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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
SAN FRANCISCO MEDICAL CENTER
LIBRARY
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ZEITSCHRIFT
FÜR
HYGIENE
UND
HERAUSGEGEBEN
VON
PROF. Dr. ROBERT KOCH,
GEH. MEDIZINALRAT,
PROF. D» G FLÜGGE, und Br G. GAFFKY,
GEH. MEDIZINALRAT UND DIREKTOR GEH. OHERMEDIZINALRAT UND DIREKTOR
DB8 HYGIENISCHEN INSTITUTS PER DES INSTITUTS FÜR INFEKTIONSKRANKHEITEN
UNIVERSITÄT BRESLAU, ZU BERLIN.
SIEBENUNDFÜNFZIGSTER BAND.
HIT ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT UND SIEBEN TAFELN.
LEIPZIG
VERLAG VON VEIT & COMP.
1007
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Druck von Metzger & Wittig* in Leipzig.
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Inhalt
Seite
Hans Reichenbach und Bruno Heymann, Untersuchungen über die Wirkungen
klimatischer Faktoren auf den Menschen. I. Mitteilung: Beziehungen
zwischen Haut- und Lufttemperatur. 1
Hans Reichenbach und Bruno Heymann, Untersuchungen über die Wirkungen
klimatischer Faktoren auf den Menschen. II. Mitteilung: Beeinflussung der
Körperwärme durch Arbeit und Beschränkung der Wärmeabgabe .... 28
H. Ziesch£, Über die quantitativen Verhältnisse der Tröpfchenausstreuung durch
hustende Phthisiker ..50
Findel, Desinfektion von Büchern, militärischen Ausrüstungsgegenständen,
Pelzen usw. mit heißer Luft.83
H. Findel, Vergleichende Untersuchungen über Inhalations- und Fütterungs¬
tuberkulose .104
E. Zettnow, Über Froschlaichbildungen in Saccharose enthaltenden Flüssig¬
keiten. (Hierzu Taf. I—IV.).154
B. Proskaueb, E. Seliqmann und Fr. Croner, Über die Beschaffenheit der in
Berlin eingeführten dänischen Milch.173
Ed. Büsino, Beiträge zur Kenntnis der Diphtherie als Volksseuche.248
S. M. Poggenpohl, Zur Diagnose und zum klinischen Verlauf des Paratyphus 273
Paul Neumann, Statistischer Beitrag zur Sterblichkeit im ersten Lebensjahre
in Halle a/S. für die Jahre 1893 bis 1902 . 289
Ernst Fürth, Über künstliche und natürliche Pestinfektion von Fischen . . 315
Manteufel, Das Problem der Entwicklungshemmung in Bakterienkulturen und
seine Beziehungen zu den Absterbeerscheinungen der Bakterien im Darmkanal 337
Hammerschmidt, Die Gnesener Kläranlage.355
Th. Madben und Max Nyman, Zur Theorie der Desinfektion 1.388
P. MChlbns, Vergleichende Spirochätenstudien. (Hierzu Taf. V—V II.) . . 405
Krusb, Rittershaus, Kemp und Metz, Dysenterie und Pseudodysenterie . . . 417
Kemp, Über Paradysenterie . 489
Wolfgang Weichardt, Bemerkungen zu der Arbeit von Privatdozent Dr. Herrn.
Pfeiffer, Graz: „Zur Kenntnis der agglutinierenden Wirkung von Rück¬
ständen normalen Menschenharnes“.500
Hermann Pfeipfer, Bemerkungen z. d. vorstehend. Kritik Hrn. W. Weichardts 505
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Breslau.]
Untersuchungen über die Wirkungen klimatischer
Faktoren auf den Menschen.
Von
Prof. Dr. Hans Reiohenbaoh und Privatdozent Dr. Bruno Heymann.
I. Mitteilung:
Beziehungen zwischen Haut- und Lufttemperatur.
Für die Erforschung der hygienischen Bedeutung von Klima und
Witterung sind bislang im wesentlichen zwei Wege eingeschlagen worden.
Man hat einmal versucht, die verschiedenen klimatischen Bedingungen
künstlich zu reproduzieren und ihren Einfluß auf den Organismus im
Laboratoriumsexperiment zu beobachten.
In dieser Richtung haben sich besonders die Arbeiten von Rubner
und seinen Schülern bewegt; wir haben aus ihnen wertvolle Aufschlüsse
über den Einfluß einzelner klimatischer Faktoren auf einzelne
physiologische Leistungen des Körpers erhalten. Eine abschließende
Beurteilung des Klimas in seiner Gesamtheit ist aber durch derartige
Untersuchungen schwerlich zu erreichen.
Denn abgesehen davon, daß das Zusammenwirken der einzelnen
Faktoren, die gemeinsam das Klima bilden, in solchen Laboratoriums¬
experimenten schwer oder gar nicht berücksichtigt werden kann, müssen
sich auch derartige Untersuchungen, soweit sie am Menschen angestellt
werden, notgedrungen in physiologischen Grenzen halten; die Einwirkung
der untersuchten Faktoren darf nicht bis zur Schädigung des Organismus
getrieben werden. Und doch ist für die Beurteilung eines Klimas seine
pathologische Wirkung nicht zu entbehren; gerade für das europäische
Klima bildet das Vorhandensein oder das Fehlen schädigender Einflüsse
einen wichtigen Faktor der Beurteilung.
Zeitachr. f. Hygiene. LVII.
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Hans Reiohenbach und Bruno Heymann:
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Für das Studium solcher Fragen muß also das Tierexperiment heran¬
gezogen werden. Aber es ist klar, daß damit wieder eine neue Fehler¬
quelle eingeführt wird. Gerade diejenigen Krankheiten, die vorwiegend
als die Folge klimatischer Einflüsse angesehen werden, die rheumatischen
Affektionen in ihrer mannigfachen Gestalt, die Katarrhe der Respirations¬
organe — kommen bei Tieren gar nicht oder nicht in derselben Form
wie beim Menschen vor. Die Schlußfolgerungen aus den Tierversuchen
auf die Verhältnisse beim Menschen müssen also hier, wenn sie überhaupt
zulässig sind, mit ganz besonderer Vorsicht gezogen werden.
Die experimentelle Erforschung der klimatischen Einflüsse ist also
mit einer Reihe von Schwierigkeiten verknüpft, die in der Natur der
Frage begründet sind und für deren Beseitigung deshalb nur geringe
Hoffnung besteht.
Die zweite der bislang angewandten Methoden versucht die Lösung
der Frage auf statistischem Wege. Hier liegt die Hauptschwierigkeit in
der Natur der zur Verfügung stehenden statistischen Angaben. Die
Statistik der Todesfälle ist von geringem Nutzen, da die hier in Betracht
kommenden Krankheiten sehr selten zum Tode führen, oder doch so
langsam verlaufen, daß ein Zusammenhang mit den ursächlichen klimatischen
Bedingungen nicht mehr nachzuweisen ist. Eine verläßliche Morbiditäts¬
statistik besitzen wir nur für die Infektionskrankheiten, von diesen kommen
aber nur wenige für unseren Zweck in Betracht. Die meisten der Ge¬
sundheitsstörungen, die vom Klima abhängig sind, sind so leichter Natur,
daß sie kaum immer zur Kenntnis des Arztes, und noch weniger zur
statistischen Aufzeichnung kommen. Wir denken dabei an die mannig¬
fachen, durch die Witterung bedingten Beeinträchtigungen des subjektiven
Befindens, die, ohne sich unter eine bestimmte Krankheitsform rubrizieren
zu lassen, doch imstande sind, unsere Leistungsfähigkeit beträchtlich
herabzusetzen. Von diesen wird sich auch durch mühevolle private Er¬
hebungen, durch Umfragen bei Ärzten, Polikliniken usw. kaum eine sichere
Statistik gewinnen lassen.
Daß auch die gebräuchlichen meteorologischen Aufzeichnungen
für die hygienische Klimaforschung schlecht zu verwerten sind, hat
Flügge mehrfach ausführlich dargelegt.
Das meteorologische Bild, wie es durch die häufig allein zur Ver¬
fügung stehenden Mittelzahlen, Pentaden-, Wochen-, Monatsmittel, sich
darbietet, entspricht keineswegs der Wirkung auf den Organismus; für
diese kommen nicht die Mittelzahlen, sondern weit mehr die Extreme
in Betracht. Der größte Übelstand ist aber, daß aus den meteorologischen
Angaben sich keine Anschauung gewinnen läßt über die kombinierte
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Beziehungen zwischen Haut- und Lufttempebatub.
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Wirkung der einzelnen klimatischen Faktoren, die doch für die hygie¬
nische Bedeutung das eigentlich Bestimmende sind.
Es ist deshalb, wie Flügge ausführt, nicht zu verwundern, wenn die
bisherigen Versuche, den Zusammenhang zwischen Klima und Gesundheits¬
zustand auf statistischem Wege zu erforsohen, zu keinen erheblichen Re¬
sultaten geführt hat.
Und doch ist, wenn wir wirklich die Gesamtheit der klimatischen
Faktoren in ihrer Bedeutung kennen lernen wollen, die Beobachtung
des menschlichen Organismus unter dem natürlichen Ein¬
flüsse des Klimas der einzige Weg, der zum Ziele führen kann. Dieser
Weg erscheint aber auf den ersten Blick nicht gangbar. Denn eine Be¬
obachtung, die wirklich alle durch die Witterungseinflüsse möglicherweise
hervorgerufenen, physiologischen und pathologischen Wirkungen berück¬
sichtigte, erscheint kaum möglich und ist auf keinen Fall an einer
größeren Anzahl von Individuen durchführbar. Es fragt sich aber, ob es
nicht angängig ist, eine bestimmte physiologische Funktion des
Organismus gewissermaßen als Indikator für die Wirkung der
klimatischen Einflüsse zu benutzen, und auf diese Weise die kombinierte
Wirkung der letzteren zu studieren.
Es liegt nahe, einen solchen Indikator wenigstens für die thermische
Wirkung in der Temperaturempfindung zu vermuten.
Denn mit der Temperaturempfiudung gehen höchstwahrscheinlich die
Funktionen der nervösen Regulierungsapparate parallel; wir können an¬
nehmen, daß dieselben Nerven, die uns die Temperaturempfindung über¬
mitteln, wenigstens zum Teil auch reflektorisch den regulierenden Einfluß
der Vasomotoren besorgen und so den Blutgehalt und mit diesem die
Wärmeabgabe’der Haut regulieren. Und daß zwischen diesen Regulierungs¬
vorgängen und den sogenannten Erkältungskrankheiten ein enger Zu¬
sammenhang besteht, kann wohl als erwiesen angesehen werden, wenn
auch die Art dieses Zusammenhanges vielfach noch der Aufklärung bedarf.
Als objektives Maß für die Temperaturempfinduug können wir die
Hauttemperatur betrachten. Wir haben also, wenn unsere Überlegung
richtig ist, in der Hauttemperatur einen Ausdruck für die kombinierte
thermische Wirkung der einzelnen Witterungsfaktoren auf den Organismus,
der uns als Maß für das Wärmeempfinden und damit für den Regulierungs¬
zustand des Körpers dienen kann. Wir möchten aber, um nicht mi߬
verstanden zu werden, an dieser Stelle noch besonders hervorheben, was
auch schon Flügge ausdrücklich betont hat, daß wir nicht etwa in der
Hauttemperatur ein allgemein gültiges Maß für die Gesamtwärme¬
gabe des Körpers erblicken.
Die Einführung eines so einfachen und so exakt zu beobachtenden
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Hans Reichenbach und Bbuno Heyhann:
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Maßes, wie es die Hauttemperatur ist, läßt uns weiter hoffen, daß es
gelingen könnte, gesetzmäßige, in einer mathematischen Formel aas¬
zudrückende Beziehungen zwischen der Gesamtheit der klimatischen Fak¬
toren und ihrer thermischen Wirkung auf den Körper, d. h. der Haut¬
temperatur, aufzufinden. Wir könnten dann bei ferneren Beobachtungen
das immerhin schwierig zu handhabende Meßinstrument, das der mensch¬
liche Organismus darstellt, ausschalten und rein rechnerisch aus zweck¬
mäßig angestellten meteorologischen Beobachtungen die Einwirkung des
Klimas auf den Körper konstruieren.
Der Versuch, eine solche Formel aufzustellen, ist zuerst von Vincent 1
gemacht und in seiner vollen Bedeutung von Flügge* anerkannt worden.
Vincent maß unter gleichzeitiger Beobachtung der meteorologischen
Verhältnisse die Hauttemperatur — am Daumenballen mit dem Thermometer.
— Auf Grund von 860 Einzelversuchen gelangte er zu der Schlußformel:
P= 26-5 + 0-3^+ 0-2P- 1*2 V,
worin P die Hauttemperatur, A die Lufttemperatur, E die Differenz
zwischen gewöhnlichem und geschwärztem Thermometer — (Einfluß der
Sonnenstrahlung), und V die Windgeschwindigkeit bedeutet. Die Luft¬
feuchtigkeit findet sich in der Formel nicht, weil Vincent keinen Ein¬
fluß derselben beobachtet hatte.
Auf eine Kritik der Vincentschen Arbeit in ihren Einzelheiten soll
jetzt nicht eingegangen werden. Daß sich hier manche Fehler, so die
unvollkommene Meßmethode, die Aufstellung eines linearen Ausdrucks
für die Windgeschwindigkeit, vorfinden, und daß die Formel nur als ein
vorläufiger, nicht sehr vollkommener Versuch anzusehen ist, hat Vincent
selbst herausgefühlt. Wohl aber muß die Frage erörtert werden, ob sich
nicht der Aufstellung einer solchen Formel prinzipielle Bedenken
entgegenstellen, wie sie von Rubner 8 geltend gemacht sind.
Rubner wendet ein, daß die Hauttemperatur außer von den klima¬
tischen Faktoren noch durch folgende Momente beeinflußt werde: Arbeit,
Ernährung, Fettbestand und Kleidung.
Aus den Rubnerschen, sehr kurzen, Ausführungen geht nicht ganz
klar hervor, wie man sich die Beeinflussung der Hauttemperatur durch
diese vier Faktoren vorzustellen hat. Zwei Wege sind denkbar: erstens
1 Vincent, La determinalion de la temperalure climatologique. Ciel et Terre,
1890.
1 Flügge, Untersuchungen über die hygienische Bedeutung eiuiger klimatischer
Faktoren, insbesondere des Windes. Festschrift zum 60 . Geburtstage von Roh. Koch.
Jena 1908. S. 639.
* Goldscheider u. Jacob, Handbuch der physikal. Therapie. Teil I. Bd. I.
S. 58.
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Beziehungen zwischen Haut- und Lufttempebatub.
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Veränderung der Gesamtkörpertemperatur, die unter sonst gleichen Um¬
ständen auch in der Hauttemperatur zum Ausdruck kommen muß, und
zweitens physiologische Veränderungen der Haut selbst, die in mehr oder
minder großer Blutzufuhr oder in Schweißbildung bestehen können.
Auf beiden Wegen kann die Arbeit die Hauttemperatur beeinflussen;
der Fehler wird sich aber vermeiden lassen, wenn man größere körper¬
liche Anstrengungen vor der Messung vermeidet. Ebenso läßt sich der
etwa durch die „Ernährung“ bedingte Fehler leicht ausschalten, wenn
man die Messung möglichst immer gleiche Zeit nach der Nahrungs¬
aufnahme anstellt. Der „Fettbestand“ wird nur die Konstanten der
Formel bei verschiedenen Individuen verschieden gestalten, und die Ver¬
schiedenheit der Kleidung läßt sich auch leicht in den Grenzen halten,
daß sie die Temperatur unbedeckter Hautstellen nicht allzu sehr
beeinflußt.
Wir glauben also nicht, daß die Rubnerschen Einwände dazu führen
können, den Gedanken an die Aufstellung einer klimatischen Formel im
Sinne Vincents von vorneherein als unausführbar erscheinen zu lassen.
Allerdings sind auch uns zunächst Zweifel an der Ausführbarkeit der
Vincent sehen Idee aufgetauoht — aber diese liegen in anderer Rich¬
tung. Wir müssen uns gegenwärtig halten, daß die Beeinflussung
der Hauttemperatur durch die klimatischen Faktoren — also
der zu untersuchende Vorgang selbst — sehr komplizierter Natur ist,
daß er nicht nur von physikalischen, sondern auch von einer ganzen
Reihe physiologischer Bedingungen, von nervösen Einflüssen, beherrscht
wird. Man braucht nur daran zu denken, daß unter dem Einfluß
thermischer Reize der Füllungszustand der Hautgefäße
wechselt, und daß der Blutgehalt der Haut von ausschlaggebender Be¬
deutung für die Temperatur sein kann; daß ferner durch die Befeuch¬
tung mit Schweiß erhebliche Veränderungen der Hauttemperatur hervor¬
gerufen werden können.
Diese, durch die klimatischen Einflüsse selbst ausgelösten
physiologischen Vorgänge sind es, welche die Hoffnung auf
eine, sie mit umschließende, mathematische Formel herab¬
stimmen müssen.
Ob sich Vincent dieser Schwierigkeiten genügend bewußt gewesen
ist, geht aus seiner Darstellung nicht hervor. Es scheint aber, als ob
er sich die Beziehungen zwischen der Hauttemperatur und den klima¬
tischen Faktoren im wesentlichen als physikalischer Natur vorgestellt hat,
denn wie wir gleich zeigen werden, ist die für den Einfluß der Luft¬
temperatur von ihm angenommene Formel aus rein physikalischen Er¬
wägungen abzuleiten.
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Hans Reichenbach und Bbuno Heymann:
Auch bei den übrigen Autoren, insbesondere bei Kunkel und
Rubner, die sich am eingehendsten mit der Hauttemperatur beschäftigt
haben, ist kein Hinweis darauf zu finden, daß sie versucht hätten, die
physikalischen und die physiologischen Einflüsse getrennt zu beobachten.
So fehlt uns denn bislang über das Verhältnis dieser beiden Faktoren
jede, auch nur annähernde quantitative Vorstellung. Und doch scheint
uns die Kenntnis dieses Verhältnisses von der größten Bedeutung zu sein
für die Beurteilung der Aussicht auf Erfolg, welche der Versuch der Auf¬
stellung einer klimatologischen Formel im Sinne Vincents bietet. Denn
die Aussicht auf Erfolg wird um so größer, je größer der Einfluß der
rein physikalischen Bedingungen ist; wenn sich herausstellen sollte, daß
von diesen die Hauttemperatur im wesentlichen abhängt, und daß die —
sicher auch vorhandenen — physiologischen Momente mehr den Charakter
von Korrektionsgrößen tragen, so ist damit die Hoffnung, eine Formel
zu gewinnen, weit größer, als wenn die unberechenbaren physiologischen
Momente das Ausschlaggebende wären.
Wir haben deshalb geglaubt, uns zunächst über die weiteren Aus¬
sichten dadurch vergewissern zu sollen, daß wir versuchten, für einen der
klimatischen Faktoren das physikalische Gesetz, dem er bei Ausschaltung
der physiologischen Momente folgen würde, zu bestimmen, und damit
auch über die Größe der letzteren ein Urteil zu gewinnen. Als die
einfachste von allen Bedingungen wählten wir dazu die Lufttemperatur.
Wir mußten also zunächst versuchen, eine rein physikalische Formel
für die Beziehungen zwischen Haut- und Lufttemperatur aufzustellen.
Vincent gibt an, das Verhältnis der Differenzen von Bluttempe¬
ratur {£) und Lufttemperatur (L) einerseits und Hauttemperatur (H) und
Lufttemperatur andererseits konstant gleich 1-56 gefunden zu haben.
Also
B-L
H-L
1-56.
Aus dieser Formel ergibt sich, wenn 2? *=37 *6 gesetzt wird, die
Gleichung:
tf-26.5 + 0-3£,
also eine einfache lineare Beziehung zwischen Luft- und Hauttemperatur.
Es ist nun leicht zu zeigen, daß sich diese Vincentsche Formel
aus rein physikalischen Erwägungen ableiten läßt.
Denn für die Oberflächentemperatur eines toten Körpers, der im
Innern auf konstanter Temperatur gehalten wird, gilt annähernd dieselbe
Beziehung, wie sie Vincent für die Haut gefunden haben will.
Ein Körper von der konstanten Temperatur B sei mit einer Schicht
von der Wärmeleitungsfähigkeit c und der Dicke d umhüllt; die Tem-
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Beziehungen zwischen Haut- und Lüfttemperatüb.
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peratur der Oberfläche sei H. Dann ist die in der Zeiteinheit durch
die Einheit der Fläche der Schicht hindnrchgehende Wärmemenge
jy (cB — -ff) '
d
Um die von der Flächeneinheit an die Umgebung abgegebene Wärme*
menge W l zu berechnen, machen wir die nicht streng richtige, aber bei
der Kleinheit der in Betraoht kommenden TemperaturdifFerenzen wohl noch
zulässige Annahme, daß die Wärmeabgabe der Temperaturdifferenz zwischen
Körperoberfläche und Umgebung proportional sei. Demnach wäre die
Wärmemenge =» c, • (H — L), worin Cj eine Konstante und L die
Lufttemperatur bedeutet. Da im Gleichgewichtszustand W ™ ist, so
haben wir die Beziehung:
B — H _ c, • d
WZL ~ c ’
woraus sich durch Addition von 1 zu beiden Seiten die Vincent sehe
Formel
B-L _ v
H - L ~ K
ergibt, wenn wir
K=±Z± + 1
setzen. c
Aus dieser Gleichung folgt weiter:
X L.
Da B und K Konstanten sind, entspricht diese Gleichung der Vin-
centschen Schlußformel.
Es ist nun von vomeherein wenig wahrscheinlich, daß sich diese
Formel ohne weiteres auf jede beliebige Stelle des menschlichen Körpers
anwenden läßt. Der Körper entspricht im allgemeinen nicht dem Schema,
welches wir zum Ausgang unserer Überlegung gemacht haben. Die
Temperatur der Haut ist, wie oben ausgeführt wurde, nicht allein ab¬
hängig von dem Temperaturgefälle, das sich nach Maßgabe ihrer Leit¬
fähigkeit herstellt, sondern es wird ihr, mit dem in ihr zirkulierenden
Blute, und zwar je nach dem Grade der Füllung der Gefäße in ver¬
schiedener Menge, noch außerdem Wärme zugeführt, welche ihre Tem¬
peraturverhältnisse in unberechenbarer Weise beeinflussen muß.
Die Abweichungen der wahren Hauttemperatur von der nach Vin¬
cents Formel berechneten werden also um so größer sein, je mehr
die gemessene Körperstelle von dem Schema des toten Körpers abweicht,
und je größer der Einfluß der Blutverteilung auf die Wärme Verhältnisse
an der betreffenden Stelle ist. Von diesen Gesichtspunkten aus kann
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Hans Reichenbaoh und Bruno Heymann:
man die Wahl der Hand als Meßstelle nicht als glücklich bezeichnen.
Die Temperatur der Hand wird, wie schon die tägliche Erfahrung lehrt,
außerordentlich stark von dem Füllungszustande der Blutgefäße beeinflußt;
wir können täglich die Beobachtung machen, daß unter gleichen physi¬
kalischen Bedingungen die Hauttemperaturen an der Hand bei ver¬
schiedenen Personen stark differieren, und auch bei einem und demselben
Individuum bilden die physiologischen Bedingungen aller Art zweifellos
einen ebenso wichtigen Faktor für die Regulierung der Hauttemperatur,
wie die physikalischen Bedingungen. Es war also von vomeherein
gerade an der Hand keine große Übereinstimmung zwischen Beobachtung
und Rechnung zu erwarten. Tatsächlich weichen denn auch, besonders
bei den niedrigen Lufttemperaturen, die gemessenen Werte ziemlich stark
von den berechneten ab. Vincent hat auch bereits an anderen Haut¬
stellen, au den Wangen und am unteren Augenlid, Versuche angestellt
und bessere tTbereinstimmung erzielt.
Es mußte danach unsere nächste Aufgabe sein, die für den vor¬
liegenden Zweck geeignetste Meßstelle zu ermitteln, also eine Stelle, die
von physiologischen Regulationen relativ am wenigsten beeinflußt würde.
Gleichzeitig wurde Wert darauf gelegt, daß diese Stelle bei verschie¬
denen Individuen annähernd gleiche Resultate liefert, um einer etwa
sich ergebenden Gesetzmäßigkeit eine allgemeinere Anwendbarkeit zu
sichern.
Zu diesem Behufe wurden bei 12 jugendlichen männlichen Personen
an verschiedenen Hautstellen zahlreiche Messungen ausgeführt. Eiuen
Überblick über die gewählten Meßstellen und die Ergebnisse bietet Tabelle I.
Die Ergebnisse lassen sich kurz folgendermaßen zusammenfassen:
1. Gleiche Hautstellen derselben Person ergeben bei gleichen oder
sehr naheliegenden Lufttemperaturen in mehrfachen Messungen nur aus¬
nahmsweise mehr als 1 Grad betragende Differenzen. Nur an den Spitzen-
teilen, wie an den Fingern, den Ohrmuscheln und der Nasenspitze, treten
häufige Unterschiede von über 2 Grad an derselben Stelle trotz gleicher
Lufttemperatur auf. Symmetrische Hautstellen weisen gleichfalls fast nur
an den Nasenflügeln, den Ohrmuscheln und Fingern größere Unter¬
schiede auf.
2. Verschiedene Hautstellen derselben Person ergeben bei gleicher
Lufttemperatur ungleiche Werte und zwar die Spitzen teile im allgemeinen
die niedrigsten, Hände, Wangen und Kinn mittlere, Stirn, Augendeokel,
Schläfe und Hals die höchsten.
3. Die einzelnen Hautstellen derselben Person ergeben bei ver¬
schiedenen Lufttemperaturen untereinander ungleiche Differenzen; jede
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Beziehungen zwischen Haut- und Lufttemperatur
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13
Haatstelle besitzt ihre eigene Abhängigkeitskurve, die wärmeren Stellen
von flachem, die kühlen von steilem Gefälle. Es resultiert hieraus ein
nach den höheren Lufttemperaturen hin konvergierendes Kurvenbündel,
dessen einzelne Strahlen bei 22 bis 24 Grad Lufttemperatur bis auf etwa
1 Grad zusammentreten und sich oberhalb 80 Grad bis auf wenige Zehntel
Grad nähern, ja sich teilweise sogar schneiden. Nur die Kurven der Ohr¬
muschel, Ohrkante und Helix treten erst später, bei 31 bis 33 Grad, an
die bereits eng nebeneinander laufenden anderen Kurven heran und ge¬
langen dann sogar zum Teil an die höchste Stelle. Mit Ausnahme dieser
ganz hohen Lufttemperaturen zeigen aber diejenigen Meßpunkte die höchste
Temperatur, welche über Muskeln, blutreichen Organen, in der Nähe von
großen Gefäßen u. dergl. liegen, dagegen die tiefste die von mehreren
Seiten der Luft ausgesetzte Nasenspitze, die Nasenflügel und besonders
die Ohrmuscheln mit ihrer im Vergleich zur Masse überaus großen Ober¬
fläche.
Die ersteren Stellen nähern sich mehr oder weniger dem Schema
des toten Körpers, das wir zum Ausgang unserer Überlegungen gemacht
haben, und mußten deshalb für unsere Zwecke in erster Linie in Betracht
.kommen. Die regelmäßigsten Kurven wurden an der Stirn und den
Augenlidern gewonnen. Wir haben uns für die Stirn entschieden, auch
aus dem Grunde, weil diese Stelle die geringsten individuellen Unterschiede
bei den verschiedenen gemessenen Personen zeigte.
Daß die Stirn die für unsere Zwecke geeignetste Stelle sei, ließ sich
auch a priori annehmen. Denn gerade sie entspricht am besten den
physikalischen Ausgangsbedingungen. Das Gehirn mit seiner großen,
regelmäßig von Blut versorgten Masse bildet ein Wärmereservoir von
äußerst konstanter Temperatur. Die Blutverteilung in der Stirnhaut, die
zusammen mit der knöchernen Schädeldecke der leitenden Hülle des toten
Körpers entspricht, ist verhältnismäßig wenig von physiologischen Momenten
beeinflußt, weniger jedenfalls wie die der anderen Stellen des Kopfes.
Wir haben uns oft davon überzeugen können, daß z. B. psychische Er¬
regung, die subjektiv das Gefühl einer starken Hyperämie des Gesichtes
hervorrief und auch objektiv über dem Jochbogen durch erhöhte Tempe¬
ratur deutlich nachweisbar war, die Stirntemperatur nahezu unbeeinflußt
ließ. Auch durch physikalische Momente wird die Füllung der Blutgefäße
in der Stirnhaut gegenüber anderen Partieen des Gesichtes verhältnismäßig
wenig berührt.
Außer der Wahl einer geeigneten Meßstelle mußten aber noch andere
Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, um verwertbare Resultate zu erhalten.
Zunächst mußte Sorge getragen werden, daß der einmal gewählte Punkt
der Stirnhaut mit peinlichster Sorgfalt bei jeder Messung innegehalten
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
14
Hans Reichenbach und Bruno Heymann :
wurde. Denn man kann sich leicht überzeugen, daß die Temperatur
nahe benachbarter Hautstellen erhebliche Verschiedenheiten aufweisen kann,
so daß eine Verschiebung des Meßinstrumentes um wenige Millimeter
bereits Ausschläge von 1 /, Grad hervorrufen kann. Besonders gefährlich
ist in dieser Beziehung die Nachbarschaft oberflächlich gelegener Hautvenen.
Ferner mußte, da es ja zunächst nur darauf ankam, die physikalischen
Einflüsse zu studieren, unter Bedingungen gearbeitet werden, die eine
Mitwirkung physiologischer Momente so viel wie möglich ausschlossen. Es
wurde deshalb immer zur selben Tageszeit zwischen 7 und 8 Uhr abends
gemessen. Die der Messung vorausgehende Beschäftigung war, soweit es
sich ermöglichen ließ, die gleiche: Arbeit im Laboratorium. Jedenfalls
wurde jede Tätigkeit, von der eine Beeinflussung der Hauttemperatur er¬
wartet werden konnte — Aufenthalt im Freien, körperliche Anstrengung,
lebhafte Unterhaltung — vermieden, und wenn sie sich nicht vermeiden
ließ, in dem Protokoll vermerkt. Auch auf Abweichungen vom normalen
Körperbefinden, Erkältungen, wurde geachtet.
Es war ferner von vorn eherein wahrscheinlich, daß wenn überhaupt
eine physikalische Gesetzmäßigkeit bestände, sie nur für ein bestimmtes
Temperaturintervall Geltung haben könnte. Denn wenn auch die Stirn¬
haut verhältnismäßig wenig an der physikalischen Wärmeregulierung des
Körpers beteiligt ist, so mußte doch erwartet werden, daß bei hohen
Wärmegraden Schweißbildung, bei niedrigen eine stärkere Kontraktion
der Blutgefäße aufträte, wodurch in beiden Fällen eine außerhalb der
physikalischen Formel liegende Temperaturerniedrigung der Oberfläche
verursacht werden mußte. Trotzdem haben wir das Temperaturintervall
für die Versuche ziemlich groß gewählt — von 7*1 bis 28-8°, wir haben
aber die Vorsicht gebraucht, Versuche, bei denen deutliche Schwei߬
sekretion vorhanden war, auszuschließen und ferner bei niedrigen Tem¬
peraturen nicht so lange in dem kalten Baum zu verweilen, bis un¬
angenehmes Kältegefühl eintrat Es zeigte sich nämlich, daß nach dem
Betreten des kalten Raumes die Stirntemperatur zunächst sehr rasch
sinkt, um dann längere Zeit konstant zu bleiben; dann erst beginnt ein
weiteres Heruntergehen. Wir glaubten uns zu der Annahme berechtigt,
daß der zuerst eintretende konstante Wärmegrad der rein physikalischen
Beeinflussung zuzuschreiben sei, und daß der weitere Abfall, der meist
mit unangenehmer Kältempfindung zusammeutraf, durch physiologische
Momente — durch die Kontraktion der Blutgefäße, zustande kommt.
Die Konstanz der Temperatur trat bereits nach 10 bis 20 Minuten, der
weitere Abfall je nach der Temperatur nach einer bis mehreren Stunden
ein. Näheres über dieses Verhalten werden wir später mitteilen. Wir haben
deshalb stets etwa 20 Minuten nach dem Betreten des Raumes gemessen.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beziehungen zwischen Haut« und Lufttempehatuk.
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Bevor wir nun an die Mitteilung der Resultate herangehen, wird es
zweckmäßig sein, einiges über das benutzte Instrumentarium voraus¬
zuschicken.
Es konnten von vomeherein nur zwei Methoden in Betracht kommen:
die Messung mit dem Thermometer und die thermoelektrische Methode.
Daß die letztere weitaus genauer, und, sobald einmal das zugehörige In¬
strumentarium beschafft und geeicht ist, auch in der Anwendung bequemer
ist, bedarf kaum einer weiteren Begründung. Für Messungen im Labo¬
ratorium, bei denen das Objekt mit Leichtigkeit an das fest aufgestellte
Galvanometer herangebracht werden kann, ist deshalb diese Methode ent¬
schieden vorzuziehen, und wir haben uns für die vorliegenden Versuchs¬
reihen auch ausschließlich ihrer bedient. Wenn, besonders von Seiten
der Kliniker, auch heute noch das Thermometer vielfach benutzt wird,
so liegt der Grund dafür wohl hauptsächlich in den Schwierigkeiten, die
sich dem Transport des elektrischen Apparates entgegenstellen. Auch für
unseren Zweck läßt sich das Thermometer, trotz seiner unleugbaren
Nachteile nicht ganz entbehren: wenn es gilt, die im Laboratorium
gewonnenen Resultate im Freien auf ihre Richtigkeit zu prüfen, kommen
wir ohne das Thermometer nicht aus, und wir haben es auch schon in
verschiedenen derartigen Vorversuchen benutzt.
Der Hauptnachteil des Thermometers ist, daß die definitive Ein¬
stellung sehr lange Zeit erfordert, so daß, je nach der Geduld des
Messenden, verschiedene Resultate erhalten werden — und daß ferner
die angezeigte Temperatur keineswegs sicher dem wirklichen Wärmegrade
der Hautoberfläche entspricht. Da im günstigsten Falle nur die Hälfte
der Oberfläche des Quecksilbergefaßes der Haut anliegt, muß die Tem¬
peraturangabe zu niedrig ausfallen, da aber andererseits durch die große
Fläche des Thermometers die Wärmeabgabe der Haut vermindert wird,
muß eine über die Norm erhöhte Hauttemperatur die Folge sein. Der
letztere Fehler überwiegt meistens, so daß im allgemeinen die Angaben
des Thermometers zu hoch sind, d. h., wenn die Messung wirklich so
lange ausgedehnt wird, bis kein Steigen des Quecksilbers mehr stattfindet.
Gärtner 1 hat deshalb neuerdings vorgeschlagen, das Thermometer vor
der Messung möglichst nahe auf die Temperatur der zu messenden Haut¬
stelle zu bringen und diejenige Temperatur als die richtige anzunehmen,
bei der sich der Stand des Thermometers bei kurzem Aufsetzen nicht oder
nur sehr wenig ändert.
1 G. Gärtner, Eine einfache Methode der Hauttemperaturmessung. Münchener
med. Wochenschrift. 1905. Nr. 39. S. 1885.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
16
Hans Reichenbach und Bbuno Heymann:
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Wir haben uns schon toi der Gärtnerschen Publikation eines etwas
anderen Verfahrens bedient, das ebenfalls gute Resultate gibt. Das Thermo¬
meter, dessen Quecksilbergefäß zu einer flachen Spirale von etwa 3°“
Durchmesser geformt ist, wird ebenfalls angewärmt, und zwar etwas aber
möglichst wenig über die Temperatur der zu messenden Hautstelle.
Hach dem Aufsetzen sinkt dann das Quecksilber etwas, bleibt ziemlich
lange stehen und beginnt dann wieder zu steigen. Der Umkehrpunbt
entspricht offenbar am besten der wirklichen Hauttemperatur; denn das
Steigen kann nur dadurch verursacht werden, daß die normale Wärme¬
abgabe durch das aufgesetzte Thermometer gehindert wird. Auf diese
Weise erhält man, ebenso wie mit dem Gärtnerschen Verfahren, leidliche
Übereinstimmung mit den Angaben des Thermoelementes.
Das von uns verwandte Thermoelement besteht aus Eisen und Kon-
stantan und entspricht der zuerst von Kunkel angegebenen und später
auch von Rubner benutzten Form. Wir haben aber Sorge getragen, die
Maße der Lötstelle auf das Äußerste zu reduzieren. Die Drähte wurden
deshalb nur 0-5 mm dick gewählt, die umgebogenen Enden möglichst dünn
gehämmert und mit möglichst wenig Lot verlötet. Die Länge des Bügels
betrug 8 mm , die Breite 1 mm und die Dicke 0-2 m “. Ein solches Element
nimmt fast momentan die Temperatur der Haut an, ohne ihr merkliche
Wärmemengen zu entziehen. Da sich herausstellte, daß die Größe des
beim Aufsetzen ausgeübten Druckes nicht ganz ohne Einfluß auf die An¬
gaben des Instrumentes war, wurde in letzter Zeit ein Thermoelement
benutzt, welches sich mit konstantem Druck auf die Haut aufsetzen ließ.
Das Instrument besitzt drei mit Gummi überzogene Füßchen, aus deren
Ebene die Lötstelle um einige Millimeter hervorragt. In dieser Lage wird
sie durch eine schwache Feder gehalten. Wird nun das Instrument mit
den Füßchen auf die Haut aufgesetzt, so wird die Feder komprimiert und
die Lötstelle durch die Feder mit konstantem Druck auf die Haut ge¬
drückt. Dieser Druck darf nicht zu stark sein, da sonst eine Reizung
der gemessenen Hautstelle erfolgt, die zwar für die erste Messung belang¬
los ist, aber bei den folgenden, wenn sie innerhalb 5 bis 10 Minuten nach
der ersten angestellt werden, eine geringe Temperaturerhöhung bewirkt.
Wir sind auf diese Fehlerquellen erst im Laufe der Untersuchungen auf¬
merksam geworden; unser letztes Modell, das nur einen Druck von etwa
7 ausübt, vermeidet ihn aber vollständig.
Eine zweite Eisen-Konstantan-Lötstelle haben wir nicht verwandt,
sondern die Drähte des Thermoelementes direkt an die zum Galvanometer
führenden Kupferdrähte angelötet. Die etwas geringere Empfindlichkeit
dieser Anordnung wird reichlich durch den Vorteil aufgewogen, daß auf
diese Weise die Entstehung falscher Thermoströme im äußeren Stromkreis
Gck igle
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Beziehungen zwischen Haut- und Lufttemperatur.
17
vermieden wird, die sonst sehr leicht an den Klemmschrauben der Thermo¬
elemente auftreteu. Die Kupfer-Eisen- und Kupfer-Konstantan-Lötstelle
befand sich in einem thermisch gut isolierten, mit Thermometer versehenen
Ölbade; das Quecksilbergefäß des Thermometers war in unmittelbarer
Nähe der Lötstelle.
Das benutzte Spiegelgalvanometer (Deprez - d’Arsonval), Listen-
Nr. 95999, Type 6406 c, von Siemens & Halske besitztabweichend von
der sonst meistens benutzten Anordnung einen verhältnismäßig hohen
Widerstand (20Q Ohm), es funktionierte also mehr als Voltmeter. Das
hat den Vorteil, daß man von geringen Widerstandsänderungen im äußeren
Stromkreis unabhängig wird. Die Empfindlichkeit des Systems war mehr
als ausreichend: bei lVa m Skalenabstand betrug der Ausschlag für einen
Grad Temperaturdifferenz etwa 10 Skalen teile, so daß also hundertstel
Grade noch gut geschätzt werden konnten. Die Einstellung nach Auf¬
setzen des Thermoelementes erfolgte in wenigen Sekunden.
Die Eichung des Elementes geschah in der üblichen Weise durch
Eintauchen in Wasser von bekannter Temperatur.
Mit diesem Apparat und unter Beachtung der beschriebenen Vorsichts¬
maßregeln haben wir nun an uns selbst zwei größere Versuchsreihen
durchgeführt. Wir haben absichtlich zunächst darauf verzichtet, die Ver¬
suche auf andere Personen auszudehnen, weil wir nur von uns selbst
eine genügend sichere Beurteilung störender Einflüsse erwarten konnten.
Bei den mannigfachen Störungen, denen die rein physikalischen Be¬
ziehungen zwischen Haut- und Lufttemperatur ausgesetzt sind, ist ein
erfolgreiches Experimentieren nur möglich, wenn die Versuchsperson mit
vollem Verständnis für die Aufgabe bemüht ist, diese Störungen fern¬
zuhalten, oder wenigstens, wenn die Fernhaltung nicht gelingt, imstande
ist, Abweichungen vom normalen Zustande als solche zu empfinden und
anzugeben.
Wir geben nun in den beiden folgenden Tabellen II und III die
Werte für die Lufttemperatur und die beobachteten Hauttemperaturen
wieder. In die Tabellen sind nur diejenigen Werte aufgenommen, bei
denen sich im Protokoll keine Bemerkung findet, aus der ein Verdacht
auf irgend welche Beeinflussung der rein physikalischen Beziehungen zu
entnehmen ist. Im übrigen möchten wir ausdrücklich hervorheben, daß
wir sämtliche zu diesen Beihen gehörende Zahlen aufgeführt haben, und
daß es sich in allen Fällen um Einzelmessungen, nicht etwa um
Mittelwerte handelt. Meistens wurde überhaupt nur einmal gemessen;
wenn mehrere Messungen angestellt wurden, wurde aus den erörterten
Gründen die erste als die richtige angesehen.
ZtMachi. t Hygiene. LVII.
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18
Hans Reichenbach und Bbcno Heyhann
/
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Beziehungen zwischen Haut- und Lufttempebatub.
19
Wenn die vorhin abgeleitete Formel richtig ist,
H=a+bZ
so haben wir aus den Zahlen der Tabellen zwei Unbekannte, die Kon¬
stanten a und b zu ermitteln. Diese müßten sich also schon aus zwei
zusammen gehörenden Beobachtungen berechnen lassen. Um aber ohne
jede Willkür sämtliche Beobachtungen gleichmäßig zu verwerten, haben
wir die Größen a und b nach der Methode der kleinsten Quadrate be¬
rechnet. Das ergibt für die Versuchsperson H die Formel
J5T= 25-83 + 0-302Z
und für die Versuchsperson R
H= 25*03 + 0*836£
Die mit diesen Formeln berechneten Werte sind in den Tabellen 11
und III neben die beobachteten gesetzt. Die Abweichungen sind gering¬
fügig, sie betragen im Maximum 0*5°.
Es ist nicht zu verkennen, daß die beste Übereinstimmung zwischen
Rechnung und Beobachtung bei den mittleren Temperaturen (16 bis 25°)
vorhanden ist.
Nach oben und besonders nach unten nehmen die Abweichungen
etwas zu, sie sind aber so unregelmäßig und das Vorzeichen wechselt so
regellos, daß wir kaum berechtigt sind, darin eine Wirkung der physio¬
logischen Regulierung zu suchen. Wie zu erwarten war, sind bei den
beiden Versuchspersonen nicht genau dieselben Konstanten gefunden. Die
Abweichungen sind aber ohne Belang, sie betragen im Maximum bei der
niedrigsten Temperatur 0*6°. Die Abweichung vom Mittelwert würde
also an den ungünstigsten Stellen 0-8° betragen. Für die Gewinnung
eines allgemein anwendbaren Mittelwertes müßten aber noch andere Ver¬
suchspersonen herangezogen werden.
Eine weitere Kontrolle für die Richtigkeit der Formel ist dadurch
gegeben, daß wir, wie vorhin dargelegt ist, die Temperatur des Körper-
innero aus ihr ableiten können. Für die Innentemperatur B gilt die
Formel: B = . Die Rechnung ergibt für BL 37*01 und für R 37-67°.
Wenn auch die erste dieser Zahlen etwas zu niedrig ist, so kommt
sie immerhin dem wahren Werte nahe genug, um mit als Beweis für
die Zulässigkeit des beschrittenen Weges und die Richtigkeit der Methode
dienen zu können.
Wir glauben, mit diesenVersuchsreihen denBeweis geliefert
zu haben, daß es bei möglichster Ausschaltung physiologischer
Einflüsse gelingt, innerhalb eines beträchtlichen Temperatur¬
intervalles eine einfache Formel für die Abhängigkeit der
Stirntemperatur von der Temperatur der Luft aufzustellen.
2 *
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Original frum
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20
Hans Reichenbach und Bruno Heyhann:
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Wir haben also zunächst für die Lufttemperatur die gewünschte
Trennung zwischen physikalischer und physiologischer Wirkung erreicht;
jede größere Abweichung zwischen beobachteten und berechneten Werten
ist auf das Konto physiologischer Einflüsse zu setzen und mit der Größe
dieser Differenz ist zugleich ein Maßstab für die Größe dieser Einflüsse
gegeben.
Wie groß diese Abweichungen in Wirklichkeit werden können, dar¬
über sind unsere Untersuchungen noch im Gange. Die bis jetzt vor¬
liegenden Zahlen lassen aber erkennen, daß es sich um kleine Wert«
(1 bis 2°) handelt, die als Korrektionsgröße in die lineare Formel ein¬
gefügt werden können.
Tabelle IV.
Lufttemperatur
Hauttemperatur
beobachtet | berechnet
Differenz
26-6
33-3
33*9
— 0-6
26-5
33-6
33-8
— 0-2
23-8
32-4
83-0
- 0-6
23-8
31-7
33-0
— 1-3
23-2
32-4
32-8
— 0-4
22-4
32-1
32-6
— 0-5
21-2
31-7
82-2
; — 0.5
21-2
31-3
82-2
I — 0-9
21*0
31-0
32*2
— 1.2
19-5
31-6
31-7
— 0.1
19-4
30-0
31-7
— 1.7
18-6
30-5
31-4
— 0-9
16-7
30-2
30-9
— 0-7
16-6
28-8
80-8
— 2-0
16-1
29-6
30-7
— 1-1
16-1
31*8
30-7
+ 1.1
14-8
30-7
30-3
+ 0-4
13-8
28-2
30-0
— 1-8
13*7
27.7
30-0
— 2-8
13.5
30-4
29-9
+ 0-5
13*3
29-8
29-9
— 0-1
12-2
26*2
29-5
— 3-1
11*8
27-3
29.4
— 1*7
11*2
26-9
29-2
— 2-3
10-5
29-5
29-0
4- 0*5
8-2
28-9
28-3
+ 0-6
7-5
28-2
28-2
± 0
7-4
28-4
28*2
+ 0-2
In Tabelle IY ist eine Anzahl früherer Beobachtungen angeführt,
bei denen keine der geschilderten Vorsichtsmaßregeln zur Anwendung
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Beziehungen zwischen Haut- und Lufttempebatüb.
21
kam und die insbesondere ohne Bedaeht auf Ausschaltung physiologischer
Einflüsse angestellt sind.
Die Messungen wurden an derselben Versuchsperson, Dr. H., aber zu
beliebiger Tageszeit, ohne jede Rücksicht auf Körperzustand und vorher*
gehende Beschäftigung, vorgenommen.
Diese Werte liegen mit wenigen Ausnahmen sämtlich unter den
nach der jetzt gewonnenen Formel berechneten, so daß die Annahme
eines konstanten Fehlers gerechtfertigt ist. Vielleicht war die damals
benutzte Meßstelle eine andere, oder der Druck beim Aufsetzen des
Elementes von dem jetzt angewandten verschieden. Auch an die Mög¬
lichkeit ist zu denken, daß sich die Konstanten der Versuchsperson ge¬
ändert haben.
Trotzdem sind aber die Abweichungen nicht allzu erheblich, sie be¬
tragen nur in drei Fällen mehr als 2° und bleiben in mehr als der
Hälfte der Fälle unter 1°.
Natürlich läßt sich die rechnerische Trennung zwischen physio¬
logischen und physikalischen Einflüssen nur dann durchführen, wenn
die Einwirkung anderer physikalischer Einflüsse, als der Lufttemperatur,
ausgeschlossen ist. Im Experiment läßt sich das leicht erreichen, und
in unseren Versuchsreihen., die sämtlich in ruhender Luft und bei
mittlerer relativer Feuchtigkeit angestellt wurden, ist es erreicht. Aber
bei der Übertragung auf die wirklichen Verhältnisse des Klimas, bei Be¬
obachtungen im Freien, können wir die anderen Faktoren, besonders den
Wind, kaum jemals ganz ausschalten — wir müssen also hier, um den
Einfluß der physiologischen Faktoren rein zu erhalten, erst auch für die
übrigen physikalischen Faktoren die Gesetze finden.
Tabelle V.
a
b
c
d
Luft-
Stirn temperatur
in der Windstille
Stirntemperatur
c-b
c-d
temperatur
gemessen
berechnet 1
im Wind von:
gemessen
17*7° C.
29 «9
31*17
l*6 m pr. Sek.
25*4
1*27
5*77
17*8 „
29*9
31-20
3*^ ff ff
21.3
1-30
9-9
17*8 „
29*9
31-20
4*3 »
20*1
1*30
11.1
18*8 ,.
31-5
81-50
4*0 ff ff
19-5
0
12-0
18*8 „
31-5
31-50
4*1 „ „
22-2
0
9*3
19*1 „
31-6
31-58
2*4 „ „
23*2
-0*02
8*38
19*6 „
31-5
31*74
6-0 „ „ i
23-8
0-24
7*94
20*6 „
31*2
32*05
5*4 ff ff
23*9
0*85
8*15
1 Nach der Formel H = 25*88 + 0*302 L.
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22 Hans Reichenbach und Bbuno Heymann: Beziehungen usw.
In erster Linie kommt hier die Luftbewegnng in Betracht, mit deren
Untersuchung wir bereits beschäftigt sind. Einige Zahlen aus Vorversuchen,
welche den mächtigen Einfluß dieses Faktors illustrieren, sollen hier mit-
geteilt werden. (Vgl. Tabelle V.)
Da durch die Untersuchungen von v. Schuckmann 1 und Hev-
mann* eine gesetzmäßige Beziehung zwischen Windgeschwindigkeit und
der Wärmeabgabe toter Objekte nachgewiesen ist, muß sich auch die
Oberflächentemperatur aus Temperatur und Geschwindigkeit der Luft er¬
geben. Ob die Luftfeuchtigkeit rein physikalisch genommen bei trockner
Haut große Bedeutung besitzt, erscheint fraglich, da die Leitungsfähigkeit
und Wärmekapazität feuchter Luft nicht sehr von der der trocknen ver¬
schieden ist. Und die Sonnenstrahlung, bei der sich eine gesetz¬
mäßige Beziehung wohl auffinden ließe, kommt an sich als klimatischer
Faktor weniger in Betracht, da sie zweifellos viel häufiger indirekt, durch
Erwärmung der Luft und der Umgebung wirkt — wobei sie in der Luft¬
temperatur ihren Ausdruck findet — als direkt, durch Bestrahlung des
menschlichen Körpers.
So würden es also von rein physikalischen Faktoren im wesentlichen
Temperatur und Geschwindigkeit der Luft sein, durch welche die Ober¬
flächentemperatur des Körpers bestimmt wird. Wenn es gelingt, für den
kombinierten Einfluß dieser beiden Momente eine Formel abzuleiten und
am Körper die Konstanten dieser Formel, ohne daß sich zu große indi¬
viduelle Verschiedenheiten bemerkbar machen, zu finden, so hätten wir
damit ein Mittel, die Wirkung der physiologischen Regulierung in jedem
Falle für sich allein zum Ausdruck zu bringen.
Die Differenz zwischen Beobachtung und Rechnung muß dann, da
die in Betracht kommenden physikalischen Faktoren nun vollständig in
der Formel berücksichtigt sind, nur auf Rechnung physiologischer Momente
gesetzt werden. Sollte sich dann herausstellen, daß innerhalb eines nicht
zu kleinen Intervalles auch hier die physikalischen Beziehungen das Aus¬
schlaggebende sind, so würden wir damit in der Lage sein, die Wirkung
der hauptsächlichsten thermischen Faktoren, der Lufttemperatur und des
Windes, auf die Temperatur der Stirnhaut zu berechnen. Weitere Unter¬
suchungen müssen dann lehren, wie weit die Temperatur der Stirnhaut
für die Temperaturemplinduug des ganzen Körpers als Maß dienen kann,
und wie weit diese Beziehungen durch Luftfeuchtigkeit und Kleidung be¬
einflußt werden können.
1 v. Schuckmann, Der Einfluß der Windgeschwindigkeit auf die Wärmeabgabe.
Diese Zeitschrift. Bd. XLVI.
* B. Heymann, Über den Einfluß des Windes auf die Wärmeabgabe toter
Objekte. Ebenda. Bd. XLVI. S. 196.
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Breslau.]
Untersuchungen über die Wirkungen klimatischer
Faktoren auf den Menschen.
Von
Prof. Dr. Hans Reiohenbach und Privatdozent Dr. Bruno Heymann.
II. Mitteilung:
Beeinflussung der Körperwärme durch Arbeit und
Beschränkung der Wärmeabgabe.
Frühere, auf Anregung und unter Leitung von Hm. Geheimrat
Flügge im hiesigen hygienischen Institut ausgeführte Untersuchungen 1
haben den Nachweis erbracht, daß,
„wenn in geschlossenen, mit Menschen gefüllten Räumen gewisse Ge¬
sundheitsstörungen, wie Eingenommenheit des Kopfes, Schwindel, Übel¬
keit usw. sich bemerkbar machen, diese Symptome lediglich auf eine
mit Erhöhung der Körpertemperatur und Steigerang der Feuchtigkeit
in den den Körper umgebenden Luftschichten einhergehende Wärme-
stauung zurückzuführen sind“,
und daß auch im Freien
„die thermischen Verhältnisse der uns umgebenden Luft — Wärme,
Feuchtigkeit, Bewegung — für unser Wohlbefinden von erheblich
größerer Bedeutung sind als die chemische Beschaffenheit.“
Es hatte sich weiter zeigen lassen, daß unter den drei genannten
Faktoren hohe Lufttemperatur, bis zu erheblichen Graden hinauf, recht
gut ertragen wurde, wenn sich die Feuchtigkeit in mittleren Grenzen
1 Flügge, Über Luftverunreinigung, Wärmestauuug und Lüftung in geschlos¬
senen Bäumen. Diese Zeitschrift. Bd. IL. — Sowie die anschließenden Arbeiten von
B. Heymann, L. Paul and W. Ercklentz.
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Hans Reichenbach und Bbuno Heyhann :
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hielt und die Luft bewegt war; etwas ungünstiger wirkte die Kombination
von hoher Luftwärme und hoher Feuchtigkeit; geradezu ausschlag¬
gebend aber erwies sich die Luftbewegung für den Eintritt jener krank¬
haften Erscheinungen: In ruhender Luft setzten sie schon bei niedriger,
sonst ganz indifferenter Temperatur und mittlerer Feuchtigkeit nach
kurzem mit reaktiver Sicherheit ein; in bewegter Luft blieben sie aus
bzw. verloren sich wieder.
Die Beweiskraft dieser Untersuchungen sind von Rietschel 1 , Krump-
holz* u. a. anerkannt und gewürdigt worden. Dagegen haben Rubner 3
und seine Schüler Wolpert 4 und Peters 5 die Anthropotoxin-Theorie
aufrecht zu erhalten gesucht. Bezüglich der von Wolpert angestellten
Versuche sei auf die ausführlichen Entgegnungen Heymanns 6 hin¬
gewiesen, welche Wolpert 7 nicht zu entkräften vermochte. Die Ver¬
suche von Peters aber, nach denen „das Kondenswasser menschlicher
Ausatmungsluft die Tätigkeit des isolierten Froschherzens schwächt“, ver¬
lieren allein schon durch das eigene Zugeständnis des Autors, daß „die
Wirkung sehr geling ist und immerhin an der Grenze dessen steht, was
wir als Schädigung bezeichnen können“, jede praktische Bedeutung.
Weitere Einwände gegen unsere Ergebnisse sind nicht erhoben worden.
Wohl aber hat kurz nach ihrer Veröffentlichung und offenbar noch ohne
ihre Kenntnis Gaetano Angelici 8 nach einem kritischen Überblick über
die bisher vorliegende, einschlägige Literatur gleichfalls den Schluß ge¬
zogen, daß toxische Exspirationsprodukte bislang durchaus nicht nach¬
gewiesen sind, daß vielmehr „wahrscheinlich die Vergiftungserscheinungen
‘Rietschel, Die nächsten Aufgaben auf dem Gebiete der Heizungs- und
Lüftungstechnik. Gesundheits-Ingenieur. XXVIII. Jahrg. Nr. 20.
* Krumpholz, Hygienische Aufgaben der Lüftung geschlossener Räume auf
Schiffen. Mitteilungen aut dem Gebiete des Seewesens. 1905. Hft. 10.
* Rubner, Gesunde und ungesunde Luft. Ein Beitrag zur Hygiene der Gro߬
stadt. Blätter für Volksgesundheitspflege. Jahrg. VII. Nr. 2 und 3.
* Wolpert, Wird die Kohlensäureabgabe des Menschen durch Beimengung von
Ausatmungsluft zur Einatemluft beeinflußt? Archiv für Hygiene. 1903. Bd. XLVII.
8 Peters, Die Wirkung des Kondenswassers aus menschlicher Atemluft und
aus Verbrennungsgasen einiger Lcuchtmaterialien auf das isolierte Froschherz. Ebenda.
Bd.LVH.
* Heymann, Über den Einfluß wieder eingeatmeter Exspirationsluft auf die
Kohlensäureabgabe. Diese Zeitschrift. 1905. Bd. IL. S. 388 und: Erwiderung auf
die Entgegnung Wo Iper ts-. Wird die Kohlensäureabgabe des Menschen usw.?
Ebenda. Bd. L. S. 535.
T Wolpert, Wird die Kohlensäureabgabe des Menschen usw.? Eine Entgegnung.
Ebenda. Bd. L. S. 529 und: Bemerkungen zu Dr. Heymanns Erwiderung: Wird
die Kohlensäureabgabe des Menschen usw.? Ebenda. Bd. LI. S. 175.
* Gaetano Angelici, Le sostanze tossiclie dell’ aria espirata e oonfinata. 11
Policlinico. Anno XII. Fase. 12 u. 13.
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Original frorn
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Körperwärme bei Abbeit und beschränkter Wärmeabgabe. 25
in einem geschlossenen oder schlecht ventilierten Wohnraume haupt¬
sächlich der Anhäufung des Wasserdampfs und deren Wirkung auf den
Organismus, nämlich der Verminderung der Wasserausscheidung und der
Wärmeabgabe, zur Last zu legen sind.“
Im Widerspruch mit der neuen Anschauung scheint aber zunächst
die Tatsache zu stehen, daß zahlreiche Menschen einen erheblichen Teil
ihres Lehens zubringen müssen unter Entwärmungsbedingungen, die hei
den vorliegenden, kurze Zeit dauernden Versuchen bereits starke Be¬
schwerden verursachten und bei längerer Fortdauer sicher unerträglich
geworden wären, — und dies bei völliger Ruhe der Versuchspersonen.
In vielen Berufen wird aber zugleich oft schwere körperliche Arbeit ge¬
leistet und dadurch die Wärmeproduktion noch erheblich gesteigert.
Schon diese allein kann so bedeutend werden, daß auch bei günstigen
äußeren Entwärmungsverhältnissen die Abgabe der ganzen plötzlich pro¬
duzierten Wärme auf Schwierigkeiten stößt; eine besonders starke Wärme¬
stauung ist aber zu erwarten, wenn zu dieser starken Wärmeproduktion
sich ungünstige äußere Entwärmungsverhältnisse hinzuaddieren.
Hier kommen in erster Linie die Bergleute und Tunnelarbeiter in
Betracht In Bergwerken, wie in Tunnels sind vielfach alle drei Momente,
durch welche die Wärmeabgabe erschwert wird, — hohe Lufttemperatur,
große Feuchtigkeit und geringe Luftbewegung — gleichzeitig vorhanden.
Außerdem kommt häufig noch hohe Gesteinstemperatur hinzu, welche
die Entwärmung des Körpers durch Strahlung erschwert. Wir müssen
also erwarten, hier sehr hohe Grade von Wärmestauung und demgemäß
schwere körperliche Störungen anzutreffen. Es ist aber von vorneherein
ausgeschlossen, daß bei diesen Arbeitern dauernd ähnliche Beschwerden
vorhanden sind, wie sie bei unseren Versuchspersonen auftreten: dadurch
würde jede Arbeitsleistung unmöglich gemacht werden.
Es liegt nahe, die Erklärung für dieses abweichende Verhalten in
dem Einfluß der Gewöhnung zu suchen. Diesen Einfluß könnten wir
uns so vorstellen, daß entweder durch ihn das Zustandekommen der
Wärmestauung erschwert bzw. ganz verhindert wird, oder daß bei objektiv
vorhandener Wärmestauung nur die subjektiven Symptome ausbleiben;
oder es könnten beide Momente zusammen wirksam sein.
Aus den bis jetzt vorliegenden Angaben lassen sich keine bestimmten
Schlüsse über die Richtigkeit der einen oder der anderen Erklärung ziehen.
Die einzigen uns bekannten, in Bergwerken angestellten Untersuchungen
vonHaldane 1 sind unter so extremen Bedingungen ausgeführt, daß hier
auch erhebliche subjektive Symptome beobachtet wurden. Haldane maß
1 Haldane, J. S., The infiuence of high air temperatures. The Journal of
Hygiene . 1905. Vol. V. p. 494.
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26
Hans Reichenbach und Beuno Heymann:
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in den sehr heißen Zinn- und Kupferminen von Levanth und Dolcoath,
die sich etwa eine Meile unter dem Spiegel des Atlantischen Ozeans er¬
strecken, drei Arbeiter, zwei ron ihnen in ruhiger und mit Feuchtigkeit
gesättigter Luft von 34*4° C, einen in gleich stiller und feuchter Luft
von 81 *5° C. Die Körper-(Rectum-)Temperatur der ersteren erhob sich
bis 40*1° (gegen 36*8 bis 37*1° über Tage); oberhalb einer Rectum-
Temperatur von 38*5° kam es auch zu subjektiven Beschwerden; es
stellte sich Sausen im Kopfe und allgemeines Unbehagen („throbbing in
the head and feeling of general discomfort“) ein. Der dritte Arbeiter
wurde 2 3 / 4 Stunden lang beobachtet; seine Körpertemperatur stieg bis
zum Ende des Versuchs und zwar bis 39*3°, die Pulsfrequenz bis 130.
Subjektive Beschwerden traten bei ihm bereits bei 38° Rectum-Temperatur
auf. — Trotz dieser extremen klimatischen Bedingungen scheinen dem
Autor die Arbeiter dieser Gruben keinerlei dauernde körperliche Schädi¬
gungen zu erleiden, sondern sich sogar einer für Bergleute ungewöhnlich
(„exceptionally“) guten Gesundheit zu erfreuen, welche sie nach Haldanes
Ansicht der infolge der hohen Feuchtigkeit relativ sehr geringen Staub¬
inhalation zu verdanken haben.
Au Tunnelarbeitern hat Stapff 1 , der leitende Oberingenieur des
Gotthardt-Tunnels, ausgedehnte Versuche unternommen. Stapff stellte
sich beim Vordringen in immer tiefere Schichten des Gebirgsstockes die
Frage, bis zu welchen Lufttemperaturen im Innern des Stollens die Ar¬
beiten ohne gesundheitliche Bedenken würden fortgesetzt werden können
Unter diesem Gesichtspunkte hat er eingehende Studien über die Luft-
und Gesteinstemperatur im Tunnel, sowie über die Körperwärme der
Arbeiter angestellt. Leider hält er gerade die letzteren Beobachtungen
(Messungen in der Mundhöhle) für so unsicher, daß er sich nur auf die
Wiedergabe der an sich selbst, einem Obristleutnant und dem Chef des
mineurs gemachten Untersuchungen beschränkt. Bei den maximalen
Lufttemperaturen von 30*07 und 30*5° erhob sich Stapffs Mund¬
temperatur von 36*4° in der Norm auf 38*5 bzw. 38-44°; ganz ähnlich
die des Obristleutnants bei 29-8° Lufttemperatur auf 38*4°, während der
Chef des mineurs, also ein „habitueller“ Tunnelbefahrer, wenn auch kein
eigentlicher Tunnelarbeiter, erst bei einer um 2° höheren Lufttemperatur
ebenso hohe Mundtemperaturen erreichte. — In einer mit Feuchtigkeit
gesättigten Luft von etwa 31° konnte die Arbeit noch anstandslos ge¬
leistet werden. Allerdings vertrugen die aus dem Norden zugewanderten
Arbeiter das Tunnelklima schlechter als die Italiener, gewöhnten sich
aber vielfach auch allmählich daran.
1 Stapff, Studien über den Einfluß der Erdwärme auf die Ausführbarkeit von
Hoehgebirgstunnels. Du Bois Archiv f. Anat. u. l J hysiol. 1879. Suppl.-Bd. S. 72.
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Köbpebwäbme bei Abbeit und beschbämkteb Wäbmeabgabe. 27
Ans anderen Berufen liegen für unsere Frage verwertbare Angaben
nur vereinzelt vor. Kur rer 1 hat auf einer Seereise von Hamburg nach
Java und zurück durch das Mittel* und Bote Meer an 34 Heizern —
bis auf 5 Europäer sämtlich Hindus — die Körpertemperaturen während
der Arbeit in den Maschinenräumen gemessen. Aus seinem an inter¬
essanten Angaben reichen Bericht geht hervor, daß „es selbst bei den
Hindus, einer Menschenrasse, die durch ihre ganze Lebensweise und
Kleidung zum Ertragen hoher Temperaturen besonders geeignet erscheint,
im tropischen Klima bei gesteigerter Arbeit zur Wärmestauung kommt;
der Grad derselben — bei den Hindus unter gleichen Bedingungen fast
gleich, bei den Europäern sehr schwankend — zeigt sich nicht sowohl
von der Höhe der Umgebungstemperatur und dem Sättigungsverhältnis
der Luft mit Wasserdampf, als von der Luftbewegung abhängig.“ Das
durchschnittliche Temperaturmaximum der Hindus, 38« 1° gegen 37*0°
in der Ruhepause, wurde bei 56° C im Heizraum, 40 Prozent relativer
Feuchtigkeit und Windstille erreicht; unter sonst ganz gleichen Be¬
dingungen, aber bei ordentlicher Brise, fiel die Körperwärme im
Mittel auf 37*6°. „Trotz dieser fortgesetzt erhöhten Temperatur war
nicht ein Hindu schlaff und unfähig zur Arbeit geworden“, während von
fünf weißen Heizern trotz kurzer Dienstzeit von nur 2 Stunden und
anderer Erleichterungen jeder Art nicht weniger als drei Hitzschläge
erlitten.
Die eingehendsten Erfahrungen über den Einfluß der meteorologischen
Faktoren auf die Wärmeökonomie des berufstätigen Menschen liegen für
Soldaten auf dem Marsche vor. Auch bei diesen zeigte sich, daß bei
ungünstigen Entwärmungsbedingungen Wärmestauung auftritt. Da hier
der Einfluß der Gewöhnung wegfällt, wurden auch die subjektiven Sym¬
ptome — ähnlich wie in unseren Laboratoriumsversuchen — beobachtet.
Die Veranlassung zu diesen Untersuchungen gab der im Heere be¬
sonders häufige „Hitzschlag“, die einzige Krankheit, die schon lange und
allgemein auf Überwärmung des Körpers zurückgeführt wurde. Die erste
wissenschaftliche Begründung dieser Auffassung verdanken wir Hiller*,
welcher die ursächlichen Beziehungen durch zahlreiche Messungen der
Körpertemperatur marschierender Soldaten und durch gleichzeitige Be¬
obachtung der Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit
1 Kurrer, Über Temperaturerhöhungen bei Heizern. Deutsche Vierteljahrs-
Schrift für öffenll. Gesundheitspflege. 1S92. Bd. XXIV. S. 291.
* Hill er, Über Erwärmung und Abkühlung des Infanteristen auf dem Marsche
und den Einfluß der Kleidung darauf. Deutsche militär-ärztliche Zeitschrift. 1885.
Hft. 7 u. 8. — Weitere Beiträge zur Kenntnis der Wärmeökonomie des Infanteristen
auf dem Marsche und zur Behandlung des Hitzschlages. Ebenda. 1886. Hft. 7, 8, 9.
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28 Hans Reichenbach und Bruno Heymann: •
i
i
genauer festgestellt hat. Seine Ergebnisse stimmen mit unseren Labo¬
ratoriumsversuchen gut überein: Selbst bei niedriger Lufttemperatur und
mäßiger Feuchtigkeit befiel die Soldaten unter beträchtlichem Anstieg
ihrer Körperwärme Schlaffheit, Kopfschmerz, Schwindelgefühl, ja völlige
Ohnmacht, wenn die Luft, wie namentlich in Wäldern, fast regungslos
still lag; andererseits verlor aber selbst ein so gefahrdrohendes Zusammen¬
treffen wie sehr hohe Lufttemperatur, hohe Luftfeuchtigkeit und intensivste
Sonnenstrahlung seine verhängnisvolle Wirkung, wenn gleichzeitig ein leb¬
hafter Wind herrschte.
Zu ähnlichen Schlüssen kommen Zuntz 1 , Sc hum bürg 1 und Ner-
king*, welche neuerdings die gesamte „Physiologie des Marsches“ einer
sehr sorgfältigen Bearbeitung unterzogen haben. Es ergab sich, daß der
überwiegende Teil der Wärmeabgabe (in extremen Fällen bis 95 Prozent)
durch Wasserverdampfung und zwar fast ausschließlich durch die Haut I
erfolgte. Auch hier zeigte sich der Einfluß der Luftbewegung: in einer
warmen, mit Feuchtigkeit nahezu gesättigten Luft traten unter Temperatur- j
Steigerung und Schweißausbruch Erscheinungen von Wärmestauung auf; I
aber die durch das Marschieren bewirkte Luftströmung und der im Freien
nie ganz fehlende Wind genügten, um eine starke Wasserverdunstung an
den durchnäßten Kleidern zu unterhalten und so schwereren Symptomen
vorzubeugen. — Da die letzteren Beobachtungen nicht geeignet sind, gerade
den Einfluß der Gewöhnung auf die subjektiven und objektiven Wärme¬
stauungssymptome hervortreten zu lassen, so mußten weitere Unter- !
suchungen, besonders an Arbeitern in warmen Bergwerken, dringend er¬
wünscht sein. Wir haben daher, als im Jahre 1905 der Herr Handels¬
minister eine genauere Orientierung über die Entwärmungsverhältnisse
der in warmen Steinkohlengruben beschäftigten Arbeiter wünschte, gern
diese Gelegenheit benutzt, um in einigen tiefen Bergwerken in Ober¬
schlesien und im Saarrevier genauere Studien anzustellen über die dortigen
Entwärmungsverhältnisse und über die Art, wie die Grubenarbeiter auf
diese reagieren, andererseits aber über die Eutwärmung von Arbeitern, die
über Tage zum Teil mit ähnlichen Arbeiten wie die Bergleute beschäftigt
waren.
I. Beobachtungen an Arbeitern Aber Tage.
Im Hinblick auf die Untersuchungen in den Gruben, für welche
kompliziertere Methoden nicht in Aussicht genommen werden konnten, be-
1 Zuntz u. Sch umburg, Die Physiologie des Marsche*. Bibliothek v. Coler.
Berlin 1901.
* Oskar Nerking, Inaug .-Dissertation. Berlin 1896.
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Körperwä rme bei Abbeit und beschränktes Wärmeabgabe. 29
schränkten wir uns auf die Feststellung der Körpertemperatur und der Puls¬
zahl. Die erstere wurde zumeist in der Achselhöhle, einige Male auch im
Harnstrahl gemessen, eine Methode, die zuerst von Oertmann 1 , dann u. a.
von Zuntz und Schumburg 8 angewandt und empfohlen wurde. Als
Thermometer dienten uns hierbei nach unseren Angaben hergestellte, knie¬
förmig gebogene Quecksilberinstrumente, die bei der Messung unmittelbar
vor die Mündung der Harnröhre zu halten sind, so daß der Hamstrald
nicht senkrecht auf das Gefäß auftrifft, sondern an ihm entlang fließt. Die
genaueren Versuchsbedingungen, insbesondere die Witterungsverhältnisse,
Alter und Kleidung der Arbeiter, die Art ihrer Beschäftigung und die
Untersuchungsergebnisse sind in Tabelle I und II zusammengestellt.
Tabelle I betrifft eine Beobachtungsreihe an Bauarbeitern in kühler
Jahreszeit Es ergibt sich, daß bei mäßiger Arbeit die durchschnitt¬
liche Aohseltemperatur zwischen 36-51 und 36*72° C gegen 36*38° in
völliger Buhe beträgt. Bei schwerer Arbeit erheben sich die Mittel
dreimal nicht höher als bei normaler; dreimal gehen sie darüber hinaus,
jedoch nur um höchstens 0*6°. Vereinzelt treten allerdings auch recht
hohe Werte, bis 37*8°, auf. Doch ist dies nur bei äußerster An¬
strengung und auch dann noch nur bei gewissen Individuen der Fall,
z. B. dem Akkordarbeiter Kn. nach stundenlangem, hastigem Transport
von je 130 Pfund Schlacke auf steiler Leiter bis zum ersten Stockwerk.
Aber selbst bei erheblichen Steigerungen der Körpertemperatur genügte
eine 1 ständige Buhezeit zur Bückkehr auf die normale oder nahezu nor¬
male Tiefe. Doch mußte, wie die mit 1.2,3 bezeichneten Ausnahmen
deutlich beweisen, die Arbeitspause auch wirklich völliger Buhe gewidmet
werden, um eine so günstige Wirkung auszuüben.
Während demnach die Körpertemperatur von der Arbeit nicht regel¬
mäßig und nur ausnahmsweise in höherem Grade beeinflußt wird, ergibt
sich zwischen Arbeit und Pulszahl anscheinend ein etwas besserer Paralle¬
lismus. In Buhe und bei mäßiger Arbeit beträgt das Pulsmittel 72 bis 77
Schläge pro Minute, in schwerer Arbeit stets mehr, 84 bis 112, im
IVfaTimiim 112. — Eine Belation zwischen Pulszahl und Körpertemperatur
scheint nur insofern zu bestehen, als hohe Körperwärme immer von
frequentem Pulse begleitet ist, während umgekehrt nicht selten hohe
Pulse mit niedrigen Körpertemperaturen vereinbar sind. Oder mit anderen
Worten: Die Arbeitsleistung beeinflußt weit leichter die Blutzirkulation
als die Körperwärme; unter sonst gleichen Bedingungen hält sich letztere
trotz Arbeit in normalen Grenzen oder nur wenig darüber.
1 Oertmann, Eine einfache Methode zur Messung der Körpertemperatur.
Pflügers Archiv. Bd. XVI. S. 101.
* Znntz u. Schumburg, Die Physiologie des Marsches. Berlin 1901.
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30 Hans Reichenbach und Beitno Heymann :
Tabelle L Beobuk*
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Wlhrend der Arbeit: (
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Lufttemp.:
8 -2° C.
9*6» C.
9*6° C.
lO-tCC.
Versuchs-
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Relative
Feuchtigk.:
78 Prozent
69 Prozent
57 Prozent
60 Prozent
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Temp.
Puls
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Mittel -
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Arbeit /
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37*23 112
(,
1 Herumgegangen. * Zum Mittagessen schnell nach Hause gelwf®
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Köbpebwäbme bei Arbeit und beschbänkteb Wäbmeabgabe. 31
iangen an Baaarbeitern.
Nach ainstOndigar Mitlagspausa:
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11 b
Vb
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1° c.
13*0° C.
9*6°
c.
10*4° C.
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Art der Arbeit
(schwere = *)
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Puls
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Temp.
Puls
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Temp.
Puls
7-5*
CD
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*
36-6
72
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* Mauer herausstemmen
36*5
74
36-7
72
37*1
80
Mauern. Mauerfugen
verstreichen
36*8
78
7.2*
96*
36*2
76
Mauern. — * Mauer heraus-
stemmen
36-4
96
36-0
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7-8*
120 *
36*7
76
Mauern. — * Mauer heraus¬
stemmen
36-1
72
36-7
72
36-9
64
Mauern. — * Mauer beraus-
stemmen
36*4
66
36-5
68
Mauern; Mauerfugen
verstreichen
35-9
66
37-0
90
Mauern; Mauerfugen
verstreichen
36-2
86
i
36-8*
84*
Mauern; Mauer waschen. —
* Mauer herausstemmen
36*0
68
I
6-5*
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36-1*
84*
♦Zutragen von Schlacke
und Ziegeln (im Akkord)
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♦Zutragen von Schlacke
und Ziegeln (im Akkord)
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♦Zutragen von Schlacke
und Ziegeln (im Akkord)
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37-0*
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*
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fahren. — * Ziegeln abladen
36*1
| 80
|
Nebenarbeiten; auch Hilfe
beim Schlackentragen
36*7
60
i
Botengänge, Hilfeleistungen
i
1
:
1
I
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36*68
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Ruhe
36-37
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i
109
i
36*70
84
i
* Zum Mittagessen schnell nach Hause gelaufen.
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32
Hans Reichenbach und Bruno Heymann:
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Tabelle II.
Beobachtungen an Straßenarbeitern.
I. Lufttemp. 23*2° C. Relative Feuchtigkeit 70 Proz. Völlige Windstille.
Versuchs¬
person
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(schwere = *)
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3. Ho.
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62 dickes Hemd 36-3*
: 56 wollenes Hemd 37*3*
18 wollenes Hemd 37*1*
18 zwei Hemden 36*3*
33 wollenes Hemd 37-2*
120*
, 72*
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120*
1 104*
1 108*
Mit der Spitzhacke „gepickt“
ebenso
1 ebenso
ebenso
'Gepickt u. hastig Schutt aufgelad.
| ebenso
II. Luftte
1. Ne.
2. Ma.
3. He.
Mittel: schwere A. | 36-93 ,
1
imp. 27*4° C. Relat. Feucht;
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35 Leinwand-u.Wollhcmd 36-9*
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♦ebenso
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III. Lufttemp. 27*8° C. Relat. Feuchtigkeit 54 Proz. Wind 2^4 m p. S.
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36-7*
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4.
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Mittel: <
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schwere A.
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Gck 'gle
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Körperwärme bei Arbeit und beschränkter Wärmeabgabe. 33
IV. Lufttemp. 29*8° C. Relat. Feuchtigkeit 36 Proz. Wind 1—2 m p. S.
Versuchs¬
person
Alter in Jahr.
Kleidung
Wäh
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Art der Arbeit
(schwere = *)
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30
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2.
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36-2
72
ebenso
3.
Ma.
40
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36-6
90
Steine ausheben
4.
Na.
40
drei Hemden!
36-8
80
Schutt und Boden aufgeladen
5.
Pe.
43
Wollhemd
36-7
72
ebenso
Mittel: leichte A.
36-5
78
Beobachtungen an Straßenarbeitem in schwülster Sommerhitze (Tab. II)
hatten ein ähnliches Ergebnis. Die Temperaturmittel in der Ruhe be¬
trugen 36*46°, also fast genau so viel wie bei den Bauarbeitern in
kühlerer Jahreszeit, aber dementsprechend in wärmerer Kleidung. Des¬
gleichen betrug bei gewöhnlicher Arbeit die durchschnittliche Achsel¬
temperatur nicht über 36-5°, selbst nicht bei 29*8° Lufttemperatur.
Aber auch bei schwerer Arbeit wurde das Durchschnittsmaiimum von
37*2° nur ausnahmsweise überschritten. Nur bei völliger Windstille
(Versuchsreihe I) oder — trotz lebhafterer Luftbewegung — bei aller¬
äußerster Anstrengung (Versuchsreihe III) steigt die Körperwärme auf
37*3 bis 37*4°, ein einziges Mal auf 37*8°. Solche Körpertemperaturen
kennzeichnen dann allerdings die Grenzen der normalen Leistungs¬
fähigkeit; trotz leichtester Kleidung waren die Leute in Schweiß gebadet
und aufs höchste erschöpft. In der Tat war am Tage vor der Beob¬
achtungsreihe III unter ganz ähnlichen Witteruugsverhältnissen und bei
gleicher Arbeit ein Mann vom Hitzschlag getroffen worden. — Die Puls¬
frequenz betrug bei mäßiger Arbeit und in der Ruhe 77 Schläge pro
Minute, bei schwerer Arbeit 102, eine im Hinblick auf die Körper¬
temperatur relativ niedrige Zahl. Besonders niedrig erscheinen die Puls¬
zahlen bei Ku. und Ze. im Versuch III; doch sind diese Zählungen
insofern nicht sicher, als die Leute infolge der enormen Anstrengung
stark zitterten, und der Puls erst nach minutenlangem Warten und nicht
ohne Druck gezählt werden konnte.
Das Ergebnis der Untersuchungen an Arbeitern im Freien läßt sich
also kurz dahin zusammenfasseu, daß bei gewöhnlicher Arbeit die Körper-
Zeitschr. f. Hygiene. LVII. 3
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34 Hans Reichenbach und Bbuno Heymann:
temperatur nicht über 37*0°, bei schwerster Arbeit gewöhnlich nicht
über 37-2° hinansgeht.
II. Beobachtungen an Bergarbeitern.
Die Untersuchungen an Bergleuten wurden in Steinkohlengruben der
oben genannten Reviere mit Pfeiler- und mit Strebbau angestellt. Da
die Eigenart dieser beiden Betriebsweisen zum Verständnis des Folgenden
erforderlich ist, sei kurz erwähnt, daß der „Pfeilerbau“ besonders in
Bergwerken mit starken Flötzen von mehreren Metern Mächtigkeit be¬
trieben wird und darin besteht, daß von einem Gange aus die Kohle in
großen Blöcken seitlich und oben herausgesprengt wird, und auf diese
Weise Querschnittsverbreiterungen des Ganges von mehreren Metern Höhe
und Breite entstehen. Der „Strebbau“ dagegen geschieht besonders bei
flachliegenden, wenig mächtigen Flötzen; bei ihm liegen die Abbaustellen
treppenartig übereinander zwischen dem wertlosen Gestein und stehen
mit wenig wechselndem Querschnitt in Verbindung miteinander. 1
Die Beobachtungen wurden an möglichst verschiedenartigen Betriebs¬
punkten ausgeführt und zwar an 28 im Abbau befindlichen „Orten“,
sowie an sechs anderen Stellen, die zwar nicht „belegt“, aber für die
Beurteilung des Grubenklimas von Interesse waren. (Vgl. die Tabellen in
und IV.) Wie bei den Untersuchungen über Tage zerfiel die Aufgabe
auch hier in einen klimatischen und einen physiologischen Teil.
1. Klimatische Beobachtungen,
a) die Lufttemperatur.
Die Bestimmung der Lufttemperatur und gleichzeitig der Luftfeuch¬
tigkeit geschah mittels Assmanns Aspirationshygrometer und zwar in
Kopfhöhe. Die Temperatur der belegten Betriebspunkte schwankte zwischen
14*9 und 26*6° in den Pfeiler-, zwischen 20*8 und 29*0° C in den
Strebbauen. In letzteren wurden niedrigere Temperaturen, bis 16°,
nur in weiter Entfernung von den Abbaustellen, insbesondere im ein¬
ziehenden Ventilations-(„Wetter“-)strom unweit vom Schacht angetroffen,
erhoben sich aber in einiger Entfernung davon schnell zu beträchtlicher
Höhe, z. B. in der Maybach-Grube (Tabelle IV) bereits auf der Grund¬
strecke von 17-9 bis auf 22-9°.
1 Im übrigen sei bezüglich der Anlage und Betriebsverhältnisse in den Stein¬
kohlengruben auf die kurzgeiäßte „Beschreibung eines Steinkohlenbergwerkes“ mit
der zugehörigen übersichtlichen Durchschnittszeichnung einer Grube von Ph. Kuhn
in Heinitz (herausgegeben vom „Bergmannsfreund“) verwiesen.
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Körperwärme bei Arbeit und beschränkter Wärmeabgabe. 35
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Bewetterung
Anemometer
eben bewegt;
ebenso
Grubenlampe
leicht
abgelenkt
keine meß-
oder fühlbare
Luft¬
bewegung
desgl.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Köbpebwäbme bei Abbeit und beschbänkteb Wäbmeabgabe. 37
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Digitized by
Gck igle
Original frarn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
38
Hans Reichenbach und Bbuno Heymann:
Tabelle IV. Beobachtung«
Lfd. Nr.
des Ortes
!
Klimatische Beobachtungen
Datum
1905
Ort
der Beobachtungen
Lufttemp.
Grad C.
.
Bei. Luft-
feuchtigk.
in Proz.
Gesteins-
Temperatur
Bewetterung
Bemerkung:
i
25. IX.
Brefeld-Grobe
Hauptquerschlag nach
Süd auf derWettersohle
(Wetterstation), 424 ■
Teufe, unweit vom zu¬
führenden Schacht.
16-0
94-0
Starker Wetterstrom, j
mittlere Geschwindig-!
keit ca. 2 m p*o Sek. i
Ventilationsgröße
330 cbm pro Miaute.
Wetfcerstatbt :
den Betrieb :
Mittelfeld t:
der Wetter? :
60 Mann Br!
sehaft.
n
99
desgl.
Wettersohle, Mittel¬
feld, Flötz 2, Strebe 8.
24-2
92-0
Starker Wetterstrom;
zwischen Strebe 7 u. 8
Geschwindigkeit 1-2 “
pro Sek. Sehr enger
Querschnitt (3-15 qm );
V entilatioti sgröße
283 cbm pro Minute.
Auf Strebt '
5 Mann;
auf Strebe *
8 Mann.
in
99
desgl.
Westfeld. Flötz 3,
Sohle 1, Strebe 3.
27-0
92-6
28-6
Keine Bewetterung.
Anemometer steht stall.
Neben der Baustelle
eben fühlbare Luft¬
bewegung.
Heißeste, s
gassenart.At-
stelle der Gr.
liegt v zufntr-v
den Weite:
schacht alt
weitest, entbrt-
IV
26. IX.
Maybach-Grobe
Umbruch vom Schacht
Albrecht zum Schacht
Marie, Mittelsohle,
nahe an letzterem.
17-9
89-7
l
Wechselnd, bald ein-,
bald ausstreichend.
Auch Temperatur
fühlbar wechselnd.
Die Orte IV. 7
und VI sind -
Zufuhren b:
Wetterstrrb.
für VII, VBU
V
»
desgl.
Richtstrecke, Flötz 6
nach Ost, Mittelsohle.
20-0
86-7
Geschwindigkeit 4 m
pro Sekunde.
VI
99
desgl.
Grundstrecke, Flötz 4
nach Ost, Mittelsohle.
22-9
89-4
Geschwindigkeit
ca. 2 m pro Sek.
i
VII
99
desgl.
Flötz 4 nach Ost,
Mittelsohle, Brems¬
berg 2, Strebe 1.
25*0
l
91-5
Fühlbarer Zug.
VIII
99
desgl.
Flötz 4 nach Ost,
Mittelsohle, Brems¬
berg 2, Strebe 10.
i
1
28-4
j
i
97-0
28-9
Geschwindigkeit
0-8 m pro Sek.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Körperwärme bei Arbeit und beschränkter Wärmeabgabe. 39
io Strebbauen (Spezial-Tabelle).
Physiologische Beobachtungen
Versuchs-,
person
Alter
in
Jahren
Beschäfti¬
gung
Kleidung
Achsel-
Temperatur
Harnstrahl-
Teraperatur
Mund-
höhlen-
Temp.
Puls
Bemerkungen
1 . Ma.
18
Schleppern.Ki.
Hemd,Hose
37-5
72
2 . Scho.
30
Häuer
desgl.
37-1
78
3. Ho.
20
Schlepper i. Kl
ff
37-1
72
4. Zi.
25
Häuer
tf
37-0
37-2
96
5. Ba.
24
••
ft
37-3
78
6 . Dö.
24
»»
tt
37-2
84
7. Re.
32
Häuer
Nur Hose
37-5
37-6
84
8 . Kn.
27
M
tt
37-5
37-7
96
9. Sehe.
28
99
tt
37-7
102
10 . Dü.
20
Schlepper i. Kl.
tt
'
37-4
96
11. Be.
35
Häuer
Hose
37-4
102
12. La.
30
»»
37-4
84
13. Ge.
24
ff
»t
36-8
90
14. Kö.
33
ft
tt
37-4
37 «4
72
13. Ku.II
30
Häuer
Hose
37-5
78
16- Schl.
18
Schleppern.Ki,
9»
37-4
90
17. Kr.
31
Häuer
99
37-6
114
'8. Dö.
24
»»
99
37-6
96
19. Le.
42
9»
99
37-2
96
20. Ze.
27
ff
f#
37-2
90
21. Ba.in
28
ff
99
38-0
102
Difitized by
Go igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Lfde Nr.
Hans Reichenbach und Bruno Heymann:
Tabellen
3
5 Datum
Ort
der Beobachtungen
Klimatische Beobachtungen
■ ~j
1 Lufttemp.
!l (Grad C.)
‘s.spg
• o
% £ a
M«S —
Gesteins-
Temperatur
Bewetterung
Bemerkung»
IX 26. IX. Maybach-Grobe.
Flötz 4 nach Ost,
i Bremsberg 2, Mittel¬
sohle, Strebe 19.
X 27. IX. desgl. Flötz 4,
Wettersohle, ca. 250“
v. ausziehend. Schacht
(Sammelstrecke der
Grubenwetter).
XI „ desgl.
Flötz 6 nach West,
Bremsberg 2, Mittel¬
sohle, Strebe 10.
Geschwindigkeit
1 m pro Sekunde.
Sehr starker Wetter- Nebel undRega
ström; Geschwindig¬
keit 5*8“ pro Sek.
Am Ortstoß keine,
auch nicht fühlbare
Luftbe wegun g; etwas
unterhalb0*23“ p.Sek.
über Tage.
desgl. 27*1
Flötz 6, Teilstrecken-
Strebe 3, Mittelsohle,
Bremsberg 4, nach Ost.
27 • 5 Anemometer steht still. |
An einzelnen Stellen
soeben noch bemerk¬
barer Zug.
XIII 28. IX. Grobe Altenwald. 20-8
Flötz 18, 3. Tiefbau¬
sohle, 320“ Teufe,
1. Querschlag,
Strebe 3 nach West.
desgl. 25-8
Flötz 5, 3. Tiefbau- ,
sohle. 1. Querschlag.
Grundstrecke nach Ost.
desgl.
Flötz 5, 4. Tiefbau-
I sohle. Querschlag 1
gegen Nord. (Grund¬
strecke Stoß 2 gegen
Ost.)
desgl.
Flötz 5,4. Tiefbausohle,
Querschlag 1 gegen
Nord. Grundstrecke.
Digitized by
Google
Stellenweise noch eben 35° Einfällen,
fühlbarer Zug. Mächtigkeit fa i
Anemometer läuft nur Flötzes nur 50*.
an einer einzigen Höhe der Strete
kleinen Stelle eben 60 cm , Breite 3*
noch an. Unterhalb Zwischen den
der Berge 0*2“ p. Sek. Streben Holl¬
bühnen u. Bohlen,
sowie Berge na
Versatz.
Wärmste Stellt
d. ganzen Grob?
In d. Nähe dar:
Spül versatz ein*
geschwemmte,
.faulende* Berg:
Keine meß- oder fühl- Pfeilerartige Ab
bare Luftbewegung, baustelle. ReUtif
mächtiges Fioti
(8-5 -).
Geschwindigkeit
0*26“ pro Sek.
Nach Ort XV
führend. Stolle
ca. 100® tob
jenem entfernt
Original from
UNIVERSITY QF CALIFORNIA
Körperwärme bei Arbeit und beschränkter Wärmeabgabe. 41
(Fortsetzung.)
Physiologische Beobachtungen
^ ersuchs-
1 Alter i
; i
Achsel- Harnstrahl-
Mund-
in
1 Beschäftigung
i Kleidung
höhlen-
Puls
Bemerkungen
person
! Jahren
;
i
j
Temperatur | Tem peratur
! j
Temp.
1
2. Si. I
30
Häuer 1
Hose
37-5 j 1
1
108
J. Si.II
37
n
i»
37-4 | 37*7
102
4. Hü.
26
n 1
ii
37-8 |
108
5. Me.
48
ii
37-8 !
108
6. Be. I
37
Nachreißer
Hemd,Hose
37-7
132
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30
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102
9. Bn. !
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>>
ii
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102
9. Gr.
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37-0
90
9. Me.
31
Häuer
Hose
37-6
90 I
1. Mtt.
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1. Hö.
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5. Schl.
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Häuer
Hose
37-6
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Häuer
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ii
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90
3. Be.
28
Häuer
Hose,Hemd
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4. Mü.
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Arbeitsstelle.
Difitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
42
Hans Reichenbach und Bruno Heyjiann:
Digitized by
b) die Luftfeuchtigkeit.
Die Luftfeuchtigkeit war durchgehends eine erhebliche. Sie hielt
sich an den belegten Betriebspunkten zwischen 91 bis 100 Prozent und
erreichte selbst unweit der einziehenden Schächte und bei trockener
Witterung bereits eine Höhe von mindestens 86*7 Prozent. Nur einmal
auf dem Betriebspunkte X der Pfeilergruben (Tabelle III) wurde eine
Feuchtigkeit von 85 Prozent beobachtet. Gleich uns haben auch andere
Untersucher und gewiegte Kenner der Steinkohlengruben die enorme
Feuchtigkeit hervorgehoben. Feuchtigkeitsgehalte unter 80, ja unter
70 Prozent, wie sie Heise und Herbst 1 auf einigen westfälischen, von
uns nicht befahrenen Zechen gefunden und für allgemeinere Schlu߬
folgerungen verwertet haben, kommen in den Steinkohlengruben sicher
nur ausnahmsweise vor; sie sind auch deshalb kaum möglich, weil die
Bergpolizei zur Verhütung der Kohlenstaubexplosionen ausdrücklich reich¬
lichste Berieselung dieser Betriebe vorschreibt. Auch muß der von Heise
und Herbst zugunsten des Grubenklimas gedeutete Vergleich der ge¬
fundenen Feuchtigkeitsgrade mit dem Feuchtigkeitsjahresmittel von
80 Prozent für Deutschland zu irrtümlichen Schlüssen führen, weil das
entsprechende Temperaturmittel nur 9° beträgt. Wenn bei Temperaturen
zwischen 22 und 29 °C im Binnenlande eine Feuchtigkeit von über 60 Proz.
herrscht, so wird diese schwüle Witterung sehr lästig empfunden und
findet zumeist durch ein Gewitter ihr baldiges Ende.
c) Die Luftbewegung.
Bezüglich der Bewetterung zeigte sich ein fundamentaler Unterschied
zwischen den mit Pfeilern und mit Streben betriebenen Gruben. In den
ersteren war an keinem einzigen Betriebspunkte eine meßbare Luft¬
bewegung nachzuweisen: Bei den Abbaustrecken, durch welche der Wetter¬
strom nicht hindurchgeführt werden kann, bildet das letzte Stück vom
letzten Durchhieb an ein totes Ende, das vom Wetterstrom nicht direkt
berührt wird. In den Pfeilern war allerdings manchmal ein durch¬
streichender Wetterstrom vorhanden. Doch war auch hier seine Geschwindig¬
keit so gering, daß sie selbst mit empfindlichen Instrumenten nicht ge¬
messen, ja nicht einmal am Rauch der Grubenlampe erkannt, sondern
nur durch eine leichte Zugempfindung auf der feuchten Haut wahrgenommen
1 Heise und Herbst, Zur Frage der Begründung eines sanitären Maximal-
arbeitstages für Bergwerke. Glückauf-, Berg- u. Hüttenmännische Zeitschrift. 1905.
XLI. Jahrg. Nr. 19.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Körperwärme bei Arbeit und beschränkter Wärmeabgabe. 43
werden konnte. Trotzdem kann die zugeführte Lnftmenge sehr reichlich
sein: Beim Eintritt in den bestventilierten Pfeiler betrug die Geschwindig¬
keit etwa 20 bis 30 m pro Sekunde, was bei einer Eintrittsöffnung von
3 qm eine stündliche Ventilationsgröße von mehreren 1000 cbm ergibt.
Aber bei dem großen Querschnitt des Pfeilers muß in diesem doch die
Geschwindigkeit auf wenige Zentimeter sinken. Immerhin sind auch so
schwache Wetterströme nicht ohne Wert, sondern vermögen durch die
reichliche Zufuhr kühlerer Luft die Lufttemperatur im Innern des Pfeilers
merkbar herabzusetzen. Im Gegensatz zu den schlecht bewetterten blieb
in den gut bewetterten Pfeilern die Lufttemperatur deutlich hinter der
Gesteinstemperatur zurück, worauf wir sogleich noch zu sprechen kommen.
Ganz anders verhielt sich die Ventilation in den Gruben mit Streb¬
bau. Hier war die Bewetterung, schon wegen der Schlagwettergefahr,,
eine sehr lebhafte. Sie näherte sich stellenweise dem zulässigen Maximal¬
werte von 6 m pro Sekunde, betrug auch an den Abbaustellen nicht selten
noch ca. 1 m pro Sekunde und sank nur an einzelnen bis auf ca. 20 cm
pro Sekunde, ja bis zu noch geringerer, anemometrisch nicht mehr me߬
barer, wohl aber stets noch fühlbarer Luftbewegung. Nur einmal, in
einem pfeilerartigen Streb eines relativ mächtigen Flötzes der Grube
Altenwald (Tabelle IV, Nr. XV), war auch diese schwächste Luftströmung
an keiner Stelle mehr zu konstatieren.
d) Die Gesteinstemperatur.
Es konnte nicht unsere Aufgabe sein, die Temperatur im Innern des
Gesteines, wie sie für geologische Untersuchungen von Interesse ist, zu
messen. Für unsere Ermittelungen konnte streng genommen nur die
Oberflächentemperatur des Gesteines in Frage kommen; von ihr hängt
die thermische Wirkung auf die Arbeiter ab. Da eine genaue Bestim¬
mung der Oberflächentemperatur unausführbar war, haben wir uns auf
die Messung der Temperatur der obersten Schicht beschränkt. Zu diesem
Zwecke wurde in die Kohle ein einige Zentimeter tiefes Loch gebohrt, in
dieses das Thermometergefäß hineingebracht und mit Kohlengrus möglichst
fest zugestopft. Das Thermometer erreichte nach etwa 20 Minuten einen
festen Stand. Meistens wurde an zwei verschiedenen Stellen gemessen
und aus beiden Beobachtungen das Mittel genommen.
Die auf diese Weise gemessene Gesteinstemperatur schwankte in den
Pfeilern zwischen 15*6 nnd 26-4 und hielt sich im allgemeinen in der
Nähe der Lufttemperatur; doch kamen auch größere Abweichungen vor
und zwar nach oben und nach unten in gleicher Häufigkeit. Die größte
Abweichung nach oben betrug 3*1° (nämlich 24*8 bei 21*7° Luft-
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
44
Hans Reichenbach und Bbuno Heymann:
temperatur) und nach unten 3° (nämlich 22-8 bei 25*8° Lufttemperatur).
In den Streben lag dagegen die Gesteinstemperatur stets über der Luft¬
temperatur. Zumeist bewegte sich diese Differenz zwischen 0*3 und 0<9°C,
erreichte aber gelegentlich doch einen Wert von 1*6 und sogar 1*9°.
Dieses konstante Überwiegen der Wand- über die Lufttemperatur in
den Streben im Gegensatz zu den Pfeilern steht in einem ursächlichen
Zusammenhänge mit den verschiedenen Bewetterungsverhältnissen; offenbar
findet die in lebhafter Bewegung erhaltene Luft der Streben keine Zeit,
die Wandtemperaturen in gleichem Maße anzunehmen wie die sehr schwach
bewegte Luft der Pfeiler, in denen die Lufttemperatur nicht nur häufig
die Wand temperatur erreichte, sondern sogar, unter dem Einfluß noch
anderer Wärmequellen, über sie hinaus wuchs.
Kurz zusammengefaßt stellen sich mithin die klimatischen Verhält¬
nisse der Arbeitspunkte in den untersuchten Gruben folgendermaßen dar:
1. Die Lufttemperatur bewegte sich zwischen 14*9 und 29*0°.
2. Die Luftfeuchtigkeit war durchwegs sehr hoch; sie belief sich nur
einmal auf 85 Prozent relative Feuchtigkeit, sonst stets auf über 90 Proz.
bis zur vollen Sättigung.
3. Die Luftbewegung war in den Pfeilerbauen sehr gering, nur aus¬
nahmsweise eben noch fühlbar, nie meßbar; in den Strebbauen dagegen
(mit einer einzigen Ausnahme) stets nachweisbar, meist meßbar und er¬
reichte an zahlreichen Stellen Werte zwischen 1 bis 6 m pro Sekunde.
4. Die Gesteinstemperatur lag in den Pfeilern nicht selten unter
der Lufttemperatur, in den Streben stets über ihr.
2. Physiologische Beobachtungen,
a) Körpertemperatur der Arbeiter.
Die Messungen wurden an 49 im Pfeilerbau und 50 im Strebbau
beschäftigten Bergleuten — Häuern und Füllern — vorgenommen. Eine
Übersicht über die Ergebnisse geben die Tabellen V und VI. Dieselben
zeigen, daß die durchschnittliche Körpertemperatur fast ausnahmslos über
37° liegt; nur an den zwei kühlsten Betriebspunkten liegt sie um 0*1
bzw. 0-2° darunter. Diese erhöhten Temperaturen dürfen nicht etwa
ohne weiteres der körperlichen Anstrengung zur Last gelegt werden; die
Grubenarbeit erfordert im allgemeinen nur mäßige Anstrengungen, die,
wie wir gesehen haben, für sich allein zu erheblicheren Temperatur¬
steigerungen nicht führen. — Man könnte alsdann vermuten, daß die
Grubenarbeiter durch ihre jahrelange Beschäftigung unter eigenartigen
thermischen Bedingungen eine Anpassung an diese erlangen, derart, daß
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Körperwärme bei Arbeit und beschränkter Wärmeabgabe. 45
Tabelle V.
Beobachtungen in Pfeilerbanen (Mittelwerte).
Ort
Nummer
der Spezialtabelle
Lufttemperatur
(Orad Cels.)
1
Luftfeuchtigkeit
(Proz. r. F.)
Luftbewegung
(Meter pro Sekunde)
I7
Q) 90
§3
S^a
S 2
‘SO
-U '—/
CG
4)
O
Acbseltemperatur
(Grad Cels.)
■ Harnstrahltemperatur
(Grad Cels)
Mundhöhlentemp.
(Grad Cels.)
Pulszahl pro Min.
Westfeld
VIII
14-9
95-0
Anemometer
16-0
36*93
70
,
eben bewegt;
ebenso Lampe
Ostfeld
XII
17-0
96-0
0
18-8
37-36
74
Ostfeld
XIII
18-5
96-0
0
20*4
37.60
85
Westfeld
IX 19*8
95-0
0
19.9
37*4
81
Weßtfeld
xi
20-0
97-0
0
21-0
37-0
85
Ostfeld
I 20-1
95*5
0
23-7
37.7
Ostfeld
XV!
20-2
97-0
0
20-6
37.45
96
Ostfeld
XIV 1
20-4
95-0
0
18-3
37*5
67
Ostfeld
VII
21-7
96-6
0-2
24-8
37-2
83
Ostfeld
XVI
21*9
94*0
0
23-0
37*5
83
Westfeld
X
22-4
85-0
0
20-0
37-1
80
Ostfeld
111
22-9
96-7
0
25-3
37.5
Ostfeld
xvm
23-1
96-0
0
.
22-7
37*5
95
Ostfeld
XVII |
24-0
96-0
0
23-3
37-32
81
Ostfeld
IV i
25-8
96-1
0
22-8
37*6
95
Ostfeld
VI
25-9
96.0
0
24-5
37*36
85
Ostfeld ,
V 126-4
95-5
0
22-8
37*6
99
Ostfeld j
II 26*8
95-7
0
| 26-4
37.45
Tabelle
VI.
Beobachtangen in Strebbanen (Mittelwerte).
Altenwald
XHI
QO
©
c*
99-0
0-2
36-8
37*26
37*1
94
Altenwald
XV
21-6
96*6
0
21-2
37-87
37.4
91
Brefeld
II
24-2
92-0
1*2
37-20
80
Maybach
VII
25-0
91*5
fühlb. Zug
87-25
37*4
87
Maybach
XI;
25-8
95*4
am Ortstoß 0,
26-6
37-41
37*4
80
dicht unter¬
1
halb 0-23
Brefeld
III
27-0
92*6
fühlb. Zug
28-6
37-52
37*65
94
Maybach
XII
27-1
97-0
fühlb. Zug
27-5
37-47
37*4
85
Maybach
X
27-4
100-0
5-8
37-36
106
Maybach
VIII
28-4
97-0
0-8
28-9
37-52
99
Maybach
IX
29-0
92-8
1-0
29-3
37-62
37*7
106
y
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46
Hans Reichenbach und Bruno Heymann:
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auch über Tage und in der Ruhe ihre Normaltemperatur nach oben ver-
schoben wird. Achsel- und Mundhöhlenmessnngen von 139 Bergleuten
über Tage haben jedoch hierfür keinen sicheren Anhalt erbracht Be¬
sonders verwertbar für diese Frage sind im Schlaf hause zu Sulzbach aus¬
geführte Beobachtungen, weil die Insassen seit mindestens 3 Stunden,
die meisten von ihnen seit 12 bis 15 Stunden über Tage waren und sich
vor der Messung völliger Ruhe hingegeben hatten Das Mittel dieser
(99) Achselhöhlenmessungen betrug 36-58°, lag also um etwa 0-1 bis 0-2°
über dem früher an Straßen- und Bauarbeitern gefundenen Mittelwert
Mag demnach auch eine geringe Erhöhung der normalen Körpertempe¬
ratur zugegeben werden, so reicht dies doch nicht zur Deutung der in
der Grube auftretenden beträchtlichen Steigerungen aus. Für sie müssen
wir die Eigenart des Grubenklimas verantwortlich machen. In erster
Reihe wird man hierbei an die Lufttemperatur denken und einen Paralle¬
lismus zwischen ihr und der Körpertemperatur erwarten. In den Pfeilern
(Tabelle V) läßt sich ein solcher Parallelismus zunächst aber nicht kon¬
statieren. Die Mittelwerte aus den Messungen an warmen und relativ
kühlen Betriebspunkten sind kaum verschieden, wie folgende Zusammen¬
stellung zeigt:
Betriebspunkte
über 22° unter 22°
Achseltemperatur (Mittelwert) .... 37-39° 37-34°
Demgegenüber tritt uns in den Streb bauen der erwartete Paralle¬
lismus unverkennbar entgegen:
Die Achseltemperatur erhebt sich im Mittel
von 36-8° bei einer Lufttemperatur von 20-8°
auf 37-2° „ „ „ „ 24 bis 25°
„ 37-5° „ ., „ „ 27 „ 28°
„ 37-6° „ „ „ „ 29-0°.
Wie ist dieses verschiedene Verhalten zu erklären? Wie oben
gezeigt, liegt die wichtigste klimatische Differenz zwischen den Pfeiler-
und Strebbauen in der Stärke der Bewetterung. In den Pfeilern,
wo der Wetterstrom überall sehr gering ist, stellt die hohe Luft¬
feuchtigkeit den beherrschenden thermischen Faktor dar, neben dem
die Schwankungen der Temperatur fast wirkungslos sind. Es kommt
hinzu, daß die Arbeiter bei hohen Temperaturen der Überwärmung des
Körpers durch Verminderung der Kleidung begegnen. Au den kühleren
Betriebspunkten trugen die Leute Hemd und dicke Oberkleidung — mit
steigender Lufttemperatur nahm die Dicke der Kleidung stetig ab, so
daß an den wärmsten Punkten mit vollständig nacktem Oberkörper ge-
Gck igle
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Köbpebwäbme bei Abbeit und beschbänkteb Wäbmeabgabe. 47
arbeitet wurde. In den Streben dagegen kann die Lufttemperatur ihre
Wirkung äußern, weil die lebhafte Bewetterung eine viel ausgiebigere
Berührung des Körpere mit der Luft hervorruft. Nur zwei Werte fallen
aus der sonst gleichmäßig ansteigenden Reihe heraus: 87*37° bei nur
21*6° und 37*86° bei der hohen Lufttemperatur von 27*4°. Diese Ab¬
weichungen beleuchten aber gerade in höchst anschaulicher Weise die
Bedeutung der Bewetterung für die Wärmeregulation der Arbeiter; sie
treten uns an den Punkten der geringsten und größten Ventilation
in den Strebbauen entgegen. In dem bereits erwähnten pfeilerartigen
Streb (Tabelle VI, Altenwald, Nr. XV), in dem keine merkbare Luft¬
bewegung vorhanden war, erhebt sich trotz relativ niedriger Luft¬
temperatur die Achseltemperatur auf eine an den bewetterten Punkten
nur bei wesentlich höheren Lufttemperaturen beobachtete Höhe. Ihr
Wert, 37*37°, stimmt, im Einklang mit den durchaus ähnlichen klima¬
tischen Verhältnissen, fast genau mit dem in den Pfeilergruben erhaltenen
Mittel 37*36 überein. Umgekehrt ergibt die am meisten bewetterte
Arbeitsstelle der Strebbaue (Tabelle IV, Nr. VIII), (Tabelle VI, Maybach,
Nr. X) ein auffällig niedriges Mittel der Achseltemperaturen: Trotz einer
Lufttemperatur von 27*4° und einer Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent
weisen die Arbeiter noch Körpertemperaturen auf, wie sie sonst bei
mäßiger Bewetterung bereits an den Betriebspunkten mit 25° Luft¬
temperatur eintreten.
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen führten Messungen der Körper¬
temperatur im Harnstrahl, die allerdings nur in den Strebbauen zur
Anwendung kamen. Selbstverständlich waren bei der starken Trans-
spiration nicht alle Leute zur Vornahme dieser Messung befähigt. Immerhin
konnten ausreichend viele Werte gewonnen werden, um ihre Mittel in die
Tabelle VI einzureihen. Sie weisen, wie die Achsel temperaturen, einen
mit den Lufttemperaturen gleichsinnigen Anstieg auf; sie bewegen sich
zwischen 37*26 und 37*70°, weichen demnach von den Achseltempe¬
raturen zumeist um 0*1 bis 0*2° nach oben ab.
Endlich wurden, gleichfalls in den Strebbauen, gelegentlich noch
Messungen der Körpertemperatur in der Mundhöhle vorgenommen und
mit den Achseltemperaturen im Einklang stehende Werte gefunden.
Zwischen den Achsel- und Harnstrahl temperaturen liegend, lassen sie
gleichfalls einen Anstieg mit der Lufttemperatur erkennen. Bemerkens¬
wert ist, daß an Ort Altenwald, Nr. XV, die Muudhöhlentemperatur ganz
ähnlich wie die Achseltemperatur eine Höhe erreicht, wie sie unter nor¬
maler Bewetterung erst bei 27° Lufttemperatur beobachtet ist.
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48
Hans Reichenbach und Bruno Heymann:
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b) die Pulsfrequenz.
Die Zählung der Pulse hat, wie die Tabellen zeigen, kein verwert¬
bares Ergebnis gehabt. Die Zahlen schwankten auch bei den am gleichen
Betriebspunkte arbeitenden Leuten in so großen Breiten, daß die Auf¬
stellung von Durchschnittswerten kaum noch zulässig war. Offenbar sind
hier die individuellen Differenzen zu groß, um einheitliche Resultate zu
liefern. Waren doch solche Unterschiede durchaus regellos schon an den
unter den günstigsten Bedingungen untersuchten Insassen des Sohlaf-
hauses zu konstatieren.
Fassen wir unsere Beobachtungen noch einmal kurz zusammen, so
läßt sich sagen, daß überall da, wo nach den Laboratoriums¬
versuchen eine Wärmestauung zu erwarten war, wir sie auch
objektiv haben nachweisen können. Auch bezüglich der ther¬
mischen Wirksamkeit der einzelnen klimatischen Faktoren haben sich
unsere Voraussetzungen bestätigt: Bei sehr feuchter, bewegter Luft tritt
eine Erhöhung der Körpertemperatur über die Norm bei 22 bis 23° Luft¬
temperatur ein und steigt nur sehr langsam gleichsinnig mit der Luft¬
temperatur; bei gleicher Feuchtigkeit, aber unbewegter Luft liegt jene
kritische Grenze viel tiefer; die Luft muß auf eine Temperatur von 15
bis 16° sinken, um unbewegt dieselbe Wärmeabgabe zu ermöglichen,
wie bei 22 bis 23 0 und etwa 1 m pro Sekunde Bewegung. Eine der Luft¬
temperatur proportional ansteigende Erhöhung der Körpertemperatur war
in feuchter, unbewegter Luft nicht festzustellen.
Der Einfluß der Gewöhnung geht also jedenfalls nicht so weit, daß
er das Zustandekommen einer Wärmestauung ganz verhinderte. Wohl
aber scheint für den Grad der Wärmestauung die Gewohnheit von
Bedeutung zu sein insofern, als bei den an das Bergwerksklima gewöhnten
Individuen die Körpertemperatur vermutlich nicht so hohe Beträge er¬
reicht, wie bei nicht akklimatisierten Personen. Dafür sprechen schon die
erwähnten Beobachtungen von Stapff, nach denen bei dem „Chef des
mineurs“ niedrigere Temperaturen auftraten, als bei den Ingenieuren, die
nur gelegentlich den Tunnel befahren. Auch an uns selbst haben wir
ähnliche Beobachtungen gemacht. Bei dem einen von uns stieg, ohne
nennenswerte körperliche Anstrengung, die Achseltemperatur unter zehn
Messungen 7 mal über das Maximum der gleichzeitig bei den Bergarbeitern
beobachteten Temperatur, der höchste Betrag war 38-3° bei 160 Puls¬
schlägen. Bei dem anderen wurden so hohe Temperaturen nicht beob¬
achtet, aber wohl nur deshalb, weil er mit einem äußerst profusen Schwei߬
ausbruch auf die drohende Überwärmung reagierte.
Gck igle
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Wirkung klimatischer Faktoren auf den Menschen.
49
Besonders in die Augen fallend ist aber der Einfluß der Gewöhnung
bezüglich der nachteiligen Folgen der Wärmestauung. Irgendwelche
subjektive Beschwerden haben wir trotz zahlreicher Nachfragen in
keinem Falle feststellen können; die Arbeiter fühlten sich trotz der an¬
strengenden Arbeit durchaus wohl und schienen auch an ihrer Leistungs¬
fähigkeit keine merkliche Einbuße zu erleiden.
Auch objektiv ließen sich Gesundheitsschädiguugen durch die
Wärmestauung nicht nachweisen. Sämtliche bei den ärztlichen Leitern
der Knappschaftslazarette augestellten Erhebungen ergaben übereinstim¬
mend, daß irgend welche Erkrankungen, welche auf eine Schädigung durch
die Wärmestauung zurückgeführt werden könnten, bei den an warmen
Betriebspunkten beschäftigten Arbeitern nicht beobachtet wurden.
Ein solches Verhalten ist nur erklärlich bei weitgehender Anpassung
an die klimatischen Bedingungen. Daß diese Anpassung scheinbar so
ohne jede Ausnahme erfolgt, ist vielleicht dadurch zu erklären, daß un¬
geeignete, d. h. nicht anpassungsfähige Individuen teils frühzeitig aus der
Bergmannslaufbahn ausscheiden, teils bei der ärztlichen Voruntersuchung
zurückgewiesen werden.
Allerdings ist auch nach diesen Beobachtungen die Möglichkeit keines¬
wegs ausgeschlossen, daß schließlich, nach sehr langer Zeit, die fortdauernde
Überwärmung des Körpers doch ungünstig einwirkt und zu vorzeitigem
Verbrauch der Kräfte führt. Darüber müßten weitere klinische Beobach¬
tungen und statistische Erhebungen, insbesondere Vergleiche der an
warmen und kühlen Betriebspunkten beschäftigten Arbeiter, entscheiden.
Einen Fingerzeig in dieser Richtung gibt jedenfalls der Ausspruch
eines hervorragenden Sachverständigen ] , wonach in den Steinkohlengruben,
in denen die Feuchtigkeit eine höhere ist als in den übrigen Bergbauarten,
die Ganzinvalidität der Arbeiter bereits mit 45 Jahren beginnt und
damit „nahezu um 9 Jahre früher einsetzt als beim übrigen
Bergbau.“
1 von Velsen, Oberberghauptmann, Regierungskommissar. Verhandlungen
des Hauses der Abgeordneten. 20. Legisl. 1. Session 1904,05. Bericht über die
186. Sitzung des Hauses der Abgeordneten am 22. Mai 1905.
Zeitschr. f. Hygiene. LYII.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Breslau.]
Über die quantitativen Verhältnisse
der Tröpfchenausstreuung durch hustende Phthisiker.
Von
Dr. med. H. Ziesohö in Breslau,
Assistenten der medizinischen Klinik, früherem Assistenten des Instituts.
Die Möglichkeit einer Übertragung der Tuberkulose von Mensch zu
Mensch hat man vorzugsweise gefolgert aus dem Ergebnis von Versuchen
an Tieren, die in ähnlicher Weise wie der Mensch für Tuberkulose emp¬
fänglich sind. Insbesondere konnten Meerschweinchen, die am meisten
zu derartigen Versuchen verwendet worden sind, auf die verschiedenste
Weise infiziert werden, durch direkte Einimpfung der Tuberkelbazillen,
durch Fütterung und durch Aufnahme der Krankheitserreger in den In-
spirationstraktus. Speziell Experimente mit der Inhalation von Sputum
oder Kultur haben, von Tappeiner (1) angefangen, eine große Anzahl
von Forschern in der mannigfaltigsten Weise variiert, so daß kein Zweifel
mehr darüber besteht, daß auch durch Einatmung der trocken oder
feucht verstäubten Tuberkelbazillen die Erkrankung der Tiere zustande
kommen kann. Die am Meerschweinchen gewonnenen Erfahrungen dürfen
vermutlich mit der nötigen Vorsicht auf den Menschen übertragen werden.
Es ist auzunehmen, daß die Empfänglichkeit für Tuberkulose beim Menschen
sicher nicht geringer ist, als beim Meerschweinchen. Während man
nämlich nach den bekannten Zusammenstellungen der neuesten Zeit
[Franz (2), Naegeli (3)] beim Menschen außerordentlich häufig Tuber¬
kulose findet, ist spontane Tuberkulose beim Meerschweinchen nach dem
übereinstimmenden Urteile aller erfahrenen Beobachter außerordentlich
selten, so daß das Uberwiegen der Tuberkulose beim Menschen kaum
allein durch die größere Respirationskapazität und durch die ausgedehntere
Infektionsgelegenheit (Husten und Auswurf der Erkrankten) erklärt werden
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
H. ZlESCHfi: Übee Tböpfchenaussteeuung usw.
51
kann, sondern daß wohl auch die besonders verbreitete Empfanglichheit
eine Rolle dabei spielen muß. — Außerdem besitzen wir aber eine fast
unübersehbare Kasuistik von Übertragungen von Mensch auf Mensch;
einzelne dieser Fälle haben fast den Wert von Experimenten. Es erscheint
daher kaum mehr notwendig, Beweise für die Übertragbarkeit der tuber¬
kulösen Erkrankungen zu erbringen. Dagegen herrschen noch große
Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise, in welcher diese
Übertragung in der Mehrzahl der Fälle erfolgt.
Eine kurze Übersicht der verschiedenen Möglichkeiten der Infektion
zeigt uns, daß teils durch Wunden die Bazillen direkt in die Gewebe
gelangen und lokale oder in seltensten Fällen auch allgemeine Tuberkulose
verursachen können. Hierher gehören Infektionsversuche aus vorbakterieller
Zeit von Villemin (4) und die Beobachtungen vieler anderer späterer
Forscher, wie die von Eiseisberg (5), Holst (6), Merklen (7)
Tscherning (8) u. a. — Teils erfolgt zweifellos in einer Anzahl von Fällen
die Infektion vom Darm aus durch Perlsuchtbazillen in Milch und Butter.
Doch haben diese Infektionsarten anscheinend geringere Bedeutung
für die natürliche Verbreitung der wichtigsten tuberkulösen Er¬
krankung, der Lungenphthise.
Die verbreitetste Infektionsquelle ist offenbar das Sputum der Phthi¬
siker, und Infektionen mit diesem können zunächst dadurch zustande
kommen, daß Kontakte die Übertragung von Sputumteilchen — feucht
oder trocken — auf die Schleimhaut des Mundes oder der Nase Gesunder
bewirken. Die Kontakte können sich dabei in der Weise vollziehen, daß
die Bazillen mit Fingern oder Gebrauchsgegenständen direkt in den Mund
gebracht werden, wie die Untersuchungen von Volland (9), Baldwin (10),
Dieudonnä (11) gezeigt haben. Bei Kindern spielt diese Axt der In¬
fektion sicher eine nicht zu unterschätzende Rolle, die durch Erziehung
zur Reinlichkeit vielleicht erheblich eingeschränkt werden kann. Bei
Erwachsenen hat dieser Ansteckungsmodus eine geringe Bedeutung;
denn auch bei weniger reinlichen Menschen, bei denen eine Berührung
der Nasen- oder Mundschleimhaut mit schmutzigen Fingern öfters Vor¬
kommen mag, ist doch die Intensität des Kontaktes zu gering und die
Dauer der Berührung zu kurz, als daß — abgesehen von Ausnahme¬
fällen — eine Ablösung der Keime von infiziert en Fingern öfters zustande
kommen könnte.
Zweitens können die Tuberkelbazillen mit der eingeatmeten Luft in
Mund und Rachen oder nach dem Verschlucken in den Darm gelangen
und von da auf Lymphbahnen zur Lunge vorriicken.
Drittens werden eingeatmete Tuberkelbazillen direkt bis in die feineren
Bronchien aspiriert.
4*
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
52
H. ZlESCHfi:
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Ob die eingeatmeten Tuberkelbazillen mehr Gefahr auf dem einen
oder auf dem anderen Wege bedingen und welcher häufiger eingeschlagen
wird, darüber müssen noch weitere Untersuchungen entscheiden. Hier
ist zunächst nur daran festzuhalten, daß die tuberkelbazillenhaltige eiu-
geatmete Luft Infektionen veranlassen kann. Dabei ist aber die Form
noch genauer zu berücksichtigen, in welcher sich die Tuberkelbazillen in
der Luft vorfinden.
Einmal ist es bazillenhaltiger feinster Staub, der durch leichte
Luftbewegungen in die Höhe und zum Schweben gebracht und so ein¬
geatmet werden kann [Cornet (12), Tappeiner(l)]. In die Staubform
können die Bazillen übergeführt werden entweder durch Austrocknung und
Yerstäubung von sorglos auf den Fußboden ausgeworfenem Sputum oder
durch feinste Fasern von Taschentüchern und Kleidern, die mit Sputum
verunreinigt sind und die dann Gelegenheit gehabt haben, völlig aus¬
zutrocknen; oder durch präformierten feinsten Staub, der durch aus¬
gehustete Sputumtröpfchen mit Tuberkelbazillen beladen ist.
Zweitens finden sich die Tuberkelbazillen in der Luft in Form von
feinsten Tröpfchen, die vom Phthisiker beim Husten verschleudert werden
[Flügge (13), Laschtschenko (18), Heymann (19)].
Es ist hygienisch nicht gleichgültig, ob die Luft häufiger und mehr
Gefahr bietet durch infektiöse trockene Stäubcheu oder Tröpfchen. In
dieser Beziehung vertreten Cornet und Flügge mit seinen Schülern den
entgegengesetzten Standpuukt. Daß auch trockener Sputumstaub infektions¬
fähig sein kann, hat Flügge nicht geleugnet, aber nach seiner Ansicht
sind die positiv ausgefallenen Experimente unter solchen Bedingungen
angestellt, daß sich aus ihnen kein Schluß auf die Häufigkeit dieses
Infektionsmodus in praxi ziehen läßt.
Das Sputum war künstlich getrocknet, die in Verwendung ge¬
kommenen Sputummengen waren sehr groß; die Loslösung der Stäub¬
chen wurde durch übertrieben kräftige Manipulationen bewirkt und zur
Verbreitung der Stäubchen wurden Luftströme angewandt, wie sie in
Wohnstuben garnicht Vorkommen. Sticher(lö) gelang es nur bei Luft¬
strömungen von 1 ra pro Sekunde, das gesetzte Ziel zu erreichen. Bei
Strömungen von 10 bis 30 cm pro Sekunde, also Luftbewegungen, die noch
lebhafte Zugempfindung hervorrufen, gelang es in keinem Falle mehr, bei
den Versuchstieren Inhalationstuberkulose zu erzeugen.
Im täglichen Leben hat nur das am Fußboden angetrocknete Sputum
Aussicht durch kräftige Reibung losgelöst und des weiteren verstäubt zu
werden. Bei dem gesteigerten Sinne für Reinlichkeit, der sich fort¬
schreitend im öffentlichen Leben wie im Wohnhaus kundgibt und welche
sicherlich zum Teil eine Folge der so populär gewordenen Cornetschen
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über Tröpechenausstreuung durch hustende Phthisiker. 53
Prophylaxebestrebungen ist, ist angetrocknetes Sputum nur verhältnismäßig
selten an Stellen des Fußbodens zu finden, von wo es durch stärkere Kräfte,
wie z. B. beim Gehen losgelöst werden könnte. Häufiger findet es sich
an Kleidern und vor allem an Taschentüchern. Doch müssen, wie die
experimentellen Untersuchungen gezeigt haben, diese völlig trocken sein,
ehe eine Loslösuug von Staubteilchen statthat; und in diesen Zustand
kommt ein täglich benutztes und in normalen Abständen erneuertes
Taschentuch selten.
Die häufige Bildung feinster tuberkelhaltiger Tröpfchen beim Husten
und die leichte Infizierbarkeit von Versuchstieren durch solche Tröpf¬
chen ist dagegen von allen bestätigt, die nach Flügge experimentell über
diese Frage gearbeitet haben. Auch Cornet(12) hat die Bedeutung der
Tröpfcheninfektion nicht etwa auf Gruud abweichender Versucbsergebnisse,
sondern nur auf Grund einer völlig unrichtigen Berechnung angezweifelt,
in welcher er die gesamten in einem Sputum enthaltenen Tuberkelbazillen
ohne weiteres als auf feinste flugfähige Stäubchen verteilt in Ansatz bringt,
während er selbst früher wiederholt betont hat, wie schwer sich Sputum in
wirklich staubförmige Teilchen zerlegen läßt und wie selten dies unter
natürlichen Verhältnissen möglich ist. — Die experimentellen Nach¬
prüfungen von Engelmann (21), Fraenkel (22), Moeller (23), Koeniger
(24) u. a. haben dagegen die Anschauungen der Flüggeschen Schule
durchaus bestätigt. Ihnen gesellen sich aus neuerer Zeit noch einige
weitere, weniger bekannte Arbeiten hinzu, auf die ich hier hinweisen
möchte. So teilt Petterson (16) mit, daß von 10 Meerschweinchen,
welche in einem mit Tuberkelbazilleu enthaltenden Sputumstaub versetzten
Käfig gehalten wurden, nur 1 tuberkulös wurde; demgegenüber wurden
alle 150Meerschweinchen, welche Petterson Tuberkelbazillen enthaltende
zerstäubte Flüssigkeitspartikelchen einatmen ließ, nach einem Monate tuber¬
kulös, und mit einer Nährbudenplatte bekleidete und vor dem Munde Tuber¬
kulöser befestigte Spiegelplatten wurden in 92 Prozent durch die lediglich
beim Husten projizierten Partikelchen (23 unter 25 Fällen) mit Tuberkel¬
bazillen verunreinigt.
In einer früheren Versuchsreihe ließ derselbe Autor (44), um die
Flüggesche Tröpfchentheorie zu studieren, Patienten während des Hustens
einen Spiegel, mit drei angehefteten Deckgläschen versehen, eine Fläche
von 16 qcm bildend, in 10 bis 15 cm Entfernung vor den Mund halten.
27 von 29 Versuchen fielen positiv aus. Nach einer Exposition von 1 bis
10 Tagen konnte Petterson bis 1000 Bazillen an der Fläche zählen.
Mit den Tröpfchen, die während einer Exposition von 7 bis 14 Tagen an
einer Glasscheibe von 17:10 e,n Größe haften geblieben waren, ließen sich
Meerschweinchen durch Inhalation tuberkulös machen. Ferner versuchte
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Gck igle
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54
H. ZieschE:
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Sorgo (31) zu zeigen, wie viel gefährlicher für die Infektion die
Tröpfohenverstreuung der Bazillen ist, als deren Niedersinken and spä¬
teres Aufwirbeln mit dem Staube. Ein Meerschweinchen erhielt einige
Kubikzentimeter physiologischer Kochsalzlösung eingespritzt, welche eine
tuberkulöse Patientin einige Minuten angehustet hatte. Tod nach
8 Wochen an miliarer Abdominaltuberkulose. Ein zweites Tier wurde
mit dem Staub der Tasche injiziert, in welchem dieselbe Person Taschen¬
tuch und Spuckglas zu tragen pflegte. Tod nach 5 Monaten unter so
geringen Veränderungen, daß es sehr fraglich erschien, ob das Meerschwein¬
chen überhaupt allein an einer Tuberkulose gestorben sei. „Es bedarf
wohl eigentlich keines Beweises, daß eine Infektion von Mensch zu Mensch
unter sonst gleichen Verhältnissen die gefahrbringendere sein muß, als ein
Infektiousmodus, der die Möglichkeit einer bereits erfolgten hochgradigen
Abschwächung, vielleicht sogar Abtötung durch Austrocknung, Belichtung,
Einfluß von ungünstigen Temperaturen bietet.“
Auch Bing (36) ist in einigen Untersuchungen über die Verun¬
reinigung der Luft mit Tuberkelbazillen im Krankenzimmer der Phthisiker
zu dem Ergebnis gekommen, daß die Infektion durch mit dem Staub auf¬
gewirbelte Bazillen gegenüber der direkten Tröpfcheninfektion eine nur
untergeordnete Bedeutung hat und bestätigt die Ergebnisse der Forschungen
Flügges und seiner Schüler.
Außerdem sind in den letzten Jahren eine Reihe von Arbeiten er¬
schienen, die auf Grund statistischer Zusammenstellungen oder praktischer
Beobachtungen für die Lehre von der Tröpfcheninfektion eintreten.
Erwähnt sei zunächst eine Statistik, die Mosny (29) 1902 veröffentlicht
hat und in der er sich mit Infektionen in der Familie beschäftigt Mosny
findet, daß die Übertragung der Phthise von einem Ehegatten auf den
anderen häufiger vorkommt, als die von den Eltern auf Kinder oder unter
Geschwistern; es scheint also bei besonders naher Berührung, beim Schlafen
in einem Bett, die Infektionsgefahr erhöht zu sein. Ferner weist er auf
die zweifellosen Übertragungen hin, die in Hospitälern beobachtet sind
(von 102 Krankenwärterinnen des Hotel Dieu zu Paris starben 82 an
Tuberkulose). Alle diese Übertragungen, die um so häufiger auftreten, je
intimer das Zusammenleben mit dem Phthisiker ist und je länger dieses
dauert, führt Mosny vorzugsweise auf die Tröpfcheninfektion zurück. In
der von Beruard-Mosny (39) verfaßten Monographie über die Tuberkulose
heißt es: „ ... La transmission directe par les gouttelettes bacilliföres,
que projecte le phthisique quand il tousse . . . nous donne l’explication
de l’extreme frequence de la contagion familiale et plus particulierement
de la contagion conjugale, les risques de contamination 4taut directement
proportioneis ä la frequence, ä la duröe, ä l’iutimite des contacts.“
Gck igle
Original from
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Über Tböpfchenausstbeuung dubch hustende Phthisikeb. 55
Ferner hat Hillier(33) an der Hand der Gesundheitsberichte der Stadt
Manchester von 1902 die Wichtigkeit der TröpfchenYerstreuung für die
Tuberkuloseverbreitung studiert. Die notwendigen Erhebungen und Unter¬
suchungen wurden von den beamteten Ärzten — medical officers ofhealth —
vorgenommen, so daß die Statistik das größte Vertrauen verdient.
Die gewöhnlichste Quelle der Ansteckung ist ein schwindsüchtiger
Verwandter; 330 Fälle von Tuberkuloseübertragung wurden untersucht.
Mit Ausnahme von 23 Fällen wurde die Infektion stets auf Husten und
Sprechen eines anderen Phthisikers zurückgeführt. „The views, that infection
by Tröpfchen infection is a more potent factor in spreadiug the disease
than the infection which arises from desiccated and pulverized sputa, is
supported to a considerable degree by this record of Manchester cases.“
Zwei Gründe scheinen Hillier für die Bedeutung der Tröpfchen
besonders zu sprechen. 1. „Die Bazillen in den kleinen Tröpfchen haben
eine hohe Virulenz, denn sie kommen von ihrem natürlichen Nährboden
und sind wahrscheinlich infektionstüchtiger als die im Staube, die lange
der Austrocknung und wohl auch dem Lichte ausgesetzt waren. 2. Wenn
sich die Tröpfchen zu Boden setzen, so bilden sie allerfeinste Stäubchen,
die außerordentlich schnell trocknen und daher sehr schnell wieder auf¬
genommen werden können.“
Die Bedeutung dieser letzterwähnten Tatsache hat neuerdings Kir-
stein (31) experimentell dargetan.
Endlich hat noch Bo eg (35) in den ursprünglichen Verhältnissen
der Färöer, in Dörfern, in welche die Tuberkulose erst frisch eingebrochen
war, den Infektionswegen nachgeforscht. Die Cornetsche Hypothese von
der Wichtigkeit der Staubinfektion konnte er nur selten bestätigt finden.
„Dagegen desto zahlreichere Fälle, die Flügges Hypothese bestätigen,
nämlich daß das frische und virulente, während des Hustens als feine
Tropfen in die Luft verspritzte Expektorat der Phthisiker die gewöhnliche
Ansteckungsursache sei. In nicht weniger als 262 von den 342 Fällen
von Lungenphthisis hat sich nämlich Ansteckung der Art nachweisen lassen,
also in 77 Prozent der Fälle.“
Wenn somit auch für das Vorhandensein einer Infektionsverbreitung
durch Tröpfchenverstreuung die erbrachten Beweise als vollauf genügend
anerkannt werden müssen, so zeigt ihr Ring doch noch eine kleine Lücke.
Bisher hatten sich alle Forscher vorzugsweise nur mit der Art der
Tröpfchenbildung [Koeniger (24)] und Tröpfchenverstreuung beschäftigt
[Heymann (19)] und sich mit der Feststellung begnügt, daß gelegentlich
hustende Phthisiker Tröpfchen in reichlicher Menge verstreuen, in denen
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56
H. Ziesch£:
Tuberkelbazillen vorhanden sind. Mit unseren wachsenden Kenntnissen
über den quantitativen Gang der Infektion bei verschiedenen Krankheiten,
hat aber auch die Frage nach der Zahl der in dieser Weise ausgestreuten
Erreger das größte Interesse gewonnen. Wir wissen jetzt, daß das end¬
gültige Urteil über die Bedeutung des einzelnen Infektionsweges vorzugs¬
weise von den Quantitätsverhältnissen der Infektionsgelegenheiten, in
diesem Falle also von den in der Atmungsluft zeitweise vorhandenen Bazillen,
abhängig ist. Erst quantitative Feststellungen vermögen uns ein richtiges
Bild zu geben von der Gefahr, mit welcher speziell der Hustende und
Tröpfchen verstreuende Phthisiker seine Umgebung bedroht.
Daher habe ich in einer größeren Anzahl von Versuchen die Zahl
der in bestimmter Zeit und im Bereich eines bestimmten Raumes
ausgeworfenen Tröpfchen und Tuberkelbazillen bei hustenden Phthisikern
zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten bestimmt.
Die Methodik meiner Tröpfchenversuche war im großen der auch
den früheren Versuchen zugrunde gelegten gleich; nur machte der Zweck
der Experimente, quantitativ vergleichbare Werte zu erhalten, einige Ab¬
änderungen notwendig.
Ambulante Phthisiker, bei denen Bazillen im Sputum gefunden waren,
wurden angewiesen, während einer halben Stunde vorkommenden Falles
und ohne jede Anstrengung auf eine 18 cm im Quadrat messende Glas¬
platte zu husten, die vertikal in einer Entfernung von 40—80 cm vor ihnen
in Mundhöhe aufgestellt bzw. aufgehängt war. 1 Darauf wurde diese Glas¬
platte sorgfältig getrocknet, in Äther-Alkohol fixiert und in toto nach der
bekannten Weise gefärbt. Da bei der großen Ausdehnung der Glasplatte
ein Erwärmen des zur Anwendung kommenden Karbolfuchsins nicht möglich
war, so wurde sie durch längere Zeit, 6—9 Stunden, in die kalte Farbe
gelegt. Darauf erfolgte die Entfärbung und Gegeufärbung mit Korallin¬
methylenblau. Kontrollversuche hatten die Brauchbarkeit der Methode
erwiesen. Nachher wurden die großen Platten in kleinere Stücke zer¬
schnitten und mikroskopisch untersucht.
Die Unbequemlichkeiten, die das Arbeiten mit solchen großen Platten
im Gefolge hatte, führten bald zu folgender Verbesserung der Methode:
An Stelle der großen Platten traten zwölf Objektträger englischen For-
1 Das Auffangen der Tröpfchen mittels vertikaler Platten ist unvollständig;
nachweislieh werden feinste Tröpfchen von diesen vielfach zuriickgeschleudert und
nicht fixiert. Das Auslegen horizontaler Platten war aber für meine Versuche noch
weniger brauchbar, weil alsdann gleichmäßige Bedingungen zu schwer herzustellen
sind. Schließlich mußte ich den gleichmäßigeren vertikalen Platten den Vorzug
geben, bei diesen aber vorkommendenfalls den nicht fixierten Anteil der Tröpfchen
in Rechnung ziehen.
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Über TböI’Fchexacsstkeuung durch hustende Phthisiker. 57
mates, die, in einen passenden Blechrahmen gespannt, genau die gleiche Grüße
von 324hatten. Auch die Färbung konnte nunmehr nach der alten
Zielschen Methode: Erhitzen in konzentriertem Karholfuchsin, Entfärben
in 5proz. Schwefelsäure und Nachfärben mit Methylenblau 1:5000 vor¬
genommen werden. Die Nachfärbung mit Korallinmethylenblau hatte sich
weniger bewährt, weil sich leicht wolkige Niederschläge bildeten, welche
die Übersicht außerordentlich erschwerten. Nach dieser Behandlung er¬
scheinen die Objektträger auf weißer Unterlage rein durchsichtig, während
sich die Tröpfchen, je nach ihrer Herkunft aus dem Munde oder tieferen
Teilen als schwach blaue, unbestimmt umgrenzte oder tief blaue Kreise
mit scharfer Grenze darstellten.
Hey man n (19) hat in seiner ersten Arbeit eine Schilderung der
Morphologie der Tröpfchen gegeben, der nur noch wenig hinzuzufügen ist.
Er unterscheidet drei Typen von Tröpfchen; ein Normaltypus besteht
aus drei Schichten, einem zentralen Kern aus Fibrin und Leukozyten,
einem konzentrischen Kreise aus Mundepithelien gebildet und einem
zweiten aus schwach gefärbtem Schleime mit wenig stärker gefärbten
Fäden sich zusammensetzend. Davon abgeleitet findet sich eine zweite
Art, die fast nur aus dem leukozytenreichen Kern, mit schmaler Schleim¬
schicht besteht, und eine dritte, die nur aus Epithelieu und Schleim sich
zusammensetzt. Wenn man nur eine Einteilung auf Grund der Form¬
elemente vornehmen und dabei vor Ausnahmen nicht zurückschrecken
will, so ist diese Einteilung wohl genügend. Zieht man es indes vor,
genetisch die Entstehung der Tröpfchen zu verfolgen, so wird man eine
andere Einteilung anwenden.
Die für uns wichtigen Tropfen sind die zumeist bazillenhaltigen,
welche dem Hey manu sehen Typus II entsprochen. Sie zeigen sich als
kleine bis mittelgroße Tröpfchen von bald runder, bald ovaler Form. Sie
enthalten keine Mundepithelien und fast nie Begleitbakterien, wie Strepto¬
kokken und Diplokokken, aber fast stets Tuberkelbazillen in größerer
oder kleinerer Anzahl. Häufig sind überraschend viele Bazillen in einem
Tröpfchen zu zählen; in einem Falle fand ich Tröpfchen, die bei starker
Vergrößerung — Zeiss Oc. 4. Ölimmersion — 6, 14 und 17 Gesichts¬
felder groß waren und 433, 373 und 587 Bazillen enthielten. Vermischen
sich dieseTröpfchen, die direkt aus den Bronchien stammen und die ich daher
im folgenden als Brouchialtröpfcheu bezeichnen werde, mit Speichel,
und schlagen sie senkrecht auf die Unterlage auf, so entsteht der Hey-
mannsche Normaltypus, den ich auch, aber nur relativ selten, zu beob¬
achten Gelegenheit hatte. Durch innigere Vermischung der Bronchial¬
tröpfchen mit Speichel im Munde entsteht Heymanus Typus III. Diese
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58
H. ZiESCHfi:
letzten beiden Gruppen stelle ich als Mundtröpfchen den reinen
Bronchialtröpfchen gegenüber.
Von der größten Wichtigkeit sind gerade diese Bronchialtröpfchen,
die im Achsenstrome des Bronchus fortgerissen mit großer Geschwindig¬
keit und Kraft ohne jeglichen Aufenthalt im Munde in die Außenluft
gelangen. Sie haben eine größere Propulsivkraft als die Mundtröpfchen,
wie in einer Bohre mit strömender Flüssigkeit der Axialfaden eine
größere Geschwindigkeit hat als die Randzonen.
Man kann dies leicht demonstrieren; hat man einen gut verstreuenden
Patienten, der indes, infolge großen Speichelreichtums auch viele Mund¬
tröpfchen verbreitet, so braucht man nur die Entfernung der Vorlage vom
Hustenden zu vergrößern. Die trägeren Mundtropfen, die infolge ihrer
Größe auch schwerer sind, bleiben dann zurück und fallen zu Boden,
während die Bronchialtröpfchen das Glas erreichen und nunmehr vor¬
herrschen.
Ein anderer Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung liegt in der
Verteilung der Tröpfchen dem Raume nach. Auf der vorgestellten Glas¬
platte findet man die Bronchialtröpfchen ziemlich regelmäßig im Zentrum
des Verstreuungskreises, während die Mundtröpfchen sich an der Peripherie
anhäufen. Natürlich wird durch Veränderung der Kopfhaltung und der
Mundstellung dieses Verhalten oft verwischt.
Die Mundtröpfchen sind zum kleinsten Teile bazillenhaltig.
Die bazillenhaltigen Tröpfchen entstehen, wenn Bronchialtröpfchen auf
ihrem Wege durch den Mund sich mit Speichel vermischen und rasch
beim nächsten Hustenstoße wieder herausgeschleudert werden. Di. 1 meisten
Mundtröpfchen sind aber bazillenfrei und unschuldig; sie enthalten häufig
andere Bakterien wie Streptokokken, Diplokokken, Mundstäbchen usw.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß bei der Propagation anderer Infek¬
tionskrankheiten wie der Streptokokken-Augina, der Diphtherie usw., bei
denen man die Erreger zum Teil beständig und in großer Menge im Munde
findet, Mundtröpfchen die Hauptrolle spielen. Bei der Phthise sind sie
von untergeordneter Bedeutung.
Daß auch im Speichel Tuberkulöser Tuberkelbazillen gelegentlich
gefunden werden, hat schon Laschtschenko (18) nachgewiesen, und auch
ich habe mich davon überzeugt, konnte sie aber viel seltener finden.
Auch Moeller ( 23 ) vermochte bei Patienten, die nicht kurz zuvor
gehustet hatten, nur selten im reinen Mundspeichel Tuberkelbazillen nach¬
zuweisen. Die geringe Infektiosität der Mundtröpfchen beruht außerdem
darauf, daß die beim Husten verschleuderten Speicheltröpfchen relativ groß
sind; sie fallen deshalb und wegen der nur geringen Propulsivkraft, die
ihnen innewohnt, bald zu Boden. Die Tuberkelbazillen des Speichels
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ÜBEB TbÖPFCHENAUSSTBEUUNG DUBCH HUSTENDE PhTHISIKEB. 59
stammen von den beim Auswerfen im Munde zurückbleibenden Sputum¬
teilen. Zum größten Teile werden diese wieder verschluckt, oder beim
nachträglichen Hüsteln und Räuspern noch herausgebracht. Die Aus¬
waschung der Bazillen aus dem meist zähen Sputum geht anscheinend nur
langsam und unvollkommen von statten.
Endlich findet man noch eine Tröpfchenform, die Heymann nicht
erwähnt hat, nämlich die Hantelform. Diese hat ihre theoretische
Wichtigkeit für die Frage, ob die verstreuten Tröpfchen homogener Natur
sind oder nicht. Wären sie durchaus homogen, so müßten sie im schiefen
Aufprall ellipsoide Formen annehmen, wie das nach Heymanns Erfahrung
auch hin und wieder vorkommt. Häufiger kommt es indes zur Bildung
der Hantelformen, einem Oval, das durch einen mehr oder minder aus¬
gezogenen Stiel mit einem zweiten Oval in Verbindung steht Die Ent-
’stehung dieser Bildungen ist vermutlich dadurch zu erklären, daß viele
Tröpfchen durch die Einschlüsse, die sie enthalten, inhomogen werden
und daß nun beim Aufschlagen der schwerere Teil die Tendenz hat, sich
weiter fortzubewegen, als der leichtere. Besonders geeignet zur Hantel¬
formbildung sind die kleinen Bläschen mit inhomogener Wandung, die ja
auch des öfteren zur Beobachtung kommen und schon von Hey manu
beschrieben worden sind.
Die Mundtropfen, wie sie durch Sprechen entstehen und deren Ge¬
nese Koeniger (24) so ausgezeichnet dargestellt hat, sind also relativ un¬
gefährlich. Damit fallt der Einwand fort, der hin und wieder, besonders
von Anstaltsärzten gemacht wurde, daß die Konsequenzen der Tröpfchen¬
infektion unmenschlich und somit vom medizinischen Standpunkt zu be¬
anstanden seien.
Die quantitativen Resultate meiner Untersuchung sind in der am Schluß
befindlichen Tabelle 1 zusammengestellt. Ich habe im ganzen 30 Patienten
(in insgesamt 62 Versuchen) untersucht, von denen 22 mit irgendwelchem
bemerkenswerten Befund in der Tabelle registriert sind. Die große Mühe
und der erhebliche Zeitaufwand, welchen die genaue Durchmusterung
derartiger Präparate verlangt, machte es mir leider unmöglich, eine noch
größere Anzahl von Kranken zu untersuchen. Versucht man solche Prä¬
parate länger als 3 Stunden hintereinander genau zu durchmustern, so
übersieht man sicher eine große Anzahl von Bazillen. Überhaupt sind
alle gefundenen Bazillenzahlen Minimalwerte. Es geht dies daraus
hervor, daß bei wiederholt vorgenommenen Koutrollzählungen, schon
früher gezählte Objektträger durch mich oder andere stets mehr Bazillen
gefunden wurden. An manchen Stellen liegt auch der Leukozytenteppich
so dicht, daß eine große Anzahl von Tuberkelbazillen unbemerkt und un¬
gezählt bleibt. Ich glaube, daß man die registrierten Werte noch beträcht-
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Original frorn
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60
H. ZieschU:
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lieh erhöhen müßte, um den wahren Gehalt an Tuberkelbazillen zu be¬
kommen.
Vielleicht hat auch die allmählich bessere Übung im Untersuchen das
bei den wiederholt untersuchten Persouen häufig zutage getretene Re¬
sultat beeinflußt, daß im zweiten Falle die Bazillen in einem höheren
Prozentsätze und in größerer Menge gefunden wurden, als bei der ersten
Untersuchung.
Das von mir untersuchte Krankenmaterial entstammte in der Mehr¬
zahl der Phthisikerabteilung des hiesigen städtischen Wenzel-Haneke -
schen Krankenhauses, dessen Leiter, Herrn Primärarzt Dr. Drewitz,
ich für sein liebenswürdiges Entgegenkommen zu größtem Danke ver¬
pflichtet bin. Auch Herr Sekundärarzt Dr. Schellschmidt erleichterte
mir in jeder Weise mein Vorgehen, wofür ich ihm bestens danke.
Es wurden nur Patienten untersucht, die Tuberkelbazillen im Spu¬
tum hatten, doch wurde keine Rücksicht darauf genommen, ob dieselben
zahlreich oder spärlich waren. Die Untersuchungen erstreckten sich über
einen großen Teil des Jahres und fanden zu jeder Tageszeit statt, da ich
mir auch über zeitliche Unterschiede in der Verstreuung der Bazillen ein
Urteil bilden wollte.
Von den 30 Personen, die zur Untersuchung kamen, verstreuten
12 = 40'0 Prozent Bazillen. Diese Zahl stimmt zufällig überraschend
mit der von Hejmann (20) 1899 gefundenen Quote überein, von dessen
Versuchspersonen 40*0 Prozent Bazillen ausstreuten.
Interessant ist der Vergleich der einmal mit den öfters unter¬
suchten Personen. Während bei den ersteren in 12*5 Prozent der Fälle
Tuberkelbazillen durch Tröpfchen verbreitet wurden, betrug der Prozentsatz
bei öfter untersuchten Personen 78-9 Prozent; es verstreuten also fast */ 5
aller mehrmals untersuchten Personen bazillenhaltige Tröpfchen.
Erwähnen möchte ich noch, daß ich in der ersten Zeit meiner Unter¬
suchungen weit schlechtere Resultate hatte als später, und daß ich bei
wiederholter Durchmusterung älterer Präparate auch da noch, zum Teil
reichlich, Bazillen fand, wo ich zunächst einen negativen Befund notiert
hatte. Es mahnt dies zur Vorsicht bei der Anstellung ähnlicher Unter¬
suchungen. Es würde entschieden unrichtig sein, wollte man aus einer
Anzahl nur je einmal untersuchter Personen und ohne vorhergehende
längere Einübung speziell auf solche Untersuchungen Schlüsse bindender
Art über die Frequenz des Tröpfehenvei streuens ziehen. Auf Grund meiner
längere Zeit festgesetzten Erfahrungen zweifle ich nicht daran, daß, wie es
schon Heymann vermutet hat, jeder Phthisiker in irgend einem
Stadium seiner Krankheit einmal Bazillen in flugfähigen Tröpf¬
chen entleert uud auf diese Weise Infektionen veranlassen kann.
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CßER TkÖI'FCHENAUSSTREUUNG DURCH HUSTENDE PHTHISIKER. 61
Die Untersuchungen von Blume (27) machen es sogar wahrscheinlich
daß eine gewisse Tuberkelbazillenverstreuung noch erheblich öfter bei
Phthisikern vorkommt, als mau bisher annahm. Blume konnte nämlich
in solchen Fällen, wo ihm wegen mangelnden Auswurfes die bakterio¬
logische Sicherung der Diagnose nicht möglich war, Bazillen noch da¬
durch nachweisen, daß er die Patienten anhielt, einen Objektträger
während 8 bis 10 Tagen jeden Morgen anzuhüsteln. Er fand dann in
den fixierten und nach Ziehl gefärbten Präparaten Tuberkelbazillen, bei
einigen vereinzelt, bei anderen auch in Konglomeraten in Bronchial¬
tröpfchen. Es scheint danach eine Tröpfchenverstreuung selbst bei den
im Anfangsstadium sich befindenden Kranken stattzufindeu, deren häufigem
Käuspern und Hüsteln ohne kräftigere Hustenstöße man bisher kaum Be¬
achtung geschenkt hat.
Betrachten wir das Verhältnis der Mund- zu den Bronchialtröpfcheu,
so sehen wir, daß in der Mehrzahl der Fälle die ersteren im Übergewichte
sind. In den 62 Versuchen war nur sechsmal das Verhalten ein um¬
gekehrtes (Nr. 13, 49, 50, 51, 59 und 60). Dreimal handelte es sich da¬
bei um akute Katarrhe mit vermehrter Sekretion, flüssigem Sekrete und
dadurch augeregtem Hustenreize; dreimal war dies bei einer Patientin der
Fall, die hei ausgedehnter Zerstörung des Oberlappens mit weiter Bron¬
chialkommunikation außerordentlich geringe subjektive Symptome zeigte.
Bei ihr hatte sich das normale Verhalten umgekehrt. Die Bronchial¬
tröpfchen waren stets in der Mehrzahl.
Die Gesamtanzahl der verbreiteten Tröpfchen ist sehr verschieden
und hängt von verschiedenen Faktoren, von der Flüssigkeit oder Zähigkeit
des Sekretes, der Kraft des Hustens usf. ab. Im allgemeinen verstreuen
ambulante Patienten, die noch wohlauf sind und infolge der, durch die
Bewegung erhöhten Zirkulation auch mehr sezernieren, mehr Tröpfchen
als schwache, bettlägerige Kranke. Stark fiebernde Phthisiker mit
trockenem Hals und Mund verstreuen beinahe gar nicht, aber dann fast
nur Bronchialtropfen.
Die Anzahl der verstreuten Bazillen schwankt ebenfalls innerhalb
weiter Grenzen. Es sind hier die verschiedenen Umstände, Stadium der
Krankheit, Körperkraft, vorangegangene Bewegung, Fieber usf. wirksam,
die bereits Heymann in ihrer Bedeutung gewürdigt hat.
Nächst den wenigen Patienten, die auch bei wiederholter Untersuchung
keine Bazillen zeigen, zeigen die geringsten Befunde jene, die nur hin und
wieder wenig oder mehr Bazillen entleeren, wenn besondere günstige Ver¬
hältnisse, wie vermehrte Bewegung, akute katarrhalische Affektionen u. a. m.
vorliegen.
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62
H. Zie.'Che:
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Die kleinste Anzahl der nach gewiesenen Bazillen betrug 3 (20). um
in anderen Fällen auf 67 (4 , 136 (6 . 352 (25). 952 60), 1445 (49), ja
bis zu der ganz exorbitanten Höhe von 20174 Bazillen in einem Bereich
von 324'J' :a zu steigen.
Die Frau, welche die letzteren Werte (Nr. 49—51) lieferte, zeigte eine
w<rit fortgeschrittene Tuberkulose; fast die ganze obere Hälfte der linken
Lunge war zerstört; man h'rte in diesem Bereiche feuchtes, großblasiges
Kasseln. Die Frau, früher Zigarrenarbeiterin, war seit 2 Jahren ver¬
heiratet, Mutter eines zweijährigen Knaben. Die subjektiven Störungen
waren auffallend gering. Die Frau versorgte ihre Häuslichkeit und leistete
noch Nebenarbeit als Zigarrendreherin. Sie klagte nun hin und wieder
über Schmerzen und Müdigkeit. Nachtschweiße waren wenig vorhanden
und wurden nicht störend empfunden. —
Was die Schwankungen im Umfang der Tröpfchenausstreuung und
speziell ihre Verteilung nach Tageszeit und Jahreszeit anlangt, so haben
wir bisher darüber keine sicheren Angaben. Leider ist auch mein Material
nicht groß genug, um die aus ihm gezogenen Schlüsse verallgemeinern
zu können. Diese und ähnliche, vielleicht auch praktisch nicht un¬
wichtige Fragen werden wohl erst beantwortet werden können, wenn das
große Material der Yolksheilstätten zu planmäßigen Versuchen verwandt
werden wird.
Ich habe meine Untersuchungen in Zwischenräumen von je vier
Stunden geordnet und so folgendes Ergebnis bekommen.
Es hatten ein positives Ergebnis bei Versuchen von:
Zeit
i Prozent
Anzahl der untersuchten Fälle
7—11 Uhr früh
31-2
32
H- 3 „
62*5
7
3- 7 „
64-7
15
7—11 „ abends
—
3
11 - 3 „
—
3
3 — 7 „
j
2
Wir sehen also, daß von früh um 7 Uhr an die Tröpfchenverstreuung
zuerst schnell, dann langsam bis um 7 Uhr abends zunimmt. In späteren
Abendstunden und während der Nacht habe ich nur wenige Unter¬
suchungen anstellen können, so daß eine Prozentberechnung nicht zulässig
ist. Daß Nachts und am frühen Morgen wenig Verstreuung beobachtet
wurde, das liegt offenbar daran, daß auf der mir zur Verfügung stehenden
Krankenabteilung kurz vor dem Schlafengehen den Kranken Narkotika
gegeben wurden, um die Nachtruhe zu sichern. Wie prompt die Wirkung
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Über TröpfchenAusstreuung durch hustende Phthisiker. 63
ist, zeigt der Ausfall unserer Versuche. Gegen früh läßt dann die
Wirkung nach. Erst am späteren Morgen macht sich die Reaktion auf
die lange Sekretstauung bemerkbar, und mit dem Husten setzt auch
stärkere Veretreuung ein.
Bei einem Patienten Hag. (Nr. 27 bis 42), der deutlich, aber in
mäßigen Grenzen Tröpfchen verstreute, habe ich wiederholt den Einfluß
der Tageszeit im Laufe des Tages auf die Anzahl der ausgehusteten Ba¬
zillen festzustellen gesucht. Ein irgendwie gesetzmäßiges Verhalten konnte
ich aber dabei nicht finden. Das einzige, was sich mit Sicherheit auch
hier bemerkbar machte, war die deutliche Wirksamkeit der abendlichen
Morphiumgabe.
Im übrigen wächst offenbar die Tröpfchenverbreitung mit dem Husten,
und dieser nimmt nach dem Aufstehen, nach heftiger Bewegung, an¬
geregter Unterhaltung, kurz nach allen Einflüssen zu, die eine Steigerung
der Blutbewegung und damit eine Erhöhung der Sekretionsgeschwindig¬
keit im Gefolge haben. Je nachdem der Zeitpunkt der Untersuchung
nahe oder entfernt von einer solchen erhöhenden Ursache liegt, finden
sich auch mehr oder weniger bazillenhaltige Tröpfchen auf der Vorlage.
Auch über die Bedeutung der verschiedenen Jahreszeiten und der
Witterungsverhältnisse auf die Intensität der Tröpfchenverstreuung konnte
ich wenig Sicheres feststellen. Am Ende des Winters und zu Beginn des
Frühjahrs scheinen wohl mehr bazillenhaltige Tröpfchen ausgehustet zu
werden; und die Ursache dafür sind wohl die in jenen Zeiten häufig
akquirierten Katarrhe der Phthisiker, wie ja auch die Mortalität der
Phthisiker in diesen Zeiten aus dem gleichen Grunde erhöht zu sein pflegt.
Unter meinen Patienten war das Verhältnis der Tröpfchenverstreuer
zu denen, die keine Bazillen auswarfen, in den verschiedenen Monaten
folgendes:
Monat
Insgesamt
untersucht
Bazillenfreie Tröpfchen
verstreuten
Bazillenhaltige Tröpfchen
verstreuten
Januar . . .
18
11
7
Februar . . .
15
6
9
März ....
14
5
9
April ....
—
—
—
Mai ....
1
1
0
Juni ....
3
| 1
2
Juli ....
2
0
2
August . . .
—
—
—
September . .
—
—
-
Oktober . . .
—
—
—
November . .
8
6
2
Dezember . .
2
2
0
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64
H. ZlESCHfc:
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Versucht man nunmehr, die quantitativen Ergebnisse meiner Be¬
obachtungen für die Abschätzung der Infektionsgefahr zu verwerten,
welche aus der Tröpfchenverstreuung hustender Phthisiker sich ergibt,
so wird es vor allem nötig sein, einen bestimmten Begriff von derjenigen
Bazillenzahl zu bekommen, welche zu einer wirksamen Infektion durch
Inhalation erforderlich ist. Da diese Zahl sich nur experimentell und
daher nicht für den Menschen festlegen läßt, müssen wir uns mit Er¬
mittelungen an Versuchstieren begnügen. Von der Anzahl Bazillen, welche
bei diesen zur sicheren Infektion durch Inhalation ausreicht, werden wir
unter gewissem Vorbehalt einen Rückschluß ziehen können auf die für
den Menschen mindestens nötige Ziffer von eingeatmeten Tuberkelbazillen;
und es wird sich dann fragen, inwieweit die von mir in feinsten aus¬
gestreuten Tröpfchen hustender Phthisiker gefundene Menge von Tuberkel¬
bazillen zur Deckung dieser Ziffer ausreicht.
Über das Quantum der zur Infektion von Meerschweinchen erforder¬
lichen inhalierten Bazillen liegen Versuche aus früherer Zeit vor von
Gebhard (26) und von Preyss (27). Beide arbeiteten mit phthisischem
Sputum; die Feststellung der Bazillenzahl erfolgte durch mikroskopische
Zählung einer genau gemessenen Probe; von den einzelnen Verdünnungen
inhalierten die Tiere ein bestimmtes Quantum (Gebhard) oder mittels
des gleichen Sprays eine bestimmte Zeitlang (Preyss). Gebhard fand,
daß inhalierte Sputumverdüunungen in dieser Weise noch tödliche Tuber¬
kulose verursachten, wenn etwa 400 Tuberkelbazillen eingeatmet wurden;
Preyss fand einmal sogar 36 Bazillen noch wirksam, ein anderes Mal
48 Bazillen unwirksam.
Neuerdings hat Findel mit genaueren Methoden die bei der Inhala¬
tion erforderliche Infektionsdosis bestimmt (siehe die Arbeit im vorlieg. Band).
Er hat dabei auch unterschieden diejenige Bazillenmenge, welche in
der Atemluft eingeatmet werden muß, und diejenige, welche nach Abzug
der in Nase, Rachen usw. zurückbleibenden Bazillen wirklich bis zu den
Bronchien Vordringen müssen. Der letztere Anteil beträgt etwa 60;
zwar gelingt die Infektion auch schon mit kleineren Mengen, aber sie
ist unsicher; während 60 eindringende Bazillen in jedem Falle tödliche
Tuberkulose veranlassen. Damit 60 Bazillen in die Bronchien gelangen,
müssen aber mindestens 200 Bazillen eiugeatmet werden, von
denen mehr als 2 / s Nase, Rachen usw. stecken bleiben bzw. verschluckt
werden.
Es fragt sich nun zunächst, ob die für das Meerschweinchen als
erforderlich erkannte Dosis auf den Menschen übertragen werden darf.
Hierfür kommt einmal in Betracht, ob der Prozentsatz der aus der
Einatmungsluft in Nase, Rachen usw. zurückgehaltenen Keime beim
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Über Tröpfchenaüsstreuüng nuscn hustende Phthisiker. 65
Menschen größer ist als beim Meerschweinchen. Bedenkt man den kräf¬
tigeren Inspirationsstrom des Menschen, andererseits die außerordentliche
Enge der Zugaugswege zum Respirationstraktus beim Meerschweinchen,
so wird man kaum annehmen können, daß der Mensch in dieser Be¬
ziehung besser geschützt sei. — Vielleicht ist aber die Minimaldosis Ba¬
zillen, welche nach dem Eindringen in die feineren Bronchien tuberkulöse
Erkrankung veranlaßt, beim Menschen, schon wegen des großen Unter¬
schiedes in Größe und Gewicht des Körpers und der Organe viel erheb¬
licher als beim Meerschweinchen? Auch in dieser Beziehung wird man
keine allzu großen Differenzen erwarten dürfen. Für das Schicksal der
bis in die feineren Bronchien vorgedrungenen Bazillen hauptsächlich ent¬
scheidend ist die sog. Disposition, d. h. die Fähigkeit des Körpers, durch
Schutzvorrichtungen der eindringenden Krankheitserreger Herr zu werden.
Die Disposition ist aber, wie wir aus der enormen Verbreitung und dem
häufigen tödlichen Ende der menschlichen Tuberkulose sehen, beim
Menschen außerordentlich groß, vermutlich eher größer als beim Meer¬
schweinchen. Die für letztere als erforderlich ermittelte Einatmungsdosis
wird daher für den Menschen wohl etwas höher liegen, aber gewiß zu
einer wirksamen Infektion ausreichen, wenn man sie 2 bis 3mal höher
ansetzt. — Andererseits werden minimalste Mengen inhalierter Bazillen
auch beim Menschen sicher nicht Infektion bewirken, weil die Chancen,
daß sie in die feineren Bronchien gelangen, auf Epithellücken treffen
oder in Lymphbahnen eindringen können, zu gering sind.
Rechnen wir demnach, daß auch für den Menschen etwa 2 bis 400
Tuberkelbazillen mit der Atemluft aufgenommen werden müssen, um In¬
fektion zu bewirken; und sehen wir zu, ob die Verhältnisse bei der
Tröpfchenverstreuung der Phthisiker nach meinen Versuchen so liegen,
daß die Aufnahme von so viel Bazillen seitens eines Gesunden innerhalb
einer kurzen Zeitspanne erfolgen kann.
Auf den von mir benutzten Glasplatten von 324 qcm fanden sich binnen
einer halben Stunde bei 9 Untersuchungen mehr, zum Teil erheblich
mehr als 200 Tuberkelbazillen. Durch den menschlichen Inspirations¬
strom werden außerdem jedenfalls die verstreuten Tröpfchen aus einem
erheblich größeren Luftbereich in die Lunge eingeführt; die Glastafel
schneidet aus dem ganzen Verstreuungskreise nur ein relativ kleines
Segment heraus.
Andererseits habe ich bei 23 Einzeluntersuchungen in einer halben Stunde
keinen Bacillus gefunden; und in 20 Untersuchungen weniger als 200.
Es kommt hinzu, daß die Annäherung meiner Versuchsplatte au den
hustenden Phthisiker eine ziemlich große war, im Mittel 00 cm , also
größer als gewöhnlich unter praktischen Verhältnissen; ferner daß die
Zeitschr. f. Hygiene. LVIT.
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Original fro-m
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66
H. Ziesch£:
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Platte eine halbe Stunde dauernd dem Husten in der gleichen Ent¬
fernung exponiert war, was auch in der Praxis nicht gerade häufig vor¬
kommt.
Weiter ist in ßechnung zu ziehen, daß sicher nur die kleinen
Bronchialtröpfchen von ca. 20 bis 60 p Durchmesser Aussicht haben, bis in
die feineren Bronchien zu langen. Eine genauere Scheidung nach der
Größe der Bronchialtröpfchen habe ich in meinen Versuchen unterlassen.
Das Verhältnis der feineren zu den gröberen wechselt sehr stark; bei
größerer Entfernung der auffangenden Platte treten die gröberen mehr
zurück. Wie ich oben hervorhob, ist es andererseits sehr fraglich, ob
bei etwas größerer Entfernung die feinsten Tröpfchen auch wirklich auf
den Objektträgern aufgefangen werden; Versuche mit Tröpfchen eines sehr
feinen Sprays lassen Zweifel hieran als durchaus berechtigt erscheinen.
So sind noch viele Unsicherheiten vorhanden, die eine genauere quan¬
titative Abschätzung der in den Tröpfchen gebotenen Infektionsquelle
vorläufig sehr erschweren.
Dennoch wird man sich im allgemeinen über die Gefahr, die von
der Tröpfchenverstreuung ausgeht, etwa folgendes Bild machen können.
Sicher kommen außerordentlich selten so reichliche oder so dicht mit
Bazillen besetzte kleine Bronchialtröpfchen vor, daß schon ein kurzer
Aufenthalt in der Nähe des Phthisikers ausreicht, um die zur Infektion
erforderliche Bazillenmenge in die Einatmungsluft zu liefern. Kurz¬
dauerndes Zusammensein mit einem Phthisiker und gelegentliches An¬
husten führt daher wohl fast niemals zur Infektion.
Dagegen wird bei dauerndem nahem Zusammensein die infektiöse
Grenzzahl leicht erreicht. Ein halbstündiges Verweilen in nächster Nähe
des Phthisikers liefert noch relativ geringe Chancen; in meinen Versuchen
9 mal unter 52. Erst bei noch stärkerer zeitlicher Ausdehnung des intimen
Verkehrs werden die Chancen erheblich.
Demnach wird z. B. der Verkehr einer phthisischen Mutter mit
ihrem in den ersten Lebensjahren befindlichen Kinde fast unfehlbar zur
Infektion des Kindes führen. Es ist unausbleiblich, daß die Mutter täg¬
lich stundenlang sich in nächster Nähe des Kindes befindet, und wenn
sie auch bei kräftigeren Hustenstößen sich abwendet, so wird diese Ma߬
regel doch so oft von unvollkommener Wirkung sein, und schon das kaum
merkliche Hüsteln führt so leicht zu Tröpfchenverstreuung, daß das Kind
zweifellos häufig Tröpfchen einatmet. Wohl mag die Mutter monatelang
keine Tuberkelbazillen verstreuen; es wird dennoch hier und da zweifellos
zu einer Periode stärkerer Infektionsgefahr kommen. — Weniger leicht
werden schon Ehegatten und andere Familienmitglieder sich infizieren.
Der dauernde Aufenlialt in nächster Nähe während des Hustens ist hier
Gck igle
Original frum
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ÜBER TRÖPFCHEN AUSSTREUUNG DURCH HUSTENDE PHTHISIKER. 67
viel leichter zu vermeiden und wird entschieden häufiger vermieden. —
Ebenso ist die gemeinsame Arbeitsstätte nicht durchweg gefährlich,
und die Gefahr kann durch entsprechendes Verhalten des hustenden
Phthisikers einerseits, des Gesunden andererseits sehr erheblich herab¬
gedrückt werden. — Nicht leicht vermeidbar wird die Tröpfcheninfektion
bei dem Pflegepersonal auf Phthisikerstationen sein. Bei der Pflege
eines einzelnen Kranken ist der andauernde Aufenhalt in größter Nähe
noch zu umgehen, etwa ebenso wie bei Ehegatten (ein verständiges Ver¬
halten des Kranken vorausgesetzt!). In Pflegeanstalten mit ambulanten,
meist noch kräftigen Kranken braucht ebenfalls eine Infektion des Per¬
sonals durchaus nicht zustande zu kommen. Dagegen ist bei bettlägerigen
Kranken im letzten Stadium, die fortgesetzt Hilfeleistungen und zu diesen
große Annäherung des Pflegepersonals erfordern, die Gefährdung des
letzteren beträchtlich; und wenn der Pfleger eine große Anzahl solcher
hilfloser Kranker zu warten hat, so befindet er sich fast dauernd in einer
stark mit infizierenden Tröpfchen erfüllten Luft. — Ärzte sind relativ
wenig gefährdet. Im Ausstreuungsbereich der Hustenden brauchen sie
nur für kürzeste Fristen zu verweilen. Wohl atmen sie längere Zeit die
Luft der mit Phthisikern belegten Krankensäle; aber nach den Ergeb¬
nissen aller darüber angestellten Untersuchungen wird es kaum jemals
Vorkommen, daß diese Luft so zahlreiche Tröpfchen (bzw. Stäubchen) mit
Tuberkelbazillen enthält, daß die zur Infektion erforderliche Dosis zustande
kommt. Die größeren mit Bazillen beladenen Tröpfchen setzen sich schon
in etwa l m Entfernung vom Hustenden zu Boden und die *feinsteu, ver¬
einzelte Bazillen enthaltenden Schwebeteilchen werden auf sehr große Luft¬
mengen verteilt. — Vollends gelegentliche Unterhaltungen mit Phthisikern,
Besuche in Sanatorien und Phthisikerkraukenhäusern, oder gemeinsames
Essen, Spazierengehen und dgl. mit Phthisikern sind nicht geeignet, Ge¬
sunde mit Infektion zu bedrohen, falls nur die einfachsten Vorsichtsma߬
regeln beobachtet werden. Unterläßt man freilich diese, so kann aus¬
nahmsweise auch der Arzt und der gelegentliche Besucher eine zur In¬
fektion ausreichende Bazillenmenge inhalieren. Die von mir beobachtete
Frau Nie. z. B. verstreute an 3 verschiedenen Untersuchungstagen jedes¬
mal so stark, daß recht wohl auch ein kürzerer Aufenthalt im Bereich
ihrer Hustenstöße ausreichen konnte, um mehr als 400 Tuberkelbazillen
in die Eiuatmungsluft überzuführen. Solche Fälle mögen bei den bekanut
gewordenen Infektionen von Ärzten tatsächlich im Spiel gewesen sein. —
Da es dem Kranken schlechterdings nicht anzusehen ist, ob und in welchem
Maße er Tröpfchen verstreut, sollte in jedem Falle die Vorsicht, daß der
Gesunde sich während des Hustens außerhalb des Bereichs der direkten
Hustenstöße hält, beachtet werden. Erst auf Grund der quantitativen
5 *
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H. ZiESCHfi:
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Feststellungen müssen wir eventuell unsere Vorstellungen von der In¬
fektionsgefahr, die von der Tröpfcheninfektion ausgeht, modifizieren. Auf
der einen Seite konnte sie bisher unterschätzt werden, weil man die An¬
zahl der in dieser Weise aufgenommenen Bazillen für belanglos ansah;
viel häufiger aber wurde die Tröpfcheninfektion überschätzt und dahin
mißverstanden, daß jedes kurze Zusammensein mit einem hustenden
Phthisiker notwendig zu Infektionen führen mußte. Daraus entsprang ein
Mangel an Übereinstimmung mit den Erfahrungen der Praxis; man sah,
daß sehr oft Gesunde mit Phthisikern verkehren, ohne angesteckt zu werden
und man hielt dies für unmöglich, wenn die Tröpfcheninfektion zu Recht
bestehen sollte. Und so wurden die Zweifel an der Bedeutung dieses In¬
fektionsmodus um so stärker, je unbeschränktere Wirksamkeit man ihm
auf Grund der Experimente zuschrieb. Erst die Erkenntnis, daß offenbar
eine gewisse Zahl von Tuberkelbazillen erforderlich ist, um Inhalations¬
tuberkulose zu bewirken, und daß eine solche Zahl erst bei länger
dauerndem Aufenthalt in nächster Nähe des hustenden Phthisikers durch
Tröpfchenverstreuung in den Bereich der Einatmungsluft des Gesunden ge¬
langt, läßt unsere praktischen Erfahrungen durchaus im Einklang mit den
experimentellen Ergebnissen erscheinen.
Unter denjenigen Autoren, welche in letzter Zeit die Bedeutung der
Tröpfcheninfekton auf Grund der praktischen Erfahrungen völlig bestritten
haben, ist namentlich Saugmann hervorzuheben, der durch eine sorg¬
fältige Enquete das Verschontbleiben der Sanatorienärzte und der Kehl¬
kopfärzte von Tuberkulose zu erweisen suchte und die Tröpfcheninfektion
mit diesem Verschontbleiben für unvereinbar erklärte.
Saugmann (20) hat an eine große Zahl von an Lungenheilstätten be¬
schäftigten Ärzten Fragebogen gesandt und zu ermitteln gesucht, ob diese
Herren innerhalb ihrer Austaltstätigkeit sich infiziert haben oder nicht
Er hat auf diese Weise von 180 Ärzten, die durchschnittlich 3 Jahre sich
mit Tuberkulösen beschäftigt hatten und dann noch Jahre beobachtet
waren, verwertbare Antworten erhalten. Nicht selten flössen die Nach¬
richten über die Ärzte, über die berichtet wird, erst aus zweiter und
dritter Quelle.
Von den 180 Ärzten, die geeignete Angaben machten, haben 9 an¬
gegeben, daß sie nach oder während ihrer Tätigkeit in Heilstätten tuber¬
kulös erkrankt sind. Bei einem (Fall 5) handelt es sich anscheinend um
eine Laboratoriumsinfektion mit Thimotheebazillen. Von den übrigen
8 Ärzten nimmt Saugmann an, sie hätten sich bis auf 2 schon vorher
infiziert. Der Beweis für diese Meinung kann kaum als sicher erbracht
angesehen werden und die Fälle lassen sich mit dem gleichen Rechte als
Infektionen in den Anstalten auffassen. Es würde das also ein Zustande-
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Übeb Tböpfchenausstbeuung dubch hustende Phthisikeb. 69
kommen der Infektion bei 4-4 Prozent der Ärzte bedeuten. — Mit einer
solchen Zahl harmonieren auch andere Beobachtungen. Ich verweise hier
nur auf die Statistik von Williams (37) über 180 Ärzte, die 1846 bis 1882
am Brompton Hospital für Lungenkranke tätig waren und von denen 9
tuberkulös wurden (also der gleiche Prozentsatz wie in der Saugmann-
schen Statistik). Ferner teilt Schaper (38) mit, daß in der Charitö junge
kräftige Ärzte, die sicherlich früher frei von Tuberkulose waren, des öfteren
infiziert wurden. Ich selbst kenne ein Beispiel, das ich leider nicht des
näheren ausführen darf, wo in einer allgemeinen Poliklinik im Laufe von
3 Jahren drei junge Ärzte, die bei Antritt der Stellung völlig gesund
waren, vermutlich infolge von Ansteckung tuberkulös wurden.
Es würde aber durchaus unrichtig sein, wollte man gerade unter den
Ärzten der Lungenheilstätten einen besonders hohen Prozentsatz von be¬
ruflich Infizierten erwarten. W T ie ich oben bereits ausführte, werden die
Ärzte durchaus nicht in besonders hohem Maße gefährdet, weil sie bei einiger
Vorsicht nicht dauernd genug im Bereich stärkerer Tröpfchenverstreuung
verweilen. Saugmann meint allerdings, daß dies bei der Untersuchung
der Kranken doch der Fall sei, da ja auch seitlich von der Richtung der
Hustenstöße und sogar hinter dem Patienten Tröpfchen mit Tuberkel¬
bazillen von Heymann nachgewiesen seien. Saugmann übersieht dabei,
daß es sich hier um vereinzelte, spärliche Tuberkelbazillen enthaltende
Tröpfchen gehandelt hat, die für eine quantitativ ausreichende Infektion
nicht in Betracht kommen. Im Gegenteil kommt der Arzt bei der ganzen
Untersuchung des Patienten mit seiner Einatmung kaum für einen Moment
in die gefährlichsten zentralen Teile des Ausstreuungsbereichs des Husten¬
den, vollends nicht während der Hustenstöße. Die Gefahr, in welcher
der Arzt sich befindet, läßt sich jedenfalls gar nicht vergleichen mit der¬
jenigen, in welcher sich z. B. das Pflegepersonal und Angehörige, vor
allem Kinder, beim Zusammenleben mit dem Phthisiker befinden.
Ich gebe zu, daß Saugmann eine größere Gefährdung der Ärzte
erwarten mußte, wenn er annahm, daß jedes verstreute Hustentröpfchen
zur Infektion führen kann. Eine solche Ansicht ist eben nur mißverständ¬
licherweise von einigen Autoren aus den Flügge sehen Versuchsergeb¬
nissen gefolgert. Flügge selbst hat stets darauf hingewiesen, daß zur
richtigen Einschätzung der Infektionsgefahr eine genauere quantitative
Kenntnis der Tröpfchenverstreuung gehöre. Berücksichtigt man aber die
in dieser Richtung jetzt angestellten Untersuchungen, so entspricht die in
der Praxis beobachtete Gefährdung der Sanatorienärzte durchaus den Vor¬
stellungen, die wir aus den experimentellen Feststellungen über Umfang
und Häufigkeit der Tröpfchenausstreuung uns bilden mußten.
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H. ZiESCHfi:
Saugmann hat aber noch ein anderes frappierenderes Ergebnis bei
seiner Enquete erhalten. Er hat unter 64 Kehlkopfärzten keinen gefunden,
der an Tuberkulose erkrankt ist. Schon Moritz Schmidt (39) hat in seinem
Handbuch „Die Krankheiten der oberen Luftwege“ das Verschontbleiben
der Kehlkopfärzte hervorgehoben. Die Tatsache erscheint um so auf¬
fallender, als gerade für das Laryngoskopieren die Verstreuung Tuberkel¬
bazillenhaltiger Tröpfchen durch mehrfache Untersuchungen festgestellt ist.
Saugmann selbst teilt mit, daß er z. B. an seinen Brillengläsern nach dem
Laryngoskopieren Tuberkelbazillen hat nachweisen können; ähnliche Beobach¬
tungen machte B. Frankel (22). Die genauesten Untersuchungen rühren
von Möller (23) her. Daß dieser am Kehlkopfspiegel Sputumteilchen mit
Tuberkelbazilleu fand, ist ohne Belang; aber auch an dem Reflektor, an der
Lehne seines Stuhls usw. fand er nach dem Laryngoskopieren Tuberkel¬
bazillenhaltige Tröpfchen. Ferner konstatierte er bei 75 Untersuchungen
des eigenen Nasenschleims (nach 2 1 / 2 ständiger Sprechstunde mit zahl¬
reichen Lungen- und Kehlkopfuntersuchungen) einmal einen T.B., einmal
4, und ein drittes Mal ein Häufchen von 6 bis 8 Bazillen.
Zweifellos findet also beim Laryngoskopieren Tröpfchenverstreuung
seitens des Kranken statt. — Aber auch hier wird erst eine Berücksichtigung
der quantitativen Verhältnisse zu einem richtigen Urteil führen, und
um in dieser Richtung einen genaueren Einblick zu gewinnen, stellte ich
selbst noch eine Reihe von Untersuchungen an.
Ich giug zu diesem Behufe in der Weise vor, daß ich in ganz
ähnlicher Weise wie bei den schon besprochenen Verstreuungsversuchen,
12 Objektträger, die zusammen einen Raum von 324 qcm einnahmen, in
einen Rahmen einspannte, der durch Bänder leicht in frontaler Stellung
an dem Reflektor des Untersuchers angebracht werden konnte. Bei
einiger Übung konnte man durch die Gläser hindurch ganz gut laryngos¬
kopieren und intralaryngeale Eingriffe vornehmen. Das Gesicht des Unter¬
suchers war so völlig geschützt und die beim Husten etwa versprayten
Tröpfchen wurden auf den Objektträgern aufgefangen.
Nach jedem Spiegelversuche wurden die Objektträger vorsichtig
fixiert und weiterhin, wie schon im ersten Teile der Arbeit beschrieben,
behandelt.
Die Versuche beim Kehlkopfspiegel konnte ich dank der Güte des
Herrn Professor Dr. Hinsberg zum großen Teile in der hiesigen Uni¬
versitätspoliklinik für Kehlkopf kranke anstellen. Ihm, sowie seinen
Assistenten bin ich für ihre freundliche Hilfe sehr zu Dank verpflichtet.
Einer der Assistenten, Herr Dr. Frey tag, ist leider inzwischen an einer
Phthise gestorben, die schon vor seiner laryngologisohen Tätigkeit be¬
standen hat.
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Über Tröpechenausstreuuno durch hustende Phthisiker. 71
Da die Versuche alle in übereinstimmender Weise ausfielen, möchte
ich hier nur zur Erläuterung meines Vorgehens ein Versuchsprotokoll
ausführlich wiedergeben, im übrigen aber meine Resultate in einer Tabelle
zusammenfassen.
Versuch IV.
Untersucher Dr. S. Patient: Frau S. Z.
24 JIL 05. Ausgedehnter Lungenbefund. Die gesamte Larynxwand verdickt.
Ulcerationen auf der hinteren Larynxwand. Beide Stimmbänder therapeutisch
verschorft.
Therapeutischer Eingriff: Kokainisieren, Ätzung der Ulcerationen
mit Milchsäure.
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Kokainisiert.
Zweimal lautiert.
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Die Durchschnittsentfernung des Arztes vom Kranken beträgt etwa 40 cm .
Die Gesamtdauer des Eingriffes beträgt 3 Min. 54 Sek. Die Dauer
tatsächlichen intralaryngealen Arbeitens 31 Sekunden.
Die Zusammenstellung der auf dem Wege ähnlicher Versuche ge¬
wonnenen Befunde gibt Tabelle II.
Es ist überraschend zu sehen, wie relativ wenig Ausbeute an Tröpf¬
chen und Bazilleu die Spiegelversuche gegeben haben.
Besonders deutlich tritt das bei Versuchen 63 bis 67 zutage, die
an Personen vorgenommen wurden, die ich schon vorher auf ihr Ver-
streuungsvermögen (vgl. Tabelle I, Nr. 49 bis 51, 59 bis 61 und 27 bis 42).
untersucht hatte. Während alle drei Versuchspersonen bei kräftigem Husten
Bazillen verstreut hatten, zum Teil sogar außerordentlich viel (Fall Nie.)
konnte bei den Spiegel versuchen nur einmal ein Bacillus nachgewiesen
werden. Auch die Zahl der verstreuten Tröpfchen war sehr klein, Bron¬
chialtröpfchen fehlten fast ganz.
Aber auch bei den Kehlkopfphthisikern, die ich zu untersuchen Ge¬
legenheit hatte, war ein gleiches Verhalten zu bemerken. Nur einige
Male konnte ich vereinzelte Tuberkelbazillen nachweisen, während im
Sputum bei allen Patienten mehr oder minder zahlreiche Bazillen ge¬
funden waren.
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72
H. ZtESCHfi:
Dieses zunächst überraschende Ergebnis findet seine Erklärung im
Verhalten des Untersuchers sowohl, als auch auch in besonderen
Verhältnissen des Kranken.
Was den Untersucher anlangt, so wendeten alle Kehlkopfärzte, die
ich darauf hier zu beobachten Gelegenheit hatte, fast unbewußt gewisse
Vorsichtsmaßregeln an.
Im Augenblick, wo der Arzt merkt, daß der Untersuchte husten will,
weicht er zurück. Der Gespiegelte, der dem unangenehmen Keiz zu ent¬
gehen trachtet, nimmt seinen Kopf auch zurück; so wird im Momente
des Hustens der Abstand zwischen Arzt und Patient bis auf mindestens
80 bis 90 cm vergrößert. Außerdem wendet der Arzt seinen Kopf im
entscheidenden Moment zur Seite und bringt ihn so zum größten Teile
außerhalb des Zerstreuungskreises des Hustenden. Der untersuchende
Arzt hat sehr bequem die Zeit, sich im rechten Augenblicke sozusagen
in Sicherheit zu bringen, denn er sieht die gefahrdrohende Larynxkontraktion
im Spiegel. Eerner habe ich bei fast allen Kehlkopfärzten bemerkt, daß
sie im entscheidenden Momente den Atem instinktiv, häufig ohne sich
dessen selbst bewußt zu werden, anhielten und auch dadurch die Inhalations¬
gefahr verminderten.
Alle diese, in fast jedem Falle zu beobachtenden Maßnahmen können
aber den geringen Bazillenbefuud nicht erklären. Es müssen noch andere
Faktoren mit im Spiele sein, und diese liegen in der Person des während
des Kehlkopfspiegelus hustenden Phthisikers selbst«.
Um die hier in Frage kommenden Verhältnisse klarlegen zu können,
muß ich kurz auf die Mechanik der Expektoration und Physiologie des
Hustens eingehen.
Die Expektoration ist die Folge von drei verschiedenen Vorgängen,
der Tätigkeit der Flimmerepithelien des Respirationstraktes, der Wirksam¬
keit der sich peristaltisch kontrahierenden Bronchialmuskulatur [Henle (40;]
und endlich jenes reilektorisch ablaufenden Bewegungskomplexes, den wir
als Husten bezeichnen.
Sind die Sekretmassen erst in die feineren Bronchi gelangt, so werden
sie in stiller, andauernder Arbeit von den Flimmerepithelien oralwärts
geschafft, die in ihrer Wirkung von der Peristaltik der Bronchialmus¬
kulatur unterstützt werden. Durch einen Reiz im Bronchus und der
Trachea wird nun die gewaltsame, durch Glottisschluß zunächst behinderte
Exspiration herbeigeführt, die wir Husten nennen. Durch den zeitweisen
Glottisverschluß wird der intratracheale Druck, der für die Herausbe¬
förderung der Sekretmassen von entscheidender Bedeutung ist, wesentlich
erhöht. Nun pfeift im Momente, wo der Glottisverschluß gelöst und die
Bahn wieder frei wird, die Luft unter kräftigem Druck heraus und reißt
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Über Tröpfchenausstreuung durch hustende Phthisiker. 73
die Sekretmassen mit sich fort. Das ist der Vorgang beim typischen
Hasten.
Der Husten kann aber auch ohne Glottisverschluß zustande
kommen, wie Beobachtung am tracheotomierten Tiere und Menschen, sowie
die beim Laryngoskopieren gewonnene Erfahrung zeigt. Bei fehlendem
oder mangelhaftem Glottisverschluß ist der Exspirationsdruck in der
Trachea, der für die Herausbeförderung der Sekretmassen vor allem wichtige
Intratrachealdruck weit geringer als in der Norm. Aron (41) hat Ge¬
legenheit gehabt, hierüber beim tracheotomierten Menschen, bei dem die¬
selben Verhältnisse vorliegen wie beim fehlenden Glottisschluß Messungen
anzustellen. Er fand den Druck bei einem und demselben Menschen ver¬
schieden, je nachdem dieser durch den Larynx oder durch die Tracheal-
fistel atmet.
Atmung durch Larynx
Atmung durch Trachealfistel
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i -+- 28*0 Hg
76-6
1 34-8
94-2
51*6
91-2
42-0
80-4
40-6
89-2
42*8
85-0
50-4
82-0
40-6
i
48*0
Die Unterschiede liegen klar zutage; beim Atmen durch den Larynx
beträgt der Maximalwert 94-2, beim Atmen durch die Trachealwunde
5l.6 mm Hg. Tatsächlich dürfte der intratracheale Druck des gesunden
Menschen aber noch höher sein, wie aus Beobachtungen von Geigel (42)
hervorgeht, der Werte von 150 bis 160 mm Hg feststellen konnte. Der
intratracheale Druck beim gesunden mit Glottisschluß atmenden Menschen
kann also unter Umständen bis achtmal größer sein als beim kranken,
der mit fehlendem oder mangelhaftem Glottisschluß hustet; es wird somit
das Husten unter letzteren Umständen auch einen achtmal geringeren
Expektorationswert haben als bei normalen Verhältnissen.
Betrachten wir nun das Husten der Kehlkopfphthisiker. Wie husten
sie, wie verhält sich ihr Larynxverschluß? Für einen großen Teil der
Kranken — solche mit Ulceratiouen an den Taschen- und Stimmbändern
oder mit Infiltraten an der hinteren Larynxwand ist ein normaler Glottis¬
verschluß ein Ding der Unmöglichkeit.
Aber auch allen anderen Patienten, die wirkehlkopfspiegeln, erschweren
wir den festen Glottisverschluß sehr durch unsere Verhaltungsmaßregeln.
Wir pflegen ihnen zu sagen: „Atmen Sie ruhig und tief, damit Sie nicht
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74
H. ZiESCHjfc:
zu husten und nicht zu würgen brauchen.“ Nun sitzen die Leute mit
weitgeöffneter Glottis da, und sobald wir merken, daß eine Würgbewegung
entsteht, halten wir sie wieder zum ruhigen Atmen an. Die Kranken
Termeiden aber auch schon Ton selbst den Glottisschluß nach Kräften,
weil er der Anfangspunkt der reflektorischen Würgbewegung ist, die ihnen
natürlich unangenehm ist. Kommt es zum festen Glottisverschluß, so
folgt fast sicher eine heftige Würgbewegung, infolge welcher der Patient
zurückweicht und die Untersuchung unterbrochen werden muß.
Es kommt somit beim Patienten, der laryngoskopiert wird, nur relativ
selten zu einem plötzlichen unvorhergesehenen Husten; meist erfolgt dieser
dann mit mangelhaftem oder fehlendem Glottisschluß. Kommt es aber auch
einmal zu einem richtigen, kräftigen Hustenstoße, so sieht der spiegelnde
Arzt dies schon vorher im Kehlkopfspiegel und hat, da er ja sowieso wegen
der darauf folgenden Würgbewegungen die Untersuchung oder den thera¬
peutischen Eingriff unterbrechen muß, Zeit genug, sich zur Seite zu wenden
und aus dem Bereiche des gefährdenden Verstreuungskegels zu bringen.
Hustet der Kranke mit mangelndem Glottisschluß, so ist die not¬
wendige Folge davon, daß er auch viel weniger heraushustet und viel
weniger Bazillen verstreut.
Letztere können stammen: 1. aus den Bronchien, 2. vom schleimig¬
eitrigen Belege der Larynxulcerationen und 3. aus dem Munde. Die
Exspirationskraft ist aber bei dem mangelhaften Husten im allgemeinen
zu gering, um Bronchialtröpfchen heraufzubringen, mindestens sind sie
außerordentlich selten. Der Beleg der Kehlkopfulcera ist von äußerst
zäher, eitrig-schleimiger Beschaffenheit. Wir wissen aus der Arbeit
Stichers (15), welch große Kraft notwendig ist, aus solchem Schleim
Tröpfchen frei zu machen. Somit bleiben vorzugsweise nur noch die
Muudtröpfchen, die in gewisser Zahl verstreut werden, die aber, wie wir
schon im ersten Teil unserer Untersuchungen gesehen haben, sehr selten
Tuberkelbazillen enthalten. Die geringe Ausbeute, die wir in unseren
Spiegelversuchen hatten — im ganzen nur drei Tuberkelbazillen — ent¬
spricht durchaus diesen Anschauungen. Tatsächlich ist also die Infektions¬
gefahr für die Kehlkopfärzte bei weitem nicht so groß, als man es von
vornherein anzunehmen geneigt ist. — Natürlich kann auch ein Kehlkopf¬
arzt sich infizieren; bleibt er nach der Beendigung der therapeutischen Ein¬
griffe, wo der Patient meist einigemale kräftig zu husten pflegt, noch eine
Zeitlang in nächster Nähe des Kranken und im Bereich von dessen Husten¬
stößen, so wird er zweifellos das nötige Quantum Bazillen einatmen können.
Aber wenn eine solche unnötige Annäherung vermieden und die einfachsten
Vorsichtsmaßregeln beobachtet werden, erreicht die Zahl der in verstreuten
Tröpfchen enthaltenen Bazillen nicht die infektiöse Dosis. Das zeigen nicht
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TjBEB Tböpfchenausstbeuung dubch hustende Phthisikeb. 75
nur meine Versuche, sondern ebensowohl die von Moeller angestellten, der
ja z. B. im eigenen, nach der Sprechstunde sorgfältig untersuchten Nasen¬
schleim 72 mal keinen einzigen Bazillus, und 3mal nur vereinzelte fand.
Im ganzen sollte man die Beweiskraft' einer solchen Enquete, wie sie
Saugmann veranstaltet hat, nicht zu hoch veranschlagen. Saugmann
versandte Fragebogen an fünfzig laryngologische Polikliniken; nur aus
acht bekam er die erbetenen vollständigen Ärztelisten. Es liegt doch sehr
nahe daran zu denken, daß ein Teil der Polikliniken, die nicht geant¬
wortet haben, unangenehme Erlebnisse oder wenigstens zweifelhafte Resul¬
tat ein bezug auf die Infektion ihrer Ärzte zu verzeichnen hatten und des¬
halb nicht antworteten. Kommt eine berufsmäßige Infektion zustande,
so kann der Verdacht entstehen, daß die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln
in der betreffenden Poliklinik nicht richtig gehandhabt sind; und einer
solchen Kritik wird sich der Leiter des Instituts selbst dann nicht gern
aussetzen, wenn der Fall zweifelhaft liegt und nach seiner Überzeugung
die Erkrankung schon vor der laryngoskopischen Tätigkeit entstanden ist.
In dem von mir erwähnten Fall, wo ein Assistent der Breslauer Poli¬
klinik an Phthise starb, bin ich nicht zu Diskretion verpflichtet worden,
weil die frühere Infektion sicher war. Von den anderen oben von mir
zitierten Erkrankungen von Assistenten, wo die berufliche Infektion keines¬
wegs auszuschließen war, habe ich nur unter der Zusicherung völliger
Verschwiegenheit genauere Nachricht erhalten. Es ist daher nicht von der
Hand zu weisen, daß das von Saugmann gesammelte Material ausgewählt
und deshalb unbrauchbar ist; warum sollte denn unter einer so großen
Zahl von Ärzten, wie sie sich ergibt, wenn man alle Gefragten, auch die¬
jenigen, welche nicht geantwortet haben, mitzählt, während der Jahre
ihrer Berufstätigkeit nicht Einer, wenn auch durch Infektion außerhalb
des Berufs, an Tuberkulose erkranken?
Mit derartigen Einwänden kann die Bedeutung der Tröpfcheninfektion
bei der Phthiseverbreitung nicht erschüttert werden. Die Leichtigkeit und
Sicherheit, mit der Meerschweinchen und andere Versuchstiere durch ver¬
sprengte Tröpfchen mit Tuberkelbazillen infiziert werden können; die Tat¬
sache, daß die Phthisiker reichlich feinste Tröpfchen mit Tuberkelbazillen
verstreuen; die mehrfach gelungenen Versuche, Meerschweinchen durch
direktes Anhusten von Phthisikern zu infizieren; endlich die analoge Rolle
der infektiösen Tröpfchen bei Luugenpest, Influenza und anderen infek¬
tiösen Katarrhen, Diphtherie, Genickstarre usw., wo eine Verbreitung durch
trockene Stäubchen wegen der Widerstandslosigkeit der Erreger ganz aus¬
geschlossen ist — alles dies gibt zusammen ein so gewichtiges Beweis-
material, daß nur eine fanatische Gegnerschaft die Bedeutung der Tröpfchen¬
infektion leugnen kann.
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Tabelle I. Übersicht über die Tröpfchenversuche
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(Fortsetzung.)
Über Tröpfchenausstreuung durch hustende Phthisiker.
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Tabelle II. (Fortsetzung.)
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
80
H. ZiESCHfi:
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Als ein Versuch, zum besseren Verständnis der Tröpfcheninfektion
beizutragen, ist auch die vorliegende Arbeit anzusehen, deren Hauptinhalt
sich folgendermaßen zusammenfassen läßt:
1. Bei einmaliger Untersuchung finden sich unter Phthisikern, deren
Sputum Tuberkelbazillen enthält, nur 30 bis 40 Prozent, die beim Husten
Tröpfchen verstreuen. Bei wiederholten Untersuchungen derselben Patienten
steigert sich dieser Prozentsatz erheblich.
2. Die Tröpfchen entstammen teils der Mundflüssigkeit und enthalten
dann selten Tuberkalbazillen; teils liegen Bronchialtröpfchen vor, die sehr
häufig tuberkelbazillenhaltig und oft sehr reich daran sind.
3. Die binnen einer halben Stunde auf einer in 40 bis 80 cm Ent¬
fernung aufgestellten Glasplatte aufgefangenen Tröpfchen enthalten in etwa
20 Prozent der Untersuchungen über 400 und bis 20000 Tuberkelbazillen;
in 80 Prozent keine oder weniger als 400 Bazillen.
4. Auf Grund der von Gebhard, Preyss, Findel an Versuchs¬
tieren angestellten Experimente werdeu wir annehmen müssen, daß
mindestens 200 bis 400 Tuberkelbazillen, vielleicht sogar noch mehr,
in der Eiuatmungsluft erforderlich sind, um beim Menschen eine Infektion
hervorzurufen.
5. Demnach erfolgt eine Infektion durch Tröpfchenverstreuung nicht
bei kurzdauerndem Zusammensein mit einem Phthisiker; nicht wenn der
Gesunde den Bereich der direkten Husteustöße und ein Nahekommen auf
mehr wie einen Meter vermeidet, oder wenn der Hustende sich während
der Hustenstöße abwendet. Ärzte sind auch bei der Untersuchung von
Phthisikern nur wenig gefährdet.
6. Dagegen führt das dauernde enge Zusammensein von Mutter
und Kind häufig zur Infektion; weniger häufig ist dies bei Eheleuten
der Fall. Krankenpfleger sind namentlich bei bettlägerigen, hilflosen
Phthisikern der Tröpfcheninfektion stark exponiert.
7. Kehlkopfärzte sind bei den anscheinend gefährdenden Unter¬
suchungen und therapeutischen Eingriffen relativ wenig durch Tröpfchen¬
infektion gefälirdet, weil der Kranke bei offener Glottis wenig Tuberkel¬
bazillen verstreut und weil der Arzt im übrigen in der Lage und gewöhnt
ist, sich der Aufnahme ausgehusteter Bronchialtröpfchen zu entziehen.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über Tröpfchenausstreuüng durch hustende Phthisiker. 81
Literatur-Verzeichnis.
1. Tappeiner, Virchows Archiv. 1878. Bd. LXXIV. S. 393. — Ebenda. 1S80.
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18. Laschfcschenko, Diese Zeitschrift. 1899. Bd. XXX. 8.125.
19. Heymann, Ebenda. 1899. Bd. XXX. S. 139. — 1901. Bd. XXXVIII. S. 21.
20. Saugmann, Zeitschr. f. Tuberk. u. Heilst. Bd. VI. S. 125.
21. Engelmann, Inaug.•Dissertation. Berlin 1898.
22. Fraenkel, Berliner klin. Wochenschrift. 1899. S. 21.
23. Moeller, Diese Zeitschrift. 1899. Bd. XXXII. S. 203.
24. Koeniger, Ebenda. 1900. Bd. XXXIV. S. 119.
25. Blnme, Berliner klin. Wochenschrift. 1905. Nr. 42. S. 1072.
26. Gebhard, Virchows Archiv. 1890. Bd. CXIX. S. 127.
27. Preyss, Münchener med. Wochenschrift. 1891. S. 418.
28. Barthel, Wiener klin. Wochenschrift. 1906. S. 217.
29. Mosny, Ann. d'hygiin. puhl . 1902. T. XLVII. p. 289.
30. Mosny, Ann. d’hygien. puhl. 1904. T. IV. p. 15.
Zeitschr. f. Hygiene. LV1I.
Digitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
82
H. ZieschE: Übeb Tböpfchenausstbeuung usw.
Digitized by
31. Sorgo, Wiener klin. Wochenschrift. 1904. Nr. 17. S. 725.
32. Brouardel et Gilbert, Nouveau traiti de midecine et de therapeutique
publii en fascicules. Paris, Baillifere et fils, 1906. — Bernard et Mosny, Tuber-
culose. 1906. Fase. 4. p. 97 u. 100.
33. Hillier, Brit. med. Joum. 1903. p. 592.
34. Kirstein, Diese Zeitschrift. 1900. Bd. XXXV. S. 123. — 1905. Bd. L.
S. 186.
35. Boeg, Ebenda. 1904.
36. L. H. Bing, Norsk magazin for Lagevidenskaber. 1904. Nr. 82.
37. Williams, Brit . med. Journ. Sept. 1882.
38. Schaper, Tuberculosis. 1904. Bd. II. p. 543.
39. M. Schmidt, Lehrbuch der Laryngologie.
40. Henle, Zeitschrift für raiion. Medizin. 1844. Bd. I. S. 249.
41. Aron, Virchows Archiv. 1892. Bd. CXXIX. S. 429. — Zeitschr , f. Min.
Medizin. 1904. Bd. LIV. S. 136.
42. Geigel, Virchows Archiv. 1900. Bd. CLXI. S. 183.
43. v. Behring, Kasseler Vortrag, Marburg 1903. — Deutsche med. Wochenschr.
1903. S. 689.
44. Petterson, Nord. med. Ark. 1900. Bd. XXXIII p. 1.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORN1
[Aus dem hygienischen Institut der Universität Breslau.]
Desinfektion von Büchern, militärischen Ausrüstungs¬
gegenständen, Pelzen usw. mit heißer Luft.
Von
Dr. Findel,
Stabsarzt im EUenbahnregiment Nr. 3, frfihar kommandiert zum Institut.
In einer früheren, aus dem Breslauer hygienischen Institut hervor¬
gegangenen Arbeit 1 hat Mosebach über Versuche berichtet, durch trockene
Hitze Bücher und Akten zu desinfizieren. Aus äußeren Gründen konnte
er nur Versuche mit Staphylokokken, Typhus- und Diphtheriebazillen in
größerer Reihe anstellen, während diejenigen mit Tuberkulose mehr
orientierenden Charakter trugen. Mosebach faßte seine Resultate in
den Worten zusammen: „Trockene Hitze von 75 bis 80° bei einer Ein¬
wirkungsdauer von 16 bis 24 Stunden ist demnach imstande, alle prak¬
tisch in Betracht kommenden Krankheitserreger in Büchern abzutöten,
ohne daß diese irgendwie beschädigt werden. Wohl möglich ist es, daß
bei besonders starker Beschmutzung von Büchern mit bakterienhaltigem
Material, insbesondere mit dickeren Schichten phthisischen Sputums, das
Verfahren versagt. Es wird sich fragen, ob durch eine weitere Ver¬
längerung der Desinfektionsdauer auch in solchen Fällen volle Desinfektion
erzielt werden kann.“
Auf Anregung des Hrn. Geheimrat Flügge habe ich es unternommen,
die Versuche in dieser Richtung fortzuführen.
Zu den Versuchen diente zunächst der schon von Mosebach be¬
nutzte Serumsterilisationssch ra n k.
1 Mosebacli, Untersuchungen zur Praxis der Desinfektion.
Bd. L. S. 497.
Diese Zeitschrift.
6 *
Digitized by
Gck igle
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
84
Findel:
Die Versuchsanordnung wurde nur insofern geändert, als bei den
späteren Versuchen die relative Feuchtigkeit, die anfänglich 8 bis 10 Prozent
betrug, durch Einsetzen einer kleinen Wasserschale auf etwa 30 Prozent
gesteigert wurde. Die bislang vorliegenden Erfahrungen, insbesondere die
Versuche von Schumburg, berechtigten zu der Hoffnung, daß durch
den größeren Wassergehalt die Desinfektionskraft der heißen Luft erhöht
werden würde. Da aber andererseits bei höherem Gehalt an Feuchtigkeit
eine Beschädigung der Gegenstände nicht ausgeschlossen erschien, habe
ich eine relative Feuchtigkeit von 30 Prozent nicht überschritten. Ich
komme unten nooh auf die wichtige Frage der zweckmäßigsten Feuchtig¬
keit zurück.
1. Bücherdesinfektion.
Ich benutzte dieselben Bücher, welche bereits die zahlreichen Ver¬
suche Mosebachs ohne jeden Schaden ausgehalten hatten. Um die In¬
fizierung der Bücher möglichst der Wirklichkeit anzupassen, ging ich so
vor, daß ich den durch einen Gummiüberzug geschützten Zeigefinger in
ein frisch entleertes Phthisikersputum, welches mikroskopisch sehr zahl¬
reiche Tuberkelbazillen enthielt, kurz eintauchte und dann mit ihm die
Bücher an verschiedenen vorher bezeichneten Stellen umblätterte. Die
Stellen wurden, solange sie durch die Feuchtigkeit noch deutlich zu er¬
kennen waren, mit einem Bleistift umrandet und aus ihnen dann nach
dem Trocknen zur Kontrolle die Hälfte herausgeschnitten. Diese etwa
1 i cm großen Kontrollstücke wurden im Dunkeln auf bewahrt und nach be¬
endetem Versuch gleichzeitig mit der anderen, desinfizierten Hälfte auf
Meerschweinchen in der Art verimpft, daß sie in toto durch eine kleine
Laparotomiewunde in die Bauchhöhle geschoben wurden. Die Wunde
wurde sorgfältig vernäht uud mit Kollodium verschlossen.
Versuch I. 26.XI. 1904.
Temperatur beim Beginn 74-0°C. Dauer: 18 Stunden.
„ .. Schluß 76-5°C. Relative Feuchtigkeit 8 bis 10 Proz.
Buch A. Maße des Buches: 22 X 14 X 4 cm .
Meerschw. Nr. 1. 3 Kontrollstücke. Laparotomie, f 17.1. 05.
Sektionsbefund: Abszeß an der Laparotomiewunde, darunter ein derb-
wandiger, nußgroßer Knoten, welcher im Innern, von dickbreiigem käsigem
Eiter umhüllt, die Papierstücke enthält. Starker Ascites. Sämtliche Drüsen
stark geschwollen, mit Käseherden. Tuberkulose der Lungen, Leber, Milz,
Niere und des Peritoneums.
Meerschw. Nr. 2. 3 desinfizierte Stücke. Laparotomie. Getötet
am 31.111. 05 (nach 4 Monaten).
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Desinfektion von Büchern usw. mit heisseb Luft.
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Sektionsbefund: Narbe kaum noch zu sehen. Papierstücke lose, ohne
jede Membranbildung vom großen Netz umhüllt. Alle Organe normal. Keine
Drüse verändert.
Buch B. (Breslauer Adreßbuch.) Maße 25:16:8 crn .
Meerschw. Nr. 3. 8bis 10 Kontrollstücke. Laparotomie. +8.XII. 04.
Sektionsbefund: Wunde reaktionslos. Papierstücke in beginnender
Einkapselung mit Peritoneum verwachsen. Im Abdomen blutig-seröses Exsudat.
Lungen hyperämisch. Milz etwas vergrößert. Inguinaldrüsen leicht ge¬
schwollen. Einzelne Darmabschnitte hämorrhagisch verfärbt. Peritonitis.
Meerschw. Nr. 4. 8 bis 10 desinfizierte Stücke. Laparotomie,
t 10. II. 05.
Sektionsbefund: Bauchnarbe reaktionslos. Inguinaldrüsen geschwollen,
rechts verkäst. Die Papierstücke leicht mit dem Darm verwachsen, sonst
aber frei. Milz vergrößert mit stark geschwollenen Follikeln. Leber blut¬
reich. In den Lungen wenige graue Tuberkel. Pfortaderdrüse stark ge¬
schwollen, verkäst. Einzelne Mesenterialdrüsen, die Hals- und Bronchial¬
drüsen vergrößert. In Lunge, Milz und rechter Inguinaldrüse im Ausstrich
Tuberkelbazillen nachgewiesen.
Buch C. Maße: 23:16:5 cm .
Meerschw. Nr. 5. 8 Kontrollstücke. Laparotomie, f 4.1. 05.
Sektionsbefund: Bauchnarbe reaktionslos. Die Papierstücke sind an
zwei Stellen, Naht und Milzgegend, in einer dicken Membrankapsel mit
dickem, käsigem Eiter eingehüllt. Allgemeine schwere Tuberkulose der
Lungen, Leber, Milz, Nieren, des Peritoneum und sämtlicher Drüsen. Zahl¬
reiche Tuberkelbazillen in den Netzknoten und den Drüsen.
Merschw. Nr. 6. 3 desinfizierte Stücke. Laparotomie, f 26.1. 05.
unter starker Atemnot.
Sektion: Alles normal. Papierstücke ganz frei, leicht am Querkolon
adhärent. Kehlkopfwandung verdickt. Kehlkopflumen durch warzenartige
Verdickungen der Stimmbänder verengt, fast ganz verlegt. Die Lungen
sind stark emphysematos. Keine Tuberkulose nachzuweisen.
Das in Tabelle I zusammengestellte Resultat diesor Versuche läßt er¬
kennen, daß nach 18 Stunden noch kein sicherer Desinfektionserfolg ein¬
getreten war.
Tabelle I.
Versuch am 26. XI. 1904.
Dauer 18 Stunden. Temperatur 76*5° C. 10 Prozent rel. Feuchtigkeit.
Buch Desinfiziert Kontrolle
A. i 3 Papierstücke: Getötet nach 4 Mon. I 3 Papierstücke: + nach l 1 /? Mon.
! Sektion: Keine Tuberkulose. Sektion: Schwere Allgemeintuberkul.
B. j 8 — 10 Papierstücke, j- nach 2 1 /* Mon.! 8 — 10 Papierstücke: + nach 8 Tagen.
Sektion: Tuberkulose. j Sektion: Peritonitis.
C. 3 Papierstücke: nach 2 Monaten. I 3 Papierstücke: + nach 1 */* Monaten.
Sektion: Erstickungstod. Larynx- Sektion: SchwereAllgemeintuberkul.
: 6klerose infolge von Papillomen an den
| Stimmbändern. Keine Tuberkulose.
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86
Findel:
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Versuch TL Am 30.III. 1905.
Die Infizierung derselben Bücher erfolgt in derselben Weise wie bei
Versuch I, durch Umblättern mit dem in frischeB tuberkulöses Sputum ge¬
tauchten Finger. Das Sputum enthält massenhaft Tuberkelbazillen, daneben
viele Streptokokken, Staphylokokken, Tetragenus und Pneumokokken. Nach
beendeter Infizierung der Bücher wird mit dem Gummifinger in analoger
Weise über ein Deckglas gefahren: auf diesem mikroskopisch in jedem Ge¬
sichtsfelde 4 bis 10 Tuberkelbazillen neben der anderen Bakterienflora.
Die Entnahme der desinfizierten Stücke erfolgt nach 24, 48 und
65Va Stunden.
Alle desinfizierten Stücke werden den Meerschweinchen durch Laparotomie
in die Bauchhöhle gebracht, während bei den Kontrollstücken nur einmal diese
Verimpfungsart gewählt wurde. Die anderen drei Male wurden die Kontroll¬
stücke subkutan verimpft, um eine Peritonitis infolge der zahlreichen anderen
Bakterien des Sputums zu vermeiden.
Temperatur 79 °C. Die relative Feuchtigkeit war am Beginn 30Prozent,
stieg nach 12 Stunden auf 38 Prozent und fiel dann nach Entfernung einer
Wasserschale auf 25 Prozent.
I. Entnahme nach 24stündiger Einwirkungsdauer:
Buch I.
Meerschw. Nr. 7. 3 Papierstücke. Laparotomie. Getötet am 7. VII.
nach 3 Monaten. Tier hat gesunde Junge geworfen.
Sektion: Narbe kaum noch aufzufinden. Die Papierstücke mit ganz
zarter durchsichtiger Membran auf den Dünndarm angeklebt. Alle Organe
und Drüsen unverändert.
Buch II.
Meerschw. Nr. 8. 2 Papierstücke. Laparotomie. Getötet nach 3 Monaten,
am 7. VII. 05.
Sektion: Narbe reaktionslos. Ein Papierstück an der Narbe, das
andere mit zarter Membran am Netz angeklebt.
Alle Organe und Drüsen unverändert.
Buch in.
Meerschw. Nr. 9. 3 Papierstücke. Laparotomie, f am 4./5.IV. 05
(d. i. nach 5 Tagen).
Sektion: Pneumonie beider Lungen. Lungen fest, blutreich, Luftgehalt
stark herabgesetzt. Papierstücke liegen lose im großen Netze. Alle anderen
Organe und Drüsen normal.
Die Papierstücke wurden mit angrenzendem Netz durch Laparotomie
auf Meerschw. Nr. 10 verimpft, trotzdem der Tod des Tieres schon vor
16 Stunden eingetreten war.
Getötet am 7. VII., d. i. nach 3 Monaten.
Sektion: An der reaktionslosen Narbe innen ein kirschkerngroßer
Knoten mit derber Wand. Im Innern der Knoten in rahmigem Eiter liegen
die Papierstücke. Leber, Lungen, Milz und alle Drüsen vollkommen un¬
verändert.
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Desinfektion von Büchebn usw. mit heisseb Luft.
87
Kontrollen.
Ans jedem Buch ein etwa 1 / 2 qcra großes Stück auf Meerschw. Nr. 11
verimpft. Laparotomie, f 4.VI. 05 (nach 2 Monaten).
Sektion: Papierstücke im großen Netz. Dieses etwas aufgerollt, zeigt
verschiedene verkäste erbsengroße Knoten. Alle Drüsen vergrößert, mit
Verkäsungen. Substernaldrüsen erbsengroß. Bronchialdrüsen haselnußgroßes
Paket, zentral verkäst. Zahlreiche graue Tuberkel in den Lungen. Milz
vergrößert mit vereinzelten Tuberkeln, Leber zeigt wenige miliare Tuberkel.
$ Kontrollen.
Meerschw. Nr. 12. Von jedem Buch ein etwa Va qcm großes Stück sub¬
kutan verimpft. + 18. VI. 05 (nach 2 1 / a Monaten).
Sektion: Alle Drüsen stark geschwollen und verkäst. Die Umgebung
der Implantationsstelle in großer Ausdehnung nekrotisch. In der Lunge nur
vereinzelte hanfkorngroße Tuberkel. Bronchialdrüsen kirschkerngroß wie
etwa die Halsdrüsen. In Leber und Milz wenig Tuberkel.
II. Entnahme nach 48stündiger Einwirkungszeit und
HI. Entnahme nach 657 2 ständiger Einwirkungszeit:
Es wurden mit den desinfizierten Proben sechs Meerschweinchen intra¬
peritoneal durch Laparotomie geimpft. Nach 3 Monaten getötet, bieten alle
sechs das gleiche Sektionsbild: Alle Organe und Drüsen unverändert. Narbe
kaum noch auffindbar. Die Papierstücke liegen fast frei in der Bauchhöhle,
nur in einer zarten Membran eingchüllt.
Die Kontrollstücke werden zwei Meerschweinchen subkutan beigebracht.
Das erste stirbt nach 4, das zweite nach 12 Wochen an schwerer All¬
gemeintuberkulose.
Zusammenfassung dieses Versuches:
Tabelle II.
Versuch am 26. III. 1905.
Dauer 24 Stunden. Temperatur 79° C. 25 bis 30 Proz. rel. Feuchtigkeit.
Buch
Desinfiziert
Kontrolle
i
3 Papierstücke: Getötet nach 3 Mon.
Sektion: Keine Tuberkulose.
Je 1 Papierstück aus Buch I, II, III:
f nach 2 Monaten.
Sektion: Schwere Allgemeintuberkul.
ii
2 Papierstücke: Getötet nach 3 Mon.
Sektion: Keine Tuberkulose.
1
Je 1 Papierstück aus Buch I, II, III
subkutan: f nach 10 Wochen.
Sektion: Schwerste Drüsentuberkul.
UI
1
, 3 Papierstücke: + nach 5 Tagen an
Pneumonie. Von dem 1. Tier die
Papierstücke auf ein 2. weiterverimpft:
Getötet nach 3 Monaten.
Sektion: Keine Tuberkulose.
Nach 48 und 65'/* Stunden Einwirkungsdauer wurden nochmals Proben ent¬
nommen: alle reaktionslos eingeheilt. Kontrollstiieke nach derselben Zeit subkutan
verimpft: d nach 4 bis 12 Wochen an Tuberkulose.
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Findel:
Aus diesen Versuchen, in Verbindung mit den von Mosebach er¬
zielten [Resultaten können wir den Schluß ziehen, daß bei unserer Ver¬
suchsanordnung nach mindestens 24 Stunden durch heiße Luft von
78 bis 80° bei 25 bis 30 Prozent relativer Feuchtigkeit Tuberkelbazillen
in nicht übertrieben dicken Sputumschichten innerhalb der Bücher abgetötet
werden. Bei einer kürzeren Einwirkungsdauer der Hitze ist dies aber
noch nioht mit Sicherheit zu erwarten.
Bei den bisherigen Versuchen waren nur eine geringe Anzahl von
Büchern gleichzeitig der Desinfektion unterworfen — entsprechend den
geringen Dimensionen des benutzten Schrankes. Durch weitere Unter¬
suchungen sollte noch festgestellt werden, oh auch eine größere Anzahl
übereinander geschichteter Bücher in einem geräumigeren Schranke, wie
er für die Praxis in Betracht kommen würde, sicher desinfiziert wird.
Es wurde ein neuer doppelwandiger Brutschrank von verbleitem Eisen¬
blech, mit einem Rauminhalt von 1 / 8 cbm — lichte Maße 50 X 50 X 50 cm —
angefertigt. Der Wassermantel hat eine Mächtigkeit von 2 cm . Die Außen¬
flächen sind zur Verminderung des Wärmeverlustes mit Linoleum be¬
kleidet. Die Erhitzung geschieht durch zwei Bunsenbrenner, von denen
der eine konstant brennt, während der andere durch einen Thermo-
regulator aus Glas — (nach Soxhlet, etwas modifiziert) reguliert wird.
Mit diesen beiden Flammen konnte der Innenraum ohne jede Schwierig¬
keit konstant auf jeder Temperatur zwischen 50 und 95° gehalten werden.
Die Temperaturschwankungen betragen höchstens 1°. Durch Einstellen
einer Schale mit Wasser, deren verdunstende Oberfläche durch teilweises
Zudecken verändert werden konnte, wurde ein Feuchtigkeitsgehalt vou
etwa 30 Prozent relativer Feuchtigkeit erzeugt.
In diesem Schrank wurden nun 20 dickleibige gebundene Bücher
derartig angeordnet, daß sie das sehr oft gebrauchte Breslauer Adreßbuch
von allen Seiten fest umgaben. Die Bücher lagen nicht auf dem Boden
des Schrankes, sondern auf einem eingeschobenen durchlöcherten flachen
Einsatz von Eisenblech, l cm oberhalb der Wasserschale.
In das Adreßbuch wurden als Testobjekte 2 qcm große Stücke aus
Seidenpapier eingelegt, so daß ein Auseinandersperren der Blätter des
Buches nicht stattfiuden konnte. Die Seidenpapierstücke, vorher sterilisiert,
waren bei Versuch I 24 Stunden, bei Versuch II 1 Stunde lang in eine
sehr dichte Aufschwemmung von Staphylokokken (24stünd. Agarkultur)
eingelegt und dann 20 Stunden bei 37° im Brutschrank getrocknet.
Die Testobjekte wurden nach 24- und 48stündigem Verweilen der
Bücher im Schranke herausgenommen und in Bouillon getan. Die Kon-
trollstücke kamen 1. bei Beginn, 2. gleichzeitig mit jeder Entnahme der
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Desinfektion von Büchern usw. mit heisser Luft.
89
Testproben und 3. 48 Stunden später gleichfalls in Bouillon. Die Bouillon¬
röhrchen wurden 14 Tage lang beobachtet.
Es wurden fünf verschiedene Staphylokokkenstämme benutzt. Das
Resultat der beiden Versuche zeigt folgende Tabelle:
Desinfiziert
1.
Kontrolle
1 2. ! 3.
Staph vl Sp.
1 —
+
+
+
p.
i 1 — — 1
+
+
+
.. Bl.
_____ i _ t
+
+
+
E
' — 1 —
+
+
+
J.
Nach
j 24 Stunden | 48 Stunden |
i Aufenthalt im Schrank \
+
1
+
+
Es waren also sämtliche Staphylokokkenstämme, die zum Teil sehr
resistent sind — Staph. Sp. verträgt in wässeriger Aufschwemmung
5 Prozent Karbolsäure 13 Minuten, ohne abgetötet zu werden —, nach
24 Stunden abgetötet worden.
Aus den mitgeteilten Versuchsresultaten scheint hervorzugehen, daß
auch in größere Pakete von Büchern die trockene Hitze rascher ein¬
dringt, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. Es schien mir des¬
halb von Interesse, durch direkte Messung den Gang der Temperatur
im Innern der Objekte zu verfolgen. Zu diesem Zwecke wurde in die
Mitte des dicken Adreßbuches ein Thermoelement aus 0*5 mm dickem
Draht (Eisen-Constantan) gelegt, welches mit einem Spiegelgalvanometer
verbunden war. Die Ablenkungen wurden mit dem Fernrohr abgelesen.
Da die Versuchseinrichtung, die gewöhnlich zu Messungen der Haut¬
temperatur diente, für die bei meinen Versuchen in Betracht kommende
Temperaturdifferenz zu empfindlich war, wurde die Empfindlichkeit des
Galvanometers durch einen Nebenschluß von geeignetem Widerstand
herabgesetzt.
Das Buch wurde mit starkem Bindfaden so fest wie nur möglich
zusammengeschnürt, so daß die Blätter des Buches rings um das Element
wieder fest aufeinander lagen. Das Adreßbuch kam dann mit noch
mehreren anderen Büchern zusammen in den Desinfektionsschrauk, genau
in derselben Anordnung, wie sie bei den letzten Desinfektions versuchen
innegehalten war.
Die Lufttemperatur im Versuchsraum betrug 25 • 5 0 C, die im
Innern des Desinfektionsschrankes während der ersten 12 Stunden 78° C,
nach 24 Stunden 77-8° C und nach 48 Stunden 76-5° C.
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90
Findel:
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Die Ablesungen erfolgten zuerst yon 10 zu 10 Minuten, mitunter
auch jede 2. Minute, später in höchstens lstündigen, nach Verlauf Ton
12 Stunden in größeren Zwischräumen. Trägt man die gefundenen Werte
graphisch auf, so erhält man eine gegen die Abszissenachse konkaYe
Kurve, die zunächst ziemlich steil ansteigt, und in ihrem letzten Teil
fast parallel zur Abszissenachse verläuft. In Tabelle III sind einige der
beobachteten Zahlen wiedergegeben.
Tabelle III.
Zeit j
Temperatur
Zeit
Temperatur
Bei Beginn des Versuches [
25-5° C
Nach 4 Stunden . . . .
64-1° C
Nach V 2
Stunde . . . . |
27-8 „
i»
5 ..!
66-3 „
„ 1
ff • • 1
37-1 „
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73-1 „
*• 37,
„ .... |
62-7 „
9t
34..
75-0 ,.
Nach 48 Stunden war die Schranktemperatur 76*5° C.
Die Temperatur im Innern des Buches . . . 75*5 0 C.
Es wurde also erst nach 11 Stunden im Innern des dicken Buches
eine Temperatur von 70° erreicht. Es geht daraus hervor, daß mit
Hitzedesinfektion von wenigen Stunden Dauer, auch wenn die Temperatur
höher gewählt wird, Büchern gegenüber schwerlich etwas zu erreichen
ist. Erst die langen von mir gewählten Einwirkungszeiten garantieren
auch gegenüber voluminösen Objekten, mit denen in der Praxis immerhin
gerechnet werden muß, sicheren Erfolg.
Schließlich möchte ich noch betonen, daß auch ich bei den Büchern,
denselben, welche schon Mosebach benutzte, keine Schädigung fest¬
stellen konnte, obwohl sie jetzt, im ganzen gerechnet, mehrere Monate
einer Temperatur von 78° C ausgesetzt gewesen waren. Nur eine leichte
gelbliche Verfärbung des Papieres trat gegen Ende der Versuche hervor.
Dies kann aber für die Praxis wohl kaum ins Gewicht fallen, da sie
erst nach sehr häufig wiederholten Desinfektionen, sicher nicht vor der
30. bis 40., zu erwarten ist.
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Desinfektion von Büchern usw. mit heisser Luft.
91
II. Desinfektion ?on militärischen Bekleidungsgegenständen.
Die guten Erfolge, welche mit der Desinfektion durch mäßig trockene
Hitze erzielt wurden, legten den Gedanken nahe, diese Desinfektions¬
methode auch auf andere Gegenstände auszudehnen, für welche bislang
ein sicheres Desinfektionsverfahren nicht existiert.
Insbesondere schienen mir hier viele militärische Bekleidungs- und
Ausrüstungsgegenstände in Betracht zu kommen, für die man, da sie
vielfach aus Leder bestehen, bis vor kurzem keine andere Desinfektions-
methode als das sehr unsichere Abwaschen mit desinfizierenden Lösungen
anwenden konnte.
In neuester Zeit hat allerdings Schumburg 1 in seiner Arbeit über
die Desinfektionskraft der heißen Luft ein neues Verfahren zur Desinfek¬
tion militärischer Bekleidungsstücke, besonders der mit Lederbesatz ver¬
sehenen, angegeben. Nach ihm gelingt es „in und an Kleidungsstücken,
Matratzen usw. selbst die widerstandsfähigsten sporenfreien pathogenen
Bakterien abzutöten“, wenn heiße Luft von 100° bei einer relativen
Feuchtigkeit von 55 bis 65 Prozent während 1 Stunde auf diese einwirkt.
Schumburg gibt dann weiter an: „Selbst ein Aufenthalt von mehreren
(6 bis 8) Stunden in feuchter heißer Luft greift Ledersachen nicht an,
bringt sie in Sonderheit nicht zum Schrumpfen; nur sehr dickes, altes
Sohlenleder wird gelegentlich bei höherer (70 bis 80 Prozent) relativer
Feuchtigkeit ein wenig brüchig, ohne indes im geringsten zu schrumpfen.
Reithosen aber, lederne Handschuhe, Mützenschirme, Stiefel, Pantoffel,
Riemen, Geschirre usw. werden durch mehrstündige Einwirkung feuchter
heißer Luft nicht eine Spur verändert, weder in ihrer Größe, Dicke und
äußeren Form, noch in ihrer Haltbarkeit und Weichheit, noch in ihrer
Farbe und ihrem Glanze.“
Das Schumburgsche Verfahren unterscheidet sich also von dem
hier angewendeten durch höhere Temperatur und viel höheren Feuchtig¬
keitsgehalt der Luft im Desinfektionsraum. Die wesentlich größere Des¬
infektionswirkung dieser Luft läßt für die Militärgegenstände eine Ab¬
kürzung der Einwirkungszeit auf 1 Stunde zu. Ob aber diese Methode, so
günstig ihre Erfolge im Laboratoriumsexperiment sind, sich ohne weiteres
in die Praxis übertragen läßt, erscheint mir doch nicht ganz sicher.
Aus Schumburgs eigenen Angaben geht hervor, daß man relative
Feuchtigkeit von 65 Prozent nicht überschreiten darf, wenn ein Brüchig¬
werden der dickeren Ledersorten vermieden werden soll. Erreicht die
relative Feuchtigkeit 80 Prozent, so sind nach 1 Stunde auch die weicheren
1 Schumburg, Diese Zeitschrift. Bd. XBI. S. 167.
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92
Findel :
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Ledersorten „schon brüchig“ (Versuch 41), nach 6 Stunden sämtliche
Lederproben „brüchig“ geworden (Versuch Nr. 37).
Bei den Versuchen mit einer relativen Feuchtigkeit von 72 bis
76 Prozent (s. Vers. 46 bis 48) sind nach 1 Stunde die dickeren Leder¬
proben stets etwas brüchig gewesen, im Versuch 59 sogar bei 60 Prozent
relativer Feuchtigkeit, allerdings erst nach 6 Stunden.
Wenn somit ein Überschreiten der angegebenen Feuchtigkeitsgrenze
nicht ohne Nachteil für die Desinfektionsobjekte ist, während eine zu
niedrige Feuchtigkeit zweifellos den Erfolg beeinträchtigt, so muß verlangt
werden, daß in den benutzten Apparaten stets mit Sicherheit und ohne
Schwankungen die relative Feuchtigkeit von 60 Prozent innegehalten
werden kann. Bei den angestellten Versuchen im Laboratorium ist dies,
wenn auch mit etwas Mühe, gelungen; in der Praiis wird sich dies aber
wohl nur sehr schwer, wenn überhaupt, herstellen lassen. Schumhurg
hat stets nur „Lederproben“ der verschiedensten Art der Untersuchung
unterworfen, also nie die zu desinfizierenden Kleidungsstücke selbst. Diese
haben aber unter den Verhältnissen der Wirklichkeit, wenn sie direkt
nach dem Tragen zur Desinfektion kommen, einen mehr oder minder
hohen eigenen Feuchtigkeitsgehalt, der nicht ohne Einfluß auf die Luft¬
feuchtigkeit im Desinfektionsapparat bleiben kann. Eine ständige Kon¬
trolle der Luftfeuchtigkeit durch ein von außen ablesbares Hygrometer
und eine eventuelle Verringerung derselben durch Verstärkung der Ven¬
tilation oder der verdunstenden Oberfläche wird sich deshalb bei dem
Schumbnrgschen Apparat nicht umgehen lassen.
Das würde eine Komplikation sowohl des Apparates wie der Hand¬
habung bedeuten. Auch bei unserem Verfahren soll eine obere Grenze
(30 Prozent) der Luftfeuchtigkeit eingehalten werden. Aber im Gegensatz
zu Schumburg ist diese Grenze so niedrig gewählt, daß auch eine
Überschreitung von der Höhe, wie sie bei Desinfektion feuchter Gegen¬
stände vorkommt, noch nicht zu einer Schädigung führen kann. Ich
habe mich in besonderen Versuchen davon überzeugt, daß in solchen
Fällen die Feuchtigkeit höchstens auf 45 Prozent stieg, und daß dabei
die Desinfektionsobjekte nicht litten.
Es bliebe allerdings der Ausweg übrig, die zu desinfizierenden Sachen
vor der Desinfektion einer Vortrocknung zu unterziehen. Dadurch würde
die Desinfektion aber wieder komplizierter und gefährlicher.
Aus den mitgeteilten Protokollen Schumburgs geht ferner nicht
mit Deutlichkeit hervor, ob die Lederproben in den verschiedenen Ver¬
suchen stets dieselben gewesen sind oder ob immer neue genommen
wurden. Nach den Bemerkungen, die sich bei verschiedenen Versuchen
mit Sohlenleder finden, wie in Versuch 50: „die schon vorher brüchig
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Desinfektion vox Büchebn usw. mit heisseb Luft.
93
war“, in Versuch 51: „eine schon einmal früher verwendete und dabei
etwas brüchig gewordene Probe (Sohlenleder)“ scheint es, als ob meistens
die Proben nur einmal benutzt wurden. Dann kann aber der Schluß,
daß die angegebene Desinfektionsmethode die Ledersachen nicht angreife,
nur für kurze Desinfektionsdauer bzw. für wenige Desinfektionen von je
1 Stunde Dauer gezogen werden. Die eigenen Versuche Schumburgs
sprechen sogar zum Teil dafür, daß eine öfter wiederholte oder eine
langdauernde Desinfektion doch nicht ganz gleichgültig für die Leder-
Sachen ist.
Ich hielt es also trotz der Versuche von Schumburg nicht für
überflüssig, die im hiesigen Institut für Bücher bewährte Methode auch
in ihrer Wirkung auf Militäreffekten zu erproben, zumal der von mir
benutzte Apparat wahrscheinlich in der Anschaffung billiger und in der
Handhabung erheblich einfacher und sicherer ist, als der von Schum-
burg benutzte.
Meine Versuche sind an einer alten Militärreithose und an Reitstiefeln
angestellt worden. Bei allen Versuchen wurden dieselbe Hose, dieselben
Stiefel benutzt. Um möglichst die Wirklichkeit nachzuahmen, habe ich bei
den Versuchen mit der Hose nie (bei denen mit den Stiefeln aber mehrfach)
Testobjekte benutzt, sondern zunächst die Hose und die Stiefel steril
gemacht und dann auf die verschiedensten Stellen derselben, bei der
Hose auf das Leder, Tuch und das Putter an allen Gegenden, die be¬
treffenden frisch bereiteten Bakterienaufschwemmungen aufgetragen. Meist
geschah dies mit einem dicken Platinpinsel oder festem Platinspatel. Die
feuchten Stellen wurden markiert und aus ihnen nach dem Trocken¬
werden die nötigen Kontrollstücke herausgeschnitten. Durch diese Art
der Infizierung wurde sicherlich weit mehr Material auf die untersuchten
Stellen gebracht, als es in Wirklichkeit je vorkommt. Wenn ich daher
in meinen Versuchen gute Desinfektionsresultate erzielt habe, so werden
sie sicher auch in der Praxis zu erwarten sein.
Nach erfolgter Infizierung, Trockenwerden der Stellen und Ent¬
nahme der Kontrollstücke wurde die Hose ganz fest in ein Bündel ge¬
schnürt und dann in den Schrank gebracht.
Durch die Hitze des Desinfektionsschrankes allein gelang es nicht,
die Hose vor der Infizierung steril zu bekommen. Aus den entnommenen
Proben wuchsen stets Bakterien, aber nur Sporenbildner, zur Gruppe der
Kartoffelbazillen gehörend. Die Sterilisation gelang erst dadurch, daß
ich die Hose, wie auch die Stiefel zunächst etwa 36 Stunden in eine
1:1000 Sublimatlösung legte, sie dann mehrfach in fließendem Wasser
auswusch, 12 Stunden darin beließ, weitere 24 Stunden in eine starke
Schwefelammoniumlösung brachte, wieder mit fließendem Wasser gründlich
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94
Fendel:
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auswasch und schließlich bei gelinder Wärme langsam trocknete. Nachdem
die Sachen dann noch 24 Stunden in dem Desinfektionsschranke bei
78° C gelegen hatten, waren sie vollständig steril.
Als Infektionsmaterial benutzte ich meist verschiedene, sehr resistente
Staphylokokkenstämme, einmal aus dem Grunde, weil die Staphylokokken
gegen jede Desinfektionsart am widerstandsfähigsten von allen nicht sporen¬
bildenden pathogenen Bakterien sind, mithin erwartet werden konnte,
daß wenn die Staphylokokken in meinen Versuchen abgetötet waren, dies
auch bei allen anderen pathogenen Bakterien der Fall sein würde. Dann
aber sind gerade die Staphylokokken diejenigen Mikroorganismen, welche
hauptsächlich bei der praktischen Desinfizierung der Reithose in Betracht
kommen. Jeder Militärarzt kennt die häufigen Furunkulosen an dem Gesäß
und den Schenkeln aller reitenden Truppen. Außerdem wurden noch
Typhus- und Colibakterien benutzt, teils in Bouillon-, teils Kochsalz¬
aufschwemmungen, teils vermischt mit sterilen Fäces.
Die Resultate meiner Versuche habe ich in folgender Tabelle IV
zusammengestellt.
Nach dem Ausfall dieser Versuche sind wir berechtigt, eine erfolg¬
reiche Desinfektion der Ledersachen nach 48 Stunden als erwiesen
anzusehen.
Die wenigen Mißerfolge bei 24 ständiger Desinfektionsdauer rühren
mit größter Wahrscheinlichkeit daher, daß die Infizierung zu massig er¬
folgt war.
Schließlich habe ich noch Versuche mit Tuberkulose angestellt
Die Hose, welche ja steril war, wurde wiederum an den verschiedensten
Stellen des Leders, des Tuches und des- Futters ziemlich dick mit frischem
tuberkulösem Sputum mittels des Gummifingers bestrichen, demselben
Sputum, welches bei den entsprechenden Versuchen an Büchern benutzt
wurde. Bücher und Hose wurden auch zusammen desinfiziert. Auch
hier wurden die desinfizierten Probestücke herausgeschnitten und in toto
den Meerschweinchen per Laparotomiam beigebracht.
Eine ausführlichere Angabe der Sektionsprotokolle erübrigt sich, da
sie ganz denjenigen bei der Bücherdesinfektion entsprechen. (Siehe nach¬
stehende Tabelle V.)
Es wurde in diesen Versuchen nur einmal eine Probe nach der Des¬
infektion von 23 ständiger Dauer noch infektionstüchtig gefunden. Dies
war ein Stück Futter, welches sehr dick mit Sputum bestrichen worden
war und vermöge seiner Faserbeschaflenheit viel von dem ziemlich flüssigen
Sputum in sich aufgesaugt hatte.
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Desinfektion von Büchern usw. mit heisseb Luft.
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Tabelle IV. (Fortsetzung.)
Versuch VII. 21. IV. 1905. Militärreitstiefel. Temperatur 7G° C. Feuchtigkeit 28 Prozeut.
Desinfektion von Büchebn usw. mit heisseb Luft,
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Desinfektion von Büchehn usw. mit heisser Lcft.
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Wenn wir auch unter den Verhältnissen der Praxis wohl niemals
eine derartige starke Infizierung zu erwarten haben, und daher die Wahr¬
scheinlichkeit, schon nach 24 ständiger Desinfektionsdauer auch die mit
tuberkulösem Material beschmutzten Ledersachen genau so wie die Bücher
desinfiziert zu erhalten, eine sehr große ist, so ist doch im Interesse der
Sicherheit zu empfehlen, die Desinfektion der Ledersachen wie auch
der Bücher usw. auf 48 Stunden auszudehnen, zumal diese Ver¬
längerung der Dauer nur minimale Kosten und keinerlei Mühewaltung
verursacht.
Die Reithose sowie der Stiefel wurden nicht nur während der er¬
wähnten Versuche der Hitze von 78° C. ausgesetzt, sondern blieben außer¬
dem mehrere Wochen lang, im ganzen mindestens 37 2 Monate, in dem ge¬
heizten Desinfektionsschrauke. Trotzdem Hose sowohl wie Stiefel vor den
Desinfektionen so stark mit Wasser in Berührung gekommen waren, wie
es bei der erwähnten Sublimatdesinfektion der Fall ist, konnte am Schluß
der Versuche nicht die geringste Schädigung an ihnen bemerkt werden.
Im Gegenteil! Das Reitleder, welches vor Beginn der Versuche hart und
spröde war, — war doch die Reithose ein ausrangiertes Stück, also
„uralt“! — war nach dem ersten Versuche mit dem Desinfektionsschrank
weich und sehr viel geschmeidiger wie vorher geworden. In diesem Zu¬
stande befand sich auch das Leder am Ende der Versuche. Genau so
verhielt es sich mit dem Stiefel. Der Stiefel, welcher die Prozedur der
Sublimatdesinfektion durchgemacht hatte und dann wochenlang der Hitze
von 78° C. ausgesetzt gewesen war, war weicher und geschmeidiger als
der zugehörige zweite, welcher so lange im Dunkeln bei Zimmertemperatur
aufgehoben war.
Da durch die geschilderten Versuche die Desinfektionswirkung des
Verfahrens sicher nachgewiesen ist, konnte ich mich bei weiteren Ver¬
suchen mit anderen empfindlichen Objekten auf den Nachweis des Fehlens
einer Beschädigung beschränken. Außer der Reithose und den Stiefeln
habe ich noch eine ganze Reihe von militärischen Ausrüstungsgegenständen
in dieser Richtung geprüft, ln Anwendung kamen: mein eigener bester
Extrahelm nebst Helmschachtel, ein alter Helm, ein Wallenrock mit
Goldstickerei, Epauletteu, Achselstücke, Portepee, Säbelkoppel für Sanitäts¬
offiziere und Mannschaften, Schnürschuhe und Stiefel, weiße Glace- und
Waschlederhandschuhe und verschiedene Mützen.
Die kürzeste Dauer der Hitzeeinwirkung betrug 8 Tage.
Keiner von all diesen Gegenständen hatte am Schlüsse der
Versuche eine Schädigung erlitten. Der ältere Helm zeigte die
Metallteile, an denen die Vergoldung abgegaugen war, zw r ar dunkel an-
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gelaufen, aber dies wurde durch Putzen mit Metallputzpulver rasch und
vollständig beseitigt. Ein Schwarzwerden der verschiedenen Stickereien usw.
konnte nicht festgestellt werden.
III. Desinfektion von Pelzen nnd anderen hitzempftndlichen
Gegenständen.
In weiteren Versuchen wurden noch die verschiedensten empfindlichen
Gebrauchsgegenstände mit dem oben geschilderten Verfahren behandelt
Gummischuhe, verschiedene Sorten von Gummistoffen (ganz neue und ältere
Proben), geleimte und bemalte Kinderspielsachen aus Holz und Papier,
aus Papiermache hergestellte und mit zartem Leder überklebte Tiermodelle,
mehrere gute lackierte und fournierte Bürsten und schließlich noch Pelze.
Durch das freundliche Entgegenkommen einer hiesigen Pelzwarenfirma
erhielt ich eine größere Auswahl der verschiedensten und nach Angabe
des Inhabers empfindlichsten Pelzsorten. Der betreffende Kürschner unter¬
suchte nach beendeter Desinfektionsprobe die Pelze und konstatierte, daß
dieselben auch nicht im geringsten gelitten hatten. Die Pelze waren
weich wie zuvor geblieben und die Haare hatten ihre schlanken Formen
bewahrt. Auch die übrigen angeführten Gegenstände hatten durchaus
nicht gelitten, obwohl sie volle 8 Tage im Apparat gewesen waren.
Durch meine Versuche glaube ich bewiesen zu haben, daß einerseits
eine sichere Abtötung aller für die Praxis in Betracht kommenden patho¬
genen Mikroorganismen durch zweitägige Einwirkung einer Temperatur
von 78 bis 80° C. bei einer relativen Feuchtigkeit von etwa 80 Prozent
mit Sicherheit erzielt wird und andererseits eine Schädigung der Objekte
irgend einer Art vollkommen ausgeschlossen ist
Die Einführung der trockenen Hitze in der angegebenen Form er¬
gänzt als Desinfiziens die kürzlich im Anschluß an das Seuchengesetz
erlassene „Desinfektionsanweisung“ in wünschenswerter Weise. Diese
Anweisung bestimmt in § 7, daß Spielsachen von Holz oder Metall,
die nicht verbrannt werden sollen, gründlich mit Lappen abzureiben sind,
welche mit 1 prozentiger Formaldehydlösung befeuchtet sind. Nach § 12
werden Gegenstände aus Leder oder Gummi sorgfältig und wiederholt
mit Lappen abgerieben, welche mit verdünntem Kresolwasser, Karbol¬
säurelösung oder Sublimatlösung befeuchtet sind. § 13 bestimmt, daß
Pelz werk auf der Haarseite mit verdünntem Kresolwasser, Karbolsäure¬
lösung, Sublimatlösung oder 1 prozentiger Formaldehydlösung durchfeuchtet,
feucht gebürstet, zum Trocknen hingehäugt und womöglich gesonnt wird.
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Desinfektion von Büchekn usw. mit heisseb Luft.
101
Alle diese Maßnahmen sind unsicher, in ihrer Wirkung ganz von der
Sorgfalt abhängig, mit der sie in jedem Einzelfall ausgeführt werden,
unter Umständen nicht ungefährlich für den Desinfektor und dabei für
empfindliche Objekte längst nicht schonend genug. Die von mir vor¬
geschlagene trockene Hitze wirkt unabhängig von der Sorgfalt des Des¬
infektors und desinfiziert die Objekte sicher in allen ihren Teilen, auch
tiefere Schichten, Futter, Taschen usw. Die Objekte sind in der Wohnung
wie die übrigen zunächst in ein trockenes Tuch (Sack), dann in ein mit
Sublimatlösung mäßig befeuchtetes Tuch eiuzuschlagen und in dieser
doppelten Umhüllung nach der Desinfektionsanstalt zu transportieren. Das
Kolli muß ausdrücklich als für Desinfektion mit trockener Hitze bestimmt
bezeichnet werden. In der Anstalt ist die äußere feuchte Hülle ab¬
zunehmen; die innere Hülle kann, wenn sie nur wenig Feuchtigkeit an¬
genommen hat, mit dem ganzen Inhalt in den Hitzeschrank eingebracht
werden; andernfalls werden die Objekte aus der inneren Hülle in den
Schrank entleert. — Alle oben aufgeführten Objekte: Bücher, Pelze, Stiefel,
Spielsachen können nebeneinander gleichzeitig desinfiziert werden; das
Volumen des Kollis ist dabei ohne Belang.
Ich muß es dahingestellt sein lassen, ob nicht andere Kombinationen
von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Zeitdauer, rein ökonomisch be¬
trachtet, ein noch günstigeres Kesultat gegeben hätten. So ließe sich
wohl durch mäßige Erhöhung der Luftfeuchtigkeit die Desinfektionsdauer
noch herabsetzen. Aus den vorhin angeführten Gründen habe ich aber
die obere Grenze von 30 Prozent nicht überschreiten zu sollen geglaubt,
denn nur, wenn man sich im regulären Betriebe erheblich unter der
Schädigungsgrenze hält, ist es möglich, bei unbeabsichtigten Erhöhungen
der Feuchtigkeit, die kaum zu verhüten sein werden, eine Schädigung
der Objekte zu vermeiden.
Mit der Temperatur kann man sich ohne Gefahr der Schädigungs¬
grenze nähern, da es sehr leicht gelingt, die Temperatur genau konstant
zu halten. 70 bis 80° liegen in der Tat nach Mosebachs Versuchen
dieser Schädigungsgrenze ziemlich nahe.
Die Desinfektionsdauer erheblich — etwa auf einige Stunden —
herabzusetzen, ist nicht möglich, wenn das Verfahren für kompakte,
schlecht wärmeleitende Objekte brauchbar bleiben soll, bei denen schon das
Eindringen der Hitze mehrere Stunden dauert. Für solche Gegenstände,
insbesondere für Bücher, kann deshalb auch die Schumburgsche Me¬
thode von vornherein nicht in Betracht kommen.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
102
Pendel :
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Dieser allgemeinen Anwendung unseres Verfahrens stehen keine
Schwierigkeiten in der Bedienung des Apparates und auch nicht allzu
hohe Kosten der Beschaffung entgegen.
Der Ton uns benutzte 1 / 6 cbm fassende Desinfektionsschrank, hergestellt
aus verbleitem Eisenblech, hat 90 Mark, der Glasregulator 2 Mark gekostet
Der Gasverbrauch in 24 Stunden kostet etwa 0-75 Mark.
Da trotz des geringen Wassermantels die zu erwärmende Wasser¬
menge eine ziemlich erhebliche ist, haben wir, um die Anwärmezeit ab¬
zukürzen, bei jeder neuen Inbetriebsetzung des Schrankes das alte Wasser
erst ganz abgelassen und durch neues vorher auf 85 bis 90° C. erhitztes
ersetzt.
Nach Abschluß dieser Untersuchungen, der im Sommer 1006 erfolgte,
ist die Arbeit von Ballner: „Über die Desinfektion von Büchern, Druck¬
sachen u. dergl. mittelst feuchter heißer Luft“, Leipzig und Wien 1907,
erschienen. Das Ballnersehe Verfahren, das speziell für Bücher be¬
stimmt ist, besteht in der Einwirkung einer Temperatur von 95°, die bei
40 Prozent relativer Feuchtigkeit 6 Stunden, bei 60 Prozent 5 Stunden
dauern soll; es ist also nichts wesentlich anderes als das Schumburgsche
Verfahren, speziell angewendet auf Bücher.
Nun hat Ballner von Büchern anscheinend ausschließlich Schul¬
bücher von höchstens 2 , / 2 cm Dicke verwendet und diese immer nur einzeln
desinfiziert. Dann ist aber die Anwendbarkeit des Verfahrens nur für
eine ganz beschränkte Kategorie von Objekten dargetan. Wollen wir
durch ein neues Desinfektionsverfahren die jetzigen Einrichtungen der
Desinfektionsanstalten ergänzen, so muß es ein solches sein, das möglichst
viele von den wegen ihrer Empfindlichkeit gegen schädigende Wirkungen
der feuchten Hitze und der Chemikalien mit den bisherigen Methoden
nicht genügend desinfizierbaren Objekten nunmehr ohne Beschädigung zu
desinfizieren gestattet. Nach Einführung des Ballnersehen Apparates
würde aber immer noch eine rationelle Desinfektion von Büchern mit
Ledereinband, von voluminösen Büchern und Aktenstücken, von allen
anderen Ledersachen, Pelzen usw. unerfülltes Desiderat bleiben. — Denn
für alle diese empfindlichen Dinge, bei denen das Ausbleiben jeder Be¬
schädigung im Vordergrund des Interesses steht, ist das Ballnersche
Verfahren durchaus nicht benutzbar. Alle feineren Ledersachen leiden
eben, sobald man die von Mosebach und mir ausprobierten Grenzen
von Temperatur und Feuchtigkeit überschreitet.
Bei dieser Sachlage erscheint es daher unbedingt praktischer, ein
Verfahren zu wählen, das jene Ledersachen, besser gebundene Bücher usw.
Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Desinfektion von Büchern usw. mit heisser Luft.
103
und daneben natürlich auch die Schulbücher ohne Schädigung zu des¬
infizieren imstande ist.
Der Ballnersche Apparat ist außerdem komplizierter als der von
mir empfohlene, da das Wasser im Wassermantel im Sieden erhalten werden
muß, wodurch ein Kückflußkühler und damit Wasserzu- und -ableitung
erforderlich wird
Entschieden bestreiten muß ich die Behauptung Ballners, daß die
langdauernde Erhitzung nach Mosebach nicht einmal Diphtheriebazillen
abzutöten vermöge und daß daher das von Mosebach und mir geübte
Verfahren unsicher sei. Wenn in Ballners Versuch eine Diphtheriekultur
durch 98° nach 20 Stunden noch nicht abgetötet war, so hat Ballner
sicher versäumt, die gewachsenen Keime genauer zu prüfen; er würde
sonst zweifellos verunreinigende Bakterien — vermutlich Sporenbildner —
konstatiert haben. Gegenüber meinen zahlreichen Versuchen mit viel
resistenteren Mikroben ist jene auffällige Abweichung schlechterdings nicht
anders zu erklären. Weitere Nachprüfungen des von mir empfohlenen,
einfachen und vielseitig praktisch brauchbaren Verfahrens werden ja nicht
ausbleiben, und ich zweifle keinen Augenblik, daß sie die Sicherheit der
Desinfektionswirkung in erster Linie und vollauf bestätigen werden.
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Breslau.]
Vergleichende Untersuchungen
über Inhalations- und Fütterungstuberkulose.
Von
Dr. EL Findel,
Stabsarzt im Eisanbahnregiment Nr. 3, früher kommandiert zum Institut.
In dem Streite der Meinungen über die Infektionswege der Tuber¬
kulose hat sich seit den Reden R. Kochs in London und v. Behrings
in Cassel ein bedeutender Umschwung vollzogen, der in einer überaus
großen Anzahl von Arbeiten seinen Ausdruck findet. Im Gegensatz za
der früheren Literatur, in welcher neben den Arbeiten über die Inbala-
tionstheorie auch solche über Fütterungstuberkulose zahlreich veröffentlicht
worden sind, und in welcher die berechtigten Ergebnisse der letzteren
auch von den verschiedenen Vertretern der Inhalationstheorie dadurch
anerkannt wurden, daß auch sie das Verbot des Verkaufs von Fleisch
tuberkulöser Tiere und eine Darreichung der Kuhmilch nur im abge¬
kochten Zustande forderten, ist die Signatur der neueren experimentellen
Arbeiten die fast ausschließliche Gefährdung des Menschen durch die vom
Darmtraktus aus aufgenommeuen Tuberkelbazillen, dagegen die Seltenheit
oder gar Unmöglichkeit einer Entstehung von Lungentuberkulose durch
Inhalation.
Während die Anhänger der Inhalation nach wie vor behaupten, daß
inhalierte Tuberkelbazillen bis in die feinsten Luftwege Vordringen und
hier ganz besonders leicht und sicher Lungentuberkulose hervorrufcn.
gehen die neueren Ansichten dahin, daß die Phthise wohl niemals durch
direkt in die Lunge gelangte Tuberkelbazilleu verursacht werde, sondern
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H. Fiedel: Inhalations- und Füttebüngstuberkulose. 105
fast ausnahmslos durch Bazillen, die, auch wenn sie inhaliert sind, vom Rachen
bzw. Mund, oder vom Darm aus in die Lymph- oder Blutbahn gelangt sind.
Es liegt nicht im Rahmen der mir gestellten Aufgabe, hier alle die
zahllosen gegen die Inhalationstheorie und für die Fütterungstuberkulose
eintretenden Arbeiten näher auf die Berechtigung der erhobenen Einwände
bzw. die Beweiskraft ihrer Experimente zu prüfen, sondern ich möchte
hier nur einige der bemerkenswertesten unter ihnen herausgreifen. Eine
gewisse Generalisierung ist um so eher statthaft, als fast in allen diesen
Arbeiten ein und derselbe Fehler wiederkehrt: alle Autoren haben mit
so übertrieben großen Dosen gearbeitet, daß aus ihren Experimenten nur
der eine Schluß gezogen werden kann, daß bei Verabreichung sehr
großer Mengen von Tuberkelbazillen diese auf den verschiedensten
Wegen in den Körper einzudringen vermögen.
Manche Autoren haben zwar bei der Aufzählung der durch Ver¬
bitterung von Tuberkelbazillen erzielten Erfolge auf die verwendeten „ge¬
ringen Dosen“ besonders hingewiesen. Wie sehr aber diese abgewogenen
sogenannten „geringen“ Kulturmengen (Calmette (1) 100“» oder selbst
auch Uffenheimer (2) mit 2“») gegenüber den Verhältnissen der Wirk¬
lichkeit ungeheuere Dosen darstellen, darüber wird man sich erst klar,
wenn man bestimmt, wie viel Bazillenindividuen den angegebenen „geringen
Dosen“ entsprechen. Einen Anhaltspunkt hierfür bieten die kürzlich in
dieser Zeitschrift Bd. 54 veröffentlichten Versuche von C. Fraeukel
und Baumann „über Viruleuzprüfungen verschiedener Tuberkelbazillen¬
stämme“. Bestehen die von den genannten Autoren erzielten Resultate
zu recht, dann würde 1 “* Tuberkelbazilleu 100 Millionen Eiuzeliudivi-
duen entsprechen; Calmette hätte hiernach 10000 Millionen Tuberkel¬
bazillen verfüttert und Uffenheimer an die neugeborenen Meer¬
schweinchen noch 200 Millionen!
Es muß wuudernehmen, daß bisher ganz unangefochten die An¬
schauungsweise von der Kleinheit eines Milligramms auf die Reinkultur
von Krankheitserregern übertragen worden ist, die nicht als dosierbares
Gift, sondern als vermehrungsfähige Einzelindividuen wirken.
Einige Autoren, in letzter Zeit namentlich Schlossmann (3), gehen so
weit, daß sie ein Vordringen von Bakterien bis zu den Alveolen unter natür¬
lichen Inhalationsbedingungen überhaupt völlig bestreiten. Sie stützen sich
dabei vorzugsweise auf einige negative Ergebnisse von Inhalationsversuchen,
die Weleminsky (4) erhalten hat. Diesen stehen aber Hunderte von positiven
Erfolgen bei ganz gleichartigen Experimenten entgegen (H. Büchner (5).
Baumgarten (6), Neuninger (7), Paul (8), Beitzke(9), Ficker (10).
Selter(ll), M. Wolff(12), so daß jenen einzelnen abweichenden Resultaten
keine beweisende Kraft zuerkannt werden kann; es muß bei diesen unbedingt
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106
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ein Versuchsfehler sich eingeschlichen haben, dessen Vermeidung auch
Weleminsky hei einer Wiederholung seiner Experimente sicher zu ganz
anderen Ergebnissen führen wird. Es gibt kaum ein Experiment, das sich
so einfach, so zuverlässig frei von Fehlerquellen und unnatürlichen Über¬
treibungen und so unfehlbar mit Bezug auf den Erfolg anstellen läßt, wie
die Infektion von Versuchstieren durch kurzdauernde Inhalation einer mit
versprayten Tuberkelbazillen imprägnierten Luft. Kürzlich hat noch
J. Bartel in einer größeren Arbeit über experimentelle Inhalationstuber¬
kulose beim Meerschweinchen 1 einwandfrei nachgewiesen, „daß die in¬
halierten Tuberkelbazillen sofort nach dem Sistieren der Infektionsgelegen¬
heit auch in den tieferen Wegen des Respirationstraktus, in den Lungen,
durch den Impfversuch nachweisbar sind. Die nur kurz andauernde In¬
fektionsgelegenheit (5 Minuten), ferner die außerordentliche Feinheit des
kaum sichtbaren Nebels lassen es wohl als ausgeschlossen erscheinen, daß
größere Flüssigkeitsausammlungen im Mund- und Nasenrachenraum Ge¬
legenheit zur Aspiration boten, und müssen wir wohl annehmen, daß die
leicht flugfähigen Tröpfchen mit den anhaftenden Tuberkelbazillen tat¬
sächlich durch den Inhalationsstrom noch bis in die Lungen getragen
wurden.“ Ich kann hier nur noch aufügen, daß auch in unserem Institute
in einer großen Reihe von Versuchen durch Verimpfung von Lungen¬
stückchen unmittelbar bis 3 Tage post iuhalationem stets Tuberkulose bei
den Impftieren hervorgerufen wurde.
Diesen positiven Ergebnissen gegenüber sind auch alle theoretischen Be¬
denken (Saenger (13), Buttersack (14)), auf die sich viele Anhänger der
intestinalen Infektion berufen (Aufrecht (15), H. Römer (16) u. a.), hin¬
fällig. Ich gebe gern zu, daß es schwer ist, sich vorzustellen, daß ein Teil
der flugfähigen Tröpfchen die vielen Knickungen und Biegungen der engen
Wege des Respirationstraktus regelmäßig überwindet; aber man kann
sich leicht durch einfache Experimente davon überzeugen, daß die feinsten
Tröpfchen auch durch enge, innen klebrig gemachte, vielfach geknickte
und gewundene Glasrohre zum Teil hiudurchgehen. Ich verweise auf die
darauf bezüglichen Versuche von Williams (17); ferner auf meine eigenen
unten beschriebenen Absaugungsversuche, in denen ich ganz vergeblich
mich bemüht habe, bakterienhaltige Tröpfchen durch mehrfache Rohre
mit zahlreichsten Biegungen und Knickungen vollständig abzufangen.
Die meisten Vertreter des intestinalen Iufektionsweges geben zwar
zu, daß durch Staub und besonders durch die beim Husten und
Sprechen usw. abgelösten feinsten Tröpfchen Tuberkelbazillen zum kleinen
Teil auch in die Lunge gelangen, erklären aber das so außerordentliche
1 Tf’ie/icr Hin. Wochenschrift. 1906. Nr. 7/8.
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Untersuchungen' üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 107
Uberwiegen der tuberkulösen Erkrankungen der Lungen und Bronchial¬
drüsen in dem Gesamtbilde der Tuberkulose, welches in allen neueren
statistischen und pathologisch anatomischen Arbeiten über diesen Gegen¬
stand (Harbitz (18), Geipel (19), Hamburger und Sluca (20),
Winkler (21) usw.) hervorgehoben wird, nicht durch die Wirkung der in
die Lunge aufgenommenen Tröpfchen, sondern dadurch, daß die viel zahl¬
reicheren in den Mund gelangten Keime entweder schon in dem oberen
Teile des Digestionstraktus durch die Lymphbahnen des Nasenrachen¬
raumes über die Kette der Halsdrüsen zu den Bronchialdrüsen gelangen
und dann von diesen aus sekundär die Lungen infizieren oder dadurch, daß
die Tuberkelbazillen mit Speise oder Sputum verschluckt und nun in dem
eigentlichen Darmtraktus resorbiert werden (v. Behring (22), Römer,
Aufrecht, Weleminsky, Grober (23), J. Bartel). Hier sollen die
Tuberkelbazillen sowohl die Darmschleimhaut usw., wie auch die Mesen¬
terialdrüsen durchwandern können, ohne in ihnen eine Spur ihres Weges
zu hinterlassen, sie sollen mit dem Chylus in das rechte Herz und von
da aus mit dem Blutstrom in die Lunge gelangen, die sie dann infolge
ihres engen Kapillarnetzes abfangt. Auf demselben Wege soll sogar bei
offener Lungentuberkulose die Infektion der bisher verschont gebliebenen
Lungenteile vor sich gehen; also nicht etwa durch Aspiration des tuberkel¬
bazillenhaltigen Bronchialsekretes oder durch direkte Fortpflanzung auf
lymphogenem Wege, sondern durch die mit dem verschluckten Sputum
in den Darm gelangenden und von diesem aus resorbierten Tuberkel¬
bazillen (Calmette, Schlossmann, Vallee (24)).
Auf die Arbeiten der drei letztgenannten, auf dem extremsten Stand¬
punkt stehenden Autoren glaube ich etwas genauer eingehen zu sollen.
Schlossmann ist insbesondere dadurch hervorgetreten, daß er ein
anscheinend „einwandfreies“ Experiment angestellt hat, in welchem die
Aufnahme durch Inhalation oder durch Resorption vom Nasenrachenraum
ganz ausgeschlossen und nur die Aufnahme vom Darm aus möglich war,
und zwar mit dem Erfolg, daß kurz nachher die Tuberkelbazillen in der
Lunge nachgewiesen werden konnten. Der Versuch verlief folgender¬
maßen:
Einem 4 Tage alten Meerschweinchen, welches 6 Stunden vorher auf
reine Wasserdiät gesetzt war, wird in Narkose in den durch Laparatomie
freigelegten und herausgezogenen Magen mittels einer Pravazspritze „ein
Körnchen“ einer Tuberkelbazillenkultur injiziert. Nach Herauszielien der
Spritze wird die Injektionsstelle mit dem Paquelin verschorft und dann
die Serosa darüber vernäht. Der Magen wird außerdem noch mit einer
Snblimatlösung abgewaschen, um etwa doch bei dem Herausziehen auf
das Peritoneum gelangte Tuberkelbazillen zu vernichten. Die Bauchwand
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wird durch Naht und Kollodiumverband geschlossen. Nach 6 Stunden
werden Lungenstückchen auf Meerschweinchen verimpft und durch deren
Erkrankung an Tuberkulose der Übertritt der Tuberkelbazillen in die
Lunge erwiesen.
Bei dieser Anordnung des Versuches glaubt Schlossmann einerseits
vollkommen die normalen Verhältnisse der Darmresorption beibehalten,
andererseits die Möglichkeit der Aufnahme der Tuberkelbazillen auf den
Blut- oder Lymphwege ausgeschlossen zu haben.
Normale Verhältnisse der Darmresorption liegen aber, wie namentlich
aus den sorgfältigen Untersuchungen Fickers hervorgeht, nicht vor,
wenn ein 4 Tage altes Meerschweinchen auf sechsstündige Wasserdiät ge¬
setzt und dann mit Äther narkotisiert wird; auch die operativen Eingriffe:
das Herausholen des Magens, Festhalten mit Klemmen, Verschorfen mit
dem Paquelin, Serosanaht, Ab wischen mit der Sublimatlösung, stellen
jedenfalls Eingriffe dar, welche für die Funktionen des Organs nicht be¬
langlos sind. Andererseits muß entschieden bestritten werden, daß bei
dem Hineinstechen bzw. Hervorziehen der Pravazspritze jegliche Möglich¬
keit der Aufnahme von Tuberkelbazillen durch die Blutbahn ausgeschlossen
war. Ferner ist die Annahme, daß das Abwischen mit Sublimat etwa
auf das Peritoneum gelangte Keime abgetötet und damit die Möglichkeit
der Aufnahme auf lymphogeuem Wege beseitigt hätte, entschieden irr¬
tümlich, da Tukerkelbazillen von einer Sublimatlösung 1:1000 erst nach
einer Einwirkungszeit von mindestens V 2 Stunde vernichtet werden.
Das Sclilossmannsche Experiment ist daher keineswegs einwandfrei
und überzeugend.
Schlossmann konnte ein viel einwandfreieres Experiment machen:
er konnte die Tuberkelbazillen verfüttern und dann nach wenigen Stunden
den Nachweis der Bazillen in der Lunge versuchen. Allerdings hätte,
wenn dieser Versuch positiv ausfiel, eingewendet werden können, es habe
Aspiration stattgefunden; und wohl um diesen Einwand auszuschließen,
hat Schlossmann die Injektion in den Darm vorgezogen. Aber jenes
„Wenn“ war doch nicht so sehr zu fürchten, daß Schlossmann nicht
wenigstens zunächst einmal das Fütterexperiment, mit möglichstem Ver¬
meiden hastigen Fressens und des Verschluckens der Tiere, versuchen
mußte. Tat er dies, so hätte er gesehen, daß bei einiger Vorsicht in der
Verfütterung niemals ein Übergang in die Lunge nachweisbar ist. Die
Injektion in den Darm mit ihren zahlreichen Fehlerquellen kam dann
überhaupt nicht in Frage, und der positive Ausfall des einen unsicheren
Experiments brauchte gar nicht ins Feld geführt zu werden gegen die
zahlreichen negativen Ergebnisse bei einer natürlichen Einverleibung der
Tuberkelbazillen in den Darm.
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 109
Noch weniger stichhaltig ist der Beweis, den Schlossmann in seiner
Meraner Rede gegen die Inhalation von Tuberkelbazillen anführte, daß
es nämlich ihm bzw. seinen Assistenten bisher nicht gelungen sei, trotz
mehrerer Tausende von Schnitten in den Lungen gesunder Kinder einen
Tuberkelbacillus zu entdecken, was doch der Fall sein müsse, wenn
Toberkelbazillen in die Lungen hineingelangen könnten. Die Anführung
dieses Beweises zeugt von völlig falschen Vorstellungen über die Aus¬
dehnung der Lungenoberfläche, über die Zahl der im ungünstigsten Falle
inhalierten Bazillen und über die Möglichkeit, größere Lungenabschnitte in
mikroskopischen Schnitten auf vereinzelte feinste Elemente zu durchmustem. 1
Vallee wendete bei Kälbern verschiedene Infektionsarten an, um
nach dem Vergleich der dadurch erzielten Erfolge zu dem Schlüsse zu
gelangen, daß von den verschiedensten Arten die Fütterung am sichersten
nnd schnellsten eine Tuberkulose der lymphatischen Organe der Lunge
bewirke. Zuerst macht er bei 2 Tieren eine intratracheale Injektion von
10 mg Tb, erhält aber nach 6 Monaten nur einen tuberkulösen Herd an
der Einstichstelle und etwa 20 Tuberkel auf der Pleura visceralis, während
die Lungen und Bronchial- und Mediastinaldrüsen normal geblieben sind.
Er führt hierbei noch Versuche von Nocard und Rossignol an, welche
ebenfalls nach intratrachealer Injektion ein negatives Resultat erhalten
hätten. Diese geben aber an anderer Stelle (25) den Grund für den nega¬
tiven Ausfall ihrer Versuche an: „Die injizierten Flüssigkeiten erreichten
niemals die Lungenalveolen, sie kamen über die kleinen Bronchialäste
nicht hinaus. Die Bronchialschleimhaut besitzt große phagozytäre Kräfte:
die zahllosen injizierten Bazillen waren von Phagozyten umgeben und
wurden mit diesen samt dem exspektorierten Schleim nach außen befördert.“
Wenn dies der Fall war bei den „dnormes quantitds de matiöre infectante“,
dann ist auch bei Vallees’ (26) mit sicher geringeren Dosen ausgeführtem
Experiment der negative Ausfall vielleicht in der gleichen Weise erklärlich.
Bekanntlich hat auch Büchner in ähnlicherWeise wie Nocard den auf¬
fälligen Unterschied zwischen den oft negativen Erfolgen bei der Ein¬
atmung von trockenen Milzbrandsporen und den stets sicher positiven Er¬
gebnissen nach feuchtem Versprayen gedeutet. Übrigens haben andere
Autoren auch bei intratrachealer trockener Verstaubung bessere Erfolge
gehabt (Baumgarten).
1 Das Gesichtsfeld der gebräuchlichen Ölimraersionen beträgt etwa 0-04 timm , auf
1 ' iCm gehen also 2500 Gesichtsfelder. Bei 10 p Schnittdicke gehören mithin zur Durch¬
musterung von 1 Lungengewebe 1000 x 2500 = 2-5 Millionen Gesichtsfelder, von
der ganzen Lunge eines sechs Monate alten Kindes (diese nur zu 200 ccm Volum ge¬
rechnet) 500 Millionen Gesichtsfelder. Hat ein Kind 1000 Tuberkelbazillen eingeatinet,
so findet mau also erst auf je 500 000 Gesichtsfeldern eventuell einen Bazillus.
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In einer anderen Versuchsreihe blies Valide den Tieren mehrere
Milligramme von pulverisierten Tuberkelbazillen in den Nasopharynx nud
erhielt damit nur eine Tuberkulose der Retropharyngeal, Cervical- und
Trachealdrüsen, während alle anderen Organe gesund blieben. Genauere
Angaben über die Art der Trocknung, der Pulverisierung und Verstaubung
der Tuberkelbazillen fehlen. Es läßt sich daher nachträglich nicht er¬
mitteln, welche Fehlerquellen hier im Spiele gewesen sind. Daß solche
mitgewirkt haben, geht zweifellos hervor aus den positiven Experi¬
menten mit Staubinhalation (Cornet, Beninde, Sticher). Bei
Vall des' Versuchsanordnung mußte doch auch auf jeden Fall ein großer
Teil der eingeblasenen Tuberkelbazillen verschluckt worden sein. "Warum
ist dieser Teil, falls die Bazillen infektionsfähig waren, vom Darm
aus ohne allen Einfluß geblieben? Bei jedem Vergleich zwischen In¬
fektion mit trockenem Tuberkelbazillenhaltigem Staub und andererseits
mit Tuberkelbazillenhaltigen Tröpfchen hat sich gezeigt, daß die letztere
Methode ungleich sicherer ist, und daß bei der Herstellung und Ver¬
teilung des trockenen Staubes viel leichter Mißerfolg eintritt. Vallee
hätte daher besser getan, seine vergleichenden Inhalationsversuche mit
versprayten Tröpfchen anzustellen; er wäre dann weniger Fehlerquellen
ausgesetzt gewesen, hätte sich mehr den natürlichen Verhältnissen genähert
und würde auf diese Weise jedenfalls positive Ergebnisse erhalten haben.
In Vallees Fütterungsversuchen nahmen die 4 Kälber, wenn sie 2 Mal
an einer Kuh mit Eutertuberkulose saugten, eine enorme Menge von
Tuberkelbazillen auf. Nach allen darüber vorliegenden Beobachtungen muß
die Milchmenge, die jedes Kalb hiervon getrunken haben soll, jedesmal 150
Milliarden von Tuberkelbazillen enthalten haben. Abgesehen hiervon läßt
Vallee die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit einer beim Saugen er¬
folgten Aspiration vollkommen unerörtert, obwohl die neueren Arbeiten
von Nenninger, Paul, Fischer, Uffenheimer, Selter und Beitzke
die Leichtigkeit einer Aspiration von Keimen bei Fütterungsversuchen
speziell beim Saugenlassen der Tiere in übereinstimmender Weise nach¬
gewiesen haben.
Auf die Versuche Calmettes und Guerins möchte ich hier nicht
eingehen, da sie in einer der folgenden Arbeiten aus dem hiesigen In¬
stitut (Prof. Reichenbach) genauer kritisiert werden und mit durchaus
entgegengesetztem Erfolge wiederholt sind.
Kurz besprechen möchte ich schließlich noch die Arbeiten J. Bartels(27).
die eine gewisse Ausnahmestellung einnehmen, insofern er der einzige ist,
welcher neben Fütterungsexperimenten auch genauere Versuche mit In¬
halation von Tuberkelbazillen gemacht hat. Leider hat Bartel nicht ver¬
sucht, durch sorgsame Abwägung und genaue Gegenüberstellung aller
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 111
der bei beiden Infektionsarten in Betracht kommenden Faktoren und der
erzielten Erfolge zu einem Urteil über die größere Gefährlichkeit des einen
oder anderen Infektionsweges zu gelangen.
Er wurde bei seinen Versuchen yon dem Gedanken geleitet, „die Tuber¬
kuloseinfektion von ihren ersten Anfängen an zu verfolgen, also dort zu be¬
ginnen, wo der pathologische Anatom weder am Obduktionstisch noch im
Mikroskop Anhaltspunkte für das Bestehen einer Tuberkuloseinfektion ge¬
winnen könne“. Entsprechend diesem leitenden Gedanken, der wohl den
früheren Befunden latenter Tuberkelbazillen in Drüsen (Pizzini (28),
Manfredi (29),Harbitz (30) u. a.) seine Entstehung verdankt, hat Bartel
bei seinen Arbeiten ganz vorzugsweise den Nachweis der Tuberkelbazillen in
den Lymphdrüsen im Auge gehabt. In seiner ersten Experimentalarbeit
„über die Infektionswege bei der Fütterungstuberkulose“ hat er dement¬
sprechend nur die lymphatischen Organe seiner Versuchstiere untersucht.
Die auch bei Bartels Experimenten deutlich hervortretenden großen
Unterschiede zwischen der Ausdehnung der tuberkulösen Veränderungen
in den Lungen und Bronchialdrüsen einerseits und in den übrigen Drüsen
und Organen andererseits veranlassen ihn nur, die Verschiedenheit des
histologischen Baues der Bronchialdrüsen und der lymphatischen Einrich¬
tungen der Lungen zur Erklärung heranzuziehen, ohne daß er die Frage
aufwirft, ob jenes stärkere Ergriffenwerden der Lunge nicht auch auf
einer kleineren Zahl der für eine, erfolgreiche Infektion auf dem Inhalations¬
wege notwendigen Tuberbelbazillen beruhen könne.
Bartel hat eben auch durchweg mit viel zu großen Dosen gearbeitet,
und außerdem hat er die Möglichkeit einer Aspiration bei seinen F.ütterungs-
versuchen viel zu wenig in Betracht gezogen. Bartel beachtet gamicht,
welch ein Kontrast besteht zwischen der „massenhaften Einfuhr von
Tuberkelbazillen, der Verbitterung des Materials von 1 bis 5 Glyzerinagar¬
kulturen“ und dem geringen Erfolg dieser Dosen; auch nicht bei einem
der jungen Kaninchen war makroskopisch, nur bei wenigen mikroskopisch
eine Tuberkulose zu erkennen, sondern meist, nicht einmal bei allen,
konnte nur der Impfversuch nachweisen, daß eine Bazilleninvasion er¬
folgt war, der aber nie eine progrediente Tuberkulose folgte, trotzdem die
Tiere bis zu 174 Tagen beobachtet wurden. Nur bei der Fütterung der
3 Meerschweinchen mittels Einträufelns einer Bazilleuemulsion erzielt er
eine fortschreitende Tuberkulose mit besonderer Bevorzugung der Lungen
und Bronchialdrüsen. Vielleicht ist dieser Erfolg auf die Verwendung der
viel empfänglicheren Meerschweinchen zurückzuführen; vielleicht ist, ob¬
wohl Bartel schreibt: „Die Tiere schluckten die einzelnen Tropfen,
ohne daß ein Zwischenfall eine Aspiration der Flüssigkeit in die Lunge
herbeiführte,“ trotzdem Aspiration erfolgt. Wenn diese auch bei
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der Einträufelung, während den Tieren gewaltsam der Kopf zurückgebogen
und das Maul aufgehalten wurde, in grobwahrnehmbarer Weise nicht
stattfand, so ist doch in Anbetracht der Menge der eingeträufelten
Flüssigkeit (=1 ccm ) und des besonderen anatomischen Baues des Rachens
bei den Meerschweinchen — Bildung einer nischenreichen tiefen Bucht,
aus dem nur eine verhältnismäßig kleine Öffnung in den Oesophagus bzw.
die Trachea führt — eine Ablösung feinster bazillenhaltiger Bläschen ge¬
wiß nicht absolut auszuschließen, zumal die Tiere bei dem Festhalten
sich gewehrt und geschrien haben werden.
Der Skeptizismus der neueren Autoren gegenüber der Infektion durch
Inhalation und die stärkere Betonung der Infektion vom Darm aus müssen
um so mehr auffallen, als es in früherer Zeit — 1890 und 1891 — nicht
an Arbeiten gefehlt hat, in welchen durch Ermittelung der kleinsten wirk¬
samen Mengen von Tuberkelbazillen die besonders große Gefahr der In¬
halation dargelegt ist und in denen auch auf die vergleichsweise viel
größeren Virusmengen hingewiesen ist, die zur Infektion durch Fütterung
nötig sind. Zunächst hat Gebhardt (31) vergleichende Experimente über
die verschiedenen Infektionswege bei Verwendung möglichst kleiner Dosen
Tuberkelbazillen angestellt. Er fand durch Applikation von Sputum¬
verdünnungen, in denen er die Zahl der Bazillen durch Zählung unter
dem Mikroskop annähernd zu bestimmen versuchte, daß sich mit etwa
800 Bazillen ausnahmslos tödliche Tuberkulose bei Meerschweinchen her-
vorrufen ließ, wenn die Bazillen durch Inhalation, oder subkutan, oder
intraperitoneal einverleibt wurden. Dagegen versagte die Fütterung noch
bei Verwendung von 10 und 20 Millionen Bazillen.
Preyss (32) arbeitete gleichfalls mit Sputumverdünnungen, die er
versprayte, und suchte die Zahl der von den Meerschweinchen wirklich
inhalierten Bazillen dadurch zu ermitteln, daß er den vom Büchner-
Spray innerhalb einer gewissen Zeit übergehenden Spraynebel in Chlor¬
calciumröhrchen auffing und wog; er ermittelte diese Menge zu O-l 0 *™
in 5 Minuten. Preyss fand, daß „zur Erzeugung einer Inhalatious-
tuberkuiose bei Meerschweinchen die verschwindend kleine Menge von
Viooo mg Sputum mit etwa 40 Bazillen mehr als genügend ist. Die
Inhalation der 3 bis 4 fachen Menge läßt fast unfehlbar Tuberkulose bei
den Versuchstieren entstehen.“ Preyss (33) hat in einer späteren Publi¬
kation über an Kälbern ausgeführte Versuche berichtet, aus denen die un¬
gleich schwierigere Infizierbarkeit dieser Tiere durch Fütterung hervorgeht.
Trotzdem in diesen Arbeiten so deutlich der Weg gekennzeichnet ist,
auf dem man zu einer richtigen Einschätzung der Gefahr der Inhalations¬
tuberkulose und der intestinalen Tuberkulose gelangen kann, hat doch
niemand der späteren Autoren die Versuchsanordnung von Gebhardt
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütteb.ungstubebkulose. 113
und Preyss zugrunde zu legen und möglichst zu verbessern versucht,
sondern alle haben mit übertrieben großen Dosen und meist mit ganz
einseitiger Berücksichtigung der intestinalen Infektion gearbeitet.
Unter diesen Umständen hielt es Hr. Prof. Flügge für geboten,
neue, tunlichst exakte Versuche anstellen zu lassen, in denen Inhalations¬
und Fütterungstuberkulose miteinander verglichen werden sollten. Ich
habe die Ausführung dieser Versuche übernommen und berichte im
folgenden über ihre Ergebnisse.
I. Inhalationen an tracheolomierten Tieren.
Um mich zunächst davon zu überzeugen, ob die in den letzten Jahren
immer wieder ausgesprochene Behauptung richtig sei, daß das Gelingen
eines Inhalationsversuchs lediglich auf die Wirkung der bei der Inhalation
in großen Mengen in den Nasenrachenraum und in den Darm gelangten
und von da aus ein gedrungenen Bazillen zurückzuführen sei, wollte ich
vor allem versuchen, jene Nebenwege der Infektion vollständig aus-
zuschal ten. Dies konnte dadurch geschehen, daß ich die Tiere durch eine
völlig ausgeheilte Tracheotomiewunde Bazillen inhalieren ließ. Kam dann
eine Lungentuberkulose mit derselben Schnelligkeit und in der gleichen
Ausdehnung zustande, wie man es sonst bei nicht tracheotomierten
Tieren erlebt, so war erwiesen, daß jene Nebenwege ohne Belang für die
Infektion sind und daß der Infektionserfolg wirklich nur auf die in die
Lunge inhalierten Bazillen zurückgeführt werden muß. Außerdem sollten die
zum Zustandekommen dieser zweifellosen Inhalationstuberkulose verwendeten
Dosen mit den Dosen Tuberkelbazillen verglichen werden, welche bei der
gleichen Tierspezies zu einer Infektion durch Fütterung ausreichen.
Da zahlreiche Vorversuche ergaben, daß bei Meerschweinchen über¬
haupt nicht, bei Kaninchen nur ausnahmsweise eine Überhäutung der
Tracheotomiewunde bei vollständigem Unversehrtbleiben der Trachea und
Offenbleiben der Wunde erzielt werden konnte, wurden zu diesen Ver¬
suchen größere Tiere: 1 Kalb und 3 Hunde gewählt.
Die Wahl der Hunde neben dem Kalb traf ich deshalb, um außer
einem für Tuberkulose sehr empfänglichen Tier — ich arbeitete in diesen
Versuchen mit Perlsuchtbazillen — auch Tiere zu haben, die gegen die¬
selbe möglichst resistent sind.
Die Tuberkelbazillen wurden mit Hilfe des von H. Büchner an¬
gegebenen Sprayapparates zerstäubt. Bei dieser Art der Versprayung gehen
in 10 Minuten unter den weiter unten genau beschriebenen Bedingungen
0.11 als feinster flugfähiger Nebel aus dem Apparat heraus, während
Zeitschr. f. Hygiene. LVII.
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die den Spray treibende Luftpumpe während dieser Zeit 105 L Luft ge¬
fördert hat.
Ferner stellte ich fest, daß 1 feucht abgewogene Kultur von
Tuberbelbacillen etwa 35 Millionen Bazillen entsprechen. Auch auf diese
für die Berechnung der inhalierten Bazillendosis nötige Zahl komme ich
unten genauer zurück.
I. Inhalationaversuch am Kalb.
88 k * schwer, 2 1 / 2 Monate alt. 10.11. 05 mit 0-1 Tuberculin
Ivochii geimpft (Obertierarzt Dr. Marschner). Reaktion negativ.
Am 17. II. 05 Tracheotomie dicht unterhalb des Kehlkopfes mit
Resektion eines Stückes der vorderen Trachealwand. Es wird eine selbst¬
haltende Doppelkanüle aus Neusilber (Firma H. Hauptner, Berlin) ein¬
geführt, die sehr gut sitzt. Die Wunde ist nach 10 Tagen außen geheilt.
Aus der Trachea fließt beständig, aber nur in geringen Mengen ein schleimig¬
seröses Sekret, welches schnell eintrocknet. Die innere Kanüle wird täglich
gewechselt. Das Kalb frißt sehr gut und hat ein rundes gut genährtes
Aussehen.
Am 24. III. 05 wird bei ziemlich lebhaftem Winde auf dem Hofe der
Roßschlächterei des städtischen Schlachthofes der Inhalationsversuch vor¬
genommen. Der Wind weht so, daß er vom Rücken des liegenden Tieres
nach der Bauchseite hinweht, mit geringer seitlicher Richtung.
Das Kalb liegt mit leicht erhöhtem Kopfe auf einem der im Schlacht-
hofe gebrauchten Schlachtschragen für Kälber festgeschnallt. In die frisch
gereinigte innere Kanüle wird ein dickes unten abgeschnittenes Gummidarm¬
rohr so tief wie möglich hineingeschoben. Auf dieses Rohr wird ein großer
Trichter aus Blech mit einem Öffnungsdurchmesser von 30 cra gesetzt, der
sich sowohl selbst durch Klammern an der Kanüle festhält, andererseits aber
noch durch besondere Befestigung in seiner Lage gehalten wird. Das Rohr
des Trichters ist leicht nach oben gerichtet, so daß der an den Wänden
des Trichters sich kondensierende Exspirationswasserdampf nach außen und
nicht in die Trachea fließt.
Vor dem Trichter ist der Buehnersche Sprayapparat in ungefähr
gleicher Höhe aufgestellt. Von seinem Ausmündungsrohr führt ein mit ihm
durch ein kurzes Gummirohr verbundenes Glasrohr so in den Trichter hinein,
daß das freie Ende, aus dem der feine Nebel dringt, nahe vor der Mündung
des Trichters und mit ihr genau zentriert zu liegen kommt. Durch einen
über die Öffnung des Trichters gespannten Draht wird das Glasrohr in seiner
Lage gehalten, ohne aber absolut fest fixiert zu sein, so daß späterhin das
Kalb sich mehrmals während des Versprayens stark bewegen konnte, ohne
daß das Tier die Lago des Glasrohrs verändert hätte. Der zu dem Ver-
sprayer hinfiihrende 2*/ 2 m lange Guramischlauch geht durch ein kleines Loch
in einer Fensterscheibe in das Innere der Roßschlächterei, in der sich die
Radfahrpumpe mit dem Windkessel befand. Alle beteiligten Personen waren
nach Fesselung des Kalbes, das ganz mit Decken umhüllt war, um jede Er¬
kältung zu verhüten, in dem Inneren der Roßschlächterei und dadurch voll-
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. FütterungstuberkuijOse. 115
ständig gegen Infektion geschützt. Durch das Fenster konnte das Kalb mit
dem Inhalationsapparat gut überwacht werden.
Zum Versprayen gelangten 0-445*™“ einer 24 Tage alten Glyzerin-
Bouillonkultur von Rindertuberkelbazillen, aufgeschwemmt nach sorg¬
fältigster Verreibung in 20 ccm steriler Kochsalzlösung. Das Kalb inhaliert
30 Minuten.
Annähernde Berechnung der inhalierten Tuberkelbazillenmenge: 1 ccm
der Aufschwemmung = 0-02225 * rm Tuberkelbazillen.
In 10 Minuten werden versprayt als Nebel 0-ll coml , in 30 Minuten
also 0-33 ccm = 7 -343 m * Tuberkelbazillen. Diese sind befördert mit
3x 105 = 315 Liter Luft. Das Kalb atmete im Mittel 16 mal pro
Minute. Sein Atemvolumen kann man demjenigen eines erwachsenen
Menschen etwa gleich setzen = 700 ccra pro Atemzug. Das Kalb hatte
demnach im ganzen etwa 336 Liter Luft in den 30 Minuten eingeatmet;
also etwas mehr als in derselben Zeit den Sprayapparat verließen (315 Liter).
Während aber der Luftstrom aus dem Apparat ununterbrochen weht, ist
der Inspirationsstrom des Tieres von den Exspirationen unterbrochen, die
etwas länger sind als die Inspirationen. Die während der Exspiration
versprayten Tuberkelbazillen gehen natürlich ohne weiteres verloren: das
Kalb kann also im günstigsten Falle 3 m * Tuberkelbazillen eiugeatmet
haben, wenn man annimmt, daß von den während der Inspiration zum
Versprayen gekommenen Tuberkelbazillenmengen absolut nichts durch
Absetzen, Fortwehen usw. verloren gegangen ist. Diese 8 m * entsprechen
etwa 120 Millionen Tuberkelbazillen. Tatsächlich ist aber zweifellos ein
sehr erheblicher Teil dieser Bazillen verweht und nicht in die Trachea
des Tieres gelangt, so daß sicher nur ein Bruchteil eines Milligramms
als infektiöse Inhalationsdosis gerechnet werden kann.
Die ersten Tage nach der Inhalation volles Wohlbefinden. Die Kanüle
bleibt liegen. Wunde ist reaktionslos und nirgends am Halse sind Drüsen¬
schwellung bemerkbar. Es entleert sich nur sehr wenig Schleim aus der
Kanüle, die täglich gewechselt wird. Gute Freßlust. Blanke Augen.
Die Temporatur bleibt mit einer Ausnahme am 4. Tage (40-4°) bis
zum 16. Tage normal. An diesem Tage setzt uuter Husten und Zittern des
ganzen Körpers hohes Fieber ein, welches bis zum Tode ziemlich konstant
zwischen 40-5 und 41-4° C. bleibt. Der Husten nimmt allmählich zu,
die Freßlust dagegen stark ab.
Am 18. IV. 05, d. i. 25 Tage nach dem Versuch wird das Tier
in ganz elendem Zustande geschlachtet. Gewicht 75 k * gegen 88 k * vor
der Inhalation.
Siehe S. 113.
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H. Fendel:
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Sektion (Obertierarzt Dr. Marschner und Tierarzt Dr. Letschbar):
Starke Abmagerung. Retropharyngealdrüsen und Tonsillen unverändert.
Tracheotomiewunde ist vollständig mit Schleimhaut ausgekleidet. In der
Trachea, dicht unterhalb der Wunde, sowie 5 cm weiter abwärts, dem Ende
der Kanüle entsprechend mehrere Dekubitalgeschwüre. Schleimhaut des
Kehlkopfes und der Trachea etwas geschwollen. Eine der Trachea anliegende
Halslymphdrüse etwas markig geschwollen, aber sonst unverändert. Bug¬
drüsen unverändert, klein. Beide Lungen zeigen eine weit vorgeschrittene
frische Miliartuberkulose. Dieselbe ist rechts stärker als links. Beiderseits
sind die Oberlappen am stärksten ergriffen. Die grauen Tuberkel von Hanf¬
korn- bis Kleinerbsengröße, welche nur in dem Oberlappenzentrum leicht
'gelblich verfärbt sind, nehmen an Zahl ganz allmählich nach dem Unter¬
lappen hin ab, so daß an dem unteren Rande dieses das Gewebe gut luft¬
haltig und nur mit ganz vereinzelten grauen Knoten durchsetzt ist. Die
Oberlappen sind fast vollkommen luftleer, fest und dunkelrot. Die beiden
Pleuren sind glatt und glänzend. Die Pleura pulmon. lassen an den Ober¬
lappen die Tuberkel deutlich durchscheinen. Pleurahöhlen frei von Erguß.
Mediastinal- und Bronchialdrüsen sämtlich stark geschwollen, zeigen auf
Durchschnitten aber nur markige Schwellung. Im Abdomen sind alle Organe
und Drüsen vollkommen normal.
Mikroskopisch zeigt ein Schnitt durch Stücke des Oberlappens ein
typisches Bild einer käsigen Pneumonie mit starker Beteiligung der Bron¬
chien, während die Blutgefäße bis auf eine kleinzellige Infiltration der
Gefäßwandung intakt sind. Zahllose Tuberkelbazillen in allen Teilen des
Schnittes.
Die von mir angewandte Tuberkelbazillenmenge hat, wie sich aus
der enormen Wirkung ergibt, wahrscheinlich sehr weit über der Minimal¬
dosis gelegen. Da mir aber nur ein Tier zur Verfügung stand, mußte
ich, um auf jeden Fall eine Infektion zu erzielen, eine kräftige Dosis
anwenden.
Daß bereits mit noch kleineren Mengen Bazillen bei Kälbern Inhala¬
tionstuberkulose erzeugt werden kann, das geht aus dem von Kossel,
Weber und Heuss 1 ausgeführten Inhalationsversuche hervor, in welchem
es ihnen gelang, mit der Verstaubung von 1 Rindertuberkelbazillen
schon nach 4 Wochen das Kalb tuberkulös zu machen. Das ganze Ver¬
halten des Tieres nach der Inhalation und der Verlauf der Erkrankung
stimmt genau mit dem in meinem Versuche überein. Die verstäubten 1
kann aber das Tier keineswegs ganz eingeatmet haben, da bei der gewählten
Versuchsanordnung (Inhalationsmaske) sich ein großer Teil absetzen mußte.
Bringt man zudem noch den in der Nase, den Rachenadnexen und
im Kehlkopf abgefangenen Teil in Abrechnung, so ergibt sich, daß in
diesen Versuchen wohl ein noch erheblich kleinerer Bruchteil eines Milli-
1 Tuberkulosearbeiten. II. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt.
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Füttebungstubebkulose. 117
gramms inhalierter Bazillen genügt hat, um binnen 4 Wochen eine über
die ganze Lunge verbreitete Tuberkulose hervorzurufen.
Um mit diesen Ergebnissen die Bazillenmengen zu vergleichen, welche
bei Fütterungsexperimenten sich als wirksam erwiesen haben, kann ich
mich leider nicht auf eigene Versuche stützen, da ich infolge der beschränkten
Mittel des Instituts weitere Kälber nicht verwenden konnte. Wohl vergleichbar
sind aber die von anderen Autoren mit der Fütterung von Kälbern erzielten
Resultate. Kossel, Weber und Heuss erhielten positive Ergebnisse nur bei
Verfütterung von mehr als 1000 Kultur von Perlsuchtbazillen. Bei der
geringsten Dosis von 1 gTm , die sie an ein unserem Inhalationstiere gleich¬
altriges Kalb verfütterten, war die Temperatur bis zur Tötung des Tieres
nur wenig beeinflußt, das Tier nahm 127 k * zu und bei der Sektion am
192. Tage fanden sich nur wenige kleine Herde in der linken Submaxillar-,
beiden Retropharyngeal-, den Mesenterial- und Mediastinaldrüsen, sowie
eine beginnende Tuberkulose des Peritoneum viscerale und parietale. Nach
diesem Sektiousbilde kann mau wohl annehmen, daß die Dosis von 1 s 1 ™
die Minimaldosis für die Fütterung darstellt, und daß diese also jedenfalls
mehrere tausend Mal höher liegt als diejenige für die Inhalation.
Bei drei anderen Tieren hatten sie 86 Tage hindurch täglich 1 Gly¬
zerinbouillonkultur (!) gegeben: sämtüche Tiere hatten bei ihrer Tötung
an Gewicht zugenommen, bei zweien war die Temperatur stets normal
geblieben und waren auch sonst keinerlei Krankheitserscheinungen auf¬
getreten; bei dem dritten begannen diese und das Fieber erst nach
2 Monaten.
Preisz (38) verfütterte 12 verschiedene Kulturen von Rindertuberkel¬
bazillen an 2 Kälber von 15 bis 24 Monaten, nachdem diese bereits
vorher 2 mal mit perlsüchtigen Organen gefüttert waren, und machte
ihnen dann noch eine intravenöse Injektion einer Emulsion von 6 ver¬
schiedenen Rindertuberkelbazillenstämmen. Bei der Sektion zeigte das
eine Tier nur miliare tuberkulöse Knoten in einer peribronchialen Lymph-
drüse, während das zweite Tuberkel in einer Tonsille, retrotonsillären
Lymphdrüse und Mesenderialdrüsen aufwies.
Diese Beispiele mögen genügen, um für Kälber die erheblich geringere
Gefährlichkeit des intestinalen Infektionsweges gegenüber der Inhalation
darzutun.
II. Versuohe an Hunden. Rindertuberkelbazillen.
A. Inhalationsversuche.
Zwei Hunde waren am 17.11.05 tracheotomiert. Die Kanülen (große
Menschenkanülen aus Neusilber) lagen gut. Die Wunden sind glatt mit
Schleimhaut überkleidet. Die Sekretion aus den Kanülen ist bei dem
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H. Findel:
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größeren Hunde ganz minimal, bei dem kleineren etwas mehr, aber auch
nur gering.
Es wird derselbe Apparat und dieselbe Aufschwemmung benutzt, welche
am Morgen (24. III. 05) bei dem Kalbe in Anwendung kam.
Die Hunde, mit Decken gut zugedeckt und durch eine vorherige
Morphiumeinspritzung beruhigt, waren auf einem Operationsbrette fest¬
geschnallt und lagen die ganze Zeit über ruhig. Der Versuch fand im Hofe
des hygienischen Institutes statt. Die Radfahrpumpe mit dem Windkessel
befand sich in einem Holzgebäude, durch dessen Fenster der lange Gummi¬
schlauch nach außen zu dem Sprayapparate führte.
Hund Nr. 1. Gelb. 9-6 k? inhaliert 15 Minuten.
Hund Nr. 2. Schwarz. 5-8^ inhaliert 10 Minuten.
Durch Messung der Exspirationsluft eines anderen 5-8 ks schweren,
tracheotomierten und mit derselben Morphindosis betäubten Hundes mittels
einer empfindlichen Gasuhr fand ich das Atemvolumen für 10 Minuten =
12 Liter. Auf Grund dieser Feststellung berechnet sich die eingeatmete
Tuberkelbazillenmenge, falls wiederum nichts von den versprayten Bazillen
abgesetzt oder verweht ist,
für Hund Nr. 1 auf 0-465 = 16270000 Tuberkelbazillen
„ „ Nr. 2 „ 0-28= 9800000 „
Am 7.II.06 wird noch an einem dritten tracheotomierten Hunde
von 5 • 3 k * ein Inhalationsversuch gemacht. Tracheotomie am 17.1.06. Am
8. II. ist die Wunde ganz epidermisiert. Sekretion war stets gering; häutig
schokoladenfarbig. Versuchsanordnung ganz wie in den vorhergehenden
Fällen. Für die Ausgangsflüssigkeit im Sprayapparat werden 0-224 ?
Rindertuberkelbazillen (4 1 / l Wochen alte Glyzerinbouillonkultur) in 20 0131
sterilem Wasser aufgeschwemmt. Dauer der Inhalation 10 Minuten.
Dieser Hund Nr. 3 hat also inhaliert weniger als 0.141 = 4935000 Tu¬
berkelbazillen
Nach den Inhalationen wurden sofort die Kanülen entfernt. In
2 Tagen waren ohne jeden weiteren Eingriff die Wunden zugezogen, nach
weiteren 2 Tagen fest verschlossen. Die Hunde befanden sich bis auf den
Nr. 2 nach der Inhalation bis zum Tode ganz wohl, fraßen gut und wurden
immer dicker. Sie zeigten nur ab und zu Temperaturen bis 39-2° C.
sonst immer zwischen 58-8° und 38-6° C. Hund Nr. 2 hustete seit der
Inhalation mit wechselnder Stärke, zeigte auch neben einer leichten Sekretion
aus der Trachealwunde anfänglich schleimige Sekretion aus der Nase.
Nach Schluß der Trachealwunde hörte auch die Nasensekretion bald auf,
während der Husten bis zum Tode anhielt. Vom 5. bis zum 20. Tage
Fieber zwischen 39-2° und 40-2° C, später öfters daneben Temperaturen
von 38-8° C.
Nr. 1 und 2 werden am 33. Tage durch Chloroform, Nr. 3 am 30. Tage
durch Nackenstich getötet.
Sektion von Nr. 1. Alle Organe stark venös hvperämisch Retropharyn¬
geal- und Mentaldrüsen normal. Die beiden der Trachea anliegenden Hals-
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Unteksuchungen üb. Inhalations- u. Füttebungstubebkulose. 119
drüsen neben der reaktionslosen Narbe etwas geschwollen und stark hyper-
ämisch, dunkelblaurot. Trachealschleimhaut normal. Lungen sind stark
aufgeblasen, bläulichrot und zeigen vereinzelte, aber über die ganze
Lunge verstreute, dicht unter der glatten Pleura sitzende, hirsekorn-
grobe graue Knötchen. Die Oberlappen sind am meisten mit ihnen
durchsetzt.
Die Bronchialdrüsen sind stark anthrakotisch, hart und nicht vergröbert.
Abdominalorgane nebst sämtlichen Drüsen unverändert bis auf die venöse
Hyperämie der Nieren und Leber.
Sektion von Nr. 2. Narbe reaktionslos, an dieser Stelle die Trachea
bis auf die Hälfte des alten Lumens stenosiert. Trachealschleimhaut etwas
verdickt und gerötet. Sublingual-, Submental-, Retropharyngeal- und Halsdrüsen
nicht geschwollen. Die ganze Lunge ziemlich gleichmäßig mit
grauen, oft konfluierenden bis hanfkorngroßen Knoten durchsetzt,
welche durch die glatte Pleura deutlich sichtbar sind. Bronchialdrüsen
leicht geschwollen, stark anthrakotisch. Im Abdomen starke Fettablagerung.
Mesenterialdrüsen unverändert. In der Leber mehrere linsengroße, flache,
unregelmäßige, weißliche Stellen unter dem Peritonealüberzuge. Milz nicht
vergrößert mit deutlicher Follikelzeichnung.
Sektion von Nr. 3. Hals- und Kinndrüsen von verschiedenster Größe:
erbsen- bis kirschgroß, weich, saftreich und auf Durchschnitt von normaler
Struktur. Die Drüsen zu beiden Seiten des Kehlkopfes sind saubohnengroß und
zeigen beide am unteren Pole eine schmutzig braunrote Farbe, die sich gegen
das übrige normale Drüsengewebe nicht scharf absetzt. Tracheotomiewunde
glatt verheilt. Trachealschleimhaut normal. Die Lungen sind vollkommen
mit grauen, oft konfluierenden, hanfkorngroßen Knoten durch¬
setzt. Pleuren sind glatt und glänzend. Auf der Lungenoberfläche sieht
man zahlreiches Kohlenpigment durchschimmern. Bronchialdrüsen anthra¬
kotisch, geschwollen und mit einzelnen kleinen gelben Herdchen. Milz,
Leber, Nieren und Mesenterialdrüsen vollkommen normal. Darm zeigt die
Follikel und Plaques ganz gleichmäßig vom Pylorus bis zum Mastdarm
deutlich aus der übrigen, normalen Schleimhaut hervorragen.
Mikroskopisch werden in den Lungen und Bronchialdrüsen zahl¬
reiche Tuberkelbazillen nachgewiesen. Die anderen untersuchten Drüsen
zeigen häufig die Lymphozyten mehr oder weniger stark vermehrt, sonst aber
normale Struktur. In den Plaques alles normal.
Wir sehen also, daß auch bei den sonst gegen Tuberkulose so resi¬
stenten Hunden [Grober (34), H6ricourtuudRichet (35), Frese (36)] —
nach neueren Zusammenstellungen 1 beträgt die spontane Tuberkulose bei
ihnen etwa 1*18 Prozent — die Inhalation verhältnismäßig geringer Mengen
von Tuberkelbazillen regelmäßig schon nach kurzer Zeit eine schwere
Lungentuberkulose hervorgerufeu hat. Auf Grund der Sektionsbefunde
kann man wohl mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß die von mir
1 Siehe Eberth in Lubarsch und Ostertag. 190G.
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120
H. Findel:
benutzte geringste Dosis von 0*141 —von der, wie wiederholt hervor¬
gehoben sei, noch ein erheblicher Teil gar nicht zur Einatmung gelangt
ist — bei weitem noch nicht die Minimaldosis darstellt.
In der Literatur fehlt es leider an Beobachtungen, aus welchen sich
die Mini maldosis für intestinale Infektion von Hunden mit einiger Sicher¬
heit ableiten und mit der Inhalationsdosis vergleichen ließe. Meist sind 1
außerordentlich viel größere Bazillenmengen zur Infektion durch Fütterung
verwendet. Ich habe daher selbst einige vergleichende Versuche mit den¬
selben Kulturen angestellt, die ich für die Inhalationsversuche ver¬
wendet hatte. Bei den letzten 2 Hunden war außerdem die Aufschwem¬
mung dieselbe, welche bei dem Hund Nr. 3 am 7. H. 06 zum Versprayen
gekommen war.
Da bei den drei ersten Fütterungshunden die Darreichung der
Tuberkelbazillenmengen auf eine größere Zahl von Tagen verteilt werden
sollte, wurde die Tuberkelbazillenaufschwemmung (in steriler Na-Cl-Lösung)
in 2 Portionen angefertigt, um nicht durch das zu lange Aufbewahren,
wenngleich es im Eisschranke geschah, eine Virulenzabnahme herbeizu¬
führen. Von dem Best jeder einzelnen Portion wurde je ein Meerschwein¬
chen zur Kontrolle mit je 1*0 ccm intraperitoneal geimpft: nach 80 Tagen
gingen dieselben an allgemeiner Tuberkulose ein. Die Tuberkelbazillen¬
aufschwemmungen waren so hergestellt, daß in 1 ccm 1 Tuberkelbazillen
enthalten waren. Die erste Portion wird am 18. XI. 05, die zweite am
8. XII. 05 hergestellt. Ende dieser Verfütterung am 28. XII. 05.
Die Tuberkelbazillen wurden den Hunden zuerst vermischt mit ge¬
hacktem Fleisch, später aber in fein verriebenem Brote, das mit Milch
übergossen war, gereicht, und zwar so, daß Hund Nr. 4 mehr Milch als
Brot, also mehr flüssige Nahrung, Nr. 6 das Brot eben nur mit Milch
angefeuchtet, also feste Nahrung erhielt, während Nr. 5 in bezug auf die
Konsistenz des Futters eine Mittelstellung einnahm.
Hund Nr. 4 erhielt 13 ra « = 455 Millionen Tuberkelbazillen
„ Nr. 5 „ 69 „ = 2415 „ „
„ Nr. 6 „ 172 „ = 6020 „
Hund Nr. 7 und 8 erhielten nur einmal 0*4 bzw. l*2 ccm der am 7. II. 06
zur Inhalation benutzten Aufschwemmung in fein verriebenem Brot,
welches mit Milch stark augefeuchtet ist.
Hund Nr. 7 erhielt danach 4-48 m s = 156 Millionen Tuberkelbazillen
„ Nr. 8 „ „ 13*44,, = 470 „ „
Die Hunde werden 101 bis 158 Tage nach der ersten Futteruug
getötet.
1 Siehe die tabellarische Zusammenstellung in der Arbeit von Nebelthau.
Klin. Jahrhuch. Bd. XI. S. 578.
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Untersuchungen üb. Inhalations- ü. Fütterungstuberkulose. 121
Resultate.
Hund Nr. 4. 4-6 kg Beginn der (täglichen) Yerfütterungam 18. XI. 05,
Ende derselben am 28. XI. 05. Getötet am 10. HL 06 — 112 Tage nach
der ersten Fütterung.
Sektion: Kinn-, Submaxillar- und Halsdrüsen nicht vergrößert, zeigen
auf dem Durchschnitt vollkommen normale Struktur. Die Drüsen zu beiden
Seiten der Trachea, etwas unterhalb des Kehlkopfes zeigen eine schmutzig
graurote Färbung, die gegen das andere Drüsengewebe nicht scharf abgesetzt
ist (wie bei Hund Nr. 2). Lungen vollkommen normal. Bronchialdrüsen
hart, klein, anthrakotisch. Leber, Milz und Nieren unverändert. Mesen¬
terialdrüsen saftreich, weich, etwa kirschkerngroß, zeigen auf Durchschnitten
normales Gewebe.
Im Darm, welcher der ganzen Länge nach aufgeschnitten und auf
das sorgfältigste durchgemustert wird, konnten pathologische Veränderungen
nicht entdeckt werden. Vom Pylorus bis zum Mastdarm heben sich die
Follikel und Peyersches Plaques ganz gleichmäßig deutlich von der übrigen
normalen Schleimhaut ab. Im Processus vermiformis dieselben Verhältnisse.
Irgend welche Trübungen, Epithel Verluste usw. konnten in keinem der
Follikel oder Plaques entdeckt werden. Die mikroskopische Untersuchung
zahlreicher solcher Plaques und Follikel ergab sowohl bezüglich Bildung
von Tuberkeln wie des Nachweises von Tuberkelbazillen vollkommen
negative Resultate. Der Epithelüberzug war stets intakt. Das lympha¬
tische Gewebe zeigte hier und bei den übrigen Fütterungshunden ab und
zu lymphoide Hyperplasie von verschiedener Stärke, bei der aber stets die
Follikelzeichnung usw. vollkommen deutlich blieb. v
Hund Nr. 5. 5*8 kg . Beginn der Verfütterung am 18. XL 05. Ende
am 8. XII. 05. Getötet am 10. IV. 06 = 143 Tage nach Beginn der
Fütterung.
Hund Nr. 6. 5*6K Beginn der Verfütterung am 18.XI. 05. Ende
am 28. XII. 05. Getötet am 25. IV. 06 = 101 Tage nach der Fütterung.
Hund Nr. 7. 11 -3 kg . Einmalige Fütterung am 8. II. 06. Getötet am
20. IV. 06 =* 101 Tage nach der Fütterung.
Die Sektion ergab bei allen 3 Hunden einen mit dem vorherigen völlig
gleichen negativen Befund.
Hund Nr. 8. 10*7 kg . Einmalige Fütterung am 8. II. 06. Getötet am
20. IV. 06 ss 101 Tage nach der Fütterung.
Die Sektion ergab auch bei diesem Hunde einen im ganzen negativen
Befund. Nur in der rechten Lunge, 1 cm unterhalb der Spitze des Ober¬
lappens fand sich eine kirschgroße, stark zerklüftete Kaverne, ohne Inhalt,
die durch eine dicke mit Kalkkonkrementen durchsetzte Kapsel von dem
gesunden Lungengewebe abgegrenzt wird. Auf Schnitten konnten keine
Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Außerdem finden sich im rechten
und linken Mittellappen je 1 stecknadelkopfgroßer, weißer, steinharter Knoten,
der nicht mit dem Messer zu schneiden ist. Die Bronchialdrüsen sind klein,
hart und vollkommen anthrakotisch; auf dem Durchschnitt ist von dem
Drüsengewebe so gut wie gar nichts mehr zu erkennen.
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Tabelle!.
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Dauer
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inhalierten Tb.
in
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der
Inhala¬
i>tet m
Tagen
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kalb.
24. III. 05.
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unverändert,
l Drüse neben
der Trachea-
wunde ge¬
schwollen.
stark ge*
schwollen
aber mr
markige .
Schwellet
Hunde.
Inhalation:
24. III. 05.
1
15 Min.
0-465
1 627 000
33
9-0
i
— | +
unverändert Imikrostopi
Tb. geforii
; makrosk^
nicht vc*
| großer!
anthndotii
i 2
10 Min.
0-28
9 800 000
33
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1
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am 7. II. 06.
! 3
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10 Min.
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1 4 935 000
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- !
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 123
Kalb und Hunde.
Sektionsbefand
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Lunge
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unverändert
unverändert
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Weit vorgeschrittene
Miliartuberkulose
bd. Lungen, r. < 1. Im
Oberl appen Tuberkel
mit beginnender Ver¬
käsung. Oberlappen
fast ganz luftleer.
Pleuren glatt. In der
Trachea Decubital- j
geschwüre. Katarrh. j
Starke Hyperämie, j
über die ganze Lunge|
verstreut hirsekorn- j
jgroße, graue Knötchen/
| besonders ira Ober- i
lappen. j
Ganze Lunge ziemlich
[gleichmäßig mit steck-
jnadel- bis über hanf¬
korngroßen grauen, I
jzum Teil konliuierteu
| Knoten durchsetzt. ;
! Pleuren glatt.
| Beide Lungen durch- j
setzt mit hanfkorn- |
großen grauen Knoten.j
I Pleuren glatt.
I Normal.
In dem rechten Ober-
i lappen alte Kaverne |
! glatt wan d i g, au ßer de in
in der Lunge noch
2 Kalkknötchen.
Darm ^
S
— 1 desgl.
I
Follikel ,
überall
gleich j
! deutlich j
Plaques |
überall !
gleich |
deutlich
desgl. |
>> i
I
Bemerkungen
vollständig normal
Starke Abmage¬
rung. Gew. 75 k *.
I Infolge der
!| Tötung durch
! Chloroform sind
alle Organe
stark venös
hyperämisch.
I |
— ; — 10 Tage lang
— 20
— ; — 40
©
u
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1 x gefüttert.
- - I 1 x
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Original fro-m
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Während also bei Inhalation erheblich weniger als 0 141 m * —
490000U Bazillen genügt hatten, um schon nach dem Verlauf
von 4 Wochen eine über die ganze Lunge ausgebreitete Tuber¬
kulose zu erzeugen, war die Verffttternng von 172 me = 6020 Mil¬
lionen Bazillen vollkommen wirkungslos geblieben.
Die unwirksame verfütterte Dosis war also schon 1220 mal so groß
wie die wirksame inhalierte: wie das Verhältnis der wirksamen Minimal¬
dosen bei beiden Applikationsarten sich stellt, läßt sich nicht angeben,
da die inhalierte Dosis erheblich größer und die verfütterte kleiner war
als die minimale wirksame Dosis.
Die Resultate der Versuche am Kalb und den Hunden habe ich zur
besseren Übersicht in der Tabelle I zusammengestellt.
II. Vergleichende Inhalations- und Ffltternngsversuche
an Meerschweinchen.
Die in den vorausgehenden Versuchen hervorgetretene prompte und
die Fütterungsinfektion weit übertreffende Wirkung der Inhalation bei
tracheotomierten Tieren gewährte offenbar die Möglichkeit, auch ohne
Tracheotomie und ohne scharfe Trennung beider Infektionswege im Tier¬
experiment Inhalations- und Fütterungstuberkulose miteinander zu ver¬
gleichen. Infiziert man durch Inhalation, so hat man offenbar stets nur
mit den direkt in die Lunge eindringenden Bazillen zu rechnen, nicht
aber mit den vom Darm oder Rachen aus eingeschlagenen Nebenwegen;
denn diese letzteren führen ja so außerordentlich viel langsamer und nur
nach sehr viel größeren Dosen zur Infektion. Dagegen wird bei der Be¬
urteilung von Fütterungsexperimenten allerdings stets berücksichtigt
werden müssen, ob nicht etwa Aspiration eingetreten und damit derjenige
Weg in Benutzung genommen ist, auf welchem schon kleinste Bazillen¬
mengen mit größter Schnelligkeit zur Infektion führen.
Es schien erwünscht, die Vergleichung beider Infektionswege in
bezug auf die zur Infektion mindestens erforderliche Dosis noch genauer,
als es in den Versuchen an tracheotomierten Tieren möglich war, durch¬
zuführen. Ich benutzte zu diesem Zweck ausschließlich die für jede
Art der Infektion mit Tuberkelbazillen so überaus empfänglichen Meer¬
schweinchen.
Um bei den Inhalationsversuchen an Meerschweinchen eine genaue
Vergleichung der wirklich inhalierten und verfütterten Bazillenmenge anzn-
stellen und zugleich die Minimaldosen tunlichst exakt zu bestimmen, bediente
ich mich des folgenden, von Prof. Reichenbach und mir konstruierten
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ÜNTEBSUCHUNGEN ÜB. INHAEATIONS- U. FüTTEBUNGSTüBEBKULOSE. 125
Apparates. — Das Prinzip der Yersnchsanordnung besteht darin, daß die
Versuchstiere ihre Atemluft einem langsam mit konstanter Geschwindigkeit
aufsteigenden Luftstrom entnehmen, dessen Bakteriengehalt während der
Dauer des Versuches stets auf derselben Höhe erhalten wird.
Im einzelnen ist der Apparat folgendermaßen konstruiert (s. Fig. 1).
1 ist ein Turm aus verbleitem Eisenblech, 15 cra im Quadrat und 30 cm hoch.
Der Oberteil verjüngt sich pyramidenförmig und trägt am oberen Ende einen
runden Ansatz (a ) von 7 cm Weite und 5 cra Höhe, in dem sich ein dreifach
durchbohrter Guramistopfen befindet. Von hier aus führt ein Rohr (g) zu einer
starken Wasserstrahlluftpumpe, ein zweites (k) zu einem Manometer ( c ) und
das dritte (f) zu einem großen Aspirator (6), mit dem beliebige, gemessene
Luftmengen aus dem Turm abgesogen werden können.
Der bakterienhaltige Nebel wird in einem Buchnersehen Spray (2)
erzeugt; zum Betriebe dient eine Fahrradpumpe (4) unter Zwischenschaltung
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H. Fiedel:
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einer als Windkessel dienenden etwa 3 Liter haltenden Flasche (3). Der Spray
mündet dicht über dem Boden in den Turm (£), die bakterienhaltige Luft steigt
langsam im Turm in die Höhe und wird oben durch die Luftpumpe abge¬
führt. Die Luftpumpe wird so eingestellt, daß im Turm ständig ein Unterdrück
von etwa 20 cra Wassersäule herrscht. Wird dieser Druck konstant gehalten,
und bleibt andererseits die in der Zeiteinheit durch den Spray zugeführte
Luftmenge die gleiche, so bleibt auch die Geschwindigkeit des Luftstromes
und damit der Bakteriengehalt in der Yolumeinheit desselben konstant.
Um die Meerschweinchen eine beliebige, genau bemessene Zeit aus
diesem Luftstrom atmen zu lassen, werden sie in einen Zylinder aus Eisen¬
blech (;', y l ) gesteckt. Auf das hintere Ende des Zylinders paßt luftdicht
durch Gummidichtung ein mit Bajonettverschluß versehener Deckel, das
vordere offene Ende trägt eine maulkorbartige Vorrichtung aus Draht (r<r, (i),
um das Durchkriechen der Tiere zu verhindern. Der Turm besitzt in seinem
oberen Drittel zwei Öffnungen (d, d ] ), auf welche sich je ein solcher Zylinder
ebenfalls mit Hilfe von Bajonettverschluß und Gummidichtung luftdicht auf¬
setzen läßt, so daß das Meerschweinchen mit dem Kopf einige Zentimeter in
den Turm hineinragt. Die beiden Öffnungen liegen sich gegenüber: an den
beiden anderen Wänden befinden sich in derselben Höhe Schaugläser (^), durch
die das Verhalten der Tiere beobachtet werden kann. Befindet sich kein Tier
im Apparat, so werden die Öffnungen mit luftdichten Deckeln, die auch mit
Bajonettverschluß versehen sind, verschlossen. Das Abnehmen der Deckel
und das Ansetzen der mit den Meerschweinchen versehenen Zylinder erfordert
wenige Sekunden. Es empfiehlt sich aber nicht, die Versuchstierzylinder
allzu rasch abzunehmen, weil es dabei Vorkommen kann, daß beim raschen
Herausziehen des Meerschweinchenkopfes aus dem Apparat trotz des in den
Apparat hineingerichteten Luftstromes kleine Luftmengen gewissermaßen
hinter dem Tiere hergesogen werden. Im übrigen ist aber selbst bei
gröberen Undichtigkeiten des Apparates jede Gefährdung des Experimentators
ausgeschlossen, solange nur dafür Sorge getragen wird, daß der Unterdrück
im Apparat konstant bleibt.
Da die vom Spray verbrauchte Flüssigkeitsmenge nur sehr gering ist.
kann der Apparat ohne Schwierigkeit stundenlang in Gang gehalten
werden, und läßt Variationen der eingeatmeten Bakterienanzahl in den
weitesten Grenzen zu. Die Tiere sitzen vollständig ruhig im Apparat und
atmen durchaus unter natürlichen Verhältnissen, insbesondere kann selbst¬
verständlich von einem ..Einpressen“ des bazillenhaltigen Nebels in die
Lungen keine Rede sein. 1
Uin zur Fütterung eine der eingeatmeten durchaus entsprechende
Bakterienmenge zu verwenden, sollte an derselben Stelle des Appa-
1 Klebs hat in einer an wunderbaren, nicht diskutabelen Behauptungen reichen
neuen Publikation ( Deutsche med. Wochenschrift, 1907, Nr. 15) behauptet, Infektion
durch Inhalation sei in den Flüggescken Experimenten nur deshalb gelungen, weil
die Bazillen direkt in die Trachea injiziert seien. Nicht ein einziges Experiment
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 127
rates, an der die Meerschweinchen atmeten, ein gemessenes
Luftvolumen entnommen, und aus diesem die schwebenden
Bakterien gewonnen werden.
Dazu diente das vorher erwähnte, zum Aspirator führende Rohr f\ das
durch die dritte Durchbohrung des Gummistöpsels in den Turm hineinragt,
und in der Höhe endigt, in der sich bei der Inhalation die Köpfe der Meer¬
schweinchen befinden. Der Aspirator faßt 20 Liter und ist mit einer Gra¬
duierung versehen, so daß durch sein Auslaufen beliebige Luftmengen aus
dem Turm entnommen werden können. Zum Auffangen der Tuberkel¬
bazillen diente die von William angegebene, vielfach U-förmig gebogene und
mit 10 prozentiger Lävuloselösung ausgekleidete Röhre. Von diesen wurden
zwei Stück (7, 7a) hintereinander zwischen Aspirator und Inhalationsapparat
angebracht. Um jeden Verlust von Lävuloselösung durch Übersteigen in
das Abstromrohr zu verhüten, wurde zwischen der letzten Röhre und dem
Turm noch ein Erlenmeierkolben eingeschaltet. Es zeigte sich nun sehr
bald, daß es mit dieser Anordnung nicht gelingt, die hindurchgeleitete Luft
vollständig von Keimen zu befreien. Das war auch für meinen Zweck nicht
nötig, wenn nur der Bruchteil der hindurchgegangenen Keime genügend
konstant war.
Es mußte also bestimmt werden, wie sich unter Einhaltung bestimmter
Bedingungen das Verhältnis der in die Lunge der Meerschweinchen
gelangten und der in den Williamrohren zurückgehaltenen
Keime gestaltet.
Die Frage läßt sich am besten so formulieren: Wenn in unserem Apparat
eine Flüssigkeit von bestimmtem Bakteriengehalt eine bestimmte Zeit lang
unter Einhaltung gewisser Bedingungen (Volum der Luftpumpe, Anzahl der
Kolbenstoße pro Minute, Druck im Turm) versprayt wird, wie viel Keime
finden sich dann
1. in zwei hintereinander geschalteten Williamrohren, durch die ein
Liter Luft mit bestimmter Geschwindigkeit aus dem Turm abgesogen
worden ist, und
2. in einer Meerschweinchenlunge, wenn das Tier ein Liter Luft ge¬
atmet hat?
Diese auf den ersten Blick etwas umständlich erscheinende Formulierung
der Frage ist deshalb notwendig, weil der absolute Keimgehalt der im Turm
befindlichen Luft an der Verbrauchsstelle nicht maßgebend sein kann; denn
sowohl in die Williamrohre wie auch in die Meerschweinchenlunge gelangt
nur ein gewisser, vorläufig noch unbekannter Bruchteil der Bakterienmenge
hinein.
Diese Fragestellung setzt aber die Kenntnis der von einem Meer¬
schweinchen in der Zeiteinheit geatmeten Luftmenge voraus. Um zu¬
nächst diese Vorfrage zu erledigen, war ich, da zuverlässige Angaben in
derart ist von Flügge und seinen Schülern angestellt! Hr. Klebs hat also weder
auf der Tuberkulose-Konferenz im Haag gehört, noch vor- oder nachher je gelesen, wie
jene Versuche angestellt sind; aber trotzdem kritisiert er sie!
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H. Findel:
der Literatur fehlen, gezwungen, eigene Versuche anzustellen. Ich ließ zu
diesem Zweck tracheotomierte Meerschweinchen verschiedener Größe teils
mit, teils ohne Narkose in ein leichtes Spirometer atmen, wie es zu dem
Rubn er sehen Armkalorimeter benutzt wird. Die dazu nötigen sehr empfind¬
lichen Ventile (Klappenventile aus Hartgummi) wurden mir in liebenswürdiger
Weise vom physiologischen Institut zur Verfügung gestellt.
In einer großen Reihe von Versuchen erhielt ich folgende Mittelwerte:
Gewicht des Meerschweinchens. Atemvolum p. min.
210 * rm
290 ccm
325 „
333 „
625 „
357 „
Nach diesen Zahlen habe ich für jedes Meerschweinchengewicht das
Atemvolum durch Interpolation berechnet.
Um die gesuchten Verhältniszahlen zwischen Keimgehalt der Auf¬
schwemmung und den in die Meerschweinchenlunge bzw. die Williamröhre
gelangten Bakterien zu finden, wurde folgendermaßen vorgegangen:
Der Keimgehalt der Ausgangsflüssigkeit im Buchner-Spray wurde durch
Plattenverfahren festgestellt, dann der bazillenhaltige Nebel in den Turm
ein geleitet und nun, während der aufsteigende Luftstrom konstant unter¬
halten wurde, einerseits eine bestimmte Luftmenge durch zwei in der ge¬
schilderten Anordnung angebrachte Williamröhren hindurchgesogen, anderer¬
seits ein oder zwei Meerschweinchen eine bestimmte Zeit lang an den Turm
gesetzt Die Williamröhren wurden gründlich mit sterilem Wasser aus¬
gespült und von der Waschflüssigkeit, deren Gesamtvolumen gemessen wurde,
mit 1 und 0-5 ccm Platten gegossen. Die Meerschweinchen wurden sofort
nach Beendigung des Versuches getötet, die Lungen wurden steril ent¬
nommen, gewogen und dann ganz fein zerhackt, so daß die ganze Lunge
einen homogenen Brei bildete. Ein bestimmter Bruchteil dieses Lungen¬
breies wurde in der Reibschale mit Glassand weiter auf das feinste zerrieben
und schließlich in Bouillon aufgeschwemmt. Der Keimgehalt der Auf¬
schwemmung wurde in bekannter Weise durch Plattenverfahren bestimmt.
30 Minuten nach Beendigung der Inhalation waren immer alle Platten fertig
gegossen. Zu diesen Versuchen wurde meistens Prodigiosus, zuletzt auch die
Sporen eines bestimmten von einer Kartoffel gewonnenen Bacillus benutzt.
Auf diese Weise sind im ganzen acht Versuche angestellt, deren Re¬
sultate in Tabelle 2 vereinigt sind. Es geht daraus hervor, daß trotz
großer Verschiedenheiten im Keimgehalt der Ausgangsflüssigkeit, in der
Größe der Meerschweinchen, und des abgesogenen Luftquantums, die
Resultate genügend unter sich übereinstimmen, so daß man berechtigt ist.
aus ihnen einen Mittelwert zu bilden. Es ergibt sich also, daß, wenn in
unserem Apparat eine Bakterienaufschwemmung unter den geschilderten
Versuchsbedingungen zerstäubt wird,
1. in den zwei W T illiamröhren aus jedem Liter Luft ein Zwölf¬
tausendstel der in einem Kubikzentimeter der Aufschwemmung vorhan¬
denen Keimmenge abgefangen wird, und daß
2. in die Lunge eines Meerschweinchens mit einem Liter Atem¬
luft ein Vierzehn tausendstel dieser Keimmenge gelangt.
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Untebsüchungen üb. Inhalations- u. Füttebungstubebkulose. 129
Tabelle H.
i a
b
c
d
e
u
©
Keimzahl in
Zwei William • Böhren
Meerschweinchenlauge
Art der
L\
1 ““ der Auf¬
schwemmung
absol. Keimzahl
pro 1 Liter Luft
Verhältnis
zu der Zahl
in a
absol. Keim¬
zahl pro
1 Liter Luft
Verhältnis zu
der Zahl in a
verwen¬
deten
Bakterien
1
190 Million.
—
,
12100
1: 15 700
Pro-
9 600
1:20 000
digiosus
2
1225 „
78160 (10 Liter)
1:15 700
114 000
1:10 746
73 750(20 „ )
1 :16 600
3
3600 „
28400(10 Liter)
1:12 700
23 000
1: 15 650
31700(10 „ )
1:11 385
4
700 „
52500(10 Liter)
1:13 883
48 000
1:14 590
64000(20 „ )
1:10 460
46 000
1 :15 220
5
3995 „
42000 (10 Liter)
1: 9 520
37 000
1:10 790
i
38500(20 „ )
1:10 380
31500
1:12 680
i
6
370 „
32500(10 Liter)
| 1:11380
—
—
Sporen
33500(10 „ )
1:11070
7 i
667 „
59500 (30 Liter)
1 1:11210
61000
1 : 10 930
8
1000 „
98900(20 Liter)
1:10110
—
—
»
Durchschnitt
1:11981 |
1: 14 034 |
! 1
Mit diesen Feststellungen waren für die geplanten Versuche die
nötigen Unterlagen gegeben. Es schien mir aber von Interesse, weitere
Versuche über den Verbleib der Bakterien anzustellen, welche auf
dem Wege vom Spray bis zur Meerschweinchenlunge verloren gehen.
Dazu war die Beantwortung folgender beiden Fragen notwendig:
1. Wieviel Keime werden in der Zeiteinheit versprayt, wenn der
Buchner-Spray mit der vorschriftsmäßigen Anzahl von Kolbenstoßen be¬
trieben wird und
2. wieviel Keime finden sich in der Volumeinheit (einem Liter Luft)
am oberen Ende des Turms.
Ad. 1. Zur Beantwortung dieser Frage mußte zunächst das versprayte
Flüssigkeitsquantum bestimmt werden. Ich versuchte zunächst diese
Größe durch Wägung zu bestimmen, indem ich den Spraynebel in einem
vorher gewogenen, mit Watte gefüllten Rohre auffing; ich mußte mich aber
bald davon überzeugen, daß hier durch die hygroskopische Eigenschaft der
Watte Fehler entstehen, indem sie nicht nur Tröpfchen, sondern auch
Wasserdampf zurückhält. Einen noch größeren Fehler begeht man, wenn
man den Buchner-Spray vor und nach der Verstaubung wiegt, und die
Differenz als übergegangene Tröpfchen rechnet, da ein großer Teil des Ge¬
wichtsverlustes durch Verdunstung verursacht wird. In 10 Minuten passieren
105 Liter Luft den Spray; diese werden, wenn sie mit 60% relativer
Zeitschr. f. Hygiene. LVII. 9
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H. Findel.:
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Feuchtigkeit bei 19° Wärme ein- und mit Feuchtigkeit gesättigt austreten,
680“* Wasser in Form von Wasserdampf fortführen. Die Fehlerquelle ist
also sehr beträchtlich. Nach verschiedenen anderen Versuchen bin ich dazu
gekommen, die Menge des übergehenden Nebels auf chemischem Wege
zu bestimmen. Ich versprayte eine starke Lösung von Eisenammoniak¬
alaun, und fing den Nebel in einem großen Kolben auf, in dem sich 200
bis 300 ocm Wasser befanden. In den Hals des Kolbens wurde um das zu¬
führende Rohr Watte gestopft, und diese nach Beendigung des Versuches
mit Wasser gründlich ausgewaschen und das Waschwasser zu dem Kolben¬
inhalt zugesetzt. Während des Versprayens wurde der Kolben fortwährend um-
geschwenkt. Im Mittel aus 4 Versuchen erhielt ich für die Menge der in 10 Min.
als Nebel übergehenden Flüssigkeit bei 60 Kolbenstoßen in der Min.0-11 ccm .
Es mußte nun noch entschieden werden, ob wirklich in der Volumeinheit
des Nebels dieselbe Bakterienmenge überging, die in der Volumeinheit der
Ausgangsfiüssigkeit vorhanden war. Diesen Beweis zu liefern ist mir nicht
gelungen. Ich versuchte zunächst den Spraynebel in einem großen, mit Gela¬
tine ausgekleideten Kolben aufzufangen, und auf diese Weise seinen Keim¬
gehalt zu bestimmen. Die Zählung der Keime war aber bei dieser Methode
so schwierig, daß genaue Resultate nicht zu erhalten waren. Ich leitete
deshalb den Spray in ein Fickersches Filter, erhielt aber auf diese Weise
eine so außerordentlich geringe Anzahl von Keimen, daß das Vorhandensein
einer groben Fehlerquelle angenommen werden mußte. Dieser Fehler be¬
stand, wie sich bald herausstellte, darin, daß der Glasstaub des Ficker sehen
Filters schädigend auf in feinsten Tröpfchen suspendierte, wenig widerstands¬
fähige Bakterien einwirkt. Bei der Verwendung von Prodigiosus war die«
besonders auffällig, nicht viel besser wurden die Resultate mit dem Bacillus
der blauen Milch, und erst als ich eine Aufschwemmung von Sporen ver¬
wendete, erhielt ich Zahlen, welche einigermaßen mit den aus der Menge
des übergegangenen Nebels berechneten übereinstimmten. Ich habe diese
Versuche aber nicht bis zu Ende fortsetzen können. 1
Für das Arbeiten mit Tuberkelbazillen mußte allerdings, wenn die Zahl
der zur Wirkung gekommenen Bazillen angegeben werden sollte, noch eine
besondere Vorfrage erledigt werden, weil wir hier ja nicht das Platten¬
verfahren zur Festsetzung des Keimgehalts der Ausgangsfiüssigkeit anwenden
können. Da die Dosierung der Tuberkelbazillen durch Abwägen
stattfand, mußte bestimmt werden, wieviel Bazillen in der Gewichts¬
einheit vorhanden sind. Ich habe deshalb eine größere Reihe von Zählungen
angestellt, wobei ich mich mit einigen Modifikationen der von Natt all an¬
gegebenen Methode bediente. Als Resultat ergab sich, daß in einem Milli¬
gramm einer auf Bouillon gezüchteten Tuberkelkultur, die durch Pressen
mit dem Platinspatel von überschüssiger Flüssigkeit befreit war, 35 Millionen
Bazillen vorhanden sind. Durch diese Versuche sind wir also in den Stand
gesetzt, die Zahl der mit dem Spraynebel übergehenden Bakterien mit großer
Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, und da wir das Luftquantum, welches zur
Versprayung gedient hat, aus Pumpenvolum und Anzahl der Kolbenstoße be-
1 Die Versuche sind mittlerweile im hygienischen Institut zu Ende geführt, und
es hat sich herausgestellt, daß tatsächlich die wirklich tibergehende Bakterienmenge
gleich der berechneten ist.
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Füttebungstubeekulose. 131
rechnen können, ist auch ohne Weiteres der Keimgehalt eines Liters der
Luft, wie sie in den Turm eintritt, bekannt.
Um den Verlust, der beim Aufsteigen des Luftstromes im Turme auf-
tritt, festzustellen, müssen wir die in der Volumeinheit der Luft am
oberen Ende des Turmes befindliche Bakterienmenge bestimmen Da die
Williamröhren nicht imstande sind, sämtliche Keime abzufangen, mußten
sie durch weitere Vorrichtungen ergänzt werden, durch die ein solches quan¬
titatives Abfangen der Keime möglich ist. Ich schaltete also hinter die
zwei ersten Williamröhren noch vier gleiche Röhren, zwischen welche jedes¬
mal wieder ein Erlenmeyerkolben angebracht wurde, und schließlich noch
zwei Wattefilter, von denen das letztere als Kontrollfilter dienen sollte. Mit
dieser Einrichtung gelang es tatsächlich, wie aus dem Freibleiben des letzten
Wattefilters hervorging, sämtliche Keime abzufangen. Im vorletzten Watte¬
filter waren trotz der sechs vorgeschalteten Williamröhren noch beträchtliche
Keimmengen vorhanden.
Eine Anzahl mit dieser Anordnung angestellter Versuche führten zu
dem Resultat, daß am oberen Ende des Turmes nur noch 25 Pro¬
zent der unten eingeleiteten Keime vorhanden waren, daß also
75 Prozent durch Absetzen im Turm während des Aufsteigens verloren gehen.
In dem gleichen Versuche ließ sich nun auch der weitere Bruchteil
bestimmen, der von diesen nach oben gelangten Bakterien durch die ersten
beiden Williamröhren mit dem Erlenmeyerkolben abgefangen wird. Ich
brauchte dazu nur den Keimgehalt des Inhaltes dieser Röhren gesondert zu
zählen. Es stellte sich heraus, daß 38 Prozent der hindurchgesogenen, also
38 • 0.25 = 9 • 5 Prozent der unten eingeleiteten Keime durch die beiden ersten
Williamröhren abgefangen werden. Und da nach den früheren Feststellungen
die Menge der aus einem Liter Luft in die Williamröhren gelangten Keime
sich zu der aus dem gleichen Luftvolum in die Meerschweinchenlunge über¬
gehenden verhält wie 7 zu 6, so folgt weiter, daß von den eingeatmeten
Bakterien 38. 6/7 = 32-5 Prozent in die Meerschweinchenlunge gelangen,
also 67-5 Prozent in den oberen Luftwegen zurückgehalten werden.
Die auf diese Weise festgestellten Zahlen ermöglichen eine Kontrolle
des in den früheren Versuchen direkt ermittelten Verhältnisses zwischen
der ans einem Liter Lnft in den Williamröhren zurückgehaltenen und
der in 1°«“ der Ausgangsflüssigkeit vorhandenen Keimmenge. Die Zahl
läßt sich in folgender Weise berechnen:
Bezeichnen wir mit a die in l com der Ausgangsflüssigkeit enthaltene
Bakterienzahl, so gehen in 10 Minuten im ganzen 0*11 a über. In
dieser Zeit haben den Spray 600.175 com = 105 Liter Luft passiert, es
sind also in einem Liter der in den Turm eintretenden Luft enthalten
Keime. Von diesen gelangen 25 Prozent nach oben, also - 0 ‘ - j^ 0 25
und hiervon bleiben in den Williamröhren 38 Prozent, also —t !?! 25,0 ' 88
j 1U5
= jj- 955 ' ,a * Diese Zahl stimmt mit der auf direktem Wege gefundenen
Vuooo ^genauer — * ■—j ausgezeichnet überein.
9*
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H. Findel:
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Mit dieser Versuchsanordnung wurden nun eine große Reibe von
vergleichenden Experimenten zwischen Inhalation und Fütterung an Meer¬
schweinchen angestellt. Die ersten vier Versuche fanden am 24. und
25. Januar 1906 statt. Die benutzte Tuberkelkultur (auf Glyzerinbouillon)
war genau 4 Wochen alt. Von dieser wurden 100™« abgewogen, und
zunächst ohne Wasser, dann mit tropfenweisem Zusatz von Wasser im
Achatmörser auf das sorgfältigste verrieben und schließlich auf 20 ccm
gebracht. l cem der Flüssigkeit enthielt also 5 =» 175 Millionen
Tuberkelbazillen. Mit einem Liter Atemluft gelangten also in die Lunge
v — 12 500 Bazillen. Diese Aufschwemmung wurde in den folgen-
den Versuchen sukzessive nach Bedarf verdünnt, in Versuch 4, in dem
die kleinsten Dosen zur Anwendung kamen, so weit, daß l cem noch
0*125 m * = 4375000 Bazillen enthielt, mit einem Liter Atemluft also
313 Bazillen in die Lunge eingeatmet wurden. Feinere Abstufungen
in der Zahl der inhalierten Bakterien wurden durch verschiedene Be¬
messung der Expositionszeit erzielt. Im ganzen schwankte die zur
Verwendung gelangte Dosis zwischen 97 und 17000 Bazillen.
Ein weiterer Inhalationsversuch wurde am 26. Februar vorgenommen,
da sich bis dahin herausgestellt hatte, daß sämtliche Tiere der vier ersten
Versuche tuberkulös geworden waren, die Minimaldosis also mit den
97 Bazillen noch nicht erreicht war. Zu diesem Versuch wurde eine
Aufschwemmung verwandt, die im Kubikzentimeter 0-025 m * = 875000
Bazillen enthielt. Ein Liter Atemvolum entsprach also 63 Bazillen. Die
inhalierten Dosen schwankten bei diesem Versuch zwischen 20 und
218 Bazillen.
Die zur Fütterung bestimmten Tuberkelbazillen wurden in der ge¬
schilderten Weise mit Hilfe der Williamröhren aus dem Turme entnommen.
Die ausgewaschene Lävuloselösung wurde mit einem Brei von feingeschabten
Rüben den Meerschweinchen vorgesetzt, nachdem die Tiere 20 Stunden
gehungert hatten. Sie fraßen das Futter meistens sofort begierig auf. Die
Dosen waren hier bei weitem größer als bei der Inhalation: sie betrugen
zwischen 19100 und 382000 Bazillen. 5 von 14 gefütterten Tieren erhielten
die ganze, für sie bestimmte, Menge auf einmal: bei 9 wurde sie auf
5 hintereinander folgende Tage verteilt.
Die Resultate aller dieser Versuche sind in den Tabellen 3 bis S
übersichtlich zusammengestellt, aus denen mit genügender Deutlichkeit
die verwendeten Dosen sowie die bei den einzelnen Tieren gefundenen
pathologischen Veränderungen hervorgehen. Eine noch ausführlichere Mit¬
teilung sämtlicher Sektionsprotokolle erscheint überflüssig, da irgendwelche
besondere Ergebnisse in den pathologischen Befunden nicht aufgetreten siud
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UNTEBSUCHUNGEN ÜB. INHALATIONS- U. FÜTTEBUNGSTüBEBKULOSE. 133
Außer den in den Tabellen aufgeführten Tieren habe ich noch
12 Meerschweinchen dieselben Dosen wie in Versuch 3 inhalieren lassen.
Der Versuch 3 wurde doppelt angestellt, weil ich gegen Schluß des Ver¬
suches eine Verstopfung des Sprayrohres bemerkte, aber nicht mehr fest¬
stellen konnte, wie lange bereits der Spray ungenügend funktioniert hatte.
Aus den Sektionsresultaten geht aber hervor, daß die Verstopfung erst
kurz vorher eingetreten sein konnte, ehe ich sie bemerkte, denn die Tiere
dieser Reihe zeigten genau dieselben tuberkulösen Veränderungen, wie
diejenigen der Wiederholung, die in der Tabelle aufgeführt sind.
Außerdem haben in Vorversuchen noch 5 Meerschweinchen 0*0018
bis 0-0087 “ff Menschen tuberkulöse von demselben Stamm, der bei dem
definitiven Versuche verwendet wurde, und ferner 5 andere Meerschweinchen
dieselben Dosen eines Rindertuberkulosestammes inhaliert. Auch diese
10 Tiere zeigten 29 Tage nach der Inhalation bei der Sektion die
schwersten tuberkulösen Veränderungen in den Lungen und Bronchial¬
drüsen, neben mäßigen in Milz und Leber, während die Drüsen des Halses
und Abdomens nebst den Tonsillen vollständig normal waren. Es trat
hierbei nur insofern ein Unterschied zwischen den mit Rinder- und
Menschentuberkelbazillen infizierten Tieren hervor, als bei den ersteren
die Knoten in der Lunge an Zahl geringer, dafür aber an Größe be¬
deutender waren, als bei den letzteren.
Schließlich habe ich noch einige Versuche an jungen Meer¬
schweinchen gemacht, da ja nach neueren Untersuchungen sich die
Lungen der jungen Tiere Bakterien gegenüber anders verhalten sollen,
als die der erwachsenen. Ich habe daher mit einer gleich starken Auf¬
schwemmung, wie sie in Versuch 5 benutzt wurde, noch eine Anzahl
junger, 3 bis 4 Wochen alter, Meerschweinchen inhalieren lassen. Es
inhalierten 9 Tiere und zwar je 2: Mengen von 182, 91, 42 Bazillen,
je eins: 27, 12 und 5 Bazillen.
Sämtliche Tiere wiesen nach 20 Tagen bei der Sektion eine weit
vorgeschrittene Allgemeintuberkulose auf. Die Zahl der Tuberkel
in der Lunge nahm mit der Dosis der zur Verwendung gekommenen
Tuberkelbazillen ab. Während bei den Tieren, die 182 Bazillen erhalten
hatten, etwas 80 bis 100 hanfkorn- bis linsengroße Tuberkel vorhanden
waren, zeigte das Tier mit 12 Bazillen 9 fast ganz verkäste Tuberkel,
das mit 5 Bazillen 4 Tuberkel, von denen einer fast die ganze Spitze des
linken Oberlappens einnahm. Außer diesen alten Tuberkeln fanden sich
bei den meisten Tieren eine größere Anzahl von sehr kleinen submiliaren
Tuberkeln, die offenbar viel jüuger waren und wahrscheinlich einem sekun¬
dären Einbruch von Tuberkelbazillen in die Blutbahn ihre Entstehung
verdanken.
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Original fro-m
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Tabelle III. Verauoh I. 24.1. 06 yormin^--
1 ccm _ 5 mg 1 Lv
Lfde. i
Nr.
des
Dauer
der
Inhalation
Menge der
inhalierten Tb
naeh
Getötet
oder
gestorben
Gewicht
des
Tieres
Kinn- u.
Bronchialdrüe:
Tieres
Minuten
mg
Zahl
(+) nach
in grm
Halsdrüsen
1
i
4
0-000 478
16 800
f 20 Tagen
370
—
+
haselnußgTofi.Pi:
z. T. zentral reru.
i
2
4
0-000 485
17 000
get. 26 „
430
leicht ge¬
schwollen
+
klein wallnuflgr::
Paket, z. T. irir
verkäst
3 !
i
8
0-000 365
12 790
get. 19 „
400
+
klein haselnutl^: -
Paket, z. T. uzr
verkäst
4
3
0-000 367
12 900
get 26 „
430
leicht ge¬
schwollen
+
wie bei Nr. -
5
2
0-000 25
8 750
t 26 „
450
wie Nr. 4
l
! +
kirschkemgT
Paket, z- T. urr
verkäst
6
2
0-000 243
8 500
"t 29 „
390
wie Nr. 4
! +
wie bei Sr. :■
7
1
0-000114
4 000
get. 26 „
310
—
+
wie bei Sr. *
8 !
•
1
0-000118
4125
get. 26 „
360
—
+
wie bei Sr. 1
9 ■
Intraperitoneal
t 20 Tagen
459
10
>»
t 25
480
Kontrolltiere geimpft mit 0*1“ :
Nekrose der Injektionsst-:.
Nekrose der Injektion
aber nur in den Ire
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Füttebungstuberkulose. 135
iusgangslösung; 0-1 Tb in 20 #cm H 2 0 aufgeschwemmt.
Itemvolumen =» 12 500 Bazillen.
ektionsbefund
Lungen
Darm, Leber, Milz
Bemerkungen
durchsetzt mit ßtecknadelkopf-
roßen Tuberkeln, deren Zentrum
gelb ist
Naoh 20 Tagen starke Tuberkulose
der Lungen und Bronchialdrüsen.
Mesenterial- etc. Drüsen frei
+
anz starr von grauen, bis linsen¬
großen Tuberkeln mit gelbem
Zentrum
Follikel der Milz
stark geschwollen,
gelb
Nach 26 Tagen starke Tuberkulose
der Lungen und Bronchialdrüsen.
Beginnende, Tuberkulose der Milz
+'
irchsetzt mit miliaren bis steck-
idelkopfgroßen grauen Tuberkeln
Nach 19 Tagen starke Tuberkulose
der Lungen und Bronchialdrüsen
+
wie bei Nr. 2
Milz V* x vergrößert,
Follikel groß, gelb
+
wie bei Nr. 2
+
wie bei Nr. 2
+
wie bei Nr. 2
Milz 1 / % x vergrößert,
2 Tuberkel
Milz
wie bei Nr. 4
> Nach 26 Tagen starke Tuberkulose
der Lungen, Bronchialdrüsen und
Milz
Milz 3x vergrößert,
mehr. Tuberkel
4*
wie bei Nr. 2
Hier Milz noch frei (makrosk.)
usgangslösung I«0-5 =* 17500000 Tuberkelbazillen.
z aufgerollt mit zahlreichen verkästen Tuberkeln. Tuberkulose der Milz, der Leber und
Inguinaldrüsen
were Tuberkulose des Netzes, Peritoneums, Leber, Milz. Alle Drüsen etwas geschwollen,
jen kleine gelbe Herde. Lungen und Bronchialdrusen normal.
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136
H. Findel:
Tabelle IV. Versuoh n. 24.1.06 DachmitagL
1 ccm = 2.5“«. 1 ÜW
Lfde.
Nr.
Dauer
der
Menge der
inhalierten Tb
Getötet
oder
Gewicht
des
des
Inhalation
nach
gestorben
Tieres
Kinn- u.
Bronchialdriise
Tieres
Minuten
mg
Zahl
f auch
g _
Halsdrüsen
11 !
4
0-000 244
8620
get. 26 Tagen
410
leichte
Schwell.
+ 4
kirschgroßes Pabi
z. T. zentral rerte
1
1
12 ;
i
2
0*000115
4050
get* 26 ,,
310
—
+
haselnußgroß. Pik
z. T. zentral reite
i
13
i 1 /.
0-000 086
3010
get. 26 „
310
—
+
wie bei Nr. 1:
14
IV.
0-000 092
3240
get. 26
410
+ i
wie bei Nr. 1: ;
15
1V,
0-000 094
3300
t 1» „
430
—
+
kirschkerngro^
Paket, z. T.
verkäst
16
!
1
0-000 062
2160
get. 26 „
410
leichte
Schwell.
4*
klein walnnÖgTste
Packet, fast gsr;
zentral Terläs
17
1
!
0-000 062
2160
i
get. 26 „
410
+
wie bei Nr. 1-
i
l
. 1
Kontrolltiere geimpft mit 0.1 “"d-j
18
1 Intraperitoneal
t 7 Tagen
1 300
Pneumonie
19
;
|
*»
+ 20
850
Netz aufgerollt mit zablrv-j
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Untebsuchungen üb. Inhalations- u. Füttebungstubebkulose. 137
Die Lösung I wird 1:2 verdünnt, also jetzt 0*05 « Tb in 20 ccm H 2 0.
itemvolumen = 0*0001785 ■* 6248 Tnberkelbazillen.
ektioQBbefand
Bemerkungen
Lungen
Darm, Leber, Milz
+
nngen ganz durchsetzt mit grauen
stecknadelkopfgroßen Tuberkeln
mit gelbem Zentrum
Milz V-X vergrößert,
Tuberkel
Dieselbe Dosis und derselbe Effekt
wie bei Tier 5 und 6.
Mesenterial- etc. Drüsen frei
+
wie bei Nr. 11
Milz 2 x vergrößert,
Tuberkel
Dieselbe Dosis und derselbe Effekt
wie bei Tier 7 und 8
+
roh setzt mit grauen, linsengroßen,
’t konfluierenden Tuberkeln, deren
Zentrum gelb ist
+
wie bei Nr. 18
Milz 2x vergrößert,
zahlr. Tuberkel
Milz V« X vergrößert,
Follikel stark ge¬
schwollen
, Nach 26 Tagen Tuberkulose der
Lunge und Bronchialdrüsen
Milz
+
:ahlreiche graue bis Stecknadel-
kopfgroße Tuberkel mit gelbem
Zentrum. Pneumonie.
"
Nach 19 Tagen Tuberkulose der
Lungen und Bronchialdrüsen
+
twa 100—150 graue über steck-
ielkopfgroße Tuberkel mit gelbem
ntrum. Einzelne hanfkorngroß.
Milz V, x vergrößert,
2 Tuberkel
► Nach 26 Tagen Tuberkulose der
Lungen, Bronchialdrüsen und Milz
+
wie bei Nr. 16
Milz nicht vergrößert.
Einzelne Follikel stark
geschwollen, gelb
l usgangslösung II = 0*025 m & = 87 500 Tuberkelbazillen.
-kästen Tuberkeln, Milz* und Lebertuberkulose. Nekrose der Injektionsstelle.
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138
H. Findel:
Tabelle V. Versuch m. 25. L 06 vannitti'
also jetzt 0-01 Tb. in 20 com H,0 aufgeschwemmt 1 = O-ö“* I
Lfd.
Nr.
Dauer
der
Menge der
l inhalierten Tb.
Getötet
oder
Gewicht
des
des
Inhalation
i nach
gestorben
+ nach
Tieres
Kinn- und
Bronchial dräa
Tieres
in Minuten
mg
Zahl
in grm
Halsdrüsen
20
5
0*000 0638
2180
get. 26 Tagen
480
kleines walnufc-
Paket, z. T. za:.
verkäst
21
4
0-000 05
1744
desgl.
450
—
4-
wie bei Nr. Sj
22
4
0-00005
1744
desgl.
440
linsen groß
4-
wie bei Nr.
23
4
0-000 05
1744
desgl.
450
—
4*
wie bei Nr. Sv
24
3
0-0000847
1210
f 23 Tagen
330
4-
haselnußgroßes Pü
Z. T. zentral rerj
25
3
0-000 0347
1210
get 23 Tagen
340
—
4"
wie bei Nr. 20
26
3
0-000 0334
1160
desgl.
270
—
4-
wie bei Nr. 20
27
2
0*000 0282
812
desgl.
330
—
+
wie bei Nr.
28
2
0-000 0232
812
desgl.
340
—
4-
wie bei Nr. tl
29
2
0-0000232
812
desgl.
330
—
4“
wie bei Nr. 20
30
1
0*000 0116
406
desgl.
340
—
4*
haselnußgroßes P^
x. T. verkitt
31
i
1
0*000 0122
425
desgl.
420
—
4*
wie bei Nr. 3-J
Kontrolltiere geimpft mit 0*1 **“ der Ausgang-
32
intraperitoneal
f 5 Tagen
840
Keine Tuberkulose nachwei*™-'
33
128 ..
370
1
Nekrose der Injektion»;« '
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Füttebungstubebkulose. 139
)ie Aufschwemmung aus Versuch I verdünnt 1:10,
l Liter Atemvolumen ■= 0-0000357 m * 1250 Tuberkelbazillen.
ektionsbefund
Lungen
Bemerkungen
ber 100 bis linsengroße,
aue Tuberkel mit gelbem
Zentrum
+ ?
Etwas vergrößert,
Follikel geschwollen
Dieselbe Dosis und derselbe Effekt wie
bei den Tieren Nr. 16 u. 17.
Mesenterial- usw. Drüsen frei.
wie bei Nr. 20
wie bei Nr. 20
wie bei Nr. 20
+ P
wie bei Nr. 20
VtX vergrößert,
Follikel geschwollen
+ ?
wie bei Nr. 20
Nach 26 Tagen Tuberkulose der Lungen
»und Bronchialdrüsen. Beginnende Tub.
in der Milz?
wie bei Nr. 20
w ie bei Nr. 20
+ ?
wie bei Nr. 20
INach 26 Tagen Tuberkulose der Lungen
[ und Bronchialdrüsen.
wie bei Nr. 20
wa 100 linsengroße graue
iberkel mit gelb. Zentrum
wie bei Nr. 27
wie bei Nr. 27
*/ t X vergrößert, ein
Tuberkel
+ ?
wie bei Nr. 20
nicht vergrößert, zwei
Tuberkel
INach 26 Tagen Tuberkulose der Lungen,
r Bronchialdrüsen und Milz.
wa 80 linsengroße graue
iberkel mit gelb. Zentrum
wie bei Nr. 30
leicht geschwollen,
drei Tuberkel
Nach 26 Tagen Tuberkulose der Lungen
und Bronchialdrüsen.
ösung DI = 0*05 m & = 1750000 Tuberkelbazillen.
n der Milz ein erbsengroßer Abszeß mit Pneumokokken ähnlichen Bakterien.
'uberkulose aller Drüsen, der Milz, Leber und des Peritoneums. Lungen frei. Bronchial¬
drüsen kaum geschwollen.
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140
H. Findel:
Tabelle VI. Versuch IV.
Die Aufschwemmung des Versuches III wird 1:4 verdau:
1 ccm _ q. 125 Tb. : 1 Liter Atemvolum-i
1 §
15 Menge der
*0.5 inhalierten Tb.
1—1 'Bd
ri 1 »
»■5
§ § mg Zahl
|Q 'J3
e
L
Getötet oder 2
Qj
gestorben f h
nach
E*
9
O
5 0-0000145 518
get. 20 Tagen 330
5 0-0000148 538
get. 26 „ 350
5 0-0000145 518
t 50 „ 340
4 0-0000122 427
geh 27 „ 420
3 0-0000083 290
get. 26 „ 250
3 0-0000083 290
t 50 „ 270
3 0-0000086 300
f 53 „ 300
•
Kinn* und Bronchial¬
st Halsdrüsen . drüsen
I
etwas groß kirschkern-
großes Paket,
z. T. zentral
verkäst
Mesen¬
terial- Portaldrfc«
drüsen
+
leichte bohnengroßes
Schwellung Paket, z. T.
zentr. verkäst
erbsengroß Überwalnuß- leicht kirschkm-
mit kleinen großes fast ge- groß x. I
gelben ganz verkästes schwol- verkäst
Herden Paket len
+
haselnu߬
großes Paket,
z. T. zentral
verkäst
plasie, leicht
wie bei Nr -
+ I — I +
, Derselbe Sektion
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 141
5.1. 1906. Nachmittags.
Iso sind 0 • 0025 Tb. in 20 ccm H a O aufgeschwemmt.
= 0-00000893 = 313 Tuberkelbazillen.
ektions
b e f u n d :
Inguinal-
drüsen
s
Tonsillen
Lunge
g
f-*
c3
Q
Leber
Milz
Bemerkungen
—
—
+
60—80 graue miliare bis
Stecknadel kopfgroße Knoten
mit gelblichem Zentrum.
Daneben frische Pneumonie.
—
—
—
Nach 20 Tagen
Tuberkulose der
Lungen und
Bronchialdrüsen.
+
wie bei Nr. 34.
kleine Leber¬
abszesse
— ?
nicht ver¬
größert, nur
einzelne Fol¬
likel stärker
geschwollen
Dasselbe nach
26 Tagen, da¬
neben beginn.
Tuberkulose der
Milz?
+
ber erbsen-
roß, größere
iseherde als
i den Hals¬
drüsen
+
60—80 erbsengroße, oft kon-
fluierende Herde, ganz ver¬
käst. Daneben zahlreiche
frische, graue hirsekorngroße
ganz graue Tuberkel.
4-
Cirrhose,
zahlreiche
Tuberkel
4-
um das
Doppelte ver¬
größert, zahlr.
Tuberkel
Nach 50 Tagen
schwere All¬
gemeintuber¬
kulose. Das Tier
ist am 32. Tage
mit Milzbrand
geimpft.
+
wie bei Nr. 34.
+
leicht ver¬
größert
2 Tuberkel
Dieselbe Dosis
und derselbe
Effekt wie im
Versuch III bei
Nr. 30 u. 31.
+
Etwa 50 z. T. konlluierende,
graue bis linsengroße Knoten
"mit gelbem Zentrum.
Nach 26 Tagen
Tuberkulose der
Lungen und
Bronchialdrüsen.
+
ie bei Nr. 36
—
+
wie bei Nr.j36.
—
+
wie bei Nr. 36
4~
wie bei Nr. 36
Allgemeintuber¬
kulose schworst.
Grades nach
50 u. 53 Tagen.
+
>efünd wie 1
>ei c
+
en Tieren Nr. 36 und Nr/4
0.
+
4
4-
Die Tiere sind
am 32. Tage zu
einem Milzbrand¬
versuchebenutzt.
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142
H. Findel:
Tabelle*!
4J
n fl
Menge der
fl .5
inhalierten Tb.
Getötet oder
in
gestorben f
k.2
<D
--—.
nach
2 p
08 o
Q'45
mg Zahl
___'
■
2
0-0000053 186
get 26 Tagen
i 2 l
i
0-0000053 186
i
t 40 „
ge | Halsdrüsen drüsen
<D
o 1
wie bei Nr. 87
+ +
Halsdrüsen haselmiß- !
klein erbsen- großes zentral!
groß mit verkästes !
gelben Paket
Herdchen
Mesen¬
terial- PortaMrin
drüsen
+
wie bei St.1
43 2 0.00000538 188! + 40 „ 290 +
wie bei Tier Nr. 42
44 1 0-00000277 97 j f 15 „ 250,
45 , 1 0-00000277 97 ! f 15 „ ,260| —
etwas ver¬
größert, weich.
lymph. Hyper- 1
plasie, leicht
46 | 1 0*00000277; 97 , get. 26 „ 240, —
+
klein hasel¬
mißgroßes
Paket, zentral,
z. T. verkäst
Kontrolltiere geimpft mit 0-1 und 0-3 ccm der Aw
47 Intraperit. mit 0* 1 ccm + 46 Tagen 310|
= 0-0125 ra « |
= 437 000 Tb.
48 Intraperit. mit 0*3 ccm f 48 „ 370
= 0.0375“« i
* 1 321 000 Tb. I
1 Allgemeintuberkulose schwersten Grades.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstubebkulose. 143
Fortsetzung.)
! e k t i o
Q S
befund:
Inguinal¬
drüsen
G
’S
c
o
Lunge
Darm
Leber
Milz
Bemerkungen
H
4-
Nach 26 Tagen
25—30 graue linsengroße
Tuberkulose der
Knoten mit gelbem Zentrum.
Lungen und
Bronchialdrüsen.
4-
_
4“
_
4*
4-
ullardrüsen,
30—35 z. T. konfluierende
Cirrhose,
2 x vergrößert
ößer als die
erbsengroße ganz verkäste
Tuberkel
zahlreiche
[alsdrüsen f
3lbe Herde,
guin. norm.
Herde.
Tuberkel
Allgemeintuber¬
kulose mittleren
Grades nach
4-
—
4-
—
+
4“
40 Tagen.
ullardrüsen
wie bei Nr. 42.
wie bei Nr. 42
nicht ver¬
ii, Inguinal-
größert, aber
üsen größer
zahlreiche
wie die
[alsdrüsen.
Tuberkel
—
—
4-
2 hirsekorngroße graue Knöt¬
—
—
—
Nach 15 Tagen
chen, Pneumonie.
beginnende
Tuberkulose der
Lungen (mikro¬
4-
Einzelne miliare graue Knöt¬
_
skopisch sicher
nacngewiesen).
chen, Pneumonie.
'
4-
_
_
4-
Nach 26 Tagen
3 graue über stecknadel¬
nicht ver¬
Tuberkulose der
kopfgroße Knoten mit
größert
Lungen,
gelbem Zentrum.
2 Tuberkel
Bronchialdrüsen
und Milz.
fangslösung IV. (1 ccm = 0*125 ms Tuberkelbazillen.)
Digitized by Goi gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
144
H. Findel:
•
Tabelle Yfl.1
Es sind in der AusgangsKm
1 ccm __ 0-025 m * ? Tb. 1
Liter AtemvolnM(
U*
©
a s
i §
Ja
'S c
Menge der
inhalierten Tb.
in
Getötet oder
gestorben
f nach
I
CO
©
|Ü
M • 0m*
~!2
Z.a
5
H
ns
Kinn- und
Bronchial-
Mesen¬
terial¬
drüsen
Portalir«
o
73 ns
©
2 c
e 8 0
Q*43
mg
Zahl
£
©
O
Halsdrüsen
drüsen
49
50
10
10
0-00000627
0-00000627
218
218
get. 26 TageD
get. 50 „
460
460
leichte
Schwellung
• +
erbsengroß
kl. gelbe Herde
+ ?
erbsengroßes
Paket, mar¬
kige Schwell.
+
über walnu߬
großes ver¬
kästes Paket
—
+
kirsehkeqfl
mit geh
Herd«
51
8
0-000005
175
get. 26
>»
450
nur Kinndrüse
kl. erbsengroß
+ ?
erbsengroßes
hartes Paket
—
_
52
8
0-000005
175
get. 50
460
linsengroß
+
über walnu߬
großes ver¬
kästes Paket
53
6
0-00000355
122
f 25
9t
360
—
—
—
54
6
0-00000355
122
get. 50
99
370
linsengroß
+
kirschkerngr.
z. T. verkäst
+
erbseogrJ
gelbe Hri
55
5
0-00000305
107
f 26
99
410
linsengroß
+ ?
über erbsen¬
groß hart
—
linsest
56
5
0-00000305
107
get. 50
99
410
Kinndrüse
linsengroß
+
walnußgroß ;
z. T. verkäst j
—
-
57
5
0-00000314
110
t 11
M
460
—
—
-
58
4
0-0000024
84
t 18
9t
420
—™
59
1
4
0-0000024
84 1
f 25
9 9
400
1
Halsdrüsen
linsengroß
—
—
-
Digitized by GOCK^lß
Original from
UMIVERSITY OF CALIK
Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 145
Versuch V. 26. II. 06.
0.0005«™ Tb. in 20 ccm H a O aufgeschwemmt.
= 0*000001 785 =- 63 Tuberkelbazillen.
S e k t i o n 8
b e f u n
p
Inguinal- s
L
drüben p
©
^ 1
f>er erbsengr.j
;eibe Herde I
omsengrof
insengroß
in^engroß
Lungen
Vereinzelte graue, unregel-
I mäßige luftleere Stellen
j 1 über erbsengroßer ganz
[verkäster Tuberkel, daneben!
zahlreiche frische graue bis,
I Stecknadel kopfgroße. Aus-
.gedehnte Atelektasen daneb.
+ ?
| 1 grauer Stecknadelkopf-
| großer Knoten I
i2 alte erbsengroße verkäste
1 Tuberkel, daneben zalilr.
! frische graue, hirsekorn¬
große Atelektasen
Pneumonie
+ i
1 über erbsengroßer ver- t
I käster Tuberkel, daneben
| zahlreiche frische kleine j
I graue
? i
Pneumonie. Einzelne graue:
; luftleere Stellen I
2 alte erbsengroße, verkäste
Tuberkel, daneben zahlreichei
• frische kleine graue ,
Bemerkungen
— — Etwa dieselbe Dosis
I wie in Versuch IV bei
! (km Tiere 38, der Effekt
j aber viel geringer
— 4- | Nach 50 Tagen hier
fettig 2x vergrößert derselbe Effekt wie bei
degene- 'zahlreiche Tu-
riert berkel
39 und 40
— 1 Makroskopisch un-
I sicher, mikroskopisch
| aber sichere beg. Tu-
| berk. Ungefähr die-
[ selbe Dosis wie 41 u. 42
| aber geringerer Effekt
4- I Nach 50 Tagen bei
2x vergrößert etwa gleicher Dosis
zahlreiche Tu-, auch derselbe Effekt
I berkel wie bei 43
wie bei Nr. 52
1 — ? Auch mikroskopisch
I vergrößert, 1 nicht ganz sicher zu
| Follikel ge- I entscheiden, ob auch
schwollen 1 Tuberkulose, aber sehr
I wahrscheinlich
4- ' Boi 55, 50, 57 etwa
2x vergrößert dieselbe Dosis wie bei
Tuberkel Nr. 44, 45, 4b, Effekt
I I aber geringer
Pneumonie
Pneumonie
Zeitschr. f. Hygiene. LVJI.
. Mikroskopisch sämt¬
liche Lymphzellenan-
häufungen stark gegen
Norm vergrößert, be-
> sonders die an den
Teilungsstellen der
Bronchien u. die in
den Bronchialscheiden
10
Difitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
I| Lfdo.
146
H. Findel:
Tabelle TU
o
q ec
fl ft)
i §
Ci
'S—fl
Menge der
3
1
00
2
1 fc
sSP
c3 £
S ^
fl .2
rs
e
u .2
o
3 n
eo o
Q ’-*3
inhalierten Tb.
in
mg Zahl
ueioiei oaer
gestorben
f nach
Q
£
a>
Kinn- und
Halsdrüsen
Bronchial¬
drüsen
Mesen¬
terial¬
drüsen
Portaler.-
60
4
0-00000024
84
get. 50 Tagen
390
linsengroß
+
walnußgroß
z. T. verkäst
T
kirschker;
gelbe He.
61
3
0-00000177
62
get. 50
99
390
—
+
walnußgroß
z. T. verkäst
T
wie bei N’
62
3
0-00000177
62
get. 85
99
390
Halsdrüse kl.
erbsengroß
+
kirschgroß,
fast ganz ver¬
käst
+
erbsen:r .
gelbe lir:
63
3
0*00000177
62
get. 85
99
390
+
kl. erbsengr.
einzelne gelbe
1 Herde
+
wie bei Nr. 62
wie bei >*:■
i
64
! 2 ;
i
0-00000114
40
get. 50
99
320
i _
linsengroß
i
+ ?
klein erbsen¬
groß hart
1
65
2
0-00000114
40
get. 85
99
320
_
—
-
66
2
0*00000114
40
get. 85
)*
320
—
—
—
—
67
1
0-00000057
20
get 50
99
330
linsengroß
+ ?
erbsengroß
hart
i
i
68
1
0-00000057
20
get. 85
99
320
i
I klein erbsen¬
groß weich
4-
klein erbsen¬
groß
!
l
1
69
1
0-00000057
20
get. 174
99
320
1
linsengroß
klein erbsen¬
groß
,
—
Ivontrolltiere geimpft mit 1*0 WE £ :
70 j Intraj)eritoneal | f 56Tagen ! 40oj Tuberkulose des Netzes, Peritoneums uai
71 j „ | f 67 „ '520 Tuberkulose des Netzes, der Leber nsi
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungbtuberkulose. 147
(Fortsetzung.)
S e k t i o i
n s
befand:
Inguinal¬
drüsen
| Tonsillen
Langen
i
Darm
Leber
j
Milz
Bemerkungen
linsengToß
+
3 alte erbsengroße verkäste
Tuberkel mit Kavernen, da¬
neben zahlr. kl. frische graue
—
1 +
wie bei Nr 52
4-
1 alter erbsengroßer ver¬
käster Tuberkel, daneben
zahlreiche frische kl. graue
+
wie bei Nr. 52
4-
linsengroß
nzelne gelbe
Herde
4-
3 alte erbsengroße gelbe
Herde mit Kavernen, da¬
neben zahlr. frische graue
Tuberkel (stecknadelkopfgr.)
fettig
degene¬
riert
4*
3 x vergrößert
1
4-
ie bei Nr. 62
i
4-
1 großer gelber Herd mit
Kaverne, daneben zahlr.
frische graue Tuberkel
fettig
degen.
6 Tub.
4-
wie bei Nr. 62
+ ?
vereinzelte miliare graurote
Knötchen subpleural
i
Mikroskopisch: deut¬
liche Tuberkelbildung
an allen Stellen der
Lunge. Bronchitis und
Peribronchitis
—
—
+ ?
einzelne kleine luftleere
Stellen
—
—
—
Mikroskopisch: in der
ganzen Lunge deut¬
liche beg. Tuberkel¬
bildung, bes. neben
und an den Bronchien
4-
2 kleine hirsekorngroße
graue Knötchen
Mikroskopisch: Sichere
Tuberkel mit beg.
zentraler Nekrose. Tb.
färberisch nicht nach¬
zuweisen
4-
1 kleines hirsekorngroßes
graues Knötchen im rechten
Oberlappen
Desgleichen
.ufschwemmung V = 0*025= 875*000 Tuberkelbazillen.
iguinaldrüaen
Iilz, alle Drüsen geschwollen, z. T. mit gelben Herden, nur die Bronchialdrüsen sind voll-
kornmen normal.
10 *
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Die Tuberkelbazillen auf lmal Die Tuberkelbazillen an 5 aufeinanderfolgenden Tagen
verfüttert. verfüttert.
148
H. Findel:
Tabelle VUL
Lfd.
Nr.
des
Menge der
verfütterten Tb.
nach
Das Wieviel¬
fache der
Getötet
oder
gestorben (*}")
Gewicht
sicheren
Inhalations-
Minimaldosis 1
des
Tieres
Kinn- u. H&lsdräa
Tieres
mg
Zahl
nach
72
0*000546
19 100
300 fache
f 32 Tagen
390
—
j
(955) „
73
0-000546
19100
300 fache
get.108 „
440
(955) „
leicht geschwöl.
Durchschnitt nonu.
74
0*001092
38 200
600 fache
(1910) „
t 25 „
310
—
75
0-001092
38 200
600 fache
get. 84 „
290
—
(1910) „
leichte markig?
Schwellung
76
0*00218
76 400
1200 fache
ff 57 ft
320
—
(3820) „
wie bei Nr. 75
77
0*00218
76 400
1200 fache
jy 8^ „
360
—
(3820) „
wie bei Nr. *3
78
0*00436
152 800
2400 fache
ft 57 yt
470
!
(7640) „
wie bei Nr. 75
79
0*00436
152 800
2400 fache
t, 108 „
340
—
(7640) „
wie bei Nr. 75
80
0-01092
382 000
6000 fache
tt 57 ,,
560
—
(19100) „
leichte Verbreitern:!
l
der Kinde
81
0-000546
19 100
300 fache
(955) „
t 35 Tagen
360
1
82
0-001092
38 200
600 fache
get. 174 „
330
—
I
(1910) „
1 Halsdrüse em
erbsengroß, mir
1
1
i
i
|
skopisch nonm
83
j
0-00218 i
76 400
1200 fache
(3820) „
tt 108 „
330
—
84
0-00436
152 800
2400 fache
„ 84 „
530
—
i
(7640) „
leichte mark. Schv^4
85
0-01092
382 000
i 6000 fache
jt 108 v
475
1 —
| (19100) „
1 wie bei Nr. $4
Kontrolliere geimpft mit 0-3 ccm der Flüssigkeit ans de:
86
0-000546
19100
intraperiton.
f 38 Tagen
290
Allgemeine Drt> *
87
0-000546
19100
t 102 „
290
Schwerste Allgen* .i
1 Die in Klammer beigefügten Zahlen geben das Multiplum der kleinsten angewendee»
eine fortschreitende.
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 149
Fütterung. 24.1. 06.
Sektionsbefund i
Ironchial-Mesenterial-
ortal-Inguinaldrüsen,
Tonsillen
Lungen
Darm
Leber
Milz 1
1 Bemerkungen
Hypostase
Die Follikel u. Peyer¬
sehen Plaques i. ganzen
Darm gleichmäßig aus
d. Schleimhaut hervor¬
tretend. Sonst nichts
i __
t
Tod an eitriger
Metritis und Endo¬
metritis post partum.
—
i —
wie bei Nr. 72
—
—
—
i
Pneumonie
wie bei Nr. 72
—
—
—
wie bei Nr. 72
—
—
—
wie bei Nr. 72
—
—
—
—
wie bei Nr. 72
—
—
—
—
wie bei Nr. 72
i
—
wie bei Nr. 72
—
—
1 —
wie bei Nr. 72
i !
—
leicht
ge¬
sell w oll.
—
Pneumonie
wie bei Nr. 72
—
— 1
—
—
, wie bei Nr. 72
—
—
—
i ~ ,
i
j wie bei Nr. 72
—
—
—
! —
wie bei Nr. 72
i
—
i
1 wie bei Nr. 72
_ 1
_
William-Köhren = 1 fache Fütterungsdosis (wie Tier Nr. 72).
uberkulose mäßigen Grades. Tuberkel in Milz, Netz ünd auf dem Peritoneum.
uberkulose. Tuberkulose aller Drüsen, der Hoden, Lungen, Leber, Milz und Netz.
3osis an, welche bei der Inhalation noch Tuberkulose hervorrief, aber nicht bei allen Tieren
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150
H. Findel:
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Nach diesen Versuchen scheinen die jungen Meerschweinchen noch
empfänglicher für die Infektion von den Langen ans zn sein, als die er¬
wachsenen. Da die Zahl der Tuberkel mit der Zahl der in die Lunge ge¬
langten Bazillen ganz regelmäßig abnimmt, und da besonders bei den kleinen
Dosen die absolute Zahl der älteren Tuberkel der Anzahl der eingeatmeten
Bazillen sehr nahe kommt, scheint die Annahme gerechtfertigt, daß hier
jeder, wirklich in die Lunge gelangte Bacillus einen Tuberkel
verursacht, daß also zur Infektion ein einziger Bacillus genügt.
Zusammenfassung.
Die Inhalationsexperimente sind im ganzen an 83 erwachsenen Meer¬
schweinchen angestellt worden, welche Dosen von 20 bis 290000 Bazillen
eingeatmet haben.
Das Resultat war, daß bis herunter zu der Dosis von
62 Bazillen alle Tiere, welche nicht vor dem 28. Tage an einer
interkurrenten Krankheit zugrunde gingen, eine schwere,
makroskopisch sichtbare, Tuberkulose aufwiesen: und zwar war
nach 28 Tagen die Tuberkulose fast nur in den Lungen und Bronchial¬
drüsen lokalisiert, während höchstens noch die Milz mehr oder weniger
vereinzelte Tuberkel zeigte; nach 50 Tagen dagegen war die Tuberkulose
bereits über sämtliche Organe ausgebreitet.
Von den 6 Tieren, welche noch kleinere Dosen erhalten hatten, 3 Tieren
mit 40 und 3 Tieren mit 20 Bazillen, hatte nur bei zweien die Infektion
zu einer makroskopisch sichtbaren Veränderung geführt. Es waren dies
2 Tiere, welche 20 Tuberkelbazillen erhalten hatten: bei ihnen zeigten sich
84 und 174 Tage nach der Inhalation zwei, bzw. ein hirsekorngroßes
Knötchen in der Lunge, welche durch die mikroskopische Untersuchung
als echte Tuberkel mit Riesenzellen identifiziert wurden. Bei dem einen
von diesen Tieren waren auch die Bronchialdrüsen geschwollen und in
ihnen im Schnitt Tuberkelbazillen nachweisbar. Bei dem dritten Tier mit
20 Bazillen war nach 50 Tagen mikroskopisch beginnende Tuberkelbildung
nachzuweisen. Von den 3 Tieren mit 40 Bazillen ergaben 2 nach
85 Tagen einen vollständig negativen Befund, während hei dem dritten
sich mikroskopisch Tuberkelbildung nachweisen ließ.
Es geht hieraus hervor, daß in meinen Versuchen die sicher
tödliche Dosis für erwachsene Meerschweinchen 62 Bazillen
betrug. Kleinere Dosen bis herunter zu 20 Bazillen gaben
keinen völlig sicheren Erfolg mehr. 1
1 Der Versuch 5, in dem diese letzten Zahlen gewonnen sind, ist mit einer
etwas älteren Kultur angestellt als die übrigen, deren Virulenz vielleicht etwas
Gck igle
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Füttebungstubebkulose. 151
Für junge Meerschweinchen genügt wahrscheinlich ein
einziger Bacillus zur Infektion.
Diese Zahlen stimmen trotz der ganz verschiedenen Methodik auffallend
mit den Ergebnissen von Prejss überein.
Bei der Verfütterung kamen Dosen von 19100 bis 382000 Bazillen
zur Anwendung. Bei keinem der 14 Tiere wurde irgend ein
Befund erzielt, der auf Tuberkulose hätte gedeutet werden
können, obwohl die Tiere bis zu 174 Tagen beobachtet wurden. Die
vielfach in den Protokollen bemerkte geringe Schwellung der Kinn- und
Halsdrüsen ist, wie ich mich durch zahlreiche Kontrolluntersuchungen bei
nicht tuberkulösen Meerschweinchen überzeugt habe, nicht als patho¬
logischer Befund aufzufassen. Auch bei normalen Meerschweinchen schwankt
die Größe dieser Drüsen ebenso wie die Größe der Milz in ziemlich be¬
deutenden Grenzen, so daß die betreffenden Angaben im Protokoll nur
als Ansdruck der Abweichung von der Durchschnittsgröße aufzufassen sind.
Tuberkelbazillen habe ich in diesen Drüsen trotz sorgfältigster Durch¬
musterung nicht ein einziges Mal auffinden können. Wohl aber fand ich
in den größeren dieser Drüsen häufig die gewöhnliche Drüsenstruktur
durch Vermehrung der Lymphozyten in den Lymphsträngen und Follikeln
verwischt, ein Bild, welches Bartel als lymphoide Hyperplasie bezeichnet,
und selbst bei negativem Impfresultat als ein Zeichen stattgefundener
Tuberkelbazilleninvasion ansieht, wenn den betreffenden Tieren vorher
Tuberkelbazillen einverleibt waren. Selbst wenn ich zugeben wollte, daß
diese Ansicht von Bartel zu Recht besteht, daß also diese Veränderung
in den Drüsen wirklich durch das Eindringen von Tuberkelbazillen hervor¬
gerufen wird, würde das an den Resultaten meiner Versuche nichts ändern.
Denn eine Infektion des Tieres kann ich nur dann als vorhanden ansehen,
wenn die Bazillen fortschreitende pathologische Veränderungen im Körper
hervorrufen, nicht aber, wenn sie in den Lymphdrüsen abgefangen wurden
und dort bei ihrem Zugrundegehen belanglose Veränderungen verursacht
haben.
Die tödliche Inhalationsdosis betrug demnach V 6000 , und
wenn wir zum Vergleich diejenige Dosis benutzen, die über¬
haupt zur Infektion geführt hat (20 Bazillen), V19000 der noch
unwirksamen Fütterungsdosis. Mit diesen Zahlen ist selbstverständ¬
lich kein richtiger Ausdruck für die Überlegenheit der Inhalation gegeben:
gelitten hatte. Darauf scheint der verschiedeoe Effekt hinzudeuten, der sich bei den
Tieren 38 bis 4 6 in Versuch 4, und 49 bis 57 in Versuch 5 zeigte, obwohl diese
Tiere annähernd dieselben Dosen bekommen hatten. Möglich ist es also, daß die
Minimaldosis auch bei erwachsenen Meerschweinchen noch niedriger liegt als 62
bzw. 20 Bazillen.
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152
H. Findel:
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wir müßten dazu die wirksame Fütterungsdosis kennen, die ich
überhaupt nicht erreicht habe. In der Literatur finden sich über die
kleinste für Meerschweinchen noch sicher wirksame Dosis keine brauch¬
baren Angaben. Durch fortgesetzte Versuche im hiesigen Institut ist aber
inzwischen (wie in einer anderen Publikation mitgeteilt werden wird) diese
Dosis etwa auf 10Kultur festgestellt worden. Danach würde die
zur Infektion auf dem Wege der Fütterung erforderliche Bazillen¬
menge rund 6 Millionen Mal so groß sein als die tödliche
Inhalationsdosis.
Wenn ich somit für die Meerschweinchen die ungeheure Überlegen¬
heit der Inhalation nachgewiesen habe, so bin ich mir wohl bewußt, daß
die Schlüsse aus diesen Ergebnissen auf das Verhalten des Menschen nur
mit Vorsicht zu ziehen sind.
Sind doch nicht einmal meine Tierversuche zu einem vollständigen Ab¬
schluß geführt; denn zweifellos ist es wünschenswert, Tiere, welche wieder¬
holt mit unter tödlichen Dosen Tuberkelbazillen gefüttert sind, länger als
ich es in meinen Versuchen getan habe, am Leben zu lassen; vielleicht
kommt es doch noch in späterer Zeit zu manifesten tuberkulösen Wuche¬
rungen. Versuche in dieser Richtung sind bereits im hiesigen Institut
im Gange. — Fallen auch sie negativ aus, dann wird man immer noch ein¬
wenden können, daß trotzdem beim Menschen eine vom Darm aus¬
gehende, langsam sich entwickelnde Tuberkulose vielleicht häufiger vor¬
kommt. Eine solche Behauptung wird sich nicht ohne weiteres zurück-
weisen lassen. Aber dieser Möglichkeit gegenüber ist es doch entschieden
von weit größerer Bedeutung, daß meine Tierversuche eine so enorme
Gefährlichkeit der Inhalation ganz zweifellos festgestellt haben; und daß
dieser Infektionsweg auch beim Menschen eine ähnliche Gefährlichkeit be¬
sitzt wie bei den Versuchstieren, das dürfen wir mindestens mit der
gleichen Bestimmtheit folgern, mit welcher von verschiedensten Autoren
aus erfolgreichen Fütterungsversuchen an Tieren auf ein ähnliches Ver¬
halten des Menschen zurückgeschlossen wird.
Gck igle
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Untersuchungen üb. Inhalations- u. Fütterungstuberkulose. 153
Literatur-Verzeichnis.
1. Calmette und Guerin, Annales de Tlnsfifut Pasteur . Mai 1906.
2. Uffenheimer, Archiv für Hygiene. Bd. LV.
3. Schlossmann und Engel, Deutsche med. Wochenschrift. 1906. Nr. 27.
4. Weleminsky, Berliner Iclin. Wochenschrift. 1905. Nr. 24.
5. H. Büchner, Archiv für Hygiene. Bd. VIII.
6. Baumgarten, Berliner klin. Wochenschrift. 19o5. Nr. 42.
7. Nenninger, Diese Zeitschrift. Bd. XXXVIII.
8. Paul, Ebenda. Bd. XL.
9. Beitzke, Virchows Archiv. Bd. CLXXX1V.
10. Ficker, Archiv für Hygiene. Bd. LIII.
11. Selter, Diese Zeitschrift. Bd. L1V.
12. M. Wolff, Berliner klin. Wochenschrift. 1904. S. 256.
13. Saenger, Münchener med. Wochenschrift. 1901. Nr. 21.
14. Buttersack, Zeitschrift für klin. Medizin. Bd. XXXIX.
15. Aufrecht, Deutsches Archiv für klin . Medizin. 1903.
16. H. Römer, Inaug.-Dissertafion. Tübingen 1904.
17. William, Diese Zeitschrift. Bd. XV.
18. Harbitz, Untersuchungen über Häufigkeit, Lokalisation und Ausbreituugs-
wege der Tuberkulose. Monographie. Christiania 1905.
19. Geipel, Diese Zeitschrift. Bd. LIII.
20. Hamburger un i Sluka, Jahrbuch für Kinderheilkunde. 1905. Bd. LXII.
21. Winkler, Verhandlungen der deutschen patholog. Gesellschaft . 1904.
22. v. Behring, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. III.
23. Grober, Klinisches Jahrbuch. Bd. XIV.
24. Vallee, Annales de VInstitut Pasteur . Oct. 1905.
25. Nocard und Rossignol, Österr. Monatsschrift für Tierheilkunde. 1901.
26. Vall ee, Presse veterinaire. 1901.
27. Bartel, Wiener klin . Wochenschrift. 1905. Nr. 34.
28. Pizzini, Zeitschrift für klin. Medizin. 1892. Bd. XXI.
29. Manfredi, Virchows Archiv. Bd. CLV.
30. Harbitz, Untersuchungen über Häufigkeit, Lokalisation und Ausbreitungs¬
wege der Tuberkulose. Monographie. Christiania 1905.
31. Gebhardt, Virchows Archiv. Bd. CXIX.
32. Preyss, Münchener med. Wochenschrift . 1891. Nr. 24 u. 25.
33. Derselbe. Zeitschrift für Tuberkulose . Bd. VI.
34. Grober, s. oben 23.
35. H4ricourt u. Riebet, Societe de biologie. 2. Juni 1900.
36. Frese, Münchener med. Wochenschrift. 1904. Nr. 13.
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|Aus dem königl. Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin.]
(Direktor: Geh. Obermed.-Rat. Prof Dr. Gaffky.)
Über Froschlaichbildungen
in Saccharose enthaltenden Flüssigkeiten.
von
Prof. Dr. E. Zettnow.
(Hierzu Taf. I—IV.)
Seitdem C. Liesenberg und W. Zopf 1 ihre Arbeit: „Über den so¬
genannten Froschlaichpilz (Leuconostoc) der europäischen Rübenzucker-
und der javanischen Rohrzuckerfabriken“, veröffentlicht haben, ist eine
weitere Publikation über diesen Organismus nicht erschienen; alle anderen
Arbeiten über Schleim und Gallerte bildende Mikroorganismen beziehen
sich auf stäbchenförmige Bakterien und nicht auf Kokken.
Die beiden Autoren haben mit drei verschiedenen Stämmen des den
Froschlaich bildenden Streptococcus mesenterioides und zwar als die ersten
mit Reinkulturen desselben gearbeitet, nämlich 1. mit einem aus Wasser
der sogenannten Gerbersaale bei Halle 1889 isolierten Streptococcus, wel¬
cher sich später mit dem Stamm 2. aus Froschlaich einer deutschen
Zuckerfabrik erhalten als völlig gleich erwies, sowie 3. mit einer aus java¬
nischem, 3 Jahre alten, zu einer hornartigen Masse eingetrockneten Leuco¬
nostoc erhaltenen Kultur. Nach eingehender Untersuchung haben sie
diese drei Stämme als identisch festgestellt. Zur Gewinnung einer Rein¬
kultur aus dem Froschlaich der Zuckerfabriken geben sie (Seite 4) die
Vorschrift, das Rohmaterial 15 Minuten lang bei 75° C zu halten und
alsdann in der gewöhnlichen Art Platten zu gießen unter Verwendung
1 Beiträge zur Bhysiologie u. Morphologie niederer Organismen , herausgegeben
von W. Zopf. Leipzig 1892. Hft. 1.
Gck igle
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E. Zettnow: Fboschlaichbildungen in Saccharose-Flüssigk. 155
Ton Rohrzucker-Gelatine. Während der Streptococcus mesenterioides diese
hohe Temperatur mit Sicherheit aushält, da er nach ihren Untersuchungen
(Seite 21) in der Froschlaichform erst bei 87 bis 88° C, in der hüllenlosen
Form noch nicht bei 83*5° C abgetötet wird, gehen die vegetativen Formen
anderer, wegen der schleimigen Hülle ihm hartnäckig anhängender Bak¬
terien durch eine solche Erhitzung zugrunde.
Als ich 1897 mich mit diesem in morphologischer Hinsicht so über¬
aus interessanten Organismus beschäftigen wollte, habe ich vergebens ver¬
sucht, eine Reinkultur von ihm zu erhalten. Weder in den bakterio¬
logischen Laboratorien noch bei Kral war eine solche vorhanden; die
Erhaltung der Stämme wäre nicht schwierig gewesen, da man ja nur nötig
gehabt hätte, die Froschlaichmasse getrocknet aufzubewahren.
Durch das liebenswürdige Entgegenkommen des Hrn. Prof. Dr. A. Herz¬
fel d erhielt ich noch während der Zuckercampagne 1897/98 zwei und in
den folgenden 9 Jahren weitere 13 solcher „Froschlaichbildungen und
Schleimgärungen“. Für diese freundliche Unterstützung sage ich ihm
auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank.
Zur Gewinnung einer Reinkultur verfuhr ich nun genau nach der
von Liesenberg und Zopf angegebenen Vorschrift, wartete jedoch ver¬
geblich auf das Erscheinen von Froschlaichkolonien; selbst auf der Original¬
platte zeigten sich nur ganz vereinzelt einige Kolonien, herrührend von
stäbchenförmigen Bakterien und offenbar aus deren Sporen entstanden.
Da ich von vornherein bei diesem ersten Versuche mit einem gewissen
Mißtrauen eine derartige hohe Temperatur zur Abtötung benutzt hatte,
weil ja selbst die vegetativen Formen der Globigschen Kartoffelbazillen,
deren Optimum zwischen 55 bis 65° C liegt, bei 75° C absterben, so er¬
mäßigte ich beim zweiten Versuch die Temperatur auf 70°, beim dritten
auf 68°, dann auf 65° und 63°, ohne ein anderes Resultat zu erhalten
wie beim ersten Plattenguß; erst als das Rohmaterial 15 Minuten lang
nicht höher als auf 59° C erhitzt war, entwickelten sich Kolonien des
Leuconostoc neben solchen anderer Bakterien. Mit demselben Resultat
habe ich den Versuch bei den später erhaltenen Froschlaichmassen wieder¬
holt; bei keiner einzigen erhielt ich nach Erhitzung auf 60 bis 61° C
während 15 Minuten Kolonien des Streptococcus mesenterioides. Bei den
Versuchen von Liesenberg und Zopf haben die Kokken in der Gallert¬
form nicht nur 5 Minuten lang eine Temperatur von 86-5 bis 87° C
ausgehalten, sondern auch etwa 16 Minuten lang eine solche von 60 bis
86*5 ansteigend. Die Anordnung bei ihren Abtötungsversuchen war
nämlich folgende (Seite 20):
„In ein Wasserbad wurde ein hohes Becherglas gestellt, dieses mit
Wasser gefüllt und mit Kork verschlossen. Durch die Bohrung desselben
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156
E. Zettkow:
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hing ein Reagierglas, das eine Aufschwemmung der Spaltpilzmasse in
10 ccm sterilisiertem Wasser bis zur deutlichen Trübung enthielt, tief in
das Wasser hinein. Ein Thermometer war in das Reagierröhrchen so
eingefügt, daß das Quecksilbergefäß ganz in die Flüssigkeit hineinragte.
Hierauf wurde allmählich erwärmt. Die Prüfung auf Lebensfähigkeit ge¬
schah durch Schalenkultur mit einem Tropfen der Flüssigkeit.“
Bei dem einen Versuch Nr. 2 dauerte es nun 42 Minuten bis das
Thermometer 86*5° C zeigte; die Wärmezunahme hatte also für jede
Minute 1 «571° betragen, falls man die Anfangstemperatur des Wassers
zu 20° C. annimmt; um von 60° auf 86-5° zu steigen waren also 16
bis 17 Minuten erforderlich.
Bei meinen Versuchen wurde 0*5 bis l ccm Wasser oder Bouillon, in
einem Reagierglas befindlich, geimpft; mit besonderer Sorgfalt, so daß
eine Berührung der Seitenwände vermieden wurde; das Röhrchen wurde
hierauf in die Öffnung eines Brettes gehängt und dieses auf einen hohen
Topf mit 5 Liter Wasser gelegt. Das Wasser füllte den Topf bis zum
Rande an und war vorher auf die gewünschte Temperatur gebracht und
bei dieser 15 Minuten erhalten; ein zweites Röhrchen mit 3 ccm Wasser
und einem in dasselbe eiutauchenden Thermometer befand sich in einer
zweiten Öffnung des Brettes. 1*5 bis 2 Minuten nach dem Eintauchen
der Röhrchen, welche zu 0*8 bis 0-9 ihrer Länge vom heißen Wasser
umgeben waren, hatte der Inhalt die gewünschte Temperatur erreicht.
Eine Trennung der den schleimigen Hüllen hartnäckig anhängenden
fremden Bakterien von den Streptokokken war also durch Erhitzung nicht
zu erreichen; auch Liesenberg und Zopf (Seite 3 und 4, sowie 22) er¬
wähnen ausführlich, daß ihnen die Gewinnung einer Reinkultur ohne Er¬
hitzung auf 75° nicht gelungen ist, weil die begleitenden Bakterien nur
auf diese Weise zu entfernen waren. Da eine solche bei den Stämmen,
welche ich erhielt, ausgeschlossen war, habe ich einen anderen Weg ein-
schlagen müssen, um zu einer Reinkultur zu gelangen und zwar benutze
ich folgendes Verfahren:
Etwa ein Eßlöffel voll der Rohkultur wird mit dem 20 bis 30 fachen
Volumen Wasser übergossen und in ihm durch Verreiben möglichst fein
verteilt; hierauf läßt man die Masse sich während 2 bis 4 Minuten ab¬
setzen, gießt die trübe Flüssigkeit fort, eventuell in ein anderes Gefäß,
um sie nochmals sich absetzen zu lassen; den Bodensatz rührt man zum
zweiten Mal mit Wasser an und schlämmt durch 3 bis 5 malige Wieder¬
holung alle leichten Teile fort. Man erhält meist schon nach 3 maligem
Schlämmen einen aus kleineren und größeren Klumpen bestehenden Boden¬
satz, über welchem das Wasser völlig klar steht Selbst aus einer Schleim¬
gärung, in welcher sich nur wenig Froschlaich befindet, setzen sich bei
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Fboschlaichbildüngen in Sacchabose-Flüssigkeiten. 157
Benutzung eines Spitzglases aus dem dickflüssigen zähen Brei mit Leichtig¬
keit die schweren Ballen des Froschlaiches ab. Nachdem man eine Probe
von diesem Bodensatz unter dem Mikroskop als wirklichen Froschlaich an
seiner charakteristischen Gestalt (vgl. Fig. 1 und 2, Taf. I) erkannt hat,
wird eine Öse voll auf der Oberfläche von Saccharose-Gelatine ausgestrichen.
Der Nährboden muß möglichst fest sein, damit man die zähe Masse auf
ihm zerkleinern kann; ich habe daher die Schalen vor der Benutzung 1
bis 2 Stunden lang kalt gestellt und mich, um kräftigen Druck auf die
Gelatine ausüben zu können, nicht der üblichen Platinnadeln, sondern
mit Vorteil dünner Glasröhren bedient, welche am Ende zu einer kleinen,
3 bis 4 mm im Durchmesser haltenden Kugel aufgeblasen sind. Sie
schneiden nicht in die Oberfläche ein; 5 bis 6 Stück sind zusammen
durch Abflammen leicht zu sterilisieren, erkalten bald und sind zwischen
zwei vorher erhitzten Eisenblechen bis zur Benutzung sicher aufzubewahren.
Hat man mit der Platinöse etwas Material auf die Oberfläche der Gelatine
gebracht, so kann man durch mehrmaliges Hin- und Herreiben auf dem¬
selben Strich das Impfmaterial ziemlich gut verteilen und mit gewechseltem
Glasrohr vom ersten Strich einen zweiten usw. herstellen. Nach 2 bis
4 Tagen bei 22° wird man alsdann sicher einige ganz einzeln liegende
Kolonien erhalten, von denen man die festeste zu weiterer Kultur aus¬
wählt. Sie läßt sich mit der Platinnadel leicht als ganze Kolonie ab¬
heben und wird nun auf gewöhnliche Gelatine in der oben angegebenen
Weise ausgestrichen. Auf diesem zuckerfreien Nährboden bildet der
Streptococcus nach 48 Stunden sehr kleine blauweiße Kolonien ohne
Hüllen; etwa 4 Tage nach der Aussaat kann man bequem 5 bis 6 ganz
einzeln liegende Kolonien abstechen, jede in einige Tropfen Bouillon oder
Wasser übertragen und von dieser Flüssigkeit, in welcher die hüllenlosen
Kokken sich gut verteilen, von neuem Ausstriche auf Rohrzuckergelatine
machen. Nach nochmaliger Auswahl der festesten Kolonie und wieder¬
holter Übertragung auf gewöhnliche Gelatine wird man in der Mehrzahl
der Fälle zur Reinkultur gelangen, auch wenn nahe verwandte Kokken
im Rohmaterial sich befinden.
Nicht nur gegenüber höherer Temperatur haben sich die von mir
untersuchten Froschlaichstämme anders verhalten, als diejenigen der beiden
Autoren, sondern auch gegenüber einem Zusatz von Chlorcalcium oder
Kochsalz zur Zuckerbouillon. Liesenberg und Zopf schreiben auf S. 17:
„Bemerkenswerterweise übt das Chlorcalcium in relativ hohen Dosen wie
3 bis 5 Prozent einen außerordentlich günstigen Einfluß auf die Entwick¬
lung der Kolonien, sowie auf die Dextranhüllenbildung aus.“ Ferner auf
Seite 18: „In einer sonst passenden Nährlösung, welche zwar schwach
alkalisch gemacht, aber nicht mit Chlorcalcium (auch nicht einmal mit
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Calciumkarbonat) versetzt wurde, kaun eine so reiche ausgesprochene
Gallertbildung, wie sie in der Chlorcalciumlösung auftritt, niemals erzieh
werden.“ Beinahe ebenso günstige Wirkung zeigte 1 bis 3 Proz. Kochsalz.
Ich habe sieben verschiedene Froschlaichstämme in Rohrzuckerbouillon
mit Zusatz von 3 Prozent Chlorcalcium, wodurch die Reaktion der Flüssig¬
keit nicht verändert wurde, gezogen, ebenso einige in solcher mit 3 Proz.
Kochsalz; jedoch niemals einen günstigen, sondern stets einen gegenteiligen
Einfluß erkennen können, sowohl in bezug auf die Schnelligkeit des
Wachstums wie die Bildung der Hüllen; bei manchen Stammen konnte
selbst nach 6 Tagen nur eine schwache Entwicklung meist hüllenloser
Kokken beobachtet werden; in der mehr oder weniger dicken schleimigen
Flüssigkeit konnten mit bloßem Auge die ohne diese Zusätze sich leicht
bildenden, gequollenen, sagoähnlichen Klümpchen nicht beobachtet werden.
Da ich gerne in den Besitz jener Stämme gelangt wäre, welche die
von den beiden Autoren beschriebenen Eigenschaften zeigen, so habe ich
beinahe 10 Jahre lang nach ihnen gesucht, ohne sie bis jetzt gefunden
zu haben; aus diesem Grunde habe ich mich auch früher nicht eingehend
mit jedem einzelnen Stamm beschäftigt, sondern mich begnügt, sein Ver¬
halten gegen Erhitzung auf 75°, sowie gegen Chlorcalcium zu prüfen;
erst im vergangenen Winter habe ich die beiden Stämme Opalanitza und
Aller näher untersucht und bei diesen weitere Unterschiede gegenüber
den von Liesenberg und Zopf beschriebenen festgestellt.
Meine beiden Stämme zeigen außer den beiden erwähnten Unter¬
schieden als dritten ein völlig anderes Wachstum in Traubenzucker
enthaltenden Nährböden; sie bilden in diesen keine Hüllen, während die¬
jenigen der beiden Autoren gerade umgekehrt nur in derartigen Nähr¬
böden die Hüllen ausbilden. Liesenberg und Zopf schreiben (Seite 15):
„1. Traubenzucker 10 Prozent. Üppige Entwicklung in Form von Gallert¬
klümpchen;“ ferner (Seite 16): „Der Rohrzucker wird nicht direkt assi¬
miliert und direkt vergoren, sondern er erfährt zuvor Invertierung“;
ferner „Dextranbildung findet nur statt bei Ernährung mit Traubenzucker
(auch der Rohrzocker wird ja erst in Traubenzucker umgewandelt), nicht
aber aus Milchzucker, Maltose und Dextrin.“
Als vierten Unterschied führe ich das Wachstum auf Kartoffeln an.
Auch nach Alkalisierung der Oberfläche mit kohlensaurem Ammon ist das
Wachstum meiner beiden Stämme auf diesem Nährboden ein so geringes,
daß man erst durch Anfertigung eines Präparates sich überzeugen muß,
daß eine Vermehrung stattgefunden hat; nach Alkalisierung der Kartoffel
zeigen die geimpften Stellen nach 5 bis 8 Tagen ein etwas feuchteres,
glänzenderes Aussehen, welches erst dann gut sichtbar wird, wenn man
die Oberfläche als Spiegel verwendet. Bei den Stämmen der beiden
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Fboschlaichbildungen in Sacchabose-Flüssigkeiten.
159
Autoren dagegen erhält man (Seite 9 und Fig. 6 auf Taf. I) „einen ganz
unscheinbaren, dünnen, schleimigen, milchweißen Belag, der sich zu beiden
Seiten des Striches wenig ausbreitet.“ Die Figur zeigt einen deutlich
sichtbaren und, richtige Darstellung vorausgesetzt, gut photographierbaren
Belag; bei meinen Stämmen habe ich auf eine photographische Wieder*
gäbe der Kartoffelkultur verzichten müssen.
5. Gegen Austrocknung sind meine Stämme ziemlich empfindlich.
Der rohe Froschlaich Aller, schwach sauer reagierend, wurde, ohne ge¬
waschen zu sein, auf eine Glastafel etwa 5 bis 6 mm hoch ausgebreitet
und bei 30 bis 40° mit Fließpapier bedeckt, bis zur Gewichtskonstanz
getrocknet. Er stellte alsdann eine biegsame, gelbliche, gummiartige
Masse dar, welche 22 Prozent von der ursprünglich verwendeten aus¬
machte; 10*"“ in Wasser gelegt wogen nach 48 Stunden 55er hatte
also fast genau dieselbe Menge Wasser aufgenommen, welche er beim
Trocknen abgegeben hatte. Ein kleiner Teil des rohen Froschlaiches wurde
mit kohlensaurem Kalk vermengt und ebenfalls getrocknet; 2 1 / a Monate
später entwickelten sich aus der nicht entsäuerten, in kaltem Wasser auf-
gequollenen Masse bei Aussaat auf Rohrzuckergelatine keine Froschlaich¬
kolonien mehr, sondern nur fluoreszierende Bakterien; aus der neutrali¬
sierten Masse dagegen gingen bei reichlicher Aussaat nach 4 Tagen noch
einige Froschlaichkolonien auf. 6 Wochen später konnten bei reichlicher
Einsaat in Zuckerbouillon auch bei dieser eine Entwicklung von frischem
Froschlaich nicht beobachtet werden.
Der javanische Leuconostoc dagegen (Seite 12) lieferte, obgleich er
über 8 Jahre alt und zu einer steinharten Masse zusammengetrocknet
war, nach dem Erhitzen auf 80° C schon nach 2 Tagen zahlreiche der¬
artige Kolonien.
6. In peptonfreien, jedoch Asparagin enthaltenden Nährlösungen
wachsen meine Stämme nicht; diejenigen der beiden Autoren zeigen (S. 15)
„schwache aber deutliche Entwicklung.“
7. Meine Stämme wachsen bereits bei 8 bis 9° C innerhalb 24 Stunden
deutlich sichtbar, während Liesenberg und Zopf sagen (Seite 24): „Beide
Pilze wachsen und säuern nicht bei 9 bis 11° C.“ Das Optimum für das
Wachstum ist dagegen das gleiche, etwa 28 bis 34°. Eine Temperatur
von 37° ist für meine Stämme deutlich ungünstiger als eine solche von
30 bis 32° C.
Gegenüber diesen Verschiedenheiten in physiologischer Hinsicht sind
die morphologischen Unterschiede gering, oft kaum bemerkenswert. Das
Aussehen einer Kultur des Stammes Opalanitza im Stich und Strich, so¬
wie als Kolonie in gewissem Alter ist so übereinstimmend mit den auf
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E. Zettxow:
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Tafel I von W. Zopf gezeichneten Figuren, daß man glaubt, dieselbe Art
vor sich zu haben.
Zur Feststellung, ob es eine größere Anzahl von nahe verwandten
Streptokokken gibt, welche in Saccharose enthaltenden Nährböden Frosch¬
laichmassen bilden, wird nichts anderes übrig bleiben, als die betreffen¬
den spontan auftretenden oder durch ein Kulturverfahren aus Erde und
Wasser erhaltenen Froschlaichbildungen in Reinkultur darzustellen, auf
ihre Eigenschaften hin zu vergleichen und Bilder ihrer Wuchsformen
photographisch festzuhalten.
Ich beschreibe daher vorläufig die beiden von mir isolierten Strepto¬
kokken Aller und Opalanitza und gebe zugleich die Zusammensetzung der
von mir benutzten Nährböden an.
1. Als gewöhnliche Bouillon habe ich stets die zur Züchtung von
pathogenen Bakterien gebrauchte, schwach alkalisch reagierende Pepton-
Fleisch wasserbouillon benutzt. Sie enthält pro Liter 0-5 s"“ krist. Soda
über den Lakmusneutralpunkt.
2. Saccharose- oder Zuckerbouillon: Dieselbe wie unter 1. nach Zu¬
satz von 10 Prozent grobkristallinischem Würfelzucker.
3. Gewöhnliche Gelatine: Die unter 1. aufgeführte Bouillon mit
10 Prozent Gelatine versetzt und ebenfalls mit 0-5Soda über den
Lakmusneutralpunkt alkalisiert.
4. Saccharose- oder Zuckergelatine: Die unter 3. aufgeführte Gelatine
nach Zusatz von 10 Prozent Würfelzucker.
5. Dextrose- oder Traubenzuckergelatine: Die unter 3. aufgeführte
Gelatine nach Zusatz von 10 Prozent chemisch reinem Traubenzucker.
I. Streptococcus Aller.
Der geschlämmte Froschlaich aus der Fabrik Alleringersleben lieferte
beim erstmaligen Ausstrich auf Zuckergelatine außer Kolonien von Hefe
und zwei Bakterienarten, sowie einem Fadenpilz hauptsächlich Froschlaich¬
kolonien, welche in die Höhe wuchsen. Von letzteren wurden am dritten
Tage 3 etwa 1 •O mra große zur Weiterkultur ausgewählt; sie hatten das
Ansehen eines Stückchen feinkörnchen Hutzuckers und zeigten das Be¬
streben, sich vom Nährboden möglichst zurückzuziehen; beim Abimpfen
blieben sie daher auch mit Leichtigkeit an der Platinnadel hängen. Auf
eine neue Platte von Saccharosegelatine übertragen, erschienen vom fünften
Tage ab am Rande ihrer Ausstriche an einzelnen Stellen, später sogar
aus ganz isoliert liegenden schneeweißen Kolonien hervorwachsend, Wuche¬
rungen, welche in die Breite sich ausdehnten uud dem Nährboden fest
aufgelagert waren; bei der mikroskopischen Untersuchung zeigten sie das
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Fhoschlaichbildungen in Saccharose-Flüssigkeiten.
161
gleiche Aussehen wie die hoch wachsenden Kolonien. Auch auf der ersten
Platte erschienen nach 4 Tagen an den Stellen, von welchen die drei
Kolonien abgeimpft waren, nicht wieder hohe, sondern breite Kolonien
von feuchtem Aussehen. Die Vermutung, daß es sich hierbei um ver¬
schiedene Kokkenarten handelt, hat sich trotz aller aufgewendeten Mühe
nicht bestätigt. Selbst nach 8 maligem Ausstrich, stets sowohl von der
festesten hohen wie der breitesten Kolonie abwechselnd auf Zucker- und
gewöhnlicher Gelatine, wareine Konstanz im Wachstum nicht zu erzielen;
Aller hoch zeigte zwar in den ersten 4 bis 6 Tagen weiße Kolonien, dann
jedoch erschienen stets wieder die seitlichen breiten; Aller breit bildete
niemals lauter breite, sondern auch hohe Kolonien. Die Fig. 12 und 13,
Taf. I erläutern dieses Wachstum.
Die Wuchsform von Aller breit erscheint als die beständigere und
läßt sich durch Übertragung einer großen Öse voll auf die Mitte einer
Zucker-Gelatineplatte in der Wuchsform erhalten (vgl. Fig. 16, Taf. II);
wahrscheinlich spielt die stark saure Reaktion des Nährbodens, welche
sich beim Heranwachsen der Bakterienmasse einstellt und beim Übertragen
einer größeren Materialmenge örtlich hervorgebracht wird, eine Hauptrolle
bei dieser äußerlich so stark in die Augen fallenden Verschiedenheit. Es
haben jedoch auch andere Umstände, z. B. der Gelatinegehalt des Nähr¬
bodens Einfluß auf die Wuchsform, wie mir folgender Versuch zeigte:
ln der Vermutung, daß vielleicht ein sehr fester Nährboden durch ver¬
minderte Diffusionsfähigkeit zur Erzielung hoher Kolonien geeigneter sich
erweisen könnte, habe ich statt der gewöhnlichen Gelatine diejenige Sorte
verwendet, welche man bei der Bereitung von Bromsilbergelatine ver¬
wendet; 6 bis 7 Teile einer solchen geben dem Nährboden eine Festig¬
keit wie 11 bis 12 Teile der gewöhnlich benutzten Sorte. Ich stellte nun
einen Nährboden her, welcher 18 Prozent solcher Emulsionsgelatine ent¬
hielt und schwach alkalisch reagierte. Zu seiner Herstellung wurde der
Inhalt eines Röhrchens Saccharosegelatine bei 35° verflüssigt und zu diesen
10 ccm Nährboden, welche bereits 0-8solcher Gelatine enthielten, noch
1 trockene Gelatine hinzugefügt; da sie fast neutral reagierte, wurde
die Alkalität nicht wesentlich verändert. Nach dem Quellen während
einer halben Stunde wurde die Gelatine durch Einstellen des Röhrchens
in kochendes Wasser gelöst und hierauf der Nährboden sterilisiert. Er¬
kaltet war die schräge Oberfläche so fest, daß eine gewöhnliche Platin¬
nadel nicht eindringen konnte.
Nach der Impfung der schrägen Oberfläche mit Aller breit, hoch und
Opalanitza, als hüllenlose Form in gewöhnlicher Bouillon, wuchsen alle
drei Stämme völlig gleich in breiter Form, sich bis zur Glaswand in 3
bia 4 Tagen erstreckend und nicht voneinander zu unterscheiden.
Zeitachr. f. Hygiene. LYII.
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In gewöhliche Bouillon übertragen und bei 30° gehalten trübt der
Streptococcus Aller diese nach 24 Stunden gleichmäßig, sei es, daß man
die Impfung mit einer Öse Bouillonkultur vorgenommen hat oder durch
Übertragung von Froschlaichmasse. In letzterem Falle bleibt das Impf¬
stück längere Zeit scheinbar unverändert auf dem Boden liegen und die
Trübung der Bouillon schreitet nur langsam bis zur Oberfläche vor, falls
man nicht einige Stunden nach der Impfung umschüttelt. Nach 48 bis
72 Stunden bei 30° kommt die Vermehrung zum Stillstand; nach 3 bis
5 Tagen findet man einen sehr geringen Bodensatz in der wieder klar
gewordenen Bouillon. In einem Präparat von diesem Bodensatz, gefärbt
mit Fuchsin, findet man (vgl. die Fig. 18 und 19, Taf.II) sowohl einzelne
wie Diplokokken; ferner kleine Haufen von solchen, sowie Streptokokken
verschiedener Länge. Bei der Färbung mit Fuchsin, selbst nach dem Er¬
hitzen, erscheinen die Kokken stets kleiner als bei Färbung nach Gram
(vgl. Fig. 20, Taf. II). Bei der schwächeren Färbung haben sie einen
Durchmesser von 0-2 bis 0-4 ( u und erscheinen kleiner als bei der kräf¬
tigeren, bei welcher sie 0*5 bis 0-55/i groß erscheinen.
Wird ein Präparat der hüllenlosen Form mit. Antimonbeize behandelt,
genau so, als ob man es auf Geißeln färben wollte und hierauf statt mit
Äthylaminsilber schwach mit Fuchsin nacbgefärbt, so gelingt es ziemlich
leicht, nur daß Ektoplasma der Kokken zu färben, während das Chromatin
ungefärbt bleibt. Die Kokken erscheinen alsdann (vgl. Fig. 21 und 22,
Taf. II) in Gestalt von zarten roten Hingen, bei Teilungsformen von
länglicher Gestalt; auch kann man in einem solchen gut gelungenen, d.h.
nicht überfarbten Präparate sehr schön die feineren Teilungsvorgänge ver¬
folgen, z. B. beobachten, wie sich nach Streckung des Coccus eine kaum
sichtbare Scheidewand in der Mitte zeigt; bei anderen Exemplaren findet
man sie bereits kräftiger ausgebildet und bemerkt zugleich eine geringe
Einschnürung in der Mitte der neuen Hälften.
Bei Nachfärbung eines gebeizten Präparates mit Äthylaminsilber
(Fig. 23 bis 25, Taf. II) muß man sehr vorsichtig verfahren, um Über¬
färbung zu vermeiden; die Kokken zeigen in diesem Falle gelbbraune
Konturen mit hellgelblichem Zentrum.
In älteren Bouillonkulturen, z. B. solchen, welche 8 bis 10 Tage bei
30° gehalten sind, zeigt der Streptococcus Aller stellenweise jene größeren
Kokken, welche durch van Tieghem als Sporen aufgefaßt wurden, ihm
auch Veranlassung gegeben haben, dem Organismus den Namen Leuco-
nostoc zu erteilen wegen der Ähnlichkeit solcher Gebilde mit Nostocarten
(vgl. die Fig. 23 bis 25, Taf. II). Daß es sich hierbei nicht um Sporen
handelt, haben Liesenberg und Zopf erschöpfend nachgewiesen; es sind
Mißbildungen, wie solche so häufig auch bei anderen Bakterien, selbst in
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Froschlaichbildungen in Saccharose-Flüssigkeiten.
163
verhältnismäßig jungen Kulturen, beobachtet werden; liegen sie wie bei
Fig. 25 mitten in einem Haufen von Kokken, so ist man auf den ersten
Anblick verleitet, sie für Verunreinigungen zu halten.
Versetzt man eine gewöhnliche Bouillonkultur mit steriler Saccharose¬
lösung oder gießt auf den Bodensatz einer solchen Zuckerbouillon, so
bilden sich innerhalb 24 bis 36 Stunden die für die Froschlaichform so
charakteristischen, mächtigen Hüllen aus. Die hüllenlosen Kokken zeigen
nicht das gleiche Vermögen sie zu bilden, wie ein Blick auf die Fig. 26
bis 30, Taf. II zeigt; sie stammen aus einer Kultur von Streptococcus
Aller breit; es gibt solche, welche eben erst angefangen haben, die Hüllen
za bilden, während andere sie schon in mächtigster Entwicklung zeigen;
ebenso ist an vielen Stellen zu erkennen, daß die Hülle sich einschnürt
and an der Teilung Anteil nimmt, ganz in derselben Weise wie dies bei
dem Ektoplasma der Bakterien sonst die Regel ist. Ich halte sie daher
auch für eine durch eine ganz außerordentlich starke Wucherung des
Ektoplasmas hervorgebrachte Bildung, welche bei Gegenwart von Saccharose
als regelmäßige, nicht als Mißbildung aufzufassen ist; ich finde eine
Stütze für diese Ansicht darin, daß das Chromatin des Coccus trotz der
starken Beizung und Färbung kaum zugenommen hat, während es sonst
bei teratologischen Formen eine so veränderte Gestalt zeigt, daß die ur¬
sprüngliche Form ganz verloren gegangen ist. Ich erinnere nur an die
Involutionsformen der Cholera- und Pestbazillen und verweise auf die
Bilder, welche Maassen 1 seiner Arbeit: „Die teratologischen Wuchsformen
der Bakterien und ihre Bedeutung als diagnostisches Hilfsmittel“, bei¬
gegeben hat. Der Durchmesser der Kokken beträgt fast überall 10//, ist
also nicht viel größer als bei der Beizung und schwachen Nachfärbung
mit Fuchsin, wo er meist 8*5 bis 9// Durchmesser zeigt. Die Bildung
der Hülle ist durch den Lebensprozeß des Coccus bedingt, die Saccharose
wird hierbei in einen uns unbekannten Körper verwandelt und zu gleicher
Zeit assimiliert. Durch Erhitzen auf 65° während 15 Minuten abgetötete
Kokken bilden keine Spur von Hülle beim Übergießen mit Zuckerbouillon;
ebensowenig bildet sich in der von ihnen abgegossenen Bouillon nach
Zuckerzusatz ein Körper, welcher die Flüssigkeit schleimig macht. Der
Durchmesser der Hülle um den einzelnen Coccus beträgt oft 50 bis 60//;
da man sie sich als kugelförmiges Gebilde um den Coccus vorzustellen
hat, so übertrifft ihr Inhalt denjenigen des Coccus um das 150 bis 200 fache.
Geht die Bildung der Hülle langsam und in einer Flüssigkeit mit relativ
wenig hüllenlosen Kokken vor sich, so erlangt sie nicht jene Festigkeit,
als bei lebhafter Teilung der Kokken; in letzterem Falle bleibt sie kleiner,
1 Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte . 1904. B l. XXI.
11 *
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E. Zettnow:
zeigt größere Festigkeit und umschließt fast immer mehrere Kokken, oft
kleine Ketten derselben, wie es die Fig. 1, Taf. I, Froschlaich aus einer
Zuckerfabrik, gefärbt mit Erythrosin, darstellend, zeigt. Genau in derselben
Art bildet sich die Hülle beim Entstehen auf festen Nährböden aus,
ebenso in Zuckerbouillon bei 30° (vgl. Fig. 2, Taf. I); sie wird besonders
auf Zuckergelatine kautschukartig, die einzelnen Exemplare kleben an¬
einander, bilden zuerst kleine, dann größere, gequollenen Sagokörnern ähn¬
liche Klümpchen, welche aus lauter kleinen Ballen zusammengesetzt er¬
scheinen. Es ist sehr schwer, ein gutes Photogramm einer Froschlaich¬
masse in ungefärbtem Zustande herzustellen; am besten eignen sich hierzu
noch junge, etwa 20 Stunden alte Kolonien von festen Nährböden, wie
solche die Fig. 6, 8 und 10, Taf. I von Zuckergelatine zeigen; soll
Froschlaich aus Zuckerbouillon photographiert werden, so kommt man
ohne schwache Färbung nicht aus und wählt als passendste Vergrößerung
eine 150 bis 200 fache. Ohne Färbung heben sich die Ballen nicht ge¬
nügend vom Untergrund ab. Die Menge des Farbstoffes, z. B. Methylen¬
blau, muß so bemessen sein, daß der Untergrund kaum gefärbt erscheint;
die Kokken färben sich alsdann ziemlich dunkel, die Hülle im Mittelton,
während der Untergrund hell erscheint. In dieser Weise wurde die Fig. 2,
Taf. I hergestellt, in 200facher Vergrößerung, ohne die Masse durch
Druck zu deformieren; desgleichen die Fig. 1; hier geschah die Färbung
mit Erythrosin, fiel etwas kräftiger aus, auch war das Präparat etwas
stärker gedrückt, weil die Vergrößerung eine stärkere, 400 fache sein sollte.
Infolgedessen sind die größeren Ballen nicht erhalten, sondern nur die
kleinen.
Bei Herstellung eines Trockenpräparates geht die Ballenform stets ver¬
loren, höchstens trifft man Andeutungen davon an den dickeren Stellen
des Präparates. Während die Kokken sehr gut die basischen Anilinfarben
annehmen und beim Spülen mit Wasser festhalten, gibt die Hülle den
nur osmotisch aufgenommenen Farbstoff mit Leichtigkeit ab und erscheint
nach gutem Spülen farblos, falls man das Präparat nach dem Fixieren
vor dem Auf bringen der Farbe mit Wasser abgespült und auf diese Weise
in Wasser lösliche Schleimsubstanzen entfernt hat; am festesten hält sie
den Farbstoff bei der Gramfärbung; in diesem Falle findet man nach der
Alkoholbehandlung und darauffolgender, in gewöhnlicher Weise ausgeführten
Wasserspülung alle Übergänge von der farblosen bis zur ziemlich stark
violett gefärbten Hülle an den dicken Stellen des Präparates.
Haltbar läßt sich die Hülle nur nach Behandlung mit Ferrotannat,
besser mit Antimoubeize färben. Sie nimmt dann jede Anilinfarbe an.
Am schönsten werden derartige Präparate, wenn man eine frische Kultur
in gewöhnlicher Bouillon mit steriler Zuckerlösung versetzt, 24 Stunden
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Feoschlaichblldungen ln Saccharose-Flüssigkeiten. 165
bei 30° hält; alsdann das 6 bis 8 fache Volumen Wasser hinzugefügt, den
nach 1 bis 8 Stunden erhaltenen oder schneller durch Centrifugieren ge¬
wonnenen Bodensatz zu den Ausstrichen verwendet. Da die Hüllen beim
Einlegen in Kanadabalsam stark und unregelmäßig schrumpfen, bewahrt
man das Präparat besser in Glyzerin 1:1 Wasser auf, indem man vorher
verdünntes Glyzerin 1:3, dann solches 1:2 je 1 Minute auf das Präparat
ein wirken läßt. Ein Abspülen des Präparates mit 0*5 Prozent Essigsäure
vor dem Beizen erhöht die Sauberkeit des Präparates. Die Fig. 26 bis 30,
Taf. H geben Stellen aus einem in dieser Weise hergestellten Präparate
wieder. Auffällig ist die stärkere Randkontur, welche fast alle Hüllen
zeigen; wahrscheinlich rührt sie von stärker gefärbtem, in der Hülle ent¬
haltenem Schleim oder einem Vorprodukt desselben her; sie tritt in be¬
deutend stärkerem Maße auf, die Hülle unregelmäßig umgebend, sobald
man das Präparat nicht mit Essigsäure abgespült hat.
Die Schleimbildung in flüssiger Zuckerbouillon hängt von Umständen
ab, über welche ich nichts Bestimmtes sagen kann; bei Aller breit ist sie
stärker als bei Aller hoch und macht sich bei ersterem schon zu einer
Zeit bemerklich, zu welcher bei Aller hoch die Bouillon noch ganz dünn¬
flüssig erscheint. Der Stamm Opalanitza, welcher auf festen Nährböden
sehr zähe Massen bildet, bringt in Zuckerbouillon sehr viel Schleim her¬
vor. Nach stärker eingetretener Säuerung entsteht bei beiden Arten
eine dicke fadenziehende Flüssigkeit, in welcher die größeren Froschlaich¬
ballen sich am Boden abgelagert haben; es kann jedoch auch Vorkommen,
daß sich wenig Schleim bildet und die Flüssigkeit zur Hälfte bis zwei
Drittel ihrer Höhe mit festen großen Froschlaichklumpen erfüllt ist, welche
selbst nach 2 bis 3 Wochen noch nicht so weit umgeändert sind, daß die
Flüssigkeit fadenziehend geworden ist. Dieses Umwandlungsprodukt der
Hüllen ist schon von Scheibler und nach ihm von anderen Chemikern
untersucht und Dextran benannt worden.
Von Chlorzinkjodlösung, ebenso von jodhaltiger mit dem gleichen
Volumen Wasser verdünnter Schwefelsäure werden die Hüllen sofort auf¬
gelöst, ohne daß dabei eine Färbung irgend welcher Art zu bemerken ist;
ebensowenig ist bei stärkerer Verdünnung dieser Reagentien von einer
Schichtung der Hülle etwas zu sehen; nur die Kokken färben sich je nach
der Konzentration der Reagentien braunschwarz oder umgeben sich nur
mit einem solchen Ringe ohne aufgelöst zu werden.
Im Dunkelfeld eines Ultramikroskopes erscheint im lebenden Präparat
der Coccus hellleuchtend, umgeben von einer tiefschwarzen dicken Kontur,
dann folgen die gleichmäßig helle Kapsel, auch bei sorgfältigster Beobach¬
tung ohne Andeutung einer Schichtung; hierauf die Diffraktionssäume.
Sehr schön lassen sich bei dieser Art der Beleuchtung die Teilungs-
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E. Zettnow:
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Vorgänge der Kokken, überhaupt aller Bakterien verfolgen; bei dem großen
Unterschied zwischen Licht und Schatten sogar besser bei einem derartigen
lebenden als bei einem gefärbten Präparat.
In polarisiertem Licht verschwinden bei gekreuzten Nicols die Objekte
vollständig, sich in keiner Weise vom Untergrund abhebend.
In und auf festen Nährböden, welche frei von Saccharose sind, gleichen
sich Aller breit und hoch vollkommen; sie bilden, ähnlich wie so viele
Streptokokken, sehr unscheinbare Bakterienmassen.
Die Kolonien auf zuckerfreier Gelatine im Ausstrich entstanden stellen
zarte Auflagerungen von sehr stark blauweißem Schein vor. Falls sie
einigermaßen dicht liegen, stellen sie ihr Wachstum nach 5 bis 6 Tagen
ein; selbst ganz einzeln liegende nehmen nach dieser Zeit nur wenig an
Größe zu. Betrachtet man sie mit dem Apochromaten von 16 mm foe., so
erscheinen nicht nur die kleinen, sondern selbst sehr große Kolonien von
12 tägigem Alter als zarte körnige Scheiben ohne dunkeln Band (Fig. 4
und 9, Taf. I); benutzt man statt dieses Objektives ein solches größerer
Brennweite, z. B. das Zeiss’sche Projektionssystem von 35 mm , so zeigt
sich eine kräftige Randlinie (Fig. 3 und 7, Taf. I), obgleich bei Fig. 3
die Kolonien von Aller breit nur 8 Tage alt sind, während bei Fig. 4
diese 12 Tage gewachsen ist. Beide stammen von derselben Platte.
Manche Kolonien zeigen in der Mitte ein kleines ringförmiges Zentrum,
andere nicht.
Kolonien in oder auf Saccharosegelatine unter Benutzung der hüllen¬
losen Kokken, sei es durch Ausstrich erhalten oder im üblichen Platten¬
guß, zeigen bereits in den kleinsten Kolonien nach 12 bis 20 Stunden
die Froschlaichform, bedingt durch die Bildung von kleinen Ballen (Fig. 6.
8, 10, Taf. I).
Stellt man eine passende Verdünnung der Keime her und beläßt die
Gelatine im Reagenzglas, so beobachtet man, daß die Entwicklung der
Kolonien in der Tiefe ebenso schnell stattfindet wie in der Nähe der
Oberfläche; nach 3 Tagen bilden sie schneeweiße runde Punkte, welche
von nun an sich sehr schnell vergrößern und ihre runde Form in eine
mehr oder weniger eckige umwandelu. Besser als jede Beschreibung zeigt
ein Blick auf die Fig. 35 bis 37, Taf. III diese Formen beim Stamm
Opalanitza; Aller breit erreicht bereits am vierten Tage dieselbe Größe
wie sie Opalanitza am 7. Tage zeigt; dann fängt er an einzelnen Stellen
des Randes an einen zarten Saum zu bilden, welcher sich in die Gelatine
vorschiebt und allmählich bis zur nächsten Kolonie vordringt. Nach 8
bis 10 Tagen entwickeln sich geringe Mengen von Gas, welche die Gelatine
spalten; schließlich hört das Wachstum auf, ohne daß die Gelatine völlig
von der Bakterienmasse durchsetzt ist.
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Froschlaichbildungen in Saccharose-Flüssigkeiten.
167
Die Kolonien von Aller hoch wachsen unter denselben Verhältnissen
etwas langsamer als diejenigen von Aller breit und zeigen ein geringeres
Bestreben, die Säume zu bilden; sie halten gleichsam die Mitte zwischen
Aller breit und Opalanitza.
Auf der freien Oberfläche von Zuckergelatine ist der Unterschied
zwischen Aller hoch und breit ganz bedeutend und bereits auf S. 160 und
161 genügend angedeutet. Das Wachstum einer solchen Kolonie von Aller
hoch zeigt Fig. 11, Taf. I bei 3 facher Vergrößerung. Die einzeln liegende
Kolonie wurde mit der Gelatine aus der Platte herausgeschnitten, auf schwarze
Unterlage gelegt und bei auffallendem seitlichem Licht photographiert.
Im Strich, hergestellt mit der hüllenlosen Form in Gestalt einer
Öse voll Bouillonkultur, wachsen Aller breit und hoch auf gewöhnlicher
Gelatine in gleicher Art; die Auflagerung besitzt auffallend stark blau¬
weißen Schein und bleibt auch nach vielen Wochen sehr zart und eng
auf den Strich begrenzt; ist die Aussaatmasse gering gewesen (vgl. Fig. 34,
Taf. III), z. B. beim Ausstreichen mit nicht ganz glatter Platinöse, so
bleiben die zarten Linien dauernd getrennt.
Auf Zuckergelatine bildet Aller hoch als hüllenlose Form ausgestrichen
schon in 20 Stunden eine schneeweiße Wucherung, welche bereits bei
mäßiger Vergrößerung Ähnlichkeit mit dem Innern eines Dickdarmes zeigt
(Fig. 14 und 15, Taf. II); bei weiterem Wachstum ist diese dann auch
makroskopisch leicht zu erkennen; die Bakterienmasse zeigt so starken
Zusammenhang, daß man sie in den ersten 3 bis 4 Tagen mit Leichtig¬
keit als zusammenhängendes Band vom Nährboden abziehen, auch zu einer
Kugel wie Gummi zusammenkneten kann; benutzt man zum Ausstrich die
Froschlaichform und streicht hierbei unwillkürlich breiter und eine größere
Menge Material aus, so hebt sich das entstandene Band an einzelnen
Stellen von selbst von der Gelatineoberfläche ab. Etwa eine Woche lang
behält die Bakterienmasse ihr schneeweißes Ansehen, dann nimmt sie all¬
mählich bei stärkerer Säuerung des Nährbodens ein durchscheinenderes
Aussehen an; es treten an den Seiten und besonders am unteren Ende
kleine sich ausbreitende Wucherungen auf, welche sich schnell ausbreiten,
die Glaswand erreichen und an ihr hochwachsen (Fig. 33, Taf. III).
Nach etwa 3 Wochen, falls viel Impfmaterial übertragen ist, auch früher,
sammelt sich eine geringe Menge einer fast klaren Flüssigkeit am Grunde
der schrägen Oberfläche an; sie ist dick wie Sirup, nicht fadenziehend
und besteht aus den durch die gebildete Säure zugrunde gegangenen
Hüllen und freien, meist abgestorbenen Kokken; ganz so wie Liesenberg
und Zopf dieses Verhalten bei ihren Stämmen beschrieben haben. Eine
Verflüssigung der Gelatine habe ich ebenfalls bei meinen Stämmen
niemals beobachtet.
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168
E. Zettnow:
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Aller breit wuchs in der ersten Zeit nach der Isolierung dünn aus-
gestrichen während der ersten 4 bis 5 Tage genau wie Aller hoch; trieb
jedoch viel früher die seitlichen Wucherungen, nahm auch früher das
feuchte Aussehen an. Je länger er auf den künstlichen Nährböden ge¬
zogen wurde, desto leichter zeigt er das breite Wachstum; mitunter zeigt
er es sogleich; die Neigung abzufließen ist bei ihm nicht stärker als bei
Aller hoch.
Der Stich in Zuckergelatine mit der hüllenlosen Form ausgeführt
zeigt schon nach 3 Tagen eine kräftige Entwicklung als schneeweiße,
einem kleinen Stalaktiten ähnliche Masse. Daß die Fig. 39, Taf. IV ihn
am unteren Ende in geringerer Entwicklung zeigt als am oberen, rührt
von der geringeren Menge Impfmaterial her, welches die Platinnadel in
die Tiefe geführt hat; wenige Tage nach der Aufnahme zeigte sich die
Gelatine am oberen Ende an einer Stelle durch die zähe Bakterienmasse
gespalten, daher in der Fig. 40, Taf. IV derselbe Stich 7 Tage alt, sich
hier eine dunklere Stelle zeigt; auch war die durchsichtiger gewordene,
auf der Oberfläche der Gelatine sich ausbreitende Masse trotz ihrer viel
größeren Dicke durchscheinender als im Alter von 3 Tagen; sie erscheint
daher grauer als diese. Bei weiterem Wachstum bilden sich geringe
Mengen Gas, welche die Gelatine zerreißen.
Auch im Stich zeigen Aller breit und hoch geringe Verschiedenheiten,
welche die Fig. 41 und 42, Taf. IV audeuten. In größerem Reagensglas
gezogen und mit möglichst gleichviel Material von einem !4 Tage alten
Stich geimpft, entwickelte sich Aller breit schon in 5 Tagen und zwar zu
einer durchsichtiger erscheinenden Masse von fast gleicher Größe wie
Aller breit in 7 Tagen. Die letztere Kultur war in diesem Alter bereits
stark von Gas durchsetzt und nicht mehr zur Aufnahme geeignet.
In Dextrose-Gelatine ist der Stich von Aller ein so zarter (Fig. 46.
Taf. IV), sich vom schwarzen Hintergrund so wenig abhebend, daß ich
bei der Herstellung des Photogrammes die Platte habe verstärken müssen,
um ihn gut zur Darstellung zu bringen.
Die Säuerung des zuckerhaltigen Nährbodens wird durch Bildung
von Milchsäure veranlaßt, wie bei den Stämmen der beiden Autoren, und
zwar von Aller breit in stärkerem Maße, als von Aller hoch. Durch das
Uffelmann’sche Reagens (2prozentige Phenollösung versetzt mit soviel
Eisenchlorid, daß die Flüssigkeit blauviolett aussieht) läßt sie sich leicht
nach weisen; von einer Kultur in Zuckerbouillon genügen meist schon
einige Tropfen, um die blauviolette Farbe verschwinden und die zitron-
gelbe erscheinen zu lassen.
Am besten gedeiht der Stamm Aller bei mäßiger Alkalität des Nähr¬
bodens auch bei 10 Prozent Zuckergehalt, z. B. 0-5 bis l-O*"“ kristalli-
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Fboschlaichbildungen in Saccharose-Flüssigkeiten,
169
sierte Soda pro Liter über den Lakmusneutralpunkt; bei 1 - 5 ? rm geht er
langsamer an, bei 2*0 s™ fängt er an zn versagen, wenn man nicht die
sauer reagierende Froschlaichform zur Übertragung wählt, von welcher
man ja auch gewöhnlich bedeutendere Mengen als von der hüllenlosen
überimpft; bei 4*0Soda geht auch diese nicht imm er an.
II. Streptococcus Opalanitza
hat bei der Isolierung Winter 1906 gar keine Schwierigkeiten bereitet;
bereits bei dem Ausstreichen zum zweiten Male erwies er sich als rein
und hat die nach seiner Isolierung beobachteten Eigenschaften bis jetzt
auf den künstlichen Nährböden beibehalten.
Er unterscheidet sich von Aller durch folgende Eigenschaften:
1. Er wächst bedeutend langsamer und zeigt in der Froschlaichform
größere Festigkeit als Aller hoch. Dieses Verhalten ist im Stich deutlich
zu beobachten. Die Stiche Fig. 43, 44, 45, Taf. IV sind unter möglichst
denselben Bedingungen hergestellt wie bei Aller breit (Fig. 39 und 40,
Taf. IV). Infolge der größeren Festigkeit der Bakterienmasse und der
fehlenden Neigung, sich seitlich auszubreiten, zeigt der Stich von Opala¬
nitza, 5 Tage alt, starke Knickungen; am 8. Tage dringen von einzelnen
Stellen zarte Säume in die Gelatine; am 12. ist die Masse sehr durch¬
scheinend geworden, auch fängt an der Glaswand an sich etwas Gas zu
bilden; das Wachstum schreitet von dieser Zeit ab nur langsam vorwärts,
so daß auch nach 4 Wochen der Stich nicht viel dicker erscheint als im
Alter von 14 Tagen; die seitlichen Wucherungen sind jedoch stärker ent¬
wickelt, so daß die Kultur Ähnlichkeit erhält mit Aller hoch (Fig. 41,
Taf. IV), nur daß sie in allen Teilen von geringerer Größe und von Gas¬
blasen durchsetzt ist. Auf der Oberfläche der Gelatine war an der Ein¬
stichstelle eine dicke knopfartige Wucherung entstanden, ohne Neigung
sich seitlich auszubreiten.
2. Sein Wachstum beschränkt sich nicht nur auf die Oberfläche der
Zuckergelatine, sondern er dringt auch in dieselbe allmählich ein, erreicht
jedoch z. B. im Strich selten eine größere Tiefe als 1*5 bis 2 mm . Ist
der Strich auf der schrägen Oberfläche im Röhrchen gewachsen, so er¬
scheint das Eindringen in die Tiefe ein viel stärkeres zu sein als das
Wachstum in die Höhe, wie Fig. 17, Taf. II es zeigt; doch beruht diese
Erscheinung auf optischer Täuschung, hervorgebracht durch die konvexe
Gestalt der Glasoberfläche; als ich nämlich diese Stelle aus dem Glase
herausnahm, um sie bei auffallendem Lichte zu photographieren, ergab
sich, daß eine optische Täuschung vorlag; das Höhenwachstum übertraf
dasjenige in die Tiefe etwa um das dreifache.
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170
E. Zettno w:
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3. Im Strich behält er sein schneeweißes Aussehen bedeutend länger
als Aller hoch, von welchem er in den ersten Tagen nicht zu unterscheiden
ist; die Fig. 31, Taf. III, ein 5 Tage alter Strich von Opalanitza, könnte
ebensogut für Aller hoch, 2 Tage alt, verwendet werden. Die Neigung,
bei höherem Alter abfließende Masse zu bilden, ist bei ihm viel geringer
als bei Aller hoch; ist ferner die übertragene Impfmasse gering und nur
auf den obern Teil ausgestrichen, so können, wie ich in einem solchen
Fall beobachtet habe, 6 Wochen vergehen, ehe ein kleinstes Tröpfchen
Flüssigkeit sich an dem etwa 2*5 cm entfernten Grunde der Gelatine¬
oberfläche ansammelt; in dem betreffenden Fall entstand hier aus ihm
eine reine, feste, weiße Bakterienmasse von etwa 0*7 bis 0• 8 ccm Inhalt;
dagegen keine Kolonie auf der schmalen deutlich zu erkennenden Abflu߬
bahn; offenbar hängt dies Verhalten mit seinem geringeren Säuerungs¬
vermögen zusammen; in diesem steht, wie mir Versuche mit Zuckerbouillon
nach Zusatz von kohlensaurem Kalk gezeigt haben, Aller breit obenan:
bei Benutzung von je 0*5 Liter Zuckerbouillon versetzt mit 5*"" kohlen¬
saurem Kalk war letzterer bei Impfung mit Aller breit bereits nach
6 Tagen gelöst; bei Aller hoch war er erst nach 10 Tagen verschwunden;
Opalanitza war nicht imstande, ihn völlig zu lösen, selbst nicht nach
4 Wochen. Seitliche Wucherungen habe ich im Strich bei Opalanitza
nicht beobachtet, selbst im Alter von 3 Monaten stellten sich solche bei
der oben erwähnten Strichkultur nicht ein.
4. Kolonien in Zuckergelatine (Fig. 35 bis 37, Taf. III) zeigen in
noch höherem Maße als Aller eckige mit Höckern besetzte Formen; auch
bei diesen, bis zum Alter von 4 bis 6 Wochen schneeweiß erscheinenden
Kolonien bildet sich vom 12. Tage ab an einzelnen Stellen ein heller, mit
bloßem Auge erkennbarer Saum, ähnlich wie einen solchen die 48 Stunden
alten Kolonien unter dem Mikroskope erkennen lassen, vgl. Fig. 5, Taf. I.
5. In allen übrigen Eigenschaften weicht Opalanitza von Aller nicht
ab. Ob es sich bei diesen beiden Stämmen wirklich um verschiedene
Arten oder nur um stärkere Ausbildung gewisser Eigenschaften ein und
derselben Art handelt, konnte mit Hilfe der biologischen Probe zugunsten
der ersteren Ansicht nachgewiesen werden. Hr. Prof. Wassermann hatte
die Güte sie anzustellen: Es wurden je 2 Kaninchen von Hrn. Dr. Leuchs
3 mal mit dem ausgeschleuderten Satz von 4 + 4 + 8 Bouillonkulturen
ä 10 ccm vorbehandelt. Einige Tage nach der dritten Injektion mit acht
Kulturen gingen beide mit dem Stamm Opalanitza behandelten Kaninchen
ein. Das Serum der mit Aller hoch injizierten Tiere agglutinierte in der
Verdünnung 1:100 glatt seinen eigenen Stamm, jedoch nicht Opalanitza.
Ich sage den Herren für ihr liebenswürdiges Entgegenkommen meinen
verbindlichsten Dank.
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Froschlaichbildungen in Saccharose-Flüssigkeiten.
171
Erklärung der Abbildungen.
(Taf. I—IV.)
Tafel I.
Figr. 1. Froschlaich aus der Zuckerfabrik Schladen; nasses Präparat, gefärbt
mit Erythrosin; 400fach.
Fig. 2. Streptococcus Aller hoch aus Zuckerbonillon; nasses Präparat, schwach
mit Methylenblau gefärbt; 200 fach.
Fig 3. Aller breit, Kolonie auf Oberfläche von gewöhnlicher Gelatine, 8 Tage
alt; 50fach.
Fig, 4. Aller breit, Kolonie auf Oberfläche von gewöhnlicher Gelatine, 12 Tage
alt; 100 fach.
Fig. 5, Opalanitza, Zuckergelatine; Kolonie auf dem Grunde der Glasschale,
48 Stunden alt; 20 fach.
Fig. 6 . Aller hoch, Kolonie in Zuckergelatine, 48 Stunden alt; 100 fach.
Fig. 7. Aller hoch, Kolonie auf Oberfläche von gewöhnlicher Gelatine, 8 Tage
alt; 50fach.
Fig. 8. Aller hoch, Kolonien auf der Oberfläche von Zuckergelatine durch
Ausstrich von Froschlaich erhalten; 50 fach.
Fig. 9. Wie Fig. 4, jedoch 8 Tage alt; 100 fach.
Fig. 10. Aller hoch, Kolonie in Zuckergelatine, 20 Stunden alt; aus der hüllen¬
losen Form entstanden.
Fig. 11. Aller hoch, eine 6 Tage alte Kolonie auf Oberfläche von Zucker¬
gelatine; mit der Gelatine aus der Schale genommen und bei auffallendem Licht
photographiert; 3 fach.
Fig. 12. Aller hoch, Ausstrich auf Zuckergelatineplatte, 5 Tage alt; natürl.
Größe.
Fig. 13. Wie Fig. 12, jedoch eine andere Platte, 18 Tage alt; hohe und breite
Kolonien
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172 E. Zettnow : Feoschlaichbildungen en Sacchabose-Flüssigk.
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Tafel n.
Fig. 14. Aller hoch, Stück eines Striches auf Zuckergelatine, entstanden durch I
Ausstrichen einer Kolonie von gewöhnl. Gelatine, 20 Stunden alt; 7 fach.
Fig. 15. Wie Fig. 14, die dünnste Stelle des Striches; 20 fach.
Fig. 16. Aller breit, Tupf kolonie auf Zuckergelatine, 11 Tage alt; natürl. Grote.
Fig. 17. Opalanitza auf schräger Oberfläche von Zuckergelatine im Röhrchen;
3 fach.
Fig. 18. Aller breit, aus gewöhnl. Bouillon; Fuchsinfärbung; 1000 fach. I
Fig. 19. Opalanitza; sonst wie Fig. 18.
Fig. 20. Aller breit, aus gewöhnl. Bouillon; Färbung nach Gram; 1000 fach.
Fig. 21 bis 25. Aller breit aus gewöhnlicher Bouillon; Antimonbeize; Fig.21
und 22 mit Fuchsin, Fig. 23 bis 25 mit Äthylaminsilber behandelt; 1000 fach.
Fig. 26 bis 30. Aller breit, Bodensatz von gewöhnlicher Bouillon übergossen
mit Zuckerbouillon; 24 Stunden alt; Antiraonbeize; Fuchsin; 1000fach. I
II
Tafel HI.
Alle Figuren in natürlicher Größe.
Fig. 31. Opalanitza, Strich auf Zuckergelatine, 5 Tage alt.
Fig. 32. Aller hoch, Strich auf Zuckergelatine, 7 Tage alt.
Fig. 33. Wie Fig. 32, derselbe Strich, 12 Tage alt.
Fig. 34. Aller breit, Strich auf gewöhnlicher Gelatine, 11 Tage alt.
Flg. 35 bis 37. Opalanitza in Zuckergelatine. Dieselben Kolonien in ver¬
schiedenem Alter, 4, 7 und 12 Tage alt.
Fig. 38. Opalanitza, Strich auf Traubenzuckergelatine, 11 Tage alt.
Tafel IV.
Alle Figuren in natürlicher Größe.
Fig. 39 u. 40. Aller breit, Stich mit der hüllenlosen Form in Zuckergelatite.
3 und 7 Tage alt.
Fig. 41. Aller breit, Stich von Stich (Fig. 40) in Zuckergelatine, 5 Tage ah.
Fig. 42. Aller hoch, Stich von Stich in Zuckergelatine, 7 Tage alt.
Fig. 43 bis 45. Opalanitza in Zuckergelatine; derselbe Stich, hergestellt mit
der hüllenlosen Form, 5, 8 und 12 Tage alt.
Fig. 46. Aller hoch, Stich in Traubenzuckergelatine, 11 Tage alt
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[Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin.]
(Direktor: Geheimer Obermedizinal rat Prof. Dr. Gaffky)
Über die Beschaffenheit der in Berlin eingeführten
dänischen Milch.
Ein Beitrag znr hygienischen Milchkontrolle.
Von
Geh. Reg.-Rat B. Proskauer,
Vorsteher der chemischen Abteilang,
Dr. med. E. Seligmann nnd Dr. phil. nat. Fr. Croner,
Assistenten sm Institut
Allgemeiner Teil.
Durch Erlaß des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinal-Angelegenheiten vom 27. Oktober 1905 war dem Institut für
Infektionskrankheiten der Auftrag erteilt worden, eine Anzahl von Proben
dänischer Milch bakteriologisch zu untersuchen und namentlich fest¬
zustellen, ob dieselben Tuberkelbazillen enthalten, sowie sich im allgemeinen
über die Zweckmäßigkeit der Verwendung dänischer Milch im Konsum
der Großstadt vom hygienischen Standpunkte aus zu äußern.
I. Wintermilch.
Um Proben der dänischeu Milch gleich nach ihrer Ankuuft zu er¬
halten, die Art der Beförderung, sowie die Verteilung der Milch an die
hiesigen Milchhändler kennen zu lernen, hatte das Institut den Herrn
Polizeipräsidenten um seine Unterstützung gebeten. Unter dem 15. No¬
vember 1905 erklärte sich der Herr Polizeipräsident bereit, bei der Be¬
schaffung der Proben behilflich zu seiu und gestattete, daß wir uns zu
diesem Zwecke mit dem Dezernenten im Kgl. Polizeipräsidium, Herrn
Regierungs- und Medizinalrat Dr. Xesemann in Verbindung setzten. Bei
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174
B. Pboskauer, E. Seligmann und Fr. Croner:
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der mit diesem Herrn gehabten Besprechung wurde verabredet, daß ein
Polizeiwachtmeister vom Gewerbekommissariat des Kgl. Polizeipräsidiums,
der auch die Proben hier eingehender dänischer Milch für das Unter¬
suchungsamt des Polizeipräsidiums zu entnehmen pflegt, hei der Probe¬
nahme durch die Beauftragten des Instituts zugegen sein sollte.
Die hier eingeführte dänische Milch, die zur Untersuchung gelangte,
stammte aus Holby, Aarhus und Horsens. Die Milch aus Holby kam
am Stettiner Güterhahnhofe an und war für eine hiesige große Sammel¬
molkerei bestimmt, während die Milch aus Aarhus und Horsens am
Lehrter Güterbahnhofe ankam und an hiesige Milchhändler, Chokolade-
fabrikanten und an andere größere Milchkonsumeuten verteilt wurde.
Die Milch aus Holby war stets in 20 bis 30 Liter fassenden Blech¬
kannen mit dichtem Verschluß — nämlich mit Deckel, der durch
Schraubenbügel aufgepreßt werden konnte, — enthalten. Die am Lehrter
Bahnhof zur Verteilung gelangende dänische Milch kam in der ersten Zeit
der Probenahme gleichfalls in Kannen geschilderter Art hier an, später
in sog. Tankwagen. Die Abnehmer belassen entweder die Milch in den
Kannen und wechseln dafür leere Kannen aus, oder sie schütten sie bis¬
weilen am Güterbahnhofe in mitgebrachte Gefäße um.
Die Tankwagen besitzen zwei voneinander durch einen Gang getrennte
Behälter (sog. Tanks), die je ca. 6000 Liter fassen. Die Milch wird durch
größere quadratische Öffnungen, die sich an der Decke des Eisenbahn¬
wagens befinden, in die Tanks eingefüllt und durch einen am Boden der
letzteren befindlichen Abflußstutzen aus Kupfer entleert. Der Boden der
Tanks ist nach diesem Abflußstutzen hin geneigt, so daß eine völlige Ent¬
leerung der Tanks möglich ist.
Die Verteilung der Milch aus den Tanks an die verschiedenen Ab¬
nehmer geschieht in der Weise, daß an den erwähnten Abflußstutzen
ein kupfernes T-Stück mit mehreren Auslässen angeschraubt wird; die Aus¬
lässe werden mit Schläuchen verbunden, an deren Enden sich gebogene
und mit Hahn versehene, verzinnte Röhren befinden. Diese werden in
die Öffnungen der mit Milch zu füllenden Gefäße (Kannen, Fässer) ein¬
gebracht, der Hahn wird geöffnet und, nachdem die Gefäße gefüllt sind,
wieder geschlossen.
Um die Milch vor dem Entladen gleichmäßig zu mischen, ist im
Innern der Tanks ein Rührwerk angebracht, das durch eine an der Außen¬
seite der Tanks angebrachte Kurbel in Bewegung gesetzt wird. Das Rühr¬
werk besteht aus einer die Tanks vollständig durchziehenden Achse, an
der acht Flügel, von der Gestalt der Windmühlen Hügel, in regelmäßigen
Abständen voneinander, aber nach verschiedenen Richtungen gehend, ver¬
teilt sind.
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Beschaffenheit dee in Beblin eingefühkten dänischen Milch. 175
Zu erwähnen ist noch, daß sich an denjenigen Wänden der Tanks,
welche einander gegenüberstehen, Mannlöcher befinden, die teils zur
Keinigung dienen, teils zur Beobachtung, ob die Tanks völlig entleert sind.
Zwischen den Tanks und den Wänden des Eisenbahnwagens befinden
sich Zwischenräume, die dazu bestimmt sein sollen, das zur Kühlung der
Milch erforderliche Eis unterzubringen.
Häufig war nur einer der beiden Tanks mit Milch beschickt; in diesem
Falle erhielt der zweite Tank zur Herstellung des Gleichgewichts des
Eisenbahnwagens Wasserfüllung.
Sicherem Vernehmen nach ist von den hiesigen Abnehmern mit einer
Hamburger Firma ein Kontrakt über die Lieferung dänischer Milch aus
Aarhus abgeschlossen worden, in welchem die Forderungen gestellt sind,
daß diese Milch frisch sein soll, keine fremden Zusätze enthalten und ihr
Fettgehalt nicht unter 2-9 Prozent betragen dürfe. Die Milch soll in
gut behandeltem, reinem, süßem und abgekühltem Zustande vom Verkäufer
geliefert werden, der garantiert hat, daß sie unmittelbar vor ihrer Ab¬
sendung von der Meierei in Aarhus eine Temperatur von höchstens + 5° C
besitzt. 1 Diese Eigenschaften der jeweiligen Sendungen müssen vor Ab¬
gang im Wege der doppelten Alkoholprobe, der Untersuchung mit dem
Gerb er sehen Apparat und durch Thermometerbestimmung durch Chemiker
festgestellt werden.
In der warmen Jahreszeit soll der Verkäufer verpflichtet sein, zur
besseren Kühlhaltung der Milch bis zu 1000 ks Eis pro Waggon mit¬
zuverladen.
Die Kannen von den Sendungen aus Aarhus sollen nach ihrer Ent¬
leerung in Berlin gereinigt werden. Welcher Art die kontraktlichen Ab¬
machungen für die aus Horsens und Holby hierher verschickte Milch sind,
darüber ließ sich nichts ermitteln.
Was nun die Reinigung der geleerten Tanks am Lehrter Güter¬
bahnhofe anlangt, so wurde uns darüber berichtet, daß dieselbe mittels
heißer Sodalösung geschieht und von der Gesellschaft ausgeführt wird, die
die Reinigung der Bierdruckapparate in der Stadt besorgt.
Nach diesen Ausführungen über die Art der Versendung der dänischen
Milch, die für die Auslegung der bei unseren Untersuchungen gewonnenen
Resultate mit in Betracht gezogen werden muß, kommen wir zu diesen
Untersuchungen selbst. Entsprechend der Verfügung des Herrn Ministers
zerfallen dieselben in zwei Teile, nämlich:
1 Es soll ein mündliches Abkommen dahin getroffen sein, daß die Milch vor
ihrer Versendung auf 80 bis 84° C. zu erhitzen ist.
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176
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
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1. die bakteriologischen, insbesondere den Nachweis von Tuberkel¬
bazillen,
2. Ermittelungen vom allgemein hygienischen Standpunkte.
1. Was die bakteriologische Untersuchung anlangt, so war es für die
Bewertung der durch sie erlangten Resultate von Wichtigkeit, zu wissen,
ob man es mit einer reinen, unverfälschten Milch zu tun hat, oder ob
die zu untersuchende Milch schon irgend welchen besonderen schädlichen
Einflüssen ausgesetzt gewesen war. Wässerung, Entrahmung, unsach¬
gemäße Aufbewahrung der Milch u. a. m. bewirken beträchtliche Ver¬
änderungen der bakteriologischen Beschaffenheit einer auch sorgfältig ge¬
wonnenen oder nach ihrer Gewinnung durch Erhitzen und Abkühlen
haltbar gemachten Milch. Aus diesem Grunde wurde neben der Keim¬
zahl auch die chemische Beschaffenheit festgestellt, sowie die Prüfung
einer Reihe von biologischen Eigenschaften vorgenommen. Die chemische
Untersuchung erstreckte sich auf die Feststellung des spezifischen Ge¬
wichtes, des Fettgehaltes, des Trockenrückstandes und Schmutzgehaltes.
Zur biologischen Prüfung gehört das Verhalten der Milch hinsichtlich
ihrer spontanen Säuerung und Gerinnung. Deshalb wurde der Säuregrad
jeder Milch bei ihrer Ankunft und beim Aufbewahren bis zur eintretenden
Gerinnung festgestellt. Nebenher ging die Prüfung der „Gerinnungs¬
neigung“ der Milch mittels der Alkohol- und der Kochprobe. Ferner
wurde auf das Reduktionsvermögen der Milch unmittelbar nach ihrer
Entnahme geprüft uud zwar mittels des Methylenblauverfahrens, das
von Seligmann anschließend an die Methode vom Smidt 1 zweck¬
entsprechend abgeändert worden war, sodann wurde das Spaltungs¬
vermögen der Milch gegenüber Wasserstoffsuperoxyd (katalytisches Ver¬
mögen) festgestellt, das nach den diesseits gemachten Erfahrungen gewisse
Anhaltspunkte für den Gehalt und die Art der vorhandenen Bakterien
liefert. Schließlich wurden auch Prüfungen angestellt, um eine statt¬
gefundene Erhitzung bzw. die verwendete Erhitzungstemperatur zu er¬
mitteln. Hierzu wurde ein Verfahren ausgearbeitet, welches gestattet, die
Grenzen der Erhitzungstemperatur und -dauer festzustellen und die
„Frische“ der vorliegenden Milch zu beurteilen. Zum Nachweis von
Tuberkelbazillen wurde der Tierversuch angewandt.
Die Einzelheiten der Untersuchungsmethoden, ihre allgemeine Be¬
deutung und Verwertung für die Milchkontrolle sind in dem speziellen
Teile dieses Berichtes auseinandergesetzt.
Die Probeentnahme geschah in der Weise, daß von der in Kannen
ankommeuden Milch 2 bis 3 Kannen ausgewählt wurden; die Milch darin
1 Hygienische Rundschau. 1905. Nr. 23.
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Beschaffenheit deb in Beblin eingefühbten dänischen Milch. 177
wurde mittels sterilen Glasstabes umgerührt, und dann eine gleich große
Menge Milch aus jeder Kanne in sterile Flaschen von einem Liter Inhalt
eiogefüllt.
Von der in Tanks beförderten Milch wurden erst Proben genommen,
nachdem ein verschieden großer Teil der Milch an die Abnehmer verteilt
worden war. Wie oben bereits erwähnt, findet vor dieser Verteilung eine
Durchmischung des Tankinhalts durch das beschriebene Rührwerk statt.
Die Entnahme war nur durch die am Auslaufstutzen des Tanks an¬
gebrachten Schläuche zu bewerkstelligen. Dadurch, daß vor der Probe¬
nahme durch die Schläuche eine größere Milchmenge geflossen war, ließen
sich einmal Milchproben aus den verschiedenen Schichten des Tank¬
inhaltes gewinnen, dann aber hatte auch schon eine Ausspülung der
Schläuche stattgefunden und es war der Versuchsfehler, der für die bak¬
teriologische Untersuchung in Betracht kommt, dadurch möglichst ver¬
mindert worden.
2. Vom allgemein hygienischen Standpunkte aus sind für die
Beurteilung der erhaltenen Untersuchungsresultate und für die Frage über
die Zweckmäßigkeit der Verwendung der dänischen Milch im Konsum
der Großstadt noch folgende Tatsachen und Ermittelungen von Wichtigkeit:
a) Dauer und Art des Transportes: Die schnellste Transport¬
dauer bei Milch in Kannen betrug 11 Stunden; häufig wurden 18 Stunden
dafür festgestellt. Es kamen aber auch Fälle vor, in denen der Transport
erheblich mehr Zeit in Anspruch genommen hatte. So z. B. war die
Milch Nr. VII aus Aarhus nach einer Mitteilung des Polizeiwachtmeisters
S. am 18. Dezember 1905 abends aus Aarhus abgegangen, am 19. Dezember
abends hier angekommen, blieb über Nacht am Güterbahnhof stehen und
wurde erst am 20. Dezember morgens 9V 2 Uhr an die Händler verteilt.
Es waren also vom Abgang aus Aarhus bis zur Verteilung an die Ab¬
nehmer ca. 1 x / 2 Tage vergangen.
Bei der in Tanks verladenen Milch war die Trausportdauer, soweit
wir dies beobachteten, stets eine viel längere. So war die Milch Nr. 25,
die am 2. IL 1906 auf der dänischen Staatsbahn verladen war, hier
erst am 5. II. vormittags 10V 2 Uhr an die Abnehmer verteilt worden.
Entsprechend lagen die Verhältnisse bei der Tankmilch Nr. 26 und 27,
die am 3. II. und 5. II. verladen und am 6. bzw. 8. H. zur Verteilung
gelangte.
Ein derartiges längeres Lagern der Milch muß stets für sie von
nachteiligem Einfluß sein, der sich in der wärmeren Jahreszeit noch mehr
als in der kälteren bemerkbar machen wird. Hierzu kommt noch, daß die
Mich nach ihrer Verteilung nicht immer gleich verkauft wird; es vergehen,
Zeitschr. f. Hygiene. LVII.
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Original fro-m
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178
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
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wie uns mitgeteilt wurde, mitunter noch weitere 24 Stunden, bis die
Milch in die Hände der Konsumenten gekommen ist
b) Die Kühlung während des Transportes ist, wie uns mehrfach
berichtet wurde, für die wärmere Jahreszeit ausbedungen und soll beim
Transport in Kannen durch Dazwischenlagerung von Eisstücben, für die
Tankmilch in der oben geschilderten Weise geschehen. Da wir bisher
nur in der kalten Jahreszeit Proben entnahmen, und wir bei der Entnahme
niemals Eiskühlung zu beobachten Gelegenheit hatten, so fehlt uns ein
eigenes Urteil, inwieweit die vorgesehene Kühlung ausreicht bzw. sich als
zweckmäßig erweist. 1
c) Die Art der Verteilung an die Abnehmer kann bei der in
Kannen verpackten Milch als hygienisch einwandfrei angesehen werden.
Die vollen Kannen werden gegen leere eingetauscht. Die Milch wird in
der Regel am Güterbahnhof nicht umgeschüttet; die leeren Kannen sollen
laut Kontrakt gereinigt zurückgegeben werden.
Dagegen läßt — nach unseren eigenen Beobachtungen — die Ver¬
teilung der Milch aus den Tanks in hygienischer Beziehung noch sehr
viel zu wünschen übrig.
Einmal erscheint es uns zweifelhaft, ob die Schläuche, mit denen die
Überfüllung der Milch aus den Tanks in die Gefäße der Abnehmer ge¬
schieht, auch wirklich immer so rein sind, daß die Milch dabei keinen
Schaden erleidet. Wir haben festzustellen Gelegenheit gehabt, daß diese
Schläuche Milchreste enthielten, die noch von der vorhergehenden Um¬
füllung herrührten, und daß die Schrauben ge winde oft rostig waren. Alles
dies weist auf eine geringe Sorgfalt bei Reinigung der verwendeten Vor¬
richtungen hin.
Während des Umfüllens selbst wurde häufig das Endmundstück des
Schlauches, welches in die Milchgefäße der Abnehmer eingebracht wird,
von dem mit der Umfüllung Beauftragten auf die Erde geworfen. Be¬
sonders au regnerischen Tagen konnten wir die durch den Schmutz
des Bodens hervorgebrachte starke Verunreinigung dieser Mundstücke
beobachten.
Dazu kommt noch, daß die Schläuche und ihre Verschraubungen
nicht an allen Stellen dicht waren, und hier Milch ausfloß. Um dies zu
verhüten, wurden die Undichtheiten, besonders am Mundstück, mit
schmutzigen Händen zu dichten versucht. Es lief dabei Milch über die
Hände der Leute in die Gefäße hinein!
Wurde eine Kanne bei diesem Umfüllen etwas zu voll, was häutig
vorkam, so wurde von dem Inhalte mittels eines Schöpfgefäßes in eine
1 Vgl. hierzu unter Abschnitt II: Sommermileh.
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Beschaffenheit dee ln Berlin eingeführten dänischen Milch. 179
andere Kanne übergefüllt. Dieses Schöpfgelaß wurde nicht etwa auf eine
reine Unterlage gestellt, wenn es nicht gebraucht wurde, sondern auf das
schmutzige Trittbrett des Eisenbahnwagens, so daß die Milch in den
Kannen auch noch durch den an den Schöpfgefäßen haftengebliebenen
Schmutz verunreinigt wurde.
Die den Abnehmern gehörenden Gefäße, in die die dänische Milch
aus den Tanks umgefüllt wurde, wurden oft noch unmittelbar vorher
ausgespült. Hierzu wurde aber nicht etwa frisches Wasser verwendet,
sondern das als Ballast mitgeführte Wasser des zweiten Tanks, das wo¬
möglich noch über den Boden und das Trittbrett des Tankwagens ge¬
flossen war.
Eine bakteriologische Untersuchung dieses Wassers ergab unzählige
Keime in einem Kubikcentimeter. Es ist klar, daß man diese Maßregel
nicht als eine Reinigung, sondern sogar als eine Verunreinigung der
Milchgefäße ansehen muß, und daß auch dadurch die Milch schädlich
beeinflußt werden muß.
Die Dauer des Transportes, sowie die Art der Verteilung
der Tankmilch sind geeignet, die dänische Milch nach ihrem
Abgänge aus Dänemark zu verschlechtern. Hier ist es un¬
bedingt nötig, durchgreifende Verbesserungen und Abstellung
der geschilderten Mißstände vorzunehmen, denn selbst die
beste Milch muß unter einer solchen Behandlung leiden.
Zugleich wird aufs strengste darauf zu achten sein, daß die Tanks
nach ihrer Entleerung hier einer gründlichen Reinigung unterworfen
werden, damit nicht etwa Milchreste Zurückbleiben, die später infolge
reichlicher Bakterien Wucherungen die frische Milch gleich am Abgangs¬
orte verderben können.
Wir haben zwar beobachtet, daß die Tanks völlig entleert werden
können, und daß nur wenig Milchreste darin Zurückbleiben. Ob aber die
hier beliebte Art der Reinigung mit heißer Sodalösung, wie oben schon
geschildert, diese Reste völlig zu entfernen vermag, entzieht sich unserer
Beurteilung, weil uns niemals Gelegenheit gegeben wurde, einer derartigen
Reinigung mit beizuwohneu.
Um einen Vergleich zu erhalten zwischen der eingeführten dänischen
und der im Berliner Handel befindlichen Milch, wurde neben der ersteren
auch hiesige Milch nach den oben angeführten Gesichtspunkten untersucht.
Die Zahl der aus Dänemark stammenden untersuchten Milchproben
betrug 13. Von den aus dem Berliner Handel untersuchten Proben
stammten fünf aus Kuhställen, deren Besitzer ihren Betrieb freiwillig
der Kontrolle der Tierärzte der Gesellschaft zur Bekämpfung der Säuglings-
12 *
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180
B. Pboskaueb, E. Seligmakn und Fr. Cboneb:
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Sterblichkeit unterstellt haben und frische, gekühlte Milch liefern sollen;
in den Tabellen sind diese Proben mit einem Stern versehen. Ferner
wurden neun Proben aus Berliner Milchhandlungen bezogen, die als
„Marktmilch“ oder „Kindermilch“ in den Tabellen bezeichnet sind.
Die Untersuchungsergebnisse, die im einzelnen aus den An¬
lagen zu ersehen sind, besagen folgendes:
A. Resultate der ohemlBohen Untersuchung.
1. Das spezifische Gewicht der dänischen Milch (bei 15 °C) schwankt
zwischen 1-033 und 1-035, im Mittel 1-033; dasjenige der Berliner
Milch zwischen 1-027 und 1-034, im Mittel 1-032.
2. Der Trockenrückstand betrug für dänische Milch im Durchschnitt
12-1 Prozent und lag zwischen 11*7 und 13-1 Prozent, derjenige der
Berliner Milch war im Mittel 11*8 Prozent und schwankte zwischen
11-0 und 12-6 Prozent
3. Der Fettgehalt war bei der dänischen Milch im Mittel 3-2 Prozent
und schwankte zwischen 2-9 und 3-7 Prozent, bei der Berliner Milch im
Mittel 3-1 Prozent und lag zwischen 2-5 und 3-5 Prozent
4. Der Schmutzgehalt war bei der dänischen Milch im Durchschnitt
etwas höher als bei der Berliner Milch. Bei den dänischen Proben
schwankte er zwischen 0 und 5, bei Berliner Milch zwischen 0 und 2
der Stutz er sehen Skala.
Die chemische Beschaffenheit der dänischen Milch ist nach
diesen Untersuchungen der Berliner Handelsmilch in mancher
Beziehung überlegen. Man ist vom chemischen Standpunkte
aus zu dem Urteile berechtigt, daß es sich hier um eine gute
Vollmilch handelt.
Da in der Tankmilch mehr Milchschmutz gefunden wurde, als in
der Kannenmilch, so ist die Erwägung berechtigt, ob nicht die Beförde¬
rung der Milch in Tanks von ungünstigem Einfluß auf ihre Reinerhaltuug
ist und daher noch der Verbesserung bedarf.
B. Resultate der bakteriologisohen und biologischen Untersuchungen.
1. Der Keimgehalt für 1 ccm Milch betrug bei der dänischen Milch
durchschnittlich und abgerundet 2 140000, mit Schwankungen von 380 000
bis unzählbar, bei der Berliner Milch durchschnittlich 567 000, und zwar
enthielt:
a) unter tierärztlicher Kontrolle stehende Milch 454 000, mit Schwan¬
kungen zwischen 14 000 und 1200 000;
Gck igle
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Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. 181
b) aus Handlungen stammende durchschnittlich 680 500, mit Schwan¬
kungen zwischen 43000 bis unzählbar.
Obwohl die Tankwagenmilch länger in den Tanks bis zu ihrer Ver¬
teilung sich befand, als die Kannenmilch, waren wesentliche Unterschiede
in der Keimzahl zwischen beiden Milcharten nicht bemerkbar.
2. Die dänische Milch zeigte durchschnittlich gleiche Zahlenwerte
für die „reduzierende Kraft“, wie die Berliner Milch.
Da die erstere fast durchweg erhitzt gewesen war, und erhitzte Milch
eine viel schwächere Reduktionskraft besitzt, als rohe (nicht erhitzte)
Milch, so müßte die dänische Milch eigentlich geringere Reduktionswerte
geben, als tatsächlich erhalten worden sind. Daß ihre Reduktionsenergie
dennoch ebenso hoch wie diejenige der unerhitzten Berliner Milch war,
läßt zunächst darauf schließen, daß seit der Erhitzung der dänischen
Milch bis zu ihrer Ankunft in Berlin, bzw. bis zu ihrer Untersuchung
ein längerer Zeitraum lag, der zu einer Fortentwicklung der durch die
vorangegangene Erhitzung der Milch nicht abgetöteten Keime beitrug.
3. Die katalysierende, d. h. Wasserstoffsuperoxyd zersetzende Kraft
der dänischen Milch war viel schwächer, als die der Berliner Milch.
Diese Erscheinung kann einmal durch die vorangegangene Erhitzung be¬
dingt sein, weil die Erhitzung die katalysierende Kraft vermindert, dann
aber auch durch die starke Vermehrung von anderen Keimen (besonders
Milchsäurebildnern), die die Katalyse unterdrücken.
4. Was die Erhitzung der dänischen Milch bald nach ihrer Ge¬
winnung anlangt, so war bei den aus Aarhus stammenden Proben eine
stattgehabte Erhitzung durch die weiter unten näher geschilderten Me¬
thoden (reduzierende und katalysierende Wirkung, Oxydasen- und Albumin¬
probe) nicht nachweisbar. Die aus Horsens und Holby angelangte Milch
ist durchweg erhitzt gewesen. Diese Erhitzung kann aber nicht jedesmal
gleich hoch gewesen sein, denn der Ausfall der Prüfungen läßt auf
Schwankungen in den angewandten Temperaturen von 72 bis über 85° C
schließen.
5. Die für den Nachweis der Erhitzung angewandten Untersuchungs¬
methoden ergeben in ihrer Gesamtheit zugleich ein Bild von dem „Frische¬
zustand“ der untersuchten Milch. Danach müssen die meisten Proben
dänischer Kannenmilch nach ihrer Erhitzung und eventuellen Kühlung
Bedingungen ausgesetzt gewesen sein, die ihre Frische, d. h. ihre ur¬
sprüngliche bakteriologische Beschaffenheit vor dem Versand schädlich be¬
einflußt haben.
Im Verhältnis dazu war die Tankmilch in zwei von drei Proben als
„frischer“ zu bezeichnen gewesen, trotzdem diese beiden Proben nach-
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Original frum
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182
B. Pboskauee, E. Seligmann und Fe. Cbonee:
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weislich längere Zeit unterwegs gewesen waren. Die dritte Probe, die
auch den höchsten beobachteten Schmutzgehalt gezeigt hatte, ist zweifellos
Verunreinigungen in höherem Maße ausgesetzt gewesen, als die anderen
Proben.
6. Der Grad der Säuerung der dänischen Milch war nach ihrer An¬
kunft ein ebenso niedriger, wie bei der frischen Berliner Milch.
Die Säuerung der dänischen Milch schritt aber beim Aufbewahren
im allgemeinen schneller vorwärts, als bei der Berliner Milch und führte
meist schon am 8. Tage zur Gerinnung, die bei den Berliner Milchproben
am 3. oder 4. Tage, bisweilen auch später, eintrat.
7. Die Alkoholprobe (zur Prüfung der „Gerinnungsneigung“) fiel bei
dänischer Milch einmal schon kurz nach der Entnahme positiv aus (Tank¬
wagenmilch), sonst stets am 2. Tage. Die Berliner Milch ergab nie am
1. Tage, sondern entweder am 2. oder am 3. Tage positive Resultate.
Entsprechend den Befunden der Alkoholprobe fielen diejenigen der
Kochprobe aus.
8. Die oben angeführten Ergebnisse zeigen, daß die dänische Milch
keimreicher hier ankommt, als die vormittags in Berlin gekaufte Milch
befunden wurde. Ferner ist die dänische mehr zur Säuerung und Ge¬
rinnung geneigt, als die Berliner Milch. Die sonstigen Unterschiede bio¬
logischer Art sind nur gering.
Immerhin kann man sagen, daß die dänische Milch in einem
Zustande hier eintrifft, der ihre Verwendung als Nahrungs¬
mittel, auch vom hygienischen Standpunkte aus, als zulässig
erscheinen läßt.
Zur Ernährung von Säuglingen ist sie in dieser Form nicht
geeignet.
Daß die dänische Milch nach einer Beförderung von längerer Dauer
und dann noch bei teilweise unsachgemäßer Behandlung in so relativ
wenig verändertem Zustande in den Handel gelangt, ist mit als ein Be¬
weis für ihre ursprüngliche Güte anzusehen. Eine minder gute Milch
würde unter diesen Umständen schon unbrauchbar geworden sein. Diese
Tatsachen sprechen zugleich dafür, daß die Gewinnung und Behandlung
der Milch an ihrem Ursprungsorte eine zweckmäßige ist.
Wenn daher dafür Sorge getragen wird, daß der Transport der
dänischen Milch hierher so schnell als möglich erfolgt, daß dabei die
Milch, namentlich in der warmen Jahreszeit, in ausreichender und sach¬
gemäßer Weise gekühlt wird, daß die Gefäße, in denen die Beförderung
stattiindet, sofort nach ihrer Entleerung gründlich gereinigt werden, und
daß schließlich bei ihrer Verteilung die größte Sauberkeit angewandt
Gck igle
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Beschaffenheit deb in Berlin eingefühbten dänischen Milch. 183
wird, dann wird man in der dänischen Milch ein einwandfreies Nahrungs¬
mittel besitzen, das in keiner Beziehung der hiesigen Milch nachsteht.
Dies trifft auch hinsichtlich des Vorkommens von Tuberkel¬
bazillen zu. Von der aus dem Berliner Handel bezogenen Milch ließen
sich in denjenigen fünf Proben, welche aus den unter tierärztlicher Kon¬
trolle stehenden Molkereien herstammten und Säuglingsmilch vorstellten,
Tuberkelbazillen nicht auffinden. Dagegen waren fünf von neun Proben,
die aus hiesigen Verkaufsläden stammten, tuberkelbazillenhaltig; es würde
dies 55-5 Prozent dieser Proben entsprechen.
Bei dänischer Milch erwiesen sich von 13 untersuchten Proben fünf
als mit Tuberkelbazillen infiziert. Dies entspricht 38 >5 Prozent der Proben.
Selbst, wenn man in die Berechnung obige fünf Säuglingsmilchproben,
die frei von Tuberkelbazillen waren, mit hineinzieht, würde sich bei der
dänischen Milch das prozentuale Vorkommen von Tuberkelbazillen un¬
gefähr gleich wie bei der Berliner Milch verhalten, denn in diesem Falle
würden 35*7 Prozent der letzteren mit Tuberkelbazillen behaftet ge¬
wesen sein.
Spezieller Teil.
A. Chemisohe Untersuchungen.
Die chemische Untersuchung der Milchproben erstreckte sich gemäß
der gestellten Aufgabe auf die Prüfung derjenigen physikalischen und
chemischen Eigenschaften, die für die Beurteilung des physiologischen
und hygienischen Wertes der Milch von Bedeutung sind, nämlich auf:
1. das spezifische Gewicht,
2. die Menge der Trockensubstanz,
B. den Gehalt an Fett,
4. den Schmutzgehalt.
Die Nummerierung der Milchproben entspricht derjenigen der Schlu߬
tabelle.
I. Das spezifische Gewicht der Milch wurde in allen Fällen mit der
Mohrschen Wage bestimmt. Es wurden folgende auf 15° C umgerechnete
Werte erhalten:
A. Gewöhnliche Berliner Handelsmilch.
Milch IH.
. 1-027
Milch XV.
1-032
Milch XX.
1-031
» ix.
. 1-033
XVI.
1-033
., XXII.
1-032
„ XIII.
. 1-031
,. XVIII.
1-032
.. XXIII.
1-033
Durchschnitt 1-032 bei 15° C.
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184
B, Pboskaueb, £. Seligmann und Pb. Cboneb:
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B. Tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
Milch I. 1-032 Milch X.
„ II. 1-030 „ XII.
„ VIII.1-034
Durchschnitt: 1-032 bei 15° C.
C. Dänische Milch.
1. Aus Horsens:
Milch V . . . . 1-032 Milch XXVI ....
„ XXY .... 1-033 „ xxvn ....
Durchschnitt: 1-033 bei 15° C.
2. Milch aus Aarhus:
Milch IV. 1-033.
„ VII. 1-033.
Durchschnitt: 1-033 bei 15° C.
3. Milch aus Holby:
Milch VI ... . 1-033 Milch XIX ....
„ XI ... . 1-033 „ XXI ... .
„ XIV ... . 1-033 „ XXIV ....
„ XVII .... 1-033
Durchschnitt: 1-034 bei 15° C.
Aus obigen Zusammenstellungen ergibt sich, daß das spezifische Ge¬
wicht der dänischen Milch im Durchschnitt etwas höher ist, als das der
Berliner (1-033 bis 1*034:1-032). Die Berliner Milch zeigte jedoch stärkere
Schwankungen: Berliner Handelsmilch 1-027 bis 1*033, Berliner Milch
unter tierärztlicher Kontrolle 1-030 bis 1*034, Berliner Milch überhaupt
1-027 bis 1-034. Die spezifischen Gewichte der dänischen Milch dagegen
liegen zwischen 1-032 und 1-035, und zwar beträgt das spezifische Ge¬
wicht bei der Horsenser Milch 1-032 bis 1-035, das der Aarhuser 1-033,
bei der Holbyer 1-033 bis 1-035.
II. Trockenrückstand und Fettgehalt.
Die Bestimmung des Trockenrückstandes und des Fettgehaltes wurde
bei sämtlichen Proben mit ziemlich den gleichen Substanzmengen aus¬
geführt. Es gelangten durchschnittlich 10 s™ Milch zur Verarbeitung.
Diese wurden in mit gereinigtem, ausgeglühtem Sand gefüllten Hof¬
meister sehen Schälchen bis zum konstanten Gewicht bei etwa 100° ge¬
trocknet und die Gewichtsabnahme bestimmt (Trockenrückstand). Der
Rückstand wurde dann quantitativ zerrieben und im Soxhletsehen Ex¬
traktionsapparat mit Äther behandelt. Der Ätherrückstand wurde ge¬
trocknet und gewogen: (Fett).
1-033
1-032
1-033
1-033
1-033
1-035
1-035
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eenqefühbten dänischen Milch. 185
Trockenrflckstand.
A. Gewöhnliche Berliner Handelsmilch.
Milch
iii
. . 12-6 Prozent
Milch XVIII .
. 11*0 Prozent
11
IX
. . 11-9 „
„ XX .
. 11-4 „
11
XIII
• • H-7 „
„ XXII .
. 11-8 „
11
XV
. . 11-7 „
„ XXIII .
. 117 „
11
XVI
. . 11*9 „
Durchschnitt:
11-7 Prozent.
B.
Tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
Milch
I
nicht bestimmt.
Milch X .
. 11*4 Prozent
♦r
II
. . 12*2 Prozent
„ XII .
• 11-8
XJL • • IM - Ld
„ VIII . . 12-2
Durchschnitt: 11-9 Prozent.
Durchschnitt für Berliner Milch überhaupt: 11*8 Prozent.
C. Dänische Milch.
1. Aus Horsens:
Milch V . . 12*1 Prozent Milch XXVI .
„ XXV . . 11-7 „ „ XXVII .
Durchschnitt: 11-9 Prozent
11-8 Prozent
11 -9
11
2. Aus Aarhus:
Milch IV . .
„ VII . .
Durchschnitt:
3. Aus Holby:
Milch VI . . 12*3 Prozent
XI . . 12-3
XIV . . 12-3
XVII . . 12-1
11
11
11
11
11
11
. 11-8 Prozent
. 12-2 „
12*0 Prozent
Milch XIX .
XXI . ,
XXIV .
11
Durchschnitt: 12*3 Prozent.
12*0 Prozent
12.3 „
13-1 ..
Durchschnitt für dänische Milch überhaupt: 12*1 Prozent.
Fettgehalt.
A. Gewöhnliche Berliner Handelsmilch.
Milch
III .
. 3*3 Prozent
Milch XVIII .
. 2*5 Prozent
11
IX .
• 3-1 „
„ xx .
• 2-8 „
11
XIII .
• 3-2 * j
., XXII .
. 3-0 „
,,
XV .
• 3-3 „
„ XXIII .
. 3-3 .,
11
XVI .
• 3*2 „
Durchschnitt:
3-1 Prozent.
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Original from
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186
B. Pboskaüeb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
B. Tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
Milch I . . 3*1 Prozent Milch X . . 2*8 Prozent
„ II . . 3-5 „ „ xn . . 3 0 „
„ vm . . 2.8 „
Durchschnitt: 3-04 Prozent.
Durchschnitt des Fettgehaltes der Berliner Milch: 3-1 Proz.
C. Dänische Milch.
1. Ans Horsens.
Milch V . . 3-4 Prozent
Milch XXVI .
. . 2 • 9 Prozent
„ XXV . . 2.9 „
„ XXVII .
. 3-0 „
Durchschnitt:
3*1 Prozent.
2. Aus Aarhus:
Milch IV . .
2*9 Prozent
„ VII . .
3-0 „
Durchschnitt:
2*95 Prozent.
3. Aus Holby:
Milch VI . . 3*2 Prozent
Milch XIX .
. 3 ♦ 2 Prozent
„ XI . . 3.4 „
„ XXI .
. 3-5 „
., XIV . . 3-5 .,
„ XXIV .
• 3-7 „
„ XVH . . 3-2 „
Durchschnitt:
3-4 Prozent
Durchschnitt des Fettgehaltes
der dänischen
Milch: 3*2 Proz
Aus den angeführten Zahlen ergibt sich folgendes:
Das spezifische Gewicht der Berliner Milch lag nur einmal, und zwar
bei einer gewöhnlichen Handelsmilch (Nr. III) unter der in § 4 der Berliner
Polizeiverordnung vom 15. III. 1902 festgelegten Grenze (1*028 bei 15°).
Die dänische Milch hatte niemals diese Grenze unterschritten.
Der Rückstand aller Berliner Milchproben mit 11-8 Prozent im
Durchschnitt war geringer, als der der dänischen mit 12-1 Prozent Er
schwankte bei der Berliner Milch zwischen 11-0 und 12*6 Prozent, und
zwar bei der gewöhnlichen Handelsmilch zwischen 11*0 und 12*6 Prozent,
bei der unter tierärztlicher Aufsicht stehenden zwischen 11*4 und
12*2 Prozent Von den neun untersuchten Handelsmilchproben hatten
zwei (Milch Nr. 18 und 20) einen Trockenrückstaud, der geringer war.
als er sonst für Berliner Vollmilch gefunden wird. Von vier untersuchten,
unter tierärztlicher Aufsicht stehenden Milchproben ergab eine (Milch
Nr. X) einen Rückstand von nur 11*4 Prozent. Außergewöhnlich hohe
Rückstandswerte wurden bei keiner der untersuchten Berliner Milchproben
beobachtet.
Difitized
bv Google
Original frnm
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Beschaffenheit dek in Berlin eingeführten dänischen Milch. 187
Bei der dänischen Milch kamen Rückstandsschwankungen zwischen
11*7 und 13*1 Prozent vor, und zwar lagen die Rückstandswerte hei der
Milch aus Horsens zwischen 11*7 und 12-1 Prozent, bei der aus Aarhus
zwischen 11*8 und 12*2 Prozent und hei der aus Holby zwischen 12*0
und 13-1 Prozent. Bemerkenswert niedrige oder hohe Zahlen haben sich
also nicht ergeben.
Die oben erwähnte Polizeiverordnung gibt keine Bestimmungen über
die Höhe des Rückstandes an. Die dänische Milch zeigte Rückstände, die
nie unter den sonst angegebenen Grenzen lagen.
Über den Fettgehalt der untersuchten Milchproben ist folgendes zu
sagen:
Berliner Milch enthielt im Durchschnitt 3*1 Prozent Fett (Handels¬
milch 3*1 Prozent, die unter tierärztlicher Aufsicht stehende 3*04 Pro¬
zent), dänische Milch dagegen im Durchschnitt 3-2 Prozent Fett (die
aus Horsens 3*1 Prozent, die aus Aarhus 2*95 Prozent und die aus
Holby 3-4 Prozent). Bei der Berliner Handelsmilch schwankte der Fett¬
gehalt zwischen 2*5 und 3*3 Prozent, bei der unter tierärztlicher Auf¬
sicht stehenden Milch zwischen 2*8 und 3*5 Prozent. Bei der ersteren
Art hat eine Probe (Milch XY1H) einen für Vollmilch unzulässig niedrigen
Fettgehalt, die andere Art zeigte keine ungewöhnlichen Werte.
Bei der dänischen Milch finden wir Werte für Fett zwischen 2 • 9 und
3*7 Prozent, und zwar bei Horsens 2-9 bis 3-4 Prozent, bei Aarhus
2-9 bis 3*0 Prozent, bei Holby 3-2 bis 3-7 Prozent. Die Berliner
Polizeiverordnung vom 15. IH. 1902 verlangt für Marktmilch mindestens
einen Fettgehalt von 2*7 Prozent.
Schmutzgehalt: Der mehr oder minder hohe Gehalt der Milch an
Schmutzteilen läßt einen Rückschluß zu auf die Sauberkeit der Gewinnung,
sowie der späteren Behandlung der Milch und steht mit dem Bakterien¬
gehalte im engsten Zusammenhänge.
Um vergleichbare Werte für den Schmutzgehalt der verschiedenen
Milchproben zu haben, muß man ein quantitatives Bestimmungsverfahren
auwenden, z. B. das Fliegelsche Verfahren. Für uns war der Milch¬
schmutzprüfer von Fliegei nicht anwendbar, weil die dazu benötigte
Menge von jedesmal 1 Liter nicht entbehrt werden konnte, und es auch
für den hier in Frage kommenden Zweck genügte, approximative Werte
zu erhalten, wie sie die Stutzersche Methode liefert. Daher wurde der
Stutzersche Apparat angewandt, bei dem der abgesetzte Milchschmutz
an einer Skala abgelesen wird. Stutzer gibt an: 0 bis 1 seiner Skala
= genügend reine Milch, mehr als 1 der Skala = nicht genügend reine
Milch (auf 500 com Milch bezogen). Die Resultate nach diesem Verfahren
waren die folgenden:
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188
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fe. Ceonee:
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A. Gewöhnliche Berliner Handelsmilch.
Milch
III
Schmntzgehalt:
fast 0.
11
IX
11
1.
11
XIII
11
v*.
11
XV
11
Spur.
11
XVI
11
fast 2.
„ XVIII
11
Spur.
11
XX
11
Spur.
11
XXII
11
weniger als ] / 2 .
11
XIII
11
Vr
. Tierärztlich kontrollierte
Berliner Milch.
Milch
I
Schmutzgehalt:
Spur.
11
n
11
Spur.
11
VIII
11
0 .
11
X
11
Vr
11
XII
11
Spur.
C. Dänische Milch.
1. Aus Horsens:
Milch V
Schmutzgehalt:
nicht untersucht.
„ xxv
11
5.
„ XXVI
11
17*.
„ XXVII
11
etwas über 1 j 2 .
Aarhus:
Milch IV Schmutzgehalt: Milch war geronnen während des Versuches.
VII „ fast 0.
8. Aus Holby:
Milch VI Schmutzgehalt: nicht untersucht.
XI
11
Vr
XIV
11
IVr
XVII
Milch war geronnen während des Versuches.
XIX
% 1
3 /*-
XXI
11
3/
/ 4*
XXIV
11
über 1 /.,.
Aus diesen
Zahlen
ergibt sich für den Schmutzgehalt der unter-
suchten Proben:
1. Berliner Handelsmilch.
Der Schmutzgehalt ist im allgemeinen ein geringer; nur eine Probe
(Nr. XVI) zeigt stärkere Verunreinigung (fast 2 nach der Stutzerschen
Skala).
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Beschaffenheit heb in Berlin eingeführten dänischen Milch. 189
2. Tierärztlich kontrollierte Milch.
Der Schmutzgehalt ist sehr gering (nur einmal V 2 der Skala, sonst
0 und Spur).
3. Dänische Milch.
Der Schmutzgehalt ist durchschnittlich höher als hei Berliner Milch.
Zahlen werte über 1 wurden dreimal (Milch XIV, XXV, XXVI) beobachtet.
Die höchste gefundene Schmutzzahl unter allen Proben wies Milch XXV
(Tankwagen) auf. Sie erreichte die Zahl 5 der Stutzerschen Skala.
B. Biologisohe Untersuchung. <•
a) Bestimmung des Keimgehalts der Milch.
Die Bestimmung der Keimzahl in l ccm Milch hat heute nicht mehr
die große Bedeutung, die man ihr früher beigelegt hat. Ein größerer
Wert wird mit Recht auf die Keimarten gelegt, als auf die Keimzahl.
Eine Milch, die faulig wird, wie es unter den untersuchten Milchproben
allerdings nicht vorkam, ist zu verwerfen, gleichgültig, ob ihr Keim¬
gehalt, in Zahlen ausgedrückt, ein hoher oder ein niedriger ist. Ebenso
muß eine Milch, die einen hohen Zahlenwert der normalen, harmlosen
Milchflora darstellt, hygienisch höher bewertet werden, als eine sehr keim-
arme, die unter den wenigen Keimen, die sie enthält, pathogene Arten
aufweist.
Wenngleich also die Bedeutung der Keimzahl nicht überschätzt werden
darf, so können außergewöhnlich hohe Zahlenwerte immerhin ein bedenk¬
liches Zeichen sein, das einmal auf unreinliche Gewinnung und unzweck¬
mäßige Behandlung, ein anderes Mal auf längere Aufbewahrungszeit und
höheres Alter der Milch hiuweist, wenn die Bestimmung des Säuregrades
noch keinen Anhaltspunkt dafür gibt. Bekanntlich geht ja nach Soxhlet
der offensichtlichen Säurebildung ein Inkubationsstadium voraus, in dem
eine starke Vermehrung der Milchsäure bildenden Bakterien statthat, ohne
daß gleichzeitig sofort Säure gebildet wird. Findet man ferner in erhitzt
oder pasteurisiert gewesener Milch hohe Keimzahlen, die die Durchschnitts¬
werte bei roher Milch noch übertreffen, so kann man auch hieraus wieder
auf längere Aufbewahrungszeit nach dem Pasteurisieren, bei dem ja ein
großer Teil der vegetativen Bakterienformen vernichtet wurde, oder auf
nachträgliche Verunreinigung schließen.
Auf Grund dieser Überlegungen wurde die Bestimmung der Keim¬
zahl systematisch ausgeführt, und zwar nach folgender Methodik, die sich
in einer Reihe von Vorversuchen als die geeignetste erwiesen hatte:
Die Keimzählung war die erste Untersuchung, die mit der frisch an¬
gekommenen Milch ausgeführt wurde. Mit einer sterilen Pipette wurde
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190
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
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aus der Flasche etwas Milch entnommen; davon wurden 2 Tropfen in 10 wai
bei 29° verflüssigter Gelatine getropft und durch vorsichtiges Neigen des
Reagensglases möglichst fein verteilt. (Die gleiche Pipette wurde später
nochmals mit Milch gefüllt und dann die Zahl der Tropfen bestimmt,
die l ccm entsprechen.)
Aus dem Milchgelatinegemisch wurde sodann mit einer zweiten sterilen
Pipette l ccm entnommen und in 10 ccm frische, verflüssigte Gelatine ge¬
bracht, fein verteilt und in eine sterile Petrischale gegossen. Dieser Vor¬
gang wurde sodann an zwei weiteren Röhrchen mit je lO ccm Gelatineinhalt
wiederholt, so daß zur Keimzählung drei Platten zur Verfügung standen.
Nach dem Erstarren wurden die Platten 24 Stunden lang bei 22“ C
gehalten; die Zählung der nach dieser Zeit zur Entwicklung gelaugten
Kolonien wurde bei schwacher Vergrößerung unter dem Mikroskope vor¬
genommen. Es wurden von jeder Platte 20 bis 25 Gesichtsfelder aus-
gezählt und danach die Keimzahlen für die einzelnen Platten berechnet.
Die erhaltenen Werte stimmten für die drei verschiedenen Platten meist
ganz gut überein. Als Grundlage für die Berechnung der Keimzahl
in l cem diente das arithmetische Mittel aus den drei gefundenen Werten:
1. Berliner Handelsmilch.
III .
838 950
IX .
00
(erhitzt gewesen)
XIII .
193 500
XV .
42 950
XVI .
669 200
(erhitzt gewesen)
XVIII .
319 900
XX .
3S5 100
XXII .
2 056 000
XXIII .
937 800
2. Tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
Milch I . . . . 740 250 Milch X . . . . 170 375
,, II ... . 1 184400 „ XII ... . 14100
., VIII .... 162 432
3.
Dänische Milch.
Milch
IV
(Aarhus)
6 237 200
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V
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(Aarhus)
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit deb in Berlin eingeführten dänischen Milch. 191
Milch
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XIV
(Holby)
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(
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(Holby)
4 023 200
(
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XIX
(Holby)
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(Holby)
1014 000
(
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XXIV
(Holby)
2 604000
(
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(Horsens)
00
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XXVI
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(Horsens)
(Horsens)
1762 000
494 000
(
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” }
„ ) 1
Mit oo wurde
die Keimzahl dann
bezeichnet,
wenn die
Zahl der
Kolonien in einem Gesichtsfelde nicht mehr zählbar war.
Aus diesen Zahlen ergeben sich folgende Durchschnittswerte:
1. Für Berliner Handelsmilch.
Niedrigste, gefundene Keimzahl: 42 950.
Höchste, gefundene Keimzahl: oo (1 mal).
Durchschnittszahl (mit Ausnahme von Milch IX): 680425.
2. Für tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
Niedrigste, gefundene Keimzahl: 14100.
Höchste, gefundene Keimzahl: 1 184 400.
Durchschnittszahl: 454 311.
3. Für dänische Milch.
Niedrigste, gefundene Keimzahl: 381 640.
Höchste, gefundene Keimzahl: oo (2 mal).
Durchschnittszahl (mit Ausnahme von Milch XIX u. XXY): 2138806.
Zu berücksichtigen ist, daß die Durchschnittszahl für Gruppe I bei
Mitberechnung von Milch IX noch etwas höher, für Gruppe III bei
Mitberechnung von Milch XIX und XXY noch wesentlich höher aus-
fallen müßte.
b) Bestimmung der reduzierenden Energie der Milch.
Frische, rohe Milch hat reduzierende Eigenschaften, sie vermag
Schwefel zu Schwefelwasserstoff zu reduzieren, sie entfärbt Farbstoffe, wie
Indigo, Methylenblau u. a. m. Die reduzierende Energie verschiedener
Milcharten ist individuell verschieden; die Energie jeder Milch nimmt
1 Diese Milch kam nachmittags um V 2 3 Uhr im Institut an, wurde sofort auf
Eis gelegt und bis zum nächsten Morgen aufbewahrt, dann erst untersucht. Da¬
durch sollten die Verhältnisse einigermaßen nachgeahmt werden, wie sie in der
Praxis vorliegen.
Digitized by
Gck igle
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
192
B. Pboskaueb, E. Seligma-nn und Fb. Cboneb:
Digitized by
beim Stehen und Älterwerden zu, und zwar ziemlich gleichlaufend mit
der zunehmenden Säuerung. Durch Erhitzen über bestimmte Temperaturen
hinaus verliert die Milch ihre reduzierenden Eigenschaften, so daß
Schardinger 1 das Fehlen der Reduktionskraft zum Nachweis statt¬
gehabter Erhitzung benutzt hat. Einimpfen von roher Milch oder gewissen
Milchbakterien in erhitzt gewesene Milch hat das Wiederauftreten redu¬
zierender Körper in der erhitzten Milch zur Folge. Auf Grund dieser
und anderer Eigenschaften der „Reduktasen“, die durch Untersuchungen
im Institut für Infektionskrankheiten* festgestellt worden waren, führt
man die Reduktion auf Lebensäußerung von Bakterien oder auf deren
Stoffwechselprodukte zurück. Von Smidt 3 ist ein quantitatives Verfahren
der Bestimmung der reduzierenden Energie einer Milch ausgearbeitet
worden, das wir mit geringfügigen Modifikationen gleichfalls angewandt
haben. Je höher die reduzierende Energie einer Milch ist, um so höher
ist nach Smidt auch ihr Bakteriengehalt, und da die reduzierenden
Bakterien allem Anschein nach in der Milch ähnliche Lebensbedingungen
finden wie die Milchsäurebildner, so läßt sich aus der Höhe der redu¬
zierenden Energie frischer Milch nach Smidt ein Schluß auf die Haltbar¬
keit bzw. Säuerung dieser Milch ziehen.
Zu beachten ist jedoch, daß erhitzt gewesene Milch nicht erheblich
reduziert. Findet man in einer solchen Milch irgendwie beträchtliches
Reduktionsvermögen, so läßt dies auf nachträgliche stärkere Bakterien¬
entwicklung schließen.
Die quantitative Methode zur Bestimmung der reduzierenden Energie
der Milch ist folgende: In sterile Reagensgläschen werden abfallende
Mengen der zu untersuchenden Milch gebracht und mit drei Tropfen
einer Methylenblaulösung versetzt, die aus einer Stammlösung:
Methylenblau 1 • 0
Alkohol absolut. 20 • 0
Aqu. dest. 29*0
durch Verdünnung von 1:250 mit steriler physiologischer Kochsalzlösung
hergestellt wird. Jedes der Röhrchen wird dann durch Zusatz einer in¬
differenten, sterilen Flüssigkeit auf einen Inhalt von 4 ccm gebracht und
mit Paraffiuöl überschichtet, zur Erzielung eines möglich sicheren Luft¬
abschlusses. Als indifferente Auffüllfiüssigkeit nimmt Smidt sterilisierte
Milch. Wir haben meist sterile physiologische Kochsalzlösung vorgezogeu.
1 Zeitschrift für Untersuchung der JSahrungs- und Genußmittel . 1902. Bd. V.
S. 1113.
a Seligmann, Diese Zeitschrift . 1906. Bd. LII. S. 161.
8 Hygien. Rundschau. 1904. Nr. 23.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. 193
da sich Milch, welche so sterilisiert ist, daß sie das Resultat nicht mehr
beeinträchtigt, nur sehr schwer gewinnen ließ. Es trat nämlich mitunter
bei dem regelmäßig auf 24 Stunden ausgedehnten Aufenthalt im Brut¬
schrank auch in dem Kontrollröhrchen (0 cem rohe, 4 ccm „sterile“ Milch)
eine Reduktion auf. Kochsalzlösung dagegen ist leicht zu sterilisieren
und absolut zuverlässig.
1. Berliner Handelsmllcli.
Milch III (von H.). Keimzahl 838 950.
Menge
der Milch
7* Stunde |
1 Stunde
Nach
2 Stunden
8 Stunden
24 Stunden
4*0 ccm i
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Auf¬
bewahrung
im Brut¬
schrank
bei 37°.
Milch IX (von B.). Keimgehalt oo. Erhitzt gewesen.
Menge
der Milch
1 Stunde
N a
2 Stunden
c h
8 Stunden
24 Stunden
j Bemerkungen
4*0 ccm
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blau
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Milch XIII (von D.)
Keimzahl 193 500.
Menge
der Milch
1 Stunde
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2 Stunden
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3 Stunden
24 Stunden
1
Bemerkungen
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Zeitschr. f. Hygiene. LVJI.
13
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
194 B. PnosKAUEB, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
Milch XV (von R.). Keimzahl 42 950.
Menge
der Milch
1 Stunde
N a
2 Stunden
c h
3 Stunden
24 Stunden
i
Bemerkungen
4.0 ccm
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blau
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wie oben.
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Milch XVI (von B.). Keimzahl 669 200. (Erhitzt gewesen.)
Menge
der Milch
1 Stunde
N a
2 Stunden
c h
3 Stunden
24 Stunden
| Bemerkungen
4*0 ccm
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Milch XVIII (von G.). Keimzahl 319 900.
Der Versuch ist mißglückt, da auch die Kontrolle reduziert hat.
Die Auffüllung geschah hier ausnahmsweise mit „steriler“ Milch.
Milch XX (von Z.). Keimzahl 385100.
Menge
der Milch
1 Stunde
Na
2 Stunden
c h
3 Stunden
24 Stunden
Bemerkungen
4«0 ccm
blau
blau
blau
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wie oben.
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blau
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yy
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yy
Difitized by
Go igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. 195
Milch XXII (von G.). Keimzahl 2056 000.
Menge
der Milch
1 Stunde
N a
2 Standen
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3 Stunden
24 Stunden
Bemerkungen
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2. Tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
Milch I (von Wi.). Keimzahl 740 250.
Menge
der Milch
1 Stunde
Na
2 Stunden
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3 Stunden
24 Stunden
Bemerkungen
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Keimzahl 1
184 400.
Menge
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Bemerkungen
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13*
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
196
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B. Pboskaüeb, E. Seligmamn und Fe. Cboneb:
Milch YIH (von F.)
Keimzahl 162 482.
Menge j
der Milch
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Keimzahl 6 237 200.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. 197
Milch V (Horsens). Keimzahl 662 250. Erhitzt gewesen.
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Milch VI (Holby). Keimzahl 4 886 800.
Erhitzt gewesen.
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Milch VII (Aarhus).
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Milch XI (Holby). Keimzahl 381640.
Erhitzt gewesen.
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Go igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
198
B. Pboskaubb, E. Sejjgmann und Fb. Cbonke:
Milch XIV (Holby). Keimzahl 678 700. Erhitzt gewesen.
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Menge
der Milch
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Milch XYII (Holby). Keimzahl 4023200. Erhitzt gewesen.
Menge
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Milch XIX (Holby). Keimzahl oo. Erhitzt gewesen.
Menge
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Milch XXI (Holby). Keimzahl 1014000. Erhitzt gewesen.
Menge
der Milch
1 Stunde
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. 199
Milch XXIV (Holby). Keimzahl 2604 000. Erhitzt gewesen.
Menge
der Milch |
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Milch XXV (Horsens). Keimzahl oo. Erhitzt gewesen.
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ii
blau
l / 2 entfärbt
ii
ii
ii
blau
»
ii
ii
ii
ii
1
ii
ii
ii
blau
ii
ii
ii
i
ii
ii
ii
!
ii
ii
ii
ii
i
4«Q ccm
2-0
1-0 „
0-75 ..
0-5 „
0-25 „
0-1 „ I
0 (Kontrolle) ||
MA\c\i ^XXVI (Horsens). Keimzahl 1 762000. Erhitzt gewesen.
Menge
der Milch
1 Stunde
N a
2 Standen
c h
8 Stunden
Bemerkungen
24 Stunden ||
4*0 ee “
blau
blau
blau
entfärbt wie oben.
2-0
ii
ii
1-0
ii
ii
0*75 „
V
ii
blau
0*5 ..
11
ii
ii
0-25 ..
ii
ii
o-i
»
ii
0 (Kontrolle)
91
11
ii
ii
Milch XXVII (Horsens). Keimzahl 494000. Erhitzt gewesen.
Menge
der Milch
*
1 Sfonje
N a
2 Stunden
c h
3 Stunden 24 Stunden
4*0 «=“
blau
blau
blau
entfärbt
2-0 „
ii
11
ii
1-0
ii
ii
11
ii
0-75
ii
ii
blau
0-5 „
ii
ii
0*25 „
ii
ii
o-i „
n
ii
ii
0 (Kontrolle)
ii
ii
ii
ii
Bemerkungen
wie oben.
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Gck igle
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized by
200 B. Proskauer, E. Sedigmann und Fr. Croner:
Es ist das erste Mal, daß diese der neuesten Zeit entstammende
Uutersuchungsmethode an einem größeren Material nachgeprüft worden
ist. 1 Es hat sich hierbei ergeben, daß die Übereinstimmung zwischen
Keimzahl und Reduktionsenergie keineswegs eine vollkommene ist, wenn
auch die Zahlenwerte dieser beiden Untersuchungsreihen einigermaßen
parallel gehen. Sehr wahrscheinlich spielen, abgesehen von dem ungleichen
Einfluß verschiedener Bakterienarten, individuelle Schwankungen, die vom
Futter, von der Gegend der Erzeugungsstätte usw. abhängig sein mögen,
eine Rolle, ähnlich wie bei der Wasserstoffsuperoxyd zersetzenden Kraft
der Milch. Man darf also aus den gefundenen Werten keine zu weit¬
gehenden Schlüsse ziehen, jedoch geben sie, wie dies noch auseinander¬
gesetzt werden soll, im Verein mit den anderen Untersuchungsmethoden
wertvolle Fingerzeige.
Nimmt man diejenige Menge Milch* als Maß ihres Reduktions¬
vermögens, die in der aus den vorstehenden Tabellen ersichtlichen Skala
als geringste Milchmenge noch wenigstens das halbe Volumen des
Röhrcheninhalts entfärbt hat, so erhält man folgende Werte:
1. Berliner Handelsmilch.
Milch
III ... .
IX ... .
XIII . . . .
77
XV ... .
»
XVI ... .
77
XVIII . . . .
77
XX ... .
77
XXII . . . .
77
XXIII . . , .
Im Durchschnitt: 0*92 ocm Mi
0-1
ccm
2-0
7 )
(erhitzt
gewesen)
0-5
77
0-5
77
2-0
77
(erhitzt
gewesen)
0-25
77
77
1-0
77
1-0
77
als geringste reduzierende Menge.
2. Tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
Milch
I . .
. . 0*5 ccra
Milch X . .
. . 2-0 ccm
77
II . .
. . 0*1 „
„ XII . .
. . 0-25 „
77
VIII . .
. . 0-1 „
Im Durchschnitt: 0*59 ccm Milch als geringste reduzierende Menge.
1 Nach Abgabe dieses Berichtes sind von P. Th. Müller, Archiv f. Hygiene,
1906, Bd. LYI, S. 108, Versuche veröffentlicht worden, bei denen gleichfalls eine
Nachprüfung der Methode an einer größeren Anzahl von Milchproben vorgenommen
worden war.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eingefühbten dänischen Milch. 201
3. Dänische Milch.
Milch IV
2-0 ecm
(Erhitzung nicht nachweisbar)
77
V
0-5 „
(erhitzt gewesen)
77
VI
0.1 „
77
77
77
VII
0.1 „
(Erhitzung nicht nachweisbar)
77
XI
0.25 „
(erhitzt gewesen)
77
XIV
0 25 „
77
77
77
XVII
0-25 „
77
77
77
xrx
1.0 „
77
7 »
77
XXI
2-0 „
77
7 ?
77
XXIV
0-1 „
77
'7
77
XXV
0.75 „
77
77
7 ?
XXVI
1.0 „
77
77
77
XXVII
i-o „
7 ?
77
Im Durchschnitt: 0*71 c<!m Milch als geringste reduzierende Menge.
Bei den Zahlen aus Gruppe 3 (dänische Milch) ist zu beachten, daß
es sich fast durchgehends um erhitzt gewesene Milch handelt, und daß
diese Erhitzung, wie später erwähnt wird, bei den einzelnen Sendungen
keine gleichmäßige gewesen sein kann. Dadurch gewinnen die Zahlen,
aus den Gründen, die bereits im allgemeinen Teile angeführt wurden,
eine weit ungünstigere Bedeutung als etwa gleich niedrige Zahlen bei
roher Milch.
Damit stimmt auch überein, daß die Reduktionen gerade bei
dänischer Milch häufig ziemlich schnell einsetzen und mehrfach schon
nach 1 oder 2 Stunden eine Entfärbung ausgeführt haben. Das ist der
Fall bei Milch IY, VI, XI, XIV, XVII, XIX, XXV, also in 7 unter
13 Milchproben, d. h. in über 50 Prozent der untersuchten Proben
dänischen Ursprungs.
Bei Berliner Handelsmilch war dieser Vorgang einmal unter 9 Fällen
zu beobachten, also in etwas über 10 Prozent der Untersuchungen.
Bei Gruppe 2 (tierärztlich kontrollierte Berliner Milch) kam ein der¬
artiges Verhalten überhaupt nicht vor.
Worauf die gesteigerte Schnelligkeit des Reduktionsvermögens bei
dänischer Milch beruht, ob sie möglicherweise mit dem höheren Alter
dieser Milch und den infolgedessen gebildeten Abbauprodukten des Kaseins 1
in Zusammenhang steht, ließ sich nicht feststellen.
1 Seligmann, Diese Zeitschrift . 1906. Bd. LII. S. 161.
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Gck 'gle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
202
B. Pboskaueb, E. Seugmann ums Fb. Cbomeb:
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c) Bestimmung der katalysierenden Eigenschaften der Milch.
„Katalysierende Eigenschaft“ ist der kürzere Ausdruck für die Fähig¬
keit der Kuhmilch, Wasserstoffsuperoxyd unter Bildung gasförmigen Sauer¬
stoffs zu zersetzen. Sie beruht, wie frühere Versuche im Institut für In¬
fektionskrankheiten gezeigt haben*, zum größten Teile auf der Anwesenheit
bestimmter Bakterienarten. Dementsprechend ist die katalytische Kraft der
verschiedenen Milcharten individuell sehr verschieden; sie soll z. B. bei
dänischer Milch (nach Angaben von Hewlett*) beträchtlich stärker vor¬
handen sein, als bei englischer. Eine Reihe eigener Erfahrungen mit
möglichst keimfrei gewonnener Milch und besonders mit Formalinmilch
hatten gezeigt, daß die katalysierenden Bakterien namentlich dann üppig
Vorkommen und gedeihen, wenn in der Milch wenig sonstige Bakterien,
speziell Milchsäurebazillen, vorhanden sind, mit anderen Worten, daß
eine erhebliche katalysierende Kraft im allgemeinen auf rein¬
liche Gewinnung und Behandlung der Milch, sowie auf einen
geringen Säuregrad schließen läßt. 8 Es wurde daher versucht,
dies Kriterium zur Prüfung der Milch heranzuziehen.
Berücksichtigt muß auch hier werden, daß höhere Temperaturen die
katalysierenden Eigenschaften der Milch vernichten, und daß, ähnlich wie
bei den reduzierenden Fähigkeiten, ein Wiederauftreten der durch Er¬
hitzen vernichteten, katalytischen Kraft auf nachträgliche Verunreinigung
hindeutet.
Zur Feststellung der katalysierenden Eigenschaften der Milch wurde
folgendes Verfahren gewählt:
In sterilisierte Gärröhrchen, die nach Kubikcentimetem graduiert
sind, werden 0-5 ccm Perhydrol Merck (30prozentige Wasserstoffsuperoxyd¬
lösung) mit steriler Pipette eingeführt; darauf werden 25 ccm der zu
untersuchenden Milch eingebracht und durch Neigen des Gläschens in den
aufsteigenden Schenkel so eingefüllt, daß keine Luftblase mehr vorhanden
ist. Die Röhrchen werden genau eine Stunde bei 37° gehalten. Nach
dieser Zeit wird das Volumen des gebildeten Sauerstoffs abgelesen. Die
einstündige Beobachtungszeit genügt für vergleichende quantitative Ver¬
suche vollkommen.
1 Seligmann, Diese Zeitschrift. 1906. Bi. L. Hft. 3.
* The Lancet. 1906. Nr. 4.
8 Versuche Jensens aus neuester Zeit (Revue gdn6rale du Lait, 1906, Bd. VI,
Nr. 2 u. 3 und Centralblatt für Bakteriologie, 1907, Abt. II, Bd. XVIII, Nr. 7;9)
bestätigen diese Anschauung insofern, als Jensen nachweisen konnte, daß gerade
die Milchsäurebildncr so gut wie gar keine katalytischen Eigenschaften besitzen. —
Von der katalytischen Kraft normaler Milch streng zu unterscheiden ist aber die
pathologische Milch (Eutertuberkulose usw.), die ganz anderen Gesetzen folgt, als die
hier behandelte.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin etngbfühbten dänischen Milch. 203
Milch III (von H)
„ IX (von B)
„ XIII (von D)
1. Berliner Handelsmilch.
i H) 4*0 ccm
l B) 0-7 „•
i D) 7.4 „
XV (von R) 17*4 „
XVI (von B) 1.0 „
XVIII (von G) 12-3 „
XX (von Z) 9-0 „
XXII (von G) 5-6 „
XXIII (von R) 17-8 „
aus Wasserstoffsuperoxyd
entwickelte Sauerstoffmenge
2. Tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
aus Wasserstoffsuperoxyd
entwickelte Sauerstoffmenge
Milch I (von Wi)
11-2
„ II (von H)
10.4
,, VIII (von F)
2-8
„ X (von W)
8-0
„ XII (von Ze)
3-9
Milch
3. Dänische Milch.
4.9 ccm
„ V (Horsens)
0-3 1 ,,
„ VI (Holby)
1.0» „
„ VII (Aarhus)
0-6 „
„ XI (Holby)
1 • 8 1 „
„ XIV (Holby)
2-8» „
„ XVII (Holby)
2-5 1 „
„ XIX (Holby)
7.5» „
„ XXI (Holby)
2-8 1 „
„ XXIV (Holby)
2-8V„
„ XXV (Horsens)
12.8» „
„ XXVI (Horsens) 1 Bläschen 1
„ XXVII (Horsens)
wenige Bläschen 1 1
aus Wasserstoff¬
superoxyd entwickelte
Sauerstoffmenge
Der Befund „1 Bläschen“ oder „wenige Bläschen“ ist praktisch als
0 zu bewerten, weil er sehr häufig auch in nicht katalysierenden Flüssig¬
keiten zu beobachten ist und zum größten Teil nicht aus freiem Sauer¬
stoff, sondern aus Luft besteht.
1 Erhitzt gewesene Milch.
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Google
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
204
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
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Die Durchschnittswerte für das katalytische Vermögen betragen in ccm
entwickelten Sauerstoffes:
für Berliner Handelsmilch: 8*4 001,1
„ Tierärztlich kontrollierte Milch: 7*3 „
„ Dänische Milch: 3*1 „
Die relativ hohe Zahl für Berliner Handelsmilch rührt daher, daß
darunter sich zwei von demselben Milchhändler bezogene Milchproben
befanden, die besonders stark Wasserstoffsuperoxyd zersetzten. (Milch
XV und XXIII). Bemerkenswert ist, daß diese beiden Proben sich als
tuberkelbazillenhaltig erwiesen (bei Milch XV starb ein Tier, bei Milch XXIII
alle vier Tiere an Impftuberkulose). Vielleicht besteht hierin ein Zu¬
sammenhang.
Die dänische Milch zeigt durchschnittlich recht schwache katalytische
Kraft, die einmal durch das vorhergehende Erhitzen bedingt ist, auf der
anderen Seite aber auch in der starken Vermehrung anderer Keime ihren
Grund haben kann.
d) Der Nachweis stattgehabter Erhitzung. 1
Für den Nachweis vorangegangener Erhitzung der Milch gibt es eine
große Reihe mehr oder minder sicherer Methoden, die zum überwiegenden
Teile auf dem Verluste gewisser enzymatischer Reaktionen der Milch
beruhen.
Eine erste Gruppe von Reaktionen wird durch oxydierende Fermente
ausgelöst; sie beruhen auf dem Prinzip, der Milch leicht oxydierbare Sub¬
stanzen organischer Natur zuzusetzen und gleichzeitig etwas Wasserstoff¬
superoxyd hinzuzufügen. Es findet durch die Vermittlung der oxydierenden
Fermente, der sogenannten „indirekten Oxydasen“ eine Übertragung des
Sauerstoffs auf die oxydablen, organischen Verbindungen statt. Die neu
entstehenden Oxydationsprodukte sind Farbstoffe, die der Milch eine
charakteristische Färbung mitteilen. Solehe Reagentien sind Ursol D,
Paraphenylendiamin, mehrfach methyliertes Paraphenylendiamin, p-Amido-
phenol, Kreosot, Guajakol, Guajaktinktur u. a.
Nach dem Erhitzen hat die Milch die Fähigkeit verloren, mit diesen
Körpern und H 2 O a Farbstoffe zu erzeugen. Das auslösende Ferment wird
durch höhere Temperaturen vernichtet. Die Höhe des tötenden Tempera¬
turgrades wird in der Literatur verschieden angegeben, so daß der Einfluß
der Erhitzung auf die Oxydationsfermente der Milch in einer besonderen
Reihe von Versuchen erst festgestellt werden mußte. Im Verlauf dieser
1 Vgl. Seligmann, Zeitschrift f. angewandte Chemie. 1906. Bd. XIX. Nr.36.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit deb in Bf.rt.tn eingeführten dänischen Milch. 205
Versuche schieden allmählich eine ganze Reihe von Reagentien aus, die
mancherlei Nachteile beim Gebrauch erkennen ließen, vor allem aber des¬
halb, weil eine wirklich exakte Grenze zwischen positivem und negativem
Reaktionsausfall sich kaum finden ließ, vielmehr die Reaktionen zwar ver¬
zögert und weniger intensiv oberhalb gewisser Temperaturgrenzen ausfielen,
nach einiger Zeit aber diese Unterschiede wieder ausgeglichen waren. 1 Die
Reaktionen, besonders die mit Paraphenylendiaminchlorhydrat, wurden
daher nur zur Unterstützung und Bekräftigung des auf andere Weise
erhobenen Befundes herangezogen.
Die Reaktion mit Guajaktinktur erwies sich dagegen als recht
zuverlässig, im Gegensatz zu den Erfahrungen, die Tjaden, Koske und
Hertel 2 gemacht hatten. Eine 0*75prozentige Lösung von Guajakharz
in Alkohol, nicht ganz luftdicht verschlossen und dunkel auf bewahrt, war
B bis 4 Tage nach der Herstellung ein sehr scharfes und absolut sicheres
Reagens, bei dem man sich auch den Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd
ersparen konnte, da die Tinktur in der kurzen Zeit „aktiv“ geworden war
und, nach der herrschenden Annahme, selbst Peroxyde enthielt.
Zur Feststellung der Temperaturgrenze, bei der die Reaktion ver¬
schwindet, wurde folgendermaßen verfahren: In ein großes Wasserbad für
konstante Temperaturen nach Ostwaldschem Prinzip mit etwas modifi¬
ziertem Regulator wurde eine Reihe von Reagensröhrchen mit je 5 ccm
Milch gebracht. In eins dieser Röhrchen wurde ein Thermometer gestellt;
sobald dies Thermometer anzeigte, daß die Temperatur der Milch der des
Wasserbades gleich geworden war, wurde die Zeitrechnung des Versuchs
begonnen, und nach 1 Minute, 2, 5, 10, 15 usw. Minuten je ein Röhr¬
chen herausgenommen und sofort in Wasser von 14 bis 17° abgekühlt.
Dann wurde mit Guajaktinktur geprüft.
Die Prüfungen, welche mit dieser Reaktion angestellt wurden, ergaben,
daß 4 Stunden langes Erhitzen auf 70° die Milch noch nicht der Fähig¬
keit beraubt, mit Guajaktinktur zu reagieren; daß 10 Minuten langes
Erhitzen auf 72° den positiven Reaktionsausfall bereits verzögert; daß ferner
nach 15 Minuten langem Erhitzen auf 72° die Milch ihre Reaktions¬
fähigkeit verloren hat. Erhitzen auf 75° wird höchstens eine Minute lang
vertragen, jedoch mit verlangsamter Reaktionsenergie; Erhitzen auf 76°
wirkt auch in kürzester Zeit absolut vernichtend.
Ein negativer Reaktionsausfall beweist also vorhergegaugene Erhitzung
auf mindestens 75°; verzögerter Reaktionsausfall macht eine stattgehabte
Erhitzung auf 72 bis 75° wahrscheinlich.
1 Vgl. SeligmanD, Molkereiw.-Zeitung. 190". Nr. 16.
* Arbeiten an» dem Kaiterl. Gesundheitsamte. 1901. Bd. XVIII.
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Original from
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206
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
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Für dänische Milch kommen aber, laut der angeführten Vereinbarung,
höhere Temperaturgrade als die eben erwähnten in Frage. Es wurde
daher außer der Prüfung mit Guajaktinktur auch die Prüfung auf
Gegenwart von nicht koaguliertem Laktalbumin herangezogen.
Das Laktalbumin gerinnt in der Hitze; hat die Erwärmungstemperatur
daher bestimmte Grade, die sich mit der Koagulationstemperatur des
Laktalbumins ungefähr decken, überschritten, so wird nach Ausfallen des
Kaseins im Filtrat Laktalbumin nicht mehr nachweisbar sein.
Die Probe wurde so ausgeführt, daß 0*5 ccm Milch auf 25 ccm mit
destilliertem Wasser verdünnt wurden und dann Zusatz von einem Tropfen
25 prozentiger Essigsäure erhielten. Bei genauer Einhaltung dieser quan¬
titativen Zahlen trat feinkörnige Gerinnung ein; vor einem Überschuß an
Essigsäure ist zu warnen, da dieser die Gerinnung hindert. Der Essig¬
säurezusatz schädigt das Laktalbumin ebensowenig, wie das ursprünglich
von Rubner vorgeschlagene Aussalzen mit Kochsalz. Vom Niederschlag
wird bis zur völligen Klarheit des Filtrats abfiltriert; das Filtrat wird er¬
hitzt. Ist Albumin vorhanden, so trübt sich die wasserklare Flüssigkeit
beim Kochen. War die Milch schon vorher hoch erhitzt gewesen, so ist
das Albumin auch schon vorher koaguliert und haftet dem Kaseinnieder¬
schlag an; das Filtrat bleibt beim Kochen klar.
Da die Angaben über die Koagulationstemperatur des Laktalbumins
in der Milch gleichfalls schwanken, wurde dieselbe mittels der oben be¬
schriebenen Methode festgestellt, wobei sich ergab, daß alles Laktalbumin
koaguliert wird, wenn die Erhitzungstemperatur 85 0 überstiegen hat Bei
eine Minute währender Erhitzung auf 85° tritt noch eine ganz schwache
Reaktion ein, bei 86° oder bei länger als eine Minute einwirkender
Temperatur von 85° nicht mehr. 10 Minuten lange Einwirkung einer
Temperatur von 81° genügt ebenfalls, um alles Albumin zu fallen; kürzere
Einwirkungsdauer bis zu 83 bzw. 85° (s. o.) führt noch zu schwacher
Reaktion. Wird die Erhitzung auf 3 Stunden und mehr ausgedehnt, so
genügen bereits Temperaturen von 75 bis 79°, um alles Albumin zu
koagulieren.
Praktisch ergibt sich aus diesen Befunden, daß eine Milch, die Lakt¬
albumin noch gelöst enthält, niemals bei Temperaturen über 85° erhitzt
worden war.
Eine weitere Eigenschaft, die rohe Milch durch Erhitzeü
einbüßt, ist die Fähigkeit, Wasserstoffsuperoxyd in Wasser
und Sauerstoff zu zerlegen. Diese Eigenschaft beruht in der Haupt¬
sache auf der Tätigkeit gewisser Milchbakterien 1 ; es ist daher verständlich.
* E. Seligmann, Diese Zeitschrift. Bd. I«. S. 102.
Gck igle
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit deb in Berlin einoefühbten dänischen Milch. 207
wenn neben der Höhe der Erhitzungstemperatur ganz besonders die zeit¬
liche Dauer der Wärmeeinwirkung in Betracht kommt. Die Grenz¬
temperatur zeigt deshalb eine größere Breite und geringere Schwankungen,
die sich nach dem mehr oder minder hohen Anfangsgehalt der Milch an
katalytischen Fähigkeiten richten.
Die nach dieser Richtung hin ausgeführten Versuche hatten ergeben,
daß einstündiges Erhitzen der Milch auf 60° C ihr katalytisches Vermögen
schwächt, in noch stärkerem Grade kurzes, selbst nur eine Minute
währendes Erhitzen auf 62°. Durch Erhitzen auf 68° C hört das kata¬
lytische Vermögen der Milch in der Regel ganz auf.
Der alleinigen, praktischen Verwertung dieser Methode steht folgen¬
des Hindernis im Wege: Schon Chick 1 hat gezeigt, daß man sterilisierter
Milch durch Einimpfen von roher die verlorene Fähigkeit, Wasserstoffsuper¬
oxyd zu zersetzen, wiedergeben kann. Seligmann 2 hat dasselbe Resultat
durch Einimpfen katalytisch wirkender Bakterien erzielt. Wird also eine
erhitzt gewesene Milch nachträglich bakterieller Verunreinigung ausgesetzt,
was sich in praxi kaum vermeiden läßt, so kann sie durch das Wachstum
der verunreinigenden Bakterien wieder katalytische Eigenschaften bekommen.
Eine solche Milch kann also energisch Wasserstoffsuperoxyd spalten, ob¬
wohl sie ziemlich hoch erhitzt worden ist. Das trifft z. B. für die dänische
Milch Nr. XIX und XXV zu. Ein solcher Befund deutet mit ziemlicher
Sicherheit auf nachträgliche Verunreinigung oder erhebliches Alter der
Milch hin. Kann man daher auf andere Weise, durch eiue der oben an¬
gegebenen Proben, eine vorhergegangene Erhitzung nachweisen, so ist die
Prüfung der katalytischen Kraft ein gutes Mittel zur Feststellung von
nachträglichen Verunreinigungen.
Ganz wertlos für den Nachweis der Erhitzung ist die Methode
trotzdem nicht; vielmehr deutet sie, bei sehr schwachem Ausfall und bei
gleichzeitig sehr schwachem Ausfall der Reduktionsprobe (s. u.), mit
ziemlicher Sicherheit eine Erhitzung auf 65 bis 70° an, während Oxydasen-
und Albuminreaktionen bei diesen Temperaturgraden im Stich lassen.
Ein Beispiel hierfür bietet Berliner Milch Nr. XVL Eine früher von dem
gleichen Lieferanten bezogene Probe Nr. IX zeigte sehr verzögerte Oxy-
dasenreaktion bei schwacher Katalase- und Reduktasewirkuug. Nr. XVI
zeigt normale Oxydasenreaktion, dagegen gleichfalls schwache Katalase-
und Reduktasewirkung. Es wurde daraufhin eine Erhitzung auf nicht
höher als 70° angenommen.
1 Centralblatt für Bakteriologie. II. Abt. 1901. Bd. VII. S. 705.
* Diese Zeitschrift. 1905. Bd. L. S. 102.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
208
B. Proskauer, E. Seligmann und Fr. Cboner:
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Ein weiteres Mittel, den Nachweis stattgehabter Erhitzung
zu führen, ist in den reduzierenden Eigenschaften der Kuhmilch
gegeben. Die von Schardinger 1 2 3 erdachten zwei Methoden benutzen
zwei verschiedene Reagentien, einmal eine schwach alkoholische Methylen¬
blaulösung und zweitens eine formalinhaltige Methylenblaulösung; der (
äußere Verlauf des Reduktionsprozesses ist für die beiden Reagentien
etwas verschieden, so daß Smidt* die Reduktion der formalinhaltigeu
Lösung auf Enzymwirkung („Aldehydkatalase“), die Reduktion der formalin-
freien Lösung dagegen auf Bakterientätigkeit zurückführt. SeligmanD 5
wies aber nach, daß beide Reaktionen bakteriellen Ursprungs sind. Sie
werden daher für den Nachweis der Erhitzung nur eine ähnlich be¬
schränkte Bedeutung haben, wie das Wasserstoffsuperoxydspaltungsver-
mögen. Versuche, die über die Schardingersche Reaktion angestellt
wurden, haben ergehen, daß die auf 66° erhitzte Milch das Scharding er sehe
Reagens bei 37° nicht mehr reduziert.
Die Prüfung mit Schardingerschem Reagens geschah nicht im j
Wasserbade bei 40 bis 50°, sondern im Brutschrank; die Beobachtung*- ;
dauer betrug 24 Stunden. Als negativ (—) wurde der Reaktionsausfall
bezeichnet, wenn mehr als das halbe Volumen der Milch blau geblieben war.
Für die Reduktion der formalinfreien Lösung wurde versucht, in
gleicher Weise eine Grenztemperatur festzustellen, wie bisher. Es zeigte
sich jedoch, daß selbst nach Erhitzen auf 100° die Milchprobe (ö“ 1 )
nach 24 ständigem Aufenthalt im Brutschrank vollkommen entfärbt wurde.
Diese zuerst auffällige Erscheinung erklärt sich dadurch, daß durch
die Erhitzung zwar ein großer Teil der Milchbakterien, keineswegs aber
alle vernichtet werden. Der Aufenthalt im Brutschrank wirkt begünstigend
ein auf die Vermehrung der überlebenden Bakterien, zu denen auch
reduzierende Arten gehören müssen, so daß im Verlauf einiger Stunden
genügend bakterielle Energie neugebildet ist, um den Reduktionsprozeß an
der zugesetzten Methylenblaulösung zu vollführen. Von einer reduzieren¬
den Tätigkeit des Milchzuckers kann hier nicht die Rede sein, denn dei
Milchzucker reduziert nur in alkalischer Reaktion. Da ferner Formalin¬
zusatz die Reduktionswirkung aufhebt, so spricht auch dieser Befund gegen ;
eine Wirkung von Seiten des Milchzuckers.
Gleichwohl läßt sich, wie unsere Versuche zeigten, eine Schwächung j
des Reduktionsvermögens der Milch, die erhitzt war, nachweisen. Diese
Schwächung kommt zum Ausdruck, wenn man das vergleichende quanti- !
1 A. a. O.
2 A. a. O.
3 Diese Zeitschrift. 1906. Bd. L1I. S. 161.
Gck igle
Original from
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Beschaffenheit heb in Berlin einuefühbten dänischen Milch. 209
tative Verfahren der Reduktion verwendet, and zwar durch das Ansteigen
der geringsten Menge Milch, welche für die Reduktion (Entfärbung des
Methylenblaus) erforderlich ist.
Zur Beurteilung einer vorangegangenen Erhitzung ist das Verfahren
nur mit Einschränkung brauchbar; bei nachgewiesener Erhitzung kann es
für das Alter und die eventuelle Verunreinigung der Milch nach der Er¬
hitzung verwertet werden. Eine Totalanalyse der Milch nach all diesen
Gesichtspunkten und tnit allen erwähnten Methoden ausgeführt, gibt
daher ein anschauliches Bild für die hygienische Bewertung erhitzter Milch.
1. Berliner Handelsmilch.
Aufgeführt werden nur die Proben, bei denen der Nachweis der
Erhitzung gelang oder doch sehr wahrscheinlich war.
Nummer
Guajak-
reaktion |
Albumin-
probe
H,0,-
Spaltung
Geringste
reduzier.
Menge
Folgerung
Milch IX
(von B.)
±
+
0*7 c<l “
2.0 ccm
Auf etwa 72-75° erhitzt ge¬
wesene, zieml. frische Milch.
Milch XVI
(von B.)
(dere. Liefer.)
+
+
1.0 „
2-0 „
Wahrscheinlich auf 60—70°
erhitzt gewesene, ziemlich
frische Milch.
2. Tierärztlich kontrollierte Milch.
Eine erhitzt gewesene Milch kam nicht zur Untersuchung.
3. Dänische Milch.
Sämtliche Proben sind aufgeführt.
Nummer
Guajak-
reaktion
Albumin¬
probe
H ? 0 1 -
Spaltung
Geringste
reduzier.
Menge
Folgerung
Milch IV
(Aarhns)
+
+
4,9 ecm
2*0 ccm
Erhitzung nicht nach¬
weisbar.
Milch V
(Horsens)
+
O.s „
0-5 „
Auf 75-83 °erhitzt gewesene,
ziemlich frische Milch.
Milch VI
(Holby)
—
1-0 „
0*1 „
Auf über 85° erhitzt ge¬
wesene, wenig frische Milch.
Milch VH
(Aarhus)
+
+
0-6 „
0-1 „
Erhitzung nicht nach¬
weisbar.
Milch XI
(Holby)
db
1 +
1*8 „
0-25 „
Auf etwa t2-75° erhitzt ge¬
wesene, mäßig frische Milch.
Milch XIV
(Holby)
±
( +
2-8 „
1 0*25 „
Auf etwa 72-75° erhitzt ge¬
wesene, wenig frische Milch.
Milch XVII
(Holby)
|
+
2-5 „
0*25 „
Auf 75-83 0 erhitzt gewesene.
Wenig frische Milch.
Milch XIX
(Holby)
Zeitschr. f. Hy
±
i
glone. LVII
+
7-5 „
i-o „
Auf 72-75 0 erhitzt gewesene,
nachträglich verunrein.Milch
14
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Original from
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210
B. Proskauer, E. Seligmann und Fe. Croner:
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Albumin¬
probe
H*(V
Spaltung
Geringste
reduzier.
Menge
Folgerung
1
Milch XXI 1 —
(Holby) , !
+ i
2-8 „
2-0 „
Auf 75-83 0 erhitzt gewesene,
mäßig frische Milch.
Milch XXIV ! -
(Holby)
+
2-8 „
0-1 „
Auf 75-83 0 erhitzt gewesene,
wenig frische Milch.
Milch XXV 1 - j
(Horsens) j
+
12-8 „
0*5 „
Auf 75-83 0 erhitzt gewesene,
nachträglich verunreinigte
Müch.
Milch XXVI ' -
(Horsens)
+
1 Blase
1.0 „
1
Auf 75-83° erhitzt ge¬
wesene, frische Milch.
Milch XXVII j -
(Horsens) i
+
!
1 Blase
1-0 „
Auf 75-83° erhitzt ge¬
wesene, frische Milch.
Aus der Tabelle ergibt sich für dänische Milch:
1. Bei der aus Aarhus stammenden war der Nachweis der Erhitzung
nicht zu führen.
2. Die aus Horsens und Holby stammenden Milchproben sind
sämtlich erhitzt gewesen. Doch ist die Erhitzung keine gleichmäßige
gewesen, sie schwankt vielmehr für die einzelnen Proben von 72 bis
über 85°.
3. Die meisten Proben sind nach der Erhitzung und eventuellen
Kühlung Bedingungen ausgesetzt gewesen, die die Frische der Milch
beeinträchtigten.
e) Bestimmung der natürlichen Säuerung der Milch.
Der Verlauf der Säuerung der Milch ist ein weiteres Kriterium für
ihre hygienische Beurteilung. Die Ermittlung des Säuregrades gibt
Hinweise auf das Alter und die Brauchbarkeit der Milch. Der mehr
oder minder rasche Fortgang der Säurebildung deutet auf den mehr oder
minder großen Gehalt an Milchsäurebildnern hin. Frühzeitige Gerinnung
bei mangelhafter Säurebildung macht irgendwelche abnormen Vorgänge
wahrscheinlich, die einmal im Überwiegen von Fäulnisbakterien, ein anderes
Mal im Zusatz von Konservierungsmitteln usw. bestehen können. Jeden¬
falls deutet ein unregelmäßiges Ansteigen der Säurekurve auf abnorme
Prozesse, die vorliegeudenfalls weiter zu analysieren wären. Hand in
Haud mit der Säurebildung geht die Gerinnungsneigung der Milch.
Frische Milch darf beim Kochen nicht gerinnen, ebensowenig auf Zusatz
des gleichen Volumens 68prozentigen Alkohols. Mit zunehmendem
Alter beginnt die Milch zuerst auf Alkoholzusatz, etwas später auch beim
Kochen und schließlich spontan zu gerinnen. Nicht immer verlaufen
Säuerung und Geriunungsneigung parallel, da eine Milch mit sehr ge¬
ringem Säuregehalt mitunter doch schon auf Alkoholzusatz gerinnen kann.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Beelin eingefühbten dänischen Mil ch. 211
In diesem Falle sind wahrscheinlich bakterielle Einflüsse besonderer Art
im Spiele; jedenfalls beweist ein derartiges Verhalten, daß die betreffende
Milch nicht mehr ganz frisch ist.
Der Säuregrad wurde nach dem Soxhlet-Henkelschen Verfahren
bestimmt, indem 50 ccm Milch gegen 1 j 4 Normalnatronlauge titriert wurden
(Indikator: Phenolphthalein). Die unten angegebenen Zahlen beziehen sich
stets auf 50 ccm Milch und sind in Kubikzentimetern einer n/4NaHO-
Lösung ausgedrückt (Soxhlet-Henkelsche Grade). Gleichzeitig wurden
stets Alkohol- und Kochprobe ausgeführt; ihr Ergebnis ist in den folgen¬
den Tabellen mit A ± und K ± bezeichnet.
Die Aufbewahrung der Milch erfolgte bei Zimmertemperatur (16 bis
20° C); wenn Kühlung angewandt wurde, ist dies in den Protokollen
besonders herhorgehoben.
1. Berliner Handelsmilch.
i
Tag d. Ankunft,
2. Tag | 3. Tag | 4. Tag
Milch III
(von H.)
1 4-0 (A—; K—)
4*3 (A—; K—) 15*7 (geronnen)^ —
Milch IX
(von B.)
3-0 (A—; K—)
3-4 (A—; K—) j 8-5 (A+; K + )j 16*4 (geronnen)
Milch XIII
(von D.)
3-4 (A—; K—)
6*4 (A-h; K-f)il5*4 (geronnen) —
i j
Milch XV
(von K.)
3-8 (A—; K—)
5*0 (A+; K—)| geronnen 1 —
i
Milch XVI
(von B.)
8-4 (A—; K—)
6*0 (A + ; K + )|l5"4 (A + ; K + ) 18-8 (geronnen)
i 1
Milch XVIII
(von G.)
3-0 (A—; K—)
4*6 (A + ; K—) 18*6 (geronnen), —
Milch XX
(von Z.)
2*8 (A—; K—)
6-0 (A + ; K+) J 15*4 (A+; K+) 17*4 (geronnen)
1 i
Milch XXII
(von G.)
3-6 (A— ; K—)
7-4 (A+; K+) [18*4 (geronnen)' —
1 i
Milch XXIII
(von R.)
3*4 (A—; K—) : 5*6 (A+; K + ) 15*6 (geronnen) —
! i
2. Tierärztlich kontrollierte Milch.
Anmerkung: Die beiden ersten Milchproben, zugleich die ersten der
ganzen Untersuchungsreihe, wurden zeitweise im Eisspind aufbewahrt,
um festzustellen, ob die Säuerung durch Kühlung tagelang sistiert werden
kann (eine Möglichkeit, die für die dänische Milch in Betracht kommen
könnte). _
1 . Tag ! 2. Tag 3. Tag j 4 . Tag 5. Tag | 6. Tag
Milch I , 3-8 j 3-8 I 4-0 4*0 j
(von Wi.) (A—; K—) (A—; K—)I(A—; K—) (A—; K—)
Milch II(v. H.) 3*8 ' 4-0 i 4-0 5-0 ' 11-5 18-1
(2TageaufEis) 1 (A—; K—) (A —; K— );(A—; K —)(A + ; K—)(A + ; K + ) (geronnen)
14*
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Gck gle
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212
B. Pbobkaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
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Damit ist bewiesen, daß Kühlung die Säurebildung 3 bis 4 Tage
vollständig unterdrücken kann. Milch II (von H), die vom 8. Tage ab
bei Zimmertemperatur auf bewahrt wurde, zeigt auch dann noch eine
ziemlich verlängerte Haltbarkeit, die nicht mehr auf Rechnung der Kühlung
zu setzen ist.
| 1. Tag
2 . Tag
3. Tag j 4. Tag
Milch VIII (von F.)
„ X (von H.)
„ XII (von Ze.)
3-5 (A—; K—)
3- 7 (A—; K—)
4- 0 (A—; K—)
4*8 (A—; K—)
, 3-8 (A—; K—)
5-6 (A + ; K—)
10*9 (A+; K-f) geronnen
14*4 (geronnen) —
15*2 (geronnen) —
8. Dänische Milch.
1. Tag
2. Tag
3. Tag
4. Tag
Milch IV (Aarhns)
3-4 (A—; K—)
8-3 (A + ; K+)
16*6 (geronnen)
—
»
V (Horsens)
3*3 (A—; K—)
4*8 (A+; K—)
18*9 (geronnen)
—
ft
VI (Holby)
8-2 (A—; K—)
5*9 (A+? Kh-)
geronnen
—
»•
VII (Aarhus)
2-7 (A—; K—)
5*4 (A+; K+)
geronnen
—
ff
XI (Holby)
8-6 (A—; K—)
6-0 (A + ; K + )
geronnen
—
ft
XIV (Holby)
4-2 (A—; K—)
4*6 (A+; K—)
12.2(A + ;K+)
geronnen
*t
XVII (Holby)
8-8 (A—; K—)
7*4 (A+; K+)
18-2 (geronnen)
I —
ft
XIX (Holby)
3-4 (A—; K—)
10-6 (A+; K+)
geronnen
' —
tt
XXI (Holby)
3-2 (A—; K—)
5-4 (A + ; K—)
18-8 (geronnen)
—
ft
XXIV (Holby)
3-9 (A—; K—)
6-6 (A+; K+)
geronnen
—
•»
XXV (Horsens)
3-8 (A—; K—)
8-2 (A + ; K + )
14*8 (geronnen)
—
tt
XXVI (Horsens)
2-4 (A + ; K—)
5*6 (A+; K + )
15*6 (geronnen)
—
tt
XXVII (Horsens)
3-6 (A—; K—)
4-4 (A+; K—)
14*0 (geronnen)
—
Aus den angeführten Zahlen ergibt sich für
1. Berliner Handelsmilch.
Der Verlauf der Säuerung bewegt sich in einer aufsteigenden
Linie, die in den ersten beiden Tagen sich niedrig hält und in dieser
Zeit nur einmal (Milch XII) den Wert von 6*0° (angenommener Grenz¬
wert) überschreitet. Die spontane Gerinnung erfolgt in 66*7 Prozent der
Fälle am 3. Tage nach der Ankunft, in 33*3 Prozent der Fälle am
4. Tage. Die Alkoholprobe führt meist schon am 2. Tage zur Gerinnung
(73 Prozent der Fälle), seltener am 3. Tage (27 Prozent). Die Kochprobe
ruft in fünf von neun Fällen bereits am 2. Tage Gerinnung hervor
(55*5 Prozent); in den vier anderen Fällen erst am 3. Tage (44-5 Prozent).
2. Tierärztlich kontrollierte Milch.
Für eine generelle Beurteilung dieser Milcharten vom Standpunkte
der Säurebildung reicht das untersuchte Material nicht aus, zumal es
zwecks Prüfung des Einflusses der Kühlung noch in zwei Untergruppen
geteilt wurde.
Gck igle
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Beschaffenheit des in Beblin eingefühbten dänischen Mil ch. 213
Daß Kühlung die Säurebildung und auch das Auftreten der Ge¬
rinnungsneigung (geprüft durch Alkohol- und Kochprobe) mehrere Tuge
hinausschieben kann, beweisen die Beobachtungen an Milch I upd 11.
Milch II hielt sich nach Beendigung der Kühlung bei Zimmertemperatur
4 Tage lang (6. Tag seit Ankunft der Milch). Es ist daher wohl die
Annahme gestattet, daß sie sich ohne Kühlung auch bis zum 4. Tage
gehalten hätte.
Von den anderen Milcharten dieser Gruppe gerann noch eine am
4. Tage, zwei am 3. Tage der Untersuchung. Die Alkoholprobe wurde
bei den gekühlten Milcbarten nicht vor dem 4. bzw. 6. Tage positiv, bei
den nicht gekühlten Milcharten führte sie einmal am 2., sonst am 3. Tage
zur Gerinnung. Die Kocbprobe wurde bei Milch I und II nicht vor dem
5. Tage, bei den bei Zimmertemperatur auf bewahrten nicht vor dem
3. Tage positiv.
8. Dänische Milch.
Die Säurewerte bei der Ankunft sind ziemlich niedrige und entsprechen
ungefähr denen von frischer Berliner Milch. Würde man die Werte in
Kurven darstellen, so würde die für dänische Milch sofort geradlinig aufwärts
steigen und am 2. Tage meist schon höher sein, als die entsprechende
Kurve der Säurezahlen der Berliner Milch. Der Grenzwert von 6*0, der
von Berliner Milch (Gruppe I und II) nur einmal überschritten wurde
(Milch XII: 7*4), war bei dänischer Milch am 2. Tage in 5 von 13 Fällen
überschritten, und zwar wurden mitunter schon beträchtliche Werte erreicht
(10-6, 8-3, 8*2, 7-4, 6*6°). Die spontane Gerinnung der Milch erfolgte
in 12 von 13 Fällen am 3. Tage (92 Prozent), in einem einzigen Falle
am 4. Tage (8 Prozent). Die Gerinnungsneigung war ebenfalls schon
früh ausgesprochen: einmal (Milch XXVI) rief die Alkoholprobe schon
am ersten Tage Gerinnung hervor, sonst trat sie stets am 2. Tage ein.
Die Kochprobe führte in 9 von 13 Fällen am 2. Tage zur Gerinnung
(70 Prozent), in 4 Fällen am 3. Tage (30 Prozent).
f) Das Vorkommen von Tuberkelbazillen in der Milch.
Für den Nachweis von pathogenen Bakterien in der Milch, besonders
von Tuberkelbazillen, ist der Tierversuch die gegebene Methodik. Das
Meerschweinchen ist der Tuberkuloseinfektion so zugänglich, daß schon
die geringste Menge lebenden Bazilleumaterials, in die Bauchhöhle oder
unter die Haut des Tieres gebracht, zur Entwicklung kommt und in
relativ kurzer Zeit den Tuberkulosetod des Versuchstieres bedingt.
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214
ß. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb :
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Da in Tuberkelbazillen enthaltender Milch die Zahl dieser Keime im
allgemeinen nur eine geringe ist, so wäre die Wahrscheinlichkeit, gerade
eine infizierte Probe zu treffen, eine sehr geringe, wenn man die Milch,
so wie sie ist, zur Infektion benutzte. Es wurde daher eine relative
„Anreicherung“ der eventuell vorhandenen Tuberkelbazillen in der Weise
versucht, daß die Milch in einer elektrisch betriebenen Zentrifuge eine
Stunde lang scharf zentrifugiert wurde. Es scheidet sich dann eine mehr
oder minder breite Fettschicht an der Oberfläche ab, gleichzeitig setzt
sich am Boden eine dünne Schicht des spezifisch schwereren Kaseius ab.
(Bei Berliner Milch war die Kaseinschicht meist eine recht geringe, bei
dänischer Milch stets eine nicht unbeträchtliche). In die Fettschicht
sowohl, wie in die Bodensatzschicht geht der größte Teil der Milch¬
bakterien mit über, teils aus Gründen ihrer spezifischen Schwere, haupt¬
sächlich aber, indem sie von den auf- oder abwärts strebenden, geformten
Elementen (Fetttröpfchen, Kaseinpartikelchen) rein mechanisch mitgerisseu
werden. Es ist also zu erwarten, daß auch die eventuell vorhandenen
Tuberkelbazillen sich in diesen Schichten befinden werden.
Die Fettschicht wurde vorsichtig mit sterilem Porzellanlöffel abgehoben
und in sterilen Schalen mit dem gleichen Volumen sterilisierter physio¬
logischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Durch sterile Glasstäbe wurde
für eine möglichst feine Verteilung des Fettes gesorgt.
Sodann wurde aus den Zentrifugenröhrchen die Magermilch abgegosseu
und der Bodensatz im Röhrchen ebenfalls mit physiologischer Kochsalz¬
lösung aufgeschwemmt. Von jeder dieser Aufschwemmungen erhielten je
zwei Meerschweinchen 2 ccm intraperitoneal injiziert, so daß also von jeder
Milch 4 cem Bodensatzaufschwemmung und 4 cem Rahmaufschwemmung an
vier Tieren geprüft wurden.
Im ganzen wurden 120 Meerschweinchen in dieser Weise injiziert.
Sie wurden an der Bauchwand etwa in Talergröße rasiert und mit Alkohol.
Äther und Sublimat desinfiziert. Die Impfung erfolgte nach Anlegung
eines queren Hautschnittes, mit einer 2 ccm Spritze, deren Nadel vorn ab¬
gestumpft war, um Darmverletzungen zu vermeiden. Die Wunde wurde
mit Kollodium geschlossen. Die vier Tiere jedes Versuches wurden zu¬
sammen in einem Käfig aufbewahrt. Das Gewicht der Tiere wurde vor
der Impfung festgestellt, während der Dauer der Beobachtung kontrolliert
und am Tage der Tötung wiederum festgestellt.
Die Tiere, die nicht spontan eingiugen, wurden nach Verlauf von
2 Monaten nach der Impfung durch Chloroform getötet. Einzelne Tiere,
die länger am Leben gelassen wurden, waren zur Zeit des Tötungstermins
hochtragend. Bei diesen wurde dann die Geburt der Jungen abgewartet,
ehe sie getötet wurden.
Gck igle
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Beschaffenheit deb in Beelin eingefühbten dänischen Milch. 215
Der Tuberkulosenachweis wurde in folgender Form geführt:
Als Impfinfektion kamen nur solche Fälle in Betracht, in denen eine
ausgesprochene Tuberkulose der Bauchorgane bestand, entweder allein für
sich oder mit sekundärer Beteiligung der Lungen. Alle Fälle, in denen
die Lungenaffektion überwog, schieden aus, da sie möglicherweise auf
spontane Tuberkulose zurückzuführen und da demnach auch eine Er¬
krankung der Bauchorgane als Sekundäraffektion zu betrachten war, die
mit der Impfung nichts zu tun hatte.
Die Diagnose wurde makroskopisch gestellt auf Grund der charakte¬
ristischen Organveränderungen, mikroskopisch durch den Nachweis der
Tuberkelbazillen im Ausstrichpräparate und in Schnitten (Azeton-Paraffin¬
einbettung), biologisch durch Kulturversuche und Kontrollimpfungen.
Kontrollimpfungen wurden jedoch nur dann vorgenommen, wenn der
makroskopische Befund tuberkuloseverdächtig erschien, ohne daß der Nach¬
weis von Tuberkelbazillen in Ausstrich, Schnitt oder Kultur gelang.
Als tuberkelbazillenhaltig wurde jede Milch bezeichnet, bei der auch
nur ein Versuchstier an Impftuberkulose erkrankt war.
In den folgenden Protokollen sind die beiden ersten Tiere jeder
Serie mit dem Rahm, die beiden letzten mit dem Bodensatz der Milch
behandelt.
Befunde:
1. Berliner Handelsmilch.
Milchprobe
03
03
P
CO
03
*4 !
55
Gewicht bei der
Impfung in grm
Tag ^ ag
der d f
Impfong ^
Tag
der
TötUDg |
Gewicht bei der
Tötung in grm
Tuberkelbazillen
nachweisbar in
Ausstrich,
Schnitt, Kultur
oder Impfung
Sonstiger
abnormer
Befund
Milch III
9
350
6 . XII. 05 -
6 . II. 06
| 630
_
—
(von H.J
10
340
»7
' 590
—
11
300
>7
17. II. 06
502
—
12
! 320
7»
|_i>_
523
—
—
Milch ijT
33
335
2 . L 06 —
l.HI. 06
660
_
—
(von B.)
34
300
» —
77
500
—
—
35
280
>»
♦7
510
36
250
1 _»
1 » |
| 570
Milch XIII
49
I 290
| 10 . I. 06
12 . m. 06
557
—
(von D.)
! 50
320
„ 7. HL 06
—
—
+
—
l 51
240
„ 24. II. 06
—
—
_i
52
295
77
12 . III. 06
443
+
vgl.Protok.
‘ Lungentuberkulose, sekundäre Bauchtuberkulose.
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216
B, Proskauer, E. Seligmann und Fr. Croner
(Fortsetzung.)
Milchprobe
Nr. des Tieres
Gewicht bei der
Impfung in grm
Tag
der
Impfung
Tag
des
spontanen
Todes
Tag
der
Tötung
Gewicht bei der
Tötung in grm
Tuberkelbazillen
nachweisbar in
Ausstrich,
Schnitt, Kultur
oder Impfung
Sonstiger
abnormer
Befund
Milch XV
(von R.)
57
58 1
59
60
404
324
442
420
12.1. 06
n
n
20. L 06
13. III. 06
13. III. 06
13. HI. 06
490
600
4-
Pneumonie
Thrombose
im rechten
Ventrikel
_ i
Milch XVI
61
339
15.1. 06
—
15. m. 06
605
-
_ i
(von B.)
62
309
ii
>»
465
—
—
63
322
91
_
l.V. 06
535
—
—
64
261
11
—
3. V. 06
435
—
—
Milch XVIII
69
390
18. I. 06
_
17. III. 06
575
—
(von G.)
70 4
315
11
25.1. 06
_
_
_
Peritonitis
(Bact coli)
71
282
11
—
17. IIL 06
485
—
—
72 6
252
11
—
17. IV. 06
390
vgl.Protok.
vgl.Protok.
Milch XX
77
280
22. I. 06
—
22. III. 06 500
4-
_6
(von Z.)
78
249
ii
—
,
11
400
—
79
165
ii
—
11
393
—
—
80
189
ii
—
11
395
—
—
Milch XXH
r Peritonitis
(von G.)
85
372
25.1. 06
12. II. 06
—
—
—
1 u. Tumor-
86
265
11
6. II. 06
—
] bildung,
wgl. Protok.
87
277
11
24. III. 06
475
4-
—
i
88
322
11
—
22.11. 06
455
4*
—
Milch XXIII
89
292
29. I. 06
_
28.1IL 06
260
+ i
__ T
(von R.)
90 '
292
11
—
ii
444
+
—
91
252
,,
—
ii
340
+
—
92
324
11
—
ii
425
+
—
1 Aus den Lungenpfröpfen angelegte Kulturen zeigen Staphylokokken in Rein¬
kultur.
51 Vgl. Nr. XXIII.
3 Dieselbe Milch wie Milch IX.
4 Verletzung des Dickdarmes bei der Injektion.
5 Primäre Lungentuberkulose, sekundäre Tuberkulose der Bauchorgane.
6 Vgl. Protokoll.
7 Dieselbe Milch wie Milch XV.
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Beschaffenheit dee in Berlin eingefüheten dänischen Milch. 217
Sektionsprotokolle.
Alle Tiere, die einen von normalen Verhältnissen nicht abweichenden
Sektionsbefand boten, wurden im folgenden ohne weiteres Protokoll mit
„normal“ bezeichnet.
Milch DI (von H.).
Meerschweinchen Nr. 1 normal.
V n 2 „
n v 3 „
v n ^ v
Milch IX (von B.).
Meerschweinchen Nr. 33 normal.
n n 34 r
n *i 35 r
v v 36 „
Milch XIU (von D.).
Meerschweinchen Nr. 49. Das große Netz ist aufgerollt und mit
einer Reihe von etwa erbsgroßen, vereiterten Drüsen besetzt. Die Leber
ist vergrößert und mit zahlreichen, konfluierenden Knötchen bedeckt; die
Milz ist auf das Dreifache ihres gewöhnlichen Umfanges vergrößert und mit
zahlreichen konfluierenden, verkästen Knötchen besetzt. Die Lungen sind
mit frischen, disseminierten Tuberkelknötchen besetzt, ohne Einschmelzungs¬
erscheinungen des Lungengewebes.
Im Ausstrich des Drüseneiters sind reichlich Tuberkelbazillen nachweis¬
bar. Kulturen auf Glyzerinserum bleiben steril.
Meerschweinchen Nr. 50. An der Impfstelle sitzt eine kirschkern¬
große, mit käsigem Eiter gefüllte Geschwulst. Hochgradige Tuberkulose
sämtlicher Organe des Bauches: Milz, Leber, Drüsen, Nieren, Hoden, großes
Netz und Peritoneum sind mit kleineren bis kirschkerngroßen, verkästen
Knötchen besetzt. Die Lungen sind mit zahlreichen, frischen Tuberkel¬
knötchen übersät. Im Drüsenausstrich reichlich Tuberkelbazillen.
Kulturen auf Glyzerinserum: Weiße und grauweiße Kokken.
Me ersch weinchen Nr. 51. Die Lymphdrüsen der Bauchhöhle sind
sämtlich vergrößert; Milz und Leber sind unverändert. Die rechte Pleura¬
höhle ist mit blutiger Flüssigkeit angefüllt; rechte und linke Lunge sind
mit großen, konfluierenden, käsigen Herden durchsetzt. Im Drüsenausstrich
spärlich Tuberkelbazillen nachweisbar.
Kulturen der Drüse auf Glyzerinserum bleiben steril.
Anmerkung: Die Lungenerkrankung war hier augenscheinlich das
Primäre; dieser Fall kann daher für die Beurteilung der betr. Milch nicht
in Frage kommen.
Meerschweinchen Nr. 52 . Das große Netz ist schürzenartig auf¬
gerollt und mit zahlreichen, etwa erbsengroßen, zum Teil schon verkästen
Drüsen besetzt. Die Milz ist stark vergrößert und mit verkästen, kon¬
fluierenden Knoten von Pfenniggröße besetzt. Die Leber ist mit vereinzelten
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218 B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
Knötchen besetzt. Sämtliche Drüsen der Bauchhöhle sind vergrößert, be¬
sonders diejenigen am Ansatz des Mesenteriums zwischen Magen und Leber.
Die Lungen zeigen 10 ganz frische Tuberkelknötchen ohne Einschmelzungs¬
erscheinungen des Gewebes. Im Drüsenausstrich sind zahlreiche Tuberkel¬
bazillen nachweisbar.
Kulturen auf Glyzerinserum: Es gehen Reinkulturen von Bakterien
auf, die das Serum sehr schnell verflüssigen und einen intensiv ziegelroten
Farbstoff bilden. Mikroskopisch stellen sie mäßig große und ziemlich dicke
Stäbchen dar. Ihr kulturelles Verhalten läßt sie sehr ähnlich dem etwa
gleichzeitig von Stadl inger und Poda 1 beschriebenen Bakt. butyri rubrum
erscheinen, jedoch weist die Löslichkeit des Farbstoffes in heißem Wasser
sie einer anderen Gruppe von Bakterien zu.
Milch XV (von R.).
Meerschweinchen Nr. 57. An der Impstelle befindet sich eine
kirschkerngroße, vereiterte Geschwulst. Das Netz ist vollkommen aufgerollt
und trägt neben zahllosen kleineren Knötchen einen kirschkerngroßen, mit
käsigem Eiter gefüllten Tumor. Sämtliche Lymphdrüsen des Bauches sind
erheblich vergrößert, zum größten Teile schon vereitert. Die Milz ist auf
das Doppelte vergrößert, mit käsigen, fluktuierenden Herden besetzt, ebenso
die mäßig vergrößerte Leber. An der rechten Lunge sind zwei, an der
linken fünf kaum stecknadelkopfgroße Tuberkelknötchen vorhanden. Die
Bronchiallymphdrüsen sind vergrößert und vereitert.
Im Ausstrich der Impfstelle sind reichlich Tuberkelbazillen nach¬
weisbar. Kulturen auf Glyzerinserum zeigen Wachstum von weißen und
gelben Kokkenkolonien.
Meerschweinchen Nr. 58. Bauchhöhle mit spärlicher, seröser
Flüssigkeit angefüllt, mikroskopisch ziemlich zahlreiche Leukozyten, die mit
Bakterien verschiedenster Art vollgepfropft sind; sonst zeigen die Bauch¬
organe keine Veränderungen. Die rechte Lunge ist grau verfärbt und
fühlt sich fest an; der linke Unterlappen ist blutig rot und gleichfalls ziem¬
lich fest. Auf dem Querschnitt entleeren sich auf Druck weiße Pfropfe, die
mikroskopisch aus Leukozyten und Fibrin bestehen.
Impfung der Pfropfe auf Glyzerinserum: Reinkultur von Staphylocoecus
pyogenes aureus.
Diagnose: Kroupöse Pneumonie.
Meerschweinchen Nr. 59. Im rechten Ventrikel des Herzens sitzt
ein über stecknadelkopfgroßer Thrombus (mikroskopisch: Leukozyten, wenig
rote Blutkörperchen, Fibrin, keine Bakterien). Sonstiger Befund regelrecht,
Meerschweinchen Nr. 60. Normal.
Milch XVI (von B.).
Meerschweinchen Nr. 61. Normal.
Meerschweinchen Nr. 62. Normal.
Meerschweinchen Nr. 63. Normal.
Meerschweinchen Nr. 64. Normal.
1 31 i Ich wir tsch a ftl. Cenlralblait . Bd. II. Hft. 3.
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eingefühbten dänischen Milch. 219
Milch XVIII (von G.).
Meerschweinchen Nr. 69. Normal.
Meerschweinchen Nr. 70. Bauchhöhle ist mit blutiger, seröser
Flüssigkeit angefüllt. Am Dickdarm eine stecknadelkopfgroße Perforations¬
stelle. Impfung des Exsudates auf Agar: Überwiegend Bakt. Coli neben
mehreren anderen Stäbchenformen.
Meerschweinchen Nr. 71. Normal.
Meerschweinchen Nr. 72. Die Drüsen am Lungenhilus sind zu
einem haselnußgroßen, verkästen Packet zusammengeklumpt; beide Lungen
sind geschrumpft und mit ziemlich großen, konfluierenden, verkästen Herden
durchsetzt. Die Milz ist mäßig vergrößert und mit drei verkästen Herden
bedeckt, von denen zwei die Größe eines Stecknadelkopfos, einer die Größe
einer Erbse haben. Im Netz mehrere kleine, solide Drüsen, ebenso im
Mesenterium. Leber und Impfstelle sind frei.
Im Ausstrich des Bronchialdrüseneiters sind spärlich Tuberkelbazillen
nachweisbar. Befund: Primäre Lungen-, sekundäre Bauchtuberkulose.
Milch XX (von Z.).
Meerschweinchen Nr. 77. Zwischen beiden Nieren am Ansätze des
Mesenteriums sitzt eine kirschkerngroße, gestielte, ziemlich bewegliche Ge¬
schwulst, die beim Eröffnen sich als eine dickwandige Cyste mit blutig
serösem Inhalt erweist. Sonst normale Verhältnisse.
Im Ausstrichpräparat: Zahlreiche Leukozyten, keine Bakterien.
Im Schnittpräparat: Drüsengewebe mit zahlreichen nekrotischen und
völlig eingeschmolzenen Gewebspartien, ohne ausgesprochene Tuberkelbildung.
Am Rande der eingeschmolzenen Partien sehr zahlreich Tuberkelbazillen,
vereinzelt auch im übrigen Teile des Schnittes.
Kulturen auf Glyzerinserum bleiben steril.
Daß es sich in diesem Falle auch um Tuberkulose und nicht um andere
säurefeste Bazillen handelte, wurde auch ohne Tierversuch nach dem sehr
ähnlichen Befunde bei Meerschweinchen 67 angenommen, wo der Tierversuch
Tuberkulose ergeben hatte (s. weiter unten).
Meerschweinchen Nr. 78. Normal.
Meerschweinchen Nr. 79. Normal.
Meerschweinchen Nr. 80. Normal.
Milchprobe XXII (von G.).
Meerschweinchen Nr. 85. Reichlich serös-eitrige Flüssigkeit im
Bauchfellraum (mikroskopisch: Leukozyten, reichlich kurzgliedrige Strepto¬
kokken, spärlich Staphylokokken und große, dicke Stäbchen). Unterhalb
der großen Kurvatur des Magens sitzt im großen Netz eine kirschgroße
Geschwulst, die das parietale Blatt des Peritoneums durchwuchert hat und
bis in die Muskulatur der vorderen Bauchwand reicht. Mit dem vorderen
Lappen des Pankreas und den Dünndärmen ist die Geschwulst untrennbar
verwachsen, so daß sie bei der Herausnahme aus dem Körper mit dem
Messer losgeschält werden muß. Die linke Niere ist abwärts gedrängt, über
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
220
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fa. Cboxeb:
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bohnengroß und entleert auf Druck reichlich schaumigen Eiter (Ausstrich¬
präparat: Streptokokken und Stäbchen). Die Schnittfläche zeigt eine Ab-
sceßhöhle im Nierenbecken. Milz und Leber, sowie die Drüsen der Bauch¬
höhle sind normal. Lungen ohne Veränderung.
Kultur versuch: Oberfläche des Tumors: Streptokokken und Staphylo¬
kokken; Inneres des Tumors: Glyzerinserum und Agar bleiben steril. Ein
Teil der Geschwulst wird in steriler Milch fein zerrieben und zwei Meer¬
schweinchen per os einverleibt. Die Tiere werden 2 Monate nach der Be¬
handlung getötet:
Meerschweinchen Nr. 114 (per os). Normal.
Meerschweinchen Nr. 115 (per os). Normal.
Ein anderer Teil der Geschwulst wird in Paraffin eingelegt und ge¬
schnitten. Histologisch: Pankreasgewebe mit auffällig zahlreichen inter¬
tubulären Zellhaufen. Starke, kleinzellige Infiltration des Drüsengewebes,
die sich nach der Oberfläche der Geschwulst hin zu einem umfangreichen,
entzündlichen Granulationsgewebe gestaltet. Bakterien sind im Tumor
nicht nachzuweisen.
Meerschweinchen Nr. 86. Die Bauchhöhle ist mit einer trüben,
jauchigen Flüssigkeit angefüllt, die mikroskopisch neben Leukozyten zahl¬
reiche kurzgliedrige Streptokokken enthält. Kulturen auf Glyzerinserum:
ganz kurzgliedrige Streptokokken und Staphylokokken. Im großen Netz,
zwischen Magen und Leber, zum Teil unter beide reichend und mit den
Pankreas verwachsen, sitzt eine über haselnußgroße, mit käsigem Eiter
belegte Geschwulst, die mit den umliegenden Darmabschnitten durch zahl¬
reiche Verwachsungen zusammenhängt, aus denen sie mit scharfem Messer
gelöst werden muß. In dem der Geschwulst aufliegenden, käsigen Eiter
sind kurzgliedrige Streptokokken, keine Tuberkelbazillen vorhanden.
Die Geschwulst wird in Paraffin eingebettet und geschnitten: Sie ist
histologisch vollkommen identisch mit der Geschwulst von
Meerschweinchen Nr. 85.
Meerschweinchen Nr. 88 wird 28 Tage nach der Impfung getötet.
Im großen Netz, dicht unterhalb des Pförtners sitzt eine kirschkerngroße
Geschwulst mit solidem Inhalt. Im Ausstrichpräparat Leukozyten, einzelne
große und platte Zellen, rote Blutkörperchen; keine Bakterien, auch keine
Tuberkelbazillen. Noch zwei kleinere, ähnliche Tumoren sitzen im Netz;
sämtliche Drüsen der Bauchhöhle sind mäßig vergrößert. Sie werden
ebenso wie die Tumoren eingebettet und geschnitten und zeigen sämtlich
das gleiche Bild: Drüsengewebe, darin verteilt 1 bis 2 Granulationsherde
aus Epitheloid- und Lymphoidzellen bestehend, an Tuberkelbildung er¬
innernd. Riesenzellen, Tuberkelbazillen oder sonstige Bakterien sind nicht
nachweisbar.
Kulturen auf Glyzerinserum bleiben steril.
Impfversuch: Ein Teil des größeren Netztumors wird zwischen
sterilen Skalpellen fein verrieben und in physiologischer Kochsalzlösung
emulgiert. Mit der Emulsion werden vier Meerschweinchen intraperitoneal
geimpft.
Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Behlin eingeführten dänischen Milch. 221
Impfung am 22 . II. 1906 Nr. 116 (296 grm )
» (302 „ )
» H 8 (328 „ )
n 119 (311 „ )
Gewicht beim Tode
. 319 srm .
werden oo*
am 9. IY. 1906 395 ”
getötet 305 ”
Sektionsbefund bei allen vier Tieren: Hochgradige Tuberkulose sämt¬
licher Organe der Bauchhöhle, überall ausgehend von der Impfstelle.
Meerschweinchen Nr. 87. Sämtliche Drüsen der Bauchhöhle sind
vergrößert und zum größten Teile verkäst. Unterhalb des linken Leber¬
lappens, mit diesem, wie mit den umliegenden Därmen, besonders mit dem
Duodenum verwachsen, sitzt ein über kirschgroßer Tumor, der sich beim
Aufschneiden als eine mit bröcklichem Käse gefüllte, sehr dickwandige Cyste
erweist. An ihm sitzen drei kleinere, etwa erbsengroße, verkäste Drüsen.
Eine andere verkäste Drüse von über Bohnengröße sitzt etwas oberhalb
der rechten Niere. Milz und Pankreas zeigen zahlreiche, Verkäste Tukerkel-
knoten, ebenso, allerdings in etwas geringerem Maße, die Leber. An der
Innenwand des Brustbeins sitzen zwei verkäste, erbsengroße Drüsen. Die
Lungen weisen ganz vereinzelte, frische, glasige Tuberkelknötchen auf.
Im Ausstrich des Eiters aus Drüse wie aus Netzgeschwulst sind zahl¬
reiche Tuberkelbazillen vorhanden.
Milchprobe XXIII (von R.).
Meerschweinchen Nr. 89. Im Mesenterium des Dickdairms, dicht
am Ansätze des Darmes sitzt eine kirschgroße, runde Geschwulst, die mit
käsigem Eiter gefüllt ist. Die übrigen Organe des Bauches und der Brust
zeigen regelrechten Befund.
Im Ausstrich des Drüseneiters sind massenhaft Tuberkelbazillen vor¬
handen. Kulturversuch auf Glyzerinserum: Negativ.
Meerschweinchen Nr. 90. An der Impfstelle sitzt eine gestielte,
kaum erbsengroße, mit käsigem Eiter gefüllte Geschwulst. Die sonstigen
Organe des Bauches und der Brust zeigen regelrechten Befund.
Im Ausstrich des Geschwulsteiters sind spärlich Tuberkelbazillen nach¬
weisbar.
Kulturversuch auf Glyzerinserum: Negativ.
Meerschweinchen Nr. 91. Die Milz ist deutlich vergrößert und mit
zahlreichen miliaren Knötchen bedeckt, die an einzelnen Stellen zu kon-
fluieren beginnen, im Netz sind drei erbsengroße, verkäste Knoten. Leber
und Lungen ohne Veränderungen.
Im Drüseüausstrich spärlich Tuberkelbazillen.
Kulturen auf Glyzerinserum: Grauweiße und weiße Kokkenkolonien.
Meerschweinchen Nr. 92. Das große Netz ist schürzenartig auf¬
gerollt und von zahlreichen hirsekorn- bis erbsengroßen Knötchen bedeckt.
Die Milz ist auf das Doppelte vergrößert und mit großen, verkästen Herden
durchsetzt. Der ins Netz reichende Lappen des Pankreas ist mit erbsen¬
großen, verkästen Knoten besetzt.
Im Elteraüsstrich reichlich Tuberkelbazillen.
Kulturen auf Glyzerinserum: Üppiges Wachstum eines grauweißen Be¬
lages (mikr. verschiedene Stäbchen- und Kokkenarten).
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222
B. Proskauer, E. Seligmann und Fe. Cboner:
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2 . Tierärztlich kontrollierte Berliner Milch.
1
. 03
S £
- §
Tag des
Tag der
Tötung
5 fco
p
p:- o
p^ **
Sonstiger
Milcliprobe
S.2J
SH
« a
tz
Tag der
Impfung
spontanen
Todes
.JP :©
£ *-
o ©
_ *p ° c
C « 3
"T“ 5 U
+ä a n
^_ap_
abnormer
Befund
Milch 1
1
420
28. XI. 05
—
2. II. 06
600
—
—
(von Wi.)
i
2
320
99
—
99
515
—-
—
3
350
99
15. XII. 05
—
375
—
vgl.Protok.
1
4
330
99
„
—
325
—
Peritonitis 1
Milch II 1
5
360
2. XIL 05
8. XII. 05
—
—
—
Peritonitis*
(von H.) 1
6
310
99
—
8. II. 06
596
—
—
|
7
300
99
—
99
522
—
—
8
350
99
—
99
680
—
—
Milch VIII
29
320
28. XII. 05
|
28. II. 06
552 !
—
—
(von P.) 1
30
815
99
1 99
575
—
—
i
1 31
350
99
—
; 1
99 ,
590
i
—
1
| 32
300
99
—
!
550
-
Milch X !
I 37
340
4.1. 06
|
3. III. 06
! 530
—
—
(von W.)
! 38
325
99
99
535
—
—
39
335
99
„
550
—
—
\ 4 <>
330
99
1 -
99
510
—
—
Milch XII
45
255
8.1. 06
—
8. III. 06
510
—
—
(von Ze.)
46
275
99
20.1. 06
—
—
—
Peritonitis 3
47
305
99
—
8. III. 06
380
—
chronische
Peritonitis
48
325
99
—
99
615
—
—
1 Reinkultur von gelben Streptokokken.
* Reinkultur von Staphylococcus albus.
3 Bact. Paratyphi B in der Galle, vgl. Protokolle.
Sektionsprotokolle.
Milchprobe I (von Wi.).
Meerschweinchen Nr. 1. Normal.
Meerschweinchen Nr. 2. Normal.
Meerschweinchen Nr. 3. Hochgradige Yerfettung sämtlicher Organe,
besonders von Leber, Nieren und Herz, Lungen etwas gebläht.
Schnitte durch Niere und Leber: Anhäufung und Diapedese roter Blut¬
körperchen, sonst normaler Befund. Schnitt durch die Lunge: desquamative
Bronchopneumonie, starke Stauung und extravaskuläre Anhäufung von roten
Blutkörperchen.
Bakterien sind in den Schnitten nicht nachweisbar.
Meerschweinchen Nr. 4. Serös-eitrige Peritonitis; die linke Niere
ist von einem dicken Herde aus rahmigem Eiter umgeben. Die Leber ist
mit kleinen Abszessen bedeckt.
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Beschaffenheit der in Berlin eingefühbten dänischen Milch. 223
Im Eiter, wie im Feriteonealexsudatausstrich sind langgliedrige Strepto¬
kokken vorhanden; keine Tuberkelbazillen nachweisbar.
Kulturen auf Glyzerinserum: Reinkultur von gelben Streptokokken
(6- bis 8gliedrig).
Milchprobe II (von H.).
Meerschweinchen Nr. 4. Bauchhöhle ist mit serös-eitriger Flüssig¬
keit angefüllt; sonst Organe ohne Veränderung.
Kulturen auf Glyzerinserum: Reinkultur von weißen Staphylokokken.
Meerschweinchen Nr. 5. Normal.
Meerschweinchen Nr. 6. Normal.
Meerschweinchen Nr. 7. Normal.
Milchprobe VIII (von F.).
Meerschweinchen Nr. 29. Normal.
Meerschweinchen Nr. 30. Normal.
Meerschweinchen Nr. 31. Normal.
Meerschweinchen Nr. 32. Normal.
Milchprobe X (von W.).
Meerschweinchen Nr. 37. Normal.
Meerschweinchen Nr. 38. Normal.
Meerschweinchen Nr. 39. Normal.
Meerschweinchen Nr. 40. Normal.
Milchprobe XII (von Ze.).
Meerschweinchen Nr. 45. Normal.
M eerschweinchen Nr. 46. Die Impfstelle rechts ist gut verheilt;
die Gedärme im linken Teile der Bauchhöhle sind untereinander und mit
dem Bauchfell verwachsen und mit eitrigen Belägen bedeckt. Die Gallenblase
ist vergrößert und prall angefüllt, Galle klar. Die übrigen Organe zeigen
keine krankhaften Veränderungen.
Impfung des Peritonealexsudates auf Glyzerinserum: Weiße und gelbe
Staphylokokkenkolonien.
Impfung der Galle auf Agar: Es entwickeln sich lebhaft be¬
wegliche, coli-ähnliche Stäbchen, die sich kulturell genau wie
die Bakterien des Paratyphus B verhalten. Die Bazillen werden
durch agglutinierendes, spezifisches Serum von mit Paratyphus B
vorbehandelten Tieren bis zur Verdünnung von 1:3000 agglu-
tiniert. Sie sind für sämtliche Versuchstiere (Maus, Meer¬
schweinchen, Kaninchen) bei intravenöser und intraperitonealer
Injektion hochgradig virulent und führen beim Kaninchen unter
profusen Durchfällen zum Tode. Die aus der Galle isolierten
Stäbchen sind also zweifellos Bact. Paratyphi B.
Me erschweinchen Nr. 47. Leichte Verwachsungen bindegewebiger
Natur zwischen Leber, Därmen, Netz und parietalem Blatt des Peritoneums.
Gallenblase mäßig vergrößert. Keine Drüsenschwellungen. Milz und
Lungen normal.
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224 B. Pboskaueb, E. Seuömann und Fb. Cboneb:
Impfung der Galle auf Lakmusagar (Drigalski-Conradi) und
Glyzerinserum bleibt steril.
Meerschweinchen Nr. 48. Normal.
3. Dänische Milch.
Milchprobe
Nummer
des Tieres
Gewicht bei
der Impfung
Tag der
Impfung
Tag des
spontanen
Todes
Tag der
Tötung
Gewicht bei
der Tötung
14s*
• s ® si
Sonstiger
abnormer
Befund
Milch IV
13
260
13. XII. 05
15. XII. 05
—
—
—
Peritonitis
(Aarhus)
1 14
290
11
11
—
—
—
Peritonitis
15
270
11
.
12. II 06
545
—
—
1 16
275
>»
—
11
557
—
—
Milch V
17
250
13. XII. 05
—
13. H 06
552
—
—
(Horsens)
18
305
11
—
468
—
—
19
305
11
—
11
472
—
_i
20
265
11
—
11
515
—
—
Milch VI
21
365
15. XH. 05
19. XII. 05
—
—
—
Peritonitis
(Holby)
22
840
11
11
—
Peritonitis
23
425
H
—
17. II 06
689
—
—
24
335
11
—
11
475
+
—
Milch VII
25
250
20. XIL 05
—
20. II 06
530
—
—
(Aarhus) !
26
275
1J
—
11
547
—
—
27
260
11
—
11
533
—
—
28
260
11
—
11
657
1
j
Miloh XI
41
270
5.1. 06
—
7. IIL 06
507
—
—
(Holby)
42
330
ii
—
ii
571
—
—
43
290
ii
—
ii
606
—
—
44
300
ii
—
ii
564
—
—
Milch XIV
53
265
11. 1. 06
—
12. III 06 i
492
s
_
(Holby)
54
261
ii
— i
1»
510
1
—
55
251
ii
—
11
555
—
—
i
56
254
ii
—
11
570
—
—
Milch XVU
i 65
232
16. 1. 06
—
17. IV 06
600
—
—
(Holby)
1 60
242
11
— j
5 . m. „
500
—
—
i
1 6 1
235
11
—
18. III. „
390
+
I _
I
|
1 68
255
11
— !
16. III.
466
—-
i
Milch XIX
73
360 j
19.1. 06
— |
17.11I.0B
555
—
—
(Holby)
74
290!
ii
i
26. IV. „
610
—
-
1 75
270
ii j
17. III „
425
—
—
! 76
320
ii i
— |
17. III „
485
+
—
1 Vgl. Protokoll.
Gck igle
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Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. 225
(Fortsetzung.)
Milchprobe
Nummer
des Tieres
Gewicht bei
der Impfung
Tag der
Impfung
Tag des
spontanen
Todes
Tag der
Tötung
Gewicht bei
der Tötung
Tb. -f in Aus¬
strich,Schnitt,
Kultur oder
Impfung
Sonstiger
abnormer
Befund
Milch XXI
81
407
24. I 06
27. II. 06
—
_
_
Lungen- 1
(Holby)
tuberkulöse
82
337
>>
»*
—
—
—
Pneumonie
83
350
J»
3. III. 06
—
—
—
Pneumonie
84
255
V
—
24. III. 06
502
—
—
Milch XXIV
93
250
2. 11. 06
—
2. IV. 06
478
—
—
(Holby)
94
282
yy
—
yy
565
—
—
95
288
»i
—
yy
503
—
—
96
235
»»
—
456
—
—
Milch XXV
97
278
5. 11. 06
—
4. IV. 06
521
+
—
(Horsens)
98
318
>»
—
yy
477
—
—
99
282
—
yy
455
—
—
100
298
—
„
493
—
—
Milch XXVI
101
372
6. II. 06
—
6. IV. 06
647
—
—
(Horsens;
102
361
yy
—
yy
579
—
—
103
312
M
—
yy
480
—
—
104
348
}}
16. III. 06
—
—
—
Nephritis
Milch XXVII
105
210
8. II. 06
—
7. IV. 06
480
—
—
(Horsens)
106
244
yy
—
yy
470
—
—
107
257
yy
—
yy
455
+
—
108
259
yy
—
17. IV. 06
438
+
—
Sektionsprotokolle.
Milchprobe IV (Aarhus).
Meerschweinchen Nr. 13. Geringe, fibrinöse Auflagerungen auf
Milz, Leber und Därmen; Leber und Milz sehr weich und brüchig. Sonstige
Veränderungen fehlen.
Kulturen aus Herzblut und Exsudat zeigen üppiges Wachstum ver¬
schiedener Kokkenarten.
Dasselbe Bild in Kulturen aus Milzblut.
Meerschweinchen Nr. 14. Mäßig viel seröse Flüssigkeit in der
Bauchhöhle, Leber und Milz weich und sehr brüchig.
Im Blut und Exsudat Streptokokken und Diplokokken in großer Zahl.
Meerschweinchen Nr. 15. Normal.
Meerschweinchen Nr. IG. Normal.
Milchprobe V (Horsens).
Meerschweinchen Nr. 17. Normal.
Meerschweinchen Nr. 18. Normal.
1 Vgl. Protokoll.
Zeitschr. f. Hygiene. LVII.
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226 B. Peoskauee, E. Seligmann und Fe. Ceonee:
Meerschweinchen Nr. 19. An beiden Oberlappen der Lungen sind
einzelne verdächtig aussehende Partien von mattem Fettglanz und ziemlich
fester Beschaffenheit. Sonstiger Befund regelrecht.
Schnitt: Vermehrung des interalveolären Gewebes, Verkleinerung der
Lungenbläschen (Atelektasen).
Kulturen auf Glyzerinserum bleiben steril.
Ein Teil der Lunge wird Meerschweinchen Nr. 109 subkutan in eine
Hauttasche gebracht; die Wunde wird mit Kollodium geschlossen (13.IL 1906).
Das Tier wurde am 7. IV. 1906 getötet. Sektionsbefund: normal.
Meerschweinchen Nr. 20. Normal.
Milchprobe VI (Holby).
Meerschweinchen Nr. 21. Die Bauchhöhle ist mit reichlichen
Mengen serös eitriger Füssigkeit erfüllt; sonstiger Befund regelrecht.
Ausstrich des Eiters: Lange Ketten von ziemlich großen Streptokokken
und traubenförmige Haufen von Staphylokokken.
Kultur: Weiße Staphylokokken und langgliederige Streptokokken.
Meerschweinchen Nr. 22. Die Bauchhöhle ist mit reichlichen Mengen
serös-eitriger Flüssigkeit angefüllt; sonstiger Befund regelrecht.
Ausstrich des Eiters: Lange Ketten von ziemlich großen Strepto¬
kokken, dazwischen Ketten von sehr zarten Streptokokken und Haufen ton
Staphylokokken.
Kultur: Weiße Staphylokokken und langgliedrige, derbe Streptokokken.
(Die zarten Streptokokken gingen auf dem Nährboden nicht an.)
Meerschweinchen Nr. 23. Normal.
Meerschweinchen Nr. 24. Die Därme sind strangförmig unter¬
einander und mit dem Bauchfell verwachsen; das Netz ist aufgerollt und
mit dicken, zum Teil verkästen Knoten besetzt. Die Milz ist auf da;
Doppelte vergrößert und mit gelben, nekrotischen Herden durchsetzt Die
Leber ist vergrößert und mit zahlreichen, miliaren und größeren, konfluieren-
den Knötchen bedeckt. Auf dem Unterlappen der linken Lunge sitzen drei
frische, glasige Tuberkelknötchen.
Im Ausstrich aus Leber- und Netztuberkel sind Tuberkelbazillen nach¬
weisbar.
Von den Lungentuberkeln wird auf Glyzerinserum übergeimpft.
Die Kulturen bleiben steril.
Milchprobo VII (Aarhus).
Meerschweinchen Nr. 25. Normal.
Meerschweinchen Nr. 26. Normal.
Meerschweinchen Nr. 27. Normal.
Meerschweinchen Nr. 28. Normal.
Milchprobe XI (Holby).
Meerschweinchen Nr. 41. Normal.
Meerschweinchen Nr. 42. Normal.
Gck igle
Original fro-m |
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
i
Beschaffenheit deb in Berlin eingeführten dänischen Milch. 227
Meerschweinchen Nr. 43. Normal.
Meerschweinchen Nr. 44. Normal.
Milchprobe XIV (Holby).
Meerschweinchen Nr. 53. Normal.
Meerschweinchen Nr. 54. Normal.
Meerschweinchen Nr. 55. Normal.
Meerschweinchen Nr. 56. Normal.
Milchprobe XYII (Holby).
Meerschweinchen Nr. 65. Normal.
Meerschweinchen Nr. 66. Normal.
Meerschweinchen Nr. 67. Im Mesenterium des Dickdarmes, mit
den Därmen nicht verwachsen, sitzt eine über kirschgroße, fleischige Ge¬
schwulst mit solidem Inhalt. Im Ausstrich des Tumors: Leukozyten, keine
Bakterien, keine Tuberkelbazillen.
Schnitt: Zum Teil fettig degeneriertes Drüsengewebe mit einzelnen,
kreisförmig angeordneten Entzündungsherden, die tuberkuloseähnlich aus-
sehen, jedoch ohne Riesenzellen und ohne nachweisbare Tuberkelbazillen.
Ein Teil der Geschwulst wird in sterilisierter Milch fein verrieben; der Brei
wird den Meerschweinchen Nr. 110, 111, 112 intraperitoneal, Nr. 113 per
os einverleibt (16. III 1906).
Meerschweinchen Nr. 110 |
Meerschweinchen Nr. 111 > sterben am 28.HL 1906.
Meerschweinchen Nr. 113 J
Meerschweinchen Nr. 110. Miliartuberkulose sämtlicher Bauch¬
organe, Tuberkelbazillen nachweisbar, Lungen ohne Veränderung.
Meerschweinchen Nr. 111. Peritonitis. Im Exsudat zahllose Bak¬
terien, besonders viel kurzgliedrige Streptokokken.
Meerschweinchen Nr. 113. Miliartuberkulose sämtlicher Bauch¬
organe, Tuberkelbazillen nachweisbar, Lungen ohne Veränderung.
Meerschweinchen Nr. 112 stirbt am 31. HI. 1906. Kirschgroße,
verkäste Geschwulst an der Impfstelle. Miliartuberkulose sämtlicher Bauch¬
organe und der Pleura. Mäßige Flüssigkeitsansammlung in beiden Pleura¬
höhlen. Lungen weich, rötlich, ohne sichtbare Veränderungen.
Meerschweinchen Nr. 68. Normal.
Milchprobe XIX (Holby).
Meerschweinchen Nr. 73. Normal.
Meerschweinchen Nr. 74. Normal.
Meerschweinchen Nr. 75. Normal.
Meerschweinchen Nr. 76. Normale Verhältnisse bis auf eine etwa
pfennigstückgroße, verkäste Stelle an der Unterseite des linken Leberlappens.
Ausstrichpräparat: Leukozyten, Fett, amorphe hyaline Massen, keine
Bakterien, keine Tuberkelbazillen.
Schnitt: Epitheloid-Tuberkelbildung mit zentral verkästen Partien.
Tuberkelbazillen reichlich vorhanden.
15*
Digitizetf by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
228
B. Proskaüeb, E. Seligmann und Fr. Croneb:
Digitized by
Milchprobe XXI (Holby).
Meerschweinchen Nr. 81. Bauchorgane normal. Hochgradige Tuber¬
kulose beider Lungen.
Meerschweinchen Nr. 82. Graue Hepatisation der ganzen linken
Lunge.
Ausstrichpräparat: Massenhaft Diplokokken.
Sonstiger Befund regelrecht.
Meerschweinchen Nr. 83. Rote Hepatisation der ganzen linken
Lunge und des Unterlappens der rechten Lunge.
Ausstrichpräparat: Sehr viele Diplokokken.
Sonstiger Befund regelrecht.
Meerschweinchen Nr. 84. Normal.
Milchprobe XXIY (Holby).
Meerschweinchen Nr. 93. Normal.
Meerschweinchen Nr. 94. Normal.
Meerschweinchen Nr. 95. Normal.
Meerschweinchen Nr. 96. Normal.
Milchprobe XXV (Holby).
Meerschweinchen Nr. 97. Im Mesenterium des Dickdarms sitzt eine
kirschgroße, mit käsigem Eiter gefüllte Geschwulst. Sonstiger Befund
regelrecht.
Im Ausstrich des Eiters zahllose Streptokokken und Staphylokokken;
Tuberkelbazillen nicht nachweisbar.
Schnitt: Tuberkelbildung im Drüsengewebe mit zentral nekrotischen
Partien. Tuberkelbazillen spärlich vorhanden.
Ein Teil des Tumors wird Meerschweinchen Nr. 120 (Gewicht 340^®)
subkutan (Hauttasche) einverleibt. Das Tier wird einen Monat nach der
Impfung getötet. Gewicht 230 & rm .
Befund: Yon der Impfstelle ausgehende hochgradige Tuberkulose aller
Organe.
Meerschweinchen Nr. 98. Normal.
Meerschweinchen Nr. 99. Normal.
Meerschweinchen Nr. 100. Normal.
Milchprobe XXYI (Horsens).
M eerschweinchen Nr. 101. Normal.
Meerschweinchen Nr. 102. Normal.
Meerschweinchen Nr. 103. Normal.
Meerschweinchen Nr. 104. Außerordentlich abgemagertes Tier,
sämtliche inneren Organe entsprechend klein und fettarm; nur die linke
Niere ist fast doppelt so groß, wie die rechte. Die Rindenschicht ist sehr
breit und verfettet; Markkegel soheinen etwas verkleinert. Die rechte Niere
ist ziemlich klein, mit zahlreichen granulierten, wie nekrotisch aussehenden
Herden durchsetzt.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit deb in Berlin eingeführten dänischen Milch. 229
Schnitt: Parenchymatöse und interstitielle (besonders rechts) Nephritis
beiderseits. Bakterien sind im Schnitt nicht nachweisbar.
Milchprobe XX Vir (Horsens).
Meerschweinchen Nr. 105. Normal.
Meerschweinchen Nr. 106. Normal.
Meerschweinchen Nr. 107. Tuberkulose des Netzes, das aufgerollt
und mit dicken, vereiterten Drüsen besetzt ist. Milz ist vergrößert und von
verkästen, großen Herden bedeckt. Leber ohne Veränderungen. Der linke
Unterlappen der Lunge weist zwei frische, glasige Tuberkel auf.
Im Drüsenausstrichpräparat: Zahlreiche Tuberkelbazillen.
Kultur auf Qlyzerinserum bleibt steril.
Meerschweinchen Nr. 108. Die Milz ist auf das Doppelte vergrößert
und von großen, käsig-eitrigen Herden durchsetzt. Sämtliche Drüsen der
Bauchhöhle sind vergrößert, zum größten Teil verkäst. Unterhalb der Leber
sitzt ein pflaumengroßes Paket von verkästen Drüsen mit zahlreichen Ver¬
wachsungssträngen zur Leber und den umliegenden Därmen. Die Leber
selbst ist mit zahlreichen miliaren bis kirschkern großen Herden von grünlich¬
gelber Farbe besetzt. Auf beiden Lungen zehn mittelgroße, glasige Tuberkel
mit beginnender Einschmelzung des umgebenden Lungengewebes. Im
Drüseneiter sind Tuberkelbazillen nachweisbar. Kulturen auf Glyzerinserum
bleiben steril.
Ergebnisse der Tierversuche in bezug auf Tuberkulose.
1. Berliner Handelsmilch.
Von 9 untersuchten Proben erwiesen sich 5 als tuberkulös. Zweimal
(Milch XIII und Milch XXIII) handelt es sich augenscheinlich um größere
Mengen von Tuberkelbazillen, da alle 4 Versuchstiere an Tuberkulose
eingingen.
Der Prozentsatz der untersuchten Berliner Handelsmilch an tuberkel¬
bazillenhaltiger Milch betrug demnach 55-5 Prozent.
2. Tierärtlich kontrollierte Berliner Milch.
Von den untersuchten 5 Proben war keine einzige tuberkelbazillen¬
haltig.
3. Dänische Milch.
Von 13 untersuchten Proben erwiesen sich 5 als tuberkulös. Dies
entspricht einem Prozentsatz von 38*5 Prozent. Dabei ist zu beachten,
daß die dänische Milch fast durchgehend und sogar ziemlich hoch erhitzt
gewesen ist.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
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230
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
*232
B. Proskaüer, E. Seligmann und Fh. Croner:
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II. Sommermilch.
Die Untersuchungen wurden während der Sommermonate d. J. 1906
fortgesetzt.
In Fortfall kamen die Untersuchungen der Milch auf ihren etwaigen
Gehalt an lebenden Tuberkelbazillen, da die Ergebnisse, über welche im
vorstehenden berichtet worden ist, bereits ein hinreichendes Urteil nach
dieser Richtung hin zulassen, indem sie gezeigt hatten, daß Tuberkel¬
bazillen in den untersuchten Proben dänischer Milch nicht häufiger vor¬
kamen, als in der Berliner Marktmilch.
Besondere Aufmerksamkeit sollte bei den Sommeruntersuchungeu
der Beschaffenheit der in Tankwagen eingeführten dänischen Milch zu¬
gewendet werden, falls diese Art der Einfuhr noch fortdauert oder wieder
in Aufnahme gekommen ist.
Es lag die Absicht vor, schon im Juni die Untersuchungen der
dänischen Milch wieder aufzunehmen und dabei die „Tankmilch“ besonders
zu berücksichtigen. Deshalb war der dem Institut für Infektionskrank¬
heiten auch dieses Mal wieder zur Verfügung gestellte Polizei Wachtmeister
vom Gewerbekommissariat des Kgl. Polizeipräsidiums beauftragt worden, dem
Institut sofort jeden zur Ankunft angemeldeten Tankwagentransport von
dänischer Milch anzuzeigen. Da indessen sowohl die Tankmilch, als auch
die Kannenmilch aus Aarhus und Horsens ausblieben, so konnte nur
Kannenmilch aus Holby, die für eine hiesige große Milchhandlung am
Stettiner Bahnhofe ankommt, untersucht werden.
Der Grund, weshalb die Einfuhr der dänischen Milch, welche bisher
am Lehrter Güterbahnhofe an die hiesigen Milchhändler verteilt wurde,
und welche den bei weitem größten Teil der hierher gebrachten dänischen
Milch ausmachte, während eines Teiles des Frühjahrs und den gauzen
Sommer hindurch unterbrochen war, ließ sich nicht sicher ermitteln. Dem
Vernehmen nach soll diese Mich für den Handel zu teuer sein. Namentlich
gilt dies für die in Tanks verladene Milch, da von den beiden in einem Eisen¬
bahnwagen befindlichen Tanks nur einer mit Milch gefüllt war, der andere
aber mit Wasser gefüllt werden mußte (vgl. unter „Wintermilch“), und
somit auch für die Beförderung des Ballastwassers Kosten entstanden
waren. Es wurde uns angegeben, daß die Milcheinfuhr in Tanks nur
dann lohnend sei, wenn sich so viele Abnehmer aus den Kreisen der
Milchhändler und Großkonsumenten, z. B. Schokoladenfabrikanten, für die
dänische Milch finden würden, daß für jeden Transport beide Tanks des¬
selben Wagens mit Milch gefüllt werden könnten und dadurch Ersparnisse
an Beförderungskosten zu erzielen wären.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eingefüheten dänischen Milch. 233
Von anderer Seite wurde als alleiniger Grund für das Ausbleiben der
Milch aus Aarhus und Hornsens während der wärmeren Jahreszeit der
Aufenthalt vieler Familien in der Sommerfrische angeführt. Man be¬
absichtige daher, die Einfuhr in vollem Umfange wieder aufzunehmen,
sobald die Reisezeit beendet sei. Da aber auch nach Ablauf der letzteren
Milch aus Dänemark am Lehrter Bahnhofe nicht angelangt war, so wird
man wohl annehmen können, daß der erstangeführte Grund, nämlich
die Verteuerung der Milch durch den Transport, in erster Linie an der
Einschränkung der Milcheinfuhr aus Dänemark die Schuld trage. Die am
Stettiner Güterbahnhofe angelangten Sendungen dänischer Milch, von
denen Proben zur Untersuchung entnommen wurden, waren, wie unsere
Untersuchungen ergaben, vor dem Verladen erhitzt gewesen, dann laut
Angabe des Empfängers tief gekühlt worden. Der Bahntransport geschah
so, daß die einzelnen Kannen zwischen Eis und sauberem Stroh verpackt
wurden. Bei der Ankunft in Berlin war alles Eis geschmolzen; die Kannen
fühlten sich feucht und kühl an, und die Milch besaß eine Temperatur
zwischen 11 und 15° C, je nach der Lufttemperatur, die an den Entnahme¬
tagen zwischen 20 bis 28° C schwankte.
Es wurden im ganzen 8 Proben dänischer Kaunenmilch (aus Holby)
und zum Vergleich 5 Proben Berliner Handelsmilch, sowie 6 Proben aus
pommerschen Sammelmolkereien stammende Milch untersucht. Die letztere
war in Stralsund verladen und kam gleichzeitig mit der dänischen Milch
am Stettiner Güterbahnhof in Berlin an.
Zu erwähnen wäre noch, daß die untersuchte pommersche Milch
ohne Eisverpackung zur Versendung gelangte und bei ihrer Ankunft Tem¬
peraturen von 14 bis 18° C besaß. Unseren Untersuchungen zufolge war
sie vor ihrer Verladung nicht erhitzt worden.
Dadurch war es möglich, die Beschaffenheit der dänischen Milch
einmal mit einer gleichzeitig hier angelangten pommerschen Milch, die bei
gleicher Lufttemperatur ebenfalls einen längeren Transport durchgemacht
hatte, und dann mit der in Berlin zum Verkauf gelangenden Milch ver¬
gleichen zu können.
Bei dem Vergleich ist aber zu beachten, daß nicht alle Bedingungen
für die dänische und pommersche Milch die gleichen sind, indem nämlich
1. die däuische Milch, wie bereits oben angegeben ist, vor ihrem
Versand erhitzt wird, während die pommersche Milch nicht vorbehandelt
zur Verladung gelaugt;
2. die Transportdauer der ersteren eine längere ist, als bei der
pommerschen Milch; der Unterschied besteht in etwa 8 Stunden, und
3. die dänische Milch in Eis und Stroh verpackt die Eisenbahnfahrt
durchmacht, wogegen die pommersche Milch ungekühlt transportiert wird.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
234
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fb. Cboneb:
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Diese Unterschiede in der Behandlung der beiden Milcharten be¬
dingen Verschiedenheiten in ihrem chemischen und biologischen Verhalten,
die bei der Beurteilung der Untersuchungsergebnisse mit berücksichtigt
werden müssen.
Die Untersuchungsmethoden waren im allgemeinen die gleichen, wie
die im Winter geübten. Auf die Trockensubstanzbestimmung der Milch
wurde verzichtet und nur der Fettgehalt (mit Hilfe des Gerberschen
acidbutyrometrischen Verfahrens), das spezifische Gewicht und die Schmutz¬
menge ermittelt. Dagegen wurde die biologische Untersuchung im gleichen
Umfange ausgeführt, wie bei der im Winter entnommenen Milch. Uber
die Bedeutung der einzelnen Methoden für die Beurteilung der Milch sei
auf den ersten Teil dieser Arbeit hingewiesen.
Die Ergebnisse waren die folgenden:
A. Chemische Untersuchung.
1. Bestimmung des Fettgehaltes.
a) Berliner Handelsmilch.
Milch I 2-8 Prozent (Milch V 1*9) Prozent
„ HI 2-8 „ „ VII 3-2
„ IV 2.7 „
Schwankungen zwischen 1.9 bis 3 • 2 Prozent. Mittel: 2-68 Prozent.
Dieser niedrige Durchschnittswert, der noch unter dem polizeilich
festgelegten Mindestfettgehalt von Vollmilch (2*7 Prozent. — Berliner
Polizeiverordnung vom 15. III. 1902) liegt, ist bedingt durch Milch V,
die in fälschender Absicht entrahmt ist. Läßt man diese Milch bei der
Berechnung der Durchschnittswerte außer Betracht, so ergibt sich für
Berliner Handelsmilch ein Durchschnittsfettgehalt von 2-88 Prozent.
b) Pommersche Milch.
Milch
IX
— Prozent
Milch
XV
3*5 Prozent
77
XI
77
77
XVII
3*7 „
7?
XIII
3-5 „
77
XIX
3-3 „
Durchschnittsfettgehalt der pommersclien Milch: 3*5 Prozent.
c) Dänische Milch.
Milch
11
2-9 Prozent
Milch XII
3.1
Prozent
VI
3-1 „
» xiv
30
5?
7?
VIII
3.3 „
,, XVI
2-9
77
77
X
3-2 „
„ XVIII
2-8
7?
Im Durchschnitt: 3-04 Prozent.
Die Schwankungen gehen von 2-8 bis 3*3 Prozent.
Gck igle
Original frurn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit deb in Berlin eengefühbten dänischen Milch. 235
2. Der Schmutzgehalt der Milch ist dieses Mal im biologischen Teile
der Untersuchungen angeführt.
3. Bestimmung des spezifischen Gewichtes,
a) Berliner Handelsmilch.
Müch I 1-028 bei 15° (Milch Y 1-026) bei 15°
» UI 1*030 » » » VII 1.031 „ „
„ IV 1-030 „ „
Schwankungen 1-026 bis 1-031.
Im Durchschnitt: 1-029 bei 15°. (Milch V nicht mit berück¬
sichtigt).
Die Berüner Polizeiverordnung stellt als untere Grenze des spezifischen
Gewichtes 1-028 bei 15° C fest.
Der sehr niedrige Wert von Milch Y (1-026) ließ einen hohen Fett¬
gehalt vermuten. Nun ist aber gerade Milch V diejenige Milch, die den
niedrigen Fettgehalt von 1-9 Prozent hat, und die somit ein hohes
spezifisches Gewicht haben müßte. Die Milch muß nach diesen
Tatsachen nicht nur als abgerahmt, sondern auch noch als
gewässert angesehen werden; sie ist deshalb bei der Durchschnitts¬
berechnung nicht mit berücksichtigt worden.
b) Pommersche Milch.
Müch IX — Milch
» XI ~
„ XIH 1-031 bei 15° „
Im Durchschnitt: 1-031 bei 15°.
XV 1-031
XVII 1.032
XIX 1-031
bei 15°
11 11
11 11
c) Dänische Milch.
Milch II
1-031
bei
15°
Milch
XII
1-034
bei
15
„ vi
1-033
11
11
11
XIV
1-033
11
„ vih
1-027
11
11
11
XVI
1-034
>1
11
„ x
1-032
11
11
11
XVIII
1-032
11
11
Das spezifische Gewicht liegt daher zwischen 1-027 und 1-034, im
Durchschnitt bei 1*032.
B. Biologische Untersuchung.
Im folgenden soll, wie bei den Wiuteruntersuchuugen, ein Vergleich
der Durchschnittswerte und Eigenschaften zwischen den verschiedenen
Milchsorten gezogen werden. Sodann aber sollen die einzelnen, sich ent¬
sprechenden Proben dänischer und pommerscher Milch bezüglich ihrer
gesamten biologischen Eigenschaften nebeneinander gestellt werden. Da
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Gck igle
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236
B. Pboskaueb, E. Selig mann und Fb. Cboneb:
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so auch gleiche Außentemperaturverhältnisse vorliegen, ist dieser Ver¬
gleich noch von höherem kritischem Werte als die Vergleichung der Durch¬
schnittszahlen.
1. Bestimmung der Keimzahl.
a) Berliner Handelsmilch.
Milch I . . . 904 750
„ III .. . 11468000
„ IV . . . 1519 980
„ V . . . 3 451680
„ VII . . . 290225 (wahrscheinlich erhitzt gewesen).
Niedrigster Wert: 290225. Höchster Wert: 11468000.
Durchschnittswert: 3 526 927 Keime in 1 ccm Milch.
b) Pommersche Milch.
Milch IX 969 375
„ XI 994990
„ XHI 378 350
Milch XV 586 560
„ XVII 153408
„ XIX 509950
Niedrigster Wert: 153 408. Höchster Wert: 994 990.
Durchschnittswert: 598 772 Keime in 1 com Milch.
c) Dänische Milch.
Milch
II
. . . 10546 800
(erhitzt gewesen).
??
VI
... 00
(
1)
„ )
??
VIII
. . . 7 755500
(
» )
X
. . . 8357 480
(
>>
„ )
XII
. . . oo
(
yj
„ )
V
XIV
... 5 025 240
(
V
V )
XVI
... 9 955 540
(
jj
„ )
XVIII
... 6 692 400
(
>>
n )
Niedrigster Wert: 5 025 240. Höchster Wert: Unzählbar (2 mal).
Ein Durchschnittswert läßt sich wegen des in Milch VI und XII
unzählbar großen Keimgehaltes hier nicht angeben. Aus den Zahlen
geht aber hervor, daß die Keimzahl stets eine bedeutend höhere war. ah
die in der pommerschen Milch und meist auch in der Berliner Milch.
2. Bestimmung der katalysierenden Kraft.
Aus 25 ccm Milch und 0.5 cem Wasserstoffsuperoxyd (Perhydrol Merck)
hatten sich nach einstündigem Stehen bei 37° folgende Mengen Sauer¬
stoff entwickelt:
Gck igle
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Beschaffenheit dee in Berlin eingefühbten dänischen Milch. 237
a) Berliner Handelsmilch.
Milch
I . .
y. 4 Ccm
17
III .
<M
00
71
IV . .
5-5 „
11
V . .
CO
SD
11
vn . .
0-5 „ (wahrscheinlich erhitzt gewesen).
Im Durchschnitt: 5*6 ccm .
b) Pommersche Milch.
Milch IX
Q • 4 ccm
Milch
XV
6-8
ccm
„ XI
8-0 „
11
XVII
5-8
11
„ XIII
4-6 „
11
XIX
5-0
11
Im Durchschnitt: 6*4 ccm .
c) Dänische Milch.
Milch H
J • 4 ccm
Milch
XII
. 7-0 „
» VI
. . 6-5 „
11
XIV
.
. 2-4 „
„ VIII
. . 4.8 „
11
XVI
.
. 4-4 „
» X-
. . 0*8
11
XVIII
•
. 3.2 „
(Sämtlich erhitzt gewesen.)
Im Durchschnitt: 3 • 8 ccm .
3. Bestimmung der reduzierenden Kraft.
Aus den vorstehend angeführten Werten für den Keimgehalt und
die katalysierende Kraft der Milch geht schon hervor, wie außerordentlich
die bakteriologischen und biologischen Prozesse in der Milch während der
heißen Jahreszeit gesteigert sind. Dem entspricht das reduzierende Ver¬
mögen, das auch bei hygienisch sonst einwandfreien und selbst bei erhitzt
gewesenen Milchproben sehr hohe Grade erreicht. Wir erniedrigten daher
die zu prüfende Milchmenge, indem wir der früher beschriebenen Reihe
mit fallenden Milchquanten noch Milchmengen von 0*05 und 0*01 ccm
hinzufügten. Die Unterschiede in den erhaltenen Werten sind gering
und gestatten nur in Ausnahmefällen ein Urteil.
a) Berliner Handelsmilch.
T H. 1 ccm
geringste, die Methylenblaulösung
reduzierende Menge Milch.
„ »XX . . vx „
(VII wahrscheinlich erhitzt gewesen).
Geringste reduzierende Menge im Durchschnitt: 0-1 ,cm Milch.
tflULU
III
IV
V
VTT
V 1
0-1
0-1
0-1
(\ 1
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Gck igle
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238
B. Pboskaueb, E. Seligmann und Fe. Cboneb:
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b) Pommersche Milch.
Milch IX .
. 0-1
ccm
„ XI .
. 0-1
11
„ xm .
. 0-05
11
„ XV .
. 0-05
11
„ XVII .
. 0-1
11
„ XIX .
. 0.25
11
Geringste reduzierende Menge
I geringste,
> die Methylenblaulösung
reduzierende Menge Milch.
im Durchschnitt: 0-l ecra Milch.
c) Dänische Milch.
Milch
II
0*1 1
ccm
(erhitzt
gewesen)
11
VI
0-1
ii
(
11
11
)
11
VIII
0-05
ii
(
11
11
)
11
X
0-25
11
(
11
11
)
11
XII
0-1
ii
(
11
11
)
• •
XIV
0-05
ii
(
11
11
)
11
XVI
0-1
ii
(
11
11
)
«•
XVIII
0-1
ii
(
«*
11
)
geringste,
die Methylenblaulösung
reduzierende Menge Milch.
Geringste reduzierende Menge im Durchschnitt: 0*1 ccm Milch.
Der Wert der Reduktionsprobe für die Beurteilung der Milch ist
nach vorstehenden Ergebnissen für die Sommermonate ein sehr geringer;
dies gilt auch für ihre Verwertung zum Nachweis stattgefundener Er¬
hitzung der Milch.
4. Nachweis stattgehabter Erhitzung und Beurteilung des
Frischezustandes.
In der folgenden Tabelle sind nur diejenigen Milchproben aufgeführt,
bei denen eine Erhitzung mit Sicherheit oder doch mit Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen werden konnte. Dies war der Fall hei:
a) Berliner Handelsmilch.
Milcliprobe
Guajak- I Albumin- ! H.,0 2 -
reaktion j probe j Spaltung
Reduktase
Folgerung
Milch VII +
+ I 0-5
0*1 | Wahrscheinlich au‘ 60-70*
i erhitzt gewesene, fr. Milch.
b) Pommersche Milch.
Bei keiner der untersuchten Proben war eine Erhitzung nachweisbar.
Gck igle
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Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. 239
c) Dänischer Milch.
Nr. der Probe
Guajak-
reaktion
Albumin-
1 probe
HA-
Spaltung
Reduktase
Folgerung
Milch II
i _
i
i +
1-4 eem
1 Q.j ccm
Auf 75-83 0 erhitzt gewesene,
ziemlich frische Milch.
„ VI
—
i
6-5 „
0-1 „
Auf etwa 85° erhitzt ge¬
wesene, wenig frische Milch.
„ vm
| —
4*8 „
0*05 „
Auf etwa 85° erhitzt ge¬
wesene, wenig frische Milch.
„ x
—
±
0-8
0*25 „
Auf 75-83 0 erhitzt gewesene,
frische Milch.
XII
—
! __ !
j
7-0
0-1 „ ;
|
Auf etwa 85° erhitzt ge¬
wesene, wenig frische Milch.
„ XIV
t
±
2-4
0*05 „
i
Auf75-83°erhitzt gewesene,
wenig frische Milch.
„ XVI
—
—
4*4 „
0-1 „ i
Auf etwa 85° erhitzt ge¬
wesene, wenig frische Milch.
.. xvm
± =
3-2 „
Sauerstoff
= schwache
0-1 „ j
Reaktion.
Auf etwa 85° erhitzt ge¬
wesene, wenig frische Milch.
Hiernach waren alle Milchproben stark, wenn auch nicht gleichmäßig
hoch Tor der Versendung erhitzt gewesen.
5. Verlauf der natürlichen Säuerung und Gerinnung.
Der Ausfall der Alkoholprobe ist mit A ■+• oder — bezeichnet.
Die Säurezahlen sind in Soxhlet-Henkelschen Graden (für 5ü ccm
Milch) ausgedrückt. Die Aufbewahrung der Proben geschah im Eisschrank
bei etwa 8 0 C.
a) Berliner Handelsmilch.
Nummer
der Probe
1. Tag
2. Tag
3. Tag
4. Tag
5. Tag
6. Tag I 7. Tag
Milch I ,3-5 # (A—)3-6°(A—)5*0°(A+) 110 # (A+) 1 16-3° —
I j I | j(geronnen)
„ III 13-5° (A—V6*8°(A + ) 13-0 °(A+) 14-7 °(A+) 15-9° I —
IV
2-9° (A—)3-6°(A—)4.9°(A + )
V !3*2° (A—)5-8°(A+)[ 13*4°
(geronnen)
12.6°(A + )i 10.7°
(geronnen)
(geronnen)'
„ VII 3-3° (A—)!3-3 ( ' (A—) 3-5°(A—) 5-3° (A+) 8-4°(A + ] 13-0°(A + ) 14-6°
I
(geronnen)
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240
B. Proskaüer, E. Seligmann und Fk. Croner:
b) Pommersche Milch.
M *• Tae *■ T *S 8 - T *S *■ T **
5. Tag
6- Tag (
7. Ta£
Milch IX 2*2°(A—)4*6°(A + ) 9*4® (A+) 12'0°(A+)
i ; ,
14-3°
(geronnen)
—
—
.. XI 3*6°(A—)f3*7°(A—)4«7° (A+) 8-5 # (A+)
| :
16*1°
(geronnen)
- '
—
XIH 3-7°(A-) i 3-8 o (A-)4.0°(A+) 7-2 # (A+)
1
13*0°
(geronnen)
1
—
„ XV 3*7°(A—)3 • 9 0 (A—) 5 • 8 0 (A +) 12-3 # ( A+)
i i 1
(geronnen)
_ i
—
XVII 3*4°(A—)3-6°(A—) 4-6° (A+) 9-0 # (A+)
ll-5°(A+)
15-9° j
(geronnen)
—
„ XIX 3*0°(A—) 3-2 °(A— 4*2° (A + ) 5-4 # (A + )
13-3°,(A+)
I
15*2° i
(geronnen)
—
c) Dänische Milch.
der* Probe Tl * 2 - Ta * 1 3 - Ta * 4 - Ta &
_ ^ .! _ 1 _
5. Tag
6. Tag
7. Tag
Milch II 3-7°(A—) 3»7 # (A—) 7-6°(A + ) 14*6°
(geronnen)
—
1
„ VI :3.7°(A— )6.2°(A+) 14«3° | —
'(geronnen)
—
—
VIII 5*3 °(A + ) 6-1 °(A+)|8*2° (A+)11-6°(Ä+)
„ X 3*1°(A—) 3>8°(A—)L-3°(A+) 8-5°(A+)
14-9°
(geronnen)
—
18-0°(A + )
14-7°
(geronnen)
_
„ XII ; B-7 0 (A-)4-9 0 (A+)'8-3 0 (A+)ll-8 0 (A+) ! 12*5° | — -
j | (geronnen)j
„ XIV 3*7° (A—) 3*8 0 (A—) 5*6°(A+) ll-4°(A+)j — i — -
| j | j(geronnen)l
„ XVI 3-7°(A-) t-7°(A + );8-9°(A+) 13-7°(A + )j 16-2° — -
| j , (geronnen)
„ XVIII '3*1 0 (A-) 3*2°(A—) 6-5° (A+) 9-7°(A+)i 16-5° — -
j , | ] [(geronnen)
Daraus ergibt sich:
a) Für Berliner Haudelsmilch.
Der Säuregrad bei der Ankunft ist ein niedriger, Werte von 3-5*
werden nicht überschritten. Die Säurung nimmt während der Auf¬
bewahrung auf Eis langsam zu und führt meist am 5. Beobachtungstage
zur Gerinnung. Bei Milch VII, die erst am 7. Tage der Aufbewahrung
gerann, handelt es sich wahrscheinlich um eine erhitzt gewesene Milch.
Milch Y, die bereits am 3. Tage gerann, ist, wie schon im chemischen
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Beschaffenheit der in Behlen eingeführten dänischen Milch. 241
Teile ausgeführt, eine offensichtlich gefälschte und verwässerte Milch.
Durch den Zusatz unreinen Wassers allein ist die mangelhafte Haltbarkeit
schon erklärbar.
Die Alkoholprobe fiel zweimal am 2. Tage, zweimal am 3. Tage,
einmal am 4. Tage positiv aus (40:40:20 Prozent.)
Die Kochprobe, deren Einzelergebnisse nicht mit in die Tabellen
aufgenommen sind, fiel zweimal am 2. Tage (40 Prozent), einmal am
3. Tage (20 Prozent) und zweimal am 4. Tage (40 Prozent) positiv aus.
b) Für pommersche Milch.
Der Säuregrad bei der Ankunft ist ein niedriger, Werte von 3*7°
werden nicht überschritten. Die Säuerung nimmt während der Auf¬
bewahrung auf Eis zuerst sehr langsam, später etwas schneller zu und
führt in 4 Fällen am 5. Tage zur Gerinnung (66-7 Prozent), in 2 Fällen
am 6. Tage (33-3 Prozent).
Die Alkoholprobe fiel einmal am 2. Tage, fünfmal am 3. Tage
positiv aus (16 «7 zu 83*3 Prozent).
Die Kochprobe fiel einmal am 2. Tage (16-7 Prozent), einmal am
3. Tage (16-7 Prozent) und viermal erst am 4. Tage (66*6 Prozent)
positiv aus.
c) Für dänische Milch.
Der Säuregrad bei der Ankunft ist meist niedrig, (gewöhnlich 3*7°);
nur einmal kam eine erheblich gesäuerte Milch (Nr. VIII: 5«3°) zur Be¬
obachtung. Die Säurung nimmt dann während der Aufbewahrung auf
Eis allmählich zu, erreicht am 3. Tage meistens schon beträchtliche
Werte und führt einmal am 3. Tage (12*5 Prozent), einmal am 4. Tage
(12*5 Prozent), fünfmal am 5. Tage (62*5 Prozent) und einmal am 6. Tage
(12*5 Prozent) zur Gerinnung.
Die Alkoholprobe fiel einmal am 1. Tage (12*5 Prozent), dreimal am
2. Tage (37 • 5 Prozent) und viermal am 3. Tage (50 Prozent) positiv aus.
Die Kochprobe fiel einmal am 1. Tage (12*5 Prozent), einmal am
2. Tage (12-5 Prozent), fünfmal am 3. Tage (62-5 Prozent) und einmal
erst am 4. Tage (12*5 Prozent) positiv aus.
t>. Garprobe.
Von sämtlichen untersuchten Milchproben wurden je 50 ccm bei 37°
beobachtet. Da sämtliche Proben am 2. Tage typisch sauer geronnen
waren, so ist ein reichliches Vorkommen von Fäulniserregern ausgeschlossen.
Zeitschr. f. Hygiene. LVJI.
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Beschaffenheit deb in Beblin einqefühbten dänischen Milch. 243
7. Bestimmung des Schmutzgehaltes.
Der Schmutzgehalt der Berliner Handelsmilch betrug im Durch¬
schnitt V 2 (nach der Stutzerschen Skala). Er schwankte zwischen
„Spuren“ und 1 1 / i .
Der Schmutzgehalt der pommerschen Milch war ein außer¬
ordentlich geringer, meist waren nur „Spuren“ vorhanden; der höchste
beobachtete Wert betrug 1 / 4 .
Der Schmutzgehalt der dänischen Milch betrug im Durchschnitt
3 l i , nie weniger als 1 j 2 und erreichte mehrfach Werte von 1.
8. Vergleiche zwischen einigen Proben dänischer und pommer¬
scher Milch, die gleichzeitig per Bahntransport in Berlin
anlangten.
Die Proben wurden mittags gegen 1 l / a Uhr entnommen, nachdem
die Temperatur der Milch in drei Kannen aus verschiedenen Teilen der
Packwagen gemessen war. Sie wurden sofort in das Institut gebracht
und verarbeitet. Als Lufttemperatur wird diejenige Höhe der Außen¬
temperatur angegeben, die zur gleichen Zeit an einer schattigen Stelle
des Iustitutsgartens gemessen wurde.
I. Die dänische Milch VIII kam also in unbrauchbarem Zustande hier
an, sie war gesäuert und gerann beim Kochen sowohl wie auf Zusatz
68 prozentigen Alkohols. Ihr Keimgehalt war ein hoher.
Die pommersche Milch IX kam gleichzeitig in süßem, einwandfreien
Zustande hier an. Ihr Keimgehalt war erheblich niedriger.
II. Die dänische Milch X kam in süßem, frischen Zustande hier an;
ilir Keimgehalt war ein hoher. Die pommersche Milch XI kam gleichzeitig
in süßem Zustande hier an; ihr Keimgehalt war erheblich niedriger, ihre
Haltbarkeit gleichwohl etwas geringer.
HL Die dänische Milch XII kam in süßem, aber wenig frischen Zu¬
stande hier an. Ihr Keimgehalt war ein sehr hoher; ihre Gerinnungs¬
neigung (Alkohol- und Kochprobe) früh ausgesprochen.
Die pommersche Milch XIII kam gleichzeitig in süßem Zustande
hier an. Ihr Keimgehalt war ein ziemlich niedriger; die Gerinnungs¬
neigung kam erst später als bei der dänischen Milch zum Ausdruck.
IV. Beide Proben kamen gleichzeitig in süßem Zustande hier an und
verhielten sich gleich im Verlauf der natürlichen Zersetzung. Der Keim-
gehalt der dänischen Milch war wieder beträchtlich höher, als der der
pommerschen.
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Beschaffenheit deb in Berlin eingefühbten dänischen Mil ch. 245
V. Die dänische Milch XYI kam in süßem, aber wenig frischen Zu¬
stande hier an. Ihr Keimgehalt war ein hoher; ihre Gerinnungsneigung
höh ausgesprochen.
Die pommersche Milch XYII kam gleichzeitig in süßem Zustande
hier an; ihr Keimgehalt war ein niedriger; die Gerinnungsneigung kam
später zum Ausdruck als bei der dänischen Milch. Ihre Haltbarkeit war
eine größere.
YL Die dänische Milch XYIII kam in süßem, wenig frischen Zu¬
stande hier an; ihr Keimgehalt war ein hoher; ihre Gerinnungsneigung
etwas früher ausgesprochen als die der pommerschen Probe, ihre Haltbar¬
keit geringer.
Der Keimgehalt der pommerschen Milch XIX war erheblich niedriger,
als der der dänischen Milch, ihre Haltbarkeit größer.
Bei diesen sechs Paralleluntersuchungen zeigten sich die unerhitzten
pommerschen Milchproben den entsprechenden erhitzt gewesenen dänischen
Proben somit viermal überlegen, einmal gleichwertig und einmal unter¬
legen.
Die Untersuchungsergebnisse für die Sommermilch im Vergleich
zur Wintermilch, die im einzelnen vorstehend aufgeführt sind, besagen
folgendes:
A. Resultate der ohemisohen Untersuchung.
1. Das spezifische Gewicht der dänischen Milch schwankte im Sommer
zwischen 1*027 und 1*034 und betrug im Mittel 1*032; im Winter
zwischen 1*033 und 1*035; es betrug im Mittel 1*033.
Die Wintermilch besaß also ein etwas höheres spezifisches Gewicht,
als die Sommermilch. Das gleiche Verhältnis tritt bei der Berliner
Handelsmilch in die Erscheinung.
Die pommersche Milch hatte ein ziemlich gleichmäßiges spezifisches
Gewicht von 1*031.
2. Der Fettgehalt der dänischen Milch betrug im Sommer durch¬
schnittlich 3*04 Prozent und schwankte zwischen 2*8 und 3*3 Prozent.
Im Winter bewegten sich die Schwankungen zwischen 2*9und3*7Prozent;
das Mittel lag bei 3*2 Prozent.
Die Winter mil ch war also fettreicher als die Sommermilch. Auch
hier wieder zeigte sich das Gleiche bei der Berliner Milch.
Die pommersche Milch hatte einen schwankenden Fettgehalt von
3*3 bis 3*7 Prozent, im Durchschnitt 3*5 Prozent.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
246
B. Peoskauek, E. Seligmann und Fe. Cboneb:
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B. Resultate der bakteriologieohen und biologlsehen Untersuchungen.
1. Der Keimgehalt (im ccm) schwankte im Sommer bei der
dänischen Milch zwischen rund 5000000 und unzählbar; er war be¬
trächtlich höher, als bei der Wintermilch (rund 2140000 im Mittel).
Die Berliner Handelsmilch hatte im Sommer im Mittel einen
Keimgehalt von rund 3 500000, im Winter 567 000.
Die Keimmenge war also ebenfalls im Sommer beträchtlich hoher
als im Winter, aber immer noch bedeutend niedriger, als bei der
dänischen Milch.
Die pommersche Milch besaß im Durchschnitt rund 599000
Keime im ccm .
2. Die Reduktionskraft bei allen Proben war eine sehr gesteigerte;
Unterschiede in den einzelnen Fällen waren kaum festzustellen. Im all¬
gemeinen war sie also im Sommer beträchtlich höher als im Winter.
3. Die katalysierende Kraft der dänischen Milch war im Sommer
ebenso wie im Winter beträchtlich niedriger als bei der Berliner
Handelsmilch.
Die pommersche Milch besaß ein ziemlich hohes katalytisches Ver¬
mögen.
4. Die untersuchten Proben dänischer Sommermilch waren vor
dem Versand durchweg erhitzt gewesen. Der Erhitzungsgrad muß
im allgemeinen im Sommer ein höherer als im Winter gewesen sein.
5. Der Frischezustand der dänischen Milch war im großen und
ganzen ein mäßiger; merkliche Unterschiede zwischen Sommer uud
Wintermilch waren nicht vorhanden.
6. Der Grad der Säuerung der dänischen Milch war un¬
mittelbar nach ihrer Ankunft, mit eiuer Ausnahme, ebenso niedrig wie
bei der Berliner und pommerscken Milch.
Der Verlauf der Säuerung bei der Aufbewahrung im Eisspind
(7 bis 9 0 C) war bei allen Milchproben annähernd gleich dem bei der
Wintermilch beobachteten.
Die Gerinnuugsneigung, wie sie durch die Alkohol- und Koch¬
probe angezeigt wird, trat bei dänischer Milch im allgemeinen früher ein.
als bei den anderen Milchsorten.
7. Ein Unterschied im Schmutzgehalt zwischen den im Winter
und Sommer untersuchten Proben dänischer Milch war nicht festzustellen.
Die dänische Milch war aber schmutzreicher, als die anderen Milcharttn.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beschaffenheit der in Berlin eingeführten dänischen Milch. 247
Die Untersuchungen der dänischen und der Berliner Sommermilch
haben somit ergeben, daß ihre biologischen Eigenschaften, entsprechend
der warmen Jahreszeit, in gesteigertem Grade hervortraten. Der Ver¬
gleich beider Milcharten zeigt aber, daß sie sich zu einander im übrigen
im Sommer ebenso verhielten, wie im Winter, denn der Keimgehalt der
dänischen Milch war in beiden Fällen ein höherer, als derjenige der
Berliner Handelsmilch.
Außerdem neigte die dänische Milch wieder etwas mehr zur Säuerung
und Gerinnung als die Berliner Milch.
Die pommersche Milch, die zur gleichen Zeit wie die dänische am
Stettiner Bahnhofe zur Abnahme gelangte, war keimärmer und in vielen
Fällen haltbarer, als die dänische und die aus dem Berliner Handel her-
rührende Milch.
Nach dem vorstehenden kann man zusammenfassend sagen, daß unter
Berücksichtigung der Transportverhältnisse die dänische Sommermilch der
im Berliner Verkehr befindlichen Milch in biologischer Beziehung im
allgemeinen nur wenig nachsteht, sie in chemischer Hinsicht sogar über¬
trifft. Man kann sie daher vom hygienischen Standpunkte aus für den
Handel als zulässig erklären.
Dagegen ist sie zur Ernährung von Säuglingen in der festgestellten
Beschaffenheit ebenso wenig geeignet, wie die Wintermilch.
In Betracht käme wohl noch der Preis der dänischen Milch. Diese
Frage ist vom hygienischen Standpunkte aus bei einem unentbehrlichen
Nahrungsmittel ein sehr zu beachtender Faktor. Inwieweit durch Zu¬
führung dänischer Milch einer etwa unberechtigten Preissteigerung der
Berliner Marktmilch entgegengewirkt wird, entzieht sich indessen unserer
Beurteilung.
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Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem staatlichen hygienischen Institut zu Bremen.]
(Mit der Oberleitung beauftragt: Prof. Dr. med. Tjaden.)
Beiträge zur Kenntnis der Diphtherie als Volksseuche,
Von
Dr. med. Ed. Büsing.
Die Tatsache, daß die Diphtherie eine ansteckende Krankheit ist
die durch den Löfflerschen Bacillus hervorgerufen wird, und daß nur
derjenige Mensch an Diphtherie erkrankt, bei dem der Löfflersche Ba¬
cillus Gelegenheit findet, sich anzusiedeln, wird heute von wissenschaft¬
licher Seite nicht mehr bestritten. Über eine Reihe von Spezialfragen
gehen die Ansichten jedoch noch auseinander und zu ihrer Klärung im
Interesse einer wirksamen Diphtheriebekämpfung beizutragen, soll der
Zweck dieser Arbeit sein.
Zugrunde gelegt sind derselben die laufenden Untersuchungen diph¬
therieverdächtigen Materials im Bremer hygienischen Institut, deren Zahl
in den Jahren 1904, 1905 und 1906 rund 15000 betrug, sowie die Er¬
gebnisse einer Reihe von Versuchen, die zur Lösung einzelner Fragen an¬
gestellt wurden.
Die erste Frage, die sich jedem Diphtherieuntersucher aufdrängt und
von deren Beantwortung die Bewertung hygienischer Maßnahmen gegen
die Diphtherie abhängt, lautet: Ist der Löfflersche Bazillus ubiquitär
oder nicht? Im Anschluß daran ist die Stellung des virulenten Diphtherie¬
bacillus zum avirulenten und zu den sogenannten Pseudodiphtheriebazillen
zu erörtern. Sodann soll das Verhältnis der klinischen Diagnose zum
bakteriologischen Befunde besprochen und schließlich die Frage geprüft
werden, ob eine einmalige bakteriologische Untersuchung genügt, um die
Anwesenheit von Diphtheriebazillen auszuschließen.
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1
UMIVERSITY OF CALIFORNIA^
Ed. Büsinü: Beiträge zur Kenntnis der Diphtherie usw. 249
Finden sich Diphtheriebazillen, ähnlich wie Streptokokken und
Staphylokokken, als harmlose Saprophyten bei der Mehrzahl der Menschen
oder sind sie nur bei Diphtheriekranken vorhanden und bei solchen Personen,
die zn Diphtheriekranken in Beziehung getreten sind?
Erst vor kurzer Zeit hat Tjaden 1 darauf hingewiesen, wie wichtig
für eine zielbewußte Prophylaxe der Seuche diese Frage ist, und wie ver¬
schieden die Wege zu einer aussichtsreichen Bekämpfung sind, je nachdem
man zu derselben Stellung nimmt. Ist der Diphtheriebacillus ubiquitär,
so muß man erforschen, unter welchen Umständen er plötzlich bei einer
Anzahl von Menschen seine krankmachende Wirkung entfaltet, ist er
nicht ubiquitär und ist in letzter Linie ein Erkrankter die Ansteckungs¬
quelle, dann muß diese Quelle möglichst früh und vollständig entdeckt
und unschädlich gemacht werden.
Bekanntlich stellt sich v. Behring 2 in seiner vor 5 Jahren er¬
schienenen Monographie auf den Standpunkt der Ubiquität, er stützt sich
dabei anscheinend nicht auf eigene Forschungen, sondern auf die Literatur¬
angaben. Von diesen mögen daher die wesentlichsten kurz auf ihren
Wert nachgeprüft werden. Vorweg sei bemerkt, daß nirgends der Nach¬
weis geführt ist, daß Bakterien mit den kulturellen und morphologischen
Merkmalen der Diphtheriebazillen imstande sind, eine klinische Diphtherie
hervorzurufen, wenn ihnen das Vermögen abgeht, Toxin zu bilden. Für
die Verbreitung der Diphtherie kommt daher nur der toxinbildende (viru¬
lente) Diphtheriebazillus in Frage.
Es soll damit nicht die Möglichkeit in Abrede gestellt werden, daß
unter gewissen Umständen, z. B. unter dem Einfluß des Scharlach- und
Maserngiftes bei solchen Diphtheriebazillen, die ihrer Fähigkeit, Toxin zu
bilden, noch nicht völlig verlustig gegangen sind, sondern dieselbe noch
in abgeschwächtem Grade besitzen, eine Steigerung der Virulenz wieder
eintreten kann. Die vom Praktiker beobachtete leichte Empfänglichkeit
der Scharlach- und Masernkranken für Diphtherie ließe sich vielleicht auf
diese Weise erklären. Mag man aber zu dieser Frage, die vorläufig noch
eine offene ist, Stellung nehmen, wie man will, der Satz, daß diejenigen
Diphtheriebazillen, welche die Fähigkeit, Toxin zu bilden, vollständig ein¬
gebüßt haben, unschädlich sind, bleibt in jedem Falle bestehen.
Roux und Yersin 3 fanden in Caön, wo angeblich lange keine
Diphtherie vorgekommen war, bei 26 von 59 untersuchten Kindern einer
1 Tjaden, Die Diphtherie als Volksseuche und ihre Bekämpfung. Deutsches
Archiv für klin. Medizin. Bd. LXXXIX.
* v. Behring, Diphtherie. Bibliothek Ton Coler, Berlin.
8 Annales de V Institut Pasteur. 1890. Nr. 7.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
250
Ed. Büsing:
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Schule Bazillen, welche von den beiden Forschern als Pseudodiphtherie¬
bazillen bezeichnet werden. Sie verstehen darunter Bazillen, die morpho¬
logisch und kulturell den echten Diphtheriebazillen gleichen, aber avirulent
sind. Dieses viel angeführte Ergebnis beweist für die Verbreitung der
Diphtherie unter der Bevölkerung von Ca6n wenig, da es sich hier um
unschädliche Saprophyten handelt, welche unter den eng miteinander ver¬
kehrenden Schülern eine weitere Verbreitung gefunden haben konnten.
Wenn Boux und Yersin bei ihren Untersuchungen ihr Augenmerk auf
andere Bakterienarten gerichtet hätten, so würden sie eine weitgehende
Ähnlichkeit der Flora bei vielen Schülern gefunden haben.
Löffler und Abel 1 untersuchten bei einer Diphtherieepidemie unter
den Greifswalder Schulkindern 160 Schüler und fanden in vier Fällen
virulente Diphtheriebazillen. Nr. 1 der Kinder erkrankte am nächsten
Tage an Diphtherie, Nr. 2 hatte eine floride Diphtherie, Nr. 3 eine leichte
Mandelentzündung, Nr. 4 war anscheinend gesund. Aus diesen Befunden
läßt sich keineswegs der Schluß ziehen, daß unter der Greifswalder Be¬
völkerung 2-5 Prozent mit virulenten Diphtheriebazillen behaftet siud.
Selbst wenn Beziehungen der betreffenden Kinder zu Diphtheriekranken
nicht hätten nachgewiesen werden können, so bleibt doch die naheliegende
Erklärung, daß bei der herrschenden Epidemie noch einige Kinder die
Schule besuchten, obwohl sie bereits infiziert waren und sich im Prodro¬
malstadium befanden oder schon leichte klinische Erscheinungen zeigten.
Park und Beebe 2 untersuchten in New York 330 Personen, die an¬
geblich mit Diphtheriekranken nicht in Berührung gekommen waren.
Sie fanden 8 mal virulente Diphtheriebazillen. Aber fünf von den in Frage
kommenden Personen stammten aus einem Asyl, in welchem von Zeit zu
Zeit Diphtheriefälle vorkamen und eine aus einem Hause, in welchem sich
einige Wochen vorher ein Kruppfall ereignet hatte; von den beiden anderen
ist nichts näheres angegeben. Zwei von den acht hatten einige Tage
später auch klinisch Diphtherie, während die übrigen gesund blieben.
Zwar glaubt Park, aus diesen Feststellungen schließen zu dürfen, daß
1 Prozent der gesunden Bevölkerung von New York virulente Diphtherie-
bazillen aufweise, fügt aber selbst einschränkend hinzu, daß die meisten
Personen, bei denen virulente Diphtheriebazillen gefunden seien, in direkter
Beziehung zu Diphtheriekranken gestanden hätten. Auch hier ist eine
Verallgemeinerung nicht am Platze. Denn die ersten 6 Fälle siud als
Koutaktiufektionen aufzufassen und sprechen daher keineswegs für eine
Ubiquität. Die übrigbleibenden beiden Fälle lassen nähere Angaben vor-
1 Deutsche mcd. Wochenschrift. 1894. Nr. 47.
* W. H. Welch, The American Journal of the me.lical Sciences . 1S94.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Beitbäge zue Kenntnis deb Diphtheble als Volksseuche. 251
missen und sind demnach weder nach der einen noch nach der anderen
Seite zu verwerten.
Aaser 1 * 3 untersuchte in der Kavalleriekaserne zu Christiania 89 Sol¬
daten und fand bei 17 virulente Diphtheriebazillen. Man darf aber daraus
nicht den Schluß ziehen, daß von der Bevölkerung Christianias etwa
19 Prozent Träger von Diphtheriebazillen seien, da, wie Aaser selbst an¬
gibt, in der Kaserne sporadisch immer wieder Diphtheriefälle auftraten.
Drei der Bazillenträger erkrankten denn auch in den nächsten Tagen an
Diphtherie. Die übrigen 16 zeigten auf der Bachenschleimhaut starke
Rötung, die sich erst mit dem Verschwinden der Diphtheriebazillen verlor.
Kober* hat auf Veranlassung von Flügge 600 Schulkinder unter¬
sucht, die sich auf 14 Klassen verteilen. Ob diese einer Schule angehörten
oder nicht, ist nicht gesagt. Es wurden bei 5 Kindern virulente Diph¬
theriebazillen nachgewiesen. Aber auch hier ließen sich mehr oder wenige
enge Beziehungen zu Diphtheriekranken feststellen.
Leegard® untersuchte 311 Knaben aus vier Klassen einer Schule
in Christiania und fand bei 7, also in 2 Prozent, Diphtheriebazillen und
bei 102 (30 Prozent) kurze Stäbchen — Pseudodiphtheriebazillen. 5 von
den 7 Diphtheriebazillenträgern gehörten Klassen an, in denen Diphtherie
nicht vorgekommen war, während einer 2 Tage vorher aus dem Kranken¬
hause entlassen war, in das er wegen Diphtherie aufgenommen wurde.
Eine Ubiquität der Diphtheriebazillen beweisen diese Zahlen ebenfalls
nicht, da zur Zeit der Untersuchung in Christiania eine Epidemie herrschte,
und damit für die Kinder Gelegenheit genug gegeben war, sich zu infi¬
zieren. Die von Leegard mitgeteilten Zahlen verlieren aber auch da¬
durch an Wert, daß keine Tierversuche behufs Virulenzprüfung angestellt
wurden.
Geirsvold 4 fand in einer höheren Schule, in Christiania unter 100
erwachsenen Personen 25 Bazillenträger. Ob zu dieser Zeit eine Epidemie
herrschte und ob die gefundenen Diphtheriebazillen virulent waren, wird
nicht mitgeteilt. Derselbe untersuchte Ende Mai 1903 eine 27 klassige
Schule mit 967 Kindern und fand bei 87 Diphtheriebazillen.
Es wurde festgestellt, daß drei von den 87 Kindern im Laufe des
Winters diphtheriekrank gewesen waren. Das Ergebnis wird verständlich,
wenn man in Betracht zieht, daß die Zahl der Diphtheriefälle in Christiania
im ganzen Jahr 1902 nur 399, im ersten Halbjahr 1903 aber 1024 betrug.
1 Deutsche ned. Wochenschrift. 1895. Nr. 22.
* Diese Zeitschrift. 1899. Bd. XXXI.
3 Tidskrift for den norske Lägeforening. 1903. Nr. 16.
4 Ebenda. 1903. Nr. 22 u. 23.
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
252
Ed. Büsing:
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Daß man za solchen Epidemiezeiten keine Studien über Ubiquität machen
kann, leuchtet ein. Das Ergebnis läßt sich höchstens dafür verwerten,
daß die Seuche eine weit größere Verbreitung hatte, als zur Kenntnis
der Behörden gelangt ist. Dazu kommt, daß von den gefundenen Diph¬
theriebazillen nur ein Teil virulent war, wenn man von den wenigen an-
gestellten Virulenzprüfungen auf die Gesamtheit schließen darf. Von
5 Virulenzprüfungen hatten nur 2 ein positives Ergebnis. Nachdem von
Juni bis September keine Diphtherieerkrankungen unter den Schülern
vorgekommen waren, untersuchte Geirsvold nochmals 5 Klassen mit
178 Schülern. Er fand nur noch 6mal Diphtheriebazillen, die 3mal so
spärlich waren, daß Reinzüchtungen und Tierversuche unterbleiben mußten.
In den anderen drei Fällen erwiesen sich die Bazillen als nicht virulent
Mit dem Erlöschen der Epidemie verschwanden also auch die gesunden
Träger virulenter Diphtheriebazillen, was sicher nicht für eine Ubiquität
der Diphtheriebazillen spricht.
Scheller 1 untersuchte 16 Personen, die nicht mit Diphtheriekranken
in Berührung gekommen waren, und fand bei keiner Diphtheriebazillen.
Später nach derselben Richtung hin angestellte Untersuchungen hatten
jedesmal dasselbe negative Ergebnis. Scheller folgert daraus, daß der
Diphtheriebacillus nicht ubiquitär ist.
Zu derselben Schlußfolgerung sind auch wir durch die Ergebnisse
unserer Untersuchungen gekommen.
Wir gingen von dem Gesichtspunkte aus, daß man zu derartigen
Untersuchungen Menschen heranziehen muß, die unter sich keinerlei Be¬
ziehungen haben. Nimmt man geschlossene Gruppen, wie die Insassen
von Schulklassen, Krankensälen und dergl., so läuft man Gefahr, zu
falschen Schlüssen zu gelangen. Etwaige in einer solchen Gruppe sich
beüudende Bazillenträger .können innerhalb derselben durch Kontaktinfek¬
tion die Keime vor der Untersuchung weiter verbreitet haben. Daß man
dann nicht berechtigt ist, das so gewonnene Ergebnis auf die Gesamt¬
bevölkerung zu übertragen, ist ohne weiteres klar. Wir verfuhren daher
in der Weise, daß ein halbes Jahr (vom 1. Juli bis 31. Dezember 1904)
sämtliche in das hiesige Kinderkrankenhaus zur Aufnahme gelangenden
Kinder untersucht wurden, welche nicht wegen Scharlach, Diphtherie oder
Masern geschickt waren. Die Entnahme geschah, bevor die Kinder auf
die Säle verteilt wurden. Benutzt wurden die im hiesigen Institut seit
Jahren gebräuchlichen, mit Watte umwickelten Messingwischer, in deren
Handhabung die Aufuahmeschwester des Kinderkrankenhauses eine große
Erfahrung besitzt. Der Ausstrich wurde im Institut auf Löfflerschen
1 Centralblatt für Bakteriologie. Originale. Bd. XL.
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Beitbäge zub Kenntnis deb Diphthebie als Volksseuche. 253
Blutseromplatten gemacht und zwar auf Grund unserer Beobachtungen,
daß alte Platten das Wachstum verzögern, auf solchen, die höchstens eine
Woche alt waren. Nach 16 bis 24 Stunden wurden die Platten unter¬
sucht, bei negativem Befunde nochmals nach weiteren 24 Stunden. Fanden
sich diphtherieähnliche Stäbchen, so wurden von denselben auf Löffler¬
platten Reinkulturen hergestellt und von letzteren Meerschweinchen im
Gewicht von 200 bis höchstens 300 mit einer stets gleich großen Öse
subkutan geimpft. Bei dieser Methode gehen nach unseren jahrelangen
Erfahrungen die Tiere mit Sicherheit innerhalb von 2 bis 3 Tagen ein,
wenn es sich um virulente Diphtheriebazillen handelt. Bei der Sektion
findet man ein blutig seröses ödem und in der Regel einen weißen Belag
an der Injektionsstelle, starke Schwellung und Hyperämie der Nebennieren,
und etwa in der Hälfte der Fälle pleuritisches Exsudat. Äußerst selten
kommt es vor, daß ein Versuchstier, welches nach 24 bis 48 Stunden
unter den typischen Symptomen erkrankt, still dasitzt und nicht fressen
mag, nicht eingeht, sondern sich in den nächsten Tagen erholt, oder daß
der Exitus erst nach 5 bis 6 Tagen erfolgt, und die Sektion trotzdem
Diphtherie als Todesursache ergibt. Derartige Fälle sind Ausnahmen, die
sich durch abgeschwächte Virulenz der Diphtheriebazillen erklären lassen.
Nach dem vorstehend beschriebenen Verfahren wurden 238 Kinder
jeglichen Alters aus den verschiedensten Teilen der Stadt und von aus¬
wärts untersucht, und bei keinem fanden wir virulente Diphtheriebazillen.
Dagegen wurden in 40 Fällen Stäbchen nachgewiesen, die morphologisch
und kulturell den Löffler sehen Bazillen mehr oder weniger ähnlich
oder sogar völlig gleich waren, aber der Virulenz gänzlich ermangelten.
Zur Ergänzung dieses nur aus Kindern bestehenden Materials
wurden entsprechende Untersuchungen in derselben Art und Weise bei
72 Neuaufnahmen der chirurgischen Abteilung der städtischen Kranken¬
anstalt vorgenommen. Diese Untersuchungen betrafen 70 Erwachsene und
2 Kinder. 6 mal fanden sich hier diphtherieähnliche avirulente Stäbchen,
virulente Diphtheriebazillen wurden nicht nachgewiesen. Unter Hinzu¬
rechnung von einigen Untersuchungen aus Privathäusern, in denen nach¬
weislich keine Diphtherie vorgekommen war, wurden im ganzen 245 Kinder
und 77 Erwachsene untersucht, bei denen 41 bzw. 8 mal avirulente —
Diphtheriebazillen mehr oder weniger ähnliche Bakterien — niemals aber
virulente Diphtheriebazillen gefunden wurden. Bezüglich der 49 Träger
von diphtherieähnlichen Formen wurden Nachforschungen augestellt, ob
diese Personen mit Diphtheriekranken in Berührung gekommen waren
oder selbst einige Zeit vorher Diphtherie überstanden hatten. In den
meisten Fällen bekamen wir von den Ärzten die Auskunft, daß sie in bezug
darauf nichts in Erfahrung gebracht hätten. Zwei Kinder waren einige
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254
Ed. Büsdjg:
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Zeit vorher halskrank gewesen, 10 Kinder hatten Beziehungen zu diphtherie¬
verdächtigen oder diphtheriekranken Personen unterhalten und ein Er¬
wachsener hatte 2 Monate vorher an Angina und Tonsillarabszeß gelitten.
Vielleicht ist in diesen 13 Fällen der bakteriologische Befund so zu deuteD,
daß es sich ursprünglich um echte virulente Diphtheriebazillen handelte,
die ihre Virulenz eingebüßt hatten. Wie dem auch sei, die Ergebnisse
unserer Untersuchungen sprechen eindeutig dafür, daß der ansteckungs¬
tüchtige, d. h. Gift produzierende Diphtheriebacillus nicht ein ständiger
Gast weiterer Bevölkerungskreise ist. Wir lehnen deshalb die Ubiquität ab.
Die Ablehnung der Ubiquität zwingt uns, den infektiösen Diphtherie¬
bazillus dort zu suchen, wo er seine Tätigkeit entfaltet und bei der Ent¬
faltung seiner Tätigkeit sich vermehrt, beim diphtheriekranken Menschen.
Der Diphtheriekranke bildet einen Mittelpunkt, von dem aus die
Bakterien sich verbreiten. Der Infektionsstoff, der im Munde eines
Menschen sich vermehrt, muß auf dem Wege der Tröpfchenübertragung
Gelegenheit finden, in die Mundhöhlen der Menschen in der Umgebung
des Infizierten zu gelangen, und zwar in schwankendem Maße je nach
der Zahl, in welcher er vorhanden ist und nach der Art der Beziehungen
zwischen Geber und Nehmer. Wie weit er bei letzterem die Möglichkeit
findet, sich zu vermehren und eine krankmachende Wirkung zu entfalten,
ist eine zweite hier nicht zu erörternde Frage. Aber nicht nur für die
Dauer der eigentlichen Krankheit bildet der Diphtheriekranke einen An¬
steckungsherd für seine Umgebung, sondern darüber hinaus so lange, als
er Träger virulenter Diphtheriebazillen ist. Die Tatsache, daß sich solche
wochenlang nach überstandeuer Krankheit auf den Schleimhäuten erhalten
können, ohne daß das betreffende Individuum klinisch noch irgendwelche
Symptome darbietet, ist längst bekannt. Wir waren in der Lage, in den
letzteu 4 Jahren von 2774 Personen, bei denen Diphtheriebazillen fest-
gestellt waren, 2063 so lange zu untersuchen, bis keine virulenten Diph¬
theriebazillen mehr nachzuweisen waren. Dies war der Fall bei:
1134
=
55-0 Prozent
nach
2 Wochen
1448
=
70-0
?>
3
?>
1699
=
82.0
?>
>>
4
?!
1858
90-0
?!
??
5
??
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?>
,,
6
ü
2010
=
97-0
?!
??
7
?!
2022
==
98-0
?!
,,
8
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2051
=
99-4
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, ,
9
V
2053
=
99-5
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10
??
2059
—
99-8
,,
?!
11
• ?
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Beiträge zur Kenntnis der Diphtherie als Volksseiche. 255
2060 = 99-85 Prozent nach 12 Wochen
2062 =99-9 „ „ 14
2063 =100-0 „ „ 17 „
Zu bemerken ist dabei, daß die Untersuchungen im allgemeinen in
Zwischenräumen von 8 bis 14 Tagen wiederholt wurden. Die Zahlen er¬
geben, daß etwa in der Hälfte der Fälle nach 14 Tagen, in der großen
Mehrzahl derselben nach 3 Wochen die Bazillen verschwunden sind, bzw.
ihre Virulenz verloren haben, daß aber ausnahmsweise virulente Diphtherie¬
bazillen noch mehrere Monate nach Beginn der Krankheit zu finden sind. 1
Für die Richtigkeit der Anschauung, daß die Umgebung des Diph¬
theriekranken zur Trägerin von Diphtheriebazillen wird, sprechen die Unter¬
suchungen von Kober, Scheller und unsere eigenen.
Kober* hat 118 Personen aus der Umgebung von Diphtheriekranken
untersucht und bei 15 virulente Diphtheriebazillen nachgewiesen. Am zu¬
gänglichsten nach Kober waren der Infektion die Geschwister als die
jüngsten und darum empfänglichsten Individuen, dann Mütter und Dienst¬
boten, während bei den Vätern, die durch ihren Beruf mehr als die vor¬
genannten Gruppen von den Krankenstuben ferngehalten wurden, der
bakteriologische Befund stets negativ war.
Scheller* untersuchte ebenfalls Angehörige diphtheriekrauker Per¬
sonen und fand bei seinen Untersuchungen — eingerechnet die Wieder¬
holungen bei ein und derselben Person — in 38 Prozent Dipbtherie-
bazillen. Ob Tierversuche angestellt wurden und wie oft dieselben Virulenz
der gefundenen Bazillen ergaben, wird nicht mitgeteilt.
In Bremen wird seit einiger Zeit die Umgebung des Kranken in
solchen Fällen bakteriologisch untersucht, wo ein weitergehendes öffent¬
liches Interesse vorliegt, also in Nahrungsmittelgeschäften, Gastwirtschaften
und dergleichen, bei Erkrankungen in Lehrerhäusern, bei gehäuftem Auf¬
treten in einem Hause usw.
In dem Zeitraum vom 1. Januar 1904 bis zum 30. Juni 1906 wurden
von 2435 Personen aus der Umgebung von Diphtheriekranken durch die
Arzte Abstriche entnommen und bei 207 dieser Personen fanden sich
virulente Diphtheriebazillen.
1 Einmal wies n wir in einer exstirpierten tiaumeninandel ca. 6 Monate nach
einer Diphtherieinfektion noch virulente Diphtheriebazillen nach. Oh solche um
dieselbe Zeit auch aut der Oberfläche der Kachenschleiiuhaut vorhanden waren, ist
leider nicht festgestellt, da seit ca. 4 Monaten keine Halsabstriche mehr entnommen
waren. Der letzte derselben hatte noch virulente Diphtheriebazillen ergeben, dann
waren die Untersuchungen eingestellt.
* Diese Zeitschrift. 1S90. Bd. XXXI.
* Centralhlatt für Bakteriologie. Originale. Bd. XL.
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Ed. Büsing:
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Über das Verhältnis, in dem die untersuchten Individuen zu den
erkrankten standen, wurde folgendes festgestellt: 17 mal war es der Ehe¬
gatte (lmal virulente Diphtheriebazillen), 152mal der Vater (11 mal
virulente Diphtheriebazillen), 218mal die Mutter (25mal virulente Diph-
theriebazillen), 947 mal waren es Geschwister (93 mal virulente Diphtherie¬
bazillen), 52mal Kinder (7 mal virulente Diphtheriebazillen), 628 mal
sonstige Familien- oder Hausgenossen (18 mal virulente Diphtheriebazillen)
und 421 mal Saalgenossen in Krankenanstalten (52 mal virulente Diph¬
theriebazillen).
Im großen und ganzen bestätigen diese Zahlen die Koberschen Er¬
gebnisse. Die von Kober nicht in den Bereich seiner Untersuchungen
bezogenen Saalgenossen in Krankenhäusern weisen einen ziemlich hohen
Prozentsatz der mit virulenten Diphtheriebazillen infizierten Personen aut
nämlich 12 Prozent. Dies Ergebnis zeigt, welche Gefahr zufällig ein¬
geschleppte Fälle von Diphtherie für allgemeine Krankenhausabteilungen
bedeuten können.
Kinder wurden in 13 Prozent, Mütter in 11 Prozent befallen, dann
folgen die Geschwister mit 10 Prozent; ein Ergebnis, das von dem
Kobers etwas abweicht, der die Geschwister mehr befallen fand, als die
Mütter. Das weitaus kleinere Material Kobers bietet Zufälligkeiten mehr
Spielraum. Die Väter wurden in 7 Prozent infiziert, also seltener, als
die vorgenannten Familienangehörigen, was sich aus dem Umstande er¬
klärt, daß der Mann durch seinen Beruf mehr dem Hause und dem
Krankenzimmer entzogen ist.
Eine Infektion unter Ehegatten wurde nur einmal festgestellt. Das
bedeutet zwar bei 17 Untersuchungen 6 Prozent, jedoch ist die Zahl so
klein, daß Schlußfolgerungen aus dem Ergebnis kaum zu ziehen sind.
Schließlich die sonstigen Hausgenossen, unter denen zwar auch das
nach Kober stark gefährdete Dienstpersonal sich befindet, die aber im
wesentlichen Personen darstellen, welche nicht zur Familie des Erkrankten
gehören, sondern nur das gleiche Haus bewohnen. . Da sie mit dem Er¬
krankten, nachdem derselbe bettlägerig geworden, nur selten in Verkehr
geblieben sein werden, so ist es nicht auffallend, daß hier die Zahl der
Infizierten (3 Prozent) am geringsten ist.
Nachdem so die Annahme, daß bei den Personen in der Umgebung
eines Diphtheriekranken verhältnismäßig häufig virulente Diphtheriebazillen
sich nachweiseu lassen, durch die Untersuchung als zutreffend gefunden
wurde, lag die Frage nahe, ob die Krankheitskeime auch an Gegenständen
in dem vom Kranken bewohnten Raume aufzufinden sind.
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Beitbäge zür Kenntnis der Diphtherie als Volksseuche. 257
Wright und Emmerson 1 wiesen auf einer Diphtherieabteilnng
nicht nur unter den Fingernägeln der Wärterinnen, sondern auch an
deren Kleidern und Schuhen, ja sogar auf einem Staubbesen Diphtherie¬
bazillen nach.
Wir selbst stellten unsere dahinzielenden Versuche im hiesigen Kinder¬
krankenhause in folgender Weise an. Es wurde viermal in Zwischen¬
räumen von 1 bis 2 Wochen ein Saal der Diphtheriestation untersucht.
Mit sterilen Wattebäuschen wurde jedesmal der mit Linoleum belegte
Fußboden an vier Stellen — zwei zwischen je zwei Krankenbetten, eine
in der Mitte des Zimmers und eine in einem Zimmerwinkel gelegen —
abgewischt, desgleichen die Wand in 1 m Höhe neben einem Krankenbett
und ferner der Türgriff auf der Zimmerseite. Die Abwische wurden sofort
an Ort und Stelle auf Löfflerplatten ausgestrichen. Nur einmal gelang
es, virulente Diphtheriebazillen nachzuweisen und zwar am Fußboden
zwischen zwei Krankenbetten. Mehrere Male fanden wir diphtherie-
ähnliche Stäbchen, die aber, soweit ihre Reinkultur gelang, sich als nicht
virulent erwiesen.
In derselben Weise wurden Versuche in einem Saal der Scharlach¬
station des Kinderkrankenhauses an zwei verschiedenen Tagen angestellt.
Auch hier wurden virulente Diphtheriebazillen nur einmal gefunden, eben¬
falls zwischen zwei Krankenbetten. Diphtherieähnlicbe, nicht virulente
Stäbchen konnten auch hier einige Male nachgewiesen werden. Zu diesen
Befunden sei bemerkt, daß zu jener Zeit auf der Scharlachstation zahl¬
reiche bakteriologisch bestätigte Komplikationen - mit Diphtherie vorkamen.
Auf den Korridoren der Diphtherie- und der Scharlachstation, die
ebenfalls mit Linoleum belegt waren, wurde das Material in gleicher
Weise an je sechs verschiedenen Stellen entnommen. Hier wiesen wir
niemals virulente Diphtheriebazillen, an einigen Stellen jedoch wieder
diphtherieähnliche nach.
Zur Kontrolle wurde dann noch die Säugliugsstation des Kinder¬
krankenhauses herangezogen. Hier fanden sich an zwei Stellen diphtherie¬
ähnliche Formen, aber nirgends virulente Diphtheriebazillen.
Also auch aus diesen Versuchen darf man den Schluß ziehen, daß
der virulente Diphtheriebacillus an Sachen in der Regel nur dort vor¬
kommt, wo Diphtheriekranke sich aufhalteu, und zwar, wenn eine ge¬
nügende Reinlichkeit und genügende Licht- und Luftzufuhr vorhanden
ist, nur in sehr spärlichem Maße.
1 Welch, Bacteriology of Diphtheria. American Journal of the medical Sciences .
Yol. CVIII.
Zeitsebr. f. Hygiene. LV1I. 17
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Im Vorhergehenden ist wiederholt der diphtherieähnlichen nicht viru¬
lenten Bazillen Erwähnung getan. Sind es echte Diphtheriebazillen, die
nur ihre Virulenz eingebüßt haben, oder sind es, wenigstens zum Teil
anderen Arten angehörige, wenn auch nahe Verwandte des Diphtherie¬
bacillus? In der Literatur gehen die Ansichten auseinander, und die Be¬
zeichnungen diphtherieähnlich und Pseudodiphtheriebacillus sind ständig
schwankend. Der Standpunkt der Identität der Diphtherie- und diphtherie-
ähnlichen Bazillen wird durch Roux und Yersin, sowie durch v. Behring
vertreten, von Löffler, M. Ne iss er u. a. verworfen. Praktisch ist die
Frage nicht von so großer Bedeutung, wie es auf den ersten Blick aus¬
sieht, wenn man daran festhält, daß nur der virulente Diphtheriebaeillus
ansteckungstüchtig ist, und der avirulente, einerlei, welche Eigenschaften
er sonst aufweist, als ungeeignet zur Verbreitung der Krankheit aus¬
scheidet. Theoretisch aber kommt der Frage einige Bedeutung zu uud
praktisch vielleicht insofern, als man durch das Vorhandensein von Bazillen,
die Diphtheriebazillen bis auf das Giftbildungsvermögen gleichen oder
sehr nahe kommen, auf eine abgelaufene Diphtherie schließen könnte.
Die oben erwähnten Untersuchungen von gesunden nicht zu Diphtherie-
kranken in Beziehung getretenen Personen hatten das Ergebnis, daß bei
317 Personen 51 mal dipbtherieähnliche avirulente Stäbchen festgestellt
wurden. Die morphologischen Eigenschaften dieser Stämme waren folgende:
22 Stämme waren lang oder mittellang, d. h. dieselben waren mindestens
etwa 5 mal so lang wie breit, 29 kurz. Maßgebend für die Beurteilung
war nicht der erste Ausstrich auf der Löfflerplatte, sondern die 24 ständige
Reinkultur auf demselben Nährboden. Man findet nämlich nicht selten,
daß derselbe Stamm, der auf der Originalplatte als kurz erscheint, in der
Reinkultur zu langen Stäbchen ausgewachsen ist. Die Erklärung dürfte
darin liegen, daß die Bazillen durch die begleitenden Bakterien in der
Entwicklung gehindert werden, wenn sie im Verhältnis zu den sonstigen
auf der Platte gewachsenen Mikroben nur spärlich vertreten sind. Bei
genauerer Betrachtung sieht man zuweilen schon auf der Originalplatte
einige lange Formen, die aber erst in der Reinkultur vorherrschend werden.
Die Neissersche Körnerfärbung 1 war bei den langen Formen 5mal
positiv und 17inal negativ, bei der kurzen lOmal positiv und 19m.il
negativ.
1 Anfangs färbten wir ca. 4 Sekunden mit essigsaurere Methylenblau, 12 Sekun¬
den mit Vesuvin. Später wandten wir folgende von Neisser empfohlenen Farl-
flüssigkeiten an: Eine Mischung von essigsaurem Methylenblau und Kristall violett
und zur Nachfärbung Chrysoidin. Dann machten wir die Erfahrung, daß eint-
längere Einwirkung der Farbtliissigkeiten bis zu lo, bzw. 15 Sekunden der Deutlich¬
keit des Bildes manchmal nützlieh ist und niemals schadet. Wir befinden uns hier-
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Beitbäge zub Kenntnis deb Dephthebee als Volksseuche. 259
Um die Beziehungen zwischen Ausfall der Neisserfärbung und der
Länge der Bazillen einerseits und der Virulenz andererseits zu studieren,
wurden 7 Monate lang hei den frischen, Diphtheriebazillen oder diphtherie¬
ähnliche Stäbchen ergebenden, Fällen jedesmal, bei den Rekonvaleszenten
bei jeder zweiten Untersuchung Tierversuche angestellt. Die Ergebnisse
sind, tabellarisch zusammengestellt, folgende:
1. Tierversuch positiv.
Klinisch
Summa
Diph¬
therie
Angina
7nr ' ffl i I Im An- | Gesunde
z wt schlüß an Hau8 -
1 Scharlach genossen
Rekon¬
valeszent
Lang neisserpositiv
159
19
16 i 21
9 1
91
315
Lang | neissernegativ
—
1 |
— —
—
—
1
Kurz 1 neisserpositiv
—
!
— ! —
—
—
—
Kurz neissernegativ
—
- i
— —
—
—
—
816
1 Einmal zngleich kurze Bazillen, neissernegativ, Tierversuch negativ.
2. Tierversuch negativ.
i
i
1
Klinisch
Summa
Diph¬
therie
Angina
Zweifel¬
haft
Im An¬
schluß an
Scharlach,
Gesunde
Haus¬
genossen
Rekon¬
valeszent
Lang! neisserpositiv
8 *
9
4
5
20
15
61
Lang | neissernegativ
14
11
4
6
15
16
66
Kurz | neisserpositiv
1
4
1
2 ,
—
—
8
Kurz neissernegativ
9
13
3
9 !
19 1
19
72
207
1 Einmal zugleich kurze Bazillen, neissernegativ, Tierversuch negativ.
Es zeigt sich zunächst, daß das Fehlen der Neisserfärbung die Virulenz
so gut wie ausschließt, daß dagegen das Vorhandensein der Färbung das
Toxinbildungsvermögen nicht beweist, wenngleich es dafür spricht. Von
bei in Übereinstimmung mit Scheller, der ebenfalls die früher üblichen Färbungs¬
zeiten für zu kurz hält. Der geeignetste Zeitpunkt zur Vornahme der Neisserfärbung
ist nach 12 bis 24 ständigem Aufenthalt im Brutschrank bei 35 bis 36°. Nach 6 bis
10 Stunden bekommt man häufig noch negative Ergebnisse in Fällen, die später
deutlich positiv sind. Ein negativer Ausfall nach 6 bis 10 Stunden berechtigt also
noch nicht zu einem endgültigen Urteil. Umgekehrt ist positiver Ausfall in ca.
36 Stunden alten Kulturen, besonders wenn die Körner nur spärlich vorhanden sind,
weniger beweisend, da derselbe dann manchmal bei diphtherieähnlichen Stämmen
vorkommt, die vorher neissernegativ waren.
17*
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139 Stämmen mit fehlender Neisserfärbung erwies sich nur eiuer als
virulent Ob in diesem Falle verschiedene Stämme auf der Platte waren,
lassen wir dahingestellt. Wir verfügten früher über einen reingezüchteten
Stamm, der gleiche Eigenschaften hatte und bei gänzlich fehlender Neisser¬
färbung vollvirulent war.
Von 884 Stämmen mit positiver Neisserfärbung waren 69 aviruleut
«■18 Prozent.
Ebenso wesentlich für die Diagnose der Virulenz ist die Form der
gefundenen Bazillen, wenngleich die Entscheidung, was lang oder was
kurz ist, gelegentlich dem subjektiven Ermessen Spielraum läßt Dem
erfahrenen Untersucher fällt aber die Unterscheidung nicht schwer.
Kurze Formen in der Reinkultur schließen die Virulenz nach unseren
Erfahrungen ebenfalls aus, lange beweisen sie jedoch nicht. Von 80 Stämmen
mit kurzen Formen war keiner virulent.
Von 443 Stämmen mit laugen Formen waren 127 aviruleut =
29 Prozent.
Das Gesamtergebnis ist danach, daß man berechtigt ist, die Virulenz
so gut wie sicher auszuschließen, wenn es sich um kurze Formen handelt
oder wenn die Neisserfärbung fehlt; daß lange Formen mit positiver
Neisserfärbung dagegen nur einen, wenn auch weitgehenden Wahrschein¬
lichkeitsschluß auf vorhandene Virulenz zulassen. Von 376 Stämmen mit
beiden Eigenschaften waren 315 = 84 Prozent virulent.
Es fragt sich nun, ob die avirulenten diphtherieähnlichen Formeu
als echte Diphtheriebazillen, die ihre Virulenz eingebüßt haben, oder als
besondere, wenn auch nahe verwandte Arten aufzufassen sind.
Das häufige Vorkommen diphtherieähnlicher Formen in der Rekon¬
valeszenz und bei Gesunden aus der Umgebung von Diphtheriekranken
spricht dafür, daß sich unter den diphtherieähulichen Stämmen manche
befinden, die als avirulente echte Diphtheriestämme aufzufassen sind. Wir
hatten bei den Rekonvaleszentenuntersuchungen häufig Gelegenheit, zu
beobachten, daß das morphologische Verhalten und die charakteristische
Körnerfärbung der ursprünglich virulenten Bazillen bei späteren Unter¬
suchungen sich nicht verändert hatten. Es waren in jeder Beziehung
dieselben Formen, wie bei der ersten Untersuchung, nur die Virulenz war
verloren gegangen. Derartige Bazillen muß man trotz fehlender Virulenz
im botanischen Sinne den echten Diplitheriebazillen zurechnen. Ge¬
legentlich gelang es auch, einzelne Stämme in dem Stadium des verloren
gehendeu Giftbildungsvermögens zur Beobachtung zu bekommen. Während
die Tierimpfung mit 1 Ose keinerlei Wirkung mehr erkennen ließ,
konnten mit 5 Ösen noch lokale Krankheitserscheinungen ausgelöst
werden. Immerhin waren solche Beobachtungen selten. Es hat den
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Beitbäge zub Kenntnis deb Diphthebie als Volksseuche. 261
Anschein, daß das Giftbildungsvermögen rasch verloren geht, wenn der
Degenerationsprozeß einmal eingesetzt hat. Ob bei dem weiteren Fort¬
schreiten desselben zuerst der Zellinhalt (Verschwinden der Körnerfärbung)
oder die Zellform (Verschwinden der langen Formen) sich ändert, ver¬
mögen wir nicht zu entscheiden.. Unsere Beobachtungen lassen keine
Regel erkennen, wahrscheinlich gehen beide Prozesse meistens neben¬
einander her.
Neben den von echten Diphtheriebazillen herstammenden Arten finden
sich aber auch Stämme, die dem Diphtheriebacillus zwar mehr oder
weniger verwandt, aber nicht mit ihm identisch sind. Botanisch handelt
es sich offenbar um eine große Gruppe von Bakterien, in welcher der mit
Toxinbildungsvermögen versehene Diphtheriebacillus das vorgeschrittenste
Glied darstellt.
Die diphtherieähnlichen Bazillen (Pseudodiphtheriebazillen, Hof-
mannsche Bazillen usw.) haben eine weite Verbreitung, die es er¬
klärlich macht, daß derartige Formen nicht selten sich auch bei solchen
Menschen finden, die mit Diphtherieinfizierten nicht in Berührung ge¬
kommen sind. Besonders häufig lassen sie sich auf der Nasenschleim¬
haut nachweisen; Neumann 1 fand sie sogar in jeder Nase, gesunden
wie kranken.
Die Formen der Pseudodiphtheriebazillen sind meist kurz und plump,
sie wachsen im allgemeinen langsamer auf der Löfflerplatte, als Diphtherie¬
bazillen und erscheinen auf derselben als saftige, schneeweiße oder graue
Kolonien, die mehr oder weniger denen der Diphtheriebazillen ähnlich
sind. Nach 24 Stunden sind die Stäbchen in der Regel neissernegativ
oder zeigen nur Andeutungen von Körnerfärbuug. Auf Agar ist das
Wachstum im allgemeinen üppiger, als das der Diphtheriebazillen. Zu
diesen finden sich aber alle Übergänge, kurze Formen, die neisserpositiv
sind, mittellange mit und ohne Neisserfärbung, oder dieselbe ist nur an¬
gedeutet und wird erst nach 36 Stunden charakteristisch. In solchen
Fällen ist die Entscheidung, um was es sich handelt, schwieriger und als
ultima ratio bleibt nur der Tierversuch. Fällt derselbe positiv aus, so
handelt es sich sicher um den echten Diphtheriebacillus, gibt er ein
negatives Resultat, so bleibt im botanischen Sinne die Frage zwar ge¬
legentlich unaufgeklärt, praktisch ist sie jedoch entschieden. Der Bacillus
ist nicht virulent, er kommt für eine Übertragung der Diphtherie jeden¬
falls nicht in Betracht, mag er nun ein degenerierter und der Virulenz
verlustig gegangener Diphtheriebacillus seiu oder der Pseudodiphtherie¬
bazillengruppe angehören.
1 Diese Zeitschrift . Bd. XL.
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262
Ed. Büsing:
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Zur letzteren ist auch der Xerosebacillus zu rechnen, der aber inner¬
halb derselben insofern eine Sonderstellung einnimmt, als er sich kulturell
sehr charakteristisch sowohl von den Diphtheriebazillen, als auch von deu
übrigen Pseudodiphtheriestäbchen unterscheidet. Im Gegensatz zu diesen
beiden läßt er die Bouillon klar und wächst sowohl auf Blutserum, wie
auf Agar derartig kümmerlich und trocken, daß es nur schwer gelingt,
das zum Tierversuch nötige Material mit der Öse zu entfernen. Die
gänzlich avirulenten Stäbchen sind meist lang und neissemegativ oder
zeigen spärliche Körnerfärbung. Sie kommen nach Axenfeld 1 fast auf
jeder Bindehaut vor. Auch wir konnten dieselben in den wenigen Ab¬
strichen von der Conjunctiva, welche uns wegen Verdachts auf Augen-
diphtherie zugingen, verhältnismäßig häufig nachweisen, einmal in Symbiose
mit virulenten Diphtheriebazillen.
Die Ablehnung der Ubiquität, sowie die Aufstellung des Grundsatzes,
daß nur der toxinbildende Diphtheriebacillus zur Verbreitung der Krauk-
heit geeignet sei, und daß weiter dieser toxinbildende Bacillus von wenigen
Ausnahmen abgesehen sich nur bei Diphtheriekranken und Rekonvales¬
zenten oder bei Personen ihrer Umgebung und zwar fast ausschließlich
der engeren Umgebung findet, bildet die wissenschaftliche Unterlage für
eine Bekämpfung der Krankheitsverbreitung. Für die Praxis muß dazu¬
kommen die sichere und frühzeitige Erkennung der Ansteckungsquellen.
Wie weit reicht hierzu die ärztliche Diagnose aus? Läßt sich durch die
klinische Untersuchung feststellen, ob es sich bei einer verdächtigen Er-,
krankung um Diphtherie handelt, ob nicht? Oder ist, um diese Diagnose
zu stellen, bzw. auszuschließen, die bakteriologische Untersuchung hinzu¬
zuziehen und wie verhält es sich mit der Sicherheit dieser letzteren?
In den Jahren 1904 und 1905 kamen im Hygienischen Institut
9076 Abstriche zur Untersuchung. Rechnet man von dieser Zahl die
Wiederholungsuntersuchungen, sowie sämtliche Untersuchungen bei klinisch
Gesunden ab, so verbleiben 3595 Erstuntersuchungen. Die behandelnden
Ärzte übersenden zugleich mit dem Abstrich einen ausgefüllten Begleit¬
zettel, der außer Fragen nach den Personalien, dem Erkrankungsdatum usw.
auch eine solche nach der klinischen Diagnose (Diphtherie? Angina?
Zweifelhaft? Im Anschluß au Scharlach? Masern? Rekonvaleszent?
Klinisch gesund?) enthält.
1 Serumtkerapic bei infektiösen Augenerkrankungen. Programm z . Geburtstags¬
feier Sr. Kgl. Hoheit des Großherzogs Friedrich. Freiburg 1905.
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Beiträge zur Kenntnis der Diphtherie als Volksseuche. 263
Es ist ohne weiteres klar, daß bei der Beantwortung der Frage nach
der klinischen Diagnose die subjektive Anschauung des betreffenden Arztes
eine große Rolle spielt, ein Umstand, der bei der Bewertung des unten
mitgeteilten Materials zu berücksichtigen ist. Auf Grund von vielen Er¬
örterungen, die wir über diesen Punkt im Laufe der Jahre mit den
Bremer praktischen Ärzten hatten, läßt sich aber so viel sagen, daß Fälle
mit ausgedehntem Belag, zumal, wenn er die Tonsillen überschritt, fast
ausnahmslos als Diphtherie, follikuläre Mandelentzündungen hingegen und
solche ohne Belag, insbesondere bei fehlenden Erscheinungen von Seiten
des Kehlkopfes und der Nase als Anginen diagnostiziert sind. Eine
Mittelstellung nehmen die Fälle mit geringem Tonsillarbelag ein, ferner
Mandelentzündungen ohne solchen aber mit mehr oder weniger aus¬
gesprochenen Stenoseerscheinungen oder verdächtigen Symptomen von
seiten der Nasenschleimhaut, Belägen oder starkem Fluor. Diese Kategorie
ist wohl der Mehrzahl nach als zweifelhaft, zum Teil aber auch als
Diphtherie bezeichnet. Dieses Bild wird im allgemeinen der Wirklichkeit
entsprechen, Ausnahmen sind jedoch nicht besonders selten. So ist es
zweifellos zuweilen vorgekommen, daß die klinische Diagnose Diphtherie
nicht auf entsprechende klinische Symptome hin, sondern auf Grund
epidemiologischer Erfahrung gestellt wurde. Wenn in einer Familie bereits
mehrere Personen an Diphtherie erkrankt und Diphtheriebazillen bei ihnen
nachgewiesen sind, und nun erkrankt ein weiterer Hausgenosse an folli-
culärer Angina, so wird mancher Arzt mit Recht geneigt sein, sofort die
Diagnose Diphtherie zu stellen, während er ohne Kenntnis des Zusammen¬
hanges die Erkrankung zunächst als Angina nicht diphtherischer Natur
angesehen hätte. Das sind aber Ausnahmefälle, die bei einem so großen
Zahlenmaterial, wie es das unsere ist, nicht von großem Belang sind.
Eine vergleichende Zusammenstellung der klinischen Diagnosen und
der bakteriologischen Untersuchungsbefunde ergibt nun für die genannten
beiden Jahre folgende Ergebnisse:
I. Fälle mit bestimmter klinischer Diagnose: 2234.
1. Klin. Diphtherie, bakt. Befund Diphtheriebazillen . . 940 Fälle
2. „ Angina, bakt. Befund negativ.. 693 ,,
(darunter 111 Fälle mit diphtherieähnlichen Bazillen) 1633 Falle
3. Klin. Diphtherie, bakt. Befund negativ. 464 „
(darunter 83 Fälle mit diphtherieähnlichen Bazillen).
4. Klin. Angina, bakt. Befund Diphtheriebazillen . . . 137 „
601 Fälle
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II. Fälle mit unbestimmter klinischer Diagnose: 1361.
1. Nicht im Anschluß an Scharlach.411 Fälle
a) Bakt. Befund, Diphtheriebazillen. . . 122 Fälle
b) „ „ negativ. 289 „
(darunter 48 Fälle diphtherieähnlichen Bazillen).
2. Im Anschluß an Scharlach. 950 „
a) Bakt. Befund, Diphtheriebazillen. . . 110 Fälle
b) „ „ negativ. 840 „
(darunter 137 Fälle mit diphtherieähnlichen Bazillen).
Eine bestimmte klinische Diagnose — Diphtherie oder Angina —
wurde demnach in 62 Prozent der Fälle gestellt. In dieser Gruppe
wurde 1633 mal (73 Prozent) die ursprüngliche klinische Diagnose durch
den bakteriologischen Befund bestätigt, während dies 601 mal (27 Prozeut)
nicht der Fall war. Die 194 Fälle (111 bei klin. Angina, 83 bei klin.
Diphtherie), in denen diphtherieähnliche Bazillen gefunden wurden, sind
als bakteriologisch negativ gerechnet. Es waren häufig kurze, neisser-
negative Formen, nur sehr selten solche mit allen morphologischen Kenn¬
zeichen der toxinbildenden Diphtheriebazillen, aber ohne Virulenz; neben
diesen Typen jedoch vielfach Übergaugsformen. Wie oben auseinander-
gesetzt wurde, ist es vorläufig unmöglich, im einzelnen Falle mit Sicher¬
heit festzustellen, ob es sich bei dem Befunde von diphtherieähnlichen
Bazillen um der Virulenz verlustig gegangene echte Diphtheriebazilleu
oder um Saprophyten (Pseudo-Diphtheriebazillen) handelt. Aus praktischen
Bücksichten muß man daher den Befund von diphtherieähnlichen Bazillen
einem negativen gleichstellen.
Falls der Arzt die klinische Diagnose Diphtherie gestellt hat, virulente
Diphtheriebazillen aber nicht gefunden werden, so wird nach einiger Zeit
angefragt, ob der weitere Krankheitsverlauf die klinische Diagnose be¬
stätigt habe oder nicht. Eine Ausnahme wird nur in denjenigen Fällen
gemacht, die erst im Rekonvaleszenteustadium zur bakteriologischen Unter¬
suchung kommen. Hier gründet sich die klinische Diagnose schon auf
eine längere Beobachtung, und ein Irrtum in der ätiologischen Diagnose
ist viel weniger naheliegend. Andererseits kommt dem bakteriologischen
Befuude hier eine geringere Bedeutung zu, da die im Anfang der Krank¬
heit vorhanden gewesenen Diphtheriebazillen bei der Untersuchung bereits
verschwunden sein können. Von der Gruppe I, 3 (464 Fälle) waren 15S
erst im Rekonvaleszenzstadium zur ersten bakteriologischen Untersuchung
gekommen, so daß die Anfrage unterbleiben konnte, 92mal blieben die
Anfragen unbeantwortet und 20mal lautete die Auskunft dahin, daß die
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Beiteäge zue Kenntnis dee Diphtherie als Volksseuche. 265
klinische Diagnose zweifelhaft geworden sei. Diese 270 Fälle sind aus
der Gruppe I mit bestimmter klinischer Diagnose für die vorliegende Frage
auszuscheiden. Ferner sind 137 Fälle, in denen die anfangs gestellte
Diagnose Diphtherie nachträglich in Angina umgewandelt wurde, der
Gruppe I, 2 — klinische Diagnose Angina und negativer bakteriologischer
Befund — zuzurechuen. Auf diese Weise erhält man 1964 Fälle mit
bestimmter klinischer Diagnose. 1770mal oder in 90 Prozent entsprach
der bakteriologische Befund der klinischen Diagnose (940mal Diphtherie,
83ümal Angina); 194mal oder in 10 Prozent gingen klinische Diagnose
und bakteriologischer Befund auseinander (57 klinische Diphtherien ohne
Diphtheriebazillen und 137 klinische Anginen mit Diphtheriebazillen).
Demnach stimmt in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Diagnose
des praktischen Arztes mit der des Bakteriologen überein. Die Fälle, in
denen klinische und bakteriologische Diagnose nicht übereinstimmen,
gliedern sich in solche mit Befund von Diphtheriebazillen und solche
mit negativem Befunde. In den ersteren ist meistens — wenn die An¬
gabe vorlag, daß es sich um eine Angina ohne Belag oder um eine
follikuläre Angina handele, sogar ausnahmslos — das Tierexperiment an-
geschlossen und nur, wenn dieses die Virulenz der gefundenen Bazillen
bestätigte, wurde der Befund als positiv angesehen. Man darf danach
als feststehend betrachten, daß es sich in diesen Fällen im ätiologischen
Sinne um Diphtherieerkrankungen leichtester Art gehandelt hat. Von
erfahrenen praktischen Ärzten ist uns bestätigt worden, daß sie bereits
in der vorbakteriologischen Zeit derartige Fälle beobachtet hätten, die
klinisch das Bild einer einfachen Angina boten, ihrem epidemiologischen
Zusammenhänge nach aber nur als Diphtherieen zu deuten gewesen wären.
Auch wir machten häutig die Erfahrung, daß bei Haus- und Anstalts¬
epidemien nur der eine Teil der Erkrankten eine typische Diphtherie
bekam, während der andere die Symptome einer follikulären Tonsillitis
oder sogar nur die einer katarrhalischen Angina mit Schwellung und Rötung
der Rachengebilde bei geringer Temperatursteigerung zeigte. Die bak¬
teriologische Untersuchung und das Tierexperiment erbrachten dann den
Beweis, daß es sich in allen Fällen um Diphtherie handelte.
Nicht so eindeutig sind die im Verhältnis zur Gesamtzahl wenigen
Fälle (57 unter 8595), in denen trotz der klinischen Diagnose Diphtherie,
die auch später auf Grund des weiteren KrankheitsVerlaufes und des Er¬
folges der Heilserumeinspritzung aufrecht erhalten wurde, der bakterio¬
logische Befund negativ war. Ein negativer Befund ist au und für sich
nicht beweisend. Denn einerseits waren oft mehrere Tage vergangen, bis
ein Arzt zugezogen, und somit die Entnahme eines Halsabstriches ermög¬
licht war, andererseits können durch die der Entnahme vorhergegangene
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Anwendung von antiseptischen Gurgelwässern, die an der Oberfläche der
Schleimhaut haftenden Bazillen getötet oder in ihrer Entwicklung ge¬
hemmt sein. Oder der Patient, besonders der im Kindesalter stehende
leistet bei der Prozedur des Abstreichens Widerstand und verhindert da¬
durch, daß eine hinreichende Menge Material zur Untersuchung gewonnen
bzw. von der richtigen Stelle entnommen wird. Daß durch derartige
Zufälligkeiten trotz Vorhandenseins von Diphtheriebazillen im Rachen der
Patienten das Untersuchungsergebnis ein negatives werden kann, liegt auf
der Haud. Dieses Resultat wird um so leichter eintreten, wenn die Zahl
der im Rachen vorhandenen Bazillen eine geringe ist. Auf unseren
Antwortformularen bei negativem Befunde befindet sich daher auch die
Bitte ausgesprochen, bei fortbestehendem Diphtherieverdachte nochmals
Untersuchungsstoff einzusenden. Hiervon wird allerdings nur selten Ge¬
brauch gemacht, dennoch gelang es manchmal, bei einer Wiederholung
der bakteriologischen Untersuchung die anfangs vermißten Bazillen auf¬
zufinden. Immerhin ist zu betonen, daß auch einzelne Fälle Vorkommen,
in denen es sich trotz weitgehender Ähnlichkeit der klinischen Symptome
mit Diphtherie und ungeachtet zeitlichen Zusammentreffens des Genesungs-
beginus mit der Serumeiuspritzung ätiologisch doch nicht um Diphtherie
handelt.
Der Umstand, daß in 90 Prozent die klinische Diagnose durch die
bakteriologische ihre Bestätigung fand, zeigt, daß man von einem
Gegensatz beider nicht sprechen darf. Die Ergebnisse sind in der Regel
die gleichen und die wenigen Ausnahmen von derselben erklären sich
im wesentlichen dadurch, daß einerseits eine große Zahl von Diphtherien
unter dem klinischen Bilde einer Angina verläuft und andererseits, wenn
auch seltener, Anginen Vorkommen, die klinisch mehr oder weniger eine
Diphtherie Vortäuschen.
Die bakteriologische Untersuchung ist daher in allen Fällen berechtigt.
Unentbehrlich aber ist sie dort, wo es sich darum handelt, erstens epidemio¬
logisch diphtherieverdächtige Erkrankungen, die klinisch nur das Bild
einer Angina bieten, und zweitens solche Erkrankungen, bei denen trotz
vorhandener Beläge oder anderer diphtherieverdächtiger Symptome (Stenose¬
erscheinungen) die Diagnose unbestimmt ist, ätiologisch aufzuklären.
Diese letzteren Fälle sind in der Gruppe mit unbestimmter klinischer
Diagnose (Gruppe II) zusammengefaßt. Diejenigen, die im Anschluß an
Scharlach aufgetreten sind, sind einer Unterabteilung zugewieseu und
erheischen eine besondere Besprechung.
Von den 411 klinisch zweifelhaften Fällen, die sich nicht an Schar¬
lach anschlossen, wurden 122mal oder in 30 Prozent Diphtheriebazillen
gefunden und 289 mal oder in 70 Prozent war der Befund negativ. Unter
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Beiträge zur Kenntnis der Diphtherie als Volksseuche. 267
den letzteren befinden sich 48 Fälle mit diphtherieähnlichen Bazillen.
Während bei klinischer Diagnose Diphtherie von 1404 Fällen 940 (67 Proz.)
Diphtheriebazillen aufwiesen, bei klinischer Diagnose Angina von 830 Fällen
137 (16 Prozent), bilden hier die positiven Fälle 30 Prozent der Gesamt¬
zahl. Die Mittelstellung, welche dieser Prozentsatz zwischen den beiden
anderen einnimmt, wird ohne weiteres verständlich, wenn man in Be¬
tracht zieht, daß die klinische Diagnose „Zweifelhaft“ naturgemäß solche
Fälle begreift, in denen auch das Krankheitsbild eine Mittelstellung
zwischen Angina und Diphtherie einnimmt.
In den 950 Untersuchungsstoffen, die wegen Diphtherieverdachts bei
Scharlach übersandt wurden, fanden sich llOmal oder in 11*6 Prozent
Diphtheriebazillen, während mit Einschluß von 137 Untersuchungen, bei
denen diphtherieähnliche Bazillen gefunden wurden, 840 mal oder in
88 «4 Prozent der Befund negativ war. Wir haben hier zwei Gruppen
zu unterscheiden. In der ersten, die 782 Fälle umfaßt, war der Unter¬
suchungsstoff im Frühstadium des Scharlachs entnommen, sei es, weil
klinisch ein Verdacht auf eine Diphtheriekomplikation vorlag, sei es, weil
überhaupt grundsätzlich von allen neu aufgenommenen Scharlachpatienten
Rachenabstriche zur Untersuchung übersandt wurden. Das letztere ist
seit einiger Zeit in der städtischen Krankenanstalt üblich. In dieser
Gruppe waren 51 (6*5 Prozent) positiv, 731 (93*5 Prozent) negativ.
Unter letzteren befanden sich 122 Fälle mit diphtherieähnlichen Bazillen.
Die Zahl der negativen Fälle ist demnach eine sehr erhebliche und um¬
faßt Fälle sowohl mit mehr oder weniger ausgedehnten Rachenbelägen,
als auch ohne solche. Weder aus der Tatsache, daß Beläge vorhanden
sind, noch aus der Ausdehnung derselben läßt sich auf das Vorhandensein
von Diphtheriebazillen schließen. Das sogenannte Scharlachdiphtheroid
ist ätiologisch scharf von der Diphtherie zu trennen. Es kommt auch
hier sehr häufig zu umfangreichen Belägen, ohne daß Diphtheriebazillen
die Ursache sind. Wie weit beim Zustandekommen des Belages die Tätig¬
keit der Streptokokken durch das spezifische Scharlachgift unterstützt
wird, ist hier nicht zu erörtern. Die Differentialdiagnose, ob Diphtherie
vorliegt oder nicht, ist nur durch die bakteriologische Untersuchung
möglich.
Die zweite Gruppe bilden die Untersuchungen von 168 Personen,
die sich im Spätstadium oder in der Rekonvaleszenz des Scharlachs be¬
fanden und im Beginn der Krankheit frei von Diphtheriebazillen befunden
waren. Störungen des normalen Krankheitsverlaufes oder der Rekon¬
valeszenz durch Mandelentzündungen, Rhinitiden oder Temperatur¬
steigungen veranlaßten eine nochmalige bakteriologische Untersuchung.
Mit Ausnahme • eines — übrigens bazillenfreieu — Abstriches aus der
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Privatpraxis gingen uns die Untersuchungsstoffe sämtlich aus Kranken¬
häusern zu. 59 mal (85-1 Prozent) wurden Diphtheriebazillen gefunden.
109 mal (64-9 Prozent) war das Ergebnis negativ, 9 Fälle eingerechnet
in denen sich diphtherieähnliche Bazillen fanden. Interessant ist nun
das klinische Bild, unter dem diese Diphtberieen verliefen. Nur 21 von
den 59 Fällen wiesen Rachenbeläge und zwar meist nicht sehr aus¬
gedehnte auf, während 6 das Bild einer follikulären und 30 dasjenige
einer einfachen Angina zeigten. Bei letzterem Befunde war es gewöhnlich
die abendliche Temperatursteigerung, die dem behandelnden Arzte zuerst
auffiel und ihn veranlaßte, den Rachen in Augenschein zu nehmen.
Außer Rötung und Schwellung der Tonsillen war hier nichts zu be¬
merken. Ob eine Steigerung der lokalen Resistenz der Racheuorgane,
die durch den abgelaufenen Scharlach bedingt wurde, die Ursache des
auffallend leichten klinischen Bildes ist, oder ob es sich um eine Zufällig¬
keit handelt, vermögen wir nicht zu entscheiden. Das erstere erscheint
wahrscheinlicher, da den Versuchstieren gegenüber die gefundenen Diph¬
theriestämme volle Virulenz zeigten.
In zwei Fällen erregte der Ausfluß aus der Nase Verdacht und ver¬
anlaßt« bakteriologische Untersuchung, die virulente Diphtheriebazillen
ergab.
Diese Erkrankungen an Diphtherie im Verlaufe des Scharlach nahmen
häufig den Charakter einer Saalepidemie an. Wo ein Fall vorkam, folgten
dann bald mehrere nach. Auch bei den gesund gebliebenen Saalgenossen
konnten gelegentlich Diphtheriebazillen nachgewiesen werden, trotzdem
weder Temperatursteigerungen, noch Veränderungen der Rachenschleim¬
haut, noch sonst irgend welche objektiven oder subjektiven Störungen
vorhanden waren.
In der Hoffnung, den Diphtherieiufektionen die Spitze abzubrechen,
wurden von Mai 1905 au in der Krankenanstalt sämtlichen Scharlach-
kranken bei ihrer Aufnahme 500 Immunitätseinheiten injiziert. Es
bestätigte sich jedoch die Erwartung, welche an diese Maßregel geknüpft
wurde, nicht. Während auf die ersten 4 Monate des Jahres 1905 nur
neun derartige bakteriologisch festgestellte Diphtherien kamen, brachten
die letzten 8 Monate, während deren die Neuaufnahmen immunisiert
worden waren, nicht weniger als 44. Freilich ist dabei zu berücksichtigen,
daß infolge der gemachten Erfahrungen und der schärferen Beobachtung
auch die Anzahl der verdächtigen und infolgedessen auch der unter¬
suchten Fälle stieg. Sie betrug im ersten Zeitraum (Januar bis April:
25 . dagegen im zweiten (Mai bis Dezember) 128. Ob und in welcher
Weise die Immunisierung auf die Schwere der Erkrankung Einfluß hatte,
ließ sich nicht, erkennen. Das beobachtete Material war dazu nicht ge-
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Beiträge zur Kenntnis der Diphtherie als Volksseuche. 269
eignet, denn mit und ohne Immunisierung verliefen die Fälle ausnahmslos
leicht. Die Krankheitserscheinungen traten meist 8 bis 14 Tage, in ein¬
zelnen Fällen sogar 2 bis 3 Tage nach der prophylaktischen Einspritzung
auf. Wiederholung derselben in bestimmten Zeiträumen war ebenso er¬
folglos. Diese Beobachtungen zeigen klar, daß man mit einer prophylak¬
tischen Serumeinspritzung vor einer Infektion mit Diphtheriebazillen nicht
schützen kann. Der toxinbindende Wert einer solchen prophylaktischen
Injektion kommt weniger zur Geltung, weil bei Menschen der vorstehenden
Kategorie entweder die aufgenommenen Diphtheriebazillen sofort durch
die bakteriziden Kräfte des Körpers angegriffen werden, oder weil das
gebildete Toxin an Ort und Stelle unwirksam gemacht wird (lokale
Resistenzsteigerung siehe oben). Nur zwei Fälle endigten letal. In dem
einen ist Diphtherie auf Grund des Obduktionsbefundes, der hochgradige
Lungentuberkulose ergab, mit Sicherheit als Todesursache auszuschließen.
In dem anderen — einer Komplikation von Scharlach, Diphtherie, Masern
und Bronchopneumonie — fand keine Sektion statt, doch sprach der
klinische Verlauf mit größter Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Pneumonie
die Todesursache war.
Wie schon gesagt, waren die 59 Fälle bei der Aufnahme ins Kranken¬
haus auf Diphtheriebazillen untersucht und wurden erst nach Mitteilung
des negativen Ergebnisses von der Aufnahmestation auf die eigentliche
Scharlachstation überführt. Träger von Diphtheriebazillen, mögen dieselben
bei der Aufnahme oder erst später auf der Scharlachstation nachgewiesen
sein, werden sofort von den Scharlachkranben isoliert und einer besonderen
Scharlach-Diphtheriestation zugewiesen, auf der sie so lange bleiben, bis
sie frei von Diphtheriebazillen befunden sind. Diese Maßnahmen genügen
aber nicht ganz, um die geschilderten Infektionen mit Diphtherie zu ver¬
hindern, und ob das je gelingen wird, erscheint zweifelhaft. Wie weit
eine einmalige bakteriologische Untersuchung genügt, um mit Sicherheit
zu verhüten, daß Bazillenträger von der Aufnahmestation auf die Scharlach¬
station gelangen, soll später erörtert werden. Aber auch bei mehrmaligen
bakteriologischen Untersuchungen ist die Möglichkeit vorhanden, daß in
dem Zeitraum zwischen Rachenabstrich und dem Abschluß der bakterio¬
logischen Untersuchung — bei negativem Ausfall derselben 36 bis
48 Stunden — der Patient sich auf der Aufnahmestation mit Diphtherie¬
bazillen infiziert. Dies wird wahrscheinlicher, wenn die Aufnahmestation
überfüllt ist, also zur Zeit einer ausgedehnten Scharlachepidemie, wie die¬
selbe in den Jahren 1904 und 1905 in Bremen vorhanden war. Sind
aber einmal Bazillenträger auf die Scharlachstatiou gelangt, so werden
dieselben voraussichtlich die Infektion dort weiterverbreiten. Bei dem
milden Verlauf, der die beschriebenen Diphtherien charakterisierte und
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270
Ed. Büsing:
bei der im Krankenhause, wie sonst nirgends, gegebenen Möglichkeit,
durch regelmäßige Temperaturmessungen und sonstige genaue Beobach¬
tungen die verdächtigen Fälle schnell herauszufinden und bakteriologisch
untersuchen zu lassen, sowie bei rechtzeitiger Anwendung des Heilserums
liegt wohl keine allzugroße Gefahr in diesem Übelstande.
Zu besprechen bleibt noch die wichtige Frage, ob eine einmalige
bakteriologische Untersuchung bei negativem Ergebnis genügt, um die
Diagnose Diphtherie mit Sicherheit auszuschließen. Wir müssen nach
unseren Erfahrungen die Frage mit nein beantworten. Unsere Nachrichts¬
formulare für negative Befunde tragen deshalb, wie bereits erwähnt, den
Vermerk, daß die baldige Zusendung neuen Untersuchungsstoffes erwünscht
ist, sofern der Krankheitsverlauf trotz des fehlenden Nachweises zur An¬
nahme des Vorhandenseins von Diphtheriebazillen Anlaß gibt. Daß von
dieser Aufforderung nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht wurde, erklärt
sich wohl so, daß bei negativem bakteriologischem Befund meist schon
der weitere Krankheitsverlauf die Diagnose Diphtherie als unrichtig oder
unwahrscheinlich ergeben hatte. In den Fällen wiederholter Untersuchung
wurden selten Diphtheriebazillen gefunden. Immerhin kommt es gelegent¬
lich vor, daß die erste Untersuchung negativ, die zweite positiv ausfallt.
Daß dabei der Zeitpunkt und die Art der Entnahme eine große Rolle
spielen können, ist schon oben ausgeführt worden. Da aber jeder Arzt auf¬
gefordert wird, neuen Untersuchungsstoff einzusenden, falls der Diphtherie¬
verdacht fortbesteht, so sind die wenigen Fälle, in denen erst der zweite
Abstrich Diphtheriebazillen enthält, praktisch nicht von großem Belang.
Wichtiger ist die Frage bei Rekonvaleszenten. Sollen diese auf eine
negative bakteriologische Untersuchung hin als frei von Diphtheriebazillen
und damit als ungefährlich für ihre Umgebung angesehen werden? Um
diese Frage klarzustellen, erbaten wir ein halbes Jahr lang, von Sep¬
tember 1904 bis Ende Februar 1905 bei jeder negativen Rekonvaleszenteu-
Untertersuchung die nochmalige Übersendung eines Abstriches nach einigen
Tagen. Sowohl die Krankenhäuser, als auch die Mehrzahl der praktischen
Ärzte kamen diesem Wunsche in zuvorkommendster Weise nach. "Wir er¬
hielten 141 Abstriche von Personen, bei denen die letzte Untersuchung
keine oder avirulente Diphtheriebazillen ergeben hatte, zur Kontrollunter-
suchuug. Von diesen 141 Rekonvaleszenten waren 92 Krankenhausiusassen
und 49 in Behandlung von praktischen Ärzten. 21 mal = 15 Prozent
wurden virulente Diphtheriebazillen nachgewiesen, bei der ersten Gruppe
14, bei der zweiten 7 mal. 37 mal wurden avirulente, bzw. Pseudodiphtherie¬
bazillen gefunden und 83 mal war das Resultat negativ. (Die zwei letzter.
Gruppen zusammen = 85 Prozent.)
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Beiträge zur Kenntnis der Diphtherie als Volksseuche. 271
Übereinstimmend waren die Ergebnisse der letzten und der Kontroll-
untersucbungen 84 mal (= 60 Prozent), nämlich 71 mal beide Male gänz¬
lich negativ und 13 mal diphtherieähnliche Bazillen aufweisend. Hingegen
hatte die Kontrolluntersuchung 57 mal (= 40 Prozent) ein von der vorher¬
gehenden abweichendes Resultat. 12 mal war dasselbe gäuzlich negativ,
während vorher diphtherieähnliche Formen gefunden waren, 24 mal wurden
solche nachgewiesen, nachdem die letzte Untersuchung völlig negativ aus¬
gefallen war. 19 mal fanden sich virulente Diphtheriebazillen nach vorher¬
gehendem, gänzlich negativem Befunde, und 2 mal solche, nachdem die
letzte Untersuchung und der Tierversuch avirulente Formen ergeben hatte.
Letztere Beobachtung erklärt sich wohl am einfachsten aus dem gleich¬
zeitigen Vorhandensein zweier Stämme, eines virulenten und eines aviru-
lenten. Wir halten diese Deutung deswegen für zulässig, weil es uns
mehrere Male gelang, bei derselben Person aus dem gleichen Abstrich
zwei Stämme zu züchten, von denen der eine sich als virulent, der andere
als avirulent erwies. In dem einen der beiden Fälle ist es auch möglich,
daß der betreffende Rekonvaleszent, ein Krankenhausinsasse, sich von neuem
— da er aktiv immun war, natürlich ohne zu erkranken — bei anderen
Patienten, bzw. Rekonvaleszenten infizierte. Die letztere Erklärung ist
deshalb nicht ganz von der Hand zu weisen, weil im hiesigen Kinder¬
krankenhause beobachtet wurde, daß bei durchgeführter Trennung der
vorgeschrittenen Rekonvaleszenten von den frisch Erkrankten und den
Rekonvaleszenten im Anfangsstadium die Diphtheriebazillen anscheinend
im Durchschnitt bei den ersteren schneller verschwanden, als vor Anord¬
nung dieser Maßnahme. Leider konnte dieselbe wegen Raummangels nur
so kurze Zeit durchgeführt werden, daß sich sichere Schlüsse nicht ziehen
lassen.
Der Umstand, daß in 15 Prozent virulente Diphtheriebazillen nach¬
gewiesen wurden, scheint auf den ersten Blick den Wert der Rekonvales¬
zentenuntersuchungen wesentlich zu beeinträchtigen. Es ist aber in Be¬
tracht zu ziehen, daß die Bazillen jedesmal nur in geringer Menge vor¬
handen waren und dementsprechend in 18 Fällen erst nach 36 bis
48 ständigem Wachstum und nur in 3 Fällen bereits nach 24 Stunden
nachgewiesen werden konnten.
Die Krankenhausinsassen waren fast ausnahmslos vor Abschluß der
Kontrolluntersuchungen wieder nach Hause entlassen und nur in einem
der 21 Fälle, in denen diese positiv ausfiel, hat sich eine weitere Infektion
in derselben Familie nachweisen lassen.
Eine absolute Gewähr, daß die Bazillen wirklich aus der Mundhöhle
verschwunden sind, wird durch eine einmalige negative Untersuchung
demnach nicht gegeben. Es ist nur sehr wahrscheinlich, daß sie ver-
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272 Ed. Büsing: Beiteäge zub Kenntnis deb Diphthebee usw.
schwunden sind, und daß sie im anderen Falle nur noch in so kleiner
Menge sich finden, daß die Verbreitungsgefahr eine geringe ist. Scheller,
der ebenfalls die Unzulänglichkeit eines einmaligen negativen Befundes
hervorhebt, verlangt deswegen, daß Rekonvaleszenten stets so lange unter¬
sucht werden sollen, bis mindestens 2 oder 3 aufeinanderfolgende Unter¬
suchungen die Abwesenheit von Diphtheriebazillen ergeben haben. Wir
glauben kaum, daß sich dieser theoretisch sicherlich berechtigte und ideale
Standpunkt in der Praxis wird durchführen lassen. Wir haben hier in
Bremen die Erfahrung gemacht, daß schon das Verlangen eines einmaligen
negativen Befundes, besonders wenn die Entlassung aus dem Kranken¬
hause davon abhängig gemacht ist, von einem Teil der Bevölkerung als
lästig empfunden wird. Man muß sich da — vorläufig wenigstens —
mit minder strengen Anforderungen zufrieden geben, die in der großen
Mehrzahl der Fälle ihren Zweck erfüllen. Zu empfehlen ist aber überall
dort, wo die Möglichkeit einer Massenverbreitung der Krankheit eine be¬
sonders naheliegende ist, wie z. B. bei Entlassungen von den Isolier¬
stationen auf allgemeine Krankenhausabteilungen, in Rekonvaleszenten¬
heime, Waisenhäuser usw., eine mindestens zweimalige negative Unter¬
suchung als Bedingung aufzuerlegen.
Die Ergebnisse unserer langjährigen Erfahrungen mögen zum Schluß
in folgende Sätze zusammengefaßt werden:
1. Der virulente Diphtheriebacillus ist nicht ubiquitär, er findet sich
nur beim Diphtheriekranken und Rekonvaleszenten, sowie in dessen Um¬
gebung.
2. Avirulente Bazillen kommen für die Verbreitung der Diphtherie
nicht in Betracht, selbst wenn sie morphologisch mehr oder weniger
Diphtheriebazillen gleichen. Sie sind teils als echte Diphtheriebazillen,
die ihre Virulenz eingebüßt haben, teils als besondere, den Diphtherie¬
bazillen nahe verwandte Arten (Pseudodiphtheriebazillen) aufzufassen. Eine
durchgängige sichere Unterscheidung der sogen. Pseudodiphtheriebazillen,
Hofmannschen Bazillen usw. von den avirulenten Diphtheriebazillen ist
zur Zeit unmöglich. Eine Ausnahme bildet der Xerosebacillus, der sich
kulturell vom Diphtheriebacillus und den Pseudodiphtheriestäbchen unter¬
scheiden läßt.
3. Die Diagnose Diphtherie ist häufig mit Sicherheit nur durch
bakteriologische Untersuchung zu stellen.
4. Eine einmalige Untersuchung schließt bei negativem Ergebnis die
Diagnose Diphtherie nicht unter allen Umständen aus.
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[Aus der therapeutischen Hospitalsklinik des Prof. W. N. Sirotinin
an der militär-medizinischen Akademie zu St. Petersburg.]
Zur Diagnose
und zum klinischen Verlauf des Paratyphus.
Von
S. M. Poggenpohl . 1
Im Jahre 1896 haben Achard und Bensaude in der Societe
mödicale des höpitaux über zwei Fälle einer Erkrankung berichtet, die
klinisch wie Abdominaltyphus verlief, deren Krankheitserreger jedoch nicht
die Eberthschen Bazillen, sondern ein anderer Bazillus war, der, dem
Eberthschen Typhusbacillus ähnlich, jedoch in mancher Beziehung auch
dem gewöhnlichen Colibacillus nahe stand. Das Blutserum dieser Kranken
agglutinierte den von den Autoren isolierten Bacillus, gab aber mit dem
Ebertschen Typhusbacillus keine Agglutinationsreaktion. Die Autoren
haben für den von ihnen entdeckten Bazillus den Namen „bacille para-
typhique“ und für die von demselben erzeugte Erkrankung die Bezeichnung
„infection paratyphoide“ vorgeschlagen. Trotzdem in den folgenden Jahren
einige Mitteilungen erschienen sind, welche die Entdeckung von Achard
und Bensaude bestätigen (Brill, Gwyn, Cushing), schenkte man
dieser Frage im allgemeinen doch wenig Beachtung, bis die Mitteilung
von Schottmüller erschien, welche eine Reihe von Arbeiten veranlaßte,
die sich zu einer ganzen Literatur vermehrt haben. Der von Schott¬
müller beschriebene Fall verlief im allgemeinen unter den Erscheinungen
von Abdominaltyphus, wenn auch zu Beginn der Erkrankung einige bei
Abdominaltyphus sonst nicht vorkommende Erscheinungen beobachtet
wurden, wie beispielsweise Schnupfen und Rötung der Rachen- und Augen-
1 Ans dem Russischen übersetzt von M. Lubowski, Berlin-Wilmersdorf.
Zeitschr. f. Hygiene. LV1I.
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18
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274
S. M. Poggenpohl:
bindebaut — Schleimhaut. Im weiteren Verlauf stellten sich Milzschwel¬
lung, Roseoie, Status typhosus, Bronchitis ein. Es bestand Obstipation;
die Temperatur blieb in den ersten Tagen auf der Höhe von 40°, sank
dann aber lytisch innerhalb zehn Tagen; der Puls war relativ verlangsamt
und stieg nicht über 90 Schläge in der Minute. Dem Autor ist es ge¬
lungen, aus dem Blute einen Bacillus zu isolieren, der sich nach Gram
nicht färbte, und der im hängenden Tropfen aus einer eintägigen Bouillon¬
kultur lebhafte Bewegungen zeigte. Seinem Wachstum auf gewöhnlichen
Nährmedien (Bouillon, Gelatine, Agar) nach, stand dieser Bacillus dem
Eberthschen Typhusbazillus vollkommen nahe. Ebenso wie der letztere
koagulierte der isolierte Bacillus nicht Milch, bildete kein Indol und ent¬
wickelte Säure auf mit Lackmus versetztem Milchserum. Zugleich erzeugte
der Bacillus Gärung in Zuckerbouillon, wodurch er sich schon dem gewöhn¬
lichen Colibacillus näherte. Das Blutserum der Kranken agglutinierte
die isolierten Bazillen in Verdünnungen von 1: 50 und 1 : 100, übte
aber auch nicht die geringste agglutinierende Wirkung auf Eberthsche
Bazillen aus.
Unmittelbar nach der Arbeit von Schottmüller war eine Reihe
analoger Mitteilungen erschienen (Kurth, Hume, Brion und Kayser.
W. J. Bjejlaiew u. a.). Conrad, Drigalski und Jürgens beschrieben
schon eine ganze Epidemie (23 Fälle), die unter den Mannschaften der
Garnison von Saarbrücken gewütet hatte. Eine ähnliche Epidemie (14 Fälle)
haben beobachtet: Feyfer und Kayser in Eibergen in Holland, Sion
und Negel in Rumänien, Okasaki, Tujikawa und Saito in Japan.
Kurz, schon im Jahre 1903 waren in der Literatur über 80 Fälle der
in Rede stehenden Erkrankung veröffentlicht, welcher man den ursprüng¬
lichen von Achard und Bensaude, dann von Schottmüller vor¬
geschlagenen Namen „Paratyphus“ beließ. Diese Zahl ist bereits so
groß, daß man berechtigt ist, das Gesamtmaterial einer gemeinsamen
Betrachtung zu unterziehen, ohne allerdings noch irgend welche definitive
Schlüsse aufzustellen.
Das klinische Bild der Krankheit ist im allgemeinen, allem Anscheine
nach, mit demjenigen von Abdominaltyphus mittleren Grades und eben¬
solcher Dauer identisch. Ich glaube daher auf eine Aufzählung der ein¬
zelnen Symptome verzichten zu können, und möchte nur sagen, daß alles,
was bei Typhus beobachtet wird, auch bei Paratyphus beobachtet wurde.
Irgend einen geringen Unterschied zwischen diesen beiden Erkrankungen
wahrzunehmen, ist nicht möglich. Das Einzige, worauf in dieser Rich¬
tung hingewiesen werden kann, ist die relativ häufige Erkrankung der
oberen Verdauungsorgane bei Paratyphus (Brion und Kayser), durch
welche manche Fälle von Paratyphus sich dem Bilde der Gastroenteritis
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Original fro-m
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Zub Diagnose und zum klinischen Verlauf des Pabatyphos. 275
bzw. „embarras gastrique“ des französischen Autors (Vallet) nähern.
Die Prognose ist bei Paratyphus im allgemeinen günstiger als beim
klassischen Abdominaltyphus, da bei dem ersteren der Mortalitätsprozent¬
satz 3 nicht übersteigt, während er sich bei dem letzteren zwischen
5 bis 15 bewegt. Hinsichtlich der pathologisch - anatomischen Verände¬
rungen, die bei Paratyphus beobachtet werden, sind die Angaben ziemlich
widersprechend. Während in den Fällen von Ascoli sämtliche dem Ab¬
dominaltyphus eigentümlichen anatomischen Veränderungen des Darms
und der übrigen inneren Organe vorhanden waren, hat Longcope in
seinen tödlich verlaufenen Fällen eine Affektion des Dünndarmes nicht
(es war weder Schwellung der Peyerschen Plaques, noch der solitären
Drüsen vorhanden), wohl aber akute Schwellung der Milz, parenchymatöse
Degeneration der Leber und der Nieren, Odem des Gehirns und einige
vergrößerte Follikel im Dickdarm beobachtet. Dasselbe Bild bot auch der
von Strong beschriebene Fall. Im Falle von Craig ergab die Sektion
akute Enteritis ohne spezielle Affektion der Peyerschen Plaques.
Zugleich bestanden im Falle von Lucksh Schwellung der Milz,
parenchymatöse Degeneration der inneren Organe, während eine spezielle
Affektion des Lymphapparates des Darms fehlte; im letzteren waren Ver¬
änderungen vorhanden, die für Dysenterie charakteristisch sind.
Natürlich wäre es verfrüht, aus diesen spärlichen Mitteilungen be¬
stimmte Schlüsse zu ziehen; dazu sind weitere zahlreiche Beobachtungen
erforderlich. Wenn die klinischen und anatomischen Merkmale der in
Rede stehenden Erkrankung vorläufig noch ziemlich blaß und verschwommen
sind, so kann man dasselbe doch nicht von der Bakteriologie dieser Er¬
krankung sagen. Die Eigenschaften der Erreger des Paratyphus sind
mehr oder minder gründlich erforscht, so daß die Lehre der Differential¬
diagnose des Typhus und Paratyphus sich voll und ganz auf der Differen-
tialdiagnose des Eberthschen Bacillus und der Achard-Schottmüller-
schen Bazillen gründet. Ich spreche von diesen letzteren Bazillen im
Plural, weil man das Vorhandensein von einigen Arten der Paratyphus¬
erreger zugeben muß. So hat Schottmüller zwei Arten festgestellt:
A und B; außer diesen sind noch der Saarbrückensche Bacillus von
Conradi, Drigalski und Jürgens, der Bacillus euteritidis von Gärtner,
Bacillus bremensis febris gastricae Karth, Bacillus 0. Cushing, Bacillus
L. Hume u. a. bekannt. Natürlich haben nicht alle diese Bazillen das
Recht auf selbständige Existenz. So hatte sich die Saarbrückensche Art
und der Kurthsche Bacillus als mit dem Schottmüllerscheu Bacillus
identisch erwiesen. Die bakteriologische Physiognomie einiger anderer
Bazillen ist noch nicht genügend aufgeklärt, so daß man heutzutage be¬
rechtigt ist, nur mit den beiden zweifellos festgestellten Schottinüller-
18 *
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276
S. M. Poggenpohl:
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sehen Arten zu rechnen. Wie ich bereits erwähnt habe, nehmen diese
Bazillen die Mitte zwischen den Colibazillen und dem Bacillus des eigent¬
lichen Abdominaltyphus ein. Wir müssen sie folglich der von Durham
festgestellten Gärtnerschen Gruppe zuzahlen, zu welcher außerdem auch
die oben erwähnten Bacillus enteritidis, Bacillus psittacosis, Bacillus botu-
linus gehören. Sämtliche aufgezählten Bazillen dieser Gruppe sind mehr
oder minder beweglich, färben sich nicht nach Gram und verflüssigen
nicht Gelatine. Speziell stehen die Paratyphusbazillen den Eberth sehen
Bazillen in der Beziehung nahe, daß sie in Eiweißmedien kein Indol pro¬
duzieren und Milch nicht koagulieren; dem Colibacillus nähern sie sich
dadurch, daß sie in Medien, welche Traubenzucker enthalten, Gärung unter
Gasbildung erzeugen. Die sonstigen Eigenschaften dieser Bazillen, soveie
die Besonderheiten, durch welche sich die beiden Arten voneinander unter¬
scheiden, sind in folgender Tabelle anschaulich dargestellt:
Wachstum
Typhusbacillus
j
Paratyphus¬
bacillus A
Paratyphus-
baciliuß B
Colibacillus
Auf
Gelatineplatten
unebene Ränder;
| stielartige
Streifung (reben-
blattähnlieh)
runde Kolo¬
nien, fast
ohne Streifung;
farblos
ebensolche
! Kolonien wie
i bei A, nur von
weißlicher
Farbe
die oberflächl.
Kolonien sißd
typhösen ähnlich,
die Streifung ist
aber weniger
ausgesprochen
u. verschwindet
rasch
Auf Agar
Auf Kartoffel
Auf Drigalski-
schein Medium
Auf mit Lackmus
versetztem
Milchserum
Auf Agar-
Neutralrot
Milch:
Indol:
Auf Medien, die
Traubenzucker
enthalten
Auf Bouillon-
Laktose
in Form einer weißlichen Membran; nicht charakteristisch
zarte, kaum
sichtbare
Membran
mit dem unbewaffneten Auge
wahrnehmbare, ziemlich dicke
Membran
Kolonien von himmelblauer Farbe
schwache
Rosafärbung
verändert nicht
die Farbe
schwache,
bleibende
Rosafärbung
i schwache Rosa-
j färbung; dann
nach ca. 14Tagen
. Blauwerden
(Übergangi.alka-
lische Reaktion)
dicke, grobe
Membran
rosafarbene
Kolonien
starke
Rosalarbung
die rote Farbe geht in gelbe über
koaguliert nicht
produziert nicht
koaguliert
produziert
erzeugt
keine Gärung
erzeugt keine
Gärung
erzeugt Gärung mit Gasbildutg
sehr schwache stärkere Gärung;! sehr starke
'Gärungunter Bil- deutliche Gärung mit
düng eines kaum Gasbildung reichlicher
wahrnehmbaren i Gasbildung
Gashläschens
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Zur Diagnose und zum klinischen Yeblauf des Paeatyphus. 277
Es ist gelungen, die Paratyphusbazillen aus dem Stuhle, dem Harn,
der Milz und dem Blute der Kranken zu isolieren und auf diesem Wege
die bakteriologische Diagnose der Krankheit zu stellen. Eine einfachere
diagnostische Methode ist natürlich die Agglutinationsreaktion. Das Serum
der an Paratyphus leidenden Personen agglutiniert die eine oder die andere
Art des Schottmüllerschen Bacillus, ohne die Typhusbazillen irgend
wie zu beeinflussen. Diese Erscheinung haben sowohl Schottmüller
selbst, wie auch Kurth, Ascoli, Brion und Kayser, Hewlett und
Tiele andere konstatiert. Indem man von dem Standpunkte ausging, daß
die Agglutinationsreaktion spezifisch ist, glaubte man in derselben eine
leichte und zuverlässige Methode zur Unterscheidung von Typhus und
Paratyphus zu haben. Allmählich sammelten sich aber Tatsachen, die
gerade gegen diese strenge Spezifität sprachen; so hebt bereits Kurth
hervor, daß in den von ihm beobachteten zwei Fällen von Paratyphus das
Serum der Kranken eine, wenn auch schwache, agglutinierende Wirkung
auch auf die Typhusbazillen ausübte. Jürgens beobachtete gleichzeitige
Agglutination der Paratyphusbazillen bei echtem Abdominaltyphus. In
dem Falle von Ascoli agglutinierte das Serum des Kranken neben dem
aus dem Blute gewonnenen Paratyphusbacillus auch den gewöhnlichen
Colibacillus. Schließlich sind Zupnick und Posner, nachdem sie die
Agglutinationsreaktion an einem großen Material von typhösen und typhus¬
ähnlichen Erkrankungen (ca. 500 Fälle) studiert hatten, zu dem Schlüsse
gelangt, daß das Serum der Kranken in vielen Fällen von zweifellosem
Typhus außer den Eberthschen Bazillen auch andere, denselben nahe¬
stehende Arten, die zu der oben erwähnten Gärtner sehen Gruppe ge¬
hören, agglutinierte, wobei allerdings das Agglutinationsvermögen in sämt¬
lichen Fällen am meisten bei den Typhusbazillen zur Geltung kam. Auf
Grund der von ihnen erhobenen Tatsachen erklären Zupnick und Posner,
daß die Agglutinationsreaktion keine Art-, sondern Gattungs-Eigentüm¬
lichkeit ist; die Art des Bacillus, der die betreffende typhusähnliche Er¬
krankung hervorgerufen hat, muß in jedem einzelnen Falle durch Be¬
stimmung des höchsten Titers festgestellt werden, d. h. von der Reihe
der Bazillen, die agglutiniert werden, wird derjenige Bacillus der Erreger
der betreffenden Erkrankung sein, der bei der höchsten Verdünnung agglu¬
tiniert wird.
Es hat sich somit allmählich die Vorstellung von der sogenannten
„Gruppen-“ oder „Familien-Agglutination“ gebildet (Bruns, Kayser,
Pfaundler). Ohne die diagnostische Bedeutung der Agglutinations¬
reaktion zu erschüttern, legt uns dieser neue Begriff jedoch die Ver¬
pflichtung auf, sich mit der qualitativen Analyse hier nicht zu begnügen,
sondern auch quantitativ zu arbeiten, d. h. den Grad des Agglutinations-
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S. M. Poggenpohl:
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Vermögens des Serums dem Eberthschen Bacillus und den beiden Para¬
typhusbazillen gegenüber festzustellen (Körte, Stern, Rostoski). Bei
der Existenz von Gruppenagglutination steht der Titer derselben für die
„primäre Agglutination des Bacillus“ (d. b. des Krankheitserregers) stets
bedeutend höher, als für diejenigen, die sekundär agglutiniert werden.
Es besteht ein Parallelismus zwischen dem Agglutinationsvermögen des be¬
treffenden Serams und dessen Fähigkeit zur Gruppenagglutination (Bruns
und Kayser). Wenn die Titers des Serums den Typhus- und Para¬
typhusbazillen gegenüber gleich sind, oder sich voneinander wenig unter¬
scheiden, so muß man an eine gemischte Infektion denken und zur Lösung
der Frage zu der Methode des konsekutiven Fällens der Agglutine greifen
(Castellani). Auf diese Weise hat die Frage der Agglutination, die
ziemlich kompliziert war, eine außerordentlich regelmäßige Gestaltung und
ziemlich einfache Form erhalten. Bald sind aber auch gegen diese Stellung
der Frage Einwendungen laut geworden. Grünberg und Rolli sind,
indem sie an 40 Fällen von zweifellos bakteriologisch erwiesenem Ab¬
dominaltyphus die agglutinierende Wirkung des Serums gegenüber den
anderen Bazillen der Gärtnerschen Gruppe studiert haben, zu folgendem
Schlüsse gelaugt: In 70 Prozent sämtlicher Fälle wurde neben dem
Typhusbacillus auch der eine der Paratyphusbazillen agglutiniert, wobei
die Paratyphusbazillen in 35 Prozent der Fälle selbst bei höheren Ver¬
dünnungsgraden agglutiniert wurden, als der Eberthsche Bacillus. In
45 Prozent wurde auch der gewöhnliche Colibacillus agglutiniert; der
Gärtnersche Enteritisbacillus wurde bei einer Verdünnung von 1:30
selbst in 100 Prozent der Fälle agglutiniert, wobei in 22-7 Prozent eine
Agglutination desselben selbst bei größeren Verdünnungen als die Agglu¬
tination des Typhusbacillus beobachtet wurde.
Ich selbst hatte gleichfalls in diesem Jahre Gelegenheit, einen Fall
von zweifellos bakteriologisch erwiesenem Abdominaltyphus zu beobachten,
in dem der eine der Paratyphusbazillen während einer gewissen Krank¬
heitsperiode bei stärkeren Verdünnungen agglutiuiert wurde, als der Typhus¬
bacillus. Es handelt sich um einen schwer verlaufenden Fall von Typbus,
verbunden mit rechtsseitiger katarrhalischer Pneumonie, der nach sieben
fieberfreien Tagen ein Rezidiv von vierzehntägiger Dauer gegeben hatte.
Die bakteriologische Untersuchung des Blutes, welches der Vene der Ell¬
bogenbeuge zweimal, und zwar am 18. und 34. Krankheitstage (5. Tag
des Rezidivs) entnommen wurde, ergab in beiden Fällen mit absoluter
Sicherheit Typhusbazillen, deren Eigenschaften durch das Verhalten der
Bazillen mit Lackmus versetztem Milchserum und zuckerhaltiger Bouillon
gegenüber, sowie durch das positive Ergebnis der Agglutinationsreaktion
mit dem Blutserum, welches einem anderen Typhuskranken entnommen
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Zur Diagnose und zum klinischen Verlauf des Paratypbus. 279
war, festgestellt wurden. Die Besonderheiten der Agglntinationsreaktion, die
in diesem Falle zutage traten, sind in folgender Tabelle zusammengestellt:
Krankheitstag
Verdünnung
Typhus¬
bacillus
Paratyphus¬
bacillus A
Paratyphus¬
bacillus B
13.
1:50
—
4*
_
1:100
—
4*
—
1:250
—
19.
1:50
_
4-
_
1: 100
—
4-
—
1 :250
—
—
—
23.
1:50
+
+
1. fieberfreier Tag
1:100
—
4-
_
1:250
—
4-
_
1:500
—
—
35.
1:50
-f
4 1
_
6. Tag des Rezidivs
1:100
+
—
—
1:250
+
—
1 :500
+
—
—
1:750
+
— 1
—
1:1000
—
—
—
1:2000
—
1
—
+ bedeutet positives Resultat; — bedeutet negatives Resultat.
Wie aus den vorstehenden Angaben ersichtlich, sprach die Agglu¬
tinationsreaktion innerhalb der ersten 23 Tage für Paratyphus. Der un¬
mittelbar darauf eingetretene Rückfall der Krankheit mußte auf Grund
derselben Agglutinationsreaktion als echter Abdominaltyphus anerkannt
werden. Wir hatten anscheinend zwei Fälle von voneinander unabhän¬
gigen Erkrankungen, und zwar einen Fall von Infektion eines paratyphösen
Kranken mit Abdominaltyphus, was theoretisch natürlich durchaus zu¬
lässig war, da der Patient in der allgemeinen Typhusbaracke lag. Die oben
mitgeteilte bakteriologische Untersuchung des Blutes ergab jedoch, daß
selbst auf der Höhe der ersten Erkrankung im Blute des Patienten nur
Typhusbazillen vorhanden waren, so daß auch diese Erkrankung als echter
Abdominaltyphus betrachtet werden mußte. Man muß infolgedessen an¬
nehmen, daß gewisse Verhältnisse bestanden haben, welche die Agglu¬
tination des Eberthsehen Bacillus aufhielten und zu gleicher Zeit die
Agglutination des Paratyphusbacillus A steigerten. Zur Zeit des Recidivs
haben sich diese Verhältnisse diametral geändert. Ob die Ursache dieser
Erscheinung in den Eigenschaften des Serums oder in denjenigen der
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S. M. Poggenpohl:
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Kulturen lag, läßt sich nicht beantworten; jedenfalls die Tatsache bleibt
Tatsache, und man kann nicht umhin, mit dieser zu rechnen.
Meine Beobachtung, die die von Zupnick und Posner aufgestellte
These widerlegt, steht keineswegs isoliert. Außer Grünberg und Rolly
sind zu analogen Schlüssen Reco, Sternberg, Wassermann, Klinger,
Jürgens, Stern, Kühn u. a. gekommen. Auf Grund der vorstehenden
Ausführungen muß man zu folgendem Schlüsse gelangen. Zur Lösung
der Frage, ob in den gegebenen Fällen Typhus oder Paratyphus vorliegt,
ist die Agglutinationsreaktion nicht von entscheidender Bedeutung, nicht
einmal dann, wenn man diese auch quantitativ ausführt, d. h. den Titer
des Agglutinationsvermögens des Serums für jeden Repräsentanten der
Colityphusgruppe bestimmen wird. Der einzige absolut richtige Weg zur
Diagnose ist die Isolierung des Bacillus, der als Erreger der betreffenden
Krankheit in Betracht kommt, aus dem Blute, und die Erforschung dieses
Bacillus in morphologischer und mikrochemischer Beziehung; sonst laufen
wir Gefahr, einen Fehler zu begehen und einen Fall von Abdominaltyphus
als solchen von Paratyphus und umgekehrt zu deuten. Solche Fehler
sind zweifellos auch vorgekommen, weil in einigen in der Literatur ver¬
öffentlichten Fällen von Paratyphus die Diagnose einzig und allein auf
Grund der Agglutinationsreaktion gestellt worden ist. Infolgedessen war
es unvermeidlich, daß eine gewisse Verdunkelung der klinischen Bilder
dieser beiden Erkrankungen stattfand.
Einerseits erscheint das klinische Bild des Abdominaltyphus, welches
in der Wissenschaft bereits viele Jahre vor dem Bekanntwerden des Para¬
typhus seine Gestaltung gefunden hatte, eigentlich als ein Sammelbild,
welches sowohl den Abdominaltyphus, wie auch den Paratyphus deckt.
Andererseits ist auch der Begriff, den wir uns von dem Bilde des Para¬
typhus auf Grund der bis jetzt beschriebenen ca. 200 Fälle gemacht
haben, gleichfalls ein Sammelbegriff, weil zu diesen 200 Fällen infolge
des oben erwähnten Irrtums zweifellos auch einige Fälle von echtem
Abdominaltyphus hinzu gerechnet worden sind. Ist das auch der Fall
so haben wir heute kein Recht zu behaupten, daß das klinische Bild des
Paratyphus sich durch nichts, oder fast durch nichts von demjenigen des
Abdominaltyphus unterscheidet, weil wir bis jetzt weder von der einen,
noch von der anderen Erkraukung ein reines klinisches Bild besitzen.
Man muß eine große Anzahl von absolut sicher bakteriologisch erwiesenen
Fällen von Abdominaltyphus und Paratyphus sammeln, und erst # dann
würde man zur Gegenüberstellung der klinischen Physiognomie der beiden
Krankheitsformen schreiten können. Im vorigen Jahre habe ich einen
mit absoluter Sicherheit erwiesenen Fall von Paratyphus beobachtet, der
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Z üb Diagnose und zum klinischen Veblauf des Pabattphus. 281
sich in klinischer Beziehung durch einige Besonderheiten auszeichnete,
so daß ich es für angebracht halte, den Fall zu beschreiben.
N. M., 15 Jahre alt; Bäuerin, aus Petersburg gebürtig, wurde am
3. II. 1905 in die Klinik aufgenommen; sie klagte bei der Aufnahme über
Kopfschmerzen, allgemeine Schmerzhaftigkeit, Schwäche. Die Patientin gibt
an, seit ca. 8 Tagen krank zu sein. Die Krankheit soll sich allmählich
eingestellt haben: 3 Tage war die Patientin noch imstande, sich auf den
Beinen zu halten, am 4. Tage mußte sie jedoch das Bett aufBuchen. Zu
Beginn der Krankheit hatte sie mehrere Male leichte Schüttelfröste; Schnupfen
und Husten nicht vorhanden. An irgend welchen schweren Krankheiten
hatte die Patientin früher nicht gelitten.
Status präsens: Die Patientin ist regelmäßig gebaut und ziemlich gut
genährt. Ihre körperliche Entwicklung entspricht dem Alter. Das Gesicht
ist hyperämisch; in den Augen fieberhafter Glanz. Nicht besonders stark
ausgesprochener Status typhosus. Die Zunge trocken, im Zentrum belegt,
an den Bändern rein, zittert leicht beim Yorstrecken. Haut rein. Keine
Ausschläge. Fühlt sich trocken, heiß an. Temperatur 39-2°; Puls 112,
mäßiger Füllung, regelmäßig; Atmung 28. Die Grenzen der Herzdämpfung
sind normal, die Herztöne rein. Von seiten der Lunge nichts Abnormes.
Abdomen etwas aufgetrieben. In der Blinddarmgegend Knurren. Die Milz
läßt sich perkutorisch am oberen Rande der 8. Rippe nachweisen, geht
eine Fingerbreite über die vordere Axillarlinie hinaus; die Palpation der
Milz gelingt nicht.
Stühle anhaltend. Im Harn Eiweißspuren, etwas Indikan; Diazoreaktion
positiv, schwach; im Zentrifugat nichts Abnormes.
5. H. Temperatur 39-6 bis 39-1°. Puls 102, befriedigend. Flüssiger
Stuhl. Abdomen leicht aufgetrieben, schmerzhaft. Nicht besonders stark
ausgesprochener Status typhosus.
6. H. Temperatur 38-8 bis 39 «9°; Puls 104. Aussehen munterer.
Milz läßt sich perkutorisch am unteren Rande der 7. Rippe nachweisen,
aber nicht palpieren. Nach Klysma Stuhl; im Ham Eiweißspuren.
7. H. Temperatur 39*3 bis 39 »3°; Puls 108. Einmaliger, flüssiger
Stuhl. Yon seiten der Lunge nichts Abnormes. Schlaf mangelhaft.
8. H. Temperatur 38*4 bis 39*1°; Puls 106. Zweimal Stuhl, flüssig.
Gruber-Widalsche Reaktion negativ. •
9. II. Temperatur 38*7 bis 39*6°; Zustand unverändert.
10. H. Temperatur 38-7 bis 39-0°; Puls 114. Übelkeit. Schmerz-
haftigkeit und Knurren in der Blinddarmgegend. Schwacher Status typhosus.
An der Haut des Rückens ein Roseolafleckchen. Im Ham Eiweißspuren.
Diazoreaktion positiv.
11. n. Temperatur 39*1 bis 39*1°; Puls 112. Klagt über allgemeine
Schwäche und Kopfschwindel. Milz perkutorisch an der 7. Rippe, nicht
palpabel. An der Brusthaut zwei Roseolen. Agglutinationsreaktion mit dem
Typhusbacillus und mit dem Paratyphusbacillus B negativ, mit dem Para¬
typhusbacillus A positiv, bei Verdünnung von 1:50.
12. H. Temperatur 39*3 bis 39-6°; Puls 108. An der Brust und am
Abdomen sind 4 bis 5 Roseolen deutlich hervorgetreten. Die Milz läßt
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sich perkutorisch an der 7. Rippe nachweisen, aber mit Mühe palpieren.
Herztöne rein. Einmaliger Stuhl, flüssig.
13. H. Temperatur 38-8 bis 39*6°; Puls 104. Die Roseolen blassen
ab. Milz kaum palpabel. Kein Stuhl. Abdomen etwas aufgetrieben. Die
Kranke schläft viel.
14. II. Temperatur 38*9 bis 39*6°; Puls 112. Kopfschmerzen. Milz
und Leber deutlich palpabel. Appetit noch nicht vorhanden. Stuhl nach
Klysma.
15. H. Temperatur 39*1 bis 39«9°; Puls 120. Das Aussehen der
Patientin ist ein besseres. Sie klagt über Kopfschmerzen. Die Roseolen
blassen ab.
16. II. Temperatur 38*8 bis 39*2°; Puls 120, leicht komprimierbar.
Der Status typhosus hat sich wieder verstärkt. Die Patientin klagt über
Übelkeit. Es besteht trockener Husten. In den Lungen hört man diffuse
trockene Rasselgeräusche, unter dem Winkel des rechten Schulterblattes
auch feuchte. Viermal Stuhl, flüssig. Im Harn Eiweißspuren. Diazoreaktion
positiv, stark. Im Niederschlag nichts Abnormes.
17.11. Temperatur 38*5 bis 39-1°; Puls 120, schwacher Füllung.
18. H. Temperatur 38*0 bis 39*1°; Puls 120. Das Aussehen der
Patientin ist etwas munterer; Übelkeit nicht vorhanden. Stuhl flüssig.
19.11. Temperatur 38*1 bis 39-5°; Puls 134, schwacher Füllung.
Nach jeder Nahrungsaufnahme Erbrechen.
20.11. Temperatur 38-2 bis 39*2°; Puls 108, voller als gestern. Das
Erbrechen hält an. In den Stühlen Blut nicht vorhanden.
21.11. Temperatur 38 «0 bis 38-9°; Puls 116. Das Erbrechen hält
an. Das Aussehen und das subjektive Befinden der Patientin sind jedoch
etwas besser; Zunge feucht, beginnt sich zu reinigen. Milz bei der Per¬
kussion an der 8. Rippe nachzuweisen; Palpation der Milz nicht möglich.
22.11. Temperatur 37*6 bis 38-4°; Puls 100, ziemlich guter Füllung.
Subjektives Befinden etwas besser. Das Aussehen der Patientin bessert sich
gleichfalls. Übelkeit nicht vorhanden. Es besteht Somnolenz. Milz nicht
palpabel. Zunge feucht, rein. Stuhl einmal, flüssig. Im Harn Eiweißspuren:
Indikangehalt gesteigert. Diazoreaktion positiv.
23. II. Temperatur 37*0 bis 37-5°; Puls 104. Subjektives Befinden
weit besser. Das Aussehen der Patientin ist munterer. Es stellt sich
Appetit ein. Das Erbrechen hält aber nach wie vor an, wenn auch in
schwächerem Grade. Milz nicht palpabel.
24.11. Temperatur 36-2 bis 38*8°. Zustand unverändert.
25. II. Temperatur 36*6 bis 38-6°; Puls 102. Subjektives Befinden
gut. Das Erbrechen hat aufgehört.
26.11. Temperatur 36*6 bis 38'3°; Puls 96.
27.11. Temperatur 36’0 bis 38-4; Puls 70, mäßiger Füllung. Appetit
ist wieder verschwunden.
28.11. Temperatur 36-0 bis 38-1°; Puls 88. Kein Appetit; nach
jeder Nahrungsaufnahme Übelkeit.
1. III. Temperatur 35-6 bis 38-6°; Puls 96. Subjektives Befinden
besser. Weder Erbrechen noch Übelkeit. Der Appetit hat sich wieder
eingestellt.
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Zur Diagnose und zum klinischen Verlauf des Paratyphus. 283
2. III. Temperatur 36*2 bis 38 • 1; Puls 88. Zunge rein. Lungen
frei. Stuhl nach Klysma. Milz bei der Perkussion an der 8. Rippe, ist
wieder etwas palpabel. Übelkeit und Erbrechen nicht vorhanden. Im Harn
kein Eiweiß. Diazoreaktion positiv.
3. III. Temperatur 35 *5 bis 37*1 °. Zustand unverändert.
4. III. Temperatur 35 «4 bis 37 »1°; Puls 82. Kleienförmige Haut¬
abschürfungen. Milz bei Perkussion an der 8. Rippe, immer noch palpabel.
5. III. Temperatur 36*1 bis 36-3°.
6. III. Temperatur 35’7 bis 36*0°.
7. HI. Temperatur 36*8 bis 35-6°. Es gelingt nicht, die Milz deutlich
zu palpieren. Die Patientin sieht munterer aus und ißt mit Appetit.
8. III. Temperatur 35*8 bis 36*6°.
9. III. Temperatur 36*2 bis 36-5°. Milz nicht palpabel. Zunge rein.
10. III. Temperatur 35-9 bis 36*7°.
11. III. Temperatur 35-9 bis 36*5°.
12. in. Temperatur 36*0 bis 35*9°.
13. III. Temperatur 36*1 bis 87-5°.
14. HI. Temperatur 37*0 bis 39*3°; Puls 120, schwacher Füllung.
Seit 2 Tagen Schmerzen im Abdomen, die sich nach der Nahrungsaufnahme
steigern. Stuhl flüssig. In der Blinddarmgegend Schmerzhaftigkeit und Knurren.
15. UI. Temperatur 38*9 bis 39*9°; Puls 134. Lungen frei. Milz
nicht palpabel. Im Harn kein Eiweiß. Diazoreaktion positiv.
16. HI. Temperatur 39*3 bis 39-6°; Puls 124, leicht komprimierbar.
Die Patientin klagt über Kopfschmerzen. Schwach ausgesprochener Status
typhosus. Zunge trocken, in der Mitte belegt. Lungen frei. Milz bei der
Perkussion bei der 8. Rippe nicht palpabel. In der Blinddarmgegend Knurren
und Schmerzhaftigkeit. Appetit nicht vorhanden. Stuhl anhaltend.
17. III. Temperatur 38*6 bis 40*1°; Puls 120. An der Haut des
Abdomens befindet sich ein frischer roseolaartiger Ausschlag. Im Harn
kein Eiweiß. Diazoreaktion positiv.
18. HI. Temperatur 38*1 bis 38*2; Puls 100. Die Patientin sieht
munterer aus; klagt über Übelkeit. Stuhl nach Klysma. Milz palpabel bei
tiefer Inspiration. Übelkeit und einmaliges Erbrechen.
19. III. Temperatur 37*1 bis 38*1°; Puls 100. Die Patientin sieht
munterer aus, fühlt sich ziemlich gut. Agglutinationsreaktion mit dem
Typhusbacillus und mit dem Paratyphusbacillus B negativ, mit dem Para¬
typhusbacillus A positiv bei 1:100. Übelkeit, kein Erbrechen.
20. III. Temperatur 36*7 bis 37*9°. Das Erbrechen hält an.
21. UI. Temperatur 36*1 bis 38»3 U . Das Erbrechen hat aufgehört.
22. HI. Temperatur 35*6 bis 36-9; Puls 76. Zunge rein. Stuhl nach
Klysma. Milz nicht palpabel.
23. III. Temperatur 35*9 bis 37*2°; Puls 76.
24. HI. Temperatur 36*0 bis 36*6°; Puls 80.
25. UI. Temperatur 35*6 bis 36*0°. Milz nicht palpabel.
28. HI. Im Harn kein Eiweiß. Diazoreaktion negativ.
29. III. DieAgglutinationsreaktion mit sämtlichen in Betracht kommenden
Bazillen negativ.
30. III. bis 14. IV. Temperatur normal. Die Patientin erholt sich.
15. IV. Die Patientin ist gesund und wird entlassen.
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Gck igle
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284
S. M. Poggenpohl:
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Was die Behandlung betrifft, so war ich bestrebt, diesen Fall mög¬
lichst rein durchzuführen, und beschränkte mich auf leichte anregende
Mittel und laue Wannenbäder. Etwas energischer mußte nur innerhalb
einiger Tage (vom 19. bis 22. II.) vorgegangen werden, als die nach¬
lassende Herztätigkeit die subkutane Injektion von Kampferöl und die
Applikation von Salzklysmen erheischte. Aus der mitgeteilten kurzen
Krankengeschichte und der Temperaturkurve geht deutlich hervor, daß
dieser Fall in seinen Grundzügen einem typischen Fall von Abdominal¬
typhus vollständig ähnlich ist. Es waren sowohl die charakteristische
Temperaturkurve, wie auch die vergrößerte Milz, die typische Zunge, die
Darmerscheinungen, die Roseola, die positive Diazoreaktion des Harns
und die relative Verlangsamung des Pulses (zu Beginn der Krankheit)
vorhanden; es fehlte nur die Widalsche Reaktion, während das Serum
der Patientin den Typhusbacillus A agglutinierte. Letzterer Umstand
konnte, indem er der Diagnose eine gewisse Richtung gab, ohne bakterio¬
logische Untersuchung des Blutes die Frage noch nicht entscheiden.
Wegen besonderer Umstände konnte ich erst am 2. III., d. h. schon
während der amphibolischen Periode der Temperatur, wo die Zahl der
Bakterien im Blute bekanntlich stark abnimmt, die bakteriologische Unter¬
suchung vornehmen. Nichtsdestoweniger wurde nach einem erfolglosen
Versuch, der folgende Versuch mit Erfolg gekrönt. l ccm Blut auf 100 t<r “
Bouillon verpflanzt, gab am nächsten Tage eine gleichmäßige Trübung
der Bouillon, wobei man in der trüben Bouillon bei der mikroskopischen
Untersuchung bewegliche Bazillen fand. Ausgußkulturen auf Gelatine
in Petrischalen zeigten zwei derselben Kolonien. Die einen (in sehr
mäßiger Quantität) erwiesen sich als Staphylokokken und müssen wahr¬
scheinlich auf Verunreinigung der Bouillon von seiten der Haut zurück¬
geführt werden; die anderen (in bedeutend größerer Quantität) erwiesen
sich als Stäbchen, deren Eigenschaften ich erforschte.
Auf Gelatineplatten erschienen die jungen Kolonien dieser Bazillen
rund, grauweiß mit etwas welligem, doppeltkonturiertem Rande. Die
Oberfläche der Kolonien war körnig gesprenkelt mit gelblichem Kern im
Zentrum, von dem in der Richtung nach der Peripherie dünn verästelte
Furchen abgeheu. Die Gelatine wurde von den Kolonien nicht verflüssigt.
Auf Gelatine-Stichkulturen wurde Wachstum in der ganzen Ausdehnung
beobachtet, wobei dasselbe auf der Oberfläche der Gelatine energischer
war als in der Tiefe. Die Bouillon zeigte gleichmäßige Trübung. In
einer 18 ständigen Kultur waren die Bazillen beweglich und ihrem äußeren
Aussehen nach den Typhusbazillen ähnlich; sie entfärbten sich nach
Gram, produzierten kein Indol, koagulierten nicht Milch; beim Wachstum
auf mit Lackmus versetztem Milcbserum gaben sie eine bemerkbare Rosa-
Gck igle
Original from
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Zur Diagnose und zum klinischen Verlauf des Pakatyphus. 285
farbung des Mediums, welche auch nach Ablauf von 3 Wochen unver¬
ändert blieb. Schließlich begann der Bacillus, als er in einem Gär¬
röhrchen auf mit 1 Prozent Traubenzucker versetzter Bouillon verpflanzt
wurde, schon nach 24 Stunden Gasbläschen zu produzieren, welche sich
als Kohlensäure erwiesen haben.
Die Gesamtheit aller dieser Eigenschaften sprach somit mit absoluter
Sicherheit dafür, daß der von mir isolierte Bacillus als Paratyphusbacillus A
gedeutet werden mußte. Es blieb nur noch übrig, die agglutinierende
Wirkung des Serums der Patientin diesem Bacillus gegenüber zu prüfen.
Die Probe ergab ein positives Resultat, aber ein schwächeres als gegen¬
über der Kultur, die mir zurVerfügung stand (1:20 bzw. 1:100). Dieser
Umstand überraschte mich jedoch keineswegs, weil es allgemein bekannt
ist, daß frisch aus dem Blute isolierte Bazillen überhaupt große Wider¬
standsfähigkeit der Agglutination gegenüber zeigen (Kühn).
Die bakteriologische Untersuchung des Blutes hat somit bestätigt,
daß man es tatsächlich mit einem Fall von Paratyphus A zu tun hatte.
Was die Natur des Rezidivs betrifft, so muß dasselbe gleichfalls als
Paratyphus gedeutet werden. Allerdings ist die bakteriologische Unter¬
suchung des Blutes, die auf der Höhe des Rezidivs ausgeführt worden
war, nicht von Erfolg gekrönt gewesen; dafür blieb die Agglutinations¬
reaktion gegenüber dem Typhusbacillus nach wie vor negativ, während
das Agglutinationsvermögen des Serums gegenüber dem Paratyphus-
bacillus A um das Doppelte gestiegen ist (von 1:50 bis 1:100). Als
eine interessante Eigentümlichkeit dieses Falles möchte ich an dieser
Stelle noch das rasche Verschwinden der Agglutinine im Blut hervorheben,
weil schon am 6. Tage nach dem Temperaturabfall die Agglutinations-
reaktion sich als negativ erwiesen hat (bei 1:50 und 1:25).
Indem ich zur Betrachtung des klinischen Bildes der Erkrankung,
wie es der vorstehende Fall darbot, zurückkehre, möchte ich auf einige
Merkmale desselben hinweisen, die beim klassischen Abdominaltyphus
nicht Vorkommen, und die man zu den Eigentümlichkeiten des para¬
typhösen Infektionsstoffes rechnen könnte. Indem ich von diesem Stand¬
punkte aus jedes im Verlauf der Krankheit zur Beobachtung gelangte
Symptom bewertete, konnte ich nur bei dem einen stehen bleiben: ich
meine die Affektion der oberen Verdauungswege, die sich durch äußerst
hartnäckige Übelkeit und in Erbrechen äußerte. Diese Erscheinungen
haben ungefähr innerhalb einer Woche (vom 19. bis 28. II.) einen so
hohen Grad erreicht, daß man täglich zu Nährklysmen greifen mußte,
weil sich der Magen jeder ihm zugeführten Nahrung sofort wieder ent¬
ledigte, während die Medikamente, welche eine Herabsetzung der Reiz¬
barkeit der Magenschleimhaut bezweckten (Opium, Codein, Argentum
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
286
S. M. Poggenpohl:
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nitricum usw.) absolut keine Wirkung hatten. Dieses unangenehme und
hartnäckige Symptom hat eine Zeitlang das ganze Krankheitsbild be¬
herrscht und begann erst mit der Besserung des Allgemeinzustandes der
Patientin allmählich nachzulassen. Es ist von besonderem Interesse, daß
die Übelkeit und das Erbrechen während des Rezidivs sich wieder ein¬
gestellt hatten, wenn auch allerdings in weit schwächerem Grade; da¬
durch wurde gleichsam dem Beobachter klar gemacht, daß dieses Symptom
kein zufälliges, sondern genau so ein Bestandteil des Bildes der vor¬
stehenden Affektion ist, wie die Roseola, die Diazoreaktion usw.
Augaben über Erkrankung der oberen Verdauungswege bei Para¬
typhus habe ich auch bei Brion, Kayser und Vallet gefunden.
Letzterer Autor betrachtet, wie ich bereits erwähnt habe, den Paratyphus
als eines der Glieder, welche den echten Abdominaltyphus mit dem so¬
genannten gastrischen Fieber (Embarras gastriques) verbindet. Zur Be¬
kräftigung seiner Ansicht von der Verwandtschaft dieser beiden Krank¬
heitsformen führt Vallet Kurven an, welche die Morbidität an Ab¬
dominaltyphus und an Embarras gastriques für die Jahre 1901 und 1902
angeben. Die Kurven dieser beiden Erkrankungen zeigen genau dieselben
Veränderungen. Übrigens ist dieses gastrische Fieber in bakteriologischer
Beziehung bei weitem noch nicht erforscht. Es werden hierzu zweifellos,
wie jetzt festgestellt ist, viele Fälle von Paratyphus, leichte Fälle von
Abdominaltyphus, sowie viele andere infektiöse Katarrhe der Verdauungs¬
wege unbekannter Ätiologie gerechnet.
Schottmüller gelangt in einer seiner letzten Arbeiten, in der er
die Ätiologie der akuten Gastroenteritis (Cholera nostras) erörtert, zu dem
Schlüsse, daß der Haupterreger dieser Krankheit der Gärtnersche Bacillus
enteritidis ist, ein Mikroorganismus, der den Paratyphusbazillen nahe steht
und vielleicht mit einem derselben identisch ist. Diese Gastroenterititen
verlaufen bald wie schwere Enteritis, bald wie Abdominaltyphus. Schott¬
müller glaubt nun, daß auch der diesen Bazillen nahestehende Typhus¬
bacillus, der gewöhnlich die Erkrankung an Abdominaltyphus erzeugt, iu
einigen Fällen auch eine Gastroenteritis hervorrufen kann. Auf diese Weise
wird die Verwandtschaft der Bazillen der colityphösen Gruppe, die bak¬
teriologisch festgestellt ist, auch durch klinische Tatsachen bestätigt.
Indem ich damit die Erörterung der Frage des Paratyphus beschließe,
möchte ich noch einmal diejenigen Schlüsse, die sich aus meiner Arbeit
ziehen lassen, hervorheben:
1. Die Diagnose des Paratyphus ist nur mittels bakteriologischer
Untersuchung, d. h. durch Isolierung des Bacillus aus dem Blute und
durch Erforschung seiner Eigenschaften möglich, weil die Agglutinatious-
miktion zuweilen zu irrtümlichen Schlußfolgerungen führt*
Gck igle
Original from
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Zur Diagnose und zum klinischen Verlauf des Paratyphus. 287
2. Zum klinischen Bild des Paratyphus gehört augenscheinlich auch
die Affektion der oberen Verdauungswege, wodurch manche Fälle von
Paratyphus sich der Gastroenteritis nähern. Sonst ist die Symptomatologie
des Paratyphus mit derjenigen des Abdominaltyphus identisch. Die Lehre
des Paratyphus ist somit heutzutage noch eine wissenschaftlich experi¬
mentelle. Da die Diagnose des Paratyphus der bakteriologischen Grund¬
lage benötigt ist, hat diese Krankheitsform Yorläufig keine praktische Be¬
deutung. Ganz anders wird sich aber die Sache gestalten, wenn die
Serotherapie in den Vordergrund treten wird, wozu wir bereits jetzt¬
einige Versuche machen sehen (Chantemesse, Prof. A. D.Pawlowski).
Dann wird es natürlich durchaus erforderlich sein, jede typhusähnliche
Erkrankung genau zu diagnostizieren und je nach dem Ergebnis entweder
Antityphus-, oder Antiparatyphusserum anzuwenden. Vorläufig bietet die
Frage des Paratyphus, wie gesagt, nur wissenschaftliches Interesse. Indem
sie ein neues Bindeglied zwischen dem Typhusbacillus und dem Coli-
bacillus feststellt, erinnert sie unwillkürlich an den bereits in Vergessen¬
heit geratenen Streit zwischen Rodet, G. Roux und Vallet und Eberth,
Chantemesse und Widal — nämlich an den Streit über die Identität
des Typhusbacillus mit dem Colibacillus. Man möchte an die Möglich¬
keit eines unmittelbaren Überganges der Colibazillen in Typhusbazillen
glauben und dann den Paratyphusbacillus als einen der Zwischenstadien
dieses Überganges betrachten; man möchte hoffen, daß die weiteren Unter¬
suchungen die Erklärung Tarchettis, daß es ihm gelungen ist, den
Colibacillus in vivo in den Typhusbacillus zu verwandeln, bestätigen
würden, und dann würde diese bescheidene Seite der Ätiologie der In¬
fektionskrankheiten eine neue Bestätigung für das große Gesetz der
Evolution der Arten liefern.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
288
S. M. Poggenpohl: Zue Diagnose usw.
Literatur - V erzeichnis.
1. Achard u. Bensaude. Zitiert nach Vallet, Fievre typhoide et bacilles
paratyphiques. Bulletin Medical. 1905. Nr. 4.
2. Brill, Hew York Medical Journal. 1898.
3. Gwyn, Bulletin of the John Hopkins Hospital. 1898.
4. Cushing, Ebenda. 1900.
5. Schottmüller, Deutsche med. Wochenschrift . 1900. 9. August.
6. Kurth, Diese Zeitschrift . 1901.
7. Brion und Kays er, Münchener med. Wochenschrift. 1902. Nr. 15.
8. W. J. Bjejlaiew, Busski Wratsch. 1903. Nr. 20—21.
9. Conradi, Drigalski und Jürgens, Diese Zeitschrift . Bd. XIII.
10. Feyfer und Kays er, Münchener med. Wochenschrift. 1902. Nr. 41—42.
11. Sion und Negel, Ceniralblatt für Bakteriologie. 1902. Nr. 7—10.
12. Schottmüller, Diese Zeitschrift. 1901.
13. Ascoli, Zeitschrift für klin. Medizin. Bd. XLVIII.
14. Longcope, American Journal of the medic. Society. 1902, August
15. Craig, Dublin Journal of medic. Sciences. 1902.
16. Lucksh, Ceniralblatt für Bakteriologie. Bd. XXXIV.
17. Jürgens, Diese Zeitschrift. Bd. XL1II.
18. Zupnick und Posner, Prager med. Wochenschrift. Bd. XXVIH
19. Bruns und Kayser, Diese Zeitschrift. Bd. XLIII.
20. Pfaundler, Münchener med. Wochenschrift. 1899.
21. Körte, Diese Zeitschrift. Bd. XL1V.
22. Rostoski, Serumdiagnostik. Würzburger Abhandlungen.
23. Castellani, Diese Zeitschrift. Bd. XL.
24. Grünberg und Rolly, Münchener med. WochenschAft. 1905. Nr.8.
25. Kühn, Die Frühdiagnose des Abdominaltyphus. Jena 1904.
26. Schottmüller, Münchener med. Wochenschrift. 1904. Nr. 7—8.
27. Tarchetti, Clinica medica ilaliana. 1904. Juli-September.
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Go igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem Königl. hygienischen Institut der Universität Halle a/S.]
(Direktor; Geh. Med.-Kat Prof. Dr. C. Fraenkel.)
Statistischer Beitrag
zur Sterblichkeit im ersten Lebensjahre in Halle a.S.
für die Jahre 1893 bis 1902.
Von
Dr. Paul Neumann,
ehemalig. Ataiatenten de« Institut»; z. Z. Leiter der König], bakteriolog. Unterauchungsanstalt in Idar.
Während man an eine Abwehr der Tuberkulose allgemein schon in
den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, also bald nach der Ent¬
deckung ihres Erregers heranging, hat man eine andere Seuche, welche
ebenfalls jährlich zahlreiche Opfer fordert, und die vorzugsweise auch in
den niederen Volksschichten großer Städte wütet, nämlich die Magen-
Darmkrankheiten der Säuglinge, erst seit einigen Jahren allgemein zum
Gegenstände einer energischen Bekämpfung gemacht. Vor allem hat die
Wohltätigkeit in letzter Zeit weit ihre Arme geütfuet, um ähnlich, wie es
bei der Tuberkulose geschehen ist, die Durchführung sanitärer Maßnahmen
in dem erforderlichen Umfange zu ermöglichen.
In erster Linie darf die Säuglingssterblichkeit als eine Folge der
künstlichen Ernährung angesehen werden, auf welche leider ein sehr
großer Teil der Kinder, sei es aus Unlust oder Unfähigkeit der Mutter zu
stillen, sei es aus sozialen Mißständen, angewiesen ist.
Die als Ersatz der Frauenmilch dienende Kuhmilch gelangt häufig
mit einem derartig hohen Keimgehalt auf den Markt der Städte, daß sie
bei der Ernährung des Säuglings große Gefahren für diesen in sich birgt.
Daher hat man nach dem Muster der französischen „gauttes de lait“
auch in Deutschland in verschiedenen Städten mit der Abgabe sterilisierter
Zziischr. f, Hysterie. LVTI.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
290
Paul Neumann:
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Kuhmilch Versuche gemacht. Auch in Halle a. S. begann man hiermit im
Jahre 1902; jedoch erstreckte sich in diesem ersten Jahre der Versuch
nur auf das 1. Polizeirevier und einige an dieses angrenzende, von kinder¬
reicher Arbeiterbevölkerung bewohnte Stadtteile, während im Jahre 1903
die Abgabe sterilisierter Milch auf die ganze Stadt ausgedehnt wurde.
Wieweit ein Nachlassen der Säuglingssterblichkeit in Halle auf dieses
Unternehmen zurückzuführen sein wird, kann jedoch erst die einen größeren
Zeitraum seit der Abgabe umfassende Statistik durch den Vergleich mit
den statistischen Angaben der vorausgegangenen Jahre lehren. Es dürften
daher die folgenden Angaben, welche den zehnjährigen Abschnitt
vor der in der gesamten Stadt durchgeführten Abgabe sterili¬
sierter Milch betreffen, ein gewisses Interesse beanspruchen. Die
Statistik erstreckt sich demnach auf die Jahre 1893 bis 1902. Obgleich,
wie gesagt, der erste Versuch bereits im Jahre 1902 gemacht wurde, kann
dieses Jahr in Anbetracht des kleinen damals mit sterilisierter Milch ver¬
sorgten Stadtteils und des Umstandes, daß der Versuch durch die kühle
Witterung des Sommers nicht unerheblich beeinträchtigt wurde, wenn
überhaupt, doch nur eine kaum in Betracht kommende Fehlerquelle für
die Statistik des hier bearbeiteten Zeitabschnittes darstellen.
Die absoluten Zahlen, welche zur Berechnung der folgenden Tabellen
dienten, wurden aus dem Begräbuisregister der Stadt Halle a.S. ge¬
wonnen, dessen Angaben den verschiedenen hier in Frage kommenden
Gesichtspunkten einigermaßen entsprachen.
Zu bemerken ist, daß die im April 1900 neu eingemeindeten Bezirkt
für die Jahre 1900 bis 1902 nicht berücksichtigt und dementsprechend
auch die Berechnungen auf die Einwohner und Lebendgeborenen für diese
Jahre ausgeführt werden.
Für die bereitwillige Überlassung des Begräbnisregisters sowie die
liebenswürdige, mir mehrfach zu teil gewordene Auskunft spreche ich dem
Magistrat der Stadt Halle a. S. an dieser Stelle meinen Dank aus; und
gleichzeitig ist es mir eine angenehme Pflicht, Hm. Geheimrat Frankel
für die Anregung zu danken, die er mir zu dieser Arbeit gegeben hat.
Nr. 1. In Halle a. S. starben:
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im 1. Lebensjahre . . . .
im 1. Lebensjahre
an Magen-Darmkrankheiten
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884 786 884 853 1003 924 1116 1155 968 757
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327 295 324 268 372 389 457 551 397 293
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Sterblichkeit im ersten Lebensjahre in Halle a. S.
291
Die Tabelle I gibt für den zehnjährigen Zeitabschnitt die absoluten
Zahlen sämtlicher Todesfälle, die der Todesfälle im 1. Lebens¬
jahre und unter diesen die der an Verdauungsstörungen Gestor¬
benen. Während die höchsten Zahlen der Gesamtsterblichkeit in die
Jahre 1899 und 1901 fallen, ist die Sterblichkeit im 1. Lebensjahre über¬
haupt und speziell an Krankheiten der Verdauungsorgane in den Jahren
1899 und 1900 bei weitem am höohsten. Hieraus, wie aus dem Um¬
stande, daß die Todesfälle an Verdauungsstörungen unter einem Jahre 1900
die von 1899 in noch weit höherem Maße übersteigen, als es für die Ge¬
samtsterbeziffer im 1. Lebensjahre der Fall ist, geht bereits hervor, daß
sich die Zahlen der drei Gruppen der Tabelle in den einzelnen Jahren
keineswegs proportional verhalten. Noch deutlicher zeigen dies die folgen¬
den Diagramme, deren Werte mit Hilfe der in Tabelle I enthaltenen
Zahlen berechnet wurden.
Das erste Diagramm (Nr. 2) zeigt, wieviel Todesfälle unter
einem Jahre und wie viele im besonderen an Verdauungsstörungen
Nr. 2. Todesfälle im 1. Lebensjahre
überhaupt (ganze Säulen) und an
Magendarmkrankheiten (untere Ab¬
schnitte) auf 100 Gesamttodesfälle:
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Nr. 3. Todesfälle an Magen-
Darmkrankheiten im 1. Lebensjahre
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auf 100 aller Todesfälle überhaupt kamen. Das Jahr 1900 erreicht hier
die höchsten Zahlen, indem unter 100 Todesfällen 38 in das 1. Lebens-
1 Die oberen Zahlen beziehen sich in sämtlichen Doppeldiagrammen auf die
ganzen Säulen, die unteren auf die unteren Abschnitte derselben.
19 *
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292
Paul Neumann:
jahr fielen und von diesen wieder 18, also annähernd die Hälfte, durch
Magen-Darmkrankeiten verursacht wurden. Die geringste Sterblichkeit im
1. Lebensjahre weist das Jahr 1902 auf, während die wenigsten Todesfälle
an Verdauungsstörungen in das Jahr 1896 fielen. Wie wenig sich die
Zahlen der Todesfälle im 1. Lebensjahre überhaupt und der an Ver¬
dauungsstörungen unter einem Jahre Gestorbenen proportional zuein¬
ander verhalten, beweist hier ein Vergleich der Jahre 1893, 1896 und
1898, welche annähernd gleiche Prozentzahlen für die ersteren haben,
während die Zahlen der an Verdauungsstörungen Gestorbenen recht aus¬
einandergehen. Die Durchschnittsberechnung der Zahlenwerte dieses Dia¬
gramms ergibt, daß etwa ein Drittel aller Todesfälle noch in das Säug¬
lingsalter fällt, und etwa ein Achtel aller Todesfälle allein auf Verdauungs¬
störungen im 1. Lebensjahre zu beziehen ist.
Das folgende Diagramm (Nr. 3), welches mit dem vorigen eng zu¬
sammengehört, zeigt, wieviel Prozent der Todesfälle unter einem
Jahre Magen-Darmerkrankungen zur Ursache haben. Auffallend
erscheint es hier, daß in den ersten 5 Jahren die höchste Zahl mit 37-5 Pro¬
zent erreicht wird, während in der zweiten Hälfte alle Zahlen, ausge¬
nommen im Jahre 1902, 40 Prozent übersteigen. Immerhin kommt auch
in den ersten 5 Jahren von den Todesfällen des 1. Lebensjahres überein
Drittel auf Verdauungsstörungen; nur das Jahr 1896 macht eine Aus¬
nahme. Dagegen nähern sich die Zahlen der Sterbefälle an Verdauungs¬
störungen in den letzten 5 Jahren schon mehr der Hälfte der im 1. Lebens¬
jahre Gestorbenen. Die höchste Zahl bietet das Jahr 1900 mit 47 • 7 Prozent.
Die folgenden beiden Diagramme (Nr. 4 und Nr. 5) bringen die Ge¬
samtsterblichkeit, die Sterblichkeit im 1. Lebensjahre und die
Todesfälle an Verdauungsstörungen unter einem Jahre in Be¬
ziehung zur Einwohnerzahl. Die höchste Sterblichkeit überhaupt
bieten hiernach die Jahre 1893 und 1899. Das Jahr 1893 hat ungefähr
dieselbe Zahl von Todesfällen im 1. Lebensjahre mit dem Jahre 1897, in
welchem jedoch die Zahl der Gesamttodesfälle bedeutend geringer ist.
Genau dasselbe Verhältnis zeigen die Jahre 1899 und 1900, in denen die
im 1. Lebensjahre Gestorbenen die höchsten Zahlen überhaupt erreichen.
Während nun in den Jahren 1893 und 1897 auch etwa gleich viele an
Verdauungsstörungen (Nr. 5) im 1. Jahre starben, verschiebt sich für
die andere Gruppe der Jahre das Verhältnis derart, daß gerade 1900, wo
die Gesamtsterbeziffer die bedeutend geringere ist, die Zahl für die Todes¬
fälle an Verdauungsstörungen noch erheblich größer wird, ein Verhalten,
das bereits bei Tabelle I angedeutet wurde.
Das nächste Diagramm (Nr. 6) bringt die Todesfälle im 1. Lebens¬
jahre an Magen-Darmkrankheiten in Prozent der Lebend-
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Sterblichkeit im ersten Lebensjahre in Halle a. S. 293
geborenen jedes Jahres zum Ausdruck. Die sich ergebende Kurve
stimmt annähernd mit der des letzten Diagramms fQr die Sterbefalle an
Verdauungsstörungen überein. Die extremsten Punkte fallen hier wie
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Paul Neümann:
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dort in die Jahre 1896 and 1900, indem das erstere Jahr die kleinste,
das letztere die größte Zahl in dem zehnjährigen Zeiträume aufweist.
Auffallen muß hierbei, daß die höchste Sterblichkeitsziffer an Verdauungs¬
störungen die niedrigste fast um das Doppelte überragt.
Nr. 7. Auf 100 jährliche Todesfälle im 1. Lebensjahre starben an:
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Erkrankungen der Verdau- ! j
ungsorgane.37-0 37*5 36*7 31*4 37*1
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42-1 40-947-741-038-7 39-4
Erkrankungen der Atmungs¬
organe . 16*313-1
15*3^18-4
13-8
13-2 14-2 10-2
12-1 16-4 14-1
Schwäche und Atrophie. . 24*1 25*0
22-5 21-5
26-2
23*3 22-7 2t-9 22-9 19-6 23-0
Krämpfen.13-5 12-8
13-5 16-1 13-4
; 1 ! 1
! 12-111-2 10*2 12*1 8-7 12-3
i :
Anderen Todesursachen
9-1 11-612-0 12*6 9-5
: l i I
9-3,11-0 10-0 11-9 16-6 11*2
I
Nr. 8. Häufigkeit verschiedener
Todesursachen im 1. Lebensjahre
auf 100 Todesfälle für die Jahre
1893 bis 1902.
(Durchschnittszahlen von Nr. 7.)
Einen Vergleich bezüglich der Häufigkeit der Todesfälle
an Magen-Darmkrankheiten und anderer Todesursachen im
1. Lebensjahre gestattet Tabelle VII. Durchweg geben die Erkran¬
kungen der Verdauungsorgane in den
10 Jahren die weitaus höchsten Zahlen.
Es sind dies die bereits dem Diagramm
Nr. 4 dienenden Werte, und verweise ich
daher auf das dort bereits über dieselben
Gesagte. Die nächsthöhere Zahl wird
erreicht von den Todesfällen der als
Schwäche und Atrophie besonders rubri¬
zierten Ursachen, von denen gewiß ein
großer Teil auch noch auf Ernährungs¬
störungen zurückzuführen sein wird.
Ebenso dürfte unter den Fällen, als
deren Todesursache Krämpfe angegeben
waren, wohl eine Anzahl auf Magen-
Darmerkrankungen zu beziehen sein. Es
mußte jedoch hier der Grundsatz verfolgt
werden, nur die Fälle als Erkrankungen
der Verdauungsorgane in die Statistik
aufzunehmen, wo dies aus der Angabe
der Todesursache mit Sicherheit hervor¬
ging. Allerdings kann man aus dem
Gesagten entnehmen, daß die Zahl der Todesfälle an Verdauungskrank¬
heiten im Grunde eine noch höhere sein wird, als es Tabelle VII er-
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Sterblichkeit im ersten Lebensjahre in Halle a. S.
295
kennen läßt. Die der Tabelle angefügten Durchschnittswerte für die
verschiedenen Todesursachen zeigt Nr. 8 in diagrammatischer Dar¬
stellung.
Beachtenswert erscheint es, daß die Zahlen der Todesfälle infolge
Krankheiten der Atmungsorgane meist noch weit unter der Hälfte, 1900
sogar unter einem Viertel der Todesfälle an Verdauungsstörungen Zurück¬
bleiben. Dies kommt ebenfalls in den Durchschnittszahlen — siehe auch
Diagramm Nr. 8 — zum Ausdruck, wo sich das Verhältnis zwischen den
betreffenden Todesursachen annähernd wie 1 zu 3 gestaltet Vergleicht
man die beiden ersten Zahlenreihen der Tabelle genauer miteinander und
bringt sie, wie dies bei Nr. 9 geschehen ist, in Kurvenform (I und II),
Nr. 9. Todesfälle im 1. Lebensjahre an Erkrankungen der Verdauungs¬
organe (I) und an Erkrankungen der Atmungsorgane (II) auf 100 jährliche
Todesfälle unter 1 Jahr. Mittlere Jahrestemperaturen (III). Vgl. Nr. 7 u. 10.
so zeigt sich eine auffallende Beziehung zwischen den Todesfällen
an Ernährungsstörungen und denen an Erkrankungen der At¬
mungsorgane. Regelmäßig ist mit dem Anstieg der Kurve für die
ersteren (1) ein Absinken der anderen Kurve (U) zu bemerken und um¬
gekehrt; und jedesmal entspricht dem tiefsten Staude der einen Kurve der
höchste Stand der anderen. Diese extremsten Punkte der Kurven fallen
entsprechend den früheren Beobachtungen in die Jahre 1896 und 1900.
Ich habe, davon ausgehend, daß die Magen-Darmstörungen am meisten
durch hohe Temperaturen und die Erkrankungen der Atmungsorgane —
es kommt hauptsächlich Lungenentzündung in Betracht — meist durch
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
296
Paul Neumann:
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Erkältungen, also häufig infolge kühlerer Temperaturen hervorgerufen
werden, dieses Verhalten der beiden Kurven (Nr. 9 I und II) in Be¬
ziehung zur mittleren Jahrestemperatur zu bringen versucht. Es mufi
jedoch hervorgehoben werden, daß in der Tabelle der Temperaturmittel
für die Monate und Jahre (Nr. 10) mangels der Angaben für Halle a/S..
die Witterungsberichte für Berlin aus den Veröffentlichungen des Kaiser¬
lichen Gesundheitsamtes für die Berechnungen zugrunde gelegt wurden.
Im allgemeinen wird ein großer Unterschied zwischen den Temperaturver-
hältnissen der beiden Städte nicht vorhanden sein, und um so mehr glaubte
ich mich hiermit behelfen zu können, da die gewonnenen Zahlen ganz
allgemein nur zum Vergleich der Jahre bzw. der Monate untereinander
(ob kälter oder wärmer) dienen sollten.
Nr. 10. Mittlere Monats- und Jahrestemperaturen in Celsiusgraden in
den Jahren 1893 bis 1902 (Berlin):
Januar
Februar
März
April
Mai
1
Juni
Juli
August
September
Oktober |
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November
Dezember
9
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1
0-9
Die in Nr. 9 ebenfalls eingezeichnete Kurve für die mittleren Jahres¬
temperaturen (III) zeigt nun, ausgenommen im Jahre 1896, regelmäßig
Austieg und Abstieg gleichzeitig mit Kurve I; das heißt: Im allgemeinen
ist in durchschnittlich wärmeren Jahren die Sterblichkeit an
Verdauungsstörungen größer, dagegen die an Krankheiten der
Atmungsorgane geringer.
Daß in der Tat Beziehungen zwischen den Temperaturverhältnissen
und der Sterblichkeit an Magen-Darmerkrankungen bestehen, läßt sehr
deutlich das letzte Jahr 1902 erkennen. Schon in den früheren Tabellen
und Diagrammen mußte die geringe Anzahl der Sterbefalle an Ernährungs¬
störungen in diesem Jahre auffallen, nun zeigt die Temperaturtabelle. daß
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Sterblichkeit im ersten Lebensjahre in Halle a. S. 297
die mittlere Jahrestemperatur eine ungewöhnlich niedrige gewesen ist.
Noch deutlicher zeigen die folgenden Tabellen und Diagramme, welche
die Sterblichkeit im 1. Lebensjahre in
den einzelnen Kalendermonaten behandeln,
eine Abhängigkeit Ton der Temperatur.
Ganz interessant ist das nebenstehende
Diagramm (Nr. 11), aus welchem hervor¬
geht, daß die Kurve der Todesfälle an
Verdauungsstörungen im 1. Jahre
eigentlich ausschließlich durch die
Zahl der Fälle in den Monaten
Juni bis September bestimmt wird.
Abgesehen von dem Jahre 1898 ergibt
sich aus den ganzen Säulen und den
uuteren Abschnitten fast dieselbe Kurve.
Die Zahl der Fälle in allen anderen
Monaten zusammen, welche durch den
oberen schraffierten Teil der Staffeln
repräsentiert wird, ist für alle Jahre
eine auffallend gleichbleibende und recht
niedrige.
Tabelle Nr. 12 zeigt für jedes der
10 Jahre, wieviel Prozent der jähr¬
lichen Todesfälle unter einem Jahre an Magen-Darmkrank-
Nr. 12. Von 100 jährlichen Todesfällen an Magen-Darmkrankheiten im
1. Lebensjahre starben in den einzelnen Kalendermonaten:
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Februar
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April
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Oktober
November
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1898
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1893—1902 . . |
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Nr. 11. Todesfälle im 1. Lebens¬
jahre an Magen-Darmkrankheiten
in den ganzen Jahren (ganze
Säulen) und in den Monaten Juli
bis September (untere Abschn.)
auf 10000 Einwohner:
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
298
Paul Neumann:
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beiten auf die einzelnen Kalendermonate kamen. Die bereits be¬
kannte Tatsache der hohen Säuglingssterblichkeit in den Sommermonaten
fällt auch hier sofort in die Augen, speziell für die Monate Juli und
August. In den 5 Jahren, wo die Zahlen des Juli besonders hervor-
gehoben sind, starb allein in diesem Monate über ein Drittel der jährlichen
Todesfälle, und zwar bleibt im Jahre 1895 die Zahl nicht weit hinter der
Hälfte zurück. Im August dagegen wird das Drittel nur im Jahre 1899
überschritten, allerdings mit der außerordentlich hohen Zahl von 44 Pro¬
zent. Die Summe der Zahlen für Juli und August ergibt 1893 und 1900
über zwei Drittel und in den Jahren
Nr. 13. Todesfälle im 1. Lebensjahre
an Magen-Darmkrankheiten in den
einzelnen Kalendermonaten auf 100
Todesfälle an Magen-Darmkrankheiten
unter 1 Jahr in der Zeit 1893—1902.
(Untere Zahlenreihe von Nr. 12.)
1899 und 1901 annähernd zwei
Drittel der jährlichen Todesfälle, so
daß also auf sämtliche anderen Monate
dieser 4 Jahre etwa nur ein Drittel
kommt. Die Zahlen der ersten Jahres¬
hälfte sind ganz verschwindend, eben¬
so die im letzten Quartal; nur der
September zeigt noch einige höhere
Erhebungen, doch übersteigen die¬
selben nicht mehr 20 Prozent mit
einer Ausnahme im Jahre 1898, wo
die Zahl beinahe ein Viertel aller
Fälle des Jahres ausmacht. Zieht
man bei dieser Tabelle die mittleren
Monatstemperaturen (vgl. Nr. 10)
zum Vergleiche heran, so ergibt sieb,
daß mehrfach die höheren Prozent¬
zahlen mit den höchsten Temperatur¬
mitteln der betreffenden Monate zu¬
sammenfallen, so in den Jahren 1895,
1900 und 1901. Für die Jahre 1897
und 1899 stimmt dieses Verhalten
anscheinend nicht, doch bemerkt man.
daß hier der vorhergehende Monat
bereits verhältnismäßig hohe Tempe¬
raturen hatte; und berücksichtigt man, daß bei vielen Kindern der Beginn
der Krankheit schon einige Zeit zurückliegt, bis schließlich der Tod an
Abzehrung erfolgt, so kann man hier ebenfalls die Abhängigkeit von den
Temperaturverhältnissen herauslinden. Auffallend ist ferner das Verhalten
im Jahre 1898. Hier ist im Juli die Sterblichkeit auffallend gering, nur
14-4 Prozent der jährlichen Todesfälle, während sie im August bis zu
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UMIVERSITY OF CALIFORNIAj
Sterblichkeit im ersten Lebensjahre in Halle a. S.
299
33*2 Prozent, also bis zu einem Drittel ansteigt. Diese Zahlen würden
sonst nach der Tabelle denen des September bzw. Juli entsprechen. Dem¬
gemäß zeigt dieses Jahr auch eine auffallend geringe Julitemperatur, die
sonst etwa einer Temperatur des September entspricht, und die höchste
überhaupt vorhandene Augusttemperatur, welche sonst den Zahlen für
Juli gleichkommt. Daß ein heißer Monat, wie erwähnt, oft noch auf die
Sterblichkeit des folgenden einen Einfluß hat, zeigt sich auch hier, indem
die Prozentzahl für September dieses Jahres eine außerordentlich hohe ist.
Bei den unten angefügten Durchschnittswerten für die 10 Jahre, welche
in Nr. 13 diagrammatisch dargestellt sind, wurde die Summe der Todes¬
fälle in dem betreffenden Monate auf 100 der Summe der jährlichen Todes¬
fälle berechnet. Danach ergibt sich, daß die Julimonate die höchste, und
die Augustmonate fast dieselbe Prozentzahl aufweisen; die nächst höhere
Zahl fallt auf September, doch bleibt diese noch weit unter der Hälfte der
vorigen Zahlen zurück.
In der folgenden Tabelle (Nr. 14) ist die Zahl der in jedem Mo¬
nate unter einem Jahre an Verdauungsstörungen Gestorbenen
Nr. 14. Auf 100 Lebendgeborene jedes Monats starben im 1. Lebens¬
jahre an Magen-Darmkrankheiten:
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12-1 1
4.4
3-0
1-9
auf 100 Lebendgeborene des betreffenden Monats berechnet
worden. Ganz auffallend und alle anderen weit überragend sind hier die
Zahlen für Juli 1895, sowie für Juli und August 1900; im Monat Juli
1900 starben also auf 100 Lebendgeborene über halb so viele allein au
Verdauungsstörungen im 1. Lebensjahre, in den beiden anderen hier ge¬
nannten Monaten waren es annähernd halb so viele. Bei einem Vergleich
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
300
Paul Neumann:
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der Tabellen Nr. 12 und 14 miteinander ergibt sich die auffallende Tat¬
sache, daß vielfach für dieselben Monate in denselben Jahren fast gleicht
Zahlen zu finden sind, so daß die Monatskurven nach den beiden Tabellen
für einzelne Jahre fast dieselben sein würden. Am meisten fällt dis
Verhalten in den Durchschnittswerten auf. Ein Diagramm der Durch¬
schnittswerte von Tabelle 14 würde fast mit der Darstellung in Tabelle 13
übereinstimmen. Es geht daraus hervor, daß diejenigen Zahlen, auf welch«
der zehnjährige Durchschnitt der monatlichen Todesfälle in Prozent be¬
rechnet wurde, für Tabelle Nr. 12 und 14 ungefähr gleich sein müssen.
Demnach ist die durchschnittliche Anzahl der jährlichen Todesfälle an
Verdauungsstörungen ungefähr gleich der zehnjährigen Durchschnittszahl
der Lebendgeborenen in jedem einzelnen Kalendermonate; d. h. durch¬
schnittlich ging in den 10 Jahren etwa der zwölfte Teil (8-3 Prozent) der
Lebendgeborenen im 1. Lebensjahre allein an Magen-Darmkrankheiten zu¬
grunde. Fast dasselbe Resultat ergibt die Durchsohnittsberechnung aus
den Zahlen des Diagramms Nr. 6 (vgl. dieses).
Nr. 15. Todesfälle in den einzelnen
Kalendermonaten im 1. Lebensjahre
überhaupt (ganze Säulen) und an
Magen-Darmkrankheiten (untere Ab¬
schnitte) auf 100 Gesamttodesfälle der
betr. Monate für die Jahre 1893—1902.
Nr. 16. Todesfälle in den einzelnen
Kalendermonaten an Magen-Darm-
krankheiten im 1. Lebensjahre am
100 Gesamttodesfälle unter 1 Jahr
in den betreffenden Monaten für die
Jahre 1893 bis 1902.
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Diagramm Nr.. 15 illustriert, wieviel Todesfälle unter einem
Jahre in den gleichen 10 Kalendermouaten auf 100 sämtlicher
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Stebblichkeit im ebsten Lebensjahbe in Halle a. S. 301
Sterbefälle der betreffenden Monate fallen. Auch hier zeigen die
höchsten Frozentzahlen der Juli und August. In ihnen sind die Zahlen
für die Todesfälle an Verdauungsstörungen gegenüber den anderen Monaten
verhältnismäßig bedeutend höher als die für die Todesfälle im 1. Lebens*
jahre überhaupt. Abweichend von Diagramm Nr. 13 fällt hier die höchste
Zahl in den Monat August, was sich durch die geringere Gesamtsterblich¬
keit in den Augustmonaten als in den Julimonaten der 10 Jahre erklärt.
Nach den Zahlen des Diagramms kommt von sämtlichen Sterbefällen im
Juli und August über die Hälfte auf das 1. Lebensjahr und etwa ein
Drittel stirbt im 1. Jahre speziell an Magen-Darmerkrankungen. Aus dem
Diagramm kann man ferner ersehen, daß von 100 sämtlicher monatlich
Gestorbenen in allen Monaten ungefähr gleich viele — durchschnittlich etwa
20 — an anderen Krankheiten als Verdauungsstörungen im 1. Lebens¬
jahre starben (s. oberer Teil der Säulen).
Die folgende diagrammatische Darstellung (Nr. 16), welche nur eine
Ergänzung zu Nr. 15 bildet, zeigt, wieviel Todesfälle an Magen-
Darmkrankheiten auf 100 Todesfälle unter einem Jahr in den
12 Kalendermonaten des zehnjährigen Zeitraumes kommen. Die
Kurve ist fast dieselbe, wie die des unteren Abschnittes der Säulen beim
vorigen Diagramm. Es läßt sich hier wie dort ersehen, daß während der
Monate Juli und August nicht viel weniger als zwei Drittel der in diesen
Monaten im 1. Lebensjahre Gestorbenen nur den Erkrankungen an Ver¬
dauungsstörungen zum Opfer gefallen sind.
Nr. 17. Auf 1000 Lebend geborene starben an Magen-Darmkrankheiten
in den einzelnen Lebensmonaten des 1. Jahres:
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1898—1902 ||
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3.8
3-2
2-6
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
302
Paul Neumann:
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Das Verhalten der Sterblichkeit an Magen-Darmkrankheiten in den
verschiedenen Lebensmonaten des 1. Jahres wird in den folgenden Tabellen
behandelt. Tabelle 17 enthält die Zahlen für die einzelnen Lebens¬
monate auf 1000 Lebendgeborene des betreffenden Jahres be¬
rechnet. Der Monat mit der höchsten Sterbeziffer für jedes Jahr ist
besonders gekennzeichnet worden. Man ersieht daraus, daß dieselbe
meistens (5 mal) in den zweiten Lebensmonat fallt, nur einmal in den
ersten und je zweimal in den dritten und vierten. Auffallen müssen die
verhältnismäßig hohen Zahlen im 4. Lebensmonate, welcher vielfach die
zweithöchste Zahl enthält, namentlich in den ersten 5 Jahren. Bei den
fünfjährigen Durchschnittswerten, welche unten beigefügt sind, fällt dann
auch die höchste Zahl auf den 4. Lebensmonat, während in der zweiten
Hälfte durchschnittlich die meisten im 2. Monate starben. Auf diesen
fallen auch bei der Durchschnittsberechnung für alle 10 Jahre die meisten
Sterbefälle. Zieht man in Betracht, daß die größte Sterblichkeit an
Magen-Darmerkrankungen im Juli und August stattfindet, so geht daraus
hervor, daß in der Hauptsache die im Juni und Juli Geborenen gestorben
sind. Auffallend wenig bleibt der 10jährige Durchschnittswert für den
4. Lebensmonat hinter dem des 2. Monats zurück. Aus der Tabelle er¬
gibt sich ohne weiteres die sukzessive Abnahme der Sterbefalle mit jedem
weiteren Lebensmonat. Das Jahr 1900 verdient besonders hervorgehoben
zu werden, da dasselbe für die meisten Lebensmonate die höchsten Zahlen
enthält.
Die folgende kleine Tabelle 18, welche mehr der Vollständigkeit
halber beigefügt ist, gibt die fünf- und zehnjährigen Durchschnitts¬
werte der einzelnen Lebensmonate auf 1000 Einwohner berechnet:
Nr. 18. Auf 10000 Einwohner starben an Magen-Darmkrankheiten
in den einzelnen Lebensmonaten des 1. Jahres:
Durchschnitt
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II.
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IV.
V.
VI.
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VIII.
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X . |
XI.
XII .
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1898—1902
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0-9
im allgemeinen gilt hier das über die entsprechenden Zahlenreihen der
vorhergehenden Tabelle Gesagte.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Sterblichkeit im ersten Lebensjahre in Halle a. S. 303
Xr. 19. Von 100 Todesfällen an Magen-Darmkrankheiten im
1. Lebensjahre starben in den einzelnen Lebensmonaten des 1. Jahres.
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1898-1902
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1893-1902
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| 8-8
j 7-7
| 6-9
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3-7
j 3-0
Aus Tabelle 19 geht hervor, wieviel Prozent der jährlichen
Todesfälle an Verdauungsstörungen für je 5 und die ganzen
10 Jahre durchschnittlich auf die einzelnen Lebensmonate
kamen. Wie in den beiden vorigen Tabellen ist die höchste Zahl für die
ersten 5 Jahre im 4., für die zweiten 5 Jahre und den zehnjährigen Ge¬
samt durchschnitt im 2. Lebensmonate zu finden. Für jeden Zeitabschnitt in
der Tabelle machen die Todesfälle an Verdauungsstörungen in den ersten
4 Lebensmonaten etwa die Hälfte (49*9, 49*4, 49*6 Prozent) und die
der ersten 6 Monate über zwei Drittel
(63-2, 69-6, 68*9 Prozent) der
jährlichen Todesfälle aus. Die Durch¬
schnittswerte für die 10 Jahre
sind ebenso wie die in der entsprechen¬
den Tabelle für die Kalendermonate
(12) in Nr. 20 durch ein Diagramm
dargestellt. Dasselbe demonstriert
in augenfälliger Weise vom 4. Lebens¬
monate ab die bereits erwähnte Ab¬
nahme der Sterblichkeit an Magen-
Darmkrankheiten mit der zunehmen¬
den Anzahl der Lebensmonate. Die
sich aus diesem Diagramm ergebende
Kurve ist in der folgenden Kurventafel
(Nr. 21) mit der des Diagramms
für die Kalendermonate (Nr.13)
zusammengestellt. So tief auch
die Kurve des Kalenderjahres in den ersten Monaten unter der des
1. Lebensjahres liegt, um so viel höher überragt sie dieselbe im 7. und
8. Monate, wo die Sterblichkeit in den entsprechenden Lebensmonaten
schon bedeutend im Fallen begriffen ist. Für die letzten 3 Monate sinkt
jedoch die Kurve des Kalenderjahres wieder unter die des 1. Lebens¬
jahres herab.
Nr. 20. Todesfälle im 1. Lebensjahre
an Magen-Darmkrankheiten in den
einzelnen Lebensmonaten von 100
Todesfällen an Magen-Darmkrankh.
unter 1 Jahr in der Zeit 1893—1902.
(Untere Zahlenreihe von Nr. 19.)
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Gck igle
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804
Paul Neümann:
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Es schließt sich hier Tabelle Nr. 22 an, in welcher das 1. Lebensjahr
in 3 Abschnitte (1. bis 4., 5. bis 8., 9. bis 12. Lebensmonat) zerlegt, und
die Zahl der in den Kalendermonaten an Verdauungsstörungen
Nr. 21. Todesfälle im 1. Lebensjahre an Magen-Darmkrankheiten in den
einzelnen Kalender- und Lebensmonaten von 100 Todesfällen an Magen-
Darmkrankheiten unter 1 Jahr in der Zeit 1893 bis 1902.
(Kurven der Diagramme Nr. 13 und 20.)
Gestorbenen jedes Abschnittes auf 100 der jährlichen Todes¬
fälle an Verdauungsstörungen für den zehnjährigen Zeitraum
berechnet wurde. Die Summe der 8 Zahlen für jeden Kalendermouat
muß also die Durchschnittswerte von Tabelle 12 ergeben, welche iu
Nr. 22. In den Jahren 1893 bis 1902 kamen von 100 Todesfällen au
Magen-Darmkraukheiten im 1. Lebensjahre auf die einzelnen Kalender¬
monate in den 3 Abschnitten des 1. Jahres (I. bis IV., V. bis VIII.,
IX. bis XII. Lebensmonat):
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Sterblichkeit im ersten Lebensjahre in Halle a. S. 305
gleicher Weise für die Todesfälle des ganzen 1. Lebensjahres erhalten
wurden. Die Tabelle ist in Nr. 23 in Kurvenform dargestellt. Man
ersieht auch hier, daß die Zahlen für die 4 ersten Lebensmonate die
höchsten sind und mit den späteren Lebensmonaten eine Abnahme statt¬
findet. Für alle 3 dargestellten Abschnitte des 1. Lebensjahres kommt
Nr. 23. Kurvendaretellung von Nr. 22.
die sehr erhöhte Sterblichkeit in den Monaten Juli und August zum Aus¬
druck. Zweimal fallen die höchsten Punkte der Kurven in den August
und nur in der Kurve für den 5. bis 8. Lebensmonat in den Juli.
Die folgende Tabelle Nr. 24 gibt für die beiden fünfjährigen
Perioden und für die ganzen 10 Jahre an, wieviel Prozent aller
Sterbefälle in den einzelnen Lebensmonaten auf Magen-Darm-
Nr. 24. Auf 100 Todesfälle in den einzelnen Lebensmonaten des 1. Jahres
starben an Magen-Darmkrankheiten in den betreffenden Lebensmonaten:
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
306
Paul Neumann:
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krankheiten zu beziehen sind. Die höchsten Zahlen fallen hier in
den 4. und 5. Lebensmonat. Während jedoch in den ersten 5 Jahren
die Prozentzahl nur einmal (im 4. Monat) 50 übersteigt, betragen in dem
anderen fünfjährigen Zeitraum die Sterbefälle an Verdauungsstörungen vom
3. bis 8. Lebensmonate regelmäßig über 50 Prozent der in dem betreffen¬
den Monate Gestorbenen. Wie die Durchschnittswerte für die 10 Jahre
erkennen lassen, ist der zarte kindliche Organismus in den einzelnen
Lebensmonaten des ersten Jahres — und speziell geht dies aus der sehr
geringen Prozentzahl im 1. Lebensmonate hervor — durch andere Krank¬
heiten zum mindesten ebenso gefährdet wie durch die der Verdauungs-
organe.
Es folgen jetzt drei kleine Tabellen, welche zeigen, wie sich die
Todesfälle im 1. Lebensjahre auf die beiden Geschlechter ver¬
teilen. Tabelle 25 gibt an, wieviel Kinder männlichen und vieviele
weiblichen Geschlechts in den einzelnen Jahren auf 100 Todesfälle an
Verdauungsstörungen kamen. Tabelle 26, welche des Vergleichs halber
hier eingeschoben ist, demonstriert dasselbe für die Todesfälle infolge
anderer Erkrankungen im 1. Lebensjahre. In der 3. Tabelle (27)
ist für den zehnjährigen Zeitraum die Verteilung der Ge-
Nr. 25. Von 100 Todesfällen an Magen-Darmkrankheiten im
1. Lebensjahre waren:
- - -
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Nr. 26. Von 100 Todesfällen an anderen Krankheiten als Magen-
Darmkraukheiten im 1. Lebensjahre waren:
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Nr. 27. Von 100 Todesfällen an Magen-Darmkrankheiten im 1. Lebens¬
jahre waren in den einzelnen Lebensmonaten für die Zeit 1893 bis 1902:
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42-1
46-3 1
50-9
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Sterblichkeit em ersten Lebensjahre in Halle a. S. 307
schlechter auf 100 Todesfälle an Magen-Darmerkrankungen in
den einzelnen Lebensmonaten angegeben. Aus allen 3 Tabellen
geht hervor, daß im 1. Lebensjahre an Magen-Darmkrankheiten und ebenso
an anderen Krankheiten mehr Knaben als Mädchen zugrunde gehen.
Nnr in ganz vereinzelten Fällen sind die Zahlen für die männlichen Kinder
kleiner als für die weiblichen, und zwar ist die Differenz dann niemals
eine große, während dieselbe beim umgekehrten Verhalten bisweilen recht
erheblich ist.
Einen ganz anderen Gesichtspunkt als bisher fassen die folgenden
Diagramme und Tabellen ins Auge,
Nr. 28. Todesfälle der unehelichen
Kinder im 1. Lebensjahre überhaupt
(ganze Säulen) und an Magen-Darm¬
krankheiten (untere Abschnitte) auf
100 Todesfälle im 1. Lebensjahre.
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Kinder auf 100 Todesfälle an Magen-
Darmkrankheiten im 1. Lebensjahre.
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im Säuglingsalter Gestorbenen Berücksichtigung findet; und zwar
wird zunächst die Frage der Ehelichkeit und Unehelichkeit be¬
handelt, welche auf das kindliche Leben oft von entscheidendem Einfluß
ist. Diagramm Nr. 28 gibt an, wieviel Prozent aller im 1. Lebens¬
jahre gestorbenen Kinder in den einzelnen Jahren unehelich
waren, und gleichzeitig wieviel unter diesen an Magen-Darmkrauk-
heiten starben. Von einzelnen Schwankungen abgesehen, kann man sagen,
daß die Sterblichkeit der unehelichen Kinder im allgemeinen in den 10 Jahren
20 *
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308
Paul Neumann:
zugenommen hat, denn die geringsten Prozentzahlen bieten die ersten, die
höchsten die letzten Jahre. Außerdem geht aus dem Diagramm hervor,
daß mit einer einzigen Ausnahme im Jahre 1898 von den unehelichen
Kindern, die im 1. Lebensjahre starben, stets noch nicht die Hälfte den
Magen-Darmerkrankungen erlag, sondern daß die Mehrzahl der Todesfälle
andere Todesursachen hatte.
Vergleicht man das Diagramm Nr. 29, welches die Zahl der
an Verdauungsstörungen gestorbenen unehelichen Kinder in
Prozent aller Todesfälle an Verdauungsstörungen im 1. Lebens¬
jahre darstellt, mit den ganzen Säulen des vorigen, so müssen die höhereu
Zahlen des Diagramms Nr, 29 auffallen; es besagt dies, daß auf die Tod«-
Nr. 30. Todesfälle ehelicher Kinder im 1. Lebensjahre an Magen-Darmkrank-
heiten auf 100 Todesfälle sämtlicher im 1. Lebensjahre gestorbenen ehelichen
Kinder (schwarze Säulen) und Todesfälle unehelicher Kinder im 1. Lebens¬
jahre an Magen-Darmkrankheiten auf 100 Todesfälle sämtlicher im 1. Lebens¬
jahre gestorbenen unehelichen Kinder (schraffierte Säulen).
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12
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1
fälle an Verdauungsstörungen verhältnismäßig mehr uneheliche Kinder
kommen als auf sämtliche Todesfälle im 1. Lebensjahre. Ganz interessant
ist es, daß in Diagramm Nr. 29 die Prozentzahlen gerade in den Jahren
am höchsten sind, wo die Sterblichkeit unter einem Jahre ganz besonders
gering war (1896 und 1902), während sie in den Jahren der größten
Säuglingssterblichkeit (1899 und 1900) verhältnismäßig gering sind (vgl.
Nr. 4 bis 6).
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Stebblichkeit m ebsten Lebensjahbe in Halle a. S. 309
Leider war es nicht möglich, Angaben über die Art der Ernährung
der im 1. Lebensjahre Gestorbenen zu erhalten. Da nun in den
seltensten Fällen bei unehelichen Kindern die Ernährung durch die Mutter¬
brast geschehen wird, so darf man annehmen, daß schon aus diesem
Grunde, wenngleich noch andere ungünstige Verhältnisse mitsprechen, die
Sterblichkeit an Magen-Darmkrankheiten bei unehelichen
Säuglingen verhältnismäßig größer sein muß als hei den ehe¬
lichen. Dies wird vollkommen durch das Diagramm Nr. 30 bestätigt,
welches für jedes Jahr nebeneinander angibt, wieviel Prozent aller
im ersten Lebensjahre gestorbenen ehelichen und ebenso aller
unehelichen Kinder Magen-Darmkrankheiten erlagen. Aus¬
genommen in den Jahren 1895 und 1900 übertreffen regelmäßig die
Zahlen für die unehelichen Kinder die für die ehelichen, und öfters sogar
um ein recht Bedeutendes.
Die nun folgenden Diagramme behandeln die Säuglingssterblichkeit
an Verdauungsstörungen unter Berücksichtigung der Vermögensver¬
hältnisse der Eltern. Nach dem Beispiel von Körösi habe ich fol¬
gende 4 Wohlhabenheitsklassen unterschieden: 1. Bliche, 2. Mittelstand,
3. Arme, 4. Notleidende. Da mir nur die Angaben über den Beruf der
Eltern zu Gebote standen, und sich nach diesem oft schwer die Vermögens¬
lage beurteilen läßt, so mußte ich jeden Fall unter diejenige Klasse
rechnen, welche im allgemeinen den betreffenden Berufsarten entspricht.
Trotzdem war es oft schwer zu entscheiden, welcher Klasse die Fälle zu¬
zurechnen seien, und ich habe hier den Grundsatz verfolgt, derartige Fälle
stets in die höhere der in Frage kommenden Vermögensklassen zu setzen.
Diesem Umstande ist es wohl auch zuzuschreiben, daß die Zahlen für die
4. Klasse (Notleidende) so gering gegenüber denen der 3. sind; vielleicht
wäre es praktischer gewesen, nur drei Klassen zu unterscheiden und die
Notleidenden mit unter die Armen zu rechnen, da die Zugehörigkeit zu
einer dieser beiden Klassen oft ganz besonders schwer zu entscheiden sein
dürfte. Hier spricht vor allem die Anzahl der Familienmitgieder mit; so
z. B. kann von zwei Arbeiterfamilien, welche dasselbe Einkommen haben,
die eine mit 10 Kindern schon zu den Notleidenden gehören, während die
andere mit vielleicht einem oder zwei Kindern noch der dritten Klasse
zuzurechnen ist. Es widersprach mir daher, wie es Prausnitz getan hat,
die Arbeiterfamilien sämtlich in die 4. Klasse aufzunehmen, und so habe
ich dieser hauptsächlich die Kinder von Arbeiter- und Handwerkerwitwen
und ferner die unehelichen Kinder zugeteilt. Dagegen enthält die 3. Klasse
Kinder von Arbeitern, nicht selbständigen Handwerkern, kleinen Kauf¬
leuten, Kondukteuren, Dienstmännern usw. Zur 2. Klasse wurden ge¬
rechnet die Kinder von Beamten, Ärzten, Ingenieuren, Lehrern höherer
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Paul Neumann:
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810
Anstalten, Militärpersonen, Kaufleuten usw. und nur ganz vereinzelte Fälle
unter diesen Berufsarten konnten in die 1. Klasse ausgenommen werden.
— Bin ich mir auch gewisser Mängel in den folgenden Tabellen voll¬
kommen bewußt, so glaube ich doch, daß dieselben im allgemeinen ein
richtiges Bild geben, namentlich da sie für Halle dasselbe beweisen, was
auch andere statistische Erhebungen bereits dargetan haben, nämlich daß
bei schlechter Vermögenslage der Eltern die im Säuglingsalter
stehenden Kinder ganz besonders gefährdet sind.
Nr. 81. Auf 1000 Lebend geborene starben im 1. Lebensjahre an Magen-
Darmkrankheiten in den Vermögensklassen I bis IV:
i 1893
1 ;
1894
1895 1896
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23-7 |
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21 - 0 ,
22-7
Tabelle Nr. 31 zeigt, wieviel Kinder unter einem Jahre, auf
1000 Lebendgeborene des betreffenden Jahres berechnet, in
den einzelnen Vermögensklassen an Verdauungsstörungen
starben. Die weitaus höchsten Zahlen befinden sich hier in der Klasse
der Armen. Eine ganz auffallend hohe Sterblichkeit zeigt dieselbe im
Jahre 1900, wo auf 1000 Lebendgeborene 72 Kinder im ersten Jahre an
Magen-Darmkrankheiten starben. Die nächsthöheren Zahlen bietet die
Klasse der Notleidenden; nur im Jahre 1894 ist die Zahl für die Sterbe¬
fälle der zweiten Klasse größer. Recht bedeutend sind die Zahlen der
vierten Klasse gegenüber denen der zweiten in den letzten drei Jahren.
Gauz verschwindend dagegen sind die Fälle der Kinder, welche in der
ersten Vermögensklasse an Verdauungsstörungen starben. In einer ganzen
Reihe von Jahren war überhaupt kein einziger Sterbefall hierher zu
rechnen.
Die folgende Tabelle Nr. 32 drückt aus, wieviel von 100 Todes¬
fällen jedes Jahres an Verdauungsstörungen auf die 4 Ver-
Nr. 32. Von 100 jährlichen Todesfällen im 1. Lebensjahre an Magen-
Darmkrankheiten kamen auf die Vermögensklassen I bis IV:
1893
1394
1895 1 1896 i 1897 ! 1393
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| 1900
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IV.
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i 20-3 |
26-8|29-1,26-9 28-5,
22-6 ,
24-5
| 27-5,30-4,
25-9
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA [
Sterblichkeit lm ersten Lebensjahre in Halle a. S.
311
mögensklassen entfielen. Bezüglich der durch die Höhe der Sterbe*
Ziffern bedingten Reihenfolge der Klassen gilt hier dasselbe wie bei der
vorigen Tabelle. Aus der Tabelle ersehen wir, daß anf die dritte Klasse
regelmäßig über 50 Prozent der Todesfälle und auf die beiden letzten
Klassen zusammen stets mehr als 75 Prozent — ausgenommen im Jahre 1894
— kamen.
Vergleichsweise füge ich diesem Abschnitt hier noch eine Tabelle
(Nr. 33) an, welche entsprechend der vorigen die Prozentzahlen der an
Erkrankungen der Atmungsorgane im 1. Jahre Gestorbenen für
Nr. 33. Von 100 jährlichen Todesfällen im 1. Lebensjahre an Er¬
krankungen der Atmungsorgane kamen auf die Vermögensklassen 1 bis IV:
1893
1894
1895
1896
1897
i
1898 j 1899
1 1900
1901
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| 1893—1902
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19-7
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63-9 1 73-6
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61-5
54-8
60*2
iv. i
1 12-5
14*5
33*4
17-2
19-6 !
18-9 15-1
24-6
18-8
25*0 1
19*8
Nr. 34. Todesfälle in den Vermögens¬
klassen I bis IV von 100 Todesfällen
im 1. Lebensjahre an Magen-Darm¬
krankheiten fiir die Zeit
1893 bis 1902.
(Durchschnittszahlen von Nr. 32 .)
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Nr. 35. Todesfälle in den Vermögens-
klassen I bis IV von 100 Todesfällen
im 1. Lebensjahre an Erkrankungen
der Atmungsorgane für die Zeit
1893 bis 1902.
(Durchschnittszahlen von Nr. 33.)
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
I
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812 Paul Neumann:
die vier Vermögensklassen enthält. Ganz interessant ist es, daß hier
die Zahlen in der dritten Klasse durchschnittlich bedeutend höher sind
als in Tabelle Nr. 32. Während dort in keinem Jahre die Zahlen 60 Pro¬
zent erreichen, gehen sie hier mehrfach darüber hinaus; und im Jahre 1899
beträgt die Zahl sogar 73-6 Prozent Was hier die zweite und vierte
Klasse anlangt, so finden wir die höhere Zahl bald in der einen bald in
der anderen. In mehreren Jahren ist die Differenz zwischen den Zahlen
dieser beiden Klassen recht bedeutend; die Durchschnittsberechnung für
die 10 Jahre ergibt jedoch fast die gleichen Werte für die beiden Ver¬
mögensklassen. Ich schließe hier noch zwei Diagramme (Nr. 84 nnd
35) an, welche die Durchschnittszahlen der beiden letzten Tabellen dar¬
stellen und wohl am besten das Verhalten der Sterblichkeit im
1. Lebensjahre an Verdauungsstörungen und Erkrankungen
der Atmungsorgane während der 10 Jahre zu demonstrieren ver¬
mögen.
Um auch die Wohnungsverhältnisse, die sich meist nach der
Stadtgegend ganz gut beurteilen lassen, zu berücksichtigen, wurde die
Stadt Halle a. S., wie auf dem beigefügten Plane ersichtlich, in mehrere
Teile zerlegt und berechnet, wieviel Prozent aller an Verdauungsstörungen
in den 10 Jahren gestorbenen Säuglinge auf diese einzelnen Stadtteile
entfielen. Bezüglich der Einteilung ergaben sich gewisse Schwierigkeiten,
da ich nur die Namen der Straßen, in denen die Kinder gestorben waren,
zur Verfügung hatte, und suchte ich daher die Einteilung so zu wählen,
daß die Grenzen der einzelnen Teile möglichst mit den Endpunkten der
Straßen zusammen fielen. Mag auch eine Einteilung von diesem Gesichts¬
punkte aus etwas willkürlich erscheinen, so läßt sich hier für die Stadt
Halle bei Berücksichtigung aller Verhältnisse doch einiges ersehen.
Es ergaben sich ungezwungen sechs Teile, von denen der eine, das
Zentrum (die alte Stadt), durch die fünf anderen (neue Stadtteile) nach
Süden, Osten und Norden halbkreisförmig umschlossen wird. Ein Blick
auf den Plan zeigt, wie das Zentrum im Gegensatz zu den neueren Stadt¬
teilen eine Menge ganz regellos verlaufender kleiner Straßen und Gäßchen
besitzt. Hieraus kann man schon schließen, daß es sich um einen alten
und, wie man zu sagen pflegt, ganz „verbauten“ Stadtteil handelt. Dem¬
entsprechend sind die Wohnungsverhältnisse sehr ungesund; meist kleine
dumpfe Zimmer, ohne genügend Licht, oftmals sogar ohne Heizung. Es
ist klar, daß derartige Wohnungen bei dem entsprechend geringen Miets¬
preise nur der armen Bevölkerung zum Unterschlupf dienen können,
welche sich hier oft zu großen Familien in ein oder zwei Zimmern zu¬
sammendrängt. Ähnliche Verhältnisse bietet noch der nördliche Teil des
2. Stadtteils. Auch hier finden wir eine ganz arme Bevölkerung vielfach
Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Stekblichkeit im ebsten Lebensjahbe in Halle a . 8. 313
in miserabeln Wohnungen ansässig. Die Prozentzahlen sind dement¬
sprechend für diese beiden Teile gegenüber denen der anderen auch ganz
besonders hoch. Von hundert an Verdauungsstörungen Gestorbenen kommen
Halle a.S. Von 100 Todesfällenan
in Halle aS.während der;
189.V1D0? kommen auf die eiiuehien Stadtteile:
auf das Zentrum 24 Prozent und auf den 2. Stadtteil 28 • 3 Prozent. Be¬
denkt man, daß von dem 2. Teile eigentlich nur eine ganz geringe Boden¬
fläche — geringer als die des 1. Teiles — in Betracht kommt, da das
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
314 Paul Neumann : Stebblichkeit im ebsten Lebensjahbe üsw .
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ganze südlich der Ludwigstraße liegende Land noch außerordentlich spär¬
lich bebaut war, so ist für diesen Teil die Zahl eine ganz besonders hohe.
Zu berücksichtigen ist allerdings, daß es sich hier fast ausschließlich um
ein Arbeiterviertel handelt, während sich in einem Teile des Zentrum*
noch eine Anzahl von Geschäftslokalen und Warenhäusern befindet, da sich
hier hauptsächlich der Geschäftsverkehr von Halle abspielt.
Während sich die Prozentzahlen für die Stadtteile 3 bis 5 in einer
mittleren Höhe halten (15-4, 10*9, 14-5 Prozent), ist dieselbe für den
6. Stadtteil, wo fast nur Familien in besserer Vermögenslage wohnen, recht
gering, nur 6*9 Prozent. * Nun muß zwar zugegeben werden, daß dieser
Teil kleiner ist als die anderen, trotzdem aber eine nicht viel kleinere
Bodenfläche einnimmt als der 1. Teil und der in Frage kommende Ab¬
schnitt des 2. Stadtteiles. Im Vergleich zu den Zahlen dieser Teile ist
allerdings die Prozentzahl des 6. Stadtteils außerordentlich gering.
Die statistischen Angaben dieser Arbeit legen ein beredtes Zeugnis davon
ab, wie große Verheerungen die Magen-Darmerkrankungen unter den im
Säuglingsalter stehenden Kindern in Halle anrichten, und steht dieses im
Verhältnis zu seiner Größe hinter anderen deutschen Städten mit hoher
Säuglingssterblichkeit, wie Berlin, Breslau, Königsberg, Stettin nicht sehr
weit zurück. Um so mehr ist es mit Freuden zu begrüßen, daß auch hier
eine zielbewußte Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit ein¬
gesetzt hat. Mögen auch mitunter die eifrigsten Bemühungen bei den
vielen ungünstigen Verhältnissen — ich hebe nur die entsetzlichen Woh¬
nungsverhältnisse hervor — fruchtlos erscheinen, so wird ein energisches
Weiterar beiten auf diesem Gebiete sicher auch für Halle seine Erfolge
zeitigen, und das Bewußtsein, eine nationale Pflicht zu erfüllen, das Ge¬
wissen entlasten.
Literatur- Verzeichnis.
Prausnitz, Physiologische u. sozial-hygienische Studien über Säuglingsernakrusg
und Säuglingssterblichkeit . München 1902.
C. Fraenkel, Die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit durch die Gemeinden.
Technisches Gemeindeblatt. 1903. Nr. 2.
Manteufel, Statistische Erhebungen über die Bedeutung der sterilisierten MilcL
für die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit. Münchener medizin . Wochenschrift
1906. Nr. 7.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem staatlichen hygienischen Institut zu Hamburg.]
(Direktor*. Prof. Dr. Dunbar.)
Über
künstliche und natürliche Pestinfektion von Fischen.
Von
Dr. Ernst Fürth, Marine-Oberassistenzarzt,
früherem Assistanten am Institut
Es gilt als unbestrittene Tatsache, daß Ratten bei der Verbreitung
der Pest eine große Rolle spielen. Über die Art und Weise, wie die Über¬
tragung von der Ratte auf den Menschen zustande kommt, ist viel ge¬
stritten worden. Besonderes Interesse hat von jeher die Frage gehabt,
ob die auf den Ratten schmarotzenden Insekten, wie Flöhe und Wanzen,
als Pestüberträger in Betracht kommen. Eine Anzahl in früheren Jahren
über diesen Punkt angestellter Versuche bestätigten diesen Verdacht nicht,
jedoch ist durch die im Jahre 1900 ausgeführten eingehenden Unter¬
suchungen der von England nach Indien entsandten Kommission (1), die
gerade der Frage der Pestübertragung von der Ratte auf den Menschen
große Aufmerksamkeit schenkte, die Übertragungsmöglichkeit durch Flöhe
sicher bewiesen.
Wenn auch bei uns der Nachweis nicht erbracht ist, auf welche
Weise sich die Infektion von Ratte auf Mensch vollzieht, so beweist doch
die Tatsache, daß auf Schiffen, die nachweislich pestinfizierte Ratten be¬
herbergten, fern von pestinfizierten Häfen plötzlich menschliche Erkran¬
kungen an Pest vorgekommen sind, daß diesem Punkte große Aufmerk¬
samkeit zu widmen ist.
Es ist daher eine wichtige Aufgabe des Hygienischen Instituts zu
Hamburg, die aus pestinfizierten Häfen kommenden Schiffe durch bak-
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
316
Ebnst Fükth:
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teriologische Untersuchung aller totgefundenen Batten zu überwachen.
Wie notwendig diese Maßregel ist, zeigt der Umstand, daß seit Einführung
der regelmäßigen Untersuchungen bereits fünfzehn Fälle von Pesterkran¬
kungen unter den Ratten solcher Dampfer gefunden wurden. Bei der
auf Grund dieses Befundes vorgenommenen Ausgasung des Schiffes, werden
sämtliche Ratten abgetötet und die Kadaver zur Untersuchung auf Pest
dem Hygienischen Institut eingeliefert.
Stets wurde unter diesen, deren Anzahl vielfach mehrere hundert
übersteigt (es wurden letzthin vom Dampfer „Hypatia“ 902 Ratten, dar¬
unter 21 pestinfizierte eingeliefert), eine zu der großen Zahl der auf einem
Seedampfer hausenden Ratten in keinem Verhältnis stehende geringe Zahl
an Pest erkrankter Tiere gefunden. Die Abtrennung der einzelnen Lade¬
räume durch Schotten kann nicht immer zur Erklärung dieser Erscheinung
herangezogen werden. Denn während in einigen Fällen, in denen die
Kadaver mit genauer Bezeichnung der Fundstelle im Schiffe versehen
wareu, der Nachweis geliefert werden konnte, daß die Erkrankung nur auf
einen oder einzelne Laderäume beschränkt war, fanden sich ein anderes
Mal in den meisten Laderäumen pestinfizierte Tiere. Weiterhin beweist
die Tatsache, daß sich die pestinfizierten Kadaver vielfach als hochvirulent
anderen Ratten gegenüber zeigten, daß es sich nicht immer um eine
bereits abgelaufene oder im Ablaufen begriffene Epidemie handelte, bei
der die Virulenz in der Weise abgenommen hätte, daß sich dadurch die
geringe Anzahl der pestinfiziert gefundenen Ratten erklärte. Man darf
vielmehr wohl anuehmen, daß vor Erreichen des Hafens schon tote Ratten
an Bord aufgefunden werden. Inwieweit diese auf sichere Weise ver¬
nichtet werden, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls kann der Fall
eintreten, daß einzelne Kadaver dadurch beseitigt werden, daß man sie
über Bord wirft, und da es sich um verendete oder doch schon schwer
erkrankte Tiere handelt, ist die Annahme nicht unberechtigt, daß pest¬
infiziertes Material in der Nähe unserer Fischplätze und der Häfen dem
Wasser mitgeteilt wird. In vielen Fällen werden diese Kadaver, die durch
ihr Fell geschützt sind, einer allmählichen Fäulnis anheimfallen, ohne
von Fischen angenagt zu werden; doch sind ebensogut Fälle denkbar,
in denen die Ratte von Schiffsschrauben oder anderen Gewalten zerfetzt
wird, oder ein ganzer Kadaver einem Fische zur Mahlzeit dient.
Der Flußhecht wie der Seehecht sind als Allesfresser bekannt; sie
würden eine Ratte, wenn sie einigermaßen frisch ist, gewiß als gute Beute
betrachten und verzehren; aber auch von anderen unserer Flußbewohner
ist, wie ich durch liebenswürdige Mitteilung des Herrn Professor Dr.
v. Brunn erfahre, bekannt., daß sie Kadaver von Säugetieren und lebende
Tiere, wie Ratten und Mäuse, bei Gelegenheit als Nahrung suchen. So
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Übeb künstliche und natübliche Pestinfektion von Fischen. 317
schreibt Heincke (2) z. B. über Aalnahrung wörtlich folgendes: „Aas
frißt er (der Aal) mit Vorliebe, weshalb man ihn in versenkten Kadavern
von Hunden, Pferden usw. häufig in großer Zahl antreffen kann“. Über
den Döbel (Leuciscus cephalus L.), der bei den Fischern der Oberelbe, wo
er häufig vorkommt, den Namen „Musbieter“ (Mäusebeißer) führe, weil
er gelegentlich Mäuse frißt, schreibt derselbe Forscher wie folgt: (Der
Döbel) . . . „erweist sich häufig als ein kühner und wilder Bäuber, der
Frösche und kleinere Weißfische, selbst Mäuse gierig verschlingt“ Auch
Metzger (3) nennt ihn einen „äußerst gefräßigen Allesfresser mit vor«
wiegender Raubfischnatur, der unter anderem Frösche, kleine Fische,
Krebse und was er sonst erlangen kann, frißt“. Der Bapfen (Aspius rapax
Agassiz), wie der Döbel gleichfalls ein in unseren Flüssen vorkommender,
karpfenartiger Weißfisch, lebt nach Metzger (3) „als gefräßiger Raub¬
fisch ungesellig in größeren Seen und Flüssen“; bei Heincke findet sich
über denselben Fisch die Angabe, er sei ein fast nur von tierischer Nah¬
rung lebender arger Räuber, der auch größere Fische, selbst Mäuse und
Wasserratten, nicht verschont.
Diese Tatsachen und die oben angeführten Erwägungen brachten
mich auf den Gedanken, durch einige Versuche festzustellen, wie sich
Fische dieser Infektionsgefahr gegenüber verhalten; soweit ich feststellen
konnte, wurden diesbezügliche Versuche an Fischen bisher noch nicht
ausgeführt. Jedoch ist die Empfänglichkeit verschiedener Kaltblüter in
wenigen Fällen geprüft worden. So berichtet Nuttall (4) über künst¬
liche Impfung von Kreuzottern, Schlangen und Eidechsen, bei denen er
feststellte, daß nur die beiden letzteren, und auch nur, wenn bei höheren
Temperaturen gehalten, für Pestinfektion empfänglich seien. Albrecht
und Ghon (6) 1 fanden bei Versuchen mit Schlangen nie einen Anhalts¬
punkt für Pestinfektion, auch gelang ihnen bei der an einer Eidechse
angestellten Impfung die Infektion nicht. Devell (5) stellte durch Ver¬
suche fest, daß Frösche sowohl zur Winter- wie Sommerzeit für Pest
empfänglich seien und nach 13 bis 19 Tagen ohne besondere Verände¬
rungen eingehen; auch diese Versuche fanden durch von Albrecht und
Ghon an drei Wasserfröschen ausgeführte Impfungen mit Pestkulturen,
die ohne Erfolg blieben, keine Bestätigung, so daß diese Forscher zu der
Überzeugung kamen, daß eine Spontaninfektion mit Pest bei diesen Tieren
sicher auszuschließen sei.
Für meine Versuche verbot die Verwendung von vollvirulenten Pest¬
kulturen schon von vornherein den Gebrauch fließenden Wassers in den
Fischbehältern, da die Notwendigkeit einer ständigen Desinfektion des Ab-
1 Seite 724 und 725.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
318
Ernst Fürth:
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flußwassers vorlag (eine Maßregel, die sich in den Räumen des Pest¬
laboratoriums nicht so leicht durchführen ließ). Damit war jedoch die
Auswahl der Versuchstiere beschränkt. Es ließen sich nur Tiere ver¬
wenden, die in nicht zu großen Behältern unter Umständen einige Tage
ohne Wassererneuerung zu halten waren. Als geeignetster erschien mir
der Goldfisch (Carassius auratus), den ich denn auch zu allen Versuchen
benutzte. Die Länge der Tiere, die sich durchweg in gutem Ernährungs¬
zustände befanden, schwankte zwischen 9 und 15 ccm . Dieser Fisch war
auch zu den Versuchen aus dem Grunde passend, als er die als Infektions¬
material benutzten Leber-, Milz- und Lungenstückchen pestkranker Batten
gierig verschlang.
Ich ging in der Art vor, daß ich Fische
1. durch intramuskuläre Injektion und
2. durch Fütterung mit Organstückchen pestverendeter Batten zu
infizieren versuchte.
Nebenbei fanden auch die Fragen, ob durch Infektion des Wassers
mit Pestbakterien und durch Zusammenhalten mit einem mit Pestkulturen
geimpften Fisch eine Übertragung der Krankheit möglich sei, Berück¬
sichtigung.
Ich hielt die Fische in runden, ca. 10 Liter fassenden, mit ca. 5 Liter
Wasser gefüllten Gefäßen und erneuerte tunlichst jeden Tag das Wasser.
Das abgelassene Wasser wurde jedesmal in sicherer Weise desinfiziert.
Im allgemeinen gelang es so, Fische wochenlang zu halten, wenn auch
einige der Impftiere und der nicht geimpften Kontrolltiere vorzeitig ein-
gegangen sind.
Was zunächst die subkutane und intramuskuläre Impfung angeht,
so wurde hierbei in folgender Weise vorgegangen. Es kamen einerseits
48 ständige Agarkulturen, andererseits Organaufschwemmungen von unter
typischem Pestbefuud eingegangenen Ratten zur Verwendung, wo in jedem
Falle nachträglich der Nachweis von Pesterregern kulturell und durch
Agglutination erbracht wurde.
Die Stämme, die ich bei meinen sämtlichen Versuchen benutzte,
waren zwei kurz vorher aus Ratten zweier mit Pestratten behafteter
Dampfer (Dampfer „Hypatia“ mit Ladung aus Montivideo, und Dampfer
„Lesbos“ mit Ladung aus Alexandrien) reingezüchtete Pestkulturen, die
sich gleich bei der Diagnosenstellung im Tierversuch schon als hochviru¬
lent gezeigt hatten. Bei den Injektionen nahm ich 1 / i Öse der 48stün-
digen Agarkultur, bzw. ein bohnengroßes Organstück (Milz, Leber oder
Lunge) einer unter typischem Pestbefund eingegangenen Ratte, dessen
Ausstrich im Färbepräparat zahllose typische, pestähnliche Polstäbchen
zeigte. Die zur Aufschwemmung benutzte Flüssigkeit wurde wegen der
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Über künstliche und natürliche Pestinfektion von Fischen. 319
Schwierigkeit, größere Mengen in das an und für sich feste Muskelfleisch
der Fische zu injizieren, auf 1 / a bis l ccm physiologischer NaCl-Lösung
beschränkt. Aus demselben Grunde begnügte ich mich auch nicht mit
einer Einstichstelle, sondern verteilte das Material an verschiedenen Stellen
der unteren Schwanz- und Rückenmuskulatur, um in jedem Falle sicher
zu gehen, die Tiere mit einigermaßen gleichen Mengen infiziert zu haben.
In jedem Falle wurde die Virulenz der verwendeten Aufschwemmung durch
entsprechenden Rattenversuch gesichert.
Ia. Infektionsversuche durch intramuskuläre Injektion
von Reinkulturaufschwemmungen in die Schwanz- und die
untere Rflckenmuskulatur.
Fisch 5 (9 cm lang).
1 I 2 Öse Kultur Leber R. 6261 (Hypatia) 1 48stündige Agarkultur, auf¬
geschwemmt in 1 / 2 ccm physiologischer NaCl-Lösung. Rach der Impfung
lebhaft; im weiteren Verlauf keine Krankheitserscheinungen; lebt.
Getötet nach 37 Tagen, bis dahin gesund und lebhaft. Sektions¬
befund: Gefäße des Peritoneums stark gefüllt, einige Tropfen einer sulzigen
hellen Flüssigkeit in der Bauchhöhle; innere Organe blutreich, o. B., Mus¬
kulatur der Impfstelle: o. B. Im gefärbten Ausstrich von Muskulatur, Herz,
Leber und Galle, keine Bakterien. Kulturell, erst nach 48 Stunden auf Agar
bei 35° aus Herz-, Leber- und Gallenausstrich sehr spärliche, kleine, zarte
Kolonien mit feinem, gebuchtetem Saum; auch auf Gelatine zarte, verdächtige
Kolonien aus Galle, Leber, Herz und Muskulatur; durch weitere kulturelle
Untersuchung Nachweis von Pestbazillen in Leber und Herz gesichert; die
aus Muskulatur und Gail# weiterverfolgten erweisen sich nicht als Pest.
Zur Feststellung der Virulenz: */* Öse Kultur Herz an M. S. 1007 in
1 ccm physiol. NaCl Lsg., tot nach 2 Tagen mit Pestbefund. Pestbazillen
kulturell nachgewiesen.
1 Öse Kultur Leber an M. S. 1008 in 1 cm physiol. NaCl-Lösung, tot
nach 2 1 / 2 Tagen mit Pestbefund; Pestbazillen kulturell nachgewiesen.
Kontrollratte 7558 mit gleicher Menge subkutan geimpft: tot nach
3 Tagen mit typischem, anatomischem Pestbefund und kulturell nachgewiesenen
Pestbazillen in den Organen.
Fisch 6 (10 cm lang).
1 / 2 Öse Kultur Submentaldrüse R. 7814 (Lesbos) 48stündige Agarkultur,
aufgeschwemmt in */ 2 com physiol. NaCl Lsg.
Nach der Impfung lebhaft; tot nach 6 Tagen ohne vorherige auf¬
fallende Krankheitserscheinungen. Sektionsbefund: Muskulatur und innere
Organe blutreich, ohne auffallende Veränderungen. Muskulatur an der
* Kultur Leber R. 6261 (Hypatia) ist die Kultur eines aus der Leber einer
Pestratte des Dampfers „Hypatia“ gezüchteten Pestbacillus.
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Original from
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320
Ernst Fürth:
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Impfstelle: o. B. Im Ausstrich-Färbepräparat von Herz: vereinzelte plumpe,
kurze Stäbchen, meist zu zweien und dreien in Ketten; in Muskulatur, Galle
und Leber: keine Bakterien; kulturell: viele üppige und zarte, teilweise
üppigeren Pestkolonien ähnliche Kolonien aus Muskulatur, Herz, Galle und
Leber; keine typischen Pestkolonien. Pestbakterien in keinem Falle durch
weitere kulturelle Untersuchung gefunden. Zum weiteren Nachweis
1. Muskulatur und Herzaufschwemmung (ca. bohnengroßes Muskelstück der
oberen Rückenpartie) an R. 7605 subkutan, tot nach 5 Tagen mit anatomisch
pestverdächtigem Befund und kulturell nachgewiesenen Pestbazillen in den
Organen. 2. Kadaver an R. 7606 verfüttert, getötet nach 21 Tagen;
anatomisch und kulturell kein Pestbefund.
Kontrollratte 7660 mit gleicher Menge subkutan geimpft, tot nach
4 Tagen mit typischem anatomischem Pestbefund und kulturell nachgewiesenen
Pestbazillen in den Organen.
Fisch 16 (14 cm lang).
*/ 4 Öse Kultur Leber R. 6261 (Hypatia) 48stündige Agarkultur in
l / 2 ccm physiol. NaCl-Lösung.
Nach der Impfung lebhaft; tot nach 7 Tagen an der Oberfläche de*
Wassers, ohne vorherige auffallende Krankheitserscheinungen. Sektion*-
befund: innere Organe blutreich; Gefäße des Peritoneums stark gefüllt:
Muskulatur graurot; an der Impfstelle und dem Einstich entlang etwas
dunkler, sonst ohne Veränderungen. Im gefärbten Ausstrich von Muskulatur,
Herz und Leber vereinzelte plumpe, kurze Stäbchen, meist zu zweien an¬
einanderliegend. Kulturell: aus Herz, Leber und der Impfseite gegenüber¬
liegenden Muskulatur nur unverdächtige üppige, durch weiteren kulturellen
Nachweis nicht als Pest erkannte Kolonien. Aus Muskulatur der Impfstelle
neben vielen unverdächtigen üppigen, nicht sehr zahlreiche, typische Pest¬
kolonien in 24 ständiger Agarkultur und in 48 ständiger Gelatinekultur, die
sich nur wenig entwickelten, doch isoliert und als Pest identifiziert werden.
Zum weiteren Nachweis: 1. ein ca. bohnengroßes Stück der Muskulatur
sowohl von der Impfstelle, wie entfernt der Impfstelle, in 2 ccm physiol. NaCl
Lsg. aufgeschwemmt, subkutan an R. 7704: tot nach 6 Tagen mit typischem
anatomischem Pestbefund, im gefärbten Ausstrich Polstäbchen und kulturell
nachgewiesenen Pestbakterien in allen Organen.
Kontrollratte 7638 gleich behandelt wie Fisch 16, tot nach 3 Tagen
mit anatomisch-typischem Pestbefund und kulturell nachgewiesenen Pest¬
bazillen in allen Organen.
Fisch 17 (15 cra lang).
Behandelt wie Fisch 16, nach der Impfung lebhaft; nach 20 Tagen
ohne vorherige Krankheitserscheinungen mit geöffnetem Maul tot am Boden
liegend. Sektionsbefund: Muskulatur, Herz und Bauchorgane blutreich;
Leber groß, blutreich, graurot; Gefäß des Peritoneums stärker gefüllt.
Muskulatur der Impfstelle etwas dunkler, ohne Veränderungen. Im gefärbten
Ausstrich von Galle, Herz und Muskulatur; keine Bakterien, von Leber
zahlreiche schlanke Stäbchen und einige Diplokokken.
Gck igle
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Über künstliche und natürliche Pestinfektion von Fischen. 321
Kulturell: Muskulatur und Herz: kein Wachstum; Leber: viele in toto
gekörnte, kleine, sternförmig gerandete Kolonien, deren weitere Untersuchung
jedoch den Pestverdacht ausschließt.
Kontrollratte: wie Fisch 16.
Fisch 18 und 19 (14 cm lang).
Behandelt wie Fisch 15 und 16; nach der Impfung lebhaft, getötet
nach 22 Tagen; vorher lebhaft und anscheinend gesund. Sektionsbefund:
in der Bauchhöhle wenige Tropfen klarer, wäßriger Flüssigkeit; Gefäße des
Peritoneums stark gefüllt. Leber sehr weich, zerreißlich. Darm und
sonstige Organe: o. B. Muskulatur der Impfstelle o. B., im Ausstrich von
Herz, Leber, Galle und Muskulatur keine Bakterien.
Kulturell aus Galle F. 18 zahllose zarte, runde, nicht pestähnliche
Kolonien von lebhaft beweglichen, kleinen Bakterien. Aus Muskulaturaus¬
strich auf Gelatine nach 4 Tagen ganz vereinzelte zarte Kolonien; weiter¬
hin als Pestbakterien kulturell sichergestellt.
Fisch 19 nur auf Herzausstrich nach 4 Tagen auf Agar ganz ver¬
einzelte zarte Kolonien, weiterhin kulturell als Pestbakterien sichergestellt;
auf den anderen Organ- und Muskelausstrichen keine Bakterien zu finden.
Kontrollratte: wie bei Fisch 15 und 16.
Fisch 20 (I7 cra lang).
*/ 4 Öse Kultur Submentaldrüse R. 7514 (Lesbos) 48stündige Agarkultur
aufgeschwemmt in l j 2 ccm physiologischer NaCl-Lösung.
R. 7514 war von Dampfer „Lesbos“ eingeliefert, hatte pestverdächtige
Polstäbchen in den Organausstrichen ergeben; aus den Organen waren Pest¬
bazillen reichlich isoliert worden.
Nach der Impfung lebhaft, am anderen Morgen tot an der Ober¬
fläche des Wassers. Impfstelle etwas dunkler rosarot, sonst o. B. Herz und
Organe der Bauchhöhle o. B. Im Ausstrich von Herz, Leber, Galle und
Muskulatur zweier Stellen: vereinzelte nicht pestähnliche Stäbchen.
Kulturell: Galle und Leber neben üppigeren, zartere gebuchtete Kolonien,
die sich weiterhin kulturell nicht als Pest erwiesen. Herz: nur vereinzelte
üppige Kolonien; Muskulatur der Impfstelle: viele zarte typische Pestkolonien;
Pestbazillen durch kulturelle Untersuchung nachgewiesen.
Zum weiteren Nachweis Stückchen von Leber, Galle, Herz und
Muskulatur (entfernt der Impfstelle) aufgeschwemmt in 2 ccm physiologischer
NaCl-Lösung subkutan an R. 7643; tot nach 5 Tagen unter pestverdächtigem
Sektionsbefund und mit kulturell sicher gestellten Pestbazillen in den Organen.
Kontrollratte 7639 gleich behandelt wie Fisch 20, tot nach 3 Tagen
mit typischem Pestbefund und kulturell nachgewiesenen Pestbazillen in den
Organen.
Fisch 21 (14 cm lang).
Behandelt wie Fisch 20, nach der Impfung lebhaft, nach 2 Tagen
tot an der Oberfläche, vorher keine Krankheitserscheinungen. Sektions¬
befund: Impfstelle durch etwas dunklere rote Färbung erkenntlich; Leber
braunrot, weich, groß. Gefäß des Peritoneums stark gefüllt. Im gefärbten
Ausstrich: Leber vereinzelte nicht polgefärbte Stäbchen. Muskulatur und
Zeitochr. f. Ilyglene. LVII. 21
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322
Ernst Fürth:
Herz: keine Bakterien. Galle: Zahlreiche sehr kleine Kokken und sehr
feine schlanke Stäbchen, daneben dickere, gedrungene Stäbchen ohne Pol¬
färbung.
Kulturell: Leber und Milz kein Wachstum; Galle zahlreiche kleine,
gelbe, runde Kolonien, die sich kulturell nicht als Pest erweisen, dazwischen
Pestkolonien nicht zu finden. Aus Muskulatur der Impfstelle zahlreiche
typische Pestkolonien, die sich kulturell als Pest erweisen.
Zum weiteren Nachweis: Aufschwemmung von Leber, Herz und
oberer Rückenmuskulatur an R. 7644 subkutan, überlebt, getötet nach
13 Tagen, ohne Pestbefund.
Fisch 22 und 23
behandelt wie Fisch 20 und 21, überleben, lebhaft und anscheinend gesund.
Beobachtungszeit 23 Tage.
Fisch 22 (15 cm lang) getötet nach 23 Tagen, vorher lebhaft
und anscheinend gesund. Sektionsbefund: Leber groß, graurot, weich.
Gefäße des Peritoneums stärker hervortretend; Muskulatur: keine Bakterien;
Galle: viele plumpe, kurze und etwas längore nicht pestähnliche Polstäbchen.
Kulturell: Galle, von zartem Wachstum, dicht überzogene Agarplatte:
lebhaft bewegliche Stäbchen; Gelatine verflüssigt. Keine Pestbakterien
kulturell nachgewiesen.
Fisch 23 (12 c,n lang) getötet nach 23 Tagen; vorher lebhaft
und anscheinend gesund. Sektionsbefund: Leber dunkel braunrot, klein;
starke Pigmentierung des Peritoneums; in der Bauchhöhle wenig sulzige,
helle Flüssigkeit, innere Organe o. B. Im Ausstrich keine Bakterien. Kul¬
turell aus Herz, Leber, Galle kein Wachstum, nur aus Muskulatur einige
Kolonien von beweglichen Stäbchen und nach 4 Tagen auf Gelatine ganz
vereinzelte, sehr zarte Kolonien; auf Agar übertragen, pestähnlich; kul¬
turell Pestbazillen sichergestellt.
Ib. Infektionsversuche durch intramuskuläre Injektion
von Organaufschwemmungen in die Schwanz- und untere
Rfichenmuskulatur.
Fisch 4 (9 om lang)
ein erbsengroßes Stück von Leber R. 7523 aufgeschwemmt in 1 ccm physio¬
logischer NaCl-Lösung.
R. 7523 hatte zur Sicherung der Diagnose bei pestverdächtigen Ratten
von Dampfer „Lesbos“ gedient und war nach Injektion von 1 ccm einer Auf¬
schwemmung von Leber eines verdächtigen Tieres schon in der darauf¬
folgenden Nacht mit reichlichem Stäbchenbefund im gefärbten Organaus¬
strich und kulturell nachgewiesenen Pestbazillen in den Organen eingeg^ngcc.
Fisch nach der Impfung lebhaft; nach 24 Stunden erscheinen die
Schuppen an der Impfstelle leicht gesträubt, letztere selbst mäßig leicht
geschwollen; tot nach 5 Tagen. Kontrollfisch munter.
Sektionsbefund: Muskulatur an der Impfstelle blutreich, graurot
sonst o. B. Darmgefäße stärker gefüllt; innere Organe o. B. Im gefärbten
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Über künstliche und natürliche Pestinfektion von Fischen. 323
Ausstrich von Herz: viele kurze schlanke und plumpe Stäbchen, meist zu
zweien aneinanderliegend; vereinzelt Andeutung von Polfärbung. Muskulatur
der oberen Rückengegend und Impfstelle: Diplokokkenähnliche Bakterien
und vereinzelte Polstäbchen.
Kulturell aus Herz und Muskulatur auf Agar neben üppigen, zartere
runde, glasige Kolonien, die in toto gekörnt, sehr klein und glattrandig
sind. Gelatine verflüssigt. Pestbazillen kulturell nicht nachgewiesen.
Zum weiteren Nachweis: 1. bohnengroßes Stück der Rückenmus¬
kulatur und Herz aufgeschwemmt in 2 ccm physiologischer NaCI-Lösung sub¬
kutan an R. 7571, tot nach 2 Tagen; Sektionsbefund nicht unähnlich dem
Pestbefund; aus den Organen kulturell zahllose sehr kleine, runde, leicht
gekörnte und spitz gebuckelte Kolonien, die sich kulturell sehr pestähnlich
verhalten, jedoch keine Agglutination mit Pestserum ergeben; für Meer¬
schweinchen gleichfalls pathogen sind und aus den Organen leicht wieder rein
gezüchtet werden können. Die Kolonien haben mit Pestkolonien nur das
zarte Wachstum gemeinsam; im Bau erinnern sie durchaus nicht an diese.
2. bohnengroßes Stück der Muskulatur der Impfstelle, aufgeschwemmt in
2 ccm physiologischer NaCI-Lösung subkutan an R. 7572; tot nach 24 Stunden;
Befund anatomisch und kulturell wie bei R. 7571; gleiches Verhalten zeigen
Reinkulturen nach Meerschweinchenpassage. 3. Fischkadaver verfüttert an
R. 7573, überlebt, getötet nach 22 Tagen; kein Verdacht auf Pestinfektion.
Kontrollratte 7558 gleich behandelt wie Fisch 4, tot nach 3 Tagen
mit anatomisch typischem Pestbefund, im Ausstrichpräparat Polstäbchen und
kulturell naebgewiesene Pestbazillen in den Organen.
Fisch 9 (10 cm lang).
Bohnengroßes Milzstück von M. S. 994 aufgeschwemmt in ccm physio¬
logischer NaCI-Lösung.
M. S. 994 hatte zur Sicherung der Diagnose bei pestverdächtigen Ratten
des Dampfers „Lesbos“ gedient und war nach kutaner Impfung mit Milz¬
stückchen einer verdächtigen Ratte nach 6 Tagen unter typischem Pest¬
befund und mit äußerst zahlreichen Polstäbchen im gefärbten Ausstrisch-
präparat der Organe eingegangen; Pestbazillen in den Organen kulturell
nachgewiesen.
Nach der Impfung lebhaft; tot an der Oberfläche des Wassers nach
3 Tagen. Sektionsbefund: Gefäße der Muskulatur stärker gefüllt, stellen¬
weise punktgroße rote Flecke (Blutaustritte?!), Organe der Bauchhöhle und
Darmgefäße sehr blutreich. Impfstelle etwas dunkler, graurot, sonst o. B.
Im Ausstrich von Muskulatur, Herz und Galle keine Bakterien.
Kulturell aus Herz neben üppigen, unverdächtigen, vereinzelte zarte,
pestähnliche Kolonien auf Agar und Gelatine; kulturell: Pestbazillen nach¬
gewiesen; aus Muskulatur derselbe Befund; aus Galle: etwas reichlichere
doch nicht zahlreiche pestähnliche, zarte Kolonien, die kulturell als Pest
identifiziert werden.
Zum weiteren Nachweis: 1. bohnengroßes Stück von Muskulatur
sowie Herz aufgeschwemmt in 1 com physiologischer NaCI-Lösung an R. 7601;
überlebt; abgetötet nach 21 Tagen, anatomisch und kulturell ohne pest-
verdächtigen Befund. 2. Kadaver verfüttert an R. 7602; überlebt; abgetötet
nach 21 Tagen. Befund negativ.
21 *
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324
Ernst Fürth:
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Kontrollratte 7561 gleichbehandelt wie Fisch 9, tot nach 2 Tagen
mit anatomisch typischem Pestbefund und kulturell nachgewiesenen Pest-
bazillen in den Organen.
Fisch 11 (9 cm lang). 11
Bohnengroßes Stück von Leber R. 7560 aufgeschwemmt in l / 2 ecm physio¬
logischer NaCl-Lösung. R. 7560 diente bei Fisch 6 schon als KontroUtier
(s. dort).
Fisch nach der Impfung lebhaft; tot an der Wasseroberfläche
nach 6 Tagen ohne vorhergehende Krankheitserscheinungen. Sektions¬
befund: Organe der Bauchhöhle und Darmgefäße blutreich; Darminhak
dünnbreiig, graurot, sonst o. B. Impfstelle graurot, breiig weich: bei Er¬
öffnung entleert sich ein grauroter, breiiger Saft; im gefärbten Ausstrich der t
Organe sowie von Muskulatur und Galle keine Bakterien; kulturell aus Galle
glasig opake, runde Kolonien; aus Muskulatur und Herz nur üppige Kolonien,
die sich kulturell nicht als Pestkolonien ergaben. Nach 3 Tagen: Gelatine
verflüssigt, Agar von schleimigen Kolonien überwuchert.
Zum weiteren Nach weis: bohnengroßes Muskulaturstück (entfernt von
der Impfstelle) in 2 ccm physiologischer NaCl-Lösung aufgeschwemmt sub¬
kutan an R. 7636, tot nach 10 Tagen unter anatomisch typischem Pe>t-
befund, Polstäbchen in den gefärbten Organausstrichen und kulturell nach-
gewiesenen Pestbazillen in den Organen. j
Kontrollratte 7603 gleich behandelt wie Fisch 11, tot nach 2 Tagen !
mit pestverdächtigem Sektionsbefund und zahlreichen Polstäbcben in den
Organausstrichen.
Kulturell: Pestbakterien neben zahllosen anderen zarten Kolonien
nicht nachgewiesen.
Fisch 12 (9 cm lang).
Behandelt wie Fisch 11, nach der Impfung lebhaft; tot am Boden
nach 8 Tagen; Kontrollfisch lebhaft. Sektionsbefund: an der Impf¬
stelle äußerlich erkennbare Schwellung; beim Einschnitt entleert sich trüt«?,
graugelbe Flüssigkeit; Muskulatur der Impfstelle breiig zerfallen. Organe ;
der Bauchhöhle sehr blutreich, sonst o. B.; im gefärbten Ausstrich vom Herz !
keine Bakterien; von Muskulatur: vereinzelte kurze und längere plumpe
Stäbchen ohne Polfarbung, von Leber und Galle vereinzelte plumpe längere
Stäbchen. Aus Herz, Muskulatur, Leber und Galle: kulturell viele Kolonien
üppig und zart, teilweise auf Gelatine pestähnlich; letztere auf Agar wieder
koliähnlich und wie alle anderen kulturell nicht als Pestkolonien erkannt.
Zum weiteren Nachweis: Muskelaufschwemmung von Fisch 12
(2 Tage im Eisschrank gehalten) an R. 7634 subkutan, überlebt, getötet ,
nach 14 Tagen, ohne Pestbefund. ?
Nach den vorstehenden Protokollen haben die zu den Impfungen
verwandten Pestkulturen die Kontrollratten in allen Fällen unter Pest- 1
erscheinungen getötet. Von den insgesamt 14 Impffischen sind nur 9
verendet, und zwar innerhalb 3 bis 20 Tagen nach der Impfung. E<
konnte aber bei keinem der verstorbenen Tiere der Eindruck gewonnen
werden, als sei es einer pestartigen Erkrankung erlegen. 5 Fische über¬
lebten überhaupt völlig und wurden nach 3 bis 5 Wochen abgetötet, eben-
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Übeb künstliche und natürliche Pestinfektion von Fischen. 325
falls ohne einen verdächtigen pathologischen Befund zu ergehen. Be¬
treffend der Sektion der Tiere und der Beurteilung des Befundes sei hier
bemerkt, daß ich den Hauptwert auf die bakteriologische Untersuchung
legte und versuchte aus Muskulaturstückchen (an verschiedenen Stellen
entnommen), sowie aus Herz, Leber und Galle den Nachweis von Pest¬
bazillen zu liefern. Nichtsdestoweniger richtete ich jedoch auch auf
makroskopisch bemerkbare Veränderungen der Organe mein Augenmerk.
Genauere Bestimmungen betreffend der Organveränderungen zu machen,
war mir bei der Ungewohntheit des Materials, mit dem zu arbeiten ich
bisher keine Gelegenheit hatte, und der Kleinheit der Organe der Ver¬
suchstiere nicht möglich. Bei der Sektion der Fische ging ich so vor,
daß ich den oberflächlich mit steriler Watte getrockneten Fisch in der
Rückenlinie vom Kopf bis zum Schwanzansatz mit sterilem Messer bis
auf die Rippen durchtrennte, dann mit stets erneuerten Instrumenten
aufklappte und die Organe zum Plattenausstrich entnahm; die Muskel¬
stückchen wurden gleichfalls aus der Mitte der Muskulatur mit sterilen
Instrumenten herausgeschnitten, um jede Verunreinigung von der Ober¬
fläche auszuschließen.
Wie die obenangeführten Protokolle ergeben, scheinen sich bei keinem
der Impftiere besondere Veränderungen anatomischer Art ausgebildet zu
haben, mit Ausnahme einer breiigen Einschmelzung der Impfstelle bei
Fisch 11 und 12. Es wurde zwar fast stets eine Blutfülle der Organe
und des Peritoneums gefunden, doch bringe ich das insofern nicht in
ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung, als die meisten Kontroll-
fische, sowohl spontan eingegangene, wie getötete, denselben Befund zeigten.
Über das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung sodann ist zu
sagen, daß bei fünf der neun nach der Impfung verstorbenen Fische weder
mikroskopisch noch kulturell Pestbakterien nachweisbar waren. Von den
übrigen wurden bei drei Fischen, die ca. 18 Stunden, 2 und 7 Tage nach
der Impfung starben, nur in der Gegend der Impfstelle aus der Muskulatur
Pestbakterien isoliert. Bloß bei einem, 3 Tage nach der Einverleibung
eingegangenen Fisch (9) konnten auch in Herz- und Körpermuskulatur
wenige, in Galle etwas reichlichere Pestbakterien nachgewiesen werden.
Anders aber wird das Bild durch Heranziehung des Tierversuchs.
Durch ihn ergaben sich die Gewebe einiger weiterer Fische, die nach
Ausfall des Kulturversuchs allein als unverdächtig erschienen waren, als
pestinfiziert. Auf der anderen Seite hinwiederum versagte einigemale der
Tierversuch (vgl. Fisch 21 und 9), obwohl die aus Organen der betreffenden
Fische angelegten Aussaaten Pestbakterieu hatten auswaclisen lassen.
Die folgende Tabelle gestattet eine Übersicht über die eben be¬
sprochenen Verhältnisse:
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326
Kunst Fübth:
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Tabelle I.
Fisch-
Tot nach
Pestbazillen nachgewiesen aus |
Tierimpfung
mit Muskulatur-
aufschwemmung
Nr.
Tagen
Muskulatur
der Impfstelle
der übrigen Muskul.
und Organen
a) 6
6
—
—
f nach 5 Tagen; Pest
4
5
—
—
f n. 2 Tag.; keine Pest
11
6
—
—
+ nach 10 Tagen; Pest.
12
8
Tier überlebt; getötet
nach 14 Tagen; ohne
Befund.
b) 16
7
nicht sehr zahlreich
—
+ nach 6 Tagen; Pest
20
ca. 18 Std.
viele Kolonien
—
f nach 5 Tagen; Pest
21
2
viele Kolonien
Tier überlebt; getötet
nach 13 Tagen; ohne
Befund.
c) 9
3
_
aus Milz u. Muskul.
wenige, aus Galle
| etwas reichlicher
Tier überlebt; nach
21 Tagen getötet;
ohne Befund.
Daß in der Nähe der Impfstelle auch nach einer Reihe von Tagen
noch eine Anzahl lebender Festerreger gefunden wird, ist bei der Menge
der intramuskulär eingeführten Bakterien vielleicht nichts Verwunderliches.
Bedenklicher erscheint schon der Umstand, daß, wie Fisch 9 zeigt, bei
einem 3 Tage nach der intramuskulären Impfung verendeten Fisch Fest-
bazillen im Herzblut und in der Galle gefunden wurden.
Die Fälle Fisch 5, 18, 19, 23 aber vollends verdienen unsere höchste
Beachtung. Hier beherbergen intramuskulär geimpfte Goldfische die Fest¬
bazillen, 20, 22 und 37 Tage lebend und entwicklungsfähig in ihrem
Körper, ohne offenbar selbst erkrankt zu sein. Dabei haben aber die
Festbakterien anscheinend ihre Virulenz keineswegs eingebüßt. Denn die
nach 37 tägigem Aufenthalt im Kaltblüterorganismus (vgl. Fisch 5) isolierten
Reinkulturen töten Meerschweinchen mit typischem Pestbefund.
Nach den vorstehenden Versuchen darf somit wohl die Annahme
berechtigt erscheinen, daß Goldfische nach intramuskulärer Einverleibung
von virulenten Pestbakterien nicht einer pestähnlichen Erkrankung anheim¬
fallen. Dagegen ist sicher, daß sich Pestbakterien von der Impfstelle aus
weiter im Körper verbreiten, in den Organen ansiedeln und sich hier
längere Zeit am Leben und virulent erhalten können. Es darf zur rich¬
tigen Beurteilung dieser Tatsache aber nicht vergessen werden, daß hier im
Experiment Bedingungen geschaffen worden sind, wie sie in der Praxis
im allgemeinen nicht in Frage kommen. Es nimmt daher diese Er¬
wägung der obigen Fesstellung beinahe jede praktische Bedeutung, trou
ihres wissenschaftlichen Interesses.
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Übkk künstliche und natürliche Pestinfektion von Fischen. 327
II. Infektionsversuche durch Fütterung mit pestbazillenhaltigen
Organstückchen.
Bei diesen Versuchen, welche bezwecken, Bedingungen zu schaffen,
wie sie in der Natur vorliegen und deshalb eben ein hohes Interesse für
uns besitzen, kamen zwei Gesichtspunkte in Frage:
1. besteht die Möglichkeit, Goldfische vom Magen-Darmkanal aus
mit Pest zu infizieren? 2. wie lange nach Einführung pestinfizierter
Nahrung werden mit dem Kot virulente Pestbakterien ausgeschieden?
Wie schon oben erwähnt, fraßen die Fische das in kleine Stückchen
geschnittene Milz-, Leber- und Lungenmaterial gierig. Es wurde bei den
Versuchen so vorgegangen, daß, bald nachdem das vorgeworfene Fleisch
gefressen war, die Fische in einen anderen, mit frischem Wasser gefüllten
Behälter umgesetzt wurden, und diese Maßnahme wurde dann täglich
nach Entnahme der entleerten Fäces wiederholt. Im allgemeinen wurde
das Umsetzen in frisches Wasser von den Fischen gut vertragen. Nur
Fische 26 bis 29 starben am dritten Tage nach der Fütterung im An¬
schluß an das Umsetzen, da das Wasser versehentlich vorher nicht auf
Zimmertemperatur gebracht worden war. Die Fäces, die meist in festen
oder breiigen Fäden umherschwammen, ließen sich leicht abfangen, sie
wurden in 1 bis 2 ccra physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt und
an Ratten oder Meerschweinchen subkutan verimpft. Nach den bisher
gemachten Erfahrungen über Reinzüchtung von Pestbazillen aus den Fäces
und Beeinträchtigung ihres Wachstums in Gegenwart von Kolibakterien,
Streptokokken und menschenpathogenen Bakterien in größerer Anzahl war
die Aussicht, durch Plattenausstrich die Pestbakterien direkt wiederzufinden,
gering. Albrecht und Ghon 1 , die bezüglich dieses Punktes größere
Untersuchungen anstellten, kommen zu dem Schluß, daß der Nachweis
der Pestbazillen aus den Fäces (es handelt sich in diesem Falle um
Menschen- und Tiermaterial) häufig trotz entsprechender Nährböden nicht
möglich ist, obwohl in vielen Fällen Pestbakterien im Darm vorhanden
sein müßten. In diesen Fällen ist manchmal noch der Tierversuch von
Erfolg. Bitter (7) fand, daß sich die Pestbazillen gegenüber der Kon¬
kurrenz mit gewissen anderen Bakterien, namentlich Bact. coli und
Streptokokken als sehr empfindlich erwiesen, was sich besonders in Kulturen
bemerkbar machte. Vor allem ist der Grund hierfür bei Gegenwart anderer
nichtpathogener und pathogener Bakterien, auch wenn diese nicht so reich¬
lich vorhanden sind, im langsamen Wachstum der Pestbazilleu zu sehen.
So gab ich die Absicht, die Pestbazillen durch Plattenausstriche un¬
mittelbar aus den Fäces zu isolieren, nach einigen vergeblichen Versuchen
1 A. a. 0. Seite 036.
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328
Kunst Füuth:
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auf, und wandte mich dem Tierexperiment zu. Doch bleibe hier nicht
unerwähnt, daß nach den gelegentlich der Untersuchungen pestinfizierter
Ratten gesammelten umfangreichen Erfahrungen des hiesigen Instituts
[vgl. Trautmann (8)], „bei auf trockenen Fleischwasseragarplatten an¬
gelegten Ausstrichen von noch so sehr durch Mischinfektion bzw. Fäulnis
verunreinigten Organen von 3 bis 4 Tagen an bis jetzt wohl stets etwa
vorhandene Pestkeime als typische Pestkolonien** haben nachgewiesen
werden können, „während innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden ihr
Auffinden allerdings Schwierigkeiten begegnen kann* 4 .
Ich schicke nun wiederum die auf das Folgende bezüglichen Unter¬
suchungsprotokolle voraus:
Fisch 2 und 3
gefüttert mit Leberstückchen von R. 7523; beide Tiere fressen in kurzer
Zeit das gesamte Material auf, dann nochmals gefüttert und umgesetzt in
frisches Wasser.
[R. 7523 war mit l-O® 0 ® Leberaufschwemmung von einer pestverdäeh-
tigen Ratte des Dampfers „Lesbos“ geimpft und am nächsten Tage tot mit
zahlreichen pestähnlichen Stäbchen und kulturell nachgewiesenen Pestbazillen
in den Organen.]
Die mit gleicher Leberaufschwemmung wie Fische 2 und 3 subkutan
geimpfte Kontrollratte 7603 war tot nach 6 Tagen mit anatomisch
typischem Pestbefund; kulturell wurden Pestbazillen jedoch nicht nach¬
gewiesen; daß es sich jedoch um eine Pesterkrankung handelte, ergibt sich
daraus, daß mit Organstücken gefütterte Fische kulturell sichergestellte
Pestbazillen späterhin mit dem Kot ausscheiden (s. Fisch 13 und 14).
Die Fische 2 und 3 überleben und sind während der Beobachtungs¬
zeit, 1 x / a Monate, lebhaft. Fäces an Ratten wie folgt verimpft.
Tabelle II.
Zeit nach
der Fütterung
Art des Materials
verimpft an
Ergebnis
sofort bis 8 Stdn. I Fäoesfäden an R. 7542
tot in der folgenden Nacht; kein Pest¬
befund. Kulturell: zahllose zarte Kolo¬
nien, bestehend aus mit Pestserum nich;
agglutinierenden Bakterien.
8 bis 27 Stunden
27 bis 52 Stunden
graugrüne, schleimige
Fäcesiäden an lt. 7543
Fäces an R. 7544
tot nach 4 Tagen; Pestbefund.
tot nach 2 Tagen; kein Pestbefund;
kulturell wie R. 7542.
52 bis 100 Stunden
Fäces an R. 7562 tot nach 5 Tagen; im Ausstrich Pol¬
stäbchen. Pestbakterien unter den zahl¬
losen Kolonien nicht zu finden.
100 bis 124 Stunden Fäces an R. 7585 tot nach 7 Tagen; typischer, anatomischer
| Pestbefund. Polstäbchen in den Organ-
I ausstrichen und kulturell sichergeste 1!:<
i , Pestbazillen in den Organen.
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ÜUEK KÜNSTLICHE UND NATÜRLICHE P ESTIN LEKTION VON FlSCHEN. 329
Fische getötet nach 41 Tagen; Sektionsbefund: innere Organo
o. B. Leber: klein, zerreißlich, graurot. Muskulatur und Darm: o. B. Im
gefärbten Ausstrich von Fisch 2: Leber, Herz und Muskulatur keine Bak¬
terien; von Galle: nicht reichliche sehr kleine Diplokokken. Kulturell kein
Wachstum.
Fisch 3: Leber, Galle und Muskulatur keine Bakterien; Herz: ver¬
einzelte zu zweien aneinanderliegende, kurze, plumpe Stäbchen.
Kulturell: Aus Herz und Lunge üppige und zartere Kolonien von
beweglichen Stäbchen. Galle und Muskulatur: kein Wachstum.
Fisch 7 und 8 .
gefüttert mit Milzstückchen von Meerschw. 994, nach 5 Stunden Material
völlig gefressen, Fische mehrmals in frisches Wasser umgesetzt.
Meerschw. 994 war kutan mit Organstück einer verdächtigen Ratte des
Dampfers „Lesbos“ geimpft und nach 6 Tagen mit typischem Pestbefund,
zahllosen Polstäbchen in den Organen eingegangen, kulturell Pestbakterien
sichergestellt.
Fisch 7 nach 8 Tagen tot am Boden, vorher einige Stunden
hastige Schwirambewegungen; auf der Haut und den Schuppen diffuse, grau¬
rote ca. 3 mra im Durchschnitt große Flecke. Sektionsbefund: Innere
Organe sehr blutreich, desgl. Darmgefäße. Muskulatur: Vereinzelte punkt-
große rote Stellen (Blutungen?). Im Ausstrich von: Herz, Galle, Muskel
und Eierstock: keine Bakterien.
Kulturell: Üppige Kolonien; aus Muskel und Herz: vereinzelt; aus
Eiorstock: reichlich; in Gallenblase: desgleichen, daneben: zarte, gebuchtete
Kolonien. Kulturell: Pestbakterien ausgeschlossen.
Zum weiteren Nachweis:
1. An R. 7619 Darmaufschwemmung subkutan (s. unten).
2. „ R. 7820 Muskelaufschweramung subkutan.
3. R. 7618 gefüttert mit Kadaver von F. 7; R. 7618 und R. 7620
überleben, getötet nach 19 Tagen: kein Pestbefund. Die Fäces der Fische
werden mit folgendem Ergebnis verimpft:
Tabelle III.
Zeit nach
der Fütterung 1
Art des Materials '
verimpft an !
Ergebnis
sofort bis 7 Stunden
Fäces an 11. 7569 ,
überlebt; getötet n. 22 Tg.; k. Pestbefund.
7 bis 24 Stunden
Fäces an R. 7586
tot nach 2 'lagen mit typischem Pest¬
befund und kulturell nachgewiesenen
Pestbazillen in den Organen.
24 bis 48 Stunden
braungelbe, breiige
Fäces in langen Faden;
an R. 7598
überlebt; getötet nach 22 Tagen;
kein Pestbefund.
48 bis 86 Stunden
spärliche, durchschein.
1 Faden; an K. 7604
überlebt; getötet nach 20 Tagen;
kein Pestbefund.
|
t. Fäces an K. 7616
überlebt; getötet n. 18 Tg.; k. Pestbefund.
8 Tage j
2. 1 ) a r in a u f s e h w e 11 i i n g .
, von Fisch 7 an \t. 7619
übeihht; getötet nach 19 Tagen;
kein Pestbefund.
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Fisch 8 (9 cra lang) getötet nach 37 Tagen, vorher lebhaft und
anscheinend gesund. Sektionsbefund: Leber klein; graurot, zerreißlieh;
innere Organe: o. B. Muskulatur der Impfstelle: ziemlich weich, graurot.
Im Ausstrich von Muskulatur, Leber, Galle und Herz: keine Bakterien.
Kulturell: Aus Galle sehr reichliches Wachstum, Pestbazillen kulturell
ausgeschlossen.
Fisch 13 und 14
gefüttert mit Leberstückchen von R. 7603 (Kontrollratte von Fisch 2 und 3),
nach 3 Stunden Material aufgefressen; in neues Wasser umgesetzt.
Fisch 13 (9 cm lang), nach 10 Tagen tot an der Oberfläche.
Fisch 14 lebhaft. Sektionsbefund: Organe sehr blutreich, doch ohne
Veränderungen, desgleichen Darm. Im Ausstrich: keine Bakterien.
Kulturell: Keine Pestbazillen nachgewiesen. Platten steril.
Zum weiteren Nachweis:
1. Leber, Galle, Herz und Darminhalt in Aufschwemmung an R. 7640:
überlebt; getötet nach 13 Tagen: ohne Pestbefund.
Fisch 14, nach 14 Tagen tot an der Oberfläche; vorher einige
Stunden schwach atmend auf dem Rücken an der Oberfläche. Sektions¬
befund: Innere Organe und Muskulatur: o. B. Darm: mit graurötlichem,
dünnflüssigem Inhalt gefüllt. Im Ausstrich von Galle und Herz: keine Bak¬
terien; Muskulatur: viele Diplokokken, feine Stäbchen und plumpe, polgefärbte
Stäbchen.
Kulturell: Aus Herz keine Bakterien. Aus Galle, Leber und Muskulatur
nur üppige und zarte Kolonien: kulturell Pestbazillen ausgeschlossen.
Zum weiteren Nachweis: Darmaufschwemmung an R. 7668 subkutan
(s. unten). Dio Fäces der Fische wurden mit folgendem Ergebnis verimpft:
Tabelle IV.
Zeit nach
der Fütterung
sofort bis 20 Stdn.
26 bis 28 Stunden
10 Tage
14 Tage
Art des Materials
verimpft an
schleimig-weiche
Fäccs an R. 7608
Fäces an R. 7609
Darm aufsch wemmung
von Fisch 13 an R.7640
Darm-, Leber-, Gallen-
uud Herzaufschwem¬
mung an R. 7668
Ergebnis
tot nach 3 Tagen; kein Pestbefund.
tot nach 5 Tagen mit typischem Pest-
befand und kulturell nackgewiesenen
Pestbazillen in den Organen.
überlebt; getötet nach 13 Tagen;
ohne Pestbefund.
überlebt; getötet nach 9 Tagen,
ohne Pestbefund.
Fisch 24 und 25.
gefüttert mit Stückchen von Leber, Milz und Lunge von R. 7632.
[R. 7632 war nach der Impfung mit l j A Öse 24 ständiger „Hypatia*-
Kultur nach 4 Tagen mit typischem Pestbefund, zahllosen pestartigen Pol-
stäbchen in den Organon und kulturell nachgewiesenen Pestbazillen ein¬
gegangen.]
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Ü BEB KÜNSTLICHE UND NATÜRLICHE PESTINEEKTION VON FlSCHEN. 331
Nach 24 Stunden Material völlig gefressen; Fische in neues Wasser
gesetzt.
Fisch 24 nach 4 Tagen tot am Boden. Sektionsbefund: Innere
Organe o. B., Darmgefäße mäßig gefüllt; Schleimhaut von Magen und Darm
anscheinend intakt. Darminhalt grauweiß, breiig; im Ausstrich von Herz
und Galle keine Bakterien, Muskulatur: vereinzelte plumpe Stäbchen. Kul¬
turell auf Agar und Gelatine keine Pestkolonien.
Zum weiteren Nachweis: Darminhalt an R. 7705 (s. unten).
Fisch 25 überlebt, lebhaft; getötet nach 10 Tagen, innere Organe
und Darm o. B., im Ausstrich keine Bakterien. Kulturell nur aus Galle
wenige nicht pestähnliche Kolonien.
Fäces an Ratten verimpft wie folgt:
Tabelle V.
Zeit nach
der Fütterung
Art des Materials
verimpft an
Ergebnis
20 bis 40 Stunden
40 bis 72 Stunden
72 bis 90 Stunden
Fäces an R. 7662.
Gewebefetzen noch
unterscheidbar
Fäces au R. 7673
1. Fäces an R. 7706
2. Darminhalt von
Fisch 24 an R. 7705
tot nach 3 Tagen mit pestverdächtigem
anatomischem Befund; Pestbazillen jedoch
kulturell i. d. Organen nicht nachgewiesen.
tot nach 3 Tagen mit typischem Pest¬
befund und kulturell nachgewiesenen
Pestbazillen in den Organen.
tot nach 8 Tagen; kein pestverdächtiger
Befund. Pestbazillen in den Organen nicht
nachgewiesen.
überlebt; anscheinend gesund. Getötet
nach 21 Tagen; anatomisch u. kulturell
kein Pestbefund.
90 bis 114 Stunden
5 Tage
6
8
»
>»
9
»»
Fäces an R. 7600
Fäces an M. S. 1003
Fäces an M. S. 1004
Fäces an M. S. 1005
Darminhalt von F. 25
an M. S. 1006
überlebt; anscheinend gesund. Getötet
nach 39 Tagen; kein Pestbefund.
wie vorher; getötet nach 37 Tagen.
wie vorher; getötet nach 36 Tagen.
wie vorher; getötet nach 34 Tagen.
wie vorher; getötet nach 33 Tagen.
Bei allen kein Pestbefund.
Fisch 26 und 27.
gefüttert wie Fisch 24 und 25, 2 Tage nach der Fütterung nach dem
Umsetzen in zu kaltes Wasser hastige Schwimmbewegungen in Seiten¬
lage, tot nach weiteren 24 Stunden.
Fisch 26, Sektionsbefund: Organe sehr blutreich, Gefäße des Peri¬
toneums stark gefüllt; Darminhalt breiig, weißgrau, keine entzündlichen Er¬
scheinungen der Magen- und Darmschleimhaut. Im gefärbten Ausstrich:
Herz: keine Bakterien, Muskulatur: vereinzelte plumpe Stäbchen; Galle: ver¬
einzelte zarte, lange Stäbchen. Kulturell: Üppige Kolonien aus Herz und
Muskel, zarte, gekörnte, runde aus Galle, kulturell Pestbazillen nicht ermittelt.
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332
Kunst Füuth:
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Zum weiteren Nachweis: Leber und Darminhalt in Aufschwemmung
subkutan an R. 7670, getötet nach 22 Tagen, anatomisch und kulturell
kein Pestbefund.
Fisch 27, ähnlicher Befund wie bei Fisch 26. Pestbazillen in Muskulatur.
Herz und Galle nicht nachgewiesen.
Zum weiteren Nachweis: Leber und Darminhalt in Aufschwemmung
subkutan an R. 7669, tot nach 6 Tagen mit typischem Pestbefund, Po!-
Stäbchen in den Organausstrichen und kulturell nachgewiesenen Pestbazilkn
in den Organen.
Fisch 28 und 29
gefüttert wie Fisch 24 bis 27, tot wie Fisch 26 und 27.
Fisch 28 in der Nacht zum 3. Tage nach der Impfung tot.
Sektionsbefund: Organe blutreich, sonst o. B. Gefäße des Peritoneums
stark gefüllt. Darm und Magen ohne entzündliche Erscheinungen. Inhalt,
grauweiß, breiig. Schleimhaut von Magen und Darm ohne erkennbare Ver¬
änderung. Im gefärbten Ausstrich keine Bakterien. Kulturell: Galle und
Muskulatur kein Wachstum. Herz nur vereinzelte nicht pestähnliche Kolonien.
Zum weiteren Nachweis: Darminhalt an R. 7671, überlebt, getötet
nach 22 Tagen, anatomisch und kulturell kein Pestbefund.
Fisch 29, tot am 3. Tage vormittags; Befund wie bei Fisch 2si:
im gefärbten Ausstrich keine Bakterien; kulturell aus Herz und Muskel
kein Wachstum; aus Galle und Leber nur große, üppige, kulturell als nicht
pestverdächtig erkannte Kolonien.
Zum weiteren Nachweis: Darminhalt an R. 7672, tot nach 6 Tagen
mit typischem Pestbefund, Polstäbchen im gefärbten Organausstrich und
kulturell nachgewiesenen Pestbazillen in den Organen.
Die erste Frage, ob Goldfische nach Genuß von pestbazilleuhaltigem
Material an einer Pesterkrankuug zugrunde gehen, beantwortet sich den
vorstehenden TJutersuchuugsergebnissen gemäß folgendermaßen:
Von zwölf in Frage kommenden Versuchsfischen überlebten vier, bzw.
wurden nach 10, 37 und 41 Tagen abgetötet, und anatomisch sowie
kulturell auf eine etwa eingetreteue Pestiufektion untersucht. Diese Prü¬
fungen fielen durchaus negativ aus.
Aber auch bei den übrigen acht, früher oder später nach der
Fütterung mit Pestorgauen zu Tode gekommenen Versuchsfischen waren
die Bemühungen kulturell Pestbazilleu in ihren Organen nachzuweisen,
fruchtlos, wie auch durchweg pathologisch-anatomische Veränderungen bei
allen Tieren vermißt wurden. Bei vieren dieser acht Versuchstiere ist
übrigens der Tod infolge Umsetzens in zu kaltes Wasser am wahrschein¬
lichsten.
War somit die erste Frage zu verneinen, so mußte die Bestätigung
der Vermutung, daß etwa nach Einführung pestinfizierter Nahrung mit den
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Über künstliche und natürliche Pestinfektion von Fischen. 333
Fäces Pestbazillen noch eine Zeitlang ausgeschieden würden, erhöhte Be¬
deutung gewinnen; denn es ergab sich damit die Möglichkeit, daß ein
Fisch virulentes Infektionsmaterial mit sich herumträgt, ohne daß die
geringsten Anzeichen einer Erkrankung an ihm zu bemerken wären. Meine
Versuche ergaben, daß die in den ersten 7 bis 8 Stunden nach der Fütte¬
rung entleerten Fäces keine Pestbazillen enthielten. Dagegen enthielten
die Fäces, die am 2. und 3. Tage nach der Fütterung zur Untersuchung
gelangten, mehrfach virulente Pestbazillen, so daß die mit solchen Fäces
geimpften Versuchstiere (Ratten und Meerschweinchen) einer Pesterkran¬
kung erlagen. Einmal gelang dieser Nachweis sogar noch 124 Stunden
nach der Fütterung. Diesen positiven Befunden steht jedoch eine Reihe
von Versuchen gegenüber, in denen es nicht gelang, in derselben Zeit
den Nachweis von Pesterregern zu erbringen.
Die Frage, ob der Pestbacillus im Fischdarm erheblich geschädigt
wird und den anderen Darmbakterien gegenüber nicht lange bestehen
kann, oder ob die Ausscheidung mit den Fäces sich in kurzer Zeit so
gründlich vollzieht, daß allein dadurch Pestbazillen nicht mehr im Darm
Zurückbleiben, lasse ich offen. Jedenfalls bleibt die Tatsache bestehen,
daß der Fischdarm mehrere Tage nach der Einfuhr von 4Pestmaterial —
in meinen Versuchen 5 Tage lang — virulente Pesterreger beherbergen
kann, die mit dem Kot zur Ausscheidung gelangen, ohne daß der Fisch
Krankheitserscheinungen im Leben und nach dem Tode zeigt. Gegen den
Umstand, daß etwa die Gallenausscheidung hierbei eine Rolle spielt (wie man
dies z. B. für Typhusbazillenträger festgestellt hat) spricht der negative Aus¬
fall der bakteriologischen Gallenuntersuchung bei allen meinen Füttertieren.
Hinsichtlich der Untersuchungsweise im allgemeinen sei noch folgendes
bemerkt. Es wurden stets Ausstriche auf Agar- und Gelatineplatten gleich¬
zeitig angelegt, und zwar erstere bei 35° und 22°, letztere nur bei 22°
bebrütet. Wenn man auch bei Pestkolonien nach 24 bis 48stündiger
Bebrütung in den meisten Fällen die charakteristischen, zarten Kolonien
mit stärker hervortretendem, gekörntem, zentralem Teil und dem stark
gebuchteten zarten Saum bei Agarkulturen findet, so konnte ich mich
doch nicht darauf beschränken, nur solche und ähnliche Kolonien weiter
zu verfolgen. Schon Al brecht und Ghon 1 beschreiben, wenn auch als
seltener, neben diesen charakteristischen Pestkolonien eine zweite Art, die
rundlich, schärfer begrenzt und erhaben, nach 48 Stunden mikroskopisch
eine Andeutung von feinem, schmalem Saum und wallartig erhobene
Ränder aufweist. Ich mußte bei meinen Versuchen mit der Möglichkeit
rechnen, daß die Pestbazillen durch die Fischpassage vielleicht in der Form
, 1 A. a. O. S. 608 ff.
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334
Ernst Fürth:
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der Kolonien Veränderungen erlitten und verfolgte deshalb in allen Fällen,
in denen bei der Plattenaussaat Kolonien aufgingen, die im entferntesten
an Pest denken ließen, diese kulturell weiter. Meist ließ sich schon durch
den hängenden Tropfen, durch Gramfarbung oder die Eigenschaft, Trauben¬
zucker zu vergären, der Pest verdacht ausschließen, doch gab bei einigen
Bakterien, wie aus den Protokollen hervorgeht, erst die Agglutinations¬
probe mit Pestserum, die nebenbei bemerkt, bei jedem der in der Arbeit
als positiv angeführten Nachweise positiv ausfiel, den Ausschlag, bei einem
sonst pestähnlichen kulturellen Verhalten der fraglichen Bakterien.
Durch die Fütterungsversuche ist zugleich eine andere Frage mit
beantwortet worden, nämlich die nach der Infektionsmöglichkeit durch
Halten der Fische in mit Pestbazillen infiziertem Wasser. In allen Fällen
wurde durch das Einbringen des sehr brüchigen, weichen Materials das
Wasser mehr oder weniger stark infiziert. Es läßt sich demgemäß bei
dem negativen Ausfall der Fütterungsversuche zugleich diese Frage in dem
Sinne beantworten, daß Goldfische, wenn sie in pestbazillenhaltigem Wasser
2 bis 3 Tage gehalten wurden, nicht dazu neigen, an einer Pestinfektion
zu erkranken. Die Tiere brachten durch das Zerkleinern der Organ¬
stückchen und ‘durch die fortwährende Bewegung jedenfalls soviel voll¬
virulentes Material in das ihnen zum Leben dienende Wasser, daß im
Falle, sie leicht zu einer Infektion neigen sollten, eine solche aller Wahr¬
scheinlichkeit nach festzustellen gewesen wäre.
Der Frage, wie lange sich Pestbazillen in dem Wasser, das bei
meinen Versuchen auf Zimmertemperatur gehalten wurde, virulent erhalten,
bin ich nicht näher getreten, doch finden sich über diesen Punkt in der
Literatur mehrere Angaben. So konnte Wilm(9) Pestbazillen in destil¬
liertem Wasser 20 Tage, in Leitungs- und Brunnenwasser 16 Tage und
im Seewasser 6 Tage lang nachweisen. Nach Kasanski (10) blieben
Pestbazillen sogar 10 bis 48 Tage lang in Wasserleitungswasser lebend.
Ich konnte demnach mit Bestimmtheit darauf rechnen, daß sich auch
bei meinen Versuchen die Pestbakterien einige Tage im Wasser lebend
erhalten würden.
Ebensowenig, wie bei den oben angeführten, fand ich bei ungeimpften
Fischen, die mit geimpften in gleichen Behältern zusammengehalten
wurden, bei der Sektion anatomisch und bakteriologisch einen für Pestr
infektion sprechenden Befund. Von den sechs als Kontrollfische zu den
Impftieren gesetzten, gingen innerhalb von 4 bis 9 Tagen vier zugrunde;
auch sie wiesen, wie einige Impftiere, teilweise reichlichen Befund fremd¬
artiger Bakterien, besonders in Galle und Leber auf, ohne daß es gelungen
wäre, in einem Falle unter den teilweise auch sehr zartwachsenden Kolonien
Pestbazillen zu finden. Auch der anatomische Befund glich im allgemeinen
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Übeb künstliche und natübliche Pestinfektion von Fischen. 835
dem bei den Impffischen, vor allem wurde, wie schon erwähnt, die stärkere
Gefäßfüllung des Peritoneums auch bei einigen Kontrollfischen gefunden.
In gleichem Maße war die weitere Verimpfung von Muskulatur und Organ¬
aufschwemmung einiger Kontrollfische an Ratten in allen Fällen ohne
jeden Erfolg. (Tabelle VI.)
Tabelle VI.
Bezeichnung
des Fisches
Mit Impffisch
zusammen
Tot nach
Tagen
j Ergebnis der weiteren Untersuchungen
Kontrollfisch
von Fisch 6
4 Tage
! 4
Muskel- und Kiemenaufschwemmung an
R. 7613; überlebt; getötet nach 35 Tagen;
kein Pestbefund.
Kontrollfisch
von Fisch 9
3 ,.
6
Herz- und Muskulaturaufschwemmung an
i R. 7614; überlebt; getötet nach 35 Tagen;
kein Pestbefund.
Kontrollfisch
von Fisch 4
5 ..
9
Herz- und Muskulaturaufschwemmung an
R. 7607; überlebt; getötet nach 21 Tagen;
kein Pestbefund.
Kontrollfisch
von Fisch 5
32 ..
92
Tierversuch nicht angestellt; anatomisch
und kulturell: kein Pestbefund.
Am Schlüsse fasse ich die Ergebnisse meiner Arbeit kurz wie folgt
zusammen:
1. Weder durch intramuskuläre Injektion vollvirulenten Pestmaterials,
noch durch Verfütterung desselben, läßt sich bei Goldfischen eine Pest¬
erkrankung erreichen, die unter charakteristischen Erscheinungen und
einem spezifischen bakteriologischen Befund zum Tode führte. Es kann
somit mit Sicherheit angenommen werden, daß diese Tiere nicht zu einer
Spontaninfektion neigen.
2. Nach Genuß pestinfizierten Materials werden Pestbakterien zum
Teil mit den Fäces wieder ausgeschieden. Die Ausscheidung hört in den
meisten Fällen schon 2 bis 8 Tage nach der Einführung des Infektions¬
materials auf. Doch besteht die Möglichkeit, daß sich virulente Pest¬
bakterien noch länger im Darm halten und selbst fünf Tage später noch
virulent mit den Fäces ausgeschieden werden, ohne daß der Fisch Krank¬
heitserscheinungen zeigt.
3. Pestbazillen können bei intramuskulärer Injektion in die Körper-
nnd Organsäfte übergehen und hier längere Zeit verweilen, ohne daß das
Befinden des Tieres im Leben und der Organbefund nach dem Tode Ver¬
änderungen aufweist.
Inwieweit diese bei Goldfischen gemachten Erfahrungen auf unsere
Fluß- und Seefische übertragen werden können, muß vorläufig dahin-
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336 Ernst Fürth: Über künstl. u. natürl. Pestinfektion usw.
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gestellt bleiben; doch liegt zunächst kein besonderer Grund vor anzu¬
nehmen, daß sich bei diesen die Verhältnisse wesentlich anders verhalten.
Eine Übertragung der Pest durch Fische ist demgemäß nicht aus¬
geschlossen auch in Gegenden, die nicht von Pest heimgesucht sind, wenn
auch das Zusammentreffen vieler Umstände erst diese Möglichkeit schafft.
Der Fisch selbst braucht dabei keinerlei Verdachtsmomente einer Erkran¬
kung oder Infektionsquelle zu bieten.
Wenn man hiernach die Übertragungsmöglichkeit der Pest durch
Vermittlung der Fische auf dem oben näher angegebenen Wege gelten
lassen will, so wird man diese leicht dadurch vermeiden können, daß man
darauf Bedacht nimmt, Rattenkadaver nicht in das Wasser zu werfeu.
sondern auf andere Weise zu vernichten, wozu auf jedem Schiffe die Mög¬
lichkeit vorliegt.
Der Ausfall dieser Versuche läßt es mir als nicht uninteressant er¬
scheinen, ähnliche Untersuchungen mit anderen Krankheitserregern, z. R
Typhus-, Paratyphus- und Cholerabazillen anzustellen.
Literatur-Verzeichnis.
1. Reports on Plague investigations in India. The Journal of Hyqienc. 190$.
Vol. VI.
2. Heincke, Friedrich, Die Fische. Illustrierte Naturgeschichte der Tiert.
Hcrausgegeben von Martin. Leipzig 1882.
3. Metzger, Fischerei und Fischzucht in Binnenwässern. Loreys Handtuch
der Forstwissenschaft . Tübingen 1903. Bd. II.
4. Nuttal 1, Zur Aufklärung der Rolle, welche die Insekten bei der Verbreitung
der Pest spielen. Über die Empfindlichkeit verschiedener Tiere für dieselbe. Central-
hlatt für Bakteriologie. 1897.
5. Dev eil, Über die Empfänglichkeit der Frösche für Infektion mit Bubonen¬
pest. Eltenda. 1897. Bd. XXII.
6. Über die Beulenpest in Bombay ira Jahre 1897. GesamÜ>ericlU der von der
Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien zum Studium der Beulenpest nach
Indien entsandten Kommission . II. Teil. — Albrecht und Ghon, Bakteriologische
Untersuchungen üher den Pesthaeillus . Wien 1900.
7. Bitter, Report of the commission sent by the Egyptian Government fo Bomlm
to study plague. Kairo 1897. (Zitiert nach Albrecht und Ghon, &. a. 0. S. 6*2$.
8. Kister, Schumacher und Trautmann, Kasuistische Mitteilungen zur
Frage der Rattenpestdiagnose. Centralhlatt für Bakteriologie. 1906.
9. Wilm, Über die Pestepidemie in Hongkong im Jahre 1896. Hygienische
Rundschau. 1897. VII. Jahrg.
10. Kasan ski, Von der Pest, dem Pestbacillus und der Desinfektionswirkung
einiger Mittel auf dieselbe. Kasan 1897. (Referat: Centralblatt für Bakteriologe.
1898.)
Gck igle
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[Aus dem hygienischen Institut der Universität Halle a. S.]
(Direktor: Geb. Med.-Rat Prof. Dr. C. Fraenkel.)
Das Problem der Entwicklungshemmung
in Bakterienkulturen und seine Beziehungen zu den
Absterbeerscheinungen der Bakterien im Darmkanal.
Von
Dr. Manteufel,
früherem Assistenten des Instituts.
In Nr. 11 der „Berliner klin. Wochenschrift“ 1906 habe ich zu dem
Thema der Wachstumshemmung in Bakterienkulturen Versuche mitgeteilt,
die zu dem Endergebnis führten, daß unfiltrierbare thermolabile, d. h.
durch Temperatureinwirkung von 60° zerstörbare Stoffwechselprodukte
(Autotoxine), wie sie Eijkmann 1 bzw. Conradi und Kurpjuweit 2 näher
bestimmt haben, als wesentliche Ursache der in älteren Bakterienkulturen
beobachteten Wachstumshemmung nicht wohl in Betracht kommen können.
Die jetzige Mitteilung soll erstens dazu dienen, meine damaligen Befunde
durch neue experimentelle Beweise zu ergänzen, besonders in Rücksicht
auf die Einwände, die Eijkmann in Nr. 16 der „Berliner klin. Wochen¬
schrift“ 1906 gegen meine Versuche erhoben hat, und zweitens die Frage
zu erörtern, ob und inwieweit die bei der Eutwicklungshemmung in
Reagenzglaskulturen mitwirkenden Faktoren für das Absterben der
Bakterien in der „natürlichen“ Kultur des Magendarmkanales haftbar
gemacht werden können.*
In meiner ersten Arbeit hatte ich als gewichtiges Moment, das gegen
die von Eijkmann bzw. Conradi und Kurpjuweit angenommene Be¬
deutung der in Frage stehenden Stoffwechselprodukte für das Bakterien-
1 Centralblatt für Bakteriologie. 1904. Bd. XXXVII.
* Münchener med. Wochenschrift. 1905. Nr. 37.
Zeitschr. f. Hygiene. LVII
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S38
Manteüfel:
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Wachstum sprach, den Umstand bezeichnet, daß Eijkmann derartige Stoffe
nur in Gelatine- und Agarkulturen, aber nicht in Fleischbrühe gefunden
hatte. Dieses Verhalten bestätigte Eijkmann in einer zweiten Mitteilung 1
gegenüber der Angabe von Conradi und Kurpjuweit, die im Gegenteil
gerade in Bouillonkulturen höchst wirksame Autotoxine gefunden haben
wollten. Nachdem es mir selbst nun ebenfalls nicht gelungen ist, in
Fleischbrühekulturen thermolabile Hemmungsstoffe von wesentlicher Be¬
deutung nachzuweisen, und ebenso die diesbezüglichen Versuche Passinis\
der die Frage von einem anderen Standpunkt aus bearbeitet hat, negativ
ausgefallen sind, so kann man daraus mit einer an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit den Schluß ziehen, daß die Bakterien in Bouillon¬
kulturen keine „Autotoxine“ bilden. Somit würde in Fleischbrühe de:
wesentlichste Faktor der Wachstumshemmung vollständig ausgeschaltet.
und es müßte theoretisch eine unbeschränkte Vermehrung der Fall sein.
Das trifft, wie man weiß, durchaus nicht zu, denn Entwicklungshemmung läßt
sich in Fleischbrühekulturen ebenso beobachten als in Gelatine und Agar.
Folglich ist die dem Beweis zugrunde liegende Annahme, daß die Wachs-
tumshemmung in diesem Falle auf der Gegenwart von thermolabilen
Stoffwechselprodukten beruht, falsch: In Fleischbrühekulturen ist
die auftretende Wachstumshemmung nicht durch thermo¬
labile Produkte des Stoffwechsels, sonderu durch andere Um¬
stände bedingt.
„Ganz anders“, sagt Eijkmann indes, „verhält sich die Sache in
Gelatine- und Agarkulturen.“ Dieser Behauptung liegen folgende Tatsachen
zugrunde. Wenn man auf der Oberfläche einer mit Colikolonien reichlich
durchsetzten Gelatine- oder Agarplatte — Colibazillen sollen auffallend
wirksame Hemmungsstoffe produzieren — mit der Ose einen Ausstrich
von Colibazillen anbringt, so geht dieser Oberflächenausstrich viel schlechter
an als auf einer gewöhnlichen sterilen Gelatine- oder Agarplatte, unter
geeigneten Bedingungen bleibt er überhaupt makroskopisch unsichtbar.
Dasselbe ist auch der Fall, wenn man auf die eine, von Kolonien
dicht erfüllte Platte eine zweite sterile aufbringt Nachdem diese beiden
Schichten einige Stunden miteinander in Berührung geblieben sind, macht
sich auch jetzt bei dem Versuch, auf der oberen sterilen Platte einen Aus¬
strich anzubriugen, deutliche Hemmung des Wachstums geltend. Daraus
schließt Eijkmann, daß im Laufe des Wachstums in der unteren Platte
entwicklungshemmende Stoffe gebildet werden, die die Fähigkeit der
Diffusion besitzen und das Aufkommen von Bakterienkolonien in der
oberen sterilen Platte beeinträchtigen.
1 Centralblatt für Bakteriologie. 1906. Bd. XLI.
* Wiener klin. Wochenschrift. 1906. Bd. XXI.
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Übeb Entwicklungshemmung in Baktebienkultüben. 339
Ich habe bereits in meiner früheren Arbeit 1 an der Hand von Ver¬
suchen den Nachweis erbracht, daß diese Schlußfolgerungen Eijkmanns
nicht zwingend seien, sondern daß die Wachstumshemmung bei der
besprochenen Versuchsanordnung auch ohne Zuhilfenahme spezifisch
hemmender Stoffwechselprodukte leicht verständlich wäre. Daher kann
ich hier auf diese Arbeit verweisen, zumal sie inzwischen durch Unter¬
suchungen von Rolly 2 eine Bestätigung erfahren hat. Auf einige andere
Versuche, die in dieser Arbeit enthalten sind, muß ich indes noch einmal
zurückkommen, da Eijkmann meint, daß ihr Ergebnis infolge fehler¬
hafter Technik meinerseits nicht einwandfrei sei. Das soll z. B. bei
Protokoll I meiner damaligen Versuche der Fall sein, wo ich nach Er¬
hitzung der Papieragarplatten (d. h. dünner Agarscheiben, die mit Hilfe
von Fließpapier hergestellt sind) keine wesentliche Besserung des Ober¬
flächenwachstums beobachtet habe, während Eijkmann danach eine
„Regeneration“ des vordem gehemmten Wachstums konstatiert hatte.
Eijkmann erklärt mein abweichendes Resultat hier damit, daß er die
Erwärmung in feuchter Atmosphäre vorgenommen hat, während ich es
im Trockenschrank getan habe: In meinen Versuchen habe infolgedessen
die Verbesserung des Oberflächenwachstums wegen der gleichzeitig ver¬
ursachten Austrocknung der Agarplatten nicht zum Ausdruck kommen
können.
Nun habe ich bei meinen damaligen Versuchen niemals eine der¬
artige Austrocknung der Agarplatten durch die halbstündige Erwärmung
auf 90° beobachtet, sondern die Platten zeigten nach der Erwärmung
gewöhnlich eine feuchtglänzende dampfende Oberfläche. Außerdem habe
ich mich nachträglich jetzt durch zwei Versuche überzeugt, daß eine halb¬
stündige Erwärmung auf 90°, so wie ich sie in den Versuchen geübt habe,
das Oberflächenwachstum auf einer Agarschicht nicht merklich beein¬
trächtigt. Schließlich habe ich den in Frage stehenden Versuch mit der
Abänderung wiederholt, daß die nach längerer Berührung mit der Unter¬
lage abgehobenen oberen Platten im Dampftopf auf etwa 90° erwärmt
wurden. Auch bei dieser Versuchsanordnung habe ich keine „Regene¬
ration“ des durch die Berührung mit der keimhaltigen Unterlage als Nähr¬
boden entwerteten sterilen Agars gesehen: Das Wachstumshindernis
erweist sich also auch bei Benutzung von Agar nicht als thermo¬
labil, ganz ebenso, wie es auch in Fleischbrühekulturen der
Fall ist (vgl. Tab. III meiner früheren Mitteilung).
Dasselbe beweist auch eine andere Reihe von Versuchen, für die als
Beispiel der folgende hier ausführlich mitgeteilt sei.
1 j Berliner lclin. Wochenschrift . 1906. Nr. 11.
2 Deutsche med. Wochenschrift . 1906. Nr. 43.
22 *
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Original fro-m
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340
Manteufel:
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Protokoll I.
Von 3 Agarplatten mit je 10*0 ccm Inhalt werden nach dem Erstarren
2 mit je 0*1 ccm der gleichen Colibouillonaufschwemmung oberflächlich be¬
impft, indem das Material mit der Öse gleichmäßig über die ganze Oberfläche
verteilt wird. Alle 3 Platten kommen dann auf 24 Stunden in den Brut¬
schrank. Nach dieser Zeit hat sich auf den beiden beimpften Platten ein
gleichmäßiger dicker Basen gebildet. Yon einer dieser Platten wäscht man
dann den Belag unter Zuhilfenahme der Öse mit steriler physiologischer
Kochsalzlösung ab und erhitzt dann alle 3 Platten im Dampftopf auf 100 '.
Nach dem Erstarren werden nunmehr alle 3 Platten oberflächlich mit einer
Ose der gleichen Coliaufschwemmung in Form einer Figur beimpft.
Ergebnis nach 24stündigem Wachstum im Brutraum:
Oberflächenausstrich auf Platte a (steril) + + + • 1
„ „ „ b (abgewaschen) (+).
„ „ „ c (die abgetöteten Bazillenleiber enthaltend) +.
Auch hieraus geht meines Erachtens deutlich hervor, daß durch die
Erhitzung keine auch nur annähernde „Regeneration“ des Nährbodens
erfolgt, denn das Oberflächenwachstum ist auf der sterilen und im übrigen
ebenso wie die beiden anderen behandelten Platte ganz bedeutend besser.
Wenn man die eben besprochenen Versuche nicht mit Platten,
sondern mit Schrägkulturen von Agar anstellt, sind die Ergebnisse nicht
so genau übereinstimmend; wahrscheinlich werden durch die verschiedenen
Dicken- und Feuchtigkeitsverhältnisse des Nährbodens in schrägen Röhr¬
chen veränderliche und ungleichmäßige Versuchsbedingungen geschaffen,
die bei Verwendung von Plattenkulturen vermieden werden. Ebenso
eignet sich Gelatine zu derartigen Versuchen nicht sehr, insofern als nach
der Erhitzung öfter nur mangelhafte Erstarrung der Gelatine eintritt und
der Oberflächenausstrich nicht einwandfrei gelingt. Ich habe darum hier
nur Agarversuche angestellt, glaube aber, daß die Ergebnisse bei Gelatine
dieselben sein würden, wenn man z. B. Gelatine von höherem Prozent¬
gehalt verwendet.
Auf den letztbesprochenen Versuch komme ich aus anderen Gründen
noch einmal zurück.
Eijkmann machte als weitere Stütze seiner Hypothese gegen meine
Auffassung geltend, daß die in einer Coli-Gelatinekultur zu beobachtende
Entwicklungshemmung „aufgehoben oder jedenfalls beträchtlich vermindert
würde“, wenn man die betreffende Gelatine durch Filtration wieder keim¬
frei macht. Das ließe sich, meint er, nur damit erklären, daß in der
Gelatinekultur entwicklungshemmende Bestandteile enthalten wären, die
durch die Filterkerze zurückgehalten würden. Die Entscheidung, ob in
dem geprüften Nährmedium entwicklungshemmende Stoffe anwesend sind
1 + + + bedeutet sehr gutes. + mäßiges, ( + ) makroskopisch eben noch sich:-
bares Wachstum.
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Übeb Entwicklungshemmung in Bakterienkultuhen. 341
oder nicht, wurde auch bei diesen Versuchen danach beurteilt, ob ein
Oberflächenausstrich darauf gut oder schlecht anging, d. h. makroskopisch
mehr oder weniger deutlich sichtbar war.
Darauf ist folgendes zu erwidern.
Völlige „Regeneration“ der Gelatine durch die Filtration habe ich bei
meinen Nachprüfungen nur dann beobachten können, wenn es sich um
ganz frisch angelegte Kulturen handelte, d. h. man kann frische sterile
Gelatine mit den größten Mengen Colibazillen mischen, ohne nach der
bald danach vorgenommenen Filtration mit Hilfe systematischer Zähl¬
versuche eine Verschlechterung des Wachstums in der filtrierten gegen¬
über unbenutzter steriler Gelatine feststellen zu können. Indes beweist
dies noch nicht, daß durch die Filtration Hemmungsstoffe aus dem Kultur¬
medium entfernt worden wären, sondern erklärt sich einfach dadurch, daß
die Rezeptoren der Bakterien dem Nährboden in der kurzen Zeit noch
keine Nährstoffmoleküle entzogen haben. Wenn aber der Aufenthalt der
Bakterien in der Gelatine längere Zeit gedauert hat und die Keime auf
Kosten des Nährbodens eine Vermehrung erfahren haben, dann ist das
Ergebnis wesentlich anders, und nach einer 14- oder 24stündigen Kultur
erweist sich das Filtrat bei weitem nicht mehr als ein der unbenutzten
Gelatine gleichwertiger Nährboden. Auch hierin verhält sich die Gelatine
nicht anders als Fleischbrühe, für die ich das gleiche Verhalten bereits
in meiner früheren Mitteilung festgestellt und — allerdings nur andeutungs¬
weise — erwähnt habe (vgl. S. 9 des Sonderabdruckes).
Der folgende Versuch spricht ebenfalls zugunsten dieser Auffassung.
Protokoll n.
Ein Kölbchen mit Gelatine wird mit Bact. coli beimpt und 22 Stunden
im Brutraura gehalten. Darauf wird tüchtig geschüttelt, damit sich die
Bazillen gleichmäßig in dem Medium verteilen und nun eine Hälfte durch
ein Berkefeldfilter geschickt, die andere Hälfte 1 Stunde auf 75° erhitzt.
Alsdann mißt man je 5-0 ccm der filtrierten, der unfiltrierten-erhitzten und
steriler ungebrauchter Gelatine in sterile Reagensgläser ab und impft sie
mit einer Öse der gleichen dünnen Coliaufschwemmung. Brutraum. Nach
einigen Stunden wird aus jedem Röhrchen nach kräftigem Schütteln eine
Öse entnommen und mit 10 ccm Agar zu einer Platte ausgegossen. Die Platten
kommen bis zum anderen Tage in den Brutraum.
Gleichzeitig wird von der filtrierten, der unfiltrierten-erhitzten und von
steriler ungebrauchter Gelatine je 10 ccm zu einer Platte ausgegossen und auf
jeder ein Oberflächenausstrich von der gleichen Coliaufschwemmung an¬
gebracht. 48 Stunden Zimmertemperatur.
Ergebnis der Zählung nach 4 J / 2 Stunden:
a) Filtrat: einige Hundert,
h) Erhitzte Kultur: Tausende,
c) Sterile Kontrollgelatine: viele Tausende
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MANTEUFEL:
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Nach 7 Stunden fand ich gewöhnlich die sterile Gelatine getrübt, wäh¬
rend das Filtrat noch klar aussah.
Ergebnis des Oberflächenausstrichs:
a) Filtrat -j- -{-
b) Erhitzte Kultur + + +
c) Kontrollgelatine + + +
Bei 40- bis 50 ständigen Kulturen zeigt manchmal auch der Oberflächec-
ausstrich Unterschiede.
Der obige Versuch läßt, meine ich, nur den Schluß zu, daß der
wachstumshemmende Faktor der Coligelatinekultur in das Filtrat über¬
geht, er ist entgegen der Behauptung Eijkmanns filtrierbar und
hitzebeständig.
In dieser Beziehung befinde ich mich ebenfalls in Übereinstimmung
mit Rolly 1 (vgl. S. 8 im Sonderabdruck seiner Arbeit).
Wenn Eijkmann bei seinen Versuchen Hemmungsstoffe annehmen
zu müssen glaubt, die thermolabil und unfiltrierbar sind, so liegt das
meines Erachtens zum großen Teil daran, daß das von ihm benutzte
Kriterium, ob Wachstumshemmung vorhanden oder nicht, ein unzuver¬
lässiges ist. Wenn nämlich auf einer Coligelatineplatte ein Oberflächen-
ausstrich nicht makroskopisch sichtbar angeht, während der Ausfall positiv
ist, nachdem man die Kultur „gekocht“ oder durch ein Filter geschickt
hat, so ist damit keineswegs der Beweis erbracht, daß im ursprünglichen
Falle entwicklungshemmende Stoffe vorhanden waren, die durch das
Kochen oder die Filtration beseitigt worden sind. Denn während in der
unerhitzten bzw. unfiltrierten Gelatinekultur eine Unmenge Bakterien vor¬
handen ist, ist dieselbe Kultur nach dem Erhitzen bzw. nach der Filtration
keimfrei: dem Oberflächenausstrich steht also im zweiten Falle ein be¬
deutend besserer Nährboden zur Verfügung als im ersten Falle, er wird
infolgedessen besser zur Entwicklung kommen. Diesen sehr wichtigen
Faktor hat Eijkmann bei seinen Schlußfolgerungen ganz außer acht
gelassen und hat die beim Vergleich der Oberflächenausstriche vor uud
nach der Erhitzung oder Filtration zutage tretende Besserung des Wachs¬
tums auf Stoffwechselprodukte bezogen, die durch die Filtration oder Er¬
hitzung ausgeschaltet worden sind.
Eine vollgültige „Regeneration“ des Nährbodens, d. h. nicht nur
Verminderung, sondern gänzliche Aufhebung der Wachstumswiderstände
durch die Erhitzung auf 60° und die Filtration scheint ja auch Eijkmann
nicht beobachtet zu haben, und nur in diesem Falle könnte man diesem
Versuch eine Beweiskraft im Eijkmannschen Sinne zuerkennen. Wie
indes aus Protokoll II ersichtlich ist, treten bei Zählversuchen, die aus
ersichtlichen Gründen ein viel klareres Bild von den Wachstumsverhältnisseu
1 Deutsche med. Wochenschrift. 1906. Nr. 48.
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Über Entwicklungshemmung in Bakterienkultüben. 343
in gekochten und filtrierten Gelatinekulturen bieten, deutliche Hemmungs-
wirkungen hervor. Diese Einflüsse machen sich am Oberflächenausstrich
zur gleichen Zeit noch nicht bemerkbar, wie aus dem Protokoll ersichtlich
ist, so daß man sie übersieht und zu falschen Schlüssen gelangt.
Eijkmann sucht die Tatsache, daß die Beseitigung seiner hypo¬
thetischen, thermolabilen, unfiltrierbaren Stoffwechselprodukte durch die
Erhitzung bzw. Filtration trotzdem keine völlige Regeneration des Nähr¬
bodens zur Folge hat, damit zu erklären, daß neben den Autotoxinen
auch noch hitzebeständige Stoffwechselprodukte und die Er¬
schöpfung des Nährbodens eine, wenn auch untergeordnete Rolle
spielen. Ich habe nun in meiner ersten Mitteilung (vgl. Protokoll A bis E
daselbst) Versuche beigebracht, aus denen mir hervorzugehen schien, daß
kein Grund vorhegt, neben der Erschöpfung des Nährbodens noch be¬
sondere thermostabile Hemmungsstoffe anzunehmen. Sie sind
jedenfalls unter Bedingungen, die eine Verarmung des Nährsubstrates an
notwendigen assimilierbaren Stoffen ausschließen lassen, niemals nach¬
zuweisen und meines Erachtens identisch oder wenigstens ein
wesentlicher Bestandteil dessen, was man sich unter „Er¬
schöpfung des Nährbodens“ vorzustellen hat. Es heißt also
ohne Grund eine Kompükation schaffen, wenn Eijkmann auch in seiner
letzten Notiz 1 immer noch thermostabile Hemmungsstoffe von dem
Begriff der NährbodenerschöpfuDg abtrennt und zur Stütze seiner
Hypothese verwendet, ohne Beweise für diese Annahme zu geben. Da ich
nun auf Grund der hier und früher angestellten Versuche den Schluß
ziehen muß, daß das Vorkommen von thermolabilen unfiltrierbaren Stoff¬
wechselprodukten, die für die Wachstumshemmung der Bakterien von
wesentlicher Bedeutung sind, auch bei Verwendung von Gelatine- und
Agarkulturen nicht bewiesen ist, eine Anschauung, die auch Rolly auf
Grund seiner Versuche teilt, so bleibt zur Erklärung für den Wachs¬
tumsstillstand in allen Bakterienkulturen von den drei frag¬
lichen Faktoren nur die zunehmende Verarmung des Nähr¬
bodens an notwendigen assimilierbaren Stoffen übrig. Bei
sorgfältiger Prüfung der grundlegenden Versuche von Gottschlich und
Weygang 2 , Max Müller 3 , Alexander Klein 4 , Hehewerth* und
Eijkmann findet sich nichts, was dieser Auffassung widerspräche, oder
was unter Zuhilfenahme der Eijkmannschen Hypothese leichter ver¬
ständlich wäre.
* Deutsche med. Wochenschrift. 1907. Nr. 7.
* Diese Zeitschrift. Bd. XX.
* Ebenda.
4 Archiv für Hygiene. 1902. Bd. XLV. 5 Ebenda. 1901. Bd. XXXIX.
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Hantepfel:
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Der in diesen Zeilen so häufig gebrauchte Ausdruck Erschöpfung oder
Verarmung des Nährbodens bedarf noch eines Kommentares. Man kann
sich das Zustandekommen dieses Endeffektes durch den in seinem Wesen
sehr komplizierten Wachstumsprozeß der Bakterien vielleicht durch das
Nebeneinanderwirken zweier Komponenten verständlich machen. Ent¬
wertung des Nährbodens kommt einmal dadurch zustande, daß die
Bezeptoren der Bakterien einen Teil der zur Verfügung stehenden Nähr¬
moleküle an sich reißen und verarbeiten, und andererseits dadurch, daß
die Abbauprodukte dieses Stoffwechsels einen anderen Teil der Nährmoleküle
chemisch verändern und dadurch weniger geeignet oder ganz ungeeignet
zur Assimilation machen. Gerade beim Bact. coli ist eine große Anzahl
Stoffwechselprodukte bestimmt worden 1 , die teilweise in grob nach¬
weisbarer Änderung des Alkaleszenzgrades zum Ausdruck kommen, teil¬
weise aber in chemisch nicht nachweisbarer Weise das Eiweißmolekül an¬
zugreifen imstande sein mögen. Die Stoffweohselprodukte der Bakterien
sind also auch meiner Meinung nach von nicht zu unterschätzender Be¬
deutung für den Wachstumsstillstand in der Kultur, insofern als sie
ihrerseits an der Entwertung des Nährbodens Anteil nehmen. Den
prinzipiellen Unterschied gegenüber den hemmenden Stoffwechselprodukten
Eijkmanns sehe ich hier nur darin, daß sie den Nährboden angreifen und
nicht die Bakterien. Daß sich die Sache so verhält und nicht umgekehrt,
beweist die Möglichkeit, Bakterien aus alten Kulturen, die im Begriff sind,
abzusterben, wieder heranzuzüchten, wenn man sie unter günstige Er¬
nährungsbedingungen bringt. So gelingt es bisweilen, Pneumokokken, die
bei Übertragung von Agar auf Agar nicht mehr anwachsen, wieder lebens¬
fähig zu machen, wenn man sie auf geronnenes Blut überträgt, oder
Meningokokken, die infolge längeren Verweilens auf Agar nicht mehr
übertragbar sind, durch Überimpfung auf einen Serumnährboden zu er¬
halten. Ferner die Tatsache, daß einzelne Individuen einer Kultur sehr
lange lebensfähig bleiben, so daß es z. B. gelungen ist, Pestbazillen nach
4 Jahren, Typhus nach ebenso langer Zeit, Bact. Friedländer sogar
nach 6 Jahren erfolgreich zu übertragen. 2 Bei Bact. coli, das doch so
wirksame Hemmungskörper bilden soll, sind nach 8 Wochen noch soviel
lebende Individuen auf dem Agarröhrchen vorhanden, daß die Übertragung
austandslos gelingt. Andererseits müßten, falls der Wachstumsstillstand
durch Stoffwechselprodukte bedingt wäre, Influenzabazillen, Gonokokken
und Meningokokken außerordentlich wirksame Autotome bilden, da das
Wachstum hier schon nach 4 bis 5 Tagen völlig stillsteht. Das ist nicht
1 Escherick u. Pfaundler in „Kolle-Wassermann“. Bd. III.
* Gottschlich im Handbuch Rolle-Wassermanns. Bd. I.
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Übeb Entwicklungshemmung in Baktebienkultuben. 345
der Fall. Alle diese Erscheinungen sind meines Erachtens leichter verständ¬
lich, wenn man annimmt, daß die Bakterien sich in alten Kulturen in einem
Hungerzustand befinden, als dadurch, daß ihr Protoplasma durch ein
Toxin an der Fähigkeit, die gewöhnlichen Teilungsvorgänge fortzusetzen,
geschädigt ist.
Wie man aus den Protokollen I und II ersieht, geben die durch
Hitze abgetöteten Bakterien für die überlebenden oder nachträglich hinein¬
gebrachten eine gewisse Energiequelle ab, denn sowohl am Oberflächen¬
ausstrich als auch bei dem Zählversuch ist die Vermehrung etwas inten¬
siver als auf dem in gleicher Weise in Anspruch genommenen Nährboden,
der die abgetöteten Bakterien nicht enthält. Damit komme ich zur Be¬
antwortung einer weiteren Bemerkung, die Eijkmann zu meinen früheren
Versuchen gemacht hat.
„Wenn die Regenerierung des Substrates“, sagt Eijkmann, „durch
die Erhitzung auf einem Freikommen von Nährstoffen aus den Bazillen¬
leibern beruhte, so ließe sich fragen, warum denn die spontan abgestorbenen
Bakterien, die in älteren Kulturen immer in reichlicher Menge vorhanden
sind, nicht den gleichen Dienst leisten. Es weist letzteres darauf hin, daß
bei dem spontonen Absterben Hemmungsstoffe erhalten bleiben, die bei
der künstlichen Abtötung mit vernichtet werden.“
Eine „Regeneration“ des Nährbodens durch Erhitzung findet — das
beweisen sowohl meine früheren als auch die hier beigebrachten Versuche
-— keinesfalls statt. Ich betone das nochmals ausdrücklich, weil es nach
Eijkmanns Bemerkung den Anschein hat, als ob ich diese Regeneration
durch das Freiwerden von Nährstoffen aus den Bazillenleibern erklärt
hätte. Das habe ich niemals behauptet. Andererseits scheint es mir aber
nach meinen Erfahrungen, die sich mit denen Rollys decken, ebenso
sicher bewiesen, daß die durch Hitze abgetöteten Bakterien Nährstoffe für das
Bakterienwachstum abgeben; nur ist die dadurch hervorgebrachte Besserung
des Wachstums bei weitem nicht ausreichend, um von einer „Regeneration“
des Nährbodens sprechen zu können. Auch die spontan in den Kulturen
absterbenden Bakterien geben meiner Überzeugung nach —
ich kann dafür allerdings keinen exakten Beweis beibringen
— in ihren Protoplasmaleibern Nährstoffe für die überleben¬
den Mikroorganismen ab, doch sind sie auch hier nicht ge¬
nügend, um dem Verbrauch die Wage zu halten; die endliche
Erschöpfung des Nährbodens wird also dadurch wohl etwas hinausgeschoben
aber nicht verhindert.
Aus den Publikationen Eijkmanns geht nicht ganz deutlich hervor,
ob die Wirkung der supponierten, thermolabilen, unfiltrierbaren Stoff¬
wechselprodukte sich auf Hemmung des Bakterienwachstums beschränkt,
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MANTEUFEL:
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oder ob diese Stoffe auch dieTJrsache des Bakterientodes sind. Conradi und
Kurpjuweit bemerken ausdrücklich daß ihre „Autotoxine“, die sie mit
den erwähnten Stoffen Eijkmanns im großen und ganzen als identisch
ansehen, nur sehr stark entwicklungshemmend aber nicht baktericid
wirken. Da Eijkmann auch in seiner zweiten Mitteilung immer nur
von Hemmungsstoffen spricht, ist anzunehmen, daß auch er die Ursachen
der Wachstumshemmung und des Absterbens bei Bakterienkulturen als
verschieden aufgefaßt wissen will. Es ergibt sich damit also die Frage,
worin man den Grund dafür zu suchen hat, daß die Mikroorganismen
in unseren Kulturen von einem bestimmten Alter ab das Fortpflanzungs¬
vermögen ganz verlieren und unter Zerfallserscheinungen zugrunde gehen.
Nach der Vorstellung Eijkmanns könnten hier hitzebeständige Produkte
des Stoffwechsels sowie Erschöpfung des Nährbodens eine Holle spielen.
Gottschlich vertritt im Handbuch von Kolle-Wassermann (Bd. I,
S. 82 und 83) die Meinung, daß das Absterben der Bakterien in den
Kulturen durch Nahrungsmangel bedingt sei, wie auch Versuche von
Ficker 1 sowie Gottschlich und Weygang 1 beweisen.
Der deletäre Einfluß der Erschöpfung des Nährbodens macht sieh
bereits frühzeitig in verschiedener Weise bemerkbar. Er veranlaßt die
Bakterien zur Einschränkung des Stoffwechsels, eine Abwehrmaßregel, die
man wirksam dadurch unterstützen kann, daß man die Kulturen nicht beim
Temperaturoptimum hält, befördert die Bildung von Dauerformen und ver¬
längert die Generationsdauer. Wie nämlich Hehewerth* nachgewiesen hat,
tritt eine Verminderung der Wachstumsintensität, wie man sie bei älteren
Kulturen meßbar in der zunehmenden Verlängerung der durchschnittlichen
Generationsdauer erweisen kann, ebenfalls auf, wenn man nährstoffärmere
Nährböden benutzt, z. B. statt Bouillon Peptonwasser. Eine Verminderung
der Wachstumsintensität tritt nach meinen und Rollys Versuchen auch in
Filtraten von Colikulturen auf, woraus ich den Schluß rückwärts gemacht
habe, daß solche Kulturfiltrate einen minderwertigeren Nährboden darstellen.
Somit läßt sich ein und dasselbe Moment, nämlich der Mangel an Nähr¬
material, sowohl für das Absterben als auch für die Entwicklungshemmung
in Bakterienkulturen als Ursache ansprechen und macht es sehr wahr¬
scheinlich, daß die Einschränkung der Fortpflanzung und das spätere gänz¬
liche Sistieren eine Früherscheinung desselben Prozesses sind, der später
zum völligen Verlust des Fortpflanzungsvermögens auch unter den denkbar
günstigsten Lebensbedingungen und zum Zerfall des Bakterienleibes führt.
Es wäre mithin nicht zweckentsprechend, mit Eijkmann und
1 Diese Zeitschrift. Bd. XXIX.
1 Ebenda. Bd. XX.
# Archiv für Hygiene . 1901. Bd. XXXIX.
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Über Entwicklungshemmung in Bakterienkulturen. 347
Conradi diesem in Kulturen beobachteten Prinzip der Wachs¬
tumsbehinderung das Wesensattribut „entwicklungshemmend“
beizulegen, da damit seine Wirkung nicht erschöpft ist.
Daß verschiedene Arten der Bakterien eine ganz verschiedene Fähig¬
keit besitzen, den Hungerzustand zu ertragen, ohne eine so tiefgehende
Schädigung ihres Protoplasmas zu erfahren, um sie als tot bezeichnen zu
müssen, ist eine bekannte Erfahrung. Dieser verschiedenen Resistenz ist
es zuzuschreiben, daß aus der einen Reinkultur z. B. bei Gonokokken,
Meningokokken und Influenzabazillen häufig schon nach 5 Tagen keine
Übertragung mehr gelingt, während sie aus der anderen noch nach Monaten
und Jahren möglich ist. In dem ersten Falle ist der Zeitraum, der
zwischen dem Aufhören des Wachstums und dem endgültigen Verlust der
Vermehrungsfähigkeit bzw. dem Tode liegt, nur ein nach Stunden zählen¬
der, im anderen ist er sehr groß.
Schließlich muß ich hier noch auf einen Versuch zu sprechen kommen,
den Eijkmann in der schon angezogenen Notiz in Nr. 7 der Deutschen
med. Wochenschrift 1907 mitgeteilt hat, und den er als „experimentum
crucis“ bezeichnet:
30 ccm Agar mit einem Peptongehalt von 3 Prozent wurden mit
3 m « Colikultur zu einer Platte verarbeitet. Nach 8stündigem Aufent¬
halt im Brutschrank wurde auf der Oberfläche dieser Platte, die zahllose
nur mikroskopisch sichtbare Kolonien enthielt, ein Ausstrich von Coli
angelegt, der nach weiteren 24 Stunden Wachstum bei 37° makroskopisch
unsichtbar war. Darauf wurde die Platte mit destilliertem Wasser über¬
schüttet und die Flüssigkeit nach einigen Stunden abgehoben. Sie war
anscheinend klar. Es ergab sich nun, daß das Wasser chemisch nachweis¬
bare Mengen von Pepton und Kochsalz aufgenommen hatte, und daß diese
Mengen hinreichten, um den darin enthaltenen Colibakterien reichlich
Vermehrung zu gestatten, indem sich die vorher klare Flüssigkeit bei
Brutschrankaufenthalt trübte.
So sehr ich von der Richtigkeit der Tatsachen in diesem Experiment
überzeugt bin, so wenig kann ich trotzdem die daraus gezogenen Schlüsse
für richtig halten, und zwar aus Gründen, die ich oben schon er¬
wähnt habe.
Erstens soll der Versuch beweisen, daß nach 8 ständigem Wachstum
der Coliagarplatte im Brutraum bereits Hemmungsstoffe darin vorhanden
waren. Beweis: Der nach 8 Stunden angebrachte Oberflächenausstrich
ging nicht makroskopisch sichtbar an.
Dieser Schluß ist unmöglich zutreffend. Auf die Unzuverlässigkeit
des Oberflächenausstriches als Kriterium der Wachstumshemmung habe
ich bereits hingewiesen, und namentlich wenn, wie in diesem Versuch,
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Manteufel:
auf einer mit unzähligen nur mikroskopisch sichtbaren Kolonien durch¬
setzten Agarplatte im Oberflächenausstrich keine großen makroskopisch
sichtbaren Kolonien aufgehen, sondern nur ebenfalls mikroskopisch kleine,
ist für die Existenz von wachstumshemmenden Stoffwechselprodukten gar
nichts bewiesen. Indirekt läßt sich die TJnhaltbarkeit dieser Beweisführung
durch folgenden Versuch zeigen.
Protokoll HI.
10 ccm Agar und 1 • 0 ccm Colikochsalzaufschwemmung werden zu einer
Platte verarbeitet. Nach dem Erstarren wird ein Oberflächenausstrich von
Coli angelegt und die Platte in den Brutraum gebracht. 24 Stunden danach
wird auf derselben Platte ein zweiter Ausstrich angelegt und nach weiteren
48 Stunden Aufenthalt bei 37° das Resultat abgelesen.
. Ergebnis: Beide Oberflächenausstriche sind makroskopisch unsichtbar
und unterscheiden sich auch nicht mikroskopisch.
Augenommen, der Grund für das mangelhafte Anwachsen des Ober¬
flächenausstriches wären tatsächlich thermolabile Stoffwechselprodukte, so
müßten diese nach dem Ausfall des obigen Versuches bereits in der ersten
Stunde der Aussaat vorhanden und ebenso wirksam sein, wie nach 24 stän¬
digem Wachstum. Das ist aber ein Widerspruch in sich und entspricht
auch nicht den Angaben Eijkmanns sowie Conradis-Kurpjuweits, die
deutliche Wachstumshemmung erst nach 4 bis 5 ständigem Wachstum
nachweisen konnten. Die Voraussetzung führt also zu einem unlogischen
Resultat und damit ist ebenfalls bewiesen, daß die Beurteilung des Ober-
flächenausstriches kein Beweis für das Vorhandensein von entwicklungs¬
hemmenden Stoffwechselprodukten ist.
Tatsächlich beruht die Wachstumshemmung, die sich bei dem Versuch
in der mikroskopischen Kleinheit sowohl der im Agar befindlichen Kolonien
als auch der Kolonien des Oberflächenausstriches zeigt, auf Mangel an
Nährmaterial. Bei der großen Anzahl der zur Aussaat verwendeten
Kolonien entfallt auf jeden einzelnen Mikroorganismus von vornherein
so wenig davon, daß sehr bald eine Verlängerung der Generationsdauer
und eine Einschränkung der Teilungsvorgänge reagiert. Daß das Klein-
bleiben einer Kolonie unter solchen Bedingungen eine Funktion des vor¬
handenen Nährstoffmangels ist und nicht auf Diffusion hemmender Sub¬
stanzen in den umgebenden Nährboden beruht, läßt sich auch an dem
folgenden Beispiel zeigen.
Protokoll IV.
Je 20 cem Gelatine und 1 • 0 ccm Colikochsalzaufschwemmung werden erstens
auf eine gewöhnliche und zweitens auf eine große Petrischale (Drygakld-
schale) ausgegossen. Der Durchmesser der letzteren ist etwa doppelt so groß.
Ergebnis: Nach 48 Stunden Wachstum bei Zimmertemperatur sind beide
Schalen gleichmäßig getrübt, die einzelnen Kolonien mikroskopisch klein.
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Über Entwicklungshemmung in Bakterienkulturen. 349
Da in diesem Versuch die gleiche Bakterienzahl auf verschieden
große Flächen verteilt ist, so müßte sich die wachstumsschädigende
Wirkung der diffundierenden Stoflfwechselprodukte auf der größeren Platte,
wo die Kolonien viel weniger dicht stehen, weniger bemerkbar machen:
Die einzelnen Kolonien müßten größer sein. Das ist aber nicht der Fall.
Meines Erachtens erklärt sich das Kleinbleiben der Kolonien in einer
stark beimpften Agarplatte einfacher und besser als durch die Annahme
einer Diffusion von hemmenden Substanzen durch Nahrungsmangel.
Der Nahrungsmangel tritt natürlich ebenso sehr, wenn nicht in höherem
Grade, an der Oberfläche auf, und der Oberflächenausstrich bleibt aus
diesem Grunde mikroskopisch klein, wie die Kolonien innerhalb der
Agarplatte.
Dieser Satz wird auch nicht widerlegt, w.enn Eijkmann in dem
fraglichen Experiment 24 Stunden, nachdem der Oberflächenausstrich
angelegt war, mit Hilfe von destilliertem Wasser soviel Pepton und Koch¬
salz aus dem betreffenden Nährboden extrahieren konnte, daß einzelne
darin befindliche Keime gute Wachstumsbedingungen dabei fanden.
Der Begriff Nährstoffmangel ist natürlich, wie ich oben bereits
ausgeführt habe, ein relativer, und wenn ein Nährquantum vollauf aus¬
reicht, um für eine geringe Zahl von Keimen (in diesem Falle die in
der klaren Lösung von Pepton und Kochsalz enthaltenen Bakterien) eine
Zeitlang gute Wachstumsbedingungen abzugeben, so ist damit nicht auch
bewiesen, daß eine unzählbare Masse von Mikroorganismen, wie sie in
unserem Falle in und auf der benutzten Agarplatte enthalten sind, eben¬
falls genügend Nahrung findet. Das Verhältnis der zur Einsaat gelan¬
genden Keime zum Nährstoffquantum ist für den Ausfall des Wachstums,
wie Eijkmann selbst festgestellt hat, von größter Bedeutung. Wenn
Eijkmann aus dem Vorhandensein von Pepton und Kochsalz in
nachweisbaren Mengen also den Schluß zieht, daß in der Agar¬
platte zur Zeit des Versuches noch genügend Nahrung für
die darin enthaltenen Massen von Keimen vorhanden gewesen
wäre, so ist das hierdurch widerlegt.
Drittens will der Versuch Eijkmanns beweisen, daß der Eintritt der
Wachstumshemmung keine Abhängigkeit von der Konzentration des Nähr¬
stoffs zeigt, da die Erhöhung des Peptongehalts im Agar von 1 Prozent
auf 3 Prozent keine Hinausschiebung des Wachstumsstillstaudes hervor¬
bringt. Auch hier gilt der Oberüächenausstrich, der bereits nach 8 Stunden
Wachstum nicht mehr makroskopisch sichtbar anging, als Kriterium.
Eine einfache Überlegung ergibt meines Erachtens, daß ein derartiger
Beweis unzulässig ist. Wenn nämlich in zwei Nährböden von verschiedenem
Nährstoffgehalt gleiche Mengen eines Bakteriums eingetragen werden, so
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Manteufel:
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findet in dem nährstoffreicheren eine erheblich raschere Vermehrnng statt,
wie die Versuche von Hehewerth einwandfrei zeigen. Damit ist natürlich
der Verbrauch an Nährmaterial hier auch ein viel größerer. Tritt nun
tatsächlich in beiden Kulturen zu gleicher Zeit Hemmung des Wachs¬
tums ein (an einem einwandfreien Indikator gemessen, und ich habe oben
gezeigt, daß dies bei der Beurteilung nach dem Oberflächenwachstum nicht
der Fall ist), so macht man einen Trugschluß, wenn man daraus eine
Unabhängigkeit der Wachstumshemmung von der Quantität des Nährstoff¬
gehalts ableitet. Das hat Eijkmann in diesem Falle getan, indem er
die Tatsache der größeren Vermehrungsintensität in dem besseren Nähr¬
boden außer acht gelassen hat.
Nach alledem kann ich auch dieses experimentum crucis Eijkmanns
nicht für einen gültigen Beweis zur Stütze der entwicklungshemmenden
Stoffwechselprodukte halten, vielmehr scheinen mir alle hier
besprochenen Versuche deutlich für eine Abhängigkeit der
Entwicklungshemmung von der Entwertung des Nährmaterials
zu sprechen, und namentlich die Zählversuche in Filtraten von
Fleischbrühe- und Gelatinekulturen halte ich für direkte Be¬
weise dafür, daß thermolabile nnfiltrierbare Stoffe mit dem
Wesen der Entwicklungshemmung nichts zutun haben, sondern
daß die Entwicklungshemmung und das Absterben der Bakterien
in unseren Kulturen infolge von Schädigungen des Nährbodens
durch das Wachstum hervorgerufen werden, die man am besten
unter dem einheitlichen Begriff der Erschöpfung zusammenfaßt
Ich komme nun zum zweiten Teil der mir gestellten Aufgabe, näm¬
lich zu der Frage, ob im Darmkanal unter den natürlichen Verhältnissen
von den Bakterien Stoffwechselprodukte mit spezifisch entwicklungshemmen¬
der Wirkung gebildet werden und inwieweit man sie für das Absterben
des Darmparasiten verantwortlich machen kann. Nach den obigen Aus¬
lührungen kann ich mich hier kurz fassen.
Auf Grund seiner Versuche nimmt Eijkmann an, daß auch im
tierischen Darm durch den Stoffwechsel der dort wachsenden Mikroorga¬
nismen thermolabile Hemmungsstoffe gebildet werden, die man in frischen
Fäces deutlich nachweisen könnte. Conradi und Kupjuweit 1 sind noch
einen Schritt weiter gegangen, indem sie das Vorhandensein der zahlreich
in den Fäces enthaltenen toten Bakterien und das Vorherrschen von Coli-
bazillen in dem unteren Darm auf die Tätigkeit wirksamer Coli-Autotoxine
zu erklären versuchten. Nach ihrer Meinung sind die entwicklungshemmen¬
den Stoffwechselprodukte des Colibacillus von der größten Bedeutung für die
1 Münchener med . Wochenschrift . 1905. Nr. 45 u. 46.
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Über Entwicklungshemmung in Baktebienkulturen. 351
Physiologie and Pathologie der Danntätigkeit. Andererseits hat Passini in
den Fäces erwachsener Menschen keine Hemmungsstoffe nachweisen können
und meint, daß die Frage, weshalb sich von den Bakterien des frisch ent¬
leerten Kotes nur ein ganz geringer Teil als entwicklungsfähig erweist,
noch nicht gelöst ist. Ebensowenig mißt Rolly den Eijkmannschen
Hemmungsstoffen irgendwelche Bedeutung bei der Vermehrung der Dick¬
darmbakterien bei. Meine eigenen Versuche haben etwa folgendes ergeben.
Die meisten Versuche mit Beirfkulturen von Colibazillen, die ich hier
und in meiner ersten Mitteilung angeführt habe, kann man mit ähnlichen
Ergebnissen auch anstellen, wenn man große Mengen Fäces in Fleischbrühe,
Gelatine und Agar einsät, und das ist nicht auffällig, da die Fäces nach
den neuesten Untersuchungen Lissauers zu 9 Prozent des Trocken¬
gewichts aus Bakterien bestehen. 1
Aus den oben ausführlich besprochenen Gründen halte ich aber eben¬
sowenig wie dort auch hier das Vorhandensein entwicklungshemmender
Stoffwechselprodukte für bewiesen, wenn bei einer gewissen Konzentration
des eingesäten Materials das Oberflächenwachstum makroskopisch unsicht¬
bar bleibt. Auch die Beweise, die Eijkmann in seiner 2. Mitteilung 2 zur
Stütze seiner Behauptung beibringt, halten der Kritik nicht stand. Wenn
nämlich auf der Oberfläche von unverdünnten frischen Fäces ein Aus¬
strich von Bac. pyocyaneus keine makroskopisch sichtbaren Kolonien ent¬
stehen läßt, während sichtbare Kolonien aufgehen, nachdem man die
Petrischale mit den Fäces vorher eine Stunde auf 80° erhitzt hat, so be¬
darf das zur Erklärung durchaus nicht der thermolabilen Hemmungsstoffe;
vielmehr erklärt sich dieses Verhalten auch ohne die Eijkmann sehe Hy¬
pothese ohne weiteres, wenn man bedenkt, daß in dem ersteren Falle die
Unsummen der in den Fäces enthaltenen lebenden Bakterien und die
nachträglich auf die abgestrichene Oberfläche aufgebrachten Pyocyaneus-
keime das gleiche Nährquantum zu teilen hatten, was im letzteren Falle,
wo die in den Fäces enthaltenen Keime vorerst durch Hitze abgetötet
worden waren und ihrerseits damit dem Boden neue Nährquellen er¬
schlossen hatten, für den Oberflächenausstrich allein zur Verfügung stand.
Dieser auch hier von Eijkmann nicht berücksichtigte Umstand genügt
vollkommen zum Verständnis, daß auf den erhitzten Fäces die Oberflächen¬
keime zu makroskopisch sichtbaren Kolonien auswachsen, während sie im
anderen Falle kümmerlicher gedeihen und nicht sichtbar werden.
Die weitere Angabe Eijkmanns in seiner 2. Mitteilung, daß er in
einer auf 80° erhitzten Fäcesprobe den Gehalt an kultivierbaren Bakterien
innerhalb 27 Stunden auf 7-5 Millionen pro Milligramm Fäces ansteigen
1 Archiv für Hygiene. 1906. Bd. LVIII.
* Centralblatt für Bakteriologie. 1906. Bd. XLI.
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352
Manteufel:
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sah, während in unerhitzten Fäces nach der gleichen Zeit nur eine
Steigerung von 28600 auf 80100 erfolgt war, stimmt meines Erachtens
wenig überein mit früheren Versuchen desselben Verfassers, wo er zeigte,
daß in der Gelatinekultur die Maximalzahl Colikeime auf 1 mg Gelatine
3 bis 4 Millionen niemals überstieg und dann jedesmal herunterging. Es
ist dabei doch verwunderlich, daß die hypothetischen Hemmungsstoffe.
die in der Fäceskultur im Laufe des 27stündigen Wachstums bei 37°
mindestens ebenso sehr zur Geltung kommen Müßten wie in der Gelatine,
hier einen so geringen Einfluß auf die Vermehrungsintensität ausüben.
Absolute Zahlen sind bei derartigen Versuchen anscheinend über¬
haupt nur mit Vorsicht zu verwerten, da die Angaben der verschiedenen
Untersucher untereinander sehr differieren und selbst bei Zählungen
desselben Autors große Unterschiede zu konstatieren sind. Da bei der¬
artigen Zählversuchen minimale Abweichungen und Differenzen sehr große
Ausschläge im Resultat geben, ist das leicht verständlich. Das ist z. B.
auch bei den hierher gehörigen Versuchen Kleins 1 der Fall, der die An¬
zahl kultivierbarer Bakterien im Kot, der bei 37° verwahrt wurde, zu
verschiedenen Zeiten bestimmte. Immerhin geht aber aus diesen sowohl
wie denen Passinis 2 und den meinigen übereinstimmend hervor, daß der
Ablauf des Wachstums in Fäzes im Prinzip nicht anderen Gesetzen unter¬
worfen ist, als in Reagensglaskulturen. Ganz ebenso wie es in ausgenützten
Fleischbrühe-, Gelatine- und Agarkulturen zu beobachten ist, findet natür¬
lich in frischen Fäcesmassen, die einen stark ausgenützten Nährboden dar¬
stellen, bei dem großen Anfangsgehalt an Bakterien nur noch eine geringe
Vermehrung der Keime außerhalb des Körpers statt. So zählte Klein
in einem Falle bei einem Anfangsgehalt von 182000 kultivierbaren Bak¬
terien pro Milligramm Fäces nach 24 Stunden 208 400, . nach 3 Tagen
36000 (1), nach 5 Tagen 19 700, nach 7 Tagen 1284000.
In einem 2. Falle waren die Zahlen bei einem Anfangsgehalt von
57000: 61300 nach einem Tage, 298500 nach 3 Tagen, 75600 nach
5 Tagen und 50300 nach 8 Tagen. In einem weiteren Falle wieder stieg
die Ziffer von 79200 auf 8535000 in 3 Tagen. Wie verschieden die ab¬
soluten Werte auch sind, so ist doch überall eine deutliche Vermehrungs¬
intensität wahrnehmbar, die allerdings mitunter nicht ausreicht, um dem
gleichzeitigen Absterben die Wage zu halten. Das ist in älteren Reagens-
glaskulturen auch der Fall, und ebensowenig wie hier besonders entwick¬
lungshemmende Stoffe zur Erklärung notwendig und bewiesen sind, ist es
dort angebracht. In diesen Versuchen findet die Lehre Eijkmanns und
vor allem die Behauptung von Conradi und Kurpjuweit, daß in den
1 Archiv für Ilyniene. 1902. Bd. XLV.
2 Wiener kl in. Wochenschrift. 1906. Bd. XXI.
Gck igle
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Übeb Entwicklungshemmung in Baktebienkültuken. 353
Fäces Coli-Autotoxine von hervorragender Wirksamkeit angehäuft seien,
keine brauchbare Stütze. Es ist darum meiner Meinung nach auch
völlig unbegründet, diese Stoffe als Ursache der im Darmkanal
vor sich gehenden Abtötung von Bakterien anzusprechen, wie
das geschehen ist.
Als sichere Tatsache muß indessen festgehalten werden, daß in
den Fäces erwachsener Tiere und Menschen eine Unmenge Bakterien an¬
gehäuft sind, die auch bei Übertragung in die denkbar günstigsten Kultur¬
bedingungen nicht mehr fortpflanzungsfähig sind und teilweise auch unter
dem Mikroskop sichtbare Erscheinungen des Verfalls zeigen, also nach
allen Erfahrungen als tot zu bezeichnen sind. Der Prozentgehalt der
toten Bakterien wird zwar von den verschiedenen Uutersuchern nicht
ganz übereinstimmend angegeben, was einmal auf schwer vermeidlichen
Mängeln bei der Berechnung, teilweise aber auch darauf beruhen mag,
daß als lebend im allgemeinen nur diejenigen Bakterien gezählt wurden,
die bei aörober Züchtung auf den gewöhnlichen Nährböden (Fleischbrühe
und Agar) wuchsen.- Dabei fällt natürlich die Zahl der toten Individuen
etwas größer aus als den Tatsachen entspricht, denn es werden fälsch¬
lich alle diejenigen Keime als tot bezeichnet, die bei aerober Züchtung
oder auf den gebräuchlichen Nährböden nicht wachsen, aber unter anderen
Bedingungen angehen würden. Indes reicht die Berücksichtigung dieser
Fehlerquellen sicher nicht aus, um den außerordentlich geringen Gehalt
an entwicklungsfähigen Bakterien in den frisch entleerten Fäces zu er¬
klären. Sollen doch nach Straßburger nur 0*07 Prozent der Fäces-
bakterien entwicklungsfähig sein. Ein derartiges massenhaftes Sterben
kann man in Reagensglaskulturen nicht beobachten. Nach einer Be¬
rechnung von Hehewerth waren auf einer Agarkultur von Bacterium
coli bei 37° nach 24 Stunden noch 84*4 Prozent, nach 52 Stunden
23*4 Prozent, nach 4 Tagen 12*7 Prozent und nach 7 Tagen noch
1 • 1 Prozent am Leben. In Fleischbrühekulturen fand er am 7. Tage
sogar noch 5*4 Prozent entwicklungsfähig. Nimmt man nach Rubner
an, daß der Kot etwa 3 Tage durchschnittlich braucht, um den ganzen
Darm zu passieren, so müßte also im Darm innerhalb dreier Tage eine
Abnahme bis auf 0*07 Prozent lebender Keime erfolgt sein; wahrscheinlich
ist dieser Zeitraum noch viel kleiner, da im oberen Dünndarm anscheinend
nur eine geringe Bakterienvegetation stattliudet. Diese Tatsachen weichen
so wesentlich von den im Reagenzglas gefundenen ab, daß sie durch den
Antagonismus der verschiedenen Bakterien im Darm, sowie durch die im
Dickdarm vorhandenen schlechten Ernährungsbedingungen kaum eine
genügende Erklärung finden. Vielmehr sind sich die meisten Untersucher
darin einig, daß in der natürlichen Kultur im Darm andere Verhältnisse
Zeitsehr. f. Hygiene. LVII,
Digitized by Gougle
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354
MANTEUFEL: ÜbEB ENTWICKLUNGSHEMMUNG USW.
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vorliegen als in der künstlichen Kultur. Da nun die Bakterien selbst
derartige abtötende Stoffe nicht produzieren, auch in den frischen Fäces
keine antibakteriellen Kräfte nachweisbar sind, da ferner in dem end liehet
Ergebnis durch Modifikationen in der Zusammensetzung der Nahrung,
vorausgesetzt, daß normale Verhältnisse gewahrt bleiben, keine wesentlich?
Änderung eintritt, wie Lissauer in der oben erwähnten Arbeit wieder
bewiesen hat, so bleibt als logischer Schluß nur die Annahme
übrig, daß der lebende Organismus die Verhältnisse schafft, die
in der Kultur nicht bestehen. Seitdem man weiß, daß nicht nur im
Blutserum Erwachsener bedeutende bakterizide Kräfte vorhanden sind, son¬
dern auch ex- und transsudierte Flüssigkeiten bakterielle Antikörper ent¬
halten, liegt der Gedanke sehr nahe, daß auch die Darmoberfläche
Gewebssäfte liefert, die auf die Bakterien der Fäces einen
deletären Einfluß ausüben. Rolly hat zwar im experimentell ge¬
wonnenen Dickdarmsaft Darmbakterien gut wachsen gesehen, indes spricht
das meines Erachtens nicht gegen die obige Annahme. Bekanntlich wachsen
ja auch Typhusbazillen und Choleravibrionen in dem zugehörigen Immun¬
serum, und man kann die bakteriziden Fähigkeiten dieser Sera im Reagenz¬
glas nur mit Hilfe des Plattenversuches demonstrieren. Thermolabile
entwicklungshemmende Stoffwechselprodukte der Bakterien
können jedenfalls ätiologisch für das Absterben der Mikro¬
organismen im Darmkanal schon deshalb nicht in Betracht
kommen, da man es hier nicht mit Entwicklungshemmung,
sondern mit kompletter Vernichtung zu tun hat
So muß ich denn auf Grund der Resultate anderer Beobachter und
meiner eigenen Untersuchungen bei der bisher vertretenen Ansicht beharren,
daß weder die Colibazillen noch im allgemeinen die Bakterien in ihren
Reinkulturen auf den gebräuchlichen Fleischbrühe-, Gelatine- und Agar¬
nährböden Stoffwechselprodukte bilden, die als wesentliche Ursache der
Wachstumshemmung auzusehen sind. Die Beobachtungen sprechen mit
einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Ent¬
wertung des Nährbodens der ausschlaggebende Faktor für die Wachstums¬
hemmung und den Bakterientod ist.
Ebensowenig finden sich in frisch entleerten Fäces bakterizide Stoffe,
die das Vorhandensein der massenhaften toten Bazillenleiber darin erklären
können; vielmehr sind neben der Wirkung des erschöpften Nährbodens,
als was die Fäces im Dickdarm zu betrachten sind, bakterizide Kräfte des
lebenden Organismus, die durch Vermittlung der Darmwand mit den
Fäcesbakterien in Verbindung treten, für diese Erscheinung verantwortlich
zu machen.
Gck igle
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Die Grnesener Kläranlage.
Ein Beitrag zur biologischen Abwässerreinigang.
Von
Oberstabsarzt Dr. Hammeraohmidt
io Gnesen.
Die Stadt Gnesen besitzt keinen Flußlauf; ihre Lage zwischen zwei
Seen auf hügligem Gelände, Ausläufern des uralisch-baltischen Höhen¬
zuges mit der höchsten Erhebung von 122-3 m über dem Normalpunkte,
entspricht der geschichtlichen Entwicklung. Das einzige fließende Ge¬
wässer ist ein schmaler, wenig wasserreicher Graben, der in einem Sumpf¬
gelände im Süden der Stadt entspringt, diese in einem von Westen nach
Osten ziehenden Bogen umfließt und nach einem im ganzen 12 km langen
Lauf in die Welna, einen Nebenfluß der Warte, mündet. Auf seinem
Wege durchströmt er die beiden Seen, den 14 h4 großen Jeloneksee,
welcher die Stadt im Westen begrenzt, und den 18 h * großen Kreuzsee
im Norden der letzteren. Diese beiden Seen sind für Gnesen von großer
Bedeutung, nahmen sie doch bis zum Mai 1906, bis zur Einführung der
Kanalisation, in völlig ungeklärtem Zustande die sämtlichen Abwässer der
Stadt auf, welche ihnen durch drei mitten durch das Weichbild hindurch¬
ziehende offene Gräben mit gewöhnlicher Erdsohle zugeführt wurden.
Zwar sollten wenigstens in den letzten Jahrzehnten nur die Tageswässer
durch die wenig gut gepflegten Rinnsteine abfließen, während die Ent¬
leerung der Abortgruben auf pneumatischem Wege erfolgte, allein wie der
Augenschein bewies, gelangte auch der größte Teil der Hauswässer in die
Gräben hinein. Und wenn die Polizeivorschrift die Undurchlässigkeit der
Abortgruben durch gute Zementierung verlangte, bei hygienischen Be¬
sichtigungen wurden mehrfach Kloaken gefunden, welche direkte Über¬
läufer in die Gräben besaßen. 1 Endlich sorgten die trotz der pneumati-
1 Bericht des Stabsarztes Prof. Dr. Uhlenhuth über die sanitären Mißstände
in Gnesen 1903.
23*
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Gck igle
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356
Hammerschmidt:
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sehen Entieerung der Gruben zu jeder Zeit offen durch die Stadt fahrend«
Mistwagen dafür, daß Abortinhalt verstreut wurde und in die Gräben ge¬
langte. Ein Gefälle bestand bei denselben so gut wie gar nicht, nur ein
stärkerer Regen rührte den äußerst übelriechenden und die Straßen
weithin verpestenden trüben Schlamm auf und führte ihn seiner Be¬
stimmung, den beiden Seen zu, von denen der Jeloneksee die Hälfte der
Abwässer aufnahm, während der Kreuzsee den Rest und daneben da?
erhielt, was der Jeloneksee nicht an Sinkstoffen zurückbehalten hatte.
Diese an und für sich sehr ungünstigen hygienischen Verhältnis*
wurden noch durch eine Bevölkerung verschlimmert, welche zum groß«
Teil äußerst wenig an Reinlichkeit und Ordnung gewöhnt ist. Dazu
kommt, daß die Stadt einen Verkehr hat, der nicht im Verhältnis zu
ihrer Größe und Einwohnerzahl steht. Die regelmäßigen wöchentlichen
Viehmärkte, die häufigen Pferdemärkte, mehr noch die zahlreichen kirch¬
lichen Feiertage locken die polnische Landbevölkerung seit Jahren in
großen Massen in die Stadt und tragen viel dazu bei, die Straßen Gnesens
zu verschmutzen. Immerhin blieben die Verhältnisse erträglich, solange
der Ort, der räumlich eine ziemliche Ausdehnung besitzt, ein kleints
Landstädtchen blieb; als aber in den letzten 40 Jahren die Bevölkerung
sich fast verfünffachte (von 5700 im Jahre 1857 auf gegen 24 000 I906i
und die Stadt anstatt sich in die Breite auszudehnen mehr durch Emer¬
wachsen der Häuser in die Höhe zunahm, d. h. als Mietskasernen gebaut
wurden, welche von den feuchten schmutzigen Kellerräumen durch die
drei Stockwerke hindurch bis zu den Bodenräumen einschließlich der
äußerst fragwürdigen Hofräume vollgepfropft waren mit einem armen
Proletariat, entstanden äußerst mißliche hygienische Zustände.
Gnesen ist, wie die Sterblichkeitsziffer lehrt, an und für sich kein
ungesunder Ort. 1 Trotz der infolge seines rein kontinentalen Klima?
recht rauhen und trockenen Winde und eines langen und kalten Winter?
sind Erkältungskrankheiten hier nicht häufiger als an anderen Orten, die
Tuberkulose tritt nach den standesamtlichen Nachrichten der letzten
15 Jahre in mäßigen Grenzen auf (auf insgesamt 7111 Todesfälle von
1891 bis 1905 fallen 599, also 84 Promille auf Lungenschwindsucht .
1 Als Vergleich mögen einige größere Orte des Ostens dienen; darnach betrug
die Sterblichkeitsziffer in den Jahren 1881 bis 1890 durchschnittlich:
In Königsberg i. Pr.80*2 Promille.
Breslau.29*9 „
Posen.. . 29*1 „
Onesen.27*9
„ Danzig.27-4
„ Stettin.25-4
Go gle
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Die Gnesenee Kläbanlage.
357
endemische Krankheiten sind nicht vorhanden, allein die Erfahrung hat
gelehrt, daß eine Seuche, einmal eingeschleppt, einen ungewöhnlich guten
Boden für ihre weitere Ausbreitung findet und sich lauge zu halten ver¬
mag. Aus den mir zugänglichen, allerdings unvollständigen Akten der
Stadt — erst seit 1891 gibt es genaue Zusammenstellungen — habe ich
einige Infektionskrankheiten zusammengestellt, welche die vorhergehenden
Ausführungen am deutlichsten illustrieren. Darnach herrschte Fleck¬
typhus 1878 und 1881 in größerem Umfange, seit 1894 ist kein Fall
mehr beobachtet. Weiter trat auf:
Pocken 1884 mit 79 Erkrankungen, darunter + 23
1889 „ 130 „ „ f 38
Cholera 1849 1 „ 2108 Fällen „ + 1926
1852 „ 167 „ „ t 103
1866 „ 691 „ „ f 319
Auch die Ruhr hat früher zahlreiche Opfer gefordert, doch liegen nur
für die Garnison, nicht für die Zivilbevölkerung Angaben vor. Darnach
erkrankten:
1882 101 Mann davon + 5
1895 15 „ „ t 1
Seit 1901 ist kein Fall mehr beobachtet worden. Scharlach war
in den früheren Jahren nicht besonders häufig, wenn er auch nie ganz
fehlte. 1902 setzte eine ungewöhnlich schwere Epidemie ein:
1902 51 Erkrankungen mit 23 Todesfällen
1903 195 „ „ 68 „
Außerdem wurden nicht weniger als 357 Erkrankungen aus dem Kreise
Gnesen amtlich gemeldet.
Die für Gnesen geradezu charakteristische Krankheit ist der Unter¬
leibstyphus, wenn letzterer auch zweifellos nicht, wie man gemeint hat,
in der Stadt endemisch ist. Die geschilderten hygienischen Mißstände,
welche in den Dörfern und teilweise auch in den Ansiedlungen der Um¬
gebung ein Ebenbild finden, bieten einen geradezu idealen Boden für seine
Ausbreitung. Die Nähe der russischen Grenze begünstigt die Ein¬
schleppung aller Seuchen in hohem Maße, so ist es denn kein Wunder,
daß Gnesen von der Krankheit niemals ganz verschont geblieben ist und
daß sporadische Fälle stets Vorkommen. Sieht man von den Jahren vor
1890 ab, wo eine Wasserleitung fehlte und nur Brunnen meist zweifel¬
hafter Art zur Verfügung standen und infolgedessen die Krankheit in
erheblich stärkerem Maße geherrscht zu haben scheint als später, so sind
Krankheiten verzeichnet:
1 Bei einer Bevölkerungsdichte, welche 6229 betrug, also erheblich höher war
als 8 Jahre später, s. o.
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Gck igle
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358
Hammerschmidt
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Zivilbevölkerung:
Garnison:
.
1891
4 davon, gestorben
p
10
davon gestorben
1
1892
15
7?
7»
?
64
77
7?
10
1893
3
7?
77
?
7
77
77
—
1894
10
77
77
?
1
77
77
—
1895
11
77
77
3
4
77
77
—
1896
6
77
77
1
—
77
77
—
1897
10
77
77
2
5 *5
77
77
—
1898
3
77
77
—
2
77
77
1
1899
4
77
77
—
—
77
77
—
1900
3
7?
77
1
—
77
77
—
1901
6
77
77
3
2 *1
77
77
—
1902
63
77
>7
10
17
77
77
1
1903
68
77
77
10
91 *56
77
7
1904
64
77
7?
11
2 *2
77
77
—
1905
12
77
77
5
2 *2
71
?1
—
1906
17
77
77
—
1 *1
77
77
—
Die mit einem * bezeichneten, in der Gesamtsumme bereits enthaltenen Falle
stammen nachweislich aus dem Manöver, sind mithin in die Stadt eingeschleppt
Wie man sieht, sind die Zahlen bis zum Jahre 1902 durchaus nicht
übermäßig hoch; 1902 aber setzte völlig unvermittelt eine schwere Epidemie
ein, deren erste Fälle zweifellos auf den Genuß von auswärts eingeführter
infizierter Milch zurückzuführen sind, während sich die Krankheit später
wohl mehr durch Kontakt ausbreitete. Diese Epidemie, welche sich mit
Unterbrechung des Dezember 1903 über 24 Monate hinzog, umfaßt
136 Erkrankungen aus der Zivilbevölkerung mit 20 Todesfällen. In dem¬
selben Zeiträume kamen aus dem Kreise Gnesen 212 Erkrankungen zur
Anzeige. Wenige Monate nach Erlöschen der Seuche erkrankten alsdauu
im Mai und Juni 1904 in schneller Folge wieder 54 Personen, fast alle
aus einer Straße, von denen 11 der Krankheit erlagen. Auch hier sied
die ersten Fälle mit Sicherheit auf infizierte Milch aus einer Sammel¬
molkerei zurückzuführen. Daß die Seuche damals nicht weiter um sich
griff, ist einzig und allein der Energie zu danken, mit der sie von Anfang
an bekämpft wurde.
Die oben flüchtig geschilderten hygienischen Mißstände forderten ge¬
bieterisch eine Abhilfe, die schnell aufeinander folgenden schweren Typhus-
epidemien im Verein mit dem gleichzeitig herrschenden Scharlach waren
die äußere Veranlassung, daß die Stadtverwaltung ernstlich daran ging.
Abhilfe zu schaffen. Die Versorgung der Stadt durch gutes, aus Tief¬
brunnen stammendes Leitungswasser, welche 1888 geschaffen worden war
und von der mau sich soviel versprochen hatte, war, wie die nachher
Gck igle
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A
Die Gneseneb Kläeanlage.
359
auf tretenden Epidemien zeigten, allein nicht imstande gewesen, eine
aassichtsreiche Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten zn schaffen.
Ebensowenig nützten die strengen Maßregeln bei Ausbruch einer Seuche,
die Schließung von fragwürdigen Keller- und Bodenwohnungen, die
zwangsweise Überführung der Kranken in die Krankenhäuser, Gesundheits¬
besichtigungen und Desinfektion der Wohnungen; nur die Prophylaxe,
die Unschädlichmachung der Abfallstoffe, konnte eine Besserung der
Gesundheitsverhältnisse bringen, darüber waren sich alle beteiligten
Behörden einig, es entstand nur die Frage: Wohin mit den Abfall¬
stoffen? Die Anlage von Rieselfeldern, so sehr sie auch erstrebenswert
sein mochte, war aus örtlichen Gründen nicht möglich, denn erst in einer
Entfernung von 3 km von der Stadt konnten dieselben angelegt werden,
und außerdem lagen die in Betracht kommenden Ländereien etwa 20 m
höher als das Tal, in welches die Stadt entwässern konnte, so daß die
Anlage ungewöhnlich hohe Kosten verursachen mußte. Infolgedessen ent¬
schloß man sich zur Einführung des biologischen Verfahrens, derjenigen
Abwasserreinigung, welche scheinbar die größte Zukunft hat.
Das Kanalnetz Gnesens ist derart berechnet, daß es auch für die
doppelte Einwohnerzahl genügen wird. Eis besitzt zwei Notauslässe, damit
der Hauptsammler nicht zu großen Querschnitt zu haben braucht, einen
am Jeloneksee, so angeordnet, daß das Kanalwasser erst in Tätigkeit
treten kann, wenn es mit mindestens der zwölffachen Menge Regenwassers
verdünnt ist. Die Notauslaßschwelle am Verbindungsgraben zwischen
beiden Seen tritt erst in Tätigkeit, nachdem das Schmutzwasser mit
mindestens sechsmal soviel Regenwasser verdünnt ist. Beide Notauslässe
treten also erst bei stärkerem Regen in Funktion, sonst Hießen sämtliche
Abwässer, Schmutzwässer und kleinere Regenmengen mit natürlichem
Gefälle der Kläranlage nördlich vom Kreuzsee zu. Die kleinen die Stadt
durchziehenden Kanäle sammeln sich schließlich zu einem Hauptsammler,
der den Kreuzsee auf der Ost- und Nordseite umfließt und alsdann
in die Kläranlage mündet. Die letztere reinigt die Abwässer zuerst
mechanisch, dann biologisch und besteht im wesentlichen aus einer Vor¬
kammer, vier überdeckten Absatzkammern uud den Tropfkörpern. Außer¬
dem kommt noch das Wärterhaus hinzu mit den maschinellen An¬
lagen zur Entfernung des Sumpfes aus den Absatzkammern. L)ie
Vorkammer enthält einen eisernen Sandfang zum Abfangen der groY>en
•Sinkstoffe und einen schrägliegenden Rechen mit 15 mm Schlitzweite*. fn
den Sandfang ist ein elektrisch betriebener Eimerbagger eingebaut, durch
den von Zeit zu Zeit die Ablagerungen nach einem Abbau befördert
werden, von wo aus sie in einen untergestellten Vagen fallen. ]j er
schrägliegende Rechen wird gereinigt durch eiserne Kratzer, welche.
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Gck igle
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360
Hammekschmldt :
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eiuer Kette ohne Ende dauernd in der Richtung des Wasserlaufs auf dem
Rechen hoch gezogen werden. Die abgekratzten Gegenstände fallen am
Ende des Rechens auf ein quer zur Richtung des Wasserlaufs liegendes
Transportband, werden auf diesem aus der Vorkammer befördert und
fallen draußen in einen untergestellten Wagen. Über der Vorkammer
erhebt sich ein Ziegelrohbau, der ein Dienstzimmer und einen Geräte¬
raum enthält, in welch letzterem auch die beiden Elektromotoren zum
Antriebe des Baggers und der Kratzvorrichtuug sich befinden.
An die Vorkammer schließen sich die vier nebeneinanderliegenden,
überwölbten Absatzkammern an, die, am Einfluß 0*8 m breit, sich all¬
mählich bis zu 5 m erweitert und in dieser Breite sich noch 30 m er¬
strecken, so daß jede Kammer 35 m Nutzfläche besitzt Um die Kammer
nach Belieben in Betrieb setzen zu können, hat jede am Ein- und Ausfluß
einen Schieber zum Abstellen der Flüssigkeit. Der Abfluß erfolgt durch
eine durchlöcherte Wand mit 4 bis 25 ram weiten Löchern, welche eiue
ruhige Bewegung des Wassers bezwecken und gleichzeitig als Sieb zum
Auffangen der sich bildenden Schwimmdecke dienen. Zum Schutz gegeu
Frost sind die Becken mit Erde bedeckt, Licht erhalten sie durch einige
mit Prismenglas bedeckte Öffnungen im Scheitel der Gewölbe. In den
Kammern sind in Höhe des höchsten Wasserstandes 1 m breite Laufstege
angebracht. In der Mitte jeder Kammer ist ein Pumpensumpf vorgesehen,
nach welchem zu die Sohle ein Gefälle von 1:20 und mehr hat; der
sich in den Kammern bildende Schlamm wird durch Pumpen heraus¬
gepumpt und findet in der Landwirtschaft Verwendung. Die Wassertiefe
im Becken wechselt natürlich mit der Menge des zufließenden Wassers
von 2 bis 3 m , kann aber bis auf 3*40 steigen. Unter Zugrundelegen
der Beobachtungen in der Kölner Versuchsanlage soll folgender Klärefl'ekt
eintreten — Versuche sind bisher nicht angestellt. Die Schmutzwasser¬
menge beträgt bisher in Maximo 34 Sekunden-Liter, wird nun angenommen,
daß vou den vier Becken immer nur drei in Betrieb sind, und daß die
Ablagerung des Schlammes bis Ordinate 104-30 erfolgt, so ergibt sich:
Derzeitige maximale
Schmutzwasser
Dieselbe Menge mit
der 6 lachen Menge
Kegen wassers
Zukünftig mögliche
verdünnte Schmutz-
wassermenge
|t Zufluß- |
1 menge i
in Litern
W asser-
stand im
Becken
Geschwin¬
digkeit in
m/sec.
Durchflußzeit !
Stdn. Min. |
Kläreffekt
r
35
+ 104-92
2-5
3
53
72 Prozent
315
+ 105-37
^ 15-3
~~
i
38
60 Prozent
i
- —
5 IS
+ 105-70
1 20-3
—
29
62 Prozent
t
Gck igle
Original ffom
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Gnesener Kläranlage.
361
Das Wasser schlägt also in den Sedimentierbecken etwa 70 Prozent
seiner ungelösten Stoffe nieder. (Daß es sich dabei nicht nur um Sedi-
mentieren handelt, sondern daß auch biologische und chemische Prozesse vor
sich gehen, beweisen die zahlreichen an die Oberfläche steigenden Gas¬
blasen und die Bildung einer dicken Deckschicht, die allmählich reißt
und zerstört wird.) So vorgereinigt fließt das Wasser durch die durch¬
lochte Wand gleichmäßig in eine 1 m breite Sammelrinne, von der aus
es mittels durchlochter Zinkröhren auf die Tropfkörper verteilt wird.
Diese letzteren, die Oxydationskörper, sind der wichtigste Teil der ganzen
Anlage; sie bestehen aus Schlacke und Koks, sind trapezförmig, mit einer
unteren Breite von 8 und einer oberen von 6 m und folgendermaßen an¬
geordnet: Auf einer l*23 m dicken Schicht von großem Koks ruhen nach
Art der Trinkwasserfilter immer feiner werdende Koksschichten von 0*80,
0.20 und 0*15“ Dicke, deren letzte eine 20 cm dicke Sandschicht trägt.
Unter jedem Tropfkörper ist eine mit durchlochten Betonplatten abgedeckte
Rinne, in welche das auf die geneigte Sohle abtropfende Wasser abläuft.
Die 6 m breite Oberfläche der Tropfkörper ist als Dunbarsche Schale
hergestellt, in der die bereits erwähnten Zinkröhren liegen. Die Tropf¬
körper sind bereits an und für sich möglichst durchlässig gebaut, ent¬
halten aber außerdem noch von oben nach unten sowie von rechts nach
links ziehende Ziegelsteinröhren, so daß also von allen Seiten Sauerstoff
zu dem von oben herabfließenden Wasser gelangen kann. Die Länge
jedes Tropfkörpers beträgt 33-5 m , seine obere Breite, wie bereits gesagt,
6“; es besitzt also jeder rund 200 qm Filterfläche für das abfließende
Wasser, welches sich in eine 1 m breite Rinne ergießt, um von dort ins
Gnesener Fließ zu gelangen. Bevor es letzteres erreicht, durchströmt es
noch eine Anlage, in welcher das Wasser bei Epidemien mit Kalkmilch
vermischt und durch maschinelle Einrichtungen gründlich durchgeschüttelt
werden kann.
Der Betrieb der Kläranlage ist folgender: Nachdem das durch Nieder¬
schlagen der ungelösten Stoffe in den Absatzkammern vorgereinigte Wasser
die obere Sammelrinne passiert hat, gelangt es in die auf den tiefer¬
liegenden Oxydationskörpern ruhenden durchlochten Zinkröhren und tritt
hier durch die Löcher in zahlreichen Strahlen in die Dunbarsche Schale.
In kurzer Zeit erreicht die äußerst trübe und oft stark riechende Flüssig¬
keit eine empirisch festgestellte obere Grenze, so daß die Röhren voll¬
ständig unter der Oberfläche verschwinden und das aus den Löchern aus¬
strömende Wasser sich nur durch die Bewegung der Oberfläche bemerk¬
bar macht. Zurzeit sind vier Tropfkörper fertiggestellt, nach dem
Bedürfnis sollen im ganzen zehn erbaut werden, so daß alsdann eine
filtrierende Fläche von 2000 qm zur Verfügung steht. Diese vier bereits
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362
Hammerschmidt :
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fertigen Oxydationskörper, von denen der eine ans Schlacken nnd Koks,
die drei anderen fast nur aus Koks hergestellt sind, arbeiten derart, daß
sie im allgemeinen abwechselnd 60 Stunden in Tätigkeit sind 1 , um sich
alsdann 36 Stunden auszuruhen, was in einfachster Weise durch Schließen
der Absperrvorrichtungen in den Zinkröhren geschieht. Das Arbeiten der
Tropfkörper, d. h. das Herabfließen des Wassers aus der Dunbarschen
Schale in die Rinne unterhalb des Körpers, vollzieht sich naturgemäß in
verschieden langer Zeit, je nachdem die Tropfkörper längere oder kürzere
Zeit in Tätigkeit sind. Während anfangs bereits nach 15 Minuten das
Wasser unten heraustritt, sind schließlich V/ 2 Stunden dazu erforderlich.
Dann ist es aber auch Zeit, daß die Sandschicht abgekratzt und gereinigt
wird, eine Maßnahme, die bisher meist alle 14 Tage notwendig gewesen
ist. Das unten abfließende Wasser war bis jetzt stets sehr trübe. —
Es entspricht nicht dem Zwecke dieser Arbeit zu untersuchen, ob,
wie in England besonders Dibdin meint, im Oxydationskörper die Auf¬
lösung der gelösten und aufgeschwemmten Stoffe durch die Oxydation
lebender Organismen vor sich geht oder ob Dunbars Ansicht zu recht
besteht, daß die Spaltungsvorgänge nicht auf der Tätigkeit der Bakterien,
sondern vielmehr auf Absorption und Adsorption beruhen, welche nach
ihm von einem Gewirr pflanzlicher und tierischer Organismen in allen
Teilen des biologischen Körpers ausgehen. 2 Die Absicht war, durch eine
Reihe von Untersuchungen festzustellen, was die Kläranlage unter den
jetzigen Verhältnissen geleistet hat und welchen Einfluß sie auf das Ge¬
wässer Gnesens, das Gnesener Fließ mit seinen Seen bisher geleistet hat.
Um dies entscheiden zu können, ist es notwendig, den Verlauf des letzteren
genauer zu verfolgen.
Der Graben, dessen Fortsetzung vom Kreuzsee aus das Gnesener
Fließ genannt wird, entspringt, wie bereits im Eingänge besprochen, in
einem sumpfigen Wiesengelände im Süden der Stadt und erreicht nach
etwa 500 m den 4 h ‘ großen Pustachowoer See, 118*9 über dem Meeres¬
spiegel. Der See ist sehr morastig und wie alle noch weiter zu be¬
sprechenden Seen mit Schilf bewachsen, wie Landleute behaupten, ein
sichbarer Beweis für seinen kalkhaltigen Untergrund. Seine Tiefe ist 1
nicht ausgemessen, dürfte aber nicht ganz unbeträchtlich sein. Aus dem
See, in welchem sich die Badeanstalt des Dragonerregiments befindet, tritt
ein schmaler, ziemlich geschlängelter Graben mit einem anfangs auffallend
1 Seitdem der Schlamm aus den Kammern entfernt wird, arbeiten die Tropf¬
körper länger.
* Tatsächlich ist über die Rolle der Mikroorganismen im biologischen Körper
bisher sehr wenig bekannt.
Gck igle
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Die Gneseneb Kläbanlage.
363
klaren und reinen Wasser heraus, der durch eine immer mehr an Tiefe
zunehmende Schlucht mit durchweg morastischem Untergrund strömt, bis
er nach etwa 2 km in den Jeloneksee mündet. Auf dem Wege dorthin
verliert das Wasser seine Reinheit völlig, da eine Zuckerfabrik , einen Teil
ihrer Abwässer, wenn auch angeblich in geklärtem Zustande, in den
Graben ergießt. Bis zur Durchführung der Kanalisation flössen außerdem
noch die Abfälle eines ganzen Stadtteiles und des Kavalleriekasernements
in ihn. Der 14große Jeloneksee, 105*4 m über den Meeresspiegel, die
nächste Etappe des Wassers, war bis zum Anfänge der neunziger Jahre,
trotz der sicherlich schon seit hunderten von Jahren bestehenden hygieni¬
schen Mißstände, ein verhältnismäßig reines Gewässer mit Krebsen und
Fischen aller Art. Seitdem aber neben der Zuckerfabrik eiue große
Lohgerberei ihre Abwässer direkt in ihn ergießt, enthält er kein lebendes
Geschöpf höherer Gattung mehr und seine Verschmutzung ist so groß,
daß die Ausdünstungen des von klassisch gebildeten Bewohnern Gnesens
cloaca maxima genannten Sees zeitweise die ganze Stadt verpesten. Er
hat eine Wassertiefe von 3 m , darunter aber nicht weniger als 4 m Schlamm.
Durch den schmalen wenig wasserreichen Verbindungsgraben gelangt das
Wasser nach 550 m in den 18 h * großen Kreuzsee, der nur 1.8 m tieferliegt
als der Jeloneksee, so daß also von einem Gefälle des Verbindungsgrabens
kaum die Rede sein kann. Trotzdem der See bei einer Wasserschicht
von gleichfalls 3 m 6 m Schlamm enthält, halten sich in ihm doch so viele
Fische auf, daß die Fischereigerechtigkeit hat verpachtet werden können.
Am Südufer des Sees liegt die Militärbadeanstalt, am Westufer die
städtische; beide sind seit der vorletzten Typhusepidemie von 1903 polizei¬
lich geschlossen. Aus der Nordwestecke des Sees tritt das eigentliche
Gnesener Fließ heraus, in welches nach Durchführung der Kanalisation im
Mai 1906 die Abwässer anfangs in ungeklärtem, dann nach Fertigstellung
der Kläranlage und ersten Tropfkörper nunmehr in geklärtem Zustande hinein¬
fließen. Das Fließ mit seinen 50 Liter Wasser in der Sekunde während der
Sommermonate ist ein Graben von etwa 1 • 5 m Breite und einer wechseln¬
den Wassertiefe von 0*25 bis 0*75 m , dessen Bodenschicht stark verschlammt
ist und dessen Wasser bis zur Einmündung in die Welna eine schmutzig
grüne Farbe zeigt. Bereits nach 125 m durchströmt das Fließ einen
weiteren See, den kleinen, kaum 300 m breiten und zur größeren Hälfte
mit Schilf bewachsenen Bilitkosee, der nur 1 m Wasserschicht, dafür aber
eine Sumpftiefe aufweist, für deren Ausmessung die 13 m lange Stange
des Stadtbauamtes nicht ausreichte. Nach 1400 m erreicht das Fließ den
fünften und letzten See, den Pyszynersee, 102*6 m über dem Meeresspiegel,
genannt nach der Ortschaft Pyszyn, welche etwa 20 m höher als der
Spiegel des Sees auf seinem steilen Ostufer liegt. Der See, welcher
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864
Hammerschmidt :
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wenigstens am Rande ein ziemlich klares Wasser besitzt, ist der letzte in
der Kette. Es folgen nnnmehr noch 7700“ durchweg monistisches
Wiesengelände in einer abwechselnd breiten und tiefen Schicht, bis die
Welna, bis hierher ein kleiner Waldbach, das Fließ aufnimmt (96 m über
dem Meeresspiegel). Das ganze Tal des Fließes mit seinen stellenweise
nicht unbeträchtlich hohen sandigen Ufern stellt der ganzen Gestaltung
nach augenscheinlich ein vorgeschichtliches Flußbett dar, die fünf Seen,
welche der Graben durchfließt, sind wahrscheinlich die tiefsten Stellen
desselben.
Die ausführliche Schilderung des Fließes erschien notwendig zum
Verständnis der folgenden Untersuchungen, deren Ausführungen, abgesehen
von dem wissenschaftlichen Interesse, auch einen praktischen Zweck ver¬
folgten. Für die Stadt ist neben der allgemeinen Sanierung von Bedeutung,
ob die beiden Seen, der Jeloneksee und der Kreuzsee, jetzt, nach Fertig¬
stellung der Kläranlage, bereits eine hinreichende Selbstreinigung durch¬
gemacht haben. Für die Garnison kommt in Betracht die etwaige Frei¬
gabe der Badeanstalt im Kreuzsee und endlich ist von Bedeutung, ob
eine Verschlechterung des Wassers unterhalb des Ausflusses der Kläranlage
den Fischen im Pyszyner See gefährlich werden kann. 1
Die Untersuchungen des Wassers waren physikalische, chemische 2 ,
mikroskopische uud bakteriologische, und zwar wurden an verschiedenen
Stellen des Gnesener Fließes Proben entnommen. Die bakteriologischen
Untersuchungen bewegten sich in zwei Richtungen; zunächst wurde die
Keimzahl unter Anwendung der amtlich empfohlenen Nährgelatine fest¬
gestellt, dann aber fand jedesmal, in der Erwägung, daß der beste Titer
für die Verunreinigung eines Wassers mit städtischen Abgängen sein
Gehalt an Colibazillen ist, eine Untersuchung auf diese statt Die
Wasserentnahme erfolgte in sterilen Flaschen, untersucht wurde nur das
vom Ufer aus entnommene Oberflächenwasser. Das Wasser wurde sofort
1 Tatsächlich sind bereits von den beteiligten Stellen Ansprüche auf Schaden¬
ersatz erhoben worden. Im Mai 1906 wurden zum ersten Male die städtischen Ab¬
wässer aus den Faulkammern, und zwar ungeklärt in das Fließ hineingeleitet Das
kurze Zeit darauf erfolgende größere Sterben der Fische im Pyszyner See führten die
Adjuzenten auf diese Verunreinigung des Wassers zurück. Da die Stadtverwaltung
derartige Streitigkeiten voraussah, finden bereits seit dem 30. März 1905 jeden Monat
chemische Untersuchungen des Wassers der drei Seeen, des Jelonek-, Kreuz- und
Pyszyner Sees statt. Das Ergebnis derselben, welche in der Versuchs- und Prüfungs-
anstalt in Berlin ausgefübrt sind, ist in den nachstehenden Ausführungen benutzt
worden.
’ Die chemischen Untersuchungen sind, soweit sie nicht den Angaben der Ver¬
suchsanstalt entnommen sind, von dem einjährig-freiwilligen Apotheker Freundlich
ausgeführt.
Gck igle
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Die Gnesener Kläranlage.
305
verarbeitet, jedesmal wurden drei Petrischalen gegossen. Trotz der mit
peinlichster Genauigkeit vorgenommenen Arbeiten schwankten die Keim¬
zahlen doch so erheblich, daß die Zählung allein niemals auch nur ein
annäherndes Bild der Reinheit des Wassers zu gehen imstande war. Für
den Nachweis der Colikeime, deren Vorhandensein stets auf Verunreinigung
mit menschlichem (oder wenigstens Warmblüter- 1 ) Kot hinweist und daher
wegen des für Gnesen geradezu typischen Typhus für die Untersuchung
des Fließwassers besonders wichtig ist 2 , wurde als das einfachste und
zuverlässigste das von Eijkmann angegebene Verfahren benutzt: Gärungs-
knlbchen werden mit dem zu untersuchenden Wasser gefüllt, welch letz¬
teres durch eine Vorratslösung einen Gehalt von 1 Prozent Traubenzucker,
1 Prozent Pepton und 0-5 Prozent Kochsalz erhält. Alsdann werden sie
durch Hochstellung des Brütschrankes einer Temperatur von 46° C aus-
gesetzt, bei der fast alle anderen Bakterien absterben. Ein reines Wasser,
das keine Colibakterien enthält, bleibt klar und zeigt höchstens nach zwei¬
mal 24 Stunden im offenen Schenkel und dem daran angrenzenden Teil
des geschlossenen eine leichte Trübung, niemals aber Gasbildung. Enthält
das Wasser aber vom Menschen oder von einem sonstigen Warmblüter
stammende Kotkeime, dann findet man nach 24 Stunden Bacterium coli
in Reinkultur oder wenigstens in überwiegender Mehrzahl; die gesamte
Flüssigkeit ist diffus getrübt und zeigt mehr oder weniger, immer aber
deutliche Gasbildung. Besonders wichtig ist noch dabei Eijkmanns
Beobachtung, daß von F'ischen und Amphibien, also auch von Fröschen
stammende Colibakterien zwar bei 37° wachsen und Zucker zu vergären
vermögen, aber nicht mehr bei 46°. Die Gasbildung ist bei menschlichen
Colikeimen im allgemeinen um so stärker und tritt um so früher ein, je
mehr Coliindividuen anfangs im Wasser vorhanden waren; bei geringen
Mengen, die sich erst im Kölbchen vermehrten, ist die Menge des neu-
gebildeten Gases erheblich geringer. Immerhin ist die Reaktion so fein
uud tritt so prompt auf, daß es mir mehrmals gelang, einen positiven
Ausfall zu erzielen in einer Verdünnung von 1:1000000000, d. h. wenn
eine Normalöse auf 50 cbm Wasser verteilt wurde und nach der Berechnung
Ibis 2 Keime auf etwa 10 ccm Wasser kommen müßten. Das Eijkmannsche
Verfahren ist also, wenn man auf die Feststellung der Zahl der Keime
verzichtet, qualitativ eine äußerst sichere, einfache uud schnell aus¬
zuführende Methode.
1 Christian, Zum Nachweis fäkaler Verunreinigung von Trinkwasser. Archiv
für Hygiene, Bd. LIV.
* Kisskalt, Verunreinigung der Lahn und Wisset, Diese Zeitschrift, 1906.
Bd. LIII. 8. 365 sagt: Zur Bestimmung der Infektiosität eines Wassers ist die Er¬
mittlung des Colititers die beste Methode.
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Gck igle
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366
Hammerschmidt :
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Um bei den nun folgenden Ausführungen nicht zu sehr ins Detail
zu gehen, sind bei den gewonnenen Resultaten die meteorologischen
Verhältnisse — große Hitze, Regen usw. — ganz außer acht gelassen
worden. Die chemische Berechnung, welche bei den monatlich ans¬
geführten Untersuchungen in Durchschnittszahlen angegeben ist, erfolgt
in Milligramm auf 1 Liter, die Menge der organischen Substanz ist nnr
durch den Verbrauch an Kaliumpermanganat angedeutet, von der Be¬
rechnung durch die Wood sehe Zahl (Verbrauch von Kaliumpermanganat¬
lösung mit 5 multipliziert) ist Abstand genommen worden, da die ge¬
fundene Zahl doch nur eine willkürliche ist. Die Keimzahl ist auf 1““
berechnet, Ausfall der Eijkmann-Coliprobe wird mit Eijkmann + oder -
bezeichnet.
Pustachowoer See, mehrmalige Untersuchung im Oktober 1906.
Physikalische
Untersuchung
H ä
Gesamt-
r t e
Blei¬
bende
: Schwefel¬
wasserstoff
*S
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Salpetrige
Säore
Salpetersäure
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CO
Chlor
Verbrauch von
Kalium¬
permanganat*
lösung
Keimzahl
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Klar, geruch- u.
6-72-11-0 3-36-3-92
0
f o
0
0 !6-7i
0
1-98-3-16 5800—
geschmacklos.
bis
bis
1
bis
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neutral, kein
* sehr
sehr
1
sehr
nennenswerter
gering
gering
]
1
ge-
•
Niederschlag
I
ring
i 1
1 j
Wie bei allen Wasseruntersuchungen schwanken die gefundenen Werte
nicht unerheblich. Die Gesamthärte ist nicht übertrieben hoch, sämtliche
Wässer der Umgebung von Gnesen weisen höhere Werte auf. Die Menge
an Schwefelsäure ist nicht gering, dürfte aber weniger auf Verunreinigung
durch Exkremente und Abfallstoffe als auf den natürlichen Gehalt des
Bodens an schwefelsauren Salzen zurückzuführen sein. Vielleicht spielt
auch die Fäulnis der im Wasser stehenden Balken der Badeanstalt eine
Rolle, denn von dem im See stehenden Floß aus fand die Entnahme des
Wassers statt. Von Wichtigkeit sind die organischen Stoffe und die
sogenannten Endprodukte der Fäulnis, Ammoniak, salpetrige und Salpeter¬
säure. Obschon zweifellos in dem rings mit Schilf bewachsenen See eine
starke Zersetzung von Pflanzensubstanzen stattfindet und der Boden des
Sees reich an organischen Substanzen ist, war der Verbrauch an Kalium-
permanganatlösung nicht übertrieben hoch. Wichtiger aber noch als diese
faulenden Pflanzensubstanzen sind die tierischen Zersetzungsprodukte, vor
allem der menschliche Kot und Urin. Bekanntlich werden die Abfall-
stoffe des menschlichen Hausrats — soweit sie in unserem Falle nicht
Gck igle
Original from
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Die Gneseneb Kläranlage.
367
direkt ins Wasser gelangen — dem Boden übergeben und zerfallen hier
unter dem Einfluß von Mikroorganismen in Kohlensäure, Ammoniak,
salpetrige und Salpetersäure. Nun werden weiter die Phosphate, die
Salze der Alkalien, die stickstoffhaltigen organischen Verbindungen und
das Ammoniak vom Boden zurüokbehalten und den Pflanzenwurzeln zu¬
geführt, während die Chloride, Nitrate und Sulfate im Wasser verbleiben.
Salpetersäure und Chlor geben also, da sie vom Boden nicht resorbiert
werden, besonders Schätzungswerte Anhaltspunkte für die Größe der Ver¬
unreinigung eines Wassers. 1 Beim Pustachowoer See sind Ammoniak,
salpetrige Säure und Chlor nur in Spuren vorhanden, Salpetersäure fehlt
ganz, ein Beweis, daß das Wasser mit Abfällen aus dem menschlichen
Hausrat nicht verunreinigt ist. Für diese Auffassung sprechen auch das
Fehlen von Schwefelwasserstoff und das negative Ergebnis des Eijk-
mannschen Verfahrens. Die Keimzahl von 5800 bis 10000 dürfte für
ein sumpfiges Oberfläohenwasser mit sehr geringem Abfluß nicht als hoch
anzusehen sein. — Mikroskopisch fanden sich Infusorien, Reste von
Wassertierchen und Pflanzenfasern; unter letzteren besonders Conferva-
faden und Scenedesmus quadricauda.
Als Vergleich mit dem Pustachowoer See möge das Untersuchungs¬
ergebnis einiger anderer Seen dienen:
fl §1
Jtci
*"2
flg-
© w
O *
Ammoniak
Salpetrige
Säure
Salpetersäure
Chlor
Keimzahl
Rummelsburger See,
bei den Eiswerken 9
Januar 1883
8-44
0-01
0
0
2-13
43 000
Stralauer Wasserwerke
vor dem Filtrieren*
Januar 1883
2*68
0-011
0
0
2-18
125 000
Tegler See 8
21. VH 1885
1-56
0
?
?
1-59
13 220
Züricher See 4
Seemitte, Zeit?
0-61
0-0026
?
Spur
?
61
1 Sendtner, Beurteilung von Trinkwasser. Wevls Lehrbuch der Hygiene.
1896. Bd. I. 8.747.
* Koch-Tiemann, Bericht der Deputation für die Verwaltung der Wasser¬
werke. Handbuch der Hygiene. 1896. Bd. I. S. 747.
* Plagge-Proskauer, Bericht über die Untersuchungen des Berliner Leitungs¬
wassers. Diese Zeitschrift. Bd. II.
4 Cromer, Wasserversorgung von Zürich. 1885.
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Gck igle
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368
Haboierschmidt:
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Fließ zwischen Pustachowoer- und Jeloneksee, vor dem Einfluß
der Abwässer der Zuckerfabrik. Untersuchung Oktober 1906.
Physikalische
Untersuchung
Härte
i
'Gesamt-
Blei¬
bende
.2
’S
1 o
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Klar, färb- und j
geruchlos, ge- '
schmacklos, kein
Niederschlag
17-92 5-64
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8
« s:
0 0 1 0 10 Spuren 1 1-528 2000 -
Der Bach fließt an dieser Stelle über sandigen, mit Steinen belegten
Untergrund schnell dahin. Das Wasser ist ungewöhnlich klar, ohne jede
Verunreinigung und entspricht seiner Zusammensetzung nach dem au>
zwei Tiefbrunnen stammenden Leitungswasser Gnesens, welches, aus einem
Zapfhahn geschöpft, folgende chemischen Bestandteile hat:
Physikalische
Untersuchung
(25. IX. 06.)
Härte
Blei-
I Gesamt-
bende
Klar, geruch- u. 23*52 I 5-32
farblos, ge- 1
schmacklos; kein 1
Niederschlag l
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9-5
7-8
2-844
60
i
[Der hohe Chlorgehalt des Leitungswassers ist auffallend, doch dürften
Verunreinigungen, namentlich durch Harn, nach Lage der Entnahmestelle
und bei dem Fehlen aller anderen, für Beimengungen aus dem mensch¬
lichen oder tierischen Haushalt sprechende Momente nicht in Betracht
kommen. Überdies enthielt das aus der Warthe stammende Leitungs¬
wasser von Posen (Entnahme am 7. Dezember 1905) bei 5*8* Kalium-
permanganatverbrauch und geringen Spuren von Salpetersäure sogar
14 Teile Chlor.]
Was das Wasser des Fließes anlangt, so hat sich seine chemische
Zusammensetzung insofern geändert, als die Härte, sowohl die Gesamt¬
ais auch die bleibende, gegenüber dem Pustachowoer See um einige Grade
zugenommen hat. Die Menge an Schwefelsäure hat etwas zugenommen.
der Gehalt an Chlor ist annähernd der gleiche geblieben, der Kalium*
permanganatverbrauch ist geringer geworden, abgenommen hat auch die
Keimzahl. Colikeime sind im Wasser nicht vorhanden. Mikroskopisch
ist die Ausbeute äußerst gering, nur einzelne Pflanzenfasern und Reste
von Wassertierchen sind zu sehen.
Gck igle
Original frorn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Gneseneb Kläranlage.
369
Bis hierher dürfte das Wasser annähernd immer die gleiche Be¬
schaffenheit aufweisen und nur eine zufällige Verunreinigung, z. B. wenn
starke Regengüsse Sand und Dünger yon den Äckern in den Graben
hineinschwemmen oder wenn im Sommer die Badeanstalt im Pustaohowoer
See benutzt und dadurch das Wasser in weitem Umkreise aufgerührt
wird, kann vorübergehend die chemische Zusammensetzung ändern; die
Einführung der Kanalisation hat jedenfalls keinen Einfluß auf das Fließ
ausgeübt. Sobald aber die schon erwähnte Zuckerfabrik ihre zahlreichen
Abwässer in den Graben entleert hat und das nunmehr langsam und
träge dahin fließende Wasser den Jeloneksee erreicht, ist die chemische
Beschaffenheit naturgemäß eine ganz andere. Schon vor Einmündung in
den See wird das Wasser trübe, undurchsichtig, es ist mit zahlreichen
braunen und grauen Bröckeln vermischt und selbst da, wo es sich nach
Absetzen einer dichten Schlammschicht am Boden so weit gereinigt hat,
daß man letztere erkennen kann, erhält es eine grüne Farbe. An Stelle
der vorherigen Geruchlosigkeit riecht es faulig, dumpfig, in der ver¬
schlossenen Flasche entwickelt sich nach 10 Tagen reichlich Schwefel¬
wasserstoff. In solcher Verfassung erreicht das Wasser den See.
Jeloneksee.
Bei der Untersuchung des Wassers sind zwei Perioden zu unter¬
scheiden, die erste vor Durchführung der Kanalisation, als außer den
Abwässern der Zuckerfabrik und der Gerberei die Abfälle eines großen
Teils der Stadt in das Seebecken hineingelangte, und die zweite, in welcher
die letzteren ganz fortfallen.
I. Vor Durchführung der Kanalisation; monatliche Untersuchungen
vom März 1905 bis April 1906.
Physikalische
Untersuchung
Gesamthärte
Ammoniak
Salpetrige
Säure
Salpetersäure
_
Schwefel¬
wasserstoff
Schwefelsäure
Chlor
i
Kalium-
permanganat-
! verbrauch
Keimzahl
P
P
CO
S
S
Trübe, grün.
23-2—
0*13
einmal
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vor-
—
! 21-2—
10-1—
8
o
+
zeitweise gelb¬
28-9
j —2 |
0
Male 0
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34-4
19-3
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jauchig, erdig.
sonst j
meist
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moorig; schwach
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starke
P
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alkalisch.
Reaktion Reaktion
2-1
iß
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Mäßiger, braun-
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Niederschlag
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06
i o 1
05
J
10. II. 06
7-9
£
N
CO
1 Größere Abweichungen vom Durchschnitt sind in der betreffenden Spalte
unter Angabe des Tages der Untersuchung ausgeführt.
Zeitschr. f. Hygiene. LVIL. 21
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Gck igle
Original frum
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870
Hammebschmidt :
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Die Durchsichtigkeit des Wassers war äußerst gering, schwankte aber
wie alle anderen Werte außerordentlich. Am 10. Juli 1905 betrug sie, in Zenti¬
metern ausgedrückt, 4-4, vier Wochen früher waren es 27 cm . Nach dem
Sedimentieren fanden sich reichliche braune, oft auch grünliche Flocken.
Die grüne Farbe des Wassers erklärte sich unter dem Mikroskop sehr
einfach: in jedem Tropfen schwirrten zahlreiche Exemplare einer bestimmten
Infusorienart herum, der zierlichen Euglena viridis, die in so ungeheurer
Zahl im Wasser sich finden, daß sie dem See seine Farbe geben und.
wie ich fast vermute, ihm auch seinen Namen gebracht haben. Zwar
heißt das polnische Wort Jelonek Hirsch, der See würde also Hirschsee
heißen, allein da der See in vergangenen Jahrhunderten wahrscheinlich
ebenso grün gewesen ist wie heute, so erscheint es denkbar, daß Jelonek
korrumpiert ist aus Zelony, grün. — Die Gesamthärte ist sehr hoch, groß
ist ferner die Menge des Ammoniaks, der salpetrigen und der Salpeter¬
säure; Schwefelwasserstoff war vorhanden, auch entwickelte sich, wenigstens
in den ersten Monaten der Untersuchungen, fast immer solcher bei der
Faulprobe. Sehr erheblich ist die Menge an Chloriden, doch steigt, was
für die spätere Betrachtung von Wert ist, der Gehalt an Chlor in den
Wintermonaten ebensowenig wie die Menge der organischen Substanz.
Der auffallend hohe Verbrauch an Kaliumpermanganat dürfte zum Teil
auf die Anwesenheit der zahllosen Euglenen zurückzuführen sein. Die
Menge der sich entwickelnden Keime ist gleichfalls sehr erheblich, die
Eijkmannsche Probe fiel stets stark positiv aus, d. h. die sich ent¬
wickelnde Gasmenge war beträchtlich. Unter dem Mikroskop fand sich
sehr viel organischer und mineralischer Detritus, an pflanzlichen Organis¬
men waren nur Confervafaden vorhanden, an Tieren außer Wasserflöhen
(Daphnien) zahlreiche lebende Cyklops (mikroskopische Krebse), ferner von
Infusorien Paramecium (Pantoffeltierchen), Vorticella (Glockentierchen) und
Monaden; daneben die schon erwähnten ungeheuren Mengen von Euglenen.
Alles in allem, der Jeloneksee vor der Kanalisation besaß ein ungewöhn¬
lich verschmutztes Wasser, und das Gutachten der Versuchsanstalt hatte
nur zu sehr recht, wenn es unter dem 25. Mai 1905 sagte: Der See hat
annähernd den Charakter von städtischem Sielwasser! Wenn auch viel
von den Verunreinigungen auf Rechnung der industriellen Anlagen kom¬
men mag, daß unendlich viel Kot in den See gelangt sein muß, beweist
der starke positive Ausfall jeder Eijkmannschen Probe.
Als Vergleich mit der chemischen und bakteriologischen Analyse des
Jeloneksees möge das Resultat einiger Untersuchungen der Berliner Riesel¬
aulage 1 dienen:
1 Koch-Tieman d, a. a. O.
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Original fro-m
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Die Gneseneb Kläranlage.
371
Ammoniak
Salpetrige
Säure
Salpeter¬
säure
Chlor
Verbrauch an
Kalium¬
permanganat¬
lösung
Keimzahl
Spüljauche aus dem Druck- 1
rohr bei Falkenberg |
8-44
0
0-25
!
23.43
22*12
38 000 000
Sielgraben, dicht über der 1
Mündung in die Wühle |
1-80
0*019
1-80
18*46
4.28
4000
Wühle nach Einmündung 1
des Siel graben s J
1-44
.
0
0-47
14.91
5-69
1
55 000
II. Jeloneksee nach Durchführung der Kanalisation. Monatliche
Untersuchung in der Zeit vom Mai 1906 bis Januar 1907.
Physikalische
Untersuchung
Gesamt-
harte
Ammoniak
Salpetrige
Säure
Salpeter¬
säure
Schwefel¬
wasserstoff
Schwefel¬
säure
Chlor
Kalium-
per-
manganat-
verbrauch
Keimzahl ||
Eijkmann
Grünlich,
14-5-
Spn-
Spn-
Spu-
0
_
21*2-
9.0—13*5
X i
dumpfig.
28-6
ren
ren
ren
37-6
8
ä ®
moorig, mäßig
grüne Flocken
1-5
13. XL 06.
41-2
18. XI. 06. 37-4
1
schwach
Dez. 06.
43.0
Dez. 06. 14-8
1
OB <D
alkalisch
!
00
*© .s
i
i
a ®
Vergleicht man diese Zahlen mit denen vor der Kanalisation, so sieht
man sofort, daß dieselben in allen Rubriken etwas abgenommen haben.
Besonders wichtig ist, daß Schwefelwasserstoff ganz fehlt, daß die Faul¬
probe daher stets negativ ausgefallen ist und daß außerdem durch das
Eijkmannsche Verfahren sich jetzt nur wenige, einmal am 13. Aug. 1906
durch die Gärungsverfahren überhaupt keine Colibakterien nachweisen
lassen. Mikroskopisch ist das Bild dasselbe geblieben, neue Arten von
Pflanzen und Tieren sind nicht aufgetreten, die Menge der Euglenen hat
nicht abgenommen. Die Reinigung des Sees ist also keine so große wie
man es eigentlich erwarten sollte, seitdem die städtischen Abwässer nicht
mehr in ihn hineingelangen. Augenscheinlich sind die Produkte, nament-
der Lohgerberei doch noch hinreichend, um die dauernde Reinigung des
Wassers zu verhindern. Von Interesse ist die Zunahme der Verschmutzung
vom Oktober zum November 1906. Damals sank die Durchsichtigkeit
des Wassers von 13-5 0m am 12. Oktober auf 3-5 om am 12. November und
weiter auf 0*5 im Dezember, die Chlormenge stieg von 37*6 auf 41.2
im November bzw. 43*0 im Dezember. Der Kaliumpermanganatverbrauch,
welcher im Oktober 16*5 betragen hatte, stieg im November auf 37*4.
Jedenfalls hängt diese Verschlechterung der Wasserzusammensetzung mit
der im November beginnenden Rübenkampagne der.Zuckerfabrik zusammen.
24*
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
372
Hammerschmidt :
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Die starken industriellen Verunreinigungen des Wassers dürften auch
der Grund sein, weshalb der See auch jetzt noch außer dem mikr<>
skopischen Krebstierchen, dem Cyclops, keinem lebenden Wesen höherer
Art zum Aufenthaltsort zu dienen imstande ist. Ans den mächtigen
welnaabwärts gelegenen Seen ziehen zeitweise Scharen von Fischen strom¬
aufwärts, um zu laichen, sie gelangen wohl bis in den Kreuzsee, aber n:e
in den doch nur wenige hundert Meter entfernten Jeloneksee. Nun ha:
Weigelt 1 auf folgendes hingewiesen: obschon wir wenig darüber wissen,
wie sich Abwässer mit einem Vorfluter mischen, wie schnell und unter
welchen Verhältnissen diese Mischung vor sich geht, ist es doch klar,
bei einer großen Wassermenge geringe Mengen von Salzen sehr schnei
verschwinden, daß aber, wenn letztere zu groß sind, der Vorfluter ver¬
ändert wird. Dabei spielen auch die inneren Eigenschaften des Wassers,
in erster Linie sein Gehalt an säurebindenden Karbonaten und Doppei-
karbonaten mit. Dieses Säurebindungsvermögen kann man ausdrücken
durch eine Zahl, welche angibt, wieviel Milligramm Schwefelsäure ein
Wasser aufzunehmen vermag, bevor eine Säurereaktion nachgewiesen
werden kann. Es ist dieses Säurebindungsvermögen durchaus nicht
überall gleich und schwankt bei den deutschen Flüssen erheblich, so hat
z. B. der Bober 70 ro », die Rems in Württemberg 240 m *. Der JeloDekeee
aber enthält so viel Schwefelsäure in seinem Wasser, daß Bariumchlorid
sich sofort niederschlägt, das Bindungsvermögen also nicht festgesteli:
werden kann. Vielleicht ist dieser hohe Gehalt an Schwefelsäure der
Grund dafür, daß Fische in seinem Wasser nicht zu leben vermögen.
Kreuzsee.
Das Wasser des Kreuzsees ist bakteriologisch am genauesten unter¬
sucht worden. Die Proben sind jedesmal an der Militärschwimmanstait
entnommen worden. Zeit der Untersuchungen vom Februar 1906 bis
Februar 1907, anfangs monatlich, dann durchschnittlich alle 10 Tage.
I. Chemische usw. Untersuchungen vor Durchführung der Kanalisation.
_Untersuchungen vom März 1905 bis April 1906._
Physikalische
Unter suchung
opaleszierend,
schwach gelbl.,
schwach alkal.,
reichliche weiße
u. graue Brockel
i Gesamt-
i hiirte
1
Xd
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o
2
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Salpetrige
Säure
Salpeter¬
säure
Schwefel¬
wasserstoff
Schwefel¬
säure
Chlor
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Spuren 0 —
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18 000- stark
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1 Weigelt, Umschau. Bd. X. Nr. 84.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Gneseneb Kläbaklage.
378
Mikroskopisch prävaliert auch hier, wenn anch nicht in dem Maße
wie beim Jeloneksee, die Euglena, daneben finden sich Monaden, Vorti¬
cellen, Faramecinm, Coleps hirtns, Stylonychia, Daphnia und Cydops. 1
Von pflanzlichen Beimengungen Confervafaden, außerdem viel organischer,
weniger mineralischer Detritus.
Die gefundenen Werte sind durchweg geringer als beim Jeloneksee
vor Einführung der Kanalisation, immerhin stellt das Wasser noch ein
recht verunreinigtes Seewasser dar, das nur wenig Neigung zur Reinigung
aufweist. Wie bereits erwähnt, leben im See zahlreiche Fische, ein Be¬
weis, daß die schädigenden Elemente der industriellen Abwässer im
Jeloneksee geblieben sind und sich dort niedergeschlagen haben.
II. Nach Einführung der Kanalisation; monatliche Untersuchung
vom Mai 1906 bis Januar 1907.
Physikalische
Untersuchung
Gesamthärte
Ammoniak
Salpetrige
Säure
Salpetersäure
Schwefel¬
wasserstoff
Schwefel¬
säure
Chlor
Kalium¬
permanganat¬
verbrauch
Keimzahl
Eijkmann
Schwach trübe,
grünlich, erdig¬
moorig, schwach
alkalisch, weiße
and graue
Flöckchen
19.1-
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Reak¬
tion
1
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mitt¬
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Reak¬
tion
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ran.
5.
21.1
25*8
11. V.
06.
17*6
8-8-
12.5
16*4
B. u.
8. u.
Mikroskopisch tritt seit April 1906 die Euglena in immer mehr zu¬
nehmenden Massen auf, so daß seit Sommer 1906 das Seewasser dunkel¬
grün erscheint. Im September verbreitete der See denselben aashaften
Geruch wie früher der Jeloneksee; ich möchte denselben auf das Faulen
der abgestorbenen Euglenen zurückführen, namentlich da, seitdem die
direkt dunkelgrüne Farbe des Wassers sich verloren hat, anch der See
nicht mehr in dem Maße riecht wie im Sommer 1906. Im übrigen hat
sich die chemische Zusammensetzung des Wassers seit Einführung der
Kanalisation wenig geändert, was ja eigentlich auch kaum zu erwarten
ist, denn tatsächlich sind einzelne Gebäude wegen ihrer tiefen Lage noch
nicht an das Kanalnetz angeschlossen und entleeren daher, wie z. B. das
Priesterseminar, ihre Abwässer nach wie vor in den Verbindungsgraben.
Wie bereits erwähnt, sind die bakteriologischen Untersuchungen des
Kreuzsees am häufigsten und regelmäßigsten ausgeführt worden. Bei den
1 Lebewesen, welche für ein unreines Wasser charakteristisch sind.
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Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Digitized by
374 Hammebschmidt :
Resultaten spielten zweifellos die Witterungsverhältnisse mit, allein oft
genug schwankten die Ergebnisse sehr stark und wiesen namentlich Keim¬
zahlen auf, welche sich nicht ohne weiteres erklären lassen.
Tag der
Ausführung
Wetter
Keimzahl
Eijkmann
Mitte Februar
1906
gelindes Frostwetter
18 000
sehr stark +
März
nach mehrtägigem Regen
20 000
desgl.
April
Schneefall, gelindes Wetter
10 400
?!
l.V.
06.
nach mehreren warmen Tagen
10 000
stark +
15. V.
n
große Hitze
72 800
schwach +
25. V.
n
yorangegangener Regen
26 400
stark -f
2. VI.
11
desgl.
3 600
desgl.
12. VI.
77
17
4 000
schwach +
22. VI.
77
große Hitze
2 400
desgl.
2. VII.
77
desgl.
28 400
11
11. VII.
77
??
12 000
sehr schwach +
21. VII.
77
kühl; Regen vorangegangen
6 800
—
2. VUL
77
große Hitze
Platten
verflüssigt
—
10. vm.
77
bedeckter Himmel, kühl
3 600
stark +
24. vm.
77
sehr kühl
2400
—
5. IX.
77
große Hitze
39 200
schwach +
8. IX.
77
mäßig warm
9 200
—
18. IX.
77
kühl und trübe
1400
stark +
8.X.
77
desgl.
104 000
schwach +
16.X.
77
77
186 000
desgl.
26. X.
77
kalt, klares Wetter
9 600
sehr schwach 4*
9. XI.
77
wärmer, klar
15 200
schwach +
17. XI.
77
trübe, etwas Regen
4 800
desgl.
26. XL
kühl, feuchte Luft
46 000
11
28. XL
17
mehrere Tage Regen
5 200
sehr schwach r
12. XIL
77
+ 3° C Schneefall
1200
desgl.
5.L
07.
— 8°C trockener Frost
7 600
?>
17.1.
71
vorher Regen, am Entnahme¬
tage gelinder Frost
18 800
7 »
28.1.
11
— 8°C Schneefall
14 000
schwach +
Überblickt man die gefundenen Resultate, so sieht man sofort, dii
die Keimzahl eine außerordentlich wechselnde ist und daß sie mit dem
Wetter in keinem direkten Verhältnis steht. Fast scheint es, als ob
große Hitze die Zahl der sich entwickelnden Kolonien in die Hofe
schnellen läßt, die Zählung am 6. und 16. Oktober 1906 beweist aber
sofort das Gegenteil. Die ungeheure Menge der entwicklungsfähig«!
Keime an diesen Tagen gegenüber dem 18. September hängt allerdings
wahrscheinlich mit dem auf Seite 373 erwähnten Absterben und Faule
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Gneseneb Kläbanlaqe.
375
der Eaglenen zusammen, ganz allein wird aber die hohe Zahl der Kolonien
doch nicht dadurch erklärt. Eins jedoch geht aus den Zahlen hervor:
mit der Durchführung der Kanalisation, d. h. seitdem die große Masse
der Abwässer Qnesens nicht mehr durch den Kreuzsee hindurch fließt,
also seit Juni 1906, sinkt die konstant hohe Zahl der Keime und steigt
nur gelegentlich auf Werte über 10000. Dasselbe gilt von der Eijk-
mannschen Probe. Während bis Juni regelmäßig stark + (mit einer
Ausnahme am 15. Mai) verzeichnet wurde, fielen die späteren Unter¬
suchungen, abgesehen von zwei Ausnahmen am 10. August und am
18. September, ausnahmslos schwach oder sehr schwach + aus, d. h. die
sich entwickelnde Gasmenge betrug in den 18bis20 ccm Flüssigkeit ent¬
haltenden Gärungskölbchen unter 1 ccm , oft nur einige Bläschen. Viermal
war es überhaupt nicht möglich, auch nur eine Spur von Trübung und
Gasbildung nachzuweisen. Es dürfte schwer sein, hierfür eine befriedigende
Erklärung zu finden, aller Wahrscheinlichkeit nach spielen dabei Zufällig¬
keiten die Hauptrolle.
Wenige Meter, nachdem das Wasser des Kreuzsees in dem unteren
Gnesener Fließ seinen Abfluß gefunden hat, vereinigt es sich mit den
Abwässern der Kläranlage, durchströmt den oben geschilderten Bilitkosee
und erreicht alsdann den
Pyscyner See.
Auch hier sind wie bei den anderen Seen zwei Phasen zu unterscheiden,
die Zeit vor der Durchführung der Kanalisation und nach derselben.
I. Vor der Kanalisation; Untersuchungen vom Mai 1905 bis April 1906.
Physikalische
Untersuchung
Gesamthärte
i
I Ammoniak
1 Salpetrige
1 Säure
1 _
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&
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PU
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Schwefel¬
wasserstoff
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Verbrauch
| Keimzahl
Eijkmann
Schwach opales¬
zierend, schwach
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ziemlich reich¬
liche, braune
Flocken
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80 000-
36 000
stark -b
Mikroskopisch findet sich wenig anorganischer, viel organischer De¬
tritus, an Pflanzen Pilzmyzel, Scenedesmus und Conferva, die Fauna ist
die gleiche wie beim Kreuzsee; von März 1906 an nimmt die Euglena
etwas zu.
Die Zahlen sind durchweg geringer wie bisher bei den beiden anderen
Seen, die Keimzahl ist ziemlich hoch, Eijkmann war stets stark +, aber
schwächer wie beim Jeloneksee vor der Kanalisation.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
376
Hammebschmidt :
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II. Nach Einführung der Kanalisation.
Physikalische
Untersuchung
Gesamt¬
härte
Ammoniak
Salpetrige
Säure
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Schwefel¬
wasserstoff
Schwefel¬
säure
Chlor
Kaliumper¬
manganat¬
verbrauch
Keimzahl
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19.5-
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dumpfig, erdig,
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13. VIII.
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—
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mäßig bräun*
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mittlere
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Reaktion
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Spuren
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liche Flocken
einige
mittlere
06.
1
u
Male
Reaktion
00
xs
©
o-H-
Sfi
Die Menge des organischen Detritus hat noch mehr zugenommen,
die Flora ist die gleiche geblieben, die Fauna hat sich nicht geändert,
nur hat die Zahl der einzelnen Exemplare zugenommen; die chemische
Beschaffenheit hat sich, seitdem die Abwässer nicht mehr durch den
Ereuzsee sondern durch die Kläranlage gehen, etwas, wenn auch nicht
sehr stark verschlechtert. Die einmalige erhebliche Verunreinigung am
13. August 1906, bei der sogar Schwefelwasserstoff vorhanden war, dürfte
dabei weniger in Betracht kommen als die Tatsache, daß vor der Kanali¬
sation nur einmal salpetrige Säure und Salpetersäure nachzuweisen waren,
während das nach dem Mai 1906 häufiger der Fall war. Auch in den
übrigen Spalten haben die Zahlen etwas zugenommen. Diese Veschlechterung
des Wassers war naturgemäß am stärksten, solange die Abwässer ungeklärt
durch die Kläranlage flössen, seitdem die Tropfkörper arbeiten, scheint
eine langsame Besserung einzutreten.
Die gelegentlichen, nicht wie beim Kreuzsee regelmäßigen Unter¬
suchungen ergaben eine Zunahme der Bakterien gegen früher, die Eijk-
mannsche Probe fiel stets stark positiv aus.
Von der letzten Strecke des Fließes, wo dasselbe ein 7700“ langes,
meist sumpfiges Wiesengelände durcheilt, sind nur an der Mündung und
zwar, um eine Mischung mit dem Bachwasser derWelna zu vermeiden, auf
einer Waldwiese, etwa 100 m von dem Einflüsse Wasserproben entnommen.
Waldwiese beim Forsthaus Brody; zweimalige Untersuchung
im Oktober 1906.
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Physikalische
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Gneseneb Kläbanlage.
377
Mikroskopisch fanden sich organischer Detritus, Pflanzenfasern, wie
beim Pyscyner See, Infusorien, Cyclops, sehr viel Euglenen.
Das Wasser hat sich gegen die letzten Untersuchungen zwar ge¬
bessert, stellt aber immer noch ein ziemlich unreines Grabenwasser dar.
Die Menge der Keime dürfte ihren Grund in Verunreinigung der Unter¬
suchungsflasche mit Schlamm haben, die bei der geringen Tiefe des Baches
unvermeidlich war, außerdem erschwerte die weite Entfernung von Gnesen
und die ziemlich starke Hitze an beiden Untersuchungstagen die schnelle
Verarbeitung des Wassers. Die Eijkmannsche Probe fiel beide Male
deutlich positiv aus.
Nachdem sich das Gnesener Fließ mit dem Waldbache Welna ver¬
einigt hat, fließt die letztere durch ein breites Waldtal, weitab von mensch¬
lichen Wohnungen, und durchströmt alsdann einen breiten und sehr tiefen
. See mit klarem, reinem Wasser. Aus diesem tritt sie alsdann nach einem
von der Mündung des Fließes gerechnet, 3 km langen Laufe als ein reiner
Bach heraus. Um einen Vergleich zu haben mit dem Wasser des Fließes,
habe ich die Welna an dieser Stelle in den Rahmen der Untersuchungen
mit hineingezogen.
Die Ende Oktober 1906 vorgenommene Analyse ergab:
Physikalische
Untersuchung
I O
Ammoniak
Salpetrige
Säure
, Salpeter¬
säure
| Schwefel-
jwasserstoff
1 Schwefel¬
säure
Chlor
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Keimzahl
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P
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S
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Klar, färb- und j 11 »76
geruchlos, kein -
Niederschlag
0
0
0
I
0
10
gering
5-684
9480
ganz
schwach
+
Das Wasser hat damit also erst seine alte Reinheit erreicht, die es
im Pustachowoer See und im Fließ vor Einmündung der Abfälle Gnesens
in letzteres besaß. Die Eijkmannsche Probe aber fallt selbst an dieser
Stelle, wenn auch nur schwach, so doch immer uoch deutlich positiv aus.
"Überblicken wir die Analysen des Gnesener Fließes von der Quelle
zur Mündung noch einmal, so haben wir im Pustachowoer See ein reines
Seewasser vor uns, das in einer sauberen Rinne der Stadt Gnesen zuströmt
and sich hier in den tiefen Jeloneksee ergießt. Trotzdem dieser jahr¬
hundertelang die Ablagerungsstätte für alle möglichen städtischen Abfalle
gewesen ist, haben letztere allein das Wasser nicht so sehr zu verunreinigen
vermocht, daß es gebrauchsunfähig geworden wäre; erst die industriellen
Anlagen der letzten 15 Jahre haben den See in einen Schmutzpfuhl ver-
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Gck igle
Original frurn
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
378
Hammerschmidt :
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wandelt. Mit der Einführung der Kanalisation beginnt der Jeloueksee
sich zu reinigen, allein der andauernde, zeitweise sich verstärkende Zufluß
aus den industriellen Anlagen macht das Reinbleiben unmöglich. D?r
Kreuzsee, welcher ebenso angefüllt ist mit städtischem Schmutz wie d?r
Jeloneksee, enthält entweder gar keine oder doch so wenige der für orga¬
nisches Leben schädlichen Bestandteile der Industriewässer, daß er Fischen
zum Aufenthalte zu dienen vermag; durch die Kanalisation wird er nur
wenig beeinflußt. Im Gegensatz zu ihm leidet die nächste Etappe, der
tiefer gelegene Pyscyner See sichtlich unter der Kanalisation und der
Klärung der Abwässer. Erst seitdem die Oxydationskörper anfangen sich
einzuarbeiten, wird das Seewasser wieder reiner. Noch wenig gereinigt,
erreicht das Fließ endlich die klare, durchsichtige Welna, durchstrimt
mit dieser vereinigt, noch einen tiefen See, und erlangt dann erst seine
alte chemische Reinheit wieder; die Colikeime, welche vor der Berührung
mit der Stadt im Wasser nicht vorhanden waren, die ihm erst durch die
städtischen Abwässer bzw. die Kanalflüssigkeit zugeführt wurden, sin!
auch hier noch nicht vollständig verschwunden!
Es dürfte an dieser Stelle am besten in den Rahmen der Arbeit
passen, einen Blick auf die Arbeitsleistung der Kläranlagen zu werfen.
Die Literatur über das biologische Verfahren ist allmählich eine recht
große geworden, aber wie die Ansichten über die Vorgänge in den Oxv-
dationskörpern weit auseinandergehen und noch wenig geklärt sind, so
herrscht auch keine vollkommene Einigkeit darüber, was von einer Klär¬
anlage verlangt werden muß, wenn ihre Leistungen als befriedigend an¬
gesehen werden sollen. Schoofs 1 hat in seiner Arbeit Epuration biologique
des eaux-vannes einen Maßstab aufgestellt, nach welchem man den Bein-
heitsgrad des Abflusses eines biologischen Körpers beurteilen kann, der
in seiner Kürze als besonders wertvoll anzusehen ist. Er sagt: ,,D;e j
Erfahrung hat gelehrt, daß die Reinigung einen genügenden Gral
erreicht hat,
1. wenn die ungelösten Stoffe ganz oder größtenteils entfernt sind.
2. wenn der Abfluß in verschlossener Flasche bei 20° in 8 Tag«
keinen Schwefelwasserstoff entwickelt 2 ,
3. wenn die Oxydierbarkeit im Vergleich zum Rohwasser wenigstens
um 60 bis 65 Prozent abgenommen hat,
4. wenn darin gehaltene Fische nicht eingehen.
1 Commission speciale d^tudes pour Tepuration biologique des eaux - vaune> &
des eaux residunives industrielles. Bruxelles. 1905. Hygienische Bundschau . 190*.
Bd. XXII. S. 1279.
* Nr. 2 ist nach Schoofs die wichtigste Forderung.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Gnesenee Kläranlage,
379
1
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desgl.
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desgl.
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866
282
841
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Suspend. Stoffe
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desgl.
desgl.
Vor¬
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0
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0
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170
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129
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1165
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stark
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Flocken
viel
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Flocken
viel
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Flocken
viel
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desgl.
reichlich
braune
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stark
jauchig
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fäkal¬
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stark
jauchig
jauchig
stark
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artig
stark
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artig
desgl.
dämpfig
schmutzig
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schwach
braun
schwarz-
grau
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schmutzig
graugelb
gelb¬
braun
schmutzig
graugelb
braungelb
schmutzig
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trübe
fehlt
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i
Zufluß aus der
Stadt
I
II
Abfluß aus den
Faulkammern
I
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Abfluß ausdem
Tropfkörper
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1 ii
i
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ii
8 ( 1
1 II
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Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
380
HAMATKRRfiHMm T-
Inwieweit diese 4 Forderungen, welche Schoofs an die Reinheit der
Abwässer stellt, erfüllt sind, ergibt sich am besten aus der chemischen
Analyse, die am 14. November 1906 und 12. Januar 1907 in der Ver¬
suchsanstalt ausgeführt worden sind. Die Berechnung erfolgt hier durch¬
weg auf 100 000 Teile, I. bedeutet Untersuchung am 14. November 1906,
II. am 12. Januar 1907.
Das Gutachten über die beiden Untersuchungen lautet, für den
14. November 1906:
„Das von der Stadt der Kläranlage zufließende Abwasser besaß
mittlere Konzentration, desgleichen das aus der Vereinigung den bio¬
logischen Körpern zufließende Wasser; die Vorreinigung scheint be¬
friedigend funktioniert zu haben. Allerdings handelt es sich bei den
ersten (Proben) 1 nicht um völlig korrespondierende Chlorzahlen, hingegen
sprechen die Chlorzahlen der drei letzten dafür, daß sie gut korrespondieren.
Tropfkörper 4 (Abfluß) lieferte einen Untersuchungsbefund, wie ihn ein
in geordnetem Betriebe befindlicher biologischer Körper meist aufweist
Der Ammoniakstickstoff ging im Körper erheblich zurück, auch der
Kaliumpermanganatverbrauch wurde wesentlich geringer; die zehn Tage
lang bei Zimmertemperatur aufbewahrte Probe (in geschlossener Flasche)
zeigte innerhalb dieser Zeit keine Nachfaulung bzw. Schwefelwasserstoff¬
entwicklung. Schwefelwasserstoff war übrigens auoh sofort nach Einlaufen
der Proben nicht nachzuweisen. Der Geruch der Probe war nach ihrem
Einlaufen mehr kohlartig wie fäkalartig.
Tropfkörper 6 hat sich scheinbar noch nicht eingearbeitet oder er
arbeitet anormal. Ammoniak und organische Substanz sinken zwar eben¬
falls, aber nicht sehr beträchtlich. Schwefelwasserstoff war sofort nach
Einlaufen der Probe vorhanden, nach zehn Tagen aber nicht mehr nach¬
weisbar. Der Geruch war sofort nach Eingang der Probe stark fakalartig.“
Das zweite Gutachten vom 12. Januar 1907, das neben Tropf¬
körper 4 und 6 auch noch Nr. 10 mit einbegreift, spricht sich erheblich
günstiger aus: 2
„Das den Absatzkammem zufließende Wasser besaß bezüglich der
gelösten Bestandteile eine mittlere, in bezug auf die ungelösten Stoffe eine
hohe Konzentration, während der Abfluß aus den Kammern verhältnis¬
mäßig wenig suspendierte Stoffe enthält. Die Absatzkammern scheinen
befriedigend funktioniert zu haben. Allerdings handelt es sich bei diesen
beiden Proben, aus den Kaliumpermanganatzahlen zu schließen, nicht um
völlig korrespondierende Wasser. Es scheint die Abflußprobe der Absatz-
1 Zufluß aus der Stadt und Faulkammer.
* Faulkammer und Tropfkörper 4 u. 6.
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Gnesener Kläranlage.
381
kammern mit Tropfkörper 4 za korrespondieren, weniger mit 6 and 8.
Zar Beurteilung des Reinigungseffektes ist dies aber auch gar nicht nötig,
da sämtliche Tropfkörperabflüsse fäulnisunfähig sind, also die charakte¬
ristische and erstrebte Eigenschaft typischer biologischer Abflüsse auf¬
weisen. Unter der Voraussetzung, daß sämtliche Gnesener Abwässer in
dieser Weise gereinigt sind, so sind gegen die Wirkungsweise der
dortigen biologischen Anlage Bedenken nicht zu erheben.“ —
Das Untersuchungsergebnis vom 19. Januar 1907 ist ein noch günstigeres
als die beiden bisherigen. Dabei wurde festgestellt, daß das in den
Bilitkosee einfließende Wasser der chemischen Zusammensetzung eigent¬
lich nur Tropfkörperwasser darstellt, eine Tatsache, die sich gegenüber
der geringen Menge des aus dem Kreuzsee in das untere Fließ ablaufen¬
den Wassers von selbst ergibt. Fügen wir dem noch hinzu, daß im
Abgußwasser gehaltene Goldfische zwar zugrunde gingen, daß aber
Karauschen noch nach drei Tagen am Leben waren, so dürften die For¬
derungen Schoofs als im allgemeinen erfüllt anzusehen sein. Was den
Gehalt der Abwässer an Keimen, namentlich an Colikeimen anlangt,
so soll darauf noch weiter unten eingegangen werden.
Wenn wir auf die Gnesener Wässer zurückkommen, so kann der
Einwurf erhoben werden, die durch das Eijkmannsche Verfahren nach¬
gewiesenen Colibakterien seien eine regelmäßig sich findende Verunreinigung
jedes Oberflächenwassers, ohne daß sie durch menschliche oder tierische
Fäkalien in dasselbe hineinzugelangen brauchten. Diese Behauptung ist
vielfach aufgestellt worden; so hat z. B. Freudenreich 1 bacterium coli
oft in Quellwässern gefunden und selbst Loeffler 1 will nur bei Bei¬
mengung größerer Mengen dem Verdachte einer fäkalen Verunreinigung
Raum geben. Allein zweifellos entspricht diese Ansicht nicht in ihrem
ganzen Umfange den Tatsachen, es lassen sich zu viele Beobachtungen
dagegen anführen: In der amerikanischen Stadt Lawrence fanden sich
nach einer Reparatur des undicht gewordenen Filters im filtrierten Wasser
plötzlich Colikeime, die vorher nicht dagewesen waren. Gleichzeitig brach
eine Typhusepidemie in der Stadt aus, die erst nach drei Monaten wieder
erlosch, zur selben Zeit, als auch die Colibakterien aus dem Wasser ver¬
schwanden. 9 Blechstein untersuchte das Wasser der Leitung aus dem
Institut Pasteur und verglich es mit dem Seinewasser; nur letzteres ent-
1 Ed. v. Freudenreich, Über den Nachweis des Colibacillus im Wasser und
seine Bedeutung. Zeitschrift für Bakteriologie. 1895. Bd. XVIII. S. 102.
* Loeffler, Das Wasser und die Mikroorganismen. WeylB Lehrbuch der
Hygiene. Bd. I. S. 608.
• Clark u. M'Gaye, Referat. Centralblatt für Bakteriologie. 1900.
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Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
382
Hammerschmidt :
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hielt Colibakterien und zwar unterhalb des Hauptsammlers fast in Rein¬
kultur, weiter abwärts fanden sich auch andere Arten. 1 (Diese Angaben
wurden bereits 1890 durch Vincents Untersuchungen des durch Kanal¬
jauche verunreinigten Seinewassers bestätigt. Prösence de bacille typhiqne
dans l’eau de Seine pendant le mois de juillet 1890.) Hemmerl 1 * fand
Coli nur im Bereiche eines Kilometers unterhalb der Einmündung des
Kanals jeder Ortschaft neben anderen Keimen; in größeren Distanzen gab
es keine Colikeime mehr.
Wolf 8 fand sie im Elbwasser regelmäßig, in den Brunnen im Ge¬
biete des die Elbe begleitenden Grundwasserstromes aber nur dann, wem
letzteres nach Regengüssen stieg. Dunbar 4 5 * , sowie neuerdings Meng¬
berger und Rambousek* fanden Colibakterien nur in Flüssigkeiten,
welche nachweislich der Verunreinigung durch Dejektionen ausgesetzi
waren. Wenn im Gegensatz zu den angeführten Autoren Levy-Bruns*
sagt, in jedem Wasser finden sich coliartige Bakterien, aber nur im ver¬
unreinigten sind sie pathogen, so ist das eigentlich ein Beweis für Eijk-
manns Behauptung, daß die aus dem Organismus der Warm- und Kalt¬
blüter stammenden Keime streng zu unterscheiden sind und daß für diese
Art der Untersuchung nur die ersteren, die bei 46° wachsenden, in Be¬
tracht kommen.
Auch die zahlreichen während zwei Jahren von mir ausgeführten
Untersuchungen der Gnesener Wässer beweisen, daß die bei 46° wachsen¬
den Bakterien keine regelmäßigen Bewohner des Wassers sind, sondern
daß sie einzig und allein durch Fäkalien in dasselbe hineingelangen. Bei
den fortlaufend ausgeführten Untersuchungen des Leitungswassers und einer
Anzahl von Brunnen habe ich nie Gärung und Trübung beobachtet,
ebensowenig wie bei Wasser, welches aus Regenpfützen stammte, solange
eine Verunreinigung durch Fäkalien ausgeschlossen war. Auch bei Proben
aus der Welna während ihres Laufes durch Waldungen und weit entfernt
von Ortschaften, aus den Waldseen in der Umgebung Gnesens, die ein
sehr reines und klares Wasser mit einer Keimzahl unter 1000 besitzen,
besonders aber bei den zahlreichen Untersuchungen des in nächster Nähe
der Stadt gelegenen Winiarysees fiel die Eijkmannsche Probe stets
negativ aus. Gerade die Untersuchung dieses Sees beweist die Genauig¬
keit des Eijk mann sehen Verfahrens besonders. Auf den ziemlich hohen
1 Annales de VInstitut Pasteur, 1898.
8 Über das Vorkommen von Coli im Flußwasser. Hygienische Rundschau- 1S9T.
8 Arbeiten aus dem Hygienischen Institut zu Dresden* 1903.
4 Diese Zeitschrift, 1892.
5 Centralblatt für Bakteriologie, 1902.
8 Archiv für Hygiene, 1899. Bd. XXXVI. S. 178.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Die Gneseneb Kläranlage.
383
Steilufern des Sees (19 h * groß), dessen Spiegel 1“ höher liegt, als der von
ihm nur 300 m entfernte Kreuzsee, der aber mit dem Gnesener Fließ in
keinerlei Verbindung steht, liegen zwei Gehöfte. Die Abwässer beider
fließen den steilen Abhang hinunter dem See entgegen, erreichen ihn aber
nicht, sondern versickern wie der Augenschein lehrt, vorher im Erdboden
und nur bei stärkeren Regengüssen ist es möglich, daß Kotteile in das
Wasser geschwemmt werden. Letzteres ist sehr rein — Ammoniak,
salpetrige Säure, Salpetersäure und Schwefelwasserstoff fehlten stets, Chlor
ist sehr gering vorhanden, der Verbrauch an Kaliumpermanganat betrug
durchschnittlich 0*69. Die Zahl der Keime schwankte zwischen 4 bis 5000.
— Die Eijkmannsche Probe fiel immer negativ aus, trotzdem doch
zweifellos die Möglichkeit einer gelegentlichen Verunreinigung durch Kot¬
keime vorliegt. Wahrscheinlich spricht die große Wassermenge hier mit
gegenüber der geringen Zahl der Keime, die durch eine gelegentliche
Verunreinigung in den See hineingelangen. Es wäre ja auch ein großer
Zufall gewesen, wenn man bei den Untersuchungen mittels der kleinen
Kolben, die zur Wasserentnahme benutzt wurden, einige Keime abgefangen
hätte. Außerdem kommt noch hinzu, daß die Colikeime sich im Wasser
nicht vermehren und wie Untersuchungen Neumanns 1 gezeigt haben,
schnell zugrunde gehen.
Auch die Untersuchungen des Gnesener Fließes können als Beweis
dafür dienen, daß die Colibakterien erst durch Abgänge in das Wasser
hineingelangt sind. Bis zum Einfluß in den Jeloneksee bzw. bis dahin, wo
der Graben nicht mit schädlichen Abwässern in Berührung kam, traten
Gärung und Trübung niemals ein. Die weiteren Untersuchungen ergaben
aber stets positiven Ausfall des Eijkmanschen Verfahrens. Vor Ein¬
führung der Kanalisation äußerst stark beim Wasser des Jeloneksees,
schwächer bei den Teilen des Fließes weiter abwärts, jetzt nachdem die
städtischen Abwässer den Jeloneksee nicht mehr in dem Maße verun¬
reinigen wie früher, fällt die Probe nur schwach aus, sie hat die gleiche
Stärke beim Kreuzsee und ist am stärksten im Pyscyner See, der Nach¬
weis von Colibakterien gelingt aber noch 10 km abwärts. Der stärkste
Ausfall der Eijkmannschen Methode erfolgt naturgemäß bei den Wässern
der Kläranlage entsprechend der riesenhaften Menge der mit dem Kanal-
wassef in die Faulkammern gelangenden Kotmassen. Zur Feststellung
1 Neumann, Nachweis des Bact. coli in der Außenwelt unter Zuhilfenahme
der Eijkmannschen Methode. Archiv für Hygiene. Bd. LIX, wies nach, daß auf
trockenem Holze bereits nach 2 Tagen aus einer gerade noch zu färbenden Kotschicht
alle lebenden Keime verschwunden waren. Daß sie auch im Wasser schnell ab¬
sterben, beweisen die Untersuchungen aus dem Institut Pasteur, die Arbeiten
Hemmerla, Dunbars usw.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
384
H AMMEBSCHMIDT:
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des Gehaltes des Wassers an Colikeimen habe ich auch die einzelnen Teile
der Kläranlage untersucht nnd dabei gefunden, daß, wenn es beim Flie߬
wasser hieß, Eijkmann stark positiv, die Menge der entstehenden
Kohlensäure doch immer verhältnismäßig gering war, so daß eine quan¬
titative Feststellung in den kleinen Gärungskölbchen kaum oder doch
wenigstens schwer auszuführen war. Bei den Untersuchungen des Wassers
der Kläranlage aber wurde soviel Gas neugebildet, daß aus der Wasser¬
verdrängung seine Menge schätzungsweise festgestellt werden konnte.
Die Werte, die sich dabei nach 48 Stunden ergaben, waren oft recht
beträchtliche und ließen unmittelbar einen Schluß zu auf die erhebliche
Zahl der im Wasser vorhandenen Colikeime. Ob dieser Schluß in allen
Fällen stimmt, ob die Energie der Kohlensäureentwicklung stets korrespondiert
mit der Anzahl der im Rohwasser vorhandenen Colibakterien, das ist eine
Frage, die sich am ehesten aus den nachfolgenden Tabellen ergibt
Unter¬
suchung
Einfluß
Faulkammer*
Ausfluß auf die Tropf¬
körper
am
Zahld.Keime 1 2
Gasmenge Zahl d.Keime Gasmenge Zahl d.Keime Gasmenere
9. XI. 06.
16 000 000
!
17. XL „
00
12-0 ccm
i
26. XI. „
verflüssigt
10-0 „
28. XI. „
5 120 000
6-0 „
12. XII. „ ,
8 280 000
7-5 „
4 852 000
4*5 ccm
1056 000
1-0 ccs
18. XII. „
6 208 000
1-0 „
4 232 000
0-75 „
2 804 000
1-5 „
21. XIL „
8 000 000
1-0 „
5 210 000
2*0 „ '
1680 000
0*75 n
5.1. 07.
3-5 „
8-0 „
2-5 „
17- L „
2-0 „
3*5 ||
i 2-0 „
28. L „
6-0 „
j 8-0 „ j
l 1*0 „
12 . n. „
5-o „ ;
1 4-0 „ ||
0
CO
Bei der Untersuchung des von den Tropfkörpern abfließenden Wassers
habe ich anfangs die Keimzahlen mit berechnet, später habe ich mich
auf die Feststellung der Gasmenge beschränkt, nur bei dem am spätesten
fertiggestellten Tropfkörper 10 wünschte ich einige mittlere Werte auch
für die entwicklungsfähigen Keime zu erhalten.
Aus obiger und folgender Tabelle ergibt sich die ohne weitert ver¬
ständliche Tatsache, daß weitaus die größte Menge Keime sich in dem
von der Stadt den Faulkammern zuströmenden Wasser findet. Ich habe
als Höchstzahl 16 000 000 gezählt, zweifle aber nicht daran, daß nach
1 Gemeint ist die Zahl der Keime überhaupt.
2 Nach Durchstoßen der Schwimmdecke.
Gck igle
Original fro-m
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Die Gn ebener Kläranlage.
385.
♦
Tropfkörper.
Tag der
Unter-
'! 4
i In Betrieb seit
I Ende Mai 1906
6
In Betrieb seit
19. VII. 06
8
In Betrieb seit
17. VIII. 06
! 10
1 In Betrieb seit
1 30. X. 06.
Buchung
Keimzahl
Gas-
Keimzahl
Gas-
1 Keimzahl
Gas-
Keimzahl
Gas-
tl
menge
menge!
menge
menge
29. VIII. 06.
1 480000
1
i
5. IX.
M
i verflüssigt
1
18. IX.
9t
,| 349 600
i
!
6.X.
99
li
672 000
j
736 000
i
16. X.
tt
[ 368 000
i
448 800
1
30.X.
99
,i
454 00O
9. XI.
99
704 000
3
668 000
5-5
1
14. XI.
»9
904 000
3
416 003
1*5
15. XI.
9 »
652 000
4
724 000
1-5
i
17. XI.
99
640 000
1-5
880 000
7-5
18. XI.
9 »
|
!
580 000
6
1
26. XI
99
672 000
8
480 000
6-5
|
27. XI.
99
832 000
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I
680 000
| 3-5
28. XI.
99
. 384 000 1
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3-75
i
29. XI.
9t
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i
400 000
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i
12. XII.
99
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j
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1
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99
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1 795 000
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i
28.1.
99
1 1
1
1
’
12. II.
99
•
1
462 000
1
längerer Trockenheit oder wenn das Siel wasser an einer Stelle stagniert,
der Hauptsammler noch erheblich höhere Ziffern auf weisen wird.
In den Faulkammern, wo die Sedimentierung des Schlammes vor
sich geht, sinkt die Menge sehr erheblich, da unter den oben angedeuteten
biologischen und chemischen Vorgängen eine Unzahl von Keimen zugrunde
geht, aber auch hier ist die Zahl unter der Schwimmdecke immer noch
sehr bedeutend. Noch ärmer an lebensfähigen Keimen tritt das Wasser
aus den Faulkammern heraus, durchfließt die Tropfkörper und hat nun¬
mehr erst eine Keimzahl von unter einer Million erreicht. Von gewissem
Interesse ist dahei, daß sämtliche Untersuchungen der Tropfkörper Zahlen
ergeben haben, welche nicht wesentlich voneinander abweichen, ein Beweis
dafür, daß die bakteriologische Arbeitsleistung der Tropfkörper annähernd
die gleiche ist. Wollte man für das Verschwinden der Keime aus dem
Wasser der Kläranlage Werte aufstellen, so könnte man sagen, sie ver¬
halten sich wie 8 (Einfluß) zu 4 (Faulkammer) zu 2 (Abfluß auf die
Tropfkörper) zu 1 (Abfluß aus den Tropfkörpern).
Zeltochr. f. Hygiene. LVII. 25
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Gck igle
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386
Hammeesc&mldt :
Anders ist es bei den Colikeimen. Man sollte meinen, daß mit der
Auflösung der festeren Kotmassen in den Faulkammern (es sind von dem
Wasser aller 4 Kammern Proben entnommen worden) die Zahl der frei
werdenden Colikeime infolge ihrer Beweglichkeit eine höhere sein und
daß das auf die Tropfkörper abfließende Wasser besonders reich an solchen
werden würde; das ist aber nicht der Fall. Die Menge der Kohlensäure
war durchschnittlich am höchsten beim Ausfluß aus dem Hauptsammler,
wies noch hohe Werte in den Faulkammern auf, sank aber dann beim
Ausfluß auf die Tropfkörper, um dann wieder erheblich in die Höhe zu
geben bei der aus den letzteren abfließenden Flüssigkeit. Erst bei den
späteren Untersuchungen sank die Zahl der neu entstandenen Kubik¬
zentimeter Gas bereits in der Faulkammer und erreichte auch in den
Oxydationskörpem nicht so hohe Mengen mehr wie anfangs. Ob hier die
strenge Winterkälte mitspricht oder aber ob die Tropfkörper jetzt besser
arbeiten, müssen spätere Untersuchungen ergeben. Für letztere Annahme
spricht der Umstand, daß die Bildung der geringeren Kohlensäuremenge
zeitlich zusammenfällt mit der regelmäßigen Entleerung des Sumpfes aus
den Absatzkammern, sowie die Schaffung einer Einrichtung, welche ver¬
hindert, daß von der Schwimmdecke der Faulkammern Teile fortgerissen
werden und durch die durchlochten Röhren auf die Tropfkörper gelangen.
Diese Einrichtung hat zur Folge, daß die filtrierende Sandschicht auf den
Koksfiltem jetzt erheblich seltener vorgenommen zu werden braucht wie
früher.
Wie dem auch sein möge, das eine geht klar hervor, die Keimzahlen
und die Gasmenge stehen in keinem direkten Zusammenhang; oft wird,
wenn die Zahl der Keime sehr bedeutend ist, auffallend wenig Gas ge¬
bildet und umgekehrt. Eigentlich ist das ja auch ganz natürlich. Wie
die Bakterien überhaupt zweifellos nicht im Wasser gleichmäßig verteilt
sind, wie dichte Schwärme mit einzelnen abwechseln, so werden auch
Colikeime an der einen Stelle dichter sein wie an anderen und, was schon
oft in der Arbeit betont ist, es wird von Zufälligkeiten abhängen, ob wir
keimreichere oder keimärmere Proben entnehmen.
Was endlich die absolute Zahl der Colikeime anlangt, so schwankte
dieselbe beim Hauptsammler zwischen 104000 und 160000, entsprechend
einer Gasmenge von 4 bis 5 oom in den Röhrchen von 18 bis 20 ccm Inhalt.
Das aus den Faulkammern heraustretende Wasser zeigte bei den letzten
Untersuchungen im Januar 1907 Zahlen, die nur um wenige 1000 höher
waren als bei dem in das Fließ gelangenden Wasser. Ich fand hier Keim¬
zahlen von 10 bis 12000 im Durchschnitt, während die Colikeime der
Tropfkörper zwischen 2400 und 9600 variierten, entsprechend Gasmengen
von 1 bis 3,5 ccm . Bei diesen Untersuchungen aber, und das soll nicht
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Die Gnesener Kläranlage.
387
verschwiegen werden, stand die Gasmenge nicht immer in dem gleichen
Verhältnis mit der Zahl der Colikeime; während ich z. B. beim Tropf*
körper 4 2800 Colikeime und fast 5 ocm Gas fand, zeigte eine an demselben
Tage unternommene Probe des Tropfkörpers 6 3600 Kolonien, aber nur
1,5 ccm . Eine Erklärung für diese den bisherigen Erfahrungen wider¬
sprechende Tatsache zu geben, bin ich außerstande. Daß Colibakterien,
und zwar in größeren Mengen lebensfähig die Faulkammern verlassen und
ungeschädigt durch die Tropfkörper hindurchgehen, ist jedenfalls erwiesen,
und damit eine Frage berührt, die praktisch für das biologische Ver¬
fahren von hoher Bedeutung ist. Selbst bei den gut arbeitenden Oxy¬
dationskörpern der Gnesener Anlage, die, was die Abwässerbeseitigung
anlangt, allen an sie billigerweise zu stellenden Forderungen entsprechen,
vermag die biologische Abwasserreinigung die Lebensfähigkeit der Coli¬
keime nicht zu vernichten. Damit liegt aber unstreitig auch die Möglich¬
keit vor, daß andere Darmbakterien wie Typhus, Paratyphus, Cholera
und Buhr trotz ihrer geringeren Widerstandsfähigkeit gelegentlich lebend
die Oxydationskörper verlassen, von den widerstandsfähigeren Krankheits¬
erregern, Tuberkelbazillen und Milzbrandsporen ganz zu schweigen. Für
Gnesen hat das im Grunde genommen wenig auf sich. Das Fließ hat,
wie bereits oben erwähnt, infolge seiner grünen Farbe ein derartig unan¬
sehnliches Wasser, daß die wenigen auf seinen hohen Ufern gelegenen
Gehöfte und Ortschaften kaum in die Lage kommen werden, aus ihm zu
schöpfen, umsomehr als sie mit leidlich gutem Brunnenwasser versehen
sind. Hat das Fließ aber erst dieWelna erreicht, so folgt jenem ersten Wald¬
see eine ganze Kette sehr großer Seen, welche für eine gründliche Klärung
und Reinigung des Wassers sorgen. Immerhin bleibt unter anderen Ver¬
hältnissen die Tatsache bestehen, daß beim biologischen Verfahren In¬
fektionskeime auch in einen sauberen und zu wirtschaftlichen Zwecken
verwendeten Vorfluter gelangen können. Und wenn dieselben auch bald
zugrunde gehen werden, theoretisch ist es denkbar, daß das Wasser eines
solchen Vorfluters Epidemien herbeizuführen in der Lage ist.
25*
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[Statens Seruminstitut, Kopenhagen.]
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Zur Theorie der Desinfektion I . 1
Von
Th. Madaen nnd Max Nyman (Helsingfors).
Einleitung.
Trotz einer sehr bedeutenden Arbeit hat man noch nicht eine ein¬
heitliche Wertbestimmung der chemischen Desinfektionsmittel erreicht.
Die besten Untersuchungen von den letzten Jahren sind das in mehreren
Beziehungen bahnbrechende Werk von Krönig und Paul 2 , denen wir eine
Technik verdanken, die nicht mit vielen von den Versuchsfeldern be¬
haftet sind, die an den früheren Untersuchungen dieser Art kleben.
Wie bekannt, benutzten diese Forscher Milzbrandsporen auf böhmischen
Granaten eingetrocknet, die dann bei konstanter Temperatur dem Des¬
infektionsmittel, meistens Sublimat, ausgesetzt wurden. Nach verschiedenen
Zeiten wurden einige Granaten herausgenommen und das Sublimat wurde
mittels Schwefelammonium in inaktives Quecksilbersulfid umgesetzt; die
Milzbrandsporen wurden durch Schüttlung von der Oberfläche der Gra¬
naten entfernt und durch Plattenverfahren wurde die Zahl der noch keim¬
fähigen Sporen ermittelt.
Die größte Schwierigkeit bei diesen Untersuchungen ist, daß die auf
Granaten eingetrockneten Milzbrandsporen immer ihre Resistenz ändern,
selbst wenn sie bei niedriger Temperatur konserviert werden. Um doch
eine Vorstellung von der Sensibilität der Sporen im Versuchsangenblicke
zu haben, gebenPaul und Krönig für jeden Versuch eine „Vergleichszahl"
1 Früher teilweise in der Biologischen Gesellschaft in Kopenhagen 1905 cnd
der Königl. dänischen Akademie der Wissenschaften 1907 veröffentlicht.
* Krönig und Pani, Die chemischen Grundlagen der Lehre von der Gift¬
wirkung und Desinfektion. Diese Zeitschrift. 1897. Bd. XXV.
Gck igle
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Th. Mah ren und Max Nyman: Theobie deb Desinfektion I. 389
an, z. B. „HgCl a 16 Liter 3 Min. 157 Kol.“ d. h. daß, wenn die betreffende
Sporenemulsion bei konstanter Temperatur von 18° einer Sublimatlösung
von der Konzentration 1 Mol. in 16 Liter Wasser während 3 Minuten
ausgesetzt wurde, dann noch 157 Kolonien sich auf Agar entwickelten.
Mit dieser „Vergleichszahl“ als Ausgangspunkt untersuchten Verff. die
Variationen der Desinfektionswirkung unter verschiedenen Bedingungen.
ln untenstehender Tabelle I ist angegeben, wie viele Sporen nach
6 Minuten noch keimfähig sind, nachdem sie der Einwirkung von Subli¬
matlösung, mit steigenden Mengen von Chlornatrium versetzt, ausgesetzt
waren.
Tabelle I.
[Krönig u. Paul, Diese Zeitschrift. Bd. XXV. S. 47.]
Granate Nr. 15. Vergleichszahl:
Bacillus anthracis (Spore). HgCl s 16 Liter, 6 Min., 8 Kol.
Lösung
Prozentgehalt
6 Minuten
1.
HgCl, .
• « • •
16 Liter
1*69
8 Kolonien
2.
HgCl, +
1-0 NaCl
99
HgCl,
1-69 + NaCl 0-365
32
3.
99 +
2-0 „
99
1*69 +
„ 0*73
124
4.
»' +
3-0 „
99
99
1-69 +
„ 1*095
282
5.
*» 4*
4-0 „
99
99
1-69 +
„ 1*46
382
6.
„ +
4*6 „
99
1-69 +
„ 1*68
410
7.
M +
6-0 „
99
»f
1-69 +
„ 2*19
803
8.
99 + 10*0 „
99 j 99
1-69 +
.. 3-65
1087
Die Tabelle zeigt deutlich, wie der Dissoziationsgrad der Sublimat¬
lösung mit steigender Einhalt von Chlornatrium abnimmt. Durch eine
solche Versuchsreihe bekommt man doch keinen rationellen Maßstab für
die Abnahme des bakteriziden Vermögens in jedem Falle.
Unter dem Einflüsse des Sublimats bei konstanter Temperatur sinkt
die Sporenzahl schnell, dann aber immer langsamer. Als Beispiel er¬
wähnen wir den Versuch in Tabelle II, den wir nach der Arbeit von
Paul und Krönig berechnet haben. Es handelt sich um einen Desinfektions¬
versuch mit Sublimatlösung auf Milzbrandsporen an Granaten eingetrocknet.
Tabelle II.
[Paal a. Krönig, Zeitschrift f. physikal. Chemie. Bd. XXL S. 421.]
t
| a— x obß.
a— x calc.
t
a— x obs.
a— x calc.
2
1950
1950
14
13
13*5
4
578
851
16
5
5*9
6
327
372
18
3
2*6
8
160
ie2
20
2
1*1
10
94
71
22
1
0*5
12
34
31
24
0
0-2
K= 0-18
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390
Th. Madsen und Max Nyman:
Tabelle UI.
[Krönig u. Paul, Diese Zeitschrift. Bd. XXV. S. 28 .J
Mercurichlorid HgCl a
t
16
Liter
32 Liter
64 Liter
128 Liter
256
Liter
{a-x)
(a-x)
(a—x)
(a—x) |
(a-x)
(a—x) |
(«—x)
(a—x)
(a-x)
j c«-*)
I
obs.
calc.
obs.
calc.
obs.
calc.
obs.
calc.
obs.
calc.
2
549 j
549
—
_
—
_
— i
—
—
3
323
331
678
678
—
—
3829
3829
—
• —
4
286
199
—
—
—
—
—
_
—
5
138
120
—
961
961
—
—
—
—
6
7
82
JO
72
AA
310
260
—
2069
2352
—
1
8
4-
19
44
26
—
—
_
—
—
9
—
168
99
—
—
—
—
10
10
9-5
—
397
381
520
1228
2027
(1009)
12
1 A
1
n
3-5
38
38
—
—
—
—
14
15
U
1 ~
1*0
10
15
178
151
302
544
749
749
18
—
—
5
5-6
—
'
—
—
20
—
—
—
—
41
60
231
242
612
534
21
| —
3
2*1
—
—
—
—
24
—
2
0*8
—
—
—
—
—
25
| —
—
—
9
24
121
107
432
413
27
—
—
1
0*3
—
—
—
—
—
30
—
0
0*1
7
9*4
46
48
306
306
35
—
— I
—
3
3-7
21
21
227
227
40
—
—
—
—
2
1-5
7
9-4
183
169
45
—
1
—
—
1
0-6
—
151
125
50
—
—
-
1
0*2
5
1.8
133
93
55
—
—
—
—
1
0-1
—
—
—
60
—
—
—
—
1
0-04
1
0-4
79
51
70
—
—
—
—
—
—
1
0*07
i 16
28
80
—
—
—
—
! —
—
0
0-01
10
16
90
—
—
—
—
—
—
—
5
8-6
100!
—
—
—
—
—
—
—
—
3,
4-7
110
—
—
— j
—
—
—
—
3
2-6
120
—
—
—
—
—
—
0
6
1*4
K =
K =
K =
K m
Ä =
0*22
0-139
0*08
0-0706
I
0-0259
Difitized by Google
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zur Theorie der Desinfektion I,
391
Tabelle IV.
[Krönig u. Paal, Diese Zeitschrift. Bd. XXV. S. 47.]
t
HgClj . .
. 16 Liter
HgCl 2 4- 2 NaCl 16 Liter
HgCl 2 + 4*6 NaCl 16 Liter
{a—x) obs.
{a—x) calc.
{a—x) obs.
i
{a—x) calc. ;
{a—x) obs.
{a—x) calc.
2
821
321
1280
1280
—
—
3
—
—
—
—
1689
1689
4
64
61
429
510
—
5
18
27
_
—
—
—
6
11
12
257
203
566
597
7
11
5-1
—
—
—
—
8
9
2.2
86
81
—
—
9
—
- 1 -
—
209
211
10
3
0*4
23
32
—
—
12
0
0-08
7
13
75
75
14
—
—
5
5*1
_
—
15
—
—
—
—
23
26
16
—
—
4
2
—
—
18
—
2
0*8
8
9-3
20
—
1
0*3
—
—
211
—
—
—
1
4
3-3
24
—
—
0
0-05
3
1-2
27
—
—
—
—
3
0*41
30
—
—
—
—
2
0-15
36
—
—
—
—
1
0-0*2
39
—
—
—
—
1
0-006
l
i
-ÄT= 0*36
K = 0-2
K - 0-1506
Tabelle V.
5 Stück Granaten werden (mit der Hand) mit 3 ccm Wasser geschüttelt und
mit steriler Chlornatriumlösung zu einem Volumen von 200 ccm verdünnt.
Von dieser Ausschüttung wird l ccm , 0*5 ccm und 0*2 ccm herausgemessen
und die Keimzahl durch Agarplatten ermittelt.
Observation der Keimzahl nach
Totalanzahl Keime pr. 5 Granaten
24 Stunden
72 Stunden
24 Stunden
72 Stunden
\ .Q ccm
226
225 |
1*0 „
203
204
42 900
42 900
0-5
103
133
0*5 „
109
113
42 400
49 200
0-2 „
53
68
[ 41500
52 500
0-2 ,.
30
37
1
1 11
42 267
48 200
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
392
Th. Madsen und Max Nyman:
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ln der ersten Kolonne ist unter t die Zeit in Minuten aufgeführt.
In der folgenden ist unter (a—x) obs. angegeben, wie viele Sporen nach
t Minuten Snblimateinwirkung mit nachfolgender Ammoniumsulfidbehand¬
lung noch keimfähig sind.
Die Abnahme der Kolonien mit der Zeit geht ganz regelmäßig und
ihr gegenseitiges Verhältnis läßt sich mit guter Annäherung durch die¬
selbe Formel ausdrücken, die für die sog. monomolekulären Reaktionen
gültig ist, gleich .
wo (a—o?) die Zahl von Kolonien angibt, die an der Zeit t gefunden
werden, und wo K eine Konstante ist, welche die Reaktions- oder Des¬
infektionsgeschwindigkeit ausdrückt. In der dritten Kolonne der Tabelle II
findet man unter (a—x) calc. die nach dieser Formel und mit der Kon¬
stante K berechnete Anzahl von Kolonien. Wenn man die großen Ver¬
suchsfehler, die an dieser Art von Untersuchungen kleben, in Betracht
nimmt, ist die Übereinstimmung eine recht gute.
Wennman eine solche Behandlungsweise der Desinfektionsbestimmungen,
wie die hier vorgeschlagene, durchführen könnte, wäre eine größere Über¬
sichtlichkeit als bisher zu erreichen, da man in der Konstante K einen
zahlenmäßigen Ausdruck der Desinfektionskraft unter den gegebenen Yer-
suchsbedingungen (Desinfektionsmittel, Medium, Sporen, Temperatur usw.)
besitzt.
Ein anderes Beispiel ist in der Tabelle III wiedergegeben.
Hier sind die Wirkungen von verschiedenen Sublimatkonzentrationen
auf Milzbrandsporen verglichen. In der Kolonne (a— x) calc. sind, wie
oben, die nach der erwähnten Formel berechneten Werte angegeben.
In ähnlicher Weise sind an der Tabelle IV einige von Paul und
Krönig mitgeteilte Versuche berechnet, wo die Desinfektionsfähigkeit des
Sublimats mit und ohne Chlornatrium untersucht ist.
Technik.
Der Zweck von unseren eigenen Versuchen war hauptsächlich, den
Einfluß der Temperatur auf die Desinfektionsgeschwindigkeit zu studieren.
Unsere Methodik stimmte im großen und ganzen mit der von Paul und
Krönig angegebenen überein. Wegen ihrer sehr wechselnden Oberflächen
und Dimensionen scheinen die böhmischen Granaten wenig geeignet als
Träger der Milzbrandsporen zu dienen, und es wäre ohne Zweifel ein
Fortschritt, wenn man etwas mehr egales finden könnte. Doch konnten
wir wie Paul und Krönig feststellen, daß man durch sorgfältige Arbeit
bei dieser Methode recht übereinstimmende Zahlen erreichen kann (vgl.
z. B. Tabelle V).
Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Zue Theobie dee Desinfektion I.
393
Um die Sporen von der Granatenoberfläche zu entfernen, benutzten
Paul und Krönig folgendes Verfahren. Für jede Bestimmung wurden
gewöhnlich sechsmal 5 Granaten benutzt. Nach Einwirkung des Sublimats
wurden die Granaten in Wasser abgespült und dann mit Ammoniumsulfid
.behandelt. Nach Abspülung mit Wasser werden je 5 Granaten in einem
Reagensröhrchen mit 3 ccm Wasser versetzt. Alle die Röhrchen werden in
einen Drahtkorb gestellt und 3 Minuten eneigisch geschüttelt. Dann
werden 12 ccm geschmolzenes Agar, auf. 42° gekühlt, in die Röhrchen ge¬
gossen. Nach sorgfältiger Mischung des Agars mit der Sporenemulsion
wird der Inhalt in eine Petrischale gegossen. Nach Verlauf von ein oder
mehreren Tagen werden die Kolonien gezählt Nach Schüttelung mit der
Hand während 3 Minuten ist das Resultat häufig sehr variierend, wie es
aus den Versuchen von Paul und Krönig und den unsrigen hervorgeht.
Diese Fehlerquelle kann zwar dadurch etwas vermindert werden, daß man
das Mittel einer großen Zahl von Versuchen nimmt. Wir haben es doch
vorgezogen, diese Operation mit der Schüttelmaschine 3 Minuten vor¬
zunehmen. Wie die Resultate hierdurch regelmäßiger werden, ist aus
Tabelle VI ersichtlich. Hier ist eine Vergleichung angestellt mit der
Kolonienzahl von je 5 Platten, von 5 mit der Hand geschüttelten Gra¬
naten stammend, und mit der Kolonienzahl von 5 anderen Platten, deren
Granaten in der Schüttelmaschine behandelt waren.
Tabelle VI.
Handgeschüttelt
■
Schüttelmaschine
250—374—325—669 — 551
520-554—534- 530-536
Ferner haben wir die Methode in der Weise modifiziert, daß wir
statt 25 oder 30 Granaten in Serien von je 5 Granaten untersuchten,
sämtliche Granaten auf einmal geschüttelt haben. Häufigst haben wir
25 Granaten verwendet. Man tut sie in eine flache, viereckige Flasche,
gießt 15 ccm Wasser dazu, schließt mit einem Kautschukstöpsel und
schüttelt in horizontaler Stellung in der Maschine während 3 Minuten.
Endlich werden 3 ccm von der Sporenaufschwemmung (eventuell nach Ver¬
dünnung) herausgemessen und zu Platten verarbeitet. Die Kolonienzahl
der auf diese Weise verarbeiteten Platten variiert' so wenig, daß wir in
einem Teile der Versuche uns mit 4 statt wie gewöhnlich mit 5 oder 6
begnügten, ohne größere Verminderung der Genauigkeit zu bemerken.
Anfangs bearbeiteten wir die Platten ganz nach Krönig und Paul, welche
die Mischung von Sporenemulsionen mit Agar in den Röhrchen Vornahmen,
um dann den Inhalt in die Petrischalen zu gießen. Bequemer ist doch,
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394
Th. Massen uns Max Nyman:
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die 3 ecm Bakterienemulsion direkt in die Petrischale zn überführen and
dann 12 cem geschmolzenen Agar zuzufügen. Mit einem Platindraht werden
die zwei Flüssigkeiten leicht innig gemischt, wodurch eine einförmige Ver¬
teilung der Kolonien auf der Platte erreicht wird.
Die Zubereitung des Nähragar geschah ganz nach Krönig und Paal.
Die Zunahme von Tag zu Tag der Kolonienzahl einer Agarplatte
mit sublimatbehandelten Milzbrandsporen ist sehr verschieden und hängt
von der Anzahl der Kolonien ab. Wenn mehr als etwa 500 Kolonien
Tabelle VII.
Sublimat 128 Liter. Temp. 25°.
Für jede Zeit (2, 4, 7 Min. usw.) sind 5x5 Granaten benutzt, die nach
Sublimat-Sohwefelammoniumbehandlung mit der Hand mit 3 60111 Wasser
ausgeschüttelt wurden. Diese 3°®“ wurden dann ohne weitere Verdünnung
zu Agarplatten verarbeitet.
Tag
Platten N
r.
i
Mittel
i 1
1 2
! 3
i 4
5 : !
1
i
4176
3744
2 Min.
3999
3648
4016
3917
1
2648
1760
4 Min.
2360
1696
2640 l
2221
2
2240
1952
2560
1544
1 2320
2123
1
1744
752
7 Mia
840
968
'1
1420
1145
2
1512
904
840
1084
1384
1145
i
250
374
10 MHl.
325
669
j;
551
434
2 i
372
564
700
1020
764
685
1
124
76
15 Min.
155
179
? ,
134
2
504
267
584
632
i.
497
1
:
i 7
2
20 Min.
4
■
3
j!
5
»
4-2
2
152
89
230 j
245
246 ||
192
3
153
94
227
231
231
1S7
1
6
2
25 Min.
2
i
4
3
3-4
2
I 70
75
54
45
99 ii
69
3
80
98
49
48
124 1
| SO
1
0
0
30 Min.
0
0
0 !
I
0
2
1
2
0
1
1 1
| i
3
i
1
3
i
0
1
1
1*2
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Zur Theorie der Desinfektion I.
395
Tabelle VIII.
Sublimat 256 Liter. Temp. 25°.
Für jede Zeit (5 Min., 10 Min. usw.) wurden 30 Granaten verwendet,
die nach Sublimat- und Schwefelammoniumbehandlung in Sohüttelmaschine
3 Minuten mit 18 com Wasser ausgesohüttelt wurden. Für jede Platte
wurden 3 ccm benutzt nach Verdünnung: für 5 Min. 5 mal, — für 10 Min.
4 mal, - für 15 Min. 3 und für 20 Min. 2 mal.
Tag
Platte Nr.
Mittel
Veirdün-
pr. 5 Gra¬
naten be-
1
2
3
4
1 5
. ..
Dung
rechnet
i
1 ,
836
820
5 Min.
832
772
824
817
5
4085
2
864
816
805
824
882
828
— 1
4140
3 1,
848
800
816 '
792
808
813
—
4065
i
520
5^4
m Min.
531
530
586
535
4
2140
2 I
522
528
548
560
534
538
—
2152
3 i
496
548
508
540
552
529
—
2116
i I
305
291
15 Min.
282
318
818
303
3
909
2
310
314
328
360
352
333
—
999
3
824
852
328
362
328
345
—
1035
1
142
155
49 Min.
136
173
172
156
2
312
2
230
235
196
255
251
233
—
466
3 !
218
238
216
242
242
230
—
460
i
i i
88
94
25 Min.
96
78
74
86
i i
86
2
212
214
233
227
190
215
— ;
215
3
218
232
246
284
192
224
— I
224
j
i 1
9
5
30 Min.
8
3
6
6-2
i !
6-2
2 i
32
81
89
20
25
29
—
29
3 i
38
35
44
22
30
34 j
i
34
i i
1
0
40 Min.
0
0
0
0-2
i
i i
0.2
2 i
5
2
2
1
1
2
—
i 2
8
5
2
2
1
1
2
—
2
pro Platte anwesend sind, wird die größte Kolonienzahl, die makroskopisch
beobachtet werden kann, häufig schon nach 24 Stunden entwickelt sein.
Die mikroskopische Untersuchung zeigt eine bedeutend größere Anzahl.
An den folgenden Tagen wird diese Zahl ungeändert bleiben oder sinkt
unter die von dem ersten Tag, da ein Teil der Kolonien zusammen¬
wachsen, wodurch die Zählung ungenau wird. Eine Kolonienzahl
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3S6
Th. Madsen und Max Nyman:
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zwischen 200 und 500 am ersten Tag wird bisweilen am zweiten Tag
etwas zunehmen, während die Zunahme am dritten und vierten Tag eine
sehr kleine ist.
Finden sich am ersten Tag weniger als 200 Kolonien pro Platte,
wird die Zunahme vom ersten zum zweiten Tag eine verhältnismäßig sehr
große sein, vom zweiten zum dritten Tag aber dann eine sehr kleine.
Siehe die Versuche von K rönig und Paul und die Tabelle VII und VIII.
Nach Verlauf von 3 Tagen haben wir in unseren Versuchen keine
Entwicklung von neuen Kolonien bemerkt. Bei großer Dichtigkeit ron
Kolonien kommen also eine große Menge von Sporen nicht zu makro¬
skopisch erkennbarer Entwicklung. Man läuft dann Gefahr, daß man
nicht mit Hecht die Zahlen der dicht und der spärlich besäten Platten
vergleichen kann. Deswegen haben wir immer versucht, nach der Schütt-
lang die Sporenemulsion so zu verdünnen, daß nicht mehr als etwa
200 Kolonien pro Platte kommen. Gewöhnlich konnten wir dieses ohne
Schwierigkeiten machen, da wir immer die Totalmenge der auf den Gra¬
naten eingetrockneten Keime kannten, und mit Leitung hiervon Vor¬
versuche angestellt haben.
Tabelle IX.
12 Granaten werden in Schüttelmaschine 3 Minuten mit 6“ m Wasser
geschüttelt. 2 ccm hiervon werden mit destilliertem Wasser auf 200
verdünnt. Andere 2 ccm wurden auf 200 ccm mit 0.9 proz. NaCl-Lösung
verdünnt.
Tag
Wasser
Chlornatrium
0 ccm
3 ccm
1
122
109
2
120
120
4
120
120
i
11
i
II
| ccm
| ccm
1
35
44
40
1
29
2
37
44
39
i
29
4
37
0*5 cc “
45
|
39
i
1
0 • 5 cc ®
29
1
18
i
14
15
f
25
2
18
:
15 i
15
25
4
13
1
15
15
;
25
Mittel aus allen \
3 Versuchen /
114
114
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Zur Theorie der Desinfektion I.
397
Zur Verdünnung benutzten wir immer eine verhältnismäßig große
Menge (5 ccm ) der Sporenemulsion, die dann unter sorgfältiger Schüttlung
in ein größeres Volumen destilliertes Wasser verdünnt wurde. Wie aus
Tabelle 9 ersichtlich, gibt es keinen deutlichen Unterschied, ob die Ver¬
dünnung mit destilliertem Wasser oder mit 0-9 prozentiger Chlornatrium¬
lösung bereitet wird.
In allen unseren Versuchen haben wir festgestellt, wieviele keimfähige
Sporen die Granaten vor der Sublimateinwirkung besaßen. Nach Krönig
und Paul hat die Schwefelammoniumbehandlung keinen merkbaren Ein¬
fluß auf die Kolonienzahl; dieses geht auch ans den Versuchen Tabelle X
und XI hervor.
Tabelle X.
4 Granaten werden mit 10 ccm Wasser ausgeschüttelt, die dann auf 400 ccm
verdünnt werden. Observation 2 Tage hindurch.
| ccm
Mittel
Keimzahl anf
5 Granaten berechnet
272
292
0*5 Km
336
300
150000
140
162
138
147
147 000
Mittel: 148500
Tabelle XI.
2 x 20 von denselben Granaten wie im vorigen Versuch (A und B) werden
mit destilliertem Wasser bei 25° hingestellt. Nach 5 Minuten werden
sie herausgenommen und durchlaufen ganz dieselben Prozesse wie die
sublimatbehandelten: sie werden gespült, mit Ammoniumsulphid behandelt,
wieder gespült, mit 12 ccm Wasser ausgeschüttelt, das auf 20 ccm verdünnt
wird. Hiervon werden ferner 5 ccm mit 395 ccm Wasser versetzt.
Observationszeit 2 Tage. 1 ccm pro Platte.
Mittel
pro 5 Granaten
Keimzahl
A
391
400
372
389
155 600
B
424
384
302
370
148 000
Mittel: 151800
In anderen Fällen scheint die Schwefelammoniumbebandlung doch die
Sporenzahl bedeutend zu verringern.
Bei Bakterienzählungen sind die Versuchsfehler selbstverständlich sehr
bedeutend. Von ihrer Größe gibt der folgende Versuch eine Vorstellung.
Es wurde untersucht die Desinfektionsflüssigkeit von Sublimat, Konzen¬
tration 256 Liter, nach Verlauf von 2. 4, 7, 10, 15, 20, 35 und 60 Minuten.
Temperatur 25°.
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398
Th. Madsen und Max Nyman:
Es wurden 2 Serien von je 20 Granaten angestellt, die selbständig
bearbeitet wurden, so daß das Experiment 2 Reihen I und II umfaßte.
Tabelle XII.
Serie I
Serie II
12 3 Mittel
| Verdün-
i nun g
|j Keimzahl
pro 5 Gran.
1 ! 2
3
Mittel ; Verdü “-j K * im f
;j nung pro5Grä:
—
--
1
,
—— :
193
2 Min.
330
254
259
100
i
j
l 25 900
|
336
2 Min.
280
!
Infiz.
1 308
100 !
30 8'*"
228 1
4 Min.
1 258
Infiz.
243
50
12 150
1
160
4 Min.
169
170
166
50
S3("-
502
7 Min.
450
490
480 -
12
5 760
329
7 Min.
346
Infiz.
338
12
4Qy
228
10 Min.
230
223
227
8
1 816
1273
10 Min.
294
I
252 ]
273
8 I 1
2184
888
15 Min.
401
332
! 374
1
] 374
ij
494
15 Min.
544
505 i
509
1
5 (*
232
20 Min.
189
254
! 225
1
225
229
20 Min.
168
Infiz.
199
1 N
W
1
35 Min. 1
11
4
5-3
1
| 5-3
2
35 Min.
2
3
8-3
1
8*3
1
60 Min.
0
0
1
0-3
1
0-3
1
60 Min.
1
Infiz.
1
!
1
1
Mit größerer Übung und einer großen Anzahl von Versuchen (Zeiten
und Agarplatten) können die Versuchsfehler indessen bedeutend herunter¬
gebracht werden.
Einfluß der Temperatur.
Für unsere Versuche benutzten wir ein Ostwald sches Wasserbad mit
Toluolregulator und elektrischem Rührer. Die Temperaturschwankungen
überschritten nicht 1/25° und waren gewöhnlich viel kleiner. Die be¬
nutzte Sublimatlösung hatte eine Konzentration von 250 Liter.
Der Versuch Tabelle XIII vergleicht die Desinfektionsgeschwindigkeit
bei 45°, 35° (2 Versuchen) und bei 25°.
Vor der Sublimateinwirkung waren 124 800 Sporen (auf 5 Granaten
berechnet) keimfähig.
In der Tabelle gibt t die Zeit in Minuten, (a — x) obs. die Zahl der
Kolonien und (a — ar) calc. die nach der Fonniel
berechneten Werte an. K ist bei jeder Serie unten notiert.
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I
Original from ^
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Zub Theorie der Desinfektion I.
399
Tabelle XIII.
45° ! 35° ! 25®
I
i
ii
/
(<*—*)
(a— x) 1
4
(a—x) ,
(«-*) i
4
(o-x)
(a-x)
4
(a—x)
(a-x)
£
obs.
calc.
1
obs.
calc. 1
l
obs.
calc.
, v
1
obs.
calc.
0
[124 800]
[38 050]
o"
[124 800]
[43 150]
0
[124 800]
[86 310]
i o
[124 800]
[112 000]
®5
10 360
10 360
1
12 800
14 620
2
8 120
8 120
! 2
51 000
50 990
®0
2 550
2 820
2
5 000
4 955
4
4 522
l 229
4
13 550
23 200
• 5
810
768 :
3
1 920
1 679
6*5
115
116
6
5 520
10 550
•0
210
209
5
170
193
8
15
28
8
4 170
4 803
:®5
52
57
6
6-5
65
10
3
4-3
10
1 780
2 186
:®0
3
16
i 7
19
22
13
0-25
0*25
13
865
|
671
•0
0-7
1*2
8
2
7-5
17
4-5
16
252
206
..o
0*25
0*1
10
92
0*86
20
0
20
46
43
;®o
18
1
|
i
25
6
6
1
1
j
i
1 30
j 1-5
0-83
I
!
40
1
j 0-016
60
4
80
0*25
1 00
1 o
K= 7.
13
jr= o-
47
K=o •
ii
K = 0*1
'71
In diesen Versuchen ist das Sinken der Kolonienzahl zwischen 1 = 0
und der nächstfolgenden Zahl (1 = 0-5, 1 und 2) viel größer, als es der
spätere Verlauf der Reaktion vermuten läßt. Dieser wird namentlich bei
den höheren Temperaturen bemerkt. Dieses Phänomen findet man aber
nicht in dem Versuch Tabelle XIV, wo die Ausgangszahl viel kleiner,
9 500, ist.
Tabelle XIV.
CO |
1
25®
t
( a — x) obs.
(a— x) calc.
t \
(a— j*) obs. !
(a— j-) calc.
0
9500
9500
0
9500 j
9500
2
4860
4864
5
4140
4457
4
2964
2477
10
2152
2094
6
1408
1259
15
999
984
10
304
326
20
466
462
15
2-6
60
25
217
217
20
1.8
11
30
29
102
25
2.0
2.0
40
2
23
50
10
5
K = 0-147
K = 0*066
Endlich bemerkt man anf Tabelle XV einen Versuch mit sehr kurzen
Serien bei 45° 35° und 25°.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
400
Th. Madsen und Max Ntman:
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Tabelle XY.
45*
35»
25°
t
( a-x) obs.
( a-x ) calc.
t
i (a-;r) obs. |
(a-x) calc.
t
1 (a-ar) obs. (a-x) calc.
1
1220
1220
1
7750
7750
2
23 400 23 400
2
108
122
2
2440
2451
4
10 940 , 9 >00
3
4
13
5 ]
K= i-
12
1-2
0
4
| 355
K — 0 •
346
5
8
14
1 705 ! 1 719
| 127 1 126
K = 0-189
In allen diesen Versuchen findet man eine bedeutende Zunahme der
Desinfektionswirkung mit steigender Temperatur. Dieses läßt sich zahlen¬
mäßig folgenderweise ausdrücken:
Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante, K, wird auf
das etwa 2*5fache erhöht, wenn die Temperatur um 10 Grade
steigt.
Der größte Teil der chemischen und physiologischen Reaktionen wird
durch Temperaturerhöhung beschleunigt, für dieses Phänomen hat Ar-
rhenius folgende Formel aufgestellt:
M Tj-T
zzl — pH 1\T.
K t ~
wo K x und Äj die Reaktionsgeschwindigkeiten bei den Temperaturen I,
und T 2 angeben. T x und T z bedeuten die absolute Temperatur, u ist
eine Konstante, und R kann man, in Kolonien gleich 2 setzen.
Durch diese Formel kann man mit guter Annäherung das Verhältnis
zwischen den aus Tabelle XIII gefundenen Desinfektionskonstanten und
den Temperaturen berechnen. Die in dieser Weise für K gefundenen
Werte sind an der Tabelle XVI unter K calc. eingeführt, p wurde gleich
17 890 gefunden.
Tabelle XVI.
Resumö.
Temperatur
1 Tabelle XIII
Tabelle XV
Tabelle XIV
j K obs.
K calc.
i
K obs.
K calc.
K obs.
45°
i 1-13
1*13
1*0
1*249
35°
o c
>-* -1
1 } 0-45
j '
0*5
0*5
0*147
25°
0*171
I 0*171
0*189
0*189
0*066
/i = 17 890 ,i = 14S2ö
Mit demselben p können auch die Werte der Tabelle XV berechnet
werden. Aus den 2 Werten der Tabelle XIV wurde p = 14820 gefunden,
also etwas kleiner. Zum Vergleich sei angeführt, daß die entsprechenden
Gck igle
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Zue Theoeie des Desinfektion I.
401
Zahlen für die Saponifikation des Äthylacetats 11160 und für die Rohr¬
zuckerinversion 25640 Cal. pro Grammolekül sind.
Daß die benutzten Temperaturen an und für sich keine tötende Ein¬
wirkung auf die Sporen hatten, wurde durch besondere Experimente fest¬
gestellt.
Tabelle XVII.
20 Granaten werden 5 Minuten in Wasser bei 25° gelassen, gespült, mit
Schwefelammonium behandelt, gespült usw., ganz wie nach Sublimat¬
einwirkung. 3 Min. Ausschüttelung mit 12 oom Wasser, das später mit 8 ccm
Wasser versetzt wird. Hiervon werden 5 ccm auf 800 00111 verdünnt. Für
jede Platte werden 3 com genommen. 20 Granaten werden in ganz der¬
selben Weise bei 35° behandelt.
479
464
474
464
25°
Mittel
470
Keimzahl auf
5 Granaten berechnet
125 335
474
490
436
488
472
125 868
Während der größte Teil der Versuchsreihen ein ziemlich regelmäßiges
Sinken der Kolonienzahl mit der Zeit zeigt, verhalten andere Versuche
sich abweichend. So z. B. Tabelle XVIII.
Tabelle XVHI.
Sublimat 256 Liter. Temperatur 35°.
t
1 (<«—*)
t
! (a— x)
0
, 179 300 i.
13
491
2 |
36 300
16
29
^ |
7 470
20
74
6
3 948 j
25
86
8 |
0 il
30
1 198
10
1060 1
Wenn man von dem abweichenden Resultat für f=8 Minuten ab¬
sieht, ist es hier auffallend, daß die Kolonienzahl wieder ansteigt, nachdem
ein Minimum von 29 erreicht wurde. Wir haben ähnliche Phänomene so
häufig beobachtet, daß wir Versuchsfehler in gewöhnlichem Sinne kaum
annehmen können. Deswegen werden diese irregulären Resultate hier
mitgeteilt.
Das Absterben von Milzbrandsporen unter Sublimateinwirkung kann
man also als eine Reaktion auffassen, die durch eine sehr einfache Formel
dt =K[a-x)
Zeitachr. f. Hygiene. LVII.
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402
Th. Madsen und Max Ntman:
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ausgedrückt werden kann, wo K die Desinfektions- oder Reaktions¬
geschwindigkeit ist
Sehr ungenau ist das gewöhnlich benutzte Verfahren, die Desinfektions¬
wirkung nach der Zeit zu bezeichnen, da alle Mikroben abgestorben sind.
Untersucht man eine größere Anzahl von Experimenten, begegnet man
häufig einer ziemlich langen Periode, da „Wachstum“ und „kein Wachs¬
tum“ abwechseln, so daß die Bestimmung der Todeszeit mit mehreren
Hundert Prozent variieren kann. Dieses wird vielleicht leichter über¬
sichtlich, wenn man die Reaktion graphisch darstellt in einem Koordi¬
natensystem, wo man die Zeit an der Abszissenaxe entlang und die ent¬
sprechenden Kolonienzahlen als Ordinaten absetzt.
Untenstehende Kurve ist eine solche graphische Darstellung vou dem
Versuch an Tabelle XIV.
Die Sporenzahl sinkt einer Kurve entlang, die die Abszissenaxe als
Asymptote hat, und theoretisch sollte die Sporenzahl niemals 0 werden,
d. h. um eine keimfähige Spore zu bekommen, sind immer größere
Flüssigkeitsmengen notwendig. Gewöhnlich wird angegeben, wie viele
Keime in 1 ecm anwesend sind, so daß, wenn nach einer gewissen Zeit
0-25 Spore pro Kubikzentimeter oder 1 Spore in 4“” erreicht ist, man
eine Wahrscheinlichkeit von 3 gegen 1 hat, daß eine Plattenkultur aus
1 ccm Sporenemulsion steril wird. Es ist klar, daß man selbst nach viel
längerer Desinfektionszeit noch keimfähige Sporen finden kann. Deswegen
Gck igle
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Zub Theorie deb Desinfektion I.
403
ist die Ungenauigkeit bei der Bestimmung der Todeszeit allein eine sehr
große. Durch die hier angegebene Methode wird eine viel größere Ge¬
nauigkeit erreicht, indem man bei der Berechnung der Desinfektions¬
konstante K alle die Bestimmungen berücksichtigt. Geppert hat schon
darauf aufmerksam gemacht, daß man aus dem Verhalten der Mikroben
während der Desinfektion schließen könnte, daß zwischen einer Anzahl
gleichartig zubereiteter Sporen die Resistenz der einzelnen Individuen große
Verschiedenheiten aufweist
“Wie die roten Blutkörperchen können Milzbrandsporen als eine Samm¬
lung von Einzelindividuen mit verschiedener Resistenz aufgefaßt werden. Doch
wird der größere Teil eine gewisse mittlere Resistenz aufweisen, um welche
die Resistenz der anderen Sporen sich gruppiert. Um eine zahlenmäßige
Bestimmung von dieser Mittelresistenz zu haben, kann man die Kon¬
stante K aus der oben erwähnten Formel benutzen.
Die Verminderung der Sporenanzahl während der Aufwärmung
bei konstanter Temperatur scheint demselben Gesetz zu folgen wie
die Sublimatdesinfektion. Als Beispiel kann der Versuch an Tabelle XIX
dienen, der in folgender Weise ausgeführt wurde.
In 8 kleinen Glasröhrchen, vorher zu 110° gewärmt, wurden in jedes
5 Granaten getan. Danach wurden die Röhrchen in einem Ölbad von
110° gehalten. An verschiedenen Zeitpunkten (t) wurde ein Röhrchen
herausgenommen, schnell abgekühlt und die Sporenmenge in der ge¬
wöhnlichen Weise bestimmt.
Tabelle XIX.
110 °.
t ~ ~"i
(Min.) 1
(a—x) obs.
calc. |
| t
!' (Min.) j
(a—x) obs.
i
| (a— x) calc.
60
3676
5152
180
188
291
90
2304
2512
210
756
142
120
1350
, 1225
240 j
77
69
150
696
| 597
,| 300 i
10
16
K = O'Ol
Die Bedeutung der Zahlen ist dieselbe wie oben und die Berechnungen
sind nach derselben Formel vorgenommen.
Tabelle XX.
99-101°.
t | (a — x) obs. ( a —a 1 ) calc. !j t | ( a — x) obs. ( a —.r) calc.
60
__:__:_
25 220
23 390
ji 180
1 540
1 831
90
10 860
12 370
210
1 142
969
120
6 725
6 545
240
565
512
150
2 910
3 461
■ 300 :
412
143
K =
0'0092
26*
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Original from
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404 Th. Madsen und Max Nyjian: Theorie der Desinfektion L
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In Tabelle XX findet man einen anderen Versuch bei 100°. Nimmt
man in Betracht, daß die Temperatur in diesem Falle beinahe um 2°
schwankte, so ist die Übereinstimmung zwischen beobachteten und be¬
rechneten Werten eine recht gute.
Die Granaten waren in diesen beiden Versuchen verschieden, so daß
sie nicht dazu benutzt werden dürfen, den Einfluß der Temperatur¬
änderungen auf die Reaktionsgeschwindigkeit zu bestimmen.
Wenn Sporen unter Einfluß der Wärme abgetötet werden, spielen
vielleicht hydrolytische Prozesse eine Rolle. Man weiß, daß die Des¬
infektion viel langsamer vor sich geht, wenn das Wasser abwesend ist.
Vielleicht wird eine bessere Technik konstante Abweichungen vou der
hier aufgestellten Formel darlegen. In Anbetracht der großen Versuchs¬
fehler aber, mit denen man noch rechnen muß, gibt sie einen einfachen
zahlenmäßigen Ausdruck für den Desinfektionsvorgang.
In ganz analoger Weise, in welcher wir hier die Bedeutung der Tem¬
peratur zahlenmäßig bestimmten, kann man auch die Wirkung von andereu
Faktoren, Änderungen der Konzentration, des Mediums, Zufügung von
organischen Substanzen usw. ausdrücken.
Wahrscheinlich könnte man eine größere Einheitlichkeit erreichen,
wenn man den klassischen Desinfektionsmodus, die Einwirkung des Subli¬
mats auf Milzbrandsporen, als Standart aufstellte und damit die Wirkung
von anderen Desinfektionsmitteln verglich. Alle anderen Faktoren, Milz¬
brandsporen , Temperatur, Medium usw. mußten selbstverständlich ganz
gleichartig sein, und wegen der kontinuierlichen Änderung der Resistenz
der Milzbrandsporen, mußten die Vergleichungen gleichzeitig angestellt
werden.
Ferner muß erinnert werden, daß die in dieser Weise erreichte Messung
der Desinfektionswirkung nur für Milzbrandsporen gültig ist, und daß sie
eventuell für andere Mikroben korrigiert werden muß. Ein solches Ver¬
fahren verlangt zwar eine sehr bedeutende Arbeit; die Desinfektionslehre
würde man aber somit auf eine viel mehr wissenschaftliche Basis als jetzt
fußen können.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
J
[Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin.]
(Direktor: Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Gaffky.)
(Abteilungs-Vorsteher: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Frosch.)
Vergleichende Spirochätenstudien.
Von
Dr. med. F. Mühlens,
llarineftabsant.
(Hieran T*f. T—TU.)
Die Spirochäten nehmen in den letzten Jahren das Interesse von
Medizinern und Zoologen in hohem Grade in Anspruch. Kaum vermag
selbst der Spezialist noch die ungeheure Literatur zu beherrschen. Ein
Spezialstudium ist insbesondere erforderlich für das Verständnis der Morpho¬
logie, namentlich der feineren Unterschiede zwischen den einzelnen Spiro¬
chätenarten. In mancher Hinsicht stehen wir auf diesem interessanten
Forschungsgebiete noch in den Anfängen. Um so mehr helfen auch
kleinere Beiträge den Ausbau dieses jungen Zweiges unserer Wissenschaft
fördern.
Bei meinen seit längerer Zeit im Königl. Institut für Infektions¬
krankheiten in Berlin im Aufträge von Hm. Geheimrat Gaffky be¬
triebenen Studien über die Morphologie und die ätiologische Bedeutung der
Spirocbaeta pallida habe ich zum Vergleich, wenn ich nur immer konnte,
auch andere Spirochätenarten herangezogen. Vergleiche lassen sich selbst¬
verständlich am sichersten nur unter dem Mikroskop anstellen. In
dieser Weise habe ich sie auch häufig mit zwei gleich konstruierten
Zeißschen Systemen an gleichmäßig gefärbten Präparaten verschiedener
Spirochäten arten vorgenommen. Aber auch gute Mikrophotogramme
lassen, wenn sie unter genau den gleichen Bedingungen hergestellt sind,
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Gck igle
Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
406
P. Mühlens:
einen Vergleich zu. Allerdings erkennt man dabei nicht die Farbenunter¬
schiede und feineren morphologischen Details. Solche lassen sich nur in
farbigen Zeichnungen wiedergeben.
Um einen derartigen möglichst genauen Vergleich anstellen zu können,
habe ich eine Anzahl von Spirochätenpräparaten meiner 1 Sammlung nach¬
einander von demselben Maler, dem bekannten wissenschaftlichen Zeichner
Hm. Landsberg-Berlin, mit demselben Mikroskop, bei gleicher Einstellung,
mit demselben Abb4schen Zeichenapparat bei gleichmäßiger Auergasglüh-
lichtbeleuchtung zeichnen lassen. Die Originalzeichnungen entsprachen einer
Vergrößerung von annähernd 1:2700. Sie stellen eine genaue Wieder¬
gabe des mikroskopischen Bildes dar. Nur in wenigen Zeichnungen (ent¬
sprechend den Nr,-18, 19, 22 und 24) sind zwei oder mehrere Gesichts¬
felder zwecks Raumersparnis zu einem Bild vereinigt. In jedem Einzelfalle
habe ich die Zeichnungen auch selbst genau mit dem mikroskopischen
Bilde verglichen. Bei der Reproduktion sind die Originalzeichnungen,
die auf dem XIV. internationalen Hygienekongreß vom Institut für In¬
fektionskrankheiten ausgestellt werden, zur Raumersparnis auf die Hälfte
verkleinert, also in einer Vergrößerung von 1:1850 wiedergegeben.
Überrascht war ich über die wohlgelungene Reproduktion durch die
lithographische Anstalt E. A. Funke-Leipzig, insbesondere auch bezüglich
der Farbe.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Spirochätenarten kommen
bei dieser Gegenüberstellung, die in ihrer Art an Exaktheit das denkbar
Möglichste leistet, sehr deutlich zum Ausdruck. Die in den beiden Tafeln
wiedergegebenen Zeichnungen sprechen für sich selbst. Der Erläuterung
will ich kurze morphologische Beschreibungen hinzufügen.
I. Spirochaeta pallida.
Die Figg. 1 bis 7, 10 und 11 auf Taf. V zeigen Pallidaspirochäten ver¬
schiedener Herkunft, Fig. 7 auch eine Sp. refringens. Die ersteren Präparate
sind mit der fertigen Giemsalösung gefärbt (1 Tropfen auf l®* m Wasser).
Nr. 10 und 11 sind nach der Levaditi-Methode hergestellt.
Fig. 1. Spir. pallidae aus einem typischen Ulcus durum. Zum Vergleich
der Größenverhältnisse ist ein rotes Blutkörperchen hinzugezeichnet. Wie
genau die Zeichnung dem Original entspricht, erkennt man schon bei einem
Vergleich mit dem etwas kleineren Mikrophotogramm (1:1000) in meiner
früheren Arbeit über Sp. pallida usw. 2
1 Präparat Nr. 15 verdanke ich Hrn. Dr. Hoelling vom Institut und Nr. 1!
Hrn. Dr. Jaffe, die anderen sind sämtlich von mir hergestellt.
* Centralblatt für Bakteriologie. Bd. XLUI. Taf. II, Fig. 5.
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Vergleichende Spirochätenstudien.
407
Fig. 2. Sp. pallidae in einem Milzausstrich von kongenital syphi¬
litischem Fötus. In manchen Gesichtsfeldern desselben Präparates waren
bis 6 Spirochäten nachzuweisen.
Fig. 3. Sp. pallidae in syphilitischem Drüsensaftausstrich bei latenter
Lues, die später zum Ausbruch kam. 1
Fig. 4. Sp. pallidae in einem Nebennierenausstrich (Original) von
einem 4 Tage post partum verstorbenen kongenital syphilitischen Kind. Bei der
ursprünglichen Vergrößerung (1: 2700) konnte nur etwa der fünfte Teil eines
Gesichtsfeldes auf einmal gezeichnet werden. In manchen Gesichtsfeldern
des Präparates wurden bei Vergrößerung 1:1000 an 50 Spirochäten gezählt.
Fig. 5. Sp. pallidae in einem abgekratzten Gewebsstückchen von der
Cornea eines mit syphilitischem Drüsensaft (Fig. 3) geimpften Kaninchens,
das an typischer Keratitis parenchymatosa erkrankt war. 2 In dem¬
selben Ausstrich fanden sich auch zahlreiche freie Spirochäten, mitunter 5
bis 10 in einem Gesichtsfeld. Die Spirochäten wurden auch anfangs lebend
und beweglich gesehen; nach 48 Stunden (in Kochsalzlösung unter paraffin-
umrandetem Deckglas) bei 37° waren sie nicht mehr beweglich.
Fig. 6. Sp. pallidae — Knäuel, von demselben Material wie unter 5
beschrieben, 48 Stunden im Brutschrank aufbewahrt (Vermehrung?
wahrscheinlicher Agglomeration nach Absterben). Ähnliche Spirochäten¬
knäuel fanden sich zahlreich in dem Präparat, namentlich an einer Stelle,
an der viele Bakterien gewachsen waren.
Fig. 7. Lange Sp. pallida und Sp. refringens im selben Gesichtsfeld.
Die Unterschiede in Gestalt und Art der Färbung sind ohne weiteres klar.
Fig. 10. Sp. pallidae in einem Leberschnitt von kongenital syphi¬
litischem Fötus. Levaditifärbung. 3
Fig. 11. Sp. pallidae frei im Lungengefäßlumen bei kongenital syphi¬
litischem Fötus. Levaditifärbung.
Über die Morphologie der Spirochaeta pallida ist in letzter
Zeit so viel geschrieben worden, daß ich mir eine eingehende Schilderung
ersparen kann, zumal auch ich sie zusammen mit Hartmann 4 zum Teil
bereits besprochen habe. Daher seien nur kurz noch einmal die Haupt¬
charakteristika zusammengestellt.
Länge: 4 bis etwa 20 p, sehr dünn, höchstens V 4l u dick, Enden
meist zugespitzt, oft mit geißelartigen Fortsätzen (Schaudinn), diese mit
Löfflerbeize darstellbar.
Lebend: nur schwache Lichtbrechung.
Windungen: meist 6 bis 20, regelmäßig, kurz, tief, formbeständig
bei Bewegung, auch im frischen Präparat nach Absterben (Schaudinn),
1 Siehe Centralblatt für Bakteriologie . Bd. XLIII. S. 590 ff.
8 Originalpräparat demonstriert in der Berliner medizin. Gesellschaft am 13. III.
und in der militärärztlichen Gesellschaft zu Berlin am 21. III. 07.
8 Ygl. bezüglich der Wiedergabe mit Mikrophot. Taf. VII, Fig. 1.
4 Mühlens und Hartmann. Biese Zeitschrift . Bd. LV. S. 105 1F.
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408
P. Mühlens :
Windungslänge: etwa 1 -2^; Windungstiefe */ 3 juinininimo, meist 1 bis l*5.u: i
Verhältnis von Windungslänge zur Windungstiefe -j- bis ^ •
Bewegung: Ortsbewegung nicht groß, Rotation um Längsachse.
Vor- und Rückwärtsgleiten sowie Beugebewegungen des ganzen Körpers.
Färbbarkeit: gering, Gramnegativ, bei Giemsafärbung zart rot
gefärbt, Enden meist spitz zulaufend. Auch im gefärbten Präparat meist
regelmäßige, steile korkzieherartige Windungen, wie sie bei keiner anderen
Spirochätenart (außer vielleicht bei der Sp. pallidula s. pertenuis bei
Frambroesia tropica) Vorkommen.
Jedenfalls habe ich bei meinen längeren eingehenden Spirochäten¬
untersuchungen niemals Spirochätenarten vom Typ der Pallida gefunden.
Selbstverständlich gleicht nicht im Ausstrichpräparat eine jede Pallida
genau der anderen. Durch schlechte Methodik beim Ausstreichen und
Fixieren der Präparate, oft wohl infolge von Degeneration, vielleicht mit¬
unter auch als Entwicklungsformen kommen von dem Grundtyp mehr
oder minder abweichende Bilder zur Beobachtung. Man sieht nicht
selten Formen (vgl. auch die Zeichnungen), die an dem einen Ende oder
auch an beiden oder auch sonstwo im Verlauf einige flachere Windungen >
zeigen oder gar stark ausgezogen sind, ferner Formen, die an einem En ie |
spiralig aufgerollt sind oder runde (vielleicht mit Entwicklung zusammen¬
hängende) Anschwellungen haben. Daß aber alle diese Formen zu dem
Pallidatyp gehören, geht hervor aus der Gleichmäßigkeit der schweren
Färbbarkeit gegenüber anderen Spirochätenarten, der Art der Färbung selbst
sowie auch aus dem gemeinsamen Vorkommen mit der typischen Pallida
in geschlossenen Affektionen ohne irgendwelche andere Mikroorganismen,
so z. B. in Drüsen, geschlossenen Papeln sowie in Organausstrichen von
kongenital syphilitischen Kindern. Atypische Formen fand ich besonders
häufig in Ausstrichen von Organen stark fauliger Föten sowie einmal im
Leistendrüsensaft nach Einleitung der Quecksilberbehandlung. Dieselben
atypischen Formen finden sich aber auch in nach der Levaditi-
Methode hergestellten Schnittpräparaten von kongenital syphilitischen
Organen, entsprechend der Identität der Giemsa- und Levaditi-
spirochäte. Auch im übrigen zeigen die Formen in den Levaditischnitten
eine große Übereinstimmung in ihrer Gestalt mit den Sp. pallidae in den
Giemsaausstriclipräparaten.
11. Spirochaeta refriugens.
In Fig. 7, Taf. V ist eine lange Sp. pallida mit vielen Windungen
sowie eine Sp. refriugens aus demselben Gesichtsfelde abgebildet.
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Vergleichende Splrochätenstudien.
409
Die Hauptkennzeichen der Sp. refringens sind:
Länge: etwa 10 bis 30/i, meist länger wie Pallida und bedeutend
dicker, etwa V, his s / 4 n dick.
Lebend: wesentlich stärker lichtbrechend wie die Pallida.
Windungen: 3 bis 15, ungleichmäßig, weit, flach; sie verändern sich
bei Bewegungen.
Bewegung: lebhafter wie bei der Pallida, Rotations- und Orts¬
bewegung; keine Beugebewegungen von mir beobachtet.
Färbbarkeit: wesentlich besser wie bei Pallida. Gramnegativ.
Nach Giemsa leicht und schnell färbbar. Farbe: blau bis blauviolett,
je nach Färbungsdauer.
Einige Autoren beschreiben bei Refringens eine undulierende Mem¬
bran. Schaudinn gibt an, das Spiel einer solchen auch bei Sp. pallida
lebend beobachtet zu haben.
III. Spirochaeta balanitidis,
von Hoffmann und v. Prowazek 1 für eine besondere Art gehalten.
Sie schreiben: „Die Balanitisspirochäte unterscheidet sich von der gröberen
Refringens durch ihre geringere Breite, durch ihre engeren und regel¬
mäßigeren Windungen, durch die häufiger vorhandenen, oft langen, spitz
auslaufenden Periplastfortsätze sowie durch ihre Bewegungsform.“ Hoff¬
mann und v. Prowazek haben an der Balanitisspirochäte auch eine
undulierende Membran nacligewiesen.
Nach meinen eigenen Beobachtungen bin ich noch nicht überzeugt,
daß die „Balanitisspirochäte“ mit der Sp. refringens identisch ist ebenso¬
wenig wie von der Pathogenität der Balanitisspirochäte, die mit Hoff¬
mann und v. Prowazek auch frühere Untersucher, wie Berdal und
Bataille, Csillag, Rona, Müller und Seherber für nicht unwahr¬
scheinlich halten.
IY. Spirochaeta Duttoui.
Fig. 8 zeigt Spirochäten des afrikanischen Rückfallfiebers im Giemsa-
ausstrich von Affenblut.
Fig. 9 stellt dieselbe Spirochätenart in einem Lungenschnitt im Gefnli-
lumen dar. Giemsafärbung 3 Stunden. Nur kurze Entwässerung in eosin-
haltigern absolutem Alkohol. Der Schnitt ist bedeutend geschrumpft, wie
schon aus dem Vergleich der Größe der roten Blutkörperchen in Figg. 8 und 9
hervorgeht.
In Fig. 12 sind Rekurrensspirochäten in einem Nierengefäß von einer
infizierten Ratte, nach Levaditi dargestellt.
1 Hoffmann und v. Prowazek, Centralbtall für Bakteriologie. Bd. XLI.
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P. Mühlens:
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Die Pallidagegner, welche die „Silberspirochäten“ nicht für echte
Spirochäten, sondern für Nervenfasern, Gewebszerfallselemente oder der¬
gleichen ansehen, möchte ich noch besonders auf die Figg. 11 uud 12,
Taf. V hinweisen, die nicht nur Spirochäten frei im Lumen von Blut¬
gefäßen (nach Levaditi dargestellt) erkennen lassen, sondern auch ins¬
besondere die Unterschiede der Sp. pallida im Schnitt von der Sp.
Duttoni in Größe, Dicke und Art der Windungen deutlich zeigen.
Die Merkmale der Spirochaeta Duttoni sind:
Länge: etwa 15 bis 40 ft, Dicke etwa 1 / t bis */ 4 //, an den Enden
zugespitzt
Lebend: stark lichtbrechend.
Bewegung: Rotations- und Ortsbewegung, nach C. Fraenkel
weniger lebhaft als bei der Sp. Obenneieri.
Windungen: 3 bis 12, ungleichmäßig, weit, oft sehr tief, aber weit
geschweift (siehe Fig. 8, Taf. V).
Gute Färbbarkeit: bei Giemsafärbung blau bis blauviolett, mit¬
unter im Verlauf der Spirochäten einzelne weniger intensiv oder ungefärbte
Stellen (Fig. 8, Taf. V). In Schnittpräparaten sah ich einzelne Spiro¬
chäten (so in Fig. 9 oben, Taf. V) mit kleinen rötlichen Einlagerungen
(Chromatin?).
Zettnow, C. Fraenkel u. a. halten den Nachweis von „seiten¬
ständigen Geißelföden“ für erbracht.
V. Spirochaeta Obermeieri,
die Spirochäte des europäischen Rekurrens, hat mit der eben beschriebenen
große Ähnlichkeit. Nach C. Fraenkel 1 jedoch unterscheiden sich die
„Spirillen“ des europäischen Rekurrensfiebers (Rußland) von denen des
amerikanischen und afrikanischen durch eine feinere Gestalt und einen
zarteren Leib. Bei Sp. Obermeieri außerdem oft große Ortsbewegungen.
(Xovy und Knapp, C. Fraenkel).
VI. Spirochaeta gallinaram.
Fig. 13, Taf. VI zeigt Hühnerspirochäten im Hühnerblut, in einem
Knäuel zusammenliegend. Giemsafärbung.
Morphologisch dürfte die Unterscheidung der Hühner- von
der Rekurrensspirochäte schwierig sein; erstere ist vielleicht im
allgemeinen kleiner wie die Rekurrensspirochäte; im übrigen sind die
Kennzeichen ähnlich bzw. ebenso wie bei dieser, v. Prowazek beschreibt
die Hühnerspirochäten als bandförmig mit undulierender Membran.
1 C. Fraenkel, Berliner klin. Wochenschrift. 1907. Nr. 22.
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Vergleichende Spebochätenstudien.
411
die besonders nach Mazeration darstellbar sei. Auch soll nach Art der
Chromidien Kernsubstanz im Plasmaleib verteilt sein, ähnlich so wie es
Sch and in n von der Rekurrensspirochäte beschrieben hat.
Von der Sp. gallinarum ist auch nicht zu unterscheiden die Spiro-
chaeta anserina, von Sacharoff so benannt. Diese Art wird auch als
meist kleiner wie die Rekurrensspirochäten beschrieben.
VII. Spirochäten aus Mfickenmagen.
Die in Fig. 14, Taf. VI abgebildeten rekurrensähnlichen Spirochäten
fand ich vor \ l j 2 Jahren in einem Culex-Mückenmagen zusammen
mit kleinen trypanosomaartigen Gebilden (Chritidien). Ob es sich um
die Sp. Ziemanni gehandelt hat (— die von Schaudinn als Ent¬
wicklungsstadium von Leukozytozoon Ziemanni beschrieben ist —), oder
um eine vielleicht im Mückenmagen häufiger schmarotzende Spiro¬
chätenart, wage ich nicht zu entscheiden. Bemerken will ich nur noch,
daß Dr. Jaffe in unserem Institut auch vor einiger Zeit ähnliche Spiro¬
chäten in Culexlarven gefunden hat. — Bei der Sp. Ziemanni sind
von Schaudinn Kernapparat, Längsteilung und undulierende Membran
nachgewiesen.
VIII. Spirochaeta Laverani,
von Breinl und Kinghorn 1 so benannt, ähnlich auch von Wenyon 2
beschrieben, bei grauen und weißen Mäusen im Blut gefunden. Klein,
ziemlich dick, mit 2 bis 4 flachen Windungen. Identisch mit derselben
scheinen die in Fig. 15, Taf. VI in Giemsafärbung wiedergegebenen
Gebilde zu sein, die Hr. Dr. Hoelling in unserem Institut im Mäuse¬
blut fand. Meiner Ansicht nach handelt es sich vielleicht gar nicht um
Spirochäten, sondern um Spirillen.
IX. Kleine Darmspirochäten,
bisher ohne Benennung. Sie werden bei Enterodiarrhoe der Kinder und
auch der Erwachsenen im Stuhl gefunden. Ich sah sie häufiger bei
Sommerdiarrhoe. Auch fand ich sie nicht selten während der Cholera¬
epidemie des Jahres 1905 im Institut bei Cholerastühlen neben den
Vibrionen, wie Fig. 16, Taf. VI zeigt. In diesem, 1V 2 Jahr lang auf¬
bewahrten Präparat (nach Giemsa gefärbt), waren im Laufe der Zeit —
wahrscheinlich infolge Säuregehalts des Kauadabalsams — Veränderungen
1 Lancet. 1906. Nr. 4332.
2 Journal of Hygiene. 1906. Oktober.
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P. Hühlens:
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in der Färbung vorgegangen derart, daß der blaue Farbstoff bei den Spiro¬
chäten und bei den Vibrionen teilweise ausgezogen war. Dabei zeigten
sich in den Vibrionen auffallende rötliche (chromatinartige) Punkte
in der Mitte; auch die noch leicht bläulich gefärbten Spirochäten wiesen
viele feine rötliche Einlagerungen (Chromidien?) auf.
Feine Darmspirochäten werden auch bei Dysenterie beschrieben (Le
Dantec 1 bei spirillärer Diphtherie des Dickdarms in Südwest-Frankreich.
In den Entleerungen eines aus Südwest-Afrika heimgekehrten, an Amoeben-
dysenterie leidenden Soldaten sah ich auch massenhaft die kleinen Spiro-
häten. Sie sind wahrscheinlich saprophytischer Natur. Dantec hält sie
ür pathogen.
Ihre Merkmale sind:
Länge: 5 bis 15 jjl, sehr dünn, an den Enden spitz auslaufend.
Lebend: wenig lichtbrechend.
Windungen: meist 2 bis 4, in gefärbtem Präparat unregelmäßig:
flach, weit, lebend mehr regelmäßig.
Bewegung: lebhaft, aber wenig Ortsbewegung.
Färbbarkeit: nach Giemsa blaurot bis blau, gramnegativ.
X. Größere Darm Spirochäten
habe ich bei einem zur Sektion gekommenen Fall von Colitis ulcerosa
gesehen (Fig. 28, Taf. VI). Sie entsprachen im wesentlichen den Typen
der in der menschlichen Mundhöhle zu findenden Spirochäten (siehe unter
XI). 1. = Typ der Sp. buccalis, 2. = mittlere Form, 3. = Sp. dentium.
Bemerkt sei hier noch, daß neben den Spirochäten im Darminhalt auch
häufig fusiforme Bazillen gefunden werden.
XI. Die Mundspirochäten.
Wahrscheinlich als saprophytischeLebewesen kommen in der Mund¬
höhle, namentlich im Zahubelag, 3 Arten von Spirochäten vor (Fig. 19.
Taf. VI).
1. Die Spiroohaeta buccalis (Cohn).
Länge: 10 bis 20 ja. Dicke Vs his */s H-> Enden häufig zugespint.
Lebend: stark lichtbrechend.
Windungen: etwa 3 bis 10, ungleichmäßig, weit, flach, bei Be¬
wegungen sind sie oft steiler.
Bewegung: lebhaft mit Gestaltsveränderungen, die oft mit dem
Strecken und Zusammenschnellen einer Uhrfeder vergleichbar sind. 2 Außer
1 Le Dantec, Compt. rend. soc. Mol. 1903.
2 Mühlen s und Hart mann. Diese Zeitschrift. Bd. LV.
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Vergleichende Spirochätenstudien.
413
diesen durch Kontraktion des Körpers hervorgerufenen Bewegungen noch
Drehungen um die Längsachse, durch welche Ortsbewegung zustande
kommt.
Färbung: nach Giemsa blau bis blauviolett, je nach Intensität
An den Enden mit Löfflerbeize oft geißelartige Fäden darstellbar.
Wahrscheinlich keine echten Geißeln, sondern Periplastfortsätze. 1 Undu¬
lierende Membran ist von Schaudinn, Hoffmann und v. Pro¬
wazek beschrieben. Hoffmann und v. Prowazek sahen auch einen
Kernstab.
2. Die „mittlere Form“ der Mundspirochäten,
nach Dicke und Größe sowie Länge und Steilheit der Windungen die
Mitte zwischen Spirochaeta buccalis und dentium einnehmend. Ob sie
wirklich eine besondere Form darstellt, ist noch nicht absolut sicher. Diese
Form hat ein besonderes Interesse deshalb, weil sie ebenso wie die Spiro¬
chaeta dentium zur Verwechslung mit der Spirochaeta pallida Anlaß
geben kann; ihre Größe und die Art der Windungen haben häufig eine
gewisse Ähnüchkeit mit der Spirochaeta pallida. (Vgl. den entsprechenden
Typ in Fig. 23, 2.) Die „mittlere Form“ ist aber dicker sowie viel leichter
und kräftiger färbbar als die Pallida. Der Farbenton ist bei kräftig
gefärbten Präparaten bläulich-rot; nur in zart gefärbten Präparaten oder
wenn durch Aufbewahren in säurehaltigem Kanadabalsam blauer Farbstoff
ausgezogen ist, erscheinen diese Spirochäten auch rötlich.
3. Spiroohaeta dentium (Koch). Siehe auch die Fig. 20: Spiro¬
chaeta dentium aus Serum-Agarkultur (Löfflerbeizefärbung, daher so
dick) und Fig. 21: Spirochaeta dentium aus Serum-Bouillonkultur (Giemsa¬
färbung).
Länge: 4 bis 12 ji, mitunter länger (namentlich Teilungsformen)
mindestens ebenso dünn wie Pallida, Enden oft zugespitzt. Mit Löffler¬
beize geißelartige Fortsätze darstellbar.
Lebend: schwach lichtbrechend, noch schwerer erkennbar wie die
Pallida.
Windungen: 4 bis 20, regelmäßig, formbeständig bei Bewegungen,
kurz, flach, Windungslänge im Mittel 1*2 p., Tiefe 1 / 3 bis % V- Ver -
hältnis von Windungslänge zur Windungstiefe = durchschnittlich — •
Bewegungen: hauptsächlich durch Rotation um die Längsachse.
Keine zusammenschnellenden und Streckbewegungen wie bei Sp. buccalis.
Färbbarkeit, ziemlich schwer, aber leichter wie bei Pallida; nach
Giemsa rot.
1 A. a. 0.
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P. Mühlkns:
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XII. Spirochaeta Vincent!,
beschrieben bei der Plaut-Vincentschen Angina, bei der sie in
Gesellschaft mit den sog. fusiformen Bazillen in großer Zahl gefunden
wird. Ob es sich um eine besondere Spirochätenart handelt, oder ob
die Sp. vielleicht identisch sind mit der Sp. buccalis oder der „mittleren
Form“, kann noch nicht als entschieden gelten (vgl. Fig. 18 mit Fig. 19);
ebensowenig ist es sicher, ob die Spirochäten und fusiformen Bazillen im
Zusammenhang mit der Krankheit stehen oder ob sie nur Saprophyten
sind. Auffallend ist immerhin das massenhafte Vorkommen bei dieser
Angina und bei Stomatitis ulcerosa usw., sowie das Eindringen der
Spirochäten tief ins Gewebe. In Fig. 18 habe ich aus mehreren Gesichts¬
feldern verschiedenartige fusiforme Bazillen zusammenstellen lassen, die
wahrscheinlich Teilungsvorgänge darstellen. Der Teilung des Plasmas
geht anscheinend eine Teilung des Chromatins voraus. Je ein Kern
scheint sich in zwei zu teilen, worauf dann das Plasma sich in der
Mitte teilt.
* XIII. Spirochäten bei Karzinom.
In einem ulcerierten Ösophaguskarzinom (auch einmal bei
einem Mammakarzinom) fand ich die in Fig. 22, Taf. VI wiedergegebenen
Typen, die denen der Mundspirochäten entsprechen (vgl. Fig. 19, Taf. VI).
Wahrscheinlich haben sie auch keine pathogene Bedeutung. Nr. 1.
entspricht der Sp. buccalis, 2. der mittleren Form und 3. der Sp. dentium.
Auch bei dem Karzinom fanden sich neben den Spirochäten fusiforme
Bazillen, die überhaupt stets in Begleitung von Spirochäten zu sein
scheinen.
XIV. Spirochäten bei Lnngengangrän.
Fig. 24 ist nach einem Giemsaausstrichpräparat von einer Lungen-
gangrän gezeichnet. Wir sehen auch hier wieder dieselben bzw. ähn¬
liche Typen wie im Munde und bei Ösophaguskarzinom sowie Colitis ulcerosa.
Nr. 1. stellt eine Teilungsform dar (Buccalis-Typ), 2. = mittlere Form
und 3. ■* Dentium-Typ.
Dieselben Typen finden sich auch noch bei anderen geschwungen,
namentlich gangränösen Prozessen, so auch bei ulcus cruris u. a. m., auch
hier wieder sehr häufig zusammen mit fusiformen Bazillen.
XV. Spirochaeta balbianii.
Sie ist neben der in stagnierendem Süßwasser lebenden Spirochaeta
plicatilis (Ehrenberg) die größte und am besten studierte von den bekannten
Spirochätenarten Perrin). Man findet sie im Magen der Flußmuscheln
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«
Vergleichende Spirochätenstudien.
415
und im Kristallstil der Austern. Ihr Bau unterscheidet sich in mancher
Hinsicht, jedenfalls soweit wir es bisher zu beurteilen vermögen, von dem
anderer Spirochäten.
Länge: 26 bis 120 p, Dicke 1 / 2 bis 3 p, Gestalt schlank, bandartig
abgeplattet.
Lebend: undulierende Membran gut erkennbar.
Windungen: meist 4 bis 8, flach, weit.
Bewegungen:lebhaft, „ähnlich wie bei Typanosomen, mehr schrauben¬
artig drehend, vor- und rückwärts. Dabei häufig bedeutende Gestalts¬
veränderungen, die sich mit dem Ausschnellen und Zusammenziehen einer
Uhrfeder vergleichen lassen und wobei die Zahl und Form der Windungen
verändert wird (Hartmann).
Färbbarkeit: Nach Giemsa und mit Eisen-Hämatoxylin lassen
sich gut undulierende Membran und Kernverhältnisse darstellen.
Keine freie Geißel wie bei Typanosomen. Von Typanosomen auch noch
durch die Kernverhältnisse verschieden. Im Ruhezustand spiraliges Band.
Bei Teilung stabförmige Segmente und runde Chromosomen, die nach
Giemsa rot gefärbt erscheinen. Sie teilen sich in der Längsrichtung der
Spirochäte. Aus den Chromosomenreihen entstehen dann die Kerne der
Tochterindividuen. Spirochätenplasma blau gefärbt.
Vermehrung durch Längsteilung sicher.
Daß es sich bei der Sp. balbianii um ein Protozoon handelt, dürfte
keinem Zweifel unterliegen.
Uber die Stellung der Pallida und anderer Spirochäten im System
habe ich schon früher mit Hartmann die Meinung geäußert, daß sie
auch für Protozoen gehalten werden müssen. 1
Im vorstehenden kleinen Beitrag zur Spirochätenfrage glaube ich ge¬
zeigt zu haben, daß die Spirochaeta pallida sich von anderen Spirochäten
wohl unterscheiden läßt.
1 Vgl. auch Neufeld und v. Prowazek, Arbeiten aus dem Raiserl. Gesundheits¬
amt. XXV, 2; sowie v. Prowazek, Ebenda. XXVI, 1.
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416
P. Mühlens: Vergleichende Spirochätenstudien.
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Erklärung der Abbildungen.
(Taf. V—VIL)
Vergrößerungen in Taf. V u. VI 1 : 1350. Nähere Erläuterungen siehe im Teil.
Tafel V.
Fig. 1. Spirochaetae pallidae aus Ulcus durum. Giemsafärbung 3 Stunden.
Fig. 2. Spirochaetae pallidae aus Milzausstrich von Lues congenita. Giemsa¬
färbung 20 Stunden.
Fig. 3« Spirochaetae pallidae aus syphil. Leistendrüse. Giemsafärbung 24 Std.
Fig. 4. Spirochaetae pallidae aus Nebennierenausstrich von Lues congenita.
Giemsafärbung 20 Stunden. */» eines Gesichtsfeldes.
Fig. 5. Spirochaetae pallidae in abgekratztem Gewebsstückchen von syphilit
Kaninchen-Keratitis parenchymatosa. Giemsafärbung 24 Stunden.
Fig. 6. Spirochaetae pallidae aus Aufschwemmung von Keratitis parencbym.
nach 48stündigem Auf bewahren im Brütschrank. Giemsafärbung 24 Stunden.
Fig. 7# Spirochaeta pallida u. Sp. refringens im selben Gesichtsfeld. Giemsa¬
färbung 3 Stunden.
Fig. 8. Spirochaetae Duttoni im Affenblut. Giemsafärbung 3 Stunden.
Fig. 9. Spirochaetae Duttoni im Lungengefäß. Giemsafärbung, modifiziert
Fig. 10. Spirochaetae pallidae im Leberschnitt, nach Levaditi.
Fig. 11. Spirochaetae pallidae in einem Lungengefäß, nach Levaditi.
Fig. 12. Spirochaetae Duttoni im Nierengefaß, nach Levaditi.
Tafel VL
Fig. 18. Spirochaetae gallinarum im Hühnerblut. Giemsafärbung 3 Stunden.
Fig. 14. Spirochäten aus Mückenmagen. Giemsafärbung 3 Stunden.
Fig. 15. Spirochäten (?) oder Spirillen (?) in Mäuseblut. Giemsafärbung.
Fig. 16. Darm Spirochäten im Cholerastuhl. Giemsafärbung.
Fig. 17. Spirochaeta balbianii aus Auster. Giemsafärbung.
Fig. 18. Spirochäten u. fusiforme Bazillen von Plaut-Vi nee nt scher Angina.
Giemsafärbung 3 Stunden.
Fig. 19. Mundspirochäten (links Sp. dentium, in der Mitte Sp. buccalis, rechts
„mittlere“ Form) und fusiforme Bazillen. Giemsafärbung 3 Stunden.
Fig. 20. Spirochaetae dentium aus Reinkultur (Serum-Agar). Löffler-Beizeiartg
Fig. 21. Spirochaetae dentium aus Kultur (Serum-Bouillon). Giemsafbg. 3 S:i
Fig. 22. Spirochäten von ulcer. Ösophaguskarzinom. Giemsafärbung. 3 Std.
Fig. 23. Spirochäten von Colitis ulcerosa. Giemsafärbung 2 Stunden.
Fig. 24. Spirochäten von Lungengangrän. Giemsafärbung 1 Stunde.
Tafel VH.
Figg. 1 u. 2. Spirochaetae pallidae in congenital, syphil. Leberschnitt
Levaditifärbung. Vergrößerungen 1 : 1000.
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Original ffom
UMIVERSITY OF CAILIFORNIAj
[Aus dem hygienischen Institut iu Bonn.]
Dysenterie und Pseudodysenterie.
Von
Prof. Kruse, Dr. Bittershaus, Dr. Kemp und Dr. Metz.
Die Trennung der Dysenterie- von den Pseudodysenteriebazillen er¬
folgte durch den einen von uns Ende 1900, kurze Zeit nach der Ent¬
deckung der ersteren auf Grund verschiedener Agglutinationsverhältnisse
(Kruse 1 III). In einer folgenden Arbeit wurde daun die Bezeichnung
Pseudodysenterie vorgeschlagen (Kruse IV) und auch später unsererseits
immer festgehalten. Sie sollte nicht etwa, wie man merkwürdigerweise ge¬
meint hat, besagen, daß die Pseudobazillen mit der Ruhr nichts zu tun
hätten, im Gegenteil wurden sie von Anfang an mit Wahrscheinlichkeit
als Krankheitserreger angesprochen, und der Name wurde nur gewählt,
um eine Verwechslung dieser neuen Ruhrbazillen mit den zuerst ent¬
deckten „echten“ Bazillen zu verhüten und gleichzeitig die sehr engen ver¬
wandtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden auszudrücken. Schließlich
ist der Name Pseudodysenterie auch insofern nicht unpassend, als die
klinischen Erscheinungen bei dieser Krankheit von denen der klassischen
Dysenterie ziemlich häufig abweichen. Der Name „atypische Dysenterie“
wäre daher vielleicht ebenso geeignet, wie der der Pseudodysenterie,
ist aber leichter miszuverstehen und kann nicht gut auf die Bazillen
selbst angewandt werden. — Die Ähnlichkeit der Dysenterie und Pseudo¬
dysenteriebazillen ist viel größer als die etwa der Typhus- und Para-
1 Die Namen beziehen sich auf das alphabetische Literaturverzeichnis am Schluß
dieser Arbeit.
ZeitÄchr. f. Hygiene. LVI1. 27
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418
Kruse, Rittershaus, Kemp und Metz:
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typhusbazillen. Die Bezeichnung „Paradysenterie“, die neuerdings nicht
gerade zum Vorteil der Klarheit auf unsere Bazillen angewandt wurde,
paßt darum sehr schlecht und ist besser einer dritten allerdings noch
nicht mit Sicherheit als selbständig anerkannten 1 Form der bazillären
Ruhr vorzubehalten, die von Deycke und Reschad in Konstantinopel
studiert worden ist (Kruse IX). Ebensowenig empfiehlt sich die liier und
da benutzte Bezeichnung als Flexnersche Ruhrbazillen, da Flexner
Dysenterie- und Pseudodysenteriebazillen von Anfang an in Händen ge¬
habt, aber bis zum Jahre 1902 nicht getrennt hat. Weitere Bemerkungen
über die Geschichte der Ruhrforschung finden sich in zwei Abhandlungen,
auf die wir hier ein für allemal verweisen (Kruse VII und X). Eine
Reihe von wichtigeren fremden Arbeiten werden wir im folgenden zu er¬
wähnen haben. Hier betrachten wir es als unsere wesentlichste Aufgabe,
die im Laufe der letzten 6 Jahre in unserem Laboratorium über die Dysen¬
terie und Pseudodysenterie gemachten bakteriologischen Erfahrungen im Zu¬
sammenhang darzustellen. Eine ausführlichere Darlegung ist deswegen nötig,
weil die Verhältnisse namentlich der Pseudodysenterie recht verwickelte
sind. Es handelt sich nicht, wie bei der echten Dysenterie, um eine
scharf begrenzte Art, sondern um eine Sammlung zahlreicher, ver¬
schiedener Formen, deren Einordnung in bestimmte „Rassen“ A, B,
C, D usw. nicht unerhebliche Schwierigkeiten gemacht hat. Im ganzen
standen uns mehr als 50 Pseudodysenteriestämme, die zum weitaus größten
Teil von uns selbst gezüchtet waren, und einige Dutzend echte Ruhr-
Stämme zur Verfügung. Von ihrer Herkunft werden wir bei Erörterung
der Agglutination sprechen.
Größe, Gestalt und Färbbarkeit.
Dysenterie- und Pseudodysenteriebazillen sind unbewegliche, plumpe
Stäbchen von durchschnittlich derselben Größe und Form. Die mittleren
Maße an frischen Bouillonkulturen im hängenden Tropfen festgestellt, sind
1.0 bis 1 • 5:1 • 5 bis 2 • 5 ju. Die Einzelstäbchen sind dicker aber kürzer, als
Typhusbazillen. Die Formen in Agar- und Kartoffelkulturen sind durch¬
weg kleiner. In alten Kulturen, die bei niederen Temperaturen gewachsen
sind, findet man auch lange Bazillenketten und Scheinfaden. Im bakteri¬
ziden Serum wachsen die überlebenden Bazillen zu vielfach verschlungenen,
zierlichen Ketteu aus. In sehr konzentrierter Bouillon, die bereitet war
1 Siehe die nachstehende Arbeit in dieser Zeitschrift von Kemp: „Über Para-
dysenterie“.
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Dysenterie und Pseüdodysentekie.
419
durch Pepsinsalzsäureverdauung einer Pferdemilz sahen wir merkwürdige
Involutionsformen, auch Andeutungen von Verzweigungen.
Manche Stämme weichen durch ihre schlanke Form von dem ge¬
wöhnlichen Bilde ab, so waren z. B. der von Flexner übersandte echte
Dysenteriestamm von den Philippinen („Flexner“ bei Kruse IV) und
manche Pseudodysenteriestämme fast so schlank wie Typhusbazillen. Die
Form ist offenbar in gewissen Grenzen veränderlich.
Alle diese Bazillen sind unter den verschiedensten Bedingungen völlig
unbeweglich. Wenn Shiga, Flexner u. A. „schwache Beweglichkeit“
gesehen haben wollen, so haben sie entweder andere Bakterienarten im
Auge gehabt oder sich täuschen lassen durch die Molekularbewegung, die
übrigens durchaus nicht etwa lebhafter ist als bei anderen Körperchen
derselben Größe und deshalb auch in sterilisierter Kultur sich gleich
bleibt. Auch die gelungenen Geißelfärbungen beruhen auf Täuschungen.
Besonders in spärlich gewachsenen Kartoffelkulturen werden Pol-
körner gebildet, ähnlich wie bei den Typhusbazillen. Ebenso sieht man
bei nicht zu kräftigen Färbungen der Bazillen, die aus tierischem oder
menschlichem Körper stammen, z. B. aus der Bauchhöhle von Meer¬
schweinchen, häufig helle Lücken im Bakterienleibe (Polfärbung). Der
Gramschen Methode, wenn sie der ursprünglichen Vorschrift nach (ohne
Benutzung von Wasser) ausgeführt wird, sind alle diese Bazillen nicht
zugänglich.
Wachstum auf den gewöhnlichen Nährböden.
Die Dysenterie- und Pseudodysenteriebazillen wachsen auf den ge¬
wöhnlichen Nährböden, was Aussehen und Üppigkeit anlangt, sehr ähnlich
den Typhusbazillen. Die flachen Kolonien mit weinblattähnlicher Um¬
grenzung auf der Oberfläche von Gelatineplatten sind durchaus charakte¬
ristisch, wir haben sie bisher bei allen Stämmen beobachtet, die wir in
Händen hatten. Darunter war auch einer, der nach den uns gewordenen
Mitteilungen von Shiga stammen sollte. Die Abstammung solcher durch
viele Hände gegangenen Kulturen ist freilich nicht immer über allen
Zweifel erhaben. Die runden Formen, die Shiga als Oberflächenkolonien
beschreibt, sind uns, und wie es scheint auch anderen, noch niemals vor¬
gekommen. Vielleicht hat Shiga seine erste Beschreibung geliefert nach
Kulturen, die in ungünstigen Nährböden gewachsen waren.
Die Dysenteriebazillen stehen den Typhusbazillen näher als die
Pseudodysenteriebazillen, insofern als sie genau so kleine zarte Kolonien
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420
Kruse, Rittershaus, Kemp und Metz:
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bilden, während die letzteren auf den Nährböden meist etwas üppiger
gedeihen, allerdings nicht so üppig wie die Kolibakterien. Bei mikro¬
skopischer Betrachtung der jungen Dysenteriekolonien auf Gelatineoberlhiche
ist uns nur ein Unterschied gegenüber den Typhuskolonien aufgefallen:
sie zeigen nämlich nicht das System von Furchen, das diese auszeickuet.
sondern sind ziemlich gleichmäßig fein gekörnt.
Einige Stämme sowohl der Dysenterie — Kultur Flexner (Philippinern
— als der Pseudodysenterie — sporadische Ruhr Alt — wuchsen anf allen
Nährböden dauernd spärlicher als die übrigen.
Einen sehr deutlichen und für alle Stämme geltenden maßgebenden
Unterschied, der aber leider nicht auf jeder Gelatine zutage tritt und der
sonst in der Literatur nicht erwähnt wird, haben wir schon früher be¬
obachtet (Kruse VI). Die Dysenterie färbt den Nährboden naeii
einigen "Wochen leicht bräunlich, die Pseudodysenterie nicht
Die Kulturen in Agar zeigen keine Besonderheiten. In Peptcm-
bouillon bilden die meisten eine gleichmäßige wolkige Trübung, keinen
Schleier oder Rand an der Oberfläche. Eine von Kral bezogene Dysenterie¬
kultur und einige Pseudodysenteriestämme trüben den Nährboden weniger,
sondern wachsen mehr am Boden in Form von Niederschlägen (Streng.
Oberwesel, Ronsdorf, Elise). Doch wechselt diese Erscheinung; in manchen
Bouillonproben ist sie weniger ausgesprochen als in anderen. Bei fort¬
gesetzter schneller Umzüchtung von Kultur zu Kultur läßt sie etwas nach,
doch ist es trotz Anwendung der verschiedensten Verfahren (einschließlich
des Tierversuchs) nicht gelungen, die „Pseudoagglutination“ dauernd zu
beseitigen (s. u.).
Daß es sich aber wie überhaupt bei den Wachstumscharakteren um
variable Eigenschaften handelt, lehrt die Erfahrung, die wir mit gleich¬
mäßig wachsenden Dysenterie- und Pseudodysenteriestämmen in der schon
früher genannten Pferdemilzbouillon gemacht haben. Gelatine- und Agar¬
platten, die wir von üppig gewachsenen Kulturen — wie immer mit Hilfe
des Platinpinsels — anlegten, boten uns ein solches Bild, daß wir zuer>t
an Verunreinigungen dachten. Neben den gewöhnlichen Kolonien waren
andere gewachsen, die stärker gekörnt und gedrungener aussahen, also
etwas den Aerogeues-Kolonien ähnelten. Abstiche von diesen Kolonien in
Bouillon ergaben ganz klare Kulturen mit starkem Bodensatz, der
aus Krümelchen verklebter Bazillen bestand. Monatelang ließen sich diese
neu gewonnenen Stämme, die übrigens in allen anderen Eigenschaften
mit den Ursprungskulturen übereinstimmten und, wie uns wiederholte
Kontrollversuche angaben, nichts mit Verunreinigungen zu tun hatten,
ohne Änderung der abweichenden Charaktere weiterzüchten. Es gelingt
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
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übrigens auf stark konzentrierter Peptonbouillon auch aus Paratyphus-
und Typhuskulturen ähnliche Varietäten herauszuzüchten.
Die Kartoffelkulturen der Dysenterie- und Pseudodysenterie¬
bazillen sind recht charakteristisch. Wenn die Reaktion der Kartoffeln
ausgesprochen sauer ist, ist das Bild ein ähnliches wie bei den durch
Gaffky berühmt gewordenen Kartoffelkulturen der Typhusbazillen. Die
Wucherung ist erst durch das Mikroskop zu konstatieren, auch die Polkörner
fehlen nicht an den hier freilich plumperen Stäbchen. Ist die Reaktion der
Kartoffel weniger sauer oder leicht alkalisch, so tritt dem Impfstrich ent¬
sprechend ein ziemlich schmaler, gelblicher Rasen auf, der von einem
heller gefärbten Streifen in der Kartoffel umgeben ist. Manche
Stämme boten ein abweichendes Aussehen dar; so war die zentrale
Wucherung bei der Dysenterie Flexner (Philippinen) und der sporadischen
Pseudodysenterie Alt sehr spärlich, der Hof aber sehr deutlich. Bei
einigen Stämmen (auch bei echter Dysenterie) vermißten wir den Hof bei
mehrmaliger Wiederholung des Versuches, bei anderen war er unbeständig.
Die Färbung und Üppigkeit des Bakterienrasens wechselte auch etwas von
Fall zu Fall und von Stamm zu Stamm; bei der auch sonst abweichenden
sporadischen Pseudodysenterie Ronsdorf ist die Kultur gelber, besonders
üppig und etwas rötlich.
Eine gewisse, wenn auch meist schwache diastatische Wirkung
scheint den Kulturen sämtlich zuzukommen. Man mißt sie am besten
nach Eijkman in Agarplatten mit etwas Stärke.
Die Kulturen der Dysenterie und Pseudodysenterie und zwar in
höherem Grade die ersteren, entwickeln einen deutlichen Geruch
nach Sperma.
Verhalten zu Traubenzucker.
Die Dysenterie- und Pseudodysenteriebazillen vermögen sämtlich
binnen kürzester Zeit (1 bis 2 Tage) den Traubenzucker in saure
Gärung zu versetzen, bilden dabei aber im Gärröhrchen oder in Agar-,
Schüttei- und Stichkultur keine nachweisbaren Mengen Gas. Bei Kulturen
in Bouillon mit 2 Prozent Zucker und Lakmustinktur scheint, nach
dem Ergebnis der direkten Titration zu urteilen, überall ungefähr dieselbe
Menge gebildet zu wwden. Nach einer vorläufigen Bestimmung, die
Dr. Hölling im hiesigen Institut an einer Peptontraubenzuckerkultur
der Dysenteriebazillen nach dem Duolauxschen Verfahren vorgenommen
hat, ist die gebildete Säure wesentlich Essigsäure. Weitere Untersuchungen
über die Produkte der Vergärung von Traubenzucker sowie der übrigen
Kohlehydrate, des Mannits usw. wären erwünscht.
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Enthält der Nährboden geringere Mengen Traubenzucker als 1 Prozent,
so zeigen sich unter den Kulturen Unterschiede. Bei 0*2 Prozent
Gehalt gab z. B. der Stamm Alt (sporadische Pseudodysenterie D) vom
1. Tage an saure Reaktion und behielt diese bei, während die übrigen
daraufhin geprüften Kulturen nach mehr oder weniger ausgesprochener
vorübergehender Säuerung alkalisch wurden. Bei 0*4 Prozent Gehalt
verhielt sich Pseudodysenterie Flexner ähnlich wie Alt Bei steigendem
Zuckergehalt nahmen immer mehr Kulturen diese Reaktion an und be¬
hielten sie. Die Erklärung dafür könnte darin liegen, daß das Gärungs-
vermögen bei den Stämmen im wesentlichen gleich, aber die Alkali-
bildung — Ammouiakentwicklung aus dem Pepton usw. — verschieden
kräftig ist.
Verhalten gegen Mannit. ’
Für die Gruppierung der Ruhrbazillen ist, wie Lentz gefunden,
dieser sechswertige Alkohol das einfachste Mittel. Die echten Dy¬
senteriebazillen sind nämlich nicht imstande, ihn unter Säure¬
bildung zu vergären, wohl aber sämtliche Pseudodysenterie¬
stämme. Wir haben das im Laufe der letzten Jahre an ungezählten
Dysenterie- und vielen Dutzend Pseudodysenteriestämmen, die wir dunri
ihr Verhalten in hochwertigem Ruhrserum identifiziert hatten, fest-
gestellt. Daß es sich dabei um echte Vergärung, d. h. einen anaerobet
Spaltungsprozeß, nicht um eine Oxydation handelt, ist sicher, die Produkt?
der Gärung aber sind unbekannt. Gas wird ebensowenig entwickelt, wie bei
der Vergärung des Traubenzuckers. Am besten stellt man die Reaktion
so an, daß man dem Nähragar 2 Prozent Mannit und LakmuslOsung
zumischt. Nach 48 ständigem Aufenthalt im Brutofen bewirken nur
Pseudodysenteriebazillen eine deutliche Rötung. Nach 24 Stunden bann
das Ergebnis zweifelhaft sein, wenn die Bouillon, die zur Herstellung des
Agars gedient, viel Muskelzucker enthielt. Wird nur 0 • 2 bis 0 • 5 Prozent
Mannit zugesetzt, so erhält man für die einzelnen Pseudostämme ver¬
schiedene Ergebnisse, ähnlich wie bei Verwendung von Traubenzucker (s. o.).
Milch und Milchzucker.
Die Kulturen in Milch mit oder ohne Zusatz von Lakmustinktur
sind, wenn man sie nur einige Tage im Brutofen hält, nicht geeignet
wesentliche Unterschiede zwischen Dysenterie- und Pseudodysenteriestämmen
aufzudecken. Das wird aber anders, wenn man die Beobachtungsdauer
auf 1 bis 2 Wochen ausdehnt. Auch dann bleiben zwar die echten
Dysenterie- und die allermeisten Pseudodyseuteriekulturen neutral oder
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
423
halten sich wenigstens in der Nähe des Neutralpunktes, indem sie bald
etwas Säure, bald etwas Alkali bilden. Die Milch verändert dabei ihr
Aussehen nicht, d. h. wird weder durchsichtig, noch gerinnt. Nur einige
unserer Stämme (Rasse E), die von sporadischen Fällen von Pseudo¬
dysenterie herrühren, nämlich „Elise“ (Stadt Bonn), „Löscher“ (Stadt
Bonn), „Ronsdorf“ und „Oberwesel“ säuern nach langer Zeit die
Milch so stark, daß sie zuerst teilweise, dann ganz gerinnt. Selbst¬
verständlich haben wir uns durch wiederholte Anstellung des Versuches,
Ausgehen von einzelnen Kolonien und nachträglichen Plattenversuch
vor Täuschungen geschützt. Übrigens hat sich uns jetzt, wie schon seit
vielen Jahren, die von Flügge empfohlene Büchsenmilch der Natura-
milchgesellschaft in Waren (Mecklenburg) bestens bewährt. Auch die
Züchtung in 2prozentigen Milchzuckernährböden (Peptonwasser, Pepton¬
wasser mit geringem Bouillonzusatz, Agarstich) hatte ein ähnliches Ergeb¬
nis. Ob aus der Vergärung des Milchzuckers Milchsäure oder andere
Säuren entstehen, haben wir nicht untersucht, Gas wird ebensowenig
gebildet wie bei der Vergärung des Traubenzuckers. Gleichzeitig mit der
Säuerung bewirken einige der obengenannten „Milchzuckerstämme“ auch
eine starke Reduktion des Lakmusfarbstoffes (s. u.), so daß die Lakmus-
milch farblos erscheint und erst durch Schütteln ihre rote Farbe zurück¬
gewinnt. Daß sie sich auch durch ihr Agglutinationsverhalten etwas von
dem gewöhnlichen Typus der Pseudodysenterie entfernen, werden wir
später sehen.
Auch die amerikanische Sammelforschung (Flexner und Holt) erwähnt
das seltene Vorkommen von Stämmen, die Milchzucker angreifen. Aller¬
dings schritt die Säurebildung nicht bis zur Milchgerinnung fort. Vielleicht
kommen noch mehr Übergänge zu dem gewöhnlichen Verhalten vor. Was
die Angabe der amerikanischen Autoren betrifft, daß die allermeisten
Dysenterie- und Pseudodysenteriestämme die Milch zunächst ganz schwach
sauer und dann leicht alkalisch machen, so können wir das nicht be¬
stätigen. Vielmehr sahen wir die Endreaktion, wie oben bemerkt, in
gewissen engen Grenzen schwanken. Daß der Milchzucker auch von
ihnen spurweise angegriffen würde, wäre wohl möglich. Es gelang uns
aber nicht, durch eine jahrelang fortgesetzte Züchtung in Milch
die Säurebildung der Ruhrbazillen zu steigern. Eine echte
Dysenteriekultur, die so behandelt war, lieferte eine schwach saure Reaktion
wie manche anderen Stämme, die nur auf den gewöhnlichen Nährböden
gehalten waren. Ob nicht aber doch unter Umständen aus Bazillen, die die
Milch im wesentlichen unverändert lassen, sich die Milchzuckervarietät ent¬
wickeln kann, müssen wir dahingestellt lassen. In zwei Fällen haben wir
einigen Grund gehabt, dergleichen anzunehmen: Die Kultur Stroug
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Kruse. Rittershaus, Kemp und Metz:
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(Manila), die wir vor Jahren aus dem Institut für Infektionskrankheiten
in Berlin erhalten haben, veränderte die Lakmusmilch nicht. Als sie
uns eingegaugeu war, erhielten wir ebenfalls aus dem Berliner Institut
eine zweite Kultur (Stroug B). Diese koagulierte aber, als wir sie ge¬
legentlich daraufhin prüften, die Milch, bildete auch Säure in Milchzucker¬
agar, während sie das früher nicht getan hatte, verhielt sich aber bei der
Agglutination wie der erste Stamm Strong (A). Etwa gleichzeitig be¬
obachteten wir eine ähnliche Veränderung an der Kultur „Wilz“. Bei
wiederholter Prüfung hatte sie bis dahin genau die gleichen Eigenschaften
gezeigt, wie andere Bazillen aus der Bonner Irrenanstalt (Rasse A). Seither
stimmte sie dagegen in jeder Beziehung mit dem Stamm Strong B überein
(Wilz B). Natürlich könnte man an eine Verwechslung der Kulturen
denken; bei den zahlreichen Überimpfungen im Laufe der Jahre liegt das
ja nicht außer dem Bereich der Möglichkeit. Wahrscheinlich ist es aber
selbst nicht im Falle Wilz; bei Strong kommt es aber überhaupt nicht
in Betracht, weil wir keine einzige Kultur besaßen oder noch besitzen,
die mit ihr auch nur annähernd übereinstimmte, auch die Agglutinations-
Verhältnisse gegen früher nicht verändert wurden. Wir glauben daher
auch nicht daran, daß im Berliner Institut eine solche Verwechslung
stattgefunden hat, sondern vermuten, daß wir es hier mit einem oder
vielmehr mit zwei Fällen plötzlicher Variation (sogenannten Mutation
zu tun haben.
Maltosegärung.
Schon Lentz untersuchte das Verhalten der Ruhr- und ruhrähnliohen
Bazillen gegen Maltose und fand, daß die echten Dysenteriebazilien
(10 Stämme) auf Platten von Maltoselakmusagar die Farbe des Nähr¬
bodens nicht veränderten. Ebenso reagierten von den geprüften sechs
Pseudodysenteriekulturen der Stamm „Strong“ von den Philippinen,
während Stamm II aus China nach 24 bis 48 Stunden blaue, Stamm III
aus China, „Flexner aus Amerika“ und „Flexner-Manila“ rote Färbung
zeigten. Von anderen Forschern nahm sich Hiss dieser Probe an. Er be¬
nutzte, wie bei den übrigen Gärversuchen, gewöhnlich eine flüssige, leicht
sterilisierbare Serummischung, bestehend aus 1 Teil Rinderserum, 3 Teilen
destillierten Wassers, je 1 Prozent Lakmus und Zucker. Starke Säuerung
bringt diese Flüssigkeit zur Gerinnung. Alle von Hiss geprüften drei
Dysenterie- und neun Pseudodysenteriestämme erzeugten darin Säure und
schließlich Koagulation, doch mit sehr verschiedener Schnelligkeit: vier
Pseudokulturen, darunter die älteren Flexnerstämme (Harris und Gray)
schon nach 24 bis 36 Stunden, ein anderer, übrigens recht veränderlicher
Stamm nach 5 bis 6 Tagen, drei andere, darunter der Stamm „Y“, die
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
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Tabelle A. Prüfung der Pseudodysenteriebazillen in Lakmus-Maltoseagar. 1
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1 Die Zeichen bedeuten: — leicht alkalische Veränderung gegenüber der Kontrolle;
(—) keine Veränderung; (4 -) deutliche Säuerung; + starke, 4- 4- sehr starke Säuerung.
* Stichkulturen nach einigen Tagen geprüft. 8 Stich kulturen nach 14Tagen verflüssigt und
schräg erstarrt. 4 Sehriigkulturen nach 14 Tagen verflüssigt und schräg erstarrt. 6 Aus¬
strich auf Agarplatten nach einigen Tagen geprüft. 6 Schrägkulturen. 10 Tage alt, ver¬
flüssigt und schräg erstarrt. 7 Schrägkulturen nach .°* Tagen verflüssigt und schräg
erstarrt. 8 Schrägkulturcn nach 10 lagen verflüssigt und schräg erstarrt.
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Kruse, Rittershaus, Kemp und Metz:
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echten Dysenteriekulturen erst nach 25 bis 35 Tagen und „Strong -i noch
später. Hiss ist geneigt, den Ausfall der Maltoseprobe nach 24 fci>
72 Stunden zur Untereinteilung der Pseudodysenterie zu benutzen ud!
trennt danach seinen langsam gärenden Y-Typus von dem schnell gären¬
den Harristypus ab. Unsere Versuche haben weniger übereinstimmen
Ergebnisse gehabt, wie ein Blick auf Tabelle A und B zeigt. Unter 13 echten
Dysenteriestämmen (Tabelle B) bildeten drei auf schräg geneigtem 2 pro-
zentigem Maltose-Lakmusnähragar binnen 14 Tagen viel Säure, sie taten das
aber auch nicht immer, sondern zeigten bei Wiederholung der Proben ein
abweichendes Verhalten. Stets erfolgte die Säuerung langsam. Die Mehr¬
zahl der Dysenteriestämme veränderte die Reaktion sehr wenig (nach der
alkalischen Seite hin) oder gar nicht. Unter 38 Pseudodysenteriestämm?ü
(Tabelle A) gelang es dagegen, bei öfterer Wiederholung der Probe
solche zu finden, die ziemlich beständig entweder wenig und langsam
oder viel und schnell Säure bildeten. In einer Versuchsreihe bekamen
wir freilich überall Alkalibildung. Gewöhnlich waren bei gutem Willen
nach einigen Tagen schon die Unterschiede zu erkennen und zwar besser,
wenn wir schräg geneigte Agarflächen als wenn wir Stichkulturen zur Züch¬
tung benutzten. Binnen 14 Tagen kam dann noch der eine oder ander?
Säurebildner, wie bei den echten Dysenteriekulturen, hinzu. Man könnte
daher der nach einigen Tagen angestellten Maltoseprobe einen Wert für
die Klassifizierung der Pseudodysenterie zuschreiben, wenn man sich nur
auf ihre Beständigkeit sicher verlassen könnte, und die übrigen Eigen¬
schaften die darauf gegründete Klassifizierung rechtfertigten. Leider
ist beides nicht der Fall. Schon Hiss hat Unregelmäßigkeiten be¬
obachtet, namentlich bei seinem Stamme Ferra, der sich bald der einen,
bald der anderen Gruppe zuneigte. Aber auch bei anderen Stämmen der
Gruppe „Y“ beobachtete Hiss erhebliche Veränderungen und konnte
diese durch Weiterzüchtung soweit steigern, daß die betreffenden Varie¬
täten Malz- und Rohrzucker binnen 24 Stunden säuerten, also sich von
der Harrisgruppe kaum noch unterschieden. Unsere Tabelle A lehrt
ähnliche Unregelmäßigkeiten. Bei den Stämmen Wilz und Strong war
die Veränderung so bedeutend, daß wir, wie schon bei der Milchzueker-
probe angegeben wurde, an eine Verwechslung hätten glauben mögen.
Aber auch sonst finden wir in der Tabelle A mehrfache Beispiele dafür,
daß die Gärfähigkeit (das Säuerungsvermögen) in Malzzucker, nicht zu
den beständigen Eigenschaften gehört. Die Ungleichmäßigkeiten, die wir
beobachtet (Probe II), sind freilich zum Teil auf andere Bestandteile im
Nährböden zu schieben. 1 Wir haben, weil wir mit dem Malzzucker
1 Eine ungleich lange Dauer der Sterilisierung der Zuckernährböden hat nach
unseren Versuchen keinen Einfluß. Wir haben stets das gleiche Präparat benutzt.
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
427
im reinen Peptonsalznährboden 1 keine guten Erfolge gemacht haben, für
die Maltoseprobe stets die gewöhnlichen Peptonfleischwasserbouillon und als
Grundlage Agar benutzt. Es macht sich darin leider der schon oben hei
der Traubenzuckerprobe erwähnte Widerstreit der sauren Zuckergärung und
der Alkalibildung recht bemerkbar. Man beobachtet das sehr deutlich am
oberen Teil der Schrägkulturen, der früher oder später durch die meisten
Stämme geblaüt wird, auch wenn sich im unteren Teil reichlich Säure
entwickelt. Um ein Urteil über die Säurebildung zu haben*, verflüssigten
wir daher die Kulturen nach Abschluß des Wachstums im Wasserbad
und notierten erst nach der Erstarrung die Färbung.
Tabelle B.
Prüfung der Dysenteriebazillen auf Lakmusmaltose- und Saccharoseagar. 1
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•
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1 Zeichen wie
1
in Tabelle A.
8 Schrägkulturen
nach 14 Tagen
verflüssigt und
schräg erstarrt.
Die wichtige Frage, ob denn das verschiedene Verhalten der Pseudo¬
dysenterie gegenüber Maltose anderen Unterschieden entspricht, bejaht
Hiss namentlich bezüglich der Agglutinationsverhältnisse. Unsere Er¬
fahrungen sind anderer Art. Wir haben in der Tabelle A die Stämme
nach ihrem Verhalten bei der Agglutination geordnet. Man sieht sofort,
daß zu der Rasse C und D Bazillen mit durchaus ungleichem Gär¬
vermögen gehören. Die Maltoseprobe ist also nicht geeignet, als Mittel
zur Klassifikation der Pseudodysenterie zu dienen.
1 Auch nicht mit der ausgefaulten Fleisclibouillon der Amerikaner.
1 Die Verflüssigung war um so nötiger, als in einem Teil der Kulturen die
Farbe gleichzeitig reduziert war.
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Rohrzuckergärung. 1
Die Rohrzuckergärungsprobe hat Hiss zuerst zur Unterscheidung der
Pseudodysenteriebazillen vorgeschlagen. Sie soll wesentlich dazu dienen,
die Kultur Strong, die übereinstimmend mit der Y-Gruppe den Malz¬
zucker nur sehr langsam säuert, von dieser zu unterscheiden. In dem
Hissscheu Serumwassernährboden (s. o.) bildet nämlich die Y-Gruppe
ebenso wie die echte Dysenterie überhaupt keine Säure, Strong und
und die „Harris“-Gruppe dagegen schon nach wenigen Tagen. ..Ferra“
steht auch dieses Mal in der Mitte zwischen beiden Typen. Wir benutzten
wieder Schrägkulturen auf 2prozentigem Rohrzuckerlakmusagar, können
uns aber mit dieser Probe noch weniger befreunden als mit der vorher¬
gehenden, weil sie weder beständige noch selbst unter den nächsten Ver¬
wandten übereinstimmende Ergebnisse liefert. So zeigten sich zunächst
schon alle Grade der Säurebildung bei unseren 12 echten Dysenteriestämmeu
(Tabelle B). Das Verhalten der Pseudodysenteriestämme gegen Rohr¬
zucker war ebensowenig regelmäßig und sehr häufig verschieden von dem
gegenüber Maltose. Ein Vergleich der Tabelle C mit Tabelle A beweist
das. Wir finden die beiden Haupttypen der Hissschen Gruppierung
nicht wieder. Eine besondere Stellung nahmen gegenüber Rohrzucker
die schon öfter erwähnten Stämme Strong und Wilz ein durch die sehr
kräftige Gärung, die sie erregen. Sie waren die einzigen, die schon nach
24 Stunden reichlich Säuren gebildet hatten. In den ersten Versuchs¬
reihen unterschied sich Wilz nicht von anderen Stämmen, erst in den
letzten. Strong haben wir leider seinerzeit nicht gegen Rohrzucker
geprüpft, es ist uns wahrscheinlich, daß sie damals nicht die energische
Gärkraft besaß. Über die Deutung, die man diesen Abweichungen geben
könnte, haben wir schon bei der Milchzucker- und Malzzuckerprobe ge¬
sprochen.
Verhalten gegen Dextrin und andere Zuckerarten.
Nach Lentz, Hiss und den anderen amerikanischen Autoren wäre
das Dextrin geeignet, Unterschiede zwischen den Pseudodysenteriekulluren
erkennen zu lassen. Da sie in derselben Richtung liegen sollen, wie be:
der Maltoseprobe, und da das Dextrin als ein Körper von nicht fest
bestimmter Zusammensetzung sich von vornherein nicht gerade zu der¬
artigen Proben empfiehlt, haben wir uns damit begnügt, eine einzige
kleine Versuchsreihe damit anzustellen. Der Erfolg war der, daß möglichst
1 Es braucht kaum wiederholt zu werden, daß bei allen diesen Kulturen, w-rr,
wir von Gärung 1 sprechen, nielit Gasgärung, sondern saure Gärung gemeint ist.
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Dysenterie und Pseudodysentebie.
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verschieden ausgewählte Dysenterie- und Pseudodysenteriestämme auf
2prozentigem Dextrinlakmusagar sich ungefähr gleich verhielten, d. h. zwar
üppig darauf wuchsen, aber die Farbe des Nährbodens kaum veränderten.
Von anderen Zuckerarten hat Lentz noch Fruchtzucker mit dem Erfolge
geprüft, daß Dysenterie- und Pseudodysenteriestämme wie Traubenzucker
vergoren. Das Kohlehydrat Inulin und der sechswertige Alkohol Dulcit
wurden nicht verändert.
Tabelle C.
Prüfung der Pseudodysenteriebazillen auf Lakmus-Saccharoseagar. 1
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1 Zeichen wie in Tabelle A.
* Schrägkulturen nach 14 Tagen verflüssigt und schräg erstarrt.
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Kkuse, Rittershaus, Kemp und Metz:
Indolprobe.
Das Eiweißmolekül oder wenigstens das Pepton wird von Dysentene-
und Pseudodysenteriebazillen angegriffen, doch mit ungleicher Kruft.
Darauf deutet schon die verschiedene Ammoniakmenge, die in den
Kulturen entwickelt wird (vgl. S. 422). Gründliche Untersuchungen über
die Veränderung der einzelnen Kerne des Eiweißes fehlen, nur die Indoi-
bildung aus dem Tryptophankern ist studiert worden. Genaueres darüber
wird in einer folgenden Arbeit von Dr. Selter berichtet werden. Hier sei
nur festgestellt, daß Indol bisher noch niemals in echten Dysenteriekultureo
gefunden wurde, während von den Pseudodysenteriestämmen nur wenige —
es sind dies die Milchzuckervarietäten Elise, Ronsdorf, Oberwesel, Löscher.
Strong — sich bisher ebenso verhalten haben. Aber auch bei den übrigen
Stämmen der Pseudodysenterie ist die Indolbildung selbst in den geeignetsten
Nährböden (lOprozentige Peptonlösung mit Zusatz von 0-5 prozen tigen
Natriumphosphat und 0»1 prozen tigern Magnesiumsulfat) durchaus nicht
die Regel. Von dem Maße der Variabilität, das hierin herrscht, gibt eine
Vorstellung die von Selter gefundene Tatsache, daß unter 10 gleichzeitig
mit demselben Stamm geimpften Röhrchen einige positive, andere negative
Indolreaktionen geben können. Man wird also der Reaktion keinen großen
Wert zuschreiben dürfen. Höchstens spricht der positive Ausfall gegen
echte Dysenterie. Auch Hiss scheint zu ähnlichen Ergebnissen gelangt
zu sein.
Reduktions vermögen.
Die Fähigkeit, Farbstoffe wie Lakmus u. a. zu entfärben, besitzen
alle unsere Kulturen, wie es scheint, aber in etwas ungleichem Grade.
Am häufigsten entfärbten durchschnittlich die Milchzuckerabarten. Teil¬
weise, wenigstens in Agarstichen und -strichen, beruht wohl die schnelle
und gründliche Entfärbung darauf, daß die betreffenden Stämme besonders
dichte Decken auf dem Nährboden bilden, die den Zutritt von Sauerstoff
verhindern.
Pathogenität.
Eine Infektion mit Dysenterie- und Pseudodysenteriebazillen kann man
wie bei sehr zahlreichen anderen infektiösen (z. B. Cholera, Typhus) und
selbst manchen saprophytischen Bakterien dadurch erzielen, daß man Meer¬
schweinchen nicht zu kleine Mengen in die Bauchhöhle einspritzt.
Von unseren frisch gezüchteten Kulturen genügten im allgemeinen 1 : u
bis */ 10 der auf schräger Agarfläche frisch gewachsenen Bazillenrasen dazu,
um Tiere von 200 * rm binnen 24 Stunden unter den bekannten Erscheinungen
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
431
des Kollapses zu töten. Die Bakterien verhalten sich dabei verschieden.
Entweder nehmen sie schneller oder langsamer ab, ohne sich überhaupt
vermehrt zu haben, oder wachsen bis zum Tode, aber auch nicht sehr
beträchtlich, aus. Kleinere Gaben als 1 / 10 Agarkulturen töten Meer¬
schweinchen entweder überhaupt nicht oder erst nach Verlauf einiger
Tage unter Verschwinden der Bazillen. Die feineren Vorgänge, die sich
dabei in der Bauchhöhle abspielen, sind in unserem Laboratorium nach
neuem Verfahren untersucht worden und Mitteilungen darüber in der Ver¬
öffentlichung begriffen. 1 Selten scheinen sich erheblich virulentere Dysenterie-
und Pseudodysenteriestämme zu finden, z. B. solche, die schon in Gaben
von 1 /i 00 Agarkulturen Meerschweinchen töten; längere Zeit fortgezüchtete
Stämme büßen ziemlich häufig, aber durchaus nicht regelmäßig ihre
Virulenz ein. So haben wir z. B. von Kräl eine Dysenteriekultur erhalten,
von der ganze Agarkulturen vertragen wurden, während der von uns ge¬
wöhnlich benutzte auf Gelatine kultivierte Stamm seit vier Jahren unver¬
ändert seine Virulenz behalten hat.
Von Kulturen, die bei 60° sterilisiert sind, werden stets größere Mengen
( 1 / 3 bis 1 Kultur) nötig, um Meerschweinchen auf intraperitonealem Wege
schnell zu töten, und 1 bis 2 Kulturen genügen zu demselben Erfolg,
wenn man sie zur Herstellung einer Giftlösung benutzt, indem man
die Agaraufschwemmungen (in Kochsalzlösung) zwei Stunden bei 60°
anszieht und durch Ausschleudern von den Bakterienleibern befreit. Von
gekochten Lösungen muß man etwas größere Gaben nehmen. Kleinere
töten oft nach langer Zeit durch Kachexie. Dieselben Lösungen üben
übrigens schon in kleinen Mengen starke aggressive Wirkungen aus,
man kann z. B. mit ihrer Hülfe kleinste Mengen lebender Ruhrbazillen
(den tausendsten Teil der sonst tödlichen Gahe) in der Bauchhöhle zum
üppigen Wachstum bringen. Studien über diese Dysenterie- und Pseudo¬
dy senterieaggressine sind schon von Dr. Pane und Lotti 2 veröffentlicht
worden, Dr. Hösch hat sie inzwischen noch weiter fortgesetzt und wird
sie an derselben Stelle mitteilen.
Unter der Haut von Meerschweinchen erzeugen unsere Bazillen,
wenn man nicht bedeutend größere Gaben einspritzt, unter allmählichem
Zugrundegehen gewöhnlich nur entzündliche Veränderungen, die mit oder
ohne Eiterung zurückgehen, ebenso sind sie nur schwer im Blute zum
Wachstum zu bringen, und ganz unschädlich sind sie auf den Schleim¬
häuten, z. B. wenn sie verfüttert werden.
1 Pane u. Lotti, Nuovi studi suir infezione peritoneale. Annali
jperimentale. Roma. 1907.
* Pane u. Lotti, Centralblatt für Bakteriologie . 1907. Bd. XLIIL
d’igicne
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432 Kruse, Rittershaus, Kemp und .Metz:
Alle diese Eigenschaften teilen die Ruhrbazillen mit zahlreichen
anderen Bakterien.
Charakteristischer ist das Verhalten besonders der echten Dysenterie-
bazillen gegenüber dem Kaninchen. Bei subkutaner Einspritzung
von lebenden oder bei 60° sterilisierten Kulturen, die zum Zwecke der
Immunisierung vorgenommen war, konute der eine von uns schon bald
nach der Entdeckung der Bazillen die Beobachtung machen, daß die
Tiere zwar langsam, aber ganz gewöhnlich an Gaben zugrunde gingen,
die für Meerschweinchen selbst intraperitoneal noch unschädlich waren.
Diese Empfindlichkeit der Kaninchen gegen das Gift der Dysenteriebazillen
ist so groß, daß sie die Immunisierung sehr erschwert. Später machten
dann von Drigalski und Conradi darauf aufmerksam, daß bei Ein¬
verleibung der Ruhrbazillen auf dem Blutwege ein ganz eigentümliches
Vergiftungsbild entsteht. Intravenöse Einspritzung von 1 / 20 Agar¬
kulturen (d. h. etwa 2 m * der feuchten Masse) tötet mittelgroße Kaninchen
meist nach 1 bis 3 Tagen. Bei einzelnen Kulturen sind aber auch noch
viel kleinere Gaben ebenso wirksam. Wenn die Tiere den ersten Tag
überleben, zeigen sie sehr häufig Lähmungen, die von hinten nach
vorne fortschreiten, und auch lange dauernde opistothonische Krämpfe.
Während die Lähmungen von allen Seiten bestätigt worden sind, bestehen
Meinungsverschiedenheiten über die Darmerscheinungen. Nur ausnahms¬
weise haben wir an den Tieren, die in den ersten Tagen oder später er¬
liegen, Darmveränderungen beobachtet, die man mit der diphterischeu
Dysenterie des Menschen vergleichen könnte, etwas häutiger, aber durch¬
aus nicht regelmäßig sind vereinzelte oder umschriebene Blutungen in
der Dickdarmschleimhaut. Andere Forscher beobachteten diese ruhr-
artigen Zustände häufiger und in sehr ausgesprochenem Maße, Dörr in
etwa einem Drittel der Fälle. Alle diese Erscheinungen treten in der
gleichen Weise auf, ob man lebende oder bei 60° abgetötete Bazillen
oder die. gleich zu beschreibenden Giftlösungen benutzt. Es handelt sich
also um reine Gilftwirkungen, wie man übrigens auch daraus schließen
kann, daß die Bakterien nachweislich in kurzer Zeit im Kaninchen¬
körper zugrunde gehen. Nur wenn man ganz gewaltige Gaben einspritzt,
erzielt man überhaupt bei diesem Tiere ein Wachstum. Wie Pa ne 1 in
unserem Laboratorium feststellte, beteiligen sich an der Zerstörung der
Bazillen vor allem die Gefäßendothelien der Leber, die die Bazillen mit
großer Gier aus dem Blute aufnehmen. Das Dysenteriegift ist ursprünglich
vom Bazillenkörper gebildet und wird aus diesem allmählich in den Nähr¬
boden ausgeschieden. So ist, wie zuerst Rosenthal gefunden, das Filtrat
1 Wird an anderer Stelle veröffentlicht werden.
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Dysentebie und Pseudodysenteeie.
433
einer jungen Bouillonkultur kaum giftig, wohl aber das einer solchen, die
einige Wochen alt geworden ist. Aus den Bazillen kann das Gift aber
leicht künstlich ausgezogen werden, nicht nur durch Autolyse, d. h. durch
24 stündiges Ausziehen der Bazillenleiber bei 37°, wie Conradi angab,
sondern, wie wir am bequemsten fanden 1 , durch 2stündige Erhitzung der
in Kochsalzlösung suspendierten Bazillen bei 60° und Abtrennung der Bak¬
terien durch Ausschleuderung. Durch Kochen büßt diese Giftlösung für
Kaninchen viel mehr an Wirksamkeit ein als für Meerschweinchen (s. o.)
Man könnte also von einem Kaninchen- und einem Meerschweinchengift
sprechen. Beide werden ganz unabhängig voneinander gebildet. So war die
erwähnte Kräl sehe Kultur für Meerschweinchen sehr wenig giftig und fast gar
nicht virulent, für Kaninchen stärker giftig als viele unserer anderen Kulturen.
Die Pseudodysenteriebazillen sind für Kaninchen bedeutend weniger
giftig als echte Ruhrbazillen. Doch sind uns einige Stämme begegnet,
die auch in Gaben von l j i0 oder 1 / 60 Agarkultur vom Blut aus schnell
töten. Ja gelegentlich beobachtet man die gleichen Krankheitserscheinungen
(Lähmungen und hämorrhagische Colitis). Solche giftigen Pseudodysenterie¬
kulturen durch einen besonderen Namen (Paradysenterie) auszuzeichnen,
wie Castellani es möchte, liegt wohl kein Anlaß vor, um so weniger,
da die genannte Bezeichnung schon vergeben ist.
Hunde und Katzen sind viel weniger empfindlich. Allerdings kann
man sie durch große Gaben lebender Bazillen oder Bazillenauszüge, die
man unter die Haut und namentlich in das Blut einspritzt, töten. Schon
Vaillard und Dopter haben dabei dysenterieähnliche Darmstörungen
beobachtet. Unsere Versuche lehren aber, daß die Veränderungen häufig
nicht auf den Dickdarm beschränkt sind, sondern mindestens oder sogar
vorwiegend den obersten Teil des Dünndarms vom Duodenum an, oft
den ganzen Magendarmkanal umfassen. Ganz ähnliche Erkrankungen
ruft aber, wie bekannt, die putride Intoxikation (Sepsinvergiftung),
und nach unseren Erfahrungen auch die Behandlung mit allen möglichen
anderen Bakterien, z. B. Saprophyten*, hervor. Ob die Kulturen lebend
oder gekocht verwendet werden, macht auch keinen wesentlichen Unter¬
schied. Es handelt sich also nicht um eine Dysenterievergiftung, die dem
Dysenteriebacillus eigentümlich wäre, sondern um eine allgemeine „Bak-
terien-Protein“-Wirkung.
Die Verfütterung oder Einführung der Dysenteriebazillen durch den
After erzeugt, wie Kruse schon in seiner ersten Arbeit (H), gestützt auf
eine große Zahl von Versuchen, angibt, bei Katzen, die für Dysenterie-
• Vgl. die Arbeit von Selter: „Über das Dysenteriegift“.
* Siehe bei Selter.
Zeitschr. f. Hygieue. LVII. 23
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Kbuse, Rittershaus, Kemp und Metz:
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amöben und die Paradysenteriebazillen Deyckes 1 so empfänglich sind,
keine ruhrartige Erkrankung. Häufiger sterben die Tiere an nicht-
charakteristischen Diarrhöen. Auch andere Tiere, Meerschweinchen (s. o.).
Kaninchen, Hunde, selbst Affen, sind auf dem angegebenen Wege nicht
zu infizieren. Vielleicht gelingt es bei den Anthropoiden. Wenigstens
entnehmen wir einer brieflichen Mitteilung A. Neissers, daß diese in
der Gefangenschaft sehr häufig an einer nicht durch Amöben verursachter.
Ruhr erkranken. Auch wenn die Bazillen in den Dünndarm eingespritzt
oder verfuttert werden, nach vorhergehendem Hunger, Alkalisieren des
Mageninhaltes oder Vorbereitung des Darmes durch intravenöse Gift¬
behandlung, sind sie nach eigenen und fremden Versuchen nicht imstande,
im Darm zu wachsen oder starke Wirkungen auf die Darmwand zu äußern.
Die Angabe von Dopter *und Vaillard, daß die intravenös ein¬
geführten Bazillen sich in der Darmwand ansiedeln, haben weder wir noch
Dörr bestätigen können. Wenn Kazarinow bei jungen Kaninchen,
denen er nach mehrtägigem Fasten und Einspritzung von Opiumtinktnr
gewaltige Gaben von Dysenteriebazillen (5 Agarkulturen) in den vorher
neutralisierten Magen eingeführt hatte, eine Art von Dysenterie erzeugen
konnte, so ist das doch ein recht gewaltsames Verfahren, auf dessen
Ergebnis man um so weniger Gewicht legen darf, weil Kontrollunter-
suchungen mit anderen Bakterien nicht gemacht worden sind.
Sehr empfänglich für die Gifte der Dysenteriebazillen und auch der
Pseudobazillen sind nach unseren recht ausgedehnten Beobachtungen
Pferd und Esel. Schon auf kleine Gaben bei 60° abgetöteter Bazillen
antworten sie mit deutlicher Anschwellung, Fieber und auffallender
Schwäche. Mehr als ein Tier ist uns trotz vorsichtiger Behandlung daran
zugrunde gegangen.
Lebende Bazillen haben, obwohl sie sich nicht vermehren, bei diesem
Tiere wie beim Meerschweinchen eine auffallend stärkere Wirkung, als
abgetötete Kulturen.
Auch beim Menschen verläuft nach unseren eigenen Erfahrungen die
Pseudodysenterie leichter oder weniger typisch. In Konstantinopel
scheint es nach Deycke ähnlich zu sein. Ebenso macht die von Jürgens
beschriebene Epidemie auf dem Schießplatz in Gruppe den Eindruck, daß
sie auffallend leicht gewesen ist.
Die Angaben der anderen Forscher sind schwer zu verwerten,
weil sie meist mit Krankenhausmaterial zu tun hatten. Vergleichende
experimentelle Untersuchungen über die Wirkung von Dysenterie- und
Pseudodysenteriebazillen und ihre Gifte auf den Menschen liegen noch
1 Vgl. die folgende Arbeit von Kemp: „Über Paradysenterie“.
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
435
nicht vor. Wir wissen bloß aus einigen Versuchen von Shiga und
Kruse, daß bei 60° abgetötete Dysenteriebazillen unter der Haut von
Menschen schon in geringen Mengen heftige Entzündung und auch Fieber
mit allen Begleiterscheinungen verursachen können. Aber ähnliche
Wirkungen üben auch andere Bakterien z. B. Typhusbazillen aus. Wir
haben also vorläufig kein Recht anzunehmen, daß die Menschen gegen
das Dysenteriegift ebenso empfindlich seien wie Kaninchen, und wissen auch
noch nicht, ob sie auf das durch Hitze leicht zerstörbare Kaninchen¬
gift reagieren oder auf das hitzebeständige Meerschweinchengift. Nur soviel
scheint sicher, daß die schweren nervösen (myelitischen) Erscheinungen,
die man bei Kaninchen beobachtet, beim Menschen nur ganz ausnahms¬
weise, wie gelegentlich bei fast allen Infektionskrankheiten Vorkommen.
Man wird jedenfalls gut tun, mit der Übertragung der an den Tieren
gewonnenen Erfahrungen über die Pathogenität der Dysenteriebazillen auf
den Menschen sehr vorsichtig zu sein. Beim Tier gelingt es ja überhaupt
nicht die Ruhr wie beim Menschen durch Einführung weniger lebender
Bazillen per os zu erzeugen, sondern nur auf hämatogenem Wege durch
mehr oder weniger beträchtliche Mengen Gift. Es wäre sehr gezwungen,
anzunehmen, wie Dörr es möchte, daß das Gift, das den Dickdarm krank
macht, auch beim Menschen erst den Weg über das Blut einschlagen
müßte, vielmehr werden die Bazillen durch ihre Wirkung hier unmittelbar
das Epithel und die Schleimhaut schädigen, ebenso wie es andere Para¬
siten des Dickdarms, die Amöben und auch Pseudoruhrbazillen tun, mit denen
man doch bei Kaninchen vom Blute aus keine deutliche Wirkung auf
den Darm erzielt. Dabei werden freilich auch, wie bei allen örtlichen
Infektionen, Gifte in das Blut gelangen, aber es könnten das, nach den
Allgemeinwirkungen zu urteilen, ganz gut hitzebeständige proteinartige
Gifte sein, die auch die Meerschweinchen durch Kachexie töten. Wenn
Kraus und Dörr die Erfolge der Serumtherapie für ihre Meinung ver¬
werten, daß das Kaninchengift auch die Krankheitserscheinungen beim
Menschen verursache, so muß zugegeben werden, daß anscheinend das
Dysenterieheilserum nur gegen das Kaninchen-, nicht gegen das Meer¬
schweinchengift schützt, aber seine Heilwirkung bei Menschen braucht
unseres Erachtens gar nicht als antitoxisch, sondern kann als antibakterielle
aufgefaßt werden (s. u.). Erst Versuche am Menschen selbst werden diese
Streitfrage endgültig entscheiden können.
Unterscheidung durch die Agglutination.
Wie aus der geschichtlichen Darlegung (Kruse X) erhellt, ist
der eine von uns allein auf Grund der Agglutinationsverhältnisse zur
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Kbuse, Rittebshaus, Kemp und Metz:
Unterscheidung der Dysenterie- und Pseudodysenterie- und verschiedener
Rassen von Pseudodysenteriebazillen gelangt.
Was den ersten Unterschied anlangt, so ist er durch die Mannit-
probe noch fester begründet worden. Immer ergab sich, daß ruhr¬
ähnliche Kulturen, die Mannit nicht vergoren, durch das
Serum von Menschen, die an echter epidemischer Ruhr er¬
krankt waren, oder von Tieren, die mit echten Dysenterie¬
kulturen immunisiert waren, viel stärker agglutiniert wurden,
als die Mannitvergärer. Unsere eigene Erfahrung bezieht sich auf
sehr zahlreiche Untersuchungen, aber auch von vielen anderen Seiten ist
das bestätigt worden.
Es braucht kaum gesagt zu werden, daß wir in den ersten Wochen
nach der Entdeckung der Ruhrbazillen (1900), als wir nur über Kranken¬
serum verfügten, möglichst hochwertiges (1:250 und mehr) benutzten.
Dieses ist recht gut brauchbar, aber natürlich nur selten in genügenden
Mengen zu bekommen. Außerdem eignen sich Menschensera nur zur
Unterscheidung der Dysenterie von der Pseudodysenterie, nicht wie wir
später sehen werden, zur weiteren Trennung der einzelnen Formen der
Pseudodysenterie. Wir gingen deshalb sofort zur künstlichen Gewinnung
von agglutinierendem Serum an Tieren über.
Das für solche Zwecke gewöhnlich benutzte Kaninchen eignet sich sehr
gut, besonders für die Pseudodysenterie. Es genügt meist die einmalige oder
einige Male wiederholte intravenöse Einspritzung von 1 / 10 bis 1 l t0 (bei 60° ab¬
getöteter) Agarkultur, um noch in der Verdünnung von 1:1000 und mehr
Agglutination zu bekommen. Bei einzelnen Stämmen muß man mit
kleineren Mengen anfangen. Viel weniger leicht gelingt, wegen der großen
Empfindlichkeit dieser Tiere gegen das Dysenteriegift (s. o.), die Immuni¬
sierung von Kaninchen gegen Dysenterie, sie ist aber bei vorsichtiger
Behandlung ebenfalls möglich. Wegen dieser Schwierigkeit und um große
Mengen Serum zu gewinnen, haben wir ein Jahr lang gewöhnlich mit
Schafen gearbeitet und von ihnen auch mit intraperitonealer Einspritzung
Sera erhalten, die bei 250 bis 500, selten höher, agglutinierten, aber sich
doch zur Differentialdiagnose genügend eigneten (vgl. Kruse IV und V).
Wir wären deshalb bei diesen Tieren geblieben, wenn es sich nicht gezeigt
hätte, daß die Schafe in ihrem Serum neben dem Agglutinin nur sehr ge¬
ringe Mengen anderer Antikörper entwickelten. Notgedrungen kamen wir
so seit Ende 1901 zu Versuchen an Eseln und Pferden, die denn auch
in jeder Beziehung unseren Anforderungen entsprachen. Namentlich
Agglutinine treten verhältnismäßig schnell in ihrem Serum auf. Es
bedarf allerdings großer Vorsicht, um keine Verluste zu erleiden. Am
besten fängt man damit an, Bruchteile einer bei 60° abgetöteten Agarkultur
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Dysenterie und Pseudodysentebie.
437
unter die Haut zu spritzen, dann allmählich bis zu mehreren Petri¬
schalen zu steigen und nach etwa 2 Monaten zu intravenösen Ein¬
spritzungen überzugehen. Agglutinationswerte von 1000 bis 10 000 und
auch höher sind so leicht zu erhalten. Bei langer Behandlung der Tiere
nimmt freilich die agglutinierende Kraft wieder etwas ab, hält sich dann
aber auf ziemlich gleicher Höhe. Seit 4 Jahren benutzen wir gewöhnlich
zu diagnostischen Zwecken das Serum eines und desselben Esels, das wir
im Sommer 1903 in großen Mengen gewonnen haben und das seinen
Agglutinationswert von 2000 ziemlich unverändert erhalten hat. Das Serum
zeigt übrigens die bekannte Erscheinung der Agglutinoidbildung, d. h.
gibt in geringen Verdünnungen keine guten Reaktionen. Der betreffende
Esel war abwechselnd mit verschiedenen, aber doch nur wenigen Stämmen
echter Dysenterie behandelt worden. Bisher haben wir aber unter den
sehr zahlreichen Mannit unberührt lassenden Kulturen, die wir aus aller
Herren Länder erhalten haben, mit einer einzigen Ausnahme keine ge¬
funden, die nicht annähernd gleich, d. h. in den Grenzen von 1:1000
bis 4000 beeinflußt worden wären. Auch andere Seren, die wir nur mit
Hilfe einer einzigen Kultur hergestellt haben, zeigten keine größeren
Unterschiede. Die etwas stärker beeinflußten Stämme scheinen, neben¬
bei bemerkt, weniger virulent zu sein, was ja Erfahrungen bei anderen
Bakterien entspricht. Die erwähnte Ausnahme betrifft eine seinerzeit von
Kral erhaltene Kultur, die schon freiwillig agglutiuiert und weder bei
makroskopischer noch bei mikroskopischer Prüfung in irgend einer Ver¬
dünnung durch das Serum zur Verklebung gebracht wird, zwar sehr giftig ist
für Kaninchen, aber fast gar nicht mehr wirksam bei Meerschweinchen. Es
ist uns nicht gelungen, nach der vonPorges und Prantschoff angegebenen
Methode (Erhitzung auf 80°) die Pseudoagglutination zu beseitigen und die
Agglutinierbarkeit wiederherzustellen. Man wird die beschriebene Kultur
wohl als eine durch die künstliche Züchtung stark entartete betrachten
müssen, obwohl sie in der Üppigkeit ihres Wachstums sich nicht von einer
gewöhnlichen unterscheidet.
Ob bei frisch aus pathologischen Sekreten gezüchteten Kulturen der Dysen¬
terieerreger erheblichere Schwankungen der Agglutinierbarkeit Vorkommen,
als wir sie beobachtet haben, müssen wir dahingestellt sein lassen. Iu der
Literatur fanden wir abweichende Angaben nur bei Gay (1903). Während
nämlich die große Mehrzahl seiner Stämme von echten Dysenterien von
einem Immunserum „Kruse“ in Verdünnungen von 1:2000—9000 agglu-
tiniert wurden, reagierten 2 andere nur bis 1:200 bzw. 800. Ob diese frisch
isoliert waren, und über ihre sonstigen Eigenschaften wird nichts angegeben.
Auch in ihrer Bindefähigkeit für die spezifischen Agglutinine
unterschieden sich unsere Stämme nicht wesentlich. Wir prüften nach dem
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Kruse, Rittershaus, Kemp und Metz:
von Castellani in unserem Laboratorium ausgearbeiteten Verfahren, d.h.
indem wir 1 l i com einer 50fachen Verdünnung eines und desselben Dysen¬
terieserums (des obengenannten von Esell) in den kleinen Reagenzröhrchen,
die wir seit vielen Jahren für unsere Agglutinationsversuche benutzen, mit
je zwei Agarrasen von 10 Dysenteriestämmen allerverschiedensten Ursprunges
(Bonn, Gelsenkirchen, Krakau, Rom, Pavia, Uganda, Colombo, Japan)
versetzten, nach 1 / i —1 ständiger Berührung bei 37 0 abzentrifugierten, die
klare Flüssigkeit wie gewöhnlich auf ihren Agglutinationswert mikroskopisch
(im hängenden Tropfen) untersuchten. Es zeigten sich überall höchstens
noch Spuren von Verklebung.
Eine Lücke in unseren Untersuchungen besteht insofern, als wir nicht
mit allen unseren Stämmen Tiere immunisierten und die so gewonnenen
Sera auf Agglutination prüften und der Absättigung unterzogen. Nur so
würde man feststellen können, ob sie wirklich sämtlich in ihrer Fähig¬
keit agglutiniert zu werden, Agglutinine zu bilden und zu binden überein¬
stimmen. Man kann dies eigentlich nach den Erfahrungen, die mit
anderen Bakterien gemacht worden sind, kaum erwarten. Inzwischen
möchten wir auf die Gleichförmigkeit unserer Ergebnisse doch
Wert legen.
Ebenso regelmäßig wie Dysenteriebazillen auf ihr eignes
Serum reagieren, werden sie vom Pseudodysenterieserum nicht
beeinflußt. Auf der Tabelle III haben wir ihr Verhalten in 25 ver¬
schiedenen hochwertigen Pseudoseris angegeben. 1 ) Man sieht, daraus, daß
die Agglutinationsgrenze bei einer Verdünnung von 10, allenfalls von 50
oder nur ganz ausnahmsweise etwas höher liegt. Ausdrücklich sei bemerkt
daß eine ganze Reihe von Dysenteriestämmen verschiedenen Ursprungs zu
diesen Versuchen benutzt wurden. Sie zeigten zwar ebenso wie in nor¬
malen Blutseris kleine Unterschiede untereinander, wichen aber nicht
wesentlich ab. Auch fast alle anderen Forscher, die freilich lange nicht
so viele Pseudoseren untersuchten wie wir, stimmen uns darin bei, so
z. B. Spronck, Martini und Lentz, Hiss, Gay, Lüdke, Knox und
Schorer, Kraus und Dörr, auchShiga in einer neuen Arbeit, die uns
freilich nur in einem Bericht zugänglich war. Die verhältnismäßig höchste
Beeinflussung, die wir in der Literatur angegeben finden, betrifft 3 Pseudo-
sera, die Ohno neben verschiedenen anderen, der Regel entsprechenden,
untersuchte. Das eine (von einem Kaninchen) agglutinierte seinen zugehörigen
Stamm bei 1:2000 und eine einzige echte Dysenteriekultur bei 1:500,
5 andere aber kaum bei 1:20. In einem anderen Kaninchenserum mit
1 Dazu kommen noch die zahlreichen (ca. 15) Tiersera (von Kaninchen, Schafen,
Ziegen), die schon früher von Kruse (III bis V) mit ganz ähnlichem Ergebnis ge¬
prüft wurden.
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
439
Tabelle L
Serumwerte vor und nach der Immunisierung eines Kaninchens mit
Pseudodysenterie Konstantinopel A. 1
Kultur
Vorher
Nachher
Echte Dysenterie F
4
160
Pseudodysenterie: 1
Breidenbach.
20
1000
Gruppe .
10
1000
Amerika.
200
4000
Elise.i
20
500
Oberwesel.!
100
1000
Bonsdorf.
100
1000
Löscher .
40
500
Konstantinopel A . . .
1000
100 000
Tabelle II.
Agglutination im Dysenterieserum. 1
i
i
i
Eselserum I
Kaninchen¬
serum II
Dysenterie Förster . . .
2000
(10000)
„ Lahm ....
1 2000
—
„ Schwarz . . .
2000
—
„ Bonn ....
2000
5000
„ Shiga ....
1 —
10 000
„ China....
; —
10 000
Pseudodys. Breidenbach . .
10-50
100
„ Brandstetter . .
10—50
250
„ Muths . . . . !
o
iO
i
o
500
„ Fischer . . .
100
500
„ Eckardt . . .
—
50
,. Gruppe . . . *
10—50
(250)
Pseudodys. Flexner . . . ■
100
500
„ Amerika . . . !
(250)
2000
Pseudodys. Bernburg . . .
10—50
(500)
„ Klinik ....
10—50
10-50
Pseudodys. Poliklinik. . .
100
—
„ Höffelmeyer . .
100
10
Alt.
10-50
100
Pseudodys. Elise ....
100
250
„ Oberwesel . .
(250)
250
‘ Die Zahlen bedeuten die Verdünnung, in der noch Agglutination stattfand.
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440
Kbuse, Rittebshaus, Kemp und Metz:
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dem Titer 5000 reagierten zwei Dysenteriekultoren sogar bei 1:2000 und
5000, vier andere nur zwischen 1:20 und 40. Ein drittes Serum von
einer Ziege agglutinierte seinen zugehörigen Stamm bei 1:5000 und 6
echte Dysenteriestämme bei 1:200—1000. Die ersten beiden Fälle sind
vorläufig nicht ganz durchsichtig, jedenfalls, wenn keine Beobachtung?-
fehler Vorlagen, ohne Analogie. In dem letzten Fall ist aber, wie man
sieht, der Unterschied noch groß genug, um eine Differentialdiagnose zu
ermöglichen, vorausgesetzt, daß man die allgemein jetzt als nötig aner¬
kannte Regel befolgt und sich nicht mit geringen Verdünnungen begnügt
sondern den Agglutinationswert austitriert.
Immerhin zeigt dies Beispiel, wie übrigens auch unsere auf vorstehender
Tabelle I mitgeteilte eigene Erfahrung, daß durch die Immunisierung
mit Pseudodysenteriestämmen unter Umständen auch Neben- j
agglutine für Dysenterie entstehen. Man beobachtet das gleiche
Verhältnis aber auch zwischen Bakterien, die kaum eine Verwandschaft
miteinander haben (Posselt und Sagasser u. a.). In unserem Falle
kann man sich sogar wundern, daß trotz der unleugbaren Ver¬
wandschaft zwischen Dysenterie und Pseudodysenterie beide
so wenig „agglutinogene Rezeptoren“ gemeinsam haben. Dieser
Satz wird nicht bloß bewiesen durch das Verhalten der Dysenterielmillec
in Pseudoseris, sondern auch durch das der Pseudobazillen in Dysenterie¬
serum. Auf vorstehender Tabelle II haben wir einige unserer Prüfungen
zusammengestellt. Aus ihnen ergibt sich, daß namentlich in dem Kaninchen-
serum II manche Pseudodysenteriebazillen nicht unerheblich, jedenfalls
stärker als im normalen Serum beeinflußt werden. Besonders tritt die?
hervor bei einer Flexnerschen Kultur („Amerika“), die sich freilich stet?
durch ihre leichte Agglutinierbarkeit ausgezeichnet hat. Der Unterschied
in der Agglutination gegenüber den echten Dysenterien bleibt aber, wenn
man von diesen erklärlicher Ausnahme absieht, immer sehr bedeutend.
Mit diesen unseren eigenen Erfahrungen stimmen wieder die fast alier
Forscher überein 1 , Ohno hat auch hier abweichende Ergebnisse gehabt
und zwar auffallenderweise mit allen drei echten Dysenterieseris, über die
er berichtet. In dem ersten (Kaninchenserum), das Dysenteriebazillen bei ,
1:400—1000 agglutinierte, wurden zwar 8 Pseudostämme nur in Ver¬
dünnungen von 20—200 beeinflußt, ein neunter aber bei 1:600. hin
zweites (Ziegen)-Serum, das Dysenteriebazillen bei 1:500—3000 agglu-
1 Eisenberg, der offenbar mit einem leicht agglutinablen „Flexner^stamsi
arbeitete, erhielt in einem echten Ruhrserum, das er übrigens nicht selbst hergesieüt
hatte, mit diesem Agglutination bis 1 : 600, während echte Dysenteriebazillen bei
1 : 1200 bis 2400 beeinflußt werden.
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Dysenterie und Pseudodysentebee.
441
tinierte, verklebte 7 von 9 Pseudostämmen ungefähr in denselben Ver¬
dünnungen, ja einen noch bei 1:7500; und ein drittes (Pferde)-Serum ver¬
hielt sich ähnlich. Man fragt sich natürlich, wie das möglich ist; an der
Tierart, die zur Herstellung der Sera gedient hat, kann es kaum liegen,
denn unsere eigenen Versuche mit Pferden und Hammeln, ebenso wie
die von Lentz und Gay mit Pferden oder Ziegen haben nichts von
dieser starken Beeinflussung der Pseudodysenterie durch die Dysenterie-
agglutinine gezeigt, im Gegenteil ergab ein Kaninchenserum (s. o.) sogar
die stärksten Nebenagglutinine von allen. Wir werden daher den Verdacht
nicht los 1 , daß die beiden letzten Sera, die Ohno benutzte, von Tieren
gewonnen sind, die nicht, wie es in der Arbeit heißt, mit dem Dysen-
stamme „Shiga“ allein, sondern erst mit Pseudostämmen behandelt
worden waren. So wunderbar ist das nicht, denn schon einmal hat
Shiga selbst so merkwürdige Ergebnisse von einem „Shiga“-Pferdeserum
berichtet: es war das zu einer Zeit, wo er noch nicht die Verschiedenheit
der Dysenterie- und Pseudodysenteriebazillen erkannt hatte, die Möglich¬
keit der Verwechslung also sehr nahe lag. 2 Um so weniger zweifeln wir
an der Berechtigung dieser Erklärung, als die Immunisierung, die wir und
Lentz mit demselben sog. „Shiga“stamm ausgeführt haben, so ganz andere
Ergebnisse gehabt hat. Leider hat Ohno das Absättigungsverfahren, das
geeignet, ist die Frage sofort zu entscheiden, auf seine Dysenteriesera nicht
angewandt. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte die Absättigung der
beiden Shigasera mit Pseudodysenteriestämmen ebensowenig die Agglutinine
für die Dysenteriebazillen beseitigt, wie die Absättigung mit Dysenterie
diejenigen für die Pseudostämme.
Wir selbst haben bei allen unseren Absättigungsversuchen mit Dysen¬
terie- wie mit Pseudodysenteriesera stets den grundlegenden, von Castel-
lani u. a. aufgestellten Satz bestätigt gefunden, daß die Nebenagglu¬
tinine, mögen sie auch noch so kräftig ausgebildet sein, durch
die zugehörigen (homologen) Bakterien, d. h. diejenigen, mit
denen dasSerum hergestellt ist, stets mit denHauptagglutininen
zugleich entfernt wurden, während die fremden (heterologen)
Bakterien nur die Nebenagglutinine, die auf sie eingestellt
1 Auf eine andere Fehlerquelle sind wir neuerdings aufmerksam geworden.
Während wir nämlich his dahin die besten Erfahrungen über die Beständigkeit der
Dysenterieagglutinine gemacht batten, fanden wir neuerdings, daß Eselsera, die vor
einem Jahre gewonnen waren und sehr hohe Agglutinationskraft gegen Dysenterie
und nur mäßige gegen Pseudodysenterie besaßen, jetzt die Dysenteriebazillen auch
nicht mehr wesentlich kräftiger beeinflußten. Hier hatten also die Hauptagglutinine
ausnahmsweise stärker gelitten als die Nebenagglutinine.
* Vgl. Lentz, Diese Zeitschrift. Bd. XL HI. S. * a
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Kbuse, Ejttebshaus, Kemp und Metz:
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sind, absättigen, die Hauptagglutinine aber unberührt lassen
Es wird gut sein, sich in allen zweifelhaften Fällen dieses Satzes zu
erinnern. 1
Wenn es sonach mit Leichtigkeit gelingt, die Pseudodysenteriebazilien
von den echten schon allein durch die Agglutinationsprobe in Dysenterie¬
seruin zu trennen, und wenn der Ausfall der Mannitreaktion diese Trennung
in allen Fällen so sehr rechtfertigt, daß man nach Belieben sich des einen
oder des anderen Unterscheidungsmittels bedienen kann, so ist es leider
sehr viel schwieriger, die Unterarten oder Rassen der Pseudodysenterie
voneinander mit Sicherheit zu scheiden. Zunächst gelingt das nicht, wenn
man mit Hiss etwa versuchen wollte, dazu allein die Maltose- (Dextrin
und Saccharoseprobe zu benutzen. Denn die Glieder der Unterabteilungen,
die man mit ihrer Hilfe gewinnt, verhalten sich dem agglutinierenden
Serum gegenüber keineswegs gleich, sondern teilweise sehr ungleich. Etwas
mehr Wert hat meines Erachtens die Milchzucker-(Milch-)Probe, da die
Milchzucker säuernden Stämme zum großen Teil auch in der Agglutination
übereinstimmen.
Aber auch, wenn man sich nur auf die Agglutination verlassen
wollte, würde man zahlreiche Irrtümer begehen können. Zunächst stellt
sich unter Umständen schon bei Vervielfältigung der AgglutinationsversueLe
z. B. bei Benutzung verschiedener oder selbst schon verschieden alter, aber
homologer Sera heraus, daß Stämme, die man wegen des Ausfalls der ersten
Probe für gleich gehalten hat, verschieden sein müssen, denn sie werden zwar
im Serum 1, 2, 3 stark beeinflußt, im Serum 4, 5, 6 aber nur schwach
oder gar nicht. Als ganz selbstverständlich setzen wir dabei voraus, daß
man, ehe man überhaupt ein Urteil ausspricht, die Grenzzahlen für die
Agglutinationen, d. h. die schwächsten Verdünnungen, in denen noch eine
Beeinflussung stattfindet, genau feststellt.
Die Erfahrung lehrt also, daß die Pseudodysenteriebazillen
bei einzelnen Tierindividuen Nebenagglutinine erzeugen, die
andere sonst deutlich abweichenden Rassen ebenso hoch oder
annähernd ebenso stark beeinflussen, wie die zugehörigen
Stämme. Es scheint aber, daß diese Nebenagglutinine schneller
aus dem Serum verschwinden, als die Hauptagglutinine; daher
ist es empfehlenswert für die Prüfung ältere Seren zu be¬
nutzen. Leichter ist eine andere Quelle der Täuschung zu entdecken, die
auf der schweren oder leichten Agglutinierbarkeit einzelner
1 Wie Posselt und Sagasser dazu kommen, diesen Satz anzofecbten, ist uns
völlig unverständlich. Ausnahmen davon haben wir bei vielen Hunderten von Ver¬
suchen, auch mit anderen Immunseris, niemals beobachtet.
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ÜYSENTEBIE UND PsEUDODYSENTEBIE.
443
Stämme beruht. Wenn die Unterschiede wie fast immer verhältnismäßig
gering sind, wird ein Zweifel ron vornherein kaum Vorkommen, man ist
sie ja von anderen Erfahrungen her schon gewöhnt. Aber auch, wenn
die Abweichung beträchtlich ist, wie bei der schon erwähnten Pseudo¬
dysenterie Amerika, wird sie unschwer erkannt, weil sie in allen Ver¬
suchen sich immer wieder nach derselben Richtung hin bemerkbar macht.
Ist freilich, wie bei der Dysenterie Kral, die Agglutinierbarkeit über¬
haupt verloren gegangen, oder wird sie durch die Eigentümlichkeit der
Kultur schon normalerweise Häufchen zu bilden (spontane oder Pseudo¬
agglutination) verschleiert, so entstehen Schwierigkeiten, die durch die
Agglutinationsprüfung in der gewöhnlichen Form nicht überwunden werden
können. Glücklicherweise gelingt es manchmal durch häufige Über¬
tragungen auf künstliche Nährböden oder durch die Züchtung im Tier
die Pseudoagglutination wenigstens zum wesentlichen Teil auszuschalten.
Die Auswahl einzelner Kolonien auf Platten, die Porges und Prant-
schoff empfehlen, hat uns bisher keine guten Ergebnisse geliefert.
Selbst durch die Wiederholung der Probe in einer ganzen Reihe von
Seren und durch Berücksichtigung der individuellen Agglutinierbarkeit einer
Kultur entgeht man nicht immer der Täuschung, denn es gibt Kul¬
turen A, die in allen oder wenigstens den meisten Seren anderer Ab¬
kunft D, E, F usw. ebenso hoch agglutiniert werden, wie deren homologe
Stämme, und die dennoch von diesen verschieden sind. In solchen
Fällen kann man dadurch die Entscheidung bringen, daß man
mit den Bazillen A, die man identifizieren will, selbst wieder
Seren darstellt und in diesen die anderen Stämme D, E, F usw.
prüft. Man sieht dann z. B., daß D, E, F nur schwach oder gar nicht im
Serum A beeinflußt werden, und muß sie also für verschieden von A halten.
Die Schwierigkeiten sind aber auch durch diese wechselseitige
Agglutinationsprüfung noch nicht stets beseitigt: man findet zwar dabei
gewisse Unterschiede heraus, insofern die zugehörigen Stämme etwas höher
agglutiniert werden als die fremden, aber jeder, der viele Agglutinationen
angestellt hat, weiß, daß auf so kleine Abweichungen kein Verlaß ist,
man bleibt im Zweifel, ob man es mit Zufälligkeiten zu tun hat oder
mit beständigen Unterschieden. Hier tritt nun die Absättigungs¬
probe in ihr Recht, sie erweist sich, in der von uns benutzten
Form angestellt, in diesen wie in allen bisher erwähnten irgend
zweifelhaften Fällen als ein außerordentlich wichtiges, ja ma߬
gebendes Erkennungsmittel.
Ein Stamm, der zu einer bestimmten Rasse gehört, wird
nicht nur in dem zugehörigen Immunserum der Höhe der
Agglutinationskraft desselben entsprechend agglutiniert, son-
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444
Kruse, Rittershaus, Kemp und Metz:
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dem vermag auch die Haupt- und Nebenagglutinine desselben
völlig abzusättigen. Wenn ein Stamm B dagegen diese letzte
Eigenschaft nicht besitzt, ist er nicht der betreffenden Rasse A
zuzurechnen, mag er auch in gleicherweise von allen Seris beeinflußt
werden wie A.
Das Absättigungsvermögen muß, wie die Agglutination
selbst, wechselseitig geprüft werden, denn es gibt Fälle, wo ein
Stamm A zwar ein Serum B völlig absättigt, aber B nicht imstande ist.
ein Serum A abzusättigen.
Das Absättigungsvermögen kann ferner dem Grade nach ver¬
schieden sein, indem ein Serum A die Hauptagglutinine des Serums C
trotz Wiederholung der Absättigung mit größeren Mengen Bazillen nur
zu einem bestimmten Teil zu erschöpfen vermag.
Mit den Hauptagglutininen werden stets sämtliche Nebenagglutinine
abgesättigt, fremde Stämme B usw. beseitigen im allgemeinen aber nur
uud zwar in vollständiger Weise die (Neben-)Agglutinine eines Serums A.
durch die sie selbst beeinflußt werden, ausnahmsweise auch die Neben¬
agglutinine für andere Rassen C usw.
Stämme, die nur langsam, z. B. erst im Verlauf von vielen Stunden von
einem Serum agglutiniert werden, sind uns selten vorgekommen. Sie sättigen,
wie wir gefunden, ihre Agglutinine dann auch entsprechend langsam ab.
Es hat beträchtliche Zeit gedauert, bis wir die hier aufgeführte::
Sätze festgestellt und danach unsere Sammlung von Pseudodysenterif
Stämmen gesichtet haben. Wir geben im folgenden eine Beschreibung
der einzelnen Abarten oder Rassen, ohne auf diesen Ausdruck einen be¬
sonderen Wert zu legen. Auf die Frage der Beständigkeit der Rassen¬
merkmale, die ja nicht leicht endgültig zu entscheiden ist, kommen wir
später noch besonders zurück. Die wichtigsten Ergebnisse der Aggla-
tinationsversuche sind in Tabelle III zusammengestellt. Wir bemerken
ein für allemal, daß wir die Agglutinationen regelmäßig im hängenden
Tropfen bei Zimmertemperatur vorgenommen haben. Es scheint uns
das die bequemste und sicherste Methode zu sein, sie läßt sich auch m.:
den geringsten Spuren Serum noch vornehmen und kann, wenn stets
Kontrollpräparate angefertigt werden, nicht zu. Täuschungen führen. W:r
benutzten stets Bouillonkulturen, die bei unseren Bazillen den Agarauf¬
schwemmungen mindestens gleichwertig sind. Das Ergebnis war gewühnlt h
schon nach 3 bis 4 Stunden zu erhalten; wo die Agglutination auch daun
noch ausblieb, wurden die Präparate 20 Stunden später noch einmal ge¬
mustert. Im allgemeinen arbeiteten wir mit den Verdünnungen ic
Kochsalzlösung 1:10, 20, 50, 100, 250, 500, 1000, 2000, 5000, 10 000-
In der Tabelle bedeuten die Zahlen die Endverdünnungen. Eine Klammer
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Dysenterie und Pseudodysentebie.
445
besagt, daß die Reaktion nur spurenweise auftrat, ein +, daß die End¬
verdünnung nicht festgestellt wurde, zwei Zahlen z. B. 10—100, daß
die Prüfung bei 10 positiv, bei 100 negativ ausfiel.
Sämtliche in Tabelle IIIA—C aufgeführten Sera stammten von
Kaninchen und agglutinierten ihre zugehörigen Stämme mit ganz wenigen
Ausnahmen mindestens in Verdünnungen von 1:1000.
Pseudodysenterie A oder 1. Hanptrasse.
Diese Rasse bildet den Grundstock unserer Sammlung. Ihre Vertreter
stammen zum größten Teil aus der Bonner Irrenanstalt, wo sie seit
dem Jahre 1900 bis jetzt immer wieder in einzelnen oder gehäuften
Fällen von Ruhr gezüchtet wurden. Im ganzen ergab diese Quelle uns
mehr als ein Dutzend Kulturen, darunter die ersten 7 der Tabelle.
Dazu kommt dann eine weitere Kultur, die von einer Laboratoriums¬
infektion herrührte, ein paar, die aus poliklinischen Fällen isoliert wurden
(14a der Tabelle III), ein Stamm „Gruppe“ aus der von Jürgens
beschriebenen westpreußischen Epidemie, ein anderer aus einer von
Lentz in Saarbrücken beobachteten Epidemie. In Tabelle III sind von
diesen Stämmen neun aufgeführt (I bis IX), aber auch die übrigen sind
fast alle genau genug studiert worden, um in dieser Rasse mit Sicherheit
untergebracht zu werden. Das Verhalten gegen Zuckerarten wurde schon
früher besprochen, es ist ein ziemlich gleichmäßiges, indem Milch- und
Milchzucker nicht und Rohrzucker auch nicht oder erst später gesäuert
werden. Die "Übereinstimmung bei der Agglutinationsprobe war eine
fast vollständige. Das ist besonders deutlich, wenn man sich in Tabelle III
die Werte, die in den 18 ersten hierhergehörigen Immunseris erhalten
wurden, ansieht (Nr. 1 bis 18). Nur eine größere Abweichung finden
wir, nämlich die Zahl 250 für die Kultur Fischer im Serum 5. Sehr
wahrscheinlich liegt da entweder ein Beobachtungs- oder ein Schreibfehler
in unseren Aufzeichnungen vor.
Die Agglutinationsprüfungen in den Seris der anderen Rassen haben
wir natürlich nur mit einigen Kulturen (besonders Breidenbach aus
der Irrenanstalt und Gruppe) in gleicher Vollständigkeit vornehmen
können. Es ergibt sich dabei der für die praktische Diagnose be¬
merkenswerte Befund, daß die Stämme A auch in den meisten
anderen Pseudoseris annähernd ebenso hoch agglutiniert
werden, wie die zugehörigen Kulturen. Überhaupt kaum Unter¬
schiede bestehen in den Seren B und C (19 bis 26), nur geringe und
nicht einmal beständige in den Seren D (27 bis 40). In den übrigen
beobachteten wir teils nahe Übereinstimmung, teils große Abweichungen.
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Kbuse, Rittebshaus, Krmp und Metz:
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Dysenterie und Pseudodysentebie,
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448 Kbuse, Rittebshaus, Kemp und Metz:
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
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[Fortsetzung.)
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
1 Serum 3 dtu* Tabclio Ul in &0 faolicr Verdünnung. 4 bedeutet: daU der Kndwert. noch nielit erreieht,, — daÜ er Helion
<i 1 •• *r*^<*)iritten war, ÜIIO—10()() dal» er kwIm'Iioh hrid^n /alilVn l»i|f.
Dysenterie und Pseudodysenterie.
455
Es hängt das offenbar zum größten Teil von der Eigentümlichkeit der
Tiere, die zur Immunisierung benutzt werden, aber auch von dem Alter
des Serums ab. Zu gleicher Zeit zeigen sich hier und da aber
auch größere Unterschiede der einzelnen Vertreter der Rasse A
zu den fremden Seris (vgl. Serum 45 und 52), ein Hinweis
darauf, daß die Atomgruppen („Rezeptoren“), die auf die
Nebenagglutinine passen, eher einer gewissen Variabilität unter¬
liegen, als die auf die Hauptagglutinine eingestellten. Gegen¬
über den Agglutininen der normalen Seris beobachtet man ja ähnliches (s. o.).
Was das Verhalten der fremden Rassen in dem Serum A anlangt,
so wurden zunächst die Stämme B und C (X bis XIV) in den Seris 1
bis 18 sehr ähnlich, nur teilweise um ein Geringes schwächer beeinflußt
wie A selbst; auch bei den Stämmen D (XV bis XXVII) ist das öfter der
Fall, doch sind hier die Unterschiede in einzelnen, besonders alten Seris
(3, 4, 16) sehr bedeutend, so daß in ihnen schon unmittelbar die
Trennung der beiden Rassen gelingt. Die Stämme E (XXXII bis XXXV)
betragen sich in dieser Beziehung wie D. Die übrigen dagegen (XXVIII
bis XXXI, XXXVI bis XXXVIII) werden sehr wenig beeinflußt, ebenso
wie die echte Dysenterie (XXXIX). Wenn die Kulturen aus Konstantinopel
(XXX und XXXI) hohe Agglutinationswerte aufweisen, so hat das bei
ihnen nicht viel zu sagen, da sie außerordentlich leicht ägglutinabel sind (s. u.)
Das Absättigungsverfahren ergibt stets deutliche Unterschiede zwischen
den Rassen A bis E, auch in denjenigen Seris, bei denen die Agglutination
Zweifel übrig läßt. Die große Versuchsreihe, die in Tabelle IV wieder¬
gegeben ist, beweist das schon. Es wurde Serum A (Breidenbach,
Nr. 3 der Tabelle III) bei öOfacher Verdünnung in je einem Röhrchen
mit gleichen Mengen von 17 verschiedenen Stämmen behandelt, dann
durch Ausschleudern von den Bazillen befreit und für 13 dieser Stämme
wieder die Agglutination festgestellt. 1 Um den Versuch nicht zu umfang¬
reich zu machen, wurde nicht überall der Endwert der Agglutination genau
festgestellt, sondern gewöhnlich nur eine Verdünnung (1:200 oder 1:1000)
geprüft. Man sieht zunächst, daß die Vertreter der Rasse A (2 bis 5)
sämtliche Haupt- und Nebenagglutinine fast vollständig absättigten, denn
bei 200facher Verdünnung trat nirgends mehr Verklebung ein (außer
einigen Präparaten mit Amerika und Konstantinopel, zwei Stämmen, die
leicht agglutiuabel sind).
Die Stämme der Rasse B (6 bis 8) ließen die Agglutinine des Serums A
für die Bazillen A (2 bis 5) fast unberührt. Nur „Amerika“ scheint liier 2
1 Die übrigen wurden fortgelassen, weil sie schon vor der Absättigung nur
unter oder wenig über 1 : 50 agglutinierten.
* Anscheinend auch in einem späteren Versuche (s. u.).
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Original frum
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45G
Kbuse, Rittekshaus, Kemp und Metz:
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ein etwas kräftigeres Bindungsvermügen zu besitzen. Nicht beseitigt wurden
ferner die Agglutinine für die Stämme C (9 und 10), während die
eigenen Agglutinine ganz oder fast ganz abgesättigt und auch die Agglu¬
tinine für die Stämme 12 und 13 (D) und 17 offenbar beeinflußt wurden.
Die Behandlung des SerumsA mit den Stämmen der Rasse C (9 und 10)
und D (10 bis 13) und Koustantinopel A (17) ließ alle Agglutinine
außer den eigenen unberührt, und auch die übrigen Kulturen, ein¬
schließlich der echten Dysenterie besaßen kein Absättigungsvermögen in
diesem Serum. — Später haben wir ähnliche Versuche noch oft und mit
anderen Seris A angestellt. Insbesondere wurde dabei Wert darauf gelegt,
das Bindungsvermögen der neu gezüchteten Stämme und der A am
nächsten verwandten Rassen B und C festzustellen. Da konnten wir
denn wieder bestätigen, daß die aus der Bonner Irrenanstalt her-
rührenden Kulturen das Serum A vollständig absättigten. Ebenso ver¬
hielten sich einzelne aus der Stadt Bonn stammende Bazillen und je eine
von Jürgens aus Gruppe und von Lentz aus Saarbrücken gezüchtete
Kultur, während die übrigen Bazillen, die aus der Bonner Epidemie von
1905 und von außerhalb stammten, sich übereinstimmend bei der Agglu-
tinations- und Absättigungsprobe als verschieden herausstellten.
Das fehlende Absättigungsvermögen der Rassen B und C zeigte sich
z. B. in einem Versuche mit dem Serum 4 der Tabelle III (Breidenbach).
Nach Behandlung in 20facher Verdünnung mit den drei Stämmen A
(Breidenbach, Gruppe, 14a) agglutinierte Breidenbach nicht mehr bei
1:40, nach Behandlung mit B (Flexner) und C (Bernburg) wie vorher noch
bei 1 : 2000. Ebenso verhält sich Serum 18 der Tabelle III bei Ab¬
sättigung mit je zwei Agarkulturen in lOOfacher Verdünnung. Dasselbe
Serum zeigte bei Behandlung mit nur je einer schwachentwickelten Kultur
zwar eine vollständige Absättigung durch den Stamm Breidenbach, nur
eine unvollständige durch Gruppe selbst; erst wiederholte Behandlung
mit Gruppe beseitigte die Agglutinine vollständig, ein Beweis, daß das
Absättigungsvermögen der beiden Stämme nicht genau über¬
einstimmte. Während hier aber die einfache Wiederholung der Be¬
handlung die gründliche Absättigung herbeiführte, war davon selbst bei
vierfacher Wiederholung mit Vertretern anderer Rassen wie B, C, Kon¬
stantinopel A und B und echter Dysenterie nicht die Rede. Einmal
schien sich zwar eine geringe Abnahme des Agglutinationstiters nach zwei¬
maligem reichlichen Einträgen von Kulturen XIII (Bernburg, Rasse C) zu
zeigen; in einem neuen genaueren Versuche bestätigte sich das aber nicht
Wir wollen freilich nicht verhehlen, daß wir auch einige andere
Ergebnisse, die damit nicht zustimmen und gegen unsere Rassenabgreuzung
Gck igle
Original from
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
457
zu sprechen scheinen, gehabt haben. Die betreffenden Versuche waren
ausschließlich im Sommer 1904 angestellt worden und die ersten syste¬
matischen Anwendungen des Absättigungsverfahrens. Uns ist es fast wahr¬
scheinlich, daß dabei Irrtümer untergelaufen sind. Es ergab sich nämlich,
daß die Kultur Flexner (Rasse B) in einem Serum A (Gruppe, Nr. 15
Tabelle III) die Agglutinine für die Stämme Muths und Gruppe der
Rasse A völlig absättigte. Daß hier ein Fehler vorgekommen ist, dafür
spricht nicht nur das Verhalten sämtlicher, ein halbes Jahr nachher und
noch später vorgenommenen Prüfungen, sondern auch ein gleichzeitig
mit jenem augestellter Versuch in einem anderen Serum A (Muths
Nr. 8 der Tabelle III), der zwar Absättigung mit Gruppe und Muths (A),
aber nicht mit Flexner (B) und Elise (E) ergab. Außerdem ist nicht
recht einzusehen, warum die Kultur Flexner, die schon mehrere Jahre lang
in unserem Laboratorium unter ganz gleichen Verhältnissen fortgezüchtet
worden war, erst im Laufe des nächsten halben Jahres in ihrem Ab¬
sättigungsvermögen so wesentliche Einbuße erfahren haben sollte.
Wir kommen jetzt zu dem Absättigungsvermögen der Rasse A
in Seris anderer Rassen. Ein solches besteht und zwar in
ausgesprochenem Maße für Serum B und in geringerem Maße
für Serum C. Es sind das bezeichnenderweise gerade die¬
jenigen beiden Rassen, die sich durch ihre Agglutinierbarkeit
als nächstverwandt erweisen, die freilich ihrerseits das Serum A
nicht absättigen können.
Tabelle V gibt zwei Reihen solcher Absättigungen wieder, die in einem
Zwischenraum von 8 Monaten in demselben Serum B (Flexner Nr. 19 und
20 der Tabelle III) angestellt wurden. Sie beweist, daß die Bazillen der
Rasse A (Muths, Breidenbach, Gruppe) die Agglutinine nicht nur für
sich selbst, sondern auch für B (Flexner, Manila, Amerika) und für E
(Elise) ungefähr ebensogut absättigen, wie die Rasse B selbst. 1 Spätere
Versuche (Tabelle VI a bis c), bei denen dieses Absättigungsvermögen
noch genauer verglichen wurde, haben allerdings gezeigt, daß Unter¬
schiede bestehen, insofern Flexner selbst sein eignes Serum (B) mit
der gleichen Menge Bazillen vollständiger absättigte als Gruppe und
Gruppe wieder vollständiger als Breidenbach 2 und 14a (alle drei zur
Rasse A gehörig).
1 Stamm Amerika zeigt hier wieder seine besonders leichte Agglutinierbarkeit,
daher die geringere Absättigung.
* Im Stamm Gruppe erschien umgekehrt Breidenbach von einem kräftigeren
Absättigungsvennögen begabt als Gruppe (s. o.). Ob das Verhältnis ein beständiges
war, haben wir nicht weiter untersucht.
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458
Kbuse, Rittershaüs, Kemp und Metz:
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Tabelle V. Serum B (Flexner) 1 * * , abgesättigt mit:
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Tabelle VIb. Serum B (Flexner)’, abgesättigt mit:
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Tabelle VIc. Serum B (Flexner) 4 , abgesättigt mit:
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i 200
40 ,
— 40
1 Die beigegebenen Zahlen I und II bedeuten, daß im ersten Falle Serum 19
und im zweiten Serum 20 der Tabelle III (dasselbe Serum, das 8 Monate gelagert
hatte) — beide unverdünnt — benutzt wurden.
8 Das Serum stammt von demselben Tier, das in der Tabelle III als Nr. 21
geführt wird, wurde aber schon nach der 1. Einspritzung geprüft. Absattigung in
20facher Verdünnung mit je 2 Kulturen.
s Nr. 21 der Tabelle III ist 20 fach verdünnt und zweimal mit je einer Kultur
abgesättigt.
4 Nr. 21 der Tabelle III (20 fache Verdünnung) und dreimal mit je einer schwach
ent wickelten Kultur abgesättigt.
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Dysenterie und Pseudodysentekie.
459
Tabelle Vlla.
Serum C (Bernbürg) 1 , abgesättigt mit:
Geprüft auf
Breidenbach
Bernburg
Vor der
Absättigung
Breidenbach
I nach der nach der
1. Absättigung 2.Absättigung
500 l ; -40 —40
1000 |l 200 200
Tabelle VIIb.
Serum C (Bernburg)*, abgesättigt mit:
Geprüft auf: Abgang 1
Breiden¬
bach
Gruppe
Flexner
Klinik
Bernburg
10 000
f 2000
(5000)
(5000)
500
Klinik
1 10000
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•
500
Breidenbach
5000
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*
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Flexner
2 000
•
•
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Elise
|| 5 000
i
•
•
Elise
5000
—200
Absättigungsversuche im Serum C (Bernburg Nr. 28 und 24 der
Tabelle 111) ergaben (Tabelle VII a und b) nur ein sehr schwaches Binde¬
vermögen für die Kultur Breidenbach, Gruppe (A) und Fleiner (B). Die
ungenügende Absättigung des Serums durch seine zugehörigen Kulturen
(Bemburg und Klinik) erklärt sich aus seiner Hochwertigkeit. Zur voll¬
ständigen Absättigung wären mehr Bazillen oder eine stärkere Verdünnung
notwendig gewesen. Daß sie unter diesen Umständen möglich war, be¬
weisen uns andere Versuche.
Die Hauptagglutinine der übrigen Sera D, E usw. werden von den
Stämmen A, wenn überhaupt, nur noch spurweise abgesättigt. Eine Aus¬
nahme macht nur wieder ein Versuch aus dem Sommer 1904, in dem zwei
Stämme von A auch das Serum Elise (E) fast vollständig absättigten.
Mehrere Wiederholungen des Versuches nach einem halben Jahre be¬
stätigten das nicht Es wird sich also wohl auch hier um einen Irrtum
gehandelt haben.
Pseudodysenterie B.
Zu dieser Rasse rechnen wir drei Kulturen („Flexner“, „Manila“,
„Amerika“), die sämtlich von Flexner teils an uns, teils an andere
nach Deutschland geschickt wurden und daher möglicherweise von einer
einzigen Kultur abstammen. Genau ist ihre Herkunft nicht mehr zu
ergründen, wahrscheinlich wurden sie aber von Flexner ebenso wie die
1 Nr. 28 der Tabelle III nach 8 monatlicher Lagerung (20 mal verdünnt).
* Nr. 24 der Tabelle III, 20 mal verdünnt.
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460
Kruse, Rittershaüs, Kemp und Metz:
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echte Dysenterie „Flexner“, von der wir früher berichtet haben (Kruse IT),
auf den Philippinen isoliert. Es scheint, daß diese unsere Rasse B mit
der Gruppe IV Hiss’, dessem „Harris“-Typus übereinstimmt, der außer auf
den Philippinen auch in Nordamerika gefunden wurde. In Deutschland
wurde diese Rasse, die man am ehesten als Pseudodysenterie
Flexner bezeichnen könnte, noch nicht mit Sicherheit aus
Ruhrfällen isoliert. Soweit wir sehen können, unterscheiden sich die
Kulturen, die man bei uns mit den Flexnerbazillen hat identifizieren
wollen, entweder durch die Agglutination von diesen oder durch das
Fehlen der Maltosevergärung und gehören wohl meist entweder zur
Rasse A oder D. Da das Studium der Pseudodysenterie noch in den
Anfangsgründen steckt, kann man aber natürlich das Vorkommen dieser
Rasse B auch für Europa noch nicht völlig ausschließen.
Als Haupteigentümlichkeit gibt Hiss für seine Stämme an, daß sie
Malz- und Rohrzucker, und zwar ersteren besonders schnell säuern. Das
trifft für unsere drei Stämme zu. Milchzucker wird nicht angegriffen,
Indol gebildet.
Was die Agglutination anlangt, so verhält sich Pseudodysen¬
terie B (Nr. X bis XII) nach dem Ausweis der Tabelle III in
allen Seris fast genau wie Rasse A; nur der Stamm Amerika wird
sehr häufig höher agglutiniert. Auch im normalen Serum zeigt er sieb
leichter agglutinierbar (s. o.). Unterschiede gegenüber A treten — wenn
man von der Maltoseprobe absieht, die bei A negativ auslallt — erst
bei der Absättigung zutage: B sättigt im Serum A die Agglutinine
für A nicht ab, während A das Serum B erschöpft. 1 Auch in den
übrigen Seris C, D usw. besitzt B nicht oder nur in ganz unbedeutendem
Grade die Fähigkeit, die Hauptagglutinine abzusättigen, auch in dem
Serum C nicht, obwohl er darin fast wie C selbst agglutiniert wird.
Pseudodysenterie C.
Zu dieser rechnen wir nur zwei Stämme, „Bernburg“ und „Klinik“,
von denen einer aus einem Ruhrfalle der Irrenanstalt Bernburg, der
andere aus einem vereinzelt gebliebenen Falle in der Bonner Be¬
völkerung gezüchtet worden ist. Vielleicht gehört hierher auch der leider
zu früh abgestorbene Stamm „Siewers“ aus der Bonner Irrenanstalt
(Kruse IV). „Bernburg“ vergärt Malzzucker, „Klinik“ nicht. Beide
greifen Rohrzucker langsam, Milchzucker gar nicht an und bilden Indol.
In ihrem Agglutiuations- und Absättigungsverhalten stimmen beide
Kulturen (Nr. XIII und XIV, Tabelle III) fast völlig überein (vgL z. B.
1 Die Beweise wurden schon oben im Text und in den Tabellen TV bis VI ire-
gegeben. Dort auch die scheinbaren Ausnahmen.
Gck igle
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Dysenterie und Pseüdodysentebie.
461
Tabelle III, IV und VII). Sie werden, wie schon bemerkt, vom Serum A ge¬
wöhnlich wie die Bazillen A beeinflußt, und Serum C agglutiniert auch um¬
gekehrt diese letzteren Bazillen fast oder ganz wie die eigenen. A vermag
Serum C unvollständig abzusättigen, C ist dagegen unwirksam im Serum A.
Die Bazillen B erreichten im Serum C auch annähernd dieselben Werte
wie die Bazillen C selbst, aber die letzteren zeigen im Serum B etwas
ungleiche Agglutinationen, ja lassen sie in älterem Serum (Nr. 20,
Tabelle III) fast vermissen. Gegenseitige Absättigung zwischen B und C
besteht nicht.
Nur in einzelnen andern Seris, z. B. Nr 43, Tabelle III, Nr. 47 (Elise)
und Nr. 52 (Oberwesel), (Konstantinopel A) wurden die Stämme C ziemlich
stark agglutiniert, und dem entsprechen auch die meist geringen Aggluti¬
nationswerte der Stämme D usw. im Serum C (Nr. 23, 24, 26). Nur die
Stämme E (Elise, Oberwesel) machen eine Ausnahme, da sie fast so stark
agglutiniert werden wie C selbst. Die Agglutinine für C abzusättigen,
sind sie trotzdem nicht imstande (Tabelle VIIb).
Pseudodysenterie D oder zweite Hauptrasse.
Von dieser Rasse standen uns anfangs nur vereinzelte Stämme ver¬
schiedenen Ursprungs zur Verfügung. Wahrscheinlich gehört hierher aber
die Kultur Löbermann (Kruse IV), die aus einem Falle der Irrenanstalt
gezüchtet wurde. Dann wurden aus sporadischen Fällen in der Stadt Bonn
die Kulturen „Alt“, „Höffelmeyer“, „Poliklinik“, „Schumacher“ gewonnen.
Erst die kleine Ruhrepidemie, die im Sommer 1905 in der städtischen
Bevölkerung und dem Husarenregiment herrschte, gab uns eine größere
Anzahl von hierhergehörigen Fällen an die Hand. Dazu kam dann später
noch der Bazillenträger aus derselben Epidemie, bei dem es uns ursprüng¬
lich nicht gelungen war, die Bazillen zu züchten, ferner einige vereinzelte
Erkrankungen, und schließlich erhielten wir von Oberstabsarzt Dr. Widen-
mannn in Potsdam eine weitere Kultur. 1 Wahrscheinlich war auch die
Epidemie, die Weber 1900 in der Anstalt Sonnenstein beobachtete, von
diesen Bazillen verursacht, das Krankenserum agglutinierte wenigstens
gerade unsere Kultur „Löbermann“ (Kruse IV). Es ist möglich, daß die
Hissscbe Gruppe II (Typus „Y“) mit unserer Pseudodysenterie D über¬
einstimmt. Mit Sicherheit können wir das aber nicht sagen, da wir über
keine Kultur aus Amerika verfügen.
Abweichend von der Darstellung Hiss’ können wir dem von diesem
Forscher als Hauptcharakter betrachteten Verhalten zu Malz- und Rohr¬
zucker keine ausschlaggebende Bedeutung zuweisen. Allerdings fanden
1 Neuerdings hat sich die Zahl der Falle von hier und auswärts weiter vermehrt.
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462
Kruse, Rittrrshaus, Kemp und Metz:
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auch wir bei der Mehrzahl unserer Kulturen keine Säurebildung in diese
Zuokerarten, aber „Alt“ und „Höffelmeyer“ machen eine Ausnahme.
Die Übereinstimmung unserer Kulturen — im ganzen etwa 16 bis 18
— ist aber vollständig in den agglutinierenden Seris, wie sich aus Tabelle ID
ergibt (Stämme XV bis XXV11, Sera 27 bis 40).
Die Absättigungsversuche bestätigen dieses Ergebnis, indem die Kul¬
turen gegenseitig ihre Sera erschöpfen (vgl. z. B. Tabelle VIII). Im Bf
sonderen haben wir das auch für die in den Zuckemährböden ab¬
weichenden Kulturen festgestellt. Die Agglutination zeigt auch noch eine
ziemlich enge Verwandtschaft zwischen den Hassen D einerseits und A
und B andererseits. Fast in allen Seris D werden nämlich die
Stämme A und B (I bis XII) ebenso hoch agglutiniert vie D
selbst. Umgekehrt zeigen sich freilich mehr oder weniger erhebliche
Unterschiede in den Seris A und B (Nr. 1 bis 22, Tabelle DI), aber
auch durchaus nicht in allen, sondern nur in einigen, besonder«
den älteren; und in Serum B anscheinend öfter als in A. Gegenseitige
Absättigung gelingt nicht.
Rasse C (XIII, XIV) wird durch Serum D und D durch Serum C
23 bis 26) nur schwach agglutiniert. Ebenso weichen mit vereinzelten
Ausnahmen die übrigen Stämme E usw. erheblich ab. Natürlich fehlt
dann auch die gegenseitige Absättigung.
Tabelle VIII.
Serum D (Fuhrmann) abgesättigt 1 mit:
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1 Nr. 38 der Tabelle III in 50facher Verdünnung.
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DY8ENTEBIE und Pseudodysentebie.
463
Pseudodysenterie E.
Hierher gehören 4 Kulturen unserer Sammlung, die wir im Laufe
der Jahre aus sporadischen Fällen von Ruhr in Bonn und anderen Städten
des Rheinlandes gezüchtet haben („Elise“, „Oberwesel“, „Löscher“, „Rons-
dorf“). Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie den Milchzucker langsam
säuren und die Milch in 8 bis 14 Tagen zur Gerinnung bringen. Gegen
Maltose und Saccharose verhielten sie sich anfangs verschieden. Später wurde
Milchzucker von allen vier langsam gesäuert Duval und Schorer,
Knox und Schorer in Amerika, Ohno in Japan scheinen ähnliche
Kulturen („dysenterieähnliche Bazillen A bis C“) in Händen gehabt haben.
Die Agglutinatiousverhältnisse (Kulturen XXXII bis XXXY und Sera
45 bis 52 Tabelle UI) sind sehr ähnlich. Wenn sie manchmal nicht völlig
übereinzustimmen scheinen, so liegt die Ursache vielleicht daran, daß die
Kulturen eine starke und dabei wechselnde Neigung zur freiwilligen Agglu¬
tination zeigten, was die Beurteilung der Reaktion nicht gerade erleichterte.
Die Stämme E sättigen ihre Sera gegenseitig ab.
In Serum E werden die Rassen A, B und C unregelmäßig, manch¬
mal aber sehr stark agglutiniert, die übrigen Rassen wenig oder gar nicht
(Strong B und Wilz B). A sättigt aber niemals Serum E ab.
Umgekehrt werden auch die Stämme E in Serum A, B, C, nament¬
lich wenn es frisch ist, sehr kräftig, manchmal ebenso wie die zugehörigen
Stämmen beeinflußt. E hat in allen unseren späteren sehr sorgfältigen
Versuchen niemals die Agglutinine der Sera A für A abgesättigt; in
einigen früheren Versuchen, wo wir das verzeichnet haben, sind vielleicht
Beobachtungsfehler untergelaufen.
Auch in dem Serum D, Konstantinopel A, Wilz B und Strong B,
wurden die Stämme E gelegentlich stark agglutiniert, die gegenseitige
Absättigung blieb aber aus (s. aber unten bei Strong).
Pseudodysenterie F, G usw.
Außer den bisher beschriebenen haben wir noch eine ganze Anzahl
von Kulturen in Händen, die nicht mit ihnen und zum Teil auch nicht
miteinander übereinstimmen. Einige säuerten den Milchzucker, waren
aber von E und voneinander verschieden, agglutinierten wie gewöhnlich in
ihren Seris die Stämme A und B, wurden aber in deren Seris nicht
agglutiniert.
Zwei Kulturen (Rasse F), „Diedrich“ und „Bücking“ (XXVIII und
XXIX, Serum 41 und 42), die wir in demselben Sommer 1905, wo wir die
Epidemie D beobachteten, aus zwei nicht zusammenhängenden Ruhrfällen
züchteten, erwiesen sich in allen ihren Eigenschaften, in ihrem negativen
Verhalten zu Milch und Milchzucker, bei der Agglutination in eigenen und
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464 Keuse, Rittebshaus, Kemp und Metz:
fremden Seris, auch bei der gegenseitigen Absättigung als gleich. Sie
zeigten manche Verwandtschaft mit A bis D, unterschieden sich aber auch
wieder, namentlich bei der Absättigungsprobe.
Zwei andere Stämme, Konstantinopel A und B (XXX, XXXL
Serum 43, 44), die uns von Deycke aus Konstantinopel als „Flexner"-
Kulturen zugegangen waren, ähnelten sich insofern, als sie Milch- und Rohr¬
zucker nicht, Malzzucker langsam säuerten. Die erste Kultur zeichnete
sich dadurch aus, daß sie außerordentlich leicht auch schon in normalem
Serum, aber zu Anfang wenigstens nicht freiwillig agglutinierte. So er¬
reichte sie in ihrem eigenen Serum nach der ersten Einspritzung Werte von
50000 bis 100000, während das Serum Konstantinopel B erst nach langer
Behandlung ebenso hochwertig wurde. Untereinander scheinen sie, nach
Tabelle III zu urteilen, nicht gleich zu sein, hatten aber offenbar größere
Verwandtschaft zueinander, als zu anderen Kulturen. Konstantinopel B
war freilich nicht imstande, das Serum Konstantinopel A (Tabelle EX) er¬
heblich oder gar vollständig abzusättigen, wie sich später in der Gegen¬
probe herausstellte, besaß hingegen Konstantinopel A diese Eigenschaft
im Serum Konstantinopel B. Beziehungen bestanden auch zu den
anderen Rassen, insofern deren Sera die beiden Stämme aus Konstantinopel
agglutinierten. Die Werte, die für Konstantinopel A in Tabelle III an¬
gegeben sind, übertreffen allerdings die in normalen Seris erhaltenen
nicht bedeutend. Auch ein gewisses Absättigungsvermögen besaß im
Serum Konstantinopel A namentlich die Kultur Flexner (Tabelle IX).
Tabelle IX.
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
465
Der Stamm Strong (von den Philippinen), der früher keinerlei
Zucker erheblich vergärte, dann aber, wie wir schon oben berichtet,
unter unseren Händen ein starkes Säuerungsvermögen gewonnen hatte, und
der Stamm Wilz, der ursprünglich zur Basse A zu gehören schien und
ähnliche Veränderungen durchmachte, zeigten später auch bei den Agglu-
tinations- und Absättigungsproben gleiche Eigenschaften (Strong B und
Wilz B). Ihre Abtrennung zu einer besonderen Rasse ist nötig, was auch die
verschiedensten Forscher (Hiss, Knox und Schorer), die noch mehrere
entsprechende Kulturen gezüchtet haben, erkannten. Sie agglutinierten
(XXXVI, XXXVII) in allen anderen als ihren eigenen Seris (Serum 53 und
54 der Tabelle III) fast gar nicht, beeinflußten aber in diesen letzteren die
Bassen A und B (Stämme I, IX und X) und E (XXXII bis XXXV) fast
so stark als sich selbst. Bei der Absättigungsprobe ergab sich zuerst das
auffallende Resultat, daß allein die Kultur Elise (XXXII) die Sera Wilz
und Strong völlig abzusättigen vermochte. Später, als die Probe wieder¬
holt wurde, war davon nicht mehr die Rede, es hat sich also möglicher¬
weise um einen Irrtum gehandelt. Bei diesen letzten Proben zeigte sich
das Serum Wilz B in der Weise verändert, daß es die Agglutination nur
sehr langsam im Laufe von 7 bis 20 Stunden vollzog. Dementsprechend
wurde auch die Absättigung in seinem eigenen Serum erst wirksam, wenn
die Bazillen lange mit dem Serum in Berührung blieben.
Präzipitinbildung.
Die Dysenterie- und Pseudodysenteriesera enthalten auch Präzipitine.
Wir haben uns nicht näher mit ihnen beschäftigt, da die Reaktion eine
ziemlich grobe ist. Nach Eisenberg ist sie übrigens spezifisch.
Prüfung der Serum-Bakterizidie.
Unsere agglutinierenden Sera besitzen fast alle auch bakterizide Kräfte,
wir benutzten zu unseren Versuchen aber ausschließlich solche Immunsera
die durch längere Behandlung von Tieren gewonnen worden waren. Zu¬
nächst versuchten wir die Bakterizidie der Sera gegen die einzelnen Bak¬
terienrassen im hängenden Tropfen durch die unmittelbare Beobachtung
der Bakteriolyse zu bestimmen (vgl. Kruse VI). Es gelingt dies auch,
aber nur bis zu einem gewissen Grade, da man größere Bakterien¬
mengen anwenden muß, und dann die Agglutination stört. Außerdem be¬
kommt man auf solche Weise keine Zahlenwerte, die eine unmittelbare
Vergleichung ermöglichen. Wir mußten deswegen wieder zu dem alten
Verfahren der Reagensglaskultur mit dünner Einsaat zurückgreifen und
gelangten so nach verschiedenem Probieren zu einer Methode, die der von
M. N eisser und Wechsberg angegebenen ähnelt.
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Kbuse, Rittebshaus, Kemp und Metz:
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In kleine Reagensröhrchen wurde 1 “ m Kochsalzlösung gegeben,
dazu kamen 2 Tropfen Bouillon, — ohne welchen Zusatz die Proben eigen¬
tümlich unregelmäßig ausfallen — als Komplement ein oder ein Bruchteil
eines Tropfens frischen oder auf Eis aufbewahrten 1 * 3 * Meerschweinchenserums*.
als Ambozeptor ein Tropfen der Immunsernmverdünnung (in Kochsalz¬
lösung) und als Einsaat ein Tropfen einer Kulturverdünnung, die dadurch j
hergestellt war, daß ein Tropfen frischer Bouillonkultur mit 1 Röhrchen
Bouillon vermischt wurde. Die mit den verschiedenen SerumverdünnuDgen
und Bazillen beschickten Röhrchen wurden 2 Stunden im Wasserbad bei
37° gehalten und dann mit verflüssigtem Agar vermischt, soweit angängig,
im Oanzen zu Platten ausgegossen, auf denen nach 24 Stunden in der
bekannten Weise (mittels Plattenmikroskops) die Kolonien gezählt wurden.
Kontrollen wurden gegossen von je einem Röhrchen, das nur die Einsaat, j
aber kein Normal- und Immunserum enthielt, und zwar sofort und nach '
2 Stunden, ferner von einem anderen, das nur Normalserum, kein Immun¬
serum enthielt.
Dysenterie und Dysenterie-Immunserum.
Als solches wurde ein älteres Eselserum 8 benutzt, dasselbe, das uns
gewöhnlich zur Agglutination diente und das auch als Heilserum zur Ver* j
wendung kam.
In Tabelle X geben wir zunächst einige Versuche wieder, die den
Einfluß der Höhe der Einsaat und der Dauer der Bebrütung
anzeigen. Man sieht daraus, daß innerhalb gewisser ziemlich weiter
Grenzen (von der J / 2 fachen bis mindestens zur 25 fachen der gewöhnlichen
Einsaat) die Verdünnung, in der das Immunserum wirksam ist, die gleiche
bleibt (1/20000), und daß sie erst bei 200facher Einsaat erheblich schwächer
ist (1/2000). Die Intensität der Wirkung (das Verhältnis der über¬
lebenden zu den eingesäten Keimen) bleibt sich ungefähr gleich. Nach
einer halben Stunde ist die bakterizide Wirkung bei der gewöhnlichen Ein¬
saat noch nicht zu erkennen, sehr deutlich nach 2 Stunden und vollendet
nach 6 Stunden.
Über den Einfluß verschieden großer Komplementmengen .
kann man aus den folgenden Tabellen einiges entnehmen, so schon aus \
1 Bewahrt einige Tage seine Kraft. Auch frisches Menschen-, Esel- oder Pferde¬
serum ist brauchbar. Mit Kaninchenserura haben wir nicht gearbeitet
s In der folgenden Tabelle NS = Normalserum. l /«o bedeutet 1 Tropfen. 1
einen halben Tropfen nsw. In Klammer ist der Tag der Blutentnahme angegeben.
3 Gewöhnliches Esel- und Pferdeserum enthält nur ganz geringe Mengen Amt»
zeptoren für unsere Kulturen, ebensowenig andere Immunsera (Typhus, Diphtherie usw- 1 -
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Tabelle Xa.
10. III. Eselscrum Dysenterie. (Kultur Dysenterie.) Aussaat 1 = Vao cc,n Bouillonkultur in lO ccm Bouillon,
davon V 2 o ccm > NS (vom 8. III.) */ 40 ccm .
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Tabelle XI. In XI a), wo das Normalserum ( l / 20 ) allein schon ziemlich
kräftig bakterizid wirkt, ist der Wirkungsbereich des Immunserams am
breitesten (Vsoooo bis V2000000) un< i die Wirkung selbst am stärksten; in
Xlb) (NS V40) i st die Wirkungszone auf Vaoooo bis V200000 beschränkt, die
Wirkung aber noch sehr kräftig; in XIc) (NS Vbo) wird die Wirkung schon
schwächer. Möglicherweise erklärt sich die geringere Breite des Wirkungs¬
bereichs, die in Tabelle Xa) gefunden wurde (Vboooo)» aus der Schwäche
des dort benutzten komplementierenden Serums.
Weitere Beispiele über den Einfluß der Komplementmengen auf
Dysenteriebazillen finden sich in Tabelle XIII a) und b), XIV a) und b',
auf Pseudodysenteriebazillen in allen Tabellen und besonders in XII d)
XII e).
Überall, wo das Serum überhaupt eine stärkere Kraft äußert, macht sich
in den schwächsten Verdünnungen die sog. Komplementablenkung, die
man vielleicht besser Konzentrationswirkung nennen könnte, bemerkbar.
Aus Tabelle XI sieht man, daß unser Dysenterieserum außer auf
Dysenterie selbst eine starke bakterizide Wirkung nur auf Pseudodysen¬
terie D (Kultur Braun) ausübt. Die Rassen A, B, C werden nur kümmer¬
lich beeinflußt, wie sich auch daraus ergibt, daß bei zu hohem Komplement¬
gehalt des Normalserums [XIa) bis c)] kaum eine Komplementablenkung
eintritt, während das bei Verwendung anderer Immunsera oft das einzige
Zeichen ihrer Wirkung ist.
Wir wollen hier aus den anderen Tabellen gleich vorwegnehmen, daß
die Dysenteriebazillen ihrerseits im Pseudoserum A gar nicht, in D
schwach, aber in B ziemlich stark beeinflußt werden. Ob man aber
hieraus eine Regel entnehmen darf, möchten wir dahingestellt sein lassen.
Es wäre wohl nötig, erst von jeder Sorte mehrere Sera zu untersuchen.
Pseudodysenterie A und sein Serum.
Die Tabelle Xlla), b) und i) zeigt, daß im bakteriziden Serum A
(Breidenbach) die Stämme B (Flexner) und C (Bernburg) ungefähr in
gleichen Verdünnungen wie A (Breidenbach) beeinflußt werden, der
Stamm D (Braun) etwas schwächer und die Stämme E und F, sowie die
echte Dysenterie gar nicht — ein ähnliches Verhalten, wie wir es bei der
Prüfung der Agglutination gefunden.
Die einzelnen Stämme der Rasse A verhalten sich nach Tabelle XIIe)
und i) ziemlich gleich, nur „Paralyse“ weicht anscheinend erheblich aK
Um zu sehen, ob die Unterschiede der Stämme etwa mit ihrem ver¬
schiedenen Widerstand gegen das Normalserum Zusammenhängen, haben
wir die Probe mit atidereu Komplementzusätzen (bzw. mit älteren uni
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NS (v. 8. II. 06.) Eselserum Dysenterie. 1. Versuch am 4.II. 06.
Tabelle XIa.
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
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Kruse, Rittebshaus, Kemp und Metz:
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schwächeren Normalseris) in Tabelle Xlle) bis k) wiederholt, und es
zeigte sich dabei in der Tat, daß die Unterschiede dabei im wesentlicheu
verschwinden, nur bei „Paralyse“ nicht. Es wundert uns das nicht, da
diese Kultur auch in anderer Beziehung zu der Zeit des Versuchs Ab¬
weichungen darbot, die wir auf eine Entartung oder Variation im Laufe
der künstlichen Züchtung zurückführen möchten. Jedenfalls wird
man künftig, wenn man Unterschiede in bakteriziden Ver¬
suchen feststellt, nicht daraufhin ohne weiteres auf Ver¬
schiedenheit der Stämme schließen, sondern die Versuche mit
anderen Komplementzusätzen wiederholen müssen.
Der Stamm A wurde auch in den fremden Seris ähnlich wie der
nächstverwandte B beeinflußt, d. h. in Dysenterieserum sehr schwach, in
B- und D-Seris sehr stark. Daß er aber verschieden von B ist, zeigte sich
auch hier bei der Absättigungsprobe. Nach Einträgen reichlicher
Mengen der Bazillen B, C, D in das 50 mal verdünnte A-Serum ging
nämlich die Bakterizidie desselben für die entsprechenden Stämme B.
C, D verloren, aber nicht für A. Nur Absättigung mit A selbst beseitigte
sämtliche bakteriziden Kräfte des Serums A.
Wir sind der Ansicht, daß dieser vollständige Parallelismus
in dem Verhalten der vier Pseudodysenteriestämme bei der
Prüfüng in agglutinierenden und bakteriziden Seren darauf
hinweist, daß die gewöhnliche Ansicht, nach der Agglutinine
und bakterizide Immunkörper voneinander ganz unabhängig
sind, doch nicht zu Recht besteht. Natürlich kennen wir die Tat¬
sachen, die zu jener Ansicht geführt haben, sehr wohl und haben sie
auch schon lange selbst beobachtet, aber angesichts des obigen ent¬
schieden doch nicht zufälligen Ergebnisses fragen wir, ob nicht eine
andere Erklärung für die ebenso zweifellosen Unstimmigkeiten gesucht
werden muß. Sind etwa die agglutinogenen und lysogenen Bindegruppen
(Rezeptoren) der Bakterien identisch, aber die zu ihnen passenden
Gruppen der tierischen Zellen, die Agglutinine oder bakteriolytische
Ambozeptoren liefern, je nach der Tierart in verschiedenen Verhältnissen
vorhanden und mit verschiedener Verwandtschaft und Widerstandskraft
ausgestattet?
Pseudodysenterie B und sein Serum.
Tabelle XIII a und b gibt die bakteriziden Verhältnisse im Serum B
(Flexner) wieder und zwar bei wechselndem Komplementzusatz. Die
Stämme A und B sind wieder sehr stark beeinflußt, C und D schwächer,
auffallenderweise auch die echte Dysenterie in erheblichem Grade.
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Dysentebie und Pseudodysentebie.
475
Der Stamm B wird, wie wir gesehen, im Dysenterieserum sehr wenig,
im Pseudoserum A so stark wie A selbst, im Serum D auch sehr erheblich
abgetötet.
Pseudodysenterie C, E, F usw.
Das Serum dieser Rassen wurde nicht auf Bakterizidie geprüft. Der
Stamm C (Bernburg) wird im Serum A (Tabelle XII) wie A selbst, im
Serum B (Tabelle XIII) und D (Tabelle XIV) stark, im Dysenterieserum
(Tabelle XI) mäßig beeinflußt. Die Stämme E (Elise) und F (Diedrich)
unterliegen im Serum A (Tabelle XII h und i) nur einem sehr geringen
bakteriziden Einflüsse.
Pseudodysenterie D und sein Serum.
Aus Tabelle XIV (a, e bis g) folgt, daß sämtliche D-Stämme im
eigenen Serum am stärksten und ziemlich gleich beeinflußt wurden, wenn
man ihrer verschiedenen Empfindlichkeit gegenüber dem Komplementzusatz
Rechnung trägt. Auch die Rassen A bis C wurden von diesem Serum
kräftig angegriffen, weniger die Dysenterie.
In den fremden Seris wird D mehr oder weniger stark geschädigt,
auch im echten Ruhrserum.
Diese bakteriziden Versuche sind zwar nicht so zahlreich wie die
Agglutinationsprüfungen, bestätigen aber die aus diesen gezogenen Schlüsse,
soweit sie die Verschiedenheit der von uns aufgestellten Rassen
betreffen. Die Behauptung Ohnos, es lasse sich auf Grund der Bakterizidie
nicht einmal eine strenge Scheidung der Dysenterie von der Pseudodysenterie
durchführen, steht damit in Widerspruch. Wenn man sich freilich seine
Tafeln ansieht, so entsprechen sie nur mit wenigen Ausnahmen unseren
eigenen, doch scheint Ohno nicht mit so hochwertigen Seris gearbeitet
zu haben. Ob die Ausnahmen sich hier vielleicht auch noch erklären
ließen, können wir nicht beurteilen, da Ohno keine genauen Zahlen,
sondern nur die Endergebnisse mitteilt. Ein Grund des Irrtums ist
vielleicht der Umstand, daß Ohno stets einen und denselben Kom¬
plementzusatz benutzt hat. Wenn Ohno ferner Unterschiede zwischen
den Mitgliedern eines und desselben Typus gefunden hat, so wundert uns
das gar nicht, denn der japanische Forscher hat seine Typen aufgestellt
nach dem Verhalten der Bazillen zu den Zuckernährböden, und so be¬
kommt man allerdings keine Gruppen, die sich den Serumproben gegenüber
einheitlich verhalten.
Versuche, die „opsonische“ (bakteriotrope) Kraft des Immunserums
zur Unterscheidung der Ruhrbazillen zu benutzen, haben wir bisher nicht
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Kbuse, Rittebshaus, Kemp und Metz:
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machen können, wir zweifeln aber nicht daran, daß auch die Opsonine
sich dazu eignen. Daß sie in Ruhrserum vorhanden sind, ist sicher.
Ebenso ist es uns aus äußeren Gründen nicht möglich gewesen, den Tier¬
versuch in der umfassenden Weise, wie es nötig wäre, zu demselben
Zwecke zu benutzen, d. h. einerseits die gegenseitige Schutzkraft der
verschiedenen Sera zu erproben, andererseits aktiv immunisierte Tiere
durch Impfung mit den verschiedenen Rassen auf die Probe zu stellen.
Wir verfügen in beiden Beziehungen nur über wenige Versuche an Meer¬
schweinchen. Sie scheinen zu beweisen, daß das Immunserum der
Dysenterie nicht gegen die Pseudodysenterie und umgekehrt
schützt, daß ferner aktiv gegen die eine Rasse oder Abart
immunisierte Tiere nicht gefestigt sind gegen andere Rassen.
Die ersteren Versuche wurden in der bekannten Weise vorgenommen, die
aktive Immunisierung in der Weise vollzogen, daß die Tiere intraperitonal
zunächst mit abgetöteten, dann mit lebenden Bazillen behandelt wurden,
um 4 Wochen später zugleich mit Kontrollen eine sicher tödliche Gabe
von Bazillen zu erhalten. Wir führen die 20 bis 30 Versuche hier nicht
im einzelnen an, weil die Zahl, wie gesagt, noch nicht dazu ausreichend
ist, die Frage endgültig zu entscheiden. Gegenseitig geprüft wurdeu
übrigens bisher nur echte Dysenterie, Pseudodysenterie A, D und E.
Beständigkeit der Art- und Rassenmerkmale.
Epidemiologie der Ruhr.
Haben nun die Unterschiede zwischen der Dysenterie und der Pseudo¬
dysenterie und die zwischen den einzelnen Rassen der Pseudodysenterie
nur ein wissenschaftliches oder auch ein praktisches Interesse? oder wird
gar das erstere noch dadurch beeinträchtigt, daß die einzelnen von uns
unterschiedenen Formen ganz unbeständig sind und regellos ineinander
übergehen? Auf die praktische Seite der Frage werden wir später bei Be¬
sprechung der Diagnose an Lebenden noch Gelegenheit haben, näher ein¬
zugehen. Sie hängt innig zusammen mit der Frage nach der Beständig¬
keit der Art- und Rassenmerkmale unserer Bazillen, und dieser mögen hier
einige Bemerkungen gewidmet sein (vgl. Kruse X). Voranzustellen ist die
Tatsache, daß unsere Kulturen ihre Merkmale, namentlich so weit die
Agglutination in Betracht kommt, der wir ja am längsten unsere Aufmerk¬
samkeit gewidmet haben, im wesentlichen seit Jahren unverändert erhalten
haben. Auf die Ausnahmen kommen wir später zurück.
Zweitens ist hervorzuheben, daß wir bisher von derselben Person
nur Stämme derselben Rassen gewonnen haben. Dies gilt nicht nur für
die Fälle, bei denen wir uns auf die Untersuchung einer Stuhlprobe be-
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
477
schränken mußten, sondern auch für die, welche wir zu wiederholten
Malen prüfen konnten. Ja, bei unserem einen Bazillenträger konnten
wir die gleiche Rasse im Laufe von 6 Monaten zu wiederholten Malen
aus dem Stuhl züchten. Dabei muß bemerkt werden, daß wir ganz ge¬
wöhnlich eine Reihe von Stämmen von einer und derselben Platte ab¬
stachen und so lange weiter züchteten, bis ihre genaue Übereinstimmung
durch die Agglutinations- und oft auch durch die Absättigungsprobe fest¬
gestellt war.
Drittens — und das ist wohl das Wichtigste, gehörten die in einer
und derselben Epidemie gefundenen Stämme regelmäßig zu derselben
Rasse oder Art. Zunächst denken wir dabei an die große Epidemie echter
Dysenterie, die der eine von uns 1900 in Laar studieren konnte, dann
an verschiedene kleinere ebensolche Epidemien an anderen Orten. Eine
von diesen konnten wir in nächster Nähe, nämlich 1904 im hiesigen
Husarenregiment beobachten. Die Entstehung dieser Epidemie, die für
Bonn etwas ganz Neues darstellte, ließ sich, wie so oft, nicht genau fest¬
stellen. Meines Erachtens ist nicht ausgeschlossen, daß sie ihren Ursprung
außerhalb auf einem Truppenübungsplatz gehabt hat. In der Stadt kamen
uns sonst nur Fälle von Pseudodysenterie zu Gesicht; da unser Beob¬
achtungsdienst damals aber noch nicht so, wie er sollte, eingerichtet war,
besteht freilich die Möglichkeit, daß uns Fälle von echter Dysenterie in
der städtischen Bevölkerung entgangen sind. Sonst haben wir im Laufe
der Jahre in Bonn — außerhalb des Instituts — nur einen Fall echter
Dysenterie gesehen, dessen Quelle nicht aufgeklärt wurde, und einen
zweiten, der aus Barmen ein geschleppt war.
Im Gegensatz zu dem massenhaften Vorkommen der Dysenterie im
Iudustriebezirk und dem seltenen bei uns steht die verhältnismäßige
Häufigkeit der Pseudodysenterie in Bonn. Bei weitem die meisten unserer
Pseudokulturen haben wir ja hier gezüchtet. Recht bemerkenswert
ist aber ihre Verteilung: Ein großer Teil stammt aus der Bonner
Provinzial-Irrenanstalt; fast alle von diesen gehörten der Rasse A an,
sie wurden seit dem Jahre 1900 bald vereinzelt bald gehäuft beobachtet.
Umgekehrt waren die meisten außerhalb der Anstalt gefundenen Pseudo¬
stämme Vertreter der Rasse D. In früheren Jahren kam sie uns nur
selten zu Gesicht, im Jahre 1905 in epidemischer Form. Die Epidemie
befiel sowohl die bürgerliche Bevölkerung als das Husarenregiment. Ein
Zusammenhang war also diesmal wahrscheinlich. Wenn so die Regel
klar zutage liegt, so hat sie doch auch Ausnahmen. So hatte einer der
1904 befallenen Husaren im Stuhl nur den Pseudodysenteriebacillus D.
und einer der 1905 befallenen den Bacillus F. Auch in der Irrenanstalt
wurden im Laufe der Jahre hin und wieder andere Formen als A beob-
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Kbuse, Rittebshaus, Kemp und Metz:
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achtet, so schon 1900 die Kultur „Löbermann“ (D?) und „Siewers“ (Cr'.
Ebenso kamen im Sommer 1905 unter den Fällen der Kinderpoliklinik,
die wir zu untersuchen Gelegenheit hatten, neben der vorherrschenden
Form D auch andere Rassen (A und F) vor.
Im Gegensatz zu unseren Erfahrungen scheinen die mancher anderer
Forscher zu stehen. So haben insbesondere Knox und Schorer, die
in einem Kinderkrankenhaus in Baltimore arbeiteten, in 13 Fällen, d. h.
in einem sehr bedeutenden Prozentsatz, mehrere Rassen von einem ur,d
demselben Kranken gewonnen. Und zwar fanden sie
in 2 Fällen Dysenterie und Pseudodysenterie Typus IV (Hiss = BP)
.,8 „ Dysenterie und Typus II (= D?)
,, 5 „ Typus II (D?) und IV (B?)
,, 2 „ drei Rassen, nämlich Dysenterie, II (D?) und IV (BP)
,, 1 Falle sogar fünf Rassen, Dysenterie, II (DP), III (StrongP), IV (BP
und ihre „Bazillen B“ (= EP).
Allein vorhanden war Dysenterie 4mal, Typus II 14mal, III einmal.
IV 6mal, B 2mal. Dazu sind zu rechnen 11 Fälle, wo Ruhrbazillen
(nicht angegebener, aber anscheinend bestimmter Art) mit Streptokokken
zusammen vorkamen. In dem vierten Teil der Fälle bestand also eine
gemischte Infektion. Wie soll man sich das Ergebnis erklären? Daß
die amerikanischen Forscher gründlicher untersucht hätten als wir, möchten
wir nicht annehmen. Näher liegt die Vermutung, daß die Ruhrinfektionen
in den großen amerikanischen Städten in der Tat häufiger als bei uns
Mischinfektionen sind. Zu denken wäre auch an die Möglichkeit, daß in
dem Krankenhaus selbst diese Mischinfektionen zustande gekommen wären.
Schließlich wissen wir nicht, ob nicht manche dieser Mischfalle dadurch
vorgetäuscht worden sind, daß sich Knox und Schorer vielleicht zu sehr
auf die Zuckernährbodenproben verlassen und nicht immer die einzelnen
Stämme durch Agglutination und Absättigung identifiziert haben. Wie
dem auch sei, so viel scheint uns von vornherein klar, daß in großen
Städten Feststellungen, wie wir sie die Einheitlichkeit der Epidemie betreffend
gemacht haben, nicht so leicht möglich sind. Da können Dysenterie- und
Pseudodysenterieepidemien so ineinander übergehen, daß sie sehr wohl nicht
zu isolieren sind. In gewissem Grade haben wir das ja in unserem viel be¬
schränkteren Beobachtungsgebiet, d. h. in der Stadt und sogar in der Irren¬
anstalt erfahren müssen. Wir stellen uns vor, daß die Pseudodysenterie¬
bazillen in ihren verschiedenen Rassen sehr viel verbreiteter sind, als man
bisher angenommen hat, und als wir nach der Zahl unserer positiven Be¬
funde zu schließen berechtigt sind. Da kommen nicht nur die Fälle ruhr¬
artiger Erkrankungen in Betracht, bei denen die bakteriologische Unter¬
suchung wegen der Mangelhaftigkeit unserer Methode oder des zu prüfenden
Gck igle
Original fram
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
DySENTEBIE UND PsEUDODYSENTEBIE.
479
Materials ergebnislos bleibt, sondern auch eine große Anzahl von leichten
Ruhrfällen oder Diarrhöen, die nicht einmal ärztlich behandelt, geschweige
denn bakteriologisch geprüft werden, schließlich noch die „Bazillenträger“,
d. h. diejenigen, die früher eine Ruhr durchgemacht, aber die Bazillen
noch nicht verloren haben, wie der von uns mehrfach untersuchte Soldat,
und die, welche, ohne jemals, d. h. in absehbarer Zeit und in nachweis¬
barer Weise erkrankt gewesen zu sein, doch Bazillen in ihrem Darm zeit¬
weise oder dauernd beherbergen („primäre Bazillenträger“). Über die
Verbreitung dieser beiden Gruppen von Bazillenträgern können wir leider
noch wenig sagen, obwohl wir aus epidemiologischen Gründen sie als nicht
gering ansehen möchten. Wir selbst haben nur den einen Fall beobachtet,
trotzdem wir seit 6 bis 7 Jahren bei unseren recht zahlreichen Stuhlunter¬
suchungen auf ruhrartige Bazillen jeder Art mit Sorgfalt gefahndet
haben. Auch wird fast allgemein über erfolglose Bemühungen berichtet.
Einige wenige Forscher sind aber glücklicher gewesen, so Duval (in
Flexuers Sammelforschung S. 126), Jehle und Charleton, die je
2mal bei gesunden Kindern Pseudobazillen gezüchtet haben, und nament¬
lich Ford, der dergleichen Bazillen sogar in 10 von 50 Leichen, teils im
unteren, teils im oberen Darm oder Magen gefunden hat. Wenn wir
auch von vornherein glauben möchten, daß diese Zahlen nicht für unsere
hiesigen Verhältnisse gültig sind, da bei uns die Ruhr nicht die gleiche
Rolle zu spielen scheint wie in Amerika, so hat eine sorgfältige Nach¬
prüfung durch M. Wollstein (in Flexuers Sammelforschung S. 198) an
24 Leichen, die allerdings sämtlich jungen Kindern angehörten, wesent¬
lich andere Ergebnisse geliefert. Nur in drei Fällen fanden sich Pseudo¬
dysenteriebazillen und bei diesen waren sowohl in den Leichen deut¬
liche Zeichen von Dickdarmkatarrh vorhanden, als auch während des
Lebens Darmerscheinungen beobachtet worden. Diese bisher nur spär¬
lichen Funde dürfen uns nicht abschrecken, weiter nach den Bazillen zu
suchen. Erleichtert wäre das sehr, wenn es gelänge, ein Anreicherungs¬
verfahren für sie zu finden. Bei dem jetzigen Zustand der Unter¬
suchungsart, wo sogar die Feststellung der Bazillen in unzweifelhaften
Fällen von Pseudodysenterie so oft mißlingt (s. u.), dürfen wir uns kaum
über die mangelhaften Erfolge, die wir bei Gesunden hatten, wundern.
Die Notwendigkeit, die epidemiologischen Zusammenhänge und gleich¬
zeitig die bakteriologischen Befunde zu erklären, führt uns zwar zu der
Vermutung, daß die Pseudodysenterie-, in geringem Maße wohl auch
die Dysenteriebazillen nicht so selten sich auch im gesunden Darm auf halten
können; außerdem wäre es aber vielleicht auch nicht ausgeschlossen, daß sie
auch in der Außenwelt zu leben vermöchten. Die Pseudobazillen scheinen
uns dazu ihren Eigenschaften nach besser geeignet zu sein als die Dysenterie-
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480
Kruse, Rittershaus, Kemp und Metz:
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bazillen, weit weniger aber als die Paratjphusbazillen, die man ja geradezu
als Fleischparasiten bezeichnen darf. Die Verbreitung durch Nahrungs-
mittel ist allerdings erst noch besser zu beweisen (vgLJehle uiii
Charleton). Bei einigen Ruhrfallen ließen uns die übrigen Erklärungen
so vollständig im Stich, daß wir geneigt sind, an die Möglichkeit der
Selbstinfektion zu glauben (vgl. Kruse X). Als Gelegenheitsursache
wären Durchfalle, Erkältungen u. dgl. anzusehen, Einflüsse, die mau
schon seit lange als Ursache der Ruhr beschuldigt. Soviel ist uns nach
unseren Beobachtungen sicher, daß viele solcher sporadischen Fälle nichts
weiter als Pseudodysenterien sind.
Bemerkenswert ist in dieser Beziehung, daß wir neuerdings auch in
einem Falle von urämfscher Ruhr, der uns von Hrn. Oberarzt Dr. Ko.i
in Barmen zur Untersuchung überwiesen wurde, ebenfalls Pseudodysenttrie-
bazillen fanden, ein Beweis, daß man mit der Annahme einer
rein toxischen Form der Ruhr ebenso vorsichtig sein sollte,
wie mit der einer nicht infektiösen sporadischen Ruhr.
Wenn wir auch der Überzeugung sind, daß mau im allgemeinen die
Eigenschaften der Ruhrbazillen als beständig anzusehen hat, und daß die
Verschiedenheit des bakteriologischen Befundes auf eine Verschiedenheit der
Infektionsquelle deutet, so wollen wir damit nicht die Möglichkeit von
Abänderungen ganz leugnen. Kleine Unterschiede, wie die morphologischen
und kulturellen Merkmale, bei der Agglutination usw. können wir ja Ui
diesen wie bei allen anderen Bakterien täglich beobachten. Bei Besprechung
des Verhaltens der Pseudobazillen zu den Zuckernährböden
haben wir aber auch schon darauf hingewiesen, daß hier auch gewisse
Schwankungen Vorkommen. Besonders stark waren sie bei den Kulturen
„Strong“ und „Wilz“. Dieselben Stämme zeigten aber auch gleichzeitig
erhebliche Veränderungen ihrer Agglutinationsverhältnisse. Die Wandlung
erfolgte so schnell, daß wir von einer „Mutation“ sprachen. Mehr
allmählich scheint die Virulenzabschwächung, die Pseudoagglutinatn n
mancher Kulturen sich entwickelt zu haben, doch liegen auch hier viel¬
leicht plötzliche Variationen vor und bleiben uns bloß deswegen verborgen,
weil unsere Kulturen ja stets Massenkulturen sind, in denen die Ver¬
änderungen einzelner Keime durch die Beständigkeit der übrigen längere
Zeit verdeckt werden können. Ein weiteres Beispiel von Variabilität
betrifft die mehrfach erwähnte Dysenteriekultur Kräl, die ursprünglich doch
wohl aller Wahrscheinlichkeit nach typische Eigenschaften gehabt har.
aber unter dem Einfluß ungünstiger Züchtuugsbedingungen sehr wichtige
Merkmale der echten Dysenterie, nämlich die Fähigkeit, von spezifischem
Serum agglutiniert zu werden und die Agglutinine abzusättigen, verloren,
ferner an Virulenz und Aggressivität außerordentliche Einbuße erlitten
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
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hat und gleichzeitig freiwillig Häufchen bildet. Geben uns diese Bei¬
spiele von Variabilität nun aber ein Anrecht, darüber die Beständigkeit
der Merkmale, die sich sonst überall zeigt, unberücksichtigt zu lassen und
namentlich anzunehmen, daß jede beliebige Basse der Pseudodysenterie
zu beliebiger Zeit in jede andere übergehen könnte? Das wäre unseres
Erachtens bei dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse ganz willkürlich.
Es wird sich nur empfehlen, in den Laboratorien, wo wir die Kulturen
längere Zeit fortzüchten, auf Veränderungen genau zu achten, dabei aber
natürlich große Vorsicht gegenüber Verwechslungen u. dgl. walten zu lassen.
Über die Variabilität der Ruhrbazillen unter natürlichen Be¬
dingungen wissen wir noch gar nichts. Sichere Feststellungen in dieser
Beziehung sind hier ja auch sehr viel schwieriger. Immerhin scheint uns
eine Tatsache bemerkenswert: die aus sporadischen Fällen gezüchteten
Bazillen gehören auffallend oft gerade nicht den gewöhnlichen, sondern
selteneren Typen an oder sind ganz alleinstehende Formen. So ist es
denn wohl auch kein Zufall, daß die beiden Kulturen, die durch ihr
Verhalten zum Malzzucker vor den übrigen Stämmen der Rasse D sich
auszeichneten, von sporadischen Erkrankungen stammten. Es liegt nahe
zu vermuten, daß sie unter dem Einfluß besonderer Bedingungen durch
Abänderung aus den gewöhnlichen Rassen hervorgegangen sind. Daß
der längere Aufenthalt in einem gesunden Darm aber noch nicht mit
Notwendigkeit eine Abänderung herbeiführt, beweist uns der Befund eines
typischen Vertreters der Rasse D bei unserem Bazillenträger.
Zur Diagnose der Dysenterie und Pseudodysenterie.
Die Diagnose der Ruhrform am Lebenden oder an den Leichen
bietet zum Teil erhebliche Schwierigkeiten (vgl. Kruse H, IV, X). Ver¬
hältnismäßig leicht pflegt sie bei den echten Dysenterien zu sein. Schon
die Reinzüchtung der Bazillen gelingt hier im Durchschnitt leichter, weil
die Krankheit häufiger und länger mit den charakteristischen Stühlen zu
verlaufen pflegt. Wenn man die Kranken in einem späteren Stadium
zur Untersuchung bekommt, oder auch oft genug an den Leichen, kommen
freilich Mißerfolge vor. Am wichtigsten ist hier, wie übrigens auch bei
der Pseudodysenterie die Beschaffenheit des Stuhls. Enthält er die be¬
kannten schleimig-eitrig-blutigen Beimengungen und ist er gleichzeitig
frisch, so sind die Aussichten sehr viel günstiger, als im entgegengesetzten
Falle. Als Nährboden haben wir jahrelang mit dem besten Erfolg Gelatine¬
platten benutzt, auf denen wir mit dem Platinpinsel die Verdünnungen an¬
legten. Schon nach 24 Stunden bei 22° geliugt es dem Kenner, die
gewöhnlich noch sehr kleinen Ruhrkolonien aus der Masse der Koli-
Zeitgchr. f. Hygiene. LVII. 31
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Kbuse, Rittebbhaus, Kemp und Metz:
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und Streptokokkenkolonien herauszufinden. Nachdem v. Drigalski und
Conradi den Lakmosmilchznckeragar Würtz’, zur Züchtung der Typhus-
bazillen empfohlen, benutzten wir gewöhnlich diesen Nährboden auch iur
die Ruhr, aber in der ursprünglichen Form d. h. ohne Nutrose und
Kristall violett, und zwar immer in der Form der Pinselplatten. Auch
in der Hand des weniger Geübten bewährt sich das Verfahren; man ge¬
winnt damit zudem gegenüber der Gelatinemethode einige Stunden Vor¬
sprung. Impft man von den verdächtigen Kolonien auf Traubenzucker¬
agar (Stich), Mannitlakmusagar (Strich) und Bouillon, so hat man nach
weiteren 24 Stunden, falls es sich um Bazillen handelt, die nicht Gas
bilden, aber gleichmäßig längs dem Impfstich wachsen, Mannit nicht
säuern, unbeweglich und plump sind, auch ohne die Agglutination ein
fast sicheres Ergebnis. Die Probe in hochwertigem Serum bestätigt dann
immer die Diagnose der echten Dysenterie. Aber auch ohne daß die
Reinzüchtung der Bazillen gelingt, kann man in der großen
Mehrzahl der Fälle die echte Dysenterie aus der Agglutination
im Krankenserum erkennen. Gewöhnlich sieht man, wenn man am Ende
der ersten Krankheitswoche das Blutserum in SOfacher Verdünnung
— im hängenden Tropfen mit frischer Bouillonkultur vermischt — prüft
binnen wenigen Stunden die Bazillen deutlich verklebt Auch bei ganz
leichten Fällen haben wir dies öfters beobachtet; manchmal sogar schon
vom 4. Krankheitstage an. Andere Male trifft die Reaktion nur bei 20
bis 40facher Verdünnung ein; gerade tödliche Fälle haben mehrfach diese
schwache Beeinflussung gezeigt. Im Serum von Gesunden und auch
bei Pseudo- oder Amöbendysenterien fehlt gewöhnlich jede Verklebung
der Dysenteriebazillen, selbst bei 20 facher Verdünnung; doch werden
Ausnahmen von dieser, wie von allen Regeln gelegentlich Vorkommen.
Das ändert nichts an der Tatsache, daß die Agglutinations¬
probe für die Diagnose der echten Dysenterie von größtem
Werte ist.
Ungünstiger liegen die Aussichten für die Diagnose der Pseudo¬
dysenterie. Die Reinzüchtung der Bazillen aus dem Stuhl macht hier
schon deswegen mehr Schwierigkeiten, weil die Erkrankung häufig nicht
so charakteristisch verläuft, die Entleerungen schneller ihre typische Be¬
schaffenheit verlieren. Immerhin ist uns doch selbst aus zugeschickten
Stühlen mittels der Pinselplatten auf Gelatine oder Würtzschem Agar
die Isolierung gelungen. Wenn man die Bazillen aber auch in Händen hat.
so muß erst ihre Rassenzugehörigkeit festgestellt werden. Dazu ist un¬
bedingte Voraussetzung, daß man im Besitz von spezifischen Tierseris und
Stammkulturen der wichtigsten Rassen ist. Die Agglutination und Ab-
sättiguugsprobe gibt dann die Entscheidung. Gelingt es nicht, die Bazillen
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Dysenterie und Pseudodysentebie.
483
selbst aus den Entleerungen zu züchten, so wird man öfters durch die
Agglutination und Absättigungsprobe in Krankenseris zum Ziele gelangen.
Am leichtesten ist das nach unserer Erfahrung zu erreichen, wenn es sich
um die zweite Hauptrasse (D) der Pseudodysenterie handelt Diese
Bazillen werden nämlich von normalem Menschenserum verhältnismäßig
weniger beeinflußt und auch von den Buhrseris der ersten Haupt¬
rasse (A) gewöhnlich nur schwach agglutiniert. Allerdings muß man
dabei die Vorsicht gebrauchen, nicht zu leicht agglutinable Stämme
von D zur Agglutinationsprobe zu benutzen. Außerdem darf man
sich nicht auf die Agglutination allein beschränken, weil von
den Krankenseris D auch die Bazillen A annähernd in gleicher
Verdünnung agglutiniert werden. Die Absättigungsprobe lehrt
dann aber, daß die Agglutinine für D nicht durch Behand¬
lung des Serums mit A beseitigt werden. So ergaben z. B. die
Krankensera „Fuhrmann“ und „Bessler“ in der Epidemie des Jahres
1905 für eine ganze Reihe von A- und D-Stämmen und ebenfalls für B
und C Werte von etwa 200, aber nur die Absättigung mit irgend einem
D-Stamm beseitigte auch die Agglutinine für alle anderen Bazillen. Es
scheint übrigens, daß die Ruhrbazillen der Rasse D nicht so regelmäßig
und nicht so schnell wie die der echten Dysenterie höhere Agglutinations¬
werte im menschlichen Blute erzeugen.
Schwieriger ist die Diagnose der Pseudodysenterie A mit Hilfe des
Krankenserums zu leisten. Das liegt zunächst daran, daß die Bazillen
A nicht selten schon im Serum gesunder Personen ziemlich stark be¬
einflußt werden. Wir haben in unseren ausgedehnten Untersuchungen
allerdings recht verschiedene Ergebnisse gehabt. Ganze Reihen von
Normalseris ergaben kaum eine Agglutination, dann wieder kamen
hintereinander mehrere Sera mit Werten von 100 zur Beobachtung.
Selbst bei Neugeborenen kommt das vor. Die Schuld lag nicht
etwa bloß daran, daß wir leicht agglutinable Stämme benutzten, wenn
dieser Umstand auch eine gewisse Bedeutung hat. Im übrigen
macht es den Eindruck, als ob die einzelnen Stämme einer und
derselben Rasse bei der Agglutination im normalen und
Krankenserum größere Unterschiede zeigten als im hoch¬
wertigen Immunserum. 1 Dieses wechselnde Verhalten der A-Stämme
erschwert natürlich die Beurteilung der Agglutination erheblich. Indessen
weist schon öfters die wiederholte Untersuchung des Blutes in ver¬
schiedenen Stadien der verdächtigen Krankheit durch das Steigen der
1 Vgl. auch die ähnlichen
Typhus gemacht haben.
Beobachtungen, die Falta und Nöggerath bei
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Agglutinationswerte darauf hin, daß man es mit einer Pseudodysentene
zu tun hat; und sobald man dabei beobachtet, daß die Stämme A in erster
Linie, wenn auch nicht ausschließlich, beeinflußt werden, so liegt die
Wahrscheinlichkeit für das Bestehen einer Pseudodysenterie von diesem
Typus nahe. Erst recht ist das der Fall, wenn man, wie wir mehrfach
bei den epidemischen Ausbrüchen in der Bonner Irrenanstalt festzustellen
Gelegenheit hatten, die gleichen Verhältnisse, also verhältnismäßig hohe
Agglutinationen bei einer ganzen Reihe von Fällen findet. Die Isolierung
der Bazillen selbst hat dann ja öfter die Diagnose bestätigt. Auch hier
ist freilich zu bemerken, daß das Blut des Kranken nicht so regelmäßig
und früh die Agglutinine enthält wie bei der echten Ruhr. Natürlich
könnte man auch hier wieder daran denken, die Diagnose durch die Ab¬
sättigungsmethode zu sichern. Indessen haben sich uns dabei Schwierig¬
keiten ergeben. Es zeigte sich zwar, daß die Behandlung des Kranken¬
serums mit den Stämmen A die Agglutination am vollständigsten
beseitigte, aber auffallenderweise war auch die Absättigung mit den D-
Stämmen nicht ganz unwirksam, und auch im normalen Serum konnten
wir dergleichen beobachten in Fällen, wo die Agglutinationswerte hoch
waren. In dieser Beziehung muß noch mehr Klarheit geschaffen werden.
Diese Forderung gilt auch für die Pseudodysenterien, die zu anderen
Rassen in Beziehung stehen. Da wir sie immer nur in einzelnen Fällen
beobachten konnten, sind wir nicht in der Lage, über sie maßgebende
Mitteilungen zu machen.
Die Angaben, die in der Literatur über die Agglutination im Kranken¬
blut bei Pseudodysenterien vorliegen, führen nicht zu klaren Schlüssen.
Nach Jürgens, der in Gruppe anscheinend mit der Pseudodysenterie A
zu tun gehabt hat, lägen die Verhältnisse ganz ähnlich wie bei der echten
Dysenterie, nur daß eben die Bazillen A die Stelle der Dysenteriebazillen
verträten. Auffällig ist uns aber, daß er in normalen Seris nie eine
deutliche Agglutination seiner Stämme gefunden hat. Unsere Kultur aus
Gruppe verhielt sich anders.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß es in vielen Fällen Schwierig¬
keiten macht, eine sichere Diagnose der Pseudodysenterie zu stellen
Gerade daraus erklärt sich das Bestreben, andere Bakterien für die Ent¬
stehung ruhrartiger Erkrankungen verantwortlich zu machen. Bisher
sind fast alle Bemühungen ohne Ergebnis geblieben, auch der Versuch, den
Deycke gemacht hat, kann man durchaus nicht als gelungen bezeichnen.
Die von ihm für die Erreger gehaltenen Bazillen haben nach unserer
Erfahrung insofern eine Bedeutung, als sie auch bei Pseudodysenterien sich
oft massenhaft auf den Lakmusmilchzuckerplatten finden und dort blaue
Kolonien bilden, also Verwechslungen nahelegen; ob sie aber als Ursache
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Dysenterie und Pseudodysenterie.
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einer „Paradysenterie“ zu gelten haben, ist mehr als zweifelhaft. 1 Am
wahrscheinlichsten dünkt es uns vorläufig, daß Paratyphusbazillen ge¬
legentlich auch eine Art von Ruhr erzeugen können. Manche „Fleisch¬
vergiftungen“ bieten in der Tat ein klinisch ähnliches Bild (vgl. Kruse X 2 ).
Andere blaue Kolonien auf den Platten rühren von dem bekannten Bac.
faecalis alcaligenes her, finden sich aber meist nicht, wenn die Entleerungen
frisch sind, sondern wenn sie längere Zeit (mit Wasser vermischt?) gestanden
haben. Sie sind durch Stichkulturen in Traubenzuckeragar ebenso leicht
wie die „Paradysenteriebazillen“ zu erkennen, denn sie wachsen nur im
oberen Teil des Stiches, während die letzteren reichlich Gas bilden. Unter
Umständen können dann noch Colibazillen Anlaß zu Verwechslungen mit
Ruhrbazillen bieten und haben das wohl öfter auch getan. Ausnahms¬
weise haben sie nämlich, wenn sie aus den Entleerungen herausgezüchtet
werden, ihr Vermögen, Milch- und Traubenzucker zu vergären, ein¬
gebüßt, bilden darum auf den Platten blaue Kolonien und im Zucker¬
agarstich zunächst auch kein Gas. Schon bei mehrtägigem Aufenthalt
im Brutofen, spätestens bei Überimpfung auf neuen Zuckeragar, pflegen sich
aber Gasblasen zu entwickeln und die Milchgerinnung einzustellen, bis
schließlich gegenüber den gewöhnlichen Colibazillen kein Unterschied
mehr besteht. Mehrfach haben wir dergleichen auch an Bazillen, die aus
zystitischem Ham gewachsen waren, beobachtet. Es handelt sich hierbei
nicht etwa, wie ausdrücklich betont werden soll, um Misch-, sondern von
Anfang an um Reinkulturen. Der Fall, daß Dysenterie- und Pseudo¬
dysenteriebazillen im Laufe der Zeit das Vermögen, Zucker unter Gas¬
bildung zu vergären, gewonnen hätten, ist uns bisher noch nicht vor¬
gekommen.
Man könnte nun die Frage stellen, ob es denn außer der wissen¬
schaftlichen auch eine praktische Bedeutung hat, zu entscheiden, ob
eine ruhrartige Erkrankung von dieser oder jener Bazillenform oder auch
von Amöben verursacht wird. In der Tat ist das für die Vorhersage wie für
die Behandlung der Ruhr und die Vorbeugung weiterer Ansteckungen
von Wichtigkeit. Die leichteste Form der Ruhr ist durchschnittlich die
Pseudodysenterie. Es tritt das weniger bei Erwachsenen in die Erscheinung,
weil diese wenigstens bei uns nur in einem recht geringen Prozentsatz der
Fälle an Ruhr zu sterben pflegen (vgl. Kruse I), als bei Kindern. Bei
der Epidemie von Pseudodysenterie (Enteritis follicularis), die im Jahre 1905
in der hiesigen Kinderpoliklinik beobachtet wurde, starb, soweit wir in
1 Vgl. die folgende Arbeit von Dr. Kemp: „Über Paradysenterie“.
1 Nach einer brieflichen Mitteilung ist es Buch holz in Bremen in einem Falle
von Buhr gelungen, ausschließlich den Paratyphusbacillus B aus den Entleerungen
zn züchten. Das Serum des Kranken agglutinierte die Bazillen.
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Krusb, Rittebshaus, Kemp und Metz:
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Erfahrung bringen konnten, überhaupt kein einziges Kind. Es ist das
ein auffallendes Ergebnis, verglichen mit der hoben Sterblichkeit junger
Kinder an echter Dysenterie, die 20 bis 50 Prozent erreioht. In den
Irrenhäusern ist die Sterblichkeit auch an Pseudodysenterie nioht gering.
Es liegt das wohl teilweise an dem hohem Alter, teilweise an der mangel¬
haften Widerstandsfähigkeit dieser Kranken. Wenn man in den Kinder¬
krankenhäusern Amerikas keinen wesentlichen Unterschied in der Gefähr¬
lichkeit der Dysenterie und Pseudodysenterie gefunden hat (vgl. die Sammel¬
forschung von Flexner und Holt), mag das damit Zusammenhängen,
daß eben in die Krankenhäuser nur die schweren Fälle hineinkommen.
Ziemlich selten scheint die bazilläre Buhr chronisch zu werden, im Gegen¬
satz zu der Amöbendysenterie, bei der das ja sehr häufig ist. Ebenso
sind die Metastasen und Nachkrankheiten bei der Amöbendysenterie
schwerer, wir erinnern nur an die Leber-, Lungen- und Himabszesse.
Bei der echten Dysenterie werden nicht ganz selten hartnäckige Gelenk¬
erkrankungen beobachtet, die bei der Pseudodysenterie zu fehlen scheinen.
Studiert sind sie bisher nur unvollständig, in dem einzigen bisher mit¬
geteilten Fall hat es sich um eine Metastase von Colibazillen, also um eine
Nachinfektion gehandelt (Rautenberg). Unklar ist auch die Ent¬
stehungsursache der gelegentlich bei echter Dysenterie beobachteten Binde¬
haut- und Harnröhrenkatarrhe (Markwald).
Ebenso bedeutsam wie für die Vorhersage ist auch die Erkenntnis
der Krankheitsursache für die Behandlung. Für die echte Dysenterie
haben wir ein spezifisches Heilserum, das sich allenthalben bewährt hat,
für die Pseudodysenterie muß ein solches erst noch gefunden werden.
Wir hoffen später darauf, wie überhaupt auf die Frage der Ruhrimmunität
zurückkommen zu können. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Ruhr¬
serum auch wirksam als vorbeugendes Mittel. Auffallenderweise liegen
aber darüber noch wenig Erfahrungen vor; diejenigen, die uns selbst mit¬
geteilt worden sind, ermuntern zur Ausdehnung der Versuche im großen
Umfange. Auch die Beobachtung, dieLüdke an sich selbst gemacht hat,
spricht nicht gegen die Wirksamkeit der Sera, denn wir können ebenso¬
wenig von dem Ruhrserum wie von dem Diphtherieserum erwarten, daß
es mehr als einige Wochen Schutz verleiht. Die üblichen hygienischen
Vorbeugungsmaßregeln sind für alle Formen der Ruhr die gleichen.
Wenn die Pseudodysenterien auch im allgemeinen leicht zu verlaufen pflegen,
so ist ihre Ansteckungsgefahr, wie uns viele Erfahrungen lehren, nicht
gering; die früher weit verbreitete Auffassung, es handele sich um nicht
infektiöse Erkrankungen, die von Erkältung, Nahrungsmitteln u. dgh her¬
rühren, ist auch bei den sporadischen Fällen gewöhnlich nicht berechtigt.
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Dysenterie und Pseudodysenterie .
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aus dem hygienischen Institut in Bonu.]
Über Paradysenterie.
Von
Dr. Kemp,
früherem Aroistenten des Instituts, jetslgem Hilfsarzte an der Universitätsklinik fn Halle.
. Auf der 23. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Ge¬
sundheitspflege zu Danzig bezeichnet« Prof. Kruse 1 eine von Deycke und
Keschad 2 in Konstantinopel als Dysenterieerreger beschriebene Bazillen¬
art, die sich von den vorher bereits bekannten Ruhrerregern, den echten
und den Pseudodysenteriebazillen wesentlich unterscheidet, als Paradysen¬
terie, weil sie sich zu den Dyseuteriebazillen etwa so verhielte, wie die
Paratyphus- zu den Typhusbazillen. In der Tat sollten die TD-ßazilleu,
wie sie die Entdecker kurz nannten, nach ihrer ursprünglichen Beschreibung
in Form, Unbeweglichkeit und Wachstum auf den gewöhnlichen Nährboden
den Ruhrbazillen fast völlig gleichen und sich nur durch die Gasbildung
in Traubenzuckeragar von ihnen unterscheiden. Doch nur Verwirrung
kann es stiften, wenn von anderen Seiten 3 Bazillen, die schon 1901 durch
Kruse den Namen der Pseudodysenterie erhalten haben, neuerdings noch
als Paradysenteriebazillen aufgeführt werden. 4
1 F ierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege . 1905. S. 20.
Ä Die Dysenterie in Konstantinopel bei Rieder: Für die Türkei. Jena 1904.
Bd. II.
1 Castellani, Dysentery in Ceylon. Journal of the Ceylon Brauch of the
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Liefmann u. Nieter, Über Ruhr bei Irren. Münchener med. Wochenschrift.
1906. Nr. 43.
4 Vgl. Kruse, Deutsche med. Wochenschrift . 1907. Nr. 8/9 u. die vorstehende
Arbeit von Kruse, Rittershaus, Kemp u. Metz, Über Dysenterie und Pseudo¬
dysenterie.
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Deycke und Reschad haben ihre TD-Bazillen in einem großen
Prozentsatz der Ruhrfalle, die in Konstantinopel und Umgebung teils
sporadisch, teils epidemisch vorkamen, gefunden, und zwar gerade in den
Fällen, die sich durch ihre Bösartigkeit und Hartnäckigkeit auszeichneten.
Außerdem züchteten sie bei einer ganzen Anzahl mit leichten Krankheits¬
erscheinungen andere Bakterien, die sie als TF bezeichneten, und die
offenbar zur Gruppe der Pseudodysenterie gehören. 1 Bemerkenswert ist
übrigens, daß die TD- und die TF-Bazillen zu wiederholten
Malen nebeneinander vorkamen und daß sie gelegentlich auch ans
stark verunreinigtem Zisternenwasser gezüchtet werden konnten. Ferner
sahen Deycke und Reschad noch Dysenteriefälle mit Amöben und er¬
hielten verschiedentlich bei ihren Ruhrfällen überhaupt keine verwert¬
baren Befunde.
Was die Bedeutung ihrer Ergebnisse anlangt, so stehen Deycke und
Reschad nicht an, ihre TD-Bazillen als Erreger einer besonders schweren
Dysenterieform des Menschen zu betrachten. Sind die Gründe, die sie
dafür anführen, aber auch stichhaltig? Zunächst macht die Angabe der
Verfasser, daß sie ihre Bazillen so oft und in großer Menge in den Ent¬
leerungen Ruhrkranker und in deren Leichen, nicht aber bei Gesunden
und an anderen Krankheiten Leidenden gefunden haben, einen guten Ein¬
druck. Man hat auch sicher mehr Recht, Bazillen mit so bezeichnenden
Eigenschaften als verdächtig anzusehen, wie Keime, die durch ihre Merk¬
male nicht sicher von den gewöhnlichen Kolibazillen zu unterscheiden
sind. Dazu kommt dann aber noch, als das wichtigste Charakte¬
ristikum der TD-Bazillen, ihr Verhalten im Tierkörper. Sollen
sie doch nach Deycke und Reschad schon in ziemlich kleinen Mengen
an Katzen verfüttert, oder in ihr Rektum eingespritzt, einen hämorrha¬
gischen Katarrh oder eine Diphtherie des Dickdarms, also echte Dysen¬
terie erzeugen. Ein ähnliches Verhalten konnte man bisher nur von
den Dysenterie-Amöben, nicht aber von den Dysenterie- oder Pseudo¬
dysenterie-Bazillen nachweisen! Aus diesem Grunde hatte Kruse als
wahrscheinlich angenommen, daß die TD-Bazillen eine neue Art von
Ruhrbazillen seien. Das Vertrauen darauf erlitt freilich bei ihm einen
starken Stoß, als er durch die Freundlichkeit Deyckes eine TD-Kultur
in die Hände bekam und sich herausstellte, daß die Bazillen doch
größere Ähnlichkeit mit dem Bact. coli hatten, als nach der ur¬
sprünglichen Beschreibung anzunehmen war. Sie erwiesen sich zwar
schwach, doch deutlich beweglich und koagulierten die Milch, allerdings
1 Die in der vorstehenden Arbeit von Kruse usw. unter der Bezeichnung
Konstantinopel A und B erwähnten Kulturen gehören hierher.
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Über Paradysenterie.
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erst nach 8 bis 7 Tagen. Damit kamen sie dem „Bact. coli dysentericum“
Celli und Valagussas, das wohl nirgends viel Anerkennung gefunden
hat, doch bedenklich nahe. Die Tatsache selbst ließ sich nicht bestreiten,
wurde auch von Deycke brieflich zugegeben. Man mußte sich jetzt
fragen: waren denn die Eigenschaften der von Deycke und Reschad in
so zahlreichen Fällen von Ruhr gefundenen TD-Bazillen wirklich so über¬
einstimmend, daß man von einer besonderen Art sprechen durfte? Haben
wir die Gewißheit, daß man es nicht zum großen Teil nur mit mehr oder
weniger harmlosen Variationen der Kolibazillen (Paracoli) zu tun gehabt
hat? In dieser Hinsicht lassen die Angaben der Verfasser viel zu wünschen
übrig. Wie sich fast von selbst versteht, haben sie nur mit einem Teile
ihrer Stämme den entscheidenden Tierversuch austellen können. In welchem
Prozentsatz die Versuche positiv ausfielen, sagen sie nicht. Man vermißt
aber auch, abgesehen von der mikroskopischen Untersuchung und Kultur,
der wir jetzt kaum noch erheblichen Wert beilegen können, weitere
Identifizierungsverfahren. Die Kulturen wurden vor allem nicht, wie man
heutzutage verlangen muß, auf ihr Verhalten im spezifischen Serum geprüft,
anscheinend aus dem Grunde, weil Immunisieruugsversuche an Tieren
nicht glückten. Die Agglutination im Krankenserum läßt sich nicht als
Ersatz heranziehen, da in ihm die Bazillen nur in 25 Prozent der Fälle
und auch dann nur in Verdünnungen von 1:30 bis 1:50 agglutinierten.
Das ist nicht gerade geeignet, als Stütze für die ursächliche Bedeutung
der Bazillen zu dienen. Es blieben also eigentlich nur zwei Tatsachen
bemerkenswert, erstens das so häufige Vorkommen von Kolibazillen mit
abweichendem Gärungsvermögen in Ruhrstühlen und zweitens das Gelingen
des Tierversuches mit einer gewissen Anzahl dieser Bazillen.
Glücklicherweise brauchten wir uns nicht auf die Kritik der von
Deycke und Reschad geleisteten Arbeit zu beschränken, sondern bekamen
durch die kleine Ruhrepidemie, die im Sommer 1905 in Bonn auftrat,
Gelegenheit zu einer Nachprüfung ihrer Ergebnisse. Die Erfahrungen,
die wir dabei machten, schienen uns so belehrend, daß wir sie hier mit-
teilen wollen, obwohl wir ja natürlich über die Verhältnisse, die für die
Ruhr in Konstantiuopel gelten, kein maßgebendes Urteil abgeben können.
Um allen Vorkommnissen gerecht zn werden, dehnten wir unsere Unter¬
suchungen auch auf andere nicht auf Ruhr verdächtige Entleerungen aus.
Wir gingen dabei so vor, daß wir bei den meisten uns zur Ver¬
fügung stehenden Stuhlproben unser Augenmerk außer auf die für den
vorliegenden Krankheitsfall in Frage kommenden Bakterien, also Ruhr-,
Typhus- und Paratyphusbazillen, auch auf solche Keime lenkten, die in
kultureller Hinsicht dem Paradysenteriebazillus zu entsprechen schienen,
die Gram-negativ waren, auf Lakmusmilchzuokeragar blaue Kolonien
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Kemp:
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bildeten, in Traubenzuckeragar Gas erzeugten, Milch nach den erstes
3 bis 4 Tagen nicht veränderten, Gelatine nicht verflüssigten und in
Bouillon eine gleichmäßige Trübung hervorriefen. Wir beschränkten uls
dabei jedoch nicht auf die plumpen unbeweglichen, dem Aussehen nach
mit dem TD genau übereinstimmenden Bakterien, sondern zogen alle
schlanken, mehr paratyphusähnlichen, sowohl die beweglichen, wie di«
unbeweglichen Stäbchen in den Kreis unserer Untersuchungen hinein
Wir taten das aus dem Grunde, weil die lebhaft beweglichen paratyphas-
ähnlichen Stäbchen neuerdings für die Pathologie eine immer größere Be¬
deutung gewinnen und insbesondere auch vielleicht als Ruhrerreger in
Betracht kommen. Wir denken dabei zunächst an die Schweinepestbazillen.
die bekanntlich wenigstens bis vor kurzem in dringendem Verdacht standen,
bei den Säugetieren einen dysenterieartigen Zustand zu erzeugen, und
ferner an die Erreger mancher Fleischvergiftungen, weil diese gar nicht
selten unter ruhrartigen Erscheinungen verlaufen.
Das Ergebnis unserer Arbeit war überraschend genug: In einem
großen Teil der zur Untersuchung kommenden Ruhrstühle fanden sich
Bazillen, wie wir sie suchten, und zwar oft in solcher Anzahl, daß ihre
blauen Kolonien auf den Lakmusmilchzuckeragarplatten alle anderen zurück¬
drängten. Zwei von diesen Fällen (Nr. 4 und 5 der folgenden Tabelle)
waren sichere Pseudodysenterien der Rasse D (vgl. Dysenterie nnd Pseudo¬
dysenterie von Kruse usw.), weil in dem einen Falle die Bazillen schon
während der Erkrankung gefunden wurden, und der andere sich später
als ein Bazillenträger entpuppte. Eine ganze Reihe anderer Fälle ist aber
wahrscheinlich auch der Pseudodysenterie (D oder A) zuzurechnen, weil
sie im Zusammenhang mit solchen Epidemien auftraten (Nr. 1 bis 3, 9.
10, 12, 13). Bei einer weiteren Zahl (Nr. 6 bis 8, 17 bis 21) von
chronischen oder akuten Ruhrfallen konnte die Ursache nicht aufgedeckt
werden. Aber nicht nur in Ruhrstühlen, sondern auch in den festen
Entleerungen von Gesunden oder von Kranken, die unter Typhusver¬
dacht standen, fanden wir unsere Bazillen. Dahin gehören erstens 2 Per¬
sonen (23 und 24), die ein Jahr vorher Pseudodysenterie (D) durchgemacht
hatten und bei denen auch die Agglutination seinerzeit positiv ausgefallen
war, zweitens ein Typhusbazillenträger (23), ein echter Typhus (15) uni
zwei Typhusverdächtige, bei denen die bakteriologische Diagnose nicht
gesichert werden konnte.
Zur besseren Übersicht stellen wir unsere Befunde in der folgenden
Tabelle zusammen. Einen uns von Castellani zugeschickten, aus einem
Ruhrfall gezüchteten Stamm haben wir beiseite gelassen, weil er die
Milch ebenso schnell wie die Kolibazillen koagulierte. Nr. 11 ist der
TD.-Stamm Deyckes. Von einigen Entleerungen haben wir mehrere
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Übeb Pabadysentebie.
493
Kulturen, die sich zum Teil voneinander unterschieden, reingezüchtet und
in der Tabelle mit Buchstaben a, b usw. bezeichnet.
Wir lassen nun zunächst eine übersichtliche Zusammenstellung der ge¬
fundenen Bazillen folgen, in der wir je nach der Beweglichkeit oder Unbeweg¬
lichkeit der Bazillen zwei große Gruppen (I und II) unterscheiden, die ihrer¬
seits wieder je nach der Gestalt und Größe der Keime in verschiedene Unter¬
abteilungen zerfallen und zwar in solche mit plumpen oder ruhrähnlichen
und solche mit schlanken oder paratyphusähnlichen Stäbchen. Hier können
wir nach der Fähigkeit oder Unfähigkeit der Bazillen, Milch zu koa¬
gulieren und Indol zu bilden, wieder kleinere Gruppen bilden, was uns
schließlich zu folgender Übersicht führt.
I. Unbewegliche Bazillen.
1. Plumpe (ruhrähnliche) Stäbchen,
a) die Milch nicht koagulieren und kein Indol bilden.
Nummer
Kultur [
Klinische Diagnose
3
KK 28b und KK 28d
Enteritis follicularis.
16
Möller
Typhusverdacht.
b) die Milch sehr spät koagulieren und kein Indol bilden.
7
Friedrich Wilhelm-Stift
Ruhr
14
Lauterbach
Typhusverdacht.
c) die Milch sehr spät koagulieren und Indol bilden.
4
Bessler 7
Ruhr (Pseudodysenterie D).
27
Nr. 14 IH
Dickdarmkatarrh.
d) die Milch etwas früher koagulieren und Indol bilden.
4
Bessler b, d, e, f
Ruhr (Pseudodysenterie D).
6
Scheben a, d, e
Chronische Tropenruhr.
19
Nr. 14 a
]
21
Nr. 14 IV
> Endemischer Dickdarmkatarrh.
17
Nr. 3
1
2. Schlanke unbewegliche Stäbchen,
die Milch spät koagulieren und kein Indol bilden.
1
KK 16
Enteritis follicularis (Pseudodysenterie D).
II. Bewegliche Bazillen.
1. Plumpe bewegliche Stäbchen von der Größe der Ruhrbazillen,
a) die Milch nicht koagulieren und kein Indol bilden.
Nummer |
Kultur
Klinische Diagnose
15 |
Mechernich
Typhus
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496
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b) die Milch spät koagulieren und kein Indol bilden.
Nummer 1
Kultur
Klinische Diagnose
6
Scheben b
Chronische Tropenruhr.
c) die Milch nicht koagulieren und Indol bilden.
11
T D
Buhr in Konst&ntinopeL
2. Kleine paratyphusähnliche Stäbchen,
die Milch nicht koagulieren und kein Indol bilden.
2
KK 18 a and b
i Enteritis follicularis (Pseudodysenterie D -
5
Rösberg III
Ruhr (Pseudodysenterie D).
9
Poliklinik a, b, c, e
Ruhr (Pseudodysenterie DP).
7
Wichter
Chronische Ruhr.
1°
Czrinsky b, c
Akute Ruhr.
21
i 14 i f 14 n
Diokdarmkatarrh.
22
Andernach
Gesund (Typhusbazillentrager).
Um weiter festzustellen, welche ätiologische Bedeutung den einzelnen
Stämmen für die Krankheiten, bei denen sie gefunden wurden, wohl bei¬
zumessen sei, haben wir das Blutserum von 15 Kranken, das uns zur
Verfügung stand, gegen viele isolierten Stämme geprüft. Es stellte sich
dabei heraus, daß nur sechs Stämme, die aus dem Säuglingsheim Haan
stammten, nämlich: 3 b, 13 a, 13 b, 14 a, 62 a und 62 b von dem Serum
eines erkrankten Säuglings (Nr. 18) bei 20 facher Verdünnung agglutiniert
wurden. Eine derartig geringe Agglutination kann natürlich nicht als
spezifisch angesehen werden und ist daher für einen ätiologischen Nach¬
weis ganz wertlos. Die bei der Enteritis follicularis-Epidemie der Kinder
und der Ruhr-Epidemie der Husaren isolierten Parastämme wurden von
den entsprechenden Krankenseris überhaupt nicht agglutiniert, während
mehrere in diesen Epidemien gleichzeitig gefundene Pseudodysenterie¬
stämme bei 100 facher Serumverdünnung, oder einzelne sogar bei 200 facher
mikroskopisch noch deutlich Häufchenbildung erkennen ließen. Auffallend
war die hohe Agglutination von zwei Parastämmen (Bessler 7 und
Brücken) bis zur Verdünnung 1:100, doch wurde diese Erscheinung
durch weitere Versuche aufgeklärt, die ergaben, daß die betreffenden
Stämme auch im Serum Gesunder so hoch agglutiniert wurden.
Wir haben also in keinem unserer Fälle eine beweiskräftige
Agglutination der Bakterien in dem entsprechenden Kranken¬
serum gefunden. Viel bessere Ergebnisse hatten ja übrigens auch
Deycke und Reschad nicht (s. o.). Man kann nun vielleicht den For¬
schern Recht geben, wenn sie meinen, daß das Ausbleiben der Agglu-
Gck igle
Original from
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Über Paradysenterie.
497
tination noch kein sicherer Beweis gegen die Bedeutung ihrer Bakterien
sei. Dann muß man aber doch mindestens verlangen, daß die Iden¬
tität der als Erreger angesprochenen Bazillen miteinander fest¬
gestellt sei. Wie weit das bei ihnen der Fall gewesen ist, entzieht
sich natürlich unserer Kenntnis, es erscheint aber sehr leicht möglich,
daß auch die von den Konstantinopeler Forschern gefundenen Bazillen
sich ähnlich unterscheiden, wie die von uns gesammelten. Wenigstens
stehen sich die in unserer Übersicht unter I 1 a bis d und II 1 a bis c
aufgeführten Bazillen durch ihre Form und Eigenschaften so nahe, daß
sie leicht mit dem Stamm TD (II 1 c) zusammengeworfen werden könnten.
Ist doch die Beweglichkeit der Kulturen II, la bis c so gering, daß sie
leicht übersehen werden kann, wie das ja auch von seiten Deyckes und
Beschads bei TD geschehen ist. Das gleiche gilt von dem verschiedenen
Verhalten in der Milch und wohl auch von dem Ausfall der Indolprobe,
die ja im ganzen recht wenig zuverlässig ist 1 Morphologische Unter¬
schiede, wie die zwischen 11 und I 2, kommen übrigens ebenfalls unter
den Stämmen einer und derselben Rasse vor (vgl. die vorstehende Arbeit:
Über Dysenterie und Pseudodysenterie). Nur die Bazillen unter II2
bilden durch ihre Kleinheit und lebhafte Beweglichkeit, das
Verhalten zu Milch und Indol, kurz ihre Paratyphusähnlich¬
keit eine in sich so geschlossene Gruppe, daß ihre Vertreter
nicht gut mit den übrigen Stämmen 8 verwechselt werden können. Mit
diesen Erwägungen soll natürlich nicht gesagt sein, daß diese andern
nun sämtlich miteinander identisch seien und daß auf die Milch- und
Indolprobe etwa wegen ihrer Unbeständigkeit gar nichts zu geben sei.
Diese Eigenschaften müßten nur für jeden einzelnen Stamm besser fest¬
gestellt sein, als es durch Deycke und Reschad und auch von unserer
Seite geschehen ist. Wir haben uns aber doch insofern mehr Mühe ge¬
geben, die Identität unserer Bazillen zu erproben, als wir auch die Agglu¬
tination in spezifischem Tierserum dazu herangezogen haben.
Zu dem Zwecke haben wir möglichst je einen Vertreter der einzelnen
Unterabteilungen unserer Übersicht herausgegriffen und damit Kaninchen
behandelt. Dabei war auffallend, daß die Immunisierung mit diesen
Stämmen sich gewöhnlich schwieriger gestaltete, als mit den Pseudodysen¬
teriestämmen, da die Versuchstiere schon nach intravenösen Injektionen
1 Dr. Selter wird darüber berichten.
1 Sie mögen hier als paradysenterieähnliche Bazillen oder Paradysenteriebazillen
im weiteren Sinne zusammen aufg führt werden, während als „Paradysenteriebazillen“
im ursprünglichen engeren Sinne des Wortes nur die unter I, 1a und allenfalls unter
1,1b und c aufgeführten Bazillen zu gelten hätten.
Zeitachr. t Hygiene. LVII.
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498
Kemp:
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von 0*5 m?r Agarkultur verschiedentlich eingingen. Wir mußten daher bei
den meisten Stämmen 2 bis 3 Tiere opfern, ehe wir ein brauchbares
Serum erhalten konnten. Mit einigen Stämmen, z. B. Poliklinik a, ver¬
mochten wir nur ein schwach agglutinierendes, mit anderen, z. B. Bessler 7
und K K 16, ein überhaupt kaum (1:20) agglutinierendes Senun zu er¬
zielen. Wohl haben wir hochwertige Sera erhalten für die Stämme
KK28d, Lauterbach, TD, KK18a und in diesen Seris möglichst zahl¬
reiche Stämme geprüft. Es stellte sich dabei, kurz gesagt, mit wenigen
Ausnahmen keine Übereinstimmung heraus.* Diese Ausnahmen betrafen
erstens, wie vorauszusehen war, diejenigen Kulturen, die aus einem und
demselben Stuhl gezüchtet waren (KK28b und d, Poliklinik a bis e), und
zweitens die Stämme KK 28, Friedrich Wilhelm-Stift und Lauterbach
(11 a und b). Diese 3 Kulturen wurden nämlich von den Seris KK28d
und Lauterbach ziemlich gleichmäßig beeinflußt. Die genauere Prüfung
mittels des Absättigungsverfahrens ergab dann weiter die Verschiedenheit
von Lauterbach und eine annähernd völlige Übereinstimmung von
K K 28 (b und d) und Friedrich Wilhelm-Stift
Wie man sieht, ist das positive Ergebnis ein recht mageres.
Dürfen wir aus der Identität der beiden letzterwähnten Kulturen schließen,
daß die Dysenterie, bei der sie gefunden wurden, durch sie verursacht
worden ist? Leider konnten wir das Krankenserum in beiden Fällen
nicht untersuchen, so daß wir dafür keine Stütze fanden. Die Identität
zweier an verschiedenen Stellen gefundenen Bazillen allein genügt doch
wohl kaum, ihre Bedeutung als Krankheitserreger anzunehmen. Aller¬
dings haben wir diesen Schluß für die Pseudodysenteriebazillen der selteneren
Rassen C, E, F (vgl. die vorstehende Arbeit darüber) gezogen, obwohl wir
auch bei diesen die Agglutination im Krankenserum nicht verwerten
konnten, aber da hatten wir doch die Analogie der anderen häufiger vor¬
kommenden Pseudodysenterien (A und D) für uns. Immerhin sind wir
durch unseren Befund auf die Möglichkeit hingewiesen, daß es
bei uns doch vielleicht eine Paradysenterie — das Wort in dem
ursprünglichen Sinne genommen — gibt. Was die übrigen Stämme an¬
geht, so haben wir durch unsere Untersuchungen nicht die geringsten
Unterlagen für eine etwaige pathologische Bedeutung derselben gewonnen.
Insbesondere haben wir keinen Stamm gefunden, der mit TD
übereinstimmte.
Dasjenige Beweismittel, das Deycke und Reschad für ihre Auf¬
fassung ins Feld führen können, hat uns vollständig im Stiche gelassen.
1 Auch die paratyphusähnlichen scheinen sowohl untereinander als von den
bekannten Paratyphusrassen A und B verschieden zu sein.
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Übeb Pabadysentebie.
499
Der Fütterungsversuch an Katzen 1 ist uns niemals gelungen,
obwohl wir nicht nur alte, sondern auch frisch gezüchtete Kulturen und
meist in viel größeren Mengen und öfter als die Konstantinopeler Forscher
verfütterten (vgL die Tabelle auf S. 494 und 495). In 2 Fällen (Nr. 12
und 13 der Tabelle) haben wir außerdem frisch gezüchtete Kulturen ins
Rektum eingespritzt mit demselben negativen Resultate. Die Erfolge
Deyckes und Reschads werden nun dadurch freilich nicht aus der Welt
geschafft. Zwingen sie uns aber wirklich zu dem Schlüsse, daß die TD-
Bazillen, weil sie Erreger von Katzenruhr sind, auch die menschliche Er¬
krankung, bei der sie auftraten, verursachen? Wir könnten das ebenso¬
wenig zugeben, wie wir aus den Tatsachen, daß der speichelbewohnende
Pneumokokkus Septikämien und der Pyocyaneus schwere Infektionen bei
Tieren hervorruft, auf ihre Pathogenität für den Menschen schließen
dürfen. Auch der Umstand, daß die fraglichen Bazillen oft massenhaft
in den Entleerungen Vorkommen, ist an sich noch kein genügender Be¬
weis für ihre Bedeutung als primäre Krankheitserreger. Wir haben ja
Beispiele genug, daß sich Bakterien der verschiedensten Art in schon
kranken Teilen ansiedeln. Daß das bei der Paradysenterie in Konstan¬
tinopel ebenso wie bei der unserigen der Fall sein könnte, dafür haben
wir ja einen wertvollen Hinweis in den Befunden der Pseudodysenterie¬
bazillen. Hier wie dort haben sich in einem Teile der Fälle die
Bazillen sehr wahrscheinlich auf dem Boden einer Pseudo¬
dysenterie entwickelt. Möglicherweise ist das in viel aus¬
gedehnterem Maße der Fall gewesen, als wir auf Grund der
Befunde selbstannehmen. Der Nachweis der Pseudodysenteriebazillen
begegnet ja bekanntlich in nicht mehr frischen Fällen erheblichen
Schwierigkeiten.
Nach alledem müssen wir unsere Erörterungen dahin zusammenfassen,
daß die Frage der Paradysenterie weit davon entfernt ist, geklärt zu sein.
1 In einigen Fällen benutzten wir aus Mangel an Katzen junge Hunde.
32
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Gck igle
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA
[Aas dem hygien. bakteriol. Institut der Universität Erlangen.]
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Bemerkungen
zu der Arbeit von Privatdozent Dr. Herrn. Pfeiffer, Gras: „Zur Kenntnis
der agglutinierenden Wirkung von Rückständen normalen Menschenharnes".
Von
Privatdozent Dr. Wolf gang Weiohardt.
In einer früheren Arbeit, Bd. LIV, S. 419 dieser Zeitschrift hat
H. Pfeiffer über Untersuchungen berichtet, denen zufolge er schwer
dialysable Substanzen im Harn gefunden hat, die ihre Giftigkeit beim
Erhitzen auf 80° bis 100° einbüßen:
Urin wurde mit Alkohol versetzt, vom Bodensätze abfiltriert, das
Filtrat im Vakuum unter 40° eingedampft und vom Vakuumrückstand,
Urinrest, den Pfeiffer kurz als R. bezeichnet, weißen Mäusen etwas
eingespritzt.
Sie bekamen danach Depression, Mattigkeit, Polyurie, tonische und
klonische Krämpfe, später Ermüdungserscheinungen, wie ich solche ans
meinen Untersuchungen sehr gut kenne, es trat ein rauschähnliche6 Za*
standsbild, tagelang Agonie und unter primärem Respirationsstillstand
exitus ein.
Sowohl die Darstellungsart als auch die Wirkungen dieses Urinrestes
lassen vermuten, daß Pfeiffer, wie er selbst ja auch andeutet, nicht
eine reine Substanz unter den Händen gehabt hat, sondern ein Gemisch.
Immerhin erhellt aus dem Verlaufe der Injektionsversuche, daß dieses
Gemisch zum erheblichen Teil aus dem von mir aufgefundenen und an
verschiedenen Stellen 1 beschriebenen Eiweißabspaltungsantigen von Er-
1 Serologische Studien auf dem Gebiete der experimentellen Therapie. Hahili-
tationsschrift. 1905. Stuttgart Ferd. Enke. Über das EiweißabspaltnngsantigeD
von Ermüdungstoxincharakter und dessen Antitoxin. CetUralblait für Bakteriologie.
1907. Abt I. Org. Bd. XLI1I. S. S12.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Wolfgang Weichabdt: Bemebkungbn zu Pfeiffebs Abbeit. 501
müdungstoxincharakter bestanden haben muß; denn es decken sich in
der Hauptsache die durch Pfeiffers Injektionen veranlaßten biologischen
Erscheinungen, wie schon angedeutet, mit den von mir an mit diesem
Toxin injizierten Versuchstieren beobachteten.
Beim Erscheinen der zweiten Arbeit Pfeiffers in dieser Zeitschrift,
Bd. LVI, S. 488 war meines Erachtens mit Sicherheit zu erwarten, der
Autor würde die so interessanten toxischen Bestandteile des Urinrestes
nach biologischer Richtung hin noch weiter verfolgt haben und davon
Genaueres berichten, namentlich auch darüber, inwieweit er später die
nicht ganz gleichartigen Wirkungen der verschiedenen toxischen Kom¬
ponenten seiner Urinreste festzustellen und auseinander zu halten imstande
gewesen ist.
Diese meine Erwartung ist noch nicht in Erfüllung gegangen.
Pfeiffer hat es vielmehr vorgezogen, zunächst nur dem Auftreten agglu¬
tinierender Stoffe seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und diese des ge¬
naueren zu untersuchen. Nur zum Schluß seiner Arbeit erwähnt er noch
kurz meine Befunde über die Bildung giftiger mit meinem Ermüdungs¬
toxin identifizierter Antigene.
Ich war erstaunt, daß mein Name und meine Untersuchungen in
Beziehung gebracht wurden zu Studien über Harnagglutinine, da ich in
meinen Arbeiten doch nirgends auch nur angedeutet habe, daß dem tun¬
lichst rein dargestellten Eiweißabspaltungsantigen von Ermüdungstoxin¬
charakter Hämagglutinin Wirkung zukomme. Auch bin ich geneigt, die
Harnagglutinine Pfeiffers für einen nur geringen und unwesentlichen
Teil von Beimischungen zu halten, die neben dem schwer dialysablen
Hauptbestandteil, dem toxischen Eiweißabspaltungsantigen von Ermüdungs¬
toxincharakter, in dem Urinrest sich vorfanden bzw. bildeten.
Übrigens, was Pfeiffer von meiner Methodik übernommen hat, ist
der Versuch durch Erschütterung schwer dialysabler Verbindungen Stoffe
von Antigencharakter herzustellen. Das ist ihm aber scheinbar nicht voll¬
kommen gelungen, vielleicht weil er mit nicht genügend reinen Stoffen
gearbeitet hat, in denen der Antigencharakter gewisser Bestandteile durch
andere Nebenbestandteile ganz oder teilweise verdeckt war.
Ich selbst habe meine antigenhaltigen Präparate stets möglichst von
Nebenbestandteilen zu befreien gesucht. Bei allen derartigen Arbeiten ist
es ja üblich, mit Hilfe von Antigenen zugehörige Antikörper zu gewinnen
und umgekehrt mittels dieser Antikörper wiederum die Antigene genauer
zu charakterisieren.
Auch Pfeiffer hat einige Versuche angestellt, die darauf abzielten,
die Antigennatur seiner Hämagglutinine sicher zu stellen. Er behandelte
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
502
Wolf gang Weichabdt:
Kaninchen mit dem Urinrest; aber er vermochte, wie er angibt, gegen
Hämagglutinine Antikörper nicht zu erzielen.
Was die hierbei entstandenen Antikörper gegen die toxischen Kom¬
ponenten des injizierten Urinrestes betrifft, so ist Pfeiffer offenbar zu
voller Klarheit über dieselben nicht recht gekommen; denn obschon er
einerseits behauptet, er habe Immunisierungsprodukte durch Vorbehandlung
von Kaninchen mit dem aktiven Urinrest überhaupt nicht erhalten, so
äußert er sich betreffs meiner Versuche doch wörtlich so: „Es mag sein,
daß es sich dort und hier um prinzipiell denselben Vorgang handelt“
Zweifellos gibt er damit aber zu, daß in seinem Urinrest möglicher¬
weise doch Antigene sind. Dann aber besteht ein Widerspruch; denn
mangels aller Immunisierungsprodukte der mit dem Urinrest injizierten
Tiere kann dieser Urinrest doch als antigenhaltig nicht gelten!
Sollten nicht doch vielleicht Andeutungen oder schwankende Anhalts¬
punkte für den Antigencharakter wenigstens von einem der Teilgifte des
Rückstandsgemisches auch bei den Pfeifferschen Injektionsversuchen
aufgetreten sein?
Für diese Annahme spricht namentlich der Umstand, daß, wie schon
oben erwähnt, unter den biologischen Wirkungen des Urinrestes solche in
den Vordergrund traten, die durch das Eiweißabspaltungsantigen von
Ermüdungstoxincharakter veranlaßt werden: Depression, Mattigkeit, ver¬
langsamte Atmung und eine tagelange Agonie, die in den exitus unfrr
Respirationsstillstand überging.
Allerdings fehlt bei Pfeiffers Beschreibung das von mir stets ganz
besonders betonte Symptom des charakteristischen Absturzes der Körper¬
temperatur der mit dem Eiweißabspaltungsantigen injizierten Tiere, welches
Symptom nach kurzer Latenzzeit stets eintritt, während hei den mit dem
spezifischen Antikörper geschützten, genau ebenso injizierten Kontroll-
tieren ein erheblicher Temperaturabfall nicht beobachtet wird.
Außer den geschilderten Erscheinungen traten bei den Versuchs¬
mäusen Pfeiffers allerdings auch tonisch-klonische Krämpfe auf, die
nicht zum Symptomenkomplex der Eiweißabspaltungsantigenwirbungen ge¬
hören. Hieraus erhellt aber, daß Pfeiffer mit einem Gemisch toxischer
Substanzen gearbeitet hat.
Den Beimischungen ist es nun sicherlich zuzuschreiben, daß Pfeiffer
über den Antigencharakter der Bestandteile seines Urinrestes nicht voll¬
kommen ins Klare gekommen ist; denn nach meiner Erfahrung sind ge¬
rade derartige, oft deletäre Zumischuugen bzw. Verunreinigungen nur zu
sehr geeignet, den Antigencharakter eines gleichzeitig vorhandenen Toxins
mehr oder weniger zu verdecken.
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Original frum
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
Bemerkungen zu Pfeiffers Arbeit.
503
Damm ist auch von mir ganz besonders hervorgehoben worden, daß
alle von dem spezifischen Antikörper des Eiweißabspaltungsantigens von
Ermüdungstoxincharakter nicht beeinflußbaren anderweitigen Komponenten
aufs sorgfältigste, wenn möglich zunächst weggeschaift, oder falls das
nicht tunlich, durch geeignete Dosierung 1 deren Wirkungen ausgeschaltet
werden.
Nur bei Injektion von ganz reinem Eiweißabspaltungsantigen von Er¬
müdungstoxincharakter ist man in der Lage sicher zu zeigen, daß über¬
raschend geringe Mengen des spezifischen Antikörpers, vorher per os ge¬
geben, die Wirkung selbst hoher Dosen des subkutan einverleibten Toxins
glatt auf heben.
Dieser spezifische Antikörper, den ich sowohl durch Injektion mit
Eiweißabspaltungsantigen, als auch durch chemische Erschütterung von
Eiweiß bei Siedehitze in vitro herzustellen vermochte, ist seinerseits
wieder in vorzüglicher Weise geeignet, in Toxingemischen das Eiwei߬
abspaltungsantigen von Ermüdungstoxincharakter zu bestimmen.
In manchen derartigen Fällen tritt die interessante Erscheinung ein,
daß nur die mit Antitoxin geschützten Tiere die Wirkung der deletären
Komponenten des Toxingemisches, besonders des krampferzeugenden, er¬
kennen lassen. Die nicht vorbehandelten, durch Antitoxin nicht ge¬
schützten Tiere werden von Krämpfen nicht befallen, sondern stehen
lediglich unter der Wirkung des Eiweißabspaltungsantigens von Er¬
müdungstoxincharakter, der weniger deletären Komponenten des Gift¬
gemisches. In solchen Fällen sind also — gemäß der Ehrlich sehen
Vorstellung — die lebenswichtigen Nervenzentren mit dem nicht allzu¬
gefährlichen Eiweißabspaltungsautigen besetzt. Diese Zentren sind für
die schädlicheren Krampfgifte gewissermaßen verstopft.
In dieser Weise kann es Vorkommen, daß ein Toxin, hier also
das Eiweißabspaltungsantigen, geradezu schützend wirkt. So habe ich
selbst es bei Verwendung von Toxingemischen wiederholt gesehen, daß
die mit dem spezifischen Antikörper gegen das Eiweißabspaltungsantigen
gut geschützten Versuchstiere gerade deshalb zugrunde gingen, weil das
Eiweißabspaltungsautigen durch das Antitoxin abgefangen wurde und zu
den lebenswichtigen Zellen nicht gelangen konnte, so daß diese für das
tödliche Krampfgift offen blieben. Die gegen das Eiweißabspaltungsantigen
nicht geschützten, also die nicht vorbehandelten Mäuse waren dagegen
gegen die tödliche Wirkung des krampferzeugenden Giftkomponenten durch
1 Es ist dann nötig, die bestimmte Latenzzeit des Eiweißabspaltungsantigens
von Ermüdungstoxincharakter zu benutzen. Vgl. Centralblatt für Bakteriologie.
1907. Abt. I. Org. Bd. XLIV. S. 72.
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504 W oilFGang Wkichakdt: Bemerkungen zu Pfeiffers Arb eit.
das die Nervenzentren schnell besetzende — verstopfende —, in mäßiger
Dosis nicht tödliche Eiweißabspaltungsantigen geschützt worden. Sie er¬
halten sich nach langdauernder Somnolenz, ohne in Krämpfe zu verfallen.
Solchen Versuchen mit Giftgemischen oder unreinem Eiweißab¬
spaltungsantigen gegenüber stehen die Versuche mit reinem Ermüdungs¬
toxin. Diese verlaufen normal, d. h. also, es werden nur die unvorbe¬
handelten Versuchstiere nach Injektion von Eiweißabspaltungsantigen
schwer affiziert — soporös — die mit dem spezifischen Antikörper vorher
gefütterten bleiben intakt.
Nach wiederholten Injektionen mit dem Eiweißabspaltungsantigen von
Ermüdungstoxincharakter — sowohl mit dem durch Ermüdung erzeugten,
als auch mit solchem in vitro durch Eiweißerschütterung hergestellten —
erlangt das Blutserum größerer Tiere einen gewissen Antikörpergehalt
gegen das Ermüdungstoxin. Jedoch ist, wie ich wiederholt habe nach-
weisen können 1 , die Anreicherung des spezifischen Antikörpers nur eine
mäßige, weil er nach seiner Bildung größtenteils immer wieder schnell
ausgeschieden wird. Hochwertige Antikörperpräparate gegen das in Rede
stehende Antigen sind also mit Hilfe der üblichen Injektionsmethodik
nicht zu erlangen. Zwar vermag man, auf Grund der Eigenschaften
unseres Antikörpers, durch Dialysieren des Antiserums und Verdunsten
des Dialysatwassers, in welches der Antikörper mit den Salzen des Serums
übergeht, sowie Ausziehen des Verdunstungsrestes mit Azeton, diesen
Antikörper in den Präparaten noch etwas anzureichem, aber es ist diese
Methode sehr kompliziert und führt zu nur überaus geringer Ausbeute.
Doch es hat sich, wie schon oben angedeutet, herausgestellt, daß zur
Erzeugung des Antikörpers der Tierkörper nunmehr ganz entbehrlich ist
Denn es gelingt leicht, ihn in vitro durch chemische Erschütterung von
Eiweiß bei Siedhitze abzuspalten, ihn durch Dialyse von den schwer dia-
lysablen Rückständen zu trennen und durch Eindampfen des Dialysat¬
wassers im Vakuum und Ausziehen des Abdampfrestes mittels wasser¬
freien Azetons weiter zu reinigen und zu konzentrieren.
Es ist nun, wie aus vorstehendem hervorgehen dürfte, eine für ge¬
übte Serologen relativ nicht allzu schwierige Aufgabe, mittels dieses
Antikörpers den sicheren Nachweis zu erbringen, daß in dem durch Dia¬
lyse von Salzen und sonstigen leicht dialysablen Bestandteilen befreiten
Urinreste in der Tat stets ein Antigen vorhanden ist — das Eiwei߬
abspaltungsantigen von Ermüdungstoxincharakter.
1 A. a. o.
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Bemerkungen
zu der vorstehenden Kritik Herrn W. Weichardts.
Von
Privatdozent Dr. Hermann Pfeiffer.
Es ist immer eine mißliche Sache, an einer Arbeit ohne einschlägige
Versuche Kritik zu üben. Ich sehe mich nun leider genötigt, der vor¬
stehenden, ganz unbegründeten Kritik Hrn. Weichardts, den ich als
hochverdienten Forscher persönlich hochschätze, diesen Vorwurf zu machen.
Und das aus folgenden Gründen:
1. Weichardt identifiziert meine bei normalen Harnrückständen (R.)
beschriebenen Giftbefunde rein nach der Ähnlichkeit des im Mäuseversuche
erzeugbaren Symptomenkomplexes mit dem von ihm entdeckten Ermüdungs¬
toxin. Dazu muß bemerkt werden, daß, wie Weichardt selbst anführt,
diese Ähnlichkeit nicht einmal eine weitgehende ist, sondern die Krank¬
heitsbilder sich wesentlich voneinander unterscheiden. Bei dieser auf
Versuche mit Hamrückständen nicht gestützten Identifizierung über¬
sieht er aber eine Reihe ganz präziser und wiederholt von mir ge¬
machter Angaben über die Grundeigenschaften des giftigen Harnprinzipes,
aus denen mit Sicherheit zu entnehmen gewesen wäre, daß es sich dabei
um verschiedene Dinge handelt: a) Das Ermüdungstoxin ist von einer
Labilität, die nach Angaben Weichardts jener der Serumkomplemente
entspricht. Innerhalb weniger Tage wird es ungiftig, Erwärmen auf 52°C.
zerstört es innerhalb kurzer Zeit. Die R. zeigen, was ihre allgemein¬
toxischen und nekrotisierenden Wirkungen anlangt, eine weitaus höhere
Stabilität. Erhitzen während 6 Stunden auf dem Wasserbade vermochte
zwar die lokale, nicht aber die allgemeine Giftwirkung aufzuheben.
Toxische R. bleiben auch ohne besondere Kautele wochenlang wirksam
(Arbeit 1906, S. 442). b) Das Ermüdungstoxin ist schwer dialysabel, was
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506
Hermann Pfeiffer:
ja seiner Antigennatur entspricht, die allgemein toxische und nekrotisierende
Komponente der R. hingegen dialysieren, was schon von vornherein an
der Antigennatur dieser Körper Zweifel erwecken mnßte (Arbeit 1906, S.448).
c) Das Ermüdungstoxin erzeugt im Organismus einen Antikörper, während
ich bei zahlreichen Immunisierungsversuchen mit meinen R. niemals Anti¬
körper nachzuweisen in der Lage war. Wenn Weichardt diese negativen
Resultate auf die dem Ermüdungstoiin beigemischten Harnsalze zurück¬
führt, und trotz aller Differenzpunkte an der Identität beider Körper fest¬
hält, so ist diese Annahme willkürlich. Viel naheliegender ist der von mir
allerdings unter Vorbehalt gezogene Schluß gewesen, daß es sich bei den
in den R. Vorgefundenen Giftwirkungen eben nicht um Antigene handelt
Diese drei wichtigsten Differenzen beider Körper seien hier allein angeführt
da die Knappheit des zu Gebote stehenden Raumes eine Erörterung auch
anderer Differenzpunkte verbietet. Sie allein gestatten aber schon den
sicheren Schloß, daß die Grundvoraussetzung der Weichardtschen Kritik
— die Identität der Substanzen! — hinfällig ist. Ich möchte hier übrigens
Hrn. Weichardt an ein im Anschluß an meinen Breslauer Vortrag (1904)
über die Ätiologie des Verbrühungstodes geführtes Privatgespräch erinnern,
in dem von der Möglichkeit der Identität der damals erst im Harne Ver¬
brannter, jetzt aber auch in Rückständen Gesunder in Spuren sich finden¬
den Körper mit dem Ermüdungstoxin die Rede war. In Hinblick auf die
weitgehenden Differenzen in der Labilität beider hat damals Weichardt
selbst die Möglichkeit einer Identifizierung strikte zurückgewiesen. An
den Tatsachen hat sich aber inzwischen nichts geändert.
2. Wenn sich Weichardt verwundert, daß ich in meiner zweiten
Mitteilung (1907) nicht die dialysablen Harnbestandteile verfolgte, sondern
die schwerdialysable, labile, durch Erythrozyten abzusättigende, agglu¬
tinierende Komponente, so muß vor allem darauf hingewiesen werden,
daß die Wahl eines Arbeitsthemas doch Sache eines Autors bleiben muß!
Diese Wahl hatte aber außerdem ein durchsichtiges Motiv: Die Eigen¬
schaften des Agglutinines erweckten damals tatsächlich die Hoffnung, ein
Antigen in Händen zu haben, dessen genaueres Studium ein höheres
praktisches und theoretisches Interesse erwecken mußte, als jenes von
Körpern, deren Antigennatur schon auf Grund ihrer bisher aufgedeckten
Eigenschaften als äußerst zweifelhaft angesehen werden mnßte.
3. Wenn Hr. Weichardt von meiner zweiten Mitteilung erwartete,
ich werde in ihr zeigen, wie es mir gelungen sei, die verschiedenen
toxischen Prinzipien der R. auseinander zu halten, so habe ich das des¬
halb unterlassen, weil präzise Angaben darüber schon in meiner ersten
Arbeit gemacht wurden. Sie seien hier wiederholt: Die Isolierung des
schwerdialysablen Agglutinins von den anderen Komponenten gelingt, wie
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Erwiderung.
507
unter anderem aus Tabelle IX hervorgeht, durch Dialyse, die Trennung
der dialysablen, stabilen anderen Komponenten durch Erhitzen auf dem
Wasserbade bei 80° (Tabelle II und III).
4. Hr. Weichardt erstaunt, „wie sein Name und seine Unter¬
suchungen in Beziehungen gebracht werden konnten mit Studien über
ein Hämagglutinin“. Dazu veranlaßt« mich die eigentümliche Erscheinung,
daß neutralisierter, sonst aber unveränderter Harn den Erythrozyten gegen¬
über völlig indifferent sich verhält, nach seiner vorsichtigen Vorbehandlung
im Vakuum aber intensive agglutinierende, auf einen schwerdialysablen,
thermolabilen Körper zurückführende Eigenschaften gewinnt. Es war nun
gezeigt worden, daß diese merkwürdige Tatsache nicht erklärt werden
könne durch die Zerstörung eines primär im Harne vorhandenen, bei der
Darstellung zugrunde gehenden, hemmenden Körpers, daß sie nicht be¬
dingt sein konnte durch den Übergang anorganischer Salze oder freier
Säuren in den kolloidalen Zustand (Landsteiner!), wohl aber daß sie
verursacht werde durch Umlagerungen im Molekül einer a priori schwer¬
dialysablen, indifferenten Substanz, die erst durch die Eingriffe ihre aus¬
schließlich agglutinierenden Eigenschaften erhielt, ohne selbst in großen
Dosen im Tierversuche schädliche Wirkungen zu äußern. Diesen Tat¬
sachen gegenüber suchte ich in der Literatur nach Angaben, ob denn
schon das Auftreten bestimmter toxischer Eigenschaften in ungiftigen
Lösungen beobachtet worden war. In gewisser Hinsicht fand sich in
Weichardts so schönen Ermüdungstoxinstudien ein Analogon insofern,
als er durch verschiedenartige Erschütterungen des Eiweißmoleküls giftige
Produkte von Antigencharakter, wenn auch dem Agglutinin gegenüber
von ganz verschiedener Wirkung, gewinnen konnte. In Kenntnis dieser
Resultate wies ich in meiner Arbeit darauf hin, daß vielleicht, was die
Genese anlangt, hier wie dort ein und derselbe Vorgang zugrunde liege.
Doch war ich mir, wie aus dem Inhalte meiner Arbeiten hervorgeht, schon
damals dessen wohl bewußt, daß beide Produkte, ein Agglutinin ohne
sonstige Giftwirkung hier, ein echtes Toxin ohne agglutinierende Fähig¬
keiten dort, voneinander grundverschieden seien. Wenn Hr. Weichardt in
seiner Kritik, ohne auf einschlägige Versuche hinweisen zu können, dieses
Agglutinin als „einen nur geringen und unwesentlichen Teil der Bei¬
mischung“ erklärt, so kann ich ihm, solange er nicht über eingehende
Studien mit diesem Körper verfügt, ein Urteil darüber nicht zuerkennen.
Ich bin vielmehr auf Grund mehrjähriger experimenteller Arbeit zu der
Überzeugung gekommen, daß man es hier mit einem in theoretischer
Hinsicht äußerst interessierenden, in mancher Beziehung den Antigenen
nahestehenden Körper zu tun hat. Gegen ihn Immunisieruugsprodukte
zu erlangen, ist mir auch bis heute leider noch nicht gelungen.
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Hebmann Pfeiffeb: Erwiderung.
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5. Wie Hr. Weichardt aus diesen meinen so dezidierten, mit seinen
Befanden so kraß differierenden Angaben den Schluß ziehen kann, ich
habe dennoch sein Ermüdungstoxin in Händen gehabt, ist mir völlig un¬
verständlich. Ich hätte auch auf seine unbegründete Kritik hier nicht
erwidert, ihre Beurteilung vielmehr ruhig dem Urteile der Fachgenossen
überlassen können, wenn nicht der Tenor seiner Ausführungen darauf
hinzielte, daß ich mich mit fremden Federn habe schmücken wollen.
Das muß ich nun auf das allerenergischeste zurückweisen.
Alle bisher über die Giftigkeit der Harnrückstände erhobenen Tatsachen
drängen vielmehr zn der Schlußfolgerung: a) Daß sie bedingt sei durch
mindestens drei Körper, die sich teils durch Dialyse, teils durch thermische
Eingriffe und durch das Tierexperiment unterscheiden lassen; b) daß die
in Rede stehenden Giftwirkungen sicherlich nicht zurückgeführt werden
dürfen auf das Ermüdungstoxin Weichardts. Viel wahrscheinlicher ist
es der heutigen Erfahrung nach, daß vielleicht eine Identifizierung mit
den von Kutscher und seinen Mitarbeitern mittlerweile aus dem Ham
isolierten toxischen Basen experimentell gelingen werde. Diesbezügliche
Versuche stehen derzeit noch aus.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LVII.
K. Zettnow phot.
Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LVII
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Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig.
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Tafel III
Zeitschrift für Hygiene. Bd. LVII.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LVD
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13. Vi. 15.
Tafel VI.
16.
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Zeitschrift für Hygiene. Bd. LVII.
Tafel VII.
Fig. 2.
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Verlag von VKIT & COMP, in Leipzig.
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