) eine chirurgische,
ausserhalb des Rahmens dieser Betrachtung fallende.
(Schluss folgt.)
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(Ans der k. k. Universitätsklinik für Syphilis nnd Dermatologie [Hof¬
rath Prof. Nenmann] in Wien.)
Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
Von
Dr. Georg Löwenbach,
I. Assistent der Klinik.
(Schluss.)
Diese Abhandlung wäre unvollständig, würde sie nicht die
ältere und neuere Literatur zu Käthe ziehen. Wir stossen hiebei auf
die überraschende Thatsache, dass der gummösen Erkrankung der
Urethra, welche doch keineswegs exorbitant selten zu sein scheint,
von Dermatologen, Syphilidologen, Gynäkologen, Chirurgen und patho¬
logischen Anatomen in gleicher Weise spärliche Beachtung geschenkt
wurde, dass dagegen in den Fachliteraturen ein dem unseren ent¬
sprechendes Krankheitsbild unter verschiedenen anderen Bezeichnungen
häufig wiederkehrt.
Bei dem Umstand, als die Affeetion sich häufig nicht streng
an den Bereich der Urethra hält, sondern auch häufig auf entferntere
Theile der Vulva übergreift, mussten für eine Würdigung der Literatur
auch solche Arbeiten von Interesse sein, in welchen nicht nur von
Affectionen der Urethra, sondern auch der Vulva, weiterhin der
Vagina und mit solchen combinirten Erkrankungen des Reetums be¬
richtet wird.
Am ausführlichsten hat sich über unsere Affeetion Neumann
geäussert. Ausser einem casuistischen Beitrag’), welchem der in dieser
Arbeit als Nr. 26 beschriebene Fall zu Grunde liegt, gibt Neumann
in seinem Lehrbuche l ) eine genaue Schilderung der gummösen
Genitalaffection beim Weibe: »In manchen Fällen ist die Urethra,
die Clitoris oder das Vestibulum der Sitz von Gummen bei Ulcerations-
processen. Die Gummata an der Vulva erscheinen entweder isolirt
oder es sind mehrere aggregirt: sie zerfallen ziemlich rasch, und ver¬
breiten sich die gummösen Geschwüre nach verschiedenen Rich¬
tungen, nach der Höhe wie in die Tiefe. Die grossen und kleinen
Labien, häufig auch das Perineum sind hochgradig geschwellt, in-
Zeitscbr. f. Heilk. 1903 . Abth. f. path. Anat. n. verw. Disciplinen. 7
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Dr. Georg Lüwenbaeh.
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liltrirt, elephantiastisch verdickt, ihre Oberfläche schiefergrau oder
bronzeartig, mit verrucösen Auswüchsen besetzt; stellenweise glatt,
stellenweise gerunzelt oder gefurcht. Die Clitoris und das Praeputium
clitoridis sind oft in gleicher Weise verändert. Die Schleimhaut des
Yestibulums ist verdickt, braunroth oder ganz weiss gefärbt, derb und
gewulstet. Die Carunculae myrtiformes sind hypertrophisch und
bilden steife, mehrere Centimeter lange Zapfen. Es entstehen aus¬
gedehnte Ulcerationen, welche bald gegen die Basis der grossen
Labien, die Urethra, hinziehen, bald gegen den Introitus bis in die
Vagina eindringen. Unter Concurrenz ungünstiger Umstände, an denen
es hier nicht fehlt, nehmen die Geschwüre einen phagedänischen
Charakter an und es kommt zu ausgedehnten Substanzverlusten,
partiellem oder gänzlichem Verlust der kleinen Labien, der Clitoris,
zu Destruction des Urethralwulstes und von Theilen der Urethral¬
wand, am Annulus vaginae, den grossen Labien und nach der
Heilung zu mannigfachen Difformitäten. Die tiefliegenden Gummen
führen durch ihren Zerfall zur uleerösen Zerklüftung grosser Orgau-
theile, zur Bildung sinuöser Höhlen und fistulöser Gänge.«
Mit den Affectionen der Urethra und Vulva können sich gleich¬
artige an den Nachbarorganen combiniren: »Der Introitus und das
vordere Drittel der Vagina sind gewöhnlich von der Vulva aus er¬
griffen und präsentirt sich das Gumma als eine Continuitätsaffection.
zumeist zerfallen, als gummöses Geschwür, nicht selten mit papillo-
malösen Wucherungen combinirt. Oft jedoch sind diese Theile der
Vagina vom Rectum, beziehungsweise dem Septum recto-vaginale aus
in Mitleidenschaft gezogen« und es kann durch beiderseitigen Durch¬
bruch zur Bildung von Rectovaginalfisteln kommen.
Dass auf diese Art (Zerfall von gummösen Infiltraten im Septum
recto-vaginale) Ulcerationen der Vulva und Vagina und Rectovaginal¬
fisteln, streng genommen Reetovestibularfisteln entstehen, erwähnt
schon Baerensprung 3 ).
Weiters gibt Hyde 4 ) eine ausführliche Besprechung der gum¬
mösen Affectionen der Vulva. Er erwähnt als besonders wichtig das
Vorkommen an der Urethra und bezeichnet sie daselbst als vorwiegend
ulcerös. Die Geschwüre sind torpid, secerniren spärlich oder
können auch phagedänisch zerfallen und in der Urethralregion starke
Zerstörungen anrichten. Beschränkung auf die Urethra allein ist
selten, meist ist der Verlauf ein progredienter. Quecksilber- und Jod-
therapie erwiesen sich als wirksam, doch ist in den vorgeschrittenen
und complicirteren Stadien chirurgische Hilfe (Abtragen verdickter
Wülste, Spalten von Fisteln, Cauterisation von Geschwüren) nothwendig.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Sehr ausführlich schildert Jullien 5 ) die Syphiliden der Vulva.
Er unterscheidet eine pustulo-ulceröse und eine tuberöse Form. Die
erstere zeigt starke Tendenz zum peripherischen Weiterschreiten: »II
n’est pas rare que les eiements se fusionnent bout ä bout en longues
trainees et figurent des bandes ulcerees tres ötendues. C’est lä, du
reste, un accident de peu de gravite et indolore, rarement rebelle en
general.«
Die zweite Form ist viel ernster, besonders wenn sie diffus auf-
tritt. »Cette derniere forme qui se caracterise par une infiltration
en nappe sans tumeur bien apparente, peut atteindre des proportions
considerables, et lorsqu’elle s’ulcere, causer des ravages tres etendues.«
Es kommt zu weitgehender Zerstörung, Besserung ist nur zu erzielen
»au prix d’une therapeutique perseverante; Recidive sind häufig, selbst
im Bereich der vernarbten und verheilten Stellen. Jullien führt als
Beispiel folgenden Fall an: »Une femme est d’abord affectee d’une
Syphilide ulcereuse qui ronge une partie de la petite levre droite et
du segraent correspondant de l’orifice vulvo-vaginal. Huit mois ne
s’etaient pas öcoules apres la guerison de cet accident, qu’une lesion
de meme nature se reproduisit sur la cicatriee, puis de lä se portait
sur le vestibule et l’uretre. On la guerit ä grand'peine; mais quelques
mois plus tard se montrerent de nouvelles syphilides de meme forme
sur la partie gauche du vestibule, avec tendance ä s’irradier sur la
petite levre voisine. Une nouvelle cieatrisation fut suivie d’une nou-
velle recidive, c’est ä dire d’une quatrieme apparition des memes
accidents sur le meme point.«
Die Urethra wird hiebei meist seeundär von der Nachbarschaft
her ergriffen: »l’infiltration, se propageant tout autour du canal, le
decolle et l’isole de ses attaches, si bien qu’on voit parfois le möat
et le tubercule retomber au devant de la vulve. L’infiltration de ses
parois se reconnait ä leur induration, puis au gonflement des bords du
meat qui reste beant. et bientöt ulcere, se creuse en entonnoir et
s'elargit souvent au point d’admettre un de ä coudre. II est hors de
doute que la lesion peut se propager fort en avant dans l’uretre.«
Im Gefolge dieser chronischen Ulcerationen sah auch Jullien
»pseudo-elephantiastische« Wucherungen auftreten. Ueber deren spe-
cifischen Charakter äussert er sich (mangels mikroskopischer Unter¬
suchung) reservirt, muss aber zugebeu, dass sich die Wucherungen
auf energische antisyphilitische Behandlung verkleinern.
JUauriac 6 ) unterscheidet bei Besprechung der Gummen am
weiblichen Genitale einen »Type erythemateux« und »tuberculo-
gommeui«. Zu dem ersteren gehören »des entamures taillees ä pic
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Dr. Georg Löwen bacb.
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plus ou moins profundes et u base souple et fongueuse. Elles secretent
en abondanee un pus qui se concrete en grosses croütes sur la peau,
tandis qu’elles restent ä un sur la muqueuse. Dans leur groupement
, .. on trouve quelquefois la disposition eircinee ... 11 est rare que la
syphilose uleereuse se borne ä une uleeration unique, surtout quand
eile envahit la muqueuse vulvaire. D’ordinairc, ces lesions sont mul¬
tiples. Quand elles s’aceumulent sur un point et se reunissent, elles
donnent lieu a des vastes ulcerations allongees ou arrondies et ä eon-
tours souvent regulierement sinueux et policicliques. Leur base est
toujours molle ou vaguement erapätee, et leur fond inegal, baigne de
secretions sanguinolentes et grisätres.«
Die zweite Form hat die Tendenz weiter und tiefer zu greifen.
»Ces lesions, quoique provenant toujours du meme processus, pre-
sentent de nombreuses Varietes, suivant leur siege, leur etendue, leur
mode de formation erosif, uleereux, necrobiotique etc. Ce sont: des
eavernes gommeuses plus ou moins vastes, ü fond bourbillonneux; des
erosions reposant sur des plaques, sur dos erosions profondes taillees
•a pic et veritablement chancrelliformes, mais conservant toujours, au
dessous ou autour d'elles, des coques, des lames, des zones de neo-
plasie. Ces lesions aboutissent toujours, dans une mesure tres variable,
a la destruction plus ou moins rapide des tissus vulvaires, et il en
resulte: des echancrures parfois profondes, des grandes levres, le
decollement, la Perforation, l entamure crenelee, l'aneantissement des
petites levres, la Segmentation, l'uleeration totale ou partielle du capuein,
et l'emoussement et 1‘amputation du clitoris, l’excavation en enton-
noir du meat.«
ln den meisten übrigen französischen und englischen Lehrbüchern
findet die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra, sowie des Geni¬
tales überhaupt spärliche oder keine Erwähnung. So sagt Berkeley Hill 7 )'.
»The vagina and the nymphae are sometimes the seat of gummy nodules.
In this Situation they often break down and ulceratc, and the irregulär
surface they produce, is often mistaken for a chancre, but from which it
is readily distinguished by its ragged cavity and by its appearing long
after the patient has had numerous other syphilitic affections.«
Lanceraux 8 ) constatirt: »Le vagin peut etre le siöge de tumeurs
gommeuses, d’ulcerations plus ou moins profondes lesquelles, en se cica-
trisant, sont susceptibles d’amener uu retröcissement plus ou moins eon-
siderable.«
(In dieselbe Kategorie gehört die Beobachtung von Spillmann 9 ):
»retrccissement du vagin ehez une femme atteintc de Syphilis tertiaire«,
Verwachsung der Vaginalwände durch ulcerirtes und vernarbendes Gumma,
consecutive Erweiterung der Urethra durch Immissio penis beim Coitus
nach Vaginalverschluss.)
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Lanceraux selbst erwähnt speeiell von Urethralaffection gummöser
Natur nichts; er erwähnt aber eine Beobachtung von Benivenius ,0 ):
»Mulierem etiam vidimus, cui morbus quem vulgo gallicum appellant,
totam vulvam eroserat, et incuria medici, quiequid erosum fuerat, oris
invicem junctis obealluit. Indeque sola urina et ea ex parvo quidem
foramine reddebatur.« Also Narbenstrictur der Vulva und des Ostium
urethrae auf Basis gummös-ulceröser Processe.
Bumstead u ) bemerkt nur ganz cursorisch: »There is no reason
why the vagina should not, like other mucous canals, be affected by the
deposit of syphilitic tnbercle in the submucous cellular tissue and undergo
subsequent contraction.« Von Urethralerkrankung keine Erwähnung.
Dagegen erwähnt Lang ,2 ) das Vorkommen von Gummen an der
weiblichen Urethra, ihre Combination mit Ulcerationsprocessen am
Genitale, am After und im Rectum und die Bildung von Recto-
vaginalfisteln.
■ Die gleiche Combination mit genauer Beschreibung der hahnen¬
kammartig höckerigen und villösen Wucherungen beschreibt Rille ll )
und betont aufs intensivste den syphilitischen Charakter der Mastdarra¬
schwielen und Stenosen.
Auch von gynäkologischer Seite werden die uns interessirenden
Affectionen erwähnt. Die Beobachtung von Win ekel u ) über »Colpitis
gummosa«, mit Uebergreifen des Infiltrationsprocesses auf die Urethra,
scheint sich allerdings klinisch in anderer Weise, unter dem Bilde
einer diphtheroiden Entzündung, präsentirt zu haben und stellt bis¬
lang noch ein Unicum dar.
Dagegen berichtet Schauta 16 ) Folgendes über spätsyphilitische
Affection des weiblichen Genitale:
»Die gummösen Infiltrate der Vulva besitzen grosse Neigung zum
Zerfall. Dabei besteht Schwellung und Hypertrophie auch der um¬
gebenden, nicht direct von der syphilitischen Erkrankung ergriffenen
Theile der Vulva. Die Oberfläche der Haut wird schiefergrau oder
bronzeartig verfärbt, höckerig uneben. Die aus dem Zerfall der Gum-
mata hervor gehenden Ulcerationen können unter Umständen phage¬
dänischen Charakter annehmen.«
Eine analoge Affection scheint West lG ) zu besprechen, wobei in
dem beschriebenen Fall auch die Gegend der Urethra betroffen war:
»Mir sind hin und wieder Affectionen vorgekommen, die Formen von
tertiärer Syphilis zu sein scheinen, die aber schon so lange bestanden
und sich gegen jede Behandlung so rebellisch erwiesen hatten, dass
die Frage entstanden war, ob sie nicht eigentlich bösartiger Natur seien.«
»Derart war der Fall einer 48jährigen Frau mit einer seit einem
Jahre bestehenden Ulceration der äusseren Geschlechtstheile, die keine
andere bedeutende Unbequemlichkeit hervorgerufen zu haben schien, als
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98
L)r. Georg Löwenbach.
hin und wieder Schwierigkeit, den Harn zurückzulialten. An der Innen¬
fläche des linken Labiums und sich von da auf die Nymphe verbreitend
sass ein Geschwür von halbkreisförmiger Gestalt, leicht unregelmässigen
Contouren, etwas indolenten Rändern und einer mit ziemlich gesunden
Granulationen bedeckten Fläche. Die Concavität des Geschwüres war
nach oben, der convexe Rand nach unten gerichtet, dasselbe begann mit
einem schmalen Rand etwa */ 4 Zoll unterhalb der Clitoris und erstreckte
sich nach abwärts etwa bis 3 / 4 Zoll des unteren Theiles der linken
Vaginalwand. Die Narbe eines ähnlichen Geschwüres nahm die rechte
Seite des Scheideneinganges ein und eine kleine Partie ihres unteren
Randes war noch nicht geheilt. Die Harnröhrenmündung war roth und
uleerirt.« Nach lange fortgesetzter interner Behandlung mit Jodkali und
wiederholter Touchirung mit Lapis trat Heilung ein.
Die weiteren Literaturangaben über gummöse Uretbralerkrankung
sind mehr casuistischer Natur; sie beziehen sich meist auf schon weit
vorgeschrittene Fälle, wo die Intensität und Extensität der Erschei¬
nungen eben die Aufmerksamkeit in hohem Grade fesselt. In erster
Linie zu erwähnen ist der Fall von Virchow l7 ): Bei der Obduetion
einer 84jährigen Frau mit syphilitischen Defecten der Nase zeigte
sich die ganze Urethra von diffus narbigen, callösen Wänden um¬
geben; auch der ganze untere Blasenabschnitt zeigte in der Wand
narbige Stränge, nach Virchow’s Ansicht End- und Heilungsproducte
nach vorangegangenen gummösen Ulcerationen.
Zeissl u ) berichtet über eine 33jährige Frau, bei welcher ein
Infiltrat am kleinen Labium zunächst als syphilitischer Primäraffeet
aufgefasst wurde. Der Verlauf der Erkrankung machte es aber klar,
dass es sich um ein Gumma handeln müsse. Es fanden sich bei der
Obduetion, dem klinischen Verlauf entsprechend, in der Flexura
sigmoidea jauchig zerfallende Ulcerationen. Die Musculatur des Rectums
war bedeutend hypertrophirt, das Zellgewebe um die Musculatur be¬
deutend verdichtet, von knorpelartiger Consistenz. Die Harnröhre war
in ihrer unteren Hälfte uleerirt, und zwar stellenweise so tief, dass
sie mehrfach mit dem Vaginalrohr communicirte. Ebenso war das
ganze Vestibulum vaginae exulcerirt und bestanden mehrfach Com-
municationen zwischen Rectum und Vagina.
Berfjh l!> ) berichtet über zwei Fälle von »epiurethralen Gummosi-
täten« bei Weibern. Der eine Fall endigte in Abscedirung (Uleeratiori).
im anderen erfolgte auf Jodkaligebrauch vollständige Heilung.
Einen sehr vorgeschrittenen Fall beschreibt Boulton 20 ): Bei einer
gleichzeitig an Gummen der Haut des Stammes erkrankten Frau war
durch chronisch-gummöse Ulceratiou die Vulva vollständig zerstört, so
dass Uterus und Blase ohne weiteres der untersuchenden Hand zugänglich
waren; gleichzeitig bestanden Ulcerationen im Rectum, welche den
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Sphincter ani zerstört hatten. Die Frau litt an completer Incontinentia
urinae et alvi. Unter Einwirkung allgemeiner Jodkalibehandlung, fort¬
gesetzter localer Jodoformapplication und strengster Reinlichkeit erfolgte
prompte Besserung des verzweifelten Zustandes. Bemerkenswerth ist, dass
auch hier neben den ulcerösen und narbigen elephantiasisartige Vorgänge
mitspielten: insbesondere war die Clitoris in Folge »gummy hypertrophy«
zu einem über faustgrossen Tumor geschwellt.
Analog erscheint ein Fall von Boyd 2l ):
31jährige, auch anderweitig (am Bein) an Gummen leidende Frau
mit elephantiastischen Knollen und Knoten am kleinen Labium, Perineum
und Clitoris, welche als »lobes and tuberculated masses with deep fissures
between them« beschrieben wurden. Die von Knollen freien Stellen der
Vulva zeigten narbige, schiefergraue Oberfläche. Die Fissuren setzten sich
in das Ostium und Lumen der Urethra fort, welche erweitert und für
den Finger in Totalität durchgängig war, so dass derselbe in die Blase
gelangte. Es bestand Incontinentia urinae. Hier konnte nur mehr eine
energische chirurgische Therapie mit Entfernung der Knoten am Platze
sein; es erfolgte complete Heilung.
M*Clintock 22 ) erwähnt bei Besprechung der Tumoren der Vulva
drei Fälle mit sehr erheblicher warzig-höckeriger Vergrösserung der
kleinen Labien und Clitoris, in welchen also das ulceröse Moment in
den Hintergrund, das hypertrophirende in den Vordergrund des
klinischen Bildes getreten war. Nichtsdestoweniger hält der Verfasser
die Affection für syphilitischer Natur (in allen Fällen war Lues voraus¬
gegangen), weil eine ähnliche Combination von tiefen Fissuren und
Geschwüren mit elephantiastisch-hypertrophischen Bildungen bei keiner
anderen Krankheit vorkomme. Auch hier wurden die Geschwülste
auf chirurgischem Wege entfernt und es trat Heilung ein.
Am eingehendsten behandelt findet sich das uns interessirende
Thema bei Ehrmann 23 ). In seiner Arbeit finden wir eine Schilderung
des eigenartigen Krankheitsverlaufes mit seiner bunten Abwechslung
von chronischen Ulcerationen, elephantiastischen Wucherungen und nar¬
bigen Deformirungen von den verschiedensten Stellen des Sinus uro-
genitalis, insbesondere auch der Combination mit Anal- und Rectal¬
syphilis, sowie der Bildung gummöser periproctaler Infiltrate mit
Durchbruch gegen die Vagina und Bildung von Rectovaginalfisteln.
Die Localisation an der Urethra wird an der Hand von vier Kranken¬
geschichten eingehend besprochen; da dieselben der hiesigen Klinik
entstammen, habe ich dieselben in dieser Arbeit in extenso nochmals
publicirt.
Ehrmann untersuchte mikroskopisch die »hanfkorn- bis erbsen¬
grossen papillären Wucherungen« aus den (wie er ausdrücklich be¬
merkt) späteren Stadien des Processes. Er fand in ihnen ein dichtes
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Dr. Georg Lövvenbach.
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fibrilläres Bindegewebe, durchzogen von knapp bis an die Epidermis
stossenden erweiterten Lymphgefässen mit einer deutlichen Endothel-
membran.
Dieser Befund deutet auf eine Stauung im Lymphgefässsystem
hin. Deren Ursache erblickt Ehrmann in dem Schrumpfungsprocess
der den papillären Wucherungen benachbarten Narben und der Cora-
pression des Venenpexus. Die elephantiastische Wucherung kann aber,
wie Ehrmann hervorhebt, nicht durch die Schrumpfungsprocesse und
consecutive Stauung bedingt sein, denn dieselbe findet sich ganz
unabhängig von Narbenbildung; es gehören dementsprechend auch
die erweiterten Lymphgefässe nicht zuin charakteristischen Bild, und
»es muss in der Umgebung des Gummas (des Geschwürs) ein Process
supponirt werden, welcher zu einer Hyperplasie des Bindegewebes
führt«. Welcher Art dieser Process sei, darüber spricht sich Ehrmann
nicht aus. Ich glaube dadurch, dass ich im Beginne der hyper¬
plastischen Wucherung excidirte, diese Lücke ausgefüllt zu haben,
indem aus den mikroskopischen Befunden hervorgeht, dass der
Wucherungsprocess selbst ein gummöser ist (s. oben).
Die Combination von chronisch-ulcerösen Affeetionen der Vulva
mit Rectalsyphilis wird endlich noch erwähnt in einem Falle von
Huet u )\ der ebenfalls hiehergehörige Fall von Bandler-Waelsch wird
uns noch später zu beschäftigen haben.
Wie aus einzelnen unserer Beobachtungen hervorgeht, gehört
zu den möglichen Folgezuständen unserer Urethralaflfection eine Ver¬
engerung der Urethra in Folge Narbenzug. Auch diesbezüglich sind
die Mittheilungen in der gynäkologischen und urologischen Literatur
spärlich. Kleinwächter 86 '), Scamoni 81 ), Herman 88 ) (eit. nach Klein¬
wächter) berichten zwar über Stenosen des Urethralostiums und
Stricturen des oberen Harnröhrenantheiles beim Weibe nach syphi¬
litischen Geschwüren, welche ihren Sitz an oder in der Urethra
hatten; jedoch scheint es sich hier zumeist um syphilitische Primär-
affecte (Urethralsclerosen) mit phagedänischer Complication, weit¬
greifende Zerstörung mit destruirender Narbenbildung und nicht um
gummöse Infiltrate gehandelt zu haben. Dagegen erwähnt Genou-
cille 25 ) zwar lakonisch, aber ausdrücklich Stricturen der Urethra,
»generalement a l’entree de Turetre, au meat . . . consecutives aux
lösions syphilitiques tertiaires«.
Wie man sieht, sind die bisherigen easuistisehen und zu¬
sammenfassenden Beschreibungen der gummösen Affection der
äusseren weiblichen Genitalis und speciell der Urethra keineswegs
häufig. Es erscheint dies gegenüber der sonstigen Bevorzugung dieser
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
101
Gegend als Sitz venerischer lind anderartiger Processe immerhin auf¬
fallend, und die Annahme lag nahe, ob nicht hiehergehörige Fälle
unter anderer Bezeichnung beschrieben und mitgetheilt worden seien.
Das Krankheitsbild ist ja ein ungemein vielgestaltiges und je nach¬
dem einmal mehr das ulceröse, einmal mehr das hypertrophirende
Moment dem Beobachter am meisten imponirte, konnte derselbe in
seiner Deutung des Bildes beeinflusst werden. In der That hat nun
eine Durchsicht der Literatur ergeben, dass ganz frappant ähnliche
Krankheilsbilder unter den abweichendsten Bezeichnungen bekannt
wurden.
Eine grössere Anzahl von Autoren beschreibt einen Krankheits-
process an der Vulva oder Urethra unter dem Namen »Ulcus
chronicum«, »chronische Verschwärung«, »ulcere chronique«, »ulcus
rodens urethrae« u. dgl.
Die älteste und eingehendste Beschreibung dieser Art rührt von
West ' 1 ') her und lautet: »Es gibt einen Zustand chronischer Ulce-
ration der Urethra, von dem mir einige Fälle vorgekommen sind
und der hier erwähnt zu werden verdient, da ich, obgleich ich ihn
für syphilitischen Ursprunges halte, ihn in keiner Abhandlung über
venerische Krankheiten erwähnt gefunden habe. Die Affection ist mir
sechsmal zur Beobachtung gekommen; zweimal bei verheirateten
Frauen, welche angaben, an Syphilis gelitten zu haben, und viermal
bei Frauenzimmern von unkeuschem Lebenswandel, von denen eine
zugleich an einer syphilitischen Hauteruption litt. In jedem Fall
gaben die Kranken an, entweder dass sie von der Ulceration der
Harnröhre gewusst oder dass sie an beschwerlicher und schmerz¬
hafter Harnentleerung gelitten hätten. Die Ulceration scheint an der
Harnröhrenmündung zu beginnen und sich von da gegen die Blase
zu auszubreiten; indem sie sieh ausbreitet, bewirkt sie eine grosse
Erweiterung des Canals und einen klaffenden Zustand seiner Mündung,
so dass die Fingerspitze mit Leichtigkeit einzudringen vermag,
während die Oberfläche der Sitz breiter, fester, indolenter Granu¬
lationen ist, die eine geringe Menge schleimig-eitriger Flüssigkeit
absondern, meistens bei der Berührung nicht schmerzhaft, aber beim
Durchtritt des Harns in hohem Grade empfindlich sind. Ich habe
diese Ulceration der Harnröhre unabhängig von irgend einer anderen
Krankheit der Sexualorgane angetroffen, habe sie aber auch in
Fällen angetroffen, wo vorher eine Ulceration die Clitoris und Nymphen
zerstört hatte, und habe sie mit ungesunden Ulcerationen in der
Gegend der hinteren Commissur und des Scheideneinganges vergesell¬
schaftet gesehen. Wenn die Krankheit weit vorgeschritten ist oder
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Dr. Georg Löwenbach.
schon lange besteht, so wird das Zellgewebe unterhalb der Urethra
beträchtlich verdickt und ich habe gesehen, dass die untere Wand
der Urethra durch eine derbe, knorpelartige Substanz repräsentirt
wurde, die einer Lippe einer hypertrophischen Cervix uteri nicht un¬
ähnlich war; während ich zweimal im Stande war, einen Finger längs
des ganzen Canales bis in die Blase einzuführen. Selbst wenn die
Krankheit noch nicht weit vorgeschritten ist, verursacht sie Schwierig¬
keit, den Harn zurückzuhalten, und selbst wirklich Urinincontinenz.
während, wenn sie sich über den ganzen Canal ausgebreitet hat und
die Oeffnung desselben permanent klaffend bleibt, die Kranke fast
vollkommen ausser Stande ist, den Harn überhaupt zurückzuhalten.
Ob diese Fälle wirklich syphilitischer Natur sind oder ob sie
nicht eigentlich mehr zu den serpiginösen Geschwüren oder zum
Lupus exedens*) gerechnet werden müssen, bin ich augenblicklich
nicht im Stande zu beantworten. Einerseits kann ihr directer syphi¬
litischer Ursprung durch den Umstand zweifelhaft erscheinen, dass
nur in einem Falle der Beweis vorhanden war, dass eine Infection
bestand, während andererseits die Affection der Urethra sich darin
von den übrigen Formen von serpiginösen Geschwüren, Lupus oder
Esthiomenos unterscheidet, dass sie nicht dieselbe Neigung zu grosser
Verdickung der benachbarten Gewebe zeigt, welche beim Lupus der
Vulva der Affection beim ersten Anblick fast das Aussehen der
Elephantiasis gibt.«
Man wird in dem geschilderten Process (mit Ausnahme der
letzten Bemerkung vom Fehlen der elephantiastischen Wucherung,
welche ja aber auch nicht in allen unseren Fällen vorhanden war)
ein unseren Fällen ungemein ähnliches Krankheitsbild finden, welches
der Autor zwar einfach als chronische Ulceration bezeichnet, jedoch
seiner subjectiven Ueberzeugung nach für syphilitischer Natur hält,
so dass die Identification eine vollständige wäre. Auch ex juvantibus
ist der gleiche Schluss gerechtfertigt. Jodkali bewirkte, in Verbindung
mit energischer Localbehandlung, Besserung des Proeesses mit Ver¬
engerung der erweiterten Urethra.
Von späteren Autoren beschreibt Schroeder 28 ) »chronische
Ulcerationsprocesse an der Harnröhrenmündung und in der Fossa
navicularis . .., die sich dadurch eharakterisiren, dass sie von hart¬
näckiger Dauer sind, sehr schwer heilen und eine ausserordentlich
grosse Neigung zum ßecidiviren haben«. Unter diesen interessiren
uns die Fälle der ersten Kategorie (Harnröhrenmündung), deren er
neun beschreibt. Sie betrafen Frauen zwischen 23 und 43 Jahren.
*) Siehe unten.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
103
Acht hievon waren Prostituirte, in sieben Fällen war mit Sicherheit,
einmal mit Wahrscheinlichkeit vorausgegangene Syphilis constatirt.
1. Syphilis seit fünf Jahren. Dauer der Ulceration an der Urethra
zwei Jahre. »An Stelle der Urethralmündung ist ein tiefes trichter¬
förmiges Geschwür mit speckigem Belag, welches bis an die kleinen
Labien heranreicht und dort von einem unregelmässigen, indurirten,
scharfgerötheten Saum umgeben ist. In der Medianlinie gelangt man
unterhalb der Symphyse in einen Divertikel, welcher zuerst glauben
macht, dass man es mit einem erhaltenen Theil der Urethra zu thun hat.
Dieselbe ist aber vollständig zerstört und man gelangt unterhalb der
Absenkung mit dem Finger in die Blase. Der Bulbus urethrae war durch
die Ulcerationen des Zellgewebes stark gelockert und beträchtlich herab¬
gesunken. Incontinentia urinae war früher vorhanden gewesen, hatte sich
aber in der letzten Zeit verloren.« Es wurde eine Urethroplastik ausge¬
führt, die Heilung erfolgte, nicht ohne dass neuerdings von Besten der
Ulcerationen Becidive eingetreten wären. Immerhin ergab der Befund nach
drei Jahren: »Der Harnröhrenwulst steht vollkommen an seiner normalen
Stelle. Zwischen ihm und der Clitoris ist eine breite, aber ganz seichte
Furche, ohne eine Spur von Ulceration oder Böthung, vielmehr mit etwas
weisser narbiger Schleimhaut bedeckt, in deren Mitte ganz wenig nach
rechts sich das gerade, für den Katheter durchgängige Orificium urethrae
befindet.«
2. Syphilis negirt, Dauer des Processes zwei Jahre. »Der Bulbus
urethrae ist herabgesunken, die Harnröhre tief exulccrirt, und man ge¬
langt mit Leichtigkeit in die Blase. Der Harn kann nur beim Liegen
kurze Zeit gehalten werden und fliesst beim Stehen spontan ab.« Durch
Urethroplastik wurde Besserung erzielt.
3. Syphilis seit drei Jahren. »Clitoris etwas hypertrophisch, der
Introitus vaginae ist verlegt durch hypertrophische Karunkeln von theils
traubenförmiger, theils purzelformiger Gestalt. Die Urethra ist durch
Verschwärung vollständig zerstört und bildet eine Querspalte. Die Ge¬
schwürsfläche ist glatt, glänzend, zum Theil mit speckigem Belag. Man
gelangt mit dem Finger leicht in die Blase. Der Urin kann gehalten
werden.« Nach Cauterisation (durch fünf Monate!) erfolgte Vernarbung,
jedoch nach einem Jahr Becidive, wobei eine Bectovaginalfistel sich ge¬
bildet hatte.
4. Syphilis seit einem Jahre. »Die Harnröhre ist weit klaffend,
zerfressen, im Innern belegt mit einem graugelben, schwer abwischbaren
eitrigen Belag. Die Umgebung ist ringförmig indnrirt, durch unregel¬
mässige Vernarbung perlschnurartig. Hinter dein Orificium externum er¬
weitert sich die Harnröhre sackförmig und verengt sich wieder am Ori¬
ficium internum. Man kann mit dem Finger in die Blase dringen. Der
Urin wird nur im Liegen gehalten und fliesst beim Stehen ab.« Nach
Cauterisation erfolgte Vernarbung mit Sistirung der Incontinenz.
5. Syphilis seit sieben Jahren, der uleeröse Process seit zwei Jahren.
»Harnröhrenwulst stark herabgesunken und zum Theil seines Epithels
entkleidet. Die Harnröhre umgibt bis zur Clitoris hinauf und rechts und
links bis an die kleinen Labien ein hochrothes Narbengewebe, welches
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Dr. Georg Löwenbach.
noch einzelne frühere Granulationen von Linsengrösse in der Mitte zeigt.
Der Eiugang ist durch neue UJcerationen ausgenagt und hat einen gelb¬
eitrigen Belag. Die Länge der Urethra ist verkürzt, keinerlei Harn-
besc’nwerden.» Nach Gebrauch von Sitzbädern und Adstringentien besserte
sich der Zustand.
6. Dauer der lllceration drei Wochen. »Die Schleimhaut der Urethra
ist knopfformig, aus der äusseren Oeffnung hervorgedrängt, prolabirt und
von einzelnen flachen Uleerationen mit narbigen Bändern besetzt. Die
nächste Umgebung ist infiltrirt.« Auf Adstringentien Heilung, später
jedoch Recidive.
7. Syphilis besteht, Dauer des Processes zwei Monate. »Die obere
Wand der Harnröhre ist durch zum Theil noch granulirende Uleerationen
von dein periurethralen Zellgewebe losgelöst. Das Orifieium urethrae steht
wesentlich tiefer als normal und ist von wallartigen Wucherungen so
verdeckt, dass die Einführung eines Katheters nicht sofort gelingt.«
Besserung.
8. Syphilis seit acht Jahren. Dauer des Processes vier Wochen.
»Die Urethra hat sich in ihrer bindegewebigen Umgebung gelockert,
springt knopfformig vor und ist entzündlich geröthet. Die Schleimhaut
der Harnröhre ist intact. Die untere Hamröhrenwand ist vom Bulbus ge¬
trennt durch frischere Uleerationen, nach liuks verlaufen leichte Narben¬
stränge.« Heilung.
9. Es besteht Syphilis. »Das Orifieium der Urethra erweitert, von
rotlien wallartigen Rändern umgeben; links ein kleiner Schleimhautwulst.
Hinter dem Orifieium externiun kommt man in eine weite Höhle, in der
die Schleimhaut vollständig zerstört ist. Rechts und vorne stösst ein
zungenformiger Zapfen vor.«
Schroeder verfügt also über eine Reihe von Fällen in den ver¬
schiedensten Entwicklungsstadien, von wenigen Wochen bis zu jahre¬
langer Dauer. Als Resume der Beobachtungen stellt er fest: »Die
Schleimhaut der Urethra kann primär exulceriren .. ., oder es kommt
zu hochgradigen entzündlichen Schwellungen mit Prolapsus der hyper¬
trophischen Urethralschleimbaut und anfänglich seichten, leicht be¬
legten Geschwüren, die allmälig tiefer greifen. Häufiger aber ist es,
dass es um die Peripherie der Harnröhre herum zuerst wohl zu
Erosionen und dann zu tiefer dringenden Uleerationsprocessen kommt,
welche die Harnröhrenschleirahaut von ihrem Grunde trennen. Am
häufigsten sitzen diese dissecirenden Uleerationen zwischen Harnröhre
und Clitoris und dringen von hier allmälig iu die Tiefe und nach
den Seiten vor. Unter dem Einflüsse häufiger Colabitationen, die den
Harnröhrenwulst in die Scheide hineindrängen, werden die ulcerirten
Ränder immer tiefer, die Harnröhrenschleimhaut gellt ebenfalls zu
Grunde, bis schliesslich der losgetrennte Harnröhrenwulst als dicker
Zapfen vor der Scheide hängt und ein breiter Spalt mit ulcerösen
Wandungen direct in die Blase führt. Theilweise Heilungen der
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Ulcerationen mit secundärer stricturirender Narbenbildung tragen bei,
das Bild zu compliciren. Man findet also im Beginn seltener Ulceration
der Harnröhrensehleimhaut, die in der Regel im Anfangsstück ihren
Sitz haben, mitunter aber auch bei nicht abnormer Eingangsöffnung
den grössten Theil der Harnröhre in eine buchtige Geschwürshöhle
verwandelt haben, häufiger oberflächliche und tiefe, mit gelbem Belag
versehene Geschwüre zwischen Clitoris und Urethra. In weiter vor¬
geschrittenen Formen ist das Anfangsstück der Harnröhre zerstört,
der Harnröhrenwulst hängt im Scheideneingang, und eine grosse
Geschwürsfläche findet sich zwischen Clitoris und Harnröhre; doch
zeigt in manchen Fällen der wohlerhaltene und an seiner normalen
Stelle befindliche obere Rand des zerstörten Orificium uretbrae, dass
die grosse Ulcerationsfläche nur von der weit klaffenden Urethra ge¬
bildet wird. Der Eingang in die Blase kann stricturirt sein, so dass der
Katheter nur mühsam seinen Weg findet, in vielen Fällen aber haben die
Ulcerationen einen solchen Substanzverlust herbeigeführt, dass der
Finger ohne weiteres in die Blase dringt.« Da hier in einzelnen Kranken¬
geschichten der späteren Stadien auch ausdrücklich der knolligen Ex-
cresceuzen in der Umgebung der Ulcerationen Erwähnung gethan
wird, so ist die Analogie mit dem von mir geschilderten Krankheitsbild
ganz evident, wenn auch in unseren Fällen eine Ausdehnung des
Proce^ses über die Totalität der Urethra, wie in den weit vorge¬
schrittenen Fällen von Schroeder, und die Permeabilität der Harnröhre
für den Finger fehlten. Auch die subjectiven Symptome zeigen grosse
Analogie: »Die Symptome, welche durch diese ausgedehnten Ver¬
schwärungen hervorgebracht werden, sind in einzelnen Fällen un¬
glaublich gering. Besonders trifft dies für die Ulcerationen an der
Harnröhre zu. Selbst in Fällen, in denen der Finger ohne weiteres in
die Blase gelangt, fehlt in der Regel vollständige Incontinenz . . .,
in einzelnen Fällen sind gar keine Störungen vorhanden. Auch die
Schmerzhaftigkeit ist gering.« Weitere Züge sind die starke Neigung
zu Recidiven, andererseits die leichte Beeinflussbarkeit durch einfache
Ruhe und Reinlichkeit. Immerhin ist in den älteren Fällen allein
von einer radicalen chirurgischen Behandlung Heilung zu erwarten.
Bezüglich der Aetiologie der Ulcerationen schiebt auch Schroeder
der Syphilis die Hauptrolle zu. »Ich glaube, dass sie traumatisch auf
luetischem Boden entstehen. Das Trauma wird durch den Coitus ge¬
bildet*); indem insbesondere bei etwas weit vorn gelagerter Vulva
der Penis die Harnröhrengegend unverhältnissmässig heftig in An¬
spruch nimmt.
*) Prostitution bei einer Anzahl dieser Kranken!
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106
Dr. Georg Löwenbach.
Unter bestimmten Verhältnissen nun bilden sich an den ge¬
drückten Stellen Ulceratiouen heraus, die, da die schädlichen Ein¬
flüsse andauern, nicht mehr heilen. In der Regel ist es nach meiner
Ueberzeugung die Syphilis, welche die Schuld trägt. Ich glaube, dass
durch die Syphilis in dem gereizten und entzündeten Gewebe Granu -
lationsprocesse erzeugt werden, deren Producte in hohem Grade die
Neigung zum Zerfall haben.
Für die syphilitische Natur spricht auch die häufige Combination
mit augenscheinlich luetischen Ulcerationen und Stricturen des Rec-
tums und die chronischen, elephantiasisarligen Schwellungen der Vulva,
die ebenfalls auf syphilitischem Boden sich bilden.«
Ueber einen Process chronischer Verschwärung der Urethra bei
fünf Frauen im Alter von 26—44 Jahren, von welchen bei vier mit
Sicherheit vorangegangene Syphilis zu constatiren, bei der fünften
nicht unbedingt abzuweisen war, berichtet Landau 29 ), welcher für die
Affection den Namen »Ulcus rodens urethrae« vorschlägt. Die Fälle
werden in folgender Weise beschrieben:
1. Dauer der Affection mehrere Jahre. »Orificium urethrae exter-
num« sternförmig. Es gruppiren sich nämlich von unten und den beiden
Seiten drei Wülste, welche an der Stelle, wo sie sich aneinanderlegen,
tiefe Einkerbungen liervorrufen und so den Ausführungsgang unregel¬
mässig zackig gestalten. Diese Höcker sind ungleich dick, blassröthlich
opak, mit Eiter belegt. Sie haften mit breiter Grundfläche, sind aus¬
nehmend weich anzufühlen und schwanken in ihrer Grösse von Hirse¬
korn- bis Linsengrösse. Sie gehen nur wenig weit auf die Vulvaschleimhaut
und flachen sich, je weiter nach aussen von der Hamröhrenmündung
mehr und mehr ab. Entfernt man die Höckerchen, so dringt das erste
Glied des Fingers mit grosser Leichtigkeit auf etwa 2 '/ 2 cm in die klaf¬
fende Oeffnung bis fest in die Harnblase ein; ohne Schmerzen oder
wesentliche Blutung hervorzurufen. Der Canal verengt sich nach innen,
so dass er kegelförmig mi^ der Spitze nach der Blase zu erscheint. Man
Übersicht beim leisen Ziehen an den Rändern den grössten Theil der
Harnröhre, welche ringsherum, auch an der vorderen Wand, wie eine
üppig granulirende Wundfläche erscheint. Wischt man den Eiter weg, so
erscheint der Weg dunkelroth. Beim Eingehen des Fingers in die Scheide
erscheint die Harnröhre sammt dem periurethralen Gewebe derb infiltrirt.
Jodkali innerlich, locale Aetzungen, sowie Excisionen ohne Erfolg; erst
nach Application 50’/ rt iger Milchsäure Heilung, jedoch Dauererfolg
zweifelhaft.
2. Syphilis seit fünf Jahren, Uretliralaflection seit einigen Monaten.
Schmerz beim Uriniren, partielle Incontinenz, Harnstrahl ist mitunter ge-
theilt, dünn und blutuntermischt. »Die Vulva klafft und der Scheiden¬
eingang ist ganz unregelmässig. Die elephantiastisch bis zur Grösse einer
welschen Nuss angeschwollene Clitoris ragt in den Scheideneingang hin¬
unter. Vor der Harnröhrenmündung liegen zwei Sfdileimhautverlängerungen,
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
107
zwei kleine Lippen, welche nach vorn unter einem spitzen Winkel zusani-
menstossen, nach hinten durch eine kleine Commissur getrennt sind. Wie
Flügelthüren von 1 cm 2 bedecken diese dünnen Scheiben den Ausgang,
ihre Oberfläche ist glatt, bei Berührung nicht schmerzhaft. Schiebt man
sie zurück, so bemerkt man an dem Ansatz der hinteren Harnröhrenlippe
zwei lochförmige Defecte. Der Eingang in die Harnröhre, etwa 2 cm im
Durchmesser weit, unregelmässig buchtig. Die Schleimhaut hochroth, mit
Eiter belegt; es erscheint eine Reihe von kleinen Knötchen. Die Finger¬
spitze dringt auf etwa 3cn» vor und gleitet auf Rauhigkeiten. Bei der
Einführung des Fingers in die Scheide fühlt man einen derben harten
Strang in der vorderen Wand.«
3. Syphilis seit drei Jahren, Process am Genitale seit zwei Jahren.
Schmerz beim Uriniren, Urin mitunter blutig. »Harnröhrenöffnung nach
rechts verzogen, ist ganz ungleichmässig. Einige Excrescenzen der Harn¬
röhrenschleimhaut ragen wie kleine Höckerchen hervor, und besonders
einer, von der linken Wand ausgehend, lagert sich vor die Mündung.
Schiebt man diese zur Seite, so sieht man, dass die hintere und rechte
Wand auf etwa i / 2 cm im Radius vollständig weggefressen ist. Die Wand
der Schleimhaut hochroth, mit Eiter bedeckt, wie ein zu üppig granu-
lirendes Geschwür aussehend. Die Kuppe des kleinen Fingers gleitet be¬
quem in die Harnröhre, ohne Widerstand zu Anden. Sehr geringer Schmerz,
aber leichte Blutung. Der Finger fühlt lauter Unebenheiten, bald kleinere,
bald grössere Körner.« Heilung nach Jodkaligebrauch und fortgesetzter
Aetzung mit 50%iger Milchsäure.
4. Dauer der Syphilis, sowie des Krankheitsprocesses mehrere Jahre.
Schmerzen beim Uriniren, der Urin kann mitunter nicht gehalten werden.
Es findet sich ein etwa zehnpfennigstückgrosses Orificium externuin ure-
thrae, über welches sich die vordere Scheidenwand gewissennassen ectro-
pionirt hinüberlagert. Die Harnröhre macht den Eindruck, wie wenn ihre
ganze Mündung weggefressen ist, und stellt auch hier einen nach der Blase
sich verjüngenden Kegel dar. Man kann leicht mit dem Zeigefinger bis
an den Blasenhals Vordringen und fühlt, dass die verkürzte Harnröhre
nicht einen cylindrischen Gang wie normal darstellt, sondern eine un¬
regelmässig ausgebuchtete Höhle. Die Harnröhre ist mit hochrothen, bei
Berührung schmerzhaften Granulationen belegt, die leicht bluten. Nach
fortgesetzter Cauterisation Besserung; Dauererfolg zweifelhaft.
5. Hat vor Jahren dreimal hintereinander abortirt; Dauer des Ul-
cerationsprocesses vier Jahre. Es besteht Incontinentia urinae besonders
im Liegen. »Harnröhre unvollständig. Der Blasenhals mündet mit fast
daumendicker Oeffnung unmittelbar in die Scheide ein. Er ist besetzt mit
hochrothen, bei leisester Berührung leicht blutenden kleinen Granulationen;
die vordere Scheidenwand ist mit zwei seitlichen Lappen in die Blase
hinein ectropionirt. Die Granulationen setzen sich nicht in die Scheide
fort und ragen nur auf eine kurze Strecke gegen die beiden Schenkel der
Clitoris hin in die Höhe.« Es musste eine Art completer Urethroplastik
ausgeführt (die Harnröhre neu und eng formirt), aus der Incontinenz eine
Retention gemacht werden. Der Erfolg war günstig, doch kam, nachdem
auch das Rectum ergriffen worden war, später eine Mastdarmstrictur
hinzu.
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Dr. Georg Lövvenbach.
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Landau resumirt folgendermassen: »Es handelt sieh bei allen
fünf Fällen um einen Process, der zwar schleichend, aber unauf¬
haltsam, jeglicher Therapie trotzend, Schritt für Schritt die Wandung
der Harnröhre vernichtet. Die mitgetheilten Fälle scheinen dafür zu
sprechen, dass von der Harnröhrenmündung die Zerstörung ihren
Anfang nimmt, um später centralwärts fortzuschreiten. Erst dann hört
der Process auf, wenn er das Gewebe vollständig abgefressen bat; er
bleibt also fast rein regressiv. Und gerade hierin, in dem fast voll¬
ständigen Mangel seiner Neigung zur Neubildung der Ausheilung liegt
die Hauptursache. Der klinische Verlauf des Ulcus rodens uretbrae
ist dadurch ausgezeichnet, dass es lange Zeit so geringe Erscheinungen
macht, dass sein Vorhandensein den Kranken sogar vollständig ver¬
borgen bleiben kann.«
Die Prognose erklärt Landau für durchaus schlecht bezüglich
der vollen Heilung, aber leider auch recht bedenklich bezüglich des
Aufhaltens des geschwürigen Zerfalles.
Auch Landau ist geneigt, einen syphilitischen Ursprung der
Affection anzunehmen. Für Tubereulose oder Carcinom fehle jedes
Kriterium. Mikroskopisch charakterisirt sich die Krankheit als »eine
heftige Entzündung mit sehr geringer Neigung zur Bindegewebs¬
neubildung«; also keine eigentlich für Gumma charakteristischen Be¬
funde. »Wir können daher sagen, dass es sich bei diesem Vorgänge
um Folgeerscheinungen der Syphilis nur in dem Sinne handelt, dass
diese hier in der Harnröhre einen günstigen Boden geschaffen hat,
auf welchem fortwährend wirkende Entzündungsreize Verschwärung
bedingen und in welchem eine Heilung, das heisst Bindegewebsneu¬
bildung wegen der constitutionellen Krankheit nicht zu Stande
kommen kann. Landau knüpft hieran einen Vergleich mit den Ulce-
rationen und Stricturen im Rectum Syphilitischer und weist auf die
Analogie mit seinen Urethral fällen hin. »Fassen wir das eben Gesagte
zusammen, so stehen wir nicht an, dem Ulcus rodens urethrae den
syphilitischen Charakter zuzusprechen, bemerken jedoch, dass die
Syphilis nur die Grundlage abgibt, auf welcher die schuldige Ursache,
deren besondere Natur noch unerkannt ist, ihre verderbliche Wirkung
entfaltet.«
Landau citirt den oben erwähnten Fall von Virchow, dessen
Veränderung er als vom Endstadium der von ihm beschriebenen Pro-
cesse zu entsprechend ansieht.
Wir haben den eitirten Auseinandersetzungen wenig hinzuzufügen,
bemerken nur, dass die fünf Fälle mit der uns interessirenden Afiec-
tion grosse Analogie bieten und nur in einem weit vorgeschritteneren
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
109
Stadium als irgend einer unserer Fälle zur Beobachtung und ärztlichen
Behandlung gekommen zu sein scheinen. Demgemäss kann auch die
mikroskopische Untersuchung nur dieses späte Stadium repräsentiren,
in welchem ein fOr Syphilis charakteristischer histologischer Befund
nicht mehr zu erwarten wäre.
Ob mit diesem »Ulcus rodens urethrae« nach Landau ein von
Browicz 30 ) mitgetheiltes »Ulcus corrodens« identisch ist, konnte ich
Mangels des Originals und Keferates (russisch!) nicht constatiren.
Dagegen gibt Veit 31 ) eine auf Grund fremder und eigener Beob¬
achtungen basirende, eingehende Darstellung des Processes, welchen
auch dieser Autor als »Ulcus rodens vulvae« benennt. Er fasst unter
dieser Bezeichnung zusammen Fälle, welche von anderen Autoren als
Lupus*), Esthiomenos*), Ulcus chronicum elefantiasticum *), beschrieben
wurden, sowie einzelne Fälle von Elefantiasis vulvae. "
In der Schilderung des Krankheitsbildes schliesst er sich eng
an Schwedens Beschreibung an, betont das gleichzeitige Vorkommen
syphilitischer Mastdarmstricturen und Fistelprocesse und schildert in
besonders ausführlicher Weise den Vorgang in der Urethralgegend.
»Ist der Process noch nicht weit gediehen, so erscheint der Urethral¬
wulst starr infiltrirt, blauroth, prall ödematös, an der Urethralmündung
ein uleeröser Process, welcher trichterförmig gegen die Tiefe vor¬
dringt; später kommt es zu immer weiter greifender Zerstörung der
Urethralwände rechts und links, dementsprechend der Canal verkürzt,
die trichterförmig in die Tiefe verlagerte Urethralöffnung und erhalten
gebliebene Wände der Harnröhre narbig. Schliesslich hat die Harn¬
röhre den Schleirahautcharakter verloren und liegt als blasse, glatte*
narbenartige Fläche bloss. Das Urethralostium ist verengt oder dilatirt,
in Narbenmasse eingebettet.«
Veit erklärt die von anderen Autoren beschriebenen hypertro¬
phischen, ulcerösen, erythematösen. serpiginösen, tuberösen und per-
forirenden Formen nur als Varietäten eines Krankheitsprocesses,
welcher mit dem Gesammtbilde unserer 28 Fälle vollständig
identisch ist.
Hiemit in Uebereinstimmung steht auch die Geringfügigkeit der
subjectiven Symptome, von welchen höchstens mitunter Incontinentia
*) Das echte tuberculöse Geschwür unterscheidet sich nach Veit vom Ulcus
rodens urethrae »durch das Fehlen jeglicher elephantiastiseher Wucherungen und
durch das Vorhandensein verkäster Tuberkel, sowie den regelmässigen Befund von
Bacillen« und die starke locale Schmerzhaftigkeit, ln der That zeigen die tuber-
culösen Geschwüre der Vulva, welche wir an der Klinik hie und da zu sehen be¬
kommen, diese Charaktere in typischer Weise.
Z«itschr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. Anat. u. verw. Disciplinen. 8
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Dr. Georg Löwenbach.
urinae den Kranken lästig werde. Dagegen hebt auch Veit die un¬
günstige Prognose in Bezug auf die häufige Wiederkehr und Progre¬
dienz der Ulcerationen hervor. Immerhin kann die Heilung durch
ruhiges Liegen unterstützt werden, wenn auch meist energischeres
Eingreifen (Aetzung mit Lapis, Milchsäure, Cauterisation mit Paquelin)
und in verzweifelten Fällen chirurgische Abtragung und Urethropla-
stik am Platze sind.
Mikroskopisch charakterisirt sich die Affection als ein Granu-
lationsgewebe. an der Oberfläche mit Neigung zur Exulceration, in
der Tiefe mit Neigung zu Bindegewebsneubildung, ohne besondere
Charaktere.
Demnach wendet sich Veit gegen die von anderer Seite ange¬
nommene tuberculöse Natur der Affection, hält auch die Clceration
selbst nicht für syphilitisch. »Dass jedoch syphilitische Infection
vorangegangen ist, darf man wohl für die meisten Fälle ruhig an¬
nehmen.«
Veit drückt sich also in Bezug auf den Zusammenhang des
Ulcus rodens vulvae mit Syphilis sehr reservirt aus. Aehnlich verhält
er sich auch in Betreff der Elefantiasis vulvae, deren Zusammenhang
mit dem Ulcus rodens ein so inniger ist, dass sie oft schwer zu
trennen seien. Bei der Elephantiasis wiegt das auch beim Ulcus rodens
vorhandene hypertrophirende Moment vor, ohne besondere Neigung
zu ulcerösen Processen. Ein directer Zusammenhang desselben mit
Syphilis ist nicht sicher constatirbar, immerhin steht fest, »dass
Frauen, die syphilitisch inficirt sind, leichter diese Erkrankung, ebenso
wie das Ulcus rodens, bekommen«.
Gegen die syphilitische Natur spricht sich Oedmannson 32 ) aus.
Er berichtet über vier Fälle, deren Beschreibung (mir nur im Referat
zugänglich) völlige Identität mit den unserigen ergibt. Die Affection
beginnt in der vorderen Partie, greift weiterhin auf die Urethra in
grosser Ausdehnung über. Zunächst zeigt sich knollenförmige, harte,
wacbsartig glänzende Schwellung und Verziehung des Orificium ure-
thra zu unregelmässiger Form. Später tritt Uleeration der Wände des
Canals hinzu.
Meistens sind die subjectiven Symptome, insbesondere die
Schmerzhaftigkeit gering, höchstens verspüren die Kranken Brennen
beim Uriniren. Es kann jedoch weiterhin zu Urinretention oder zu
Urinincontinenz kommen. Mikroskopisch zeigt sich das Epithel verdickt,
die Hauptgrundlage des Processes bildet jedoch ein zelireiches diffuses
Granulationsgewebe. Die Affection ist ungemein chronisch und hart¬
näckig, schwer heilbar und nach scheinbarer Heilung recidivirend,
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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kann mit vollständiger Zerstörung der gesammten Urethra endigen.
Die wirksamste Behandlung ist die chirurgische.
In drei von den vier Fällen war Syphilis mit Sicherheit, im
vierten nicht sicher vorhergegangen. Dennoch glaubt der Autor nicht
an einen directen Zusammenhang mit Syphilis, da in einem der drei
Fälle Hg gegen die Affection ohne Erfolg angewendet wurde und
andererseits die übrigen Fälle, wenigstens temporär, ohne antisyphiliti¬
sche Therapie heilten.
Auch der histologische Befund enthalte nichts für Syphilis Be¬
weisendes und entspreche lediglich dem Bild einer chronischen Ent¬
zündung. Alle vier Fälle betrafen Prostituirte, so dass doch hier
immerhin an eine gemeinsame Wirkung der Syphilis mit oft wieder¬
holten mechanischen Insulten gedacht werden könnte.
Zu wiederholten Malen hat Taylor 33 ) einschlägige Beobachtungen
publicirt und dann in einer Arbeit über »Chronic inflammation, in-
filtration and ulceration of the external genitale of women, with a
consideration of the question of esthiomene or lupus of these parts«
znsnmmengefasst, welche mir nur im Referat (von Jadassohn ) zu¬
gänglich war. Taylor unterscheidet sechs verschiedene Arten chroni¬
scher Ulceration mit Elephantiasis; die hier berührten Processe fallen
in die Gruppe »Hyperplasien bei chronischen Geschwüren in Folge
frischer und älterer Lues« und »Hypertrophien bei alter Lues ohne
specifischen Charakter«. Taylor beschreibt sie als ungemein chronisch,
an sich nicht maligne, jedoch sehr hartnäckig, leicht recidivirend,
mit Perforations- und Fistelbildung combinirt, so dass schliesslich
psychische Depression und körperliche Emaceration der Kranken mit
Phthise oder intercurrirender Peritonitis den Verlauf ungünstig be¬
einflusst. Die histologische Untersuchung (vorgenommen von van
Gieson) ergab eine chronische Entzündung und Bildung eines
Granulationsgewebes, stellenweise auch circumscripte Anhäufungen
desselben mit Riesenzellen, jedoch ohne Verkäsung, ohne Tuberkel-
strnetur, ohne Bacillen, meist mit perivasculärer Anordnung. Dem¬
entsprechend weist Taylor jeden Zusammenhang mit Tuberkulose oder
Scrophulose zurück, ebenso die Bezeichnung der Affection als Lupus,
Esthiomenos u. dgl., schiebt dagegen das mechanische Moment
(wiederholte Traumen, Unreinlichkeit) in den Vordergrund und legt das
Hauptgewicht für die Entstehung des eigenartigen Ulcerationsproeesses
auf Rechnung der Syphilis, nämlich speciell der allen alten Luetikern
innewohnenden »Neigung der Gewebe zu Uleerationen und Hyperplasie«.
Erwähnt sei ferner der Vollständigkeit halber ein »Beitrag zur
Kenntniss der uleerativen Läsionen der Vulva« von Grace Peclcham . :M )
8 *
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Dr. Georg Löwenbach.
In einem der daselbst erwähnten Fälle handelte es sieh um chronische Ge¬
schwüre an den Labien, welche gegen den Introitus vaginae und den Anus
vordrangen, während die freigebliebenen Partien zu knolligen Wülsten
umgestaltet waren. Mikroskopisch fand man ein uncharakteristisches
Granulationsgewebe ohne Verkäsung, ohne Riesenzellen. Die Autorin
setzt den Fall in Analogie mit den als »Lupus vulvae« in der
Literatur beschriebenen Fällen (siehe unten), ohne ihm jedoch lupöse
Natur zuschreiben zu können. Bemerkenswerth ist die sicher constatirte
Syphilis des Ehegatten der Frau und der prompte Rückgang der
Krankheitserscheinungen (dieselben haben seit acht Jahren bestanden 1
nach Einleitung antisyphilitischer Therapie.
Aehnlicb verhält es sich mit einem von Barbour 35 ) publicirteu
Falle. Er beschreibt als »Ulcus serpiginosum of the vulva« einen
mehrere Jahre vorher von Angas Macdonald 36 ) beobachteten, operirten
und als »Lupus« aufgefassten Fall, in welchem »the whole vulvo-anal
region appeared as an ulcerated surface covered with faintish red
granulations«. Dauer des Processes mehrere Jahre. Histologisch waren
Tuberculosis jeglicher Form und Carcinom auszuschliessen, dagegen
Syphilis nicht abzuleugnen.*)
Die Urethra zeigt ferner starke Betheiligung in einem Fall von
Schramm . 3T )
29jährige Arbeiterin mit mehrjähriger Dauer des Processes. »Die
in dicke, unregelmässig knollige Wülste verwandelten kleinen Schamlippen
bedecken mit dem bedeutend vergrösserten Praeputium clitoridis ein fast
gleichsehenkeliges Dreieck von bläulichrother Farbe, bedeckt mit einem
klebrig-eitrigen Secret. Der Urethralwulst ist stark verdickt und fühlt
sich hart an. Aus der Urethra, die für einen Finger bis zur Blase leicht
durchgängig ist, tliesst zeitweilig Urin ab; es besteht Incontinentia urinae.«
Quecksilbertherapie erfolglos; Heilung erst nach Exstirpation der ganzen
erkrankten Partie.
Die mikroskopische Untersuchung (Befund von Nedsen ) ergab
ein lockeres Bindegewebe mit herdförmigen Infiltrationen von peri-
vasculärer Anordnung, ohne Riesenzellen oder Verkäsung. »Der Befund
lässt es als wahrscheinlich annehmen, dass hier neben Elephantiasis
eine syphilitische Entzündung besteht.« Bei der Patientin bestanden
in der That Narben nach papulo-pustulösem Exanthem. Schramm hält
zwar den ätiologischen Zusammenhang zwischen der Ulceration und
der Syphilis nicht für erwiesen, immerhin gesteht er die Möglichkeit
*) Die in Unna's Histopathologie als Ulcus serpiginosum beschriebene
Affection ist als einer der heute selten gewordenen Fälle von Ulcus venereum serpi¬
ginosum aufzufassen.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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der Einwirkung der in diesem Falle bestehenden Syphilis auf die
Hartnäckigkeit der hyperplastischen Veränderung zu.
Die Arbeiten von Ehrhardt 38 ) über »Chronische Ulceration der
weiblichen Urethra* (Dissertation, Breslau 1884) und von Schmarbeck 39 )
(Dissertation, Berlin 1877) über das gleiche Thema waren mir nicht zu¬
gänglich ; die letztere referirt übrigens nur in extenso über einige schon
von Schroeder beschriebene Fälle.
Das »Ulcus simplex chronicum sive elefantiasticum« der Vulva,
von welchem Koch 40 ) 20 Fälle mittbeilt, ist ebenfalls mit der hier
behandelten Affection identisch. Ich gebe hier nur diejenigen Fälle
wieder, in welchen die Harnröhre eine besondere Betheiligung zeigte.
Fall 5. Prostituirte mit seit mehreren Jahren bestehender Syphilis;
doppelseitige Lymphdrüsenexstirpation vor mehreren Jahren. »Bald nach
der Operation schwollen die grossen Labien an. Zugleich kam es zur
Bildung chronischer Ulcerationen, vorzüglich am Harnröhreneingang, welche
allmälig die untere Partie desselben vollständig zerstörten, respective zur
Entstehung einer Urethrovaginalfistel Veranlassung gaben. Patientin ist
wegen dieser Fistel oft, aber stets erfolglos operirt worden ... In Folge
der vorgenommenen Operationen besteht eine beträchtliche Deformation
des Scheideneinganges; derselbe ist durch etwa zwei Finger breite, schräg
unterhalb des Harnröhrenendes verlaufende Narbenzüge fast vollständig
verlegt . . . Augenblicklich bestehen keine Ulcerationen.« Der Urin fiiesst
continuirlich ab, Patientin wird hiedurch stark belästigt.
Fall 9. Prostituirte mit vor mehreren Jahren exstirpirten Lymph-
drüsen in der rechten Inguinalbeuge und beginnender Lungenphthise. »Das
obere Drittel der Innenfläche des rechten kleinen Labiums ist von einem
markstückgrossen, dunkelroth glänzenden, wenig speckig belegten und fast
glatten Ulcus eingenommen, dessen Ränder wulstig verdickt und leicht
unterminirt sind. Der Grund und die Umgebung des Ulcus sind mässig
infiltrirt: einzelne Stellen fühlen sich indes knorpelhart an. Die Um¬
gebung der Hamröhrenmündung ist derb gewuchert, so dass die letztere
auf der Spitze eines stumpfen Kegels liegt; dieser besteht aus blassrothem,
unregelmässig gebuckeltem Gewebe, dessen Oberfläche leicht granulirt er¬
scheint. Rechts neben dem Harnröhreneingang dickes, narbenartiges Ge¬
webe. Patientin hat angeblich keine Lues gehabt. . .; trotzdem erhält
sie drei Wochen hindurch zuerst 3, dann hg Jodkali täglich, ohne den
mindesten Erfolg. Nach einem Vierteljahr war das Ulcus ziemlich unver¬
ändert, nur der untere Rand war flacher geworden und ein schmaler
Saum der Geschwürsfläche mit zarter Epidermis bedeckt.«
Fall 12. Prostituirte mit seit zwei Jahren bestehender Syphilis, vor
fünf Jahren doppelseitige Leistendrüsenexstirpation. Ulcerationsprocess am
Genitale seit zwei Jahren. »Starke Schwellung der grossen und kleinen
Labien, die Labien sind unregelmässig zerklüftet und mit vielfachen
Rhagaden und Fissuren bedeckt. An der unteren Commissur zahlreiche
elephantiastische und polypöse Wucherungen, die zum Theil exulcerirt
sind. Aehnliche Exulcerationen finden sich auf der Innenseite der kleinen
Labien und am Orificium urethrae.«
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Dr. Georg Löwenbacb.
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Fall 15. Prostituirte mit vor vier Jahren erfolgter Vereiterung der links¬
seitigen Leistendrüseu. »Seit drei Wochen bemerkt Patientin ein Geschwür in
der Vulva. Das Orificium der Harnröhre ist von papillomatösen Wucherungen
umgeben, welche zum Theil erodirt sind und nach unten von einem
flachen, wenig inflltrirten, speckig belegten Ulcus eingenommen werden,
welches halbkreisförmig den Harnröhrenwulst umgibt. Die Ränder des
Ulcus sind glatt, die Umgebung lebhaft geröthet, wenig infiltrirt.«
Fall 19. Prostituirte mit seit neun Jahren bestehender Syphilis
und seit Jahren bestehenden oftmals behandelten Ulcerationen ad anum
et urethrae. »Die Haut des Dammes fehlt vollständig, so dass die Schleim¬
haut der Vulva direct an die des Anus grenzt. Zahlreiche polypöse und
elephantiastische Wucherungen, Zwischen denen sich Erosionen, Fissuren
und tiefere Geschwüre befinden, nehmen die kleinen Labien, die Um¬
gebung der Hamröhrenmündung und des Anus ein. Letzterer ist trichter¬
förmig und in Folge einer Narbenstrictur nur für ein federkieldickes
Bougie durchgänglich. Patientin gibt an, den Koth nur in Form eines
dünnen Bandes entleeren zu können.«
Von den Auseinandersetzungen, welche Koch an die Schilderung
seiner Fälle knüpft, sei Folgendes hier erwähnt: »Es kommt an den
weiblichen Genitalien, besonders häufig bei Prostituirten, eine
chronische, aus elephantiastischer Verdickung und l T lceration sich
zusammensetzende, ausserordentlich schwer therapeutisch zu beein¬
flussende, unseres Wissens nicht specifische Affection vor, die
sich mit Vorliebe bei Patienten findet, welche eitrige Processe in den
Inguinaldrüsen durchgemacht haben.« (Von den 20 Fällen Koch’s
war in 12 doppelseitige, in 7 einseitige Drüsenvereiterung oder
Exstirpation vorausgegangen; 17 Patientinnen waren Prostituirte.) »An
dieser Veränderung nimmt die Schleimhaut der Hamröhrenmündung
und des Scheideneinganges häufig in Form diffuser Ulcerirung theil.
Es kann hier zur Bildung papillärer Wucherungen kommen von
meist blassrother, manchmal bläulichweisser Farbe und theils weicher,
theils aber auch sehr derber Consistenz; sie bilden in manchen Fällen
ausgedehntere Beete, so dass sich in hochgradigen Fällen fast eine
Strictur des Scheideneinganges ausbildet. Ebenso können sie die
Harnröhrenmündung und deren Umgebung einnehmen; das Freilegen
des Harnröhreneinganges, respective das Einführen eines Katheters
ist dabei oft völlig unmöglich. Manchmal besteht dabei Incontinentia
urinae.« Was die Ulcerationen selbst betrifft, so ist ihre Form un¬
regelmässig, »ihre Ausdehnung sehr wechselnd, doch reichen sie
selten über Thalcrgrösse. Ihr Grund ist höckerig und gar nicht oder
nur sehr wenig speckig belegt, vielmehr glänzend, von heller oder
dunkler, in einzelnen Fällen auch gelblichrother, fast bunt gesprenkelter
Farbe. Die Ränder sind callös verdickt, ohne jede Neigung zur
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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Epidermisirung, manchmal allmälig flacher werdend, meist aber steil
abfallend. Das gesamrate Ulcus ist, gleich seiner Umgebung, bald
mehr, bald weniger derb infiltrirt und meist von geringer, selten von
beträchtlicher Tiefe. In letzteren Fällen sind die Ränder oft unterrainirt,
so dass Schleimhautlappen Ober die Ulcera hereinhängen, manchmal auch
unregelmässig gezackt, häufig wie ausgefressen; sie zeigen gelegentlich
Neigung, an der einen Seite peripher weiter zu schreiten und auf der
anderen Seite zu heilen. Sie können ferner zur Perforation der kleinen
Labien, ja in sehr seltenen Fällen sogar zur Zerstörung ganzer Harnröhren¬
abschnitte Anlass geben. Der Verlauf aller dieser Formen ist ein
äusserst chronischer.« Auch Koch betont das gleichzeitige Vorkommen
(sieben seiner Fälle) und die Analogie mit Anal- und Reetalsyphilis.
Berücksichtigt man ausserdem die auch von Koch zngegebene Gering¬
fügigkeit der subjectiven Beschwerden und die stete Neigung zur
Recidive, so ist wohl gegenüber dem von uns geschilderten Krank¬
heitsbild ein Unterschied nicht zu constatiren.
Bei der mikroskopischen Untersuchung eines Geschwüres erhielt
Koch das Bild eines oberflächlich erodirten, aus Plasma- und Lymph-
zellen bestehenden Granulationsgewebes ohne Riesenzellen, somit einen
mit dem von uns in diesem Stadium erhobenen übereinstimmenden,
wenig charakteristischen Befund. Eine der elephantiastischen Wucherun¬
gen zeigte einen Aufbau aus Granulationsgewebe mit Riesenzellen und
Bindegewebshyperplasie. Diese Befunde gestatten nach Koch keinen
directen Schluss auf das Wesen der Krankheit.
Ueberhaupt steht Koch auf dem Standpunkt, nicht einen Factor
allein als Hauptursache der Affection anzuschuldigen, sondern er be¬
tont, »dass es fast immer das Zusammenwirken mehrerer Factoren
ist, welche zu dem im Ganzen einheitlichen Bilde führen«.
Eine besondere Wichtigkeit legt Koch dem mechanischen Moment
bei. Als solches kommen zunächst die bei dem Beruf der Patientinnen
(17 von 20 waren Prostituirte) häufigen äusseren Traumen beim
Coitus in Betracht. Sodann verweist Koch darauf, dass in 19 Fällen
eine Störung der Lymphabfuhr vom Genitale in Folge ein- oder
doppelseitiger Lymphdrüsenexstirpation oder totaler Drüsenerweiterung
durch Bubo bestanden habe.
»Eine besondere Bedeutung für das Zustandekommen sowohl der
byperplastischen als der ulcerativen Veränderungen ist vielleicht der
Syphilis zuzuschreiben. (In 17 Fällen von 20 war vorausgegangene
Lues mit Sicherheit, in 3 nicht sicher zu constatiren.) Es erscheint
sehr wohl möglich, die allen Luetikern innewohnende Neigung zur
chronischen Bindegewebshyperplasie und Ulceration auf den verän-
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Dr. Georg Löwenbach.
derten Zustand der Gefässe zurfickzuführen.«*) Als eigentlich speei-
fisch erscheint aber nach Koch die Affection dennoch nicht; ersucht
den Unterschied gegenüber eigentlich tertiären Geschwüren festzu¬
stellen, deren er allerdings selbst nur äusserst wenige gesehen zu
haben scheint. Immerhin aber gesteht Koch zu, »dass wahrscheinlich,
das Vorhandensein von begünstigenden Circulationsstörungen irgend
welcher Art vorausgesetzt, an Producte der Lues sich chronische
Ulceratiouen anschliessen können. Diese dürfen dann aber nicht mehr
als specifisch angesprochen werden, sie haben vielmehr die wohl cba-
rakterisirten klinischen Eigenthümlichkeiten von chronischen, nicht
infectiösen Ulcerationen angenommen, deren indifferenter Charakter
sieh unter anderem darin zeigt, dass sie die Reactionsfahigkeit auf
Hg und JK völlig eingebiisst haben.«
Koch wendet sich in entschiedener Weise gegen die Versuche,
die Affection als Lupus und Esthiomenos zu charakterisiren, und resu-
mirt: »Um kurz zu recapituliren, handelt es sich also bei dieser
Affection um partielle Ernährungsstörungen des Gewebes, die sich in
erster Linie in Folge behinderten Lymphabflusses und fortgesetzter
Traumen, oft auf einem durch die Lues vorbereiteten Boden entwickeln
und sich in einer Neigung der betroffenen Partien theils zu hyper¬
plastischer Verdickung, theils zu oberflächlichen, seltener tiefergrei¬
fenden Ulcerationen äussern.«
Jada8sohn u ) äussert sich über die Aetiologie der »chronischen
Ulcerationen der Vulva« weit reservirter. Er constatirt die Identität
der Affection mit dem weiter unten zu besprechenden Syraptomen-
complex des »Esthiomenos«, spricht aber einerseits nur von einer
»Prädisposition«, welche die Ausräumung der inguinalen Lymphdrüsen
für die Erkrankung »zu schaffen scheint«, und hält es andererseits
»für kaum berechtigt, die eine oder die andere dieser Erkrankungs¬
gruppen als parasyphilitisch in dem Sinne zu bezeichnen, dass sie
zwar nicht selbst eigentlich syphilitisch sind, sondern nur auf einem
syphilitischen Boden Vorkommen.«
Lauro n ) berichtet über einen Fall von »Elefantiasi del clitoride
e fistola vesieo-vaginale da causa traumatica in donna sifilitiea«, wo
bei einer 27jährigen Prostituirten. welche der Masturbation ergeben
und seit Jahren syphilitisch infic-irt war, eine elephantiastische Ver-
grösserung der 7 cm langen Clitoris und narbige Veränderungen iu
deren Umgebung mit Incontinentia urinae und zwei Urethrovaginal¬
fisteln combinirt war. Chirurgische Therapie. Der Autor erklärt den
ganzen Vorgang dahin, dass die Fistel- und Narbenbildung direct als
*) Vgl. unsere histologischen Befunde
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
117
Folgezustände nach exulcerirten gummösen Infiltraten zu betrachten seien:
das syphilitische Gewebe mit seiner grossen Neigung zu chronischen,
entzündlich-hyperplastischen Processen habe zur Neubildung elephan-
tiastischen Bindegewebes durch die Masturbation reichliche chronisch¬
locale Reize gefunden.
Bandler* 3 ) schreibt in seiner Arbeit »Zur Kenntniss der elephan*
tiastischen und ulcerativen Veränderungen des äusseren Genitale und
Rectum bei Prostituirten« der Syphilis eine grosse Rolle in der Patho¬
genese zu. Dass die von ihm beschriebenen Fälle mit den unserigen
analog sind, zeigt die von ihm gegebene Schilderung des Processes
in seiner Wirkung auf die Harnröhre: »Die Schleimhaut der Urethra
kann entweder primär exulceriren oder es kommt zu hochgradiger
entzündlicher Schwellung und Proliferation der Urethralschleimhaut,
so dass diese knopfförmig aus der Urethralöflhung herausgedrängt
wird. Anfänglich zeigen sich nur seichte Geschwüre, die allmälig
tiefer greifen und zu wuchern beginnen, so dass das Orificiura urethrae
oft von wallartigen Wucherungen bedeckt erscheint. Die Karunkel an
der Harnröhre erscheint oft zerstört, der Urethralwulst in die Scheide
hinabgedrängt oder förmlich abgekappt, so dass an der ihm ent¬
sprechenden Stelle ein horizontaler Spalt mit blassen starren Rändern
erscheint, aus welchem bei besonders schweren Fällen Harn abfliesst
und Incontinentia urinae besteht.«
Als Beispiel erwähnt er eine 27jährige Prostituirte, luetische Infec-
tion vor sechs Jahren, Ulcerationsprocess seit einem Jahr: »Umgebung der
Harnröhrenmündung derb überwuchert, so dass sie schwer auffindbar ist,
die Wucherungen bestehen aus derbem, unregelmässigen Gewebe, dessen
Oberfläche zerfallen erscheint. Ueber und neben dem Orificium ein be¬
legtes. tiefgreifendes Ulcus mit derben Rändern, das sich in die Wucherun¬
gen und bis in die Urethra fortsetzt, links derbes, narbenartiges Gewebe.
Praeputium clitoridis bedeutend vergrössert, die Labien mit Narben ver¬
sehen, das linke kleine Labium länglich, wurstförmig, elephantiastisch, mit
höckeriger Oberfläche.« Nach energischer antiöyphilitischer Therapie erfolgte
langsam Heilung der Uleerationen; die elephantiastischen Wucherungen per-
sistiren.
Vielfach sind auch nach Bandler ulcerüse. narbige und fistulöse
Processe des Rectums mit den Genitalaffectionen combinirt. Von
solchen Fällen, in welchen ausserdem die Harnröhre in Mitleiden¬
schaft gezogen wurde, gehören hieher:
1. 21jährige Prostituirte, Syphilis seit zehn Jahren, Lyraphdrüsen-
operation vor acht Jahren, Ulcerationsprocess seit sechs Jahren. Uleera¬
tionen an den Labien, narbige Structur der Vagina, narbige und ulceröse
Veränderung an der Analöffnung. »Besonders verdickt erscheint auch das
Praeputium clitoridis, das schürzenförmig herabhängt. Die Harnröhren-
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L)r. Georg Löwenbacli.
möndiing ist hinter eiuem dicken Wulst verborgen, dieselbe scheinbar
vergrössert mit narbigen Veränderungen der Schleimhaut An der Innen¬
fläche der Nymphen, besondere nach links ein kraterförmig unregelmässiges
Ulcus mit schlaffen Granulationeu und derben wallartigen Rändern, das
sich auch nach rechts fortsetzt.« (Vergleiche weiter unten die Arbeit von
Wnelsch.')
3. 28jährige Prostituirte, Syphilis seit sieben, Ulcerationsprocess seit
drei Jahren Ulceröse und narbige Veränderungen an den Labien und in
der Vulva, Rectovestibularfistel. Ulceration ad anum, Rectalstrictnr; ausser¬
dem »an der Urethra livide Wucherungen«. Schmiercur und Bougirung:
die Ulcerationen heilen, die Strictur wird gebessert.
Bandler äussert sich weiterhin: »Mir ist gerade bei der Beob¬
achtung dieses Processes in erster Linie aufgefallen, dass alle damit
behafteten Patienten Lues überstanden hatten. loh würde der Ansicht
huldigen, dass in erster Linie als Ursache dieser Veränderungen die
überstandene Lues anzusehen ist. dass das Ulcus vulvae eiue para¬
syphilitische Erkrankung ist, ein Destructionsprocess auf syphilitischem
Boden. Unterhalten und gefördert wird dieser Process durch die ge¬
störte Circulation in Folge der vereiterten oder sclerosirten Lymph-
drüsen und insbesondere durch den Druck, der sich in Folge einer
Rectumstrictur ausbildet. Gegen die Annahme, dass Traumen und
Reize (allein!) wie sie bei Prostituirten Vorkommen, die Ursache dieser
Veränderungen sind, spricht der Umstand, dass solche Erkrankungen
auch bei nicht prostituirten Frauen Vorkommen.«
Dagegen spricht zu Gunsten der Annahme eines syphilitischen
Processes: »1. Neben den elephantiastisch ulcerösen Veränderungen am
Genitale finden sich fast stets auch floride oder abgelaufene syphiliti¬
sche Processe, zu deren Folgen wir auch die Rectalstricturen rechnen;
2. können wir vielfach die Erkrankung vom Primäraffect bis zur Ent¬
stehung der Affection beobachten; 3. finden sich Fälle, bei denen
wir keine Mitbetheiligung der Lymphdrüsen antreffen; 4. hat die
antisyphilitische Therapie einen entschieden günstigen Einfluss auf
den Process.« »Ausdrücklich betonen möchte ich aber, dass die Sy¬
philis nur die primäre Ursache dieser Veränderungen ist, zu deren
Ausgestaltung die schlechten Circulationsverhältnisse der Lymphbahnen,
Traumen und Reize in bedeutendem Masse beitragen; insbesondere
ist es die Rectalstrictur, die eine grosse Rolle bei der Ausbildung der
Elefantiasis vulvae spielt.« Und weiterhin finden wir bei Bandler ganz
klar ausgesprochen: »Allem Anschein nach sind die ulcerösen Processe,
welche sich da am Genitale abspielen, zumeist gummöse Processe.«
Die erste von Bandler beschriebene Patientin starb später an
Tuberculosis pulmonum et intestini, und theilte Waelsch das Ergebniss
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
119
der histologischen Untersuchung in einer Arbeit »Ueber die Beziehun¬
gen zwischen ßectalstrictur, Elefantiasis vulvae und Syphilis* mit.
Das Rectum fand sich eingemauert in eine derbe periproctale Schwiele
und enthielt ausser Entzündungs- und Granulationsherden starke Ver¬
änderungen an den Lympbgefässen und Venen: das Endothel in
starker Proliferation, Entzündungsherde in der Media und Intina,
weiterhin Neubildung von Bindegewebe, welche bis zur Verengerung
und Obliteration des Lumens fortschritt. Für diese Meso- und Endo -
phlebitis macht der Autor die Syphilis verantwortlich.
Die inguinalen, iliacalen und lumbalen Lymphdrüsen zeigten voll¬
ständigen Mangel einer eigentlichen Drüsen-(Rinden- und Mark-)
Substanz. Vielmehr hatte den ganzen Bereich der Drüsen ein Granu-
lations- und neugebildetes Bindegewebe eingenommen. Hier zeigten
von den Gefässen insbesondere die Arterien eine charakteristische
Endarteritis obliterans; an den Lympbgefässen bemerkte man Stauungs¬
erscheinungen (Erweiterung des Lumens, unregelmässige Anordnung
der Endothels). Die Drüsen zeigten also »eine chronische Entzündung
mit Bildung epithelioider und Bindegewebszellen auf Kosten des vor¬
handenen adenoiden Gewebes«, wodurch die Drüsenfunction als auf¬
gehoben betrachtet werden muss.
Waelsch sucht nun diese Befunde zur Erklärung der Entstehung
der ulcerös-elephantiastischen Affection am Genitale zu yerwerthen. Er
zieht zunächst das von anderen Autoren herangezogene mechanische
Moment in Betracht, da ja im vorliegenden Fall die Genitalaffection
sich nach Lymphdrüsenexstirpation eingestellt habe. »Der Ausfall der
Function dieser inguinalen Drüsen kann aber nicht die alleinige Ur¬
sache (der elephantiastischen Wucherung) sein, denn einerseits ist die
complete Ausräumung dieser Drüsen nicht immer von Elephantiasis
gefolgt, andererseits tritt die letztere aber auch bei Individuen auf, bei
welchen nur einseitig oder überhaupt gar nicht Drüsen exstirpirt
worden sind.« Der Ausfall der Function der inguinalen Drüsen allein
sei also zur Erklärung ungenügend, denn ausser ihnen sei ja die
Lymphabfuhr vom Genitale auch an die iliacalen Drüsen geknüpft; es
muss also die Ursache eine Schädigung aller regionären Drüsen¬
apparate sein, und eine solche sei in diesem Fall thatsäehlich durch
die syphilitischen Veränderungen an den Gelassen und im Drüsen¬
gewebe gegeben. »Es werden daher die durch Syphilis bedingten
Veränderungen der Drüsensubstauz und der Lymphgefässe in Zu¬
sammenhalt mit den pathologischen Veränderungen der Blutgefässe
ausreichen, um eine durch Stauung bedingte Elephantiasis zu erklären.«
»Das Primäre sind Störungen des die Lymphe abführenden Apparates
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120
Dr. Georg Löwenbach.
und der Blutgefässe durch Syphilis. Im Gefolge derselben entwickelt
sich allmälig elephantiastisehe Veränderung im Bereiche des äusseren
Genitale. Ein in seiner Circulation derart gestörtes Gewebe muss sich
äusseren Traumen gegenüber weniger widerstandsfähig erweisen.
Dadurch kommen Zerfallsprocesse zu Stande, welche nur geringe oder
gar keine Heilungstendenz erkennen und jene Ulcerationen entstehen
lassen.« Die Syphilis ist also nach Waelach das ausschlaggebende
Moment, wobei noch andere Gelegenheitsursachen (Traumen) mit¬
spielen. »Es sind demnach die elephantiastisohen Veränderungen am
Genitale, die Ulcerationen, mittelbar durch Syphilis bedingt; manche
dieser Ulcerationen verdanken auch unmittelbar der Syphilis ihre Ent¬
stehung«, doch könne für den direct syphilitischen Charakter nur die
histologische Untersuchung massgebend sein. Dass JK und Hg ohne
Effect sind, beweist nichts gegen die syphilitische Natur der Affection.
»weil wir ja durch causale Therapie nur das specifisehe Infiltrat be¬
seitigen können, nicht aber das causale Moment, die irreparablen Ver¬
änderungen in den Drüsen und die irreparablen Veränderungen des
Genitale«.
In dem von uns skizzirten Krankheitsbilde, sowie in den soeben
referirteu Mittheilungeu über das »Ulcus elefantiasticum« spielt nächst
dem ulcerativen das hypertrophische Moment, die Elephantiasis eine
grosse Rolle. Bei einzelnen Autoren erscheint ja ein dem unserigen
analoges Krankheitsbild geradezu unter dem Namen »Elephantiasis«.
Von den obgenannten Autoren weist insbesondere Koch auf die
Beziehungen zwischen Elefantiasis vulvae und dem »Ulcus elefantia¬
sticum« hin und gibt anderseits als Unterschied an. dass bei letzterem
doch keine wahre Tumorbildung, sondern eine mehr diffuse Volums¬
vermehrung und Verdickung anzutreffen sei. Immerhin aber scheint
es doch auch für die in Rede stehende Affection von Bedeutung, in
welchem Oonnex Elefantiasis vulvae schlechtweg zur Syphilis steht.
Es wird ja im Allgemeinen der Elefantiasis vulvae eine nahe Be¬
ziehung zur Syphilis von vielen Seiten beigelegt; ganz abgesehen von
dem thatsächlich oft constatirteu Vorkommen der Elephantiasis bei
notorisch mit Syphilis behafteten Individuen, wird in erster Linie hiebei
an die durch Syphilis bedingten Cireulationsstörungen im Gefäss- und
Lyinphapparat augeknüpft, welche zur Stauung und Volums Vermehrung
am Genitale führen sollen — also für die Elephantiasis überhaupt eine
Aetiologie ganz analog mit der für das Ulcus elefantiasticum von
Waelach , Bandler und Koch versuchten Erklärungsweise.
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Die gmninöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
121
So erklärt Winckel für die Entstehung der Elefantiasis vulvae
vorangegangene syphilitische Infection und gleichzeitig mechanische
Veranlassung für wichtig.
Auch Veit* 6 ) erwähnt, dass als Ursache der Elefantiasis vulvae
oft Lymphstauung durch syphilitische Drüsenschwellung oder durch
Lymphdrüsenerweiterung nach Bubo angeschuldigt wird. Fox 41 ) er¬
wähnt das Auftreten der Elefantiasis vulvae, hauptsächlich bei Prosti-
tuirten, bald nach der Syphilisinfection.
Eine ältere hiehergehörige Mittheilung ist auch die von Des-
ruelles iS ) 1844 über zwei Fälle von »Hypertrophie particuliere de la
vulve«. Im ersten Falle bestand gleichzeitig noch syphilitisches Exan¬
them, im zweiten Fall war Syphilis vorausgegangen und übte anti-
svphilitische Therapie einen merkbar bessernden Einfluss aus; in
diesem Fall war auch beiderseitige Lymphdrüsenvereiterung voraus¬
gegangen. Die Affection bestand in ulcerativen und elephantiastischen
Veränderungen an den Labien und der Clitoris; da sie an sich jedoch
nichts für Syphilis Charakteristisches bot, hielt sie der Autor für eine
Affection sui generis, während die Herausgeber der Zeitschrift
(Gossel™ und VoUlemier) für die syphilitische Natur in einer Fuss-
note eintreten.
Mazziotti 49 ) theilte einen Fall von »Elefantiasi sporadica delle
ninfe di una donna sifilitiea« mit, welchen er ebenfalls als durch
Verödung der Inguinaldrüsen (Verschwielung. Verkäsung durch Sy¬
philis) bewirkt ansieht.
Hieher scheinen auch die Fälle von Bryk 50 ) und Ferrari M ) zu
gehören.
Fritsch i<l ) äussert sich folgendermassen: »Wiederholt habe ich
bei grossen Tumoren (von Elefantiasis vulvae) Narben in der Leisten¬
gegend — einen ausgeheilten Bubo — gefunden. Auch Lues ist
demnach ätiologisch wichtig. Es ist dann der Vorgang der, dass die
Lymphe aus den äusseren Geschlechtstheilen nicht abfliessen kann
und sich staut. So entsteht allmälig die Hypertrophie.« Nach Lesser
sind bei Elefantiasis vulvae fast stets Lymphdrüsenschwellungen in
inguine zu constatiren, welche als ursächliches Moment eine Bolle
spielen können.*)
Die speciell der »Elefantiasis vulvae« gewidmete Abhandlung
von Mayer 65 ) gibt ebenfalls als deren Ursachen die auch für allge¬
meine Elephantiasis angeschuldigten Momente an, also auch das soeben
besprochene mechanische Moment.
*) Auch am Genitale des Mannes ist zu wiederholten Malen Elephantiasis, nach
Lymphdrüsenexstirpation oder Vereiterung auftretend, beobachtet worden.
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122
Dr. Georg Löwenbach.
Gerade bei diesem Autor finden wir auch auf eine Form der
Elephantiasis unter dem Namen »Elefantiasis ulcerosa vulvae« hinge¬
wiesen, welche mit dem hier in Rede stehenden Krankheitsbild die
grösste Analogie darbietet. Er äussert sich darüber folgendermassen:
»Als häutige Erscheinungen elephantiastischer Geschwülste sind Ge¬
schwüre anzuführen. Jene secundären Exulcerationen sind ausser¬
ordentlich hartnäckig und werden durch ihren fressenden Charakter
zur wahren LJlcera rodentia (Esthiomenos*). Sie besitzen callöse, ange¬
fressene, unregelmässige Ränder, mit farbigem oder speckigem Grund,
sind meist tief und secerniren eine klebrige, lymphatische, fötide,
die umgebenden Theile anätzende Flüssigkeit. Ich habe in einer nicht
sehr weit vorgeschrittenen Elefantiasis diffusa beider Labien und
Nymphen verhältnissmässig umfangreiche, stationäre ulcerative Proeesse
gesehen, welche das hauptsächlichste Krankheitssymptom bildeten und
dem Beobachter den Eindruck einer besonderen, charakteristischen
Form gewähren werden.«
Es fanden sich beide Labia majora bedeutend vergrössert. die
Geschwulst von festerer Consistenz, dabei elastisch; auch Vulva und
Praeputium clitoridis zeigten eine merkliche Grössenzunahme. In der
unteren Hälfte der grossen Schamlippen fielen sofort eigentümliche,
scharf gezackte, tiefe Geschwüre in die Augen. Dieselben hatten
callöse, härtliche, in der Färbung heller als die Umgebung erschei¬
nende Ränder, speckigen, nässenden, dunkelrothen oder missfarbigen,
theilweise mit trockenen Schorfen bedeckten Grund. Sie waren bei
der Berührung nicht empfindlich. Mayer schlägt für dieses Krankheits¬
bild den Namen »Elefantiasis ulcerosa vulvae« vor; die Be¬
schaffenheit der Geschwüre, die Schmerzlosigkeit und das torpide Ver¬
halten der Affection zeigen auffallende Aehnlichkeit mit unserem
Krankheitsbild, wenn auch die Localisation eine andere ist.
Dagegen ist in Mayer’s Fall 8 die Urethra der Sitz analoger
Veränderungen.
Es handelte sieh um eine 48jährige Frau mit sicher constatirter
und behandelter Syphilis, welche über Harnverhaltung klagt. Es fanden
sich elephantiastische Wülste an Stelle der grossen und kleinen Labien.
»Durch Auseinanderziehen der grossen Schamlefzen legte man an der
Innenfläche der linken Labien eine dunkel pigmentirte, strahlige Narbe
und unterhalb derselben ein groschengrosses Geschwür mit speckigem
Grund und scharfen gezackten Rändern frei, dessen syphilitischer Cha-
*) Schon Virchow 61 ) bezeichnet übrigens die mit Fissuren und Ulcerationen
einhergehende Elefantiasis tuberosa als »wahre Ulcera rodentia (Esthiomenos)«;
•hin kommt daher recht eigentlich die Priorität dieser später von Koch, Landau,
Veit und Mayer angewendeten Benennung zu.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
123
rakter zweifellos war. Den Introitus umgab eine Beihe grösserer und
kleinerer, unregelmässig knotiger Wulstungen und polypenartiger Fortsätze.
Ein haselnussgrosser Tumor der Art sass unterhalb der Clitoris dem
Bande eines grossen Geschwürs auf, welches sich an Stelle des Vesti-
bulum noch in die Vagina hinein erstreckte und auf dem Grunde nach
hinten zu die stenosirte Urethralmündung erkennen liess. Es war hier ein
nicht unbedeutender Substanzverlust unverkennbar, an welchem Vestibulum
uud vordere Partie der Urethra theilgenommen hatten.« Nach zwei Monaten
fand sich ein weiterer Theil der Urethra durch Umsichgreifen des
erwähnten Geschwürs unterhalb der Clitoris zerstört; in Folge dessen hatte
sich Incontinentia urinae etablirt; der Urin floss aus einer kleinen Oeff-
uung beständig ab.« Nach einem weiteren halben Jahre war das Geschwür
in der Umgebung der Urethra zur Vernarbung gekommen, die Urethra
selbst jedoch durch den progredienten Ulcerationsprocess zur Hälfte zerstört.
Nach einer Reihe von Jahren zeigte sich der Zustand in der Vulva
ziemlich stationär; die Geschwülste waren nur unbedeutend gewachsen,
sämmtlicbe Geschwüre narbig verheilt. Auch in der Urethra scheint der
Process zum Stillstand gekommen zu sein, denn von einer Ulceration
daselbst wird nichts mehr erwähnt; »der Hamröhrenrest war ganz kurz
und nur für eine feine Sonde durchgängig*.
In diesem Falle ist wohl der unmittelbar syphilitische Charakter
der »Elefantiasis ulcerosa« und speciell auch in der Localisation an
der Urethra die Identität mit unserem Krankheitsbild unverkennbar.
Mayer selbst zählt zwar die Lues nur unter die »oceasionellen
Ursachen der Elephantiasis« im Allgemeinen; wobei auch er auf die
bei Syphilitischen hervortretende »Neigung zu dauernder Induration,
zu vermehrter interstitieller Zellen- und Bindegewebsneubildung« hin¬
weist; doch stellt er gerade mit Hinblick hierauf die Prognose, auch
ohne radieal-chirurgisch einzugreifen, nicht ungünstig, indem er auf
Fälle recurrirt (z. B. die Mittheilung von Clot-Bey 5b ), in welchem
elephantiastische Tumoren auf Darreichung von Jodkali sich invol-
virten. Bei einem solchen therapeutischen Erfolg muss man aber,
denke ich, doch an mehr als einen nur »oceasionellen« Zusammen¬
hang mit Syphilis glauben.
Möglicherweise gehört in diese Kategorie der »Elefantiasis
ulcerosa« mit Betheiligung der Urethra ein gelegentlich von Bose n )
mitgetheilter Fall tuberöser Elephantiasis, in welchem Urinincontinenz
bestand und der Autor als mögliche Entstehungsursache auch die
Syphilis in Betracht zieht.
Mit den bis jetzt heran gezogenen Krankheitsprocessen (»Gumma
der Urethra, Ulcus chronicum s. elefantiasticum, Ulcus rodens, Elefau-
tiasis ulcerosa) ist die Beihe der in der Literatur beschriebenen
Affectionen noch nicht erschöpft, zu welchen der uns interessirende
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124
Dr. Georg Löwen bach.
Process in naher Beziehung steht. Es obliegt mir, eines unter dem
Namen Lupus vulvae oder Esthiomenos bekannten Krankbeits-
processes zu gedenken, zum mindesten insoweit von demselben die
Urethra befallen wird. Die Wiedergabe der bezüglichen Fälle aus der
Literatur wird zeigen, dass diese Affection mit der dieser Abhandlung
zu Grunde liegenden vollkommen identisch ist.
Der erste Autor, welcher diesen Krankheitsbegriff aufstellte und
die in Bede stehende Affection mit dem Lupus faciei identificirte,
war Huguier 56 ) in seinem »Memoire sur l'Esthiomene ou dartre ron-
geante*) de la region vulvo-anale«. Unter neun von ihm mitgetheilten
Fällen fand sich die Urethra viermal afficirt:
1. Obs. II. 21jährige Malerin, welche seit mehreren Monaten an der
fraglichen Affection erkrankt ist. Diffuse Infiltrate an den Labien und
eine Ulceration an der hinteren Commissur. Ausserdem: »Autour du meat
urinaire existent trois ulcerations, l’une au-dessous, les deux autres
ä chaque cöte; elles ont 5 ä 6 millimetres de profondeur sur 1 oenti-
metre d’4tendue; leurs bords, d4täch4s, saillants et epais, sont comme
valvulaires. De toutes ces ulcerations suinte une serosite purulente. L’entree
du vagin est retr4ciee par la tum4faction et l’induration des parties qui
la forment.« Sehr chronischer, torpider Verlauf; geringe Beeinflussung
durch locale und interne Therapie; schliesslich Excision der erkrankten
Theile.
2. Obs. III. 33jährige Arbeiterin. »La vulve est d’une teinte päle
un peu violacee; entre les deux nymphes, ä la partie superieure de l’entree
du vagin, ou voit une tumeur ä peine du volume d’une petite noix, päle,
mamelonn4e, semi-transparente, d’un aspect oedemateux, assez ferme et
resistante au toucher, ne depassant pas la racine des nymphes; eile est
formte par le renflement de la colonne anterieure du vagin qui est detächee
de l’uretre et de la partie posterieure du Vestibüle par une ulceration
ä fond lisse, poli, luisant, d’un rouge violace; les bords en sont 4pais,
fermes, non tailldes ä pic, arrondis de dehors en dedans. Cette ulceration
a ddtruit la partie posterieure ou inf4rieure du Vestibüle, tout le m4at
urinaire, et meme le tiers inferieur de l’uretre; au lieu de l’orifiee de ce
conduit et du renflement qui le Supporte, ou trouve un enfoncement large,
irregulier, comme festonnee offrant de saillies d’un rouge violac4. Une
sonde promenee avec menagement au milieu de ses parties, finit par s’en-
gager dans une petite ouverture qui mfene dans la vessie. De la surface
de cette ulc4ration suinte une matiCre sero-purulente tres peu abondante.
L’orifice du vagin est decolord et comme oedemateux; aussi est-il retreeie.
La malade souffre en urinant.« Sitzbäder local, Jodkali intern ohne Erfolg
trotz sechsmonatlichen Spitalaufenthaltes. Radicale Excision der geschwellten
Theile; Vernarbung und Heilung.
3. Obs. IV. 52jährige verheiratete Frau, Dauer ihres Genitalleidens
sechs Jahre. Infiltration und Röthung der ganzen Vulva sowie der Genito-
*) Weiterhin verwendet er auch die Bezeichnung »Herpes exedens«, die ja
auch für Lupus gebräuchlich war.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
125
crural- und Circumanalregion; Strictur der Analapertur und Infiltration
der Rectalschleimhaut. »Les nymphes, le prepuce du clitoris sont hyper¬
trophes, ^paissis, indur^s; leurs hords libres sont devenus trfcs inegaux.
granules et mamelonnes dans toute leur 4tendue. Cet aspect est produit
par une foule de petites tumeurs sessiles, polies, luisantes qui ont le
volume d’un gros grain de chönevois ou d’un trfes petit pois. 11 est facile
ä reconnaitre que c’est ä l’infiltration dure et chronique dont ces parties
sont atteintes qu’elles doivent leur excfes de d^veloppement. La töte du
clitoris est en quelque sorte absorbee et aneantie sous cette tum^faction.
Lorsqu’on reverse en dehors les nymphes, pour decouvrir l’etat de l’ori-
fice vulvo-vaginal, on trouve une ulceration ü fond rouge inegal, ä bords
tailles ä pic, frangis, dechiquetes, qui a detruit une partie du Vestibüle,
coup4 la partie interne de la base des nymphes, detruit les caroncules et
le sillon nympho-hymenal qui a contourne la base du tubercule qui Sup¬
porte le meat urinaire, et du tubercule qui termine la colonne anterieure
du vagin. Ces deux sillons dont la muqueuse est ulceree, sont couverts
de mamelons rouges, periformes, luisants, qui ne forment qu’une seule
masse vers le centre de laquelle vient aboutir l’urfetre, dans l’enfoncement
que laissent entre eux trois des principaux mamelons. Sans le secours
d’une sonde, il serait impossible de dire oü vient s’ouvrir ce canal. Les
bords de l’ulcfcre, bien que tres inegaux, tailtös ü pic et un peu decolles
en dessous, ne sont pas eleves au-dessus du niveau de la surface des
nymphes. Toute cette surface ulceree ne donne lieu qu’ü un suintement
sero-purulente peu abondant.« Nach einem halben Jahre fortgesetzter Be¬
handlung mit Jodkali und Leberthran erfolgte erhebliche Besserung (noch
keine Heilung; Patientin wurde auf eigenen Wunsch vorzeitig entlassen).
4. Obs. Y. 32jährige Frau, Syphilis nicht sicher coustatirt, Beginn
des Leidens vor 2*/ 2 Jahren. Narbige und geschwürige Processe an den
kleinen und grossen Labien und ad anum. Ausserdem: »Lorsqu’on ecarte
les nymphes, qu’on les renveree en haut et en dehors, on voit que toute
la partie interne de la vulve depuis la face inf4rieure du clitoris jusqu’ä la
fourchette, a eh* et est encore le sifege d’une vaste ulceration qui a coupe
et s^pare de l’ouverture vulvaire l’extremite inferieure du vagin. Cette
ulceration a detruit le Vestibüle qui se presente maintenant sous la forme
d’une fissure trfes enfoncee qui aboutit ä une cavite trfcs anfractueuse au
fond de laquelle vient s’ouvrir l’urfetre dont ie möat est detruit ainsi que
l’extremite inferieure; il est raeme impossible, en ecartant les bords de
cette cavite, d’apercevoir le point oü s’ouvre le canal; il faut, pour le
trouver, enfoncer une sonde qui, aprfcs plusieurs essais, finit par le ren-
contrer. I/ulceration s’est postee sur les deux parties laterales de l’ouver-
ture et a detruit la fenetre interne de la base des nymphes en niveau du
sillon qui separe ces replis des caroncules, puis eile est arrivee ä la fosse
naviculaire et ä la fourchette qui ont ete egalement envahies. Il res ulte
de lü un vaste ulcfere circulaire qui a detäche de l’entree de la vulve l’ex-
tremite inferieure du vagin dans toute sa circonference et dans l’etendue
de deux centimfctres environ, de teile sorte qu’il regne, autour et en dehors
de cette extremite, un sillon, en cul-de-sac circulaire, qui forme le fond
ou les demieres limites de l’ulceration; celle-ci est moins profonde en
arriere que sur les autres points. La surface ulceröe est d’un rouge
Zeitsebr. f. Heilk. 1908. Abth. f. p»tb. Anat. u. verw. Disciplinen. 9
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Dr. Georg Löwenbach.
violace, eile est polie et tapissde d'une sorte‘d’epithelium; ses bords formes
par la base des nymphes, le Vestibüle et la fourchette, sont peu eleves,
tailles en biseau, luisants et tapisses par l’epiderme, qui, loin de presenter
une solution franche, se continue, se perd in-sensiblement sur la partie
ulceree. Toutes ces parties ont ete elles-memes ulcerees, et sont le siege
d’une cicatrice rouge, polie, luisante et tres-mince; il est evident que
l’uiceration ne les a abandonnees que pour se porter plus profondement:
eile ne laisse suinter qu’une serosite peu abondante. Au milieu de sa sur*
face, 1’extremite inferieure du vagin forme une saillie conoide et tronquee.
au centre de laquelle se trouve l’orifice vaginal retreci, ayant a peine
7 ä 8 millimetres de diametre. Cette saillie est formee en avant par le
tubercule de la colonne anterieure du vagin, sur les cötes et en arriere par
les caroncules et par les parois vaginales elles-memes. Toutes ces parties
sont epaissies et indurees et comme legerement infiltrees ce qui explique
le rdtrecissement de l’ouverture du conduit; le doigt, introduit avec beau-
•coup de douceur et de menagement pour cet orifice, reconnait que le vagin
•est parfaitement sain immediatement au-dessus de la partie decollee.«
Innerlich Leberthran; Excision der stricturirten Partien. Nach zwei Monaten
Heilung.
Huguier stellt auf Grund seiner Beobachtungen folgende
zusammenfassende Beschreibung auf: »Cette maladie chronique qui
tient le milieu entre l’elephantiasis, la syphilis, le cancer et la sero-
phule ... est caracterisee par la teinte plombee ou violacee des parties.
leur deformation, leur induration et epaississement, leur ulceration.
dcstruetion, hypertrophie et infiltration simultanees, de teile Sorte que
les orifices et les canaux qu’oflfre la region vulvo-anale peuvent etre
en meme temps ulceres, agrandis et retrecis ... et le siege d’ulcera-
tions et de cicatrices plus ou moins profondes, sans douleurs ni elance-
ments, sans menacer directement la vie ni meme porter de longtemps
une atteinte profonde ii la Constitution.«
Er unterscheidet verschiedene Formen: Esthiomene superficiel,
perforant und hypertrophique, welche sich häufig combiniren. »Son
siege de predilection parait etre le vestibule et les environs du meat
urinaire... Lorsque la maladie siege au vestibule, j ai vu l’ulceratiou
penetrer jusque vers la face anterieure du ligament sous-pubien, apres
avoir detruit toutes les parties molles qui separent le clitoris de l’uretre.
L'urctre ainsi menage faisait une saillie flottante au milieu de l’uleere
et ce n'etait qu’avec peine et apres des tätonnements que je pouvais
rencontrer son ouverture placee au centre d’une masse fongueuse.
sanguinolente et comme pedieulee. Dans . .. un cas, d’ulceration em-
brassait en fer ä cheval les parties inferieures et laterales du meat
urinaire. L’uretre lui-meme ... est quelquefois detruit jusqu’au point
oii le canal traverse l'aponeurose moyenne du perinee. L’ulcere repre-
sente alors un infundibulum, irregulier, arrete dans sa marehe pro-
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
127
gressive .. .; la partie Ja plus profonde de cette ulceration infondibuli-
forme se continue avec le tiers superieur du canal, seule portion de
ce conduit qui ait echappe ü la destruction.« »Lorsque l’aflection debute
derriere le meat urinaire par le tubereule de la colonne anterieure du
vagin, eile detruit une plus ou moins grande partie de la paroi cor-
respondante de ce conduit, rampe le long de la paroi inferieure de
l’uretre, de la base de la vessie, tend a s’introduire, a se prolonger
entre ce reservoir et la paroi vaginale, et donne ainsi naissance a une
cavite accidentelle ä fond ulcere qui est separee de la cavite du vagin
par une Sorte de soupape irreguliere formee par la paroi anterieure
qui, detächee, tombe en arriere et raasque ainsi la cavite du canal.
au point que, lorsqu’on ecarte les levres vulvaires pour examiner les
parties, l’oeil n’aper<;oit que la cavite accidentelle et que le doigt.
porte au milieu d’elles pour les explorer, tombe infailliblement dans
ce sinus anfractueux; ... un speculum porte dans ces parties se four-
voie de la meme fa^ou.«
»Les bords de ces ulcerations sont le plus ordinairement epais.
taillees a pic, denteles, quelquefois legerement decolles en dessous;
ils ne sont pas eleves au-dessus du niveau des parties voisines; ils ont
m§me une teinte serablable, c'est-a-dire qu’ils sont violets ou blafards,
eomrae infiltres et transparents; la surface ulceree est grisätre, unie
ou granulee. Au bout de quelques jours de soins, au sous l’influence
de simples lotions, eile devient luisante, lisse, d un rouge violace et
se tapisse d’une sorte de pellicule: eile ne laisse suinter q’une serosite
purulente, aqueuse, peu 6paisse, mais jamais du pus. Les tissus qui
environnent l’ulcere et souvent ceux qui supportent son fonds, sont
epaisses, infiltres, legerement indures;... quelquefois meme ils sont hyper-
trophies et transparents dans une certaine etendue. 11 resulte de cet
etat que les plis, les saillies normales sont deformes, plus developpes,
et qu’ils contribuent ainsi, par cette disposition, a masquer la destruc¬
tion qui est au-dessous . .. Les malades ne souffrent pas ou tres peu ...
I^es progres de cet ulcere sont extremement lents ... La cicatrice est
excessivement mince. pelliculaire, rouge et luisante ... L’entree du vagin
ou de l’uretre sont alors retrecies, bridees comme eelle de la bouche,
des fosses nasales ou des paupieres qui ont ete le siege de la meine
alt^ration« (Lupus). »Le retrecissement de l’uretre n’est jamais
pousse assez loin pour s’opposer ä la miction et necessiter des soins
speciaux.«
In zwei letal verlaufenen Fällen schloss sich an die Urethral-,
Vaginal- und Rectalaffection eine Enteritis ulcerosa und Peritonitis an;
für gewöhnlich wird der Verlauf als ein milder geschildert.
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Dr. Georg Löwenbacb.
Was die Ursachen, welche dieser Affection zu Grunde liegen,
betrifft, so sagt Huguier: »La misere et la malproprete, l’habitation
dans des lieux insalubres entrent probablement pour beaucoup dans le
developpement de cette maladie.« Immerhin seien aber dies nur
unterstützende Ursachen; auffallend sei vielmehr zunächst »que la
plupart de nos malades etaient lymphatiques«. Sodann zieht Huguier
eine Parallele zwischen Physiologie und Anatomie der Gesichts- und
der Vulvo-Analregion und schliesst aus ihrem congruenten diesbezüg¬
lichen Verhalten auch auf eine Analogie der an ihnen sich locali-
sirenden pathologischen Processe. »On ne voit donc pas pourquoi
l'esthiomene (der Lupus) eüt echappe ä cette analogie ... il y a plus
c'est qu’on devrait s’etonner s’il en etait autrement«. Und in der
That gelangt Huguier zu dem Schlüsse »que non seulement rexception
n’existe pas, mais encore que toutes les vari^tes et les complications
de cette terrible maladie se montrent ici comme au visage «.
Huguier stellt also den »Esthiomenos vulvae« dem Lupus faciei
an die Seite und erklärt ihn für einen Ausfluss der lymphatisch-
scrophulösen Diathese. Es ist aber bemerkenswerth, dass er in seiner
differentialdiagnostischen Auseinandersetzung, die Syphilis betreffend,
ausführlich eigentlich nur von den Unterschieden gegenüber flachen,
erosiven oder hypertrophischen Papeln und dem Primäraffect spricht.
Gegenüber den gummös-ulcerösen Processen führt er nur deren extreme
Seltenheit am Genitale ins Treffen. Die übrigen gegen die Annahme
einer derartigen Affection vorgebrachten Argumente: rascheres Fort¬
schreiten, stärkere Infiltration, eitrigere Secretion, hellere Narben —
sind in ihrer rein relativen Eigenschaft von sehr geringem Werth.
Dies ist übrigens auch dem Autor selbst nicht entgangen: »Cependant,
malgrö tous ces caracteres differentiels, locaux et generaux, il y aura
toujours des cas dans lesquels un praticien meine tres eclaire se trouvera
fort embarrasse pour se prononcer tout-de-suite sur la nature de l’affection,
et qui necessiteront une ötude attentive et prolongee.« Uebrigens
constatirt auch Huguier die schliessliche Wirksamkeit fortgesetzter
Jodkalitherapie, wenn auch als souveränstes Hilfsmittel der chirurgische
Eingriff anzusehen ist.
Sucht man sich bezüglich der Art der Affection, welche der Huguier -
sehen Arbeit zu Gninde liegt, klar zu werden, so erhellt sowohl aus,
einzelnen Krankengeschichten als auch aus der zusamraenfassendeu
Schilderung des Autors über den ganzen Process die vollständige
Identität mit unserem Krankheitsbild. Die Gründe, welche ihn be¬
wogen, die Affection als lupös anzusehen, sind nun allerdings sehr
problematisch. Abgesehen von der ganz phantastischen Analogie
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
129
in der Beschaffenheit und den Functionen der Yulvo-Anal- mit der
Gesichtsgegend, von welcher Huguter ausgeht, ist denn doch das
Aussehen eines typischen Lupus ein von der uns interessirenden
Affection vollständig differentes. Es fehlen typische Knötchen, wie
wir sie als rostbraune, succulente Infiltrate an der Haut oder als
graugelbe Pünktchen beim Schleimhautlupus zu sehen gewohnt sind;
die Ulcerationen sind viel tiefer, ihre Ränder callöser als beim Lupus,
welcher Ulcerationen ja nur in ganz oberflächlich-erosiver Form
darbietet — von den elephantiastischen Wucherungen bei unserer
Affection ganz abgesehen: denn beim Lupus hypertrophicus resultirt
ja die Hypertrophie fast lediglich aus einer Epidermiswucherung,
welche mit dem Wesen des Processes nichts zu thun hat, in unserer
Affection dagegen gehört die elephantiastische Wucherung ganz speciell
zum Wesen des Processes.
Nichtsdestoweniger wurde Huguier's Arbeit der Ausgangspunkt
einer ganzen Literatur über »Lupus vulvae«; allerdings geht aus den
betreffenden Mittheilungen nur selten hervor, dass der Autor die
Affection als wirklich lupös hinstellt; es handelt sich eben nur um
Publicationen von Fällen, welche mit der von Huguter als Lupus be¬
zeichnten Krankheitsform identisch sind, also mehr um eine Benen¬
nung mit dem einmal eingefiihrten Namen »Lupus«, als um eine
wirkliche Charakterisirung.
Die meisten diesbezüglichen Angaben stammen von gynäko¬
logischer Seite. So äussert sich der gewissenhafte West 51 ) über diesen
Punkt: »Die Affection lässt sich als eine Geschwürsform bezeichnen,
die mit geringen Schmerzen verbunden ist, rings um die Vulva
herum weiterdringt, indem sie an einem Theil heilt, an einem anderen
Orte fortschreitet, wenig Neigung zur Heilung zeigt, sich aber auch
nur langsam ausbreitet und unregelmässige, meistens unterminirte
Ränder hat, deren Gewebe sowie das der sie umgebenden Theile hart
und cartilaginös ist. Sie ist überdies von einer Disposition zur Hyper¬
trophie der nicht durch Ulceration zerstörten Theile und zur Bildung
von condylomatösen Wucherungen begleitet, welche Wucherungen
selbst gleichfalls in Verschwärung übergehen. Ein ferneres charakte¬
ristisches Zeichen dieser Affection ist es, dass die Geschwüre beim
Heilen die Neigung haben, eine bedeutende Contraction zu bewirken
durch die Bildung eines festen narbenartigen Gewebes.« Als Beispiel
dient die Beschreibung folgenden Falles, in welchem die Urethra be¬
troffen war:
Eine rothe, granulöse, blutende Ulceration mit harter, bei der Be¬
rührung etwas empfindlicher, leicht blutender Oberfläche umgab die
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130
Dr. Georg Löwenbach.
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Urethra. Späterhin griff die Ulceration bis unter die Symphyse hin und
löste die Urethra gleichsam von ihrer Unterlage ab. Die Clitoris war von
der Ulceration zerstört, welche sieh bis zur oberen Commissur der
Labien ausbreitete; rosenrothe, warzige Granulationen umgaben die Ränder
der Urethra und bildeten um dieselbe herum einen fast haselnuss¬
grossen Wulst.
West betont die Hartnäckigkeit der Affection, die Wirksamkeit
von Ruhe und Reinlichkeit, sah jedoch einmal direct unter aiiti-
syphilitiseher Behandlung Heilung eintreten. Die Analogie mit unserer
Affection ist evident. Betont wird noch (auf Grund der von Paget
vorgenommenen Untersuchung), dass der mikroskopische Befund
keinerlei »Neubildung von eigentliümlicher oder specifischer Form«,
sondern lediglich ein Granulationsgewebe zeigt.
Duncan b s ) (im Original mir leider nicht zugänglich) gibt eine
Zusammenstellung von elf Fällen; in fünf war der ulceröse, in sechs
der hypertrophische Charakter mehr vorwiegend. Er benennt die
Krankheit »Lupus«, ohne ihre pathogenetische Stellung hiemit präci-
siren zu wollen. Hutchinson 5!) ) erklärte später die Duncan scheu Fälle
als zur Syphilis gehörig.
Geyla 60 ) und Kelsey^'), sowie Angus Macdonald I 36 ) beschreiben
sehr weit vorgeschrittene Fälle, wo nach jahrelangem Verlauf Anal¬
apertur, Perineum, Orificium vaginae und Urethralostium zerstört,
sämmtliche Gebilde des Sinus urogenitalis in eine grosse Cloake
mündeten. (Der letztere Fall wurde überdies später von Barbonr :t5 )
[siehe oben] als »Ulcus serpiginosum« anderartig gedeutet.) Eine
weitere Zusammenstellung gibt Fiquet 62 ), welcher jedoch Processe
verschiedenster Art zusammengeworfen zu haben scheint, indem der
genauer beobachtende Dubreuilh (siehe unten) nur Fiquets Fälle 1,
3, 5, 7, 8, 9 (wovon Fall 7 an der Urethra) als »Esthiomene« gelten
lässt. Weiters beschrieb Bernatz M ) einen »Lupus des parties genitales
externes«; es handelte sich um »esthiomene perforant et hypertrophique
occupant le Vestibüle et les environs du canal de l’uretre consideravre-
ment dilatö«. Histologisch fand man ein neugebildetes Bindegewebe
mit erweiterten Gefässen.
In einem Fall von Martin C4 ) war die Umgebung der Urethra,
Clitoris und Innenfläche der kleinen Labien von elephantiastischen
Wülsten und ulcerösen Höckern eingenommen; die Scheide war
stricturirt, auch das Rectum respective die Analapertur mitergriffen.
Die Urethra selbst frei; doch war das Orificium urethrae »unter einer
ulcerirten, wuchernden und wulstigen Schleimhautfläche verborgen«.
Mikroskopisch bestand die Wucherung »ganz und gar aus hyper-
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
181
trophischem Bindegewebe« (ohne Knötchen!). Bemerkenswerth ist die
Abnahme der Infiltrate unter Jodkalitherapie.
In einem von Hintze 85 ) vorgestellten Falle war die Urethra
nicht ergriffen. Bemerkenswerth ist der Befund von Riesenzellen im
mikroskopischen Präparat.
Martineau 65 ) unterscheidet in seiner Beschreibung des Esthioraenos
nicht so sehr verschiedene Formen als vielmehr zwei Perioden, eine
crythematöse und eine ulceröse. Die erstere zeigt innerhalb eines
harten Oedems diffuse Röthung und dauert nur wenige Monate. Die
zweite zeigt periphere Progredienz bei centralem Zerfall und Bildung
oft tiefgreifender, wenig secernirender Geschwüre. Hiebei kommt es
zu weitgehender Destruction (L. perforans) mit Fistelbildung und bei
der Vernarbung zu Strieturirungen von Urethra, Vagina und Rectum.
Im weiteren Verlaufe kommt es zur Bildung elephantiastischer
Vegetationen. Bemerkenswerth scheint auch Martineau die Gering¬
fügigkeit der subjectiven Symptome.
Der Autor gibt zwar eine Art Differentialdiagnose gegenüber
Syphilis, kann aber nur angeben, dass man die charakteristische Be¬
schaffenheit sonstiger gummöser Ulcera (serpiginöse oder runde regel¬
mässige Geschwüre) vermisse; er muss selbst die auffallende Aehn-
lichkeit mit syphilitischen Geschwüren zugeben, so dass die
Diagnose sogar in suspenso bleiben und nur ex juvantibns gestellt
werden könne.
Häberlin’s Fall 66 ) von »Lupus vulvae hypertrophious et perforans«
betraf eine 27jährige Frau, die seit zwei Jahren an Harn- und Stuhl¬
beseh werden litt
»Die Harnröhrenmündung ist durch einen verdickten, verhärteten
Wulst verborgen. Zwischen ihr und der kleinen Lippe ein flaches Ge¬
schwür, der Rand zum Theil scharf begrenzt durch eine stärker injicirte
Linie. Die gelbe Verfärbung des Geschwürgrundes ist nicht ganz regel¬
mässig, doch lassen sich nirgends Knötchen erkennen. Berührung leicht
schmerzhaft.« Urinentleerung erfährt keine Hindernisse, Urin klar. Ausser
der Urethra finden sich noch die Labien, Clitoris, Perineum, Anus,
Rectum und Vagina von bedeutenden elephantiastischen ulcerösen Ver¬
änderungen betroffen. Bei der mikroskopischen Untersuchung fanden sich
herdförmige perivasculäre Infiltrate, keine Riesenzellen, keine Nekrose,
keine Tuberkelbacillen, so dass der Autor meint: »Der mikroskopische
Befund zeigt mehr Aehnlichkeit mit der syphilitischen Granulations¬
geschwulst. «
Auch in Gehsds n ) Fall fand sich analoger mikroskopischer Be¬
fund. Auch die mikroskopische Untersuchung, über welche WinckeV''')
berichtet, ergab den Befund eines ganz und gar uncharakteristischen,
nur hie und da von Infiltraten durchzogenen neugebildeten Bindegewebes.
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Dr. Georg Löwenbach.
Scanzoni ") beschränkt sieh in seiner Schilderung des Lupus
vulvae lediglich auf ein Referat der Arbeit von Huguier ; auch Birch-
Hirschfeld erwähnt den Lupus vulvae 26 ), sowie das Uebergreifen des¬
selben auf die Urethra” 0 ) immer ganz kure und unter Berufung auf
die Abhandlung von Huguier.
Ueber das klinische Bild des Lupus äussert sich Winclcel cs )
folgendermassen: »Der Lupus hypertrophicus zeigt glatte, zuweilen
hellrothe Tumoren von Erbsen- bis Taubeneigrösse, einzelne derselben
ulceriren wohl oberflächlich und secerniren. Auch am Frenulum und
Präputium finden sich die Geschwülste.« Beim Lupus perforarts
finden sich dagegen perforirende Tumoren. Winckel beobachtete ferner
zwei Fälle, in denen die Wand der Urethra »stark geschwollen und
mit knötchenartigen Verdickungen und condylomaähnlichen Schleim-
hautwucherungen besetzt war, ... die Urethra war dabei erheblich
erweitert.« Winckel schildert die Affection als ausserordentlich hart¬
näckig. »Dabei ist auffällig, dass das Allgemeinbefinden ein verhält-
nissmässig gutes ist und die Beschwerden nur geringe sind. Die Ge¬
schwülste wachsen langsam, die Fissuren machen zwar das Urinircu
schmerzhaft, beim Gehen belästigt die Geschwulst gar nicht.« Eine
wirkliche Heilung kann nur durch chirurgischen Eingriff erfolgen.
Abgesehen von den unzureichenden histologischen Beweisen,
vermag Winckel auch in klinischer Hinsicht keine exacte Differenzirung
gegenüber syphilitischen Affectionen zu geben. Denn dass beim
lupösen Infiltrat der Vulva und Urethra die Induration eine diffusere,
die Progredienz der Geschwüre eine langsamere, die Secretion eine
spärlichere sei, rechtfertigt noch keineswegs die exacte Scheidung
beider Affectionen!
Von sonstigen deutschen Gynäkologen finden wir den Lupus
erwähnt bei Fritsch 69 ): »Es können vom Anus bis zum Mons veueris
die ganzen Weichtheile in eine unförmliche, feuchte, festödematöse.
brüchige, zum Theil ulcerirte, eiternde, zerklüftete, fistulöse Geschwürs¬
masse verwandelt sein, ohne dass über Schmerzen und Beschwerden
geklagt wird.« Ein definitives Urtheil über die lupöse Natur der
Affection gibt aber Fritsch nicht ab; »es gehören vielmehr hieher
Fälle, die mau schwer von der Hypertrophia lymphatica oder Ele-
fantiasis luetica trennen kann.« In der That empfiehlt er energische
Jodkalitberapie.
Auch Veit 70 ), dessen Auseinandersetzungen wir oben referirt
haben, spricht sich gegen die tuberculösen Arten des Lupus vulvae aus.
Es müsste ja nach dem heutigen Stande der Lupusfrage der
Lupus vulvae als eine besondere Form der Tuberculose aufgefasst
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
133
werden. Beweisend in dieser Hinsicht würden Fälle sein, in welchen
der mikroskopische Befund typische Tuberkel mit Biesenzellen und
epithelioiden Zellen, Verkäsung und das Vorhandensein von Bacillen
ergäbe. Diesen Postulaten entspricht in der That der Fall von Viatte 1 '),
in welchem vor Allem Tuberkelbacillen sich fanden. Aber gerade
diesen Fall*) benennt zwar der Autor als »Lupus«, hebt auch
dessen Identität mit den bisher bekannt gewordenen Fällen von
»Lupus vulvae« hervor, macht jedoch auf die Unterschiede gegenüber
dem klinischen Bilde des Lupus vulgaris der Haut und Schleimhäute
aufmerksam und rubricirt ihn unter den Begriff einer der ulcerösen
Hauttuberculose analogen Tuberculosis vulvae.
Aehnlich verhält es sich in einem Fall von Deschamps 72 ).
Bacillenbefund positiv, auch die Impfung am Thiere ergab Tuber¬
eulose; wenn aber daraufhin Deschamps sagt: »Nous dirons que
l’esthiomene n’existe pas«, so bezweifelt der kritische Essay von
Dubreuilh und Brau 13 ) die lupöse Natur des Deschamps' scheu Falles
und rechnet ihn zur Tuberculose.
Dass auch Taylor auf Grund von klinischen und mikroskopischen
Merkmalen energisch die lupöse Natur des »Lupus vulvae« bestreitet,
wurde schon hervorgehoben. Ueberhaupt zeigen, gegenüber den zahl¬
reichen Mittheilungen von gynäkologischer Seite, die Dermatologen
vis-ä-vis dem Lupus vulvae grosse Reserve. Bei Tilburg Fox 1 *),
Wilson 13 ), Alibert 16 ), Duhring 17 ) und Kaposi 13 ) findet man das Vor¬
kommen von Lupus auf der Schleimhaut der Vulva oder Urethra
nicht erwähnt; auch Neumann 13 ) erklärt, einen derartigen Lupus nie
beobachtet zu haben. Lesser 8o ) sagt: »Die Haut der Genitalien er¬
krankt nur ganz ausnahmsweise an Lupus.« Besnier-Doyon 91 ) con-
statiren ausdrücklich: »Le Lupus disparait sur la surface dite »muqueusc«
du gland, du prepuce, des petites levres, de l’appareil clitoridien . . .
et nous n’avons jamais reconnu le lupus vrai dans les differeuts eas
de lesion »esthiomenale« qui ont ete sourais ä notre examen com me
etant de nature Ippique.«
Da die jüngste und eingehendste Arbeit »De l’esthiomene ou
ulcere chronique de la vulva« von Dubreuilh und Brau 13 ), somit von
dermatologischer Seite stammt und deutschen Lesern schwer zugäng¬
lich sein dürfte, sei dieselbe hier etwas ausführlicher besprochen. In
zwei von den vier Fällen war die Urethra der Sitz der Affeetion.
Obs. I. »Esthiomfcne uleöreux.« 26jährige Prostituirte mit Schmerzen
beim Uriniren seit einigen Monaten. »La vulve presente deux ulcerations.
*) In diesem Palle war die Urethra selbst frei, nur ihre Umgebung der
Ausgangspunkt polypöser Excrescenzen und ulceröser Veränderungen.
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Dr. Georg Löwenbach.
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d une ä gauche, l'autre a droite; cette derniere plus etendue s'ouvre
entre les petites lfcvres et les caroncules myrtiformes, ä la hauteur du
ineat, au-dessus duquel eile remonte un peu en le cortournant. Les
bords sont tres irrdgulierement dechiquetes. Si on les ecarte, on decouvre
une cavite tres irreguliere dont on ne peut appretier la profondeur ä
cause des nombreux diverticules dans lesquels le stylet s’egare. Les parois
tres anfractueuses, suintent tres legerement; eiles sont recouvertes par
une couclie de pus jaunätre, presque solide, formant une sorte de membrane
qui, lorsqu’on l’enleve, laisse ä nu une surface rovee, vermissee, ne saignant
pas. II n’y a pas de douleur au toucher. Cette excavation est parallele an
vagin, parallele aussi au canal de l’uretre qu’elle entoure eu partie. A gauche.
l’ulceration situee aussi ä la limite de la petite ldvre et des caroncules, a la
hauteur du roeat, est bien moins etendue; eile est tres irreguliere, peu
profonde, et son fond presente le meine aspect jaunätre que nous avons
Signale ä droite.«
Locale Jodoform- und Sublimatbäder, innerlich Jodkali; Vernarbung
innerhalb einiger Monate.
Obs. VI. »Esthiomene ulcero-hypertrophique.« 46jährige Prostituirte
mit anderthalbjähriger Dauer ihres Leidens.
»On trouve ä l’entree du vagin deux ulcerations irregulieres, la
plus grande situee lateralement, la plus petite en avant. La premiere, situee
ä droite, mesure environ cinque centimetres dans sa plus grande longueur.
Elle penetre environ de deux centimetres dans le vagin et atteint la
petite levre droite qui est un peu deehiquetee. Sa base et ses bords sont
absolument douples, sans epaississement un induration. Son fond est
rouge, lisse, sans fongosites, ne seignant pas ä la palpation, presentant
presque l’aspect d’une muqueuse . . . Elle est eouverte par plans d un
ldger enduit jaunätre. Les bords sont tres irregulieres et dechiquetes, un
peu saillants. surplombants, formes par la muqueuse saine, reflechee snr
les bords et avec quelques petites vegetations polypiformes non ulcerees.
L’ulceration du cöte gauche presente le meine aspect; eile est un peu
moins etendue, s’arrete en avant au niveau de l’anneau hymenal et penetre
environ de trois centimetres dans le vagin oü l’on trouve des parties
cicatrisees avec des vegetations polypiformes, molles, d’un volume d’un
grain de ble environ offrant l’aspect de petites marisques. L’orifice vaginal
est retresi et admet difficilement l’introduetion d’un speculum d’un volume
ordinaire. L’orifice du meat est tres dilate, au point de pouvoir recevoir
l’extr^mite du doigt, et tapisse par un muqueuse rose formant des saillies
polypiformes et d’un volume d’un grain de ble ä un petit pois.«
Unter sorgfältiger Pflege und Eeinlichkeit erfolgte Heilung binnen
einem Jahre.
Dubreuilh-Brau unterscheiden, analog Martineau, nicht so sehr
verschiedene Formen, als vielmehr nur graduell verschiedene Perioden,
eine ulceröse und eine uleerös-hypertrophische, von welchen die ersten*
binnen sechs Monaten in die letztere übergeht: »On pouvait reunir
absolument cette forme ä la premiere, dont eile serait tout bonnement
l'aboutissement naturel.«
Go^ 'gle
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
135
Histologischer Befund der elephantiastischen Vegetation: »L’epiderme
qui couvre les vegetations est plus ou moins epaissi ... Le tissu sons
jacent qui forme la masse des vegetations est forme de tissu conjunctif k
libres minces, enchevetrees irreguliereinent, mele de cellules rondes abon-
dantes, souvent groupes en amas au tour des vaissaux ou tres nombreux
au point de masquer tous les autres details de structure, surtout au voisinage
des ulcerations . . . Tout ce tissu de nouvelle formation est parcouru de
vaisseaux sanguins en lymphatiques dilatös si abondante et quelques points
qu’il parait presque caverneux.« Bacterienbefund im Gewebe negativ.
Autoinoculationen an der Patientin, sowie Thierimpfungen, welche die
Autoren in diesem sowie in zwei weiteren (die Urethra nicht betreffenden)
Fällen Vornahmen, ergaben ebenfalls negative Resultate.
Die Autoren erörtern ausführlich die Differentialdiagnose gegen¬
über echter Tuberculose, räumen die Identität aller bisher als
Estbiomenos oder Lupus vulvae beschriebenen Krankheitsfälle ein.
leugnen aber auf Grund ihrer klinischen und histologisch-bacterio-
logischen Argumente die lupöse Natur: »Aucune Observation en presente
des caracteres perraettant de conclure sans hesitation un lupus.«
Viel mehr Beziehungen scheint nach Dubreuilh-Brau die
Affection zur Syphilis zu haben. »La plupart des malades sont presque
certainement syphilitique; l’ulceration qui constitue le point de depart de
l’esthiomene est peut-etre dans quelques cas une gorame, une ulceration
syphilitique tertiaire; enfin, la Syphilis favorise peut-etre le developpe-
inent des v£götations elefantiastiques, mais il ne nous est pas possible
a preciser davantage.«
Und weiterhin: »Le syphilome peut präsenter avec l’esthiomene
une grande analogie. II semble raeme en etre quelquefois le point de
depart. Eu g6n6ral, cependant la Syphilis a une evolution plus rapide
et la maladie est plus recente . . . (folgen einige lediglich graduelle
Unterschiede gegenüber echt syphilitischen Geschwüren) ... Le
diagnostic sera difficile oü les ulceres syphilitiques tertiaires ont une
marche tres lente et durant des annees, en progressant d’une fa^on
presque insensible. On voit aussi souvent des lesions, certainement
syphilitiques, offrir une grande resistanee au traitement habituellement
si efficace. La difficulte sera encore aggravee par ce que ces ulcerations
torpides et persistante peuvent determiner dans leur voisinage des
lesions de lymphangite chronique hypertrophique. Elles peuvent aussi
se transformer en esthiomene v6ritable, comme ou voit une 16sion
syphilitique de la jambe se traiisformer en ulcere variqueux.« Den
eben erwähnten Circulationsstörungen schreiben die Autoren ganz
besonders die Entstehung der elephantiastischen Wucherungen zu.
welche ihrerseits wieder zur Ulceration mit folgender Lymphangitis
disponiren und einen Circulus vitiosus schaffen.
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136
Dr. Georg Löwenbacli.
Dubreiiilk-Brau stehen somit in ihrer Anschauung Ober die
Beziehung des »Esthiomenos« zur Syphilis nahezu auf unserem
Standpunkte; immerhin können sie histologisch einen stricten Beweis
für die syphilitische Natur der Ulcerationen oder Vegetationen*) nicht
beibringen und schlagen daher vor, den Namen »Esthiomenos« bei¬
zubehalten, ohne jedoch damit, wie dies bisher geschehen, den Be¬
griff des Lupus zu verknöpfen.
Es sei mir nun noch gestattet, nach Heranziehung der Literatur
einige abschliessende Bemerkungen zu machen. In der Literatur
können wir drei Gruppen von einschlägigen Beobachtungen unter¬
scheiden: eine relativ kleine mit Mittheilungen über tertiäre und
gummöse Processe der Urethra (und Vulva), eine grössere Ober
das »Ulcus chronicum sive elefantiasticum«, »Ulcus rodens«,
»Elefantiasis ulcerosa« und eine noch stärkere über »Lupus sive
Esthiomenos vulvae«.
Vergleicht man die hier in extenso wiedergegebenen Kranken¬
geschichten und die zusammenfassenden Bemerkungen der einzelnen
Autoren mit unserer Beobachtungsreihe von 28 Fällen, so springt die
Identität sämmtlicher erwähnten Functionen in die Augen, und ich
stehe nicht an, säramtlichen unter so verschiedenartigen
Namen beschriebenen Krankheitsbildern einen und den¬
selben, nämlich spätsyphilitischen Charakter zu vindiciren.
Da bei vielen der in der Literatur beschriebenen Krankheitsfälle
vorausgegangene Lues sicher festgestellt war: da jede andere Constitutions¬
krankheit, insbesondere Tuberculose, auf Grund der mehrfach erörterten
Merkmale ausgeschlossen werden konnte; da viele Fälle sich gegeu
antisyphilitische Therapie doch nicht ganz und gar refractär zeigten;
da im histologischen Bild, wenn überhaupt, so für Syphilis charakte¬
ristische Veränderungen nachweisbar waren; da endlich in dem
klinischen Verhalten und Aussehen der Ulcerationen selbst viel Analogie
mit typisch syphilitischen Productcu liegt — aus all diesen Gründen
haben ja auch schon frühere Autoren der Affection eine sehr nahe
Beziehung zur Syphilis zugesclirieben, die Lues jedoch meist nur als
disponirendc Ursache hingestellt. Mein Standpunkt, welcher übrigens
der seit Jahren an unserer Klinik üblichen Auffassung entspricht, ist
ein prononcirterer: es handelt sich um einen decidirt syphi-
*) Bezüglich letzterer sei auch hier, wie in Betreff der 2?/*rmann’sohen Be¬
funde, darauf hingewiesen, dass eben in einem schon zu vorgerückten Stadium die
Excision vorgenommen wurde.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
137
litischen, und zwar gummösen Process an und in der Urethra.
Zu dieser Auffassung berechtigen, ausser den soeben angeführten
klinischen Argumenten, insbesondere die histologischen Befunde,
welche eine typisch gummöse Infiltration und Bindegewebs¬
neubildung mit charakteristischer syphilitischer Gefäss-
erkrankung erkennen lassen.
Dass Unreinlichkeit, Sorglosigkeit, sowie fortgesetzte mechanische
Irritation veranlassende Ursachen unserer Erkrankung sind, scheint
mir nicht ohne weiteres festzustehen; diese Momente könnten höchstens
für die Hartnäckigkeit der einmal bestehenden Affection mitverant¬
wortlich gemacht werden. Von einer fortgesetzten mechanischen
Irritation der Urethra und Vulva konnte überdies von unseren
28 Kranken nur bei 8, welche der Prostitution oblagen, die
Bede sein. (Es wird ja auch von anderer Seite zugegeben, dass die
Affection auch bei nicht prostituirten Frauen auftritt.)
Auch die vielfach erwähnte Exstirpation oder Verödung der
Inguinaldrüsen scheint mir höchstens ein unterstützendes Moment für
die hartnäckige Chronicität und Tendenz zur Recidive abgeben zu
dürfen. Von unseren 28 Fällen war nur in einem einzigen
eine einseitige Lymphdrüsenvereiterung vorangegangen, und
die LyraphdrüsenVerödung in Folge syphilitischer Entzündung und
Schwielenbildung als Ursache speciell der »Elefantiasis uleerosac
in den Vordergrund zu stellen (wie Wadsch es gethan) erscheint mir
ganz überflüssig, nachdem wir ja am Standort und im elephantiastischen
Product der Urethralaffection selbst gummöse Veränderung und
syphilitische Gefässerkrankung gefunden haben. Ausserdem wäre dann
nicht einzusehen, warum die Affection nicht bei jeder Frau, die Lues
überstanden hat und dazu mannigfachen mechanischen Insulten der
betroffenen Gegend ausgesetzt ist, also nahezu bei jeder älteren Prosti¬
tuirten, sich finden sollte.
Ich wiederhole also: Die Affection ist eine spätsyphilitische,
die elephantiastischen Tumoren sind echt gummöse Neu¬
bildungen.
Dabei ist ja nichtsdestoweniger zuzugeben, dass der Symptomen-
complex des Gumma uretbrae in mancherlei Hinsicht von dem land¬
läufigen Bilde irgend eines Gumma von beliebig anderem Standort
abweicht. Ein typisches ulcerirtes Gumma der Haut, etwa an den
Extremitäten oder über dem Sternum, ein echtes Schleimhautgumma,
etwa im Pharynx, stellt sich als runde oder nierenförmige, tiefe, von
wallartigen, derben Rändern umgebene Ulceration mit nekrotisch zer¬
klüfteter, speckig belegter Basis dar, welche auf Jodkaligebrauch und
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Dr. Georg Löwen 1 »ach.
unter antiseptischer Localbehandlung meist prompt heilt und. einmal
geheilt, nur ausnahmsweise an gleicher Stelle recidivirt.
Dagegen zeigt das Gumma der weiblichen Urethra und Vulva
jene eigentümliche Tendenz zur Hyperplasie seiner Ränder und seiner
narbigen Endproducte, eine über Monate und selbst Jahre sich
erstreckende Neigung zur Reeidive an gleicher oder benachbarter
Stelle und eine Hartnäckigkeit gegenüber der gewöhnlichen anti¬
syphilitischen Quecksilber- und Jodbehandlung, wie wir sie bei ge¬
wöhnlichen Gummen nicht zu sehen gewohnt sind.
Nun ist zwar die Hartnäckigkeit gegenüber antisyphilitischerTherapie
keine absolute, und wir haben Heilung sehr refractär scheinender
Ulcerationen unter fortgesetzt consequenter Jodcur gesehen; die von
dem gewöhnlichen Bilde der Gummen abweichenden elephantiastischen
Wucherungen haben sich bei der histologischen Untersuchung als
echt gummöse Neoplasien erwiesen — es ist somit aus mehrfachen
Gründen an der syphilitischen Natur der Affection nicht zu zweifeln.
Immerhin erschiene es merkwürdig, wenn es gerade für die gummösen
Affectionen der weiblichen Urethra und Vulva in der Pathologie der
Syphilis keine Analogien geben sollte.
Wir sehen in der That mitunter in der Haut, insbesondere am
Unterschenkel Fälle von gummöser Erkrankung, welche, sich über
Jahre erstreckend, langsam weite Territorien ergreift, an einer Stelle
abheilend, in serpiginöser oder mehr sprunghafter Weise die Nachbar¬
schaft aföcirt. An inneren Organen, z. B. der Leber, kommt zu
diesem Symptom noch hinzu die im Umkreis von Gummen sich ein¬
stellende diffuse Bindegewebshyperplasie, und um die Analogie mit
dem Krankheitsbilde der Gummen an der Urethra des Weibes noch
vollständiger zu machen, sehen wir gerade solche Fälle gegenüber
antisyphilitischer Therapie sich recht hartnäckig verhalten. Es kann
übrigens auch an der Haut der Extremitäten wahre elephantiastische
Verdickung um gummöse Ulcerationen auftreten. wie solches von
Lang 92 ), Bäumler UJ ), Jullien 9 *) erwähnt wird. Der Ausdruck »Fram-
boesia syphilitica« bezieht sich ja gleichfalls auf Fälle mit lebhaft
hervortretender Tendenz zu papillärer Wucherung. Insbesondere jedoch
kommt eine Form diffuser gummöser, mit Bindegewebshyperplasie
einhergehender Infiltration vor, auf welche zuerst von französischer
Seite [Mauriac"), Bidon s:! ), GoutardJullien M ) und von Bumstead
und Taylor 91 )], später jedoch von Neumann 95 )*) und Zeissl 96 ) hin-
*> »In allerdings seltenen Fällen kann die gummöse Infiltration sowohl in
ihrer Ausdehnung als in der Stärke excessiv werden. Dabei tritt keine Ver¬
schwärung mehr ein. so dass das Gesicht ein Aussehen wie bei Leontiasis erhält.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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gewiesen wurde. Diese Affection, welche sieh vorwiegend im Gesicht
und au der Zunge localisirt und seinerzeit gewiss vielfach zu der
Aufstellung des Terminus »Lupus syphiliticus« Anlass gab, später als
»Leontiasis syphilitica« und »Syphiloma hypertrophicum diffusum« in
der Literatur erscheint, wurde insbesondere durch Mracek 84 ) genau
beschrieben. Es kommt hiebei, wie Mracek an sechs Fällen nachwies
und wie auch einige an unserer Klinik im Laufe der letzten Jahre
beobachtete Fälle zeigen, zu intensiver, plattenartig derber, knotiger
Infiltration der Nasen-, Wangen-, Lippenhaut, sowie der Zunge mit
Rhagaden- und oberflächlicher oder seltener tiefgreifender Geschwürs¬
bildung. Die ergriffenen Theile erscheinen eigenthümlich starr, der
Gesichtsausdruck entspricht der »Facies leonina«, das Kauen uud
Sprechen wird erschwert. Die Affection entwickelt sich erst im Laufe
längerer Zeit, von Monaten und Jahren, zu solchem Grade und zeigt
alsdann auch grosse, eventuell jahrelange Persistenz in gleichem Zu¬
stande. Gegenüber antisyphilitischer Therapie zeigt sich erst nach
langer Zeit, mehreren Monaten, eine Tendenz zur Resorption und
Heilung. »Der Widerstand dieser pathologischen Producte gegenüber
den gebräuchlichen Mitteln ist ein grösserer als bei den übrigen
Formen und man darf vor Wiederholungen der Curen und vor com-
binirten Behandlungen nicht zurückschrecken.« »Diese Infiltrationen
sind als directes Product der Syphilis in ihren Spätstadien au-
zusehen.«
Es zeigt sich also, dass es im Spätstadium der Syphilis
auch an anderen Körperstellen Processe gibt, welche neben
dem gummös-ulcerösen Vorgang eine besonders hervor¬
tretende Tendenz zur Hyperplasie und elephantiastischen
Wucherung des Bindegewebes bieten. Dieselben brauchen
einerseits bis zu ihrer vollen Entwicklung, andererseits zur Resorption
und Vernarbung sehr erhebliche Zeit, Monate und Jahre, und
erweisen sich gegenüber der antisyphilitischen Therapie
ungemein hartnäckig, um ihr schliesslich dennoch zu weichen.
Wir sehen also, dass die spätsyphilitischen Affectioneu
der weiblichen Urethra (und Vulva) ihre vollständigen ana¬
tomischen und klinischen Analoga, wenn auch in seltenen
Fällen, an gummösen Affectioneu anderer Körperstellen
finden. Immerhin muss man aber anerkennen, dass sie in vielerlei
Hinsicht sich von dem klinischen Bilde gewöhnlicher Gummen unter-
Die Wangenbaut, die Lippen, die Nasenflügel werden hochgradig verdickt und
knorpelhart. Die Infiltration geht in Bindegewebswucherung über, welche zu
bleibender Verdickung der Haut, insbesondere der Lippen und Nasenflügel führt.«
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140
Dr. Georg Löwenbach.
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scheiden, und insofern schien mir eine genaue Besprechung ihrer
Klinik und Pathologie sehr wohl am Platze zu sein.
Meinem verehrten Chef, Herrn Hofrath Prof. Neumann , spreche
ich an dieser Stelle fiir die bereitwillige Ueberlassung des reichlichen
Materials der k. k. Universitätsklinik fiir Syphilis und Dermatologie in
Wien meinen ergebensten Dank aus.
Literatur.
>) Neumann , Jahrbuch der Wiener k. b. Krankenanstalten. 1894, S. 614.
2 ) Neumann , Syphilis. Wien 1899, 8. 671.
3 ) Baeremprung , Charite-Annalen. 1855, S. 43 und 47.
4 ) Hyde , Joum. of eutaneous etc. diseases. Ref. Archiv für Dermatologie.
1889, S. 882.
5 ) Jullien , Maladies veneriennes. Paris, 2. Auflage, pag. 832.
6 ) Mauriacj Syphilis tertiaire. Paris 1890, pag. 147.
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de Syphiligraphie. II.
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12 ) Lang , Syphilis. Wiesbaden 1896, S. 438.
,3 ) BilUy Die Heilkunde. October 1899.
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16 ) Westy Lehrbuch der Frauenkrankheiten. Deutsche Uebersetzung. 1861,
S. 820.
,7 ) Virchow f Würzburger Verhandlungen. Bd. III.
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20 ) Boulton , A case of extensive syphilitic disease of the vulva, with gummy
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21 ) Boyd t Dublin med. Journal. 1877, pag. 275.
22 ) WClintock , Ebenda. 1862, Bd. XXXVIII.
23 ) Ehrmanny Zur Kenntniss der spätsyphilitischen Erkrankungen des weib¬
lichen Sinus urogenitalis. Allgemeine Wiener medicinische Zeitung. 1885.
24 ) Huety Behrend’s Syphilis. 1860, Bd. II.
25 ) Genouvilley Du retrecissement blennorrhagique de Turetre chez la femme.
Annales des maladies des Organes urinaires. 1892.
26 ) Birch-Hirschfeldy Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Leipzig 1877,
S. 1166.
27 ) IFe**, 1. c. S. 778.
2S ) Sckroedery Charite-Annalen, Bd. IV.
- 9 ) Landau , Archiv für Gynäkologie. 1887.
30 ) Brovoiczy Ulcus corrodens. Russisch.
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Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
141
31 ) Veit, Handbuch der Gynäkologie. 1900, Bd. III, 1, 164.
3: ) Oedmannton , Nord. med. Arkiv. IX. Ref. Arch. de gynecologie, VIII. Ueber
chronische Ulceration der weiblichen Harnröhre.
33 ) Taylor, Journal of cutaneous etc. diseases. 1891, Bd. IX. New York
med. Journal. 1887, S 1890. Ref. Archiv für Dermatologie und Syphilis. 1890,
S. 668.
34 ) Peckham, Americ. Journ. of Obstetrics. 1887. Ref. Centralblatt für
Gynäkologie. 1888.
35 ) Barbour, Ulcus serpiginosum of the vulva. Lancet. 1896, pag. 489.
36 ) Macdonald , Edinbourgh med. Journal. April 1884.
3T ) Schramm, Centralblatt für Gynäkologie. 1888.
38 ) Ehrhardt , Chronische Ulceration der weiblichen Urethra. Dissertation
Breslau 1884.
39 ) Schmarbeck , dtto. Dissertation Berlin 1877..
40 ) Koch, Archiv für Dermatologie und Syphilis. Bd. XXXIV.
41 ) Jadassohn , Drasches Bibliothek der gesammten medicinischen Wissen¬
schaften. Artikel »Recturasyphilis«.
42 ) Lauro , Ann. di Ostetr. 1890, cit. Archiv für Dermatologie. 1891, S. 325.
43 ) Bandler, Archiv für Dermatologie und Syphilis. Bd. XLVIII.
“) Wae/sch, Ebenda. Bd. LIX.
4r> ) Winckel , Frauenkrankheiten. 1886, S. 31.
46 ) Veit, 1. c. Bd. III, 1, S. 180.
47 ) Fox , cit nach Koch .
48 ) Desrueües, Arch. generales. März 1844.
49 ) Mazziotti , Elefantiasi sporadicä delle ninfe di una donna sifilitica.
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50 ) Bryk, Elephantiasis der Clitoris complicirt mit Syphilis. Oesterreichische
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51 ) Ferrari, Deila ninfo-elefantiasi sifilitica. II Morgagni. 1878.
32 ) Fritsch, Krankheiten der Frauen. 1901, S. 50.
ö3 ) Mayer, Beiträge zur Geburtshilfe. Berlin 1872, Bd. I, S. 303.
5I ) Virchow , Geschwülste. Bd. I, S. 316.
5a ) Clot-Bey, Mem. de la societe de Chirurgie. Paris 1854. Cit. nach 53.
Huguier f Memoires de lacademie de Medicine. 1849.
a7 ) West, 1. c. 822.
as ) Duncan, Transact. of the Obstetr. Soc. London 1885. Cit. bei Häberlin.
ae ) Hutchinson , Ebenda. Bd. XXVII.
60 ) Ceyla, Progres medical. 1881. Cit. Schmidt’s Jahrbücher. Bd. XCIV.
6! ) Kelsey, New York med. Journal. 1886. Cit. nach Dubreuilh .
62 ) Fiquet, De rEsthiomäne. These de Paris 1876. Cit. nach Dubreuüh .
63 ) Bemutz, Arch. de Tocologie. 1874. Cit. nach Dubreuilh-Brau.
M ) Martin , Lupus hypertrophicus vulvae. Monatshefte für Geburtshilfe und
Gynäkologie. Bd. XVIII.
w ) Martineau , Esthiomenos ano-vulvaire. Gaz. des höp., 1880, und Union
medicale. 1880. Cit. nach Dubreuüh.
**) Häberlin, Lupus vulvae. Archiv für Gynäkologie. 1890.
* 7 ) Oehse, Dissertation. München 1894.
e8 ) Winckel, Frauenkrankheiten. 1886, S. 33, und Krankheiten der weib¬
lichen Harnröhre und Blase. 1885, S. 56.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. An nt. a. vcrw. Disciplinen. 10
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142 Dr. Georg Löwenbach, Die gummöse Erkrankung der weiblichen Urethra.
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69 ) Fritsch , Krankheiten der Frauen. 1901, S. 68.
70 ) Veit , 1. c. Bd. III, 1, S. 178.
71 ) Viatte, Lupus vulvae. Archiv für Gynäkologie. 1891, Bd. XL.
72 ) Deschamp *, Etüde sur quelques ulcerations rares et non-venerienncs
de la vulve et du vagin. Arch. de Tocologie. 1885. Cit. nach Dubreuilh.
73 ) Dubreuilh-Brau, De l’Esthioinene. Traveaux de la clinique de Bor¬
deaux. 1894.
74 ) Tilbury Fox , Diseases of the Skin. London 1873.
75 ) Wilson , Diseases of the Skin. London 1867.
7Ü ) Alibert , Maladies de la peau. Brüssel 1825.
77 ) Duhring , Skin diseases. Philadelphia 1881.
78 ) Kaposi, Lehrbuch der Hautkrankheiten.
79 ) Neumann , Lehrbuch der Hautkrankheiten.
90 ) Besser , Hautkrankheiten. 1888, S. 97.
81 ) Besnier-Doyon, Traduction de Kaposi. Vol. II, pag. 451.
82 ) Oouiard , Gaz. des höp. 1878. Cit nach Zeissl jun., Lehrbuch. 1902.
83 ) Bidon , These de Paris 1884. Cit. ebenda.
94 ) Mracek, Die Elephantiasis in Folge von Syphilis und das Syphiloma
hypertroph, diffusum. Wiener klinische Wochenschrift. 1888.
85 ) Hintze , Centralblatt für Gynäkologie. 1896, S. 1194.
86 ) Kleinwächter , Ueber Verengerungen der weiblichen Urethra. Zeitschrift
für Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd. XXVIII, S. 126.
87 ) Scanzoni , Klinische Vorträge. Prag 1857, Bd. III, S. 307.
88 ) Eerman , Transactions of the Obst. Soc. of London. Vol. XXIX.
89 ) Scanzoni , Klinische Vorträge. Prag 1855, Bd. II, S. 482.
90 ) BircU-Hirschfeld, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Leipzig 1877,
S. 1077.
91 ) Rose , Ueber den plastischen Ersatz der weiblichen Harnröhre. Deutsche
Zeitschrift für Chirurgie, Bd. IX, S. 122.
82 ) Lang , Pathologie der Syphilis. Wiesbaden 1896, Bd. I, S. 238.
93 ) Bäumler , Syphilis. Leipzig 1874, S. 151.
9 *) Jullien , Maladies veneriennes. Paris, 2. Auflage, S. 802.
95 ) Neumann , Syphilis. Wien 1896, S. 269.
w ) M. v. Zeissl , Lehrbuch der venerischen Krankheiten. Stuttgart 1902,
S. 311 und 315.
97 ) Bumstead and Taylor, Venereal diseases. London 1883, S. 599.
") Mauriac , Syphilis tertiaire et Syphilis hereditaire. Paris 1890, S. 682.
Erklärung der Abbildungen (1 — 17) findet sich im Text (bei den einzelnen
Krankengeschichten).
Gck igle
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(Ans Prof. Chiari’s pathologisch-anatomischem Institute an der deutschen
Universit&t in Prag.)
Ueber Myelosehisis mit abnormer Darmansmiindung. *)
Von
Dr. Franz Lucksch,
I. Assistenten am Institute.
(Mit einer Abbildung im Texte und Tafel XI und XII.)
In unserem Museum stand schon seit einiger Zeit ein Präparat **)
von Craniorhachischisis, welches unter den anderen Bezeichnungen
auch angeführt hatte: Apertura intestini in rhachischisi. Man sah an
der Rückenfläche des stark lordotiseben Kindeskörpers in der Gegend
der Wirbelsäule eine rautenförmige, etwas vertiefte Grube, in welcher
der äussere Ueberzug von der benachbarten Haut verschieden war;
in dem untersten Tbeile dieses Feldes fand sich beiläuflg in der
Gegend des Kreuzbeines eine den Eindruck einer Darmausmündung
machende Oeffnung vor, durch welche die eingeftlhrte Sonde eine
Strecke weit in die Tiefe drang; an der gewöhnlichen Stelle fehlte
der After. Es lag der Gedanke nahe, dass es sich um eine Persistenz
des Caualis neurentericus handle, da die Stelle der Oeffnung etwa
der Lage desselben entsprach und dieser Canal die einzig jemals
bestehende Communication zwischen Medullarrohr und Darrarohr
darstellt.
Wegen der Seltenheit eines solchen Vorkommnisses unternahm
ich es, das Präparat einer näheren Untersuchung zu unterziehen.
Während dessen lief ein neuer Fall von Craniorhachischisis***) ein,
bei dem ebenfalls eine Ausmündung des Darmes in der Rhachischisis
eonstatirt wurde, und wurde ich auch mit der Untersuchung dieses
Falles betraut.
*) Vortrag, gehalten in der Sitzung der Deutschen pathologischen Gesell¬
schaft am 26. September 1902 zu Karlsbad.
**) Museal-Präparat Nr. 4911.
***) Museal-Präparat Nr. 5378.
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Dr. Franz Lucksch.
Das erste Präparat war im Jahre 1894 dem Institute übersandt
worden und finden sich darüber im Einlaufsprotokolle folgende Notizen:
>8. März 1894. Eingesandt von Herrn Dr. Feig, Geraeindearzt
in Zeidler bei Ruraburg, Missgeburt von einer Frau, die vor elf Mo¬
naten und auch früher schon einmal abortirt hatte. Der am Rücken
der Frucht befindliche Sack war bei der Entbindung, bei welcher es
sich um eine Querlage handelte, entzwei gerissen.«
Der Fötus zeigte vor Allem eine starke Lordose, er war 30 cm
lang, etwas schwächer entwickelt als ein ausgetragener, mit mässigcm
Fettpolster versehen und deutlich macerirt. Der Kopf war auffallend
klein, die Stirn stark zurückfliehend; besonders der Hirnantheil des
Schädels hatte geringe Dimensionen. Am Gesichte, das den gewöhn¬
lichen Habitus derartiger Früchte trug, fielen die stark glotzenden
Augen, die plattgedrückte Nase und der offene Mund als ausser-
gewöhnlich auf. Vom Halse war beinahe nichts zu sehen, da der
Kopf gleich auf den Schultern aufruhte. Der Thorax war breit, das
Abdomen etwas eingezogen. Die Nabelschnur, die fest am Nabel haftete,
enthielt die gewöhnliche Menge Wharton's eher Sülze, zwei Arterien
und eine Vene. Das äussere Genitale war weiblich, ohne Abweichung
von der Norm, hinter demselben fehlte jedoch an der gewöhnlichen
Stelle der After. Von rückwärts (vide Tafel XI) sah man am Occiput einen
6 cm im Durchmesser messenden membranösen Sack sich scharf von der
behaarten Kopfhaut abheben; derselbe waran seiner Kuppe eingerissen
und enthielt eine röthliche, krümelige Masse. Die den Sack bildende
Membran war glatt und dünn; gegen die behaarte Kopfhaut halb¬
kreisförmig abgegrenzt, reichte der Sack nach vorne bis circa 2 i / i cm
hinter eine beide Ohren verbindende Linie; in der Naekengegend
verringerte sich die Breite dieser von der genannten Membran über¬
zogenen Zone und beiläufig in der Gegend des dritten bis fünften
Brustwirbels hörte sie ganz auf; in dieser unteren Partie war die
Membran wieder in der Mitte eingerissen und in der Mittellinie mit
zarten krümeligen Massen bedeckt; nach unten zu lief sie nach beiden
Seiten in zwei trichterförmige Vertiefungen aus. die je 1 cm von der
Mittellinie entfernt waren und nach aussen und unten divergirten.
Gegen den Rücken zu wurde diese Zone in der Höhe der ersten Brust¬
wirbel durch eine querverlaufende, bogenförmige schmale Hautfalte
abgegrenzt von einem rautenförmigen runzeligen Feld, das circa 3% cm
lang und 2*7 cm breit war. Als seitliche Begrenzung konnte man in
der Tiefe Knochen fühlen, während diese im Bereiche des Feldes
selbst nicht zu tasten waren. Vom untersten Ende des Feldes, etwa
entsprechend der Höhe des sonst hier befindlichen Kreuzbeines, zog
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Original fram
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Heber Myelosehisis mit abnormer Darmaasmündung.
145
eine Rhaphe zum äusseren Genitale. Von den Extremitäten waren die
Arme gekreuzt, die Beine stark an den Rumpf angedrückt, der rechte
Fuss fand sich in Varus-, der linke in Valgusstellung.
Die nähere Untersuchung des Centralnervensystems ergab, dass
im Schädel zerfliessende krümelige Gehirnmasse sich vorfand, von
der ein Theil durch das stark erweiterte Foramen occipitale in den
oben beschriebenen Sack ausgetreten war.
Dieser bei der Geburt eingerissene Sack stellte also eine Ence-
phalocele oeeipitalis dar. Weiter erwies sich die Halswirbelsäule nach
hinten zu gespalten; es musste daher der unterste Antheil der weiter
oben beschriebenen, mit der Encephalocele in Zusammenhang stehenden
Zone in der Nackengegend als eine noch mit Resten von Zona vasculosa
bedeckte Myelosehisis cervicalis angesehen werden. Dies wurde auch
durch die von der ventralen Fläche dieses Theiles der Membran ab¬
gehenden Nervenwurzeln bestätigt. Leider war diese Partie in der
Mitte eingerissen, so dass man den Porus cranialis nicht mehr finden
konnte; durch den Riss gelangte die Sonde leicht in das Schädelinnere,
Dort, wo die Rhachischisis durch die quere Hautbrücke von dem
caudalwärts folgenden rautenförmigen Felde abgegrenzt wurde, also in
der Höhe des dritten bis fünften Brustwirbels, begann ein Auseinander¬
weichen der Wirbelsäule auch an der Vorderseite, so dass zwei ge¬
trennte Wirbelsäulen entstanden, welche sich bis zu den Darmbeinen er¬
streckten. Kreuzbein und Steissbein fehlten gänzlich. Es zeigte sich,
dass jene trichterförmigen Einziehungen in der Rhachiscbisismembran
je einer Wirbelcanalöflhung entsprachen, da daselbst, und zwar rechts,
das augenscheinlich geschlossene Rückenmark, links aber ein sehr
starkes Nervenbündel in je einen knöchernen Canal eintraten.
Was die inneren Organe anlangt, möchte ich nur anfühien. dass
die Thoraxorgane gewöhnlich gebildet, Leber und Milz etwas kleiner
waren; die Nebennieren erwiesen sich auffallend klein, das innere
Genitale war normal.
Die nähere Untersuchung des Darmtractes erwies Mundhöhle und
Oesophagus als gewöhnlich beschaffen; der letztere mündete in normaler
Weise in den Magen. Dieser lag in der Mittellinie des Körpers und
bildete einen längsgestellten Sack, der nach unten in gewöhnlicher
Weise in den Darm überging. Der Darm (Textfig. A) wendete sich
von da nach links und hinten und verlief in mehreren Krümmungen
gegen das rautenförmige Feld am Rücken des Fötus, in dessen oberstem
Antheile er ausmündete (Taf. XI, 6), und zwar knapp unter der queren
Hautbrücke, welche dieses Feld von der Rhachischisis trennte. Neben
der Ausmündungsstelle des Darmes lag im Abdomen ein kurzes,
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Dr. Franz Lucksch.
beiderseits blindes Säckchen (Textfig. B)\ der erstgenannte Darm¬
abschnitt war 18 cm lang, das blinde Stück 1*6 cm, das letztere war an
die vordere Fläche der das rautenförmige Feld bildenden Membran
fixirt. Nicht weit davon, im Bauchraume hinter dem Uterus, etwas
nach unten von dem ersten Darmstück lag ein drittes, an einem Mesen¬
terium frei bewegliches und beiderseits blindes von 3 cm Länge
(Textfig. C ). Beiläufig in der Mitte des rautenförmigen Feldes etwas nach
rechts von der Mittellinie fand sich ein quergestellter Schlitz (Tafel XI, 7)
von 2 mm Länge, von dem ein nach innen zu blind endigender
Schlauch (Textfig. E) ausging, der eine Länge von 1*5 cm und einen
Schematischer Sagittaldurchschnitt der hinteren Abdominalwand.
Durchmesser von 2 mm hatte. Am untersten Ende des rautenförmigen
Feldes endlich führte eine etwa 7 mm im Durchmesser messende
Oeffnung (Tafel XI, 8) in eine 8 mm lange, gegen die Bauchhöhle
zu blinde Einstülpung (Textfig. D). Alle diese Gebilde wurden mikro¬
skopisch untersucht und man fand bei der Betrachtung der Wand
aller Stücke, wenn man von aussen nach innen ging, zunächst eine
Schichte Bindegewebe, dann eine Lage glatter Musculatur, die in eine
äussere Längs- und eine innere Querschichte zerfiel, hierauf kam
wieder straffes Bindegewebe, dann wieder eine dünne Querlage von
Musculatur und dann endlich eine verschieden dicke Drüsenschichte,
die Lieberkühn’&dxa Krypten und oft ein deutliches Epithel erkennen
liess, im Allgemeinen war diese Schichte am undeutlichsten, die
Epithelzellen waren oft ausgefallen, die Gontouren der Septen verwischt.
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Ueber Myeloschisis mit abnormer Darmausmiindung.
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was wohl mit der Maceration des Fötus zusammenhing. An der
Drüsenschichte waren eigentlich in allen Stückchen mehr oder weniger
deutliche Zöttchen zu erkennen, was aber zur Unterscheidung zwischen
Dünn- und Dickdarm sehr wenig beiträgt, da ja im fötalen Darm
überall Zotten vorhanden sind. Lymphfollikel konnten in keinem der
Stücke sicher nachgewiesen werden. Es muss also von einer Eintheilung
des Darmes in verschiedene Bezirke abgesehen werden. Interessant
war auch das Vorkommen von amorphen Körnern und körnigem
braunen Pigment im Inhalte des mit dem Magen in Verbindung
stehenden Darmstückes A , welches Pigment im Inhalte der Stückchen
B und G nicht gefunden werden konnte und augenscheinlich Gallen¬
pigment war; der Ductus choledochus mündete in das Duodenum
wie gewöhnlich ein. Die Wand des rautenförmigen Feldes bestand
mikroskopisch, von innen nach aussen gerechnet, zunächst aus einer
ziemlich straffen Bindegewebslage, hierauf folgte Fettgewebe, dann
eine ziemlich dicke Schichte glatter Musculatur, grösstentheils quer¬
gestellt; an diese schloss sich eine ebenso dicke Bindegewebslage an
und hierauf als letzte eine verschwommene Zone, die reichlich mit
rothen Blutkörperchen ähnlichen Gebilden durchsetzt war, hie und
da an der Basis eine Bindegewebszelle erkennen liess, sonst aber
keine deutlichen Zelleontouren aufwies. Zwischen dieser und der unter¬
halb liegenden Bindegewebsschichte fanden sich vereinzelte glatte
Muskelfasern. Am Uebergange des rautenförmigen Feldes in die
Haut hörte die selbstständige breite Muskelschichte ziemlich scharf
auf, die anderen Schichten gingen allmälig in die Cutis über.
Nach dieser Zusammensetzung der Wand dieses Feldes muss dieselbe
wohl als eine Art Darmwand angesprochen werden.
Wie soll man sich nun das Auftreten der verschiedenen Darm¬
stücke am Bücken des Fötus erklären? Entwicklungsgeschichtlich
kämen zwei Gebilde vor Allem in Frage, die in frühen Stadien am
hinteren Körperende des Embryos sich finden, das wäre der Canalis
neurentericus und das Aftergrübchen, die beide aus dem Urmund
hervorgehen. Was den neurenterischen Canal betrifft, sind die An¬
sichten der verschiedenen Embryologeu getheilt, die einen sagen, er
tritt bei den Amnioten am vorderen Ende des Primitivstreifens auf und
stellt eine mit einer Einsenkung des Entoderms beginnende secundäre
Oeffnung dar, die eine Communication der Oberfläche der Keimscheibe
mit der Entodermhöhle, respective dem Dottersack herstellt; er ist also
eine Nachahmung der Gastrulation der Anamnier ( Kolfmann Bb ). Andere
wieder (Hertwig 4b ) leiten den Canalis neurentericus direct aus dem
Urmund ab, indem sie sagen, der Canalis neurentericus ist keine
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Dr. Franz Luckseh.
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secundäre Oeffnung, sondern er entsteht aus dem vorderen Antbeil des
stets offen gebliebenen Urmundes, während aus dem hinteren nach
Verwachsung der Urmundlippen von beiden Seiten her in der Mittel¬
linie zur Schwanzknospe der After entstehe. Gleich ist beiden Ansichten
das spätere Verhalten des vorderen Canals; er wird nämlich durch
das Nachhintenwachsen der Medullarfalten in die Medullarrinne ein¬
bezogen und zum eigentlichen Canalis neurentericus, der dann bald
wieder verschwindet.
Folge ich nun der Darstellung Hertwig'a, so lässt sich mein
Fall, wie ich glaube, in folgender Weise erklären. Ich gehe dabei
auf die Zeit des Urmundes zurück und es stellen sich dann die
Oeffnungen in dem rautenförmigen Felde folgendermassen dar: die
Oeffnung 7 wäre aus dem vorderen Theile des Urmundes entstanden
anzunehmen, sie wäre später, wenn die Medullarfalten in regelmässiger
Weise nach hinten gewachsen wären, in die Medullarrinne mit ein¬
bezogen worden und zum Canalis neurentericus geworden.
Oeffnung 8 wäre aus dem hinteren Theile des Urmundes hervor¬
gegangen, würde also das Aftergrübchen repräsentiren. Das Gebiet
zwischen beiden entstand aus der Verwachsung der Urmundlippen
und stellt die Anlage der Schwanzknospe vor, die augenscheinlich
nicht zur vollen Entwicklung gekommen ist, deshalb blieb das Anal¬
grübchen so weit dorsalwärts liegen und dadurch wurde der jetzige
Damm so lang. Mit dieser Auffassung stimmt auch die histologische
Structur der von den Oeffnungen 7 und 8 ausgehenden blindsack¬
förmigen Canäle, welche diese als Darm erweist. Ebenso stimmt damit
der vollkommen glatte Eingang in diese Canäle, an dem keine
Narben zu erkennen sind.
Die mit 6 bezeichnete oberste Oeffnung war vollkommen un¬
regelmässig und kann entweder auf secundären Durchbrach, entstanden
durch den Druck des einen Ausweg suchenden Darminhaltes, zurück¬
geführt werden, oder aber auf irgend eine mechanische Läsion des
Fötus bei der Geburt. Die beiden ganz blinden Darmstücke B und C
sind Abschnürungen der ehemaligen Entodermhöhle, und ist das
Zustandekommen solcher bei der Unregelmässigkeit in der Ausbildung
des Darmes in diesem Falle überhaupt nicht weiter wunderlich. Die
Zusammensetzung des rautenförmigen Feldes, vor Allem das Vor¬
kommen glatter Musculatur in demselben kann man wohl am besten
so erklären, dass am hinteren Leibesende alle drei Keimblätter an-
einanderliegen; tritt nun keine Trennung derselben ein, so dif-
ferenziren sie sich in Folge der ihnen innewohnenden Fähigkeit
in loco.
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Ueber Myeloschisis mit abnormer Darmausmündung.
149
Was das Auseinanderweichen und die Verdoppelung der Wirbel¬
säule und des Rückenmarkes betrifft, so sind dies schon so oft be¬
obachtete Thatsachen, die anatomisch beschrieben wurden, die letztere
ist auch experimentell erzeugt worden, dass es einer weiteren Er¬
klärung derselben hier nicht bedarf.
Ich stelle mir also die Entstehung des Falles so vor: In der
Zeit, wo die Medullarwülste am Vordertheile des Embryos bereits
bestanden, aber noch nicht bis zu der vorderen Oeffnung des Ur-
mundes reichten, kam es zu einer Störung in der Entwicklung, die
verhinderte, dass die Medullarfalten in gerader Richtung nach hinten
wuchsen, wie das normalerweise der Fall ist, da man weiss, dass
der Embryo von vorne nach hinten wächst. Sie wichen daher nach
den Seiten auseinander und Hessen so in der Mitte ein Feld frei, in
dem der Urmund mit seinen zwei Oeffnungen lag, dadurch blieb die
Gegend des Urmundes am Rücken liegen und es kam weiter auch
der Schwanz des Embryos nicht zur Entwicklung, indem sich die
Schwanzknospe nicht in gewöhnlicher Weise ausbildete. Dadurch, dass
das Hinterende des Embryos sich so wenig entwickelte, kam es wohl
auch zu einer Störung in der Bildung des Darmrohres, welches natür¬
lich dann auch nicht sehr weit nach rückwärts reichte.
Die auseinander gewichenen Medullarwülste und die nachher
entstandene Chorda, die jedenfalls auch doppelt angelegt war, ver¬
hielten sich nun, wie sie das auch sonst thun, wenn sie getrennt ver¬
laufen, das heisst, sie versuchten jede für sich ein Rückenmark zu
bilden; das ist auch rechts eingetreten, links muss jedenfalls auch
eine Andeutung vorhanden gewesen sein, denn es entwickelten sich
ebenso wie rechts Rückenmarkshüllen und ein knöcherner Canal.
Die Ursache für das Auseinanderweichen der Medullarfalten
könnte ein pathologischer Druck auf den hinteren Theil des Embryos
abgegeben haben, der auch die Veranlassung für die Craniorhacbischisis
gewesen sein kann.
Was mich bewog, meinen Fall in dieser Richtung aufzufassen,
waren vor Allem die Arbeiten von Hertwig 4 ‘) und Kollmann 5 *). Der
Erstere hat an Fröschen experiraentirt und durch Ueberbefruchtung
Persistenz des Canalis neurentericus erhalten und ist dabei zu den
Resultaten gekommen, dass auch bei den Wirbelthieren der Urmund
sich nie ganz schliesse und dass der aus dem vorderen Antheil des
Urmundes entstehende Canalis neurentericus keine secundäre Bildung
ist. Kollmann bat im Anschlüsse an die Beobachtung einer Zweitheilung
des Rückenmarkes in der Lendengegend bei einem Fötus, der auch
sonstige Missbildungen aufwies, Versuche mit Hühnerembryonen ge-
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Dr. Franz Lueksch.
macht und, indem er dieselben im Brutofen bei höheren Temperaturen
hielt, Spaltbildungen im Bereiche der Medullarrinne und Rhachischisen
erzeugt, und er führt den Befund am Fötus auf Spaltung der Me¬
dullarrinne vom Canalis neurentericus aus zurück. Bezüglich der Zwei¬
theilung des Rückenmarkes führt er unter anderen Fällen auch einen
von Marchand u ) an, der insoferne bemerkenswerth war, als sich dabei
auch Verdoppelung des knöchernen Wirbelcanales fand.
Ich möchte hier weiters auch in Kurzem eingehen auf jene Hohl¬
raumbildungen am hinteren Leibesende, die entweder auf dem Rücken
ausmünden oder cystisch abgeschlossen sind und des Oefteren Darm¬
charakter aufweisen, und die seit Middeldorpf u ) ebenfalls auf theil-
weise Persistenz des Canalis neurentericus oder des Postanaldarmes
zurückgeführt werden. Es wurden dabei Canalis neurentericus und
Postanaldarm als identische Gebilde aufgefasst, indem man annimmt,
dass der letztere aus dem ersteren entsteht. Es ist dies die Ansicht
Hertwig's. Aber es scheint dies nicht so ohne weiteres festzustehen,
da andere Embryologen der Ansicht sind, dass der Postanaldarm aus
dem hinter dem Canalis neurentericus gelegenen Abschnitt der Ento-
dermhöhle durch Auswachsen des Darmrohres in die Cauda des Em¬
bryos hinein entstehe. Ich möchte daher glauben, dass man noch nicht
berechtigt ist, die Ausdrücke Canalis neurentericus und Postanaldarm
abwechselnd für dasselbe Gebilde zu benützen.
Das zweite Präparat wurde am 26. Mai 1902 von Herrn
Dr. Schmidt aus Arnau eingesandt. Das Monstrum war am 25. Mai
in Fusslage geboren worden, und zwar angeblich sieben Wochen zu
früh. Es war hochgradiges Hydramnion zugegen gewesen. Nach dem
Blasensprung war Blutung eingetreten, weswegen ärztliche Hilfe in
Anspruch genommen wurde.
Der Körper des Monstrums mass 34 cm in der Länge, war
ziemlich gut entwickelt, mit reichlichem Fettpolster versehen und
zeigte starke Lordose in der Halswirbelsäule. Das Gesicht hatte starke
Glotzaugen und sehr niedrige Stirn, der Hirntheil des Kopfes fehlte
last vollständig, an seiner Stelle fand sich ein röthlicher Sack, der
mehrfach eingerissen war; derselbe begann 2 cm nach oben von der
Nasenwurzel, sein grösster frontaler Umfang betrug 10 cm, nach hinten
zu hörte er unregelmässig fetzig auf und Hess den Clivus frei zu Tage
treten; dieser war mit einer feinen Membran überzogen, welche mit
röthlichen Lamellen bedeckt war, nach aussen zu aber in eine glatte,
gegen die Cutis zu scharf abgegrenzte »Serosa« überging. Ueber dem
Clivus gemessen betrug die Breite dieser Zone 6 cm. Der Clivus senkte
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Ueber Myeloscliisis mit abnormer Darmausmiindung.
151
sieb ziemlich steil in die Tiefe, und während zu beiden Seiten des¬
selben sich die oben beschriebene seröse Membran continuirlich auf
den Bücken fortsetzte, lag in der Mitte knapp unter dem Clivus ein
kleines Säckchen, das an seinem oberen Bande eine unregelmässig
begrenzte Bissstelle aufwies. Das Bückenmark sowie die Wirbelsäule
war rückwärts ebenfalls gespalten und reichte die Zona medullo-vascu-
losa von der Sella turcica 6 cm, die Zona epithelio-serosa l l /. 1 cm nach
abwärts. Die letztere erreichte ihre grösste Breite in der Brustgegend, wo
sie 5 cm mass; knapp hinter dem Clivus fand sich das schon oben er¬
wähnte, 2 cm im Durchmesser messende Säckchen (vide Taf. XII), das
gegen den Clivus zu eingerissen erschien; seine Innenfläche war glatt,
seine Aussenfläche mit röthlichen Lamellen bedeckt. Im Grunde des
Säckchens unter dem Clivus stiess man auf eine rundliche Oeffnung von
circa 8 mm im Durchmesser, sie lag in der Mittellinie und waren
ihre Bänder leicht gewulstet. Die Oeffnung war vollkommen mit
grünlichen Massen ausgefüllt und gelangte die durch sie eingeführte
Sonde ziemlich weit in den Brustraum hinein.
Der übrige Körper zeigte die bei Hemicephälie so häufig vor¬
kommenden Verhältnisse. Der Hals fehlte wegen der hochgradigen
Lordose scheinbar gänzlich. Die Brust war stärker vorgewölbt, das
Abdomen leicht eingezogen. Der am Nabel haftende Nabelstrang
enthielt die entsprechende Menge Sülze, eine Arterie und eine Vene.
Das Genitale war weiblich und so wie der After normal gebildet.
Bei der Eröffnung der Bumpfhöhle fand sich im rechten Pleura¬
raum hinter der nur zwei lappigen rechten Lunge ein circa walnussgrosser
Tumor, der sich bei näherer Betrachtung als eine mit Pleura überzogene
Zwerchfellhernie herausstellte und in den Dünndarm eingelagert war. Die
linke Lunge und ihr Pleuraraum erwiesen sich normal. Zunge, Kehl¬
kopf, Trachea, Pharynx und Oesophagus zeigten ebenfalls richtige
Entwicklung, ebenso das Herz; hinter dem Oesophagus aber fand
sich von der Zwerchfellhernie ausgehend eine Darmschlinge, welche
gegen die Halswirbelsäule hinzog, durch einen Spalt in derselben
hindurchtrat und nach aussen an oben beschriebener Stelle ausmündete.
Die nähere Besichtigung der einzelnen Organe im Abdomen ergab,
dass der Magen an gewöhnlicher Stelle lag, ebenso Leber, Milz und
Nieren. Die Leber hatte eine kugelige Gestalt. Vom Magen ging in
gewöhnlicher Weise das Duodenum ab, an welches sich das Jejunum
anschloss, das in Form einer Schlinge in das Abdomen hinunterhing,
dann nach oben aufstieg und durch, eine Lücke im Zwerchfelle zwischen
der Aorta und dem Oesophagus hindurch in den Brustraum gelangte,
dort ein grösseres Convolut bildend; von da stieg eine Schlinge im
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Dr. Franz Luekseh.
hinteren Mediastinalraura, den Oesophagus dabei von hinten kreuzend,
gegen die Halswirbelsäule. Die beiden Schenkel der dort fixirten
Schlinge konnten leicht nach aussen durch die erwähnte Lücke sondirt
werden und waren beide mit Meconium gefüllt; daun gelangte die
Schlinge, die im hinteren Mediastinum zurück nach abwärts verlief,
wieder in das Abdomen; dort fand sich der Rest des Dünndarms und
der Dickdarm, durchwegs an einem freien Mesenterium fixirt, die
linke Seite des Abdomens einnehmend. Der Dickdarm ging dann in
gewöhnlicher Weise in das Rectum über, welches im After an normaler
Stelle ausmündete. Von den übrigen Abdominalorganen erwiesen sich
die Nebennieren stark hypoplastisch, die Harnblase war contrahirt,
am Caput galünaginis fand sich eine halberbsengrosse Cyste; beide
Hoden lagen in den Leistencanälen.
Die genauere Präparation der Wirbelsäule von vorn zeigte, dass
dieselbe im Bereiche des Brusttbeiles auch vorne gespalten war, und
zwar vom dritten bis zum sechsten Brustwirbel. Die Rippen setzten
sich in gewöhnlicher Weise an die gespaltenen Wirbelkörper an.
In Bezug auf das Säckchen an der Ausöiündungsstelle der Darm¬
schlinge auf der dorsalen Seite des Rumpfes zeigten Schnitte von
seiner Wand, dass seine Innenfläche von inneren Meningen, die
Aussenfläche von Zona medullo-vasculosa gebildet wurde, es stellte also
eine Vortreibung des offen gebliebenen Medullarrohres nach hinten,
eine Myelocele dar.
Spaltbildungen im Bereiche der Wirbelkörper sind, wenn auch
ziemlich selten, doch von einer Reihe von Autoren beschrieben worden.
Marchand 9 ) führt in seiner Arbeit über Spina bifida und in der über
eine vordere Meningocele sacralis 8 ) eine Reihe von solchen Beob¬
achtungen an, von denen die älteren ihm jedoch nicht zuverlässig
erscheinen. Die erste sichere Beobachtung ist nach seiner Meinung
die bei Gruveilhier Ä ) abgebildete: von da an finden wir solche des
Oefteren angeführt.
Bezüglich der Art der Entstehung dieser Spalten vermuthete
schon Meckel l0 ), der an der Vorderseite der Wirbelkörper von Föten
Furchen vorfand, und später Vrolik ld ), dass die Wirbelsäule zunächst
paarig angelegt werde und dann später verschmelze; wird diese Ver¬
einigung verhindert, entstehen derartige Spaltbildungen. Rindfleisch ,4 )
wendete sich gegen diese Ansicht und trat für eine einheitliche Bil¬
dung der Wirbelsäule ein. Marchand °) hat nun aber im Anschlüsse
an seine obenerwähnte Beobachtung einer Cyste, welche durch eine
Spalte im Kreuzbein von rückwärts her extraperitoneal in das kleine
Becken eindrang, an Embryonen nachweisen können, dass thatsächlich
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Ueber Myeloschisis mit abnormer Darmausmündung.
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die häutige Wirbelsäule aus zwei seitlichen, sich vereinigenden Hälften
entstehe. Er führt die Spaltung auf Hydrorhachis vor der Bildung
der knorpeligen Wirbelsäule zurück. KoUmann 5a ) ist ebenfalls der An¬
sicht, dass die Wirbelsäule aus symmetrisch angelegten Hälften ent¬
stehe und führt die vordere ßhachischisis auf Nichtvereinigung dieser
häutigen Wirbelsäulenhälften zurück; er verlegt die Entstehung in
die Zeit bis zur dritten Woche, da am Ende dieser bereits die ein¬
heitliche knorpelige Anlage der Wirbelkörper auftritt.
Die in der Literatur niedergelegten Fälle lassen sich ganz gut
in zwei Gruppen theilen, nämlich solche, in denen die Rhachischisis
anterior im unteren Abschnitt der Wirbelsäule — gewöhnlich im
Kreuzbein — sass, und solche, wo der obere Theil der Wirbelsäule
Sitz der Spaltung war. Ich will auf die Spaltungen im Bereiche des
unteren Endes der Wirbelsäule hier nicht weiter eingehen. Hier will ich
nur die an zweiterStelle genannten Spaltungen näher betrachten, da mein
Fall sich an diese anschliesst und mit diesen zusammen insoferne
einen eigenen Typus darstellt, als in den anderen Fällen, ebenso wie
in meinem, der obere Theil der Wirbelsäule Sitz der Spaltung war
und weiter durch diese Spalten fast immer Darm austrat. Damit
ist die Analogie noch nicht erschöpft, es ist der in der Spalte fixirte
Darm ausnahmlos Dünndarm, und zwar vom Anfangstheile desselben,
und findet sich auch in fast allen diesen Fällen eine Zwerchfellhernie
vor. Hieher würden gehören die Fälle von Cruveilhier 2b ), Soitzer ,J ‘),
Levy 7 ), zwei Fälle von Rindfleisch , der von Rembe ’ 3 ) und von Mord-
Gross 12 ). Bezüglich der Ausdehnung der Spaltbildung finden wir
dass dieselbe in dem Falle, den Cruveilhier beschreibt, die Basis cranii
und die anschliessenden drei Halswirbel betraf, da aber dieser Fall
sonst weiter keine Analoga bot, lasse ich ihn im Folgenden aus. Bei
Svitzer reichte sie, wie nachträglich Levy angibt, vom Occiput bis
zum neunten Rückenwirbel, bei Levy vom Occiput, dessen Squama
fehlte, bis zum zehnten Brustwirbel. Bei dem ersten Fall von Rind¬
fleisch fehlten sämmtliche Hals- und Brustwirbelkörper, in seinem
zweiten Falle fand sich eine angeborene Spalte sämmtlicher Wirbel¬
körper, ebenso bei Rembe und Morel-Gross.
In allen Fällen, mit Ausnahme des zweiten von Rindfleisch , be¬
stand Craniorhachischisis.
Bezüglich des vorgefallenen Darmes fand sich in dem von Svitzer
mitgetheilten Falle zwischen Basis cranii und Rhachischisis ein Sack,
der Dünndarm einschloss; und zwar war das der Anfangstheil des
Dünndarmes. Bei Levy lag dort, wo die Spinalhöhle sich dem Kopfe
nähert, ein Sack, in dem sich Dünndarm vorfand, ausserdem daneben
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Dr. Franz Luckseh.
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ein Pharynxdivertikel. Der durch die ßückgratspalte ausgetretene
Darmtheil war unteres Duodenum und oberes Jejunum. Rindfleisch
gibt in dem ersten Palle an, dass zwischen Schädel und Wirbelsäule
eine Dünndarmschlinge in der Rhachischisis vorlag, im zweiten Falle
war kein Darmvorfall zu constatiren. Rembe fand ebenfalls bei totaler
vorderer Rhachischisis Dünndarm in der Spalte vor. Bei Morel und
Gross lag der Magen ekstrophirt in der Spalte, dieselbe fast voll
ständig ausfüllend. Es scheint nach dieser ziemlichen Gleichmässigkeit
im Auftreten von vorderer Spaltbildung mit Darmvorfall ein gewisser
causaler Zusammenhang zwischen beiden zu bestehen.
Es sei hier nur noch der Zwerchfellhernie gedacht, die sich
analog wie in meinem Falle in einigen Fällen vorfand, und zwar
im Falle von Svitzer rechts, in dem von Levy beiderseits, im ersten
Falle von Rindfleisch ebenfalls rechts.
Und nun will ich zur Erklärung der Entstehung der Missbildung
übergehen. Ich stelle mir vor, dass vielleicht durch dasselbe Moment,
welches die Craniorhachischisis bedingte, die Chorda verhindert wurde,
sich in der späteren Halsgegend einfach anzulegen: sie wurde doppelt
gebildet, wie das ja manchmal vorkoramt; dadurch blieben ventrale
Fläche der Medullarrinne und Entoderm länger im Zusammenhang,
so dass später, als sich bereits entsprechend dem Verlaufe der Chorda eine
Wirbelsäule anzulegen begann, das von beiden Seiten heranwachsende
axiale Bindegewebe nicht bis zur Mittellinie Vordringen konnte; es
kamen also an dieser Stelle die beiden seitlichen Hälften der häutigen
Wirbelsäule nicht zur Vereinigung, es blieb eine Spalte, ebenso
natürlich später in der knorpeligen und knöchernen Wirbelsäule. Nun
bestand in diesen Spalt hinein eine kleine Vorbuchtung der Entoderm-
höhle, die ja sonst überall vom Medullarrohr abgedrängt wurde, und
die Wand dieser Vorbuchtung blieb in dieser Spalte öxirt; dadurch,
dass nun der Embryo nach hinten in die Länge wuchs, der in die
Spalte vorgebuchtete Theil Entodermhöhle aber immer an derselben
Stelle der Wirbelsäule fixirt blieb, während die ganze übrige Entoderm¬
höhle sich allmälig zum Darmrohr umformte, rückte natürlich der
vor diesem ßxirten Darmstück gelegene Theil des Darratractes mehr
und mehr nach rückwärts. Es musste also die betreffende Darmschlinge
bei dem ausgebildeten Fötus aus dem Abdomen hinaufsteigen; eine
unmittelbare Folge dieser Darm Verlagerung waren die in vier dieser Fülle
{Svitzer, Levy , erster Fall von Rindfleisch und meiner) vorhandenen
Zwerchfellhernien, da eben bei der späteren Bildung des Zwerchfelles
eine Lücke für den oben fixirten Darmtheil bleiben muss; dass in der
Zwerchfellhernie oder der Wirbelspalte mehrere Schlingen liegen.
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Ueber Mycloschisis mit abnormer Darmausmündung.
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kann nicht weiter wundern, wenn man sieht, in wieviele Windungen
der orale Theil der Nabelscbleife sich nach und nach differenzirt.
wie dies in neuerer Zeit Mall 9 ) gezeigt hat; es entstehen eben aus der
früher einfachen fixirten Schlinge mit der Zeit mehrere, die sich
in der Zwerchfellhernie aufknäueln. Andererseits deutet der Umstand,
dass aus dem vor der aufsteigenden Schleife gelegenen Darmantheil
so viel entstanden war: Pharynx, Oesophagus, Magen und Duodenum,
darauf hin, dass die Entwicklungsstörung in einer Zeit stattfand lange
vor der Differenzirung der einzelnen Theile, und erscheint der Zeitpunkt,
je weiter man ihn zurückverlegt, umso plausibler.
Was die Oeffnung der Darmschlinge nach aussen anbelangt,
glaube ich, dass es sich in meinem Falle nicht etwa um eine prä¬
existente handeln kann, sondern um eine secundär entstandene. Dafür
spricht, dass Dann- und Medullarrohr in keiner Verbindung standen,
dass im Gegentheil hier die Medullarplatte in Form eines Säckchens
von der Hinterfläche der Wirbelkörper abgehoben und nach hinten
vorgewölbt war. Ich glaube, die Oeffnung im Darm war erst unter
dem Einflüsse des sich ansammelnden Meconiums entstanden, hatte
dann die Abhebung der Medullarplatte von der Unterlage bewirkt und
ebenso auch den Einriss, der sich in der Mitte dieser abgehobenen
Partie des offenen Rückenmarkes fand.
Warum gerade die Halsgegend bei Rhachischisis anterior der
Lieblingssitz für den Darmvorfall ist, dafür einen Grund anzugeben,
ist vorläufig nicht möglich. EbensoWenig können wir uns bis jetzt
eine sichere Vorstellung von der diese Missbildung bedingenden
Schädigung machen. Wir müssen uns damit begnügen, den Zeitpunkt
des Eintrittes derselben nach unserem Ermessen festzustellen zu ver¬
suchen, also in diesem Falle vor dem Auftreten der Chorda.
Ich habe geglaubt, die beiden Fälle, bei denen es sich um so
bedeutende Abnormitäten im Bereiche des Verdauungstractes handelt,
die, wie ich glaube, in Beziehung zu der vorhandenen Craniorha-
chischisis stehen, mittheilen zu müssen. Wenn man auch nach dem
heutigen Stande der Embryologie die Aetiologie dieser Missbildungen
nicht bestimmen kann, soll wenigstens ein Versuch gemacht worden
sein, ihre Genese zu erklären.
Literatur.
’) Ahlfeld, Die Missbildungen des Menschen.
2 ) Cruveilhier, Anatomie patholog. 1835. a) Tom. I, Livr. 6, PI. 3, Pig. 4
und 5. b) Livr. 19, PI. 5.
*) Fitcher D., Inaugural-Dissertation. Marburg 1893.
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156 Dr. Franz Lucksch. Ueber Myeloschisis mit abnormer Darmausmündung.
4 ) Hertwig 0. y a) Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXXIX. b) Lehr¬
buch der Entwicklungsgeschichte.
5 ) Kollmann, a) Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft. Bd. VII.
b) Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte.
6 ) Kroner und Marchand, Archiv für Gynäkologie. Bd. XVII.
^ Levy, Müller’s Archiv. 1845, I.
8 ) Mall , Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte.
9 ) Marchand , Spina bifida. Real-Encyklopädie der gesammten Heilkunde.
3. Auflage.
*°) Meckel , Pathologische Anatomie. 1812.
11 ) Middeldorpf ; Virchow’s Archiv. Bd. CI.
12 ) Morel* Gross, refer. bei AhlfeldL
13 ) Rembe, refer. bei Ahlfeld.
u ) Rindfleisch, a) Virchow’s Archiv. Bd. XIX. b) Virchow’s Archiv. Bd. XXVII.
15 ) Sviizer , Müller’s Archiv. 1839.
16 ) Vrolik, cit. bei Kroner und Marchand.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel XIl Encephalocele; 2 Myeloschisis cervicalis; 3 Hautbrücke; 4 und
5 oberes Ende des rechten und linken Wirbelcanales; 6 , 7 , 8 Darmausmündungen;
Tafel XII 1 Encephaloschisis; 2 Clivus; 3 Ausmündung des Darmes
4 sackförmig vorgewölbte Zona medullo-vasculosa.
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(Aas der Prosectar des k. k. Kaiserin Elisalieth-Spitoles in Wien.)
Ein Fall von Streptothrixpyämie beim Menschen.
Von
Or. Adolf Horst,
Prosecturs-Adj unct.
(Hiezu Tafel XIII und XIV.)
Bevor wir zur Beschreibung unseres Falles schreiten, möchten
wir in Kürze zunächst eine Uebersicht der bisher bekannten menschen¬
pathogenen Streptothrixarten zusammenstellen.
Die erste Beobachtung einer Streptothrix erfolgte bekanntlich
durch Cohn (1874). Dieselbe wurde von Förster in Concrementen aus
einem Thränenröhrchen gefunden und von Ersterem als Streptothrix
erkannt.
Rosenbach (1887) fand als den Erreger des Erysipeloids eine
Streptothrix, die er mit Erfolg auf seine eigene Haut überimpfte.
Im folgenden Jahre beobachtete Naunyn in der Pia mater und
den Endocarditisefflorescenzen eines an Chorea Verstorbenen fadige
Gebilde, deren Cultur jedoch nicht versucht worden war.
1890 folgte die ausführliche Beschreibung eines aus einem
metastatischen Hirnabscesse cultivirten Pilzes, der bekannten Clado-
thrix aSteroides durch Eppinger. Dieselbe gedieh sehr gut auf
allen Nährböden und zeichnete sich durch die Bildung eines intensiv
ziegelrothen Pigmentes aus. Sie ist Gram-positiv und zeigt lebhafte
Eigenbewegung. Für Kaninchen und Meerschweinchen erwies sich
der Pilz in hohem Grade pathogen; erzeugte an den serösen Häuten
fibrinös-hämorrhagische Entzündung, während es gleichzeitig in allen
Organen zur Aussaat kleinster tuberkelähnlicher Knötchen kam.
Bei der histologischen Untersuchung erwiesen sich dieselben als
Leukocyteninfiltrate. Wegen der Aehnlichkeit mit Tuberculose bezeicb-
nete Eppinger die Erkrankung als Pseudotuberculosis cladothrica.
Im selben Jahre fand Armquist bei seinen Untersuchungen über
mycelbildende Bacterien in einem meningealen Exsudat neben
anderen Pilzen auch eine Streptothrix, welche weisse Colonien bildete.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. An.it. o. vcrw. Disciplinen. 11
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158
Dr. Adolf Horst.
Tschierschke (1891) beschrieb zwei Cladothrixarten, von denen
die eine aus dem Leberblut einer an Eklampsie Verstorbenen, die
nndere aus einem Vaginalsecret gezüchtet wurde.
Die erstere bildete auf Agar eine anfangs weisse, später
schmutziggelbe faltige Haut. Blutserum wurde rasch verflüssigt.
Auf der Kartoffel nahm die Colonie eine grünbraune Farbe an.
Der zweite Pilz bildete auf Blutserum ein schwarzbraunes
Pigment und färbte sich der verflüssigte Nährboden dunkelroth.
Im folgenden Jahre berichtete Hesse über einen Fall von
chronisch verlaufender Eiterung, welche ihren Sitz in den retro-
peritonealen Weichtheilen hatte.
Die Infection war vom Darme (Rectumfistel) aus erfolgt. In
Körnchen des Eiters wie im schmierigen Belage der Abscesswände
fand Hesse einen Pilz, welcher auf Agar knötchenförmige weisse
Colonien bildete, Blutserum und Gelatine rasch verflüssigte.
Der Pilz bildete verzweigte Faden und zeigte in den festen
Nährmedien auch Stäbchen- und Coccenforraen (Sporen). Er ist zu
Gram positiv und gehört zu den obligaten Aerobien. Für Thiere
erwies sich der Pilz nicht pathogen.
Im Anschlüsse an obigen Fall möchten wir wegen des ähnlichen
Verlaufes den Fall Garten's anführen.
In demselben bestand ebenfalls ein chronisch verlaufender
Eiterungsprocess in den Weichtheilen der Lendengegend. Bei der
Obduction fanden sich zahlreiche Abscesse längs der Wirbelsäule bis
in die Kreuzbeingegend.
Die Infection war vermuthlich von der Trachea aus erfolgt. In
den Körnchen des Eiters fand Garten verzweigte Pilzfaden, welche
mitunter kurze Stäbchen und coccenähnliche Gebilde enthielten.
Der Pilz bildete in der Agar- wie Glycerinagarcultur eine faltige
weissliche Haut, die besonders auf der Kartoffel beträchtliche Dichte
erreichte. Im Gelatinestrich entstand zunächst eine typische Nagel-
cultur, welche vom fönften Tage an wegen Verflüssigung des Nähr¬
bodens verschwand. Im hängenden Tropfen zeigten die Coccenformen
träge Eigenbewegung. Für die Versuchsthiere erwies sich der Pilz
nur in geringem Grade pathogen.
1893 berichtete Gruber über einen Fadenpilz (Mikromyces
Hofraanii), der gelegentlich einer Untersuchung menschlicher Lymphe
auf den Keimgehalt gefunden wurde. Derselbe bildete echte Ver¬
zweigungen, war zu Gram positiv.
Er gedieh vorwiegend aerob und bildete auf zuckerhaltigen
Nährsubstraten grauweisse, im Alter braun werdende Colonien. Auf
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Ein Fall von Streptothrixpyäraie beim Menschen.
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Kartoffel und Gelatine erfolgte kein Wachsthum. In zuckerhaltiger
Bouillon bildete er Essigsäure. Für Meerschweinchen und Kaninchen
pathogen, erzeugte er bei letzteren nach subcutaner Injection eine
»eitrige fibrinöse Bindegewebsentzündung mit Abscessbildung«. Bei
intraperitonealer oder intravenöser Impfung erfolgte keine Reaction.
Im folgenden Jahre theilen zwei französische Autoren
M. Sabrazds und M. B. Rivtire Streptothrixinfectionen mit.
Fall I betraf einen 32jährigen Mann, bei dessen Obduction ein
Hirnabscess, ein Abscess in der rechten Lungenspitze und ein
Niereninfarct gefunden wurden.
In dem Abscesseiter konnte Riviüre lange, G^am-positive, ver¬
zweigte, fadige Gebilde nachweisen. In der Cultur, und zwar nur bei
anaerober Züchtung, gedieh der Pilz in Form weisslicher Colonien.
Im Falle II bestand eine Bronchopneumonie mit multiplen
metastatischen subcutanen Abscessen.
Die Streptothrix gedieh nur bei aerober Züchtung und erforderte
zu ihrem Gedeihen ausserdem alkalisch oder neutral reagirende Nähr¬
substrate.
An der Luft nahmen die Colonien allraälig eine braune Farbe
an. Gelatine wurde verflüssigt.
Ch. Ferr4 und Faquet haben im selben Jahre aus einem Gehim-
abscess eine Streptothrixart gezüchtet, welche auf allen Nährböden
gedieh, jedoch die Kartoffel bevorzugte. Der Pilz war zu Gram
positiv und zeigte verzweigte Faden, oftmals mit knopfförmig ver¬
dickten Enden.
1897 folgten die Mittheilungen von BuchhoUz, Scheele-Petruschky
und Flexner Simon.
Der Fall Buchholtz betraf einen 38jährigen Stahlgiesser, welcher
plötzlich mit Seitenstechen und blutigem Auswurfe erkrankt war. Im
weiteren Verlaufe entwickelte sich ein rechtsseitiges Pleuraempyem
und ging Patient alsbald unter zunehmendem Marasmus zu Grunde.
Bei der Section fanden sich im rechten Lungenunterlappen zwei
Abscesse, die mit der Empyemhöhle communicirten. Das umgebende
Lungengewebe war verdichtet und von anscheinend käsigen, stellenweise
ulcerirten Stellen durchsetzt, so dass der ganze Process an eine vor¬
geschrittene Tuberculose erinnerte. Histologisch zeigten die infiltrirten
Partien das Bild einer croupösen Pneumonie mit partiellen Nekrosen
des Exsudates.
Bei Färbung nach Gram wurden zwischen den Exsudatzellen
feine verzweigte Fadengebilde sichtbar.
Die Cultur derselben war jedoch nicht vorgenommen worden.
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Dr. Adolf Horst.
Flexners Fall hatte ebenfalls Aehnlichkeit mit chronischer
Tuberculose. Er fand die Lungen theilweise zerstört und von Cavernen
und tuberkelähnlichen Knoten durchsetzt. Ebensolche Knötchen sassen
am Peritoneum, in Leber und Milz. Ausstrichpräparate aus diesen
Knoten nach Gram gefärbt, Hessen zahlreiche, verzweigte fadige
Gebilde erkennen. Die Züchtung war nicht gelungen, ebenso war das
Thierexperiment ohne Erfolg.
Scheele und Petruschky berichten über eine Influenzapneuraonie,
zu der sich secundär die Streptothrixinfection gesellte. Im Sputum
wie in metastatischen Hautabscessen fanden • Scheele und Petruschky
eine Streptothrix, welche auf Glycerinagar festhaftende weisse, starken
Schimmelgeruch verbreitende Colonien bildete, während auf der Kar¬
toffel und auf Zuckeragar kein Wachsthum stattfand.
Besondere Beachtung verdient der i?«Kwann’sche Fall, weil die
Diagnose bereits intra vitam gestellt wurde und diese Streptothrix¬
infection nun schon vier Jahre lang besteht.
Die Erkrankung begann mit Husten und eitrigem Auswurf, in
welchem verschieden grosse, gelbgrünliche Körnchen suspendirt waren,
die eine Reincultur eines Fadenpilzes darstellten. Patientin wurde im
vorigen Jahre röntgenisirt und zeigte das Bild neben mehreren
kleineren Verdichtungsherden in den Lungen einen besonders grossen,
am rechten Hilus gelegenen.
Aus den Körnchen cultivirte Kulimann zu wiederholten Malen
eine zu Gram positive, lebhafte Eigenbewegung zeigende Streptothrix,
die auf Agar. Milch, Kartoffel, Brotbrei farblose Colonien bildet.
Auf Löffler' schem Blutserum sind die Colonien intensiv chrom-
gelb gefärbt.
Die Streptothrix bildete nur in den Culturen auf Löffler s Nähr¬
boden und bei der aeroben Züchtung auf Eiweissstücken verzweigte
Faden, in den übrigen Nährmedien zeigt sie Diphtberiebacillen ähn¬
liche Formen.
Eine zu Gram negative Varietät beobachteten Ghon und Albrecht
gelegentlich ihrer Untersuchungen über die Pest 1897. Sie fanden
bei der Section eines an Pest verstorbenen Hindu im linken Lungen¬
oberlappen einen Abscess, dessen Inhalt von einem rotzigen grünlich¬
gelben Eiter gebildet wurde. Histologisch wie culturell fanden sie
eine Gram - negative Streptothrix, deren culturelles Verhalten noch
nicht bekannt gegeben wurde.
Im gleichen Jahre berichteten Aoyama und Miyamotto über eine
Streptothrixinfection.
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Ein Fall von Streptothrixpyämie beim Menschen.
161
Sie hatten die Diagnose bereits intra vitam gestellt, da sie im
Auswurf des Patienten nach der Qabbet'seihen Methode die Streptothrix
in reichlicher Menge fanden.
Da bei dem Patienten auch Symptome einer Hiruerkrankung
bestanden, wurde die Diagnose auf metastatischen Hirnabscess in
Betracht gezogen. Bei der Section fand Aoyama im Gehirn einen
Erweichungsherd bei Thrombose einer aneurysmatisch erweiterten
Arteria communicans anterior; in der rechten Lunge lobulär pneu¬
monische Herde, deren Schnittfläche eigentümlich grobkörnig und
trocken aussah. An den pneumonischen Herden unterscheidet Aoyama
zwei Arten der Infiltration, kleinzellige und diese umgebend fibrino-
alveolarzellige. Die kleinzelligen Haufen sind stellenweise nekrotisch,
die Zellkerne zerfallen. Die Streptothrix wurde nur in den kleinzelligen
Infiltraten in Form baumförmig verzweigter Faden angetroffen. Die
Culturen auf Agar, Kartoffel, Glycerinagar zeigen kleine, rundliche,
dem Nährboden fest anhaftende, weisse bis gelbliche Colonien. In
den flüssigen Nährmedien entsteht eine aus kleinen weissen Körnchen
zusammengesetzte Oberflächenhaut; die Flüssigkeiten bleiben klar.
Milch gerinnt nicht, es entsteht nach einigen Tagen eine gelbliche
Kruste an der Oberfläche.
Der Pilz zeigte keine Eigenbewegung und gedieh vorwiegend
aerob.
Die Versuche mit Hühnern, Kaninchen und weissen Mäusen
waren negativ.
Bei Meerschweinchen verursachten die Pilze bei Einspritzung in
die serösen Höhlen Pseudotuberkeln und hämorrhagisch-fibrinöse Ent¬
zündung der serösen Häute. Bei intravenöser Impfung entstehen in
allen Organen, insbesondere in der Körpermusculatur, Pseudotuberkel.
Diese erweisen sich histologisch als kleinzellige Infiltrate, in denen
der Pilz in reichlicher Menge anzutreffen war.
Ferrari (1899) beschrieb einen Fall von metastatischem Hirn¬
abscess nach Vereiterung einer Bronchialdrüse und fand im Eiter
neben Coccen zu Gram positive, fadige Gebilde, die deutliche Ver¬
zweigungen zeigten. Die Cultur war nicht gelungen.
Im gleichen Jahre fand Krause eine Streptothrix, die so¬
wohl aerob wie auch anaerob gedieh, wobei sich auf Agar kleine,
rosettenförmige, gelbe Colonien entwickelten. In Fleischbrühe ent¬
steht ein klumpig geballter Niederschlag. Der Pilz ist zu Gram positiv
und zeigt an den Enden der Faden oftmals kolbige Verdickungen.
Thierexperiment ist nicht erwähnt.
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162
Dr. Adolf Horst.
Unter dem Titel: »Ein neues Fadenbacterium, eine pseudo-
aktinomykotische Erkrankung erzeugend« beschrieb Vinzenzo CoyzoU
Uno (1890) folgenden Fall.
Eine junge Bäuerin bekam eine periaurieuläre Anschwellung,
welche nach dem klinischen Verlauf für Aktinomykose gehalten wurde.
Patientin wurde mehrere Male operativ behandelt, doch trat bald
Recidive ein. Ausserdem hatte sich ein Retropharyngealabscess ent¬
wickelt. Patientin wurde abermals behandelt, doch erfolgte nach
einem weiteren halben Jahre unter meningitischen Erscheinungen
der Exitus.
Im Eiter fand Coyzollino Körnchen, welche Reinculturen eines
Fadenpilzes enthielten. Derselbe gedieh nur bei aerober Züchtung,
bildete Sporen und zeigte lebhafte Eigenbewegung. Niemals wurden
sichere Verzweigungen gefunden. Auf gekochtem Eigelb entstanden
rosa- bis braunrothe Colonien, während auf der Kartoffel das Wachs¬
thum dem des Bacillus mesentericus ähnlich war. Der Pilz erwies
sich für Hausmäuse und Meerschweinchen pathogen, erzeugte neben
starken entzündlichen Veränderungen partielle Nekrosen in Leber und
Lungen. Coyzollino hält seinen Pilz »für ein Verbindungsglied
zwischen den Hyphomyceten. wovon der Aktinomyces die letzte Stufe
darstellt, dem er wegen seiner pathogenetischen Wirkung ähnelt, und
der Gruppe des Heubacillus, der er sich im biologischen wie eulturellen
Verhalten anschliesst«.
W. Silberschmidt beschrieb eine Streptothrix, welche er aus
C'oncrementen aus einem Thränenröhrchen cultivirte. Dieselbe zeigte
meist diphtheriebacillenartige Formen oder die Faden bestanden aus
feinen Körnchen, so dass bisweilen ein Streptococcus vorgetäuscht
wurde. Der Pilz ist zu Gram positiv und verflüssigte die Gelatine.
In den Bouillonculturen bildete sich am Boden des Reagensglases ein
gelbliches, festes, maulbeerartig geformtes Klümpchen. Thieren gegen¬
über ist der Pilz in geringem Grade pathogen.
Auf die parasitäre Natur dieser Concremente in den Thränen¬
röhrchen wurde schon von v. Graefe (1854) hingewiesen und die
Pilzfaden von ihm als Favuselemente gedeutet.
Förster, der gleichfalls mehrere Fälle beobachtete, fasste die
Pilze als Leptothrixformen auf und erst Cohn bestimmte ihre Zu¬
gehörigkeit zu den Streptothricbeen.
Westphalen und Eliasberg, welche die vier von v. Schroeder
beobachteten Fälle von Verschluss des Thränenröhrchens durch Pilz¬
massen untersuchten, hielten die gefundenen Fadenpilze für identisch
mit Aktinomyces.
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Ein Fall von Streptothrixpyämie beim Menschen.
163
Anschliessend erwähnen wir die Beobachtungen von Fuchs ,
welcher in vier Fällen an der nur geringe katarrhalische Verände¬
rungen aufweisenden Bindehaut eigenthfiralicbe, an Meibom' sehe
Drüseninfarcte erinnernde, gelblichweisse Auflagerungen fand, welche
durch Vegetation eines Pilzes bedingt waren. Die von M. Oruber
angestellte Untersuchung ergab den Befund von Streptothricheen.
Chiari (1900) beschrieb zwei Fälle von Myelitis bei Bronchi-
ektasie, deren einer ausserdem mit metastatischer eitriger Meningitis
complicirt war.
Im Eiter fand Chiari neben Diplococcus pneumoniae zu Gram
positive, verzweigte fadige Gebilde. Die Cultur derselben war nicht
versucht worden.
Im selben Jahre berichteten Ch. Norris und J. Markin über
zwei Fälle von nekrotisirender Bronchopneumonie, als deren Erreger
eine Streptothrix gefunden wurde.
Der erste Fall betraf einen 45 Jahre alten Zimmermann, der
unter den Erscheinungen einer Lungengangrän gestorben war.
Bei der Section erwies sich die rechte Lunge fast vollständig
infiltrirt und von kleinen gelblichen Herden durchsetzt. Die Bronchien
lebhaft injicirt und mit weissgelben Körnchen dicht bestreut.
Das histologische Bild entsprach einer nekrotisirenden lobulären
Pneumonie. ,
Im zweiten Falle handelte es sich um einen 23jährigen Arbeiter,
der gleichfalls unter schweren Lungenerscheinungen, die an Tuber-
culose erinnerten, zu Grunde gegangen war.
Die Lungen waren fast vollständig infiltrirt und von graugelben
Knoten durchsetzt. Auch in den bronchialen Lymphdrüsen waren
solche Knötchen enthalten.
Histologisch der gleiche Befund wie im ersten Falle.
Die Streptothrix, welche in beiden Fällen in ßeincultur ge¬
wonnen worden war, gedieh sowohl aerob wie anaerob und auf allen
Nährböden, woselbst sie weissliche, dem Nährsubstrat fest anhaftende
Colonien entwickelte. Sie ist zu Gram positiv. Für Kaninchen und
Meerschweinchen pathogen, erzeugt sie bei Impfung in die Trachea
Eiterung und nekrotisirende Pneumonie.
Mac Collum (1902) fand bei der Section eines unter peritonealen
Erscheinungen verstorbenen Negers die Darmschlingen durch fibrinöses,
theils schon organisirtes Exsudat verklebt. Zwischen den Schlingen
gelatinösen, opaken, weisslichen Eiter, in welchen verzweigte, zu
Gram positive fadige Gebilde, deren Enden oft kolbig verdickt waren,
in reichlicher Menge gefunden wurden. Der Pilz konnte aerob ge-
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Dr. Adolf Horst.
züchtet werden, gedieh auf allen Nährböden und bildete auf Agar
festsitzende, rauhe, orangefarbene, auf Blutserum weisse Colonien; die
Kartoffelcultur zeigte ein kreidiges Aussehen; in alkalischer Milch
bildete sich nach einigen Tagen gelber Rahm.
Der Pilz ist für Mäuse, Hunde und Kaninchen pathogen. Bei
intravenöser Impfung entstanden multiple Abscesse, in denen Pilzdrusen
von folgender Beschaffenheit zu finden waren.
Der centrale Theil ist schlank homogen, oft spiralig gewunden
und enthält Calciumcarbonat, peripherwärts umschliessen denselben
lange schlanke Keulen.
Bei intraperitonealer Impfung bilden sich tuberkelähnliche
Knoten, in denen Riesenzellen nachgewiesen werden konnten.
Mac Callum ist der Meinung, dass sowohl sein gefundener Pilz
als auch die übrigen beschriebenen Streptothrixarten nur Varietäten
des echten Aktinomyces seien.
In jüngster Zeit beobachtete Löhlein eine Streptothrixinfection.
Er fand bei der Section eines 22jährigen Mannes, der unter den Er¬
scheinungen einer miliaren Tuberculose zu Grunde gegangen war, zwei
hühnereigroße Gangränhöhlen im rechten Leberlappen, eine rechts¬
seitige obsolete Pleuritis und multiple Abscesse in Lunge, Herz, Milz
und Gehirn. Aus dem Eiter wurde eine Streptothrix gezüchtet, deren
jäheres culturelles Verhalten noch nicht bekannt gegeben wurde.
Im Anschlüsse an die Literatur der Streptothricheen wollen wir
nun die Beschreibung unseres Falles folgen lassen.
Derselbe betrifft einen 33 Jahre alten Tischlergehilfen, der am
15. März 1902 in soporösem Zustande ins Spital aufgenommen wurde.
Aus der Anamnese wurde bekannt, dass Patient schon seit
Kindheit immer kränklich und schwächlich war und dass seine
jetzige Erkrankung vor 14 Tagen mit heftigen stechenden, im
Hinterhaupte localisirten Kopfschmerzen einsetzte.
Status praesens: Patient ist benommen, reagirt kaum auf
Anruf. Beklopfen des Schädels sehr schmerzhaft. Die linke Pupille
weiter. Der Augenhintergrund normal. Puls regelmässig, 80. Tem¬
peratur 37'1°. Ueber beiden Lungenspitzen verkürzter, etwas ge¬
dämpfter Schall und vereinzelte Rasselgeräusche.
In den folgenden Tagen nimmt der Sopor zu, am 17. März
zeigte sich eine leichte rechtsseitige Facialisparese, am 18. erfolgte
in tiefem Sopor der Exitus letalis.
Die klinische Diagnose lautete auf Meningitis tuberculosa.
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Ein Fall von Streptothrixpyäinie beim Menschen.
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Sectionsbefund: Mittelgrosse männliche Leiche. Fettpolster
fast völlig geschwunden. Schädel mesocephal, symmetrisch. Die Dura
an der Aussen- und Innenseite glatt und glänzend, die Meningen
zart und durchsichtig. Bei Durchtrennung des linksseitigen kleinen
Tentoriums stösst man aufEiter. Derselbe ist dickflüssig, gelbgrünlich,
rotzig und stammt aus einem in der linken Kleinbirnhemisphäre
liegenden, etwa nussgrossen Abscesse, dessen Innenseite vielfach zer¬
klüftet ist und sich gegen die Umgebung durch eine etwa V^mm.
dicke, derb anzufühlende, grauröthliche pyogene Membran deutlich ab¬
grenzen lässt.
In der Nachbarschaft dieses Herdes finden sich noch zahlreiche
kleinere, etwa linsengrosse Abscesse, die so dicht stehen, dass das
Kleinhirn wie siebartig durchlocht erscheint.
An den kleinen Abscessen fehlt die pyogene Membran. Auch
das Grosshirn ist von zahlreichen ebensolchen kleineren und grösseren
Abscessen durchsetzt.
Die Hirnventrikel etwas erweitert. Die Ventrikelflüssigkeit
vermehrt, etwas getrübt.
Ohr, Mund, Nasen- und Rachengebilde normal.
Die Schleimhaut der Trachea etwas injicirt, mit zähem Schleim
bedeckt.
Beide Lungen im Bereiche der Spitzen adbärent.
Die Spitze des linken Oberlappens ist schiefrig indurirt und
enthält einige erbsengrosse grauweisse Knötchen. Der übrige Theil
der linken Lunge allenthalben lufthaltig.
Der rechte Oberlnppen zeigt dieselben Veränderungen.
Im Bereiche des Hilus sind die beiden Pleurablätter fest ver¬
wachsen, das Lungengewebe daselbst verdichtet.
Nach Lösung der Adhäsionen gelangt man in einen mit bräun¬
lichem, dickflüssigen Eiter gefüllten, nussgrossen Abscess, der zum
Theile in einer vergrösserten bronchialen Lymphdrüse gelegen ist,
zum Theile das angrenzende Lungengewebe mit einbezogen hat. Sowohl
in der stellenweise V 2 cm dicken, sich derb anfühlenden Abscesswand,
wie auch in der Pleuraschwarte und der bronchialen Lymphdrüse
findet man kleine, grauweisse, im Centrum verkäste Tuberkelknötchen.
Ebensolche sind auch in dem pneumonisch verdichteten, an den
Abscess angrenzenden, durch die grobkörnige Beschaffenheit der
Schnittfläche auffallenden Lungenabschnitt zu sehen. Daselbst mehrere
cylindrische Bronchiektasien.
Die übrigen bronchialen Lymphdrüsen vergrössert, schiefrig in¬
durirt und mit zahlreichen, meist verkästen Tuberkelknötchen durchsetzt.
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166
Dr. Adolf Horst.
Leber und Nieren fettig degenerirt.
An der Ileocöcalklappe ein thalergrosses, tuberculöses Geschwür.
Einige mesenteriale Lymphdrüsen verkäst.
Sectionsdiagnose: Multiple metastatische Hirnabscesse
nach Vereiterung einer bronchialen Lymphdrüse. Chroni¬
sche Tuberculose der Lungen, der bronchialen und mesen¬
terialen Lymphdrüsen. Tuberculose des Dünndarmes.
Der steril entnommene Eiter aus Drüsen- wie Hirnabscess wurde
sofort der bacteriologischen Untersuchung zugeführt. Es wurden
einestheils mehrere Agarplatten damit beschickt, andererseits Deckglas¬
präparate angefertigt.
Bei Färbung mit wässerigem Fuchsin oder Methylenblau
konnten keinerlei Bakterien nachgewiesen werden, dagegen reichlich
Fibrin, Eiterkörperchen und Detritus. Bei Anwendung der Gram ’schen
Färbung zeigten sich in reichhaltiger Menge verzweigte, fadige
Gebilde.
Ihre Länge ist variabel; kurze, bacillenartige Formen finden
sich neben langen, oft mehr als den Durchmesser des Gesichtsfeldes
einnehmenden Faden, die fast durchwegs in Gruppen beisammen¬
liegen, theils ein zierliches Netzwerk bilden, theils zu verfilztem
Knäuel geballt sind. Die sehr reichliche Verästelung der Pilzfaden
erfolgt derart, dass vom Staramfaden meist unter rechtem Winkel
und in verschieden langen Zwischenräumen zahlreiche Zweige ab¬
gehen, die sich wieder in gleicher Weise verästeln.
Eine weitere Eigenschaft der Faden ist die Segmentation,
wodurch manche derselben Bacterienketten gleichen, während andere
wie aus feinsten Körnchen zusammengesetzt erscheinen.
Nicht alle Pilzfaden färben sich gleich intensiv, sondern zeigen
verschieden lange Stellen, die nur ganz schwach tingirt sind.
Wie schon bemerkt wurde, verhalten sich die Pilze zu Gram
positiv und lassen sich auch nach der C?aMe<'schen Methode der
Tuberkelbacillenfärbung darstellen, während die Methode Weichsel-
bautvis negative Resultate gibt.
Histologische Untersuchung.
A. Hirnabscesse (Fig. 1).
Wir finden neben kleinen, nur aus Leukocyteninfiltraten bestehenden
Herden auch ältere Abscesse, die sich durch ein aus Spindelzellen
zusammengesetztes, gefassreiches Granulationsgewebe abgrenzen. Die
Hirnsubstanz ist im weiteren Umkreise dieser Herde aufgelockert,
ödematös, die Gefasse kleinzellig infiltrirt.
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Ein Fall von Streptothrixpy&mie beim Menschen.
167
In den jüngeren Abscessen findet sich der Pilz in reichlicher
Menge meist in den Randpartien, woselbst er mitunter ein dichtes
Geflecht bildet, stellenweise büschelförmig gelagert erscheint.
ln den centralen Theilen des Eiterherdes können wir denselben
meist nur in Form undeutlich gefärbter Fadenfragmente nachweisen,
die mitunter zu einem feinstkörnigen Detritus zerfallen sind.
Aehnlich degenerirte Formen finden wir auch in den älteren,
bereits durch Granulationsgewebe abgekapselten Herden.
Der Nachweis des Pilzes gelang ausserdem in einigen kleinen
Gehirnarterien, wodurch die embolische Natur der Abscesse festgestellt
erscheint.
B. Bronchialdrüsenabscess,
Die Wand desselben besteht aus einem schwieligen, tuberculösen
Granulationsgewebe, das nach der Innenseite zu eitrig infiltrirt er¬
scheint. Im Eiter finden wir den Fadenpilz in ähnlicher Form wie
in den Hirnabscessen, jedoch in geringerer Menge.
G. Lunge (Fig. 2 und 3).
In beiden Oberlappen zahlreiche, grösstentbeiis verkäste, con-
fluirte Tuberkel.
Die Pleura ist im Bereich des rechten Lungenhilus durch tuber-
culöses Granulationsgewebe bedeutend verdickt und, so weit sie an
der Bildung des beschriebenen Bronchialdrüsenabscesses betheiligt er¬
scheint, eitrig infiltrirt.
Die Lunge daselbst schiefrig indurirt, von miliaren, meist ver¬
kästen Tuberkelknötchen durchsetzt. Die Bronchien dieses Lungen¬
abschnittes sind erweitert, ihre Wand theils verkäst, theils eitrig
infiltrirt.
Sowohl in den vereiterten Partien der Pleura, wie auch in dem
eiterigen Exsudat der Bronchien konnten bei Anwendung der Gram-
Weigert' sehen Methode unsere Pilzfaden nachgewiesen werden.
An diese Partien grenzt nun der verdichtete, schon makro¬
skopisch durch die grobkörnige Beschaffenheit der Schnittfläche auf¬
fallende pneumonische Herd, welcher durch Confluenz kleiner, knötchen¬
förmiger Herdchen von folgender Beschaffenheit entstanden ist.
Das Centrum eines solchen, nur wenige Alveolen umfassenden
Herdes besteht aus einem intraalveolär gelegenen Infiltrate von Leuko-
cyten, die zu kleineren oder grösseren Klumpen zusammensintern,
wobei die Zellstructur verwischt wird und die Zellkerne mehr weniger
in Zerfall begriffen sind. Diese Zellcongloraerate färben sich mehr
diflus und heben sich besonders bei Anwendung der Gram-Weigert -
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sehen Färbung durch einen eigenthümlich rothvioletten Farbenton
scharf von der Umgebung ab. Weiters fallen diese Partien besonders
dadurch auf, dass wir daselbst in reichlicher Menge unseren Faden-
pilz nachweisen können.
Die angrenzenden Alveolen sind theils mit serösem, theils fibri¬
nösem Exsudat, desquamirten Alveolarendothelien und rothen Blut¬
körperchen erfüllt. In älteren confluirten Herden überwiegen im
Exsudat mono- und polynucleäre Leukocyten, wogegen die beschrie¬
benen Zellhaufen vollkommen verschwinden. Der Pilz bildet in diesen
Stellen ein zartes Geflecht zwischen den Zellen des Exsudates. An
den Gefässen sehen wir starke Hyperämie und zellige Infiltration ihrer
Wand, ausserdem gelang uns in einigen grösseren Lungenvenen der
Nachweis von Pilzfaden.
Culturversuche und Morphologie.
Auf den mit Eiter von Hirn- und Bronchialdrüsenabscessen
beschickten Agarplatten sind nach 24ständigem Verweilen im Brut¬
schrank (37°) zahlreiche Colonien einer Pilzart aufgegangen. Dieselben
erscheinen stecknadelkopfgross, halbkugelig, glattrandig, trocken, grau-
weiss und haften fest am Nährboden.
Unter dem Mikroskop erkennt man, dass sich diese Colonien
aus einem dicht verflochtenen Mycelium zusammensetzen, das sich
mit zahlreichen, feinsten, verzweigten, radiär gerichteten Ausläufern
peripheriewärts ausbreitet.
Von der Reincultur des Pilzes legten wir nochmals Agarplatten
(Gussmethode) an und überimpften auf die verschiedenen Nährböden.
In den Plattenculturen waren schon nach zwölfstündigem Ver¬
weilen im Brutofen (37 c ) an der Oberfläche kleinste, eben noch sicht¬
bare, weissliche Colonien zu bemerken.
Neben diesen fanden sich Colonien, die nur mit dem Mikroskop
sichtbar sind und aus wenigen verzweigten Faden bestehen. Nach
24 Stunden sieht man auch in den tieferen Schichten Wachsthum,
doch bleiben diese Colonien klein.
Die oberflächlich gelegenen Colonien erreichen inzwischen einen
Durchmesser von 2—3 mm und bedecken sich mit einem feinsten,
sainmtartigen, weissen Ueberzug. Dieser besteht aus feinen, ver¬
zweigten Lufthyphen, die sich in reichlicher Menge aus dem Mycel
erheben. Nach fünf bis acht Tagen verschwindet dieser weisse Belag
und erscheint [die Colonie grau-fettigglänzend. Unter dem Mikroskop
zeigt sich das Centrum derselben dicht, bräunlich, von grobem.
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Ein Fall von Streptothmpyämie beim Menschen.
169
ungleichem Korne; nur in den Randpartien finden wir noch erhaltene
Lufthyphen.
In Abstreifpräparaten von diesen Colonien sieht man im Gegen¬
satz zu Präparaten von jungen Colonien nur wenige verzweigte Faden¬
stücke, dagegen reichlich Bacillen und Coccenformen. Erstere stellen
theils verschieden lange, plumpe, oft kettenförmig aneinandergereihte
Stäbchen dar, theils ähneln sie den Diphtheriebacillen, sind keulen¬
förmig, segmentirt, enthalten Chromatinkörnchen. Die coccenartigen
Gebilde erscheinen in Form kleiner, unregelmässiger, ungleich grosser
Körnchen, die durch ihre Gestalt und Lagerung bisweilen einen
Diplococcus pneumoniae oder einen Streptococcus vortäuschen.
Aehnliches Wachsthum wie auf der Agarplatte zeigt der Pilz
auf schräg erstarrtem Agar.
Nach 12—24 Stunden entwickeln sich zarte, weisse Colonien,
die mitunter confluiren und dann einen feinkörnigen, weissen Rasen
bilden. Bisweilen entsteht von Anfang an eine zarte, fast homogen
aussehende, gefaltete Haut. Einige Male entwickelten sich nur einige
Colonien, die jedoch bis zur Grösse einer Linse heranwuchsen und
eine radiäre Fältelung zeigten. Säramtliche Agarculturen bleiben weiss.
Besonders üppig gedeiht der Pilz auf Glycerinagar, und zwar
zuerst in Form eines weissen, feinkörnigen Rasens, der schon nach
24 Stunden eine beträchtliche Dichte erlangt und sich weiterhin in
eine dicke, stark gefaltete, feuchtglänzende Haut umwandelt. Die
anfangs weisse Farbe derselben wird zunächst gelblich und dann
mehr röthlich.
Nach 8—14 Tagen bildet sich am Rande der Membran ein
weisser, sehr zart radiär gestreifter Saum.
Auf Serumagar entwickelt sich ein weisser, feinkörniger Belag,
der nur langsam dichter wird.
Auf Löfler’s Nährboden bildet sich schon nach zwölf Stunden
ein deutliches, weisses Häutchen, das in den folgenden Tagen sehr
dick wird, sich stark runzelt und ein gelbliches Colorit annimmt.
In der Zuckeragar-Schüttelcultur entstehen nur an der
Oberfläche weisse Colonien; in den tieferen Schichten findet kein
Wachsthum statt.
Agarstichcultur: An der Oberfläche bildet sich um die
Einstichöffnung eine dichte, rosettenförmig sich ausbreitende, weisse
oder orangefarbene, radiär gefaltete, fettigglänzende Haut. In den
oberen Theilen des Stichcanals entstehen zunächst kleine, weisse
Körnchen, von welchen nach einigen Tagen zarte Strahlenbüschel
nach allen Richtungen ausstrahlen.
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Im Gelatinestich ist das Wachsthum sehr ähnlich dem eben
beschriebenen, doch ist die Oberflächenhaut viel zarter, feinkörnig,
trocken. Die Gelatine wird nicht verflüssigt.
In Bouillon treten innerhalb 24 Stunden an der Oberfläche
zahlreiche, weisse, kleine Körnchen auf, die durch ein farbloses, sehr
zartes Häutchen Zusammenhängen, so dass sie weder bei Neigen der
Eprouvette noch durch Schütteln ihre gegenseitige Lage verändern.
Gleichzeitig sieht man in der vollkommen klar bleibenden Flüssigkeit
zarte Flocken suspendirt, die sich allmälig zu Boden senken und einen
flockigen Niederschlag bilden. Während die Farbe der Colonien stets
weiss bleibt, variirt die Grösse und Form derselben ausserordentlich.
Bisweilen confluiren dieselben und bilden dann eine dichte, stark ge¬
runzelte Oberflächen haut. Mitunter entsteht nur eine einzige, scheiben¬
förmige, beinahe den ganzen Durchmesser der Eprouvette einnehmende
Colonie, die sich nach einigen Tagen reichlich mit Lufthyphen bedeckt
und dadurch ein sammtartiges Aussehen bekommt.
In Stroh- und Heuinfus findet sehr üppiges Wachsthum statt,
welches dem eben beschriebenen vollständig gleicht.
Weniger gut gedeiht der Pilz in Zuckerbouillon und noch
schlechter in Peptonwasser.
Auf Kartoffel bildet sich ein dichter, weisser, trockener, fein
oder grobkörniger Rasen, bisweilen eine dicke, gerunzelte, weisse Haut,
die bisweilen ein bräunliches Colorit anniramt. In Abstreifpräparaten
von der Kartoffelcultur finden wir unseren Pilz meist in Kurzstäbchen¬
oder Spirillenformen. Nur in ganz jungen Culturen treffen wir ver¬
zweigte Faden.
Auf der Rübe ist das Wachsthum dem eben beschriebenen sehr
ähnlich.
In der Milch entwickelt sich eine dicke, anfangs schwefelgelbe,
später mehr orangefarbene Oberflächenhaut. Die Milch gerinnt nicht.
Auf Brotbrei entsteht ein schimmelartiger, dichter, weisser
Rasen.
Alle Culturen besitzen einen bald mehr, bald weniger intensiv
hervortretenden Schimmelgeruch.
Ferner ist zu bemerken, dass wir unseren Pilz nur bei aerober
Züchtung cultiviren konnten.
Im hängenden Tropfen zeigt die Streptothrix Eigenbewegung,
wobei die schnellsten Locomotionen von den Coccen und Bacillen¬
formen ausgeführt werden. Mit zunehmendem Längen wachsthum
verlangsamt sich die Bewegung und sistirt an den verzweigten
Faden.
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Ein Fall von Streptothrixpyäinie beim Menschen.
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Der Pilz ist zu Gram positiv und ist säurefest. Diese letztere
Eigenschaft bösst er jedoch in älteren Culturen allmälig ein.
Die Streptothrix erscheint in den menschlichen Erkrankungs¬
herden in Form langer, verzweigter, mehr oder weniger segmentirter
Fadenstücke. Keulenbildung oder Drusen wurden nicht beobachtet.
Thierversuche.
Wir verwendeten weisse Mäuse, Meerschweinchen und Ka¬
ninchen.
Weisse Mäuse reagirten auf keine der verschiedenen Impfungen
und müssen dieselben als refractär bezeichnet werden.
Sehr empfänglich erwiesen sich dagegen die Meerschweinchen.
Wir impften zunächst ein Thier subcutan mit einer zwei Tage
alten Agarcuitur.
Nach zwei Tagen bemerkte man an der Injectionsstelle ein
weiches Infiltrat, das sich nach einigen Tagen verhärtete und nuss-
gross wurde.
Die Haut darüber stark geröthet.
Nach acht Tagen zeigte sich im Centrum des Knotens Fluctuation
und am 14. Tage nach der Impfung brach derselbe auf, wobei sich
ein dicker, grüngelblicher Eiter entleerte. In den folgenden Tagen
verkleinerte das Infiltrat rasch und war nach acht Tagen voll¬
kommen resorbirt.
Das im hohen Grade abgemagerte Thier erholte sich und blieb
seither gesund.
Im Eiter fanden wir histologisch wie culturell unseren Faden¬
pilz in Reincultur.
Ein zweites Meerschweinchen wurde intrathoracal geimpft.
Am fünften Tage entstand an der Injectionsstelle ein kleines
Infiltrat, das in den folgenden Tagen verhärtete und der Thoraxwand
fest anbaftete. Das Thier magerte zusehends ab und ging zwölf Tage
nach der Impfung unter Athembeschwerden zu Grunde.
Obductionsbefund: Fettpolster vollständig geschwunden,
Musculatnr trocken. An der Impfstelle ein bohnengrosser, unter
der Musculatur gelegener derber Knoten, von dem ein strangförmiger
Ausläufer zwischen die dritte und vierte Rippe in die Tiefe zieht.
Im Centrum war der Knoten eitrig erweicht. Bei Eröfinung
des Thorax fanden wir die rechte Pleura dicht besetzt mit stecknadel-
kopf- bis linsengrossen, gelblichen, leicht prominenten knötchen¬
förmigen Infiltraten, die meist in Gruppen standen, mitunter perl-
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Dr. Adolf Horst.
sehnurartig angeordnet lagen. Beim Einschnitte entleerte sich dicker,
rahmiger, gelber Eiter.
Die Pleura sonst glatt und glänzend. Weder seröses noch
fibrinöses oder hämorrhagisches Exsudat zu sehen.
Die linke Pleura normal.
Die Lungen ödematös, sonst nichts Abnormes.
Im Eiter aus den knötchenförmigen Infiltraten fanden wir in
reichlicher Menge verzweigte Pilzfäden, die nach Oram und der
Qabbet 'sehen Methode färbbar waren.
Die Culturen glichen den vom Menschen stammenden voll¬
kommen.
Meerschweinchen IÜ wurde 1 cm 3 einer vier Tage alten Bouillon-
cultur intraperitoneal injicirt.
Nach zwei Tagen bildete sich an der Impfstelle ein weiches
Infiltrat, welches in den folgenden Tagen zu einem derben, circa
2 cm breiten, von der linken Inguinalgegend bis zum Rippenbogen
reichenden Knoten heranwuchs. Zehn Tage nach der Impfung brach
derselbe auf und entleerte sich dicker, rahmiger, gelblicher Eiter. Am
selben Tage wurde das Thier getödtet.
Obductionsbefund: Weibliches, stark abgemagertes Thier.
Der erwähnte Knoten besteht aus einem grauröthlichen, zum Theile
eitrig erweichten Gewebe, welches die Bauchwand in der oben be¬
schriebenen Ausdehnung durchsetzt. Bei Eröffnung des Abdomens
findet man das Colon transversum, einige Dünndarmschlingen, den
Magen und die Leber im Bereiche des linken Lappens mit dem
Peritoneum innig durch ein grauweisses Gewebe verlöthet, welches
bei dem Versuche, die Adhäsionen zu lösen, zum Theile an den Or¬
ganen haften bleibt. Am Peritoneum sieht man mehrere hirse- bis
mohnkorngrosse, flache, gelbliche Knötchen, aus welchen sich beim
Einschneiden geringe Mengen dicken, rahmigen Eiters entleeren. Die
übrigen Organe zeigen keine Veränderungen.
Im Eiter der kleinen, knötchenförmigen Herde, sowie im Eiter
aus dem Hautinfiltrate findet sich histologisch wie culturell unser
Pilz in Reincultur.
Meerschweinchen IV wurde laparotomirt und demselben 1cm 3
einer drei Tage alten Bouilloncultur in die Bauchhöhle eingegossen.
Fünf Tage nach der Impfung ging das Thier zu Grunde.
Obductionsbefund: Die Laparotomiewunde per primam
geheilt.
Bei Eröffnung des Abdomens findet man einige Dünndarm¬
schlingen und das Colon transversum miteinander durch eine zarte
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Ein Fall von Streptothrixpyämie beim Menschen.
173
Lage von Fibrin verklebt, ebenso das Peritoneum mit einem zarten
Fibrinüberzug bedeckt.
Ausserdem sieht man sowohl am Peritoneum wie an der
Serosa der verklebten Gedärme kleinste grauweisse Knötchen. Ebensolche
findet man im Mesenterium entlang der Ge fasse.
An den übrigen Organen keine Veränderungen.
In den Knötchen fanden sich histologisch wie culturell Rein-
culturen unseres Fadenpilzes.
Meerschweinchen V intradural geimpft, ging am fünften Tage
unter Convulsionen zu Grunde.
Obductionsbefund: Zwischen den zarten Hirnhäuten, und
zwar an der dorsalen Seite des Kleinhirns und der Medulla, geringe
Mengen eines fibrinös-hämorrhagischen Exsudates.
Entlang der Gefdsse mehrere kleine grauweisse Knötchen.
Die übrigen Organe zeigen keine Veränderungen.
Aus den Knötchen gingen Reinculturen unseres Pilzes auf.
Meerschweinchen VI wurde in die rechte Vena jugularis '/s cw 3
einer drei Tage alten Bouilloncultur injicirt.
Vom dritten Tage wurde das Thier an krank, zeigte verminderte
Fresslust und verendete am achten Tage.
Obductionsbefund: Weibliches Meerschweinchen, hochgradig
abgemagert. Im subcutanen Zellgewebe entlang der Gefässe zahlreiche
kleine, gelbweisse, derbe Knötchen. Am dichtesten stehen dieselben
in den Schenkelbeugen beider Extremitäten, sowie am Unterkiefer¬
rande und hinter den Ohren.
Die Musculatur trocken, frei von Knötchen.
An der Impfstelle ein linsengrosser, derber, gelbweisser Knoten,
aus dem sich beim Einschneiden rahmiger Eiter entleert.
Die Lungen dicht durchsetzt mit verschieden grossen, grau-
weissen, zum Theile confluirten Knötchen. In der Pleurahöhle freies
Exsudat nicht vorhanden.
Im Herzfleische einige gelbe Knötchen.
Ebensolche finden sich in der Milz, den Nieren und am
Peritoneum, besonders entlang der grossen Gefässe in reichlicher
Menge. Die Leber enthält keine Knötchen. Die erwähnten Knötchen
fühlen sich derb an und sind nicht leicht zerdrückbar.
In den Ausstricbpräparaten von letzteren konnten wir sowohl
nach der öram’schen wie auch nach G'aMef’scher Methode in reich¬
licher Menge verzweigte Pilzfaden nachweisen.
Ebenso gelang durch die Cultur aus den verschiedenen Knötchen
der Nachweis unseres Pilzes.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. Anat. u. verw. Disciplinen. 12
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174
Dr. Adolf Horst.
Wir impften ausserdem mehrere Meerschweinchen einerseits
mit älterercn (drei bis fünf Monate alten) Culturen, andererseits mit
Eiter von den Versuchstbieren, wie auch mit aus letzterem stammenden
Culturen; die Ergebnisse waren mit den oben angeführten über¬
einstimmend. Bei subcutaner Injection entstanden nach einigen Tagen
mässig derbe Infiltrate, welche abscedirten und nach der Entleerung
des Eiters ausheilten.
Die Infiltratknoten bestanden aus einem aus grossen, langen,
spindeligen Zellen und zarten GefUssen zusammengesetzten Granulations¬
gewebe mit zahlreichen confluirenden, eitrigen Erweichungsherden.
Bei Injection in die serösen Höhlen fanden wir niemals seröses
oder hämorrhagisches Exsudat, dagegen geringe Fibrinauflagerungen
an den serösen Häuten und zahlreiche kleine, knötchenförmige, mobn-
korn- bis linsengrosse, flache, abscedirende Infiltrate.
Nach intravenöser Impfung gehen die Thiere am vierten bis
achten Tage zu Grunde.
In allen Organen mit Ausnahme der Musculatur fanden sich
kleine, mohnkorngrosse, gelblichweisse Knötchen. Dieselben sitzen
meist entlang der Gefässe und bestehen aus einem kleinzelligen In¬
filtrate. dessen centrale Partien zerfallen und erweicht sind. Wenn
man nach der Gram- Weigert’sohin Methode tingirt, erkennt man in
den Knötchen (Fig. 4) zahlreiche Pilzfaden, und zwar in Form eines
dichten Geflechtes um die erweichten Stellen. Gegen die Peripherie
strahlen zahlreiche feine, verzweigte Ausläufer aus.
Versuche mit Kaninchen.
Bei subcutaner Impfung entstanden an der Injectionsstelle
weiche Infiltrate, die nach kurzer Zeit wieder resorbirt wurden. Die
intravenöse Impfung ergab kein Resultat.
Bei intrathoracaler und intraperitonealer Injection fanden wir
bei der Section der nach 30tägiger Beobachtung anscheinend ge¬
sunden Thiere im ersten Falle die Pleura der geimpften Seite, im
letzteren das Peritoneum von linsen- bis bohnengrossen, grau-
röthlichen, durchscheinenden, mässig derben Knoten bedeckt. Freies
Exsudat nicht vorhanden. An den übrigen Organen keine Ver¬
änderungen.
Histologisch bestehen diese Knoten aus einem derben, gefass
reichen Granulationsgewebe, in welchem von einem Walle von Eiter¬
körperchen umgebene, theils schlanke, cylindrische, theils unregel¬
mässig geformte Gebilde gelagert sind. Dieselben färben sich mit
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Ein Fall von Streptotlirixpyämie beim Menschen.
175
Eosin blassrosa und erscheinen feinkörnig oder homogen. Bei Be¬
handlung nach Gram-Weigert sieht man in einzelnen ein dichtes
Geflecht von verzweigten Pilzfaden, in anderen sind die Fadenstücke
in kleinste Körnchen zerfallen und manche dieser Gebilde erscheinen
vollkommen structurlos und mit der Contrastfarbe tingirt.
Aus den Knoten konnte durch die Cultur unser Fadenpilz ge¬
wonnen werden.
Resumiren wir im Folgenden kurz die Ergebnisse unserer
Untersuchung.
Der gefundene Pilz, nach seinem culturellen wie morphologischen
Verhalten eine Streptothrix, gedeiht nur bei aerober Züchtung und
auf allen Nährböden, bildet in der Glycerinagar- und der Milchcultur
ein gelbliches bis rothgelbes Pigment, während die übrigen Culturen
ein weisses Colorit behalten.
Gelatine wird nicht verflüssigt.
Der Pilz ist zu Gram positiv, zeigt Eigenbewegung und ist
säurefest. Diese letztere Eigenschaft theilt unsere Streptothrix mit dem
Pilze Aoyama’s, der Streptothrix farcinia, bei welcher Feiatmantel ein
analoges Verhalten nachgewiesen hat, wie auch mit der Streptothrix
Sabrazds und Riv&re'a und der Cladothrix asteroides Eppingers, bei
welchen Berestnew bedingte Säurefestigkeit beobachtet hat.
Unser Pilz ist für Kaninchen nur wenig pathogen, weisse
Mäuse verhalten sich refractär.
Beim Meerschweinchen erzeugt er jedoch bei subcutaner, intra¬
peritonealer und intrathoracaler Impfung chronische Eiterung, bei
Injection in die Blutbahn eine acute Pyämie unter Entwicklung
multipler miliarer Abscesse in verschiedenen Organen.
Im Vergleiche zu den bisher bekannten menschenpathogenen
Streptothricheen nähert sich unser Pilz am meisten der Streptothrix
Aoyama’s und der Cladothrix asteroides Eppingers.
Während er sich von ersterer durch die Eigenbewegung unter¬
scheidet, sind die Unterschiede in der Pigmentbildung und der
Thierpathogenität letzterer gegenüber geringe uud wohl nur gradueller
Natur.
Zum Infectionsmodus in unserem Falle möchten wir noch Fol¬
gendes bemerken.
Die Invasion der Streptothrix erfolgte zweifellos vom Bronchus
aus in die mit letzterem innig verlöthete tuberculöse Bronchiallymph-
drüse und brachte dieselbe zur Vereiterung. Von diesem Herde aus
gelangten die Pilze einerseits nach Einbruch in die Blutbahn auf
embolischem Wege in das Gehirn, andererseits durch Aspiration in
12 *
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176 Dr. Adolf Horst, Ein Fall von Streptothrixpyämie beim Menschen.
die benachbarten Lungenabschnitte, woselbst sie die auch makro¬
skopisch schon recht eigenartigen lobulärpneumonischen Verände¬
rungen erzeugten.
Literatur.
Aoyama und Miyamotto , Mittheilungen der inedicinischen Facultät der
kaiserlich japanischen Universität zu Tokio. Bd. IV, Heft 7.
Armquist , Zeitschrift für Hygiene. Bd. VIII.
Buchholtz H., Zeitschrift für Hygiene. Bd. XXIV.
Callum Mac , Centralblatt für Bacteriologie. Bd. XXXI, Nr. 12.
Chiari , Zeitschrift für Heilkunde. 1900. (Pathologische Anatomie.)
Cohn F ., Biologie der Pflanzen. Bd. I, Heft 3.
Coyzollino F., Zeitschrift für Hygiene. Bd. XXXIH.
Eppinger, Beitrag der pathologischen Anatomie. Bd. IX.
Ferrari , Wiener klinische Wochenschrift. 1899, Nr. 36.
Feistmantel y Centralblatt für Bacteriologie. 1902, Bd. XXXI.
FerrJ und Faquet , Referat in Lubarsch und Ostertag. Erg. d. allg. Path.
III. Jahrgang, 1896.
Flexner S n Centralblatt für Bacteriologie. Bd. XXIV, S. 83.
Förster, Archiv für Ophthalmologie. Bd. XV.
Fuchs , Vers. d. ophth. öesellsch. 1896. (Bericht.)
Garten , Zeitschrift für Chirurgie. Bd. XLI.
v. Graefey Archiv für Ophthalmologie. Bd. XV.
Öruber J/., Archiv für Hygiene. 1873, Bd. XVI.
Besse , Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Bd. XXXIV.
Krause , Münchener medicinische Wochenschrift. 1899, S. 749.
Löhlein , Münchener medicinische Wochenschrift. 1902, S. 1161.
Kauny n, Mittheilungen aus der medicinischen Klinik zu Königsberg.
Norris und Markin , The Journ. of exper. Med. 1900, Vol. V, Nr. 2.
liiviere und Sabrazfo, Referat in Lubarsch und Ostertag. Erg. d. allg. Path.
III. Jahrgang, 1896.
Rosenbach , Archiv für klinische Chirurgie. Bd. XXXVI.
Rullmann, Münchener medicinische Wochenschrift. 1898, 1899, 1902.
Scheele und Petruschky , Congress für innere Medicin. 1897.
Silberschmidt , Centralblatt für Bacteriologie. 1900.
v. Schroeder , Klinische Monatshefte für Augenheilkunde, 1894, 1896.
Tshierschke , Inaugural-Dissertation. Bunzlau 1891.
Erklärungen der Figuren auf Tafel XIII und XIV.
Fig. I. Randpartie aus einem Hirnabscess. Vergr. Ocular 4, Obj. B (Zeiss).
Fig. II. Knötchenförmiger lobulärpneumonischer Herd. Färbung nach Gram -
Weigert . Vergr. Ocular 2, Obj. DD (Zeiss).
Fig. III. Partie aus einem grösseren confluirten pneumonischen Herde.
Färbung nach Gram-Weigert. Vergr. Ocular 4, Obj. B (Zeiss).
Fig. IV. Knötchenförmiges Infiltrat aus dem subcutanen Zellgewebe vom
Meerschweinchen bei intravenöser Impfung. Ocular 4, Obj. B (Zeiss).
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(Ans Prof. Chiari’s pathologisch-anatomischem Institute an der deutschen
Universität zn Prag.)
Ueber die Häufigkeit von arteriosklerotischen Verände¬
rungen in der Aorta jugendlicher Individuen.
Von
Dr. S. v. Simnitzky
aus St. Petersburg.
(Mit 1 Tabelle im Texte.)
Neben den Oberaus zahlreichen Forschungen Ober die Häufigkeit
arteriosklerotischer Veränderungen in der Aorta und in sonstigen Ge-
fässen Erwachsener, Ober die pathologisch-anatomische Grundlage dieses
Processes, seine Aetiologie und seine Bedeutung für das Leben der
Erwachsenen treten die Untersuchungen über sklerotische Processe in
Blutgefässen von jugendlichen Individuen an Zahl ganz zurück. Ein¬
schlägige Fälle sind zwar in der Literatur bereits beschrieben worden,
gelten aber, da die bezüglichen Publicationen wenig zahlreich sind,
als seltenere Befunde.
v. Dusch äussert sich in seiner ausführlichen und sehr lehr¬
reichen Abhandlung über die Krankheiten des Endocardiums in
Gerhardt's Handbuch der Kinderkrankheiten (1878) über diesen Gegen¬
stand folgendennassen: »Die Ursache der grossen Seltenheit der chro¬
nischen Endocarditis an den Aortenklappen liegt in dem nahezu völligen
Mangel der chronischen Arteriitis und des atberomatösen Processes im
kindlichen Alter. Nur ganz ausnahmsweise hat man im Kindesalter
etwas der chronischen Arteriitis der späteren Jahre Analoges gefunden.
Doch sind dieses Alles nur Raritäten.«
Denselben Standpunkt vertritt Brault x ), nur gibt er zu, dass dieser
Umstand vielleicht die Folge mangelhafter diesbezüglicher Unter¬
suchungen ist.
Einzelne in der Literatur verzeichnete Fälle beweisen, dass ent¬
zündliche Erkrankungen der Blutgefässe ira Allgemeinen und der
Aorta im Besonderen sogar bei Föten und Neugeborenen zur Beob¬
achtung kommen können. Solches sehen wir in dem Falle Haus-
*) Braidt, Les arte'rites, Leur role en pathologie. Paris 1897.
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178
Dr. S. v. Simnitzky.
wa/mV), der eine von zahlreichen Blutergüssen begleitete Aortitis
foetalis beschrieben hat. Hennig J ) berichtet über einen Pall von an¬
geborenen Veränderungen an Aorta und Herzklappen bei einem Fötus,
dessen Mutter während der Schwangerschaft Gelenkrheumatismus
durchgemacht hatte.
Ballantyne 3 ) erwähnt in seiner Monographie einen Fall von bedeu¬
tenden atheromatösen Veränderungen in der Aorta und der Lungen¬
arterie bei einem achtmonatlichen Fötus.
Durante 4 ) sah ausgedehnte atheromatöse Veränderungen an Aorta
und Pulmonalarterie bei einem nicht ausgetragenen, sondern im siebenten
Monate geborenen, an Nabelinfection zu Grunde gegangenen Kinde.
Späth und Weld h ) vermerken eine bedeutende Atheromatose der Nabel¬
arterie bei einem Fötus.
Ausser diesen Beobachtungen finden sich noch weitere Angaben
über arteriosklerotische (atheromatöse) Veränderungen in Blutgefässen
von Kindern und jungen Leuten. So erinnerte sich z. B. Sonnenburg ®),
bei der Section zweier nach ritualer Beschneidung gestorbener Kinder
sklerotische Blutgefässveränderungen gefunden zu haben, welche augen¬
scheinlich syphilitischer Genese waren, da die Eltern der Kinder an
dieser Krankheit litten.
Fischl führt in dem Biedert's eben Handbuch der Kinderkrankheiten
(12. Auf!., Biedert und Fischl 1902) einen Fall von chronischer End-
arteriitis (Atherom) bei einem Kinde an, welches fünf Monate alt war.
Martin 7 ) beobachtete Aortaveränderungen einmal bei einem zweijährigen,
an Pocken gestorbenen Knaben, ein anderes Mal bei einem neunjährigen
Knaben, der an Diphtherie zu Grunde gegangen war. Sannt*) erwähnt
einen Fall von Arteriitis chronica bei einem zweijährigen Kinde und be¬
schreibt einen Fall von Atherom und Aortenaneurysma bei einem Knaben
! ) Hautmann, Ueber ungleiche Entwicklung der Nabelarterien. Monatsschrift
für üeburtsk. 1869.
2 ) Hennig , Angeborene Aortitis. Jahrbuch für Kinderheilkunde. Bd. XXX.
3 ) Ballantyne , Manuel of antenatal Pathology and Hygiene of the foetus.
Edinburgh 1902.
4 ) Durante, Atherome congenitale de l aorte et de Fartöre pulmonaire. Bull,
et mem. de la Soc. anat. de Paris. 1899.
5 ) Späth und Weid, nach Seitz, Ueber seltene Gefässanomalien im Kindes¬
alter. Verhandlungen der XIII. Versammlung der Gesellschaft für Kinderheilkunde
in Frankfurt a. M. 1896.
°) Diese Fälle sind von Sonnenburg bei der Discussion des Vortrages von
Seitz erwähnt worden.
7 ) Cit. nach Seitz und Brault .
8 ) Sannt\ Ueber Aortenaneurysmen und atheromatöse Entartung der Aorta
im Kindesalter. Jahrbuch für Kinderheilkunde. Bd. XXVII, S. 221.
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Ueber die Häufigkeit von arteriosklerotischen Veränderungen etc. 179
von 1B V 4 Jahren. Weiter folgen die Fälle von Redtenbacher >), der das
Uebergreifen einer Arteriitis von der Aorta auf die Aortenklappen bei
einem achtjährigen Knaben erwähnt, und der Fall von Filatow und
Rachmaninow 2 ); letztere Autoren beobachteten allgemeine Atheromatose
der Hirngefasse, der Aorta und der A. brachialis bei einem an Nieren¬
atrophie zu Grunde gegangenen Kinde. Andrae und Grisp 3 ) fanden
Veränderungen in der Aorta eines achtjährigen Knaben, Taupin 4 )
ausgedehnte Atheromatose mit Kalkablagerung in der Aorta bis zu
den Aa. iliacae bei einem elfjährigen Knaben, Heydloff i ) ebensolche
Veränderungen im Arcus aortae, der A. anonyma und den Aa. caro-
tides bei einem an Urämie (Schrumpfniere) verstorbenen zwölf¬
jährigen Knaben. Sternfeld 6 ) sah bedeutende Veränderungen in
der Aorta eines 15jährigen Knaben. In demselben Alter stand der
Patient von v. Schrötter, 1 ) der an Urämie zu Grunde gegangen war
und bei dessen Section sich Veränderungen in Aorta und Hirngefassen
fanden (in der Anamnese Anthrax nuchae und Morbilli). Chiari 8 )
hat einen Fall von chronischer Aortaerkrankung mit bedeutenden Ver¬
änderungen in der Intima und Media bei einem 13jährigen Knaben
beschrieben; wie die Anamnese ergab, handelte es sich in diesem
Falle um die Einwirkung von Alkohol. Der Knabe hatte bis 4 1 Bier
täglich getrunken. Bedeutende atheromatöse Veränderungen sah Meade *)
in der Aorta, den Aa. iliacae und einer A. femoralis bei einem
18jährigen Mädchen und Pulaiosky' 0 ) bei einem 18jährigen Manne in
der Aorta. Hanot 11 ) fand bei der Section eines 18jährigen Jünglings,
welcher einen schweren Gelenkrheumatismus durchgemacht hatte, neben
Endocarditis vegetans an der Valvula mitralis und den Aortenklappen
ebenfalls zahlreiche disseminirte atheromatöse Plaques in der Aorten¬
wandung.
Abgesehen von diesen casuistischen Befunden am Sectionstische
verfügen wir jedoch noch über eine Reihe klinischer Beobachtungen,
welche darthun, dass bei jugendlichen Individuen erhebliche Störungen
der Function der Gefässe, welche von Veränderungen ihrer Wandungen
abhängen müssen, Vorkommen können. Sehr interessant sind die dies-
') *) Cit. nach v. Dusch.
*) 3 ) *) Cit. nach Seite.
s ) Heydloff, , Ein Pall von Endarteriitis acuta im Kindesalter. Deutsche Zeit¬
schrift für praktische Medicin. 1876, Nr. 13.
’) v. Schmier, Die Erkrankungen der Gefässe. Wien 1901.
*) Prager medicinische Wochenschrift. 1898, Nr. 1.
®) Meade, A case of Arteriitis. Lancet. 10. Dec. 1870.
,0 ) Gazeta lekarska. 1897.
”) Cit. nach Brault,
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180
Dr. S. v. Siinnitzky.
bezüglichen Beobachtungen von Seite und Marfan.') Seite berichtete
in seinem auf der Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte
zu Frankfurt a. M. (1896) gehaltenen Vortrage über folgende lehr¬
reiche Fälle, in welchen die krankhaften Erscheinungen von Seiten
des Gefassapparates augenscheinlich die directe Folge überstandener
Infectionskrankheiten waren: Fall I. Bei einem 13jährigen, von kranken
Eltern (die Mutter litt an Tuberculose, der Vater an Arteriosklerose)
abstammenden Mädchen, welches früher Masern und Keuchhusten
durchgemacht hatte, traten nach überstandener Diphtherie Anzeichen
geschwächter Herzthätigkeit auf und wurden Veränderungen in den
peripherischen Blutgefässen (Verhärtung der Arteriae radiales und femo-
rales) wahrgenomraen. Fall II. 14jähriger Knabe, welcher Masern
und zu wiederholten Malen Gelenkrheumatismus durchgemacht hatte,
verspürte hierauf nach leichter Arbeit Herzklopfen und Schwerathmigkeit.
Die Untersuchung ergab: Vergrösserung der Herzdämpfung, Einziehung
des fünften Intercostalraumes links, systolisches Geräusch an der Herz¬
spitze und aceentuirte zweite Töne Die Arteriae radiales, crurnles und
tibiales sehr derb, die Arteriae temporales zudem auch noch gewunden.
Der Vater des Patienten litt an Vitium cordis. Fall III. Zwölfjähriger
Knabe, klagt über Kurzathmigkeit, Kopfschmerzen und Schwindel:
alle diese Beschwerden bestehen beim Patienten seit seinem fünften
Jahre und haben sich in Folge eines in diesem Alter von ihm über¬
standenen Scharlachs, dem sich bald darauf eine Lungenentzündung
anschloss, entwickelt. Die Untersuchung ergibt Herzerweiterung.
Carotidenpulsation und Verhärtung der peripherischen Gefasse (A.
radialis, A. temporalis). Die Mutter (39jährig) des Patienten litt
an Arteriosklerose, der Vater war an Vitium cordis (im 45. Jahre)
gestorben. Verfasser glaubt hier das Anfangsstadium der Arterio¬
sklerose annehmen zu dürfen.
Marfan referirt über drei von ihm beobachtete Fälle: es handelte
sieh um Knaben im Alter von 9, 12 und 13 Jahren, bei denen
klinisch alle Anzeichen einer Herz- und vor Allem einer Aortenläsion
eonstatirt werden konnten. Verfasser theilt die von ihm beobachteten
Veränderungen an der Aorta in zwei Gruppen ein. in rheumatische
i von rheumatischer Endoearditis abhängige) und in atheromatöse (von
der unmittelbaren Erkrankung des Gelasses abhängige). Er weist
unter Anderem auch darauf hin, dass oftmals selbst ausgesprochene
Atberomatose der Gefasse bei Kindern durchaus ohne klinische
Symptome verlaufen und deshalb auch übersehen werden kann.
*) J larfon, Los lesions a^uisites de Toritiee aorti^ue et de l'aorte dans IVn-
i'anee Semaine med. 1901, Nr. 13.
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Ueber die Häufigkeit von arteriosklerotischen Veränderungen etc. 181
Seine Annahme, dass im jugendlichen Alter Sklerose der peri¬
pherischen Arterien durchaus nicht so selten ist, wie man gewöhnlich
annimmt, fand dann Seitz an dem Material des Münchener patho¬
logisch-anatomischen Institutes bestätigt: Unter 148 im Alter von
10 bis 29 Jahren Gestorbenen fand er Veränderungen in der Aorta
bei 17 (fast 11*5%); Genaueres über diese Veränderungen führt er
jedoch nicht an.
Den Angaben von Seitz über die Häufigkeit des Vorkommens
derartiger Veränderungen in der Aorta von jugendlichen Individuen
kann ich auf Grund derSectionsprotokolle des pathologisch-anatomischen
Institutes der deutschen Universität in Prag nur vollkommen bei¬
stimmen. Sklerotische Veränderungen in der Aorta von jugendlichen
Individuen finden sich in der That recht oft.
Als charakteristische Fälle mögen zunächst zwei mir bei dem
Beginne meiner Thätigkeit als Volontär an dem genannten Institute
zur genaueren Untersuchung übergebene Fälle angeführt werden.
Fall I. Bei der Section eines achtjährigen, am 20. Jänner 1902 an
Scarlatina gestorbenen (früher gesunden) Knaben lautete die patho¬
logisch-anatomische Diagnose: Tuberculosis obsoleta apicis pulmonis
sinister et glanduiarum lymphaticarum bronchialium. Endarteriitis
chronica deformans aortae. Suffusiones textus cellulosi abdominis.
Ueber den Zustand des Herzens und der Gelasse finden wir im
Protokoll Folgendes verzeichnet: Herz etwas vergrössert, sein Muskel¬
fleisch blass, an der Mitralklappe und der Intima aortae platten¬
förmige, bis linsengrosse Verdickungen von weissgelblicher Färbung.
Die Untersuchung von mit Hämalaun und hierauf mit Sudan III
gefärbten mikroskopischen Gefrierschnitten ergibt Verdickung der
Intima mit Einlagerung zahlreicher Fettkörnchenzellen von verschie¬
dener Grösse, welche in den tieferen Intimaschischten dichter gehäuft
sind. Stellenweise liegen Fetttröpfchen auch frei im Grundgewebe
der Intima. Die Bindegewebsbündel sind durch die Fettkörnchen¬
zellen auseinandergeschoben. Die Menge des vorhandenen Binde¬
gewebes ist augenscheinlich vergrössert. Durch Färbung des elasti¬
schen Gewebes (nach Weigert) kann Verminderung desselben und
Zerfaserung der Lamina elastica interna nachgewiesen werden. Stellen¬
weise ist diese letztere durchbrochen und dementsprechend enthalten
in den obersten Schichten der Media die Muskelzellen Fetttröpfchen
in sich, hie und da liegen Fetttröpfchen auch frei zwischen den
Muskelfasern und elastischen Lamellen der Media. Ausserdem ent¬
hält das Gewebe der Media unter der Intimaverdickung noch verein¬
zelte Rundzellen. Sonst zeigt die Media keine Veränderungen.
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182
Dr. S. v. Simnitzky.
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Die Adventitia ist überall vollkommen normal. Fall II. Frau von
23 Jahren, am 20. Februar 1902 an Ileotyphus gestorben,
früher stets gesund gewesen. Pathologisch-anatomische Diagnose:
Typhus abdominalis in stadio ulcerationis. Uterus p. abortum ante
dies VIII. Endarteriitis chronica deformans in aorta. Ueber Herz und
Blutgefässe finden wir im Protokoll verzeichnet: Herz von normaler
Grösse, Herzfleisch schlaff und blass, Herzklappen normal; die Intima
aortae zeigt zahlreiche gelbliche, in das Gefässlumen vorspringende
bis linsengrosse Plaques und Streifen.
Methode der mikroskopischen Untersuchung wie im vorher¬
gehenden Falle. Der Befund an dem veränderten Abschnitte der
Aorta war folgender: In den Hügelchen der Intima zahlreiche Fett¬
körnchenzellen; stellenweise in Folge von sehr starker Anhäufung
und späterem Zerfall derselben Atheromhöhlen gebildet; das Binde¬
gewebe aufgelockert, mässig gewuchert (nach v. Qieson gefärbt): die
elastischen Fasern färben sich schlecht (nach Weigert), sind augen¬
scheinlich degenerirt; im Uebrigen erscheint die Aortenwand, von der
Einlagerung freier Fetttröpfchen in den obersten, der Intima an¬
liegenden Mediaschichten abgesehen, vollkommen normal.
Ausgehend von diesen Fällen habe ich nun zahlreiche andere
Aorten jugendlicher Individuen einer genauen Untersuchung unter¬
zogen, und handelte es sich mir hiebei vor Allem um die Frage, ob
die anatomischen Veränderungen in allen Fällen von Aortensklerose
in diesem Alter die gleichen sind, zumal da v. Schrötter ') bei Ge¬
legenheit der Betrachtung einiger beschriebener Fälle von Arterio¬
sklerose im jugendlichen Alter sagt (S. 73), dass »alle Angaben über
Arteriosklerose im Kindesalter zu prüfen sind, da höchstwahrscheinlich
differente Processe vorliegen«.
Ausserdem sollte nachgeprüft werden, wie häufig derartige Ver¬
änderungen in der Aorta jugendlicher Individuen sind und nach
Möglichkeit die Ursache ihrer Entstehung aufgedeckt werden. Dieses
Alles waren Aufgaben, deren Lösung mir von Herrn Prof. Ckiari
aufgetragen wurde.
Um diesen Zwecken gerecht zu werden, habe ich das gesammte
Sectionsrnaterial des Institutes in einem Quartale in den bezeichneten
Richtungen einer genauen Untersuchung unterworfen. Unter 138 Leichen
von jugendlichen Individuen im Alter bis zu 25 Jahren fanden sich
bei 38 sklerotische Veränderungen der Aortenwand, d. h. die Häufig¬
keit dieser Erkrankung belief sich im Ganzen auf 27'5%. Schliessen
wir jedoch aus diesem Material alle Fälle bis zum Ablaufe des zweiten
') 1. e.
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Ueber die Häufigkeit von arteriosklerotischen Veränderungen etc. 183
Lebensjahres, eines Alters, unter welchem wir noch niemals sklerotische
Veränderungen an der Aorta nachweisen konnten, aus, so finden wir,
dass vom Alter von zwei Jahren an, in dem Aortensklerose überhaupt
zuerst constatirt werden konnte, dieselbe in 48 - 7% aller Fälle vorkommt.
Alle diese 88 Fälle habe ich in der folgenden Tabelle (S. 184 ff.),
in welcher Alter und Geschlecht, pathologisch-anatomische Diagnose,
Anamnese und makroskopischer Befund am äerzen, in der Aorta und
ihren grossen Aesten angegeben sind, zusammengestellt.
In sämmtlichen in der Tabelle aufgezählten Fällen finden wir
in der letzten Rubrik Verdickungen in Form von Platten und Streifen
von bald weissgelber, bald weissgrauer Färbung und verschiedener
Grösse in der Intima der Aorta, respective auch ihrer grossen Aeste
verzeichnet. Diese Platten und Streifen waren, was ihre Localisation
in dem Aortensystem anbetrifft, nicht in gesetzmässiger Anordnung
gelagert, so dass der Ausspruch Ijecorchfs})\ >V Alteration (de l’aorte)
ne parait subir dans son developpement le joug d’aucune loi gene¬
rale«, auch hier zu Recht besteht, etwa nur mit der Einschränkung,
dass immerhin in der Mehrzahl der Fälle die in nächster Nähe der
Aortenklappen gelegene Pars ascendens und derjenige Abschnitt der
Aorta, an welchem die Intereostal- und Lumbalarterien entspringen,
am intensivsten afficirt waren. Immerhin aber widerlegen meine
Erfahrungen, die das bestätigen, was Brault mit den Worten sagt:
»La topographie des lesions dans chaque fait est surtout remarquable
par son irregularite«, die Lehre jener Autoren, welche behaupten,
dass die sklerotischen Veränderungen der Aortenwand im Allge¬
meinen und die atheromatösen im Speciellen regelmässig in der
Richtung von den Herzklappen zur Peripherie fortschreiten.
Um die pathologischen Veränderungen mikroskopisch zu stu-
diren, brachte ich möglichst behutsam ausgeschnittene Stückchen der
Arterienwand, wobei ich darauf achtete, dass der Endothelüberzug
der Intima nicht geschädigt werde, in eine wässerige 10 %ige Forraol-
lösung. Wie die Untersuchungen von Dmitrijeff 2 ) (aus dem Labora¬
torium von Prof. Ziegler ) dargethan haben, kann man durch Fixation
mit dieser Lösung und darauffolgender Härtung in Alkohol von
steigender Concentration sehr gute Resultate erzielen. Später wurden
die Präparate je nach dem Zwecke der Untersuchung in Celloidin
oder Paraffin eingebettet.
') Lecorche', Des alterations atheromateuses des arteres. Tb. agreg. Paris 1869.
-) Dmitrijeff, Die Veränderung des elastischen Gewebes der Arterienwände
bei Arteriosklerose. Beiträge zur pathologischen Anatomie und allgemeinen Patho¬
logie. 1897, Bd. XXII, S. 207-246.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
184
Dr. S. v. Simnitzky.
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Tabelle.
s Datura
Kranken-
1 +• 1
r * s |
Pathologisch-anatomische ■
Makroskopischer Befand
E der
Anstalt
sS«!
Diagnose ! Anamnese
i
am Herzen, in der Aorta
Section
— tn
1
und ihren grossen Aesten
1 4./III.
1902
Alls-
Kr-H.,
Klin.Prof..
Wölfl er.
I
22 ,
w.
2 8., III. j Idem.
i
12 ,
in.
3 11. III.! Allg.
! | Kr.-H., 1
! Klin.Prof.
| : V. Jakxch. |
4 15. III. Idem.
17.
I
5 18./III.
Allg. I
Kr.-H.. 1
Klin.Prof. j
Wölfler. !
23,
m.
17,
in.
Status p. nephroto-! 2mal Lungen-
iniam dext. propter
pyonephrosim dex.
Abseessus multipl.
renis d. Morb.
Brightii ac. renis
sin. Suppuratio bur-
sae mucosae sub-
acroni d.Degeneratio
parench. Pyoliae-
inia.
Status post osteoto-
miam a. d. II factam
propter osteoinyeliti-
dem supp, ossis femo-
rissin. Infaretushac-
morrh. pulin. partim
in suppuratione et
absc metast. pulm.
Pleuritis seropurul.
bilater. Degeneratio
parench. Pyohae-
m ia.
Tuberculosis
pulm. cum plithisi.
entzündung.
Dauer der letz¬
ten Krankheit
6 Monate
Herz- und Herzklap¬
pen normal. An der
Intima aortae feinste
streifenförmige und
plattenartige Erhe¬
bungen.
Hatte früher ! Herz normal. An der
anLungenent-! Intiraaaortae stellen-
ziindung ge- weise zarte, vor¬
litten. Dauer springende, weisse
der letzten j Plaques.
Krankheit ein
Monat; nach
traumatischer
Läsion des
linken Beines
erkrankt
In der Kind¬
heit Tuber-
, culoso der
Lymphdrüsen.
|4 Jahre a. mor-
Jtcm Hämoptoe.
Rhinitis fthrin. pur. In der Anam-
' Meningitis cere- nese keine An-
b ro s |) i n. supp.; gaben über
Hydroeephalus ue.
int. Bronch. supp.
Pneumon. lobul. in-
cip. oedema pulm. M.
Brightii ehr.
Geringe Verdickun¬
gen an den Herz¬
klappen. desgleichen ■
an der Intima aortae
ascendentis et des-
cendentis
Herz von normaler
Grösse, anämisch;
im aufsteigenden
frühere Krank-J Aortentheiledissemi- j
heiten. ' nirte, gelbweisse.
kleinste Platten.
Status post laparoto-
miam et hernioto-
ni iam propter her-
niam incarcer. in-
guin. int. d. Pneu¬
mon ia lob ul. Sco-
liosis sin. convexa.
Idem. Herz normal gross, ,
in der Intima aortae
zarte, gelblicheStreit- |
eben.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Feber die Häufigkeit von arteriosklerotischen Veränderungen etc. 185
1 Da ‘ om Kruken*
5 , “f Ad statt
s »eetion
Alter in |
Jahren und
Geschlecht 1
Path ologi sch -an atom isch e
Diagnose
Makroskopischer Befund
Anamnese am Herzen, in der Aorta
und ihren grossen Aesten
i
619. III. Irren¬
21,
Pneumonia lobul.
Idem. Herz und Herakiap- :
anstalt,
m.
praecipue pulm. sin. 1
pen ohne Verände¬
Klin Prof.
Oedema cerebri. Sy-
rungen; in der In¬
A. Pick.
nostosis suturae sa- ,
tima aortae zarte.
gitt. ;
weissliche Platten
i
,
und Streifen.
723. III.| Allg. 25, Typhus abd. (In- In der Kind- Hera von normaler
! Kr.-H , w. filtr. intest, ilei c. heit stets ge- Grösse, sehr blass. [
;Klin.Prof. necrosi. Intumesc. sundgewesen. Im Anfangstheile ■
! v, Jaksch . i gl. lymph. mesent. JetzigeKrank- der Aorta zahlreiche ;
I Tumor lienis ac. heitsdauer zarte, plattenartige
i Abscessus multipl. 4 Wochen. Erhebungen von
! renum. Degeneratio grauweisser Fär-
; parench. Pyelitis et bung.
cystitis cat.).
824. III. Kinder- 5, Pleuropneumonia j Früher Hera deutlich erwei- !
| Spital, m. dextra.Vegetationes ; gesund ge- tert; im rechten
jKlin.Prof. globulosae in auri- j wesen. Herzohr kugelige '
| Gang - i cula cordis dextri. j Thromben. Heraklap-
hofntr. pen normal. In der
| I Aorta über dem
; Sinus valsalvae spar- ,
, , liehe, zarte, weiss-
i liehe Streifen.
9 25./III.I Allg. ! 24,
1 Kr.-H., j m.
Kl in. Prof. I
i Pfibram. \
10 29./I1IJ Kinder- 4,
Spital. m.
jKlin.Prof.
Gang-
ho frier.
Endocarditis ehr. | VorlOJahren | Ueber den Herz-
ad valv. mitr. c. in- j Typhus abd.' befund siehe dieana-
suff. valv. mitralis | JetzigeKrank- tomische Diagnose.
I Endoc. recens ad. ! heitsdauer 1 In der Intima der
| valv. aortae. Concre- j 3 (4 Jahre. | Aorta ascendens und
; tio cordis c. peri-; , andenAbzweigungs-
cardio. Hypertrophia j ; stellen der Aa. inter-
| et dilat. cordis totius. cost. et lumbales
Degener. adiposa gelbliche Platten und
myocardii. Hyper- Streifen in bedeu-
I aeraia mech. et hy- tender Anzahl.
' dropsunivers.Hydro-
nephrosis sin. gr. lev.
Hyperplasia apparat.
I i
j M. Brightii ae. Scarlatinavor | Herz hypertrophisch, ;
'(post scarlatinam). | 1 Monate. ; Mitralklappe fleckig!
Hypertrophia cordis. I | verdickt; inderAorta |
1 Endocard.v.bieuspid. | ; spärliche gelbgraue :
| ehr. gr. lev. 1 , Platten und Streifen. |
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186
Dr. S. v. Simnitzky.
1 Datum Kranken-
8 de F Anstalt
o Section
1 Ä j
e l3
',5 0 o
1 M c Pathologisch-anatomische ,
[5 £ 'S 1 Diagnose * Anamnese
Makroskopischer Befund
am Herzen, in der Aorta
und ihren grossen Achten
|
i
lll 31. III. Allg.
J 20, Kyphoscoliosis Erseheinun-
Rechte Herzhälfte in
1 ! | Kr.-H.,
! m. dors. dextro-convexa. gen von Vitium
Folge von Dilatation 1
Klin. Prof.
Empkys. pulm. cordis seit
und Hypertrophie
j | Pf ihr am.
Bronch. supp. Dila- 2 Monaten.
vergrössert. Herz¬
1
tatio et hypertr. cor¬
klappen normal. In
! !
dis. Degener. adi-
der Pars ascendens,
! !
posa myocardii.
u. descendens aortae
j i
Hyperaemia niech.
zahlreiche kleinste 1
1
et hydrops. univ.
Erhebungen und
I
Hydroceph. ehr. int.
Streifchen i
]12, 2., IV. 1 Kinder-
10, Typh. abdomin. 2 Wochen
Herz u. Herzklappen
| i Spital,
m. in stadio infiltra- lang krank.
normal. In der In-!
! | Klin. Prof.
tionis (Intumesc. gl. Früher stets
tiuia aortae feinste i
1 | Gang-
lyinph. mesent. Tu- gesund ge-
Streifchen.
1 l hofner.
mor lienis ac. De- wesen.
i
generatio parench.).
i i
Erosiones peptic.
■
i
ventr. |
J 13 5./IV. Allg.
24, Steatosis renum. 4 Monate
Herz etwas erwei¬
; Kr.-H.,
w. (Diabetes melli- a. m. traten
tert, Herzfleiseh (
Klin. Prof.
tu8.) Pneum. lobul. Erscheinun-
blass. Im ganzen i
Pfibram.
sin. Soor oesophagi. gen von Dia-
Verlaufe der Aorta
1
Perimetritis ehr. adh. betes auf.
| zahlreiche weisse u.
gelbliche Plaques
1
und Streifen, des¬
1
gleichen in der ,
i i
1
i
A. anonyma und in 1
j
den Aa. subclaviae 1
! !
i
et carot. sin. i
!l4 l, 6./IY. Allg.
12, Endoeard. chron. Vor 2 Jahren
DenHerzbefund siehe :
| Kr.-H.,
m. et recens ad v. Scharlach.
in der anatomischen 1
Klin. Prof.
mitr. c. insuff. mitr.
Diagnose. Weiss- ’
v. Jaksch.
Idem ad vv. aortae.
gelbe Plaques haupt- |
i |
Hypertrophia cordis
sächlich in der Pars
praecipue sin. Con-1
ascendens und im |
i
cretio cordis cum
Arcus aortae, ver¬
|
pericardio partialis.
einzelt auch in der j
1
|
Hyperaemia mechan.!
Pars abdominalis.
1
et hydrops univ.
i
1
15 15.IV. Irren¬
25, Decubitus multipl. Leidet seit
Herz verhältniss- !
anstalt,
m. Bronchitis suppur. langem an
massig gross, Herz- j
Klin. Prof.
bilater. Abseessus epileptischen
fleisch blass, an den !
A . Pick .
pulm.Pneumonia j Anfällen.
linken Herzklappen 1
i lobul. bi lat. |
und der Intima
aortae spärliche, J
weisse, plättehen- ,
i
förmige Verdickun- 1
!
gen. ,
1
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Ueber die Häufigkeit von arterio9klerotißchen Veränderungen etc. 187
2 Datum
| der
= Section
Kranken-
Anstalt
Alter in
Johren nnd
Geschlecht
Pathologisch-anatomische
Diagnose
Anamnese
Makroskopischer Befand
am Herzen, in der Aorta
und ihren grossen Aesten
16 16, IV.
i
Allg.
Kr.-H.,
Klin. Prof.
v . Jaksch.
19,
m.
Tbc. chron. pulm.
c. phthisi. Tbc. gl.
lymph. bronch. Ul-
cera tbc. intestini.
Vor 15 Jahren
Lungen¬
entzündung;
vor 1 Jahre
Typhusabdo¬
minalis.
Herz normal. An
den Aortaklappen,
namentlich aber an
der Intima aortae
ziemlich zahlreiche,
verstreute, platten¬
förmige Erhebungen.
17 18. IV.
1
Idein.
21,
w.
Tbc. chron. pulm.
c. phthisii. Ulcera
tbc. intestini sub-
seq. periton supp.
Morb. Brightii ehr.
Amyloidosis.
Litt 5 Jahre
an Tubercu-
lose.
Herz normal, Herz¬
fleisch blass, Herz¬
klappen normal.
Zahlreiche kleinste
platten-und streifen¬
förmige Verdickun¬
gen an der Intima
aortae und in den
von dieser abgehen¬
den Gefässstämmen.
18 21./IV.
i
l ■
l
Irren¬
anstalt
Klin. Prof.
A. Pick.
!
16,
1U.
Sclerosis cornu
Ammonis sin.(Epi-
iepsia). Pneumonia
lobul.
1
Häufige epi¬
leptische An¬
fälle seit Lan¬
gem.
1
Herz normal gross.
An den Aorten¬
klappen und in der
Intima aortae spär¬
liche platten- und
streifenförmige Er-
i hebungen.
Jl9 23. IV.
Barmherz.-
Spital.
i
1
i
1
23,
Ul.
J
Tbc. ehr. pulm.
c. phthisi. Pyopneu-
mothorax sin. c. per-
forat. cavemae tbc.
lobi super, pulm.
sin. Pleuritis tbc.
dextr. seroso-fibri-
nosa. Ulcera tbc.
intestini crassi et la¬
ryngis.
AusserTuber
culose keine
| Krankheiten
! verzeichnet.
1
' Herz normal, an der
Intima aortae spär-
1 liehe kleinste, gelb-
1 weisse Plaques.
!
'20 1JV.
1 1 '
1
Kinder- 1
Spital, i
Prof. Gr ang-
hofncr . j
2',„
w.
1
Bronchitis supp, bi-
lat. Pneumonia
lobul. dext.Oedema
mening. et. cerebri. j
Floride Per¬
tussis seit
1 Monat.
Herz erweitert, Herz¬
fleisch blass; an den
Aortenklappen und
1 der Intima aortae
weissliche, fleckige
j Verdickungen.
21 2, V.
1
Allg.
Kr.-H.,
Klin. Prof,
r. Jaksch.
1
1
1
25,
! w.
1
Endocard. ehr. et
recens ad vv. bi-
cusp. et tricusp. Em¬
bolia multipl. myo-
cardii, cerebri, renum
et intest. Peritonitis
incip. Endometr. cat.
ehr. Perioophoritis
ehr. adh. sin.
Vor 8 Jahren
, Pneumonie,
vor 2 Jahren
j Gelenksrheu-
| matismus.
1
Herz siehe die patho¬
logisch-anatomische
Diagnose. In der
Intima aortae zahl¬
reiche kleine, dis-
1 seminirte Plaques
und Streifen.
1
Digitized by
Gck 'gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
188
i>r. S. v. Siinnitzby.
g | LFMUm
E
* Section
Kranken- ^ c ~ Pathologisch-anatomische
Anstalt 2 £'§ Diagnose
<•2 ®
! Makroskopischer Befand
Anamnese 1 am Herzen, in der Aorta
und ihren grossen Aesten
23; 4.
Irren¬
anstalt,
Abth.
Dr. Hellich.
Allg.
Kr.-H.,
Klin.Prof.
v, Jaksch.
14, lOederaa cerebri Häufige epi- Herz u. Herzklappen
w. | (Epilepsia). Tbc. ob- leptisebe An- normal; an der In-;
I soleta gl. lymph. fälle. tima aortae, im Ge-
broncli. biete der Aorta
ascendens zarte,
j plattenförmige Ver-
| dickangen.
18, | Endocard. ehr. ad Vor 6 Jahren
m. v. bicusp. et vv. Gelenksrheu-
| aortae c. insuff. val- matismus;
vularum et stenosi Alkoholismus.
! ostii venosi sin. Con-
| eretio cordis c. peri-
cardio. Dilatatio et
| hypertrophia cordis
i totius. Hyperaemia
inechan. et hydrops
Den Herzbefund
siehe in der ana¬
tomischen Diagnose
In der Intima der
Aorta und der
grossen Gefiiss-
stämme zahlreiche
kleine, grauweisso
Plättchen u. Streifen
verstreut.
24' 4. V. Kinder-
Spital,
Prof.
G ang-
kofner.
25 6./V. | Allg.
I Kr.-H.,
Abth. Prof,
i Pfibram.
261 6. V.
Kinder-
Spital,
Prof.
Gang -
hofner.
27 9. V. Allg.
1 j ! Kr.-H.,
! Abth. Prof,
i Pribram
9, TuJjerc. ehr. gl. Früher Scar- Herz u. Herzklappen
w. lymph. thoracis et latina. Von normal, ln der In-
[ abdom. Tbc. ehr. Kindheit auf tima aortae eine
| lienis, meningum et tuberculös. massige Anzahl
cerebri. Tbc. mi- zarter, plattenformi-
liar. univers.
ger Erhebungen.
18, i Typhus abd. in Früher stets Herz u. Herzklappen
m. stadio infiltr. (Intu- gesund ge- unverändert. In der 1
mesc. gl. lymph. wesen. Intima der Pars
meser. Degener. pa- ascendens und des
rench. Tumor lienis Arcus aortae spär-
ac.). Pneum. lobul. liehe Platten und
; lobi inf. pulm. utri- Streifen,
usque.
2, Pneumonia lobu-j Diphtheria
tu. laris bilateralis. laryngis
(ll./IV. bis
29./IV. 1902)
unddann vom
3./V. an Ma¬
sern.
17» Infiltr. tbc. pul- Von Kindheit
w - ; monum c. phthisi. auf tu bereu-
j Ulcera tbc. laryn- lös.
gis et tracheae. Tbc.
| ehr. gl. lymph.
, bronch. et meser.
In der Nähe der
Aortenklappen und
im Arcus aortae
mehrere kleinste, 1
weissgelbe Plaques.
Herz u. Herzklappen
normal. Längs der J
ganzen Aorta und
namentlich an den
Abzweigungsstellen
der GefässStämme i
in der Intima reich¬
liche, leicht vor¬
springende, kleinste,
gelblichweisseFleck- j
chen. I
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
IJeter die Häufigkeit von arteriosklerotischen Veränderungen etc. 189
| Datum
| der
S Sektion
7.
| e 1S ;
Kranken* u Pathologisch-anatomische
Anstalt ® 2*1 Diagnose
< «2 ei
•So.
Anamnese
Makroskopischer Befand
am Herzen, in der Aorta
und ihren grossen Aestcn
28 11. V.
Allg.
Kr.-H.,
Klin. Prof.
v. Jalach.
10 ,
31 12. V.
32 13 V. Idem.
33 14, V.
29 11. V. Idem.
25,
w.
Endocard. ehr.
valv. bicusp. M.
Brightii ehr. Hyper-
trophia cordis tot.
Tbc. obsol. apicis
pulm. dextri.
Tbc. obsolet, apic.
pulm. sin. et gl.
iymph. bronch. Me¬
ningitis tbc. basi-
1 a r i s.
30 11. V. ! Idem.
24,
w.
Vor 1 Jahr I Herz siehe die patho*
Gelenksrheu- 1 logisch-anatomische
matismus. ‘ Diagnose. In der
Intima der Aorta
und der grossen
I Gefässstärame zahl¬
reiche kleinste Plat¬
ten und Streifen.
Vor 14 Jahren
Scharlach.
Idem. 23,
! m.
! Endometritis
i supp, post par-1 heit Pocken,
tum ante d. XI.
Salpingitis supp.
Periton. purul. Pleu¬
ritis bil. seroso-fibr.
Degeneratio pareneb.
Tbc. chron. pulm. In der Kind-
praecipue pulm. dex. heit Schar-
Pyothorax d. Tbc. lach. Alkoho-
chr. gl. Iymph. lismus (3 bis
bronch. * 5 1 Bier täg-
! lieh). Jetzt
etwa 1 Jahr
krank.
Herz u. Herzklappen
unverändert. Im gan¬
zen Verlaufe der
Aorta zahlreiche
kleine, graugeibe
Plättchen, desglei¬
chen in den grossen
Gefässstäuimen.
In der Kind- Herz erweitert. In
der Intima der Aorta
und der A. anonyma j
zahlreiche vorsprin-!
gende, kleinste, j
weisse und grau- j
gelbe Plättchen und 1
Streifen. j
l
Herz u. Herzklappen j
normal. In der Aorta,
namentlich an den j
Abzweigungsstellen ;
der Aa. intercost. et 1
lumbales zahlreiche j
weissgraue, platten- i
und streifenförmige!
Erhebungen. J
| 21, Glioma vermis Im 3.Lebens- • Herz u. Herzklappen j
| w. cerebelli. Hydro- jahrePocken, unverändert. In der j
| , cephalia chron. int. , J Aorta und den j
cum perforat. cornus j 1 grossen Gefäss-
1 ant. ventric. sin. in
| meatura nasi sup.
sin.
Idem. 25, iCirrhosis hepa- In der Familie | Herz u. Herzklappen
Stämmen spärliche,
stark vorspringende
gelhgraue Plaques.
j tis. Icterus hepat. | Tuberculose.
et universal. Tumor Pat. litt circa
lienis ehr. Tbc. ehr. j V* Jahr an
l pulm. praecipue : Tuberculose.
pulm. dex. Ulcus
tbc. laryngis. Pleu-!
| ritis supp.
normal. In der Aorta |
cireumscripto grau¬
gelbe, kleinste Ver- |
dickungen der In¬
tima. |
!
i
Zeitscbr. f. Heilk. 1903. Abth. f. path. Anat. u. verw. Disciplinen.
13
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
190
Dr. S. v. Simnitzky.
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I r O
aja
.2 3 w
Kranken- u a
Anstalt 2 ® o 1
« » ;
s i
I * -3
Pathologisch-anatomische 1
Diagnose
Makroskopischer Befand
Anamnese am Herzen, in der Aorta
I und ihren grossen Aesten
34
15./V.! Allg.
1 Kr.-H.,
i Klin.Prof.
ZaufaL
in,
ID.
35
20 V. Allg.
I Kr.-H.,
! Klin.Prof.
! Wölfler.
14,
m.
|36; 24. V. Kinder-
1 Spital,
I Prof *
I I Gang¬
hof ner.
371 26. V.
Allg.
Kr.-H.,
Abth.Prof.l
Vribram
Vulnus p operat.
: radicalem otitidis
i med. dex. Throm-
! bosis ichorosa sinus
, sigm. d. et venae
jugul.comm. d. sub-
| sequente plegmone
ichorosa colli ex per-
foratione ulcerosa
, venae jugul. eonun
1 d. Meningitis supp,
circumscripta. Abs-
j cessus metast. pulm.
J Pleurit. seroso-purol.
j bilat Phlegmone
suppur. brachii sin.
I Pyohaemia. Tbc.
! ehr. gl. bronchial
1 Coxitis supp. sin. e
periostitide femor.
sin. Abscessus mul-
I tipl. pulm. Arthritis
j supp, cubiti sin.
i Tumor lienis ac.
| Pyohaemia.
Vor 3 Jahren |
Diphtherie
und von der j
Zeit an Otitis
media. j
Herz u. Herzklappen
normal. In der In¬
tima der Aorta und
der grossen Gefäss-
stäuime disseminirte
kleine, zarte, weiss¬
gelbe Streifen und
Erhebungen.
13,
w.
13,
w.
Vor 6 Jahren Hei*z etwas ver-
Masern. j grössert. Herzklap-
! pen normal. Erhe-
I bungen der Intima
aortae hauptsächlich
an den Abzweigungs¬
stellen der Aa. inter-
cost.; kleinere Plätt¬
chen in der A. ano-
nyma, subclav. und
carot. sin.
Tbc. ehr. gl. ly mph., In der Kind-
colli et inguinis. heit Scrophu-
Tbc. pedis d. ehr.! lose.
Cicatrices faciei et |
femoris sin., proba- j
biliter p. tuberc. M. |
Brightii ehr. Amy- i
loidosis praecipue ■
hepatis et renum. j
Hypertrophia cordis '
praec. ventr. sin.
Vegetationes globu- j
losae cordis. lnfarc-1
tus anaem. lienis.
Hydrops univ. Pneu-
mon. d.
Typhus abd. reci- j Vor S\ 2 Jah-
d i v us. Tumor lienis. ren Scharlach
Pneumonia lobul. !
bilat. Decubitus, i
Hypertrophie des
linken Herzens. Glo-
bulose Vegetationen
in beiden Ventrikeln.
In der Aorta platten-
und streifenförmige
Erhebungen der In-,
tima in spärlicher
Anzahl. I
Herz unbedeutend 1
vergrössert, Herz-,
klappen normal. In
der Intima der Aorta
und der grossen Ar¬
terienstämme spiir- 1
liehe kleine/ weiss¬
graue Platten.
Gck igl<
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Ueber die Häufigkeit von arteriosklerotischen Veränderungen etc. 191
' | Datum
| der
ß Scction
Kranken-
Anstalt
- C 49 1
.£ 0 g 1 ;
u ß -2 ! Pathologisch-anatomische j
-If! Diagnose ! Anamnese
< 'S ®,
Makroskopischer Befand ,
am Herzen, in der Aorta
and ihren grossen Aesten j
38 29. V.
1902
Allg.
Kr.-H.,
Klin. Prof,
j Wölfier.
i
17,
ID.
i
1
i
Peritonitis fibri- Vor 8 Jahren
nosa diffusa p. Masern,
operat. radic.hemiae
inguin. ext. sin.
; i
1 l
Herz etwas hyper-1
1 trophisch,Herzfleisch
blass. An den Klap-
; pen und der Intima ;
des Arcus aortae
zarte Plaques und !
Streifen in spärlicher
Anzahl.
Sollten die Präparate auf fettige Degeneration des Gewebes unter¬
sucht werden, so schnitt ich sie nach der Fixation in Formollösung
auf dem Gefriermikrotom. Nachdem die Schnitte dann mit Hämalaun
(nach P. Mayer) vorgefarbt worden waren, wurden sie mit alkoho¬
lischer Lösung von Sudan III 1 ) oder Scharlach auf Fett gefärbt. In
anderen Fällen verwendete ich zur Härtung der Präparate und gleich¬
zeitiger Sichtbarmachung fettiger Metamorphose l%ige wässerige
Osmiumsäurelösung oder das Marchi’ sehe Gemisch (drei Volumtheile
Müller' sehe Flüssigkeit und ein Volumtheil 1 %ige wässerige Osmium-
säurelösung). Zur Färbung von Celloidin- und Paraffinpräparaten kamen
hauptächlich Hämalaun (nach P. Mayer) und nachfolgende Gegen-
tarbung mit Eosin und nach v. Gieson zur Verwendung. Zur Unter¬
suchung auf elastisches Gewebe diente Orcein und die nach den Vor¬
schriften von Pranter 2 ) angewandte Weigert' sehe Färbung.
Der Kürze halber will ich die Ergebnisse meiner mikroskopi-
.sehen Untersuchungen hier zusammenfassend wiedergeben. Dort, wo
platten- und streifenförmige Erhebungen die Innenfläche der Arterie
bedecken, ist die Intima stets der am meisten afficirte Theil der Ge-
fasswand. Hier finden sich unter der Endothelschicht, welche selbst
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle keine Veränderungen zeigt
oder nur spärliche Fettkörnchen enthält, in der ganzen Erstreckung
der Affection zahlreiche, bald spindelförmige, bald runde Zellen, di»-
einen grossen ovalen oder runden Kern und reichliches Protoplasma
aufweisen Diese Zellen liegen zwischen den Faserbündeln des auf-
geloekerten Intimagewebes entweder vereinzelt oder zu mehreren zu-
J ) Werner‘Rosenthal, Leber den Nachweis von Fett durch Färbung. Ver¬
handlungen der deutschen pathologischen Gesellschaft. Zweite Tagung (München
1899, Sept), S. 440—447.
2 ) Pranter , Zur Färbung der elastischen Fasern. Centralblatt für allgemeine
Pathologie und pathologische Anatomie. 1902, Nr. 79.
13 *
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192
Dr. S. v. Simnitzky.
sammen, so dass sie dann ganze Zellenanhäufungen bilden. Ihr Proto¬
plasma enthält zahlreiche Fetttröpfchen von verschiedener Grösse,
welche zuweilen confluiren, wobei dann die Zelle ganz mit Fett aus¬
gefüllt erscheint; derartige Zellen sind in grösserer Anzahl nament¬
lich in den tieferen Intimaschichten gelagert. Ausser den grossen
Zellen kommen auch kleinere Rundzellen, doch in bedeutend ge¬
ringerer Anzahl vor. Die Bindegewebs- und elastischen Fasern er¬
scheinen durch die genannten Zellen auseinandergeschoben, die ela¬
stischen Fasern sind oft auch in feinste Fibrillen aufgelöst. In einigen
Fällen (4, 22, 28) bemerkt man Schwund des elastischen Gewebes,
während das Bindegewebe gewuchert ist, in anderen gleichfalls be¬
deutende Wucherung der Bindegewebsfasern neben ebensolcher
Wucherung der elastischen Fasern, welch letztere von der Bildung
eines feinen fibrillären Netzes bis zur Entwicklung von ganzen La¬
mellen anwächst (Fall 2, 3, 6, 7, 13, 18, 25, 29, 32, 36, 37). Die
Matrix dieser Neubildung von elastischem Gewebe gibt die in Fasern
aufgelöste Lamina elastica interna ab. Die Wucherung des elastischen
Gewebes hat liier also in der Weise stattgefunden, dass sich elastische
Fasern von dem früher vorhandenen elastischen Gewebe abgelöst und
dann fortentwickelt haben. Dieser Wucherungsprocess entspricht dem
von Jores ’) angegebenen und von anderen Autoren [Pezzolini-),
Dmitrijeff u. A.] bestätigten Typus der Regeneration von elastischem
Gewebe.
Beschränkt sich der Erkrankungsprocess nicht nur auf die In¬
tima, sondern schreitet der Process weiter in die Tiefe fort, so verliert
die Lamina elastica interna ihre scharfe Contourirung, löst sich in
einzelne Schichten auf und wird stellenweise durchbrochen. Zuweilen
kann sie gar nicht mehr unterschieden werden, so dass die Grenze
zwischen Intima und Media verschwimmt. In diesen letzteren Fällen
sind auch die obersten Mediaschichten afficirt, ihre Muskelzellen ent¬
halten dann Fetttröpfchen, welche oft auch frei im Gewebe liegen.
Die elastischen Lamellen der Media sind in ihrem Verlauf unter¬
brochen und verhalten sich in ihren verschiedenen Theilen zu Farb¬
stoffen ( Weigert'sehe. Färbung) verschieden, was auf Degenerations¬
erscheinungen hindeutet.
Nur in zwei Fällen (2 und 10) fanden sich Veränderungen in
der Adventitia, und zwar kleinzellige Infiltration in der Umgebung
der Vasa vasorum; in allen übrigen Fällen zeigten die äusseren Media-
') Jore. *, Zur Kenntniss der Regeneration und Neubildung des elastischen
Gewebes. Ziegler's Beiträge. Bd. XXVII, S. 381.
•) Per.-.olini, Gazz. degli Osp. e delle Clin. 1901, Nr. 151.
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Ueber die Häufigkeit von arteriosklerotischen Veränderungen etc. 193
schichten und die Adventitia keine Veränderungen. Noch auf einen
besonderen Befund will ich hier hinweisen, nämlich auf das Vorhanden¬
sein von homogenen Massen, die durch Hämalaun fast diffus hellblau
gefärbt werden, in den afficirten Theilen der Intima und Media; es
ist mir nicht gelungen, den wahren Charakter dieser Massen festzu¬
stellen; etwas Aehnliches findet sich, wie meine Beobachtungen an
den Veränderungen der Aortenwand erwachsener Individuen dargethan
haben, nicht selten an denjenigen Stellen, wo Kalkablagerung beginnt.
Deutlich ausgeprägte atheromatöse Herde (siehe z. B. den zweiten meiner
Eingangs speciell erwähnten. Fälle) konnten in den Fällen der Tabelle
nicht constatirt werden. Endlich muss noch bemerkt werden, dass ich
oft in ein und demselben Falle an verschiedenen Stellen ein ganz
verschiedenes Bild des arteriosklerotischen Processes, den verschiedenen
Stadien desselben entsprechend, sehen konnte; besonders schön trat
dieses in Fall 3 und 16 hervor.
Sehr interessant gestaltete sich die genauere Untersuchung der
»Fettmetamorphose« in den in den Intimaverdickungen befindlichen
Zellen, welche in allen meinen Fällen eine gewöhnliche Erscheinung
war. In einer vor Kurzem erschienenen Arbeit haben Kaiserling uud
Orgler l ) darauf hingewiesen, dass nicht alles, was bis jetzt in den
Zellen für fettige Entartung angesehen wurde, in Wirklichkeit durch
Vorhandensein von Fett bedingt ist. Diese Verfasser konnten durch
Untersuchungen der Brechungsfähigkeit der fettähnlichen, tropfen¬
förmigen Zelleinlagerungen an frischen Präparaten feststellen, dass ein
Theil derselben sich vom Fett wesentlich, und zwar dadurch unter¬
scheidet, dass sie anisotrop sind, während die wirklichen Fetttröpfchen
isotrope Eigenschaft zeigen. Ausserdem fanden sie, dass diese Substanz
der Einwirkung von Natronlauge, Essig- und Schwefelsäure wider¬
steht, in Chloroform und Aether leicht, in Alkohol aber schwer lös¬
lich ist, nach Einwirkung von Osmiumsäure nur eine leicht graue
und nicht eine schwarze Färbung annimmt wie Fett, dagegen nach
Einwirkung von Sudan III und Scharlach sich ganz wie Fett roth
färbt. Im Gegensatz zu Fett verlieren diese mit Osmiumsäure schwer
tingirbaren Körner ihre Osmiumfärbung selbst durch kurzdauernde
Einwirkung von Xylol, Chloroform und Bergamottöl wieder. Um diese
Verhältnisse bei meinem Material zu studiren, untersuchte ich frische
Präparate «von 18 der oben genannten 38 Fälle daraufhin. Vor Allem
überzeugte ich mich durch Untersuchung im Polarisationsmikroskop.
*) Kaiserling und Orgler , Ueber das Auftreten von Myelin in Zellen und
seine Beziehung zur Fettmetamorphose. Virehow s Archiv. 1902, Bd. CLXV1I.
S. 296.
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194
Dr. S. v. Simnitzky.
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•lass die Mehrzahl der zahlreichen fettartigen Tröpfchen in den Zellen
des erkrankten Intimagebietes doppelte Lichtbrechung zeigten und bei
gekreuzten Nicols in dem dunklen Gesichtfelde des Mikroskops als
helle runde Tröpfchen mit einem klar hervortretenden schwarzen
Kreuze im Centrum erschienen. Solche Bilder konnten nur an frischen,
in einem Tröpfchen Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung be¬
findlichen Präparaten (jegliche sonstige Behandlung schliesst die er¬
wähnte Doppelbrechung aus) beobachtet werden. An mit Osmiumsäure
oder nach Marchi behandelten Präparaten konnte ich feststellen, dass
in der That die Mehrzahl der Tröpfchen sich heller färbte als wie
Fett, und zwar dunkelgraue Färbung annahm; nach Bearbeitung solcher
Präparate mit Xylol verschwanden diese grau gefärbten Tröpfchen
wieder. Fm diese sich gegen polarisirtes Licht verschieden verhalten¬
den Substanzen auch an tixirten Präparaten, welche jene physikalische
Eigenschaft des einen Theiles der Tröpfchen nicht mehr hervortreten
lassen, voneinander zu differenziren, benutzte ich die Fähigkeit der
anisotropen Tröpfchen mit Sudan III und Scharlach auch nach der
Osmiumbehandlung im Gegensätze zu den wirklichen Fetttröpfchen
eine rothe Färbung anzunehmen; ich färbte die mit Osmiumsäure (oder
nach Marchi) behandelten Präparate mit besagten Farbstoffen nach
und erhielt dann unter dem Mikroskop sehr lehrreiche Bilder; die
Zellen enthielten schwarze und rothgrau gefärbte Körnchen; was jedoch
besonders auffiel, war, dass neben diesen zwei Arten von Einlage¬
rungen auch noch ausschliesslich rothe kleine Körner ohne Bei¬
mischung irgend einer anderen Farbennuance beobachtet werden
konnten. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Körner waren, die mit
Osmiumsäure gar nicht in ßeaction getreten waren, eine Voraussetzung,
für die auch der Umstand spricht, dass bei Vergleich von nur mit
Osmiumsäure und nur mit Sudan III (oder Scharlach) gefärbten Prä¬
paraten der Grad der »fettigen Metamorphose« stets quantitative Unter¬
schiede zu Gunsten der letzteren zeigte. Was die Natur dieser mit
Usmiumsäure nicht oder nur schwach färbbaren Tröpfchen anbetrifft,
so erinnere ich hier daran, dass Müller und Schmidt') das Vorhanden¬
sein solcher doppellichtbrechender, ihrem Aussehen nach au Fett er¬
innernder Körnchen im Sputum beschrieben und ihnen den Namen
»Myelintröpfeheu« gegeben haben. Müller glaubt, dass diese Substanz
ein Uebergangsstadium der Umwandlung von Eiweiss in Fett (Pro¬
tagon) darstellt. Diese Meinung theilt jedoch Orgler-) in seiner jüngst.
’) Maller und Schmidt , Berliner klinische Wochenschrift. 1898, Kr. 4.
) roher den Fettgehalt normaler und in regressiver Metamorphose be¬
findlicher Thymusdrüsen. Yirehow's Archiv. 1902, Bd. CLXVII.
Gck igle
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Ueber die Häufigkeit von arteriosklerotischen VeiÄnderungen etc. 195
erschienenen Arbeit nicht, sondern meint, dass es sich hier nicht um
die Bildung von Fett aus Eiweiss handelt, dass jedoch besagte Ge¬
bilde »eine in der Zelle präexistirende Fettsubstanz* darstellen. Den
Vorgang selbst bezeichnen Kaüerling und Orgler als »Myelinmeta¬
morphose«.
Wenn ich nun zur Erörterung darüber, worin das Wesen der
beschriebenen Veränderungen in der Aortenwand jugendlicher
Individuen besteht, übergehe, so muss ich vor Allem erwähnen, dass
bei der Arteriosklerose die fettige Entartung der Intima häufig als
seeundäre Erscheinung, welche durch Stockung des Blutzuflusses
durch die primär afficirten entsprechenden Vasa vasorum hervor¬
gerufen wird, angesehen wird. Dieser Erklärung möchte ich mich nicht für
meine Fälle anschliessen, da nur in zwei von meinen Fällen eine
Alteration der Vasa vasorum gefunden wurde. Ich meine vielmehr,
dass die Intimaveränderungen in meinen Fällen primärer Natur waren
und ihnen stets ein chronisch entwickelter Entzündungsprocess zu
Grunde lag, wobei einerseits Degenerationen des Gewebes, anderer¬
seits aber Wucherung von Bindegewebe und elastischen Fasern statt¬
fand. Die genauen Untersuchungen Dmitrijeffs über die bei der
Arteriosklerose in der Aortenwandung stattfindenden Veränderungen
ergaben, dass hiebei neben Degenerationserscheinungen auch Neu-
bildungsproeesse in Erscheinung treten und dass überhaupt Neu¬
bildung von elastischem Gewebe in der Intima für Arteriosklerose
charakteristisch ist (Schlussfolgerungen I und IV). Tritt Degeneration
hinzu, so entsteht aus der Sklerose die Atheromatose, und theile ich
vollkommen die Meinung von H. Bonner 1 ), welcher in seiner Mono¬
graphie über Arteriosklerose sagt: »Ich glaube, dass der Unterschied,
den Lancereaux und sein Schüler Duclos zwischen den von ihnen
als Steatose, Atheromatose, bezeichneten Veränderungen und der
eigentlichen Arteriosklerose zu finden geglaubt haben, nicht aufrecht
erhalten werden kann, da diese beiden Läsionen oft bei denselben
Personen Vorkommen. Der erwähnte Unterschied ist nur ein gra¬
dueller und ich bin überzeugt, dass die modernen Anatomen die
gelben, schwach hervorragenden Flecken auf der innersten Haut der
Arterien in den meisten Fällen als Arteriosklerose auflassen (S. 50,51).«
Fügt man hier nun noch den so oft citirten Ausspruch von Comil
und Ranvier, dass »entre l’arterite la plus aigue et l'arterite la plus
chronique, a sa periode la plus ultime, on trouve toutes les pbases d’un
travail morbide non interrompu«, hinzu, so sind hiemit meiner
Meinung nach genügende Gründe gegeben, die von mir besprochenen
*) H. Donner , Ueber Arteriosklerose. Stuttgart 1902.
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196
Dr. S. v. Simnitzky.
Läsionen als in das Gebiet der gewöhnlichen Arteriosklerose gehörige
Veränderungen (juvenile oder präsenile Form) anzusehen. Zu Gunsten
dieser Anschauung spricht auch die Localisation des Processes und
der insulare Charakter der Affection (Endarteriitis insularis s. circum¬
scripta) in meinen Fällen, welcher gerade in der Aorta besonders oft
verzeichnet wird (Thoma).
Schliesslich drängt sich noch die Frage auf, warum es bei den
jugendlichen Individuen so oft zu, wenn auch nicht hochgradiger
Arteriosklerose kommt. Seit jeher stehen unter den ätiologischen
Momenten, welche die Entstehung der Arteriosklerose bedingen,
höheres Alter, starke körperliche Anstrengungen, Alkoholismus und
Syphilis an erster Stelle und erst in verhältnissmässig neuerer Zeit
hat man auch die Bedeutung von sonstigen Infectionskrankheiten in
dieser Richtung betont. Diese Lehre von der Rolle der verschiedenen
infectiösen Erkrankungen in der Aetiologie der Arteriosklerose steht
aber durchaus noch nicht abgeschlossen vor uns und will ich mir
daher erlauben, meine Fälle von diesem Standpunkte aus zu durch-
mustern: Unter den 38 Fällen fanden wir nur in zwei Fällen (23
und 31) Alkoholismus, niemals Syphilis angegeben. Hingegen liess
sich in 18 Fällen aus der Anamnese constatiren, dass die betreffenden
Individuen vor kürzerer oder längerer Zeit schwerere Infectionen (Pneu¬
monie, Polyarthritis rheuraatica, Diphtherie, Scarlatina, Morbilli,
Variola, Typhus abdominalis) durchgemacht hatten und konnte bei
sechs Fällen, wie übrigens auch bei 2 der 18 Fälle, erhoben werden,
dass die chronische Tuberculose, der die Patienten schliesslich erlegen
waren, durch lange Zeit, meist durch mehrere Jahre bestanden hatte.
Daraus ergibt sich schon, dass in 24 von den 38 Fällen an einen
eventuellen Zusammenhang zwischen der Arteriosklerose und. In-
fectionserkrankungen zu denken ist, was einem Procentsatze von
631'Vo entspricht. Aber auch in einigen der restirenden 14 Fälle er¬
scheint die Annahme eines solchen Causalnexus nicht ungerechtfertigt,
so in den Fällen 7 und 20, wo Typhus abd. respective Pertussis
durch je einen Monat gedauert hatten; und in dem Falle 26, wo das
betreffende Individuum, ein zweijähriges Kind, einen Monat vor dem
Tode an Diphtherie, hierauf an Morbillen und schliesslich an Pneu¬
monie erkrankt war, welch letztere zum Tode führte. Die länger
dauernden, letalen, infectiösen Erkrankungen in diesen drei Fällen
konnten immerhin schon als solche die in diesen Fällen gefundene
Arteriosklerose hervorgerufen haben und würde sich dadurch der
Procentsatz auf 71% erhöhen. Was die übrigen elf Fälle betrifft, so
waren es in den Fällen 15, 18 und 22 (langdauernde Epilepsie) und
bv Google
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Ueber die Häufigkeit von arteriosklerotischen Veränderungen etc. 197
in dem Falle 11 (seit länger bestehende Herzhypertrophie bei Kypho¬
skoliose) wahrscheinlich mechanische Momente gewesen, welche die
Arteriosklerose bedingt hatten. Nur in sieben Fällen (4, 5, 6, 8, 12,
13 und 26) konnte keine Ursache für die Arteriosklerose gefunden
werden. Es sprechen also meine Befunde wieder für die Zulässigkeit
der Ansicht von der Wichtigkeit der Infectionserkrankungen für die
Aetiologie der Arteriosklerose.
Die Bedeutung von Infectionskrankheiten für die Entwicklung
von Erkrankungen der Arterienwand wurde von mehreren Autoren
durch den directen Befund der Infectionserreger selbst in der aßicirten
Gefässwand noch klarer gemacht; so haben z. B. Wysokowitsch und
Buday') bei experimenteller Septikämie Entwicklung von Strepto¬
coccen in der erkrankten Gefässwand gesehen, Guzzaniti' 1 ) constatirte
Pneumococcen in einen Falle von acuter Arteriitis. Oliver 3 ) den
Bac. anthracis, Rattone 4 ) den Bac. typhi u. s. f. Bregmann i ),
Kortz 6 ) u. A. wiesen auf die ausgesprochene Abhängigkeit der Ent¬
wicklung arteriosklerotischer Proces^se von der tuberculösen Infection
hin. Andererseits haben die Arbeiten von Crocq 7 ), Therese 8 ), Boinet
und Romary 8 ), Gilbert und Lion' 0 ) den experimentellen Nachweis
dafür geliefert, welche Bedeutung Infectionskrankheiten in der
Aetiologie von Erkrankungen und Veränderungen der Gefässwand
besitzen. Besonders interessant sind die Beobachtungen von Orocq,
welcher nachgewiesen hat, dass nicht nur die im Blute circulirenden
Infectionserreger, sondern auch ihre Toxine pathologische Ver¬
änderungen der Gefässwand hervorrufen können (Versuche mit
Diphtherietoxin).
Sicherlich verlaufen derartige Aortensklerosen bei jugendlichen
Individuen meist ganz symptomlos und werden nur zufällig am
’) Cit. nach Kocher und Tavel.
-), 3 )> *) C't- nac h lirault.
'■>) Bregmaun , Ein Beitrag zur Kenntniss der Angioskleroso. Diss. inaug.
Dorpat 1890. »Die Arteriosklerose tritt bei Tuberculösen häufiger und in Bezug
auf das Lebensalter frühzeitiger auf als bei Nichttuberculösen.«
e ) Konz, Les maladies de l’aorte et du Systeme arteriel dans leurs rapports
avec la tuberculose pulmonaire. Paris. Cit. nach Jahresbericht dergesaminten Medicin.
1893, II, S. 236.
') Crocq, Contribution ä l'etude exper. des arterites infect. Arch. de uned.
exp. 1894.
8 ) Thdrhte, Etüde anatoino-patliologique et experim. des arterites secondaires
aux maladies infect. These. Paris 1893.
®) Boinet und Romary, Recherches experimentales sur les aortites. Arch. de
ined. exper. T. IX, Nr. 5.
,0 ) Qilbert und Lion , Arterites infectieuses exper. Soc. de Biol. 1889.
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198
Dr. S. v. Simnitzky, Ueber die Häufigkeit etc.
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Sectionstische aufgefunden: dass sie jedoch in den Fällen, wo sie be¬
deutendere Grade der Entwicklung erreichen, eine ganze Reihe von
Symptomen sowohl am Herzen als auch an den Blutgefässen aus-
lösen können (vide die Fälle von Seitz und Marfan ), ist ebenfalls
zweifellos.
Wie also meine Untersuchungen zeigen, ist der arteriosklerotische
Process im jugendlichen Alter, wenigstens im Anfangsstadium seiner
Entwicklung, eine durchaus nicht seltene Erscheinung, da er bei
27'5% aller von mir daraufhin untersuchten Individuen im Alter bis
zu 25 Jahren constatirt werden konnte. In seiner Aetiologie muss
den Infectionskrankheiten unbedingt eine wichtige Rolle zuertheilt
werden. Diese Beobachtungen sprechen aber auch weiter dafür, dass
die Arteriosklerose überhaupt nicht in erster Linie und ausschliesslich
das Ergebniss einer specifischen Wirkung des Alters ist, sondern,
dass die besagten Veränderungen der Gefässwände vor Allem durch
die verschiedenen Schädlichkeiten, welche auf den Organismus im
Allgemeinen und die Gefässwände im Speciellen im Laufe der Jahre
einwirken, heryorgerufen werden. Was die juvenile Arteriosklerose
betrifft, so ist es wohl möglich, dass unbedeutende Veränderungen
der Intima wieder spurlos vergehen, sozusagen ausheilen können,
wenn aber die betreffende schädliche Einwirkung auf die Intima sehr
intensiv war oder längere Zeit angedauert hat, so wird sich eine
solche juvenile Sklerose geradeso weiter entwickeln können wie die
Arteriosklerose, die bei Erwachsenen einsetzt.
Gck igle
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(Ans dem pathologisch-anatomischen Institut in Wien. [Vorstand: Hofrath
Prof. Weichselbanm.])
Ueber einen Fall von gelber Leberatrophie mit ungewöhn¬
lichem Verlauf.
Von
Dr. L. Adler.
(Hiezu Tafel XV.)
Im Nachfolgenden soll über einen Fall von gelber Leberatrophie
berichtet werden, der sowohl in seinem klinischen Verlaufe als auch
im pathologisch-anatomischen Befunde manches Bemerkenswerthe
darbot.
Die Krankengeschichte sei hier auszugsweise mitgetheilt.*)
Marie M., 18 Jahre, ledig, sucht am 4. Februar 1902 das Spital
auf. (IV. medicinische Abtheilung des Prim. Doc. Dr. Kovdcs.)
Anamnese. Eltern und Geschwister der Patientin sind gesund.
Patientin will als vierjähriges Kind Kopf- und Bauchtyphus durchgemacht
haben.
Im achten Jahre war sie nach Genuss von unreifem Obst einige
Wochen krank und hatte seit der Zeit etwas empfindlichen Magen. Im
zehnten Jahre eine mehrwöchentliche Krankheit (Magenschmerzen, Er¬
brechen), angeblich in Folge des Genusses von unreifem Obst. In den
folgenden Jahren öfters Magenschmerzen und Erbrechen. Mit 14 Jahren
erkrankte Patientin an Bleichsucht, Herzklopfen. Nach fünf Monaten gaben
sich die Beschwerden. Erste Menses mit 15 Jahren.
Am 1. Februar fühlte sich Patientin unwohl, hatte Kopfschmerzen,
es wurde ihr übel, und sie erbrach grünliche Massen.
Am 2. Februar Gelbfärbung der Haut und angeblich leichtes Fieber,
dabei Druckgefühl in der Magengegend, ohne Uebelkeit und ohne Er¬
brechen. Stuhl war flüssig, uormal gefärbt, seither besteht Obstipation.
Status praesens vom 5. Februar. Mittelgrosse, ziemlich gracil
gebaute, etwas magere Patientin. Die Hautfarbe ist ziemlich stark ikteriscb,
*) Die Patientin lag im Wiener Allgemeinen Krankenhause auf den Ab¬
theilungen der Herren Prim. Doc. Koväes, Redtenbacher und Prof. r. Krafft-Ebing.
Den Herren Vorständen dieser Abtheilungen sei hiemit für die TJeberlassung der
Krankengeschichten bestens gedankt.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abt. f. path. Anat. u. verw. Disziplinen. 14
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200
Dr. L. Adler.
ebenso die sichtbaren Schleimhäute und Conjunctivae, Zunge feucht, nicht
belegt, leichte Struma.
Thorax flach, sonst normal gebaut, Respiration normal, vollkommen
normaler Lungenbefund.
Spitzenstoss im V. Intercostalraum in der Mamillarlinie, dieselbe
etwas überschreitend, von normaler Qualität. Herzdämpfungsgrenzen u. R.
der 4. Rippe einwärts von der Mamillarlinie, linker Sternalrand, unteres
Sternum, Schall normal. Ueber allen Auscultationsstellen der systolische
Ton unrein endigend, am ausgesprochensten über der Pulmonalis, der zweite
Pulmonalton verstärkt. Art. radialis weich. Puls von normaler Qualität,
aber etwas beschleunigt. Temperatur 37‘3.
Abdomen von normaler Form und Ausdehnung, die Leberresistenz
vermehrt und vergrössert, reicht in der Mittellinie bis daumenbreit über
die Nabelhorizontale. Das Organ ist leicht druckempfindlich, die Oberfläche
glatt, Rand nicht deutlich zu fühlen. Dämpfungsgrenzen: o. R. der 6. Rippe,
daumenbreit über der Nabelhorizontale (in der rechten Parasternallinie),
nach links reicht die Grenze bis etwas über die Mamillarlinie. Milzdämpfungs¬
grenzen: u. R. der 8. Rippe, u. R. der 12. Rippe, rückwärts Confluenz
mit der Lumbaldämpfung, vorne Rippenbogen. Der vordere Pol bei starker
Spannung der Bauchdecken nicht zu tasten. Der übrige Abdominalbefund
normal.
Es soll drückender Magenschmerz bestehen, der angeblich nach der
Nahrungsaufnahme geringer wird. Kein Aufstossen, dagegen Uebelkeiten.
Stuhl regelmässig, in den letzten Tagen retardirt.
6. Februar. Ikterus hat an Intensität zugenommen. Patientin klagt
über drückenden Schmerz in der Magen- und Lebergegend, das ganze
Abdomen leicht druckempfindlich. Stuhl acholisch.
8. Februar. Schmerzen beim Schlingen, Tonsillenschwellung und
lacunäre Eiterpfropfe. Temperatur 38’5.
11. Februar. Ein lacunärer Pfropf in der rechten Tonsille. Der Ikterus
hat an Intensität abgenommen. Abdominalbefund im Wesentlichen unver¬
ändert, ebenso Milzdämpfungsgrenzen, doch ist das Organ fingerbreit vor
dem Rippenbogen zu tasten und fühlt sich derb an. Stuhl acholisch.
Temperatur 36 9.
13. Februar. Rachengebilde normal, Leber- und Milzbefund unver¬
ändert. Temperatur 36'9.
15. Februar. Ikterus in langsamem, aber stetigem Rückgänge. Gestern
nach dem Essen klagte Patientin über drückenden Schmerz in der Magen¬
gegend, sonst ist das subjective Befinden gut. Die Leberresistenz ist immer
noch vermehrt, reicht in der Mittellinie noch bis fingerbreit ober die Nabel¬
horizontale, in der rechten Parasternallinie bis fast zu derselben. Dämpfungs¬
grenzen wie früher. Milztumor besteht unverändert fort.
17. Februar. Ikterus in constantem Rückgänge, Leberresistenz noch
immer vermehrt, reicht in der Mittellinie bis gut zwei Querfinger breit
ober die Nabelhorizontale, in der rechten Parasternallinie einen Querfinger
breit ober dieselbe. Intensität der Leberresistenz geringer. Milztumor o. R.
der 9. Rippe, u. R. der 12. Rippe, etwas vor der mittleren Axillarlinie.
Der vordere Pol eben noch am Rippenbogen zu tasten, mässig derb. Sub-
jectives Befinden gut. Temperatur 37*3.
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Ueber einen Fall von gelber Leberatrophie mit ungewöhnlichem Verlauf. 201
21. Februar. Patientin musste wegen Widersetzlichkeit entlassen
werden (in gebessertem Zustande). Die Affection war als »Icterus catar-
rhalis« aufgefasst worden.
Patientin suchte am 5. April abermals das Spital auf (III. medi-
cinische Abtheilung). Ueber ihr Befinden in der Zwischenzeit fehlen nähere
Angaben, doch soll sie drei Wochen vor der Wiederaufnahme abermals
wegen Gelbsucht in Spitalsbebandlung gewesen sein.
7. April. Vor etwa acht Tagen nach Genuss von Schweinsbraten
mit Kraut am Abend, am folgenden Morgen Erbrechen von Resten des
Abendessens. Wiederholtes Erbrechen nach der Nahrungsaufnahme und
Fieber. Am folgenden Tage Gelbfärbung der Haut, die an Intensität zu¬
nahm, nur hie und da Erbrechen und Magendrücken, Appetitlosigkeit.
Status praesens. Starker Ikterus der allgemeinen Decke, Con¬
junctivae und der sichtbaren Schleimhäute. Temperatur 36'5, Puls 76.
Abdomen im Niveau des Thorax, in der Lebergegend leichte Druck-
empfiudlichkeit. Leber mässig vergrössert: die untere Grenze der Leber¬
dämpfung reicht in der Mittellinie bis zwei Querfinger oberhalb des Nabels,
rechts überschreitet sie um zwei Querfinger den Rippenbogen, dem entspricht
der Palpationsbefund. Milz palpatorisch und percutorisch vergrössert, der
untere Pol deutlich tastbar.
Harn hellbraun mit gelbem Schüttelschaum, Nucleoalbumin -J-,
Bilirubin -j - » Indican deutlich vermehrt.
9. April. Gestern und heute wiederholtes Erbrechen, meist einige
Minuten nach der Nahrungsaufnahme, Magendrücken, Uebelkeit, Obstipation.
Temperatur 36 - 8, Puls 68.
11. April. Patientin, die bisher ruhig gelegen, wehrt sich gegen
Irrigation, ist widersetzlich, weint heftig, beginnt zu schreien und zu
toben und wird unbesinnlich, daher auf die psychiatrische Klinik transferirt.
11. April. Ikterus, keine Hautblutungen, tiefe Benommenheit, Krämpfe
an den Extremitäten, Zähneknirschen, Stöhnen, unarticulirtes Schreien.
Puls und Respiration wechselnd. Temperatur 36 5.
12. April. Koma. Exitus um 3'/ 2 Uhr p. m.
Der Sectionsbefund (Docent Dr. Stoerk) ergab: »Schwerer all¬
gemeiner Ikterus, Schwellung der Leber mit fleckweisen Atrophien
des Leberparenchyms. Fettige Degeneration der Nieren. Chronischer
Milztumor, Oedem des Gehirns mit Hyperämie der Rinde. Chronischer
Magenkatarrh mit Schleimhauthypertrophie.
Die schlaff anzufühlende Leber erscheint etwas vergrössert, ihre
Ränder etwas stumpfer, ihre Oberfläche glatt, Farbe der Oberfläche
gelblich mit leicht röthlichem Stich. Auf der Schnittfläche zeigt sich
an den meisten Stellen eine sehr markirte Acinuszeichnung, indem
sich bis zu Stecknadelkopfgrösse vergrösserte, ockergelbe, vereinzelt noch
eine deutlich erkennbare Centralvene enthaltende, rundliche Acini durch
ein spärliches, zwar ira gleichen Niveau liegendes, aber durch seine
mehr graue Färbung differentes Zwischengewebe von einander ab-
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Dr. L. Adler.
grenzen. Dieses Bild ist im ganzen Leberbereieh ziemlich gleichmässig.
An zahlreichen Stellen werden aber die Leberläppchen ersetzt durch
fleckweise auftretende, ungleichmässig bis etwa kronenstückgrosse,
längliche oder rundliche Partien, im Bereich welcher das Parenchym,
homogen (structurlos), ein wenig durchscheinend, von graublasser
Färbung erscheint, so dass die Leberschnittfläche in solchen Bezirken
wie marmorirt aussieht. Diese Veränderung ist insbesondere im Bereich
des linken Leberlappens zu sehen.
Im Magen, der nach dem Typus des Etat mamelonne gewul-
steten Schleimhaut aufliegend, schleimig hämorrhagisches Secret. Die
Schleimhaut des Ductus choledochus, insbesondere dann im Bereich
der Papilla Vateri, gelockert, geschwellt, im Diverticulum Vateri eine
Flocke röthlich tingirten, zähen Schleimes.«
Zum Zwecke der mikroskopischen Untersuchung wurden zahl¬
reiche Stückchen aus den verschiedenen Partien der Leber, ausserdem
Stücke der Niere und Milz in Müller' scher Flüssigkeit mit Zusatz
von 10% Formol fixirt, die Stücke dann mit Hämalaun-Eosin, nach
van Gieson, Riehl, mit Methylenblau, und nach der Gram - Weigert'sehen
Methode gefärbt. Von der Leber und der Niere wurden ausserdem zur
Untersuchung der Fettverhältnisse kleine Stückchen in Altmann’s
Fixirungsflüssigkeit gehärtet.
Die mikroskopische Untersuchung ergab Folgendes:
Schnitte aus jenen Partien, welche makroskopisch eine Acinus-
structur erkennen Hessen, zeigen bei schwacher Vergrösserung folgende
Beschaffenheit:
Der grösste Theil des Acinus wird durch ein kernarmes, bei dieser
Vergrösserung fast homogen aussehendes Gewebe gebildet. Die Acinus-
peripherie ist als solche sehr deutlich erkennbar durch das dieselbe
einnehmende kernreiche Gewebe, in dessen Bereich eine äusserst leb¬
hafte Proliferation von Gallengängen sichtbar ist (Fig. 1). Dass es
sich hier thatsächlich um die Acinusperipherie handelt, beweisen die
dort anzutreffenden charakteristischen Gebilde: die Verästelungen der
Arteria hepatica und Vena portae, sowie die daselbst verlaufenden, von
den neugebildeten kleinen leicht unterscheidbaren grossen Gallen¬
gangsäste. Besonders deutlich wird diese Gliederung durch Präparate
illustrirt, in denen die elastischen Fasern (nach Riehl's ') Angabe) ge¬
färbt wurden. In diesen sieht man nämlich, dass die elastischen Fasern
des interacinösen Bindegewebes thatsächlich in den kernreichen Partien
des Gewebes verlaufen, während die kernarraen Theile frei von elasti-
') Pranter, F., Ziegler’s Centralblatt fiir allgemeine Pathologie und patho¬
logische Anatomie. 1902, 8/9.
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Ueber einen Fall von gelber Leberatrophie mit ungewöhnlichem Verlauf. 203
sehen Fasern sind. Es lässt sich somit erkennen, dass die kernarme
Partie im grossen Ganzen sich mit dem früheren Acinusareale deckt,
während die breiten, kern- und gallengangsreichen Randzonen dem
durch Proliferation verbreiterten Gebiet der interacinösen Elemente
entsprechen. Betrachten wir bei gleicher Vergrösserung Schnitte von
osmirten Präparaten, so fallen uns im kernarmen Abschnitte — und
zwar hauptsächlich in dem peripheren Antheil desselben — grössere
osmiumgeschwärzte Elemente auf, während sich im Bereich des
Zwischengewebes die Osmiumschwärzungen mit dieser Vergrösserung
kaum erkennen lassen.
Bei stärkerer Vergrösserung löst sich das früher als fast homogen
Bezeichnete in ein Gemenge von Bestandtheilen vorwiegend von zweierlei
Art auf. Es lassen sich nämlich einerseits schollenartige Gebilde er¬
kennen, welche durch ihre lebhaftere Eosinfärbung und ihre poly-
edrische Form als zugrundegegangene Leberzellen charakterisirt sind,
anderseits zwischen ihnen eine undeutliche, unscharf contourirte, im
grossen Ganzen ein grobes Netzwerk bildende, unscharf bläulich —
nach van Oieson röthlich — gefärbte Masse, welche dem nekrotischen
Zwischengewebe (Bindegewebe, Capillaren) entspricht. Aisdrittes morpho¬
logisches Element finden sich allenthalben in den Spalten zwischen
den beiden genannten Formationen kleine runde Zellen mit intensiv
gefärbtem runden Kern — Wanderzellen. Die nekrotischen Leberzellen
liegen nirgends in grösseren Verbänden, sondern fast immer einzeln, nur
hie und da in Gruppen zu zweien und dreien und enthalten vielfach
kreisrunde und auch unregelmässig begrenzte Vacuolen. Manche dieser
Zellen zeigen eine diffuse Gelbfärbung, offenbar Imbibition mit hämato¬
genem oder Gallenpigment. An osmirten Präparaten entsprechen den
erwähnten Vacuolen schwarze Gebilde, die Vacuolen sind also Zell¬
abschnitte, in welchen durch die Härtung Fett extrahirt worden war.
Die osmirten Präparate gestatten bezüglich des Auftretens des
Fettes eine genauere Erkennung seiner Formen, man sieht nämlich:
1. Allerfeinste, nur mit Immersion deutlich erkennbare Tröpfchen,
und zwar treten diese sowohl in den nekrotischen Leberzellen als
auch im nekrotisirenden Zwischengewebe auf.
2. Grössere Tropfen — den erwähnten Vacuolen entsprechend —
etwa von der Grösse jener Fetttropfen, wie sie bei Fettinfiltration der
Leber zu sehen sind, und zwar fast ausschliesslich in nekrotischen
Leberzellen. Diese grossen osmirten Körner sind entweder untereinander
annähernd gleich gross, und dann oft im peripheren Protoplasma-
antheil, dem Zellraud parallel angeordnet, oder es erscheinen in einer
Zelle neben einem besonders grossen, mehrere kleinere, unregelmässig
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Dr. L. Adler.
über den ganzen Zellleib zerstreute Tropfen. Ausserdem sieht man
noch Fetttropfen von ganz besonderer Grösse und runder oder mehr
unregelmässiger Gestalt, die wohl aus mehreren kleineren Tropfen zu¬
sammengesintert sein dürften. Es linden sich auch Bilder, bei denen
man das Conduiren aus kleineren Tropfen noch erkennen kann. Os-
miumkörner dieser Gestalt finden sich hauptsächlich im Bereich der
nekrotischen Partien, doch ist es nicht zu entscheiden, in welchen Ge-
webselementen diese Tropfen localisirt sind. Zu erwähnen ist, dass
auch im osmirten Präparate in den nekrotischen Leberzellen bisweilen
Vacuolen von runder oder mehr irregulärer Form zu sollen sind, deren
Inhalt sich mit Osmium nicht schwärzt.
Bezüglich der Vertheilung der abgestorbenen Leberzellen ist zu
bemerken, dass dieselben an Zahl und Grösse gegen die Aeinus-
peripherie hin deutlich zunehmen, ja sogar — wie später noch aus¬
führlicher besprochen werden soll — zwischen gewucherten Gallen¬
gängen in den den Acinis zunächst liegenden Theilen des inter-
aeinösen Gewebes anzutreffen sind. Intacte Leberzellen konnten in
keinem einzigen Schnitte gefunden werden.
In den interacinösen Zonen sieht man ein ziemlich kernreiches
Bindegewebe, dessen Fasern ein wenig gequollen, dessen Kerne meist
ein wenig plump und kurzspindelig erscheinen, und in dem stellen¬
weise kleinzellige Infiltration zu erkennen ist. Die in dasselbe ein¬
gebetteten gewucherten Gallengänge zeigen sehr mannigfache Bilder,
entsprechend ihrem verschiedenen Reifegrade. Sie besitzen zum Tlieil,
und zwar zum geringen Tlieil, schon ein schmales Lumen, um welches
sich cubisch-cylindrisehe Epithelien mit fast rundlichem, basal stehendem
Kern ziemlich dicht aneinanderreihen, oder — und das betrifft die
überwiegende Mehrzahl — es handelt sich um recht unregelmässig
geformte Gebilde, die entweder noch kein Lumen besitzen oder den
Anfang einer Bildung desselben in Gestalt eines kurzen, central ent¬
stehenden Spaltes aufweisen. Die Kerne in ihnen lassen vielfach über¬
haupt keine einheitliche Anordnung und Form erkennen, oder aber die¬
selben erscheinen mit ihren Längsachsen der Längachse des Gallen¬
ganges parallel als Doppelreihe. Hie und da trifft man auf solche
Gallengänge, oder besser gesagt, Gallengangsanlageu, welche eine mehr¬
fache Verzweigung zeigen. Ihre Verlaufsrichtung scheint keine typische
zu sein, doch sieht man vielfach die vom Acinus entfernteren mehr
dem Acinuscontour parallel verlaufen, die dem Acinus näher liegenden
mehr eine radiäre Verlaufsrichtungaunehmen. Besonders an den letzteren
lässt sich an günstig getroffenen Stellen ein eigenthümliches Verhalten
ihrer den Acinis zugewendeten Enden beobachten. Durch reichliche
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Uebcr einen Fall von gelber Leberatrophie mit ungewöhnlichem Verlauf. 205
Proliferation des Epithels und durch gleichzeitige Aenderung der Ge¬
stalt der Zellen schwellen diese Enden nämlich zu förmlichen End¬
knospen an. Die Zellen werden in diesen Partien protoplasmareicher,
die Kerne treten in Folge dessen mehr auseinander und sind nun nicht
mehr länglich, sondern rundlich, bläschenförmig und rücken in die
Mitte der Zellen; die einzelnen Zellen selbst nehmen unregelmässige,
flascbenförraige bis polyedrische Form an, mit einem Worte, es be¬
ginnen die Gallengangsepithelien den Typus von Leberzellen nach¬
zuahmen. Wir haben es sonach mit Leberzellenneubildung an den Enden
von Gallengangssprossen zuthun, wie das zuerst von Ä7e&»(1869), dann
Meder '), Stroebe 2 ) u. A. beschrieben wurde. An keiner Stelle ist jedoch
diese Umbildung eine so vollständige, dass man ein einzelnes daraus
resultirendes Zellindividuum direct als Leberzelle ansprechen könnte.
Häufig war nun der bemerkenswerthe Befund zu erbeben, dass gerade
diese in Umwandlung begriffenen Zellen gleichfalls der Nekrose erlagen,
und es fanden sich sehr prägnante Bilder, an denen man die Nekrose
dieser Elemente an einzelnen, inmitten einer Gruppe ganz wohlerhaltener
Zellen erkennt. Es finden sich nämlich Gallengangsquerschnitte, in
denen die Epithelzellen zum Theil noch wohl erhalten sind, zum
Theil schon schlechte Kerntarbung zeigen, während einige Zellen
schon ganz nekrotisch sind (Fig. 2). Man könnte im Hinblick auf diese
Befunde geradezu behaupten, dass die in diesem Differenzirungs- oder
ßeifungsvorgange am weitesten vorgeschrittenen Zellen, also solche,
die ihren Charakter als Gallengangsepithelien schon fast vollständig
verloren haben und sich dem der Leberzellen am meisten nähern,
immer arn ausgeprägtesten die Veränderungen der Nekrose aufweisen.
Als ein Ausdruck der Eeifung zu Leberzellen solcher protoplasmareich
gewordener Gallengangsepithelien wäre vielleicht auch der Umstand
aufzufassen, dass gerade in diesen Zellen vielfach das Auftreten von
grossen Fetttropfen zu beobachten ist, wie insbesondere die Osmium¬
präparate lehren (Fig. 3), so dass also die Zellen von einem gewissen
Differenzirungsstadium an der Fettinfiltration lähig wären. Dieselbe Er¬
scheinung beschreibt Marchand 3 ), der in den jungen Gallengängen
kein Fett, jedoch, besonders in den angeschwolleuen Enden der Schläuche,
an denen die Zellen schon eine den Leberzellen ähnliche Form zeigen,
reichliche Fettvacuolen vorfand.
Man könnte sich das Vorkommen des Fettes in den beiden
verschiedenen Formen: in feinsten und iu groben Tropfen, vielleicht
1 ) Meder E. y Ziegler’s Beiträge. Bd. XVII.
2 ) Siroebe TV. t Ziegler’s Beiträge. Bd. XXI.
3 ) Marchand F., Ziegler’s Beiträge. Bd. XVII.
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Dr. L. Adler.
in folgender Weise erklären: Die feinsten Tröpfchen, die wir allent¬
halben im nekrotischen Gewebe (Parenchym und Zwischengewebe)
gleich massig finden, sind später entstanden, erst nach dem Auf¬
treten der Nekrose, und entsprechen jener Periode der regressiven
Metamorphose, welche den ßesorptiousvorgang einleitet: die grösseren
Tropfen gehören einer früheren Periode an, in welcher die Leberzellen,
noch vital functionirend, der Fettinfiltration fähig waren. Der Vorgang
spielte sich dabei sowohl in Leberzellen selbst als auch in ihren au?
Gallengangsepithelien sich herausdifferenzirenden Vorstufen ab. Ein
Theil dieser grossen Tropfen könnte aber auch später, vielleicht durch
Confluenz kleinster Tropfen, entstanden, also gleichfalls als Theiler-
scheinung der Nekrose aufzufassen sein.
Aii Schnitten, die den bei der makroskopischen Beschreibung
erwähnten, strueturlosen, homogen aussehenden, graublassen Leber¬
partien entnommen sind, findet sich mächtiges, kernarmes, an manchen
Stellen ungemein derbfaseriges Bindegewebe, in welches reichlich ein¬
fache oder verzweigte Quer- und Schiefschnitte junger Gallengänge
eingelagert sind, die in ihren morphologischen Eigenschaften mit den
oben beschriebenen übereinstimmen. Ausserdem aber finden sich in
diesen Partien, und zwar in jenen Abschnitten, in denen das Binde¬
gewebe ganz besonders mächtig entwickelt ist und ganz die Charaktere
eines alten Narbengewebes zeigt, reichlich Convolute von Gallengängen,
die, theils quer, theils schief geschnitten, durch bindegewebige Septa
von einander geschieden, fast das Bild von Gallengangsadenoinen geben
(Fig. 1). Bei stärkerer Vergrösserung zeigt es sich, dass in dieser
letzteren Art von Gallengängen die Epithelien regelmässig cylindrisch
sind und nirgends eine den oben erwähnten Uebergangsformen ähn¬
liche Gestalt zeigen. Das Protoplasma färbt sich nur ganz blass mit
Eosin und die Kerne stehen im basalen Antheil der Zellen. Zeichen
der Degeneration oder Nekrose sind hier nirgends zu sehen, die Epi¬
thelien sind alle wohlerhalten und zeigen gute Kernfärbuug. Auch
Fettvaeuolen sind in ihnen nicht wahrzunehmen, nur aus osmirten
Schnitten ergibt sich, dass diese Gallengangsepithelien Fett, und zwar
ausschliesslich in Form von kleinsten, nur bei starker Vergrösserung
sichtbaren Tröpfchen enthalten.
Von Leberzellen ist in diesen Partien der Leber keine Spur zu
erkennen, auch nicht in Form der bei den anderen Leberabschnitten
beschriebenen nekrotischen, scholligen Reste.
Die Milz bot mikroskopisch das Bild eines hyperplastischen Milz¬
tumors, die Nieren zeigten die Veränderungen schwerer parenchyma¬
töser und fettiger Degeneration.
i., Go gle
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Heber einen Pall von gelber Leberatrophie mit ungewöhnlichem Verlauf. 207
Das Ergebniss der bacteriologisehen Untersuchung blieb in allen
drei Organen negativ.
Nach dem histologischen Bilde stellt sich also dieser Fall dar
als ein solcher von gelber Leberatrophie mit Heilungstendenz durch
Bildung von jungen Gallengängen und Bindegewebswucherung.
Von dem geläufigen Bilde unterscheidet er sich dadurch, dass
der mikroskopische Befund nebeneinander die Merkmale eines frischen
destructiven Processes und die Residuen eines vor längerer Zeit ab¬
gelaufenen ergab. Wir finden ja in der Leber neben Regenerationen
frische Nekrosen, neben jungem kernreichen auch zweifellos älteres
Bindegewebe.
Für die richtige Beurtheilung dieser Bilder gibt uns die Kranken¬
geschichte werthvolle Aufschlüsse. Der Zusammenhalt der klinischen
und der pathologisch-anatomischen Befunde gestattet vielleicht folgende
Vorstellung des Krankheitsablaufes:
Der durch eine unbekannte Noxe verursachte destructive Process
hat vor längerer Zeit, wahrscheinlich mit dem ersten Auftreten des
Ikterus, unter katarrhalischen Erscheinungen — am 1. Februar — be¬
gonnen, danach trat eine Zeit der Remission oder des Stillstandes ein,
in der vielleicht noch ein zweiter Anfall erfolgte, nach mehreren
Wochen — am 1. April — setzte wieder ein Nachschub ein, dem
die Patientin schliesslich erlag.
Suchen wir nun mit diesem Verlauf' in Etappen den mikro¬
skopischen Befund in Einklang zu bringen, so ergibt sich vor Allem
die Frage, was mit den Leberzellen vorgegangen ist. Von den ursprüng¬
lichen Leberzellen, i. e. von denen des vor der Erkrankung bestan¬
denen Parenchyms ist überhaupt nichts mehr vorhanden, vielmehr
scheinen alle Reste des im ersten Anfalle etwa erhalten gebliebenen
Parenchyms, sowie damals vielleicht neu entstandene Leberzellen im
weiteren Verlaufe der Krankheit zugrundegegangen zu sein.
In der ersten Periode der Erkrankung war es neben der all¬
gemeinen Zerstörung der vorhandenen Leberzellen zur Neubildung
von solchen gekommen; die Reste dieser neugebildeten Zellen sind
zum Theil die erwähnten Gebilde innerhalb des Acinusareales. In
letzter Zeit sind nur mehr die Leberzellenvorstadien zur Ausbildung
gekommen, ohne zu fertigen Leberzellen auszureifen, und auch diese
erlagen, förmlich in statu nascendi, der die gelbe Leberatrophie ver¬
ursachenden Noxe. Dem ersten Anfalle entsprächen offenbar die
mächtigen, derbfaserigen Bindegewebspartien, die ja deutlich vor
längerer Zeit entstanden sind, wahrscheinlich die adenomähnlichen
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Dr. L. Adler.
Wucherungen der Gallengänge und vielleicht auch ein Theil der
kleinen, neugebildeten Gallengänge, besonders diejenigen, welche
Veränderungen nekrotischer Art aufweisen, die durch ein neuerliches
Einsetzen der Krankheit verursacht sind. Dieser späteren Erkrankungs¬
periode entsprächen jene nekrotischen Partien, welche als regressive Meta¬
morphose jener Leberantheile zu deuten wären, die nach dem ersten
Anfalle noch erhalten waren oder erst nach dem Einsetzen der Er¬
krankung neugebildet wurden: regenerativ gewucherte Gallengänge und
Leberzellen; dieser Periode gehören wohl auch die beschriebenen jüngst
gebildeten Gallengänge an. (Nach Mcder’s und anderer Autoren Beob¬
achtungen kann sich ausgiebige Gallengangsproliferation schon circa
am vierten Tage der Krankheit einstellen.)
Für den ganzen Krankheitsproeess, vom Auftreten der ersten
gastrischen Symptome an, ergibt sich eine Dauer von über zehn Wochen.
Bei der enormen regenerativen Proliferationsfähigkeit des Leberparen¬
chyms war somit reichlich Gelegenheit zum Wiederaufbau des Organs
gegeben. Das erklärt uns auch, warum die Leber — trotz der »gelben
Atrophie« — scheinbar nicht verkleinert war. Erst wenn das Neu¬
gebildete und nunmehr Nekrosirende auch zur Resorption gekommen
wäre, hätte die Patientin eine (zweite) Leberverkleinerung erlebt.
Fälle von Leberatrophie mit so langsamem Verlaufe kommen
selten zur Beobachtung. Es sollen im Folgenden aus der Literatur
(der letzten 30 Jahre) diejenigen Fälle angeführt werden, bei denen
die klinische Diagnose »gelbe Leberatrophie« durch Obduction sicher-
gestellt wurde.
Waldet/er *) beschreibt einen Fall von 39tägiger Dauer. Eppinger 2 )
berichtet über einen Fall, bei dem nach sechswöchentlichem katar¬
rhalischen Ikterus intensive typhöse Erscheinungen auftraten, und der
Kranke in typhösem Zustande zugrunde ging.
Hlaoa* ) theilt einen Fall von »chronischer gelber Leberatrophie«
mit, der 44 Tage dauerte. Die Leber zeigte »gelbe und rothe Stellen,
Reste von Leberzellen und Reparationserscheinungen«.
Hielier gehört auch ein Fall von Stroebe x ) (Dauer über vier
Wochen), Mac Phedran und Macall tan' 0 ) (33 Tage) und Ali Beg
Ibrahim 6 ) (zehn Wochen).
') I Valdeyer, Virchow's Archiv. 1878, Bd. XLIII.
■) Eppinger, Prager Vierteljahrsschrift. 1875, Bd. CXXV.
3 ) Hlava, Prager medicinische Wochenschrift. 1882, VII, Nr. 31 32.
4 ) Siehe Anmerkung 3.
•’’) Mac Phedran und Macallum, British Med. Journal. 1894, Februar 10.
®) Mi lieg Ibrahim, Münchener medicinische Wochenschrift. 1901, Nr. 20.
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Ueber einen Fall von gelber Leberatrophie mit ungewöhnlichem Verlauf. 209
Marchand l ) beschreibt einen Fall, der in seinem Verlauf Aehn-
liebkeit mit dem hier beschriebenen zeigt. Es handelt sich um »einen
länger bestehenden Krankheitsprocess, dessen Anfang möglicherweise
auf die ein halbes Jahr vor dem Tode stattgehabte, mit Ikterus ver¬
bundene Erkrankung zurückzuführen ist«. »Es ist nicht unwahr¬
scheinlich, dass die angeblich ein halbes Jahr vor dem Tode statt¬
gehabte Erkrankung an Ikterus den Anfang des Processes bezeichnete,
dass dann eine Remission oder ein Stillstand eintrat, während dessen
Regenerationserscheinungen Zeit hatten, sich zu entwickeln, dann
wieder Verschlimmerung aus unbekannten Ursachen.«
Auch ein Fall von Klebs 2 ) gehört hieher: »Ein circa 30jähriger
Mann, seit mehreren Jahren leidend, hat wiederholt leichte Ikterus-
anfalle und Zustände, die mehr psychischen Störungen glichen.«
»Anatomisch« bot der Fall »vollständig das Bild einer typischen
acuten rothen Leberatrophie, während der Verlauf auf eine chronische,
vielleicht in wiederholten Nachschüben auftretende Krankheit hinwies.«
Endlich sind zu erwähnen ein Fall von Schickhardt 3 ), der fünf
bis sechs Monate dauerte, nach längerem Leiden eine Besserung, dann
wieder Verschlimmerung zeigte, und ein Fall von v.Kahlden •) (3'/ 2 Mo¬
nate mit Ausgang in Cirrhose).
Der uns vorliegende Fall ist aber noch in anderer Hinsicht
bemerkenswert!!, nämlich wegen der Art der Regenerationserschei¬
nungen.
Fast in allen beobachteten Fällen finden sich Angaben über
Regenerationserscheinungen, die in Neubildung von Gallengängen und
Leberzellen bestehen, und zwar sollen die jungen Leberzellen von den
alten erhaltenen aus durch Theilung entstehen oder aus den Epi-
thelien der neugebildeten Gallengänge durch Umwandlung in Leber¬
zellen.
Nur in dem Fall von Mac Phedran und Macallum h ) heisst es:
»Neun Zehntel der Bilder zeigten keine einzige Leberzelle«, und bei
Mi Bey Ibrahim 6 ): es finden sich nur Ȋusserst wenig regenerirte
und wenig erhaltene Leberzellen«.
In dem von uns beobachteten Falle war trotz aufmerksamster
Durchsicht sämmtlicher Schnitte keine einzige, mit Sicherheit als »alte«
: ) Siehe Marchand F., Ziegler s Beiträge. Bd. XIII.
-) Klebt W., Allgemeine Pathologie. II, 1889.
3 ) Schickhardt, Münchener medicinisehe Wochenschrift. 1889, Nr. 44.
4 ) r. Kahl den, Münchener medicinisehe Wochenschrift. 1897, Nr. 40.
5 ) Siehe Anmerkung 5 auf vorhergehender Seite.
®) Siehe Anmerkung 6 auf vorhergehender Seite.
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Dr. L. Adler.
anzusprechende Leberzelle zu finden, ebensowenig intacte regenerirte
Leberzellen. Nach dem ersten Anfalle mag eine Regeneration von
Leberzellen auf beide Arten erfolgt sein; für die letzte Periode unseres
Falles ist es aber, eben in Hinblick auf das völlige Fehlen von Leber¬
zellen in den Präparaten, als höchst unwahrscheinlich zu bezeichnen,
dass eine Regeneration der ersten Art — Leberzellen aus Leberzellen
— stattgefunden hat.
Die Möglichkeit einer regenerativen Leberzellenbildung aus Gallen-
gangsepithelien ist gegeben, nachdem eine ausgiebige Neubildung von
jungen Gallengängen stattgefunden hat. Da wir aber überhaupt keine
einzige intacte Leberzelle fanden, so müssen wir annehmen, dass wohl
die Umwandlung der Gallengangsepithelien in Leberzellen eingeleitet
war, — es finden sich ja Zellforraen, an denen deutlich verschiedene
Reifungsgrade in diesem Sinne erkennbar sind, es muss jedoch als
fraglich bezeichnet werden, ob dieser Umwandlungsprocess zu Ende
gediehen ist; es scheint vielmehr zu einer völligen Umbildung meist
nicht gekommen zu sein, sondern, noch ehe die Zellen heranreifen
konnten, verfielen sie dem Untergang. Nur vereinzelt mag es auf diese
, Weise zur thatsächlichen Leberzellenneubildung gekommen sein. Aber
auch solche Leberzellenexemplare verfielen knapp nach ihrer Bildung
der Nekrose.
Es scheint sich hiebei eigentümlicherweise um eine Schädigung
durch eine Noxe zu handeln, die nur auf die Leberzellen, nicht aber
auf die Gallengangsepithelien zerstörend einwirkt, und diese letzteren
verlieren ihre Fähigkeit, diesem Virus zu widerstehen, sobald sie aus
ihrem Proliferationsstadium sich dem Ruhezustände — dem der Aus¬
reifung — der Umbildung zu Leberzellen nähern.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, Herrn Hofrath Prof. Weichsel¬
baum für die Ueberlassung des Falles und die Durchsicht dieser
Arbeit, Herrn Docenten Dr. Stoerk für seine Unterstützung bei ihrer
Abfassung meinen Dank auszusprechen.
Tafelerklärung.
Fig. 1. In der oberen Bildbälfte in der Mitte ein nekrotischer Acinus, dessen
Centruin kernarm, homogen aussieht; in seiner Peripherie junges, kernreiches Binde¬
gewebe mit zahlreichen polymorphen, jungen Gallengangsanlagen. Die untere Bild¬
hälfte eingenommen von mächtigen, derbfaserigen Bindegewebszügen, in diese ein¬
gebettet (quer durch das Bild verlaufend) adenomartig gewucherte Gallengänge mit
typischem Gallengangsepithel. (Fixirung: -1/üWer-Form., Färbung: Hämalaun-Eosin,
85fache Vergrösserung.)
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Ueber einen Fall von gelber Leberatropliie mit ungewöhnlichem Verlauf. 211
Fig. 2. Neugebildeter Gallengang, a) Fettfreie Zellen, b) Zellen, die Ueber-
gangsform zu Leberzellen zeigen und reichlich Fett enthalten. (Fixirung: Altmann's
Oaminmgemisch, Färbung: Lithioncarmin, Immersion V 12 )
Fig. 3. Neugebildeter Gallengang in regressiver Metamorphose, a) Zelle mit
wohlerhaltenem Kern, b) schechtere Eernfärbung, c) ganz undeutliche Eemfärbung,
d) nekrotischer Zerfall, Eern nicht mehr wahrnehmbar, e und d Gailengangsepithel-
zellen mit leberzellenähnlicher Form. (Fixirung: Müller- Form., Färbung: Hämalaun-
Eosin. Immersion V , 2 *)
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(Ans der Prosektnr der k. k. Krankenanstalt Rndolfstiftnng in Wien
[Vorstand: Prof. R. PaltanfJ.)
Zur Kenntnis der durch Cytotoxine im Tierkörper erzeug¬
ten Veränderungen.
Von
Dr. Oskar Czeczowiczka.
(Hierzu Tafel XVI und XVII.)
Die Mitteilung der folgenden Untersuchungen möge, einen Bei¬
trag zur Kenntnis der durch hämolytische Sera, Cytotoxine und
Bakterientoxine im Tierkörper hervorgerufenen Veränderungen dar¬
stellen, die ja im allgemeinen noch wenig studiert sind. Bei der Ob¬
duktion von Tieren, welche mit derartigen Giften behandelt worden
sind, fallen nämlich vor allem beträchtliche Verfettungen der Organe
auf, weshalb dieselben einer genaueren histologischen Betrachtung
unterzogen wurden.
Zur Untersuchung gelangten die Organe von Hunden, denen
ein Immunhämolysin (Serum eines mit Hundeblut vorbehandelten
Kaninchens) subkutan injiziert worden war, und von Kaninchen, die
mit hämolytisch wirkendem Ziegenserum oder mit Hundeblutkörperchen,
Ziegenmilch oder einem Bakteriohämolysin (Staphylolysin) behandelt
wurden. Die Tiere wurden entweder bereits ein bis drei Tage nach
der Injektion oder erst nach längerer Zeit untersucht. Zum Vergleiche
dienten die Organe gesunder oder im Verlauf anderer Versuche ein¬
gegangener Tiere.
Tiere, bei welchen es im Anschlüsse an die Injektion zur Ab-
scedierung gekommen war oder deren Sektion Erkrankungen ergab,
die mit dem Eingriffe in keinerlei Beziehung standen, wurden nicht
berücksichtigt.
Die Gesamtzahl der verarbeiteten Fälle betrug gegen 80.
Insofern die Tiere nicht spontan eingingen, wurden sie durch
Entbluten getötet.
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ZurKenntnis d. durch Cytotoxine im Tierkörper erzeugten Veränderungen. 213
Die Organstückchen wurden sowohl frisch untersucht als auch
in Müllerschev Flüssigkeit, in Müller-Formolmiscbung (3:1), oder
dünner (2—4%iger) Formollösung konserviert. Entsprechend der Ab¬
sicht, Verfettungen zu studieren, gelangte vornehmlich die Gefrier-
raethode, und zwar sowohl an frischen als auch an in den obigen Flüssig¬
keiten filierten Stückchen behufs Fettfärbung zur Anwendung und
wurden weiters oft Müller-Präparate nach Marchi behandelt. Außerdem
wurde auch öfters nach den gewöhnlichen histologischen Methoden
in Celloidin und Paraffin eingebettet.
I.
Untersuchung der Organe von Hunden, welchen ein Hunde¬
blutkörperchen lösendes Kaninchenimmunserum injiziert
worden war.
Es gelangten sechs solche Hunde zur Untersuchung und sollen
die hierbei erhobenen Befunde, soweit sie für die einschlägigen Fragen
von Bedeutung sind, im folgenden gemeinsam besprochen werden; das
Krankheitsbild, das diese Tiere darboten, sowie die anatomischen Ver¬
änderungen, die hierbei zu beobachten sind, wurden von anderer Seite
eingehend studiert und mitgeteilt. 1 )
Zur mikroskopischen Untersuchung gelangten: Leber, Milz, Lymph-
drüsen, Niere, Herz, Lunge, Schilddrüse und das Fettgewebe.
Bei histologischer Untersuchung der Leber fiel vor allem eine
sehr beträchtliche Gallenstauung auf, ferner fanden sich vereinzelt
kleinste nekrotische Herde. Diese Veränderungen sollen im folgenden
nicht weiter berücksichtigt werden.
An Gefrierschnitten der Leber, die mit Sudan III 2 ) gefärbt und mit
Hämatoxylin nachgelarbt wurden, sieht man innerhalb der Leberzellen,
deren Kerne fast stets gut färbbar sind, sehr reichliche größere und
kleinere, leuchtend rot gefärbte Fettropfen, die innerhalb des Acinus
keine bestimmte Anordnung zeigen, wenn auch die größeren Fett¬
tropfen im allgemeinen mehr in der Peripherie des Acinus gelegen
sind. Außerdem sieht man im Lumen der weiten Leberkapillaren zahl¬
reiche, dieselben meist ganz ausfiillende große Fettropfen. Auch manche
der die Leberkapillaren auskleidenden Endothelzellen (v. Kupfferscfoe
Sternzellen) enthalten reichlich größere und kleinere Tröpfchen, von
denen auch ihre Ausläufer bisweilen vollständig erfüllt erscheinen.
’) Vgl. Krau» und Stemberg, Zentralblatt für Bakteriologie, Bd. XXXII, S. 903.
5 ) Benützt wurde stets eine 70°, ll ige warm gesättigte, alkoholische Lösung
von Sudan III.
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214
Dr. Oskar Czeczowiczka.
Die Gallengangepithelien zeigen Fettröpfchen in ihren basalen An¬
teilen. Nach Alkoholätherbehandlung war eine Sudanfärbung der
Präparate nicht mehr möglich.
Da sich im Laufe dieser Untersuchungen ergeben hatte, daß
man auch mit Methylviolett Fett in distinkter Weise und intensiv
färben kann, so wurden auch damit aus unfixiertem und in den früher
genannten Flüssigkeiten fixiertem Material angefertigte Gefrierschnitte
gefärbt und nahm dabei tatsächlich sämtliches Leberfett eine tief¬
dunkelblaue Färbung an, welche selbst bei zwölfstündiger Entfärbung
in 5%iger Essigsäure und nachfolgendem Glyzerineinschluß nicht ver¬
schwand. Zum Beweise, daß die unten beschriebene Methylviolettfärbung')
dem Fett zukommt, glaube ich hier erwähnen zu müssen, daß nor¬
males unfixiertes, sowie in Müller oder Formol fixiertes Knochen¬
marksfett aus den langen Röhrenknochen des Kaninchens, ferner auch
Nieren- und Nebennierenfett des Hundes, auf welche sich die dies¬
bezüglichen Untersuchungen ausdehnten, mit Methylviolett tiefblau
gefärbt blieben, während das umgebende Gewebe fast völlig ent¬
färbt war. Auch durch alkoholische Fuchsinlösung wurde in Formol
fixiertes Leberfett des Hundes hellrot gefärbt. Über die Färbbarkeit
gewisser fettartiger Körnchen in Kaninchenorganen durch Methylviolett
wird weiter unten berichtet werden.
Um die Identität der durch Methyl violett und Sudan III gefärbten
Tropfen und Tröpfchen der Hundeleber zu erweisen, wurde ferner an
Gefrierschnitten derselben nach Vornahme der ersteren Färbung mit
Sudan nachgelärbt und umgekehrt. Das Resultat dieser Versuche war,
daß in beiden Fällen nirgends isolierte Sudanfärbung zu sehen war, viel¬
mehr sämtliche Fettröpfchen und Tropfen dunkelblaurot sich darstellten.
l ) Diese Färbung wird mit konzentrierter Methylviolettlösung vorgenommen.
Käufliches Methylviolett (Grübler, Leipzig) wird in Wasser gelöst und hierbei der
Farbstoff im Überschüsse zugesetzt, welcher hierauf durch Zusatz einiger Tropfen
95%igen Alkohols gelöst wird. Es ist am besten, die Farblösung stets vor
dem Gebrauche auf diese einfache Weise frisch zu bereiten. Man filtriert nun und
färbt fünf bis zehn Minuten lang, wobei der Schnitt schwarzblau wird; hierauf
wird in 1—5°/ 0 iger Essigsäure so lange entfärbt, bis der Schnitt zart hellblau ge¬
worden ist, da sich dann erst von dem hellblauen Grunde das tiefblaue Fett in
distinkter Weise abhebt. Hierauf erfolgt Einschluß in Glyzerin-Kochsalzlösung. Nur
in manchen Fällen erfolgte Diffusion des Farbstoffes in die letztere.
Bei Durchsicht der Literatur fand ich späterhin eine mir nur im Referate
zugängliche Arbeit. »Zur mikrochemischen Reaktion des normalen menschlichen
Fettgewebes« von Armin Steyerthal (Inauguraldissertation, Berlin 1888), in welcher
die Fettfärbbarkeit durch Methylviolett gleichfalls erwähnt wird, sowie auch, daß
andere basische Anilinfarben, wie Methylenblau, Bismarckbraun, Yesuvin, Gentiana-
violctt, Fuchsin und Malachitgrün, gehärtetes Fett gleichfalls färben.
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Zur Kenntnis d. durch Cj totoxine im Tierkörper erzeugten Veränderungen. 215
Die großen Fettropfen der Leber gaben ferner noch eine von
Benda 1 ) vor längerer Zeit publizierte Reaktion. Nach diesem Autor
sollen nämlich Fette, speziell an Oleinsäure reiche, sowie fettsaurer
Kalk die Fähigkeit haben, nach vorheriger mindestens 24stündiger
Fixierung in wenigstens 10%igem Formol in Lösungen essigsauren
Kupfers ein fettsaures Kupfersalz zu bilden, welches makro- und mikro¬
skopisch bläulichgrün ist. Die großen Fettropfen der Leber gaben nun
diese Reaktion.
Dasselbe Bild, wie es oben an Sudanpräparaten beschrieben
wurde, zeigten bezüglich der Anordnung des Leberfettes auch unge¬
färbte Gefrierschnitte und weiters auch mit voller Deutlichkeit Celloidin-
Marchi-Präparate (vgl. Fig. 1).
In der Milz war der Fettgehalt gering; nur einzelne Lympho-
eyten innerhalb der Malpighis chen Körperchen enthielten Fettkörnchen.
In den Pulpazellen fand sich reichlich Hämosiderin.
Eine große Lymphdrüse aus dem Mesenterium enthielt in sehr
großer Anzahl Lyraphocyten, deren Protoplasma mit feinen Tröpfchen,
ungefähr gleicher Größe, dicht erfüllt war, so daß diese Zellen so¬
genannten Fettkörnchenzellen sehr ähnlich waren. Dieselben fanden
sich spärlicher in Follikeln und Marksträngen, reichlich in den Lymph-
sinus. Hämosiderinablagerungen fanden sich in dieser Drüse nicht,
wohl aber in einem Lymphknötchen im subkutanen Fettgewebe.
Am Herzen bot sich makro- und mikroskopisch das Bild der
fettigen Degeneration meist ziemlich bedeutenden Grades.
Die Nieren, die beim Hunde schon normalerweise, speziell in
den Eenle sehen Schleifen, viel Fett enthalten, zeigten neben dem
Bilde geringer fettiger Degeneration keinen auffälligen Befund.
Zum Vergleiche wurden auch normale Hundeorgane untersucht;
dabei zeigte sieh, daß schon normalerweise, und zwar besonders die
Leber, Niere und mesenteriale Lymphdrüse oft recht bedeutende Fett¬
mengen, die Milz reichlich, die Leber spärlicher Hämosiderin enthalten. 2 )
Doch ist sowohl bezüglich des Fettgehaltes als des Eisenpigmentes
zu erwähnen, daß dieselben in den untersuchten Fällen, namentlich in
der Leber, in bedeutend größerer Menge vorhanden waren. Auch v. Platen 3 ),
') Virchows Archiv, Bd. CLXI, S. 194: Benda , Eine makro- und mikro¬
chemische Reaktion der Fettgewebsnekrose.
2 ) Vgl. Oppelt , »Vergleichende mikroskopische Anatomie der Wirbeltiere«.
Daselbst auch Literatur.
3 ) Virchows Archiv Bd. LXXIV, S. 268: v. Platen , Zur fettigen Degeneration
der Leber.
Zeitscbr. f. Heilk. 1903. Abt. f. path. Anat. u. verw. Disziplinen. 15
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Dr. Oskar Czeczowiezka.
Aach ') u. a. haben bis auf den Befund freier großer Fettropfen im
Lumen der Kapillaren den obigen Yerfettungsprozessen ähnliche Bilder
an der Hundeleber als entschieden pathologisch beschrieben.
II.
a) Kaninchen, mit Ziegenserum behandelt.
Gefrierschnitte verschiedener Ljmphdrüsen (axillare, inguinale
und mesenteriale aus der Radix mesenterii) zeigen — am stärksten
an den letztgenannten — folgenden Befund: Man sieht konstant (und
zwar meist schon bei schwacher Vergrößerung) in den Follikeln und
in der Marksubstanz an Größe wechselnde, im ungefärbten Gefrier¬
schnitt aus unfixiertem Material bereits deutlich gelbliche Zellhaufen,
die unregelmäßig begrenzt sind und bald mehr in den peripheren
Partien, bald mehr in der Mitte des Follikels, meist fleck- und
streifenweise verteilt, in verschiedener Anzahl sich vorfinden; die
starke Vergrößerung lehrt nun, daß die gelbe Färbung dieser Zell¬
haufen auch dort, wo sie fleckweise aufzutreten scheint, durch reich¬
liche gelbliche Körnchen und ebenso gefärbte sehr spärliche Tröpfchen
bedingt ist, welche, in Zellen eingelagert, dieselben dicht erfüllen.
Die Kerne dieser Zellen sind daneben deutlich färbbar und nicht ver¬
ändert; die Zellen selbst entsprechen teils vergrößerten Lymphocyten,
teils geschwollenen Endothelzellen. Die gelblichen Körnchen besitzen
etwa die Größe gewöhnlicher Leukocytengranula, die Tröpfchen sind
etwas größer. Essigsäurezusatz verändert diese Gebilde in keiner
Weise. Äther und absoluter Alkohol oder eine Mischung beider zu
gleichen Teilen bringen sie nicht zum Schwunde; vielmehr bleiben
die Körnchen in ihrem unveränderten Farbentone zurück. Die Eisen¬
reaktion fällt, sowohl nach Perls (Ferrocyankalium—salzsaurer Alkohol)
als auch nach Quincke (Schwefelammonium) geprüft, stets völlig
negativ aus. Jodbehandlung bleibt gleichfalls negativ. Behandelt man
jedoch die Präparate nach den Fettfärbungsmethoden, so zeigt sich
(Fig. 2), daß weitaus die meisten dieser Körnchen an Gefrierschnitten
sich mit Sudan III tiefscharlach- bis orangerot färben. Bei der
Durchsicht des Schnittes findet man diese Übergänge im Farbenton
sowie weiterhin Übergänge zu durch Sudan III ungefärbt gebliebenen
Körnchen, welche nur ihre gelbliche Eigenfarbe besitzen. In ver¬
schiedenen Fällen wechselt das Verhältnis in der Menge der mit
') Asch, Über die Ablagerung von Fett und Pigment in den Sternzellen der
Leber. (Inauguraldissertation. Bonn 1884, 34 S.) — Weitere Literatur bei Oppel,
Vergleichende mikroskopische Anatomie der Wirbeltiere.
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ZurKenntnis d. durch Cytotoiine im Tierkörper erzeugten Veränderungen. 217
Sudan III färbbaren und nicht färbbaren Körnchen recht bedeutend.
In mit Aether sulfur. durch 24 Stunden behandelten Schnitten lassen
sich nachträglich die Körnchen mit unveränderter Intensität durch
Sudan III färben. Werden durch Sudan III gefärbte Schnitte nach¬
träglich mit Aether sulfur. behandelt, so ergibt sich auch hier keine
Abnahme der mit Sudan III färbbaren Körnchen. Werden jedoch die
Gefrierschnitte mit einem Gemische von Äther und absolutem Alkohol
zu gleichen Teilen behandelt, so sind sämtliche Körnchen und Tröpf¬
chen durch Sudan III nicht mehr färbbar; man sieht nur an den¬
selben den ihnen eigenen, ursprünglichen, gelblichen Farbenton. Bei
Behandlung mit l%iger Osmiumsäure bekam ich in einem Falle
vollkommene Schwärzung der meisten, fast vollkommene der übrigen
dieser Gebilde, in manchen Fällen nur eine mehr oder weniger starke
Bräunung, in anderen auch keine Spur einer Osmiumreduktion,
letzteres auch in solchen mit intensiver Rotfärbung durch Sudan III.
An diesen Resultaten änderte auch die Nachbehandlung osmierter
Schnitte mit Alkohol, sowie die Erwärmung der Schnitte im Marchi-
schen Gemisch in dem Paraffinofen nichts. Auch bei vorheriger
Fixierung in Müllerschcr Flüssigkeit und nachfolgender Anwendung
des JfarcÄtschen Gemisches trat keine Schwärzung auf; endlich er¬
folgte in diesen Fällen eine solche auch nicht im Flemming-
schen Gemisch. Kurz zusammengefaßt, schwankt also die Reduzier¬
barkeit der Osmiumsäure durch diese Gebilde innerhalb weiter Grenzen
und ist meist negativ.
Es sei mir hier gestattet einzuschalten, daß die Lymphdrüsen
aus der Radix mesenterii eines an Lyssa eingegangenen, mit Cocci-
diose behafteten Kaninchens und einzelner anderer Kaninchen — aller¬
dings nur ausnahmsweise — in ihren Zellen, vorwiegend in der
Marksubstanz, ein Pigment enthielten, welches sich weder mit Osmium¬
säure noch mit Sudan III färbte; die Pigmentkörnchen waren gleich¬
falls bereits nativ gelblich gefärbt und unterschieden sich auch
sonst — mit Ausnahme eben dieser Nichtfärbbarkeit durch Fettfarb¬
stoffe — in keiner Weise von den bei Ziegenseruminjektionen und,
wie wir sehen werden, auch bei anderen Prozessen auftretenden. Es
wäre hier daran zu erinnern, daß Flemming ') in den Keimzentren
der Lymphdrüsen des Rindes und Kaninchens Zellen fand, die gelbe
bis braungelbe Pigmentkörner enthalten. Außerdem beschreibt er
auch Zellen, die mit feineren, untereinander ziemlich gleich großen
gentianophilen Körnchen gefüllt sind. Diese letztere Zellart findet
') Flemming, Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XXIV, S. 83ff.
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Dr. Oskar Czeczowiczka.
sich nach Flemming nicht bloß in den Keimzentren, sondern auch
anderwärts in den Lymphdrüsen verbreitet.
Jene Körnchen und Tröpfchen, von denen oben gesprochen
wurde und welche sich mit Sudan III färbten, nahmen auch nach
der von Michaelis *) angegebenen Methode (mit Scharlach R) intensiv
rote und nach dem von Herxheimer 2 ) angegebenen Verfahren (mit
Indophenol) tief dunkelblaue Farbe an, färbten sich also auch mit
zwei weiteren Fettfarbstoffen.
Während weder Hämatoxylin noch Eosin diese Gebilde zu
färben vermochten, bewirkte die Behandlung mit konzentrierter Methyl¬
violettlösung, nach der oben angegebenen Weise vorgenommen, eine
distinkte, intensiv dunkelblaue Färbung, welche selbst bei zwölf-
stündiger Entfärbung in 5%iger Essigsäure und nachfolgendem Ein¬
schluß in Glyzerin-Kochsalzlösung nicht verschwand.
Zu diesen Befunden sei noch binzugefügt, daß die Lymphdrüsen
aus der- Radix mesenterii, welche normalerweise beim Kaninchen
auf dem Durchschnitte eine weißliche Rinden- und eine hellgraue
Marksubstanz zeigen, in einigen der in Rede stehenden Fälle eine
dunklere Färbung der Marksubstanz makroskopisch aufwiesen und
daß in diesen Fällen auch der Gehalt an obigen Körnchen am
stärksten war.
Im übrigen ergab sich kein auffallender Befund an den
Lymphdrüsen; nur bisweilen waren die Lymphsinus erweitert.
An ungefärbten Gefrierschnitten der Leber zeigen sich die
Leberzellen in manchen Fällen spärlich, in anderen reichlicher, von
feinen Fettröpfchen durchsetzt. Ferner sieht man in einigen Fällen
einzelne runde und ovale, scharf begrenzte, etwa 30—80 p. breite und
bis doppelt so lange Flecken von schmutziggrauer bis gelblicher
Farbe im interlobulären Bindegewebe. Diese Herde werden von
ebenso gefärbten, massenhaften, dichtgedrängten Körnchen von der
Größe neutrophiler Leukoeytengranula und von weniger zahlreichen
Tröpfchen gebildet; die letzteren sind meist etwas größer und er¬
reichen bisweilen die Größe eines roten Blutkörperchens. Im Sudan¬
präparate färben sich Körnchen und Tröpfchen sehr intensiv rot, so
daß die Herde bei schwacher Vergrößerung, Zinnober- bis scharlach¬
rot gefärbt, gleich ins Auge fallen. Diese Anhäufungen von Körnchen
und Tröpfchen liegen, wie sich bei genauer Untersuchung nachweisen
') Dr. L. Michaeli», Deutsche medicinisehe Wochenschrift. 1901, Nr. 12,
S. 183.
•) Dr. O. Herxheimer, Über Fettfarbstoffe. DeutschemedizinischeWochenschrift.
1901, Nr. 36, S. 607.
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ZurKenntnis d. durch Cytotoxine imTierkörper erzeugten Veränderungen. 219
läßt, in präformierten Hohlränraen der interaeinösen Septen, die Lyraph-
räumen entsprechen dürften. Die Arterien, Venen und Gallengänge
des interlobulären Bindegewebes sowie auch die Leberblutkapillaren
sind von diesem Inhalte völlig frei. Derselbe gibt bei der Osmium¬
reaktion Bräunung und verhält sich auch sonst den in der Lymph-
drüse gefundenen, nativ bereits gelblichen Körnchen analog. Einzelne
Leberzellen oder Gruppen solcher sind bei Sudanfärbung mit leuchtend
roten Tröpfchen, die ungefähr die Größe roter Blutkörperchen haben,
angefüllt, wodurch in der Peripherie oder im Zentrum einzelner
Läppchen breitere und schmälere Streifen und fleckförmige Herde zu
stände kommen, welche sich von dem umgebenden, nur in geringem
Grade das Bild der fettigen Degeneration zeigenden Lebergewebe
deutlich absetzen.
Bei einem der untersuchten Tiere, bei welchem die Obduktion
als Nebenbefund eine Coccidiose ergab, fanden sich in der Peripherie
der Leberläppchen innerhalb der Leberzellen feine Körnchen, die im
ungefärbten Präparate gelblich gefärbt erschienen; sehr selten sah
man gelbliche Tröpfchen. Die Sudan- und Osmiumreaktion dieser
Körnchen blieb negativ und stehen auch diese daher in Analogie
mit dem bei der Lymphdrüse von einzelnen Fällen berichteten
Befunde. Die Kerne der Leberzellen waren stets gut färbbar.
An Stücken, die längere Zeit in 4%igem* Formalin gelegen
sind, sieht man mitunter schwärzlichbrauue Körnchen im Lumen der
größeren Blutgefäße zwischen den Blutkörperchen, ferner im inter¬
lobulären Bindegewebe zerstreut und innerhalb der Leberzellen; bis¬
weilen zeigen sie die Form von kleinen, schwärzlichen Halbringen
entlang dem Rande der roten Blutkörperchen. Die im Protoplasma
der Leberzellen gelegenen Körnchen liegen teils zerstreut, teils in
Gruppen beisammen. Außerdem sieht man innerhalb der Leberzelleu
kleine, schwärzlichbraune, sich überkreuzende Nadeln, welche in
runden hellen, durch Eosin ungefärbten, vakuolenähnlichen Lücken
gelegen sind. In Müller fixierte Objekte zeigen alle diese Gebilde nicht.
Dieselben dürften, wie später gezeigt werden soll, im Sinne von J Bromes
als Hämatin zu deuten sein, das unter dem Einflüsse des Formols
entstanden ist. Eisenpigment wurde in der Leber nicht gefunden.
In der Milz dieser Tiere findet sich viel Pigment. An mit
Sudan gefärbten Gefrierschnitten sieht man im Bereiche der Malpighi-
sehen Körperchen tiefrot sich färbende Körnchen. Im ungefärbten
Präparat zeigen dieselben eine graugelbliche Färbung; sie geben die¬
selben Reaktionen wie die mit Sudan sich färbenden Körnchen der
Lymphdrüse und Leber.
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Dr. Oskar Czeczowiczka.
Kombiniert man die Berlinerblaureaktion mit der Sudanfärbung,
so sieht man bei dieser schönen Kontrastfärbung zugleich den reich¬
lichen Gehalt der Pulpazellen an Hämosiderinkörnchen.
Gefrierschnitte der Nieren zeigten oft das Bild der fettigen De¬
generation in den gewundenen und geraden Harnkanälchen, sonst im
allgemeinen nichts Bemerkenswertes.
Auffallend war, daß in einzelnen Fällen nach Formolfixierung
der Inhalt zahlreicher, kleiner Gefäße der Marksubstanz, welcher die
zuerst von Stemberg *) als Formolartefakte beschriebenen Retraktions¬
erscheinungen zeigte, mit Sudan orange- bis scharlachrot gefärbt
war, so daß rote, von der Marksubstanz gegen die Rinde zu auf¬
steigende Streifen zu sehen waren; die Färbung war bald eine diffuse,
bald waren es feinste Körnchen oder kleinere und größere Tröpfchen
im Lumen der Gefäße. Mit Osmiumsäure schwärzte sich dieser Inhalt
nicht. Die meisten Gefäße hingegen zeigten ihren — wie ja auch
sonst nach Formolfixierung — gelblichen, erst in dickerer Schichte
schwachrötlichen Farbenton nicht merklich durch Sudan verändert.
Die Lunge dieser Kaninchen ergab im allgemeinen keinen
wesentlichen Befund; in einem Falle jedoch, in welchem ich 8 cm s
Ziegenserum intravenös injizierte, fanden sich bei der einige Stunden
später vorgenommenen Sektion in den Lungen einzelne weißliche
Herde von Stecknadelkopfgröße. Dieselben erwiesen sich im Schnitt¬
präparate als im wesentlichen aus Lymphocytenansammlungen be¬
stehend. Innerhalb dieser nun sieht man am ungefärbten Gefrier¬
schnitte meist zentral gelegene, etwa 40—80 p. breite und nur um
Weniges längere, runde, sehr scharf begrenzte Herde von schmutzig¬
gelblicher Farbe; diese liegen in präformierten Hohlräumen, Lymph-
räumen, und enthalten, aufs dichteste gedrängt, feinste Körnchen und
Tröpfchen, deren Reactionen mit denen der oben in Lymphdrüse,
Leber und Milz beschriebenen, nativ bereits gelblichen Gebilde überein-
stiramen. Auch im übrigen zeigen diese lymphoiden Anhäufungen die¬
selben Veränderungen, wie sie früher bei Besprechung der Lymph¬
drüse geschildert wurden: Auftreten zahlreicher, nativ bereits gelb¬
licher, mit Sudan färbbarer, mit Osmiumsäure sich nur bräunender
Körnchen von der Größe gewöhnlicher Leukocytengranula in den
Lymphocyten.
An Gefrierschnitten durch das Knochenmark erscheint dasselbe
überaus zellreich. In manchen Fällen finden sich, allenthalben im
! ) Dr. C. Stemberg , Zur Verwendung des Formalins in der histologischen
Technik. Zentralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 1899,
Bd. X, S. 236.
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Zur Kenntnis d. durch Cytotoxine im Tierkörper erzeugten Veränderungen. 221
Knochenmark verteilt, Zellen mit ovalem, deutlich färbbaren Kern,
die mit größeren und kleineren, sudanroten Tropfen vollgepfropft er¬
scheinen; diese Zellen sind meist unregelmäßig geformt, indem sie
zahlreiche Ausläufer aufweisen. In vielen Fällen ist das Knochenmark
lymphoid und fehlen die eben beschriebenen Fettzellen vollständig.
In den Knochenmarkzellen finden sich reichlich Kernteilungsfiguren.
b, c) Immunisierung von Kaninchen mit Hundeblut¬
körperchen und mit Milch.
Da sich bei diesen Tieren in den meisten Fällen die gleichen
Befunde ergaben wie bei jenen nach Ziegenserumbehandlung, so sei
hier kurz folgendes hervorgehoben:
Die früher beschriebenen, nativ bereits gelblichen Körnchen,
die Sudan- und Osmiumreaktion geben, fanden sich auch hier in den
Organen vor, und zwar bei den mit Hundeblutkörperchen behandelten
Kaninchen in der Milz und in den Lymphdrüsen, bei den mit Milch
behandelten außer in diesen Organen auch in der Leber.
Die oben beschriebenen schwärzlichbraunen, eckigen Körnchen
in durch Formol fixierten Lebern, sowie Eisenpigment wurden bei
diesen Tieren nicht gefunden.
Zu erwähnen ist ferner, daß in der Milzpulpa eines mit Hunde¬
blutkörperchen behandelten Kaninchens und in den Lungenkapillaren
eines mit Milch immunisierten Tieres sich einzelne Riesenzellen von
dem Charakter der Knochenmarksriesenzellen vorfanden.
d) Kaninchen, behandelt mit Stapbylotoxin.
Diese Tiere erhielten 04 —2 cm 3 dieses Giftes subkutan injiziert
und gingen meist zwei Tage nach der Injektion ein.
Die Lymphdrüsen ergaben im wesentlichen denselben Befund
wie in den früher mitgeteilten Fällen; nur bei einem Kaninchen, bei
welchem sich bei der Obduktion auch Coccidiose vorfand, zeigte eine
mesenteriale Lymphdrüse in ihrer Peripherie innerhalb der Lymph-
follikel auffallend große und reichliche Fettropfen, oft zu Gruppen
angeordnet, in deren Umgebung sich kleinere, in Zellen gelegene,
mit Sudan gleichfalls rot gefärbte Tröpfchen fanden. Die größeren
Tropfen gaben deutliche Osmiumschwärzung, die kleineren wurden
bei der Osmiurabehandlung nur braun. Es fanden sich auch in dieser
Lymphdrüse wie sonst kleine Körnchen, die im ungefärbten Präparate
gelblich erschienen und deutliche Sudanreaktion gaben und mit
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222
Dr. Oskar Czeczowiczka.
Osmium sich nur bräunten. Erwähnt sei noch, daß dieselbe Lyraph-
drüse zwei kleine knötchenförmige Herde einschloß, die peripher von
Granulationsgewebe gebildet wurden und central Detritus enthielten,
in welchem Kalkkrümel, größere und kleinere Fettropfen und Fett¬
säurenadeln eingeschlossen waren; in dem peripher gelegenen Granu¬
lationsgewebe fanden sich gleichfalls die geschilderten kleinen, nativ
bereits gelblichen Körnchen.
Die Leber zeigte im allgemeinen starke Verfettungen, indem
die Leberzellen oft reichlichste kleinere und größere Fettropfen ent¬
hielten. Daneben fanden sich auch in den Kupferschen Sternzellen
reichlich Fettröpfchen.
Die früher beschriebenen, nach Formolfixierung auftretenden,
schwärzlichbraunen, eckigen Körnchen konnten hier gleichfalls beob¬
achtet werden, und zwar öfters auch in Leukocyten eingeschlossen.
Ein auffallender Befund ergab sich bei zwei Kaninchen: Die¬
selben erhielten je 2 cm 3 Staphylokokkenbouillonfiltrat subkutan in¬
jiziert; eines der Tiere ging nach zwei, das andere nach acht
Tagen ein. Bei beiden wies die Leber an der Oberfläche und am
Durchschnitte sehr zahlreiche, etwa stecknadelkopfgroße, mitunter
auch konfluierende gelbweiße Herde auf. Dieselben liegen, wie die
histologische Untersuchung zeigt (Fig. 3), meist in den peripheren
Anteilen der Acini und weist das Lebergewebe daselbst zum Teil
keine Kernfärbung auf. Die Kapillaren zwischen den innerhalb dieser
nekrotischen Herde gelegenen verschmälerten Leberzellbalken sind
stark mit Leukocyten und Kernfragmenten angefüllt und enthalten
ein dichtes, nach Weigert gut darstellbares Fibrinnetz. Die Zentral¬
venen in der Nähe dieser Herde sowie in den interacinösen Septen
verlaufende größere Veneustännnchen sind bisweilen gleichfalls mit
Fibrin und dazwischen eingeschlossenen Leukocyten gefüllt, also throm-
bosiert und setzt sich das Fibrinnetz aus den größeren Gefäßen in
die Kapillaren der Herde direkt fort. Bei Sudanfärbung sind in den
beschriebenen Herden die Leberzelleu vollgepfropft mit kleinsten,
leuchtend rot gefärbten Körnchen und Tröpfchen, so daß sich diese
Herde sehr scharf von dem übrigen Gewebe abheben, welches nur
mäßige fettige Degeneration aufweist. Die beschriebenen Thromben
füllen die Blutgefäße nicht immer vollkommen aus; häufig sieht man
auch Kieseuzellen mit zahlreichen ovalen, meist in Haufen beisammen¬
stehenden Kernen mit deutlichem Kernkörperchen in den Kapillaren
und an der Wand größerer Venen. Im Protoplasma der Riesenzellen
finden sich einzelne Fettröpfchen. Ich glaube diese Rieseuzellen als
gewucherte Endothelwandzellen anseheu zu können, wie dies auch
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Zur Kenntnis d.durch Cytotoxine im Tierkörper erzeugten Veränderungen. 223
Lengemann l ) tut, welcher Riesenzellen, die mit den bei diesen Tieren
gefundenen anscheinend identisch sein dürften, auch bei anderen Pro¬
zessen abgebildet hat.
Mikroorganismen wurden innerhalb der Herde nicht aufgefunden.
Hämosiderinkörnchen fanden sich in den Lebern der Staphylo-
toxinkaninchen nicht. In einem Palle mit sehr ausgesprochener Hämo¬
siderinvermehrung der Milz fand sich makroskopisch nach Anstellung
der Schwefelammoniumreaktion eine hellgrüne Färbung des Schnittes:
mikroskopisch entsprach derselben eine diffuse hellgrüne Färbung der
in der Peripherie der Läppchen gelegenen Leberzellen.
Auch in den Fällen von Staphylotoxininjektion fand sich —
ebenso wie in den übrigen Fällen beim Kaninchen — niemals eine
auffallend starke Füllung der Gallenwege.
In der Milz dieser Tiere fand sich stark ausgesprochene Hämo-
siderose, im übrigen jene oben eingehend beschriebenen, nativ bereits
gelblichen, mit Sudan sich färbenden Körnchen in genau derselben
Anordnung innerhalb der Malpighisohm Körperchen.
Die Nieren zeigten das Bild der fettigen Degeneration, und
zwar etwas stärker in den Epithelien der -Henfescheu Schleifen als
in den gewundenen und geraden Harnkanälchen. Sonst boten dieselben
keinen auffälligen Befund.
In Knochenmarkschnitten fand sich auch hier nach mehrmaligen
Injektionen statt des Fettmarkes rein zelliges Mark.
In einem Falle, in welchem die Sektion nebenbei Coccidiose
ergab, fanden sich, streng an die Umgebung größerer Knochenmarks¬
venen gebunden, in Knochenmarkzellen eingeschlossen jene bereits
natürlicherweise gelblich gefärbten Körnchen vor.
Das Herz zeigt eine meist mäßige fettige Degeneration.
In den Lyraphdrüsen von Kaninchen, die nach Injektion von
Choleratoxin oder an Lyssa oder an Coccidiose eingegangen waren,
fanden sich gleichfalls jene gelben Körnchen, die in ihrer Form,
Lagerung sowie in ihrem tinktoriellen und mikrochemischen Ver¬
halten den früher beschriebenen (bei Kaninchen nach Ziegenserum¬
injektion) vollkommen glichen.
In den Lymphdrüsen normaler Kaninchen sind diese Körnchen
nicht nachweisbar; wie schon früher bemerkt, sind bisweilen — je¬
doch auch dann nur sehr spärlich — feine, im ungefärbten Präparate
ebenfalls gelblich erscheinende Körnchen innerhalb der Lymphocvten
zu sehen, die jedoch keine Fettreaktionen gaben.
’) Lubarsch, Zur Lehre von den Geschwülsten und Infektionskrankheiten
mit Beiträgen von Lengemann nud Rosatzin. Wiesbaden 1899.
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Dasselbe Verhalten zeigte in dieser Hinsicht die Milz normaler
Kaninchen. Dieselbe enthält wohl Eisenpigment, doch nie in solcher
Menge wie bei den Tieren nach Ziegenserum- und Staphylotoxin-
injektion. Riesenzellen fanden sich in ihr nie vor.
In den übrigen Organen normaler Kaninchen waren die oben
geschilderten Befunde nicht nachweisbar.
III.
Wenn wir nun die beschriebenen Veränderungen überblicken,
so ergibt sich als konstantester Befund neben mehr oder minder starker
fettiger Degeneration und Fettinfiltration das Auftreten jener mehrfach
erwähnten gelblichen Körnchen in den Lymphdrüsen, der Leber und
der Milz der Kaninchen, die in der angegebenen Weise behandelt
worden waren.
Diese Körnchen zeigten, noch einmal kurz zusammengefaßt, folgende
Eigenschaften: Sie hatten die Größe gewöhnlicher Leukocytengranula
und waren größtenteils durch Sudan III 1 ), Scharlach R, Indophenol
und Methylviolett deutlich färbbar, gaben mit Osmiumsäure Bräunung
bis Schwärzung. Weder in Äther noch in Ätheralkohol waren diese
Gebilde vollständig löslich. Bei Behandlung tait Äther änderten sie
sich in ihrem Verhalten zu den verschiedenen Fettfarbstoffen gar nicht;
nach Behandlung mit Ätheralkohol blieben gelblich gefärbte Körnchen
zurück, welche keinerlei Färbung mehr annahmeu.
Der kleinere Teil dieser Körnchen war mit den genannten Fett¬
farbstoffen nicht färbbar, glich aber in seinem übrigen morphologischen
Verhalten vollkommen den übrigen Körnchen. Während die die Fett¬
reaktionen gebenden Gebilde sich nur bei unseren Versuchstieren fanden,
konnten wir die anderen — allerdings nur spärlich — auch bei nor¬
malen Tieren nachweisen.
Was die Natur dieser Gebilde anbetrifft, so ist zunächst mit
Sicherheit auszuschließen, daß es sich um irgend welche direkt dem
Darme entstammende Produkte der Verdauung handelt, da in normalen,
während der Verdauung getöteten Kaninchen sich diese Körnchen nicht
fanden; auch um Lecithin kann es sich nicht handeln, da dieses nach
eingehenden Untersuchungen von JRosin und v. Fenyvessy-) sich mit
Sudan III nicht färbt; gegen Hämosiderin spricht der Mangel der
Eisenreaktion, gegen ein anderes Derivat des Blutfarbstoffes der meist
') Bezüglich der Auffassung von Sudan III als Fettreagens war, da eigene
Untersuchungen nicht angestellt wurden, die Literatur maßgebend.
5 ) Virchows Archiv. Bd. CLX1I, S. 634: Botin und v. Fenyvetty, Über das
Lipochrom der Nervenzellen.
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positive Ausfall der Fettreaktionen; mit jenem Lipochrom, dessen Fund¬
stätte das Zentralnervensystem ist, lassen sich die Körnchen nicht
identifizieren, da die meist unvollkommene, oft auch ganz fehlende
Keduktion durch Osmium dagegen spricht. Immerhin können wir sie
aber auf Grund ihres mikrochemischen und tinktoriellen Verhaltens
in die Gruppe der Lipochrome einreihen. Wenn die mitgeteilten Be¬
funde es auch nicht gestatten, in diesen Körnchen und Tröpfchen
eines der gewöhnlichen, im tierischen Organismus vorhandenen Fette
zu erblicken, könnte man sie vielleicht als eine Fetteiweißverbindung
betrachten.')
Bemerkenswert erscheint uns, daß die in Bede stehenden, die
Fettreaktionen gebenden Gebilde zahlreiche Übergänge zu jenen Körnchen
zeigten, die sich bisweilen bereits normalerweise in den Lymphdrüsen
des Kaninchens finden, sich morphologisch vollkommen gleich ver¬
halten, aber keine Fettreaktion geben. Es folgt hieraus, daß die frag¬
lichen Gebilde mit den eben erwähnten in Beziehung stehen dürften.
Flemming, der, wie schon erwähnt, vielleicht die gleichen Körnchen in
der normalen Kaninchenlymphdrüse gesehen hat, bezeichnet ihre physio¬
logische Bedeutung einstweilen als rätselhaft und spricht die Ver¬
mutung aus, daß man sie als Produkte des intracellulären Stoffwechsels
auffassen kann.
Inwieweit die Auffassung zu Recht besteht oder in den vorliegenden
Untersuchungen eine Stütze findet, indem man die beträchtliche Ver¬
mehrung dieser Körnchen und die Umwandlung in ein Lipochrom
als Ausdruck der Störung in dem Zelleben unter dem Einfluß gewisser
Schädlichkeiten betrachten könnte, mag einstweilen noch dahingestellt
bleiben; sicheren Aufschluß über die Natur und Entstehung dieser
Gebilde vermochten unsere Untersuchungen nicht zu erbringen. Die¬
selben zeigten jedoch, daß das Auftreten derselben eine ganz konstante
') In einer nach Abschluß dieser Arbeit erschienenen Mitteilung (Central¬
blatt für pathologische Anatomie, Bd. XIII, S. 881) berichtet Lubartck, daß das
braune Pigment der Herzmuskulatur, Leber, Niere, Nebenniere, Ganglienzellen etc.
bei Sudanfärbung leuchtend rot werde, und schließt daraus, daß alle diese Pigmente,
die er früher unter dein Namen »Abnutzungspiginente« zusammengefalit hat, fett¬
haltig seien, glaubt aber, sie nicht mit den Lipochromen identifizieren zu können. —
Während der Drucklegung dieser Arbeit erschien ferner eine Mitteilung Erdkeim*
(Zieglers Beiträge, Bd. XXXIII), in welcher derselbe berichtet, daß er ebenso wie andere
Autoren in den Epithelzellen der normalen Schilddrüse, Epithelkörperchen und
Hypophyse Körnchen fand, die im nativen Zustand gelbgrün waren, Fettreactionen
gaben und sich in Äther-Alkohol ohne Hinterlassung eines farbigen Rückstandes
lösten; durch letztere Eigenschaft unterscheiden diese sich wesentlich von den hier
geschilderten Gebilden.
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226
Dr. Oskar Czeczowiczka.
und eigenartige, keineswegs aber charakteristische oder spezifische
Wirkung der Cytotoxine darstellt.
Was die übrigen, im vorstehenden mitgeteilten Befunde anlangt,
so ist zu bemerken:
Die Veränderungen im Knochenmark der Kaninchen sind als
Ausdruck der Umwandlung des Fettmarkes in lymphoides Mark auf¬
zufassen.
Das reichliche Vorkommen von Hämosiderin in der Kaninchen-
railz nach Ziegenserum- und Staphylotoxininjektion, sowie in der Milz
und Leber des Hundes nach Hämolysininjektion ist wohl auf einen
lebhaften Erythrocytenzerfall zu beziehen.
Die schwärzlich-bräunlichen Körnchen und Streifchen und die
in vakuolenartigen Gebilden vorfindlichen ebenso gefärbten Nadeln,
welchebei Formolfixierung in der Kaninchenleber nach Ziegeuserum-
und nach Staphylotoxininjektion sich fanden und auch in einer Hunde¬
leber nach Hämolysininjektion beobachtet wurden, also stets nur nach In¬
jektion hämolytischer Gifte auftraten, sind, wie schon früher erwähnt,
wohl als dieselben Gebilde aufzufassen, welche Browicz *) in verschiede¬
nen, in Formol fixierten Objekten zuerst beschrieb und als Hämatin
deutete, welches durch Formoleinwirkung auf das innerhalb der Zellen
und Gewebe zur Zeit der Entnahme in gelöstem Zustande vorfindliche
Hämoglobin entstanden sei. Das reichliche Auftreten dieser Gebilde,
welches ich nur in den obigen drei Formen von Hämolyse fand, würde
die Annahme Browicz 1 bestätigen.
Die in zwei Fällen von subkutaner Staphylotoxininjektion beim
Kaninchen gefundenen multiplen Nekroseherde in der Leber sind
wohl nicht bakteriellen Ursprunges, da Mikroorganismen nicht nachzu¬
weisen waren; diese Herde finden vielmehr ihre Erklärung in den
kapillaren Thrombosen, die vielleicht auf dieselbe Weise zu stände
gekommen sein dürften, wie diesiWsser und Weehsberg 2 ) sowie Levaditi
bei den nach intravenöser Staphylotoxininjektion beobachteten Thromben
in Nierengefäßen annehmen (Wirkung des im Staphylotoxin enthaltenen
Leukocidins).
Was schließlich den Nachweis von Riesenzellen vom Aussehen
der Myeloplaxen anbetrifft, welche in der Kaninchenmilz bei Injektion
von Hundeblutkörperchen, in der Kanincheulunge bei Milchinjektion
sowie in der Hundeleber bei Hämolysininjektion gefunden wurden, so
wäre an jene Riesenzellerabolien zu erinnern, die von verschiedenen
’) Virchows Archiv, Bd. CLXII, S. 373 und a. a. 0. Browicz.
2 ) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. XXXVI, S. 299:
Neister und Wecktberg, Über das Staphylotoxin.
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ZiirKenntnis d. durchCytotoxine im Tierkörper erzeugten Veränderungen. 227
Autoren bei Reizungszuständen des Knochenmarkes beobachtet wurden
( Aschoff, Lengemann, Maximow, Lubarsch u. a. nach Parenchymzellen¬
injektionen).
Fassen wir die mitgeteilten Untersuchungen zusammen, so ergibt
sieh, daß unter dem Einflüsse der Hämolysine und anderer Cytotoxine
beträchtliche Verfettungen in den Organen der Versuchstiere zu stände
kommen und in dem lymphatischen Apparat des Kaninchens ein
Lipochrom in reichlicher Menge auftritt. Diese Veränderungen sind aber
für die besprochenen Prozesse nicht spezifisch, da sie sich, wenn auch
im geringeren Grade, bei anderen Erkrankungen nach weisen lassen.
Ein Teil der beobachteten Verfettungen entspricht dem gewohnten
Bilde der fettigen Degeneration; ob und inwieferne auch exogene
Fettbildung mitspielt, läßt sich aus diesen Befunden allein nicht ent¬
scheiden. Die Befunde beim Hunde, der oft reichliche Fettgehalt der
Kapillaren zeugen von dem stattfindenden Transporte von Fett. Gewiß
stimmen aber die Verfettungsprozesse mit unseren sonstigen patho¬
logisch-anatomischen Erfahrungen vielfach überein und dürften mit
der auch histologisch zum Ausdrucke kommenden Blutzerstörung in
Beziehung stehen.
Als direkte Folgen der letzteren sind die reichliche Ablagerung
von Hämosiderin, zum Teil auch die Gefäßthrombosen sowie die daraus
resultierenden Nekrosen aufzufassen.
Erklärung zur Tafel.
Fig. 1. Partie aus einem Leberläppchen eines nach Injektion von Immunhämolysin
eingegangenen Hundes. Celloidin-Marchi-Präparat, nachgefarbt mit Lithion-Karmin.
Vergröberung 1 : 215. a Leberzellbalken, mit feinen und feinsten Fettröpfchen erfüllt;
b Kapillaren mit auffallend zahlreichen Leukocyten (rote Kerne); c Erythrocyten;
d Hämosiderin in größeren und kleineren Ablagerungen; e große Fettropfen inner¬
halb der Leberkapillaren; / Fettropfen, anscheinend in A'rep^erschen Sternzellen
befindlieh.
Fig. 2. Partie aus einer Lymphdrüse der Badix mesenterii eines Kaninchens,
das mit Ziegenserum behandelt worden war. Gefrierschnitt. Sudan III-Hämalaun-
farbung. Vergrößerung 1 ; 90. a Lymphocytenkerne, blau; b Anhäufungen der
fettartigen, im nativen Zustande bereits gelblichen Körnchen, durch Sudan 111
glänzend rot bis mattgelblich gefärbt.
Fig. 3. Partie aus der Leber eines nach subkutaner Staphylotoxininjektion
eingegangenen Kaninchens. TFeiyer/sche Fibrinfärbung. Vergrößerung 1:160. Links
oben und rechts unten erhaltenes Leberparenchym. Dazwischen ein ziemlich scharf
abgesetzter Herd ohne die Struktur des Lebergewebes; die Blutgefäße des Herdes
enthalten ein dichtes Fibrinnetz (a). Es finden sich hier ferner massenhaft Leuko¬
cyten (b). (Kerne durch Lithion-Karmin rot.) Bei c ein größeres Blutgefäß, mit
Fibrin und eingeschlossenen Leukocyten erfüllt, von welchem aus sich die Fibrin¬
gerinnungen in die Kapillareu hinein fortsetzen.
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(Aus dem hygienischen Institute der Universität in Wien.)
Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
Von
Prof. A. Schattenfroh.
(Hierzu Tafel XVIII—XXI, 1 Oleate und 6 Tabellen im Texte.)
Anläßlich von Erhebungen, die ich vor einiger Zeit in einer
Grundwasserversorgungsanlage über amtlichen Auftrag pflog, konnte
ich eine Reihe von Erfahrungen sammeln, die mir für die Beurteilung
ähnlicher Verhältnisse nicht unwesentlich zu sein scheinen; ebenso
schien mir mancher der daselbst angestellten Versuche nach der techni¬
schen Seite hin bemerkenswert, so daß ich mich entschloß, die Einzel¬
heiten der Untersuchungen zu veröffentlichen.
Ich schicke eine kurze Beschreibung der seit mehreren Jahr¬
zehnten in Betrieb befindlichen Anlage voraus.
Dieselbe liegt in einem wenige Kilometer breiten Gebirgstale,
dicht an einem Flüßchen, im Inuudationsgebiete desselben, und umfaßt
acht zu verschiedenen Zeiten errichtete Kesselbrunnen, von welchen
sieben am rechten, einer am linken Ufer gelegen sind (siehe Tafel XVIII).
Von den einzelnen Brunnen, die durchwegs in lm starkem
Mauerwerke auf eisernen Brunnenkränzen aufgefilhrt und mit seitlichen
Schlitzrohren versehen sind, führen Saugleitungen zum Maschinenhause,
nur die Brunnen II und III sind durch einfache Gravitationsleitungen
mit dem Brunnen IV, der demnach flir sie als Sammelbrunnen dient,
verbunden.
Die lichte Weite des Brunnenkranzes beträgt bei den Brunnen
IV, V, VI, VII und VIII 6 m, bei den Brunnen II und III, die in
ungünstigerem Untergründe stehen, 8m; Brunnen I, der ergiebigste
unter allen, hat elliptischen Querschnitt mit einem Durchmesser von
8, beziehungsweise 6 m.
Die Entfernung der Sohle vom Terrain schwankt bei den ein¬
zelnen Brunnen zwischen 8 7 und 13 4 m, und zwar weist Brunnen II
die geringste, Brunnen I die größte Tiefe auf (siehe Tabellen).
Die maschinelle Anlage des Schöpfwerkes besteht aus drei Corn¬
walldampfkesseln und drei liegenden Woolfschen Dampfmaschinen mit
je zwei Paar doppelt wirkenden Saug- und Druckpumpen, die mit
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Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
229
einer normalen Tourenzahl von 18 pro Minute arbeiten. Die bei einer
Tour geschöpfte Wassermenge beträgt zirka 07 m*.
Der Boden, auf dem die Brunnen stehen, ist alluvialer, älterer
Schotter von ganz ungleichmäßiger Korngröße und stellenweise mit
großen Findlingen durchsetzt: an manchen Stellen ist derselbe durch
ein Bindemittel zu Konglomerat von verschiedener Mächtigkeit ver¬
dichtet. Die Humusdecke ist dünn.
Das Grundwasser im Bereiche des Schöpfwerkes zeigt, abhängig
von der Jahreszeit, der Wassermenge im Flusse und auch vom Betriebe,
einen wechselnden Stand. Doch sind die Schwankungen keine sehr
großen und liegt der Spiegel desselben, starkes Hochwasser ausge¬
nommen, stets beträchtlich tiefer als die Sohle des Flusses.
Außerordentlich variabel ist der Wasserstand im offenen Gerinne.
Während im Winter nicht selten das Bett trocken ist, kommt es im
Frühjahre zur Zeit der Scbneeschmelze, nach anhaltenden Regen¬
güssen, häufig zur Überschwemmung des Brunnenterritoriums. Hiervon
zeugen zahlreiche Hochwassergräben und tote Arme.
Stärkere Hochwässer verändern gelegentlich auch den Lauf des
Flusses.
Die Wasserraenge im Flusse wird noch dadurch beeinflußt, daß
oberhalb des Schöpfwerkes ein Werkskanal abzweigt, der bei Niederwasser,
und wenn die angeschlossenen Fabriken arbeiten, den weitaus größten
Teil des Wassers (zirka 4—5 Sekunden-Kubikmeter) vom Gerinne ab¬
leitet, bei dessen Abkehr anderseits die beim Wehre überfallende
Wassermenge beträchtlich vermehrt wird, so daß ein rasches An¬
steigen des Flusses erfolgt.
Die Aufgabe, die mir gestellt war, bestand nun darin, eine even¬
tuelle Kommunikation der Brunnen mit dem Flusse nachzuweisen. Es
war von um so größerer Wichtigkeit, dies zu entscheiden, als im
Oberlaufe Typhus, wenn auch nicht gerade in sehr ausgedehntem
Maße, endemisch und regelmäßig auftritt und die Regen- und Schmutz¬
wasserkanäle einer kleinen Stadt wenige Kilometer oberhalb des Schöpf¬
werkes in den Fluß einmünden.
Nach den Erfahrungen, die bisher über an Flüssen gelegene
Wasserwerke gesammelt sind, war eine Kommunikation zwischen dem
geschöpften Wasser und dem offenen Gerinne von vornherein nicht
unwahrscheinlich, indem fast alle Beobachter darin übereinstimraen,
daß bei solchen Anlagen wenigstens gelegentlich, zur Zeit des
Hochwassers z. B., ein Zusammenhang zwischen Brunnen- und Flu߬
wasser durch Ansteigen des Niveaus in den Brunnen, durch den
erhöhten Keimgehalt der letzteren und andere Momente sich kenn-
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230
Prof. A. Schattenfroh.
zeichne. Im vorliegenden Falle kam vor allem in Betracht, daß,
wie ich schon erwähnte, die Sohle des Flüßchens beträchtlich höher
liegt, als dem normalen Stande des Grundwassers entspricht. So
betrug die Differenz am 19. Oktober bei Brunnen II gemessen l’8»n,
etwas unterhalb des Brunnens I 198 m. Außerdem sind die seit¬
lichen Wandungen der Brunnen, wie ich gleichfalls schon hervorhob,
von Schlitzrohren durchbrochen, was für den Brunnen I z. B. die
Folge hat, daß statt aus einer Tiefe von 13‘43 m, wie sie der Brunnen¬
sohle entspricht, bereits Grundwasser, das nur 7 77 m vom Terrain
gelagert ist, in den Brunnen dringt.
Es waren also die Voraussetzungen für die Annahme eines Zu¬
sammenhanges zwischen Brunnen- und Flußwasser gegeben, wollte
man nicht etwa die Vermutung hegen, daß das Bett des Flüßchens
während seines Laufes durch das Territorium des Schöpfwerkes wasser¬
undurchlässig ist, was, da es sich im gegebenen Falle um einen nicht
regulierten Fluß handelt, der seinen Lauf nicht selten wechselt, von
vornherein gewiss wenig wahrscheinlich war.
Übrigens sprechen auch alle Beobachtungen der Literatur gegen
die Lehre vom dichten Flußbett.
Die angeregte Frage zur Entscheidung zu bringen, mußte ge¬
lingen, falls gleichzeitig mit dem Steigen des Wassers im Flusse ein
Steigen der Brunnen beobachtet werden konnte, vorausgesetzt, daß
sonstige Ursachen für das Ansteigen des Grundwassers nicht in Be¬
tracht kamen.
Zweifellos hätten gelegentliche Beobachtungen, wie sie sich seit
Beginn des Betriebes gewiß öfters ergaben, hier genügenden Auf¬
schluß geben können, doch standen mir Mitteilungen über solche
nicht zur Verfügung, so daß ich zum direkten Versuche greifen mußte.
Die Gelegenheit war insoferne besonders günstig, als durch Abkehr
des Werkskanales und Einleiten seines Wassers in den Fluß ein
»künstliches« Hochwasser — wenigstens hinsichtlich seines Einflusses
auf die Uferströmungen einem solchen zu vergleichen — jederzeit
leicht hergestellt werden konnte. Die Erhöhung des Wasserspiegels
erfolgte hierbei in kürzester Zeit und betrug bei Niederwasserstand
im Flusse zirka 40 cm; ebenso rasch sank, wenn die Wehrschleusen
wieder geschlossen wurden, das Niveau auf seine frühere Höhe. Mit
diesem Experimente war gegenüber einer zufälligen Beobachtung der
Vorteil verbunden, daß andere Einflüsse auf das Grundwasser aus¬
geschlossen werden konnten, und es war höchstens von vornherein
zweifelhaft, ob der Einfluß des mäßigen und kurzandauernden Hoch¬
wassers — die Kanalabkehr mußte aus äußeren Gründen auf sechs
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Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
231
Stunden beschränkt werden — ein genügender war, um in den Brunnen
gegebenenfalls sich geltend zu machen.
Ich habe vier derartige Versuche angestellt, und wurde der
Wasserstand sowohl in den Brunnen als auch in bis aufs Grundwasser
ausgehobenen Gruben beobachtet.
Die Messung der Grundwasserstände in letzteren und des Niveaus
im Flusse wurde durch Pegelablesung vorgenommen, die Höhe des
Wassers in den Brunnen mittels Schwimmermeßbandes direkt gemessen.
Stets wurden zumindest einen Tag vor der künstlichen Erhöhung
des Niveaus im Flusse die normalen Grundwasserverhältnisse durch
fortlaufende Beobachtungen festgestellt, um eine sichere Basis für die
Versuche zu gewinnen; aus demselben Grunde wurden die Messungen
auch am Tage nach der Abkehr des Kanales noch einige Zeit fortgesetzt.
In allen Versuchen konnte festgestellt werden, daß
das Niveau in den Gruben im gleichen Sinne wie das im
Flusse stieg und fiel, ebenso zeigten alle Brunnen, wenn
auch in sehr verschiedenem Ausmaße, den Einfluß des offenen
Gerinnes. Die Graphika (Tafel XIX, XX und XXI) illustrieren diese
Verhältnisse für drei Versuche. Aus denselben ist zu sehen, daß die
periodischen Niveauschwankungen in den am linken Ufer gelegenen
Gruben 1 und 7, ebenso in den am rechten Ufer ausgehobenen
.Schächten 13 und 14 sich besonders stark geltend machten, ebenso
ergibt sich daraus, daß vor allem der Brunnen I in empfindlicher
Weise auf die Schwankungen im Flußbett reagierte, während in
den Brunnen V, VI und VIII, die ebenso wie Brünnen VII in größerer
Entfernung vom Flusse gelegen sind, das Wasser beträchtlich lang¬
samer stieg und auch nur ganz allmählich zu seiner früheren Höhe
abfiel, der Brunnen VII überhaupt nur sehr wenig vom Hochwasser
beeinflußt wurde.
Die verschieden hohe Durchlässigkeit des Uferterrains ergab
sich auch noch besonders aus dem Verhalten des Grundwassers in der bei
Brunnen II ausgehobenen Grube 9. Obwohl dieselbe nur in einer
Entfernung von 28 m vom Ufer sich befand und die Schwankungen
im benachbarten Brunnen sich deutlich und ziemlich ausgiebig mani¬
festierten, stieg das Niveau in ihr nur unmerklich (9 cm). Auf eine
solche verschiedene Permeabilität muß es wohl auch zurückgeführt
werden, daß in der erwähnten Grube, die nur wenige Meter strom¬
aufwärts von Brunnen n liegt, das Grundwasser um 57 cm höher
stand als im Brunnen selbst, und daß in einem Versuche in Grube 8,
die 80 m stromabwärts von Grube 7 lag, der Wasserstand durchaus
nicht in gleicher Weise sich änderte wie in dieser.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abt. f. poth. Anat. u. verw. Disziplinen. 16
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Prof. A. Sehattenfroh.
Der Umstand, daß ebensowohl in den Brunnen wie in den
oberflächlichen Grundwasserschichten die Schwankungen iso¬
chron mit jenen im Flusse und im gleichen Sinne verliefen, und ein
nennenswerter Unterschied in der Intensität derselben im allgemeinen,
wenigstens im Bereiche der Brunnen I—IV nicht hervortrat, beweist
nicht nur die Durchlässigkeit des Flußbettes in seinem ganzen Ver¬
laufe, es geht daraus auch hervor, daß das Grundwasser, das den
Brunnen zuströmt, mit den oberflächlichen Schichten in
direkter und wohl auch breiter Kommunikation steht.
Jedenfalls kann der schon erwähnten Konglomeratschichte an¬
gesichts dieser Tatsachen eine besondere Bedeutung für die Abhaltung
des Seihwassers von den Brunnen nicht zukommen. Tatsächlich wird
dieselbe auch an vielen Stellen vollständig vermißt, und wenn sie
angetroffen wird, ist sie vielfach, wie ich mich selbst beim Ausheben
der Gruben überzeugen konnte, von so geringer Ausdehnung, daß sie
ein nennenswertes Hindernis für den Durchtritt des Wassers wohl
kaum wird abgeben können. Nur vereinzelt (siehe Protokolle) ist sie
stärker ausgebildet und kann in solchen Fällen unter Umständen wohl
auch lokal eine Stauung des Grundwassers wie in Grube 9 herbei-
filbren.
Für eine hochgradige Durchlässigkeit des Ufergrundes und speziell
der Flußsohle spricht weiters außer dem Umstande, daß die Niveau--
Schwankungen des Grundwassers an vielen Stellen beträchtlichere waren
als jene im Flusse, auch noch die Schnelligkeit, mit der sich die Grund¬
wasserwelle seitlich verbreitete, indem bereits 20—30 Minuten, nachdem
das Steigen des Wassers im Flusse begonnen, bei den meisten Brunnen
und Gruben ein Ansteigen des Grundwassers gesehen wurde. Es entspricht
dies wohl einerganz exzeptionellen Geschwindigkeit, wie sie kaum bisher
in Wasserwerken beobachtet sein dürfte, indem z. B. für den Brunnen I,
der 52 m vom Ufer entfernt liegt, eine Weglänge in 24 Stunden von
52 X 3 X 24 = 3744 m berechnet werden kann.
Der Nachweis einer Kommunikation zwischen Brunnen und
Flußwasser war noch auf andere Weise zu führen. Drang Flußwasser
in die Brunnen, so konnten unter Umständen Bestandteile des ersteren
durch chemische Analyse im Brunnenwasser nachgewiesen werden,
ebenso konnte die Bakterienflora von Brunnen und Fluß zueinander
in Beziehung stehen in Bezug auf die Art der Keime, in Bezug auf
deren Zahl beim Anschwellen des Flusses. Einen wertvollen Anhalts¬
punkt für die Beurteilung einer Kommunikation mußte dann auch
noch die bakteriologische Prüfung des Grundwassers im Bereiche der
Brunnen bieten.
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Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
233
Der Weg, durch chemische Untersuchung auf Kommunikation
zu prüfen, zeigte sich schon nach dem ersten Versuche nicht sehr
aussichtsvoll, da das Flußwasser frei von allen charakteristischen, auf
Verunreinigung deutenden Bestandteilen war und sich in seiner
Zusammensetzung dem Grundwasser der betreffenden Gegend über¬
haupt sehr näherte.
Ich unterließ daher weitere diesbezügliche Versuche und wandte
mich eingehender der bakteriologischen Prüfung des Brunnen- und
Grundwassers zu.
Die Untersuchungen wurden zu verschiedenen Zeiten, bei hohem
Mittelwasserstand im Flusse, bei Niederwasser, vor und nach Abkehr
des Werkskanales, bei tiefem und hohem Grundwasserstande vorge¬
nommen.
Was die Prüfung der Werksbrunnen betrifft, so beschränkte ich
mich aus äußeren Gründen, und weil die Beurteilung des Gesamt¬
resultates hierdurch nicht beeinträchtigt wurde, auf jene der
Brunnen I, II, III und IV, und wurde hierbei stets darauf geachtet
(mit Ausnahme eines einzelnen, absichtlich variierten Versuches),
daß dieselben mindestens 24 Stunden vorher in Betrieb genommen
wurden.
Die Untersuchung des Grundwassers wurde mittels Schlag¬
brunnen vorgenommen und gestaltete sich wegen der besonderen
Bodenverhältnisse nicht ganz so einfach, wie dies gewöhnlich der Fall
zu sein pflegt. Die anfänglichen Versuche, in der üblichen Weise die
Rohre mittels Zugrarame einzutreiben, sind sämtlich mißglückt, da
die Findlinge im Boden, gelegentlich wohl auch das Konglomerat
der eindringenden Stahlspitze einen zu starken Widerstand entgegen¬
setzten, so daß nach Stunden fruchtloser Arbeit die verkrümmten
Rohre wieder gezogen werden mußten.
Es mußten daher erst Gruben bis nahe ans Grundwasser be¬
ziehungsweise bis in die grundwasserführenden Schichten selbst aus¬
gehoben werden, ehe das Schlagen von der Sohle derselben aus in
Angriff genommen werden konnte.
Bei dieser Modifikation des Versuches waren Mißerfolge selten,
und gelang es fast regelmäßig sehr leicht, die Rohre 2—4 m tief
einzurammen.
Die Type der verwendeten Schlagbrunnen war die herkömm¬
liche; schmiedeeiserne Rohre von einer lichten Weite von 38 mm, der
Sauger 50«« lang und durch eine leichte Einschnürung von dem
angesetzten Rohre geschieden. Letztere ermöglichte die Verwendung
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234
Prof. A. Schattenfroh.
eines sogenannten Bodenventils, einer mit Gummi überzogenen Blei¬
kugel, die das Herabfallen der Wassersäule im Rohre während der
Schöpfpausen verhinderte.
Bei einem tadellos funktionierenden Brunnen betrug die pro
Hub geförderte Wassermenge 0 6 1, es braucht aber wohl nicht betont
zu werden, daß häufig trotz andauernden Pumpens infolge teilweiser
Verstopfung der Sauglöcher die Ergiebigkeit unter der ange¬
gebenen blieb.
Die Desinfektion der Rohre erfolgte nach dem Vorgehen Fränkels
mittels 5%ige r Schwefelkarbolsäure, die aus 25%iger roher Karbol¬
säure und konzentrierter Schwefelsäure unter Eiskühlung gemischt
war, und zwar ging ich stets so vor, daß erst eine große Quantität
(zirka 10 1) durch das Rohr in den Boden fließen gelassen und hierauf
letzteres nach Einwerfen des Kugelventils bis zum Rande mit der
Desinfektionsflüssigkeit angefüllt und verschlossen wurde.')
Auf diese Weise war es möglich, den Brunnen selbst samt
Pumpenstiefel und den dazugehörigen Verschlußstücken bis knapp
vor Beginn des Schöpfens in der Desinfektionslösung (2%iger Karbol¬
säure) zu belassen.
Um dem Einwande zu begegnen, daß beim Aufgraben des
Terrains von der Oberfläche Staub und damit Bakterien in die Grube
und durch das aufgeschlossene Grundwasser in den Brunnen gelangen
könnten — was übrigens durch die Versuche selbst widerlegt ist
(siehe weiter unten) — nahm ich häufig noch eine Desinfektion der
Grubensohle vor. Wenn der Schacht nur bis in die kapillare Zone
ausgehoben war, wurde 10%'g e Schwefelkarbolsäure in einer Menge
von 10—20 1 in denselben gegossen, mehr aber versprach ich mir
von der Desinfektion des Grubenwassers, soferne Grundwasser zu Tage
trat, durch Einleiten gespannten, von einer Lokomobile gelieferten
Dampfes während einiger Stunden.
Bei einem Querschnitt des Schachtes nahe der Sohle von höch¬
stens 1 wi 2 und einer Wassersäule von 20—50 cm genügte das Ein¬
leiten von auf fünf Atmosphären gespanntem Dampf durch eine halbe
Stunde, um Siedetemperaturen zu erzeugen. Solche Dampfdesinfektionen
wurden bei drei Schlagbrunnen, zweimal täglich während der Ver¬
suchsperiode vorgenommen.
’) Um während der kalten Winternächte ein Einfrieren der Bohre zu ver¬
hüten, wurden gelegentlich zu je 1 / 5°/ 0 iger Schwefelkarbolsäure 250 g Kochsalz hin¬
zugefügt.
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Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
235
Alle Schlagbrunnen wurden unmittelbar nach ihrer Fertig¬
stellung desinfiziert und der Versuch dann in der Weise angestellt,
daß etwa vier bis sechs Stunden, selten länger, vor der ersten Ent¬
nahme der Proben der Brunnen angeschraubt und mit dem Schöpfen
begonnen wurde.
Letzteres wurde dann ununterbrochen bis zur Beendigung des
Versuches, gewöhnlich 30—32 Stunden, fortgesetzt, so daß eine
Stagnation des Wassers im Bohre und in der Umgebung des Brunnens
vollständig vermieden werden konnte.
Schon kurze Zeit nach Beginn des Schöpfens war die Kar¬
bolsäure, wie Proben mit Bromwasser, vor allem aber der Geruch
anzeigten, aus dem Wasser verschwunden, ein einzigesmal konnte
sie — in dem Falle handelte es sich um einen zu wenig tief ge¬
rammten Brunnen, der Luft saugte und nur sehr wenig Wasser spen¬
dete — nach vier Stunden noch nachgewiesen werden.
Bei der Untersuchung des Grundwassers auf Keimfreiheit war es
von besonderem Interesse, die Verhältnisse in der engeren Nachbar¬
schaft der Werksbrunnen festzustellen, weshalb in den meisten
Fällen die Schlagbrunnen in nächster Nähe der Brunnen'), zwischen
diesen und dem Flusse, gerammt wurden, ebenso wurde darauf
geachtet, die Bohre möglichst tief einzutreiben, so daß dieselben fast
stets mit dem Sauger in den Bereich der offenen Schlitzrohre der
Brunnen — häufig wesentlich tiefer — zu liegen kamen.
Die Technik der bakteriologischen Untersuchung war die allge¬
mein übliche, und wurde als Nährboden fast ausschließlich die schwach
alkalische Fleischwasserpeptongelatine verwendet. Bei der Untersuchung
beschränkte ich mich auf die Bestimmung der Keimzahl des Brunnen-
und Schlagbrunnenwassers und konnte vom Artenstudium der zur Ent¬
wicklung gelangten Bakterien wohl absehen, da auffällige Unterschiede
zwischen den einzelnen Proben nicht vorhanden waren und zahlreiche
Stichproben immer nur die Anwesenheit der gewöhnlichen Wasser¬
bakterien erkennen ließen.
Das Anfertigen der Gelatineplatten erfolgte stets an Ort und
Stelle, und wurde die Zählung der Kolonien frühestens am dritten,
spätestens am achten Tage mit der Lupe vorgenommen.
Das Besultat der bakteriologischen Untersuchungen war ein sehr
interessantes und lehrreiches und lieferte neue Anhaltspunkte dafür,
daß gelegentlich erhobene niedrige Keimzahlen nichts für die Unverdäch¬
tigkeit einer Wasserversorgungsanlage beweisen.
') Aus äußeren Gründen mußte das Rammen von Schlagbrunnen bei den
Hrunnen II und VII unterbleiben.
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236
Prof. A. Schattenfroh.
Die Einzelheiten sind in den angesehlossenen Protokollaaszügen
und in den Tabellen nachzusehen; an dieser Stelle hebe ich nur einige
prägnantere Momente hervor.
Zunächst will ich feststellen, daß der Keimgehalt der Werks¬
brunnen ein durchschnittlich niedriger war. Wenn von den
höheren Zahlen in Versuch IV abgesehen wird, die vielleicht auf die
wenige Tage vorher im Brunnen vorgenommenen Arbeiten und teilweise
auf das Stagnieren des Wassers zurückzuführen sind, bewegt sich der¬
selbe fast durchwegs innerhalb solcher Grenzen, wie sie für Brunnen¬
wässer reiner Provenienz gelten können. Dabei fallen aber die nicht
unbeträchtlichen relativen Schwankungen der Keimzahlen in die Augen,
insbesondere bei Brunnen I, der gelegentlich fast keimfreies Grund¬
wasser, manchmal Wasser mit mehreren Hundert Keimen im
Kubikzentimeter führte.
Ein besonderer Einfluß der Höhe des Grundwasserstandes auf
die Keimmenge in den Werksbrunnen war nicht recht ersichtlich,
indem z. B. bei Brunnen I die niedrigsten Zahlen bei tiefem und bei
hohem Grundwasserstand beobachtet, die höchsten bei Mittelwasser
gefunden wurden.
Andere Brunnen variierten in ihrem Keimgehalte überhaupt
nicht und zeigten sowohl im Frühjahre wie im Herbste niedrige Keim¬
zahlen.
Waren nun auch die jahreszeitlichen Schwankungen des Grund¬
wassers ohne deutlich erkennbaren Einfluß, so war der Wasserstand
im Flusse insoferne von Bedeutung, als bei plötzlichem Ansteigen des¬
selben, wie es durch die Kanalabkehr bewirkt wurde, die Brunnen
vielfach höhere Keimzahlen aufwiesen.
Übrigens war diese Erscheinung nicht regelmäßig zu beobachten,
indem z. B. Brunnen I und III manchmal auch während und nach
der Abkehr in ihrem Keimgehalte ganz unbeeinflußt blieben. Dies
traf für den Brunnen I gerade in jenem Versuche zu, in welchem sich
derselbe fast keimfrei gezeigt hatte.
Eine sehr beträchtliche Zunahme der Keimzahl der Brunnen
unter dem Einflüsse des Hochwassers konnte übrigens nicht erwartet
werden, da der Fluß selbst häufig sehr keimarra ist. Ich konnte selten
über 2000 Keime im Flußwasser pro Kubikcentimeter nachweisen; selbst
beim plötzlichen Steigen nach erfolgter Kanalabkehr war der Keim¬
gehalt gelegentlich ein geringerer. Es ist klar, daß diese besonderen
Verhältnisse den Nachweis einer Beimengung von Flußwasser er¬
schwerten.
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Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
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Die Entfernung vom Flusse spielte insoferne keine Bolle, als
die näher demselben gelegenen Brunnen durchaus nicht regelmäßig
einen höheren Bakteriengehalt aufwiesen als die in größerer Entfernung
gelegenen. So zeigte sich der nur 11 m vom Flusse entfernte Brunnen II
fast stets sehr keimarm.
Hingegen schien mir für einen und denselben Brunnen, wie
wohl auch erwartet werden konnte, die wechselnde Nähe des Flusses
wenigstens gelegentlich von Belang zu sein. Ich hob wiederholt schon
hervor, daß starke Hochwässer den Lauf des Flusses verändern können.
Ein solches fiel gerade in die Zeit meiner Versuche (Juli 1902) und
hatte bewirkt, daß der Lauf des Flusses, der ursprünglich im Bereiche
des Brunnens IV stark nach Südosten auswich, zu einem fast gestreckten
wurde, wodurch in den Entfernungen der Brunnen I und IV starke
Verschiebungen eintraten (siehe Situation).
Während nun vor dem Hochwasser der Keimgehalt des Wassers
von Brunnen IV 100 pro Kubikcentimeter überstieg, sank er in den
späteren Versuchen auf 30—40, wobei mir auch auffiel, daß die Zahl
der verflüssigenden Keime in noch höherem Maße abgenommen
hatte.
Nicht ganz so klar lagen die Verhältnisse für den Brunnen I,
der zwar gleichfalls Schwankungen entsprechend der veränderten
Situation des Flusses aufwies, was aber von ausschlaggebender Be¬
deutung gegenüber anderen Einflüssen offenbar nicht sein konnte, da
nach dem Hochwasser sowohl die höchste wie die niedrigste Keim¬
zahl konstatiert wurden. Es kann dies nicht wundernehmen, da die
Entfernung des Brunnens I vom Flußlaufe bei weitem nicht in dem
Maße durch das Hochwasser geändert wurde wie jene des Brunnens IV.
Lieferte schon die bakteriologische Untersuchung der Werks¬
brunnen Anhaltspunkte dafür, daß die seitliche Filtration des Fluß-,
beziehungsweise Seihwassers eine ungenügende war, so gewährten
doch erst die Schlagbrunnenversuche einen richtigen Einblick in diese
Verhältnisse; teils weil die Technik derselben einwandfreiere Schlüsse
zuläßt als die Untersuchung von Kesselbrunnen, teils weil es durch
bestimmte Anordnung und Gruppierung der Schlagbrunnen teilweise
möglich war, die Wege der Brunnenverunreinigung zu bestimmen.
Noch ein Moment erleichtert die Diagnose »Verunreinigung« bei
der Schlagbrunnenuntersuchung: Die strenge Forderung der Keim¬
freiheit des Grundwassers bietet eine viel verläßlichere Grundlage für
die Beurteilung einer Wasserversorgung als die Keimarmut von
Kesselbrunnen, um so mehr, als man in letzterem Falle häufig sehr
schwer nur die Grenze der zulässigen Keimzahl bestimmen wird
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238
Prof. A. Schattenfroh.
Digitizsj:
können, anderseits auch niedrige Keimzahlen durch Verdünnung keim-
reicher Zuflüsse mit reinem Grundwasser zu stände kommen können.
Keimfrei erwies sich das Grundwasser im Bereiche der
Brunnen nur bei Brunnen VI; an allen anderen Stellen
wies dasselbe einen größeren oder geringeren Keimgehalt auf.
Besonders keimreich war (siehe Tabelle) das aus mehreren Schlag¬
brunnen bei Brunnen I geschöpfte Wasser, verhältnismäßig wenig
Keime führten die Schlagbrunnen bei Brunnen IV imd VIII.
In manchen Fällen waren Schwankungen der Keimzahl zu be¬
obachten, indem in verschiedenen Versuchen ein und derselbe Schlag¬
brunnen verschieden keimhaltiges Wasser schöpfte. So zeigte in Ver¬
such VI der Schlagbrunnen 5 mäßig hohe Keimzahlen, in Versuch VII
Keimzahlen bis zu 10.000 pro Kubikcentimeter; anderseits war auch
wieder der Einfluß des Hochwassers gelegentlich zu er¬
kennen.
Den wechselnden und ungleichmäßigen Ergebnissen
dieser Versuche ist jedenfalls zu entnehmen, daß das Grund¬
wasser im Bereiche der Werksbrunnen an vielen Stellen Zu¬
flüsse von ungenügend filtriertem Seihwasser aus dem Flu߬
bette erhält, die gelegentlich wohl versiegen, häufig beim
Ansteigen des Flusses in reicherem Maße in dasselbe ge¬
langen. Wenn man die Bodenbeschaffenheit des Brunnenterritoriums in
Erwägung zieht, wird das ungleichmäßige Verhalten des Grund¬
wasserträgers, beziehungsweise der wasserführenden Uferbodenschichten
nicht wundernehmen. ’)
Wichtig ist, daß die hochgradige Durchlässigkeit des Terrains allein
nicht als die Ursache der ungenügenden seitlichen Filtration angesehen
werden kann, da 250m flußaufwärts von Brunnen I gerammte Schlag¬
brunnen, die, wie aus der Tafel XXI und den Protokollauszügen ersichtlich
ist, in sehr durchlässigem Terrain standen, fast keimfreies Wasser
lieferten, das auch beim Steigen des Flusses nicht keimreicher wurde.
Gewiß wird es eine Rolle spielen, daß im Bereiche der Brunnen
das Erdreich bei der Herstellung derselben vielfach aufgegraben und
hierdurch stellenweise seiner natürlichen Filtrationskraft beraubt wurde.
In einer ganz unzweideutigen Weise trat dies im Territorium des
Werksbrunnens I hervor.
*) Daß breitere Kommunikationen zweifellos zwischen Fluß- und Grund¬
wasser bestehen, konnte ich einmal bei Beobachtung des Grundwasserstandes in
Probesehacht 14 direkt sehen, indem an der dem Flusse zugekehrten seitlichen
Begrenzungsfläche desselben gleichzeitig mit dem Steigen des Flusses Wasser an
mehreren Stellen zur Sohle rieselte.
* Google
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Untersuchungen in einer Grundwassemrsorgungsanlage.
239
Derselbe ist durch eine Saugleitung, welche den Fluß in einer
Entfernung von 57nr vom Brunnen unterfährt, mit dem Maschinen¬
hause verbunden. In der ganzen Länge derselben war anläßlich
der Herstellungsarbeiten der Boden in einer Breite von 1-5 und einer
Tiefe von 6»n ausgehoben und hierbei auch die Konglomeratschichte,
die in ziemlicher Dicke etwa 4»n unter Terrain gelagert war, durch¬
schlagen worden. Es muß nun aus den Versuchen geschlossen werden,
daß der die Leitung einschließende Rohrgraben eine breite Straße für das
Eindringen von Flußwasser darstellt, indem die beiden knapp an dem¬
selben gerammten Schlagbrunnen Wasser von außerordentlich hoher
Keimzahl schöpften, während ein gleichfalls in der Nähe des Werks¬
brunnens I geschlagener Brunnen, der vom Rohrgraben weiter entfernt
lag (Schlagbrunnen 3), wesentlich keimärmeres Wasser führte.
Einigermaßen auffallend ist es, daß der Keiragehalt der Werks¬
brunnen und der in der Nähe derselben gerammten Schlagbrunnen
durchaus nicht immer übereinstimmte, häufig der des Werksbrunnens
erheblich niedriger war (Brunnen I und III).
Der Grund hierfür wird wohl in dem Vorhandensein gröberer
Kanäle zwischen gut filtrierendem Boden und in der Vermischung
der unreinen Zuflüsse mit reinem, gut filtriertem Grundwasser zu
suchen sein, das dem kräftig saugenden Brunnen aus der Tiefe und
der dem Flusse abgekehrten Seite zuströrat.
Eine bessere Filtrationswirkung in vertikaler Richtung kann für
die Werksbrunnen nicht angenommen werden, da die Sauger der
Schlagbrunnen, wie ich schon hervorhob, fast stets in die Tiefe der
ersten offenen Schlitzrohre reichten, somit das Wasser, das im Schlag¬
brunnen geschöpft wurde, unverändert auch dem Werksbrunnen zufloß.
Auch diese Verhältnisse werden am besten durch die Keim¬
zahlen des Brunnens I und der um ihn befindlichen vier Schlag¬
brunnen illustriert.
Protokollauszüge.
I. Versuch am 27. Mai 1902.
Entnahme von Proben zur bakteriologischen Untersuchung aus den
Brunnen I, II, III, IV, VI und aus dem Flusse. Die Brunnen V, VI,
VII und VIII waren seit 25. Mai, die Brunnen I, II, III und IV seit
26. Mai nach längerer Pause in Betrieb.
Der Schieber zwischen Brunnen III und IV war offen, so daß
letzterer Mischwasser führte. Hoher Mittelwasserstand im Flusse, die toten
Arme bei den Brunnen II und III gefüllt. Mäßig hoher Grundwasserstand,
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240
Prof. A. Schattenfroh.
der Fluß fließt knapp an Brunnen IV vorüber (in der Situation als
trockenes Flußbett gezeichnet).
Resultate: Flußwasser pro Kubikcentimeter 1800 Keime, Brunnen
VI 18, Brunnen I 12, Brunnen IV 108, Brunnen III 25, Brunnen II
30 Keime pro Kubikcentimeter. (Mittelzahlen aus zwei Proben.)
II. Versuch am 5. Juni 1902.
Entnahme von Proben zur bakteriologischen Untersuchung aus den
Brunnen II, III und IV. Probeschöpfen seit 3. Juni 12 Uhr Mittags mit
18 Touren.
Eine Stunde vor der Entnahme wird der Schieber zwischen Brunnen
III und IV geschlossen.
Etwas niedrigerer Wasserstand als in Versuch I. Situation des
Flusses wie in Versuch I. Die später noch genauer zu beschreibende
Mulde zwischen den Brunnen III und IV (in der Situation mit -|- be¬
zeichnet), die das Überlaufwasser des bei Brunnen IV abzweigenden toten
Armes empfängt, wird nach Durchstich des kleinen Dämmchens mit
Flußwasser gefüllt.
Resultate: Brunnen IV Gelatineplatten zerflossen (in stärker alkali¬
scher Gelatine 75 Keime pro Kubikcentimeter), Brunnen III 12, Brunnen II
10 Keime pro Kubikcentimeter.
III. Versuch, 27. bis 29. September 1902.
A. Entnahme von Proben am 27. September zur bakteriologischen
Untersuchung aus Brunnen I nach dreitägigem Probeschöpfen, zirka
1*5 m unter dem Wasserspiegel. Mäßig hoher Grundwasserstand. Der Fluß
fließt jetzt in einer Entfernung von 52»? an Brunnen I vorüber (in der
Situation als normaler Flußlauf gezeichnet).
Nach viertägiger Beobachtung Keimgehalt pro Kubikcentimeter in
den Proben
I a) 320 II a) 338
b) 304 b) 388.
B. Beobachtung der Grundwasserstände in Brunnen I bei ruhen¬
dem Betriebe, ebenso in den Probeschächten 7 und 8 vor und nach der
Abkehr des Werkskanales. Das Öffnen der Grundschleusen beim Wehr
erfolgte am 28. September um 6 Uhr Früh, das Schließen am selben
Tage um 12 Uhr Mittags.
Die Resultate der Messungen sind aus Tafel XIX zu entnehmen.
C. Prüfung auf Kommunikation zwischen Brunnen IV und Fluß
mittels spezifischer Mikrobien.
Das muldenförmige Ende des bei Brunnen IV vom Flusse ab¬
zweigenden toten Armes liegt 111 »i von Brunnen IV, 48»» von
Brunnen III und 2U5»» von der Gravitationsleitung entfernt.
Am 28. September Einleiten von Flußwasser durch einen neu an¬
gelegten Graben und Einbringen von Aufschwemmungen von Bacillus
prodigiosus und Dextrosekulturen von Saccharomyces apiculatus. Proben¬
entnahme alle zwei Stunden aus Brunnen IV, der von 1 Uhr Nachts
bis 6 Uhr 30 Minuten Abends mit 34, von da ab bis 29. September
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Untersuchungen in einer Grundwasservcrsorgungsanlage.
241
9 Uhr Früh mit 17 Touren in Betrieb war (entsprechend einer geför¬
derten Wassermenge von zirka 21.400 m 3 ).
Das Resultat war ein negatives. Weder Prodigiosuskeime noch Hefe¬
pilze konnten auf den Bierwürzegelatineplatten nachgewiesen werden.
Gleichzeitig angefertigte Fleischwasserpeptongelatineplatten wiesen einen
während der ganzen Versuchsperiode gleichmäßigen Keiragehalt von 30
bis 40 pro Kubikcentimeter auf. (Platten nach acht Tagen gezählt.)
IV. Versuch, 17. bis 20. Oktober 1902.
A. Entnahme von Proben zur bakteriologischen Untersuchung aus
Brunnen I am 17. Oktober nach achttägigem Probesehöpfen.
Angeblich wurden zwei Tage vorher Arbeiten im Innern des Brunnens
beendet.
Weiter Entnahme am 18. Oktober 9 Uhr Früh nahe der Oberfläche
und aus der Tiefe; am 19. Oktober um 7 Uhr Früh und 11 Uhr Vormittags
knapp unter der Oberfläche des Wasserspiegels und aus der Tiefe; am
20. Oktober um 7 Uhr, um 9 Uhr und um 11 Uhr zirka 1 m unter der
Oberfläche. Der Brunnen war vom 17. Oktober bis 20. Oktober
7 Uhr Früh außer Betrieb gesetzt.
Resultate: 17. Oktober I a) 280 II a) 366 Keime pro Kubikcentimeter
b) 320 b) 506 >
18. Oktober 840—1046 » »
19. Oktober 7 Uhr oberflächlich 976, tief 1224 Keime pro
Kubikcentimeter
.20. Oktober 7 Uhr 1400—1600 Keime pro Kubikcentimeter
9 Uhr 774 im Mittel » »
11 Uhr 151 im Mittel » »
B. Beobachtung der Grundwasserstände in den Brunnen I, II. III,
I\ r und den Probeschächten 7, 8, 9, 11 bei gleichzeitiger Abkehr des
Werkskanales. Die Einzelheiten sind aus Tafel XX zu entnehmen.
V. Versuch am 26. Oktober 1902.
Entnahme von Proben zur chemischen Untersuchung aus dem Flusse,
den Brunnen I und VIII sowie aus einem in der Nähe gelegenen Haus¬
brunnen. Am gleichen Tage erfolgte wieder eine Abkehr des Kanales, und
zwar um 6 Uhr Früh. Die Analysenresultate sind in der Tabelle ver¬
zeichnet.
VI. Versuch, 8. bis 10. November 1902.
A. Rammen der Schlagbmnnen 1, 4, 5.
Schlagbrunnen 1: Wasserstand in der Grube zirka 50c/«, Des¬
infektion derselben durch Dampf am 7. und 8. November durch eine be¬
ziehungsweise zwei Stunden.
Entfernung der Grubensohle vom obersten Saugloch 2'48 m, des
obersten Saugloches vom Terrain 5 63 m. Kein Konglomerat.
Schlagbrunnen 4. Beim Ausheben der Grube wird in einer Tiefe
von 3 6 m eine 70 cm dicke Konglomeratsehichte angetroffen, welche
durchbohrt werden mußte. Entfernung des obersten Saugloches vom Terrain
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242
Prof. A. Schattenfroh.
6*63 m, von der Grubensohle 2'18»n. Desinfektion der Grubensohle mit
10/ 10%iger Schwefelkarbolsäure.
Schlagbrunnen 5. Entfernung des obersten Saugloches vom
Terrain 6 - ö8 m, von der Grubensohle 2 - 2 m. Kein Konglomerat, Grube
nicht desinfiziert.
Schlagbrunnen 1 und 5 wurden am 9. November 4 Uhr Früh in
Betrieb genommen und aus denselben ununterbrochen bis 10. November
9V a Uhr Vormittags geschöpft. Schlagbrunnen 4 wurde erst am 9. No¬
vember 4 Uhr Nachmittags in Tätigkeit gesetzt und gleichfalls bis 10. No¬
vember 9 V 2 Uhr Vormittags gepumpt.
Probenentnahme am 9. November um 6 Uhr 40 Minuten und
3 Uhr 30 Minuten, am 10. November um 9 Uhr 30 Minuten, nachdem
das Wasser auf Phenol mit negativem Ergebnisse geprüft worden war.
Der Werksbrunnen I war während des Versuches nicht in Betrieb,
die Kanalabkehr erfolgte am 9. November 6 Uhr Früh.
Der Grund wasserstand, in Brunnen I gemessen, betrug zu Beginn
des Versuches 409 72 und erreichte während desselben eine Höhe von
41062.
Resultate: Keime pro Kubikcentimeter.
Schlagbrunnen 1. 9. November 6 Uhr 40 Minuten I a) 7 II a) 2
b) 8 b) 1
2 Uhr 30 Minuten I a) 3 II a) 0
b) 0 b) 1
10. November 9 Uhr 30 Minuten I a) 2 II a) 3
b) 0 b) 0
Schlagbrunnen 4. 10. November 9 Uhr 30 Minuten I a) 82 II a) 62
b) 85 b) 76
Schlagbrunnen 5. 9. November 6 Uhr 40 Minuten I a) 21 II a) 14
b) 18 b) 15
2 Uhr 30 Minuten I a) 564 II a) 832
b) 612 b) 799
10. November 9 Uhr 30 Minuten I a) 120 IT a) 149
b) 108 b) 138
B. Beobachtung der Grundwasserstände in den Brunnen I, V, VI,
VII, VIII und den Probeschächten 1, 13, 14 bei gleichzeitiger Abkehr
des Werkskanales.
Der Stand im Flußbette wurde diesmal an zwei Pegeln abgelesen
(siehe Situation).
Die Ergebnisse sind aus Tafel XXI zu ersehen.
VII. Versuch, 22. bis 24. November 1902.
Rammen der Schlagbrunnen 2, 3, 6, 10 und 15 bei gleichzeitiger
Kanalabkehr am 23. November 6 Uhr Früh.
Schlagbrunnen 2. Entfernung zwischen erstem Saugloch und
Terrain 6‘28 m, zwischen erstem Saugloch und Grubensohle 2*6 m.
Wasserstand in der Grube zirka 40 cm, nicht desinfiziert. Kein Kon¬
glomerat.
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Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
243
Schlagbrunnen 3. Erstes Saugloch 2'5m unter der Grubensohle,
7 4 m unter Terrain. Beim Ausheben wurde eine 85 cm dicke Konglome¬
ratschichte mit dem Spaten durchschlagen. In der Grube zirka 20 cm
Wasser. Seit 20. November täglich zweimal eine Stunde mittels Dampf
desinfiziert.
Schlagbrunnen 6. Erstes Saugloch 2*45 m unter der Gruben¬
sohle, 7 37 m unter Terrain, Grubenwasser (zirka 20 cm) so wie bei
Brunnen 3 desinfiziert. Konglomeratschichte sehr dünn.
Schlagbrunnen 15. Entfernung des ersten Saugloches vom Terrain
8'84m, von der Grubensohle 2'bm. Kein Konglomerat.
Grubensohle mit 20 1 10%iger Schwefelkarbolsäure desinfiziert.
Schlagbrunnen 10. Erstes Saugloch von der Bodenoberlläche
7 95m, von der Grubensohle 25m entfernt. Kein Konglomerat; wie
Schlagbrunnen 15 desinfiziert.
Außer den fünf neu gerammten wurde auch noch der Schlag¬
brunnen 5 in den Versuch einbezogen, ebenso wurden diesmal auch aus
Brunnen I, der seit 22. November mit 4 V 2 Touren in Betrieb war,
Proben entnommen. Aus den Werksbrunnen II, III und IV wurde seit
mehreren Wochen mit neun Touren geschöpft, die Brunnen V, VI, VII
und VHI waren seit 17. November außer Betrieb. Alle Schlagbrunnen
wurden vom 23. November 1 Uhr Früh bis 24. November 9 Uhr Vormittags
ununterbrochen geschöpft.
Der Grundwasserstand wurde in Bninnen I und in der Grube bei
Schlagbrunnen 2 gemessen. Derselbe betrug am 23. November, 7 Uhr
Früh, in ersterem (in Betrieb) 408'13, in letzterer 412*11, am selben
Tage 3 Uhr Nachmittags, unter dem Einflüsse der Kanalabkehr, im Brunnen
408 70, in der Grube 412'73.
An den Versuchstagen herrschte klares, kaltes Wetter, doch war
der Fluß uoch größtenteils eisfrei.
Die Resultate des Versuches sind aus der Tabelle ersichtlich.
VIII. Versuch, 13. bis 15. Dezember 1902.
Rammen der Schlagbrunnen 12, 16, 17 und Untersuchung der in
Betrieb befindlichen Werksbrunnen I, II, III und IV während des Hoch¬
wassers nach der Kanalabkehr.
Schlagbrunnen 16. Wegen Tiefstandes des Grundwassers (bei
Werksbrunnen VI 11*06 m unter Terrain) mußte der Saugkolben 5'4 m
unter Terrain angebracht werden. Entfernung des ersten Saugloches von
der Bodenoberfläche 11*77 » 1 , von der Grubensohle 3 m. Konglomerat¬
schichte O'ö m dick, Desinfektion der Grube mit 10 l 5 u /o *g er Schwefel¬
karbolsäure.
Schlagbrunnen 17. Saugkolben 5'lm unter Terrain angebracht
(Werksbrunnen VIII trocken). Erstes Saugloch 10 57 m unter Terrain,
1*5 m unter der Grubensohle. Konglomeratschichte 1*3 m dick, in einer
Tiefe von zirka 5'3m unter Terrain. Desinfektion der Grube mit 10 1
5%ig er Schwefelkarbolsäure. Wasserstand 10*17 m unter Terrain.
Schlagbrunnen 12. Erstes Saugloch 10*5m unter Terrain, von
der Grubensohle 4'5 m entfernt. Desinfektion wie bei Schlagbrunnen 17.
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244
Prof. A. Schadenfroh.
Kein Konglomerat. Stand des Wassers in Werksbrunnen IV (in Betrieb)
7 96 m unter Terrain.
Außerdem wurde auch noch der Schlagbrunnen 10 nach neuerlich
erfolgter Desinfektion in den Versuch einbezogen.
Am 14. Dezember 2 Uhr Nachts wurde mit dem Schöpfen aus
den Schlagbrunnen begonnen und dasselbe bis 15. Dezember 9 Uhr Vor¬
mittags fortgesetzt.
Während des Versuches herrschte ungewöhnliche Kälte (—20° C. ),
und war der Fluß in seinem ganzen Laufe mit einer dicken Eiskruste
bedeckt. Die starke Vereisung des Flußbettes hatte auch bewirkt, daß das
Ansteigen des Flusses im Bereiche des Schöpfwerkes trotz rechtzeitig vor-
genomraener Abkehr (6 Uhr Früh) erst um 9 Uhr 30 Minuten beob¬
achtet wurde.
Außer aus den angeführten Schlagbrunnen und Werksbrunnen
wurden noch Proben aus dem Flusse und aus den Sammelrohren be¬
ziehungsweise dem Auslasse der Schieberkammer entnommen; letzteres zur
Kontrolle für die in den Brunnen selbst vorgenommenen Untersuchungen.
Die Resultate sind in einer Tabelle verzeichnet.
Höhenkoten der Werksbrunnen.
(Seehöhe des Adriatischen Meeres.)
1
Brunnen
.
1
!
; i
1 11
i in j
1 1V
1 v 1
VI |
VII
VIII
Terrain
41411
415-27
414-27
41301
41117*
41052
411-91
411-30
1 Sohle
! 400-68
406-55
404-72
400-31
40103
398 98
401-51
400-64
Podium
1 !
413-70
1
415-48
413-90
412-86
410-33
1
s
ȟ
QO
41111
40970
Anordnung der Schlitzrohre bei den Werksbrunneu.
r
B r n i
inen
1
!
i
i i i
i 11
m i
IV
1 V
VI |
VII l
VIII
Tiefe der ersten
offenen Schlitzreihe
; unter Terrain
' 7 77 n
—
i
i
7 44 m
1 8*64 7»
7*65 tn
1
904 tJ
8*37 tJ
8'25 th
Anzahl der offenen
Schlitzreihen
4
l
| —
1
2
2
1
i
2
j Anzahl der offenen
Schlitze
: i 88
1;
—
30
56
32
16
! 16
44
i Anzahl der abge-
j dichteten Schlitze
[l 108
210
i
180
i
1
1
| -
—
—
i
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Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
245
Tabelle der Keimzahlen in Versuch VII (pro Kubikcentimeter).
!
23. November
6 Uhr 30 Minuten
(vor der Abkehr)
23. November
4 Uhr
(nach der Abkehr)
24. November
9 Uhr Früh
!
Werksbrunnen I
Schlagbrunnen ö
Schlagbrunnen 6
Schlagbrunnen 3
Schlagbrunnen 2
Schlagbrunnen 10
Schlagbrunnen 15
l a)bb lla)26
b) 49 b) 18
3200 2880
2880 3328
2752 2870
2800 2560
134 136
125 176
13 3
5 6
5 16
3 8
208 251
286 277
1
I a) 29111 a)304
b) 380 b) 302
4928 4288
5120 4180
4860 5760
5310 6080
63 38
52 42
11 9
4 8
220 278
270 285
251 264
290 287
la) 80 II«; 68
b) 74 b) 75
8320 9100
7960 8560
10200 11300
9850 10900
81 70
86 85
2 1
2 8
113 129
122 148
313 292
303 337 !
i
Nach 5 Tagen
gezählt
Nach 3 Tagen
gezählt
Nach 3 Tagen
gezählt
Nach 6 Tagen
gezählt
Nach 6 Tagen
gezählt
Nach 6 Tagen
gezählt
Nach 5 Tagen
gezählt
Tabelle der Keimzahlen in Versuch VIII (pro Kubikcentimeter).
14. Dezember 1
, 7 Uhr 1
14. Dezember
14 Uhr SO Minuten
15. Dezember
9 Uhr Früh
i
•
j (vor der Abkehr)
|(nach der Abkehr)
Fluß
1480
1725
;
Nach 5 Tagen
gezählt
Werksbrunnen I
\la)0Ua)l
j I a) 1II a) 2
I a) 8 11 a) 0 1
Nach 7 Tagen
b) 2
b) 9
b)±
b) 5
b) 1
b) 4 !
gezählt
Werksbrunnen I
1
0
3
0
6
6
! Nach 7 Tagen
i (Schieberkammer)
2
2
1
2
2
5
gezählt
Werksbrunnen IV
19
13
16
35
96
88
91
114
47
30
45
45 j
Nach 7 Tagen
gezählt
Werksbrunnen III
18
i 16
69
64
78
73
104?
45
33 I
32 j
Nach 7 Tagen
gezählt
Werksbrunnen II
j 2
0
62
47
47
41 |
1 Nach 6 Tagen
gezählt
Nach 6 Tagen
Sammelrohr
j 33
22
147
109
30
36 !
(Brunnen II, III, IV)
I 34
32
65
66
27
50
gezählt
Schlagbrunnen 12 j
15
17
19
11
25
20
28
28
35
29
39 !
34 ,
Nach 6 Tagen
gezählt
\ Nach 5 Tagen
gezählt
Schlagbrunnen 10
414
399
418
446
434
440
393
406
334
342
303 i
297
Schlagbrunnen 16
3
2
1
0
3
0
2
0
3
1 3
3
1
Nach 8 Tagen
gezählt
Schlagbrunnen 17
13
7
i
9
9
3
1
9
6
29
28
17 i
22
Nach 8 Tagen
gezählt
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Milligramme pro Liter
246
Prof. A. Sehattenfroh.
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Chemische Analysen in Versuch V.
Floß
Haasbrunnen
Werfcsbrnnnen
Werksbnmnen I
VIII
11 Uhr
1 Uhr
klar
klar
klar
klar
klar
farblos
farblos
farblos
farblos
farblos
keiner
keiner
keiner
keiner
keiner
ohne
Beigeschmack
ohne
Beigeschmack
ohne
Beigeschmack
ohne Bei¬
geschmack
ohne Bei¬
geschmack
neutral
neutral
neutral
neutral
neutral
schwach
alkalisch
schwach
alkalisch
schwach
alkalisch
schwach
alkalisch
schwach
alkalisch
mineralischer
und
pflanzlicher
Detritus,
Infusorien etc.
Holzdetritus
keiner
keiner
keiner
253-6
gelblich-weiß
2760
hellgelb
2888
weiß
286-0
weiß
2808
weiß
242-0
gelblich-weiß
262-8
hellgelb
278-8
gelblich-weiß
2716
weiß
2760
weiß
beim Glühen
schwärzlich¬
braun, dann
weiß
schwärzlich¬
braun, dann
weiß
bräunlich,
dann weiß
bräunlich,
dann
weiß
bräunlich,
dann
weiß
82-4
1040
940
91-6
100-8
24-4
29-8
28*4
292
300
nicht
vorhanden
nicht
vorhanden
nicht
vorhanden
nicht
vorhanden
nicht
vorhanden
Spuren
Spuren
Spuren
Spuren
Spuren
nicht
vorhanden
nicht
vorhanden
nicht
vorhanden
nicht
vorhanden
nicht
vorhanden
Spuren
i
Spuren
Spuren
Spuren
Spuren
Aussehen
Farbe
Geruch
Geschmack
Reaktion
gegen
Lackmus
Reaktion
gegen
Rosolsäure
Bodensatz
Abdampf¬
rückstand
bei
100 u C.
Trocken¬
rückstand
bei
170° C.
Glüh¬
rückstand
Kalk
Magnesia
Ammoniak!
Chlor
Salpetrige
Säure
Salpeter¬
säure
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UNIVERS1TY OF CALIFORNIA
Milligramme pro Liter
Untersuchungen in einer Grundwasserversorgungsanlage.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abt. f. path. Anat. u. verw. Disziplinen.
17
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(Aus Prof. Chiaris pathologisch-anatomischem Institute an der dentschen
Universität in Prag.)
Über einen Fall von fast totalem Umban der Leber mit
knotiger Hyperplasie.
Von
Dr. Miki Yamasaki
aas Kaaazawa in Japan.
(Hierzu Tafel XXII.)
Die Pathologie der Leber in Bezug auf die Regenerationsfähigkeit
und den Umbau dieses Organs nach respektive bei gewissen Krank¬
heitsprozessen, wie akute Atrophie und Cirrhose, oder nach traumatischen
Einwirkungen ist in der neueren Zeit vielfach erforscht worden und
ist über diesen Gegenstand eine ganze Reihe von Publikationen er¬
schienen. Trotzdem dürfte es doch nicht ohne Interesse sein, wenn
ich im folgenden einen Bericht über einen sehr eigentümlichen Fall
von fast totalem Umbau der Leber mit teils knotiger, teils mehr
diffuser Hyperplasie des Parenchyms, wahrscheinlich entstanden nach
einer in ihrem Wesen allerdings rätselhaft gebliebenen ausgedehnten
Zerstörung von Parenchym, erstatte.
Es handelte sich um eine 36jährige Frau, die am 3. Oktober
1902 auf der internen Abteilung des Herrn Hofrats Prof. Dr. Pfibram
gestorben war. Aus der von Herrn Hofrat Pfibram gütigst über¬
lassenen Krankengeschichte entnehme ich folgendes:
Die Patientin war am 15. September 1902 in die Abteilung ein¬
getreten. Die Anamnese ergab, daß die Patientin vor acht Jahren eine
vier Wochen dauernde fieberhafte Erkrankung durchgemacht hatte.
Vor vier Jahren hatte sie im Anschlüsse an einen fieberhaften Prozeß
nach einem Partus praematurus eine Anschwellung des Unterleibes
acquiriert, welche ihr durch drei Jahre keine wesentliche Störung be¬
reitete. Vor vier Monaten war aber ein stärkeres Anschwellen des
Unterleibes aufgetreten, weswegen die Patientin zuerst ambulatorisch
und dann durch fünf Wochen im Spitale zu Königshütten bei Beraun
ärztlich behandelt wurde. In dem genannten Spitale war auch, zuletzt
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Über einen Fall von fast totalem Umbau d. Leber m. knotiger Hyperplasie. 249
vor 14 Tagen, zweimal eine Punctio abdominis ausgeftihrt worden.
Geboren hatte die Patientin dreimal. Die ersten zwei Kinder (Knaben)
leben, sind gesund. Das dritte Mal, vor vier Jahren, handelte es sieh
um eine Frühgeburt im achten Monate. Die Menses hatten im
19. Lebensjahre begonnen und waren stets regelmäßig gewesen. In
der Kindheit war die Patientin gesund gewesen. Von einer syphilitischen
Infektion war ihr nichts bekannt. Potus konnte nicht eruiert werden.
Bei der Aufnahme auf die Abteilung zeigte sich nebst Ödem an
den Beinen sehr starke Ausdehnung des Unterleibes durch Flüssig¬
keitsansammlung. Der Horizontalumfang desselben betrug in der Nabel¬
höhe 112 cm, der Abstand vom Processus xiphoideus zum Nabel 25*5 cot,
vom Nabel zur Symphysis ossium pubis 22’5 cm. Die Leber war nicht
zu tasten. Die Milz erschien vergrößert. An der vorderen Bauchwand
war ein deutliches Caput Medusae zu sehen. Es bestanden Diarrhöen.
Wegen Zunahme des Hydrops wurde am 26. September der Unterleib
punktiert und dabei klares Serum in der Menge von \2'bl entleert.
Auch jetzt war die Leber nicht zu tasten. Der Hydrops ascites sammelte
sich rasch wieder an. Am 1. Oktober mußte die Punktionswunde
wegen fortwährenden Träufelns von Flüssigkeit aus ihr sekundär ver¬
näht werden. Am nächsten Tage stellten sich Bauchschmerzen ein
und am 3. Oktober 7 Uhr a. m. erfolgte im Kollaps der Exitus.
Die klinische Diagnose wurde gestellt auf Cirrhosis hepatis,
Tumor lienis, Oedema extremitatis inferioris utriusque, Hydrops ascites.
Caput Medusae, Endocarditis ad valvulam mitralem?, Pericarditis sicca?
Bei der am folgenden Tage im Institute vorgenommenen Sektion
wurde folgendes Protokoll erhoben:
»Der Körper 167c»» lang, von grazilem Knochenbau und
schwacher Muskulatur. Allgemeine Decke blaß, mit blassen Hypostasen
auf der Rückseite. Sichtbare Schleimhäute blaß. Totenstarre deutlich
vorhanden. Haupthaar schwarz. Pupillen mittelweit, gleich. Hals
proportioniert. Thorax kurz, nach unten zu verbreitert. Das Abdomen
durch Flüssigkeit enorm aufgetrieben. Genitale und untere Extremitäten
ödematös. In der Mittellinie der vorderen Wand des Unterleibes unter¬
halb des Nabels eine jetzt vernähte Punktionswunde.
Die weichen Schädeldeeken blaß. Schädel 52 cm im Horizontal¬
umfange messend. Die Dura etwas gespannt. In ihren Sinus spärliches,
flüssiges dunkles Blut. Innere Meningen und das normal konfigurierte
Gehirn ödematös durchfeuchtet.
Das Zwerchfell rechts an der zweiten, links an der dritten Rippe
stehend. Die Schleimhaut der Halsorgane blaß. Thyreoidea normal
groß. Die Lungen frei, durch den hohen Zwerchfellstand und einen
17*
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250
Dr. Miki Yamasaki.
allerdings geringen Flilssigkeitserguß in den Pleurahöhlen auf das
höchste retrahiert und komprimiert, blutarm, ziemlich trocken, ohne
pathologischen Befund. Herz normal groß mit zarten Klappen. In der
Intima aortae nur ganz zarte Verdickungsflecken. Die bronchialen
Lymphdrüsen nicht vergrößert.
Die Abdominalhöhle enthält zirka 10 1 klarer, hellgelber Flüssigkeit.
Die der Punktionsstelle gegenüberliegenden Dünndarmschlingen zeigen
geringe, zarte Fibrinauflagerung. Sonst die Darmschlingen unter¬
einander nicht verklebt. Das Mesenterium fettreich.
Die Leber kleiner, von rechts nach links 20 cm, von hinten nach
vorne 14 cm und an der dicksten Stelle 7’5 cm in der Dicke messend,
970 <7 schwer, ziemlich schlaff. Ihr vorderer Band zugeschärft Auf
Durchschnitten durch die Leber (vide Fig. 1 ) allenthalben reichliche,
bis haselnußgroße, scharf abgegrenzte, teils kugelige, teils unregel¬
mäßig gestaltete Knoten (Fig. 1 o) zu sehen, die auf der Schnittfläche
und Oberfläche prominieren und in letzterem Falle ab und zu eine
nabelförmige Delle besitzen. Außer diesen scharf abgegrenzten, eine
hellere, mehr gelbliche Färbung zeigenden Knoten in dem dazwischen¬
liegenden dunkler braunroten Leberparenchym auch noch zahlreichste,
zwar mangelhaft abgegrenzte, aber doch durch ihre hellere Farbe auch
deutlich zu erkennende, teils bis erbsengroße, teils eben noch mit
freiem Auge wahrnehmbare Herde (Fig. 1 b ) eingelagert, so daß
nirgends mehr zusammenhängendes, normal strukturiertes Lebergewebe
zu sehen ist.
Die Milz sehr stark, id est etwa auf das Siebenfache einer nor¬
malen Milz vergrößert, 20 cm lang, 17 cm breit, 8 cm dick, 1230^
schwer, hart, auf dem Durchschnitt dunkelrotbraun gefärbt, von gleich¬
mäßigem dichtem Gefüge, ihre Kapsel allenthalben fibrös verdickt.
Die Nieren von normaler Größe, mit glatter Oberfläche, mit
leicht abziehbarer Kapsel und normal gezeichnetem Parenchym. Die
Calices nicht erweitert, blaß, ebenso die Ureteren und die Schleimhaut
der stark mit dunklem klarem Harn erfüllten Harnblase. Vagina weit,
glatt, blaß. Uterus vergrößert, sehr derb. Tuben und Ovarien ohne
pathologische Veränderungen.
Die Schleimhaut des Magens und Darmes blaß, ödematös durch¬
feuchtet. Pankreas und Nebennieren normal. Mesenteriallymphdrüsen
klein. An den Dickdarmschlingen große Appendices epiploicae. Der
retrorektale Fettkörper sehr groß, hart.«
Nach diesem Sektionsbefunde wurde zunächst die pathologisch¬
anatomische Diagnose gestellt auf: Hyperplasia regeneratoria nodosa
et diffusa hepatis post atrophiam acutam? Tumor lienis chronicus,
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Übereinen Fall von fast totalem Umbau d. Leber m. knotiger Hyperplasie. 251
Hydrops aseites et Hydrothorax bilateralis. Oedema . extremitatura in-
feriorum et genitalis externi. Metritis chronica. Vulnus abdominis post
punctionem abdominis. Peritonitis fibrinosa circumscripta.
Die Leber und die Milz wurden behufs genauerer Untersuchung
in Formol (Sol. aq. 10%) konserviert und jetzt mir zum Studium
Obergeben.
Ehe ich zu der genaueren Schilderung des mikroskopischen Be¬
fundes übergehe, will ich kurz Gang und Methode, die ich zu meiner
Untersuchung anwandte, vorausschieken. Zunächst wurde die ganze
Leber in sieben gleichmäßig dicke Lamellen durch parallel ausgeführte
frontale Schnitte zerlegt. Die zwei mittleren davon wurden für das
Museum aufbewahrt (aufgestellt im Museum unter Nr. 5430); aus
jeder der übrigen fünf Lamellen wurden 5—8 Stücke (im ganzen 35),
welche den makroskopisch möglichst verschieden aussehenden Partien
entnommen wurden, zum Zwecke der mikroskopischen Untersuchung
ausgeschnitten. Die meisten Stücke wurden nach Celloidin-, einige
davon nach Paraftineinbettung mikrotomiert und die Schnitte teils
mit Hämatoxylin-Eosin, teils nach van Gieson gefärbt. Die Stücke aus
der Milz wurden ebenso behandelt. Die Leberstücke stammten also fast
aus allen Partien der Leber. Von der Milz untersuchte ich an drei
Stellen.
Wie erwähnt, konnte man die Leber makroskopisch im wesent¬
lichen in zwei Teile, nämlich die deutlich abgegrenzten Knoten und
die Substanz zwischen diesen Knoten mit den mangelhaft abgegrenzten
Herden, unterscheiden. Ich will zuerst die mikroskopischen Befunde der
deutlich abgegrenzten Knoten beschreiben.
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Knoten fällt
zunächst ins Auge, daß in ihnen kein einziger, regelmäßig radiär ge¬
bauter Acinus wahrnehmbar ist. Die Knoten bestehen vielmehr aus
ganz unregelmäßig angeordneten Massen großer Leberzellen, zwischen
denen da und dort durch Gallengänge und größere Blutgefäße cha¬
rakterisierte, wenig Bindegewebe enthaltende »Interlobularräurae« zu
sehen sind. Die Leberzellen haben meist große Kerne, nehmen die
Farbe weniger an und erscheinen heller als sonst Leberzellen, häufig
sind sie auch vakuolisiert. Nur in nächster Nähe mancher der »Inter¬
lobularräume« finden sich kleinere Leberzellen, die sich intensiver
färben. Die aus diesen kleineren Leberzellen formierten Zellstränge
dringen an vereinzelten Stellen von zarten, spärlichen, lockeren Binde¬
gewebsfasern begleitet in die Masse der blässeren großzelligen Leber¬
zellbalken hinein. Zuweilen gehen ihre Zellen direkt in die großen
Zellen über, mitunter hängen sie mit auch intensiver gefärbten analogen
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252
Dr. Miki Yamasaki.
Zellsträngen, die ihnen entgegenkommen, zusammen. Auf diese Weise
teilen sie dann eine Partie des Knotens wieder in viele, der Gestalt
und Größe nach äußerst unregelmäßige und unvollkommen abgegrenzte
Bezirke. In vielen »Interlobularräumen« sieht man starke Wucherung
von Gallengängen, und ist an solchen Stellen auch deutlich zu er¬
kennen, wie sich auch aus den gewucherten Epithelien der Gallen¬
gänge neue Leberzellenbalken bilden. Die Leberzellen werden dabei
rasch sehr groß, sind mit großen Kernen versehen und färben sich
zunächst noch etwas intensiver. An der Peripherie der Knoten findet
man die Leberzellen häufig stark abgeplattet und schlecht färbbar,
zumal an solchen Stellen, wo durch die Druckwirkung seitens der
Nachbarschaft die Leberzellen eine konzentrische bogenförmige An¬
ordnung angenommen haben (vide Fig. 2).
Die Gefäßverteilung innerhalb der Knoten ist im allgemeinen
sehr regellos und ungleichmäßig; namentlich sieht man bald Pfort¬
aderäste und Lebervenen nahe nebeneinander, nur durch wenige Leber¬
zellenbalken getrennt, bald mehrere größere Lebervenen allein inmitten
des großzelligen Parenchyms. Unverkennbare »Zentral venen« finden
sich nur sehr selten; ihr Querdurchmesser ist sehr schwankend. Im
Lumen der Lebervenen lassen sich außer den roten Blutkörperchen
und Leukocyten hier und dort einzelne Leberzellen erkennen.
Die Kapillaren sind in der Umgebung von Lebervenen mehr
oder weniger erweitert und mit Blut gefüllt, an solchen Stellen er¬
scheinen die Leberzellen dann häufig druckatrophisch, mitunter ist in
ihnen auch Steatose in verschiedenem Grade vorhanden.
Die Substanz zwischen den Knoten bietet mikroskopisch
ein komplizierteres Bild als die Knoten selbst. Normale Acini sind
auch hier nicht zu sehen, wohl aber vielfache Beste von solchen, die
aus kleineren, stärker färbbaren, oft auch fettig infiltrierten Leberzellen
bestehen. Daneben finden sich stets kleinere oder größere Massen der
großen Leberzellen, die in allen ihren Charakteren mit den großen
Leberzellen der Knoten übereinstimmen und darnach augenscheinlich
gleichfalls neugebildet sind. Durch die Einlagerung dieser Massen
(vide Fig. 3) von großen Leberzellen ist die acinöse Struktur der Leber
ganz verwischt, sind die Acini entweder stark difformiert oder auch
ganz substituiert und bestehen größere Anhäufungen der großen neu¬
gebildeten Leberzellen, welche die beider makroskopischen Beschreibung
erwähnten, mangelhaft abgegrenzten Herde im Gewebe zwischen den
Knoten bilden. Die großen Leberzellen scheinen auch hier wieder ent¬
weder aus den kleinen direkt hervorgegangen zu sein oder aus ge¬
wucherten Gallengängen ihren Ursprung genommen zu haben, also
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über einen Fall von fast totalem Umbau d.Leber m. knotiger Hyperplasie. 253
ganz so wie in den Knoten. Eine Bindegewebswucherung ist auch
hier also in dem Gewebe zwischen den Knoten nirgends vorhanden.
Das die größeren Gallengänge und portalen Venen begleitende Binde¬
gewebe ist vielmehr geradezu spärlich zu nennen und enthält dasselbe
nur sehr wenig Rundzellen. Hie und da waren kleine, etwa der Größe
eines Leberacinus entsprechende Herde von frischer Nekrose der Leber¬
zellen zu sehen, welche ihre Erklärung fanden in einer »Kokken¬
embolie« in den Kapillaren des betreffenden Bezirkes, die wahrscheinlich
mit der Peritonitis in Zusammenhang gestanden war.
Aus der mikroskopischen Untersuchung der Milz ergab
sich eine hochgradige Hyperplasie des Pulpagewebes ohne Vergrößerung
der Lymphfollikel; außerdem sah man beträchtliche Hyperämie und
etwas dickere Balken.
Wenn ich die mikroskopischen Befunde der Leber kurz zu¬
sammenfasse, so kann gesagt werden, daß in diesem Falle die
ganze Leber einen totalen Umbau erfahren hatte, so daß in
ihr nirgends mehr eine normale Struktur mit normal radiär gebauten
Acini vorhanden war. Die Leber bestand einerseits aus umschriebenen
Knoten, welche fast ganz aus neugebildeten Leberzellen zusammen¬
gesetzt waren. In den Knoten waren nur von den peripheren Anteilen
der einstigen Läppchen hie und da noch schmale Parenchymreste
übriggeblieben. Von diesen aus, mehr aber noch von den gewucherten
Gallengängen aus war die Neubildung des Leberparenchyms zur Ent¬
wicklung gekommen.
Es handelte sich also in den Knoten um eine Regeneration des
Leberparenchyms nach fast vollständigem Zugrundegehen desselben,
und hatte die Neubildung eine so beträchtliche Intensität, daß es zur
Knotenbildung, zur »Hyperplasia nodosa« gekommen war mit Ver¬
drängung des benachbarten Lebergewebes.
Was anderseits das Gewebe zwischen den Knoten betrifft, so
war hier der Bau der Leber insoferne verändert, als in den meisten
Acini, bald nur einen Teil derselben betreffend, bald sie gänzlich sub¬
stituierend, großzelliges Leberparenchym sich neugebildet hatte, welches
mit dem von früher Testierenden Parenchym abwechselte und so ein
sehr buntes Bild bedingte. Hier handelte es sich darnach um regenera¬
torische Vorgänge in der Leber nach nur partiellem Zugrundegehen
ihres Parenchyms, so daß im Gegensätze zu den Knoten noch mehr
von Aciniresten zu erkennen war. An manchen Stellen war die Hyper¬
plasie aber auch hier so mächtig geworden, daß daraus die früher er¬
wähnten, mangelhaft abgegrenzten Herde entstanden waren, welche
ich als Vorstufe der Knoten ansehen möchte. Eine Bindegewebs-
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254
Dr. Miki Yamasaki.
Vermehrung fehlte sowohl in den Knoten als zwischen denselben
gänzlich.
Somit ist es klar, daß im vorliegenden Falle einst das Leber¬
parenchym in ausgedehntem Maße zu Grunde gegangen war. Die
darauffolgende regeneratorische Neubildung hatte teils in Form knotiger,
teils in Form mehr diffuser Hyperplasie stattgefunden.
Bei der Beurteilung der Frage, welcher Krankheitsprozeß das
Zugrundegehen des Leberparenchyms bedingt haben mochte, kämen
nach den bisherigen Erfahrungen vor allem drei Möglichkeiten in
Betracht: die akute Leberatrophie im engeren Sinne, eine Intoxikation
und eine Infektionskrankheit. Aus der Krankengeschichte geht hervor,
daß die Patientin vor acht Jahren an einer fieberhaften Erkrankung
durch vier Wochen krank gewesen war und daß vor vier Jahren im
Anschlüsse an einen fieberhaften Prozeß nach einem Partus praematurus
die Anschwellung des Unterleibes sich eingestellt hatte, welche bis
zum Tode persistierte und in der letzten Zeit des Lebens zugenommen
hatte. Daraus kann erschlossen werden, daß wahrscheinlich eine in¬
fektiöse Erkrankung vor vier Jahren zu einer Alteration der Leber geführt
hatte, wodurch die Funktion der Leber schwer gestört wurde, so daß es
zu Hydrops ascites und dem klinischen Bilde der Lebercirrhose kam.
Was das damals für eine Affektion der Leber gewesen war, läßt
sich nicht bestimmt sagen. Es könnte an eine Krankheit aus dem Gebiete
der akuten Leberatrophie im weiteren Sinne gedacht werden, die eventuell
auf der Basis einer Infektion vom Uterus aus entstanden war und eine
hochgradige Zerstörung des Leberparenchyms hervorgerufen hatte.
Über die knotige Hyperplasie der Leber im Anschlüsse an zur
akuten Leberatrophie im weiteren Sinne gehörige Prozesse sind in der
neueren Zeit eine Reihe von Beobachtungen gemacht worden. Ich ver¬
weise diesbezüglich auf die Publikationen von Kretz ■), Marchand 2 ), 8 ),
Stroebe 4 ) und Barbacci 5 ).
’) Kretz, Über Hypertrophie und Regeneration des Lebergewebes. Wiener
klinische Wochenschrift. 1894, Nr. 20, S. 365, und Demonstration von Präparaten
circumskripter Hypertrophie des Lebergewebes, Kompensation bei Schwund des
Lebergewebes. Zentralblatt für pathologische Anatomie. 1894, Bd. V.
*) Marchand, Über Ausgang der akuten Leberatrophie in multiple knotige
Hyperplasie. Zieglers Beiträge. 1895, Bd. XVII, S. 206.
3 ) Marchand, Über knotige Hyperplasie der Leber. Münchener medizinische
Wochenschrift. 1902, Nr. 21.
4 ) Stroebe, Zur Kenntnis der sogenannten akuten Leberatrophie, ihrer Histo-
genese und Ätiologie mit besonderer Berücksichtigung der Spätstadien. Zieglers
Beiträge. 1897, Bd. XXI, S. 379.
5 ) Barbacci, Über Ausgang der akuten Leberatropbie in multiple knotige
Hyperplasie. Zieglers Beiträge. 1901, Bd. XXX, S. 49.
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über einen Pall von fast totalem Umbau d. Leber m. knotiger Hyperplasie. 255
Alle diese Fälle differieren aber von meinem Falle darin, daß
sieh zwischen den Knoten gefäßreiches Bindegewebe mit den Resten
des alten Leberparenchyms und der beginnenden regeneratorischen
Hyperplasie von Leberzellen fand, während in meinem Falle nirgends,
auch nicht zwischen den Knoten solches Bindegewebe zu sehen war.
Man müßte also annehmen, daß in meinem Falle ein in das Gebiet
der akuten Atrophie gehöriger Prozeß nicht das ganze Leberparenchym
mit einem Schlage betroffen hatte, sondern nur allerdings sehr reich¬
liche Teile desselben. Die zerstörten Partien wurden durch Neubildung
wieder ersetzt, wobei die Neubildung vielfach exzessiv wurde und zu
»knotiger Hyperplasie« führte. Die Funktion der Leber litt dabei,
namentlich wurde die Passage des Pfortaderblutes dadurch beträchtlich
erschwert und entstand so der Hydrops ascites. Vielleicht wirkte bei
der Patientin meines Falles dieselbe unbekannte Noxe, die vor vier
Jahren zum ersten Mal eine Leberparenchymzerstörung gesetzt hatte,
später abermals und mehrmals ein, wodurch die Zunahme des Hydrops
ascites, welche schließlich auch den Exitus bedingte, verständlich
würde.
Jedenfalls zeigt mein Fall wieder die weitgehende regeneratorische
Energie des Leberparenchyms, welche sozusagen zur Bildung einer
neuen Leber geführt hatte.
In der Frage, ob die Regeneration des Leberparenchyms aus
Resten der stehengebliebenen Leberzellen oder aus der Proliferation
der Gallengangsepithelien hervorging, muß ich mich dahin aus¬
sprechen, daß sie offenbar von beiden Elementen ausging, vorwiegend
aber von den letzteren.
Ich konnte zwar trotz genauer Untersuchung keine deutliche
Karyomitose weder in den Leberzellen noch in den Gallengangs¬
epithelien konstatieren, aber das reichliche Vorhandensein von Über¬
gangsformen von cylindrischen Gallengangsepithelien in die platten,
polygonalen Leberzellen und von den kleinen Leberzellen zu den
großen großkernigen Leberzellen erlaubte den sicheren Schluß auf die
genannte doppelte Abstammung des neugebildeten Leberparenchyms.
Knotige Hyperplasie der Leber wurde sonst noch gesehen bei
der Cirrhosis hepatis, bei welcher ein voller Umbau der Leber statt¬
findet (Kretz) ') und die Adenombildung durchaus nicht zu den Selten¬
heiten gehört (vide besonders Cornil et Ranvier 1 ), und auch nach
') Kretz, Über Lebercirrkose. Wiener klinische Wochenschrift. 1900, Nr. 12,
S. 271.
2 ) Cornil et Banvier, Manuel d'Histologie pathologique. 1881, Bd. II, pag. 438.
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256 Dr. Miki Yamasaki, C ber einen Fall von fast totalem Umbau d. Leber etc.
Stauungsatrophie der Leber, wie das z. B. Yamagiwa ') in seinem
III. Falle annimmt. Von einer Cirrhosis hepatis kann in meinem
Falle nicht die Rede sein, da sich gar keine entzündliche Wucherung
von Bindegewebe fand. Auch für eine primäre, der Hyperplasie des
Lebergewebes vorausgehende Stauungsbyperämie war kein Anhalts¬
punkt gegeben.
Ich kann also doch nur eine Schädigung respektive Zerstörung
des Leberparenchyms durch eine mir nicht näher bekannte Noxe, am
wahrscheinlichsten septischer Natur, als das Primäre in Bezug auf den
merkwürdigen Leberbefund supponieren.
Erklilrtmg der Abbildungen auf Tafel XXII.
Fig. 1. Aus der Mitte des linken Lappens. Natürliche Größe, a) Scharf
abgegrenzte Knoten; b) mangelhaft abgegrenzte Herde.
Fig. 2. Vom Rande eines Knotens. Zeiß Obj. E, Ob. 4. a) Knoten;
b) an den Knoten angrenzende Lebersubstanz; e) Abplattung der Leberzellen an
der Peripherie des Knotens.
Fig. 3. Aus der Lebersubstanz zwischen den Knoten. Zeiß Obj. E,
Ük. 4. a) Maße größerer Leberzellen; b) kleinzellige Reste des alten Leberparenchyms.
’) Yamagiwa, Über die knotige Hyperplasie und Adenome der Leber. Mit¬
teilungen aus der medizinischen Fakultät der kaiserlich japanischen Universität zu
Tokio. 1901, Bd. V, Nr. 1, S. 57.
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(Ans der Prosektnr des k. k. Kaiser Franz Joseph-Spitales in Wien [Vor¬
stand: Prof. Dr. R. Kretz].)
Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen
Krankheit.
Von
Dr. Josef Wiesel,
Prosekturs-Adj unkt.
In vorliegender Arbeit soll der Versuch gewagt werden, die
Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren durch das erneuerte Studium
der Anatomie und Entwicklung des sympathischen Nervensystemes
und der Nebenniere gemacht haben, für eine Erkrankung zu ver¬
werten, deren Pathogenese trotz der vielen und genauen Unter¬
suchungen, die seit ihrer ersten Beschreibung vorliegen, noch in
vielen Punkten unklar ist, für den Morbus Addisonii.
Bekanntlich wies schon Addison auf die Tatsache hin, daß die
Nebennieren, respektive deren Erkrankung in erster Linie für das
Auftreten des von ihm beschriebenen Symptomenkomplexes verant¬
wortlich zu machen seien. Eine ganze Reihe von Untersuchungen
folgten, die diese Annahme durchaus bestätigen konnten. Immer fand
sich eine Erkrankung der Nebenniere, am häufigsten Tuberkulose. Es
beschrieben aber einzelne Autoren Fälle, bei denen klinisch unzweifel¬
haft die Diagnose »Morbus Addisonii« gestellt werden mußte, die
Autopsie dagegen das überraschende Ergebnis lieferte, daß beide
Nebennieren vollständig intakt waren.
Anderseits wurden aber auch Fälle in der Literatur bekannt,
bei denen trotz vollständiger Desorganisation der Nebenniere klinisch
kein einziger Teil der ArMfsonschen Svmptomentrias manifest wurde.
Diese und ähnliche Fälle führten dahin, auch den Sympathikus,
speziell in seinem abdominellen Anteile, hauptsächlich in den großen
Ganglien, deren innige Beziehung zur Nebenniere bekannt war, für
die Pathogenese des Morbus Addisonii heranzuziehen.
Es folgten eingehende Untersuchungen speziell von Kahlden '),
Fleiner-). Brauer 3 ) und Ewald' ), die tatsächlich Veränderungen des
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258
Dr. Josef Wiesel.
sympathischen Nervensystemes bei Morbus Addisonii lieferten, Ver¬
änderungen, die sowohl den ganglionösen als den faserigen Apparat
dieses Nervenabschnittes betrafen. Die Untersuchungen blieben nicht
allein auf den Sympathikus beschränkt, sondern wurden auch auf die
Splanchnici, die Spinalganglien, Rückenmark und Gehirn ausgedehnt.
Den hierbei angetroffenen Veränderungen, die weiter unten bei Be¬
sprechung der Literatur noch genauer beschrieben werden sollen,
wurde von einzelnen Untersuchern eine entscheidende Rolle für die
Pathogenese des Morbus Addisonii zuerteilt. Es wurde behauptet, daß
der Symptomenkomplex in erster Linie als Erkrankung des großen
ganglionösen Apparates des Bauchsympathikus aufzufassen sei, die
sekundär auch auf übrige Teile des Nervensystemes sich erstrecke;
die Erkrankung der Nebenniere sei dabei von untergeordneter Dignität.
Diese Auffassung erschien von dem Momente an insuffizient,
als darauf hingewiesen wurde, daß nicht immer, sondern im Gegen¬
teil selten manifeste Veränderungen im sympathischen Nervensysteme
anzutreffen seien, ferner als auch Arbeiten erschienen, die die von ein¬
zelnen Beschreibern als typisch für Morbus Addisonii angesprochenen
Sympathikusveränderungen auch bei allen möglichen anderen Krank¬
heiten nachweisen konnten, so z. B. die sogenannte Pigmentatrophie
der Ganglienzellen, die sich sogar als physiologische Altersveränderung
erwies. Hingegen fanden sich auch Fälle, die pathologische Ver¬
änderungen im Sympathikus bei vollständig intakten Nebennieren zeigten.
Es schien also, daß es nicht möglich sei, die Pathologie des
Morbus Addisonii so aufzufassen, daß es sich um eine Erkrankung der
Nebennieren oder des sympathischen Nervensystemes handle. Man
suchte nun, von der Erkenntnis ausgehend, daß Nebenniere und Sym¬
pathikus in einer innigen Beziehung stehen, die Erkrankung beider
Teile zusammen für die Pathogenese des Morbus Addisonii heran¬
zuziehen.
In geistvollster Weise hat Neusser h ) in seiner Monographie Ȇber
die Erkrankungen der Nebennieren« diesem Gedanken Ausdruck ver¬
liehen durch seine Auffassung des Morbus Addisonii als »System¬
erkrankung im Bereiche des Splanchnikus und der dazugehörigen
zentralen und peripheren Nervenbahnen, sowie der Schalt- respektive
Endorgane« (Nebennieren) desselben.
Nach seiner Ansicht »wäre die Lokalisation des degenerativen
Prozesses gleichgültig ob im Rückenmarke als Zentrum oder im Ver¬
laufe des Splanchnikus, beziehungsweise in dem ihm als Schallorgan
zum Teil angehörigen Ganglion coeliacum, oder aber im Endapparate,
den Nebennieren, selbst«.
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
259
Neusser kommt zu diesen Schlüssen durch die physiologischen
Erfahrungen, denen zufolge der Splanchnikus und seine Ausstrahlung
im Sonnengeflecht als sekretorisch-trophischer Nerv der Nebenniere
aufzufassen sei, ferner auch durch den anatomischen Bau der
Nebenniere, respektive den Beziehungen zwischen Nervenendigung
und Parenchymzelle in der Marksubstanz der Nebenniere, die, wie
KöUiker beschrieb, sich mit einem Endbäumchen im Sinne Waldeyers
vergleichen lasse.
Trotz dieser vielen und eingehenden Untersuchungen, über die
der vorstehende historische Überblick nur summarisch hinwegging,
bleibt doch eine Lücke; überall liest man von den nahen Beziehungen
des sympathischen Nervensystems und der Nebenniere, ohne daß gesagt
sei, worin diese innigen Beziehungen eigentlich beständen.
Daß die Nebenniere vom Sympathikus inner viert und ernährt
wird, ist durchaus keine Beziehung, die nicht auch andere Organe
zu diesem Nervensysteme haben, jedenfalls keine, die uns ausreichend
darüber Klarheit verschafft, warum die Erkrankung der Nebenniere
so oft dazu führt, auch den Sympathikus in Mitleidenschaft zu ziehen,
oder umgekehrt.
Wenn wir aber den Beweis liefern, daß Nebenniere und Sym¬
pathikus nicht nur in der oben besprochenen Beziehung stehen,
sondern in einem großen Abschnitte des secernierenden Gewebes
völlig identisch sind, mit anderen Worten, wenn wir behaupten, der
Sympathikus enthalte Zellen und Zellkoraplexe, die ihrem Baue, ihrer
Funktion und ihrer Entwicklung nach völlig identisch sind mit jenen
eines Hauptabschnittes der Nebenniere, der Marksubstanz, so haben
wir eine Beziehung, die völlig geeignet ist, einige dunkle Punkte in der
Pathogenese des Morbus Adciisonii zu klären.
Daß diese Beziehung besteht, daß wir mit Recht davon sprechen
können, ein Teil der im Sympathikus gelegenen Zellen stelle nichts
anderes dar als Marksubstanz, wie sie die Nebenniere enthält, darüber
kann nach den Erfahrungen der letzten Jahre kein Zweifel mehr bestehen.
Es soll nun in Kürze jener Auffassung über den Bau der
Nebenniere und des Sympathikus Raum gegeben werden, welche zu
der Annahme führt, daß wir außer dem einheitlichen, aus »Mark und
Rinde« bestehenden Organe Nebenniere physiologisch und anato¬
misch gleichwertige Zellgruppen von sogenannter Marksubstanz jeder¬
zeit in allen Abschnitten des sympathischen Nervensystems finden,
und auch Rindenpartien, sogenannte accessorische Nebennieren, an
den verschiedensten Stellen des menschlichen Körpers ebenfalls typisch
vorhanden sind.
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Dr. Josef Wiesel.
Jene Zellen, die einen integrierenden Bestandteil des
sympathischen Nervensystems bilden und aus denen die
Hauptmasse der Marksubstanz der Nebennieren sich auf¬
baut, sind die »chromaffinen« Zellen.*)
Die sogenannte Rinde hat anatomisch, entwicklungsgeschicht¬
lich und in gewisser Hinsicht sicher auch funktionell mit dem chro¬
maffinen Gewebe nichts zu tun, sondern bildet ein Organ für sich,
dessen Funktion noch unbekannt ist, während die des chromaffinen
Gewebes — zum Teile wenigstens — geklärt erscheint (siehe unten).
Schon vor langer Zeit wurde (von Henle und Stilling zuerst) der
Nachweis erbracht, daß das Plasma der Zellen der Marksubstanz die
Eigentümlichkeit besitze, sich bei der Fixation mit chromsäurehaltigen
Gemischen, vorzüglich aber mit den Salzen der Dichromsäure intensiv
gelb oder braun zu imprägnieren. Von dieser Imprägnationsfähigkeit
dieser Zellen mit Chromaten stammt der von Stilling eingeführte
Namen chromophil.
Andere Untersucher wiesen dann die chromaffinen Zellen bei
Tieren nach, auch bei jenen, welche Mark und Rinde nicht als ein¬
heitliches Organ, sondern als nebeneinanderliegende Massen besitzen
(die »braunen Zellen« von v. Braun).
A. Kohn 1 ) hat in seinen Arbeiten, speziell in der Ȇber die
Nebenniere der Selachier«, unzweifelhaft nachgewiesen, daß die soge¬
nannten Suprarenalkörper dieser Fische, welche Körper das Neben¬
nierenmark repräsentieren, aus dem Sympathikus sich entwickeln und
zum großen Teile aus chromaffinen Zellen bestehen. Derselbe Autor
hat im Verein mit Kose s ) auch im sympathischen Nervensysteme des
Grenzstranges, den Plexusganglien, des Menschen größere und kleinere
Anhäufungen von chromaffinen Zellen beschrieben, die dann später
von Kohn 1 ) als »Paraganglien« bezeichnet wurden. Endlich hat
Zuckerkandl 9 ) für den Menschen, speziell den Neugeborenen, die
»Nebenkörper des Sympathikus« beschrieben, paarige, am Abgänge
der unteren Gekrösarterie gelegene, mächtige Körper, die einzig und
allein aus chromaffinem Gewebe bestehen, nachgewiesen.
Mir 10 ) ist es. wie ich glaube, gelungen, für die Entwicklung
der größten Anhäufung chromaffinen Gewebes im menschlichen
Körper, der Marksubstanz, einwandsfrei die Abstammung dieses Ge¬
webes aus dem sympathischen Nervensysteme — ein viel umstrittenes
Kapitel — festzustellen.
*) Der Ausdruck »chromaffine Zellen« stammt von Kohn; Synonyma sind:
chromophile Zellen (Stillint/) und jduioehrome Zellen (Poll*).
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
261
Auf die Einzelheiten der hier angeführten Arbeiten einzugehen,
halte ich für überflüssig; die bereits ziemlich umfangreiche Literatur
findet sich am Ende dieser Arbeit.*)
Wir haben also nach unseren bisherigen Erfahrungen das Recht,
zu behaupten, daß wir im Sympathikus außer dem spezifischen
Baumateriale des Nervensystemes, Ganglienzellen und Ner¬
venfasern, noch einen dritten Bestandteil als typisch und
physiologisch anerkennen müssen, die chromaffinen Zellen.
Dieselben finden sich im ganzen Sympathikus verstreut. Oft als mäch¬
tige, makroskopisch deutlich sichtbare Organe ( Zuckerkandis Neben¬
körper), häufig als kleine und kleinste Knötchen in den Plexus¬
ganglien, oder wir finden bloß einzelne Zellen. Immer sind sie aber
durchaus charakteristisch in ihrem Baue und der spezifischen Chrom¬
reaktion. Wir finden sie den Ganglienzellen angelagert, immer aber
neben den Ganglien, nie in größerer Anzahl zwischen Ganglienzellen
disseminiert, oder wir finden sie in den Verlauf eines sympathischen
Nerven eingebettet.
Wenn auch nur zwei oder drei Zellen beisammenliegen, be¬
sitzen sie eine deutliche Kapsel aus Bindegewebe.
Es wurde schon hervorgehoben, daß in unzweifelhafter Weise
(von Kolm, Zuckerkandl und mir) nachgewiesen wurde, daß alle
cbromaffinen Zellen, auch die Marksubstanz, bloß aus dem Sym¬
pathikus stammen. In frühen Embryonalperioden treten im Verlaufe des
Grenzstranges »sympathische Bildungszellen * auf, wie ich sie nannte,
aus denen sich dann die — beim Fötus und Neugeborenen sehr
mächtigen — chromaffinen Organe entwickeln, anderseits mit Gefäßen
und Nerven in die Nebenniere wandern, um sich innerhalb der Rinde
zu definitiver Marksubstanz umzubilden.
Während der Embryonalperiode reifen die im und am Sym¬
pathikus gelegenen Anhäufungen von sympathischen Bildungszellen viel
früher zu definitiven chroraaffinen Zellen heran, als das die in das
Nebennierenparenchym eingewanderten Zellen tun. Ich habe in Bezug
auf diesen interessanten Befund die Vermutung ausgesprochen, daß
die ehromaffinen Zellen im Sympathikus während der Embryonal¬
periode allein die Funktionen der Marksubstanz zu erfüllen haben, bis
diese sich vollständig ausgebildet hat.
*) In zusammenfassender Weise hat A, Kohn in seiner soeben erschienenen
Arbeit »Die Paraganglien« die Anatomie und Entwicklung der chromaffinen Zellen
behandelt. (Archiv für mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1903,
Bd. LXII, S. 263 ff.)
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Dr. Josef Wiesel.
Beim Studium dieser Verhältnisse, wie sie sieh bei Schnitten durch
den ßetroperitonaealraum des Neugeborenen darstellen, sind wir über¬
rascht von der Fülle chroraaffinen Gewebes, beispielsweise im Plexus
coeliacus oder in der Gegend des Abganges der unteren Gekrösarterie.
Im späteren Leben, speziell nach der Ausbildung der Marksubstanz bildet
sich ein Teil der chromaffinen Körper und Zellen im Sympathikus zurück.
Aber wir treffen bei Individuen verschiedensten Alters bis
zum Senium jederzeit in allen Abschnitten des sympathischen
Nervensystems größere oder kleinere Anhäufungen von chro¬
maffinen Zellen, so daß wir wohl zu dem Schlüsse berechtigt
erscheinen, diesen Bestandteil des sympathischen Nerven¬
systems als einen für den Organismus physiologischen und
funktionstüchtigen anzusehen. Ich habe viele Dutzende von Ganglien
des Grenzstranges, der Geflechte und der sympathischen Nerven von Men¬
schen der verschiedensten Altersstufen untersucht (über 100 Individuen)
und konnte niemals einen negativen Befund verzeichnen. Beim erwach¬
senen Individuum finden wir die chromaffinen Zellen am häufigsten in
den großen Ganglien des Bauchsympathikus, außerdem aber auch in vari¬
abler Anzahl in den Ganglien des Grenzstranges vom Halse bis ins Becken.
Auch im Splanchnikus finden sich chromaffine Zellen eingelagert.
Ebenso finden sich im Beckenanteil des Sympathikus, im Plexus hypo-
gastricus, kleinere und größere Häufchen chroraaffiner Zellen. Jüngst
beschrieb Aschoff 1 ') chromaffine Zellen im Ligamentum latum und an
der Paradidymis. Daß die chromaffinen Zellen trotz ihrer Abstam¬
mung vom sympathischen Nervensystem Funktionen zu erfüllen haben,
die sich eng an die intern secernierenden Zellen anschließen, glauben
Biedl und ich 12 ) in unserer gemeinschaftlichen Arbeit >Über die funk¬
tioneile Bedeutung der Nebenkörper des Sympathikus und der chrom-
affinen Zellgruppen« nachgewiesen zu haben. Wir kamen zu dem
Resultate, daß die Funktion der chromaffinen Zellen in Produktion
einer Substanz bestehe, welche durch Erhöhung des Tonus der glatten
Gefäßmuskulatur mächtige Blutdrucksteigerung im arteriellen Kreisläufe
zu erzeugen im stände ist. Schon minimale Mengen eines Extraktes
von chromaffinen Zellen, das wir durch Verreibung der Nebenkörper
des Sympathikus gewannen, genügt, um intravenös injiziert dieselbe
Wirkung auf den Kreislauf zu produzieren wie das Extrakt der Neben¬
niere. Wenn wir nun bedenken, daß die Marksubstanz sich ebenfalls
— von den spärlichen Ganglienzellen abgesehen — aus chromaffinen
Zellen aufbaut, so kommen wir zu dem Schlüsse, daß auch die be¬
kannte Wirkung der Nebennierenextrakte auf die Circulation aus der
Funktion der chromaffinen Zellen sich ableiten läßt.
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
263
Wir haben demnach sowohl ihrem Baue als auch ihrer Funk¬
tion nach die chromaffinen Zellen als drüsenähnliche Zellen mit
interner Sekretion aufzufassen. Es liegt kein einziger Grund vor, an-
zunehraen, daß in vivo bloß die chroraaffinen Zellen der Marksubstanz
funktionstüchtig sind; die im Sympathikus eingelagerten Zellen zeigen
ja ihrem Bau, ihrer Reaktion nach gar keinen Unterschied von denen
der Marksubstanz.
Von vielen Autoren wurden ferner an den verschiedensten Stellen
des menschlichen Körpers accessorische Nebennieren, die nur aus Rinde
bestehen, beschrieben. (Am häufigsten in der nächsten Nähe des
Hauptorganes: ferner in dem Plexus des Bauchsympathikus, dem Liga¬
mentum latura, am Nebenhoden u. s. w.)
Auch diese Organe stellen nicht nur hinfällige Reste von ent¬
wicklungsgeschichtlich begründeten Bildungen dar, sondern sind sehr
wohl im stände, beim Ausfall der Funktion des Hauptorganes durch
kompensatorische Hypertrophie wenigstens teilweise für diesen Defekt
einzutreten, wie das durch Stilltng l3 ), Velich **) und mir 15 ) unzwei¬
deutig nachgewiesen wurde. So finden wir beispielsweise regelmäßig
bei der Ratte einen mikroskopisch kleinen Rindenknoten am distalen
Teil des Ductus deferens; nach Exstirpation einer Nebenniere constatie-
ren wir nach einiger Zeit immer, daß dieser kleine Körper am Neben¬
hoden zu einem makroskopisch deutlich sichtbaren Gebilde sich ent¬
wickelt, das sicherlich einen Teil der durch den Ausfall des einen
Hauptorganes gesetzten Defektes zu decken im stände ist. Ähnliches
beobachtete Velich an den accessorischen Nebennieren längs der Cava
des Kaninchens u. s. w.
Fassen wir nun in Kürze zusammen, was uns diese Befunde
lehren, so ist das folgendes:
Im tierischen Körper bestehen außer dem einheit¬
lichen, aus Rinde und Marksubstanz bestehendem Organe
»Nebenniere« noch eine ganze Reihe anderer Gebilde, die
sich aus denselben Zellgruppen zusammensetzen wie die
Rinde (accessorische Nebennieren) und wie die Marksubstanz
(chromaffine Zellgruppen im Sympathikus).
Der Sympathikus besitzt als physiologischen Bestand¬
teil außer dem spezifischen Baumateriale des Nervensystems
einen dritten, der sich seiner Funktion nach am besten
mit intern secernierenden Zellen vergleichen läßt.
Dieser dritte Bestandteil des Sympathikus formiert
einzig und allein den parenchymatösen Abschnitt der Mark¬
substanz der Nebenniere, ist genetisch und anatomisch
Zeitschr. f. Heilk. 1903. AM. f. path. Anat. u. vorw. Disziplinen. 18
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Dr. Josef Wiesel.
durchaus von der Rinde zu trennen, die. epithelialen Ur¬
sprunges, nur in nächster topographischer Beziehung zu
der Hauptmasse des chromaffinen Gewebes, eben der Mark¬
substanz, steht, die entwicklungsgeschichtlich nur dem
Sympathikus angehört.
Die chromaffinen Zellen besitzen ferner eine hohe
physiologische Dignität, deren bis nun bekannte Funktion
(Beeinflussung des Gefäßtonus) vollständig unabhängig von
der Rinde der Nebenniere abläuft, allen chromaffinen Zellen
zukommt, gleichgültig, ob dieselben als Marksubstanz in
der Nebenniere lagern oder, von dieser weit entfernt, im
Sympathikus eingebettet sind oder ihm anliegen.
Wir haben demnach die Gesamtmasse des chromaffinen
Gewebes im menschlichen Körper, die Marksubstanz der
Nebenniere miteinbegriffen, als ein System von einheitlich
funktionierenden Zellen anzuerkennen, das strenge von der
Rindenmasse der Nebenniere zu trennen ist.
Mit Berücksichtigung dieser Tatsachen wollen wir nun ver¬
suchen, auf Grund genauer histologischer Untersuchungen die bis
jetzt am meisten studierte Erkrankung der Nebenniere, den Morbus
Addisonii, von einem weiteren Gesichtspunkte aus zu beleuchten, als
das bisher geschehen.
Wenn auch durch die neu erhobenen anatomischen Befunde
über den Bau der Nebenniere und ihre Beziehung zum Sympathikus
sämtliche bisherigen Literaturaugaben über die Pathogenese des Morbus
Addisonii an Wert verlieren, da auf diese oben besprochenen wich¬
tigen Verhältnisse keine Rücksicht genommen werden konnte — die
anatomischen Tatsachen, von denen eben die Rede war, wurden ja
erst in jüngster Vergangenheit erhoben und bei dem Studium des
Morbus Addisonii noch nicht in Rechnung gezogen — so will ich doch
auf die einschlägigen Arbeiten der letzten zwei Jahrzehnte näher ein-
gehen; es wird sich nämlich zeigen, daß einzelne Angaben, speziell
über die Veränderungen im ganglionösen Abschnitt des Sympathikus,
zum Teil richtig erklärt wurden.
Ausführlichste Literatur über den Morbus Addisonii zu bringen,
halte ich für überflüssig; ich verweise auf die Literaturangaben von
v. Kahlden 15 ) und Neusser u ), ferner auf die von Lewin 16 ) (Kasuistik).
In erster Linie sollen im folgenden jene Arbeiten berücksichtigt
werden, die sich mit Veränderungen im sympathischen Nervensysteme
beschäftigen. Diese Veränderungen betrafen in erster Linie die großen
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
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Plexus des Bauchsympathikus, in welchen sich Bindegewebswucherun¬
gen des interstitiellen Gewebes, Verdickung der Gefäße, ferner Atro¬
phie der Ganglienzellen, Pigment- und Lipochrombildung in denselben
nachweisen ließen. Weiters betrafen die pathologischen Prozesse auch
den faserigen Anteil des Sympathikus; einzelne Autoren berichten
auch von Veränderungen in den höheren Zentren, Bückenmark und
Gehirn.
v. Kahlden '), 17 ) findet bei zwei Fällen von Morbus Addisonii
Pigmentatrophie des linken Ganglion semilunare, hyaline Degenera¬
tion der verdickten Wandung zahlreicher Gefäße, kleinzellige Infil¬
tration der Adventitia. Der Splanchnikus und die in der Nähe sich
befindlichen Nervenbündel normal.
Auf der rechten Seite derselbe anatomische Befund, ohne hya¬
line Degeneration und ohne kleinzellige Herde. Die beiden Neben¬
nieren verkäst.
Interessant ist der histologische Befund an den Ganglienzellen
in Bezug auf die Pigmentierung. Da ich weiter unten auf diese Pig¬
mentierungen noch genauer zu sprechen kommen werde, seien gleich
hier die Befunde v. Kahldens notiert.
Meist waren in den leicht ovalen Zellen nur die beiden Pole
mit einer dichten Menge von Pigment angefüllt.
In einer weiteren Anzahl von Fällen war der Zelleib vollständig
angefüllt mit denselben Pigmentmassen, auch hier war der Kern und
in vielen Zellen auch das Kernkörperchen noch deutlich. Schließlich
waren aber auch manche Zellen ganz vollgepfropft mit Pigment und
der Kern gar nicht mehr sichtbar.
Ob er in diesen Fällen nur vollständig mit Pigment verdeckt
oder ob er zu Grunde gegangen war, läßt sich nicht mehr entscheiden.
Diejenigen Zellen, die nur zum Teil Pigment enthielten, schienen
eher etwas größer zu sein als normal, dagegen waren diejenigen
Zellen, deren ganzer Inhalt durch Pigment gebildet war und die
Zellnatur nur an den Konturen und an den Verhältnissen zur Kapsel
zu erkennen war, entschieden verkleinert.
Roloff 1S ) beschreibt einen Fall von Addison mit normalen
Ganglien und erhaltener Markschicht.
Walmcau 19 ) find in seinen Fällen Pigmentatrophie der Neben¬
nieren, ferner einmal eine accessorische Nebenniere im Plexus, Ver¬
käsung beider Hauptorgane.
Nothnagel 2 ") beschreibt einen Fall von Morbus Addison mit
Einbeziehung der Ganglia coeliaca in die Bindegewebswucherung.
Nebennieren verkäst.
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Dr. Josef Wiesel.
Lanceraux 2I ) untersuchte mehrere Fälle von Addison mit Pig¬
mentierung der Ganglienzellen. Interessant ist der eine Fall, bei dem
nur starke Veränderungen der Marksubstanz vorhanden waren.
Babes und Kalindero 22 ) berichten über starke Pigmentierung der
Ganglienzellen bei gleichzeitig bestehender Verkäsung beider Neben¬
nieren.
Älezais et Arnaud 23 ) sind der Ansicht, daß durch Übergreifen
der Entzündung von der Nebenniere auf ihre perikapsuläreu Ganglien
Addison entstehe ohne Erkrankung des Plexus solaris.
Posselt 2x ) fand bei Addison bei Verkäsung der Nebenniere disse-
minierte Herde im Rückenmark.
Hatothome 2i ) fand käsig infiltrierte Ganglia semilunaria.
Suppino 26 ) ist der Ansicht, daß die Beteiligung des Plexus
nur eine untergeordnete Rolle beim Zustandekommen des Morbus
Addisonii spiele, und hält Autointoxikation durch Insuffizienz der Neben¬
niere für das ätiologisch wichtige Moment. Die Fälle von Morbus
Addisonii ohne Nebennierenerkrankung seien auf die nahe Beziehung
zwischen Nebenniere und Sympathikus zurückzuführen. Die kortikalen
und spinalen Veränderungen (Ohromatolyse) zahlreicher Pyramiden¬
zellen und Erweiterung der pericellulären Räume seien für die Apathie
und motorische Asthenie beim Morbus Addisonii verantwortlich zu
machen.
Bramwell 27 ) beschreibt unter anderen auch einen Fall von
Addison mit vollständiger Aplasie beider Nebennieren. An ihrer Stelle
wurde Fettgewebe gefunden, das vielleicht Reste der Nebennieren
darstellen soll.
Von großer Bedeutung in Bezug auf Veränderungen im Nerven¬
systeme bei Morbus Addisonii ist die Arbeit von Fleiner 2 ). Bei dem
einen seiner Fälle beschreibt dieser Autor, abgesehen von der Tuber¬
kulose beider Nebennieren, umfangreiche Rundzelleninfiltrate in den
Kapseln der Ganglien im Plexus solaris. Ferner starke Pigmentation
der Ganglienzellen, an einzelnen hyalines Exsudat im Kapselraum.
Außerdem fanden sich Varikositäten der markhaltigen Fasern, Zer¬
klüftungen und körniger Zerfall. Die Zellen des Grenzstranges zeigen
dasselbe Bild wie die des Plexus, der Grenzstrang selbst ist atrophisch.
Die Spinalganglien sind verdickt und stark pigmentiert.
In einem weiteren Falle wurde das Bild des Addison durch
Xobenuierenmetastasen von einem primären Carcinom der retroperito-
nealen Lymphdrüsen erzeugt. Die Metastasen ließen die Nebennierenrinde
fast völlig intakt und saßen hauptsächlich in der Marksubstanz. Die
Veränderungen an den Ganglien waren ähnliche wie im ersten Falle.
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
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Fleiner kommt zu dem Schlüsse, daß ein Zustand chronischer
Entzündung, welcher, von den degenerierten Nebennieren aufsteigend,
seine höchsten Grade in den Semilunargauglien des Sympathikus und
in den Intervertebralganglien darbietet und in geringeren Intensitäts¬
graden in den Ganglien des Brustsympathikus und in den Cervical-
ganglien nachweisbar ist, und welcher neben den Veränderungen am
Bindegewebe besonders in einer intensiven Atrophie der Ganglienzellen
und in einer ausgedehnten Degeneration raarkhaltiger Nervenfasern
im Sympathikus und im Splanchnikus zum Ausdruck kommt, als
charakteristisch für Morbus Addisonii anzusehen sei.
In einer weiteren Arbeit berichtet v. Kahlden über acht neue
Fälle von Morbus Addisonii, die insgesamt keine Veränderungen im
Sympathikus nachweisen ließen. Er kommt zu dem Schlüsse, daß die
wesentlichste Bedingung für die Addisonsche Krankheit die Ver¬
änderungen in den Nebennieren seien, und läßt es dahingestellt, ob
dem Sympathikus eine Bolle beim Zustandekommen dieser Krankheit
zuzuerteilen sei. ,
Leichtenstern 2S ) fand bei einem Falle von Morbus Addisonii
außer Veränderungen in den Nebennieren ausgiebige Verkäsung des
Plexus coeliacus.
Guay 29 ) beschreibt Ganglienzellen, die pigmentiert und sklero-
siert sind, und stellt die Behauptung auf, der Addison beruhe auf
einer Läsion des Sympathikus. Diese Läsion könne in jedem Teile des
Sympathikus ihren Sitz haben, am häufigsten im Bauchsympathikus.
Die Erkrankung der Nebenniere spiele nur insofern eine Bolle, als
sich die Erkrankung von ihr auf die Umgebung fortsetzt.
Marchand 30 ) berichtet von einem Falle von Morbus Addisonii,
bei dem die Nebennieren in eine Tumormasse umgewandelt waren,
die mikroskopisch noch Beste von Bindenpartien erkennen ließ (viel¬
leicht Tumor, von der Marksubstanz ausgehend). Die Zellen des
Ganglion coeliacum sind gelblich pigmentiert und durch rundliche
Zellen auseinandergedrängt. Marchand sagt außerdem, daß auch
schwere Degenerationen der Nebenniere und des Plexus oft nicht den
Addisonschen Komplex hervortreten lassen.
Mildasseicski 3 ‘) beobachtete starke Veränderungen in den Neben¬
nieren ohne Gehirn- oder Bückenmarkserkrankung: exzessive Pigmen¬
tierung der Intervertebralganglien; dasselbe an den Plexusganglien,
nebst Atrophie der Zellen. Die Pigmentkörner hält Miklassewski für
Lipochrome.
Brauer 3 ) beschreibt einen Fall von Morbus Addisonii mit ge¬
nauer Untersuchung des Nervensystemes. Spinalganglien normal. Tm
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Dr. Josef Wiesel.
Halsteile des Sympathikus finden sich wenig pigmentiert« Ganglien¬
zellen, keine kleinzelligen Infiltrationen, geringe Kapsel Verdickung,
ähnliche Veränderungen im Brustteile des Sympathikus und im Plexus
coeliacus. Ferner beschreibt Brauer sowohl bei Tuberkulose (ohne
spezielle Beteiligung der Nebenniere) sowie bei einem Falle von akuter
eiteriger Spinalmeningitis nach Wirbelsäulenkaries Varikositäten der
markhaltigen Fasern, starke Pigmentierung der Ganglienzellen im
Plexus coeliacus und kommt zu dem Schlüsse: »Es ist bis zur Stunde
nicht erwiesen, daß in einer anatomisch nachweisbaren Affektion des
sympathischen Nervensystems das charakteristische Substrat für den
Morbus Addisonii zu suchen sei. Die Inkonstanz der histologischen
Befunde, die gerechten Zweifel, die in die pathologische Dignität
einiger der beschriebenen Veränderungen zu setzen sind, die gleich¬
artigen, auch sonst am Sympathikus nachgewieseuen Läsionen ohne
gleichzeitigen Morbus Addisonii, endlich die einzelnen, völlig nega¬
tiven Befunde machen es sehr wahrscheinlich, daß Sympathikus¬
affektionen und Morbus Addisonii nicht in festgefügter Wechsel¬
beziehung stehen, daß der letztei’e nicht aus ersterem heraus zu
erklären ist. Eher ist es möglich, daß in Abhängigkeit von der uns
noch unbekannten Ursache des Morbus Addisonii oder infolge starker
Kachexie sekundäre Störungen im sympathischen Systeme entstehen
und so vielleicht einzelne Symptome der Krankheit hervorrufen oder
beeinflussen.«
Haie White 32 ) untersuchte Semilunar- und Halsganglien von
Individuen, die an den verschiedensten Krankheiten gestorben waren,
und fand sehr häufig die Nervenzellen in eine Masse von hellem,
gelblichrotem, glasigem Pigment umgewandelt. Beim Erwachsenen
fände sich überhaupt sehr häufig Pigmentatrophie der Ganglienzellen.
Dufour 33 ) faßt den Morbus Addisonii als eine schwere Altera¬
tion des Nervensystems auf.
Fenunck 3i ) macht die Erkrankung der Nebenniere bei Morbus
Addisonii verantwortlich für die konstitutionellen Symptome.
Lewin ,6 ) sagt in seiner großen statistischen Arbeit über Morbus
Addisonii, daß der Sympathikus nur in zirka 8% der Fälle erkrankt
gefunden wird.
Fas 35 ) fand in verschiedenen Zellen des Grenzstranges bei
Addison reichlich Pigment.
White 36 ) folgert aus dem histologischen Bau der Nervenzellen
auf ihre Funktionstüchtigkeit. Besonders wenn die Zellen pigment¬
haltig sind, ihre Bindegewebshüllen nicht vollständig erfüllen, das
Protoplasma granuliert erscheint, ist die Zelle nicht funktionierend.
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
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Giovanni 31 ) fand bei verschiedenen Krankheiten Pigmentationen
und Bindegewebswucherungen.
Marchand 3S ) endlich beschrieb jüngst einen Fall von Atrophie
der Nebennieren, ohne einen Befund am sympathischen Nervensysteme
anzugeben.
Aus diesen Literaturangaben, die übrigens keineswegs das Recht
haben, als vollständig zu gelten, finden wir als Veränderungen, ab¬
gesehen von der Erkrankung der Nebenniere, Zerfall und Atrophie
der Ganglienzellen, Pigmentatrophie, kleinzellige Infiltrate, Verkäsung,
Bindegewebswucherungen, ferner degenerative Prozesse im faserigen
Anteile des Nervensystems. Jedoch nicht alle Autoren fassen diese
Veränderungen als charakteristisch für den Morbus Addisonii auf,
sondern wiesen analoge Veränderungen auch flir anderweitige Er¬
krankungen nach.
Ich will nun darangeäen, auf Grund meiner Untersuchungen
an fünf Fällen toh klinisch völlig manifesten Fällen von Morbus
AddüoHH und mit Benützung der oben skizzierten anatomischen Er¬
fahrung über die hier in Frage kommenden Organe auf einige neue
Gesichtspunkte in der pathologischen Anatomie des Morbus Addisonii
hinzuweisen.
Drei von den Fällen konnte ich während meines Wirkens im
Kaiser Franz Joseph-Spitale selbst obduzieren; die zwei weiteren
stammen aus dem pathologisch-anatomischen Institute des Allgemeinen
Krankenhauses. Die eine Nebenniere sowie die Plexusganglien der
einen dieser beiden Fälle verdanke ich der Liebenswürdigkeit des
Herrn Prof. Albrecht, den zweiten der des Assistenten an diesem In¬
stitute, Herrn Dozent Stork. Beiden Herren sei an dieser Stelle mein
verbindlichster Dank gesagt.
Bei den von mir obduzierten Fällen habe ich so ziemlich alles
makroskopisch Sichtbare des sympathischen Nervensystems und seiner
Äste fixiert; ich präparierte die großen Ganglien des Abdomens,
ferner die des Grenzstranges vom Hals bis zum Becken, sowie die
Splanchniei frei. Selbstverständlich wurden auch die Nebennieren
samt dem sie umgebenden Bindegewebe, ferner die Nieren mit dem
Binde- und Fettgewebe, das sie bis zum Hilus umgibt, konserviert.
Die Fixation geschah nach der schon früher angegebenen
Weise in Kaliumbichromicum-Formol, ferner auch in der Art, daß
z. B. die eine Hälfte eines Ganglions in dieser Mischung, die
andere in reinem Formol konserviert wurde, um sowohl die Reaktion
etwa vorhandener chromaffiner Zellen zu erhalten und auch um ander-
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Dr. Josef Wiesel.
seits durch Fehlen der Chromierung einen Prüfstein für gewisse,
noch genauer zu beschreibende Verhältnisse zu haben. Einiges wurde
auch nach Fixation im Kaliumbichromat-Formol mit dem Kohlensäure¬
gefriermikrotom geschnitten, um dann nach der Henheitnerschm
Ponceaumethode und mit Osmium auf Fett und Lipochrom untersucht
werden zu können.
Wie schon hervorgehoben, waren meine Fälle klinisch unzweifel¬
haft als Morbus Addisonii anzusprechen; ich halte es daher für nicht
notwendig, auf die während des Lebens manifesten Symptome hier
näher einzugehen, da diese so bekannt sind, daß ich nichts Neues an¬
führen könnte. Auch die Obduktionsdiagnose war in sämtlichen
Fällen nicht schwer zu stellen. Es handelte sich regelmäßig um
Tuberkulose, die durchaus nicht auf die Nebenniere beschränkt war,
sondern auch an anderen Organen, speziell der Lunge, ausgesprochen
vorlag. In zwei meiner Fälle handelte es sich um granuläre Formen
der Lungentuberkulose, in zwei weiteren um Schwielen und verkreidete
Tuberkel alten Datums, im letzten endlich um miliare Dissemination
nebst alten Herden in der Nebenniere. Ich werde mich daher darauf
beschränken, meine Fälle mit den Zahlen I—V zu bezeichnen.
Fall I ( 60 jähriger Mann): Beide Nebennieren erscheinen, ohne
in ihrer normalen Dreiecksform verändert zu sein, vergrößert, derb,
höckerig, ihre Bindegewebskapsel läßt sich nur schwer vom Parenchym
abzieben. Beim Durchschneiden ist nichts von der ursprünglichen
Struktur zu erkennen, speziell die sonst scharfe Absetzung der Binde
vom Mark ist völlig verwischt. Im Zentrum findet sich ein großer,
käsiger Knoten, der von einem zirka bmm breiten, harten, sich wie
schwielig anfühlenden Bing (Bindegewebe) umgeben ist. Die Ver-
lötung der Nebennieren mit der Umgebung ist eine sehr feste; speziell
gelingt es schwer, ihre renale Fläche von der Nierenkapsel zu trennen,
die ebenfalls verdickt erscheint: die Nieren scheinen makroskopisch
intakt. Die nächste Umgebung der Nebenniere, das suprarenale und
renale Fett zeigen keine makroskopisch sichtbaren accessorischen Neben¬
nieren; ebensowenig finden sich solche an den Vasa suprarenalia,
einer nicht seltenen Fundstelle für derartige Gebilde. Die beiden Ganglia
semilunaria erscheinen in derbe, fibröse Massen eingebettet, zeigen
Verwachsungen mit benachbarten Lymphknoten. Ihre Farbe ist nicht
wie sonst leicht rötlichgelb, sondern grau. Dieselben Verhältnisse
an den Ganglia suprarenalia: Die Grenzstränge erschienen mir nicht
atrophisch; ebensowenig die Splanchnici. Nach ausgiebiger makro¬
skopischer Präparation wurden die Nebennieren, ferner beide Greuz-
stränge, die Halsganglien, Baucbganglien fixiert; ferner auch das
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
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Bindegewebe um die Aorta samt dieser vom Abgang der Coeliaca bis
zur Teilung, außerdem die Gegend des Nierenbilus. In ähnlicher Weise
wurden auch die beiden anderen, von mir obduzierten Fälle präpariert
und fixiert.
Die mikroskopische Untersuchung der Nebennieren ergab totale
Verkäsung im Zentrum, an den mehr peripheren Partien schwieliges
Bindegewebe. Normales Parenchym in Form kleiner Inseln von Binden¬
gewebe an einzelnen Stellen vorhanden. Der Nebennierenbefund deckt
sich also völlig mit dem aller früheren Untersucher.
An der nächsten Peripherie der Nebennieren, ferner im Binde¬
gewebe um die Aorta, dem Nierenhilus keine accessorischen Neben¬
nieren.
Bei der mikroskopischen Untersuchung des Plexus coeliacus
fällt vor allem die Tatsache auf, daß keine einzige chromaffiue
Zelle vorhanden ist; an keinem Querschnitte des in Serienschnitte
zerlegten Plexus finden wir die so charakteristischen, gelb im¬
prägnierten Zellen, die beim ersten Blick ihre Identität mit denen
der Marksubstanz verraten. Es ist selbstverständlich, daß ich die
Ganglien gleichalteriger Individuen, die an anderen Krankheiten ver¬
storben waren, in genau derselben Weise untersuchte; in keinem dieser
Kontrollfälle konnte ich aber einen völligen Mangel an ehroinaffinen
Zellen im Plexus coeliacus erheben. Es fanden sich regelmäßig an den
verschiedensten Stellen, entweder im Nerven liegend oder den Ganglien¬
zellen angelagert, kleine Häufchen chromaffiner Zellen. In unserem
Falle von Addison aber fanden sich nirgends, und das sei ausdrücklich
hervorgehoben, an keiner Stelle des ganzen sympathischen Nerven-
systemes, weder im Hals- noch Brust- oder Bauchstrang, sowie den
Plexus auch nur eine chromaffine Zelle.
Die Veränderungen an den Ganglienzellen waren folgende (ich
beschreibe solche des Plexus coeliacus). Während eine ganze Reihe
von Ganglienzellen durchaus normal erschien, waren andere entschieden
verkleinert; sie erschienen rundlich mit kleinem, offenbar ebenfalls
geschrumpftem Kern; andere wieder zeigten in ihrem Plasma ein eigen¬
tümliches Lücken- und Wabenwerk, ähnlich wie es bei Erkrankungen
der Spinalganglien angegeben wurde; der größte Teil zeigte sich aber
pigmentiert, d. h. braun gefärbt, offenbar von einem feinkörnigen
Inhalt erfüllt, während ein anderer mehr diffus braun gefärbt war.
Das Pigment war in vielen Zellen so dicht angehäuft, daß das Plasma
und der Kern völlig verdickt waren. In einigen war aber nur ein Teil
der Zelle pigmentiert, der andere zeigte den rötlichen Eosinton im
Plasma. Einzelne Zellen besaßen kein färbbares Protoplasma mehr.
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Dr. Josef Wiesel.
sondern enthielten im Innern ebenfalls nur braunes Pigment, das von
einem ungefärbten Hof umgeben war.
Bei genauerem Studium dieses Pigmentes aber zeigte sich ein
wesentlicher Unterschied in verschiedenen Zellen. Während einige der
Ganglienzellen, die als solche wohl charakterisiert waren, körniges
Pigment enthielten, waren andere diffus braun gefärbt; noch deutlicher
wurde aber der Unterschied zwischen diesen beiden Formen, wenn
man Schnitte aus demselben Ganglion coeliacum, die von der im reinen
Formol fixierten Hälfte stammten, mit der vergleicht, die chromiert wurde.
Es fällt sofort auf, daß es an dem formolisierten Teile viel weniger
»pigmentierte« Ganglienzellen gibt als an dem ehromierten; es schien
also, als hätten einzelne Ganglienzellen, die sonst nur fiir die echten
chroraaffinen Zellen charakteristische Reaktion angenommen.
Daß diese Annahme richtig sei, lehrte der fortwährende Ver¬
gleich der ehromierten und nichtchromierten Schnitte, ferner die
Untersuchung dieser Pigmente in gehärtetem Zustande an Gefrier¬
schnitten. Es wurde von verschiedenen Autoren hervorgehoben, daß
die Pigment führenden Zellen durchaus nichts für Addison Charakte¬
ristisches seien, sondern nach Lubimoff 99 ) ein Befund seien, der an
jedem vorjährigen Menschen erhöhen werden Irans Ferner hat Lsii mm f
auch den interessanten Befund erhoben, daß die Überosmiumsäure nicht
als Reagens für die Unterscheidung von Pigment und Fett gelten
könne, da unter ihrer Einwirkung sich sowohl Fett- als auch Pigment¬
körnchen intensiv schwarz färben. Auch Eosin und Fenguessi 40 )
machten ähnliche Erfahrungen, die sie zu dem Schlüsse kommen
lassen, daß sämtliche Körnchen in den Nervenzellen (die sie schon
früher als Fettsubstanz angesprochen haben) sich mit Sudan scharlach¬
rot gefärbt zeigten; allerdings soll bei atrophischen Vorgängen in
den Nervenzellen die lipochrorae Substanz ziemlich resistent sein. Ich
habe auf Grund dieser Erfahrungen, sowie auf/den von mir erhobenen
Befund fußend, daß sich die chromaffinen Zellen niemals mit Osmium
oder mit für Fett spezifischen Substanzen (Sudan, Ponceau oder Indo¬
phenol) imprägnieren, Schnitte, die mit dem Gefriermikrotora an¬
gefertigt wurden und aus dem Plexus coeliacus unseres Falles stammten,
sowohl mit Osmium behandelt, als auch mit Ponceau R-Natronlauge
nach Herxheimer, ferner mit Sudan und Indophenol zu färben ver¬
sucht, um eventuell nachweisen zu können, daß die diffuse Braun¬
färbung einzelner Ganglienzellen doch Lipochrome seien. Es stellte sich
nun nach dieser Behandlung heraus, daß nur eine geringe Anzahl der
»Pigment« führenden Ganglienzellen die Lipochromreaktion gab, d. h.
Schwärzung respektive Rotfärbung der Körnchen. Ein großer Teil der
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
273
braun scheinenden Ganglienzellen nahm nicht die Spur von Farbstoff
auf oder zeigte auch nur die geringste Schwarzfärbung durch Osmium.
Speziell die mehr diffus braunen Ganglienzellen zeigten sich vollständig
ablehnend gegen diese Reaktion. Ich muß daher annehmen, daß ein
Teil der Ganglienzellen, die uns nach Behandlung mit Chromaten
braun erscheinen, nicht als pigmentierte Ganglienzellen zu bezeichnen
und zu deuten seien, sondern als solche, die die Chromreaktion geben.
Dafür spricht vor allem, ganz abgesehen von der Ablehnung der
Fettreaktion, der Umstand, daß an nicht chromierten Stücken ihre
Anzahl «n Schnittquerschnitt bedeutend geringer war als am ge-
chromten, wob« ausdrücklich betont werden muß, daß nur Schnitte
mit möglichst gleich grofler Anzahl von Ganglienzellen zum Vergleiche
herangezogen wurden.
Diese auffallende Tatsache fand skh aber durchaus nicht allein
auf die »Ganglienzellen < des Plexus coeliacus beschränkt, sondern ließ
sich in gleicher Weise auch an den Grenzstrangganglien, ferner an
solchen im Nervus splanchnicus nachweisen; nirgends fanden sich
echte chromaffine Zellen, dagegen häutig neben wirkliches Lipochrom
führenden auch solche Ganglienzellen, die sich mit Chromaten braun
imprägnierten.
Die übrigen Veränderungen in den Plexusganglien, die den
faserigen und den Stützapparat betrafen, decken sich mit den von
anderen Autoren erhobenen: bindegewebige Induration, Verdickung
einzelner Gefäßwände, kleinzellige Infiltrate; an den Nerven Vari¬
kositäten u. s. w.
Ich habe die feineren Veränderungen an den Ganglien dieses
Falles genauer beschrieben, so daß ich mich bei Besprechung meiner
übrigen Fälle kürzer fassen kann, da auch sie die erhobenen wichtigsten
Befunde boten.
Mein zweiter Fall stammt von einem jüngeren Individuum
(zwischen 30—35 Jahren), der als anatomischen Befund ausgedehnte
Tuberkulose beider Lungen, ferner Verkäsungen in beiden Nebennieren
sowie miliare Dissemination am Peritonaeum erheben ließ. Klinisch
manifester Morbus Addisonii. Die mikroskopische Untersuchung zeigte
vollständiges Fehlen der Marksubstanz infolge Verkäsung; von der
Rinde waren beträchtliche Reste erhalten.
In der Nebennierenkapsel eine kleine accessorische Nebenniere
(nur Rinde), die völlig normal erschien. Sonst keine accessorischen
Nebennieren auffindbar.
Im Sympathicus find sich keine einzige chromaffine Zelle an
den Präparaten, die wieder aus den verschiedensten Teilen des Nerven
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Dr. Josef Wiesel.
stammten; die gleichen Partien aus der Leiche eines 32jährigen, aus
anderer Ursache verstorbenen Mannes zeigten dagegen an den ver¬
schiedensten Stellen chromaffines Gewebe.
Die weiteren Veränderungen an den Ganglienzellen decken sich
vollkommen mit denen in Fall I, pigmentierte Ganglienzellen, solche
mit Vakuolenbildung fanden sich, ferner solche, die sich mit Chromaten
imprägnierten, ohne ihre spezifischen Eigentümlichkeiten als wohl¬
charakterisierte sympathische Ganglienzellen zu verlieren. Nur fanden
sich hier relativ weniger pigmentierte Ganglienzellen als im ersten
Falle, wie er überhaupt nicht so weit vorgeschritten war als jener.
Von Fall III, den ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dozenten
Stärk verdanke, standen mir die Nebenniere sowie der Plexus coeliacus
zur Verfügung.
Die Nebenniere bot aus dem Grunde einen interessanten Befund,
weil der tuberkulöse Prozeß sich nur auf die Marksubstanz zu be¬
schränken schien, die, in einen zum Teil käsigen, zum Teil schwieligen
Knoten umgewandelt, nichts von dem normalen Parenchym erkennen
ließ, während die Binde ira größten Ausmaß als normal bezeichnet
werden mußte. Es war die charakteristische Rindenzeichnung, Zona
glomerulosa und fasciculata durchaus gut differenzierbar; die Zona
reticularis dagegen schien in den tuberkulösen Prozeß einbezogen.
An der Oberfläche der Nebenniere saß eine bloß aus Zellen der Zona
fasciculata bestehende, durchaus normal erscheinende accessorische
Nebenniere. Im Plexus coeliacus keine einzige chromaffine Zelle (es
handelte sich um ein Individuum im mittleren Lebensalter); einzelne
Ganglienzellen waren pigmentiert, wenige ergaben chromaffine Reaktion;
der ganze Prozeß erschien im Plexus coeliacus noch nicht weit vor¬
geschritten zu sein, da der größte Teil der Ganglienzellen durchaus
als normal anzusehen war. Ferner fanden sich einzelne tuberkulöse
Lymphknoten sowie schwielige Verdichtungen des Bindegewebes.
Der vierte Fall (von Prof. Albrecht erhalten) bot ebenfalls den
interessanten Befund, daß sieh der tuberkulöse Prozeß fast ausschließlich
auf die Marksubstanz zu beschränken schien, die völlig verschwunden
war, während die Rinde zum großen Teil als erhalten sich erwies. Keine
accessorischen Nebennieren in der Umgebung des Hauptorganes. Der
mikroskopische Befund am Plexus solaris sowie an den Ganglien
des Hals- und Bruststranges zeigten die in den früheren Fällen schon
angeführten Veränderungen: vollständiges Fehlen der chromaffinen
Zellen, Pigmentation und Chromreaktion einzelner Ganglienzellen.
Bei meinem fünften und letzten Falle handelte es sich um einen
40jährigen Mann, aus dessen Krankengeschichte der eine Punkt
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
27 »
hervorheberiswert ist, daß sich die ersten Erscheinungen der be¬
ginnenden Addisonischen Krankheit (Pigmentierung und Asthenie)
unmittelbar an ein (ein Jahr ante mortem) durch Überfahren gesetztes
Trauma anschlossen. Die Autopsie ergab alte Spitzentuberkulose in
den Lungen sowie eine frische Perikarditis. Die rechte Nebenniere war
fest mit ihrer Umgebung, speziell der Leber, durch derbe, fibröse
Massen verlötet, war ungefähr um die Hälfte verkleinert, derb und
besaß eine grobhöckerige Oberfläche. Beim Durchschneiden läßt die
Schnittfläche nur an ganz wenigen, circuraskripten Stellen die normale
Rindenzeichnung erkennen; an vielen Stellen kleine, käsige Herde,
im Zentrum des Organes ein größerer. Die Verlötung mit der Niere
war eine ziemlich lockere. Die linke Nebenniere war in einen großen,
derbfibrösen, an seiner Innenseite mit gelblichweißen Auflagerungen
versehenen Sack umgewandelt, aus dem sich beim Aufschneiden eine
große Menge käsigen Eiters entleerte. Normale Struktur nirgends zu
erkennen. Auch dieser Sack war mit der Umgebung fest verlötet.
Die Grenzstränge des Syrapathicus, das rechte Ganglion semilunare
sowie die Splanchnici sind auffallend dünn (atrophisch), das linke
Semilunarganglion ist in eine derbe, fibröse Kapsel eingebettet.
Die mikroskopische Untersuchung der linken Nebenniere lieft
keine Spur von normalem Gewebe mehr erkennen. Die rechte zeigt
noch gut erhaltene Rindenpartien, zwischen denen Herde mit Riesen¬
zellen liegen. Von der Marksubstanz ist keine Spur vorhanden, an
ihrer Stelle liegt fibröses, ziemlich gut vaskularisiertes Bindegewebe.
An Gefrierschnitten durch diese Nebenniere finden wir reichliches Fett
in den noch erhaltenen Rindenpartien. Am linken Nierenhilus eine
intakte accessorische Nebenniere.
Die Ganglienzellen erscheinen wenig verändert; hier und da pig¬
mentierte, ferner vereinzelte chromaffine Ganglienzellen. Von echten
chromaffinen Zellen ist an keinem Teile des sympathischen Nerven¬
systems etwas zu sehen. Die Ganglienzellen ergeben teilweise Lipo-
chromreaktion, die diffus braun chromierten verhalten sich negativ
gegen Osmium und Fettfarben. Dieselben Verhältnisse zeigen sich im
Splanchnicus. Die Vergleichsobjekte von Individuen, die im gleichen
Alter an anderen Krankheiten gestorben waren, zeigen an gleichen
Schnitten hier und da pigmentierte Ganglienzellen, ferner echte chrom¬
affine Zellen, nirgends aber mit Chrom pigmentierte Ganglienzellen,
Fassen wir nun zusammen, was die histologische Untersuchung
dieser Fälle lehrt, so ist das folgendes: In keinem der Fälle war eine
Spur des chromaffinen Systemes erhalten geblieben; sowohl
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die Marksubstanz als auch die chromaffinen Zellen aller an¬
deren Abschnitte des sympathischen Nervensystemes sind
vollständig untergegangen.
Vecchi 4 ') injizierte Tieren Aufschwemmungen von Tuberkelbazillen
direkt in die Nebennieren und kommt zu dem Schlüsse, daß zunächst
die Marksubstanz erkrankt und schon in käsigen Detritus aufgelöst ist,
wenn die Rinde noch vollständig erhalten ist; erst gegen den dritten
Monat nach dem Experiment greift der Prozeß auf die Rinde über.
Die Ganglien sind in fast allen Fällen normal gefunden worden. Auch
in meinen Fällen sowie bei jenen anderer Autoren ließ sich der
Befund erheben, daß die Rinde sehr häufig noch zum Teile erhalten
ist; allerdings gibt es eine ganze Reihe von Fällen, wo auch der
Prozeß die Rinde vollständig zerstörte, in keinem Falle von echtem
Morbus Addisonii konnte aber der Befund erhoben werden, daß es sich
um eine isolierte Erkrankung der Rinde handle.
Der zweite wichtige Befund an meinen Fällen war die Tatsache,
daß, abgesehen von den auch von anderen Autoren erhobenen Be¬
funden an den Ganglienzellen, vor allem der Pigmentierung derselben
und der Lipochrombildung, noch eine weitere Veränderung an den
Ganglienzellen zu verzeichnen ist, nämlich die Fähigkeit einzelner,
sich mit Chromsalzen braun zu imprägnieren, d. h. die spezifische
Chromreaktion zu geben. Diese Eigentümlichkeit scheint ebenfalls —
vorderhand wenigstens — bloß beim Morbus Addisonii aufzutreten,
da ich sie bei keiner anderen, zum Vergleiche herangezogenen Krank¬
heit irgend einer Art nachweisen konnte. Es wurden schon die Unter¬
schiede dieser Ganglienzellen gegenüber denen hervorgehoben, die
pigmentiert sind; daß es sich nicht um echte chromaffine Zellen handeln
könne, lehrt die vollkommen erhaltene charakteristische Gestalt dieser
mit Fortsätzen wie alle anderen versehenen Ganglienzellen, ferner auch
die Tatsache, daß sie untermengt mit anderen, teils normalen, teils
atrophischen Ganglienzellen lagern, ein Verhalten, das niemals bei
den echten chromaffinen Zellen in größerer Anzahl sich konstatieren
läßt, die immer streng isoliert von den Ganglienzellen in eigenen
bindegewebigen Hüllen liegen. Ein regelloses Durcheinanderliegen
echter chromaffiner und Ganglienzellen konnte niemals bei intaktem
Sympathicus und Nebennieren — weder von anderen Autoren noch
von mir — konstatiert werden.
Wenn wir diese Befunde nun mit jenen der anderen Autoren
vergleichen, so besteht vor allem die Tatsache, daß alle jene Fälle,
die als Morbus Addisonii mit fehlendem Nebennierenbefund beschrie¬
ben wurden," nicht als beweisend anerkannt werden dürfen in Bezug
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
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auf den anatomischen Teil. Denn abgesehen davon, daß wegen Nicht¬
bekanntsein der anatomischen Details im Baue der Nebenniere, diese
Angaben jedenfalls mit Vorsicht aufzunehmen sind, kann der Er¬
krankung des chromaffinen Systems außerhalb der Nebenniere — auf
die aus begreiflichen Gründen nicht eingegangen werden konnte und
die wohl auch in jenen Fällen bestanden haben dürfte — jedenfalls
nicht eine pathologische Dignität abgesprochen werden, die nicht ge¬
nügen dürfte, um wenigstens einen Teil des Krankheitsbildes hervor¬
zurufen, selbst für den Fall, daß der Teil des chromaffinen Systems,
der in der Nebenniere liegt, noch intakt ist.
Ebensowenig sind auch jene Fälle der Gegner der Theorie, daß
der Morbus Addisonii etwas mit dem Sympathikus zu tun hätte, be¬
weisend, da ja auch in diesen Arbeiten auf die Veränderungen im
chromaffinen Systeme noch keine Rücksicht genommen werden konnte.
Wenn wir aber die in vorliegender Arbeit gewonnenen Resultate
in Rechnung ziehen, so wird es nicht schwer fallen, sämtliche An¬
gaben über Morbus Addisonii von einem gemeinsamen Gesichtspunkte
aus zu betrachten; denn wenn wir die Erkrankung des chromaffinen
Systems für das Primäre ansehen, gleichgültig, ob sie den innerhalb
der Nebenniere liegenden Teil oder den im Sympathikus verstreuten
zunächst betrifft, so darf es uns nicht wundern, daß wir manchmal
Fälle antreffen, bei denen die Nebennieren noch intakt waren; um so
mehr, als wir wissen, speziell durch die experimentellen Erfahrungen, aber
auch durch die anatomischen Befunde, durch die intakten aecessorischen
Nebennieren, daß die Rindenerkrankung als sekundär anzusehen sei.
In diesen Fällen war eben nur der extrasuprarenale Abschnitt
des cbromaffinen Systems in den pathologischen Prozeß einbezogen.
Auch jene Fälle, bei denen bloß Hypoplasie der Nebennieren bei sonst
normalem Bau sich beim Morbus Addisonii fand, wären in der
Weise zu deuten, daß die Unterentwicklung des chromaffinen Systems,
das vielleicht nicht nur den Nebennieren-, sondern auch einen viel
größeren Anteil des chromaffinen Systems betraf, die Erkrankung
hervorrief. Es ist selbstverständlich, daß es mir durchaus nicht ein¬
fällt, der Erkrankung der Nebennierenrinde eine sehr hohe, vielleicht
die wichtigste Rolle zum Zustandekommen der schweren Symptome
des Morbus Addisonii abzusprechen, vielleicht jener Symptome, die zum
letalen Ausgange führen. Aber die Erkrankung der Rinde würde nicht als
das Primäre anzusehen sein, sondern als eine Art Metastase nach
primärer Erkrankung des chromaffinen Systems. Daß ein solches
Übergreifen auf die Rinde leicht erfolgen kann, ist nach ihrer topischen
Beziehung zur chromaffinen Marksubstanz nicht schwer zu erklären.
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Inwieweit einzelne Symptome aus dem Ausfälle des chromaffinen
Systems zu erklären sind, bleibt wohl vorläufig dunkel; es ist ja
unsere Kenntnis von der normalen Funktion dieses Systems noch
recht mangelhaft; wir wissen vorläufig nur, daß die chromaffine Zelle
eine Funktion besitzt, die mit dem Circulationsapparate in Verbindung
zu setzen ist. Doch läßt sich ein schweres klinisches Symptom des
Morbus Addisonii, die Hypotonie und Adynamie, aus der Erkrankung
des chromaffinen Systems leicht erklären, wenn wir an die bekannte
physiologische Funktion dieses Systems denken.
Daß aber die Funktion der chromaftinen Zellen besteht und
wichtig ist, beweist noch außerdem ihr Vorkommen als normales Organ
in der ganzen Reihe der Wirbeltiere.
Die auffallende Tatsache weiters, die wir im vorstehenden er¬
hoben haben, daß beim Morbus Addisonii einzelne sympathische Ganglien¬
zellen bei Erhaltung ihrer sonstigen spezifischen anatomischen Eigen¬
tümlichkeiten die sonst nur für echte chromaffine Zellen charakte¬
ristische Chromreaktion geben, halte ich für eine Art Funktions¬
übernahme eines Organes beim Ausfälle eines anderen. Durch die nahe
entwicklungsgeschichtliche Beziehung zwischen Ganglienzelle und
chromaftmer Zelle, die wohl nicht als rein zufällige anerkannt werden
muß, die nahe Beziehung der sympathischen Ganglien- und der chrom¬
affinen Zellen, die wohl ebenfalls nicht als bloßer Zufall zu deuten
ist, berechtigen wohl zu der oben angeführten Annahme. Vielleicht
ist gerade die nahe Verwandtschaft zwischen chroraaffiner Zelle, die
durchaus als intern secernierende zu deuten ist, und sympathischer
Ganglienzelle ein Punkt, auf den bei der noch recht dunklen Physio¬
logie und Pathologie des sympathischen Nervensystems Rücksicht ge-
‘ nommen werden muß.
Wenn ich allem Voranstehenden zufolge meinem Standpunkt
über die Pathogenese des Morbus Addisonii kurz Ausdruck verleihen
soll, so ist es folgendes: Der Morbus Addisonii ist, mit den
Worten Xeussers zu reden, eine Systemerkrankung, und zwar
des ganzen oder eines Teiles des chroraaffinen Systems
inklusive jenem innerhalb der Nebenniere (Marksubstanz).
Dieser Prozeß, wohl hauptsächlich Tuberkulose, greift se¬
kundär auf die übrigen Teile des sympathischen Nerven¬
systems einerseits, anderseits auf die Rinde der Nebenniere
über. Aber gleichzeitig mit dem Degenerationsprozeß kommt
es zu einer Übernahme der für die zu Grunde gegangenen
chromaffinen Zellen spezifischen Chromreaktion durch ein¬
zelne Ganglienzellen, was durchaus nicht als Degenerations-
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
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prozefl dieser, sondern im Gegenteil als Funktionsüber¬
nahme (Bindung und Deponierung der chromaffinen Sub¬
stanz) aufzufassen ist.
Schließlich aber geht das Individuum durch den fortwährenden
Ausfall eines wichtigen physiologischen Faktors zu Grunde, da die im
Vergleiche mit der großen Menge des normalen chromaffinen Gewebes
wenigen chromaffin gewordenen sympathischen Ganglienzellen den
Defekt nicht auf die Dauer zu decken im stände sind. Wieviel der
schweren Symptome auf Rechnung der Rindenerkrankung zu setzen
ist, läßt sich vorläufig nicht entscheiden.
Literaturverzeichnis. *)
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Ausnahmen ist bloß die Literatur vom Jahre 1890 an verzeichnet.
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Dr. Josef Wiesel.
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für mikroskopische Anatomie. Bd. XL.
3 >) Cf. 32.
3 ') Giovanni , Patologia del simpatico. Milano 1877.
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Zur pathologischen Anatomie der Addisonischen Krankheit.
281
3S ) Marckand. , Demonstration eines Falles von Atrophie der Nebennieren.
Deutsche medizinische Wochenschrift. 1200.
3 ”) Lnbimoff\ Beiträge zur Histologie und pathologischen Anatomie des sym¬
pathischen Nervensystems. Virchows Archiv. Bd. LXI.
40 ) Rorin und Fenguesii, Über das Lipochrom der Nervenzellen. Virchows
Archiv. Bd. CIL
4 ) Vecchi , Über die experimentelle Tuberkulose der Nebennieren Zentralblatt
für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 1901, Bd. XII.
19 *
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Über senile Verkalkung der Ampullen der Vasa deferentia
und der Samenblasen.
Von
Dr. H. Chiari.
Professor der pathologischen Anatomie an der deutschen Universität in Prag.
(Hierzu Tafel XXIII.)
Die pathologische Kalkablagerung kommt bekanntlich in sehr
mannigfacher Art vor. Sie betrifft die verschiedensten Gewebe und
Organe, Zellen und Zwischensubstanzen, Sekrete und Exsudate, ent¬
zündliche Gewebsneubildungen und Geschwülste und findet sich um
Parasiten und Fremdkörper.
In ätiologisch-genetischer Hinsicht kann man bei der pathologischen
Kalkablagerung, abgesehen von einzelnen ganz rätselhaften Fällen
von Gewebsverkalkung und abgesehen von den Kalksteinen, welche
wahrscheinlich mit einer abnormen Beschaffenheit der betreffenden
Sekrete Zusammenhängen, mehrere, allerdings häufig untereinander
Kombinationen aufweisende Gruppen unterscheiden, je nachdem es sich
um eine Kalkmetastase im Sinne Virchows handelt, d. h. um eine
abnorme Deposition von Kalksalzen nach Freiwerden derselben durch
Zerstörung von Knochengewebe, oder um eine abnorme Deposition
infolge von behinderter Ausscheidung der Kalksalze aus dem Körper,
wie manchmal bei Nierenaffektionen *), oder aber um eine Kalkablagerung
in Zusammenhang mit lokalen, aus den verschiedensten Ursachen,
wie Girculationsstörung, Trauma, Giftwirkung etc., resultierenden re¬
gressiven Ernährungsstörungen, durch welche die in den Körpersäften
vorhandenen Kalksalze zur lokalen Ausfällung gebracht werden.
In die letzte Gruppe rechnet man auch gewöhnlich die »senile
Verkalkung* und stellt sich vor, daß dieselbe bedingt sei durch
') Vide z. B. Brill and Libman , A contribution to tbe subjects of chronic
interstitial nephritis and arteritis in the young, and family nephritis; with a note
on calcification in tbe liver. Journ. of exp. Med. 1899, IV, und Liebtcher, Über einen
Fall von multipler disseminierter Calcifikation zumal im Myokard, in der Leber und
Milz. Prager medizinische Wochenschrift. 1902.
Z«it«cbr. f. Heilk. 1908. Abt. f. p»th. Anat. u. rerw. Diniplinen. 20
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Dr. H. Chiari.
eine mit dem Senium in Zusammenhang stehende Verminderung der
Ernährung der Gewebe, so daß die Kalksalze in solchen besonders
stark senil veränderten Geweben nicht mehr in Lösung bleiben können,
sondern ausfallen. Dabei könnte übrigens auch an die gleichzeitige
Intervention einer Kalkmetastase gedacht werden, ausgehend von der
im Senium oft beträchtlichen Osteoporose des ganzen Knochensystems,
wenn auch die Bedeutung dieser Form von Osteoporose für das Zu¬
standekommen einer Kalkmetastase in neuester Zeit von Askanaey *)
angezweifelt wird, und weiter an die gleichzeitige Mitwirkung einer
behinderten Kalkausscheidung durch die Nieren, wenn diese, wie es
im höheren Alter so häufig ist, krank sind. Die senile Verkalkung
wird sehr verschiedentlich gefunden, so in den Knorpeln der Rippen
und des Larynx, in der Media der Arterien, im Insertionsringe der
Valvula bicuspidalis, in den Nieren, in der Pachymenini, in der Linse
des Auges und in den Sehnen von Muskeln.
Im nachfolgenden will ich mir nun erlauben, auf eine besondere,
bisher noch nicht genauer studierte Lokalisation der senilen Ver¬
kalkung aufmerksam zu machen, nämlich auf die senile Verkalkung
der Ampullen der Vasa deferentia und der Samenblasen,
welche zwar nicht häufig vorkommt, aber doch einen selbständigen
Typus der senilen Verkalkung darstellt. In der Literatur konnte ich
nur eine einzige, wie ich glaube, bestimmt darauf zu beziehende
Angabe finden, und zwar bei Duplay 2 ), der über zwei Fälle von
»Ossifikation« der Vasa deferentia bei Greisen berichtet, indem er
schreibt: »J’ai constate deux fois une ossification plus ou moins
complete des canaux deförents. Chez un vieillard ügö de 81 ans, toute
la portion des ces canaux, qui longe Ie bas-fond de la vessie jusqu’n
leur abouchement avec le col de la vAsicule, presentait 9 a et la un
grand nombre des petites plaques osseuses developpees entre la
membrane exterieure et celle qui tapisse l’interieur du conduit; ces
petites plaques faisaient saillie a l’intörieur, mais n’avaient point
oblitere le canal, qui livrait passage, dans ces points, ä une soie de
sanglier. Rien de semblable ne s’observait d’ailleurs dans le reste de
l’etendue des canaux def 4 rents. Chez un autre vieillard, äge de 80 ans,
la meme alteration occupait aussi les memes points des deux canaux,
qui 4taient d’un tiers plus volumineux qu’ä Fetat normal. Dans ce
dernier eas on n’observait plus des simples plaques osseuses, mais
') Atkanazy, Beiträge zur Knoehenpathologie. Festschrift für Jaffe. 1901.
-) Duplay, ßecherches sur les changements et les alterations, que pre'sente
chez les vieillards l’appareil secreteur et exoreteur du sperme. Arch. gön. de
medecine. 1855.
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Über senile Verkalkung der Ampullen der Vasa deferentia etc. 285
bien une ossification complete; du reste, il n’4xistait pas d’oblit^ration
et une soie de sanglier pouvait parcourir cette portion du canal.«
Über eine mikroskopische Untersuchung ist bei keinem der Fälle
etwas angegeben. Trotzdem möchte ich glauben, wie noch später
gezeigt werden soll, daß es sich hier im wesentlichen nicht um wahre
Ossifikation, i. e. Enochenbildung, sondern um Verkalkung gehandelt
hatte, welche wahrscheinlich derselben Natur war wie die im folgenden
zu schildernde Calcifikation der Ampullen der Vasa deferentia und
der Samenblasen in meinen Fällen.
Den ersten Fall (Museumpräparat Nr. 5106) sah ich im Jahre
1895 bei der Sektion eines auf der Klinik des Herrn Prof. Dr. A. Pick
am 4. Dezember an linksseitiger Pleuritis seroso-fibrinosa verstorbenen
68jährigen Paranoikers, bei welchem außerdem noch lobuläre Pneumonie
im Unterlappen der linken Lunge, chronischer Morbus Brightii mit
granulärer Atrophie der Nieren und bis kirschkemgroßen tubulösen
Adenomen in der Binde, Hypertrophie des linken Herzventrikels,
mehrere Plaques jaunes in der Binde des vorderen Endes der beiden
Temporallappen und ein walnußgroßes Pulsionsventrikel in der hinteren
Wand des Ösophagus gefunden wurden. Die Harnröhre und die Harn¬
blase boten gewöhnliche Verhältnisse, die Prostata erschien etwas ver¬
größert. Die Hoden waren nicht pathologisch verändert, ebensowenig
die Nebenhoden und die Vasa deferentia, mit Ausnahme der Ampullen.
Letztere besaßen gleich den Samenblasen eine steinartige Härte, und
gelang es nur mit Gewaltanwendung, durch diese Gebilde mittelst
eines starken Messers Durchschnitte anzulegen, wobei deutliches
Knirschen zu verspüren war. Die äußeren Dimensionen der Ampullen
und der Samenblasen waren dabei die gewöhnlichen und erschien
auch das Lumen, in welchem man die gewöhnlichen netzartigen Vor¬
sprünge der Mukosa sehen konnte, überall von einer gewöhnlichen,
i. e. mittleren Weite. Dasselbe enthielt eine geringe Menge schleimiger
Flüssigkeit. Die Kalkmassen ließen sich in Form von weißlichen
Flecken in der Muskularis mit freiem Auge erkennen. Die Ductus
ejaculatorii waren wieder frei von der Verkalkung. Im frischen Zu¬
stande angefertigte Schnitte von der Wand der Ampullen und der
Samenblasen ergaben unter dem Mikroskope die Einlagerung einer
amorphen opaken harten Masse in zahlreichen Herden innerhalb der
Muskularis und konnte durch Zusatz von Schwefelsäure eine Lösung
der Masse mit Gasentwicklung und Bildung zahlreichster Gipskristalle
erzielt werden. Nach Härtung in Alkohol wurden dann teils nach
vorausgegangener Entkalkung in Salpetersäure, teils ohne eine solche
mikroskopische Präparate angefertigt und ergab sich hierbei folgendes:
20 *
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286
Dr. H. Ohiari.
Im Lumen der Ampullen und der Samenblasen fanden sich ziemlich
viele Spermatozoen, in den Buchten der Samenblasen auch spärliche
konzentrisch geschichtete Kolloidklampchen. Das Epithel war überall
gut erhalten und präsentierte sich als einschichtiges, niedriges, mit
viel braunem körnigem Pigmente versehenes Cylinderepithel. Die stark
gefaltete Mukosa erschien nirgends pathologisch verändert. Die Ver¬
kalkung betraf ausschließlich die Tunica mnscularis (vide Fig. 1 —
größerer Verkalkungsherd aus der Wand der Ampulle des rechten
Vas deferens bei schwacher Vergrößerung), in der im allgemeinen,
besonders aber dort, wo sich Verkalkungsherde entwickelt hatten, das
Bindegewebe zwischen den meist körniges braunes Pigment ent¬
haltenden und oft auffallend kleinen Muskelfasern vermehrt war, was
namentlich an nach van Gieson gefärbten Präparaten gut hervortrat.
In den Verkalkungsherden selbst war überall zu konstatieren, daß die
Verkalkung in erster Linie das sklerotische Bindegewebe betraf (vide
Fig. 2 — kleinster Verkalkungsherd aus der Wand der medialen Hälfte
der rechten Vesicula seminalis), wodurch eine netzartige Zeichnung
der Verkalkungsherde entstand. In den Maschenräumen des kalkig
infiltrierten Netzwerkes waren anfangs noch die Muskelfasern deutlich
zu erkennen, allmählich verloren sie aber ihre seharfe Begrenzung,
verschwanden schließlich ganz und wurden dann die von ihnen ein¬
genommen gewesenen Lücken des verkalkten Netzwerkes auch von Kalk
erfüllt, so daß endlich eine ziemlich homogene, zusammenhängende Kalk¬
masse entstand. Mitunter fanden sich auch konzentrisch geschichtete
Kalkkugeln teils isoliert, teils an der Peripherie der Verkalkungsherde (so
in Fig. 1 bei c). Da und dort war es auch zu Kalkablagerung in der
vorher herdweise stark verdickten und homogen gewordenen Media
kleiner Arterien und Vorkapillaren gekommen, und machte es den
Eindruck, als wenn manche der erwähnten konzentrisch geschichteten
Kugeln einer solchen Gefäßerkrankung ihren Ursprung verdanken
würden. Um manche Verkalkungsherde ließen sich auch Riesenzellen
von dem Aussehen der »Fremdkörperriesenzellen« erkennen und waren
dieselben zumeist iu lockeres Bindegewebe eingebettet. An solchen
Stellen, mitunter aber auch ohne die Intervention eines derartigen
loekeren Bindegewebes, war es zur Bildung kleinster Knochenmassen
gekommen, welche als unregelmäßig gestaltete Anlagerungen an die
Verkalkungsherde sich anschlossen (vide Fig. 1 bei d und Fig. 3 —
kleinster Verkalkungsherd in der Wand der Ampulle des rechten Vas
deferens — bei b). Diese Knochenmassen enthielten deutliche strahlige
Knochenkörperchen, ließen aber keine Lamellierung erkennen. Die als
Adventitia bezeichnete äußere Hülle der Ampullen und der Samen-
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Über senile Verkalkung der Ampullen der Vasa deferentia atc. 287
blasen war von gewöhnlicher histologischer Beschaffenheit, ebenso wie
die übrigen Teile der Vasa deferentia, in denen sich gleichfalls Sper-
matozoen wahrnehmen ließen.
Nach den geschilderten Verhältnissen maßte ich diesen Fall als
eine herdweise Calcifikation in der Muskularis der Ampullen der Vasa
deferentia und der Samenblasen ansehen, welche sich augenscheinlich
nach vorausgegangener Vermehrung und Sklerosierung des Binde¬
gewebes entwickelt hatte. Da für die Annahme einer in den genannten
Gebilden früher vorhanden gewesenen chronischen Entzündung mit
konsekutiver Bindegewebswucherung gar keine Anhaltspunkte zu finden
waren, das Epithel und die Mukosa vielmehr vollkommen normal
erschienen, war ich berechtigt, die Ursache für die Bindegewebsver¬
mehrung und Sklerosierung desselben in dem höheren Alter des
Individuums zu suchen und so auch die daran sich anschließende
Verkalkung als einen lokalen Effekt des Seniums anzusehen, wobei
übrigens ganz wohl die Altersveränderung des Skelettes und die gleich¬
zeitig vorhandene starke Nierenerkrankung in dem früher erwähnten
Sinne mitgewirkt haben mochten. Von besonderem Interesse war in
diesem Ealle der mikroskopische Befund kleinster Knochenmassen an
der Peripherie der Verkalkungsherde, die einen accidentellen Charakter
hatten und wieder die Richtigkeit des Satzes erwiesen, daß, wo Ver¬
kalkung besteht, sich dann auch sekundär Knochengewebe apponieren
kann. Ich verweise in dieser Hinsicht auf die Befunde von Knochen-
anbildung an Verkalkungsherden in Arterien, wie das in neuerer Zeit
Falta ') und Böhmer 2 ) beschrieben haben.
Im Besitze dieses Falles richtete ich nun seither stets bei den
Sektionen meine Aufmerksamkeit auf die Ampullen der Vasa deferentia
und die Samenblasen besonders bei alten Leuten, fand aber trotz eines
sehr großen Sektionsmateriales erst im Jahre 1902 zwei weitere Fälle
der gleichen Art, und zwar einer Verkalkung der Ampullen der Vasa
deferentia.
Der zweite Fal I (MuseumpräparatNr. 5879) betraf einen 58jäbrigen
Mann, dessen Leiche am 12. März 1902 auf der Abteilung des Herrn
Hofrates Prof. Dr. Pfibram seziert wurde. Der Tod war infolge eines
im Stirnlappen der rechten Großhirnhemisphäre entwickelten Abscesses
eingetreten, welcher in das Vorderhorn des rechten Seitenventrikels
durchgebrochen war und so zur Eiterung in den Ventrikeln und eiteriger
') Falta, Zur Lehre von der Gangraena senilis. Zeitschrift für Heilkunde.
1899, Bd. XX.
r ) Bokmer, Über Knochenbildung in verkalkten endokarditischen und end-
arteriitischen Herden. Virchows Archiv. 1901, Bd. CLXVI.
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288
Dr. H. Chiari.
Meningitis cerebrospinalis geführt hatte. Dieser Absceß wurde als eine
Metastase einer mit Bronchiektasie im Unterlappen der rechten Lunge
verbundenen eiterigen Bronchitis, in der sich wie in dem Hirnabscesse
Streptothrixfäden fanden, aufgefaßt. Als hier nach der im Institute
üblichen Methode nach in der Längsrichtung erfolgter Eröffnung der
Blase und der Harnröhre von vorne und des Rektums von hinten
mittelst einiger Messerzüge das Rektum von der Harnblase abgetrennt
und dann auf die Samenblasen und Ampullen der Vasa deferentia
quer eingeschnitten wurde, fiel sofort die Härte der Ampullen auf.
Dieselben waren wieder ganz symmetrisch verkalkt, während die
übrigen Teile der Yasa deferentia und die Samen blasen keine Ver¬
kalkungerkennen ließen. Die Nebenhoden, Hoden, die Ductus ejaculatorii,
die Prostata, die Harnröhre und die Harnblase waren ganz normal.
Das Lumen der Ampullen der Vasa deferentia war dabei gewöhnlich
weit und lagerten die weißlichen Kalkherde nur in der Muskularis.
Die chemische Untersuchung auf Kalk mit Schwefelsäure ergab sofort
ein positives Resultat, die Kalkherde lösten sich unter Gasbildung
und Entwicklung von Gipskristallen auf. Nach Härtung in Alkohol
wurden mikroskopische Schnitte von den Samenblasen, von verschiedenen
Stellen der Vasa deferentia außerhalb der Ampullen und von den
vorher mit Salpetersäure entkalkten Ampullen angefertigt. Die Samen¬
blasen boten vollkommen normale Verhältnisse. In ihrem Lumen fanden
sich ziemlich viele Spermatozoen und in den Schleimhautbuchten hier
und da Kolloidklumpen. Das Epithel, die Mukosa und die Muskularis
waren von gewöhnlichem Aussehen. Das gleiche war der Fall in den
Vasa deferentia außerhalb der Ampullen. Ihr Lumen war geradezu
erfüllt mit Spermatozoen. Die Schnitte von'den Ampullen zeigten im
gewöhnlich weiten Lumen ziemlich viele Spermatozoen und in den
Buchten der stark gefalteten, mit einem einschichtigen, braun pig¬
mentierten Epithel bekleideten, gewöhnlich dicken Mukosa einzelne
Kolloidklümpchen. Ihre Muskularis aber war in der inneren circulären
Schichte an vielen Stellen sehr reich an dichtem, fast ganz homogenem
Bindegewebe, und in solchen Partien da und dort, was aus der intensiven
Färbung mit Hämatoxylin erkannt werden konnte, von Kalk infiltriert
gewesen, wobei dieses Infiltrat, wie man in ganz kleinen Herden oder
an der Peripherie größerer Herde deutlich sehen konnte, zunächst
wieder nur das netzförmig angeordnete Bindegewebe betroffen hatte,
während die Lücken mit den Muskelfasern anfangs von der Verkalkung
frei geblieben waren und erst später auch von Kalk erfüllt worden
waren. In der äußeren longitudinalen Schichte der Muskulatur war
die Bindegewebswucherung nur an einzelnen ganz umschriebenen
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Ober senile Verkalkung der Ampallen der Vasa deferentia etc. 289
Stellen zu stände gekommen und waren dem entsprechend auch die
Kalkinfiltrationsherde viel kleiner. Überall im Rande der Verkalkungs¬
herde und auch unabhängig davon im Gewebe der Muskularis fanden
sich kleinste, konzentrisch geschichtete Kalkkugeln. Zu Knochenapposition
war es in den Verkalkungsherden nirgends gekommen. An den Blut¬
gefäßen konnte hier keine pathologische Veränderung wahrgenommen
werden.
Ganz den gleichen Befund bot der dritte Fall (Museumpräparat
Nr. 5380), der am 17. März 1902 seziert wurde. Hierbei handelte
es sich um die Leiche eines 75jährigen Mannes von der Abteilung
des Herrn Primarius Dr. Stransky in der hiesigen Landesirrenanstalt.
Die klinische Diagnose lautete auf Paranoia chronica. Pathologisch¬
anatomisch wurden erhoben Atrophia cerebri, Cystitis neerotisans, Pyelitis
catarrhalis und Dysenteria neerotisans. Auch hier konnte die Diagnose
auf Verkalkung der Ampullen der Vasa deferentia sofort aus dem
Widerstande, der sich beim Einschneiden derselben ergab, gemacht
werden. Die Verkalkung, die durch die mikrochemische Reaktion mit
Schwefelsäure leicht zu erweisen war, betraf wieder ausschließlich die
Ampullen der Vasa deferentia, während die übrigen Abschnitte dieser
wie die Nebenhoden und Hoden, die Prostata und die Ductus ejaculatorii
ganz normal erschienen. Mikroskopisch fanden sich im Lumen der
Samenblasen sehr reichliche, in den Ampullen der Vasa deferentia
ziemlich viele, in den übrigen Abschnitten dieser keine Spermatozoen.
Die Mukosa war überall zart und mit normalem Epithel bedeckt. Die
Muskularis zeigte gewöhnliche Schichtung, enthielt aber in den Samen¬
blasen und namentlich in den Ampullen der Vasa deferentia, und zwar
in beiden Schichten, stellenweise reichlicheres Bindegewebe, welches
in den Ampullen sklerosiert erschien. In dieses sklerosierte Binde-
gewebsnetz der Ampullen war herdweise in beiden Muskelschichten
die Kalkinfiltration erfolgt, und zwar genau so wie in den beiden
früheren Fällen. Anfangs waren die die Muskelfasern enthaltenden
Lücken noch frei von der Kalkablagerung gewesen, dann waren auch
sie davon erfüllt worden und dadurch eine kompakte Beschaffenheit
der Verkalkungsherde entstanden. Konzentrische Kalkkugeln fanden
sich hier nur spärlich, hingegen ließen sich an der Peripherie und
in den Einbuchtungen einzelner Verkalkungsherde wieder wie im
ersten Falle kleinste Knochenstückchen mit strahligenKnochenkörperchen
erkennen.
So war also in allen diesen drei Fällen eine Verkalkung in den
Ampullen der Vasa deferentia, im ersten Falle gleichzeitig auch in
den Samenblasen konstatiert worden, welche ihren Sitz stets in dem
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290
Dr. H. Chiari.
Bindegewebe der Muskularis gehabt hatte. Die einzelnen Yerkalkungs-
herde waren zwar nur bis hanfkorngroß gewesen, durch ihre An¬
häufung war jedoch stellenweise das makroskopische Bild einer aus¬
gedehnteren Verkalkung der Muskularis zu stände gekommen und bei
der Sektion der Eindruck erzeugt worden, als wenn die Ampullen
respektive im ersten Falle auch die Samenblasen in ihren mittleren
Wandschichten in Knochen umgewandelt worden wären. Es begreift
sich darnach ganz wohl, daß Duplay in seinen Fällen, die nur makro¬
skopisch untersucht wurden, eine mehr oder weniger vollständige
Ossifikation der Media der Ampullen vor sich zu haben glaubte. Die
kleinen »Knochenplatten«, die er in seinem ersten Falle erwähnt,
entsprechen vollständig den Verkalkungsherden meiner Fälle, in seinem
zweiten Falle waren die Verkalkungsherde offenbar noch ausgedehnter
gewesen und viel mehr zusammengeflossen. Die Mukosa der Ampullen
war in den Fällen von Duplay augenscheinlich auch intakt gewesen,
indem er ausdrücklich die Sondierbarkeit der Ampullen hervorhebt, und
spricht mir das ganz besonders für die volle Analogie mit meinen
Fällen, da sich daraus der Schluß ableiten läßt, daß die Verkalkung
in sämtlichen, durchwegs ältere Männer betreffenden Fällen, in denen
Duplay8 und in meinen Fällen, als eine rein regressive Metamorphose
in den Ampullen der Vasa deferentia respektive in den Samenblasen
aufgetreten war, ohne daß vorher etwa eine chronische Entzündung
bestanden hatte. Die in meinen Fällen, im Bereiche der Verkalkungs¬
herde stets vorhandene, der Verkalkung vorausgegangene Vermehrung
und Sklerosierung des Bindegewebes zwischen den Muskelfasern der
Muskularis möchte ich nämlich nur als Ausdruck einer senilen Ver¬
änderung der Muskularis ansehen, wie ich das bei der vergleichs¬
weisen Untersuchung der Ampullen der Vasa deferentia und der
Samenblasen mehrerer sehr alter Männer bei ganz intakter Mukosa
und dem Fehlen jeglicher entzündlicher Veränderungen zu wieder¬
holten Malen finden konnte. Wurde nun diese Sklerosierung oder Ver¬
ödung des Bindegewebes eine besonders starke, so konnte es darin,
wie schon früher erwähnt wurde, eben deswegen, an den besonders
stark veränderten Stellen zu einer Kalkablagerung kommen, wobei
aber auch vielleicht die senile Osteoporose des Knochensystems mit¬
wirkte. Eine Nierenaffektion, durch welche die Ausscheidung der
Kalksalze aus dem Körper etwa behindert werden konnte, war nur in
dem ersten meiner Fälle vorhanden gewesen.
Diese Art von Verkalkung in den Ampullen der Vasa deferentia
uud den Samenblasen ist meiner Ansicht nach scharf zu trennen von
der Verkalkung in den schwielig verdickten Wandungen der Samen-
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Über senile Verkalkung der Ampullen der Vasa deferentia etc. 291
blasen und Vasa deferentia bei chronischer Entzündung derselben,
welche von verschiedenen Autoren, zum Teile allerdings unter dem
Titel einer Verknöcherung, erwähnt wird, so von LdUemand 1 ), der von
Suppuration, Induration und »Ossifikation« bei chronischer Entzündung
der Samenblasen berichtet, von Rokitansky' 1 ), der hervorhebt, daß sich
in den verdickten schwieligen Wänden der Samenbläschen bisweilen
kleine Knochenbildungen finden, von Klebs 3 ), der von Kalkablagerung
in den schwielig verdickten Wänden der Samenblasen spricht, von
GueUiot 4 ), der als Observation V einen Fall von Induration und Kalk¬
infiltration in der Wand der Vasa deferentia und einer Samenblase
nach wiederholter Blennorrhöe bei einem Tuberkulotiker beschreibt, und
von Orth 6 ), welcher schildert, wie bei chronischer Deferentitis und
Vesiculitis seminalis eine allmähliche fibröse Verdickung der Wand
eintritt und es hier zur Kalksalzablagerung kommen kann.
Wohin die Befunde gehören, die Clement 6 ) anführt, wenn er
sagt, daß er Samenblasen gesehen habe, die »completement ossifiees,
de la forme et du volume d’un noyau d’olive, d’un blanc de glace«
waren, vermag ich nicht zu entscheiden, da ich diese Angabe nur
aus dem Citate bei GueUiot kenne, der sie allerdings bei der Sper-
matocystitis chronica erwähnt.
In klinischer Hinsicht dürfte der hier beschriebenen senilen
Verkalkung der Ampullen der Vasa deferentia und der Samenblasen
keine besondere Bedeutung zukommen. Höchstens könnte dadurch eine
Fehldiagnose veranlaßt werden, i. e. bei einer palpatorischen Unter¬
suchung vom Rektum aus der Eindruck entstehen, daß es sich um
eine Steinbildung in der Blase oder ein hartes Neoplasma im Blasen¬
grunde oder in der Prostata handle. Es hat also diese Verkalkung ein
überwiegend theoretisches Interesse.
Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII.
Fig. 1. Segment ans der Wand der Ampnlla vasis deferentia d.
des ersten Falles. Zeiß Obj. A A, Ok. 2. a) Fächeriges Lumen der Ampulle.
') LaUemand, Des pertes seminales involontaires. Paris 1836—1841. Citiert
nach GueUiot.
*) Bokitatuley, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. 1861, Bd. III.
*) Klebt, Handbuch der pathologischen Anatomie. 1876.
4 ) GueUiot, Des vesicules seminales; anatomie et pathologie. Paris 1883.
5 ) Orth, Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie. 1893, Bd. II.
6 ) Clement, Dissertation sur les maladies des Organes generateurs de l’homme.
Thöse de Montpellier 1830. Citiert nach GueUiot.
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292
Dr. H. Chiari, Ober senile Verkalkung der Ampullen ete.
b) Muskularis mit dem dunklen Verkalkungsgebiete, c) Konzentrisch geschichtete
Verkalkungskugel, d) Knochenlamelle der Verkalkung apponiert. e) Adventitia.
Pig. 2. Kleinster Verkalkungsherd aus der Muskularis der
medialen Hälfte der Vesicula seininalis d. desselben Falles. Zeiß
Obj. E, Ok. 2. Netzförmige Verkalkung dea stark vermehrten und sklerotischen
Bindegewebes a zwischen den Muskelfasern b .
Fig. 3. Apposition von Knochen b um einen kleinsten Ver¬
kalkungsherd o in der Muskularis der Ampulla vasis deferentis d.
desselben Falles. Zeiß Obj. E, Ok. 2.
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Zur Kenntnis der Gaszystenbildnng im Gehirne des
Menschen.
Von
Dr. H. Chiari,
Professor der pathologischen Anatomie an der deutschen Universit&t in Prag.
(Hierzu Tafel XXIV u. XXV.)
Schon seit langem bekannt ist das gelegentliche Vorkommen
eigentümlicher, zumeist sehr multipler, bis haselnußgroßer Hohlräume im
Gehirne des Menschen, welche keine eigenen Wandungen besitzen, viel¬
mehr direkt von der auseinandergedrängten Hirnsubstanz begrenzt werden
und in sich teils zentral, teils mehr gegen ihre Wandungen angepreßt,
eines oder mehrere Blutgefäße erkennen lassen. Clarke '), der, wie es
scheint, den ersten ausgesprochenen derartigen Fall beschrieben hat,
verglich die betreffenden Abschnitte des Gehirns, welche die verschieden
großen, wandungslosen, wie aus dem Gewebe ausgeschnittenen, zu¬
meist ganz leeren Löcher enthielten, mit Schweizerkäse, ein Ver¬
gleich, der seitdem vielfach herangezogen wurde. A. Pick 2 ) stellte
im Jahre 1890 sämtliche bis dahin publizierte Fälle zusammen
und gab selbst eine sehr eingehende makro- und mikroskopische Be¬
schreibung von sieben neuen Fällen der von ihm zystöse Degene¬
ration genannten Veränderung des Gehirns. Die Genese der Hohl¬
räume führte A. Pick wie die meisten seiner Vorgänger auf eine
pathologische Dilatation der perivaskulären Lymphräume durch Lymph-
stauung zurück. Ganz in dem Sinne von A. Pick faßte auch Neti-
dörffer 3 ) den von ihm untersuchten Fall von zystöser Degeneration
des Gehirns auf. 1899 erfolgte dann eine neue, wie sich herausgestellt
hat, richtige Deutung dieser Hohlräume im Gehirne als durch gas¬
bildende Bakterien bedingter postmortaler Gaszysten durch Reuling
’) Clarke, A case of general paralysis witb examination of the brain, me-
dulla oblongata and spinal cord. Journ. of ment. Scienoe. 1870.
5 ) A. Pick, Über zystöse Degeneration des Gehirns. Archiv für Psyob.
1890, Bd. XXI.
3 ) Neudärffer, Dementia paralytica. Tod durch Suffokation fitat crible. Zy¬
stöse Degeneration. Meningitis tuberculosa. Virchows Archiv. 1896, Bd. CXLVI.
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294
Dr. H. Cbiari.
und Herring'), welche in der Wand der Zysten und in den mit den
Zysten in Beziehung stehenden Blutgefäßen massenhafte Bazillen
fanden, die sie nach ihrem morphologischen und färberischen Ver¬
halten als identisch mit dem von Welch und Nuttal 2 ) entdeckten
Bacillus aerogenes capsulatus ansahen. Ihr Fall betraf eine 35jährige
Frau, die am dritten Tage nach einer Schußverletzung des Unterleibes
gestorben war. Das Gehirn wurde in toto von der 24 Stunden nach
dem Tode ausgeftthrten Sektion weg, bei der sich nirgends Gasbildung
gezeigt hatte, in 4% Formollösung gegeben und nach mehreren
Tagen in horizontale Durchschnitte zerlegt. Dabei fanden sich zahl¬
reiche Gaszysten in den Großganglien beider Großhirnhemisphären,
so daß diese Teile des Gehirns honigwabenartig aussahen, und weiter
auch einzelne Zysten im Kleinhirn. Mikroskopisch besaßen die Zysten
keine eigene Auskleidung. Die Kerne der unmittelbar angrenzenden
Marksubstanz färbten sich nicht mehr. Entzündliche Reaktion ließ
sich nirgends in der Wand der Zysten nachweisen. Nach der Meinung
von Heuling und Herring waren die Bazillen kurz vor dem Tode in
das Gehirn gelangt, waren dort nach dem Tode weiter gewuchert
und hatten dann das Gas erzeugt. Heuling und Herring stellten dar¬
nach diese Gaszystenbildung im Gehirne mit der Bildung der »Schaum¬
organe« (Ernst 3 ) in eine Linie. In derselben Nummer des Bull, of
the J. H. Hosp. wie Heuling und Herring berichtete Howard 4 ) über
einen Fall von Gaszystenbildung in der linken Großhirnhemisphäre
bei einem 10 Stunden nach dem Tode im März 1898 sezierten
31jährigen Manne mit Meningitis fibrinoso-purulenta cerebro-spinalis
und Hirnabszessen, in welchem Falle er den wahrscheinlich von einer
Perinealfistel eingedrungenen Bacillus aerogenes capsulatus, den er rein
kultivierte, nicht bloß als den Erreger der vermutlich post mortem
entstandenen Gasblasen im Gehirne, im Blute und in der Leber,
sondern auch als den Erreger der Eiterungen im Zentralnervensysteme
ansprach. Zu einer ganz gleichen Deutung der Gaszysten im Gehirne
wie Heuling und Herring gelangte unabhängig von diesen Hart -
- •
] ) Rauling and Herring Cavities in the brain, produced by the baoillus
aerogenes capsulatus. Bull, of the J. H. Hosp. 1899, Nr. 97.
2 ) Welch and NuttcU , A gas producing bacillus (B. aerog. caps. N. Sp.)
capable of rapid development in the blood vessels after death. Ibidem 1892, Nr. 24.
3 ) Emst , Über einen gasbildenden Anaeroben im menschlichen Körper und
seine Beziehung zur »Schaumleber«. Yirchows Archiv. 1893, Bd. CXXXI1I..
4 ) Howard, Acute fibrino-purulent cerebro-spinal meningitis, ependymitis,
abscesses of the cerebrura, gas cysts of the cerebrum, cerebro-spinal exudation and
of the liver, due to the bacillus aerog. caps. (Welch). Bull, of the J. H. Hosp.
1899, Nr. 97.
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Zur Kenntnis der Gaszystenbildung im Gehirne des Menschen. 295
mann. ') Er publizierte eiuen exquisiten solchen Befund von dem Gehirne
eines 68jährigen Mannes, welches einen Monat nach dem im August
1898 erfolgten Tode, nachdem es in 10%iger Formollösung konserviert
worden war, durch Frontabschnitte seziert wurde. Die Zysten lagerten
hauptsächlich im Marke des Großhirns, aber auch im Kleinhirn, im
Pons und der Medulia, besaßen keine eigenen Wandungen und ließen
nirgends eine entzündliche Reaktion in ihrer Nachbarschaft erkennen.
In den in ihnen befindlichen Gefäßen und an den Wandungen der
Zysten selbst fanden sich ungeheuere Mengen von Bazillen, die Hart¬
mann als die Erreger der Zystenbiidungen auffaßte. Er meinte, daß
die Bazillen während des Lebens in das Blut gekommen waren, so
die schwere (etwa 8 Tage dauernde) letale zerebrale Erkrankung
veranlaßt hatten, sich dann post mortem vermehrt und so die Gas¬
bildung bedingt hatten, was durch die Konservierung in Formol be¬
günstigt worden war. Er schlug für die Hirnveränderung den Namen
postmortales Emphysem des Gehirns vor. Ihmstimmte/’. Marie 1 ),
der in der Sitzung der Sektion für Neurologie des XIII. internationalen
medizinischen Kongresses am 3. August 1900 den Etat du fromage
de Gruyere des Gehirns besprochen hatte 9 ) und denselben als kada-
veröse Veränderung hingestellt hatte, bei und empfahl für diesen Zu¬
stand des Gehirns die Bezeichnung Porose cerebrale. Auf post¬
mortale Gasbildung durch intravital eingewanderte Bazillen aus der
Gruppe des Bacillus mucosus capsulatus bezog Howard*) die von ihm
im Dezember 1898 bei der Sektion eines 40jährigen Weibes neben
subkutanem Emphysem und Schaumorganen gefundenen Gaszysten im
Gehirne und auf den Bacillus aerogenes capsulatus zwei neue, von
ihm untersuchte Fälle von Gaszysten 5 ), die in Formol gehärtete Ge¬
hirne betrafen.
Für die postmortale Entstehung dieser Gaszysten im Gehirne
durch die Wirkung gasbildender Bakterien sprachen sich endlich
>) Hartmann, Eine eigenartige postmortale Zystenbildnng im zentralen Nerven¬
system. Wiener klin. Woehenschr. 1900, Nr. 42.
2 ) P. Marie, Des foyers lacanaires de des Integration et des differents autres
etats eavitaires da cerveau. Revue de med. 1901, Vol. XXI.
3 ) P. Marie, Des differents etats lacunaires da cerveaa. Revue nearologiqae.
1900, VIII, Nr. 15.
4 ) Howard, A case of general gaseous empbyseua with gas cysts in tbe brain
formed after deatb and due to bacillos mucosus capsulatus, with a consideration
of the gas producing properties of eertain members of this group in tbe cadavers
of animalB. Journ. of exp. Med. 1900, VoL V. v
5 ) Howard, Tbe origin of gas and gascysts of the central nerrous System.
Journ. of med. Reo. 1901, Vol. VI.
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296
Dr. H. Chiari.
auch aus v. Reuß •), der bei der Sektion eines IV 2 Monate in
10%iger Forraollösung aufbewahrt gewesenen Gehirnes eines Para¬
lytikers zahlreiche Gaszysten oder, wie er ganz richtig bemerkt, besser
Gasblasen zu nennende, mit Gas gefüllte Hohlräume in der Gehirn¬
substanz fand, die an und in den Blutgefäßen ihrer Wandungen
massenhaft Bazillen erkennen ließen, und Siemerling 2 ), der in der
Jahresversammlung des Vereines der deutschen Irrenärzte in Berlin
im April 1901 einen Fall von Etat du fromage de Gruyere des Ge¬
hirns erörterte, sowie Westenhoeffer 3 ), der bei zwei Puerperen mit aus¬
gebreitetem Emphysema cadavericum das eine Mal nach Härtung des
Gehirns, das andere Mal bei der Sektion des frischen Gehirnes zahl¬
reiche Gasblasen im Gehirne fand.
Ich selbst sah den ersten Fall von Gaszystenbildung im Gehirne
im Jahre 1893 als zufälligen Befund von der Sektion einer stark
faulen Typhusleiche, die mein damaliger erster Assistent, Herr Dozent
Dr. v. Wunschheim, im Prager israelitischen allgemeinen Krankenhause aus-
führte. Der betreffende Patient, ein 30jähriger Mann, hatte klinisch das
typische Bild eines Typhus abdominalis geboten. Kurz vor dem Tode
war Auftreibung des Unterleibes und damit ein zum Tode führender
schwerer Kollaps aufgetreten. Bei der am 21. September, 30 Stunden
nach dem Tode, vorgenommenen Sektion zeigte sich dunkle Hypostasen¬
bildung auf der Rückseite des Körpers, ferner bei noch vorhandener
Todtenstarre grünliche Mißfärbung in der Haut der Vorderfläche des
Abdomens, am Halse und im Gesichte, wie auch in der Schleimhaut
der Trachea und Imbibition mit dissolut gewordenem Blutfarbstoffe
in den weichen Schädeldecken, im Endokard und in der Intima aortae.
Weiter fanden sich, der klinischen Diagnose entsprechend, zahlreiche
typhöse, zum Teile noch mit anhaftenden Schorfen versehene Ulcera
im Ileura, akuter Milztumor und parenchymatöse Degeneration. Von
einem der Ulcera im untersten Ileum, knapp über der Valvula Bauhini,
war es zur Perforation in die Bauchhöhle gekommen und war dadurch
eine eben im Beginne der Entwicklung stehende Perforationsperitonitis
bedingt worden. Gasblasen im Blute oder Schaumorgane fanden sich
nicht. Als das Gehirn seziert wurde, zeigten sich in beiden Großhirn¬
hemisphären, und zwar sowohl im Marklager als in den großen Ganglien,
') v. Be vJS, Zur Kenntnis der postmortalen Zysten- recte Blasenbildung im
Gehirne. Pester medizinisch-chirurgische Presse. 1901, Nr. 10.
*) Siemerling, Neurologisches Zentralblatt. 1901, Nr. 10.
3 ) Wettenhoefer, Über Schaumorgane und Grangrene foudroyante. Virchows
Archiv. 1902, Bd. CLXVIII, und Weitere Beiträge zur Frage der Schaumorgane
und der Gangräne foudroyante. Ibidem. 1902, Bd. CLXX.
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Zur Kenntnis der Gaszystenbildung im Gehirne des Menschen. 297
sehr zahlreiche glattwandige, mit Luft gefüllte, hanfkorn- bis bohnengroße,
ovale und kreisrunde Zysten, die oft reihenförmig hintereinander
standen. Die Binde enthielt nur einzelne kleinste solche Zysten. Eine
vorläufige mikroskopische Untersuchung des Gehirnes ergab keine
Aufklärung über die Genese dieser Zysten, deren Wand von ausein¬
andergedrängter Hirnsubstanz gebildet wurde und die häufig, teils
zentral, teils der Wand anliegend, ein Blutgefäß in sich erkennen ließen.
Als ich aber dieses Gehirn, das im Museum meines Institutes sub
Nr. 4953 in 96%igem Alkohol aufbewahrt ist, durch die Publikation
von Reuling und Herring angeregt, neuerdings, und zwar speziell auf
Bakterien an mikroskopischen Schnitten untersuchte, da fanden sich
jetzt in den Blutgefäßen des Gehirns, besonders in Arterien und Ka¬
pillaren, aber auch in Venen, zumal im Bereiche der Gaszysten, dann
an der Wand vieler der Gaszysten selbst ungeheuere Mengen von
ziemlich plumpen, an Milzbrand erinnernden Bazillen, die nach ihrem
morphologischen Verhalten und ihrer Gram-Beständigkeit höchstwahr¬
scheinlich auf den Bacillus aerogenes capsulatus (Welch und Nuttal)
respektive den Bacillus phlegmones emphysematosae (Fraenkel 1 ) zu
beziehen waren, von welchem Bacillus Fraenkel 2 ) ganz mit Becht
sagt, daß er der Erreger der Gasgangrän und ebenso der Schaura-
organe xat’ eSo^v ist, so etwa wie der Diplococcus pneumoniae der
gewöhnlichste Erreger der Pneumonia fibrinosa ist. Die Bazillen waren
sicherlich durch die Blutzirkulation, also noch intra vitam in das
Gehirn gelangt, hatten sich dann, und zwar wie aus dem Fehlen
jeglicher Beaktionserscheinungen erschlossen werden konnte, nach
dem Tode ungemein vermehrt und dadurch zur Gaszysten- respektive
Gasblasenbildung Veranlassung gegeben. Die Eintrittspforte für die
Bazillen dürfte der Darm gewesen sein, in dem sich eine schwere
pathologische Veränderung, nämlich die typhöse Geschwürsbildung fand.
Seit der Zeit kam mir etwas Derartiges nicht mehr vor bis zum
Jahre 1900, wo ich dann an einem Tage zwei solche Gehirne traf.
Es handelte sich dabei um Gehirne, die mehrere Monate in 10%iger
Formollösung gelegen waren und dann erst lamelliert wurden. Der
eine Fall war am 2. August, 13 Stunden nach dem Tode, seziert
worden. Er betraf eine 63jährige Frau mit chronischem Morbus
Brigthii, chronischer Endarteriitis, chronischer Endokarditis und
Hypertrophie des linken Herzventrikels. Der andere Fall bezog
■) Fraenkel, Über die Ätiologie der Gasphlegmonen. Zentralblatt für Bakterio¬
logie. 1893, XIII, Nr. 1, und Über Gasphlegmone. Hamburg 1893.
J ) Fraenkel, Über den Erreger der Gasphlegmone. Münchener medizinische
Woohenschrift. 1899, Nr. 42 und 43.
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298
Dr. H. Chiari.
sich auf einen 41jährigen Mann, dessen Leiche am 27. August,
28 Stunden nach dem Tode, seziert worden war. Der Patient war
an Typhus abdominalis gestorben und fanden sich dementsprechend
partiell nekrosierte, markige Infiltrate der Pirschen Platten im
unteren Ileum und weiter akuter Milztumor und parenchymatöse
Degeneration. Fäulniserscheinungen waren im ersten Falle keine vor¬
handen gewesen, im zweiten Falle hatte sich Imbibition der Schleim¬
haut der Halsorgane und der Intima aortae sowie des Endokards
mit Blutfarbstoff gezeigt. Von Scbaumorganen war in keinem der
beiden Fälle etwas gesehen worden. Da beide Fälle von der psy¬
chiatrischen Klinik des Herrn Professor Dr. A. Pick stammten, in dem
ersten Falle Dementia senilis, in dem zweiten Falle Paralysis pro¬
gressiva diagnostiziert worden war, waren die Gehirne nicht sofort
seziert, sondern für eine spätere genauere Untersuchung in toto in
die Formollösung gegeben worden. Am 14. November zerlegte ich
beide Gehirne in frontale Lamellen. Dabei zeigte sich in dem leicht
atrophischen Gehirne der 63jährigen Frau außer einer 20mm in
der Richtung von innen nach außen und 3 mm in der Richtung von
vorne nach hinten und von oben nach unten messenden hämorrha¬
gischen Narbe im Thalamus opticus sinister, einem 6 mm im Durch¬
messer haltenden kugelförmigen Erweichungsherd in der Substantia
alba, knapp unter dem Schweife des Nudeus caudatus sinister, einer
2 mm in der Richtung von innen nach außen, ebensoviel von hinten
nach vorne und 20 mm in der Richtung von oben nach unten messenden
hämorrhagischen Narbe in der Capsula externa und dem Putamen
dextrum, einer unmittelbar im oberen Ende dieser Narbe gelegenen
kugelförmigen Erweichung von 8 mm Durchmesser und einem hanf¬
korngroßen Erweichungsherde in der Pyramidenregion der linken
Ponshälfte, im Marke des Lobus occipitalis dexter fast zentral eine
kugelförmige, augenscheinlich mit Gas gefüllt gewesene, glattwandige
Höhle von 6 mm Durchmesser (Museumpräpararat Nr. 5374). Das Gehirn
des 41jährigen Mannes, welches entsprechend der progressiven Paralyse
Verschmälerung der Gyri erkennen ließ, war im Bereiche des Gro߬
hirns von zahlreichsten, das Mark und die Großganglien betreffenden,
sehr verschieden gestalteten, bis last haselnußgroßen, ganz leeren
Hohlräumen durchsetzt, wodurch die Schnittflächen eine wabige, an
Schweizerkäse erinnernde Beschaffenheit akquiriert hatten (Museum¬
präparat Nr. 5375). Im Kleinhirne waren diese Bildungen viel weniger
ausgesprochen, im Pons, der Medulla oblongata und Medulla spinalis
fehlten sie gänzlich. Mikroskopisch ergab sich in diesen beiden Fällen
ganz der gleiche Befund wie in dem Falle vom Jahre 1893. Die
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Zur Kenntnis der Gaszystenbildung im Gehirne des Menschen. 299
Zysten hatten wieder keine eigenen Wandungen, die Hohlräume
wurden vielmehr nur von der auseinandergedrängten Hirnsubstanz
begrenzt und hatten sich augenscheinlich um Blutgefäße gebildet,
die hier und da zentral, zumeist aber an der Wand der Hohlräume
verliefen. Die an die Zysten angrenzende Hirnsubstanz war in keiner
Weise pathologisch verändert, ihre Herne waren gut gefärbt und die
Markscheiden der angrenzenden Nervenfasern gut erhalten. In den
mit den Zysten in Beziehung stehenden Blutgefäßen, aber auch in
den Gefäßen in der Nähe der Zysten lagerten ungeheuere Mengen
derselben (Tram-beständigen Bazillen wie in dem früheren Falle. Es
wurden diese Bazillen wieder mit Wahrscheinlichkeit als der Bacillus
aerogenes capsulatus sive Bacillus phlegmones emphysematosae an¬
gesprochen und auf ihre postmortale Wucherung die Gasbildung
zurückgeführt. Die Eintrittspforte für die Bazillen war bei dem 41jährigen
Manne höchstwahrscheinlich der Darm, i. e. die typhöse Affektion
desselben gewesen, bei dem 63jäbrigen Weibe konnte höchstens ein
3 cm 5 großer, die ganze Dicke der Haut durchsetzender Dekubitus in
der Begio sacralis eventuell dafür verantwortlich gemacht werden.
Der interessanteste Fall war aber der vierte und letzte Fall von
Gaszystenbildung im Gehirne, den ich im Sommer 1902 antraf, und
zwar deswegen, weil es hier gelang, die Gaszysten in einem Teile
des Gehirns sozusagen künstlich, nämlich durch entsprechende Auf¬
bewahrung des Gehirns nach der Sektion, zur Entwicklung zu bringen.
Es handelte sich dabei um eine 29jährige Frau, welche am 8. Mai
1902 auf die gynäkologische Klinik des Herrn Prof. Dr. Sänger in
sterbendem Zustande mit der Angabe, daß tags zuvor bei ihr ein
Abortus im dritten Monate stattgefunden hatte, eingebracht worden
war. Auf der Klinik fiel die starke Auftreibung des Unterleibes auf.
Bei der 20 Stunden nach dem Tode vorgenommenen Sektion bemerkte
man von außen an dem kräftig gebauten und gut genährten Körper,
der auf der Rückseite dunkle Hypostasen und blasenförmige, mit röt¬
lichem Serum gefüllte Epidermisabhebungen erkennen ließ, universelles
Emphysem des subkutanen Zellgewebes und starke Vorwölbung des
Unterleibes, besonders im Hypogastrium. Letztere war außer durch
Meteorismus des Darmes hauptsächlich bedingt durch eine Tympanitis
uteri. Der Uterus maß 20 cm in der Länge, 13 cm in der Breite und
8 cm in der Dicke und war seine an der dicksten Stelle nur 1 cm dicke
Wand, die über dem die Uterushöhle erfüllenden Gase stark gespannt
erschien, von kleinsten Gasblasen durchsetzt. Das Endometrium war
mißfärbig und zerfließend weich. An das subkutane Emphysem schloß
sich ein solches des interrauskularen Zellgewebes, des tiefen Zellgewebes
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abt. f. path. Anat. n. verw. Disziplinen. 21
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300
Dr. H. Cbiari.
des Halses, des Zellgewebes des Mediastinums sowie des subperitonealen
Zellgewebes an. Außerdem fanden sich reichliche Gasblasen in dem
submukösen Zellgewebe der Harnblase, in der sehr weichen Leber
und Milz und in den gleichfalls sehr weichen Nieren. Von Fäulnis¬
veränderungen zeigte sich im Innern nur eine Imbibition des Endo¬
kards und der Intima aortae mit dissolut gewordenem Blutfarbstoffe.
Sehr auffällig war dann noch eine ausgedehnte frische hämorrhagische
Infiltration in der Muskulatur und dem intermuskularen Zellgewebe
der vorderen und inneren Seite der oberen Hälfte des linken Ober¬
schenkels, dem Musculus iliacus internus sinister und dem Musculus
psoas sinister und weiter die Beimengung von reichlichem freiem Fette
zum Blute im rechten Herzventrikel, in den großen Halsvenen und,
wie eine sofort vorgenommene mikroskopische Untersuchung ergab,
auch in zahlreichen kleinen Arterien und Kapillaren der beiden Lungen.
Die Sektion des Kopfes erwies außer dem Befunde von Fettröpfehen
in dem Blute der Sinus durae matris nichts Besonderes und war
namentlich in der Substanz des Gehirns, von welchem die rechte
Großhirnhemisphäre — die linke Großhirnhemisphäre wurde absichtlich
zunächst nicht seziert, sondern in 10%'ge Formollösung eingelegt —
das Kleinhirn, der Pons und die Medulla oblongata ausgiebig lamelliert
wurden, nichts von Gasblasenbildung zu sehen.
Nach diesem Sektionsbefunde mußte der Fall als ein Puerperalprozeß,
i. e. als eine von einer Endometritis septica ausgehende Sephthämie
angesehen werden, bei welcher es aber auch noch zu einer Infektion
mit gasbildenden Bakterien gekommen war, welche die Tympanitis
uteri und dann in agone, durch die Blutzirkulation verschleppt und
postmortal weitergewuchert, das universelle Zellgewebsemphysem und
die Bildung der »Schaumorgane« veranlaßt hatten. Dem entsprach
auch das Resultat der bakteriologischen und histologischen Unter¬
suchung. In Deckglaspräparaten von der Innenfläche des Uterus fanden
sich nebst verschiedenen anderen Bakterien reichliche (Tram-beständige
Streptokokken und allerdings spärliche (Tram-beständige Bazillen von
dem Aussehen des Bacillus aerogenes capsulatus, in Deckglaspräparaten
vom Herzblute nur die letztgenannten Bazillen in reichlicher Menge.
In Kulturen wuchsen von der Innenfläche des Uterus verschiedene
aerobe Bakterienarten, darunter auch der Streptococcus pyogenes, der wohl
den Puerperalprozeß bedingt hatte, und ein anaerober gasbildender
Bacillus, den ich nach seinem kulturellen Verhalten als den Bacillus
aerogenes capsulatus ansprechen mußte. Aus dem Herzblute wuchs
nur, und zwar bei anaerober Züchtung, der ebengenannte Bacillus
aerogenes capsulatus. In mikroskopischen Schnitten von der Wand
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Zur Kenntnis der Gaszystenbildung im Gehirne des Menschen. 301
des Fundus uteri, der Leber, der Milz und den Nieren, die nach
Formolhärtung angefertigt wurden, zeigten sich, abgesehen von der
entzündlichen Infiltration in dem Beste der Decidua und einer überall aus¬
geprägten parenchymatösen Degeneration im Bereiche der Gasblasen an der
Wand dieser und in den in ihnen enthaltenen Blutgefäßen und auch sonst
in den Blutgefäßen reichliche öram-beständige Bazillen von dem
Aussehen des BWcAschen Gasbazillus. Die Bazillen waren plump und
bildeten mitunter kurze Fäden. Kapselbildung konnte ich an ihnen
nicht erkennen. Die erwähnte frische Blutung in der Muskulatur des
linken Oberschenkels und der linken Beckenhälfte, welche mikroskopisch
auch zahlreiche Gasbläschen und gleichfalls sehr reichlich die eben
genannten Bazillen erkennen ließ, vermochte ich in ätiologischer
Hinsicht nicht sicher zu erklären. Ich sprach die Vermutung aus,
daß sie vielleicht Effekt eines beim Transporte der Patientin ent¬
standenen Traumas gewesen sein dürfte, und meinte, daß im Zusammen¬
hänge damit die Lipämie entstanden sein mochte. Tn bezug auf
letztere muß ich aber nach Lektüre der zweiten Arbeit von Westen-
hoeffer die Möglichkeit zugeben, daß hier ebenso wie in dem Falle
Weatenhoeffers durch postmortale Gasentwicklung im Knochenmarke,
das von mir nicht untersucht wurde, nach dem Tode Fett des Knochen¬
markes in das Venensystem, in das rechte Herz und in die Lungen
eingetrieben wurde.
Was mich aber an diesem Falle am meisten interessierte, war
das Verhalten der linken Großhirnhemisphäre, die ich zwei Monate
nach der Sektion, bis zu welcher Zeit sie in der 10%>gen Formollösung
gelegen war, durch die Ptiresschen Schnitte zerteilte. Es zeigte sich
jetzt in dieser Hemisphäre der exquisiteste Etat du fromage de Gruy&re.
Im Innern dieser Hemisphäre (Museumpräparat Nr. &429), und zwar im
Marke und den Großganglien fanden sich zahlreichste bis bohnengroße,
teils elliptische, teils kugelige, oft reibenförmig aneinandergeordnete,
leere Zysten (videFig. 1—6 aufTafel XXIV und XXV — die von hinten ge¬
sehenen Putschen Schnittflächen), die mikroskopisch keine eigenen
Wandungen besaßen und in sich und den in ihnen befindlichen Ge¬
fäßen zahlreiche örcm-beständige Bazillen desselben Aussehens wie
die Bazillen in den übrigen Schaumorganen erkennen ließen. Diese
Bazillen waren übrigens auch in sonstigen Hirngefäßen zu sehen.
Irgendwelche pathologische Veränderungen in dem die Gaszysten
begrenzenden Hirngewebe waren nicht vorhanden.
Es war also hier wie bei einem Experimente die post¬
mortale Entwicklung der Gaszysten im Gehirne dargetan
worden. Ich hatte die linke Hemisphäre eben deswegen bei der
21 *
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302
Dr. U. Chiari.
Sektion unzerschnitten gelassen, um zu sehen, ob bei einem Gehirae r
welches bei der Sektion keine Gaszysten darbietet, die gasbildenden
Bazillen aber wahrscheinlich in sich enthält, durch geeignete Kon-
servierung, nämlich in Formollösung bei gewöhnlicher Zimmertempe¬
ratur, die Gaszysten zur Entwicklung gebracht werden könnten. Dieser
Versuch gelang, und kann man darin wohl eine Erklärung des jetzt
schon mehrmals gemachten Befundes von Gaszysten in in Formol
gehärteten Gehirnen erblicken. Das Formol härtet sehr rasch die
peripheren Anteile des Gehirns, bewahrt die zentralen Teile vor dem
Zutritte des Sauerstoffes der atmosphärischen Luit und schafft so günstige
Bedingungen ihr die Proliferation der gasbildenden Bazillen, wenn
eben solche vor dem Tode durch die Zirkulation in das Gehirn ge¬
langt waren. Den Einwand, daß in meinem Falle die gasbildenden
Bazillen Oberhaupt etwa nur in die linke Großhirnhemisphäre gekommen
waren und die Gaszysten in dieser Hemisphäre, die ja bei der Sektion
nicht eingeschnitten wurde, schon zur Zeit der Sektion vorhanden
gewesen waren, also nicht, wie ich annehme, erst später sich gebildet
hatten, möchte ich damit zurückweisen, daß nicht einzusehen wäre,
warum die Bazillen nur in eine Großhirnhemisphäre gelangt sein
sollten, während sie doch sonst in dem Körper ganz allgemein sich
verbreitet hatten.
Fasse ich meine vier Fälle zusammen, so geben dieselben eine
Bestätigung der Auffassung von Reuling und Herring, Howard, Hart¬
mann , v. Reuß, Siemerling und Westenhoeffer, daß die Gaszysten oder
Gasblasen im Gehirne — das sogenannte Schweizerkäsegehirn — nichts
anderes sind als eine kadaveröse Produktion, veranlaßt durch die
Wucherung gasbildender Bazillen, und hat dies mein vierter Fall nach
Art eines Experimentes geradezu erwiesen. Die Eintrittspforte der
Bazillen in die Blutbahn war im ersten und dritten Falle höchst¬
wahrscheinlich im Bereiche der typhösen Erkrankungsherde des
Darmes gelegen gewesen, im zweiten Falle konnte dieselbe nicht
bestimmt werden, im vierten Falle war es sicher der Uterus
gewesen.
Diese hier besprochene Gaszystenbildung im Gehirne steht nach
dem Gesagten in inniger Beziehung zu jener Infektion, welche einer¬
seits die sogenannte Gasgangrän, Gangräne foudroyante nach Maison-
neuve, Phlegmone emphysematosa nach FraenJcel, Gangrena gassosa
nach MuacateUo und Gangitano 1 ), bedingt und in neuerer Zeit nament-
’) Mutcatello e Qangitano, Ricerche sulla gangrena gassosa. Rif. med. 1898.
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Zur Kenntnis der Gaszystenbildung im Gehirne des Menschen. 303
lieh durch Fraenlcel *), Welch und Flexner 2 ), Hüschmann und Linden-
thal 3 ), Westenhoeffer und Sandler 4 ) studiert wurde und anderseits zur
Bildung der sogenannten Schaumorgane Veranlassung gibt. Die so¬
genannte Gasgangrän fährt sehr oft zur Entstehung von Schaum¬
organen, indem, die in agone von dem lokalen Gasgränherde aus in das
Blut gelangten gasbildenden Bazillen, welche de regula dem Bacillus
aerogenes capsulatus sive Bacillus phlegmones emphysematosae ent¬
sprechen, also streng anaerob sind, nicht mehr durch den Sauerstoff
des Blutes zerstört werden können, sondern sich bis zum Tode er¬
halten, nach dem Tode unter den ihnen jetzt sehr günstigen Bedin¬
gungen intensiv wuchern und so die Gasblasenbildung veranlassen.
In diesem Sinne möchte ich in meinem vierten Falle die Gaszysten¬
bildung im Gehirne als eine Folge der im Uterus lokalisierten so¬
genannten Gasgangrän auffassen. Aber auch ohne daß es irgendwo
zur sogenannten Gasgangrän gekommen war, können in agone die
eine große Ubiquität besitzenden nnd z. B. im Darme des Menschen
nachgewiesenen, in Bede stehenden Bazillen in die Blutbahn eines
Menschen kommen, durch die Zirkulation weithin vertragen werden
und so dazu Veranlassung geben, daß unter geeigneten Verhältnissen
irgendwo, z. B. auch im Gehirne, post mortem reichliche Vermehrung
derselben und damit Gaszystenbildung zustande kommt. Zu dieser Art
von Schaumorganen wären meine ersten drei Fälle von Gaszysten¬
bildung im Gehirne zu zählen.
Es ist darnach dieGaszystenbildung imGehirne wirklich
ein postmortales Emphysem zu nennen, das aber nur dann
entstehen kann, wenn gasbildende Bazillen ante mortem in
das Gehirn importiert worden waren.
Erklärung der Figuren 1—6 auf Tafel XXIV nnd XXV.
Photographische Wiedergabe der von hinten gesehenen .Ptire«schen Schnitt¬
flächen der linken Großhirnhemisphäre des vierten Falles.
') Fraenkel, 1 . c., and Über Gasphlegmone, Schaumorgane und deren Erreger.
Zeitschrift für Hygiene. 1902, Bd. XL.
*) Welch und Flexner, Observations concerning the bacillus aerogenes capsu¬
latus. Journ. of exper. Med. 1896, Bd. I, und Welch, Morbid conditions caused by
bacillus aerogenes capsulatus. Bull, of the J. H. Hosp. 1900, Bd. CXIV.
3 ) Hittchmann und Lindenthal, Über die Gangräne foudroyante. Sitzungs¬
berichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften in Wien, 1899, und Über die Schaumorg&ne und die bakteriellen
Schleimhautemphyseme. Ibidem. 1901.
4 ) Sandler, Über die Gasgangrän und Schaumorgane mit zusammenfassendem
Referate. Zentralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 1902.
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Ein neues Leichen-Konservierungsverfahren.
Von
Dr. Anton Brosch,
k. u. k. Regimentsarzt und Protektor am Hilitir-Leichenhof in Wien. *)
(Hierzu 2 Figuren im Texte und Tafel XXVI und XXVII.)
Nach einer kurzen Mitteilung über ein von mir erfundenes neues
Leichen - Konservierungsverfahren 2 ) wurde ich von Herrn Hofrat
Dr. Hans Chiari aufgefordert, dieses Verfahren ausführlich zu publi¬
zieren. Der Aufforderung von so hochgeschätzter Seite Folge leistend,
teile ich im folgenden die genaue Technik des Verfahrens mit, will
jedoch einen orientierenden Überblick über die gegenwärtig im Ge¬
brauche stehenden Methoden vorausschicken, da es auf diese Weise
leichter ist, sich von dem Wert des neuen Verfahrens eine richtige Vor¬
stellung zu bilden.
Wer sich außerdem noch für die älteren Methoden der Leichen-
Konservierung und Bestattung interessiert, findet das Wissenswerte
hierüber bei Küchenmeister 3 ) zusammengestellt, welcher über die ver-
0 Durch die vorläufigen Mitteilungen des Herrn Autors über sein neues
Leichen-Konservierungsverfahren in der Wiener medizinischen Wochenschrift, 1902,
Nr. 7, und in der Umschau, 1902, Nr. 18, wurde ich von regem Interesse für diese
Methode erfüllt, da mir dieselbe praktische Bedeutung zu besitzen scheint. Man wird,
wie ich glaube, mit diesem Verfahren der wenn auch selten an den pathologischen
Anatomen herantretenden Forderung, eine Leiche behufs öffentlicher Aufbahrung
und Schaustellung eventuell nach längerem Transporte mit voller Erhaltung der
äußeren Formen zu konservieren, besser als mit den bisher bekannten Methoden
entsprechen können, es wird weiter möglich sein, durch dieses Verfahren das Leichen¬
material für Operationsübungen, so Eindesleichen für geburtshilfliche und Leichen
von Erwachsenen für chirurgische Operationskurse, rasch und billig desinfizieren und
konservieren zu können, endlich wird sich vielleicht diese Methode auch zur Her¬
stellung gewisser Musealpräparate eignen, bei denen es lediglich auf die äußeren
Formen ankommt. Jedenfalls verdient diese Methode volle Beachtung, und stellte
ich daher an den Herrn Autor das Ansuchen, sein neues Leichen-Konservierungs-
Verfahren, welches seiner Erfindungsgabe alle Ehre macht, ausführlich zu publizieren,
damit auch von anderer Seite Erfahrungen darüber gesammelt werden können.
H. Chiari.
5 ) Wiener medizinische Wochenschrift. 1902, Nr. 7.
3 ) Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches Sanitätswesen.
Neue Folge, Bd. XLII u. f.
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Ein neues Leichen-Konservierungsverfahren.
305
sebiedenen Bestattungsarten menschlicher Leichname vom Anfang der
der Geschichte bis auf die Neuzeit berichtet.
Gegenwärtig sind besonders zwei Arten der Leichen-Konservierung
im Gebrauche: die Einbalsamierung und die Blutaderinjek¬
tion. Neben diesen sind noch einige andere Verfahren bekannt ge¬
worden, welche aber wegen ihres geringen praktischen Wertes nicht
in weiteren Gebrauch kamen. Abweichend von allen diesen bisher be¬
kannten Verfahren ist das von mir neuersonnene Konservierungsver¬
fahren, für welches mir wegen des zur Anwendung gelangenden hohen
Druckes die Bezeichnung »fäulnisfeste Imprägnierung« als die
richtigste erscheint.
1. Die moderne Balsamierung.’)
Unter Einbalsamierung verstehen wir gegenwärtig eine mit Heraus¬
nahme der Eingeweide verbundene fäulniswidrige Präparierung einer
menschlichen Leiche.
Die herausgenommenen Eingeweide werden durch zahlreiche
Schnitte eröffnet, gut ausgewaschen und in konservierende Bäder (Al¬
kohol, Karbolsäure, Sublimat etc.) eingelegt. Kopf und Extremitäten
werden durch Einspritznng von Konservierungsflüssigkeit in die großen
Schlagadern konserviert.
Nach der Konservierung des Kopfes und der Extremitäten wird
der Rumpf der Leiche präpariert. Die dickeren Muskeln werden, so¬
weit dieselben vom Brust-Bauchschnitte aus erreichbar sind, durch
äußerst zahlreiche, dicht aneinandergereihte Schnitte (Skarifikation)
dem Konservierungsmittel möglichst zugänglich gemacht. Das Kon¬
servierungsmittel wird dann mit einem Schwamm fest in die Muskeln
eingerieben.
Nach dieser Prozedur werden das Innere der Körperhöhlen sowie
alle nur irgendwie zugänglichen Teile mit Holzkohlenpulver ausgelegt
und dasselbe überdies noch durch mechanisches Einreiben mit den
Leichenteilen in möglichst innige Berührung gebracht (Desodorisation).
In der derart hergerichteten Leiche werden wohlriechende Kräuter
(Species aromaticae), Benzoeharz und wohlriechende Öle (Balsamica)
eingebracht.
Die mittlerweile durch mehrere Stunden in konservierenden Bädern
gelegenen skarifizierten Eingeweide werden nun ebenfalls mit Holz¬
kohlenpulver eingerieben und hierauf unter reichlicher Einhüllung in
] ) Siehe auch Birch-Hirchfeld , citiert bei Küchenmeister , 1. c. S. 346.
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Original frum
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306
Dr. Anton Brosch.
wohlriechende Kräuter und Bestreuung mit gepulvertem Benzoeharz
wieder möglichst an ihren früheren Platz in der Leiche zurückgebracht.
Nun wird die Leiche vernäht, gewaschen, die Haut mit Kon¬
servierungsflüssigkeit eingepinselt und zuletzt vom Hals bis zu den
Handgelenken und Knöcheln in mit Konservierungsflüssigkeit getränkte
Leinwandbinden eingewickelt. Der letzte Teil besteht in einer kosmeti¬
schen Behandlung beziehungsweise Schminkung des Gesichtes und
eventuell der Hände.
Die Dauer einer derartigen Einbalsamierung beträgt je nach Sorg¬
falt und Umständen einen halben bis einen ganzen Tag.
2. Andere Verfahren.
Dieselben bestehen in der Kegel in einem Einlegen der Leichen in
konservierende Bäder oder, wohl aus Ersparungsrücksichten, nur in einem
Einschlagen der Leiche in mit Konservierungsflüssigkeit getränkte Tücher.
Mitunter werden die Leichen oder so behandelte Leichenteile nachher ge¬
trocknet.
Am häufigsten und mit großem Erfolge werden diese Verfahren an¬
gewendet bei der Konservierung anatomischer Museumpräparate. Am be¬
kanntesten sind das van Veltersche Zucker-Glyzerin-Salpeterverfahren und
das Chlorzinkverfahren von Giacomini. Diese Verfahren sind sehr zeit¬
raubend (bis sechs Wochen) und für die Konservierung ganzer Leichen
anscheinend noch nicht versucht worden. Hingegen erscheint besser ver¬
wendbar das Karbolsäureverfahren von Clarke und das Schwefelätherver¬
fahren von Martin.
a) Das Verfahren von Clarke.
Die Leiche wird mit einer 1—3°/oigen Karbolsäurelösung gewaschen
und dann mit in derselben Lösung getränkten Tüchern eingeschlagen. Eine
stärkere Lösung wird durch die natürlichen Körperöffnungen (Mund, Harn¬
röhre, After) in die Körperhöhlen (Speiseröhre, Magen, Luftröhre, Bronchien,
Harnblase und Darm) eingespritzt. Unangenehm bei diesem Verfahren ist
der penetrante, widerlich süße Karbolsäuregeruch, welcher das Verfahren
für eine offene Aufbahrung ungeeignet erscheinen läßt.
b) Das Verfahren von Martin.
Die Eingeweide werden durch den Bauchschnitt herausgenommen
und durch mit Schwefeläther getränkte Wolle, Watte oder Lohe ersetzt.
Der Bauchschnitt wird zugenäht, die Leiche in ein Tuch eingeschlagen
und in einen Bleisarg gelegt, in welchem sich eine mit Schwefeläther ge¬
tränkte Schichte von Sägespänen, Lohe oder Sand befindet. Der Bleisarg
wird verlötet und noch in einen Holzsarg eingeschlossen.
Dieses Verfahren ist zwar brauchbar für die Konservierung einer
Leiche, läßt jedoch wegen des narkotisierenden Geruches und der eminenten
Feuersgefahr eine offene Aufbahrung nicht zu.
Interessante Bemerkungen über Konservierungen durch Einlegen von
Leichen in laugenartige Lösungen finden sich bei Küchenmeister (1. c ).
So fand man unter Papst Sixtus IV. in der Via Appia in Rom eine auf
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Ein neues Leichen-Konservierungsverf&hren.
307
diese Weise ganz gut erhaltene Leiche, welche für Ciceros Tochter Tullia
gehalten wurde. Ebenso soll unter Papst Alexander VI. in einem Mau¬
soleum bei Albano eine in voller Schönheit erhaltene, 1300 Jahre alte
weibliche Leiche gefunden worden sein.
Erwähnt sei das Verfahren von Ftnco. Härtung in einer Alkohol-
Chlorkalkmischung durch 40 Tage. Lufttrockung und Lackierung durch
sechs bis sieben Monate.
Sowohl in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als auch
noch später erregten die Präparate Marinia, Leichen und Blumen, zu
wiederholten Malen bedeutendes Aufsehen. Näheres über sein Verfahren
ist nicht bekannt geworden. Er selbst bezeichnet» sein Verfahren als
»Metallisation«. Nach einzelnen Andeutungen, die er hierüber machte,
scheint es sich um eine Bäderbehandlung gehandelt zti haben.
Brvnetti erfand ein neues Konservierungsverfahren, welches er
»Tannisation« benannte. Es beruht auf einer Gerbung der Leichen teile
von den Blutadern aus. Das Verfahren erfordert für anatomische Präparate
bis 36 Stunden. Für ganze Leichen scheint es noch nie verwendet worden
und wegen der Umständlichkeit und der Notwendigkeit besonderer Apparate
(für komprimierte heiBe Luft) auch ungeeignet zu sein.
3. Das Injektionsverfahren.
*
In der neueren Zeit trat an die Stelle der umständlichen Ein¬
balsamierung in allen jenen Fällen, wo keine Sektion der Leiche voraus¬
gegangen war, das Injektionsverfahren.
Unter Injektion einer Leiche verstehen wir gegenwärtig eine
fäulniswidrige Präparierung ohne Ausweidung des Körpers durch Ein¬
spritzung von desinfizierenden Flüssigkeiten in das Blutadersystem oder
in andere präformierte Hohlorgane (Verdauungstrakt, Respirationstrakt,
Harnapparat).
Die Blutaderinjektionen gleichen sich alle darin, daß durch eine
kunstgerechte Operation eine große Schlagader, gewöhnlich Hals- oder
Schenkelschlagader, freigelegt und eröffnet wird. In dieselbe wird durch
eine Spritze oder einen Irrigator die konservierende Lösung so lange
eingebracht, bis sie aus einer eröffneten Vene rein, i. e. ohne Bei¬
mengung von Blut, abfließt.
Das Wesen der Blutaderinjektionen besteht sonach in der Ver¬
drängung des Blutes durch Konservierungsflüssigkeit. Unterschiede be¬
stehen nur in der Zusammensetzung der letzteren. Im folgenden sind
die bekanntesten Konservierungsflüssigkeiten angegeben. Die Haupt¬
bestandteile sind meistens Alkohol, Karbolsäure und Glyzerin, aus
welchen Agentien, z. B. die von Vivodsef, Langer und Stieda ange¬
gebenen Flüssigkeiten bestehen. Mehu empfahl einen Zusatz arseniger
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308
Dr. Anton Broseb.
Säure, Leprieur außerdem noch einen Zusatz von essigsaurem Natron.
Wyvoodzew und Wolkotcicz verwenden einen Thymolzusatz.
Etwas komplizierter sind die von Wickersheimer, Schiefferdecker
und Polazzi angegebenen Konservierungsflüssigkeiten. Die Wickers-
heimersche Flüssigkeit übergehe ich, weil sie nicht imstande war.
Eintritt der Leichenfäulnis zu verhüten.
Schiefferdeckers Flüssigkeit:
3—4 kg Kochsalz werden mit 800 g Natronsalpeter in kochendem
Wasser gelöst. Die Lösung wird auf 40° C abgekühlt. Eine zweite
Lösung wird hergestellt aus 70 g Buchenholzteerkreosot in 400 cwi 3
95%igem Alkohol. Die beiden Lösungen werden zusammengemischt
Der Liquor Polazzi:
besteht aus mit schwefliger Säure gesättigtem Wasser, Alkohol oder
Glyzerin. Der wässerigen Lösung setzt man etwas schwefelsaures Kali
zu. Hervorgehoben wird die lebhafte natürliche Färbung der anatomi¬
schen Präparate.
Durch die Empfehlungen von Chaussier, Birch-Hirschfdd, Stru-
thera u. a. wurde auch das Sublimat zu Leicheninjektionen verwendet.
In der jüngsten Zeit spielt in der Leichen-Konservierung das
Formaldehyd eine bedeutende Rolle, und zwar empfahl Waldeyer eine
Lösung von 15 Teilen Formaldehyd in 85 Teilen Wasser.
Nach meinen Versuchen erscheint jedoch das Formaldehyd zur
Konservierung des Kopfes einer Leiche auf dem Wege einer Blut¬
aderinjektion nicht geeignet, weil die mit Formaldehydlösung injizierten
Köpfe infolge der energischen Wirkung der Lösung auf die Gesichts¬
muskeln eine Grimasse (sardonisches Lächeln) zeigen, die bei einer
Schaustellung höchst fatal wirken müßte.
Endlich hat man die Blutaderinjektion, weil sie infolge der häufi¬
gen Verstopfungen durch Gerinnsel nicht immer zuverlässig ist, nach
dem Vorgänge von Lippert mit Einspritzungen von Konservierungs¬
flüssigkeit in die natürlichen Körperöffnungen kombiniert.
Wenn wir die bisherigen Leichen-Konservierungsmethoden über¬
blicken, so ergibt sich, daß sie alle ausnahmslos ziemlich umständlich
und zeitraubend sind und mit Ausnahme der Bäderbehandlung auch
an dem Körper der Leiche mehr oder minder große Verletzungen setzen.
Von der Überzeugung durchdrungen, daß den Fortschritten der
modernen Technik fast nichts mehr unmöglich ist, dachte ich darüber
nach, ob sich nicht ein einfaches, rasches und dabei unbedingt zuver¬
lässiges Leichen-Konservierungsverfahren linden ließe. In einer Versuchs¬
reihe, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckte,
begann ich mit der Konservierung von einzelnen Händen und Köpfen
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Ein neues Leichen-Konservierungsverfahren.
309
und ging schließlich zur Konservierung ganzer Leichen über. Der
leitende Gedanke, dem ich bei der Ausführung meiner Versuche folgte,
war der, in den der Fäulnis zuerst anheimfallenden Körperzentren
Depots von Konservierungsmitteln niederzulegen, von welchen eine nach
und nach den ganzen Körper durchdringende desinfizierende Wirkung
ausgehen sollte.
Ein so günstiges Resultat diese Versuche bei den Leichen Tuber¬
kulöser aufwiesen, einen so kläglichen Ausgang nahmen sie bei septi¬
schen Leichen.
Bei diesen Versuchen trat noch ein zweites Moment zutage,
das ein unbedingtes Erfordernis einer gelungenen Konservierung dar-
stellt: die Härtung des Leichenkörpers und insbesondere des Gesichtes,
und zwar stellen sich die Konservierungen um so gelungener
dar, je rascher die Härtung der Gesichtszüge einer Leiche
erfolgt ist, ja, ich stehe nicht an zu behaupten, daß man eine
durch photographische Aufnahmen zu beweisende Porträtähnlichkeit
der Gesichtszüge der konservierten Leiche mit den Gesichtszügen des
Verstorbenen sicher erreichen kann, was bekanntlich bei den Blutäder¬
injektionen durchaus nicht der Fall ist. Die Blutaderinjektioneil ent¬
stellen vielmehr in der Regel die Gesichtszüge des Verstorbenen so,
daß die Angehörigen das Gesicht als »unkenntlich verschwollen«
bezeichnen, und diesen Anlaß häufig genug dazu benützen, in An¬
sehung der nach ihrer Auffassung »nicht gelungenen« Konservierung
den Preis derselben herabzudrücken. Der Preis für Leichen-Konser-
vierungen unterliegt bekanntlich keinen gesetzlichen Bestimmungen,
er ist ein »pretium affectionis«, ein Liebhaberpreis, d.h. jeder bezahlt
für eine Konservierung nach seinen Mitteln so viel, als sie ihm wert
erscheint. Unter solchen Umständen besitzt eine Konservierung für
die Hinterbliebenen naturgemäß nur dann einen Wert, wenn sie zum
mindesten in bezug auf den Kopf der Leiche eine künstlerische Voll¬
endung aufweist, die in diesem Falle in einer unbedingten Natur¬
treue besteht.
Als drittes Moment ergab sich bei meinen Versuchen möglichste
Reinlichkeit des Arbeitens. Die Erfüllung dieses Momentes ließ den
Gebrauch von Bädern sowie der Setzung von Operationswunden oder
auch noch so beschränkten Leichenöffnungen von vornherein aus¬
geschlossen erscheinen. Ja, es gelang mir, darin so weit vorzuschreiten,
daß der unbekleidete Körper einer vollständig konservierten
Leiche weder unmittelbar nach der Konservierung noch
später auch nur die geringsten Spuren einer äußeren
Verletzung aufweist. Hierdurch war es mir auch möglich, die seit
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310
Dr. Anton Brosch.
den Zeiten der alten Ägypter bis in die Gegenwart als notwendig er¬
achteten Bindeneinwicklungen der konservierten Leichen völlig zu ent¬
behren und auch dem Körper der Leiche sein natürliches Aussehen
zu belassen.
Die genannten Erfordernisse konnte ich erreichen durch eine
faulnisfeste Imprägnierung menschlicher Leichen unter hohem Druck.
4. Das Imprägmerongsverfahren.
A. Die Instrumente.
Die hierzu erforderlichen Instrumente sind:
a) Zwei Hohlnadeln von 15 cm Länge für die Konservierung des
Kopfes. Die eine Hohlnadel ist 2 mm dick und besitzt eine Spitze
wie eine Injektionsnadel, außerdem Schraubengewinde zur Verbindung
mit der Druckspritze und einen Hahnverschluß, der es ermöglicht, die
in der Leiche steckende Nadel zu verschließen, während die Spritze
abgeschraubt, neu gefüllt und wieder mit der Nadel verbunden wird.
Die zweite Hohlnadel ist 3 mm dick, besitzt aber keine Spitze,
sondern wird zum Zwecke der Einführung in den Körper (Kopf) mit
einem 2 mm dicken spitzen Stahlmandrin armiert. Ihr Verbindungsstück
und ihr Verschluß sind ebenso beschaffen wie bei der ersten Nadel.
b) Drei Kanülen für die Konservierung des Rumpfes und der
Extremitäten: alle drei Kanülen besitzen dasselbe Verbindungsstück
mit der Druckspritze und den Hahnverschluß wie die Hohlnadeln. Sie
bestehen aus einer durch ihre Zähigkeit bruchsicheren Metallegierung
und sind mit scharf zugespitzten Stahlmandrinen armiert.
Die Dimensionen der Kanülen sind folgende:
Die größte Kanüle ist 125 cm lang und 6 mm dick (I), die mitt¬
lere Kanüle ist 100 cm lang und 4 mm dick (II), die kürzeste Kanüle
ist 60 cm lang und 6 mm dick (III).
Die Kanüle I dient für große männliche Leichen mit breiten Inter¬
kostalräumen, die Kanüle II für kleinere männliche und weibliche
Leichen mit engeren Interkostalräumen, welche die Kanüle I nicht
durchpassieren lassen.
Die Kanüle III wird nach der Konservierung der Extremitäten
mit den Kanülen I oder II und Entfernung derselben zur Konservierung
des Rumpfes verwendet.
Sämtliche Kanülen sind in einem Etui untergebracht, das einem
zusammengelegten photographischen Stative ähnlich sieht und leicht
getragen werden kann.
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Ein neues Leichen-Konservierungsverfahren.
311
c) Die Spritze von 400 cm 3 Inhalt (siehe Figur 1) ist mit einer
Vorrichtung zur Anwendung eines hohen Druckes ausgestattet. Diese
Druckvorrichtung besteht darin, daß die Kolbenstange der Spritze in
ihrer ganzen Länge zu einer Schraubenspindel (8) ausgebildet ist und
auf derselben sich eine bewegliche Schraubenmutter (M) befindet, die
durch einen Bajonettverschluß (B) an dem Spritzenzylinder (G) filiert
werden kann. Das Griffende der Kolbenstange trägt einen T-Griff (T),
welcher auch als Kurbel (K) ausgebildet ist. Das Kolbenende der
Stange (8) ist durch ein Kugelgelenk fÖ) mit dem Kolben verbunden.
Die Spritze wird gefüllt, indem die Schraubenmutter (M) aus dem
Bajonettverschluß (B) ausgeschaltet und bis zum T-Griff zurückgeschraubt
wird. Die Spritze kann jetzt wie jede andere Spritze gefüllt und ent¬
leert werden. Ist jedoch der zu überwindende Widerstand ein sehr
Pig. 1.
großer (z. B. bei der Imprägnierung der Extremitäten), so wird (an
der gefüllten Spritze) die Schraubenmutter (M) mit der Hand durch
leichte und rasche Drehungen bis an den Bajonettverschluß (B) heran¬
geschraubt und nun entweder durch Vorschieben des Spritzenkolbens
oder durch Zurückdrehen der Kurbel (K) in den Verschluß eingerüekt.
Nunmehr wird die Spritze mit der in der Leiche bereits steckenden
Kanüle verschraubt und durch Vorwärtsdrehen der Kurbel (K) all¬
mählich entleert.
Die Spritze ist ganz aus Metall verfertigt und in einem kleinen,
mit Handhabe versehenen Holzetui untergebracht
d) Dem Instrumentarium fügt man zweckmäßigerweise hinzu ein
viereckiges braunes Holzkästchen, welches enthält eine viereckige, \l
fassende Glasfiasche mit besonders starker Lösung zur Konservierung
des Kopfes, eine Pravazspritze zur Injektion der Bulbi, eine viereckige,
'/ 2 1 fassende Glasflasche mit Karbolsäureglyzerin und einen Pinsel
zum Einpinseln der Haut der Leiche, ferner Watte und Gipsmehl zum
Tamponieren der Nasenhöhle, eine Pinzette, ein Stück Karborundum
zum Schleifen der Mandrinspitzen, Handtuch und Seife, schließlich
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312
Dr. Anton Brosch.
einen Salbentiegel voll Vaselin oder Lanolin zum Einfetten der Hände
vor und nach der Konservierung.
Für die Mitnahme der Ihr den Körper erforderlichen Konser¬
vierungsflüssigkeit benützt man am besten entweder ein vierseitiges Blech¬
barrel oder aber man nimmt die Konservierungsmittel in Substanz oder
in konzentrierter Lösung mit und löst oder verdünnt sie erst am Orte
des Gebrauches. Im letzteren Falle kann man sie alle in einem größeren
Holzkistchen vereinigen. Sind Kanülenetui und Holzkistchen egal ad¬
justiert, so machen sie bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck
eines photographischen Apparates und ich wurde, wo ich bei Kon¬
servierungen intervenierte, auch fast regelmäßig für den — Photo¬
graphen gehalten.
(Das Instrumentarium, bestehend aus einer Druckspritze aus Metall
in Holzetui sowie fünf Kanülen respektive Nadeln konform der Be¬
schreibung, gleichfalls in einem Holzetui, liefert die Firma Hermann
Dümler, Mechaniker, Wien, IX., Schwarzspanierstraße 4, für den Preis
von 130 K.)
B. Die Technik.
Man legt die entkleidete Leiche am besten auf einen aus Holz
bocken und Brettern improvisierten Tisch, wie ihn fast ausnahmslos
die Bestattungsanstalten für Konservierungen beistellen.
Das allererste ist die Injizierung der Bulbi mit der Pravazspritze.
Man injiziert, so viel man hineinbringt; die Pravazspritze gestattet
ohnedies nicht die Anwendung eines übermäßigen Druckes.
Die Konservierung des Kopfes:
Man führt eine der beiden Hohlnadeln in die Nasenöffnung, schiebt
die Nadel parallel zum Nasenrücken nach aufwärts, durchstoßt das
Siebbein und schiebt nun die Nadel so weit vor, bis man an der
inneren Fläche der Scheitelbeine anlangt. Hier ist nämlich der
geeignetste Punkt, wo man den höchsten Druck anwenden
kann, ohne Entstellungen der Gesichtszüge oder Schwellun¬
gen der Augenlider befürchten zu müssen.
Mitunter kommt es vor, daß die spitze Nadel nicht imstande
ist, das etwas stärkere Siebbein zu durchstoßen. In diesen Fällen ver¬
wendet man die stärkere, 3mm dicke Nadel mit dem Stahlmandrin.
Man injiziert am besten zwei Spritzen. Hat man zufällig den
großen Sichelblutleiter angestochen, so kann man auch vier Spritzen
unterbringen. Man sieht dann am Halse die Venae jugulares strotzend
gefüllt, ähnlich wie bei einer Trikuspidalinsuffizienz.
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Ein neues Leichen-Konservierungs verfahren.
313
Bei Gehirnhautentzündungen muß man sich wegen der in der
Schädelhöhle herrschenden großen Spannungen mitunter schon mit
einer Spritze begnügen, was aber dem Konservierungserfolg durchaus
keinen Eintrag macht.
Aufhören soll man unbedingt dann, wenn Flüssigkeit aus den
Nasenöffnungen zurückzusickern beginnt. Man hebt den Kopf hoch,
läßt etwa in der Nasenhöhle angesammelte Flüssigkeit abfließen und
tamponiert mit in Gipsbrei getränkter Watte, welche gleichzeitig als
Prothese dient und ein späteres Einsinken des Nasenrückens verhindert.
Hiermit ist die Konservierung des Kopfes beendet.
Der Hals wird vom Kopfe aus imprägniert und erfordert keinerlei
wie immer geartete Behandlung.
Als zweiter Akt folgt
die Konservierung der Extremitäten (siehe Figur 2).
Man nimmt je nach der Größe der zu konservierenden Leiche
die Kanüle I oder II, zieht den spitzen Stahlmandrin etwas zurück, so
daß die Spitze gedeckt ist, fettet den vordersten Teil ein und führt
denselben wie einen Katheter in die Harnröhre. Noch vor der Sym¬
physe in der Pars cavernosa schiebt man den spitzen Mandrin vor und
durchstößt die Harnröhren wand, die Kanüle mit dem Mandrin vor der
Symphyse vorbei durch Bauch- und Brusthöhle hindurch gegen die
linke Schulter vorschiebend. Meistens durch den zweiten oder dritten
Interkostalraum gelangt man in die Achselhöhle. Stößt man gegen eine
Rippe an, so muß man die Kanüle 10—20 cm zurückziehen und in
etwas geänderter Richtung neuerdings vorschieben. Bei einiger Übung
gelingt das Passieren der Rippen stets leicht und sicher. Die linke
obere Extremität wird nun gestreckt neben den Kopf hinaufgelegt und
in dieser Lage durch einen Gehilfen fixiert. Nach dem Passieren der
Rippen wird die Spitze des Mandrins wieder in die Kanüle zurück¬
gezogen, erstens, um die Haut der Leiche nicht durchzustechen, und
zweitens, weil die Kanüle fortan nur mehr unter der Kontrolle der
tastenden beziehungsweise die Richtung der Kanüle durch Druck von
außen korrigierenden Hand weiter vorgeschoben wird. Das weitere Vor¬
schieben geschieht demnach mit stumpfer Kanüle.
Die Passage der Achselhöhle erfolgt in der Weise, daß man
mit einer Hand eine Hautfalte erhebt und durch diese die stumpfe
Kanüle in den Oberarm überleitet. Bei dem weiteren Vorschieben der
Kanüle richtet man das Augenmerk darauf, daß die Kanüle ihren Weg
stets in den zentralsten Teilen der Extremität beibehält, was man durch
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314
Dr. Anton Brosch.
geeigneten Druck der korrigierenden Hand auf das Kanülenende leicht
erreichen kann.
Das Ellbogengelenk wird auf der Beugeseite passiert.
Fig. 2.
Im Bereiche des Unterarmes leitet man die Kanüle an der Beuge¬
seite dicht am Ligamentum interosseum bis zum Handgelenk. Man kann
auch bis zur Hohlhand Vordringen, doch ist dies nach meinen Er¬
lahrungen selbst bei septischen Leichen überflüssig.
Liegt die Kanüle in dieser Weise, so füllt man die Spritze, zieht
den Mandrin aus der Kanüle heraus und verschraubt die Spritze mit
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Ein neues Leichen-Konserviernngsverfahren.
315
der Kanüle. Die Injektion geschieht in der Art, daß man bei dem all¬
mählichen Entleeren der Spritze das KanQlenende langsam zurQckzieht.
Hierbei ist folgendes zu beachten: Wo das KanQlenende tief in den
innersten Teilen der Extremität liegt, injiziere man viel und unter
hohem Drucke, wo hingegen das Kanülenende näher der Haut gelegen
ist, dort injiziere man weniger unter geringerem Drucke, steter Kon¬
trolle des Auges mit zeitweisem Verteilen größerer Schwellungen durch
gelinde Massage.
Für eine obere Extremität genügen bei kleineren mageren Leichen
zwei Spritzen, gleich 800 cm 5 , inklusive der Achselhöhle. Für größere
und fettere Leichen tut man gut, für Ober- und Unterarm je eine und
für die Achselhöhle ebenfalls eine halbe bis eine Spritze zu verwenden*
Das lockere Zellgewebe der Achselhöhle ist überhaupt ein günstiger
Ort zur Deponierung größerer Mengen von Konservierungsflüssigkeit,
indem sich von hier aus dieselbe in dem lockeren Zellgewebe gegen
die Brust und durch Senkung nach der Rückenhaut hin ausbreitet, so
daß man vor übermäßigen Schwellungen der Achselhöhlen durch die
Injektion durchaus nicht zurückzuschrecken braucht.
Die rechte obere Extremität wird in derselben Weise konserviert.
Nach Vollendung der linken Extremität zieht man die Kanüle so weit
zurück, daß das Kanülenende noch unterhalb des Zwerchfelles zu liegen
kommt, führt den spitzen Stahlmaudrin ein und passiert mit spitzer
Kanüle die Rippen. Von hier an mit stumpfer Kanüle weiter wie links.
Nach der Konservierung der oberen Extremitäten kann man in
zweifacher Weise verfahren: Entweder man benützt die in der Leiche
liegende Kanüle I (oder II) gleich zur Füllung der Brusthöhlen und
der Bauchhöhle mit Konservierungsflüssigkeit, oder aber man nimmt —
wie ich es praktischer befunden habe — zuerst vor
die Konservierung der unteren Extremitäten.
Man bringt das linke Bein in eine gestreckte Abduktionsstellung,
läßt es so durch einen Gehilfen fixieren, schiebt den Mandrin in die
Kanüle und zieht diese bis nahe zur Symphyse zurück. Der einzige,
etwas Übung erfordernde Kunstgriff besteht nun darin, daß man, die
Harnröhre etwas weiter vorne durchstoßend (die Mandrinspitze eventuell
vorher auf Carborundum nochmals schärfen, weil Durchstechung der
Corpora cavernosa sonst unmöglich!), vor der Symphyse die Kanüle
durch eine in der Adduktorengegend erhobene Hautfalte nach dem
Oberschenkel überleitet. Nun schiebt man die Kanüle, ihre Richtung
durch Druck mit der Hand von außen korrigierend, vorwärts, indem
man möglichst die zentralen Partien des Oberschenkels an der inneren
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abt. f. path. Anat. u. verw. Disziplinen. 22
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316
Dr. Anton Brosch.
und hinteren Seite des Femur zu gewinnen sucht. Das Kniegelenk
wird an der Beugeseite passiert. Wo es wegen der restistenten Sehnen
und Fascien nicht möglich ist, mit der stumpfen Kanäle vorzudringen,
wird der spitze Mandrin vorgeschoben. Im allgemeinen ist zu bemerken,
daß die dünnere Kanüle II, die überdies mit einem konisch geformten
Mündungsstück aus Stahl versehen ist, sich besser zum stumpfen Vor¬
dringen eignet als die dickere Kanüle I; hingegen bietet die letztere
wieder den Vorteil einer etwas rascheren Einbringung der Konser¬
vierungsflüssigkeit. Man hat daher im gegebenen Falle die Wahl, sich
je nach dem Zweck der Konservierung für den Gebrauch der Kanüle
I oder II zu entscheiden.
Nach dem Passieren des Kniegelenkes möglichst tief durch die
dicke Wadenmuskulatur bis in die Knöchelgegend. Ein weiteres Vor¬
dringen ist nach meinen Erfahrungen auch bei septischen Leichen
überflüssig, weil bei Anwendung eines hohen Druckes auch von der
Knöchelgegend aus eine genügende Menge Konservierungsflüssigkeit
in den Fuß und die Fußwurzelgelenke eindringt. Wenn man aber
in einzelnen besonderen Fällen einen Wert darauf legt, auch den Fuß
unmittelbar zu injizieren, so gelingt es bei Verwendung der Kanüle II
unschwer, an der Vorderseite des Sprunggelenkes vor dem äußeren
Knöchel auch die Fußwurzelgelenke zu passieren und mit der Kanülen¬
mündung bis in die Fußsohle vorzudringen.
Ist man mit der Kanüle in der Knöchelgegend angelangt, so
wird die Spritze gefüllt, der Mandrin aus der Kanüle herausgezogen
und dieselbe mit der Spritze verschraubt. Das Injizieren geschieht nach
denselben Grundsätzen wie bei der oberen Extremität.
Nach Beendigung der Konservierung der beiden Beine schreitet
man an
die Konservierung des Rumpfes.
Es hat sich mir als zweckmäßig herausgestellt, die lange Kanüle I
oder II nunmehr gänzlich zu entfernen und an ihrer Stelle die nur
halb so lange Kanüle III einzuführen, welche ein außerordentlich
rasches Arbeiten ohne Anwendung des Druckapparates gestattet.
Die Kanüle III wird mit verdeckter Mandrinspitze, eingefettet,
wie ein Katheter in die Harnröhre eingeführt und die Wand derselben
nach Vorschiebung der Mandrinspitze noch in der Pars cavernosa
durchstoßen. Die Kanüle passiert vor der Symphyse, hier nahe unter
der Haut liegend. Beim weiteren Vordringen, das, im Gegensätze zu
den Extremitäten, am Rumpfe immer mit spitzer Kanüle geschieht,
senkt man die Kanüle allmählich in die Tiefe und richtet sie gegen
bv Google
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Ein neues Leichen-Konservierungsverfahren.
317
die Mitte des liDken Brustfellraumes. Dort angelangt, zieht man den
Mandrin heraus und verbindet die Kanäle mit der gefüllten Spritze.
Vermutet man Exsudat oder hydropische Flüssigkeit in den Brust¬
höhlen, so läßt man nach Entfernung des Mandrins vorerst den flüssigen
Inhalt aus den Brustfellräumen durch die Kanüle ausfließen und injiziert
hierauf eine adäquate Menge von Konservierungsflüssigkeit.
Wenn man mit der armierten Kanüle eine Lunge ansticht und
sich hierbei in die Nähe des Lungenstieles hält, so kann man von der
Kanüle aus den ganzen Bronchialbaum, die Luftwege, Bachen und
Mundhöhle mit Konservierungsflüssigkeit durchspülen. Die Spül¬
flüssigkeit fließt aus der Mundöffnung wieder ab. Notwendig erscheint
dies jedoch bei eiterigen, fötiden und gangränösen Erkrankungen der
Bronchien und Lungen, wo besonders im Hochsommer die Fäulnis
rapide um sich greift. Für gewöhnlich genügt bei mittelgroßen, mageren
Leichen für jeden Brustfellraum je eine Spritze, bei großen Leichen
mit voluminösem Thorax je eineinhalb bis zwei Spritzen.
Beim Übergange von der Konservierung der linken Brusthöhle
zur rechten zieht man die Kanüle so weit zurück, daß ihre Mündung
etwa in die Höhe des Nabels zu liegen kommt, schiebt dann neuer¬
dings den Mandrin ein und stößt die spitze Kanüle in entsprechend
geänderter Richtung bis zur Mitte des rechten Brustfellraumes vor.
Hierauf Entfernung des Mandrins und Verbindung mit der gefüllten
Spritze.
Nach dem linken Brustfellraum führt man zweckmäßig die Kanüle
in den Herzbeutel und das Herz ein. Man kann von hier aus — wenn
man einen Wert darauf legt — große Teile des Gefäßsystems mit
Konservierungsflüssigkeit erfüllen. Ich pflege in das Herz eine Spritze
zu injizieren.
Am einfachsten gestaltet sich die Konservierung der Bauchhöhle,
weil hier beim Wechsel der Kanülenlagen (Nabelgegend, linke und
rechte Bauchseite) ein Einführen des Mandrins nicht erforderlich ist.
Für die Bauchhöhle genügen unter allen Verhältnissen drei Spritzen,
gleich 1200 cm®, wovon je eine in die Nabelgegend, linke und rechte
Seite appliziert wird. Etwaiges Exsudat oder hydropische Flüssigkeit
läßt man vorher durch die Kanüle unter Mithilfe eines gelinden Druckes
auf die Bauchdecken abfließen.
Zum Schlüsse kann man noch durch das Foramen ischiadicum
majus die Glutaei mit Konservierungsflüssigkeit versorgen. Ebenso sind
große Bruchsäcke, insbesondere im Skrotum gelegene, noch mit ungefähr
einer halben Spritze Konservierungsflüssigkeit zu versehen.
22 *
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318
Dr. Anton Brosch.
Die Konservierung weiblicher Leichen geht auf dieselbe Weise
vor sich, nur mit dem einzigen Unterschiede, daß man die Kanülen
nicht in der Pars cavernosa urethrae, sondern wegen der Kürze der
weiblichen Urethra erst durch die Harnblasenwand durchstößt. Die
große Verschieblichkeit dieser Teile gestattet ohne weiteres die Aus¬
führung der geschilderten Technik.
Hiermit ist die Konservierung im wesentlichen beendet. Nach
endgültiger Entfernung der Kanüle ist eine Unterbindung nicht not¬
wendig. Die Einstichöffnungen sind nicht sichtbar und
schließen von selbst.
Es empfiehlt sich, zum Zwecke einer langsameren Verdunstung der
im Innern der Leiche enthaltenen Flüssigkeit die Hautdecken mit
einer Lösung von Karbolglyzerin einzupinseln und nur oberflächlich
mit einem Tuche abzutrocknen. Die Bindeneinwicklung entfällt.
Wenn man zur Ausführung der Konservierung einen Gehilfen
zur Verfügung hat, den man am besten zur Fixierung der Extremitäten
und zur Füllung und Entleerung der Spritze benutzt, so kann man
bei einiger Übung eine derartige Konservierung leicht in dem relativ
kurzen Zeitraum einer Stunde vollenden, aber auch das allererste Mal
wird man mit einem Zeitraum von zwei Stunden reichlich das Aus¬
langen finden.
C. Die Konservierungsflüssigkeit.
Obwohl es heute bereits eine große Anzahl von Flüssigkeiten
gibt, die für Leichen-Konservierung empfohlen werden, so habe ich
doch auf Grund einer längeren Versuchsreihe eine Flüssigkeit gefunden,
welche mir den Anforderungen, die an eine Leichen-Konservierung
gestellt werden, am besten zu entsprechen scheint.
Bei der Konservierung des Kopfes hängt der — wenn man
so sagen darf — künstlerische Effekt in hohem Grade von einer mög¬
lichst raschen Härtung der Gesichtszüge ab.
Die rascheste Härtung erzielte ich mit einer Flüssigkeit, die man
erhält, wenn man 1000 <7 Formalin (=40% Formaldehyd) mit 50 g
Chlornatrium und 50 cm 3 Acid. carbolic. liquefactum versetzt.
Diese Lösung verwende ich nur für die Konservierung des Kopfes.
Für den übrigen Körper, wo die Härtung mehr Nebensache und die
Hauptsache die Desinfektion ist, erwies sich mir am besten eine Flüssig¬
keit, die aus einer 5%igen Formaldehydlösung besteht, welcher zu¬
gesetzt werden 10% Chlornatrium und 5% Acid. carbolic. liquefactum.
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Ein neues Leichen-Konservierungsverfahren.
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Bezüglich der einzelnen Bestandteile dieser Lösungen ist folgendes
zu bemerken. Der Formaldehyd ist das ausgezeichnetste Härtungsmittel,
welches wir gegenwärtig für Zwecke der Leichen-Konservierung über¬
haupt besitzen, doch ist es leider mit seiner desinfizierenden Wirkung
wesentlich schlechter bestellt. Als ich einmal im Sommer zu Versuchs¬
zwecken eine septische Leiche mit 5%iger Formaldehydlösung im¬
prägnierte, machte ich die überraschende Wahrnehmung, daß die
Leichenfäulnis fast ungehindert fortschritt und die Leiche schließlich
bis auf Kopf und Hals in völlige Verwesung überging. Diese Erschei¬
nung beruht darauf, daß das Formaldehyd durch das bei der Fäulnis
sich bildende Ammoniak in eine unwirksame Verbindung übergeführt
wird. Die Karbolsäure hingegen verhindert wirksam das Fortschreiten
der Fäulnis, schützt so das Formaldehyd vor Zersetzung und gibt ihm
gewissermaßen Zeit, seine härtende Wirkung auszuüben.
Durch eine Beihe von Parallelversuchen konnte ich feststellen,
daß der Chlornatriumzusatz die Formalinhärtung beträchtlich beschleu¬
nigt. Höchstwahrscheinlich kommt diese Eigenschaft auch noch vielen
anderen Mineralsalzen zu, doch ist das Chlornatrium am wohlfeilsten
und überall zu haben.
Es besitzt sonach jeder Bestandteil der Konservierungsflüssigkeit
eine wichtige, in Ansehung des Endzweckes (Schaustellung von Leichen)
fast unentbehrlich zu nennende Funktion. Auch an dem scheinbar
willkürlich gewählten prozentuellen Verhältnis der einzelnen Bestand¬
teile ist kaum mehr etwas zu ändern. Eine Erhöhung des Chlornatrium¬
zusatzes bewirkt eine Ausscheidung der Karbolsäure aus der Lösung.
Eine Verminderung des Karbolsäuregehaltes könnte aber unter Um¬
ständen (bei vorgeschrittener Verwesung) die Wirksamkeit der ganzen
Konservierungsflüssigkeit in Frage stellen und ist daher absolut un¬
zulässig. Auch der Prozentgehalt an Formaldehyd läßt ohne Beein¬
trächtigung der härtenden Wirkung eine weitere Herabsetzung nicht
mehr zu.
Die Veränderungen nach der Konservierung.
Ich begnügte mich nicht mit dem unmittelbaren Besultat der
Konservierung, sondern verfolgte die Veränderungen an den konser¬
vierten Leichen bis zu einem Zeitraum von einundeinhalb Jahren.
Die Leichen lagen vier bis fünf Monate offen aufgebahrt ohne
jeglichen Schutz vor Luft und Licht. Später wurden sie mit einem
Tuche bedeckt. Die Veränderungen in der ersten Zeit sind so gering,
daß man noch nach fünf Monaten gute Porträtaufnahmen machen
kann. In weiterer Folge beginnen langsam Mumifizierungserscheinungen
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320
Dr. Anton Brosch.
aufzutreten, und zwar um so stärker, je geringer der Formaldehydgehalt
der verwendeten Konservierungsflüssigkeit war. Am Körper selbst sind
auch nach einundeinhalb Jahren einer offenen Aufbahrung noch keine
Mumifizierungserscheinungen wahrzunehmen, sondern nur an der Ge¬
sichtshaut, an den Fingern und Zehen. Die fernere unversehrte Er¬
haltung der konservierten Leichen ist daher lediglich eine von der
Verdunstung abhängige Frage.
Die Verdunstung respektive Austrocknung zu verhindern haben
wir mehrere Mittel. Die Aufbewahrung in einem luftdicht verschlossenen
Sarge. So lange solche Särge wirklich luftdicht schließen, werden sich
konservierte Leichen voraussichtlich unverändert erhalten.
Die Aufbewahrung der Leiche in einem mit Flüssigkeit gefüllten
Sarkophag. Hierzu eignen sich nach den Angaben Küchenmeisters vor¬
züglich laugenartige Lösungen.
Es gibt aber noch andere Mittel. Ein solches Mittel von freilich
nur beschränkter Dauer ist das Einpinseln der Haut mit Glyzerin.
Noch wirksamer ist eine Salbung der Haut mit konsistenten Fetten.
Ein Firnissen der Leiche kann ich aus eigener Erfahrung nicht
empfehlen, weil der Firnis schließlich doch eintrocknet, bricht und
entstellend wirkt.
Wenn hingegen die Bindeneinwicklung den Zweck haben soll,
die Eintrocknung zu verhindern, so sind Binden aus dünnem reinen,
entschwefelten Paragummi am meisten empfehlenswert. Unreiner oder
nicht völlig entschwefelter Gummi wird nach kurzer Zeit hart und
bricht. Richtig entschwefelter reiner Paragummi ist relativ leicht,
außerordentlich dehnbar und tiefschwarz. In den Handelsgeschäften
ist diese Gnmmisorte in der Regel nicht erhältlich und muß man sich
diesbezüglich direkt an eine renommierte Gummifabrik wenden. Die
Enden der Gummibinden werden durch Gummilösung übereinander
geklebt. Die Haut des Kopfes und der Hände wird mit einer konsi¬
stenten Fettsalbe gut eingesalbt.
Eine derartige Einwicklung und Salbung kombiniert mit einem
luftdicht verschlossenen Sarge ist ziemlich das Höchste, was man gegen¬
wärtig zur Verhinderung einer Eintrocknung zu leisten imstande ist.
Für größere Grüfte, die ja jedes Jahr wenigstens einmal geöffnet
werden, dürfte es der modernen Technik nicht schwer fallen, Vorrichtungen
zu ersinnen, welche die Luft in den Särgen kouservierter Leichen stets
auf einem annähernd gleichen Feuchtigkeitsgrad erhalten. Ich denke
hierbei in erster Linie an hygroskopische Substanzen, welche erforder¬
lichenfalls ihr Lösungswasser aus der atmosphärischen Luft auf¬
nehmen und ohne Erhitzung nicht mehr wieder abgeben, wie z. B.
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Gin neues Leichen-Konservierungsverfahren.
321
das Kalziumchlorid, das Salmiakkalzidium u. a. Es dürfte vielleicht auch
möglich sein, die Verdunstungsfrage in dem Sinne zu lösen, daß man
einfach nicht verdunstende Konservierungsflüssigkeiten, hergestellt aus
gesättigten Lösungen hygroskopischer Substanzen, zur Injizierung be¬
ziehungsweise Imprägnierung der Leichen verwendet, indem die kon¬
servierten Leichen die zu ihrer Formerhaltung notwendige Feuchtig¬
keitsmenge aus der umgebenden Luft selbst anziehen.
Versuche in dieser Richtung sind meines Wissens noch nicht
ausgeführt worden und meine eigene Erfahrung ist diebezüglich noch
zu gering, um mir darüber ein abschließendes Urteil bilden zu
können.
Was die Neuheit meines Konservierungsverfahrens anbetrifft, so
stellen die Wege und die Instrumente zur Konservierung des Rumpfes
und der Extremitäten etwas durchaus Neues vor. Bezüglich der Kon¬
servierung des Kopfes wurde der Weg durch das Siebbein nach Herodot
schon von den ägyptischen Tarycheuten in Theben benützt, doch mit
dem gewaltigen Unterschiede, daß die Tarycheuten das ganze Siebbein
zertrümmerten und mit einem Haken das Gehirn herausholten, während
bei meinem Verfahren das Siebbein nur durch eine 2—3 mm dünne
Nadel durchstochen wird, also fast ganz erhalten bleibt.
Bezüglich der Konservierung des Schädelinhaltes findet sich in
der Literatur nur ein einziges Verfahren, welches als Vorläufer meiner
Methode der Konservierung des Kopfes und Halses betrachtet werden
kann: Das Verfahren von Marie zur Konservierung des Gehirns,
welches in der Einführung einer Nadel durch einen inneren Augen¬
winkel bis zur Basis des Gehirns besteht. Ich bin aber auf Grund
einer Reihe von Versuchen in der Lage zu behaupten, daß man mit
dem il/aroeschen Verfahren eine Imprägnierung des Kopfes, Gesichtes
und Halses mit Konservierungsflüssigkeit nicht erreichen kann, ohne
ein entstellendes Ödem der Augenlider und einen bedeutenden Ex¬
ophthalmus hervorzurufen, was bei meiner Methode auch bei Anwen¬
dung des höchsten Druckes ganz unmöglich ist. Ich erachte demnach
mein Verfahren auch bezüglich der Konservierung des Kopfes und
Halses als durchaus neu und übergebe es hiermit der Öffentlichkeit
zur Benützung, Nachprüfung und Verbesserung.
Zur besseren Illustrierung der Wirksamkeit und Leistungsfähig¬
keit des neuen Konservierungsverfahrens schließe ich eine Reihe von
Abbildungen nach photographischen Aufnahmen an. Bild I (Tafel XXVI)
zeigt den Kopf einer Leiche unmittelbar vor und Bild II un¬
mittelbar nach der Konservierung. Bild III zeigt den Kopf der-
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322 Dr. Anton Brosch, Ein neues Leichen-Konservierungsverfahren.
selben Leiche nach fünfmonatlicher offener Aufbahrung.
Bild IV (Tafel XXVTI) zeigt den Zustand der ganzen Leiche nach
viermonatlicher offener Aufbahrung ohne Schutz vor Luft
und Licht. Bild V zeigt eine andere Leiche nach sechsmonat¬
licher offener Aufbahrung.
Zum Schlüsse erfülle ich noch eine angenehme Pflicht, indem
ich Herrn Eofrat Ghiari für die Anregung zu dieser Veröffentlichung
und die mir hierbei geliehene bereitwillige Unterstützung meinen er¬
gebensten Dank übermittle.
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(Ans der Mährischen Landeskrankenanstalt in BrOnn.)
Ein Beitrag zur Lehre von den Erkrankungen der
Aorta. 1 )
Von
Primarius Dr. Wilhelm Mager.
(Hierzu Tafel XXVIII.)
Die innigen Beziehungen zwischen innerer Klinik und der
pathologischen Anatomie lassen es gerechtfertigt erscheinen, daß ich
heute zu einem den Kliniker ganz besonders interessierenden Kapitel
einen mehr pathologisch-anatomischen Beitrag vorzubringen mir erlaube,
einen Beitrag zur Lehre von den Erkrankungen der Aorta.
Die Krankengeschichte eines in mehrfacher Hinsicht Interesse
bietenden Falles, den ich zu beobachten Gelegenheit hatte, ist in
Kürze die folgende:
Am 27. Jänner 1902 wurde der 33jährige Geschäftsdiener Josef S.
auf meine Abteilung in der Brünner Landeskrankenanstalt aufgenommen.
Derselbe stammte von gesunden Eltern und war angeblich bis zur
Mitte des Jahres 1901 gesund. Damals nun litt er an rheumatoiden
Schmerzen und lag einige Tage zu Bette. Von dieser Zeit an hatte er
über häufig auftretendes Herzklopfen zu klagen, sowie über Husten und
Kurzatmigkeit. Jetzt führen ihn heftige Schmerzen in der Brust sowie
eine Steigerung seiner angegebenen Beschwerden ins Krankenhaus.
Potus wird in geringem Grade zugegeben; für Lues bestehen keine
Anhaltspunkte.
Status praesens:
Patient groß, kräftig gebaut, gut genährt.
Temperatur erhöht, 38* 1° C.
Die Hautfarbe blaß, die Farbe der sichtbaren Schleimhäute blaß,
die Konjunktiven leicht ikterisch verfärbt.
Hals entsprechend lang und breit.
In den Supraklavikulargruben deutliche Pulsation an den Arterien,
Undulation an den Venen sichtbar.
Thorax entsprechend lang und breit, gut gewölbt.
') Nach einem in der Sektion für innere Medizin der 74. Versammlung
deutscher Naturforscher und Ärzte in Karlsbad gehaltenen Vortrage.
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324
Dr. Wilhelm Mager.
Herzspitzenstoß nicht sichtbar, nicht fühlbar. Die Herzdämpfung
beginnt im fünften Interkostalraum in der Mammillarlinie und reicht bis
zur Mitte des Sternums. Die Basis beginnt am oberen Rande der vierten
Rippe und ist 4 cm breit.
Die Herzaktion arhythmiscb, sehr frequent. Die Herztöne dumpf,
kaum hörbar.
Am 1. Februar über allen Ostien ein deutliches systolisches rauheres
Geräusch, am lautesten über der Auskultationsstelle der Pulmonalis hörbar,
in der Diastole eine dumpfe, tonartige Schallerscheinung.
Arteria radialis gerade, wenig gefüllt, Spannung unter der Norm.
Pulswelle klein, Pulsfrequenz 130.
Über den Lungen in normalen Grenzen heller, voller Schall und
vesikuläres Atmen; in den hinteren unteren Partien beiderseits zahlreiche
trockene und feuchte, mittelgroßblasige Rasselgeräusche.
Atmung beschleunigt, Frequenz 27 pro Minute.
Das Abdomen unter dem Niveau des Thorax, enthält keine freie
Flüssigkeit.
Die Leberdämpfung überschreitet einen Querfinger breit den Rippen¬
bogen.
Die Milzdämpfung beginnt in der Axillarlinie an der achten Rippe
und reicht bis zum Rippenbogen, sowie medialwärts über die vordere
Axillarlinie hinaus. Die Milz selbst ist nicht palpabel; bei Palpations¬
versuchen tritt Druckschmerzhaftigkeit auf, ebenso ist die Milzgegend Sitz
spontaner Schmerzen.
Ödeme an den Beinen bestehen nicht.
Im Harne keine abnormen Bestandteile.
Decursus morbi:
An dem der Aufnahme folgenden Tage (28. Jänner) war konstantes
Fieber vorhanden und betrug die höchste Temperatur am Nachmittage
39-8° C, abends 10 Uhr: 39*3° C.
6 . Februar. Die enorme Blässe, die sich seit der Aufnahme noch
gesteigert hatte, ist anhaltend, die Fieberbewegungen geringer.
Über dem Herzen ein besonders über der Auskultationsstelle der
Aorta und Pulmonalis, aber auch über den anderen Ostien hörbares, lautes,
langgezogenes systolisches Geräusch, die Schallerscheinung in der Diastole
kurz, leise, kaum hörbar.
Herzaktion frequent, 105 Schläge pro Minute, rhythmisch.
Über beiden Lungen hinten unten vom Skapularwinkd an Dämpfung
des Perkussionsschalles und abgeschwächtes Atmen.
Der Milztumor ragt über den Rippenbogen, deutlich palpabel,
schmerzhaft.
Die Leber überschreitet den Rippenbogeu um drei Querfinger.
Das Abdomen sonst nicht aufgetrieben, in demselben keine freie
Flüssigkeit.
Leichte Ödeme an beiden unteren Extremitäten.
Der Patient klagt konstant über Schmerzhaftigkeit in der Herzgegend,
welche durch jede Bewegung des Körpers eine Steigerung erfährt.
Therapie: Eisblase auf die Herzgegend; intern: Tinctura Strophanti.
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Ein Beitrag zur Lehre ?on den Erkrankungen der Aorta.
325
13. Februar. Seit früh 7 Uhr sitzt der Patient im Bette, beide
Hände in die Seite gestützt und schreit laut auf, über heftigste Brust¬
schmerzen und Atemnot klagend.
Die Atmung, stark dyspnoisch, geschieht unter Mitwirkung aller
auxiliären Muskel bei weit geöffnetem Munde, wie schnappend. Dabei ist
der Patient blaß, noch um eine Nuance blässer wie früher, keine Spur
einer Cyanose. Der Puls klein, kaum fühlbar. Eine Auskultation ergibt
bei dem lauten fortwährenden Schreien des Kranken kein Besultat. Die
Dämpfung über beiden Lungen zeigt keine Zunahme; die Herzdämpfung
sowie Morphiuminjektionen bringen keine Linderung.
Um 2 Uhr nachmittags tritt Exitus letalis ein.
Unsere klinische Diagnose, auf die ich später noch näher
eingehen möchte, lautete: Endocarditis acuta, Pleuritis bilate-
ralis, Aneurysma dissecans aortae (?).
Die am anderen Tage von Herrn Dr. Wolf vorgenommene
Sektion — für die gütige Überlassung des Sektionsprotokolles und
des hierher gehörigen Präparates sage ich auch an dieser Stelle
unserem Prosektor Herrn Professor Hammer meinen verbindlichsten
Dank — ergab:
Körper groß, kräftig gebaut, gut genährt. Beide oberen und unteren
Extremitäten ödematös geschwellt. Allgemeine Decke blaß, mit blaßvioletten
Totenflecken auf der Rückseite.
Weiche Schädeldecken blaß, Schädeldach geräumig, die weichen
Hirnhäute stark ödematös. Gehirn und Hirnhäute 1400 g schwer. Das
Gehirn stark durchfeuchtet, von mittlerem Blutgehalte.
Schleimhäute der Halsorgaue blaß. In beiden Pleuraräumen eine
große Menge freier Flüssigkeit; auf den Pleuren leichte Fibrinauflagerungen.
In der Pleura selbst zahlreiche bis erbsengroße Blutextravasate. Die Lungen
allenthalben lufthältig, ödematös durchfeuchtet.
Leber 2000 g schwer, sehr blutreich. Die Milz auf das Dreifache
vergrößert, sehr pulpareich, mit einem großen weißen Infarkte.
Die beiden Nieren von gewöhnlicher Größe, blutreich; die Kapsel
leicht abziehbar. Magen, Darm mäßig ausgedehnt; die Schleimhaut mäßig
injiziert. Pankreas blaß, Genitale normal.
Herzbefund und Beschreibung des Präparates (siehe Tafel XXVIII).
Im Herzbeutel zirka 100 g einer blutig fingierten Flüssigkeit. Das
Herz in beiden Anteilen ziemlich bedeutend vergrößert; auf dem Perikardium
einige Ekchymosen.
Der linke Ventrikel exzentrisch hypertrophiert, auch rechts Dilatation
und leichte Hypertrophie des Ventrikels.
Das Endokardium im allgemeinen verdickt, die Sehnenfäden der
Mitralis verdickt und geschrumpft. Das Ostium venosum sinistrum ziemlich
weit. Das Aortenostium weit.
Die Aortenklappen zeigen schwere Veränderungen, indem die hintere
Klappe verbreitert, stark verdickt ist und, in ihrem freien Rande knollig
aufgetrieben, derbe Kalkeinlagerungen zeigt. Eine stärker vorspringende
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326
Dr. Wilhelm Mager.
derbe Kalkeinlagerung findet sich Ventrikel wärts an der Vereinigung mit
der rechten Klappe.
Die beiden anderen Klappen, die rechte und die linke, sind zu einem
Gebilde verschmolzen, und zwar derartig, daß eine Trennung und Unter¬
scheidung voneinander nicht möglich ist, und erscheinen sie in Gesamtheit
stark verkürzt, verdickt, im freien Bande aufgetrieben.
In der Mitte dieses nunmehr einzigen Gebildes findet sich etwa dort,
wo die linke und die rechte Klappe zusammenstoßen würden, im Sinus
Valsalvae, von der der Aorta zugekehrten Fläche der Klappe ausgehend,
ein breit aufsitzendes, dann sich verjüngendes und schließlich wieder
kolbig aufgetriebenes, spießartiges Gebilde von knochenharter Konsistenz,
an seinem Umfange glatt, am freien kolbigen Ende rauh, wie angenagt
erscheinend. Dasselbe liegt jedoch nur zur Hälfte im Sinus Valsalvae,
zur anderen Hälfte in einer Höhle, in welche von der Aortenwand des
Sinus Valsalvae aus ein über 1 cm langer, längsgestellter, auf zirka 4 mm
klaffender Biß führt, durch dessen unteres Ende der Stachel gelagert ist.
Die Höhle, die mit Blutgerinnsel ausgefüllt war, besitzt beiläufig
Walnußgroße, erstreckt sich nach abwärts gegen das Herzfleisch und nach
rückwärts gegen die Arteria pulmonalis, ist also im ganzen noch in der
Herzkrone gelegen.
Die vordere Begrenzung des Einganges ist glatt, abgerundet, die
rückwärtige, gegen das Ostium der linken Koronararterie gelegene etwas
uneben, rauh.
Nach Entfernung der Faserstoffgerinnsel erscheint die innere Wand
der Höhle glatt, nur von groben Unebenheiten eingenommen.
An der hinteren linken Wand der Höhle fühlt ein 1 cm langer,
jedoch quergestellter Biß in die Arteria pulmonalis, in dieselbe unter der
linken Klappe mündend. Die Begrenzung dieses Bisses ist eine un¬
regelmäßige, zackig ausgefranzte, und erscheint die Intima der Pulmonalis
wie eingerollt.
Die Klappen der Arteria pulmonalis zart, die rechte, neben dem
Nodulus gefenstert, trägt am Zusammenstöße mit der vorderen ventrikel-
wärts einen etwa erbsengroßen, scharf umschriebenen Tumor von mittlerer
Konsistenz, der sich mikroskopisch als ein zellarmes Fibrom erweist.
Die Aorta selbst ziemlich eng, die Intima aortae glatt.
Die Trikuspidalklappen etwas verdickt.
Im Herzblutstrichpräparate finden sich keinerlei Mikroorganismen.
Die pathologisch-anatomische Diagnose lautete: Endocarditis
chronica praecipue valvularum aortae; Insufficientia val-
vularum aortae; Aneurysma dissecans aortae, perforans in
arteriam pulmonalem; Fibroma valvulae dextrae arteriae pul¬
monalis; Dilatatio activa cordis totius. Hydrothorax bilateralis
et Hydropericardium. Infarctus lienis. Hydrops anasarca.
Ich habe, um das gewiß wertvolle Präparat zu schonen, nur von
einigen Stellen kleine Stückchen zur histologischen Untersuchung ent¬
nommen: einmal von der Wand der Höhle entsprechend deren unterer
Begrenzung (Fig. 3, Tafel XXVIII), weiters von der Aorta und dem
Sinus Valsalvae, zugleich Teile von den Aortenklappen enthaltend,
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Ein Beitrag zur Lehre von den Erkrankungen der Aorta.
327
und schließlich von dem hinteren Anteile der Perforationsöffnung in
der Aorta.
An allen Präparaten, an welchen die Höhle getroffen wird,
erscheint dieselbe ausgekleidet von einer mehr weniger dicken Schichte
von Fibrin, welches netzartige Konfiguration, zum Teile mit Schichtung,
zeigt, von spärlichen Kernen durchsetzt ist und stellenweise bereits
eine hyaline Degeneration erkennen läßt.
Unmittelbar auf diese Schichte folgen an einzelnen Stellen die
BindegewebszQge der Adventitia der Aorta, an anderen wieder, von alten
Pigmenthäufchen durchsetzt, fibrilläre Züge, Reste des Perikards
und unmittelbar die Muskulatur des Herzens, in der auch Ablagerungen
von Blutpigment sichtbar sind. Eine Schichtung der Wand der Höhle,
gleich der an den Gefäßen, elastisches Gewebe oder ein Übergang
der Wand der Aorta in die Auskleidung der Höhle ist nicht erkennbar.
Vorerst zum pathologisch-anatomischen Befunde. Und hier muß
ich in Kürze einiges vorausschicken.
Die weiteste Difinition des Aneurysmas geht dahin, daß das
Aneurysma eine jede mit dem Lumen einer Arterie direkt oder indirekt
kommunizierende, arterielles Blut enthaltende Geschwulst ist (zitiert
nach Epptnger) . Die alte Erklärung der Aneurysmen endlich als eine
Erweiterung der Arterie, die mit krankhaften Veränderungen der
Arterienhäute im Zusammenhänge steht, war durch lange Zeit die
allgemein gültige, und auf diese Definition von Scarpa laufen eigentlich
noch alle zusammen, die bis in die letzte Zeit der achtziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts geliefert wurden.
Da warf nun die gewiß als epochemachend zu bezeichnende
Arbeit von Epptnger , ausgehend von der Pathogenesis, Histogenesis
und Ätiologie der Aneurysmen, die alte Lehre und Einteilung um,
und definiert Epptnger das Aneurysma als »eine auf eine streng
umschriebene Stelle einer Arterie beschränkte Ausbuchtung ihrer
Lichte, die sich durch deutliche Grenzen von dem übrigen Arterien¬
lumen abhebt, wobei die Wandungen der Ausbuchtung und der Arterie
selbst kontinuierlich ineinander übergehen, unbeschadet des Umstandes,
daß in der Wandung der Ausbuchtung eine oder die andere Schichte
der Arterienwand fehlt«.
Diese so charakterisierten Ausbuchtungen der Arterie haben ihre
Entwicklungsursache nach Epptnger einmal in einem kongenitalen
Defekte oder Riß derElastika, und müssen demnach als kongenitale
Aneurysmen bezeichnet werden.
Für eine andere Anzahl von Aneurysmen findet Epptnger als
Ursache die Anwesenheit und Wirkungsweise spezifischer, d. h. my-
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328
Dr. Wilhelm Mager.
kotischer (parasitischer) embolischer Thrombosen, und legt er diesen
Aneurysmen den Namen »mykotisch-embolische (parasitäre)
Aneurysmen« bei.
Für eine letzte Art, die häufigste der Aneurysmen, die Eppinger
als Aneurysma simplei (traumaticum) bezeichnet, wird eine
mechanische Grundlage supponiert. Sie entstehen auf traumatischem
Wege durch Bisse der Innenhäute vollständig gesunder oder auch
erkrankter Arterien.
Die Veränderung an den Arterien, die bisher allgemein als
Aneurysma dissecans bezeichnet wurde, scheidet Eppinger voll¬
ständig von den Aneurysmen aus und begründet dies damit, daß beim
Aneurysma dissecans eine Kontinuität des Überganges der Arterien¬
wandlagen in die Wand der Kapsel des Aneurysma dissecans nicht
vorhanden ist.
Eppinger wählt tür diesen Zustand den Namen Hämatom der
Arterie und unterscheidet ein intramurales und periarterielles Hämatom,
je nachdem die Arterie nur teilweise oder vollständig in ihrer Wand
durchtrennt ist.
Bereits von Rokitansky wird das Aneurysma dissecans scharf
von den eigentlichen Aneurysmen abgetrennt, zusammen mit den
Verletzungen der Arterien abgehandelt und diesen zugezählt. Es war
ja auch stets beim Aneurysma dissecans, und wir wollen vorerst bei
diesem Namen bleiben, der Biß, die Verletzung der Arterien das sofort
ins Auge springende, maßgebende Moment und unterschied bisher diese
Art der Arterienerkrankung scharf von den »eigentlichen« Aneurysmen,
für welche eine entzündliche Ätiologie ( Rokitansky , Köster etc.) immer
wieder verteidigt wurde.
Unter den Veranlassungen nämlich für das Zustandekommen
einer Kontinuitätstrennung einer Arterie, d. h. in weiterer Folge zur
Ausbildung eines Aneurysma dissecans, wurde in erster Linie das
Trauma angeführt, und diesem in verschiedenster Form der größte
Einfluß zugeschrieben. Daß daneben noch eine gewisse leichtere
Vulnerabilität in einer Erkrankung der Gefäßhäute gelegen sei —
Elastizitätsverlust der Media, Verfettungsvorgänge an der Intima
(Schrötter) — wird ohne sichere Entscheidung häufig angenommen.
Wenn also auch, was die Entstehungsursache anlangt, das Aneurysma
dissecans dem Aneurysma simplex (traumaticum) sec. Eppinger ganz
nahekommt, ja mit demselben identisch zu sein scheint, so liegt der
Grund, warum Eppinger das Aneurysma dissecans streng von den
Aneurysmen abscheidet, demzufolge nicht einmal als Aneurysma be¬
zeichnet wissen will, nicht in ätiologischen Momenten, sondern in der
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Ein Beitrag zur Lehre von den Erkrankungen der Aorta.
329
histologischen Beschaffenheit der Wand, darin, daß beim Aneurysma
Simplex die Wandungen der Arterie und der Ausbuchtung kontinuierlich
ineinander übergehen, während das Haematoma sec. Eppinger , i. e.
das Aneurysma dissecans, in einem Spalte der Arterienwand gelegen
ist, also, wie Eppinger sagt, gar kein Aneurysma ist. Auf die histo¬
logische Beschaffenheit der Wand kommt es daher nach Eppinger
an, ob eine Ausbuchtung eines Gefäßes den Aneurysmen zuzuzählen
ist oder nicht.
Wie nahe aber schließlich doch das Aneurysma simplex und
das Aneurysma dissecans stehen, ersieht man aus dem von Eppinger
angeführten Falle Nr. XXIV, woselbst in der aufsteigenden Aorta
zwei geheilte Intimarisse vorhanden sind, von denen der eine in ein
Aneurysma simplex, der zweite aber in ein Hämatom führt.
Was nun die Entstehung der Höhle in unserem Falle anlangt,
so liegt vorerst eine sicher traumatische Ursache vor, indem die
Wand der Aorta von dem im Sinus Valsalvae gelegenen, verkalkten
Stachel durchgespießt wurde. Die sonst ätiologisch bei den Erkrankungen
der Gefäße in Betracht kommenden Traumen wirken entweder lokal
von außen auf die Gefäße, wie eindringende Fremdkörper, Geschosse etc.,
ferner Quetschungen, Druck oder Arrosion von außen, oder aber das
Trauma trifft den ganzen Körper, wie bei Stürzen aus Höhen, beim
Heben schwerer Lasten usw., wobei es zu Einrissen der Intima kommt.
Dies gilt in gleicher Weise für das sogenannte Aneurysma dissecans
und für das Aneurysma simplex (traumaticum), für welch letzteres
speziell Eppinger die traumatische Entstehung nachgewiesen hat.
Ein vom Gefäßlumen selbst auf die Wand des Gefäßes
bestehendes, gleichsam wie ein Fremdkörper wirkendes Trauma konnte
ich in der so reichen Literatur der Aneurysmen und der diesen ver¬
wandten Gefäßerkrankungen nicht vorfinden.
Diese Bolle hat aber in unserer Beobachtung der von den
Klappen der Aorta ausgehende Kalkspieß gespielt, und müssen wir
uns vorstellen, daß durch denselben nicht bloß durch den fort¬
währenden Druck, sondern auch durch das während jeder Systole
hervorgebrachte stärkere Andrängen an die Aortenwand schließlich
alle Schichten derselben perforiert wurden, so daß der Stachel selbst
endlich zum Teile in der gebildeten Höhle zu liegen kam, durch die
Perforationsöffnung in der Aortenwand in dieselbe hineinragend.
In der Höhle nun trifft das vordere Ende des Stachels auf die
linke hintere Wand der Arteria pulmonal is, die bei jeder Systole
sowohl dem Stachel entgegenkam, wie dieser wieder durch die Er-
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Dr. Wilhelm Mager.
Weiterung des Aortenostiums und den Druck des durch die Aorta
strömenden Blutes gegen die Arteria pulmonalis gedrückt wurde.
Und so bewirkte schließlich der Stachel die Arrosion und direkt
mechanische Perforation der Arteria pulmonalis, den Durchbruch der
Höhle in dieselbe und so die Kommunikation zwischen Aorta und
Arteria pulmonalis.
Es fragt sich nun, ob eben diese Höhle als Aneurysma im Sinne
Eppingera anzusprechen ist, oder ob wir ein Haematoma arteriae sec.
Eppinger, d. h. ein Aneurysma dissecans vor uns haben.
Entscheidend für diese Frage sind, wie wir bereits erwähnt
haben, die histologischen Präparate von der Wand der Höhle, und
dieselben zeigen in unserem Falle, daß ein kontinuierlicher Übergang
der Aortenwand in die Begrenzung der Höhle nicht vorliegt, daß die
Höhle nur von der Adventitia der Aorta und der benachbarten Arteria
pulmonalis sowie von der Muskulatur des Herzens nach abwärts
begrenzt ist, wobei die der Höhle zugekehrten Schichten der Adventitia
sowie die dortselbst zustande gekommenen Fibrinauflagerungen eine
hyaline Degeneration zeigen.
Wir müssen demnach die Veränderungen unseres Präparates als
Aneurysma dissecans, d. h. als Haematoma arteriae im Sinne Eppingera
bezeichnen und speziell dasselbe als intermurales Hämatom benennen.
So sehr auch die Auffassung Eppingers, das Aneurysma dissecans als
ganz eigene Erkrankung der Arterie gar nicht mit dem Namen
Aneurysma, sondern als Hämatom zu bezeichnen, gerechtfertigt ist,
und bat ja diese Auffassung auch weitere Anerkennung gefunden
(Schrötter u. a.), so möchte ich doch glauben, daß gerade für Fälle
wie der unsere, und ihm sehr ähnlich ist ja auch der Befund des
Falles XXV, den Eppinger beschreibt, die Bezeichnung Aneurysma
dissecans eine speziell für den Kliniker ansprechendere ist, zumal
ja die Ätiologie des Aneurysma dissecans und des Aneurysma Simplex
(traumaticum) Eppinger gerade nach den Untersuchungen dieses
Autors die gleiche ist und, ich möchte sagen, es eigentlich nur auf
den Grad und die Schwere des Traumas ankommt, ob der Einriß die
Intima allein betrifft und die anderen Arterienschicbten erhalten
bleiben, oder ob es auch zum vollständigen Absetzen der Media und
einiger Schichten der Adventitia kommt, welch letzterer Zustand ja
das Aneurysma dissecans ausmacht.
Wenn wir nun noch den Fall von der klinischen Seite aus
kurz analysieren wollen, so hatten wir eine fieberhafte Erkrankung
vor uns, die sich nach dem physikalischen Befunde sowie nach den
übrigen Symptomen an den Herzklappen abspielte.
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Ein Beitrag zur Lehre von den Erkrankungen der Aorta.
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Gerade der febrile Verlauf, wie er in der Krankengeschichte
geschildert ist, brachte uns auch zur Annahme einer akuten Endo¬
karditis, um so mehr, als sich die Auskultationserscheinungen von
seiten des Herzens nicht im Sinne eines ausgebildeten Klappenfehlers
differenzieren ließen.
Schließlich kam es zur Insuffizienz des Herzens und den daraus
resultierenden Erscheinungen der Stauung, Schwellung von lieber und
Milz, Transsudation in die Pleurahöhlen und in leichterem Grade ins
Perikardium. Der intra vitam so schmerzhafte, in verhältnismäßig
kurzer Zeit entstandene Milztumor war ein Infarkt der Milz, ein
Ereignis, welches nur zur weiteren Bekräftigung der Diagnose der
akuten Endokarditis beitragen würde.
Und doch fanden sich an den Klappen der Aorta keine frisch
entzündlichen Auflagerungen, sondern nur die Residuen eines ab¬
gelaufenen Prozesses.
Eine Erklärung für das bestandene Fieber, welches doch höhere
Grade erreichte, sind ja Temperaturen von 39*3° und 39 8° C ver¬
zeichnet, ist in dem Nekropsiebefunde nicht vorhanden. Daß das
Fieber nur vom Milzinfarkte unterhalten worden wäre, ist wohl nicht
sicher anzunehmen und würde auch in diesem Falle ein primärer
parasitischer Prozeß an den Herzklappen vorausgesetzt werden müssen.
Es finden sich wohl in der Wand der Höhle des Aneurysma
dissecans, besonders in dem wie angenagt erscheinenden hinteren
Rande der Perforationsöffnung der Aorta histologisch Zeichen einer
frischeren Entzündung, kleinzellige Infiltration des Gewebes, ganz
ähnlich den Bildern, wie sie von Eppinger beim mykotischen Aneurysma
beschrieben sind. Ob aber in diesen an der Perforationsstelle der
Aorta sich abspielenden, geringgradigen Entzündungsvorgängen, wobei
auch im Herzblute keinerlei Mikroorganismen nachgewiesen werden
konnten, die Ursache für die Fieberbewegungen gelegen ist, läßt sich
nicht mit Sicherheit nachweisen.
Das Ereignis, welches am letzten Tage der Vita eintrat und sich
charakterisierte durch einen plötzlich einsetzenden, dann andauernden,
ganz enormen Schmerz in der Herzgegend, durch Atemnot ohne
jegliche Cyanose, ja mit einer Steigerung der bereits vorhandenen
Blässe der Haut verbunden war, drängte zur Annahme des Durch¬
bruches eines dem Herzen naheliegenden Gefäßes.
Da die schon früher nachgewiesenen Flüssigkeitsansammlungen
in den Pleurahöhlen sowie die geringe Menge Transsudates im Herz¬
beutel keine Zunahme erkennen ließen, auch kein Blut nach außen
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abt. f. path. Ao&ft. u. venr. Disziplinen. 23
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Dr. Wilhelm Mager.
befördert wurde, konnte ein Durchbruch in eine Körperhöhle oder in
Ösophagus und Trachea ausgeschlossen werden.
Ich diagnostizierte daher vermutungsweise ein Aneurysma
dissecans, d. h. eine Ruptur eines Gefäßes, woselbst das Blut noch
durch die Gefäßhäute festgehalten wurde, und war in dieser Diagnose
noch dadurch bestärkt, daß der Patient die angenommene Ruptur des
Gefäßes — ich hielt dasselbe för die Aorta thoracica descendens —
sieben Stunden lang überlebte, somit ein stärkerer Verlust arteriellen
Blutes, eine innere Verblutung nur langsam stattfinden konnte.
Die Erklärung hierfür brachte uns die Nekropsie, die den Durchbruch
eines bereits bestehenden Aneurysma dissecans respective Haematoma der
Aorta in die Arteria pulmonalis zeigte. Wir müssen uns nun vorstellen, daß
nach der Herstellung der Kommunikation zwischen Aorta und Arteria
pulmonalis nur immer eine ganz geringe Menge von Aortenblut in
die Arteria pulmonalis strömte, gerade entsprechend der Druckdifferenz
zwischen großem und kleinem Kreislauf, demnach die Zirkulation noch
durch sieben Stunden aufrecht erhalten werden konnte, bis schließlich
das rechte Herz, die Mehrleistung von Arbeit nicht mehr vermögend,
diktiert stille stand. Veränderungen in den Auskultationsphänomenen,
die aber wegen des fortwährenden Schreiens des Patienten nicht
wahrnehmbar waren, auch ein Fremisement konnte nicht mit Sicher¬
heit festgestellt werden, brauchten überhaupt nicht dagewesen zu sein,
da ja an und für sich durch die bereits früher bestandenen Ver¬
änderungen verschiedenartige Geräusche vorhanden waren und ihre
Erklärung fanden.
Eines möchte ich noch hervorheben, und das ist der intensive
Schmerz, der gleich vom Anfänge der Beobachtung an bestand
und der von dem Momente an, wo wir die Perforation in die Arteria
pulmonalis annehmen müssen, während der ganzen sieben Stunden,
die der Patient noch lebte, von einer ganz außerordentlichen Heftig¬
keit gewesen sein muß. Das Bild, das der Kranke während dieser
Zeit darbot, das fortwährende Schreien, das Ringen nach Atem, ohne
Spur einer Cyanose, erscheinen mir recht charakteristisch.
Ich will mich auch weiter auf das Thema des Gefäßschmerzes
nicht einlassen; unser Fall erweist aber, daß derselbe ohne Atherom
bei Erweiterungen der Gefäße, auch ohne Druck und Zerrung be¬
nachbarter Nerven entstehen kann, allein bedingt durch eine Erkrankung
der Gefäße selbst.
Wenn ich nun noch kurz die bemerkenswerten Punkte unseres
Falles hervorheben will, so sind es die folgenden:
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Ein Beitrag zur Lehre von den Erkrankungen der Aorta.
333
1 . Das vom Lumen des Gefäßes auf die Wand wirkende
Trauma, das zur Bildung des Hämatoms geführt hat;
2. die entstandene Perforation der Arteria pulmonalis und
die Kommunikation dieses Gefäßes mit der Aorta, ein
Ereignis, welches erst nach sieben Stunden den Tod herbeiführte,
und endlich
3. das Fibrom an der einen Pulmonalklappe.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Die rechte und die linke Klappe der Aorta auseinandergeschnitten.
Die Sonde S führt vom Sinus Valsalvae durch die Perforationsöffnung in die
Hämatomhöhle (B) und ragt durch den Riß in die Arteria pulmonalis. LV = Linker
Ventrikel; BV= Rechter Ventrikel; A = Aorta; FS = Kalkstaohel.
Fig. 2. Arteria pulmonalis. Unter der linken Klappe kommt die Sonde (SJ
aus der Höhle des Hämatoms. F = Fibrom der rechten Klappe.
Fig. 3. Der untere Teil der Höhle. (Hartnaok-Ooular 4, Objektiv 3.)
F = Fibringerinnsel; if= Muskulatur des Herzens.
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(Ans Prof. Chiaris pathologisch-anatomischem Institute an der dentschen
Universität in Prag.)
Über das Vorkommen von zweigeteilten Malpighischen
Körperchen in der menschlichen Niere.
Von
Dr. Edwin Beer,
New-York.
(Hieran Tafel XXIX und XXX.)
Im allgemeinen nimmt man an, daß die Malpighischen Körper¬
chen der menschlichen Niere nahezu sphärisch gestaltete Körper¬
chen sind, welche die gleichfalls kugeligen Glomeruli enthalten: diese
sind mehr oder weniger stark durch das viscerale Blatt der Bovman-
schen Kapsel, welche zwischen die Kapillarschlingen eintaucht, in Läpp¬
chen geteilt.
Ich möchte nun in Kürze darüber berichten, daß in der mensch¬
lichen Niere des öfteren tiefgreifende Zerteilungen der ganzen Malpighi¬
schen Körperchen Vorkommen. Es erscheint mir das deswegen gerecht¬
fertigt, weil in der Literatur nur sehr spärliche bezügliche Hinweise
sich finden. So sagt Herde 1 ) zwar, daß fast regelmäßig eine in der
Fortsetzung der Längsachse des Harnkanälchens von der Peripherie
gegen die Anheftungsstelle vordringende Spalte den Glomerulus in zwei
Halbkugeln scheide, dieser Angabe wird aber sonst nicht Erwähnung
getan. Lenhossek' 1 ) gibt in seiner Arbeit über das Venensystem der
Niere an, daß er zuweilen, wie B. Virchow anführt, auch zwei Glomeruli
in einer Kapsel liegen gesehen habe, Drasch 3 ) erwähnt das Vor¬
kommen zweierlei verschiedener Gefäßknäuel — größerer mit kern¬
haltiger Hülle und kleiner mit kernloser Hülle und Zweilappung
— in den Nieren von Tieren und auch in den Nieren eines Falles
vom Menschen, und Scagliosi 4 ) bespricht den Befund von Zwillings-
1 ) Herde, Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 1866.
3 ) Lenhossek , Virchows Archiv. 1876, Bd. LXVIII, S. 870.
3 ) Sitz.-Berichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, 1897.
4 ) Scagliosi , Über Glomerulusanomalien. Virchows Archiv. 1897, Bd. CL.
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Ober das Vorkommen von zweigeteilten Malpighischen Körperchen etc. 335
formen der Glomerali in den Nieren eines Thoracopagus parasiticus von
einem Lamme. Über Zerteilung auch der -Bowmanschen Kapsel, also
des ganzen Malpighischen Körperchens, ist aber nirgends etwas gesagt.
Diese zweigeteilten Malpighischen Körperchen sind nur in Schnitt¬
serien aufzufinden. Ich traf dieselben zufällig bei meinen Studien Ober
Nieren Verkalkung, und zwar war ich im stände, in filnf unter acht ver¬
schiedenen Nieren, von denen ich Serien angelegt hatte, eine beträcht¬
liche Anzahl von diesen zweigeteilten Malpighischen Körperchen auf¬
zufinden. In der Nähe der betreffenden Malpighischen Körperchen
konnte ich gewöhnlich kein Anzeichen von Erkrankung auffinden, ob¬
gleich alle Nieren im Anfangsstadium der chronischen Nephritis inter-
stitialis standen. Das Alter der Individuen hatte auf ihr Vorkommen
keinen Einfluß, indem ich dieselben sowohl in den Nieren junger als
auch alter Menschen auffinden konnte. Die beigegebenen Figuren
dürften die Verhältnisse klar wiedergeben.
Je nachdem das Malpighische Körperchen in verschiedener Höhe
beim Schneiden getroffen wird, erhält man verschiedene Bilder, wie
solche in den Figuren 1—4, welche aus einer Schnittserie der einen
Niere einer 56jährigen Frau angefertigt wurden, dargestellt sind. Die
Ebenen der Schnittflächen sind an der schematischen Figur 5 zu sehen
und es sind die Abbildungen der einzelnen Schnitte in Bezug auf ihre
Höhe in Übereinstimmung mit den vier Durchschnittslinien der schema¬
tischen Figur bezeichnet.
In Figur 1 sieht man zwei scharf getrennte Massen von Kapil¬
laren, welche den Eindruck machen, als ob daselbst zwei selbständige
Glomeruli beginnen würden; zwischen beiden, dieselben trennend, ist
nicht nur das parietale Blatt der Boiomanschen Kapsel eingeschoben,
sondern auch Bindegewebe und eine kurze Strecke weit ein Tubulus.
Am nächstfolgenden Schnitte, Figur 2, sieht man, daß diese
zwei Glomeruli allmählich sich einander genähert haben: zwischen
ihnen findet sich jetzt nur sehr wenig Bindegewebe.
Der nächste Schnitt, Figur 3, zeigt keine Trennung mehr zwi¬
schen den beiden Glomeruli, sondern dieselben sind verschmolzen und
machen den Eindruck eines Glomerulus von normalem Bau, nur etwas
größer, als es in der Begel der Fall ist.
Der Tubulus uriniferus begann aus jenem Abschnitte der Bow-
manschen Kapsel, welcher der ungeteilten Partie des Gloraerulus ent¬
sprach (siehe Figur 4).
In Figur 5 habe ich versucht, das Verhalten des hier geschilderten
zweigeteilten Gloraerulus sowie seiner auch zweigeteilten ÄuOTnanschen
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336
Dr. Edwin Beer.
Kapsel, also des zweigeteilten ganzen Malpighischen Körperchens in
übersichtlicher schematischer Weise darzustellen.
Ganz das gleiche Verhalten zeigten solche zweigeteilte Malptghi-
sche Körperchen aus anderen Schnittserien. Nur hiosichtlich des zu-
und abführenden Gefäßes waren Differenzen zu konstatieren; manchmal
konnte ich deren Ein- und Ausmündungsstelle in der Furche zwischen
den beiden Teilen des Glomerulus feststellen, manchmal an einer Stelle
des einfachen Abschnittes des Glomerulus sie erkennen.
Daß diese eben beschriebene Form der Malpighi sehen Körperchen
zu eigentümlichen pathologischen Verhältnissen führen kann, dürfte
die nächste Eeihe von Figuren, Figur 6—8, zeigen.
In Figur 6 sieht man das Bild von zwei, anscheinend ganz ge¬
trennten Malpighischen Körperchen. Das eine enthält einen fibrösen
Glomerulus, welcher durch eine Kapsel von einem unmittelbar benach¬
barten anderen anscheinend normalen, wenn auch kleineren Glomerulus
getrennt ist.
Bei weiterem Verfolgen der Serie sieht man aber, daß es sich
hier wieder um ein zweigeteiltes Malpighisches Körperchen handelt,
und daß die fibröse Umwandlung, welche den einen Glomerulus voll¬
ständig betroffen ha^, auch die eine Hälfte des ungeteilten Abschnittes
dieses Glomerulus teilweise ergriffen hat, während sonst der größt«
Teil des Glomerulus normal ist (siehe Figur 7 und 8).
Im Gegensätze zu dieser zweigeteilten Form des Malpighischen
Körperchens, bei welcher die beiden Teile des Malpighischen Körper¬
chens nur klein sind und das Körperchen im ganzen nur etwas größer
ist als ein gewöhnliches Malpighisches Körperchen, gibt es noch eine
andere Form der Zweiteilung, bei welcher die beiden Teile für sich
dieselbe Größe haben wie ein normales Malpighisches Körperchen und
das betreffende Malpighische Körperchen in toto ein gewöhnliches
solches bedeutend an Größe übertrifft.
Die Bilder, welche man beim Verfolgen der Serie dieser Form
der zweigeteilten Malpighischen Körperchen erhält, sind in den Figuren
9 und 10 dargestellt.
Zwei Glomeruli von normaler Größe (Figur 9) fließen allmählich
zusammen und stellen dann (Figur 10) einen einzigen sehr großen
Glomerulus dar. Man kann in der Figur 10 zwar noch eine leichte
Einsenkung der Bowmanschen Kapsel zwischen den beiden Hälften
dieses großen Glomerulus sehen, doch hört dieselbe bald auf und kann
nicht weiter zwischen die Kapillarschlingen des Glomerulus verfolgt
werden. Die Kapillaren der einen Seite gehen in das Kapillarsystem
der anderen Seite über. Bei dieser Form konnte ich auch niemals den
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Ober das Vorkommen von zweigeteilten Malpighischen Körperchen etc. 337
Ursprung zweier Tubuli uriniferi aus der Änrwmnschen Kapsel nach-
weisen, so daß ich auch hierfür bei der Annahme bleiben muß, daß es
sich um eine Zweiteilung in einem einzigen Malpighischen Körper¬
chen handelt.
Schließlich möchte ich noch erwähnen, daß man die zuerst be¬
schriebene Form öfter finden kann als die zweite Form, und daß man
in manchen Nieren oft die eine oder die andere Form in zahlreichen
Eiemplaren vertreten findet. In einer Niere, die ich untersuchte, war
die zweite Form sehr häufig, die erste Form war zwar auch vertreten,
doch weniger zahlreich. In fünf Nieren habe ich die erste Form ge¬
funden, doch nur in drei Fällen die zweite Form.
Bemerkung. Das histologische Material für diese Arbeit war
in 10 n / o igem Formol, Formol -Müller oder Alkohol filiert. Zur Färbung
gebrauchte ich Alaun - Kochenille, für Doppelfarbungen Hämatoxylin-
Eosin. Die Schnitte waren oft tangential zur Nierenoberfläche geführt
worden. Die Methode für die Schnittserien war die von Bumpus.
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(Ans Prof. Chiaris pathologisch-anatomischem Institute an der dentschen
Universität in Prag.)
Über zwei Fälle von Aortitis syphilitica mit Koronarostien-
verschließnng.
Von
Dr. Franz Bardachzi,
Volontär am Institute.
Bei dem aktuellen Interesse der Frage nach der Existenz einer
anatomisch charakterisierten Aortitis syphilitica dürfte es gerecht¬
fertigt erscheinen, im nachfolgenden zwei Fälle von schwerer Aorten¬
affektion bei Syphilis mitzuteilen, welche sich in anatomischer Hinsicht
zumal gegenüber der Endarteriitis chronica deformans eigenartig
verhielten.
Der erste Fall betraf einen dreißigjährigen Mann, dessen
Leiche am 13. Dezember 1902 von der Abteilung des Herrn Hof¬
rates Professor Dr. PHbrarn zur Sektion gelangte.
Der Krankengeschichte, deren Überlassung ich der Güte des
Herrn Hofrates Pfibram verdanke, entnehme ich folgendes:
B. Anton, 30jähriger verheirateter Bahnbediensteter, machte im
Jahre 1900 einen harten Schanker durch, dem ein Ausschlag folgte.
Er wurde auf der Klinik des Herrn Professor Dr. Janovsky mit Ein¬
spritzungen behandelt.
Seit drei Monaten vor seiner am 12. Dezember 1902, i. e. am
Tage des Todes erfolgten Aufnahme auf die Abteilung litt Patient
an Brustschmerzen, Atemnot, allgemeiner Schwäche und Kältegefühl,
zu welchen Beschwerden sich seit zwei Tagen Erbrechen hinzugesellte.
Vor der Erkrankung trank der Patient nicht mehr als 1 1 Bier
täglich.
Die Frau des Patienten ist gesund, ein Kind starb an Fraisen.
Nach der Aufnahme lag der Patient ruhig im Bette, die Atmung
war ruhig, nicht angestrengt, von gewöhnlicher Frequenz. Hustenreiz
fehlte. Der Kranke klagte hauptsächlich über Magenbeschwerden; er
gab an, er bekomme plötzlich einen heftigen Schmerz in der Magen-
bv Google
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Über zwei Fälle von Aortitis syphilitica mit Koronarostienrerschließung. 339
gegend, müsse erbrechen. Der Schmerz strahle gegen den Kopf
aus und sei von Zittern in den Händen begleitet. Das Bewußtsein
verliere Patient nie.
Über beiden Lungen, besonders rechts, fand sich ziemlich dichtes
Bassein. Die Atmung war auch beim Aufsitzen nicht angestrengt.
Die Herzdämpfung war etwas nach rechts verbreitert, die Töne
dumpf, begrenzt, rhythmisch. Der Puls war kräftig, 96; die Tem¬
peratur normal.
Die Leber überragte den Rippenbogen um drei Querfinger. Die
Magengrenzen waren nicht erweitert, die Magengegend etwas druck¬
empfindlich. Perkussion des Abdomens zeigte gedämpft tympanitischen
Schall. In der linken Skrotalhälfte war kein Hoden zu tasten.
Um 5 Uhr p. m. (1 Stunde nach der Aufnahme) meldete die
Wärterin, der Patient habe nach Erbrechen einen »Anfall« bekommen.
Es trat Bewußtlosigkeit und zunehmende Blässe ein, der Puls war
nicht tastbar und lautes Trachealrasseln vorhanden. Es wurden fünf
Kampferinjektionen gemacht. Trotzdem trat bereits um 5'/ 2 Uhr p. m.
der Tod ein.
Die klinische Diagnose lautete:
Vitium cordis? Oedema pulmonum. Intumescentia hepatis. Lues
peracta. Kryptorchismus sinister. Mors cubita.
Bei der 15 Stunden nach dem Tode vorgenommenen Sektion
ergab sich folgender Befund:
»Der Körper 178 cm lang, von kräftigem Knochenbau, kräftiger
Muskulatur, entsprechendem Paniculus adiposus. An der Rückseite
diffuse Totenflecken. Totenstarre deutlich ausgeprägt. Allgemeine Haut¬
decken blaß. Haupthaar dunkelbraun. Pupillen mittelweit, gleich.
Thorax gut gewölbt, Abdomen im Niveau des Thorax. Linke Skrotal¬
hälfte leer. Schädel 51 cm im Horizontalumfang. Weiche Schädel¬
decken blaß; harte Hirnhaut gespannt; in ihren Sinus dunkles, flüssiges
Blut. Gehirn ohne Besonderheiten. Halsorgane normal.
Das Zwerchfell rechts zur vierten, links zur fünften Rippe reichend.
In der Luftröhre spärlicher schaumiger Schleim. Die Schilddrüse
etwas größer, stärker kolloidhaltig. Die rechte Lunge an der Basis
adhärent, sonst beide Lungen frei. Ihr Parenchym ziemlich blutreich,
lufthaltig, ödematös. Im Herzbeutel wenige Tropfen klaren Serums.
Das Herz dem Körper entsprechend groß, in seinen Höhlen flüssiges
und frisch geronnenes Blut. Die Aortenklappen leicht diffus verdickt.
Die übrigen Klappen und das Endokard zart. Das Myokard überhaupt
fahl, aber von gewöhnlicher Konsistenz. Bei Lamellierung desselben
namentlich im linken Ventrikel reichliche, auf dem Durchschnitte
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340
Dr. Franz Bardachzi.
bis 7 2 c»i 2 große, weißliche Flecken zu sehen, die aber gegen die
Nachbarschaft nicht scharf abgegrenzt sind. Im Bereiche dieser
Flecken die Muskulatur durch Bindegewebe ersetzt.
Die Aorta nicht erweitert. Ihre Intima in ihrem Anfangsteile
über den Klappen in einer zirka 4 cm langen, gürtelförmigen Strecke
mit reichlichen, dichtgestellten, bis 5 mm dicken polsterartigen Platten
versehen, zwischen welchen sich turchenartige Vertiefungen finden.
Durch solche Platten das Ostium der linken Koronararterie hoch¬
gradig verengt, das der rechten ganz verschlossen.
Die Koronararterien sonst zartwandig und gewöhnlich weit. In
der Aorta ascendens sowie im Arcus aortae und in der Aorta thora¬
cica descendens nur spärliche und niedrige polsterförmige Verdickungen.
Die Aorta abdominalis und die großen Arkusäste hiervon ganz frei.
Die Leber vergrößert, brüchig; im rechten Lappen auf der
oberen Fläche desselben eine vertikal verlaufende, zirka 6 cm lange
Furche (sogenannte Zwerchfellsfurche). Die Milz blutreich. Die Nieren
normal. Der linke Hoden etwas kleiner, von schlaffer Konsistenz, im
Leistenkanal gelagert.
Das Pankreas normal, ebenso die Nebennieren. Magen und Darm
ohne pathologische Veränderungen.
Mikroskopisch an frischen Zupfpräparaten vom Herzen Fett¬
degeneration geringen Grades, links etwas mehr als rechts.«
Darnach wurde die pathologisch-anatomische Diagnose
gestellt auf:
Aortitis cum obliteratione ostii arteriae coronariae dextrae et
stenosi ostii arteriae coronariae sinistrae. Myomalacia cordis multiplex.
Degeneratio adiposa myocardii. Kryptorchismus sinister.
Nach diesem Sektionsbefund war es klar, daß der Patient in¬
folge seiner Aortitis, die zur Verschließung respektive Verengerung
der Koronararterien und damit zur Myomalacia multiplex sowie zur
Fettdegeneration des Herzfleisches geführt hatte, zugrunde gegangen war.
Die Brustschmerzen, die in den letzten drei Monaten des Lebens be¬
standen hatten, waren offenbar Ausdruck der genannten pathologischen
Veränderung im Herzen gewesen.
Um die Natur der Aortitis zu studieren, wurde behufs mikro¬
skopischer Untersuchung von verschiedenen Stellen der Aorta
thoracica Material entnommen. Die Stücke wurden je zwei Tage in
Formol -Müller und dann weiter in Liquor Mülleri gehärtet, hierauf
in fließendem Wasser ausgewaschen, in Alkohol entwässert und nach
Zelloidineinbettung geschnitten. Für die Färbung verwandte ich einer¬
seits Hämatoxylin-Eosin und die van Giesonsche Methode, anderseits,
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Über zwei Fälle von Aortitis syphilitica mit Koronarostien Verschließung. 341
und zwar für die Färbung auf elastische Fasern, Orzein. Weiter unter¬
suchte ich auch die Aortenklappen.
An einem der Aorta ascendens knapp Ober den Klappen ent¬
nommenen Stock zeigte sich eine allmählich sich erhebende, den
größten Teil des Schnittes einnehmende, mächtige Verdickung der
Intima, welche etwa das Achtfache der benachbarten normalen Innen¬
haut erreichte. Diese Verdickung bestand aus zwei nicht scharf von¬
einander abgegrenzten Teilen, einer inneren schmäleren, locker ge¬
fügten, zellreichen Schichte von meist regellosem Faserverlauf und
einer äußeren dichteren. Außer stellenweiser, besonders in den tieferen
Schichten auftretender geringerer Färbbarkeit und hier und da sich
zeigender schleimiger Beschaffenheit waren in der Intima keine
regressiven Veränderungen zu finden. Dagegen zeigten sich besonders
in den tieferen Partien zahlreiche Bundzellen, welche gegen die Media
zu größere rundliche und streifenförmige Herde bildeten, die teilweise
mit den in dieser gelegenen Herden in Verbindung standen. In die¬
selben traten aus der Media Blutgefäße ein. Während die Media
stellenweise gut erhalten war, erwies sie sich sonst wie zerklüftet von
mächtigen Wucherungen von großzelligem Granulationsgewebe mit
reichlichen Gefäßen und Bundzellen. Diese Herde drangen stellen¬
weise in die Intima ein. Die größten waren schon makroskopisch als
graurote Pünktchen sichtbar. An ihrer Stelle waren die elastischen
Lagen der Media unterbrochen, in ihrer Umgebung von unregel¬
mäßigem Verlaufe, wie dies an den auf elastische Fasern gefärbten
Präparaten sehr deutlich hervortrat.
Die elastische Innenhaut war an den Stellen, wo die Entzündungs¬
herde in die Intima eindrangen, unterbrochen. In der Adventitia bestand
diffuse entzündliche Infiltration. Besonders stark war diese aber um die
Gefäße, welche das Bild einer Endarteriitis obliterans darboten. An den
Entzündungsherden war Übergang in Granulationsgewebe wahrzunehmen.
An Schnitten, die von vier Stücken, welche aus dem die stärksten
Veränderungen zeigenden Teile der Aorta ascendens entnommen worden
waren, gemacht wurden, zeigten sich ganz ähnliche Veränderungen.
In der Bindegewebswucherung in der Media fanden sich oft mehr-
kernige Zellen, i. e. Biesenzellen, die aber nicht den Typus der
Langhansschen Biesenzellen zeigten. An einer Stelle waren in dem in
die Intima eingewucherten Gewebe oft sehr große, weite und unge¬
mein dünnwandige Blutgefäße wahrzunehmen.
Gleiche, nur viel geringgradigere Veränderungen zeigten drei
Stellen von der Aorta descendens. An den Aortenklappen zeigte sich
geringe Auflockerung des Gewebes.
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342
Dr. Franz Bardaehzi.
Als die auffallendsten Eigentümlichkeiten dieses Falles wären
hervorzuheben:
Die sehr starke, gürtelförmige Entwicklung der Affektion im
Anfangsteile der Aorta ascendens, das Übergreifen derselben auf die
Ostien der Koronararterien, das zum Verschlüsse der rechten und
zur Stenose der linken geführt hatte, das Freibleiben der Aorta ab¬
dominalis und die geringe Neigung zu regressiven Veränderungen in
den Verdickungsstellen der Intima. Im mikroskopischen Bilde fiel
besonders die gewaltige, fast allenthalben nachzuweisende Einwuche¬
rung von Granulationsgewebe aus der Adventitia in die Media auf,
wie sie bei der gewöhnlichen Endarteriitis chronica deformans nicht
getroffen wird. Auf die Biesenzellen im Granulationsgewebe ist wohl
kein zu großes Gewicht zu legen, weil sie sich auch sonst darin oft
finden. Von herdweiser Verkäsung im Granulationsgewebe, so daß
daraus Gummen hätten diagnostiziert werden können, war nichts zu
sehen. Nichtsdestoweniger möchte ich diese Aortitis doch auf Syphilis
beziehen. Hierfür sprechen die anatomische Eigenart, das Fehlen
anderer kausaler Momente und die Geschichte des Falles. Da sich
an den entzündeten Stellen überall nur Granulationsgewebe, nirgends
Übergang desselben in Narbengewebe zeigte, muß diese Aortitis als
eine relativ rezente aufgefaßt werden.
Hiermit stimmt sehr gut die Angabe überein, daß sich patho¬
logische Symptome seitens des Herzens erst drei Monate vor dem
Tode zu zeigen begonnen hatten.
Ein sehr lehrreiches Pendant zu diesem Falle stellt der fol¬
gende zweite Fall dar, indem es sich hier wieder um eine Aortitis
syphilitica mit Verschluß des Ostiums der einen Koronararterie handelt,
der Prozeß aber viel älter war. Dieser Fall bezog sich auf einen
39jährigen Mann, dessen Leiche am 15. Oktober 1901 von der gleichen
Abteilung wie der erste Fall seziert wurde. Auch für die Über¬
lassung dieser Krankengeschichte bin ich Herrn Hofrat Pfibram
zu großem Danke verpflichtet.
0. Rudolf, 39jähriger, verheirateter Rechnungsführer, akquirierte
im Jahre 1884 ein Ulcus durum an der Glans penis, welches ver¬
eiterte und ohne ärztliche Behandlung heilte. Neun Monate dar¬
auf bildete sich in der linken Leistengegend ein Bubo. Im Jahre
1898 wurde Patient wegen einer schmerzhaften Rachenerkrankung
mit Jodkali behandelt. Als sich im August 1900 ein Gumma am
Kopfe entwickelte, suchte er Hilfe im Spitale, woselbst dasselbe unter
Quecksilberbehandlung im Verlaufe von zwei Wochen heilte. Um
dieselbe Zeit wurde bei ihm ein Herzfehler diagnostiziert. Im Mai 1901
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Über zwei Fälle von Aortitis syphilitica mit KoronarostienVerschließung. 343
bildete sich ein Gumma am rechten Schulterblatte, das auf antiluetische
Behandlung zurückging. Im Juli entwickelten sich Gummata an beiden
Füßen; die eingeleitete Schmierkur mußte wegen eintretender Atem¬
beschwerden sistiert werden.
In den letzten drei Monaten vor der am 1. Oktober erfolgten
Aufnahme auf die Abteilung des Herrn Hofrates Prof. Dr. Pfibram
magerte Patient auffällig ab, der Appetit war sehr gering und großer
Durst vorhanden. Die letzten vier Wochen hatten auch häufige (bis
fünf- und sechsmal täglich) Diarrhöen bestanden, welche heftigen
Stuhldrang zur Folge hatten. Beim starken Pressen waren auch Hämor¬
rhoidalknoten vorgetreten. In der letzten Woche vor der Aufnahme
des Patienten verschlimmerte sich des Gesamtbefinden sehr wesent¬
lich; es traten Atemnot, Husten, Erbrechen, Schlaflosigkeit und hef¬
tiger Schweißausbruch hinzu.
Im jugendlichen Alter hatte der Patient Scharlach durchgemacht.
Sonst war er stets gesund gewesen. Gonorrhöe und Bheumatismus
hatte er nicht durchgemacht.
Die Eltern und drei Geschwister des Patienten sind gesund.
Seine Frau, die er im Jahre 1893 heiratete, gebar in den Jahren
1889, 1894, 1896 und Februar 1901. Die Kinder sollen angeblich
gesund sein. Die Frau hat nie abortiert.
Früher trank Patient täglich 20 bis 30 Glas Bier, später bis
fünf Glas. Der bei der Aufnahme auf die Abteilung erhobene Status
praesens ergab folgenden Befund:
Schwächlicher, hochgradig abgemagerter Körper mit schwacher
Muskulatur und von blasser Hautfarbe. Über dem linken Parietale
nahe der Sutura sagittalis zeigt sich eine kaum hellergroße, haarlose,
weiße Narbe, von einem Gumma herrührend. Der Knochen zeigt an
dieser Stelle Depression. Pupillen eng, reagierend. Die Teroporalarterien
stark geschlängelt. Zahnfleisch etwas geschwollen, Zähne zum Teil
kariös, geschwärzt. Uvula nach links abweichend. Pulsationen der
Karotis sehr deutlich, ebenso in der Jugulargrube Pulsation sichtbar.
An der Brachialis, Kubitalis, Radialis und Ulnaris besonders bei ge¬
beugtem Arme beiderseits dem Herzspitzenstoß synchrone, deutlich
sichtbare, an der Kubitalis auch hörbare Pulsationen. Die Kubitalis
als hartgespanntes Gefäß deutlich tastbar.
Die an der vierten Rippe beginnende Herzdämpfung reicht von
der rechten Sternallinie bis fingerbreit innerhalb der linken Klavikular-
linie. Spitzenstoß im fünften Interkostalraum. Links und rechts diffuse
Erschütterungen des Thorax, auch im Epigastrium. Puls 110, ziem¬
lich gespannt, rhythmisch.
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344
Dr. Franz Bardachzi.
Bei der Auskultation hört man an der Aorta ein hauchendes
Geräusch im zweiten Moment, im ersten Moment ein leiseres; in der
Richtung zur Herzspitze sind diese Geräusche schwächer zu hören.
An letzterer dumpfe Töne.
Über der rechten Skapula befindet sich eine etwa kreuzergroße
Stelle, welche in der Peripherie braun, im Zentrum rosa erscheint
und von einem verheilten Gumma herrührt. Diese Hautpartie über
dem Knochen verschieblich.
Die Leber perkussorisch und palpatorisch vier respektive zwei
Querfingerbreiten unter dem Rippenbogen nachzuweisen.
In der linken Leiste zwei schief gestellte, etwa 1 cm lange Narben,
die außen dunkelbraun pigmentiert sind.
Pulsationen der Kruralis als mächtige Erhebungen tastbar.
Pediaeapuls sichtbar. Kapillarpuls an den Nägeln angedeutet An der
Kruralis Töne hörbar.
Das distale Drittel der linken Tibia aufgetrieben, auf Perkussion
schmerzhaft. Die Haut darüber etwas gerötet. Rechts am Dorsum pedis
ein harter, flach prominenter Tumor. Das Kuneiforme primum dieser
Seite bei Perkussion schmerzhaft.
Bei der Röntgenuntersuchung ergibt sich dem Herzen ent¬
sprechend ein verbreiteter Schatten. Bei der ophthalmoskopischen
Untersuchung finden sich erweiterte Venen mit deutlicher Pulsation.
Am 6. Oktober wurde der Patient, da seine Beschwerden sich
besserten, auf eigenen Wunsch entlassen. Da sich am 11. d. M.
blutiger Auswurf und stechende Schmerzen in der Brust einstellten,
suchte er am 13. d. M. schon wieder die Abteilung auf. Der an dem¬
selben Tage aufgenommene Status ergab äußerste Schwäche, Blässe,
fahlgelbe Hautfarbe. Patient warf hellrotes Sputum (fast flüssiges Blut)
aus. Der Puls war rhythmisch, gespannt, 120, und war Dyspnoe vor¬
handen. Die Schwäche nahm zu, die Atmung wurde immer frequenter
(48 in der Minute) und der Puls schwächer. Um 3 Uhr a. m. trat
am 15. Oktober Exitus letalis ein.
Die klinische Diagnose lautete:
Lues gummosa. Guraraata periostealia. Arteriosklerosis. Endo-
carditis chronica ad valvulas aortae et ad valvulam mitralem. In-
sufficientia valvularum aortae. Hypertrophia cordis ventriculi sinistri.
Infarctus haemorrhagici pulmonum. Intumescentia hepatis. Prolapsus
ani. Alkoholismus chronicus.
Die Sektion wurde 5*/2 Stunden nach dem Tode am 15. Ok¬
tober 1901 ausgeführt und folgendes Sektionsprotokoll aufgenommen:
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über zwei Fälle von Aortitis syphilitica mit Koronarostienvereohließung. 340
»Der Körper 170cm lang, von kräftigem Knochenbau und
Muskulatur. Allgemeine Decken blaß, mit dunkleren Hypostasen auf
der Rückseite. Totenstarre ausgeprägt. Haupt- und Barthaar dunkel.
Über dem linken Parietale nahe der Mittellinie eine 1 cm 2 große
Narbe. Pupillen mittelweit, gleich. Sichtbare Schleimhäute blaß. Hals
und Brust proportioniert, Abdomen im Thorainiveau. An der Glans
penis im Sulcus coronarius weißliche Narben zu konstatieren. Des¬
gleichen Narben in inguine sinistra. Über der rechten Skapula eine
2 cm 2 große bräunliche Narbe. Weiche Schädeldecken blaß. Der
Schädel 52 cm im Horizontalumfang, ziemlich dickwandig, diploe-
reich. In der Gegend des linken Scheitelbeines, entsprechend der
früher erwähnten Narbe am Kapillitium, an der Außenfläche eine Ver¬
dickung, die sich etwa auf 2 cm 2 erstreckt. Hirnhäute und Gehirn
zeigen nichts Abnormes.
Zwerchfellstand rechts an der vierten, links an der fünften Rippe.
Schilddrüse entsprechend. Schleimhaut der Halsorgane blaß. Die
Lungen, an den Spitzen leicht fixiert, zeigen ein sehr blutreiches, derbes
Parenchym; in den Spitzen leichte Schwielen. In den Unterlappen
beiderseits bis bühnereigroße, keilförmige hämorrhagische Herde. Das
Herz mit dem Herzbeutel bindegewebig verwachsen, stark dilatiert
und hypertrophiert, hauptsächlich im linken Ventrikel. Das Herz¬
fleisch blaß und weich, im rechten Ventrikel deutlich gelb (mikro¬
skopisch Fettdegeneration). Die Klappen zart, nur die der Aorta stark
verdickt und geschrumpft. Die Intima der Aorta ascendens zeigt reich¬
liche, ziemlich weiche Höcker mit dazwischenbefindlichen Furchen.
Diese Veränderung läuft im Arcus aortae und in der Aorta thora¬
cica descendens allmählich aus. Das Ostium der rechten Koronar¬
arterie obliteriert. Die Luft- und Speiseröhre blaß. Im Abdomen kein
abnormer Inhalt. Leber, Milz und Nieren zeigen Stauung. Am
Genitale nur starke Thrombenbildung in den Venen der Prostata und
den periurethralen Venen. Die Schleimhaut des Magens stark gerötet
und ekchymosiert, ebenso die Schleimhaut des Darmes gerötet. Pankreas
und Nebennieren normal.«
Die pathologisch-anatomische Diagnose lautete:
Lues inveterata. Cicatrices glandis penis et inguinis sinistrae.
Cicatrix in regione scapulae dextrae. Hyperostosis cranii. Aortitis.
Endocarditis chronica ad valvulas aortae cum insuffieientia valvu-
larum. Concretio cordis cum pericardio totalis. Dilatatio et
hypertroph» cordis praecipue ventriculi sinistri. Hyperaemia
mechanica universalis. Thrombosis venarum perivesicalium. Infarctus
haemorrhagici pulmonum. Obliteratio ostii arteriae coronariae dextrae.
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346
Dr. Franz Bardaohzi.
Degeneratio adiposa rayocardii ventriculi cordis dextri. Tuberculosis
obsoleta apicum pulmonum.
Auch in diesem Falle erwies sich als die schwerste pathologisch-
anatomische Veränderung im Organismus die Aortenaffektion, kom¬
biniert mit der Erkrankung der Aortenklappen und der Obliteration
des Ostiums der Arteria coronaria dextra. Hierdurch waren die Hyper¬
trophie des Herzens, die Fettdegeneration im rechten Herzventrikel,
die universelle mechanische Hyperämie, die Thrombose in den Peri-
vesikalvenen und die die unmittelbare Todesursache abgebenden hämor¬
rhagischen Lungeninfarkte erzeugt worden.
Es wurde nun auch hier die Aorta im Bereiche ihrer stärksten
Veränderungen, i. e. im aufsteigenden Teile einer genauen mikro¬
skopischen Untersuchung unterzogen und zwei Stellen derselben
Stücke entnommen. An Schnitten von der ersten Stelle zeigte sich
mäßig starke Intimaverdickung ohne regressive Veränderungen, außer
geringer Verkalkung in den innersten Schichten. In der Media war
von normalem Gewebe nur wenig zu erkennen; sie war fast ganz
verschwunden und nur stellenweise als ganz schmaler Streifen erhalten,
infolge von Durchsetzung derselben durch Bindegewebe, welches viel¬
fach auch kleinzellig infiltriert war. Die Adventitia war ungemein
stark verdickt. Die Vasa vasorum zeigten das Bild einer Endarteriitis
obliterans; sie waren umgeben von Rundzellenherden. Die zweite
Stelle von der Aorta ascendens zeigte auch nur mehr sehr spärliche
Reste von Mediagewebe; diese war zum weitaus größten Teile substituiert
von zahlreichen, meist schon bindegewebigen Entzündungsherden. Diese
waren besonders deutlich bei der elastischen Faserfärbung, die nach
Weigerte Methode vorgenommen wurde, als helle Flecken zu erkennen.
An demselben Schnitte zeigte sich stärkere Intimaverdickung ohne
besondere regressive Veränderungen.
Auch in diesem Falle bot die Aortitis ein eigenartiges Bild dar;
auch hier muß hingewiesen werden auf die makroskopische Lokalisation,
die Obliteration des einen Koronarostiums, die geringe Neigung zu
regressiven Metamorphosen in den Intimaverdickungen, ferner auf die
gewaltige Einwucherung von Bindegewebe aus der Adventitia in die
Media. Hier fand sich aber nicht mehr Granulationsgewebe, sondern
derbfaseriges Bindegewebe mit Herden von kleinzelliger Infiltration.
Riesenzellen wurden nicht gefunden, ebenso traten keine Gummata in
Erscheinung.
Es handelte sich auch bei dieser Erkrankung augenscheinlich
um einen syphilitischen Prozeß in der Aorta. Nur war derselbe gewiß
älteren Datums als in dem ersten Falle. Außerdem war hier eine.
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Über zwei Fälle von Aortitis syphilitica mit Koron&rostienverschließnng. 347
starke Affektion der Aortenklappen vorhanden gewesen, die zu einer
Insuffizienz derselben geführt hatte.
Gewiß ist es nicht ohne weiteres möglich, die in diesen beiden
Fällen gefundene Aortitis in derselben Art wie etwa einen gummös¬
syphilitischen Prozeß in der Leber als an jeder einzelnen Erkrankungs¬
stelle für Syphilis anatomisch charakterisiert zu bezeichnen, indem es
sich eben auch nur um dieselben Baumittel der Aortenwandveränderungen
handelt, wie sie bei anderen Aortitiden, welche nichts mit Syphilis zu
tun haben, getroffen werden. Denn auch bei der gewöhnlichen End-
arteriitis chronica deformans aortae trifft man herdweise Verdickung
der Intima, Entzündungen in der Media mit Gefäßwucherung und
Entzündung in der Adventitia. Der Grad der Mediadurchwucherung
seitens des mit den proliferierenden Gefäßen von der Adventitia her
eindringenden, entzündlich neugebildeten Bindegewebes war aber hier
ein so hoher, daß dadurch der Aortitis ein ganz besonderes Gepräge
verliehen wurde, wie es bei der gewöhnlichen Endarteriitis chronica
deformans nie vorkommt. Die Intimaverdickungen, die auch viel
weniger Neigung zu regressiven Metamorphosen zeigten, traten mikro¬
skopisch eigentlich in den Hintergrund gegenüber der Affektion der
beiden äußeren Wandschichten, zumal gegenüber der Mesarteriitis.
Dazu kam noch die eigentümliche Lokalisation der Aortitis, ihre
Tendenz, die Koronarostien zu verschließen und das jugendliche Alter
der Patienten, in welchem gemeinhin sonst die Aorta wenig oder gar
keine pathologischen Veränderungen aufweist. Das, zusammengehalten
mit der Geschichte der beiden Fälle, zwingt mich zu der Behauptung,
daß hier die Aortitis in der Tat syphilitischen Ursprungs war, und
naturgemäß weiter zu der Anschauung, daß die besonderen Eigen¬
tümlichkeiten der Aortitis in den beiden Fällen eben durch den
Umstand ihrer syphilitischen Ätiologie hervorgerufen worden waren.
Gewiß sind noch weitere Erfahrungen notwendig, um festzustellen, ob
man in Fällen histologisch analoger Aortitis, wenn sonst keine Anhalts¬
punkte für Syphilis vorhanden sind, schon aus einem solchen Befunde
in der Aorta syphilitische Aortitis und damit Syphilis diagnostizieren
darf, wie dies bekanntlich Heller in Kiel und seine Schüler behaupten.
Mir erschien es jedenfalls gerechtfertigt, diese beiden Fälle als einen
kleinen Beitrag zu dieser Frage zur allgemeinen Kenntnis zu bringen.
Zeitschr. f. Heilk. 1903. Abt. f. pMh. An»t. u. verw. Disziplinen.
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(Ans Prof. Chiaris pathologisch-anatomischem Institute an der deutschen
Universität in Prag.)
Pneumonomycosis aspergülina hominis.
Von
Dr. Heijiro Nakayama,
Assistent am pathologischen Institute in Tokio.
Bei der großen Seltenheit des Vorkommens von Aspergillose in
der menschlichen Lunge erscheint es an und für sich gerechtfertigt,
einen neuen solchen Fall zur Kenntnis zu bringen. Dazu kommt aber
noch, daß in diesem Falle eine bisher erst einmal beim Menschen
gefundene Aspergillusspezies vorhanden war und daß weiter dieser
Fall die sekundäre Natur der Lungenaspergillose nach hämorrha¬
gischem Infarkte in der Lunge zu belegen geeignet erscheint.
Der Fall betraf einen 71jährigen Schuster, welcher am
27. Februar 1903 auf der Abteilung des Herrn Hofrates Professor
Dr. Ptibram gestorben war und dessen Leiche mit der klinischen
Diagnose: Pneumonia lobi inferioris utriusque, Emphjsema pulmonum,
Arteriosclerosis, Bronchitis diffusa, Morbus Brightii chronicus, Myo-
degeneratio cordis, Oedema pedum, Anisocoria, Atheromata capitis zur
Sektion gekommen war. Aus der von Herrn Hofrat PHbram mir
gütigst überlassenen Krankengeschichte, wofür ich ihm an dieser
Stelle meinen besten Dank sage, entnehme ich, daß der Patient in
elendem Zustande erst einen Tag vor dem Tode im Spitale auf¬
genommen worden war. Infolge der hochgradigen Dyspnoe und der
asthmatischen Anfälle war es ganz unmöglich, eine Anamnese auf¬
zunehmen und konnte leider auch später nichts darüber erfahren
werden. Auch eine genauere Untersuchung war aus demselben
Grunde nicht möglich. Als Status ergab sich folgendes: Die Pupillen
waren ungleich groß, die rechte weiter als die linke; sie reagierten
auf Lichteinwirkung träge. In den Malleolargegenden und auf den
Fußrücken bestand geringes Ödem. Im Kapillitium fanden sich zwei
bis walnußgroße Atherome. Die Radialis war geschlängelt. Der Puls
erschien arhythmisch, 92, klein, leicht zu unterdrücken. Über beiden
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Pneumonomycosis aspergillina hominis.
349
Lungen war bei der Perkussion abnorm lauter Schall zu hören. Die
Atmung war vesikulär; dabei hörte man verlängertes Exspirium und
reichliche bronchitische Geräusche. Bückwärts war ad basin beiderseits
vom achten Brustwirbel abwärts kleinblasiges Bassein wahrnehmbar,
aber keine SchallverkQrzung. Die Herzdämpfung war verkleinert. Die
Töne erschienen dumpf, leise, kaum hörbar. Der zweite Ton über der
Aorta war akzentuiert. Das Abdomen zeigte normale Verhältnisse.
Die Temperatur war bei der Aufnahme 38*1° C, erreichte noch am
26. Februar 39 6° C, um dann wieder auf 38‘5° C abzufallen. Die
Bespiration schwankte zwischen 36 und 42. Der Verdacht einer
beiderseitigen lobulären Pneumonie wurde wegen der dichten Bassel¬
geräusche und dem begleitenden hohen Fieber ausgesprochen.
Sputum war nicht vorhanden.
Bei der Untersuchung des Harns wurden reichliches Eiweiß und
Spuren von Indikan nachgewiesen.
Unter Steigerung der Symptome erfolgte der Eiitus letalis bereits
am Tage nach der Aufnahme um 10 Uhr p. m.
Bei der Sektion, welche 23 Stunden nach dem Tode vorge¬
nommen wurde, fand sich folgendes: Die Leiche war die eines
ziemlich großen, kräftig gebauten, abgemagerten Individuums. Die all¬
gemeine Decke war blaß, mit blasser Hypostase rückwärts. Das
Haupt- und Barthaar war dem Alter entsprechend grau. Die mittel¬
weiten Pupillen waren beiderseits gleich. Die von außen sichtbaren
Schleimhäute waren überall blaß. In der Gegend des vorderen Endes
der Pfeilnaht und über dem rechten Tuber parietale fand man je
eine über haselnußgroße, kugelige Geschwulst von prallelastischer
Konsistenz in der Haut. Sonst war am Körper von außen nichts Ab¬
normes zu erkennen.
Die weichen Schädeldecken waren blaß. Der Schädel und die
harte Hirnhaut waren von gewöhnlicher Beschaffenheit. Die weichen
Hirnhäute zeigten ödematöse Durchtränkung. Das Gehirn ließ nichts
Pathologisches erkennen.
Die Schilddrüse und die Schleimhäute der Halsorgane waren
blaß. Die rechte Pleurahöhle enthielt etwas eiteriges Exsudat, dabei
war die Pleura mit einer gelblichen, ziemlich dicken Fibrinschicht
überzogen. Die linke Pleura war dagegen ganz leer und ihre Serosa
intakt. Beide Lungen waren an der Spitze fixiert. Durch diese fixierten
Stellen gemachte Schnitte zeigten alte schwielige Verdichtungsherde
in den Lungenspitzen. Das Parenchym der beiden Lungen war im
allgemeinen von mittlerem Blutgehalte, stärker durchfeuchtet und ließ
sich eine reichliche Menge blutig-schaumiger Flüssigkeit heraus-
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350
Dr. Heijiro Nakayama.
pressen. Auf der Schnittfläche des Oberlappens der rechten Lunge
fand sich in der Nähe der kostalen Fläche des Lappens ein etwa
hühnereigroßer Gangränherd, in dessen Bereich das Parenchym zer¬
fallen war, so daß sich hier eine Höhle mit unregelmäßig zerfetzter
Wandung präsentierte. Die Umgebung dieser Zerfallshöhle wurde von
verdichtetem Lungengewebe gebildet, welches teils das Aussehen
eines älteren hämorrhagischen Infarktes bot, teils graurot pneumonisch
infiltriert war. Unmittelbar an die Jauchehöhle angrenzend zeigten
sich zwei zirka 1 '/ 2 cm 2 große Stellen im Lungengewebe dadurch
auffällig, daß sie eine ziemlich trockene, bräunlichgraue, wie »modrige«
Beschaffenheit hatten und an ihrer Peripherie einen Saum von gelb*
liehen Krümeln besaßen. Im Unterlappen der linken Lunge fanden
sich mehrere bis taubeneigroße, scharf begrenzte, dichtere Stellen
von roter Farbe und keilförmiger Gestalt. Der Stamm sowie zahl¬
reiche kleinere Zweige des rechten Hauptastes der Arteria pulmonalis
waren mit graurötlichen Pfröpfen verstopft. In einzelnen Ästen zweiter
Ordnung des linken Hauptastes der Arteria pulmonalis ließen sich
ebenfalls solche Pfröpfe erkennen. Der Herzbeutel enthielt etwas
klares Serum. Das Herz war entsprechend groß, zeigte ziemlich derbe,
blasse Muskulatur. In den Papillarmuskeln der Valvula mitralis fielen
weißliche Schwielen auf. Die Klappen der linken Herzhälfte sowie die
Intima der Aorta zeigten reichliche Yerdickungs- und Verkalkungs¬
herde. Die Schleimhaut der Speiseröhre war blaß. Das Abdomen ent¬
hielt keinen abnormen Inhalt. Die Leber war groß, blaß und brüchig.
An der Oberfläche derselben fielen viele stecknadelkopfgroße, gelbliche
Flecken auf. Die Milz war klein, blaß. Die Nieren waren ziemlich
groß, mit rauher Oberfläche versehen und mit bis taubeneigroßen
serösen Zysten durchsetzt. An der Oberfläche derselben sah man teils
gelbe, teils graue, hanfkorngroße Knötchen. Die Schleimhaut des
harnleitenden Apparates sowie das Genitale zeigten keine besonderen
Veränderungen. Die Schleimhaut des Magens und des Darmkanals
war blaß. Der Processus vermiformis war in ein taubeneigroßes,
zystisches Gebilde umgewandelt, beim Aufschneiden dieser Zyste floß
schleimige Flüssigkeit heraus. Das Pankreas und die Nebennieren
waren normal. An der Unterseite des Mesenteriums des Jejunums
hing ein gestielter, taubeneigroßer Anhang aus Fettgewebe herab.
Die perivesikalen Venen waren ausgedehnt thrombosiert.
Da es bei der Beschaffenheit der modrig aussehenden Partien
in der Wand der Zerfallshöhle der rechten Lunge sehr wahrscheinlich
war, daß es sich um eine Schimmelmykose handle, machte man
gleich nach der Sektion, um die Diagnose festzustellen, aus dem
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Pneumonomycosis aspergillina hominis.
351
Gewebssaft dieser Stellen Deckglaspräparate und untersuchte dieselben
unter dem Mikroskope. Dabei fand man zahlreiche Hyphen eines
Aspergillus mit schwarzer Farbe der Sterigmen und Konidien, daneben
noch zahlreiche, verschiedenartige, zum Teile (Tram-beständige Kokken
und Bazillen.
Es wurde daher folgende pathologisch-anatomische
Diagnose gestellt: Thrombosis venarum perivesicalium. Embolia rami
dextri arteriae pulmonalis subsequente infarctu et gangraena in lobo
superiori pulmonis dextri cum aspergillosi. Pleuritis fibrinosopurulenta
dextra. Embolia rami sinistri arteriae pulmonalis. Infarctus haemorrhagici
recentiores lobi inferioris pulmonis sinistri. Morbus Brightii chronicus.
Endarteriitis chronica deformans. Tuberculosis obsoleta apicum pul¬
monum. Cystis processus vermiformis. Lipoma pendulum mesenterii
intestini tenuis. Atheromata capillitii duo. Oedema pedum.
Von dem Gewebssafte der obengenannten »modrigen« Stellen
der rechten Lunge wurden auch Strichkulturen auf Agarplatten an¬
gelegt. In allen Strichen zeigte sich eine reichliche Wucherung des
Basens eines Aspergillus, der bereits in zwei Tagen grünschwarze
Pigmentierung zeigte. Außer dem Aspergillus fand man noch Kolo¬
nien von verschiedenen Kokken und Bazillen, welche nicht weiter
bearbeitet wurden.
Am 2. März 1903 wurde eine Beinkultur dieses Aspergillus an
Herrn Prof. Dr. Molisch mit der Bitte übersandt, die Bestimmung
der Aspergillusspezies durchzuführen. Herr Prof. Molisch schickte die
Kultur an Herrn Prof. Dr. Blumentritt in Elbogen zur Bestimmung.
Am 14. März antwortete derselbe, daß es sich bei der übersandten
Eeinkultur um den »Aspergillus bronchialis« handle. Er fügte
dabei hinzu: »Ziemlich kräftige Köpfchen, an denen die Sterigmen
ziemlich tief an der Blase herabreichen. Die Konidienträger ent¬
sprechend lang, nicht septiert, niemals verzweigt.« Für ihre Güte
spreche ich den beiden Herren Professoren an dieser Stelle meinen
besten Dank aus.
Die genauere histologische Untersuchung dieses Falles wurde
mir übertragen. Zur Verfügung standen mir die ganze rechte Lunge
(Musealpräparat Nr. 5440), mehrere Stücke von den Infarktherden
im Unterlappen der linken Lunge und Stücke von der Leber und den
Nieren.
Vor der Beschreibung der Befunde an den einzelnen Organen
will ich an dieser Stelle kurz über die Technik der Untersuchung
berichten. Das zur Untersuchung bestimmte Material war zuerst in
10%iger Formalinlösung fixiert und dann in Alkohol konserviert
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352
Dr. Heijiro Nakayama.
worden. Die zum Mikrotomieren ausgeschnittenen Gewebsstückchen
wurden nach der gewöhnlichen Methode in Celloidin eingebettet und
dann geschnitten. Die Färbung geschah vorwiegend mit Hämatoxylin-
Eosin und nach van Gieson. Ferner wurde die Unna-Tänzersc he
Orzeinfärbung und die GVomsche Bakterienfärbung angewendet. Be¬
sonders die letztere Methode bot immer vortreffliche Bilder des
Schimmels und der Bakterien dar.
An der rechten Lunge entnommenen Schnitten durch die
Wandung der Zerfallshöhle mit Schimmelmykose konnte man
schon mit der schwachen Vergrößerung sehr leicht drei verschiedene
Zonen unterscheiden, nämlich eine innere, an die Wand der Zerfalls¬
höhle angrenzende, nekrotische, eine mittlere verdichtete und eine
äußere des noch erhaltenen, relativ leicht veränderten Lungengewebes.
Die Begrenzungen derselben waren sehrunregelmäßig und unscharf, da
die Zonen allmählich ineinander übergingen und Fortsätze aus der
einen in die andere hineinragten.
Das im Bereiche der nekrotischen Zone gelegene Lungen¬
parenchym war abgestorben und zeigte keine Kernfärbung mehr.
Trotz dieser Nekrose war der ursprüngliche Bau der Lunge noch
wohl erhalten und es war noch die Struktur der Alveolarsepta, der
Bronchien und der Gefäße unschwer zu erkennen. Die meisten
Alveolen in dieser Zone, abgesehen von einem Bezirke, welchen ich
nachher speziell beschreiben werde, waren mit einer nekrotischen,
zeitigen Masse ausgefällt und infolgedessen zeigte die ganze Zone
ein sehr verdichtetes Aussehen. Nur hie und da fand man einzelne
Alveolen weniger gefüllt oder fast leer. Diese waren dann als ver¬
schieden große, rundliche Lücken wahrnehmbar. Die nekrotisierte
Masse in den Alveolen war nicht an allen Stellen der Schnitte ganz
gleich beschaffen. An einer kleinen Stelle in der Wand der Zerfalls¬
höhle war diese Masse feinkörnig zerfallen. An anderen größeren
Stellen war sie aus unzähligen kleinen, rundlichen, ganz schwach
gefärbten, kernlosen Körperchen mit ganz zarter Kontur — augen¬
scheinlich nekrotischen Erythrocyten — massenhaften, ebenso schwach
gefärbten, körnigen Zerfallsprodukten, welche teilweise aus den er¬
wähnten Erythrocyten durch Zerfall entstanden zu sein schienen,
zahlreichen abgestorbenen Leukocyten und spärlichen, blasig auf¬
gequollenen, rundlichen, großen Zellen mit Kohlenpigment — Alveolar-
epithelien — zusammengesetzt. Ferner kam Fibrin in Form von un¬
regelmäßigen Klumpen und in netzartiger Gestalt in diese Masse ein¬
gelagert vor. An der Grenze zwischen der nekrotischen und der be¬
nachbarten verdichteten Zone war die obenerwähnte Masse in den
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Pneumonomycosis aspergillina hominis.
353
Alveolen relativ wohl erhalten, und dadurch konnte man ihre ursprüng-
liche^Form gut erkennen. Hier waren die Alveolen mit massenhaften,
dicht gedrängten, schon ausgelaugten roten Blutzellen, zahlreichen
mehr- oder gelapptkernigen Leukocyten, Lymphocyten und spärlichen
desquamierten Alveolarepithelien ausgefüllt. Alle diese Zellen zeigten
eine nach dem Inneren dieser Grenze zunehmende schlechtere Kern-
farbung und gingen endlich in eine vollständige Nekrose über. Kurz
gesagt, bot die rechte Lunge an dieser Stelle das Aussehen eines
älteren hämorrhagischen Infarktes mit einem großen nekrotischen
Zentrum.
In der nekrotischen Zone fiel ein auf dem Durchschnitte etwa
V/ 2 cm 2 großer, unregelmäßig rundlich gestalteter Herd auf. Er lag
von dem Bande der Zerfallshöhle wenig entfernt in der nekrotischen
Zone, war nach außen der zweiten verdichteten Zone dicht benach¬
bart und von dieser ziemlich scharf abgegrenzt. Das in diesem Be¬
reiche gelegene Lungengewebe war gegenüber dem anderen etwas
lockeren Baues und zeigte schon makroskopisch ein schwammiges
Aussehen. Mikroskopisch war auch hier eine deutliche Nekrose vor¬
handen und zeigte sich keine Kernfärbung mehr. Die Alveolen in
diesem Bezirke waren auch mit einer nekrotischen, zelligen Masse
erfüllt. Die Menge derselben war aber weit geringer als in der
übrigen nekrotischen Zone. Infolgedessen waren die Alveolarsepta
nicht gespannt, bildeten unregelmäßige Falten und das ganze Bild
sah lockerer aus. In der Beschaffenheit des Inhaltes in den Alveolen
dieses Bezirkes aber trat eine Besonderheit hervor, nämlich die
Schimmelmykose, welche als die des früher genannten Aspergillus zu
erkennen war. Die Hyphen waren mit Hämatozylin oder nach der
Crramschen Methode gut färbbar, mäßig dick, an vielen Stellen
quer septiert und baumförmig verzweigt. Die Form der Hyphen war
nicht ganz gleichmäßig zylindrisch. Die meisten Hyphen zeigten in
ihrem Verlaufe unregelmäßige Ausbuchtungen. In ihnen selbst fand
man sehr viele rundliche, vakuolenartige Gebilde, welche gar keine
Farbe aufnahmen. Die Hyphen kamen entweder ganz vereinzelt oder
als Gewirre von sehr reichlichen Fäden vor. Im ersten Falle waren
sie regellos mit den nekrotischen Zellen vermischt in den Alveolen
zu finden. Im zweiten Falle zeigten sie eine gewisse Regelmäßigkeit.
Sie waren immer radiär angeordnet und bildeten hie und da im
nekrotischen Lungenparenchym rundliche, ovale oder ganz unregel¬
mäßig gestaltete Schimmelrasen von verschiedener Größe. Die Dichtig¬
keit der Hyphen war je nach dem Basen verschieden. Sogar in ein
und demselben Basen zeigte sie große Schwankungen. Gewöhnlich
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354
Dr. Heijiro Nakayama.
lagen die Hyphen in der zentralen Partie eines Rasens spärlicher
und weniger dicht und waren sehr schlecht zu färben. In der peri¬
pheren Partie dagegen waren sie gut färbbar und dicht angeordnet,
an einigen Stellen so dicht, daß man zwischen den nebeneinander¬
liegenden Hyphen keine Lücke sehen konnte. Die kleineren Rasen
wurden immer von den Alveolarsepten durchzogen und boten ein
solches Aussehen, als ob die Mykose von einer Stelle einer Alveolar¬
wand angefangen und sich von da weiterverbreitet hätte. Einige
größere Rasen, welche einen Durchmesser von l - 5—3 mm hatten,
zeigten im Zentrum je einen queren oder schrägen Durchschnitt
eines Kanales. Die Wandung dieses war stets vollständig abgestorben
und hatte keine zellige Auskleidung mehr. Aber da eine dünne
Schicht von glatten Muskelfasern in der Wandung zu erkennen war
und mächtiges Bindegewebe den Kanal umgab, ferner entsprechend
große Gefäße denselben begleiteten, konnte man den Schluß ziehen,
daß der Kanal ein Bronchus war. Im Lumen desselben fand man
außer einer geringen Menge einer abgestorbenen zelligen Masse eine
Anzahl Hyphen, viele Konidienträger und reichliche Konidien des
Aspergillus. Die Konidien waren rund, glatt, erdig-graugrün und
wurden bei der öramschen Färbung dunkel gefärbt. Von dem Lumen
des Bronchus nach allen Seiten radiär ausstrahlende Hyphen des
Aspergillus wucherten durch die Wandung des Bronchus und das
umgebende Bindegewebe einerseits in die Alveolen und anderseits
auch durch die Wand der benachbarten Gefäße in das Lumen dieser
hinein. Dabei schien es, daß weder die Art des Gewebes noch die
Faserrichtung desselben das Fortschreiten des Schimmels hinderte.
In einzelnen Bronchien war die Schimmelmykose nur an einer Seite
der Wand aufgetreten, und infolgedessen hatten die Rasen hier eine
becherförmige Gestalt.
Die in der nekrotischen Zone verlaufenden größeren Arterien
waren durch aus Fibrin, roten Blutzellen und Leukocyten bestehende
Pfröpfe ganz verschlossen. Außer in den früher genannten Gefäßen
in der unmittelbaren Nachbarschaft der Bronchien mit Schimmel¬
mykose war weder im Lumen noch in der Wand der Gefäße der
Aspergillus nachzuweisen.
Die in der mittleren Zone der Wandung der Zerfallshöhle ge¬
legenen Alveolen enthielten meist eine kolossale Menge von Leuko¬
cyten mit einem gelappten Kerne odermehreren Kernen, Lymphocyten,eine
spärliche Anzahl von abgestoßenen Epithelien und roten Blutzellen.
Zu diesen zelligen Elementen gesellte sich noch Fibrin als ein feines
Netzwerk, — also das Bild einer Pneumonie. In der Nähe der
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Pneumonomyeosis aspergillina hominis.
355
nekrotischen Zone konnte man auch stellenweise sehr viele Erythro-
cyten in den Alveolen erkennen. Die Bronchien in dieser Zone waren
erhalten. Die Mukosa derselben zeigte zellige Infiltration, ebenso die
Muskularis und das umgebende Bindegewebe. Im Lumen enthielten
sie aus verschiedenen Leukocyten, abgestoßenen Epitbelien, Schleim¬
und Fibrinniederschlägen bestehende Pfröpfe.
Das in der äußersten Zone gelegene Lungenparenchym war
wenig verändert und zeigte nur das Bild eines Lungenödems. Die
Alveolen enthielten eine geringere Anzahl von Leukocyten, eine mit
Hämatoxylin ganz blaß gefärbte homogene Masse und eine geringe
Menge Fibrin. Die Kapillaren in den Alveolarsepta und die kleinen
Gefäße zeigten massige Füllung mit Blut.
An mit Orzein gefärbten Schnitten erwies sich in keiner der
drei Zonen starke Veränderung des elastischen Gewebes. Nur die
elastischen Fasern in der Wand der Bronchien, welche starke
Schimmelmykose darboten, sahen etwas verwaschen aus.
Die nach Orant gefärbten Präparate zeigten massenhaftes Vor¬
kommen der verschiedensten Kokken und Bazillen. Sie waren ent¬
weder ganz zerstreut oder in Massen angehäuft und mit dem noch
erhaltenen oder schon abgestorbenen Inhalte in den Alveolen
gemischt. Diese Bakterienhaufen waren in der oben erwähnten
nekrotischen Zone, besonders an der Innenfläche der Zerfallshöhle,
am meisten zu finden. Hier zeigte eine gewisse Anzahl von solchen
Haufen vollständiges oder partielles Abgestorbensein.
Von der Umgebung der Zerfallshöhle wurde ein etwa
10 cm langes, 2*5 cm dickes, von der Spitze der Lunge bis zur unteren
Fläche des Oberlappens reichendes Stück herausgeschnitten und
untersucht. In der Spitze sah man einen alten, schwieligen Ver¬
dichtungsherd aus kernarmem Bindegewebe. In der Umgebung
zeigten sich starke Ablagerung von Kohlenpigment, Füllung der
Gefäße mit Blut und Rundzelleninfiltration. Sonst waren die Alveolen
hie und da schwach emphysematös erweitert und enthielten eine
ganz feingranulierte, mit Hämatoxylin schwach gefärbte Masse mit
mehr- oder gelapptkernigen Leukocyten, Lymphocyten und desquamierten
Epithelien. Die Zahl dieser zeitigen Elemente im allgemeinen war
nicht sehr reichlich, nur an einer Stelle, welche der Zerfallshöhle
zugekehrt war, erschienen die Zellen reichlicher und sah diese Stelle
infolgedessen ziemlich stark verdichtet aus. Die Bronchien waren teils
fast leer, teils enthielten sie im Lumen zellige Pfröpfe. Viele Arterien
waren auch hier durch fibrinöse Massen verstopft. Nirgends war
Schimmelmykose nachzuweisen.
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356
Dr. Heijiro Nakayama.
Die aus den roten, dichteren Stellen des Unterlappens der
linken Lunge gemachten Präparate zeigten das Bild einer frischen
hämorrhagischen Infarzierung der Lunge. An den dichteren Stellen
waren die Alveolen mit massenhaften, gut erhaltenen roten Blutzellen
und spärlichen Leukocyten gefüllt. Die Pleura pulmonalis darüber
zeigte eine starke Hyperämie und geringfügige Hämorrhagien. Die in
diese verdichteten Herde eintretenden Äste der Arteria pulmonalis
waren durch dichtes Fibrin gerinnsei mit roten und weißen Blut¬
körperchen vollständig verschlossen. Die Gewebsnekrose war in den
Infarkten noch nicht weit gediehen, nur färbten sich die Kerne der
verschiedenen Gewebselemente etwas schwächer als im umgebenden
Parenchym. Schimmelmykose vermißte man hier vollständig.
In der Leber sah man mikroskopisch folgende Veränderungen:
Die Läppchen waren im allgemeinen etwas verkleinert und zeigten
in der peripheren Partie Fettinfiltration, welche an den meisten
Stellen ganz geringfügig und nur an einzelnen etwas stärker war.
Die intravenösen Kapillarnetze waren etwas erweitert; infolgedessen
waren die Leberzellenbalken etwas verschmälert. Hie und da enthielten
die Leberzellen in sich ganz feines braunes Pigment. Das Bindegewebe
der ÖJmonschen Kapsel war im allgemeinen etwas vermehrt und zeigte
an vielen Stellen geringgradige Bundzelleninfiltration. Der Peritonealüber¬
zug der Leber war ziemlich stark hyperämisch und ließ stellenweise An¬
häufung von Rundzellen erkennen. Die bei der makroskopischen Be¬
trachtung gefundenen gelblichen Fleckchen an der Oberfläche der Leber
waren nichts anderes als zirkumskripte, stärkere Fettinfiltration der
Leberzellen. Sonst fand man in der Leber keine besondere Veränderung.
Die den Nieren entnommenen Schnitte zeigten das Bild eines
chronischen Morbus Brightii. Das interstitielle Bindegewebe hatte zu¬
genommen und war hie und da zeitig infiltriert. Viele Malpighische
Körperchen waren gut erhalten und enthielten in ihrer Kapsel ein
spärliches körniges Gerinnsel. Nur wenige derselben waren fibrös¬
hyalin entartet. Die meisten gewundenen und geraden Harnkanälchen
waren wohl erhalten. Die Kerne der Epithelien waren meist gut
färbbar. Im Lumen der Harnkanälchen fand sich eine geringe Menge
Detritusmasse; nur wenige derselben enthielten hyaline Zylinder.
Ferner sah man besonders nahe an der Oberfläche vereinzelte oder
in Gruppen vorkommende Zysten mit kolloidem Inhalt. Die Äste der
Arteria renalis zeigten geringgradige Verdickung der Intima. Die grauen
Knötchen an der Oberfläche der Nieren, welche bei der Sektion konstatiert
worden waren, erwiesen sich unter dem Mikroskope als Adenome und
die gelben als größere Kolloidzysten.
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Pneumonomycosis aspergillina borainis.
357
Wenn ich nun die erwähnten anatomischen und histologischen
Befunde noch einmal zusammenfasse, so handelte es sich in meinem
Falle um eine in zwei kleinen Herden aufgetretene Aspergillose der
einen Lunge, welche zufällig bei der Sektion eines 71jährigen
Mannes gefunden wurde. Im Oberlappen der rechten Lunge lagerte
in der Nähe der kostalen Fläche des Lappens ein etwa hühnerei¬
großer Gangränherd, welcher schon makroskopisch, aber auch mikro¬
skopisch das Aussehen eines älteren, gangränös zerfallenen, hämor¬
rhagischen Infarktes bot. In dessen nekrotischer Wandung war die
Schimmelwucherung aufgetreten, welche nur auf zwei Stellen der
Wandung sich beschränkte und sonst nirgends zu finden war. Im
Zentrum der größeren Schimmelrasen fanden sich nekrotische
Bronchien, aus deren Lumen durch die Wand hindurch in die Um¬
gebung die Schimmelwucherung sich verbreitet hatte. Im Unterlappen
der linken Lunge fanden sich mehrere frische hämorrhagische
Infarkte. Der Stamm sowie zahlreiche kleinere Zweige der rechten
und einzelne Äste zweiter Ordnung der linken Arteria pulmonalis
waren mit augenscheinlich embolischen, fibrinösen Pfröpfen ver¬
stopft. Ferner waren die perivesikalen Venen ausgedehnt thrombosiert.
Auf die Entstehung und die gegenseitigen Verhältnisse dieser Ver¬
änderungen werde ich gleich näher eingehen. Zunächst will ich hier
nur noch hervorheben, daß der Aspergillus meines Falles nach der
botanischen Untersuchung einer neuen Spezies — »Aspergillus bron-
chialis Blumentritt « — angehörte, die im Jahre 1900 von Herrn
Dr. Lucksch ') bei der Sektion eines Diabetikers im Bronchialbaume
gefunden und von Herrn Prof. Dr. Blumentritt 2 ) weiter botanisch studiert
worden ist.
Was die Auffassung des Falles betrififfc, so bin ich der An¬
schauung, daß es sich hier zweifellos um eine sekundäre Aspergillose
der Lunge gehandelt hat, und zwar in dem Bereiche eines älteren
nekrotischen und gangränös zerfallenen umfänglicheren Infarktes in
dem Oberlappen der rechten Lunge. Der typische Befund des zer¬
fallenen Infarktes in der rechten Lunge, die ausgedehnte embolische
Verstopfung der zuführenden Arterien daselbst, der gleichzeitige Befund
von frischeren hämorrhagischen Infarkten mit Embolie der betreffenden
’) Luekteh, Vegetation eines bisher noch nicht bekannt gewesenen Asper¬
gillus im Bronchialbanme eines Diabetikers. Zeitschrift für Heilkunde. 1902, Bd. XXIII.
Abteilung für pathologische Anatomie.
: ) Blumentritt, Über einen neuen, im Menschen gefundenen Aspergillus
(Aspergillus bronchialis n. sp.). Berichte der deutschen botanischen Gesell¬
schaft. 1901.
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358 Dr. Heijiro Nakayama, Pneumonomycosis aspergillina hominis.
Arterienzweige im Unterlappen der linken Lunge, der Nachweis einer
Thrombose in den perivesikalen Venen, von wo sich, wie das so
häufig vorkommt, die Emboli abgelöst hatten, und ganz besonders
noch die relative Kleinheit der zwei Schimmelherde in der rechten
Lunge sprechen wohl sicher für die geäußerte Auffassung. Dazu
kommt noch, daß mikroskopisch das Hinauswuchern der Aspergillus-
hyphen aus den Bronchien in die Nachbarschaft direkt nachgewiesen
werden konnte. Ich möchte darnach meinen Fall in Parallele stellen
zu dem auch aus dem hiesigen Institute mitgeteilten Falle von
Dr. v. Bitter *) und so wie dieser Autor mich nicht auf den Stand¬
punkt Saxer8 2 ) stellen, nach welchem die Infarzierung des Lungen¬
gewebes und die Thrombenbildung in den Zweigen der Arteria pul-
monalis als sekundär zustande gekommen anzusehen wäre gegenüber
einer primären Aspergillusmykose im Bronchialbaume.
*) v. Ritter, Znr Kasuistik der Pneumonomycosis aspergillina hominis.
Prager medizinische Wochensohrift. 1902, Nr. 1.
5 ) Saxer, Pneumonomycosis aspergillina. 1900.
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(Aus der IV. medizinischen Abteilang des K. k. Allgemeinen Krankenhaase»
in Wien (Vorstand: Primararzt Dozent Dr. Friedrich Koväcs].)
Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
(Hanotsche Cirrhose, beiderseitige Konjunktivitis, Keratitis,
Viskosität des Blutes.)*)
Von
Dr. Franz Vollbracht,
Assistent der Abteilung.
Seit langem ist bekannt, daß bei Ikterus verschiedenartige patho¬
logische Veränderungen am Sehapparate Vorkommen. Namentlich in
den letzten Jahren wurde den Augenaffektionen im Gefolge von Leber¬
erkrankungen erhöhte Aufmerksamkeit zugewandt und verschiedene
Autoren haben versucht, den ursächlichen Zusammenhang zwischen
Augenerkrankung und den Leberaffektionen zu erklären.
Die unter diesen Verhältnissen beobachteten Augensymptome zer¬
fallen nach Dolganoff ') in zwei große Gruppen — in subjektive und
objektive Symptome. Zur ersteren Gruppe gehören:
1. Vorübergehende Kurzsichtigkeit (Moauro).
2. Herabsetzung der Sehschärfe ( Baas u. a.).
3. Einschränkung des Gesichtsfeldes (Weiß, Hort).
4. Störung der Farbenperzeption (Parinaud, Weiß, Hori).
5. Gelbsehen.
6. Erythropsie (Junge).
7. Hemeralopie ( Frerichs , Bamberger etc.).
Zur Gruppe der objektiven Symptome gehören:
1. Xanthelasmaflecken an den Augenlidern.
2. Xerosis der Bindehaut und Hornhaut ( Weiß, Leber , Baas etc.)
3. Hornhautgeschwüre, Hypopyonkeratitis und Keratomalacie
(vide unten ausführlich).
4. Iritis (Hori, Elschnigg).
*) Auszugsweise vorgetragen mit Krankendemonstration in der Gesellschaft
für innere Medizin in Wien, Sitzung vom 6. März 1902.
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360
Dr. Franz Vollbracht.
5. Entzündliche und degenerative Prozesse in der Chorioidea
(Baas, Weiß , Hort, Purtscher).
6. Ödem der Netzhaut (FumagaUi).
7. Weiße Flecken in der Netzhaut, Täfelung des Fundus ( Weiß,
Hori, Baas etc.).
8. Retinitis (Moauro etc.).
9. Neuroretinitis (Litten).
10. Retinitis pigmentosa (Landolt, Litten, Hori).
In der ziemlich reichlichen Literatur finden sich nur wenige
Leberfälle mit schwerem Ikterus, in deren Verlaufe das Auftreten von
Bindehautprozessen sowie von Hornhautgeschwüren und deren
Folgen beobachtet wurde.
Bevor wir an die Mitteilung und Besprechung eines einschlägigen,
von uns beobachteten Falles gehen, sollen vorerst die diesbezüglichen
Mitteilungen und die daraus gezogenen Schlüsse auszugsweise an¬
geführt werden.
An klinischen Beobachtungen fand ich in der Literatur folgendes:
Baas*) beschreibt zwei Fälle von Lebercirrhose, in deren Verlaufe
Hemeralopie aufgetreten war. Der eine Fall ist ohne Sektion, der zweite
ist anatomisch durchgearbeitet.
Der Patient, welcher nur 16 Jahre alt geworden war, litt seit seinem
siebenten Jahre mit wenigen Intervallen an Ikterus. In seinem neunten
Jahre trat zum ersten Male Nachtblindheit auf, die später mit der Ab¬
nahme des Ikterus verschwand, respektive mit der Zunahme desselben
wieder auftrat.
Sehschärfe, Gesichts- und Farbensinn war normal.
Ophthalmologischer Befund: Rechts und links war die Papille
etwas verwaschen, nicht scharf begrenzt. Die Arterien etwas blaß. Die
Gefäße hatten im allgemeinen normalen Verlauf. Der Fundus erwies sich
als auffallend getäfelt infolge beträchtlicher Pigmentrarefizierung und war
dabei bis an die Papille heran körnig getrübt. Starke Pigmentverschie¬
bungen sowie einige runde Pigmentherde fanden sich im Aequator bulbi,
woselbst stellenweise sehr dicht gehäufte, äußerst feine, weißlich glänzende
Fleckchen sich vorfanden.
Im Verlaufe der Erkrankung kam es zur Xerosis conjunctivae.
Ophthalmoskopisch konnte zirka vier Monate vor dem Tode
nachgewiesen werden, daß die Trübung der Papille zugenommen hatte;
die Gefäße erschienen im ganzen heller rot, besonders die Arterien, deren
Lumen zugleich verengt war, während die Arterienwand auffallend deut¬
lich gesehen werden konnte. In der Makulagegend befanden sich in
weiter Ausdehnung zahlreiche, kleine, scharf begrenzte Fleckchen in der
Chorioidea.
Sektionsdiagnose: Cirrhosis hepatis; Ikterus; multiple Blu¬
tungen; kein Ascites.
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
361
Baas sucht in seinen Fällen das Bindeglied zwischen Leber¬
und Augenerkrankung in dem Ikterus, respektive in der infolge des
Ikterus veränderten Blutbescbaffenheit. Nach Baas war die veränderte
Blutmischung die Veranlassung der GetäßVeränderungen im Auge,
welche in Form von Endarteriitis und Endophlebitis zum Ausdrucke
kamen. Beide führten zu einer Verdickung der Gefäßwände, weiterhin
zu einer Verengerung des Lumens an vielen Stellen. Die Xerosis con¬
junctivae scleralis ist nach Baas auf Grund der Ernährungsstörung
entstanden und stellt sich als fettige Degeneration der Epithelzellen
dar, veranlaßt durch die Veränderungen am Zirkulationsapparate im
subkonjunktivalen Gewebe.
Auf Grund des anatomischen Befundes meint Baas, daß der
Krankheitsprozeß vom Gefäßsysteme ausgebe; dementsprechend seien
die hauptsächlichsten Veränderungen in der Aderhaut gefunden worden,
und zwar in Form einer zur Atrophie führenden Schrumpfung der
Aderhaut. Baas nennt daher den ganzen Prozeß Cirrhosis chorioi-
deae respektive Chorioiditis hepatica s. icterica.
Einen speziell hierhergehörigen Fall beschreibt Hort 3 ):
J. W., 49 Jahre alt, suchte die II. Augenklinik in Wien wegen
Nachtnebel auf. Bei der Aufnahme des Befundes fiel vor allem die starke
Abmagerung sowie der hochgradige Ikterus des Patienten auf. Der Um¬
fang des Gesichtsfeldes ergab eine mäßige, konzentrische Einschränkung
für weiß, eine sehr starke für blau; rot und grün wurden nicht erkannt.
Die Untersuchung mit dem Augenspiegel zeigte einen getäfelten Fundus;
die Chorioidealgefäße waren blaß, gelbrötlich. Die Intervaskularräume matt,
graubraun gefärbt, kurz. Das Aussehen der Chorioidea war wie bei Reti¬
nitis pigmentosa mäßigen Grades. An der Peripherie des Fundus nicht
eine Spur von Pigment. Die Papille war gut gefärbt; der Skleralring
oben, außen und unten deutlich sichtbar. Das Kaliber der Gefäße schien
wenig geändert. In der Makulagegend streifige Reflexe, aber nirgends
Trübung der Netzhaut.
Nachdem die interne Untersuchung einen enormen Lebertumor und
hochgradigen Ikterus ergab, kam Patient auf eine interne Klinik, woselbst
Patient am 31. Oktober 1890 starb.
Tags zuvor wurden bei dem Patienten an beiden Augen tiefe,
wenig infiltrierte, ungefähr den inneren unteren Quadranten
der Hornhaut einnehmende Geschwüre gefunden. An den der Leiche
entnommenen Bulbis konnte man nebst diesen Geschwüren ein eiteriges
Exsudat von geringerer Mächtigkeit konstatieren.
Anatomische Diagnose (Prof. Paltauf): Cirrhosis hypertrophica
hepatis cum ictero gravi. Catarrhus intestinalis chronicus. Ma¬
rasmus.
Die histologische Untersuchung ergab: »Eine chronische
Entzündung der Uvea, welche die übrigen Augenhäute in Mitleidenschaft
zog, ferner ein Streptokokkengeschwür der Hornhaut. Der Ausgangspunkt
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362
Dr. Franz Vollbraeht.
der Entzündung der Uvea scheint der vordere Abschnitt derselben ge¬
wesen zu sein. Ebenso zeigt die Retina Veränderungen, deren Intensität
gerade den Chorioidealveränderungen entspricht. Die konzentrische Ein¬
schränkung des Gesichtsfeldes, die Weiß (1. c.) auch beobachtete, kann
wohl durch diese Veränderung erklärt werden.
Von den Ausführungen Horts möchte ich folgendes wörtlich an-
führen: »Besonders hervorzuheben ist die bestehende Hornhauterkran¬
kung, die man wohl analog der Keratomalacie ansehen darf. Diese
kommt bei Erwachsenen gewöhnlich nicht vor, während sie im Kindes¬
alter oft zu konstatieren ist. Die Hornhautgeschwüre in unserem Falle
dürfen wohl derart erklärt werden, daß zunächst an der Conjunctiva
bulbi infolge der durch den Ikterus verursachten Ernährungsstörung
Xerosis entstanden sei, welche sich auch auf die Hornhautoberfläche
erstreckte; das Hornhautepithel wurde rissig und gab endlich Ver¬
anlassung dazu, daß Streptokokken durch diese Rißwunden in das Horn¬
hautgewebe eindrangen und weitere Zerstörungen in demselben ver¬
ursachten.«
»Jedenfalls ist nicht zu leugnen, daß ein Zusammen¬
hang zwischen der Erkrankung des Auges und der Leber
besteht; ob jedoch bei Ikterus mangelhafte Zufuhr von Nährmaterial
oder die abnorme Blutbeschaffenheit die Ursache der Augenerkrankung
ist, läßt sich vorläufig noch nicht entscheiden.«
Weiß*) erwähnt in der Diskussion zu einem Vortrage Horts über
obigen Fall, daß er im Laufe der Jahre eine Reihe von Fällen be¬
obachtet habe, bei welchen Augenaffektionen mit einem Leberleiden
in einem ursächlichen Zusammenhänge gestanden haben dürften. In
einem Falle von Lebereirrhose sah er ein zentrales Hornhautgeschwür
mit auffallend raschem Zerfall. In einem anderen Falle beobachtete er
feine Schüppchenbildung in Art der Xerose auf der Conjunctiva bulbi
im Bereiche der Lidspalte.
Elschnigg 5 ) beobachtete bei einer öljäbrigen Patientin mit Tumor
der Gallenblase und schwerem Ikterus das Auftreten von Hornhaut¬
geschwüren mit Durchbruch.
Befund: An beiden Augen waren die Sklera und Konjunktiva intensiv
ikterisch verfärbt. Die Konjunktiva trocken, fettig, besonders rechts mit
weißen Massen bedeckt; geringe Injektion, stärker am linken Auge.
Rechtes Auge: Hornhaut gleichfalls von weißlichen Auflagerungen
bedeckt, in den ganzen inneren zwei Dritteilen von einem noch vertieften,
sonst vernarbten Geschwür eingenommen, mit dessen Hinterfläche die Iris
verwachsen ist. Pupille nicht sichtbar.
Linkes Auge: Die unteren, inneren und oberen Randpartieu sind
von gegen den Hornhautrand steil abgegrenzten Geschwüren eingenommen;
die angrenzenden Homhautpartien gelblich gefärbt, sich abschilfemd; auch
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
363
das übrige Homhautgewebe graulich getrübt. Unten Durchbruch der
Kornea, durch welche Kammerwasser absickert, ohne Irisprolaps.
Die mikroskopische Untersuchung der weißen Auflagerungen ergab,
daß sie fast ausschließlich aus Mikroorganismen, und zwar am rechten
Auge nur aus Xerosebazillen, am linken aus Xerosebazillen und anderen
Bakterien bestanden.
Die Sektion ergab: Papillom an der Ausmündungsstelle
des Ductus choledochus mit karzinomatös infiltrierter Basis.
Dilatation der Gallengänge, Ikterus, Ascites, Marasmus.
Die histologische Untersuchung der Bulbi ergab entsprechende
Veränderungen in der Bindehaut und Hornhaut. Die Blutgefäße der Binde¬
haut und Episklera zeigten keine Wandverdickungen respektive Ein¬
engung des Lumens, ebensowenig die der Uvea.
Nach Elschnigg handelte es sich bei einer kachektischen, durch
Galienretention schwer ikterischen Patientin um eine typische Xerose
der Bulbusbindehaut beider Augen, welche von geschwürigem Zerfallle
der Hornhaut erst des einen, dann auch des anderen Auges gefolgt
war. Während aber an dem ersterkrankten, rechten Auge der Prozeß
auf einen Teil der Hornhaut beschränkt blieb und relativ rasch unter
Narbenbildung verlief, verfiel die Hornhaut des zweiten Auges nahezu
in ganzer Ausdehnung und ganzer Dicke der Nekrose.
Elschnigg ist der Ansicht, daß die Keratomalacie bei Bindehaut-
xerose sowie ähnliche Hornhautverschwärungen bei schwer kachek¬
tischen Individuen in den letzten Lebenstagen — ohne Bindehaut-
xerose — lediglich durch Ernährungsstörungen in der gefäßlosen
Kornea in Verbindung mit Eintrocknungsvorgängen im Epithel infolge
Darniederliegens der Bindehautsekretion, der Frequenz und Intensität
des Lidschlages bedingt seien, daß die eventuell im nekrotischen Horn¬
hautgewebe befindlichen Mikroorganismen erst nachträglich einge¬
wandert seien, aber natürlich sekundär zur eiterigen Keratitis führen
können.
Einen weiteren Fall beschreibt Purtscher 6 ):
Patientin, 50 Jahre alt, war wegen Nachtblindheit, Brennen in den
Augen und Tränenfluß ins Spital gekommen. Seit zwei Jahren litt sie an
Gelbsucht, seit einem Jahre war die Sehstörung aufgetreten.
Infolge der klinischen Erscheinungen wurde Cirrhosis hepatis hyper-
trophica e cholelithiasi angenommen.
Der Augenbefund ergab, abgesehen vom Skleralikterus, eine im
ganzen Lidspaltenbezirke deutlich entwickelte Xerose der Bindehaut
des Augapfels. Nach unten zeigte sich letztere außerdem trüb gerötet, und
verdickt. Der Limbus war besonders beteiligt. Im unteren Übergangsteile
rahmiges Sekret; die Hornhaut ziemlich rein; Pupillen normal; Gesichts¬
feld beiderseits eingeengt. Farbensinn: Gelb und weiß, grün nnd blau
werden verwechselt. Der Augenspiegelbefund ergab eine stärkere Trübung
des Augenhintergrundes.
Zeitschr. f. Heilk. 1908. Abt. f. path. Anat. n. verw. Disziplinen. 25
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Dr. Franz Vollbracht.
Im weiteren Verlaufe kam es zu einer heftigen Iritis mit Bildung
zahlreicher Synechien. Die Xerose der Bindehaut hatte inzwischen zu¬
genommen. Die Bindehaut war in der Gegend des Limbus derart ver¬
dickt, daß sie sich beim Lidschlag in Form einer vertrockneten Falte über
den Hornhautrand schob. Auch die Hornhaut hatte im unteren Drittel
stark gelitten und war oberflächlich vertrocknet. Nach Rückbildung der
Xerose und Iritis ergab die wieder mögliche ophthalmoskopische Unter¬
suchung eine Zunahme der Täfelung (kleine und größere, vielfach kon-
fluierende Flecken). Die weißliche Fleckung machte später in den be¬
fallenen Partien einer Pigmentanhäufung Platz.
Unter klonischen Krämpfen erfolgte schließlich Eiitus.
Die Obduktion (Prof. Chiart ) ergab: Cholecystitis und Chol¬
angitis suppurativa subsequentibus abscessibus hepatis.
Die anatomische Untersuchung der Bulbi ergab im wesent¬
lichen Vertrocknung des Epithels der Augapfelbindehaut und eines
Teiles des Hornhautepithels; mäßiges Ödem der Augapfelbindehaut
mit stellenweise mächtiger Zunahme der Rundzellen, besonders längs der
Gefäße. Reste entzündlicher Prozesse in der Iris. Ödem des Ziliarkörpers.
Mächtige Hyperämie der hinteren Aderhautabschnitte mit Anhäufung
massenhafter polynuklearer Leukocyten in den kleineren Venen und Kapil¬
laren. In den Arterien vielfach Detritusmassen.
Alles in allem ein Fall von Ikterus mit Bindehaut- und Horn-
hautxerose, Hemeralopie und weißen Flecken am Augenhintergrunde,
in dessen Verlaufe es zu einer Iritis mit Bildung von Synechien kam.
Purtscher hält die Iritis fltr primär, da die Hornhautveränderungen
nicht so beträchtlich waren, daß sie eine Iritis veranlaßt haben könnten.
Als Erklärung, wieso es bei gewissen Lebererkrankungen zu
schweren Läsionen am Auge kommen kann, sind nach Purtscher drei
Möglichkeiten denkbar: Die allgemeine Ernährungsstörung,
bedingt durch die aufgehobene Beteiligung der Galle am
Verdauungsgeschäfte; dann die Beimischung der Gallenbe¬
standteile zum Blute; endlich bakterielle Einflüsse.
Für letztere Annahme findet Purtscher in seinem Falle keine
Anhaltspunkte; dagegen nimmt er an, daß das durch Gallenbestand¬
teile chemisch veränderte Blut reizend und entzündungserregend auf
die von ihm ernährten Gewebe einwirken und in erster Linie die
Gefäß Wandungen, sekundär dann auch die zugehörigen Gewebsbezirke
schädigen könne.
Purtscher weist speziell auf den von Baas beschriebenen Fall
hin, der gleich dem von ihm mitgeteilten die schwersten pathologischen
Veränderungen in der Aderhaut auffinden ließ. Da nun solche Ver¬
änderungen in den Fällen von Hort und von Elschnigg nahezu ganz
fehlten, sagt Purtscher: »Es ist keineswegs erwiesen, daß in allen
Fällen eine allgemeinere hepatitische Gefäßerkrankung in ausgedehnter
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
365
Form eine notwendige Vorbedingung der gedachten Aderhaut- und
Netzhautprozesse sein mflsse, womit keineswegs gesagt sein soll, daß
nicht feinste, mikroskopisch nicht nachweisbare Veränderungen die Ge¬
fäße weniger resistent machen könnten. Sollten sich aber die Gefä߬
wandungen als resistent erweisen und selbst keinerlei Veränderungen
erleiden, so muß dennoch die Möglichkeit zugegeben werden, daß die
gallenhaltigen Ernährungsflüssigkeiten ohne vorhergegangene Gefä߬
erkrankung die Gewebe bei längerer Einwirkung direkt schädigen
könnten.«
Daß »Toxine« die Ursache der Erkrankung der Augen bei Leber¬
affektionen wären, ist nach Purtscher nicht gut anzunehmen, denn in
diesen Fällen sind immer ßetinalblutungen beobachtet worden, und
in den vorliegenden, genau beschriebenen Fällen mangelt dieser Be¬
fund gänzlich.
♦ *
*
Auch bei experimentell erzeugtem Ikterus wurden Augenver¬
änderungen beobachtet.
Dolganoff (1. c.) untersuchte die Augen von vier Hunden, die
nach Unterbindung des Gallenausführungsganges zugrunde gegangen
waren, und kommt auf Grund des histologischen Befundes zu folgenden
Schlüssen:
1. Nach Ligatur des allgemeinen Gallenausführungsganges unter¬
liegen die Augenhäute sehr eingreifenden Veränderungen entzündlichen
und degenerativen Charakters.
2. Diese Veränderungen lokalisieren sich im Stroma des Binde¬
gewebes, im Gefäßsystem und in den Nervenelementen.
3. Die Veränderungen im Bindegewebe bestehen in Kern Wucherung.
4. Eine Alteration des Gefäßsystems zeigt sich durch die er¬
höhte Blutfüllung der Gefäße, Aufschwellung des Endothels, Peri¬
vaskulitis, Erweiterung der um die Gefäße liegenden Räume, Blutergüsse
und Exsudate.
5. Die Affektion des Nervensystems äußert sich in verschiedenen
Graden der Degeneration des Protoplasmas, der gangliösen Zellen, in
Kernveränderungen und in Erweiterung der perizellulären Räume.
Der mündlichen Mitteilung des Herrn Professors Dr. Biedl ver¬
danke ich die Kenntnis der Tatsache, daß nach seinen Beobachtungen
bei Hunden, die an schwerem, experimentell erzeugten Ikterus litten
und infolgedessen kachektisch waren, manchmal Hornhauttrübungen
beobachtet wurden. In einem Falle stellte der beigezogene Ophthalmologe
die Diagnose auf Keratitis parenchymatosa. Diese entzündlichen Ver¬
änderungen gingen regelmäßig nach einiger Zeit zurück.
25*
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366
Dr. Franz Vollbracht.
Im folgenden sei nun der von uns beobachtete Fall mitgeteilt:
W. K., 23 Jahre alt, Knecht, aufgenommen 9. Dezember 1901.
Anamnese: Eltern des Patienten leben und sind gesund; ebenso
vier Geschwister. Ein Bruder, 21 Jahre alt, ist in seinem fünften Lebens¬
jahre aus unbekannter Ursache erblindet.
Im zweiten Lebensjahre soll Patient am Halse mehrere Geschwülste
gehabt haben, die nach kurzer Zeit schwanden. Von da ab will Patient
bis zum Herbst 1900 stets gesund gewesen sein.
Das erste Symptom, welches ihn veranlaßte, einen Arzt aufzusuchen,
war der Umstand, daß er bei Einbruch der Dämmerung den Brunnen im
Hofe nicht finden konnte; tagsüber hatte er keine Sehstörung beobachtet.
Der konsultierte Arzt konstatierte »Gelbsucht«. Patient, der sehr indolent
ist, scheint hiervon nichts gewußt zu haben, so daß sich der eigentliche
Beginn der Erkrankung nicht fixieren läßt. Der Kranke, der sonst Bier¬
trinker war, gibt an, seit dem Eintritt des Nachtnebels aus Widerwillen
kein Bier mehr getrunken zu haben; ebenso widerstand ihm zu dieser
Zeit die Fleischkost, weshalb er fast ausschließlich von Michspeisen lebte.
Sonstige Beschwerden von seiten des Digestionstraktes sollen nicht be¬
standen haben.
Da sich der Zustand nicht änderte und auch Hautjucken auftrat,
suchte er anfangs April 1901 die Klinik Nothnagel auf, woselbst er mit
der Diagnose »hypertrophische Lebercirrhose« bis Ende August 1901 ver¬
blieb und von wo er gebessert entlassen wurde. Hemeralopie bestand zu
dieser Zeit nicht mehr.
Etwa acht Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhause,
also zirka Ende August 1901, trat wieder Naehtnebel auf und der Ikterus
nahm zu. Gleichzeitig gibt Patient an, daß die Augen zu dieser Zeit
tränten, die Lider oft durch zähes, fadenförmiges Sekret verklebt waren
und er öfters Brennen in den Augen verspürte. Dieser Zustand blieb so
bis Ende Oktober. Am 1. November 1901 erkältete sich Patient und un¬
mittelbar darnach stellten sich stechende Schmerzen ein, welche vom
äußeren Augenwinkel beiderseits über das obere Augenlid hinzogen und
auch in die Stirne ausstrahlten. Patient war arbeitsunfähig, tat aber für
seinen Zustand gar nichts; die Schmerzen in den Augen waren den Monat
November hindurch bald stärker, bald schwächer. Anfangs Dezember stei¬
gerten sie sich derart, daß er Spitalshilfe aufsuchte. Am 9. Dezember 1901
wurde er in der IV. medizinischen Abteilung des K. k. Wiener Allgemeinen
Krankenhauses aufgenommen.
Für Lues keine Anhaltspunkte.
Status praesens (11.Dezember 1901): Mittelgroßer, kräftig ge¬
bauter, etwas abgemagerter Patient. Hautfarbe intensiv ikterisch, ebenso
die sichtbaren Schleimhäute.
Augenbefund: Die Lidspalten etwas enger, es besteht mäßige
Lichtscheu. Die Zilien sind durch Sekret verklebt.
Rechtes Auge: Die Conjunctiva palpebrarum gelblich braunrot,
leicht verdickt; ganz geringe Schleimsekretion. Die Conjunctiva bulbi
leicht injiziert, graugelblich, ziemlich trocken, glänzend. Im inneren
unteren Quadranten der Hornhaut ein kleines, punktförmiges, an der Ober-
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
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fläche zerfallenes Infiltrat. Die übrige Hornhaut klar. Kein Hypopyon.
Iris normal. Pupille mittelweit, träge reagierend. Tiefere Teile äugen*
blicklich wegen der Lichtscheu nicht zu untersuchen.
Linkes Auge: Völlig analoger Befund; auch hier im inneren
unteren Quadranten ein gleichbeschaffenes Infiltrat.
Die Zunge trocken und rissig. Das Zahnfleisch etwas geschwollen
und leichter blutend.
Ein Exanthem besteht, abgesehen von einigen Akneknötchen und
namentlich Pigmentierungen nach abgelaufener Akne, nicht; Ödem um die
Malleolen angedeutet; geringes Ödem auch in der Sakralgegend.
Sensorium frei; ziemliche Prostration.
Hals normal; an den Halsgefäßen nichts Abnormes.
Thorax vorne: Die rechte Brusthälfte etwas weniger gewölbt als die
linke. Bei der Atmung ist kein Zurückbleiben einer Hälfte sichtbar.
Lungenbefund normal; kein Sputum. Die Stimme heiser und
klanglos.
Der Herzspitzenstoß liegt im vierten Interkostalraume, in der kon¬
struierten Mammillarlinie, ist l‘/ 2 Querfioger breit, umschrieben, nicht ver¬
stärkt. Grenzen: Eine relative Dämpfung beginnt am oberen Rand der
vierten Rippe, nach links reicht dieselbe bis zur Mammillarlinie, naeh
rechts bis zum linken Sternalrand. Das untere Sternum ist etwas stärker
gedämpft als normal.
Auskultation: Über der Pulmonalis ist ein dem systolischen Ton
an hängendes, ganz kurzes Geräusch zu hören; sonstiger Befund normal.
Arterien weich; Spannung des Radialpulses herabgesetzt, Welle nor¬
mal hoch, Rhythmus normal, Frequenz 96.
Das Abdomen ist im ganzen stärker ausgedehnt; besonders sieht
die Oberbauchgegend etwas voller aus. Die Palpation ergibt als Ursache
der Völle der Oberbauchgegend eine Vergrößerung der Leber und Milz.
Die Leber reicht mit ihrem unteren Rande in der Mittellinie bis
etwa drei Querfinger breit ober die Nabelhorizontale. In der verlängerten
rechten Mammillarlinie reicht der untere Leberrand 3‘/ 2 Querfinger über
den Rippenbogen und fühlt sich hier ziemlich scharf an. Die Leber¬
dämpfung beginnt in der rechten Parasternallinie oben am unteren Rand
der fünften Rippe, stimmt in ihrer unteren Begrenzung mit dem getasteten
Rand gut überein, nach links ist sie gegen die Milzdämpfung nicht ab-
gienzbar. Die Konsistenz der Leber ist gleichmäßig derb, die Oberfläche
läßt keine Unebenheiten tasten. Druckempfindlichkeit besteht nicht.
Die Milz reicht nach abwärts bis fingerbreit unter die Nabelhori¬
zontale; ihre Oberfläche ist gleichfalls glatt. Am vorderen Rande fühlt
man eine Krena. Konsistenz sehr derb. Das Organ ist nicht druck¬
empfindlich. Die Milzdämpfung beginnt in der mittleren Axillarlinie am
oberen Rand der siebenten Rippe, reicht nach unten bis zum unteren
Rand der elften, nach hinten fließt sie mit der Lumbardämpfung zu¬
sammen. Vorne unten fällt die getastete Grenze und die Dämpfungsgrenze
zusammen.
Ascites läßt sich nicht nachweisen. Der perkussorische Befund des
übrigen Abdomens ergibt normale Verhältnisse.
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Dr. Franz Vollbracht.
Patient hat normalen Appetit und soll keinerlei Magenbeschwerden
haben. Der Stuhl im allgemeinen regelmäßig; in den letzten Tagen
spontan diarrhöisch. Stuhl dickbreiig — etwas pigmentarm.
Die unteren Enden der Vorderarmknochen weder aufgetrieben noch
druckempfindlich; auch fehlt spontaner Schmerz daselbst. Die Handwurzel-
und Mittelhandknochen zeigen keine nachweisbaren Veränderungen. Es
besteht an den Fingern typische Trommelschlegelbildung. Die unteren
Enden der Unterschenkelknochen zeigen gleichfalls nichts Abnormes —
auch keinerlei Schmerz. An. den Zehen, namentlich an der großen, ist
die Endphalanx kolbig aufgetrieben, der Nagel verbreitert und stärker
gewölbt.
Harn: Bierbraun, spezifisches Gewicht l*01o, Reaktion sauer.
Spuren von Nukleo- und Seroalbumen. Kein Blut. Huppertache, Omelin-
sche, Eosenbachsche Gallenfarbstoffprobe positiv. Azeton, Azetessigsäure,
Zucker negativ. Indikan etwas vermehrt.
Decursus morbi: 15. Dezember. Rechtes Auge: Die Ipjektion
der Bindehaut etwas stärker, das Geschwür im inneren unteren Quadranten
der Hornhaut zeigt deutlich die Zusammensetzung aus zwei kleineren, die
heute etwas tiefer sind. Der Grund ist belegt, die Ränder rein. Starke
Lichtscheu.
Patient gibt auch stärkere Schmerzen an.
Linkes Auge: Das Geschwür im inneren unteren Quadranten ist
hier ein größeres, einheitliches; dasselbe ist gegen den Hornhautscheitel
zu ganz flach, gegen den Limbus zu, den es nicht mehr ganz erreicht,
mehr vertieft. Auch hier stärkere Injektion des Bulbus.
19. Dezember. Die mäßige Schwellung und Rötung der Conjunetiva
palpebrarum unverändert. Die Injektion des Bulbus ist innen unten, in
der Gegend des Geschwüres, stärker, sonst gleichfalls nur mäßig. Von
den Geschwüren im inneren unteren Quadranten des rechten Auges ist
das untere, dem Limbus nähere etwas tiefer, und zwar der dem Limbus
zugekehrte Rand steiler als der zentrale. Durch die infiltrierte Stelle
der Hornhaut hindurch ist an der Hinterwand derselben ein dickgelber
Belag zu sehen. Kein Hypopyon. Die übrige Hornhaut bis auf die nächste
Nachbarschaft der infiltrierten Partie glatt und glänzend. Die Iris, etwas
grünlich verfärbt, hat sich auf wiederholte Atropineinträufelungen un¬
gleichmäßig zurückgezogen, und zwar nach beiden Seiten mehr als nach
oben und unten, so daß der quere Durchmesser der Pupille 4, der verti¬
kale 3 mm beträgt. Tiefere Teile werden der Reizerscheinungen wegen
nicht untersucht.
Linkes Auge: Auch hier scheint das Infiltrat aus der Tiefe eiterig¬
gelb durch. Die Pupille auch hier auf Atropineinträufelungen ungleich¬
mäßig rundlich, etwa 4 mm im Durchmesser.
Therapie: Atropineinträufelungen, Xeroformeinstäubung, Verband.
26. Dezember. Stellung der Augen normal. Kein Exophthalmus. Die
Beweglichkeit normal. Bindehaut mäßig injiziert; Skleralbindehaut stark
ikterisch.
Rechtes Auge: Im inneren unteren Quadranten der Hornhaut ein
sektorenformiger Substanzverlust mit scharfen und nicht sehr steilen Rän¬
dern. Im ganzen ist der Substanzverlust sehr seicht; in der gegen das
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
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Zentrum gerichteten Partie steht eine bläschenförmige Vorwölbung und
ihr entsprechend ist die Trübung stärker gelblichgrau; während sonst —
in den gegen den Limbus gelegenen Partien — der Grund des Substanz¬
verlustes vollkommen klar ist und bloß der Band als feiner grauer
Streifen hervortritt. Die vordere Kammer im allgemeinen von normaler
Tiefe, doch sieht man die Iris deutlich gegen die früher erwähnte
bläschenartige Vorwölbung hinziehen. Vom Limbus her zieht sich gegen
den Irisvorfall eine rötliche, offenbar aus tiefliegenden Gefäßen bestehende
Masse (parenchymatöse Hornhautgefäße). Der Best der Hornhaut nur leicht
schleierartig getrübt, zeigt sonst keine Veränderung. Iris im übrigen
normal.
Linkes Auge: Lage des Substanz Verlustes symmetrisch zu dem des
rechten Auges, nur hat er eine mehr querovale Form. Die Bänder sind
etwas mehr abgerundet als am anderen Auge, besonders der gegen den
Limbus gekehrte Band. Der Grund des Substanzverlustes ist mit einer
gelblichgrauen, mäßig prominenten Masse bedeckt, die oben und an den
Seiten bis an den Band des Substanzverlustes reicht, unten aber dem
Limbus entlang durch eine tiefe Furche vom Bande des Substanzverlustes
getrennt ist. Im übrigen ist die Trübung der Hornhaut geringer. Vordere
Kammer im allgemeinen normal tief. Dem Substanzverluste entsprechend
zieht die Iris zur Hornhaut hin. Pupille sehr eng, unregelmäßig, bloß
nach oben auf Atropin erweitert. Irisgewebe normal. Keine Xerose der
Bindehaut.
6. Jänner 1902. Patient ist andauernd apathisch. Von subjektiven
Beschwerden gibt er nur Schmerzen in den Augen und im Zahnfleische
an; dasselbe zeigt nur leichte Bötung und Schwellung, keine Ulzeration;
blutet aber leicht. Der Ikterus ist konstant. Es besteht leichtes Haut¬
jucken. Lungen- und Herzbefund unverändert. Leber- und Milzbefund un¬
verändert. Die Stühle sind andauernd farbstoffarm. Nahrungsaufnahme
genügend; keinerlei Magenbeschwerden.
9. Jänner. Beide Bulbi sind fast reizlos. Die Betastung des linken
nur mehr wenig schmerzhaft, daselbst auch die Spannung etwas besser.
Sonstiger Befund unverändert.
Bechtes Auge: V = 2 /, 0 ?; linkes Auge: V = */io (+1‘0).
Jäger Nr. 13 in 20cm.
Blutbefund vom 14. Jänner: Erythrocyten 3,075.000, Leuko-
cyten 9000.
Im gefärbten Präparate nichts Auffälliges. Das native Blutpräparat
zeigt starke Viskosität der roten Blutkörperchen, sonst nichts Ab¬
normes.
19. Jänner. Beide Bulbi anhaltend reizlos. Die Substanzverluste
vernarbt. Beiderseits zieht die Iris zur Narbe hin, sonst ist sie normal.
Bechts die Pupille 6 mm breit, zeigt nur innen eine zarte hintere Synechie.
Links ist die Pupille schlitzförmig, vertikal gestellt, oben etwas ab¬
gerundet, zirka 2mm weit; gegen das Leukom konvergieren die Schenkel;
am äußeren Pupillenrande eine breitere und eine schmälere Synechie.
22. Jänner. Subjektives Wohlbefinden. Keine Beschwerden von seiten
der Augen. Apathie seit einigen Tagen geringer.
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Or. Franz Vollbracht.
31. Jänner. Rechtes Auge: Bei durch Atropin nach außen und
oben erweiterter Pupille läßt sich, so weit der Fundus au überblicken ist,
nichts Abnormes nachweisen.
Linkes Auge: Kein rotes Licht zu erhalten, da sich die sehr
enge Pupille auch auf Atropin nicht erweitert.
4. Februar. Blutbefund: Im Nativpräparat findet sich nur geringe
Geldrollenbildung. Auffällig ist, daß die Erythrocyten aneinander¬
geklebt in Haufen zusammenliegen. Bei Druck auf das Deck¬
glas sieht man nur ziemlich träge Bewegung der Blutkörper¬
chen, welche bald sistiert Auch in Bewegung kleben die
Erythrocyten aneinander und nehmen, indem sie sich wieder
voneinander trennen, alle möglichen Formen an. um endlich in
Ruhe wieder in normaler Form zu erscheinen. Form- und
Größenunterschiede der roten Blutkörperchen gering. Die Leukocyten sind
anscheinend nicht vermehrt; dagegen scheint das Fibrinnetz etwas stärker
ausgebildet zu sein.
Erythrocyten . .
. . 3,240.000
Leukocyten . . .
. . 8.600
Fidschi . . . .
• • 40%
Färbeindex . . .
. . . 0-62.
Im gefärbten Präparate (Eosin-Hämatoxylin):
Polynukleare und polymorphkernige Zellen .
72%
Lymphocyten.
11*4%
Große Mononukleare . .
.
13-1%
Übergangsformen . . .
2* l°/ 0
Eosinophile Zellen . . .
.
1*4%
15. Februar. Linkes Auge: Chronischer Bindehautkatarrh, Ver¬
dickung und geringe Rötung der Bindehaut. Sklera stark ikterisch ver¬
färbt. Im inneren unteren Quadranten der Kornea eine ovale, halblinsen¬
große, flache, grauweiße Narbe mit mäßig scharfer Begrenzung und
zartester Vaskularisation. Dieselbe erreicht den Hornhautrand nicht, ebenso¬
wenig den Hornhautscheitel. Die übrige Kornea klar. Zu der erwähnten
Narbe zieht der innere untere Anteil der Iris und ist daselbst in großer
Ausdehnung eingeheilt. Außerdem ist aber auch der medial von der Narbe
sichtbare Teil der Iris flächenhaft an die hintere Hornhautwand angeheftet
und hochgradig atrophisch.
Die Pupille, stecknadelkopfgroß, vertikal gestellt, ist nach oben abge¬
rundet, von da nach innen unten zieht sie als eine schmälste, durch Exsudat¬
massen verschlossene Spalte gegen die Hornhautnarbe hin.
Fundus durch die enge Pupille nicht sichtbar. Spannung normal.
Rechtes Auge: Bindehaut wie links. In der Kornea eine etwa
dreieckige, dichte, weiße Narbe, deren längere Seite fast vertikal vom
Hornhautscheitel nach abwärts verläuft, wobei die beiden kürzeren nach
innen unter einem rechten Winkel zusammenstoßen. Der obere Schenkel
zieht fast horizontal, der mediale infolgedessen schief von unten nach
innen oben. Die untere Spitze des Dreieckes erreicht den Hornhautrand
nicht. Die übrige Kornea klar. In die Hornhautnarbe ist die Iris mit
ihrem unteren Pupillenrande eingeheilt, hierdurch schiefgestellt und leicht
birnformig verzogen. Auf der vorderen Linsenkapsel eine zarte, netzförmige
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
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Exsudatmembran mit Pigmentbesatz, von welcher ein grauer und ein brauner
Faden an den eingewachsenen Teil des Pupillenrandes zieht. Die Pupille
ist gut beweglich.
Fundus normal. Spannung normal.
8. März. Andauerndes Wohlbefinden. Interner Befund unverändert.
Patient wird behufs Operation des Leucoma adhaerens auf die
Augenklinik (Hofrat Schnöbet) transferiert.
Am 12. April bildete sich ein Furunkel an der linken Wangen¬
seite, dessen Umgebung am 13. März erysipelatös infiltriert war, wes¬
wegen Patient auf die Infektionsabteilung des k. k. Elisabethspitales trans¬
feriert wurde.
Während des dortigen Aufenthaltes kam es zweimal zu Entfieberung
mit folgenden neuerlichen Nachschüben des Erysipels. Unter peritonitischen
Symptomen erfolgte am 15. April Exitus.
Klinische Diagnose: Girrhosis hepatis hypertrophica. Tu¬
mor lienis permagnus. Icterus gravis. Ophthalmia hepatica.
Pathologisch-anatomischer Befund (Dozent Dr. Schlagen-
haufer ) vom 15. April 1902:
Große männliche Leiche, hochgradig ikterisch. In der Gegend der
linken Parotis ein bis auf das Unterhautzellgewebe reichender, mit eiterigen
Rändern versehener Substanzverlust. Die Haut des ganzen Gesichtes ist
von Schuppen bedeckt. Das linke Ohr ödematös geschwollen. Die Skleren
ikterisch verfärbt. Die Pupille des linken Auges stecknadelkopfweit. Die
rechte Pupille normal groß. An beiden Hornhäuten nahezu symmetrische,
im unteren Quadranten sitzende Narben. Die Bindehaut gerötet und mit
schaumigem Eiter bedeckt.
Der Hals lang, schmal.
Die Endglieder der Finger etwas kolbig.
Die Hirnhäute normal. Die Seitenventrikel stark erweitert. Das
Ependym verdickt.
Die Schleimhaut des Pharynx, der Epiglottis und des Kehlkopfes
ist von fibrinös-eiterigen Membranen bedeckt, die stellenweise diphtheri-
tischen Charakter annehmen.
In beiden Pleurahöhlen fibrinös-eiteriges Exsudat. Die Pleura beider
Lungen getrübt und rauh sich anfühlend.
Lungen frei und lufthältig.
Im Herzbeutel geringe Mengen serös-eiterigen Exsudates.
Herz normal groß; seine Muskulatur matsch, zerreißlich, Klappen
zart und schlußfahig.
In der Bauchhöhle sind ziemlich reichliche Mengen trüber, fibrinös¬
eiteriger Flüssigkeit.
Die Leber ist mächtig vergrößert; ihre Oberfläche von fibrinös¬
eiterigen Membranen bedeckt. Die Konsistenz ist derb. Auf der Schnitt¬
fläche sieht man deutlich die azinöse Struktur des Organes. Die Azini
scheinen vergrößert. Die Leberzellen sind stark grün pigmentiert. Ge¬
wicht 3% 27 dkg.
Hochgradig vergrößert ist auch die Milz; sie reicht nahezu an die
Medianlinie heran und erreicht nach unten die linke Darmbeinschaufel;
sie ist 35 cm lang, 17 cm breit und etwa 10 cm dick. Die Kapsel ist
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Dr. Franz Vollbracht.
dick und getrübt. Am Durchschnitt sind die peripheren Partien dunkel¬
schwarzrot, derb. Die zentrale Partie, namentlich gegen den Hilus zu,
ungemein weich, über die Schnittfläche quellend. Gewicht 3 kg 37 dkg.
Die periportalen Lymphdrüsen sind walnußgroß, weich und blutreich.
Beide Nieren stark ikteriseh, sonst normal; ebenso Pankreas und
Nebennieren.
Die Schleimhaut des Magens verdickt, von Schleim bedeckt. Das
Duodenum durchaus dunkel pigmentiert; seine Schleimhaut gerötet, ge¬
wuchert und schleimbedeckt. In den oberen Dünndarmschlingen reichliche
Mengen flüssigen Inhaltes. Die Lymphfollikel stark vergrößert. Gegen das
Kökum hin wird der Inhalt spärlicher. Die Schleimhaut daselbst normal.
Das Knochenmark des Oberschenkels ist durchaus rot.
Am Periost der Tibia nichts Abnormes; der Knochen normal.
Im fibrinös-eiterigen Exsudat des Pharynx, der Trachea und im
peritonealen Exsudate ein langer, Ketten bildender Streptokokkus mit
deutlicher Kapselbildung.
Anatomische Diagnose: Diffuse, eiterige Peritonitis, bei¬
derseits eiterige Pleuritis, Perikarditis, Laryngitis und Pharyn¬
gitis nach Erysipel des Gesichtes. Hypertrophische Leber-
cirrhose. Mächtige Hypertrophie der Milz. Akute Schwellung
der periportalen Lymphdrüsen. Ikterus gravis. Chronischer
Magen-Duodenal-Dünndarmkatarrh. Chronischer Hydrocepha-
lus internus.
Die histologische Untersuchung der Leber ergab, daß es
sich im vorliegenden Falle um eine hypertrophische Cirrhose mit
Ikterus von fiamrfschem Typus handelte.
Mikroskopische Untersuchung der beiden Bulbi*):
Dieselben wurden in Zelloidin geschnitten, und zwar die vorderen
Abschnitte in schiefen Meridianen, um die Narbe in größter Ausdehnung
zu treffen, die hinteren in horizontaler Richtung.
An den so angelegten Schnitten des rechten Auges sind zwei
Drittel der Kornea normal, ein seitliches Drittel ist von einer Narbe ein¬
genommen, welche gerade entsprechend dem Pupillarrande der Iris die
ganze Dicke der Hornhaut durchsetzt; daselbst fehlt auch die Descemet-
sche Membran. — Die Narbe besteht aus langen Spindelzellen und zahl¬
reichen Fasern, welche in ziemlich regelmäßig verlaufenden Bündeln an¬
geordnet sind und von der zugehörigen Seite des Limbus her mit Ge¬
fäßen versorgt werden, die in verschiedenen Schichten liegen. Das Epithel
ist um ein Geringes dicker als das der übrigen Kornea, die Verdickung
erfolgt insbesondere durch Vermehrung der oberflächlichen, schuppen¬
artigen Zellagen. Die Iris ist sehr pigmentreich, ihr Rand ist an einer
kurzen Strecke mit der Hornhautnarbe verwachsen, und zwar besteht eine
Irisanheilung, nicht Iris ein heilung. Denn die ganze pupillare Zone (vom
*) Herr Dozent Dr. Wintersteiner, dem ich auch für die Mitwirkung bei
der Aufnahme der ophthalmologischen Befunde zu großem Danke verpflichtet bin,
hatte die außerordentliche Güte, die histologische Untersuchung der Augen vor¬
zunehmen und mir den Befund zu überlassen, wofür ich ihm auch an dieser
Stelle ergebenst danke.
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
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Pigmentsporn angefangen bis zur Hälfte der Irisbreite) ist mittels einer
kapselstarähnlichen, homogenisierten Bindegewebsschwiele an die Hinter¬
fläche der Narbe beziehungsweise an die Descemet8che Membran an-
gewachsen, ohne in das Narbengewebe eingelagert zu sein. Hierbei
scheinen die ohnehin reichlichen Stromapigmentzellen noch eine Ver¬
mehrung erfahren zu haben. Das Irisstroma selbst ist von einer mäßigen
Menge von Leukocyten diffus durchsetzt. Vom Pupillarrande der Iris zieht
sich ein zartes, mit der Hornhautnarbe zusammenhängendes, strukturloses
Exsudathäutchen auf die Linsenkapsel und quer durch die ganze Pupille
hin. An der Linse sind keine krankhaften Veränderungen eingetreten,
Ziliarkörper und -fortsätze, Retina und Chorioidea (in den vorderen Ab¬
schnitten) normal
Am linken Auge besitzen die histologischen Veränderungen des
vorderen Abschnittes weitgehende Ähnlichkeiten mit den eben beschriebenen.
An Schnitten, welche die Hornhautnarbe in ihrer größten Ausdehnung
treffen, reieht dieselbe bis zum Scheitel der Kornea; sie ist von einem
nur wenig verdickten Epithel überkleidet, welches gegen den Limbus zu
dickere Lagen von Plattenzellen besitzt; die obersten Zellen sind hie und
da bläschenartig abgehoben, Xerosis des Epithels ist aber nirgends vor¬
handen. In kurzer Ausdehnung, der Lage nach der Sphinkterlinie der Iris
entsprechend, ist die Descemeti unterbrochen und daselbst ist eine Verlötung
zwischen Narbe und Vorderfläche der Iris eingetreten, ganz in der gleichen
Form wie am anderen Auge, auch was die Vermehrung der Stroma¬
pigmentzellen und das Exsudathäutchen in der Pupille betrifft. Die Linsen¬
kapsel ist intakt, das Linsenepithel jedoch im Bereiche der Pupille an
mehreren Stellen unterbrochen und die vordersten Lamellen des Linsen¬
körpers von der Kapsel beziehungsweise ihrem Epithel durch eine homogen
geronnene, mit Eosin gefärbte Schicht abgehoben; eine gleiche Schicht
findet sich unter der hinteren Kapsel. An der Descemeti liegen zahlreiche
Pigmentpräzipitate, besonders im Pupillarbereiche. Sonst ist an Iris. Ziliar¬
körper, Netz- und Aderhaut keine Veränderung zu finden.
Auffallend ist der Inhalt der Gefäße; sie sind strecken¬
weise vollständig vollgepfropft vou unzähligen feinen Fäden,
welche bei starker Vergrößerung sich als massenhafte (postmortal ge¬
wucherte) Streptokokken erweisen. Eine entzündliche Reaktion in
der Umgebung solcher Bakterienpfropfen fehlt.
Die Bindehaut beider Augen normal.
Die Bindehautgefäße sind ganz zartwandig, überhaupt frei von
jeglicher Veränderung.
Die Sklera des hinteren Boibusabschnittes beiderseits normal. Die
Chorioidea zeigt ähnliche Bakterienthromben, wie sie in den
Gefäßen des vorderen Abschnittes gefunden wurden; ihre
Wandungeu sind durchwegs zart; es ist weder endarteriitische noch
endophlebitische Wucherung nachweisbar.
Die Papille an beideu Augen ödematös geschwollen; im Bereiche
der Lamina cribrosa und hinter derselben kleinzellige Infiltration in Form
von langen Zügen in den Pialsepten. Im Intervaginalraume mäßige Wuche¬
rung der Endothelien der Arachnoidealscheide.
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374
Dr. Franz Vollbracht.
Bevor ich auf den eigentlichen Zweck dieser Mitteilung, auf die
Koinzidenz respektive auf den eventuellen Zusammenhang der Augen-
und Lebererkrankung eingehe, möchte ich noch einige andere, wie
mir scheint, bemerkenswerte Punkte kurz berühren.
An den Endphalangen der Finger und der Zehen zeigte unser
Patient typische Trommelschlegelbildung. Daß dieses Phänomen
außer bei angeborenen Herzklappenfehlern, langdauemden Eiterungs¬
prozessen (Tbc. pulmonum mit Kavernenbildung, Empyemen, Cysto-
pyelonephritis, Dysenterie etc.), bei malignen Tumoren, nach Infektions¬
krankheiten, bei Syringomyelie und Neuritis (?) auch bei schwerem
Ikterus vorkommt, ist bekannt. 7 ) Obermayer 8 ) fand in fünf Fällen mit
chronischem Ikterus Knochenveränderungen: Trommelschlegelfinger
und Zehen, schmerzhafte periostitische Auftreibung an den Epiphysen
der Unterarm- und Unterschenkelknochen. Obermayer vermutet, daß die
hyperplastische Ostitis auf Grund des chronischen Ikterus, das ist der
chronischen Autointoxikation zustande käme.
In unserem Falle waren Unterarm- und Unterschenkelknochen
weder aufgetrieben noch druckempfindlich, auch fehlte der spontane
Schmerz daselbst. Die anatomische Untersuchung der Unterschenkel¬
knochen ergab normale Verhältnisse; jene der Endphalangen mußte
leider aus äußeren Gründen unterbleiben.
Interessant war das Verhalten des Blutes. Außer einem leicht
anämischen Befund fand sich ausgesprochene Viskosität.
Nachdem sich dieses so augenfällige Symptom nur ganz ver¬
einzelt in der Literatur verzeichnet findet, scheint es am Platze zu
sein, die wenigen Angaben darüber kurz zu rekapitulieren.
Über Viskosität des Blutes bei verschiedenen Formen der Leber-
cirrhose berichtet Hayem 9 ); er vermutet, daß die Erscheinung auf ab¬
normaler Konstitution des Plasma beruhe und meint, daß die Leber¬
krankheiten einen Einfluß auf die chemische Zusammensetzung des
Blutes hätten.
Ltmbeck 10 ) deutet die Erscheinung an und für sich als De¬
generationszeichen im Sinne Maragliano-Castellinos, konnte sich aber
bei seinen eigenen Untersuchungen niemals von dem Vorkommen des
Phänomens der Viskosität bei Lebercirrhose überzeugen.
A. Klein n ) fand bei einer hypertrophischen Lebercirrhose im
nativen Blutpräparate »auffallende Kohärenz der Erythrocyten aneinander;
sie ließen sich nicht isolieren, bildeten Haufen, Agglomerate, in denen
die einzelnen Zellgrenzen nicht mehr erkennbar waren*. Klein meint,
daß es sich um Autoagglutination handle.
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
375
Reitmann ,2 ) beschreibt das Vorkommen der Viskosität bei einer
hypertrophischen, biliären Lebercirrbose ohne weiteren Kommentar.
Eisenberg 13 ) sagt in seinen Untersuchungsresultaten über Iso¬
agglutination unter anderem: »Die Höhe der Agglutinationskraft variiert
von Fall zu Fall; die höchste von mir beobachtete zeigte ein Serum
(Fall von Cirrhosis hypertrophica Hanoi), das noch in 30facher Ver¬
dünnung agglutinierte.«
Wie die vorliegenden Beobachtungen zeigen, ist das Vorkommen
des Phänomens der Viskosität bei Lebercirrhose bekannt. Eine Er¬
klärung zu geben, wieso dieses Phänomen zustande kommt, scheint
mir derzeit nicht gut möglich; immerhin glaube ich, die Angaben von
Hirsch und Beck u ) für beachtenswert halten zu müssen, welche auf
Grund ihrer Untersuchungen über die Viskosität des menschlichen
Blutes in Punkt 2 zu dem Schlüsse kommen, daß »die Viskosität des
Gesamtblutes nicht allein durch die korpuskulären Elemente, sondern
auch durch die Viskosität des Serums beeinflußt werde«.
Der Sektionsbefund bestätigte die klinische Diagnose hyper¬
trophische Lebercirrhose. Der makroskopische, insbesondere aber der
mikroskopische pathologisch-anatomische Befund zeigte im Verein mit
den prägnanten klinischen Symptomen, daß es sich um die sogenannte
Hanois che Form der Lebercirrhose handle.
Übereinstimmend wird angegeben, daß ihr Vorkommen — min¬
destens außerhalb Frankreich — selten beobachtet wird (Orth, Kretz,
Quincke-Hoppe-Seyler, Senator). Klinisch stets differenziert ist dieselbe
von der ihr ähnlichen, aber in die biliäre Gruppe gehörige Form der
hypertrophischen Lebercirrhose durch das Fehlen der Stauungserschei¬
nungen im Pfortaderkreislaufe, besonders des Ascites. Die Milz ist ge¬
wöhnlich erheblich vergrößert (Megalosplenie), der Ikterus ist sehr
intensiv.
Ohne auf eine spezielle Erörterung der hypertrophischen Cirrhosen
(‘ingehen zu wollen, möchte ich nur erinnern, daß die meisten derselben
in die biliäre Gruppe gehören. Es gibt nun allerdings eine Form der
hypertrophischen, biliären Cirrhosen, die in ihrem Symptomenkomplexe
der Uanofschen Cirrhose ähnelt — doch möchte ich darauf hin-
weisen, daß in diesen Fällen der Ikterus weniger ausgesprochen ist,
die Lebervergrößerung keinen so bedeutenden Grad erreicht, auch
Ascites ist meist, wenn auch nur in geringem Grade, nachweisbar.
Histologisch ist die Bindegewebswucherung bei der biliären, hyper¬
trophischen Cirrhose nicht so elefantiastisch wie bei der Hanot-
schen Form. Die Leberzellen zeigen dort nicht immer normale Struktur;
neben Veränderungen des Stauungsikterus trifft man des öfteren herd-
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376
Dr. Franz Vollbracht.
weise Nekrose (Kretz). Dann findet sich auch Atrophie von Acinis,
was bei der Cirrhose Hanot nicht vorkommt. Gleich ist das zahl¬
reiche Vorkommen neugebildeter Gallenkanälchen und das Hervortreten
der Bindegewebsbildung in der Umgebung mittlerer und kleiner
Gallengänge, die an Reichlichkeit das perivaskuläre Bindegewebe be¬
deutend Qbertreffen.
Wie aus der Anamnese zu ersehen ist, suchte unser Patient
das Spital, und zwar beide Male seiner Augensymptome wegen auf.
Das eine Mal bestand Nachtnebel, das andere Mal kam Patient mit einer
heftigen beiderseitigen Konjunktivitis und Hornhautgeschwüren zur Auf¬
nahme. Im weiteren Verlaufe entstand am rechten Auge ein zweites Infiltrat
und nach Konfluenz der beiden kam es im inneren unteren Quadranten
der Hornhaut zu einem sektorenförmigen Substanzverlust. Am linken
Auge breitete sich der Substanzverlust — bei symmetrischer Lage —
ebenfalls aus, nur hatte derselbe eine querovale Form. Dem Substanz¬
verluste entsprechend zog beiderseits die Iris zur Hornhaut hin. Nach
entsprechender Therapie waren beide Augen am 8. Jänner 1902 reizlos,
die Infiltrate mit Epithel überzogen. Die rechte Pupille war 6 m»»
breit und zeigte nur eine zarte Synechie; links war die Pupille eng,
schlitzförmig, vertikal gestellt; gegen das Leukom konvergierten die
Schenkel; am äußeren Homhautrande fand sich eine breitere und eine
schmälere Synechie.
Es handelte sich also um Hornhautgeschwüre nach
Konjunktivitis mit Ausgang in Vernarbung. Im Verlaufe des
Prozesses kam es zu Synechien.
Die histologische Untersuchung der Bulbi entsprach den
in vivo erhobenen Befunden. Die Augaptelbindebaut war normal; ins¬
besondere zeigten die Gefäße daselbst keinerlei pathologische Ver¬
änderungen. Weiterhin konnten die Hornhautnarben mit den Synechien
nachgewiesen werden. Übereinstimmend mit den klinischen Befunden
zeigten Linse und Glaskörper keine besonderen Veränderungen; das
gleiche gilt von der Retina beider Augen.
Besonders möge hervorgehoben werden, daß sich in den Gefäßen der
gesamten Chorioidea massenhafte Bakterienthromben (Streptokokken)
fanden. Die Gefäßwandungen waren aber dabei durchwegs zart — in
der Umgebung fehlte jede Reaktion vollständig. Man wird wohl als
Grund dieser Erscheinung eine postmortale Wucherung annehmen
können, und muß dieselbe mit der durch die terminale, septische Er¬
krankung bedingte Bakteriämie in Zusammenhang bringen.
Schließlich bedarf noch die entzündliche Veränderung des Seh¬
nerveneintrittes spezieller Erwähnung. Da unser Patient an ausge-
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breitetem Erysipel litt, so ist der Gedanke nicht von der Hand zu
weisen, daß diese Erkrankung die Ursache für die Neuritis optica
abgab. Nach Schmidt - Rimpier ,5 ) kommt Neuritis retrobulbaris
ohne Orbitalphlegmone und auch ohne komplizierende Meningitis
nach Erysipel vor. Die Neuritis retrobulbaris soll in diesen Fällen
durch Intoxikation infolge des Grundprozesses bedingt sein. Weiterhin
könnte auch der langdauernde Ikterus für die Neuritis optica Ver¬
anlassung abgegeben haben, doch erscheint uns der Zusammenhang
mit dem Erysipel wahrscheinlicher. Hierfür spricht auch der Umstand,
daß Patient vor der Erkrankung an Erysipel weder subjektiv noch
objektiv Symptome geboten hat, die auf eine Affektion des Sehnerven
zu beziehen gewesen wären.
Wie eingangs angeführt, finden sich in der Literatur, abgesehen
von der nicht seltenen Hemeralopie, relativ nur wenige Beobachtungen
von Lebererkrankungen, in deren Verlaufe es zu einer mehr oder weniger
schweren Augenaffektion kam. Ab und zu mag es ja Vorkommen, daß
Augenaffektionen, wie Dolganoff (1. c.) meint, bei den sehr hervor¬
tretenden Symptomen seitens anderer Organe unbemerkt vorübergehen.
Dennoch wird man nicht fehlgehen, wenn man Augenerkrankungen
ernster Art im Verlaufe von Leberkrankheiten als selten bezeichnet.
In den mitgeteilten Fällen von Leberaffektionen, in deren Verlaufe
es zu stürmischen Erscheinungen am Auge kam, war zumeist die
Bindehaut ergriffen unter dem Bilde der Xerose; bei höheren Graden
der Entwicklung war die Kornea und auch die Uvea befallen. Der
Hauptsitz der Erkrankung war dann in der Chorioidea gelegen.
Im Gegensätze zu den Befunden von Baas, Hori und Purtscher
ließen sich in unserem Falle keinerlei Gefäßveränderungen nachweisen,
und zwar weder an den Gefäßen der Konjunktivs noch an denen der
Uvea. Die Augenaffektion in diesem Falle beschränkte sich auf die
Konjunktiva und die Kornea. Darin lehnt sich unsere Beobachtung an
die von Elschnigg an, welcher bloß Bindehaut- und Hornhautveränderungen
gefunden hat. Die Gefäße zeigten nirgends Wandverdickung respektive
Einengung des Lumens. Im übrigen konnte bisher nur Baas ( 1 . c.)
endarteriitische und endophlebitische Veränderungen nachweisen, während
in den Fällen von Hori, Elschnigg, Purtscher schwere Gewebsalterationen,
aber keine erheblichen Gefäßveränderungen konstatiert worden sind.
Nach all dem fragt es sich nun: Ist diese Augenaffektion in
unserem Falle ein zufälliges, interkurrentes Ereignis oder ein
auf dem Boden der Grundkrankheit zustande gekommenes?
Wir möchten in Anlehnung an Elschnigg folgenden Zusammen¬
hang für wahrscheinlich halten: Daß Patient einen chronischen
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Dr. Franz Vollbracht.
Bindehautkatarrh gehabt hat, ist nach seinen Angaben wohl er¬
sichtlich. Durch die Erkältung (vide Anamnese) kam es zu einem
akuten Aufflackern der Konjunktivitis, die dem Patienten heftige
Schmerzen verursachte. Der Reizzustand der Augen infolge der Kon¬
junktivitis, die bei der Indolenz des Patienten wahrscheinlich mangel¬
hafte Reinlichkeit, dann die durch das Jucken und Brennen in den
Augen bedingten mechanischen Traumen dürften bei der schweren,
die vitale Resistenzfähigkeit der Gewebe herabsetzenden
Grundkrankheit als Gelegenheitsursache für das Auftreten der Kera¬
titis anzusehen sein. Daß die Geschwüre symmetrisch am unteren
Anteile der Kornea entstanden, dürfte durch den Umstand bedingt
sein, daß gerade dieser Teil äußeren Schädlichkeiten am meisten aus¬
gesetzt ist.
Die Tatsache, daß in allen Beobachtungen von Lebererkrankungen
mit schwerem Ikterus, bei welchen es zu einer Affektion gekommen
ist, die Erkrankung der Bindehaut das hervorstechendste, ja das primäre
Symptom war, scheint diese Ansicht zu stützen. Im allgemeinen sind
auch Hort und Elschnigg dieser Ansicht, teilweise auch Baas. Dieser
Autor, besonders aber Purlscher meint, daß die veränderte Blut¬
beschaffenheit durch Gallenbeimischung reizend und entzündungs¬
erregend wirkt. Doch scheint dies mit den Tatsachen nicht überein-
zustimmen; denn naturgemäß müßten demnach entzündliche Erschei¬
nungen des Auges — infolge von Ikterus und Lebererkrankungen
überhaupt — öfter zur Beobachtung gelangen, als dies wirklich der
Fall ist. Inwieweit das durch Gallenbeimisehung veränderte Blut an
den gedachten Prozessen beteiligt ist, läßt sich wohl kaum mit Sicher¬
heit entscheiden. Auch für die Annahme, daß die entzündlichen Ver¬
änderungen durch primäre bakterielle Einflüsse oder durch Ein¬
wirkung infolge des Grundleidens gebildeter Toxine zustande gekommen
seien, dürften sich kaum genügend Anhaltspunkte finden lassen.
Soweit demnach auf Grund dieser Erwägungen eine Schlu߬
folgerung überhaupt gestattet erscheint, möchte ich als am nahe¬
liegendsten folgendes annehmen:
Im Verlaufe von Lebererkrankungen mit schwerem Ikterus kommt
es infolge der allgemeinen Ernährungsstörung zu einer chronisch pro¬
gressiven Kachexie. Die in manchen Fällen dabei beobachteten, mehr
oder weniger intensiven pathologischen Veränderungen des Auges ver¬
danken ihre Entstehung wohl kaum in erster Linie dem durch Gallen¬
beimischung veränderten Blute. Diese Veränderungen sind vielmehr,
zum größten Teile wenigstens, auf Rechnung der Ernährungsstörung
des Gesamtorganismus — der allgemeinen Kachexie — welche durch
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Beitrag zur Frage der Leberophthalmie.
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die Grundkrankheit bedingt ist, zu setzen. Manchmal kommt es infolge
einer Gelegenheitsursache zur bakteriellen Invasion und damit zu ent¬
zündlichen Erscheinungen und deren Folgen.
Zum Schlüsse gestatte ich mir, Herrn Professor Dr. Kretz für
die mir bei der histologischen Untersuchung des Falles gewährte
Unterstützung, sowie meinem Chef, Herrn Primarius Dr. Kovdcs , für
die vielfache Förderung an dieser Stelle zu danken.
Literatur.
l ) Dolganotf ’ Die Veränderungen des Auges nach Ligatur der Gallenblase
Archiv für Augenheilkunde. 1897, Bd. XXXIV, S. 196.
*) a) Baas , über die Beziehungen zwischen Augenleiden und Lebererkran¬
kungen. Münchener medizinische Wochenschrift. 1894, S. 629, und b) Baa*, Über
eine Ophthalmia hepatica. Archiv für Ophthalmologie. 1894, Bd XL, 5, S. 212—239.
3 ) Bori , Zur Anatomie einerOphthalmia hepatica Bericht der ophthalmologischen
Gesellschaft zu Heidelberg. 1895, S. 175—186 (Diskussion: Leber , Weiß , Meyer ,
ühthoff , Segel ); ferner: Archiv für Augenheilkunde. 1895, Bd. XXXI, S. 393—407.
(Literaturverzeichnis!)
4 ) Weiß, Tübinger ophthalraologische Mitteilungen. 1882, Heft 3, S. 109.
5 ) Elschnigg , Wiener medizinische Wochenschrift. 1899, Nr. 18, S. 842.
6 ) Purtscher , Zur Kenntnis der Ophthalmia hepatica (hepatitica Baas). Archiv
für Ophthalmologie. 1900, Bd. L, S. 83.
') Zitiert nach Telelcy , Zur Lehre von der Osteoarthropathie hypertrophiante
pneumique. Wiener klinische Wochenschrift. 1897, S. 143.
8 ) Obermayer , Knochenveränderungen bei chronischem Ikterus Wiener klini¬
sche Rundschau. 1897, S. 625 und 645.
9 ) Hayem, Du sang et des ses alterations anatomiques. Paris 1889, pag. 932.
lü ) Limbeck , Grundriß einer klinischen Pathologie des Blutes. Jena, Verlag
von G. Fischer, 1896, S. 360.
n ) a) A. Klein, Über die Untersuchung der Formelemente des Blutes und
ihre Bedeutung für die praktische Medizin. Wiener medizinische Wochenschrift.
1890, S. 1525. b) Beiträge zur Kenntnis der Agglutination roter Blutkörperchen.
Wiener klinische Wochenschrift. 1902, Nr. 16.
,2 ) Beitmann , Über Bluterbreehen bei Lebercirrhose. Wiener klinische Wochen¬
schrift. 1890, Nr. 21.
n ) EUenberg , Über Isoagglutinine und Isolysine in menschlichen Seris.
Wiener klinische Wochenschrift. 1901, Nr. 42, S. 1020.
,4 ) C. Hirsch und C. Beck , Studien zur Lehre von der Viskosität (inneren
Reibung des lebenden menschlichen Blutes). Archiv für klinische Medizin. 1901,
Bd. LXIX, S. 503.
,5 ) Schmidt-Rimpier, Erkrankungen des Auges im Zusammenhänge mit
anderen Erkrankungen. Nothnagels spezielle Pathologie und Therapie. Wien, Holder,
1898, S. 449.
Ausführliche Literaturangaben der einschlägigen Arbeiten finden
sich bei Dolganof (1. c ), Bori (1 c ) und bei Purtscher (1. c.) sowie im Handbuch
der gesamten Augenheilkunde von Graefe-Soemisch , II. Auflage, S. 81 ff.
Zeitsohr. f. Hoilk. 1003. Abt. f. path. Anat. u. verw. Disziplinen.
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Tafel 1.
Zeitschrift für Heilkunde. Bd. XXIV (N. F. IV'. Bd.).
Abtboilang für pathologische Anatomie und verwandte Disciplinon.
Fig. 1.
Mathyas: Beitrag zu der Lehre von den Rückenmarksveränderungen
nach Extremitätenverlust.
Autotypie von Angerer & Göschl, Wien. Druck von Friedrich Jasper, Wien.
Jpg von Wilhelm Braumüller, Wien und Leipzig. Original from
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Tafel II.
Zeitschrift für Heilkunde. Bd. XXIV (N. F. IV. Bd.).
Abtheilung für pathologische Anatomie und verwandte Disciplinen.
Fig. 5.
Fig. ß.
Mathyas: Beitrag zu der Lehre von den Rückenmarksveränderungen
nach Extremitätenverlust
Autotypie von Angerer & Gö.schl, Wien.
Druck von Friedrich Jasper, Wien.
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von Wilhelm Braamüller, Wien und Leipzig. Original from
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Tafel XXII.
Zeitschrift für Heilkunde. IM. XXIV (N. F. IV. IM.).
Abteilung für pathologische Anatomie und verwandte Disziplinen.
Yamasaki: Über einen Fall von fast totalem Umbau der Leber
mit knotiger Hyperplasie.
Autotypie von Ar
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1, Wien.
ß? von Wilhelm Braumüller, Wien und Lei
Druck von Friedrich Jasper, Wien.
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tMVERSITY OF CALIFORNIA
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Zeitschrift für Heilkunde. Hd. XXIV (N. F. IV. Bd.).
Abteilung für pathologische Anatomie und verwandte Disziplinen.
Fig. 2.
Tafel XXIX.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 6.
Beer: Über das Vorkommen von zweigeteilten Malpighischen
Körperchen in der menschlichen Niere.
Autotypie von
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Druck von Friedrich Jasper, Wien.
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Leip” , ~
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Zeitschrift für Heilkunde. Bd. XXIV (N. P. IV. Bd.)
Abteilung für pathologische Anatomie und verwandte Disziplinen.
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Beer: Über das Vorkommen von zweigeteilten Malpighischen
Körperchen in der menschlichen Niere. 3ri na | from
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